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German Pages 309 Year 2006
Axel V. Werder/Harald Stober/Jens Grundei (Hrsg.) Organisations-Controlling
Axel V. Werder/Harald Stober/ Jens Grundei (Hrsg.)
OrganisationsControlling Konzepte und Praxisbeispiele
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Prof. Dr. Axel v. Werder ist Inhaber des Lehrstuhls fur Organisation und Unternehmensfuhrung an der Technischen Universitat Berlin und Leiter des Berlin Center of Corporate Governance (BCCG). Er ist ferner Mitherausgeber der Zeitschrift „Organization Science" sowie Leiter des Arbeitskreises „Organisation" der Schmalenbach-Gesellschaft. Dipi.-lng. DIpl.-Wirtsch.-lng. Haraid Stober ist Vorsitzender des Vorstands der Arcor AG & Co. KG und Leiter des Arbeitskreises „Organisation" der Schmalenbach-Gesellschaft. PD Dr. Jens Grundei ist Privatdozent an der Technischen Universitat Berlin.
1. Auflage Juli 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr.Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike Lorcher / Walburga Himmel Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlieftlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auf^erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulasslg und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dijrften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss-Offsetdruck, Morlenbach Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0253-5 ISBN-13 978-3-8349-0253-5
I Vorwort Im Jahr 2000 hat der Arbeitskreis ^Organisation" der Schmalenbach-Gesellschaft fiir Betriebswirtschaft e.V. eine umfassende Untersuchung der Organisationsarbeit vorgelegt. Unter dem Titel „Organisationsmanagement - Neuorientierung der Organisationsarbeit" ging es seinerzeit um die verschiedenen Erscheinungsformen, die Veranderungen und die Organisation der Organisationsfunktion in der Praxis. In seinem jiingsten Projekt hat sich der Arbeitskreis ^Organisation" abermals den Grundlagen der Organisationsarbeit gewidmet. Ankniipfungspunkt hierfiir war der Eindruck, dass - im Gegensatz zur Konzipierung und Implementierung neuer Organisationsstrukturen - die Frage einer systematischen Uberwachung der tatsachlichen Realisierung der verfolgten Reorganisationsziele bislang weder in der Praxis noch in der Theorie eine hinreichende Aufmerksamkeit erfahren hat. Vielmehr steht die Auseinandersetzung mit einem ^Organisations-Controlling" noch ganz am Anfang. Ein solches Organisations-Controlling erfiillt gleichwohl wichtige Funktionen im Rahmen des Organisationsmanagements. Es soil sicherstellen, dass organisatorische Regelungen wie vorgesehen eingehalten werden und rechtlichen Standards entsprechen (Conformance-Controlling) und dass die Organisationsformen effizient sind (Performance-Controlling). Die Gewahrleistung von Ordnungsmafiigkeit und Zweckmafiigkeit der Organisation erfordert die Nachverfolgung durchgefiihrter Reorganisationen (Follow-up) ebenso wie die proaktive Uberpriifung bestehender Strukturen (Check-up). Damit sind im Detail komplexe Probleme angesprochen, wobei ein Schwerpunkt darin liegt, den Nutzen von Organisationslosungen adaquat abzubilden. Der Arbeitskreis folgt auch in der vorliegenden Veroffentlichung seinem bewahrten Prinzip einer engen Kooperation zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. So werden zunachst in drei konzeptionellen Beitragen grundlegende Fragen und Konzepte eines Organisations-Controllings erortert. Vor diesem Hintergrund werden in den Fallbeispielen aus der Praxis der im Arbeitskreis vertretenen Unternehmen sodann konkrete Losungsansatze und Anwendungsfalle aufgezeigt. Einen raschen Zugang zu zentralen Erkenntnissen aus der durchgefiihrten Untersuchung liefern zum einen die einleitenden „Thesen zum Organisations-Controlling" und zum anderen die abschliefienden „Lessons Learned". An diesem Band haben zahlreiche Personen mitgewirkt, denen die Herausgeber Ihren aufrichtigen Dank aussprechen mochten. Insbesondere danken wir alien Autoren aus der Untemehmenspraxis und der Wissenschaft sehr herzlich fiir ihre Mitwirkung und die fristgerechte Abfassung Ihrer Beitrage. Unser Dank gilt ferner Frau cand. rer. oec. Kristina Klaar, Technische Universitat Berlin, fiir die engagierte Unterstlitzung bei der
Vorv/ort
Besorgung der redaktionellen Arbeiten. Schliefilich danken wir dem Gabler-Verlag fiir Aufnahme in das Verlagsprogramm und die angenehme Kooperation bei der Drucklegung.
Berlin und Eschbom, im Mai 2006
Axel V. Werder
VI
Harald Stober
Jens Grundei
I Inhaltsverzeichnis
A.
B.
Thesen
1
Thesen zum Organisations-Controlling Arbeitskreis „Organisation''
3
Theoretische Grundlagen Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-Controllings Axel V. Werder / Jens Grundei
C.
13 15
Messung des Organisationserfolgs Thomas Mellewigt I Carolin Decker
51
Controlling von Reorganisationsprojekten Wilfried Kruger
83
Praxisbeispiele
133
Sarbanes-Oxley Act und Six Sigma als Instrumente des Prozess-Controllings bei der AXA Konzern AG Thomas Michels I Anna Krzeminska 135 Organisations-Controlling bei Bayer Ludger Becker I Till Talaulicar
153
Organisations-Controlling bei der Deutschen Bahn AG Wolfgang Weinhold I Volker Hddrich I Norbert Bach
169
Compliance-Controlling bei IBM am Beispiel des Sarbanes-Oxley Act Peter Heydkamp I Olivia Ostrowski
187
Priifung von Organisationsstrukturen bei der Lufthansa AG Armin Kostner / Joachim Kraft-Christoffel / Talip T. Yenal
207
Entw^icklung einer strategiefokussierten Organisation: ReorganisationsControlling bei der SAP AG Thomas Vetter I Timmo A. Sturm I Thorsten Petry
223
Priifung von Organisationsstrukturen bei Siemens Wolfgang Suske I Jens Grundei
247
VII
Inhaltsverzekhnis
D.
Organisations-Controlling am Beispiel des Wertsteigerungsprogramms „ThyssenKrupp best" Jiirgen Claassen
265
Organisations-Controlling im Volkswagen-Konzem Elke Hobel I Jens Grundei
285
Lessons Learned
299
Organisations-Controlling: Lessons Learned Wilfried Kriiger / Axel V. Werder / Jens Grundei
VIII
301
I Autorenverzeichnis
Norbert Bach
Dr., wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universitat Giefien
Ludger Becker
Leiter Corporate Organization bei der Bayer AG
Jurgen Claassen
Dr., Generalbevollmachtigter der ThyssenKrupp AG, Leiter des Zentralbereiches Communications and Strategy
Carolin Decker
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fiir Organisation und Unternehmensflihrung, insbesondere Medienwirtschaft an der Universitat Paderbom
Jens Grundei
PD Dr., Privatdozent an der Technischen Universitat Berlin
Volker Hddrich
Deutsche Bahn AG, Infrastruktur und Dienstleistungen, Leiter Geschaftsentwicklung, Programmmanagement
Peter Heydkamp
Business Controls Europe, IBM Deutschland GmbH
Elke Hobel
Leiterin Organisationsgestaltung Konzern, Volkswagen AG
Armin Kostner
Konzernstrategie, Deutsche Lufthansa AG
Joachim Kraft-Christojfel Konzernstrategie, Deutsche Lufthansa AG Wilfried Kriiger
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Unternehmungsfiihrung und Organisation an der Justus-Liebig-Universitat Giefien
Anna Krzeminska
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fiir Organisation und Unternehmensfiihrung, insbesondere Medienwirtschaft an der Universitat Paderbom
Thomas Mellewigt
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Organisation und Unternehmensfiihrung, insbesondere Medienwirtschaft an der Universitat Paderborn
Thomas Michels
Mitglied des Vorstands bei der AXA Krankenversicherung AG
Olivia Ostrowski
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fiir Unternehmungsfiihrung und Organisation an der Justus-LiebigUniversitat Giefien
IX
Autorenverzeichnis
Thorsten Petty
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fiir Unternehmungsfiihrung und Organisation an der Justus-Liebig-Universitat Giefien
Timmo A. Sturm
Vice President, Corporate Strategy Management, SAP AG
Wolfgang Suske
Corporate Finance Spiridon, Siemens AG
Till Talaulicar
Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre - Organisation und Untemehmensfiihrung an der Technischen Universitat Berlin
Thomas Vetter
Dr., Vice President, Research & Breakthrough Innovation, SAP AG
Wolfgang Weinhold
Dr., Leiter Netzmanagement (P.TVN 3), DB Fernverkehr AG
Axel V. Werder
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Betriebswirtschaftslehre - Organisation und Untemehmensfiihrung an der Technischen Universitat Berlin
Talip T Yenal
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fiir Betriebswirtschaftslehre - Organisation und Untemehmensfiihrung an der Technischen Universitat Berlin
I Mitglleder des Arbeitskreises ^Organisation'*
Ludger Becker
Leiter Corporate Organization bei der Bayer AG
Jurgen Claassen
Dr., Generalbevollmachtigter der ThyssenKrupp AG, Leiter des Zentralbereiches Communications and Strategy
Georg Denoke
Linde AG, Gas and Engineering, CFO Linde Gas, Member of the Operational Board
Jens Grundei
PD Dr., Privatdozent an der Technischen Universitat Berlin
Volker Hadrich
Deutsche Bahn AG, Infrastruktur und Dienstleistungen, Leiter Geschaftsentwicklung, Programmmanagement
Manfred Hermes
Geschaftsfiihrer, RWE Systems Consulting GmbH
Elke Hobel
Leiterin Organisationsgestaltung Konzern, Volkswagen AG
Joachim Kraft-Ghristojfel Konzernstrategie, Deutsche Lufthansa AG Wilfried Kriiger
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Unternehmungsfiihrung und Organisation an der Justus-Liebig-Universitat Giefien
Thomas Mellewigt
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Organisation und Unternehmensfiihrung, insbesondere Medienwirtschaft an der Universitat Paderbom
Thomas Michels
Mitglied des Vorstands bei der AXA Krankenversicherung AG
Sabine Miiller
Abteilungsleiterin Konzemorganisation, Deutsche Post AG
Otto Senghas
Leiter S&D Finance, IBM Central Holding GmbH
Harald Stober
Vorsitzender des Vorstands, Arcor AG & Co. KG (Arbeitskreisleiter)
Wolfgang Suske
Corporate Finance Spiridon, Siemens AG
Thomas Vetter
Dr., Vice President, Research & Breakthrough Innovation, SAP AG
Axel V. Werder
Reiner Zorbach
Prof. Dr., Inhaber des Lehrstuhls fiir Betriebswirtschaftslehre - Organisation und Unternehmensfiihrung an der Technischen Universitat Berlin (Arbeitskreisleiter) Chief Operating Officer, Dresdner Bank AG
XI
TeilA Thesen
Arbeitskreis ^Organisation''
Thesen zum Organisations-Controlling
1
Beim Organisations-Controlling handelt es sich um einen zentralen, bislang jedoch oft vernachlassigten Baustein des Organisationsmanagements 5
2
Das Organisations-Controlling umfasst mehrere Teilschritte, deren sorgfaltige Durchfiihrung im Ergebnis zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Organisation fiihren kann
6
Die Messung des Organisationserfolgs ist Teil des Organisations-Controllings, speziell des Performance-Controllings, und besteht aus den Dimensionen Effektivitat und Effizienz
7
3
4
Erfolgsmessung ist der Prozess der Quantifizierung der Effizienz und Effektivitat einer Mafinahme und erfolgt mittels quantitativer und qualitativer Kennzahlen 8
5
Dem Reorganisations-Controlling ist eine wachsende Bedeutung, aber ein steigerungsfahiger Reifegrad zu attestieren
9
Prozesskosten dienen als Ansatz zum kostenorientierten ReorganisationsControlling
9
6 7
Kostensenkung bzw. Mangelbeseitigung markieren den Nutzen von operativen Reorganisationen 10
8
Der Nutzen strategischer Reorganisationen besteht in der Gewinnung von Realoptionen
10
Projekte zum Aufbau organisatorischer Fahigkeiten tragen zur Sicherung der Zukunftsfahigkeit von Untemehmungen bei
11
9
10 Die Erfiillung der Aufgaben des Organisations-Controllings bedarf seinerseits einer effizienten Organisation
11
Thesen zum Organisations-ControUins
Beim Organisations-Controlling handelt es sich um einen zentralen, bislang jedoch oft vernachlassigten Baustein des Organisationsmanagements. Die wettbewerbsrelevante Bedeutung von Organisationsstrukturen hat in den letzten Jahren zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Konzipierung und Implementierung effizienter Organisationsformen geflihrt. Die kritische Beurteilung der Zweckmafiigkeit der etablierten bzw. reorganisierten Organisationsstrukturen und -prozesse markiert einen ebenso wichtigen Teil des Organisationsmanagennents, wurde bislang gleichwohl in Theorie und Praxis vemachlassigt. Unter dem Begriff OrganisationsControlling werden in dem vorliegenden Band samtliche Aktivitaten zusammengefasst, die einer systematischen Uberprtifung von Istgrofien der organisatorischen Gestaltung anhand von Sollmafistaben dienen, auch wenn diese in der Unternehmenspraxis bislang noch nicht bereits explizit als Organisations-Controlling bezeichnet werden. Mit dem Organisations-Controlling soil sichergestellt werden, dass Organisationsformen effizient sind (Performance-Controlling) und dass sie rechtlichen Standards entsprechen und wie vorgesehen eingehalten werden (ConformanceControlling). Zu diesem Zweck ist zum einen zu iiberpriifen, ob Organisationsformen nach einer Reorganisation die Performance- und Conformance-Ziele erfiillen (Followup). Zum anderen sind aber auch die existierenden Organisationsstrukturen und -prozesse proaktiv danach zu bewerten, ob sie entsprechenden Standards geniigen (Check-up). Neben der Steigerung der Effizienz und der Sicherung der Conformance tragt ein Organisations-Controlling auch dazu bei, aktuellen Stromungen kritisch zu begegnen und somit als ,Feind der Organisationsmoden' eigentlich unangebrachte Umstrukturierungen zu vermeiden.
Arbeitskreis „Orsanisation"
Das Organisations-Controlling umfasst mehrere Teilschritte, deren sorgfaltige DurchfUhrung im Ergebnis zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Organisation fUhren kann. Das Organisations-Controlling umfasst im Einzelnen die Auswahl des ControUingGegenstands, die Festlegung der Sollmafistabe, die Erhebung des Istzustands sowie die Abweichungsanalyse und die Einleitung von Konsequenzen. Der Gegenstand des Organisations-Controllings besteht zumeist in einem Ausschnitt der Aufbau- und/oder Ablauforganisation oder auch dem Reorganisationsprozess als solchem. Regelmafiig erfolgt die Beurteilung sowohl hinsichtlich Performance als auch Conformance. Mitunter stehen jedoch auch bestimmte Aspekte ganz im Vordergrund (Beispiel: Compliance mit Sarbanes-Oxley-Regelungen). Die Festlegung der Sollmafistabe markiert momentan die grofite Herausforderung des Organisations-Controllings. Wahrend das Conformance-Controlling mit den rechtlichen Vorgaben und den unternehmensspezifischen Organisationsbestimmungen iiber vergleichsweise eindeutige Zielkriterien verfiigt, sieht sich die Bewertung der organisatorischen Effizienz vor grofiere Probleme gestellt. Organisationsbezogenen Indikatoren ist dabei der Vorzug vor allgemeinen Effektivitats- bzw. Effizienzmafien (wie etwa der Profitabilitat eines Bereichs) zu geben, um zum einen den spezifisch organisatorischen Erfolgsbeitrag herauszuarbeiten. Zum anderen ist nur so gewahrleistet, dass auch bereichsiibergreifende Effizienzdefizite bzw. -potenziale erkannt werden, die beim herkommlichen bereichs- oder funktionsbezogenen Controlling leicht aus dem Blick geraten. Anhand der Kriterien kann sodann der organisatorische Istzustand erhoben und auf dieser Grundlage eine Abweichungsanalyse vorgenommen werden. In Abhangigkeit von den festgestellten Ursachen konnen schliefilich Anpassungsmafinahmen eingeleitet werden. Deren Umsetzung sollte wiederum nachgehalten werden, um einen Zyklus des Lernens und der kontinuierlichen Fortentwicklung der Organisation zu erreichen.
Thesen zum Organisations-ControUins
Die Messung des Organisatlonserfolgs 1st Teil des Organisations-Controllings, speziell des Performance-Controllings, und besteht aus den Dimensionen Effektivitat und Effizienz. Organisation als eine betriebliche Teilfunktion ist insofem erfolgskritisch, als ihr die Aufgabe obliegt, die organisatorischen Strukturen und Prozesse eines Unternehmens zielorientiert und zweckmafiig unter Beriicksichtigung diverser Kontextfaktoren, z.B. Strategie, Technologie, rechtliche Bestimmungen und kulturelles Umfeld, zu gestalten. Aufgrund eines uneinheitlichen Begriffsverstandnisses und der Vielzahl an Systemen zur Erfolgsmessung ist ein allgemein giiltiges „Rezept'', wie der Organisationserfolg angemessen mit Hilfe von Indikatoren operationalisiert werden kann, nicht vorhanden. Aus empirischen Studien geht hervor, dass Effektivitat und Effizienz Dimensionen des Organisationserfolgs sind, die getrennt und unabhangig voneinander in unterschiedlicher Gewichtung von Organisationen betont bzw. mit quantitativen und qualitativen Mafien abgebildet werden konnen. Effektivitat wird haufig mit dem Satz „doing the right things'' erklart, um den Zusammenhang einer Mafinahme mit einem vorab definierten Ziel zu verdeutlichen. Demnach bedeutet Effektivitat, dass eine Organisation die richtigen Ziele verfolgt. Effizienz wird oft mit dem Satz „doing things right'' umschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um den Erreichungsgrad eines vorab festgelegten Ziels einer Organisation handelt. Dabei spielen insbesondere die Ressourceneffizienz, d.h. der optimale Einsatz der in der Organisation verfiigbaren Ressourcen, und die Prozesseffizienz, d.h. der optimale Ablauf der Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung, eine Rolle fiir die Organisationsgestaltung. Effizienz bezieht sich somit auf die interne Funktionsweise einer Organisation und wird formal als Verhaltnis von Input zu Output dargestellt. Darin besteht der Hauptunterschied zu Effektivitat: Wahrend Effizienz als Verhaltniszahl abgebildet wird, konzentriert sich die Effektivitatsmessung auf die Messung von Inputs oder Outputs.
Arbeitskreis ..Organisation"
Erfolgsmessung ist der Prozess der Quantlfizlerung der Effizienz und Effektivltat einer MalSnahme und erfolgt mittels quantltativer und qualltativer Kennzahlen. Die Erfolgsmessung besteht aus der Erfassung einer oder mehrerer Kennzahlen, die mit dem Zielsystem der Organisation zusammenhangen. Eine Kennzahl ist ein Indikator fiir die Effizienz und/oder Effektivitat einer organisatorischen Mafinahme. Quantitative Mafie, so z.B. finanzwirtschaftliche Indikatoren wie ROA und ROI sowie Mitarbeiterfluktuation oder die Anzahl der Kundenbeschwerden, lassen sich im Gegensatz zu qualitativen Indikatoren, so z.B. Mitarbeitermotivation oder Kundenzufriedenheit, relativ leicht erheben. Viele Unternehmen verlassen sich auf mehr oder weniger komplexe Systeme zur Erfolgsmessung, um den Erfolg zu steuern, Bereiche zu erkennen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, die Motivation zu steigern, sowie die Kommunikation und die Zurechenbarkeit der Ergebnisse zu verbessern. Systeme zur Erfolgsmessung sollen einen Abgleich mit den strategischen Zielen und den Erfordernissen des Marktes ermoglichen, die effektive Nutzung der Ressourcen der Organisation koordinieren und den Fortschritt im Hinblick auf die Erreichung der vorab definierten strategischen Ziele iiberwachen. Als generelles Raster zur Messung des Organisationserfolgs kann zwischen Kriterien des Konfigurations- und des Motivationserfolgs unterschieden werden. Unter die Rubrik Konfigurationserfolg fallen die Felder Delegations-, Potenzial- und Interdependenzerfolg. Potenzialerfolg bezieht sich auf die Teilfelder Ressourcen- und Marktpotenziale, Interdependenzerfolg auf Organisations- und Bereichskoordination. Der Motivationserfolg umfasst die Felder Leistung und Akzeptanz. Die je Rubrik genannten Indikatoren, wie beispielsweise Lieferzeit als Indikator fiir die Effektivitat und Lagerumschlagshaufigkeit zur Abbildung der Effizienz der Beschaffung sind allerdings nur als Beispiele zur Illustration des Modells zu verstehen, denn zur Messung des Organisationserfolgs existiert eine Vielzahl von Kennzahlen. Diese miissen jeweils auf ein konkret vorliegendes Problem zugeschnitten werden, wobei die Indikatoren je nach Art der untersuchten Organisation, z.B. im Hinblick auf Branche oder Grofie, variieren konnen. Aus der Sicht eines Managementforschers konnen deshalb nur ausgewahlte Beispiele fiir mogliche Indikatoren fiir Teilbereiche des Organisationserfolgs erarbeitet werden.
Thesen zum Organisations-ControUins
Dem Reorganisations-Controlling ist eine wachsende Bedeutung, aber ein steigerungsfahiger Reifegrad zu attestieren. Reorganisationen in ihren unterschiedlichen Formen sind unstrittig von hoher Bedeutung fiir den Unternehmungserfolg. Dies gilt nicht nur fiir die Aufwandseite des Unternehmungsergebnisses, an der eher herkommliche Restrukturierungen ansetzen, sondern mehr noch und verstarkt fiir die Ertragseite. Reorganisationen dienen hier der Umsetzung strategischer Absichten, sollen also zu einer strategiefokussierten Organisation fiihren. Die Bedeutung und der Aufwand derartiger Projekte spiegeln sich allerdings nicht in einem entsprechend hohen Reifegrad des Projektcontrollings wider. So wird vorwiegend nicht der gesamte Lebenszyklus einer Organisationslosung betrachtet, sondern die Bereitstellungsphase von der Erteilung des Projektauftrags bis zur Einfiihrung (Projektcontrolling im engeren Sinne). Den Schwerpunkt der LJberwachung bilden dann Kategorien wie Termintreue und Budgeteinhaltung. Die Erreichung der angestrebten Projektziele im Sinne einer Ergebniskontrolle ist dagegen weniger entwickelt.
Prozesskosten dienen als Ansatz zum kostenorientierten ReorganisationsControlling. Reorganisations-Controlling hat im Kern die Abbildung der monetaren Konsequenzen der Reorganisation zum Gegenstand. Die Aufwandseite von Reorganisationen lasst sich weitgehend unabhangig von der Art des Projektes erfassen. Notwendige Grundlage hierftir bildet eine verallgemeinerte, standardisierte Beschreibung und Regelung des Lebenszyklus einer Organisationslosung und darin enthalten des Ablaufs von Reorganisationsprojekten (Vorgehensmodell) sowie der dabei zu erfiillenden Aufgaben. Entlang dieses Prozesses lassen sich Prozesskosten bestimmen bzw. schatzen.
Arbeitskreis „Or2anisation"
Kostensenkung bzw. MangeIbeseitlgung markieren den Nutzen von operativen Reorganisationen. Die Ertrag- bzw. Nutzenseite von Reorganisationen ist nicht verallgemeinerungsfahig, sondern von den unterschiedlichen Projektzielen abhangig. Hier lassen sich zur differenzierten Betrachtung drei Typen von Projekten unterscheiden: operative und strategische Reorganisationen sowie Projekte zum Aufbau organisatorischer Fahigkeiten. Operative Reorganisationen dienen der Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung. Sie verbessern bei unveranderter Untemehmungsstrategie und Rahmenorganisation vor allem die Kosten-, teilw^eise auch die Leistungszahlen des Tagesgeschafts. Durch eine moglichst prazise Definition der Projektziele und der hierfiir geeigneten Ergebniskennzahlen in der Projektplanung ist die Grundlage fiir die spatere Ergebnisiiberpriifung zu legen.
8
Der Nutzen strategischer Reorganisationen besteht in der Gewinnung von Realoptionen.
Strategische Reorganisationen sollen die Erfolgspotenziale oder die Erfolgspositionen der Unternehmung grundlegend andern, so z.B. der Umbau von Stammhauskonzernen oder M&A- Vorhaben. Solche Projekte haben zw^ar den Charakter von Investitionen, lassen sich aber mit herkommlichen Investitionsrechnungen in aller Regel nicht behandeln, da die hierfiir erforderliche Zurechnung zukiinftiger Einnahmen auf das Projekt nicht mogUch ist. Eine zumindest qualitative Analyse des Reorganisationsnutzens kann sich auf den Ansatz der Realoptionen stiitzen. Strategische Reorganisationsanderungen werden dabei danach beurteilt, welche strategischen Manover (Realoptionen) sich auf ihrer Grundlage zukiinftig durchfiihren lassen.
10
Thesen zum Organisations-Controllins
Projekte zum Aufbau organisatorischer Fahigkelten tragen zur Sicherung der Zukunftsfahigkeit von Unternehmungen bel. Eine besondere Form von Projekten liegt dann vor, wenn Organisationsanderungen dazu dienen, Strukturen und Prozesse der Untemehmung wandlungs- und entwicklungsfahig zu gestalten. Derartige Mafinahmen - z.B. der Aufbau eines Community Managements oder eines Ideenmanagements - erhohen den ,slack' in der Untemehmung und sind insofem auf den ersten Blick gegen den Trend zur Kostensenkung und Verschlankung gerichtet. Ihr Nutzen besteht im Erfolgsfall darin, eigendynamische (emergente) Veranderungen zu ermoglichen und zu kanalisieren, aus denen z.B, Verfahrens- und Produktverbesserungen hervorgehen. Aufgrund des innovativen Charakters der produzierten Ergebnisse lasst sich ihr Nutzen nicht planen, sondern erst im Nachhinein anhand der gev^onnenen und realisierten Ideen einschatzen. Allgemein gesprochen dienen solche Reorganisationen der Entwicklung organisatorischer Fahigkeiten, insbesondere der so genannten dynamischen Fahigkeiten der Untemehmung. Dynamische Fahigkeiten sind gleichbedeutend mit Wandlungs- und Entwicklungsfahigkeiten. In dem Mal^e wie Wandel vom Ausnahme- zum Normalfall w^ird, sind diese Fahigkeiten gleichbedeutend mit der Zukunftsfahigkeit einer Unternehmung; ein Nutzen, der schlechterdings nicht iiberschatzt werden kann.
10
Die Erflillung der Aufgaben des Organisations-Controllings bedarf seinerseits einer effizienten Organisation.
Als organisatorische Teilfunktion bedarf auch die Verantwortung fiir das Organisations-Controlling klarer und zweckmafiiger Zustandigkeitsregelungen. Naturgemafi lasst sich (auch) fiir dieses Gestaltungsproblem eine eindeutig iiberlegene Organisationslosung w^eder theoretisch ableiten noch in den bislang implementierten Gestaltungsansatzen der Unternehmenspraxis nachweisen. In der Praxis w^erden Aktivitaten, die dem Organisations-Controlling zuzurechen sind, meist von zahlreichen verschiedenen Einheiten jev^eils teilvs^eise verantv^ortet. Angesichts der grofien Bedeutung, die
11
Arbeitskreis „ Organisation **
einem systematischen Organisations-Controlling zukommt, ist gerade in diesen Fallen ein hinreichendes MaiS an Koordination der einzelnen Organisations-ControllingAktivitaten sicherzustellen. Hierfiir kommen unterschiedliche Ansatze in Betracht. Prinzipiell diirfte sich insbesondere bei verteilten Zustandigkeiten zumindest die Nutzung einer gemeinsamen Software-Plattform empfehlen. Dariiber hinaus kann es sich anbieten, einer Einheit die Federfiihrung im Organisations-Controlling zu iibertragen. Dabei kommt vor allem den Bereichen Organisation bzw. Interne Revision eine herausgehobene Stellung zu, die sich dann allerdings mitunter auf Performance- bzw. Conformance-Aspekte beschrankt. Interdependenzen zwischen diesen beiden Facetten des Organisations-Controllings bediirfen folglich auch dann der Abstimmung zwischen den beteiligten Einheiten. Der Bildung gesonderter Organisations-ControllingEinheiten kame insoweit der Vorteil zu, giinstige Voraussetzungen fiir ein umfassendes organisationsbezogenes Wissensmanagement zu schaffen.
12
TeilB Theoretische Grundlagen
Axel V. Werder / Jens Grundei
Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-Controllings
Zusammenfassung 1
16
Organisations-Controlling: Vemachlassigter Baustein eines effektiven Organisationsmanagements
17
2
Definition, Ziele und Erscheinungsformen des Organisations-Controllings
19
3
Aufgaben des Organisations-Controllings 3.1 Bestimmung des Controlling-Gegenstands 3.2 Festlegung der Sollmafistabe 3.2.1 Conformance-Controlling 3.2.1.1 Compliance 3.2.1.2 Observance 3.2.2 Performance-Controlling 3.2.2.1 Grundprobleme der Bestimmung der Organisationseffizienz 3.2.2.2 Aufbauorganisation 3.2.2.3 Ablauforganisation 3.2.2.4 Reorganisationsprozess 3.2.2.5 Gewichtung der Kriterien: Strategie-Struktur-Fit 3.3 Erhebung des Istzustands 3.4 Abweichungsanalyse und Konsequenzen
22 23 25 25 26 29 30
4
Organisatorische Verankerung des Organisations-Controllings
37
5
Fazit und Ausblick
43
30 31 32 33 33 34 36
15
Axel V. Werder I Jens Grundei
Zusammenfassung Neben der Konzipierung und der Implementierung von Organisationsstrukturen und -prozessen wurde das Controlling als dritter Baustein des Organisationsmanagements bislang in Theorie und Praxis vemachlassigt. Mit dem Organisations-Controlling werden gleichwohl zwei aufierordentlich bedeutsame Ziele verfolgt. So soil sichergestellt werden, dass organisatorische Regelungen wie vorgesehen eingehalten werden und rechtlichen Standards entsprechen (Conformance-Controlling) und dass die Organisationsformen effizient sind (Performance-Controlling). Ein systematisches Organisations-Controlling muss zunachst den Gegenstand genauer bestimmen, auf den sich die Controllingaktivitaten richten. Sowohl Conformance- als auch PerformanceControlling konnen sich dabei auf mehr oder weniger umfassende Ausschnitte der Aufbau- und der Ablauforganisation oder auch auf den Prozess einer Reorganisation an sich beziehen. Fiir die Durchfiihrung von Soll-Ist-Vergleichen miissen Performancebzw. Conformance-MaEstabe spezifiziert werden. Auf der Grundlage einer Erhebung des Istzustands lassen sich sodann Abweichungsanalysen vornehmen und Anpassungsmafinahmen einleiten. Der Beitrag erortert diese Kernaufgaben eines Organisations-Controllings und stellt im Anschluss daran Uberlegungen zur zweckmafiigen organisatorischen Verankerung dieser Teilfunktion an.
16
Konzeptionelie Grundlagen des Organisations-Controllings
Organisations-Controlling: Vernachlassigter Baustein eines effektiven Organisationsmanagements Organisationsstrukturen dienen der arbeitsteiligen Bewaltigung komplexer Unternehmensaufgaben, indem sie organisatorischen Einheiten Teilaufgaben ubertragen und fur die unternehmenszielorientierte Koordination der Einzelhandlungen sorgen. Sie bilden somit kurz gesprochen eine Infrastruktur fiir die Erfiillung der Unternehmensaktivitaten.i Als solche kommt ihnen eine betrachtliche Bedeutung fiir das Unternehmensgeschehen zu. Gerade iiber die vergangenen anderthalb Jahrzehnte hat das Interesse an der Gestaltung von Organisationsstrukturen denn auch erheblich zugenommen. Dies ist zum einen - und aus betriebswirtschaftlicher Sicht vor allem - darauf zuriickzufuhren, dass man sich von der Unternehmensorganisation einen Beitrag zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen verspricht,^ indem etwa Ablaufe beschleunigt, Kosten reduziert und die Kundenorientierung befordert werden.3 Derzeit stehen beispielsweise die Erzielung von Volumen-/Kostenvorteilen bzw. von Fahigkeits-/ Leistungsvorteilen durch die Einrichtung bereichsiibergreifender Center im Mittelpunkt von Reorganisationsaktivitaten.^ Zum anderen hat die Gestaltung von Organisationsstrukturen in der jiingeren Vergangenheit auch juristische Aufmerksamkeit erfahren. So wird unter dem Stichwort ^Corporate Compliance'' erortert, mit Hilfe welcher (primar organisatorischer) Mafinahmen Unternehmen sicherstellen konnen, dass sich samtliche Unternehmensaktivitaten im Rahmen der geltenden Rechtsordnung bewegen.5 Aus Sicht des Organization Design lautet die Kernfrage insoweit, welche Organisationsformen schon aus Rechtsgriinden zu wahlen sind bzw. nicht gewahlt werden diirfen. Angesichts der grofien Bedeutung, die der Organisationsgestaltung somit aus verschiedenen Griinden beigemessen wird, stellt sich die Frage, ob die Realisierung von ZweckmaiSigkeit und Rechtmafiigkeit der Organisation durch einen systematischen Uberwachungsprozess gewahrieistet werden. Der Arbeitskreis „Organisation" der Schmalenbach-Gesellschaft fiir Betriebswirtschaft ist zu dem bemerkenswerten Ergebnis gelangt, dass dieser zentralen Frage des Organisationsmanagements bislang weder in der Praxis noch in der Theorie die eigentlich erforderliche Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Vielmehr steht die Auseinandersetzung mit einem „Organisations-
1 2 3 ^ 5
Vgl. Frese/Mensching/v. Werder (1987), S. 217; v. Werder/Grundei (2000), S. 100. Siehe etwa Frese/v. Werder (1994), S. 4; Galbraith (1994), S. 2 f., 147; Arbeitskreis „Organisation" (1996), S. 622 und 626; v. Werder/Grundei (2000), S. 99. Vgl. Frese/v. Werder (1994), S. 4 f.; Arbeitskreis „Organisation" (1996), S. 629 ff. Siehe dazu die Beitrage in v. Werder/Stober (Hrsg.) (2004). Vgl. Grohnert (1999), S. 1 ff., 11 ff.; Hauschka (2004), S. 462. 17
Axel V, Werder I Jens Grundei
Controlling'' noch ganz am Anfang.^ Dies gilt - mit wenigen Ausnahmen - fiir Organisations- und Controlling-Literatur gleichermafien. Auch allgemeineren Managementansatzen lassen sich kaum fiir die Ausarbeitung eines organisationsbezogenen Controllings hilfreiche Anhaltspunkte entnehmen. So bleiben beispielsweise bei dem Konzept der Balanced Scorecard organisatorische Aspekte - abgesehen von einer generellen Prozessorientierung - unberucksichtigt7 Im Rahmen einer bei Mergers & Acquisitions gangigen Due Diligence-Priifung wird zwar offenbar in gut der Halfte der Falle auch ein Review der Organisation, meist im Zusammenhang mit der IT, durchgefuhrt.8 Es handelt sich dabei allerdings um einen vergleichsweise unbedeutenden Teilaspekt einer Due Diligence. Wie dieser Teilreview konkret zu bewaltigen ist, bleibt zudem regelmafiig im Unklaren. Allenfalls werden einfachste Checklisten angeboten, deren Qualitat allerdings noch hinter gangigen Priiffragenkatalogen^ zuriickbleibt.io Trotz dieser Defizite kann jedoch kaum bezweifelt werden, dass etwa eine Uberpriifung der tatsachlichen Erreichung einmal angestrebter Reorganisationsziele fiir ein effektives Organisationsmanagement unabdingbar ist. Man wiirde ansonsten davon auszugehen haben, dass eine Reorganisation stets perfekt konzipiert und friktionslos implementiert wird. Tatsachlich konnen entworfene Regein jedoch Mangel aufweisen, im Rahmen der Umsetzung missverstanden oder gar abgelehnt werden und sich im Laufe der Zeit mit veranderten Randbedingungen konfrontiert sehen.^i Vor diesem Hintergrund hat es sich der Arbeitskreis ^Organisation" zum Ziel gemacht, die verschiedenen Facetten des Themas Organisations-Controlling naher auszuleuchten. Der entstandene Band umfasst dabei nach bewahrtem Muster sowohl konzeptionelle Grundlagenbeitrage^^ als auch praxisorientierte Berichte aus den im Arbeitskreis vertretenen Unternehmen.^3 Qer vorliegende Beitrag wird zunachst eine genauere begriffliche Abgrenzung des Begriffs ^Organisations-Controlling" vornehmen und die Ziele und Erscheinungsformen dieser Funktion umreifien (Kapitel 2). Im Anschluss daran werden die grundsatzlichen Aufgaben des OrganisationsControllings im Einzelnen dargestellt (3). Sodann wird der Frage nachgegangen, wie
6 7 8 9 ^0 11 1^ 13
18
Vgl. auch Fischermanns (1996), S. 6; zu Knyphausen-AufseS (1997), S. 375 f.; v. Werder (2004), Sp. 1098. Siehe Kaplan/Norton (1996). Vgl. Marten/Kohler (1999), S. 342 ff.; Berens/Strauch (2002), S. 517. Siehe dazu auch unten, S. 31. Siehe beispielsweise die Checkliste in Berens/Brauner/Strauch (Hrsg.) (2002), S. 619. Vgl. Grochla (1982), S. 73 f. Siehe neben dem vorliegenden Kapitel die Beitrage von Mellewigt/Decker (2006) und Kruger (2006). Dabei handelt es sich um AXA (Michels/Krzeminska [2006]), Bayer (Becker/Talaulicar [2006]), Deutsche Bahn (Weinhold/Hadrich/Bach [2006]), IBM (Heydkamp/Ostrowski [2006]), Lufthansa (Kostner/Kraft-Christoffel/Yenal [2006]), SAP (Vetter/Sturm/Petry [2006]), Siemens (Suske/Grundei [2006]), ThyssenKrupp (Claassen [2006]) und Volkswagen (Hobel/Grundei [2006]).
Konzeptionelle Grundlasen des Organisations-Controllings
das Organisations-Controlling seinerseits organisatorisch zu verankem ist (4). Der Beitrag wird von einem Fazit abgerundet (5).
2
Definition, Ziele und Erscheinungsformen des Organisations-Controllings
Organisations-Controlling ist - neben der Konzipierung und der Implementierung von Organisationsstruktureni4 - als eine (Teil-)Aufgabe des Organisationsmanagements anzusehen;!^ langwierige Auseinandersetzungen mit dem Controlling-Begriff sollen und konnen an dieser Stelle vermieden werden.16 Im Vordergrund des Interesses steht fiir die hier verfolgten Zwecke insoweit die Integration von Planungs- und Kontrollsystemen in einem Controllingsystem, dem in erster Linie eine Informationsversorgungsfunktion fiir Fiihrungsentscheidungen zukommt.i^ Gegenstand des so verstandenen Controllingkonzepts ist das Fiihrungsteilsystem „Organisation".i8 Der Organisationsbegriff wird dabei instrumental und funktional verwendet,^^ bezeichnet also sowohl die organisatorischen Regelungen als ein Instrument der Untemehmensfiihrung als auch den Prozess der organisatorischen Gestaltung an sich.20 Mit dem Begriff Organisations-Controlling sollen folglich samtliche Aktivitaten erfasst werden, die einer systematischen Uberpriifung von Istgrofien der organisatorischen Gestaltung anhand von Sollmafistaben dienen,2i auch wenn diese in der Unternehmenspraxis bislang noch nicht explizit als ^Organisations-Controlling'' bezeichnet werden. Mit der Sicherstellung von (organisatorischer) Conformance und Performance konnen zwei wesentliche Ziele des Organisations-Controllings unterschieden werden.22 Ein 14 Siehe dazu v. Werder/Grundei (2000), S. 100 ff. 15 Vgl. V. Werder (2004), Sp. 1098 f. 1^ Zu verschiedenen Controlling-Konzeptionen etwa Kiipper (2001), S. 5 ff.; Weber (2002), S. 20 ff. 17 Vgl. z.B. Hahn/Hungenberg (2001), S. 265; Horvath (2002), S. 115 ff.; Schroder (2003), S. 21. Weiter gefasste Ansatze, die eine Koordination samtlicher Fiihrungsteilsysteme vorsehen (siehe etwa Kiipper [2001], S. 12 ff.) holen jedenfalls fiir das hier verfolgte Anliegen zu weit aus (kritisch z.B. auch Weber [2002], S. 26 f.). 18 Vgl. Klingshirn (1997), S. 18. 19 Im Ergebnis so auch Klingshirn (1997), S. 19 f. 20 Vgl. zu den verschiedenen Begriffsverwendungen etwa Grochla (1982), S. 1 ff.; Schreyogg/ V. Werder (2004), Sp. 967 ff. 21 Vgl. auch Grochla/Frese (1992), Sp. 1330; Horvath (1992), Sp. 1602. 22 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Horvath (1992), Sp. 1609; Berens/Hoffjan/Strauch (2002), S. 156; V Werder/Grundei (2003), S. 680; Grundei/v Werder (2004), Sp. 249; v. Werder (2004), Sp. 1098 f.; ferner Potthoff (1993), Sp. 1411 ff., zu den im Rahmen so genannter Geschaftsfiihrungspriifungen angelegten Beurteilungskriterien.
19
Axel V. Werder I Jens Grundei
Confonnance-ControUing soil gewahrleisten, dass Tatigkeit und Ergebnis des Organisierens zu beachtenden Bestimmungen entsprechen. Dabei lassen sich mit dem Observance-Controlling und dem Compliance-Controlling zwei Kemaufgaben des Conformance-Controllings differenzieren. Wahrend das Observance-Controlling danach fragt, ob die (vom Untemehmen selbst) festgelegten Organisationsformen in der Praxis auch tatsachlich wie vorgegeben ,gelebt' werden, geht es beim ComplianceControlling um die Einhaltung von (dem Untemehmen vorgegebenen) gesetzlichen bzw. untergesetzlichen23 Regelungen. Im Gegensatz zu der damit im Rahmen der Conformance im Vordergrund stehenden Ordnungsmafiigkeit der Organisation geht es beim Performance-Controlling um die Bewertung der okonomischen Zweckmafiigkeit organisatorischer Mafinahmen. Durch die systematische Beurteilung der Erfolgswirkungen soil die Effizienz der Organisationsmafinahmen gewahrleistet werden. Da die (Nicht-)Erreichung von Performancezielen nicht zuletzt davon abhangt, ob die konzipierten Organisationsformen auch adaquat umgesetzt wurden, wird es sich normalerweise anbieten, zumindest Performance- und Observance-Controlling parallel durchzufiihren. Conformance- und Performance-Priifungen konnen jeweils in zwei verschiedenen Erscheinungsformen auftreten, die hier ihrem prinzipiellen Charakter nach als Followup-Controlling bzw. als Check-up-Controlling bezeichnet werden sollen. Sie unterscheiden sich nach den Auslosern, die zur Initiierung eines Organisations-Controllings fiihren, und bestimmen somit Zeitpunkte bzw. Haufigkeiten der Durchfiihrung von Organisationspriifungen. Die erste Variante markiert den Kernfall des OrganisationsControllings, mit dem im Anschluss an eine erfolgte Reorganisation insbesondere die tatsachliche Erreichung der Performanceziele iiberpriift werden soil (Follow-up).24 Entscheidend ist dabei, dass eine Reorganisation selbst die Priifungsaktivitaten auslost. Beispielsweise wurde bei Bayer eine zentrale Beschaffungsabteilung aufgelost und spater iiberpriift, ob die damit verbundenen Ziele auch wirklich erreicht wurden.25 Ein Follow-up-Controlling ist zweifelsohne von zentraler Bedeutung fiir die Sicherung der organisatorischen Effizienz. Ein darauf beschranktes Konzept des Organisations-Controllings bliebe jedoch unvollstandig, da es lediglich auf (anderweitig veranlasste) Reorganisationen reagieren wiirde. Die zweite Variante zeichnet sich deshalb dadurch aus, dass sie unabhangig von einer bereits erfolgten Reorganisation zu Controllingaktivitaten fiihrt (Check-up). Zum einen geht das OrganisationsControlling dabei auf andere auslosende Momente zuriick, bei denen es sich um verschiedene unternehmensinterne oder -exteme Veranderungen handeln kann, die un-
23 Dazu unten S. 26 mit Fufinote 46. 24 Dass Effizienz und Rechtmafiigkeit auch bereits inn Zuge der Konzipierung neuer Organisationsformen zu beriicksichtigen sind, steht einerseits aufier Frage. Andererseits befindet sich die Organisation dabei noch im Planungsstadium. Im Mittelpunkt des OrganisationsControllings steht mithin die Frage, ob die spater realisierten Organisationsmodalitaten tatsachlich den gestellten (bzw. dann giiltigen) Anforderungen entsprechen. 25 Vgl. Becker/Talaulicar (2006) (in diesem Band).
20
Konzeptionelle Grundlagen des Orsanisations-Controllings
mittelbar organisationsrelevant sind.26 Den wichtigsten internen Ausloser markieren dabei Strategieanderungen. Wie spater noch ausfiihrlicher gezeigt wird,27 sind Unternehmensstrategien und -strukturen aufeinander abzustimmen, so dass strategische Kursanderungen regelmafiig auch organisatorischer Anpassungen bediirfen.^s Dariiber hinaus konnen sich im Umfeld eines Untemehmens verschiedene Faktoren im Zeitablauf verandern und somit Uberpriifungen von Compliance (z.B. bei rechtlichen Neuregelungen) oder Performance (z.B. bei veranderter Nachfragesituation) erforderlich machen. Mitunter schalen sich in der Praxis auch neue Leitbilder oder Best Practices der organisatorischen Gestaltung heraus, deren zweckmafiige Anwendbarkeit im Unternehmen zu untersuchen ist.29 Die aufmerksame Verfolgung potenziell organisationsrelevanter Umweltparameter ist folglich geboten, um entstehenden Anpassungsbedarf rechtzeitig zu erkennen. Zum anderen muss das Organisations-Controlling ,von sich aus' periodische Uberpriifungen der organisatorischen Ordnungsmafiigkeit und Effizienz vornehmen und gegebenenfalls Anpassungsmafinahmen einleiten, auch wenn hierfiir kein konkreter Anlass besteht. Auf diese Weise werden auch kleinere Veranderungen wie Verschiebungen des Produktprogramms, die auf Grund ihrer geringeren Bedeutung nicht unmittelbar Controllingaktivitaten auslosen, letztlich in ihrer organisatorischen Relevanz erfasst. Ferner lassen sich bislang nicht erkannte Probleme bzw. ungenutzte Effizienzpotenziale erkennen. Durch einen solchermafien ,proaktiven' Check-up kann somit dauerhaft sichergestellt werden, dass die Organisationsregeln den jeweils relevanten Standards entsprechen, befolgt werden und zweckmaiSig sind.30 Fine regelmafiige Organisationspriifung wird beispielsweise im | Hause Siemens dadurch sichergestellt, dass sie als Teil der Internen Revision in bestimmten Abstanden durchgefiihrt wird.^^ Bei Volkswagen sieht die Organisationsgestaltung Konzern sogar eine ihrer Hauptaufgaben in dieser proaktiven Form der Organisationsinspektion.32
26 Vgl. zu moglichen Faktoren auch Grochla (1982), S. 49 f.; Grochla/Frese (1992), Sp. 1329; Schulte-Zurhausen (2005), S. 359 f. 27 Siehe unten, S. 33. 28 Vgl. Nadler/Tushman (1988), S. 42. Fin Sonderfall ist darin zu sehen, dass die (strategische) Entscheidung, ein Unternehmen zu erwerben, Anlass fiir die Durchfiihrung einer (auch organisationsbezogenen) Due Diligence gibt (vgl. Wiedmann [2004], Sp. 980). 29 Zu denken ware etwa an die verschiedenen Gestaltungsprinzipien und -mafinahmen, die im Zuge des ,Lean Managements' propagiert wurden (siehe Frese/v. Werder [1994], S. 6 ff.). Vgl. in diesem Sinne auch den Lufthansa-Firmenbericht von Kostner/Kraft-Christoffel/Yenal (2006) (in diesem Band). 30 Eine solche ,Daueraufgabe' wird etwa im Hause Deutsche Bahn angestrebt, vgl. Weinhold/Hadrich/Bach (2006) (in diesem Band). 31 Siehe im Einzelnen bei Suske/Grundei (2006) (in diesem Band). 32 Siehe Hobel/Grundei (2006) (in diesem Band). 21
Axel V. Werder I Jens Grundei
3
Aufgaben des OrganisationsControllings
Zur Erreichung der genannten Ziele miissen im Rahmen eines systematischen Organisations-Controllings verschiedene Phasen durchlaufen werden (vgl. Abbildung 3-1). So ist zunachst der Gegenstand der Controlling-Aktivitaten genauer zu spezifizieren. Ferner miissen die Kriterien festgelegt werden, anhand derer Conformance bzw. Performance der ausgewahlten Organisationsmodalitaten bestimmt werden sollen. Sodann ist fiir den ausgewahlten Gegenstand der jeweilige Istzustand zu erheben, so dass eine Einschatzung von Conformance bzw. Performance ermoglicht wird. Schliefilich sind Sollmafistabe und Istzustand einander gegeniiber zu stellen, um mogliche Abweichungen zu erkennen und gegebenenfalls Konsequenzen einzuleiten. Diese Aufgaben eines Organisations-Controlling-Prozesses werden im Folgenden naher erlautert.
Abbildung 3-1:
Aufgaben des Organisations-Controllings
Bestimmung des Controlling-Gegenstands
i i
Festlegung der SollmaBstabe
Erhebung des des Istzustands I
i
Abweichungsanalyse und Konsequenzen I-
22
Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-ControUinss
3.1
Bestimmung des Controlling-Gegenstands
In aller Kegel ist davon auszugehen, dass kein ,vollstandiges' OrganisationsControlling in dem Sinne durchgefiihrt wird, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die gesamte Organisation hinsichtlich Conformance und Performance iiberprlift wird. Zumindest in grofien Untemehmen ware der Aufwand fiir eine solche Gesamtpriifung betrachtlich, so dass Teilpriifungen den Normalfall des Organisations-Controllings darstellen. Die Auswahl des Controlling-Gegenstands kann anhand von zwei Merkmalen vorgenommen werden (vgl. dazu Abbildung 3-2).
Ahbildung 3-2: r^^V
Auswahl des Controlling-Gegenstands
Objekt Aufbauorganisation
Ziel
Ablauforganisation
Reorganisationsprozess
\ .
Conformance
Performance
Zum einen ist das Controlling-Objekt naher zu bestimmen. Zu diesem Zweck kann zunachst an die instrumental und funktionale Verwendung des Organisationsbegriffs angekniipft werden. Danach bezieht sich Organisation auf die konkrete Ausgestaltung der Organisationsregelungen sowie auf den Prozess der organisatorischen Gestaltung. Organisationsregelungen lassen sich weiter danach unterscheiden, ob sie (primar) die Aufbau- oder die Ablauforganisation betreffen. Wahrend mit der Aufbauorganisation die Aufgaben und Kompetenzen organisatorischer Einheiten sowie die Kompetenzund Kommunikationsbeziehungen zwischen den Organisationseinheiten festgelegt werden, regelt die Ablauforganisation die raum-zeitliche Anordnung und Abfolge der Arbeitsgange.33 Eine strikte Trennung dieser beiden Perspektiven im Rahmen der 33 Vgl. Kosiol (1962), S. 32; Grochla (1982), S. 24 f.; Bleicher (1991), S. 41 f.; Frost (2004). Auf die Verwendung des zum Begriff der Ablauforganisation haufig synonym verwendeten Terminus Prozessorganisation (vgl. z.B. Kriiger [1994], S. 119) wird zur klaren sprachlichen Abschichtung von dem Prozess der organisatorischen Gestaltung (siehe hierzu sogleich im Text) verzichtet. 23
Axel V. Werder I Jens Grundei
organisatorischen Gestaltung ist zwar nicht immer ohne weiteres moglich;^^ sie hat dennoch einen analytischen Wert und lenkt den Blick auf jeweils unterschiedliche Schwerpunkte des Organization Design, weshalb ihr auch durchaus praktische Bedeutung zukommt. Im Ubrigen wird sich das Controlling im konkreten Fall meist nicht auf die Gesamtorganisation beziehen, sondern sich auf bestimmte ausgewahlte Bereiche konzentrieren, deren Aufbau- und/oder Ablauforganisation untersucht wird. Mit der funktionalen Betrachtung von Reorganisationsprozessen wird der Fokus schliefilich auf den Prozess der organisatorischen Gestaltung und damit auf die Art der Durchfiihrung von Reorganisationsprojekten gerichtet. Organisationsprojekte umfassen typische Teilphasen und bediirfen der Festlegung der zu erfiillenden Aufgaben, der zu verwendenden Methoden und Techniken sowie der Projektorganisation einschliefilich der beteiligten Personen.35 Zusammengenommen kann das Objekt des Organisations-Controllings somit die Aufbauorganisation, die Ablauforganisation Oder den Prozess der organisatorischen Gestaltung umfassen und dabei die Gesamtorganisation oder ausgewahlte Teilaspekte einbeziehen.36 Neben der Objektdimension konnen auch die bereits eingefiihrten Ziele zur Bestimmung des Controlling-Gegenstands herangezogen werden. Demnach konnen die ausgewahlten Organisationsobjekte entweder aus Conformance-Sicht daraufhin iiberpriift werden, ob bestimmte rechtliche Vorgaben (Compliance) bzw. organisatorische Regelungen per se (Observance) eingehalten werden und/oder ob ihre PerformanceWirkungen zufrieden stellend sind. Die in den Firmenberichten in diesem Band dargestellten Praxisbeispiele lassen sich jeweils einem oder mehreren Matrixfeld(ern) zuordncn. So wird etwa bei der Deutsche Bahn AG die Bedeutung der Entwicklung eines standardisierten Vorgehensmodells fiir Reorganisationsprozesse als Grundlage fiir ein Conformance- (insbesondere Observance-)Controlling besonders deutlich.'^^ im Hause Bayer steht hingegen die Performance-Beurteilung der Aufbauorganisation im Mittelpunkt.^^^ AXA illustriert die Sicherstellung von Conformance und Performance im Bereich der Prozessorganisation.'^^ gei SAP soil insbesondere die Performance des Reorganisationsprozesses sowie der reorganisierten Aufbauorganisation gewahrleistet werden.40 Bei ThyssenKrupp stehen insbesondere Performance-Aspekte der Ablauforganisation im Vordergrund.'*^ Das Beispiel der IBM riickt ganz die ComplianceProblematik am Beispiel des Sarbanes-Oxley-Acts in dem Mittelpunkt.42 Die Firmenberichte von Lufthansa, Siemens und Volkswagen sind hingegen breiter angelegt und 34 35 36 37 38 39 40 41 42
24
Vgl. Kosiol (1962), S. 32; Kruger (1994), S. 119 f.; Frost (2004), Sp. 50 f. Vgl. etwa Kruger (1993); Schmidt (2000); Marr/Steiner (2004). Vgl. auch Adamowsky (1969), Sp. 1373; Grochla/Frese (1992), Sp. 1330; Horvath (1992), Sp. 1604. Siehe Weinhold/Hadrich/Bach (2006) (in diesem Band). Siehe Becker/Talaulicar (2006) (in diesem Band). Siehe Michels/Krzeminska (2006) (in diesem Band). Siehe Vetter/Sturm/Petry (2006) (in diesem Band). Siehe Claassen (2006) (in diesem Band). Siehe Heydkamp/Ostrowski (2006) (in diesem Band).
Konzeptionelle Grundlasen des Organisatlons-ControUinss §•
n decken sowohl Aspekte der Performance- als auch der Conformance-Priifung der Aufbau- und Ablauforganisation abA'^ Aus den beiden Dimensionen Objekt und Ziel lassen sich letztlich beliebige Kombinationen bilden, die Charakter und Umfang des Organisations-Controllings bestimmen. Die Auswahl des Controlling-Gegenstands wird sich im konkreten Anwendungsfall in erster Linie nach dem Controllingzweck und der Ressourcenverfiigbarkeit richten. Dabei ist zu bedenken, dass die ,Prufungseffizienz' keineswegs grundsatzlich fiir eine moglichst enge Abgrenzung des Gegenstands spricht. Vielmehr ist zum einen in Rechnung zu stellen, dass es sich durchaus anbieten kann, bestimmte organisatorische Regelungen gleichzeitig anhand mehrerer Kriterien zu evaluieren. Zum anderen und vor allem kann eine zu enge Umgrenzung des Objektbereichs dazu fiihren, etwaige Interdependenzen zwischen mehreren organisatorischen Teilbereichen zu iibersehen und moglicherweise Teiloptimierungen vorzunehmen, die nicht notwendig auch zu einer insgesamt effizienten Organisation fiihren. Der zusatzliche Wert des Organisations-Controllings gegeniiber gangigen geschafts- und funktionsbereichsbezogenen^^ Controllingformen ergibt sich auch und gerade aus der Betrachtung der Kompetenzund Kommunikationsbeziehungen zwischen mehreren organisatorischen Einheiten. Die zweckmafiige Abgrenzung des Controlling-Gegenstands ist daher unter Beachtung organisatorischer Interdependenzen besonders sorgfaltig vorzunehmen.
3.2
Festlegung der Sollma5stabe
Die Festlegung der Bewertungskriterien markiert eine besondere Herausforderung der Formulierung eines Organisations-Controlling-Konzepts. Die zur Evaluation der Organisation in Frage kommenden SoUgrofien lassen sich nach den beiden Zielen des Organisations-Controllings in Kriterien fiir das Conformance- und das PerformanceControlling einteilen.
3.2.1
Conformance-Controlling
Mit dem Conformance-Controlling soil sichergestellt werden, dass fiir die organisatorische Gestaltung (mehr oder weniger) verbindliche Standards eingehalten werden (Compliance), und dass die festgelegten organisatorischen Regelungen tatsachlich in der vorgesehenen Weise befolgt werden (Observance).
43 44
Siehe Kostner/Kraft-ChristoffelA'enal (2006), Suske/Grundei (2006) bzw. Hobel/Grundei (2006) (alle in diesem Band). Beispielsweise also Marketing-Controlling, Personal-Controlling etc. (vgl. etwa Kupper [2001], S. 407 ff.). 25
Axel V. Werder I Jens Grundei
3.2.1.1
Compliance
Der Begriff „Corporate Compliance'' steht generell dafiir, die Normenkonformitat aller Unternehmensaktivitaten sicherzustellen.45 Die Compliance-Funktion des Organisations-Controllings zielt allerdings ,nur' auf die Beachtung organisationsbezogener Bestimmungen. Welche (unter-46)gesetzlichen Vorschriften dabei in Rechnung zu stellen sind, richtet sich naturgemafi nach dem zugrunde gelegten Organisationsbegriff. Vor dem Hintergrund des hier verwendeten Begriffsverstandnisses ist entsprechend nach Normen zu fragen, welche die Aufbauorganisation, die Ablauforganisation bzw. den Prozess der organisatorischen Gestaltung beruhren.47 Fiir diese Bereiche enthalt das deutsche Recht im Einzelnen eine Fiille von Bestimmungen, die allerdings auf ganz verschiedene Bereiche des Rechts verteilt sind.48 Zu den fiir das Organisationsrecht besonders einschlagigen Rechtsgebieten zahlen etwa das Gesellschaftsrecht, das Betriebsverfassungsrecht, das Recht der untemehmerischen Mitbestimmung, das Arbeitsrecht, das Sicherheitsrecht (z.B. Arbeitsschutz-, Datenschutz-, Verbraucherschutz- und Umweltschutzrecht) sowie das Konzernrecht.49 Daneben ist zu bedenken, dass international operierende Unternehmen zusatzlich auch mit auslandischen Rechtsordnungen konfrontiert werden. So gilt beispielsweise der im Jahr 2002 erlassene Sarbanes-Oxley-Act, der als Reaktion auf massive Bilanzmanipulationen (z.B. Enron) vor allem auf eine Verbesserung der Korrektheit der Rechnungslegung borsennotierter Unternehmen zielt, fiir samtliche, d.h. auch nichtamerikanische, bei der Securities and Exchange Commission (SEC) registrierten Unternehmen.''^^ Das Gesetz verscharft nicht nur die Verantwortung der Unternehmensfiihrung fiir die Richtigkeit der Rechnungslegung, sondern greift auch in die innere Organisation der Unternehmen ein. Auf Grund der erheblichen organisatorischen Einschnitte, die von diesem Gesetz ausgehen, eignet es sich besonders zur Illustration der Compliance-Funktion. Es steht deshalb im Mittelpunkt zweier Firmenberichte.^i Die einschlagigen Rechtsnormen konnen den Kreis der aus betriebswirtschaftlicher Sicht in Frage kommenden Gestaltungsaltemativen einschranken (Restriktionswirkung), bestimmte Gestaltungsformen juristisch absichem (Unterstiitzungswirkung) oder an die Wahl organisatorischer Alternativen entscheidungserhebliche Rechtsfolgen
45 Vgl. Schneider (1996), S. 226 f.; Hauschka (2004), S. 462. 46 Mit untergesetzlichen Vorschriften werden hier solche Bestimmungen angesprochen, die wie etwa der Deutsche Corporate Governance Kodex - zwar keinen Rechtsnormcharakter haben, gleichwohl aber zur Konkretisierung gesetzlicher Regelungen beitragen und (deshalb) einen hohen Grad an (faktischer) Verbindlichkeit aufweisen. 47 Vgl. auch v. Werder (1992), Sp. 2168. 48 Vgl. V. Werder (1988), S. 105. 49 Siehe v. Werder (1992), Sp. 2172 f.; zum Ganzen umfassend aus juristischer Perspektive Spindler (2001). 50 Vgl. dazu etwa Buderath (2004), hier S. 40. 51 Siehe AXA (Michels/Krzeminska [2006]) und IBM (Heydkamp/Ostrowski [2006]) (beide in diesem Band).
26
Konzeptionelle Grundlagen des Orsanisations-ControlUngs
knupfen.52 \){Q Beriicksichtigung der relevanten Rechtsregeln dient deshalb nicht nur der Vermeidung von Gesetzesverstofien, sondern erscheint auch bereits als Ausdruck okonomischer Rationalitat geboten. An dieser Stelle kann die grofie Bedeutung von Organisationsnormen lediglich anhand ausgewahlter Beispiele illustriert werden. Mit Blick auf die Aufbauorganisation sind Vorschriften zu beachten, welche die zulassigen Formen der horizontalen Bereichsbildung und der vertikalen Delegation determinieren. Augenfalliger Ausdruck des Einflusses rechtlicher Bestimmungen auf die Bereichsbildung sind beispielsweise die verschiedenen Beauftragten, die von dem hier als Sicherheitsrecht bezeichneten Rechtsgebiet vorgesehen sind. Dazu zahlen diverse Umweltbeauftragte wie etwa Strahlenschutz-, Immissionsschutz-, Storfall-, Gewasserschutz-, Abfall- und Gefahrgutbeauftragte^^ ebenso wie der Datenschutzbeauftragte. Gerade letzterer zeichnet sich durch sehr konkrete Regelungen aus (§§ 4f, 4g BDSG). So ist der Datenschutzbeauftragte fiir das Gesamtunternehmen zustandig und deshalb zwingend direkt unterhalb der Geschaftsleitung zu platzieren. Er muss weiterhin (auf dem Gebiet des Datenschutzes) weisungsfrei sein und kann (trotz Remonstration des Beauftragten) bei fortgesetzten Verstofien des Unternehmens einen direkten Kontakt zu der Aufsichtsbehorde herstellen.54 Organisationsrechtliche Vorschriften, welche die Delegation von Kompetenzen auf nachgelagerte Einheiten betreffen, sind weniger zahlreich. Zu beachten ist aber z.B., dass der Vorstand auf Grund seiner Pflicht zur aktiven Leitung des Unternehmens (§ 76 Abs. 1 AktG) typische Aufgaben der Unternehmensleitung wie das Treffen grundlegend-strategischer Entscheidungen oder die Koordination der obersten betrieblichen Teilbereiche nicht auf Arbeitnehmer delegieren darf.55 Auch bei einer prinzipiell zulassigen Delegation sollten stets bestimmte Sorgfaltsanforderungen beachtet werden. So muss die Delegation iiberschneidungsfrei erfolgen und die jeweiligen Delegationsempfanger miissen zur Aufgabenbewaltigung personlich und fachlich geeignet sein, in ihren Aufgabenbereich eingewiesen und iiberwacht werden, um ein haftungsrechtlich relevantes „Organisationsverschulden'' zu vermeiden.56 Besondere Aufmerksamkeit gebiihrt ferner der rechtlich zulassigen (De-)Zentralisation von Entscheidungskompetenzen in den verschiedenen Typen der Konzemorganisation.57 Ein Beispiel fiir rechtliche Regelungen der Ablauforganisation bilden die Verfahrensvorschriften in §§ 170, 171 AktG zur Priifung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat. Auch der Prozess der organisatorischen Gestaltung unterliegt dem Einfluss juristischer Normen, wobei insbesondere an die Vorschriften der betrieblichen Mitbestimmung zu denken ist. Das Betriebsverfassungsgesetz gewahrt Arbeitnehmern (bzw. den sie vertretenden Betriebsraten) Informations-, Anhorungs-, Vorschlags-, Bera-
52 53 54 55 56 57
Vgl. hierzu und zum Folgenden v. Werder (1986). Siehe dazu naher v. Werder/Nestler (1998), S. 61 ff.; Spindler (2001), S. 15 ff. Vgl. auch Spindler (2001), S. 284 f. Vgl. Semler (1996), S. 68 f. Vgl. Schneider (1993), S. 1914; Hauschka (2004), S. 466 f. Siehe dazu naher v. Werder (1989).
27
Axel V. Werder I Jens Grundei
tungs- sowie Mitentscheidungsrechte.58 Hierzu zahlen etwa die Mitbestimmungsrechte bei sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG), worunter beispielsweise auch Grundsatze zur Durchfiihrung von Gruppenarbeit fallen (Abs. 1 Nr. 13), Unterrichtungs- und Beratungsrechte gemafi § 90 BetrVG, die etwa bei der Planung von Arbeitsablaufen greifen (Abs. 1 Nr. 3), sowie Informations- und Beratungsrechte bei Betriebsanderungen, zu denen explizit auch „grundlegende Anderungen der Betriebsorganisation" gerechnet werden (§111 BetrVG). Die Zielsetzung, die Organisation in Ubereinstimmung mit den geltenden rechtlichen Vorgaben auszuformen, diirfte im AUgemeinen geteilt werden. Ein auf die Erreichung dieses Ziels gerichtetes Compliance-Controlling sieht sich gleichwohl mit nicht unerheblichen Problemen konfrontiert.59 Dabei ist zum einen an die schiere Vielzahl organisationsrelevanter Bestimmungen zu denken, die sich - wie bereits erwahnt wurde langst nicht mehr blofi auf gesellschaftsrechtliche Bestimmungen beschranken, sondem sich auch und gerade auf zahlreiche offentlich-rechtliche Vorschriften erstrecken.60 Zum anderen sind die aus juristischer Sicht mafigebenden Standards nicht immer unmittelbar den einschlagigen Gesetzestexten zu entnehmen. Vielmehr tun sich Interpretationsspielraume bei der Auslegung von Rechtsnormen auf, wie dies bereits am Beispiel der - in dieser Form nicht explizit kodifizierten - Delegationsgrundsatze deutlich geworden ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass zusatzlich zu den gesetzlichen Vorschriften (und ihrer juristischen Interpretation) inzwischen auch untergesetzliche Leitlinien fiir die Unternehmensfiihrung existieren, die zur Konkretisierung gesetzlicher Bestimmungen beitragen. So haben sich erste Grundsatze ordnungsmafiiger Unternehmensleitung (GoU) herausgebildet, die vergleichsweise bewahrte betriebswirtschaftliche Erkenntnisse kondensieren und deren Einhaltung den Verwaltungsorganmitgliedern nahe gelegt wird.^i Mit Blick auf organisatorische Fragen konnen diese Grundsatze bislang jedoch erst allererste Anhaltspunkte fiir ein ordnungsgemafies Management liefern.^2 jm Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht insoweit der seit dem Jahr 2002 fiir alle borsennotierten deutschen Gesellschaften geltende Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK). Der DCGK enthalt unter anderem auch Vorschlage zur Organisation der Organe der Spitzenorganisation. Zu denken ist dabei namentlich an die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie das effiziente Zusammenwirken dieser beiden Organe.^^
58 Siehe im Uberblick Engels/Lehmann (2000). 59 Siehe hierzu auch v. Werder (1996a), S. 36 f.; Grundei/v. Werder (2004), Sp. 251 f. ^0 Vgl. zu diesem Trend Schneider (1993), der vor diesem Hintergrund die fortschreitende Verrechtlichung unternehmerischer Tatigkeit beklagt (ebd., S. 1915); ferner Spindler (2001), S. Iff. ^1 Vgl. nur Wiesner (1999), S. 252 f., sowie auch Tz. 3.8 Satz 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex (im Internet abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de). 62 Siehe v. Werder (1996a), S. 48 f. und 60 f. 63 Siehe im Einzelnen unter http://www.corporate-governance-code.de/ und die Erlauterungen hierzu bei Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder (2005).
28
KonzeptioneUe GruncHagen des Orsanisations-ControlUngs
3.2.1.2
Observance
Der Zweck jeder organisatorischen Festlegung, eine bestimmte Form der Arbeitsteilung und Koordination zu realisieren, kann sich nur dann erfiillen, wenn die organisatorischen Regeln auch wie vorgesehen befolgt werden.64 Dementsprechend bilden die organisatorischen Regelungen selbst die SoUmafistabe fiir diesen Teil des Organisations-Controllings.65 Die Merkmale der Sollorganisation sind infolgedessen so prazise wie moglich zu fixieren, was keineswegs zwangslaufig zu einer engen Abgrenzung von Handlungsspielraumen fiihren muss. Hierfiir konnen gangige verbale bzw. graphische, heute zumeist softwaregestiitzte Techniken wie Stellenbeschreibungen, Organigramme und Funktionsdiagramme genutzt werden.^^ Die Regelungen sind femer in geeigneter Weise zu kommunizieren, wobei etwa an Konzernrundschreiben^^ ^nd das Intranet^s zu denken ist. Die Observance-KontroUe entspricht konzeptionell dem Grundgedanken von VerhaltenskontroUen, mit denen iiberpriift wird, ob vorgegebene Verhaltensstandards eingehalten werden.69 Auch diesem Aspekt des Organisations-Controllings kommt grofie praktische Bedeutung zu. Dies ist zum einen darauf zuriickzufiihren, dass die Implementierung neu konzipierter Organisationsformen nicht immer reibungslos erfolgt. Zum anderen bildet sich im Laufe der Zeit neben der formalen Organisation haufig eine informale Organisation mit ,inoffiziellen' Kommunikations- und Einflussbeziehungen sowie Verhaltensnormen und deren sozialer Sanktionierung heraus, die fiir das tatsachliche Verhalten der Mitarbeiter auBerordentlich wichtig sein kann.^o
64 Vgl. auch Tyler/Blader (2005), S. 1143. 65 Auch wenn dabei die Aufbau- und Ablauforganisation im Vordergrund stehen, gilt es doch auch die Einhaltung von Vorgaben fiir den Ablauf von Reorganisationsprozessen zu iiberwachen. Hierzu zahlt beispielsweise die Bearbeitung bestimnnter Teilaufgaben in einer bestimmten Reihenfolge (vgl. Schmidt [2000], S. 33 ff.) sowie die Beachtung der unternehmensspezifischen Rollen- und Kompetenzverteilung im Rahmen von Reorganisationsprojekten, von der keinesfalls nach Belieben abgewichen werden darf, schon um zu vermeiden, dass ein hierzu nicht autorisierter Mitarbeiter Organisationsanderungen vornimmt. Siehe zur Illustration die Standardisierung des Reorganisationsprozesses bei der Deutsche Bahn AG (Weinhold/ Hadrich/Bach [2006], in diesem Band). 66 Siehe dazu naher Schmidt (2000), S. 338 ff. 67 Siehe Becker/Talaulicar (2006) (in diesem Band) fiir die Bayer AG. 68 Vgl. Suske/Grundei (2006) (in diesem Band) fiir die Siemens AG. 69 Vgl. allgemein etwa Frese (1968), S. 61 f. („verfahrensorientierte Kontrollen"); Grundei (1999), S. 437. 70 Vgl. HartmannAValter (1985), S. 76 f.; Nadler/Tushman (1988), S. 28 und passim. Selbstredend konnen informale Arrangements auch sinnvoll und zur Untemehmenszielerreichung geradezu notwendig sein. Selbst in diesem Fall ist ihre Kenntnis jedoch wiinschenswert, da hierdurch eventuell Unzulanglichkeiten der formalen Organisation diagnostiziert werden.
29
Axel V. Werder I Jens Grundei
3.2.2
Performance-Controlling
3.2.2.1
Grundprobleme der Bestimmung der Organisationseffizlenz
Aufgabe des Performance-Controllings ist es, die Erfolgstrachtigkeit der Organisation - im Rahmen der gegebenenfalls zu beachtenden normativen Vorgaben - dauerhaft zu gewahrleisten. Zu diesem Zweck sind die Performancewirkungen der Organisation zu ermitteln, wofur es wiederum geeigneter Sollgrofien bedarf. Die Generierung von Sollvorgaben kann grundsatzlich entweder von wahrgenommenen Problemen ausgehen oder sich an (internen oder extemen) Benchmarks sowie organisationstheoretischen Erkenntnissen orientieren.^^ Dabei ist vor allem zu beachten, dass es sich um organisationsbezogene Kriterien handeln muss. Beim herkommlichen Controlling wird allerdings ganz iiberwiegend eine Bewertung betrieblicher Sachverhalte in monetaren Grofien vorgenommen, was bei einer organisationsbezogenen ControllingKonzeption Schwierigkeiten aufwirft. Eine rein am finanziellen Unternehmensergebnis ausgerichtete Form des Organisations-Controllings wiirde jedenfalls schon deshalb an Grenzen stofien, weil es auEerordentlich schwierig ist, einen direkten Zusammenhang zwischen Veranderungen der Organisation und dem Unternehmensergebnis zu ermitteln72 Dieses Problem stellt sich prinzipiell ebenso auf Funktions- bzw. Geschaftsbereichsebene, da auch die Ergebnisse dieser Einheiten letztlich von zahlreichen Einflussfaktoren bestimmt werden. Ein unmittelbares ,Durchrechnen' von Organisationsalternativen auf Bcreichsergebnisse scheidet daher regelmafiig aus. Hinzu kommt, dass Organisationspriifungen, wenn und soweit sie als Teil der Priifung eines Funktions- oder Produktbereichs durchgefiihrt werden, naturgemafi auf diese Organisationseinheit beschrankt bleiben. Beispielsweise konnten in einer (reinen) Spartenorganisation spartenspezifische Reorganisationen zwar prinzipiell in Relation zum Erfolg jeder als Profit Center gefiihrten Division gesetzt werden. Abgesehen von dem Problem weiterer Erfolgsfaktoren (neben der Organisation) wiirde dabei aber z.B. aufier Betracht bleiben, dass eine bereichsiibergreifende Zusammenfassung und Standardisierung von (bestimmten) Leistungen insgesamt, d.h. sparteniibergreifend, die Hebung erheblicher Synergiepotenziale ermoglichen wiirde.'^-^ Insofern ist festzuhalten, dass auch und gerade der organisatorischen Abstimmung zwischen verschiedenen Organisationsbereichen besonderes Gewicht zukommt, und dass dieser bereichsiibergreifende Aspekt angesichts seiner Vernachlassigung in herkommlichen, bereichsbzw. funktionsbezogenen Controlling-Konzepten im Rahmen des OrganisationsControllings besonders zu beriicksichtigen ist.^"^
7^ Siehe zum Benchmarking allgemein naher Schmidt (2000), S. 269 ff.; Krystek (2004) sowie aus Sicht der Praxis bei Volkswagen Hobel/Grundei (2006) (in diesem Band). 72 Vgl. Simon/Guetzkow/Kozmetsky/Tyndall (1954), S. VI; Frese/v. Werder (1993), S. 19. 73 Siehe dazu etwa das Beispiel des Centers ^Corporate Information and Operations" der Siemens AG bei Suske/Grundei (2004). 74 So beispielsweise auch bei Volkswagen, vgl. Hobel/Grundei (2006) (in diesem Band).
30
Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-Controllings
Vor diesem Hintergrund gilt es, geeignete Priifkriterien fiir die Gestaltung der Aufbauorganisation, der Ablauforganisation sowie von Reorganisationsprozessen herauszuarbeiten. In der Praxis werden nicht selten so genannte Priiffragenkataloge eingesetzt75 Diese unterstiitzen die Schwachstellenanalyse, indem sie konkrete Indikatoren fiir typische organisatorische Missstande bereithalten76 Derartige Kataloge konnen zwar erste Anhaltspunkte fiir (in)effiziente Ausformungen der Organisation liefem. Nachteilig wirkt sich allerdings aus, dass es sich bei ihnen um eher unsystematische Ansammlungen bekannter Organisationsprobleme handelt, die naturgemajS standardisiert sind und folglich eine gezielte Kontrolle der unternehmensspezifisch geplanten Effizienzwirkungen nicht ersetzen konnen/'^ Im Folgenden soil daher gezeigt werden, an welche prinzipiellen Kriterien fiir die Performanceevaluation zu denken ist. Die Darstellung hat indes nur exemplarischen Charakter, da sich nahere Ausfiihrungen hierzu in den beiden weiterfiihrenden konzeptionellen Beitragen in diesem Band finden.78
3.2.2.2
Auf bauorganisation
Fiir aufbauorganisatorische Gestaltungsprobleme geeignete Bewertungskriterien lassen sich unter Riickgriff auf die beiden Kerndimensionen der Arbeitsteilung herleiten79 So werden mit der Aufbauorganisation vertikale und horizontale Kompetenzund Kommunikationsbeziehungen festgelegt. Bei der Gestaltung der (vertikalen) Delegation liegt das Hauptaugenmerk auf der Frage, ob einer tendenziell hoheren Entscheidungsqualitat iibergeordneter Einheiten (Zentralisationseffekt) oder aber der Einsparung des damit verbundenen Zeit- und Ressourcenaufwands durch Delegation auf nachgeordnete Einheiten (Dezentralisationseffekt) der Vorzug gegeben wird (Delegationseffizienz). Mit Blick auf die (horizontale) Bereichsbildung thematisiert das Beurteilungsfeld der Potenzialeffizienz die Ausschopfung von Ressourcen- und Marktpotenzialen. Eine organisatorische Zusammenfassung von Potenzialen bietet grundsatzlich okonomische Vorteile z.B. durch Spezialisierung und Grofiendegression (Poolungseffekte). Arbeitsteilung hat hingegen insoweit zur Konsequenz, dass vorhandene Potenziale aufgespalten werden bzw. ihre effiziente Nutzung verhindert wird. Die Entkopplung der Bereiche von gemeinsam genutzten Potenzialen kann aber zugleich eine niedrige Belastung mit Abstimmungskosten bedeuten (Entkopplungseffekte). Durch die organisatorische Trennung zusammenhangender Handlungskomplexe entstehen zudem Interdependenzen zwischen Organisationseinheiten. Auf dem Beurteilungsfeld der Interdependenzeffizienz wird deshalb erfasst, inwiefern eine
75 Dazu etwa Grochla/Frese (1992), Sp. 1333 f.; Hill/Fehlbaum/Ulrich (1998), S. 469; Schmidt (2000), S. 267 ff. 76 Beispiel: „Sind die Aufgaben einer Stelle ausreichend klar definiert?". 77 Vgl. auch Grochla (1982), S. 78; Schmidt (2000), S. 267. 78 Siehe Mellewigt/Decker (2006) und Kriiger (2006). 79 Siehe hierzu im Einzelnen Frese/v. Werder (1993), S. 24 ff.; v. Werder/Grundei (2000), S. 115 ff.
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Axel V. Werder I Jens Grundei
Organisationslosung die Koordination von Interdependenzen ermoglicht (Integrationseffekte) oder die damit einhergehenden Abstimmungskosten zugunsten der Unabhangigkeit der Bereiche vermeidet (Unabhangigkeitseffekte). Die auf den drei grundlegenden Beurteilungsfeldern der Delegationseffizienz sowie der Potenzial- und der Interdependenzeffizienz unterschiedenen Kriterien eignen sich grundsatzlich zur Beurteilung aller Fragen der Aufbauorganisation; sie konnen - und miissen fiir ein aussagekraftiges Organisations-Controlling - indes auf das jeweils vorliegende Organisationsproblem bin angepasst und konkretisiert werden.^o So konnen beispielsweise Beschaffungsmarktpotenziale in (bislang unausgeschopften) Rabattvorteilen bestehen, deren verbesserte Wahrnehmung als (mehr oder weniger konkret formuliertes) Ziel einer Reorganisation zugrunde liegen kann. Werden daraufhin Beschaffungsaktivitaten starker als bisher koordiniert, so ware einige Zeit nach der Organisationsanderung zu fragen, ob der angestrebte Einspareffekt tatsachlich eingetreten ist. Ein Beispiel fiir die Beriicksichtigung von Absatzmarktinterdependenzen besteht darin, das Potenzial an Cross Selling-Aktivitaten zwischen mehreren Geschaftsbereichen (besser) zu nutzen. Auch damit wiirde ein konkreter Anhaltspunkt fiir die Erfassung der (aufbau-)organisatorischen Performance existieren.
3.2.2.3
Ablauforganisation
Die Zweckmafiigkeit der detaillierten Festlegung von Arbeitsschritten und deren zeitlicher und raumlicher Anordnung im Rahmen der Ablauforganisation lasst sich wiederum anhand zahlreicher Kriterien beurteilen.^i Geht man davon aus, dass ein bestimmter Output zu erzielen ist, so richtet sich das Augenmerk der ablauforganisatorischen Gestaltung vor allem darauf, dieses Ergebnis moglichst effizient zu erreichen. Als geradezu klassische Ziele der Ablauforganisation sind etwa die Minimierung der Durchlaufzeiten und die moglichst hohe Kapazitatsauslastung anzusehen.^2 D[Q Durchlaufzeit umfasst die gesamte Zeitdauer, die fiir die Bearbeitung eines Vorgangs (z.B. eines Auftrags) einschliefilich der dabei anfallenden Transport- und Liegezeiten anfallt. Die Auslastung der Sach- und Personalkapazitaten wird durch das Verhaltnis von Nutzungs- und Leerzeiten bestimmt. Die beiden Ziele stehen bekanntermafien in einem konfliktaren Verhaltnis zueinander, das gerade in der Fertigungsorganisation als „Dilemma der Ablaufplanung'' prominent ist.^3 So erlauben hohe Kapazitaten kurze Durchlaufzeiten, wahrend knappe Kapazitaten fiir lange Wartezeiten sprechen.
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32
Vgl. auch das Beispiel der Adaptierung des Effizienzkonzepts auf das Problem der Organisation der betrieblichen Marktforschung bei Grundei (1999), S. 289 ff. Siehe hierzu naher Kriiger (1994), S. 128 ff.; Schmidt (2000), S. 369 ff.; Buhner (2004), S. 237 ff.; Schulte-Zurhausen (2005), S. 74 ff. Siehe auch die Praxisberichte aus den Hausern AXA (Michels/Krzeminska [2006]) und Lufthansa (Kostner/Kraft-ChristoffelA'enal [2006]) (beide in diesem Band). Vgl. Gutenberg (1979), insb. S. 216.
Konzeptionelle Grundlagen des Orsanisations-ControUinss
Mit steigender Flexibilitat der Sach- und Personalkapazitaten lasst sich dieses Problem bis zu einem gewissen Grade entscharfen.84
3.2.2.4
ReorganisatJonsprozess
Das Ziel eines Reorganisationsprozesses besteht letztlich darin, eine neue Form der Aufbau- bzw. Ablauforganisation zu entwerfen, die einen verbesserten Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leistet (indem beispielsweise Marktinterdependenzen in Zukunft besser koordiniert werden als bisher), und diese erfolgreich einzufiihren. Infolgedessen liegt es zunachst nahe, die Realisierung der jeweiligen organisationsbezogenen Zielkriterien sowie die Akzeptanz der neuen Organisationsregelungen bei den betroffenen Mitarbeitern als Bewertungskriterien der Prozess-Performance heranzuziehen. Diese Parameter sind jedoch bereits Gegenstand des aufbau- bzw. ablauforganisatorischen Performance-Controllings respektive des ObservanceControllings. Dementsprechend gilt es an dieser Stelle zu unterstreichen, dass Kriterien gesucht sind, welche die Performance des Prozesses der organisatorischen Gestaltung per se abbilden.^^ Insoweit lasst sich zwanglos konstatieren, dass die Effizienz des Reorganisationsprozesses durch die (Prozess-)Qualitat und den dafiir eingesetzten Aufwand bestimmt wird. Richtet man den Blick auf die verschiedenen, im Rahmen von Organisationsprojekten zu bewaltigenden Aufgaben, so wird die Qualitat dadurch bestimmt, dass die jeweils erforderlichen Teilaufgaben tatsachlich durchgefiihrt werden, dass dabei die phasenspezifisch geeigneten Methoden und Techniken zur Anwendung kommen und (Teil-)Entscheidungen im Rahmen des Prozesses fundiert getroffen werden. Dem ist der erforderliche Aufwand in Form der Projektbearbeitungszeit sowie des Einsatzes von Personal- und Sachressourcen gegeniiberzustellen. Auf dieser Grundlage lassen sich generell einzuhaltende sowie projektspezifische Sollvorgaben entwickeln und - je nach Art und Umfang der Reorganisation - z.B. konkrete Termine und Budgets vorgeben.
3.2.2.5
Gewichtung der Kriterien: Strategie-Struktur-Fit
Die offensichtlich - auch pro Objektbereich - zahlreichen Performancekriterien bediirfen schliefilich aus zwei Griinden einer Gewichtung. Zum einen ist bereits deutlich geworden, dass verschiedene Effizienzkriterien in einem Trade-off-Verhaltnis stehen konnen (z.B. Verbesserung der Koordination des Marktauftritts vs. Reduzierung von Abstimmungsaufwand; Verkiirzung von Durchlaufzeiten vs. Verbesserung der Kapazitatsauslastung; fundierte Bearbeitung aller Projektschritte vs. Beschleunigung von Reorganisationsprozessen). Derartige Zielkonflikte konnen letztlich nur durch eine 84 Vgl. Kriiger (1994), S. 130. 85 Siehe zum Folgenden auch noch einmal die begriffliche Abgrenzung von Reorganisationsprozessen oben, S. 24, mit Nachweisen in Fufinote 35. Zum Ganzen naher Kriiger (2006) (in diesem Band).
33
Axel V. Werder I Jens Grundei
strategisch begriindete Gewichtung der verschiedenen Subziele bewaltigt werden.86 Zum anderen ist zu bedenken, dass Organisationsstrukturen als Instrumente zur Implementierung von Unternehmensstrategien anzusehen sind^'' und schon deshalb sorgfaltig mit strategischen Vorgaben abzustimmen sind.^s Dabei sind unterschiedliche Strategiearten wie namentlich Geschaftsfeld-, Geo-, Wettbewerbs- und Funktionalstrategien zu beriicksichtigen. Beispielsweise wird eine starke Diversifikation der Geschaftsfelder vermutlich mit einer Betonung der Unabhangigkeit und Eigenstandigkeit der Produktsparten sowie einer Dezentralisation einhergehen.89 Weiterhin wird ein Unternehmen, das sich im Wettbewerb durch eine Kostenfiihrerschaftsstrategie abgrenzt, der effizienten Ressourcennutzung und einer zentralen Kontrolle hohes Gewicht beimessen. Eine Konzentration auf kundenorientierte Innovation und Differenzierung spricht hingegen eher fiir eine intensive bereichsiibergreifende Abstimmung zwischen Marketing und Forschung & Entwicklung.^O
3.3
Erhebung des Istzustands
Das Ziel der Istanalyse besteht darin, sich ein moglichst genaues Bild vom tatsachlichen Zustand des Controlling-Gegenstands zu machen. Handelt es sich bei dem Controlling urn eine reine Conformance-Kontrolle, so sind die tatsachlichen Merkmale der (Aufbau- bzw. Ablauf-)Organisation zu bestimmen. Soil eine Performance-Priifung durchgefiihrt werden, so sind zum einen die realisierten Auspragungen der Performanceindikatoren zu erheben. Da es erforderlich ist, die Istauspragungen der Performance - namentlich bei negativen Abweichungen - erklaren zu konnen, ist zum anderen auch bei einem reinen Performance-Controlling eine Aufnahme der Istorganisation unumganglich. Nur so lasst sich schliefilich entscheiden, ob Performancedefizite wirklich auf die konzipierte (und so auch implementierte) Organisationsform zuriickzufiihren sind und nicht etwa auf eine davon abweichende Istform. Zusammengenommen sind somit grundsatzlich die jeweiligen Modalitaten der Organisation und gegebenenfalls zusatzlich die erreichte Performance zu bestimmen. Dariiber hinaus ist zu beachten, dass das Ziel eines ,proaktiven' PerformanceControllings darin besteht, Verbesserungsmoglichkeiten der organisationsbezogenen 86 Vgl. Frese/v. Werder (1993), S. 17 und 23; v. Werder (1999), S. 412 f. 87 Vgl. etwa Miles/Snow/Meyer/Coleman (1978); Robey/Sales (1994), S. 27. 88 Siehe in diesem Sinne etwa die Firmenberichte von Lufthansa (Kostner/KraftChristoffel/Yenal [2006]), SAP (Vetter/Sturm/Petry [2006]), Siemens (Suske/Grundei [2006]) und Volkswagen (Hobel/Grundei [2006]) (alle in diesem Band). 89 So etwa im Hause Siemens (vgl. dazu Suske/Grundei [2004], S. 150 f., mit dem Hinweis, dass in jiingerer Zeit gewisse Korrekturen an dieser Organisationsphilosophie zugunsten einer verbesserten Nutzung bereichsiibergreifender Ressourcen vorgenommen wurden). Vgl. zu den genannten Beispielen Miles/Snow/Meyer/Coleman (1978), S. 550 ff.; Porter (1997), S. 69 f.; V. Werder (1999), S. 413.
34
Konzeptionelle Grundlasen des Orsanisations-Controllinss
Effizienz explorativ aufzudecken.^i In diesem Fall, in dem (fiir die oben erlauterten prinzipiellen Kriterien) lediglich generelle Sollvorgaben existieren,^^ ware folglich im Rahmen der Istanalyse zu diagnostizieren, ob beispielsweise iiberhaupt Interdependenzen bzw. Potenziale existieren und ob bzw. mit welchem Aufwand diese bislang abgestimmt werden. Somit liefie sich etwa feststellen, dass Marktpotenziale vorhanden sind, die sich durch eine Verbesserung der bereichsiibergreifenden Koordination realisieren liefien. Zur Gewinnung der erforderlichen Informationen kommen grundsatzlich alle gangigen Erhebungstechniken - gegebenenfalls auch in Kombination - in Betracht. Zu denken ist demnach z.B. an Interviews, schriftliche Befragungen, Besichtigungen, Beobachtungen, Selbstaufschreibungen und an die Analyse von Dokumenten wie etwa Organisationsplanen, Dienstanweisungen, Stellen- und Arbeitsplatzbeschreibungen sowie Ablaufdiagrammen.93 in jedem Fall ist darauf zu achten, dass die benotigten Daten moglichst zuverlassig und hinreichend vollstandig erhoben werden.^"* Die im Einzelfall erforderliche Genauigkeit der Information wird letztlich durch die Sollvorgaben bestimmt. Anders gewendet miissen die Istdaten immer mindestens so prazise sein wie sie Sollgrofien, um einen aussagekraftigen Vergleich vornehmen zu konnen. Geht es etwa um eine Observance-Priifung, so wird die Eignung einer Fragebogenuntersuchung eher zuriickhaltend einzuschatzen sein. Denn die bekannte Neigung zu sozial erwiinschtem Antwortverhalten diirfte einerseits gerade bei der Frage nach der Einhaltung von Verhaltensnormen (in Form von Organisationsregelungen) besonders ausgepragt sein und ist andererseits bei dieser Art der Befragung nur schwer zu kontrollieren. Dagegen wird es in einem personlichen Gesprach eher moglich sein, etwa durch gezieltes Nachfragen ein nuancierteres Bild der tatsachlich gelebten Organisation zu erhalten. Eher als bei einem Fragebogen besteht hier ferner die Moglichkeit, ein abgestimmtes Antwortverhalten der Mitarbeiter, das eventuell zu einer verzerrten Darstellung der Realitat fuhrt,^^ zu erkennen bzw. zu vermeiden. Ein personliches Gesprach wird vermutlich auch eher geeignet sein, sich einen Eindruck von den subjektiven Einstellungen der betroffenen Mitarbeiter zu machen, wodurch sich moglicherweise Ineffizienzen oder demotivierende (Neben-)Wirkungen von Organisationslosungen aufdecken lassen.
91 Vgl.dazuoben, S. 21. 92 Beispiel: Kostensenkung um 10% unter anderem durch verbesserte Ressourcenauslastung. 93 Siehe AckerAVeiskam (1977), S. 17 ff., 54 ff., 83 ff.; HartmannAValter (1985), S. 79 ff.; Hill/Fehlbaum/Ulrich (1998), S. 508 ff.; Schmidt (2000), S. 164 ff. Zu umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitungen von Methoden zur Organisationsmessung vgl. etwa Van de Ven/Ferry (1980); KubicekAVelter (1985). 94 Vgl. Adamowsky (1969), Sp. 1374. 95 Vgl. AckerAVeiskam (1977), S. 19 f. 35
Axel V. Werder I Jens Grundei
3.4
Abweichungsanalyse und Konsequenzen
Auf der Grundlage der Soil- und Istgrofien lassen sich nunmehr Soll-Ist-Vergleiche durchfiihren. Die Kernfrage lautet an dieser Stelle, welche Implikationen sich ergeben, wenn die Auswertung Conformance- oder Performance-Defizite ergibt. Mit der Ursachenanalyse und der Initiierung von Konsequenzen stehen dabei zwei Aspekte im Vordergrund. Zunachst wird es im Regelfall erforderlich sein, die Ursachen aufgedeckter Mangel genauer zu untersuchen. So sind etwa die moglichen Griinde fiir Abweichungen von den formal geltenden organisatorischen Regelungen vielfaltig und umfassen die Unkenntnis bzw. Unklarheit von Vorschriften ebenso wie das Unvermogen oder die Unwilligkeit der Mitarbeiter, den Regelungen Folge zu leisten.^^ Sieht man einmal von einer generellen Oppositionshaltung ab, so kann die Unwilligkeit sowohl emotional (z.B. Angst vor Veranderung) als auch mehr individual-rational (Vermeidung von Einflussverlust) bedingt sein. Mitunter konnen aber auch Inkonsistenzen mit anderen Systemen zu Conformance-Problemen fiihren. Beispielsweise kann die Berechtigungsstruktur im IT-System von der Organisationsstruktur abweichen.^^ Nicht zuletzt kann der Versuch, eine bestehende Regelung zu umgehen, auch Ausdruck einer wahrgenommenen Ineffizienz der betreffenden Organisationsform sein.^^ Werden die organisatorischen Vorgaben hingegen - soweit nachvollziehbar - befolgt, stellen sich aber dennoch Performanceprobleme ein, so sind die Organisationsformen moglicherweise falsch konzipiert bzw. ihre Wirkungen falsch prognostiziert worden oder aber die situativen Rahmenbedingungen wurden nicht adaquat in Rechnung gestellt bzw. haben sich unterdessen verandert.^^ Da sich die Effizienzwirkungen organisatorischer Regelungen stets nur iiber das Verhalten der Organisationsmitglieder entfalten konnen,^^^^^ ist vor allem der Frage nachzugehen, ob sich die Mitarbeiter tatsachlich unternehmenszielkonform verhalten. Im Zuge der Konzipierung von Gestaltungsalternativen wird iiblicherweise auf vereinfachende Annahmen iiber das Verhalten der ,organisierten' Mitarbeiter zuriickgegriffen, um die Komplexitat des Gestaltungsproblems zu reduzieren. Dies gilt fiir Theorie und Praxis gleichermafien. Dabei konnen Organisationsanalysen ganz unterschiedliche Vorstellungen iiber die Verhaltensweisen von Handlungstragern in Unternehmen zugrunde gelegt werden.^oi So unterstellt beispielsweise der handlungstheoretische Ansatz der organisatorischen Gestaltung, der die Grundlage fiir die in Abschnitt 3.2.2.2 erlauterten Effizienzkriterien darstellt, zunachst intendiert-rationale Handlungsweisen. Nach dieser Pramisse ver-
96 97 98 99 100 101
36
Vgl. Adamowsky (1969), Sp. 1371. Vgl. Weinhold/Hadrich/Bach (2006) (in diesem Band). Vgl. Hobel/Grundei (2006) (in diesem Band). Vgl. auch Grochla (1982), S. 73 f. Vgl. Grundei (1999), S. 77; v. Werder (2004), Sp. 1093. Siehe Grundei (1999), S. 81 ff.; v. Werder (1999), S. 413.
KonzeptioneUe Grundlasen des Organisations-ControUinss
halten sich die Akteure im Rahmen ihrer Aufgabenerfiillung von sich aus im Sinne der Untemehmensziele. Institutionenokonomisch orientierte Ansatze wie etwa die Prinzipal-Agenten-Theorie oder der Transaktionskostenansatz setzen hingegen auf die gegensatzliche Annahme opportunistischer Verhaltensweisen.i02 Oje Verwendung derartiger Pramissen erlaubt dem Organisator, Effizienzprognosen alternativer Gestaltungsformen auf sachlogische Aspekte der Arbeitsteilung und Koordination zu konzentrieren, die sich unter Zugrundelegung bestimmter Pramissen jeweils ergeben. Werden damit jedoch die mutmafilichen tatsachlichen Verhaltensweisen der betreffenden Organisationsmitglieder im Zuge der Konzipierungsphase nicht bzw. nicht hinreichend genau in Rechnung gestellt, so kdnnen entsprechende Verhaltensabweichungen ein wichtiger Grund fiir eingetretene Performancedefizite sein. Z.B. werden sich Poolungseffekte der Beschaffung nach einer - insoweit grundsatzlich zweckmafiigen organisatorischen Zusammenfassung von Einkaufsentscheidungen nur dann wirklich einstellen, wenn die gestiegene Einkaufsmacht auch aktiv gegeniiber den Lieferanten vertreten wird. Die tatsachlichen Verhaltensweisen umfassen ferner nicht beabsichtigte Nebenwirkungen der gefundenen Organisationslosung. So konnen etwa kontrollorientierte Strukturen zur Eindammung vermeintlich opportunistischer Verhaltensweisen eben dieses Verhalten geradezu provozieren, wenn die betroffenen Mitarbeiter eigentlich motiviert sind, unternehmenszielkonformen zu handeln, und erst durch das ihnen entgegengebrachte Misstrauen frustriert werden.^03 Je nach Ergebnis der Abweichungsanalyse miissen unterschiedliche Konsequenzen eingeleitet werden. So miissen gegebenenfalls die Performanceziele revidiert, organisatorische Regelungen modifiziert oder durch Anreiz- und Fiihrungssysteme flankiert werden, um dysfunktionalen Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder entgegen zu wirken. Die damit angestofienen Anpassungsmafinahmen sollten in nachfolgenden Organisations-Reviews wiederum auf Umsetzung und Zweckmafiigkeit iiberpriift werden. Auf diese Weise kann ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Organisation aktiviert werden.
Organisatorische Verankerung des Organisations-Controllings Ob ein Organisations-Controlling seine Funktion erfiillen kann, hangt nicht zuletzt davon ab, wie es seinerseits in der Organisation verankert wird. Deshalb sollen abschliefiend die wichtigsten Alternativen der organisatorischen Institutionalisierung 102 Vgl. Grundei (2006). 103 Vgl. Deci (1975), S. 222; Ghoshal/Moran (1996), S. 14, 21 ff.; Frey/Osterloh (1997), S. 316; Grundei (2006).
37
Axel V. Werder I Jens Grundei
des Organisations-Controllings skizziert und einer iiberschlagigen Effizienzeinschatzung unterzogen werden.^O^ Dabei werden aus Platzgriinden nur Altemativen der internen Organisation betrachtet, obgleich grundsatzlich auch ein Einsatz extemer Spezialisten in Frage kommt. Die Gestaltungsaltemativen lassen sich zunachst grob nach den beiden grundlegenden Gestaltungsdimensionen der Delegation und der Bereichsbildung einteilen. Die Delegation betrifft die Frage, in welchem Mafie Aufgaben des OrganisationsControllings unmittelbar von der Unternehmensleitung zu iibernehmen sind oder aber auf nachgeordnete Einheiten delegiert werden konnen. Die Geschaftsleitung hat fiir die Rechtmafiigkeit der Organisation und damit der Informations- und Entscheidungsprozesse zu sorgenJOS Folglich zeichnet sie grundsatzlich fiir die ComplianceFunktion verantwortlich. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Unternehmensleitung die entsprechenden Controllingaktivitaten tatsachlich selbst durchzufiihren hat. Sie kann sich beispielsweise durch einen ,Compliance Officer' unterstiitzen lassen,i06 vvird aber in jedem Fall sicherzustellen haben, dass die entsprechenden Aufgaben iiberhaupt wahrgenommen werden. Mit Blick auf Conformance- und PerformancePriifungen bietet es sich an, nach der Bedeutung der betreffenden Organisationsentscheidungen zu differenzieren. Da die Unternehmensleitung gehalten ist, den Erfolg ihrer eigenen Beschliisse zu uberwachen,^^? muss sie die adaquate Umsetzung ebenso wie die Performancewirkungen groBerer Restrukturierungen auch selbst verfolgen, wahrend in die Zustandigkeit einzelner Bereiche fallende Organisationsprojekte nicht notwendig auch durch die Unternehmensleitung zu kontroUieren sind. Schon aus Kapazitatsgriinden wird sich die Unternehmensleitung insoweit darauf beschranken miissen, iiberhaupt auf die Einrichtung eines Organisations-Controllings zu dringen und sich gelegentlich durch Stichprobenkontrollen von dessen Funktionsfahigkeit zu iiberzeugen. Die Organisationsalternativen der Bereichsbildung lassen sich zweckmaEig nach den drei Gestaltungsfeldern Etablierung, Platzierung und Kooperation trennen.108 Mit dem Gestaltungsfeld der Etablierung verbinden sich zwei Fragestellungen. Zum einen ist zu entscheiden, ob die Aufgaben des Organisations-Controllings den verschiedenen 104 Vgi 2:u den Gestaltungsfeldern der Organisation von Teilfunktionen und Details der Effizienzbeurteilung ausfiihrlich v. Werder (1996b); Grundei (1999); v. Werder/Grundei (2000). Siehe ferner oben, S. 31 f., zu prinzipiell relevanten Effizienzkriterien. 105 Vgl. V Werder (1988), S. 104; Schneider (1993), S. 1911; Grohnert (1999), S. 53; Hauschka (2004), S. 465. 106 Vgl. Hauschka (2004), S. 465. 107 Siehe hierzu und zum Folgenden auch allgemein v Werder (1996a), S. 50 f. 108 Oa die Schaffung eigenstandiger Organisationseinheiten fiir das Organisations-Controlling derzeit noch kaum gelebte Praxis darstellt, wird auf die Erorterung des (vierten) Gestaltungsfeldes der Differenzierung, welches die interne Gliederung einer entsprechenden Einheit thematisiert, an dieser Stelle verzichtet. Die Spezialisierung wird momentan eher durch die Verteilung von Teilaufgaben des Organisations-Controllings auf verschiedene Einheiten erreicht.
38
Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-Controllings
Organisationsbereichen eines Unternehmens zu iiberantworten oder aber auf spezialisierte Einheiten zu iibertragen sind. Es handelt sich somit im Prinzip um die Entscheidung zwischen Selbst- und Fremdkontrolle. Fiir eine Spezialisierung (und damit Fremdkontrolle) sprechen dabei im Kern zwei Uberlegungen. Zum einen ermoglicht lediglich die organisatorische Zusammenfassung der Controllingakvitaten den effizienten Aufbau und die Nutzung des erforderlichen Spezialwissens, das einerseits juristischer Natur (Compliance) und andererseits strategisch-organisatorischer Art (Performance) ist. Die Erzielung entsprechender Poolungseffekte ist fiir ein organisationsbezogenes Wissensmanagement von zentraler Bedeutung. Zum anderen besteht mit Blick auf die Datenerhebung zumindest die Moglichkeit, dass bei der Messung z.B. der Prozessperformance durch den Prozessverantwortlichen selbst manipuliert wird, insbesondere wenn die Daten (auch) als Grundlage fiir die Feststellung der Erreichung von Zielvereinbarungen dienen.i09 Die Priifung der ZweckmaiSigkeit organisatorischer Regelungen diirfte deshalb regelmafiig von einer unabhangigen Perspektive profitieren.iio Wahrend sich insoweit eindeutig die spezialisierte Fremdkontrolle als Organisationslosung anbietet, kann das Observance-Controlling schon aus Kapazitatsgriinden kaum flachendeckend auf Spezialisten iibertragen werden. Da die Uberpriifung der Einhaltung von Organisationsvorschriften unmittelbar den Prozess der Mitarbeiterfiihrung beriihrt, fallt dieser Teilaspekt des Organisations-Controllings allerdings auch wesentlich in den Zustandigkeitsbereich der Fiihrungskrafte ,vor Ort'. Dessen ungeachtet empfiehlt es sich, wenigstens erganzende bzw. stichprobenartige Kontrollen durch unabhangige Dritte vorzusehen, die dann im Ubrigen auch das Verhalten der Fiihrungskrafte mit einschliefien sollten. Weit weniger klar bleibt allerdings der zweite Aspekt der Etablierung. Dabei geht es um die Frage, ob die Aufgaben einer oder mehreren existierenden Einheit(en) iibertragen werden oder ob es sich anbietet, eine gesonderte Organisations-ControUingEinheit zu schaffen. In der Praxis der Mitgliedsunternehmen schalen sich insoweit zwei unterschiedliche Losungsansatze heraus. Auf der einen Seite werden verschiedenen Teile der Organisations-Controlling-Aufgaben auf unterschiedliche, jeweils fachlich nahe stehende Einheiten aufgeteilt, bei denen es sich jedoch nicht um spezialisierte Organisations-Controlling-Einheiten handelt (vgl. Abbildung 4-1).^^i Zu denken ist etwa an die Rechtsabteilung mit Blick auf Compliancefragen oder die Abteilung Untemehmensentwicklung, wenn es um die Abstimmung zwischen Strategie und Struktur geht. Die Funktion Organisations-Controlling wird in diesen Unternehmen somit zwar durchaus wahrgenommen. Es existiert jedoch keine spezielle Organisationseinheit hierfiir, so dass sich das Organisations-Controlling insgesamt aus den Teilbeitragen diverser Einheiten ergibt. Der grofite Nachteil dieser Organisationslosung ist darin 109 Vgl Weber/Schaffer (2000), S. 262, sowie allgemein zu der Gefahr der Datenmanipulation im Rahmen von Anreiz- und Kontrollsystemen etwa Merchant (1985), S. 79 ff. 110 Vgl. auch Horvath (1992), Sp. 1603 und 1612. 111 Siehe hierzu etwa die Firmenberichte von Bayer (Becker/Talaulicar [2006]) und Lufthansa (Kostner/Kraft-Christoffel/Yenal [2006]) (beide in diesem Band).
39
Axel V. Werder I Jens Grundei
zu sehen, dass die verschiedenen Facetten des Organisations-Controllings (Performance/Conformance bzw. Aufbau-/Ablauforganisation) in hohem Mafie interdependent sind und eine Aufteilung auf verschiedene Einheiten die Gefahr von Autonomiekosten mit sich bringt bzw. einen hohen Abstimmungsaufwand verlangt.
Abbildung 4-1:
Verteilte Organisation des Organisations-Controllings
Controlling
Vorstand
LinienManagement
Strategie/ Untemehmensentwicklung
Organisation
V OrganisationsControlling
J
Personalwesen
Qualitatsmanagement Recht Revision
Auf der anderen Seite kommt es zu einer deutlicheren Zusammenfassung der Organisations-Controlling-Aktivitaten, wobei hier vor allem die Bereiche Organisation^^^ y^id Interne Revision^^^ dominieren. Fiir die Organisationsabteilung spricht dabei die offensichtliche Nahe der Aufgaben des Organisations-Controllings zur Gesamtverantwortung fiir die organisatorische Gestaltung und damit die Kompetenz in Fragen des Organisationsmanagements, fiir die Revision hingegen vor allem die grofiere Unabhangigkeit und Objektivitat.i^^ Auch in diesen Fallen handelt es sich jedoch nicht urn reine Organisations-Controlling-Einheiten, so dass von einer Etablierung entsprechend spezialisierter Einheiten in den betrachteten Hausern noch nicht gesprochen werden kann. Gerade zur Realisierung von Wissenssynergien erscheint es allerdings durchaus sinnvoll, Stellen fiir das Organisations-Controlling einzurichten. Werden auf das Organisations-Controlling spezialisierte Einheiten etabliert, so schliefit sich die Frage der Platzierung an, ob die Controllingaufgaben in einem Zentralbereich 1^2 So etwa bei Volkswagen (siehe Hobel/Grundei [2006], in diesem Band). ^^3 Siehe hierzu etwa die Situation bei Siemens (Suske/Grundei [2006], in diesem Band). ^14 Vgl. auch Adamowsky (1969), Sp. 1376 f.; Grochla/Frese (1992), Sp. 1335; ferner Schmidt (2000), S. 61 f.; Wiedmann (2004), Sp. 979 f. 40
KonzeptioneUe Grundlasen des Orsanisations-ControlUngs
konzentriert oder in den operativen Bereichen dekonzentriert verankert werden sollen bzw. ob eine Kombination aus Zentralbereich und dezentralen Controllingspezialisten vorzuziehen ist. Fiir die Einrichtung eines Zentralbereichs spricht aus Sicht der Ressourceneffizienz, dass diese Losung vergleichsweise weniger Experten erfordern wird, die zudem gleichmafiig(er) ausgelastet werden konnen. Eine zentrale OrganisationsControlling-Einheit kann ferner als ,Informationsdrehscheibe' fungieren und somit bereichsiibergreifende Lemeffekte - etwa durch den Austausch von Lessons Learned bzw. Best Practice - unterstiitzen. Dariiber hinaus war bereits unterstrichen worden, dass Gegenstand des Organisations-Controllings auch und gerade bereichsiibergreifende Problemzusammenhange darstellen, die sich folglich auch nur qua bereichsiibergreifender Betrachtung erkennen und bearbeiten lassen; dies gelingt innerhalb einer (zentralen) Einheit reibungsloser als zwischen mehreren, auf operative Bereiche aufgeteilten Einheiten. Die Einrichtung dezentraler Bereichseinheiten konnte sich insofern uberhaupt nur dann anbieten, wenn die bereichsspezifischen Anforderungen an das Organisations-Controlling so heterogen ausfallen wiirden, dass dem libergreifenden Know-how-Aufbau ohnehin enge Grenzen gesetzt waren und somit der hierfiir verbundene Aufwand unverhaltnismafiig hoch ware.^^^ Wahrend Bereichsbesonderheiten mit Blick auf Konzipierung und Implementierung eine betrachtliche Rolle spielen konnen, scheinen Controllingaktivitaten zumindest relativ weniger stark auf bereichsspezifische Kenntnisse angewiesen zu sein.^^^ Selbst wenn es auf Grund der zentralen Konzentration zu gewissen Verzogerungen bei der Durchfiihrung von Organisationspriifungen kommt, so sind diese regelmafiig - fiir die operative Leistungserbringung - nicht so gravierend, dass sie eine Dekonzentration rechtfertigen wiirden. Schliefilich diirften kritische Interdependenzen vor allem zwischen dem Organisations-Controlling und den weiteren Teilaufgaben des Organisationsmanagements bestehen. Sollen diese Schnittstellen zur moglichst reibungslosen Koordination in einem Organisationsbereich zusammengefasst werden, so ware nach der Organisation namentlich der Konzipierungsaufgaben zu fragen. Insgesamt lasst sich damit die These formulieren, dass zumindest eine reine Dekonzentrationslosung fiir das Organisations-Controlling ausscheidet, wahrend die Beteiligung eines Zentralbereichs geboten erscheint. Werden Telle des Organisations-Controllings dennoch bereichsintern wahrgenommen, so kann insgesamt von einer Kombinationslosung der Platzierung gesprochen werden. Mit dem Gestaltungsfeld der Kooperation werden schliefilich die auf das Organisations-Controlling bezogenen Kompetenz- und Kommunikationsregelungen festgelegt. Hierfiir kommen alternative Gestaltungsmodelle in Frage, wie sie generell im Rahmen der Organisation betrieblicher Teilfunktionen Verwendung finden.^^^ D{Q weiteren 115 Ygi in diesem Zusammenhang die Argumentation im Hause Lufthansa fiir eine Dezentralisierung der Organisationsarbeit (Kostner/Kraft-ChristoffelA'enal [2006], in diesem Band). 116 Qie gegebenenfalls erforderliche Entwicklung von Anpassungsmafinahmen fallt wiederum mit der Neukonzipierung von Organisationsformen zusammen. 117 siehe dazu Frese/v. Werder (1993), S. 36 ff. 41
Axel V. Werder I Jens Grundei
Ausfiihrungen werden jedoch auf einige prinzipielle Uberlegungen beschrankt. Hierfiir bietet es sich zunachst an, zwei verschiedene Aspekte der Kooperation zu trennen. So ist zum einen nach der Kompetenzaufteilung zwischen mehreren Einheiten zu fragen, die im Rahmen einer ,verteilten' Organisationslosung Teilaufgaben des Organisations-Controlling wahmehmen. Zum anderen ist das Kompetenzverhaltnis zwischen einer zentralen Organisations-Controlling-Einheit und den zu priifenden operativen Einheiten festzulegen. Je mehr Einheiten an der Bewaltigung der Aufgaben des Organisations-Controllings beteiligt sind (z.B. Organisation, Interne Revision, Recht, Controlling etc.), umso zahlreicher sind die jeweils bilateral auszuformenden Relationen. Im Kern ist dabei jeweils zu entscheiden, ob einer Einheit (aufgabenspezifisch) gegeniiber anderen Einheiten ein Kompetenziibergewicht eingeraumt werden soil oder ob die jeweiligen Einheiten kompetenziell gleichberechtigt agieren soUen. Generell kann an dieser Stelle lediglich konstatiert werden, dass iiberhaupt eine Abstimmung zwischen den beteiligten Einheiten erforderlich ist, um die angesprochenen Synergieeffekte zu erzielen. Hierzu wird es sich ferner anbieten, dass eine Einheit als eine ,Lead Unit' fungiert und als solche eine Koordinationsfunktion der einzelnen Teilbeitrage iibernimmt. Dabei wird es hilfreich sein, wenn eine gemeinsame Software-Plattform verwendet wird J ^^ Mit Blick auf die Kompetenzposition einer zentralen Organisations-ControllingEinheit gegeniiber den operativen Bereichen lassen sich vereinfacht zwei Grundmodelle unterscheiden.1'9 Danach wiirde die Ausgestaltung des OrganisationsControllings als Corporate Center den hoheitlichen Charakter der Aufgaben betonen und eine bereichsiibergeordnete Perspektive in den Vordergrund stellen. Somit spielen vor allem Zentralisations- und Poolungseffekte eine Rolle, die durch ein kompetenzstarkes Center erreicht werden sollen. Es verleiht dem Organisations-Controlling auch dann die notige Durchsetzungskraft, wenn die betreffenden operativen Einheiten (von sich aus) wenig Interesse an einer kritischen Uberpriifung ihrer Strukturen und Prozesse zeigen. Prinzipiell besteht indes auch die Moglichkeit, das OrganisationsControlling als eine interne Dienstleistung zu begreifen und die Zentraleinheit dementsprechend als Service Center auszuformen. In diesem Fall wird den operativen Einheiten ein Kompetenziibergewicht bei der Inanspruchnahme serviceorientierter Leistungen eingeraumt. Sie konnten somit entscheiden, ob und welche Kontrollen durchgefiihrt werden sollen und wiirden einen entsprechenden Auftrag an das zentrale Center vergeben. Aus den zuvor erorterten Griinden kann eine solche bereichsdominante Gestaltung jedoch allenfalls als Erganzung einer zentral ausgerichteten Losung angesehen werden.
^^^ Siehe hierzu auch den Firmenbericht iiber ThyssenKrupp von Claassen (2006) (in diesem Band). ^^^ In Anlehnung an die Idealtypen der Center-Organisation bei v. Werder/Grundei (2004), S. 45 f. 42
Konzeptionelle Grundlaqen des Organisations-Controllings
Fazit und Ausblick Die Schaffung eines Organisations-Controllings in der hier skizzierten Form kann nur mit einem Mindestmafi an Einsatz von Personal- und Sachressourcen gelingen. Wenn auch eine exakte Bezifferung dieses Aufwands nur im Einzelfall moglich ist, so ist doch erkennbar, dass allein fiir qualifizierte interne Mitarbeiter bzw. externe Berater nicht unerhebliche Ausgaben anfallen werden. Auf der anderen Seite steht aufier Frage, dass die Sicherstellung von Conformance und Performance der Organisation eine aufierordentlich wichtige Managementaufgabe darstellt, der bislang noch nicht die eigentlich erforderliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Gerade bei umfangreichen und aufwandigen Reorganisationen erscheint es allerdings fragwiirdig, den Projekterfolg keinem eingehenden Review zu unterziehen. Konsequent angewendet tragt ein Organisations-Controlling dazu bei, Organisations-Know-how unternehmensweit aufzubauen und durch Best Practice Sharing zu nutzen. Damit eroffnet das OrganisationsControlling die Chance, die Effizienz der Organisation kontinuierlich zu verbessern und organisationsbasierte Wettbewerbsvorteile nicht nur einmalig zu generieren, sondern moglichst dauerhaft auszubauen. Organisationsentscheidungen werden j durch das systematische Vorgehen fundiert und objektiviert. Ein entsprechendes Vor- j gehen wiirde auch zu vermeiden helfen, organisatorischen ,Modestromungen' zu folgen, da und soweit moglichst friihzeitig kritisch hinterfragt wird, ob die fraglichen Mafinahmen aus Sicht des Unternehmens einen wirklichen Nutzen liefern; das Organisations-Controlling versteht sich somit auch als ,Feind der Organisationsmoden'. Wird das sorgfaltige Vorgehen umfassend dokumentiert, so kann es im Ubrigen ein wichtiges Instrument darstellen, um in juristischen Streitfallen ein Organisationsverschulden der Unternehmensleitung auszuschliefien. Zusammengenommen kann die Einrichtung eines systematischen Organisations-Controllings angesichts teilweise massiver Restrukturierungsaufwendungen in wettbewerbsintensiven Markten sowie zunehmender Regelungsdichte und steigender Haftungsrisiken nur nachdriicklich empfohlen werden. Die Grundziige eines solchen Konzepts wurden in dem vorlie- 1 genden Aufsatz erlautert. Sie werden in den weiteren Beitragen dieses Bandes vertieft und durch Praxisbeispiele veranschaulicht.
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Thomas Mellewigt / Carolin Decker
Messung des Organisationserfoigs
Zusammenfassung
52
1
Einfiihrung
53
2
Effektivitat und Effizienz als Dimensionen des Organisationserfoigs: Definitionen und begriffliche Abgrenzung 54 2.1 Effektivitat 54 2.2 Effizienz 55 2.3 Organisationserfolg („organizational performance'') 57
3
Die 3.1 3.2 3.3 3.4
4
Ein Vorschlag zur Messung des Organisationserfoigs 4.1 Erfolgsmessung: Uberblick und Vorgehensweise 4.2 Ein Analyserahmen zur Messung des Organisationserfoigs
69 69 72
5
Fazit und Implikationen fiir Forschung und Praxis
71
Messung des Organisationserfoigs Theoretische Konzepte und die Wahl geeigneter Indikatoren Quantitative und qualitative Kennzahlen Der Zusammenhang von Strategie und Erfolg Organisationserfolg als abhangige oder unabhangige Variable
59 60 61 65 67
51
Thomas Mellewigt I CaroUn Decker
Zusammenfassung Die Messung des Erfolgs einer Organisation stellt ein vielschichtiges und praxisrelevantes Problem dar. Sie ist Teil des Organisations-Controllings, speziell des Performance-Controllings. In der Praxis stehen vielfaltige Kriterien und Modelle zur Erfolgsmessung zur Verfiigung. Diese Vielfalt ist Resultat der Uneinigkeit dariiber, wie organisational Effizienz und Effektivitat bzw. der Organisationserfolg adaquat erfasst werden konnen. Schon die Abgrenzung dieser Konstrukte ist uneindeutig. Die vorgenommenen Messungen erlauben somit einen grofien Interpretationsspielraum. Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, Indikatoren herauszuarbeiten und systematisch darzustellen, mit denen organisationale Effektivitat und Effizienz als Dimensionen des Organisationserfolgs abgebildet werden konnen. Dazu werden Definitionen und begriffliche Abgrenzungen von Effektivitat, Effizienz und Erfolg vorgenommen und ein Uberblick iiber gangige Messungen, Indikatoren und Modelle herausgearbeitet. Darauf aufbauend wird ein eigener Analyserahmen entwickelt, wie der Organisationserfolg gemessen und interpretiert werden kann. Abschliefiend werden Implikationen fiir Forschung und Praxis diskutiert.
52
Messung des Orsanisationserfolgs
Einfuhrung Die Messung des Erfolgs einer Organisation stellt ein ebenso altes wie vielschichtiges Problem dar.i Wenn man bedenkt, dass die Frage nach der Messung von Effektivitat und Effizienz keineswegs neu ist,2 ist die jiingst von Rojas (2000) getroffene Aussage ausgesprochen erstaunlich, denn dort heifit es: „Although it may be intuitively apparent that a measure of organizational performance would be readily available in management literature, quite the contrary is true/'^ Die Messung des Organisationserfolgs stellt sowohl im For-Profit- als auch im NonProfit-Sektor ein aufierst praxisrelevantes Problem dar.4 Sie ist Teil des OrganisationsControllings, speziell des Performance-Controllings. Im Zuge dessen werden organisatorisch relevante Soll-Grofien mit systematisch erhobenen Ist-Gro6en verglichen, um einerseits sicher zu stellen, dass die Organisation vorgabenkonform funktioniert (im Sinne von Uberwachung), und um andererseits Verbesserungspotentiale zu erkennen und zu nutzen (im Sinne von Steuerung).^ Dazu stehen in der Praxis vielfaltige Kriterien und Modelle zur Verfugung.6 Diese Vielfalt lasst die Vermutung zu, dass Uneinigkeit dariiber herrscht, wie organisationale Effizienz und Effektivitat beziehungsweise der Organisationserfolg adaquat erfasst werden konnen. Schon die Abgrenzung dieser Konstrukte verursacht Schwierigkeiten, da sie haufig synonym verwendet werden, mehrdeutig sind und somit einen grofien Interpretationsspielraum erlauben7 Dennoch erheben alle Modelle den Anspruch, dass ihre Anwendung zur Erhohung von Effektivitat und Effizienz entscheidend beitragt: „A major question for management is how well these systems support the effectiveness and efficiency of key functions and processes in their organizations/'^ Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, Indikatoren herauszuarbeiten und systematisch darzustellen, mit denen organisationale Effektivitat und Effizienz abgebildet werden konnen. Dazu werden in Kapitel 2 zunachst Definitionen und begriffliche Abgrenzungen von Effektivitat, Effizienz und Erfolg vorgenommen. Kapitel 3 gibt einen Uberblick iiber gangige Messungen, Indikatoren und Modelle. Darauf aufbauend soil in
A Vgl. Davis/Pett (2002), S. 87; March/Sutton (1997), S. 698. 2 Siehe dazu z.B. Barnard (1939) oder auch Engle (1941). 3 Rojas (2000), S. 97. Diese Aussage ist besorgniserregend, well der Organisationserfolg in vielen Managementstudien als abhangige Variable erhoben wird (siehe dazu Kapitel 3.4). 4 Vgl. PunAVhite (2005), S. 50; Radcliffe (1999), S. 333 f.; Rojas (2000), S. 97 f. 5 Vgl. dazu V. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band); Wiedmann (2004), Sp. 978 f. Daneben gibt es noch das Conformance-Controlling, welches iiberpriifen soil, ob die Organisation den geltenden Bestimmungen entspricht. Dieses wird nachfolgend nicht weiter beriicksichtigt. 6 Fiir einen systematischen Uberblick iiber gangige Modelle siehe Pun/White (2005). 7 Vgl. dazu z.B. Grundei (1999), S. 67 f.; March/Sutton (1997), S. 698; Pfeffer/Salancik (1978), S. 32 ff.; Radcliffe (1999), S. 333; Robalo (1992), S. 18. 8 Pun/White (2005), S. 67. 53
Thomas MeUewigt I CaroUn Decker
Kapitel 4 ein eigener Analyserahmen zur Messung des Organisationserfolgs erarbeitet werden. In Kapitel 5 werden Implikationen fiir Forschung und Praxis diskutiert.
Effektivitat und Effizienz als Dimensionen des Organisationserfolgs: Definitionen und begriffliche Abgrenzung Uber die Verwendung der Begriffe „Effizienz'', „Effektivitat" und „Erfolg" herrscht Unklarheit: So sprechen beispielsweise March/Sutton (1997) und Robalo (1992) von Effektivitat als Synonym fiir Erfolg.^ Schulte-Zurhausen (2002) betrachtet Effizienz als ein Unterkriterium von Effektivitat.lo Andere Autoren verzichten auf eine Unterscheidung dieser Konzepte.^^ Wiederum andere erachten eine begriffliche Trennung fiir notwendig. Nach deren Argumentation handelt es sich bei Effizienz und Effektivitat um unterschiedliche Kriterien zur Bewertung von Organisationen, die unabhangig voneinander unterschiedlich stark beriicksichtigt werden konnen.^^ Deshalb soil nachfolgend eine klare begriffliche Unterscheidung vorgenommen werden. Davis/Pett (2002), Neely/Gregory/Platts (1995), Ozcan/ShuklaA^yler (1997) und PunAVhite (2005) folgend, werden hier Effizienz und Effektivitat als Dimensionen des Organisationserfolgs verstanden.^3
2.1
Effektivitat
Bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten beklagten Goodman/Pennings (1980) eine fehlende begriffliche Klarung von Effektivitat: „The construct of organizational effectiveness has never been well specified."^4 Daran scheint sich bis heute wenig geandert zu
9 Vgl. March/Sutton (1997), S. 705, Endnote 1; Robalo (1992), S. 16. 10 Vgl. Schulte-Zurhausen (2002), S. 5. 11 Siehe z.B. Ittner/Larcker (1998) und Rojas (2000) sowie die bei Grundei (1999), S. 68, zu diesem Aspekt genannte Literatur. 12 Vgl. dazu z.B. Pfeffer/Salancik (1978), S. 35; Ostroff/Schmitt (1993), S. 1345; siehe auch Davis/Pett (2002) sowie Kapitel 3. 13 Vgl. Davis/Pett (2002), S. 87; Neely/Gregory/Platts (1995), S. 80; Ozcan/Shukla/Tyler (1997), S. 176 und 180 f.; Pun/White (2005), S. 50; siehe auch z.B. Robalo (1992), S. 16 ff. fiir einen kurzen Uberblick iiber die unterschiedliche Verwendung der Begriffe in der Literatur. 14 Goodman/Pennings (1980), S. 186. 54
Messung des Organisationserfolgs
haben. Effektivitat wird haufig mit dem Satz ''doing the right things" erklart, um den Zusammenhang einer Mafinahme mit einem vorab definierten Ziel zu verdeutlichen. Demnach bedeutet Effektivitat, dass eine Organisation die richtigen Ziele verfolgt. Eine Antwort auf die Frage, was unter „ richtigen Zielen'' zu verstehen ist, unterbleibt jedoch.i5 Davis/Pett (2002) beschreiben mit Effektivitat die Fahigkeit einer Organisation, mit ihrer Umwelt in Beziehung zu treten, insbesondere in Bezug auf den Erwerb knapper Ressourcen.16 Somit gilt Effektivitat als ein externer Standard. Dieser sagt aus, was eine Organisation tut, d.h. ob sie ihre vorab festgelegten Ziele erfiillt. Von Effektivitat wird gesprochen, wenn ein vorgegebenes Ziel erreicht wurde und zwar unabhangig vom Aufwand, den eine Organisation zur Zielerfiillung einsetzen musste. Letzteres ist Aufgabe der Effizienz, die im Gegensatz dazu eine Aussage darliber trifft, wie etwas in einer Organisation getan wird.l^ Die begriffliche Verwirrung im Hinblick auf die Unterscheidung von Effektivitat und Effizienz beruht nicht nur darauf, dass beide Konstrukte auf denselben lateinischen Wortstamm zuruckgehen,^^ sondern auch darauf, dass Effizienz selbst mit einem gewissen Wert behaftet ist. Die Maximierung von Effizienz gilt als Wert per se und ist sozial erwiinscht, so dass oftmals aus Griinden der Legitimation von Effizienz gesprochen wird, wenn eigentlich Effektivitat gemeint ist.^^ gine Folge davon ist, dass Kennzahlen zur Messung von Effektivitat definiert werden, die sich eigentlich auf Effizienz beziehen.20
2.2
Effizienz
Effizienz wird haufig mit dem Satz „doing things right" umschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um den Erreichungsgrad eines vorab festgelegten Ziels einer Orga15 16 17 18 19
20
Vgl. Grundei (1999), S. 67 f. und die dort genannte Literatur; Schulte-Zurhausen (2002), S. 5. Vgl Davis/Pett (2002), S. 88. Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 34; Robalo (1992), S. 17 f. lat. efficere = hervorbringen, bewirken, eine Tat ausfiihren Vgl. Schulte-Zurhausen (2002), S. 5. Pfeffer/Salancik fiihren dazu aus: „Some confusion between effectiveness and efficiency comes about because efficiency itself is valued. Years of Taylorism, scientific management, and now operations research and management science have led to the maximization of efficiency as a value. After literally decades of management ideology venerating efficiency, efficiency has come to be a valued social ideal" (Pfeffer/Salancik [1978], S. 35). Siehe dazu die Beispiele, die Goodman/Pennings (1980), S. 196 f. nennen. Obwohl diese explizit als Konzepte oder Attribute zur Erfassung der organisationalen Effektivitat bezeichnet werden, messen einige davon, so z.B. ROI, Rentabilitat und Produktivitat, tatsachlich die Effizienz. Allerdings kann dies darauf zuriickzufiihren sein, dass die Autoren zwar beide Begriffe definitorisch voneinander abgrenzen, aber betonen, dass sie die Bewertungsprozesse fiir Effizienz und Effektivitat als identisch erachten (vgl. Goodman/Pennings [1980], S. 193). 55
Thomas MeUewigt I CaroUn Decker
nisation handelt. Dabei spielen insbesondere die Ressourceneffizienz, d.h. der optimale Einsatz der in der Organisation verfiigbaren Ressourcen, und die Prozesseffizienz, d.h. der optimale Ablauf der Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung, eine Rolle fiir die Organisationsgestaltung.2i Effizienz bezieht sich somit auf die interne Funktionsweise einer Organisation und wird formal als Verhaltnis von Input zu Output dargestellt. Darin sehen Goodman/Pennings (1980) den Hauptunterschied zu Effektivitat: Wahrend Effizienz als Verhaltniszahl abgebildet wird, konzentriert sich die Effektivitatsmessung auf die Messung von Inputs oder Outputs.22 Dennoch bleibt das Konzept verschwommen: ,Just what is efficiency? At best it is a concept that can be subject to a wide variety of interpretations. Although it is possible to change the world in the name of efficiency, there are very real problems in relating the generality of the concept to the specific organizational procedures, let alone the specific consequences in organizations, that can flow from its articulation and use.''23 Beispielhaft fiir ein in sich geschlossenes Effizienzkonzept, das die Mehrdimensionalitat des Konstrukts einbezieht, ist das Modell, das v. Werder (1998) beziehungsweise v. Werder/Grundei (2000) vorlegen. Dieses handlungstheoretische Effizienzkonzept sieht eine handlungsrationale (Konfigurationseffizienz) und eine handlungsreale Dimension (Motivationseffizienz) der Organisationsbewertung vor.24 Die Beriicksichtigung handlungsrealer Aspekte in der Effizienzbewertung von Organisationen tragt der Tatsache Rechnung, dass sich Organisationsmitglieder keineswegs immer rational im Sinne von sachlogischen Notwendigkeiten verhalten. Beide Dimensionen miissen deshalb miteinander integriert werden.^"^ Die Konfigurationseffizienz kniipft an Arbeitsteilung und Koordination an. Arbeitsteilung bewirkt die Bewaltigung komplexer Aufgaben und erzeugt gleichzeitig Autonomiekosten infolge der tendenziell niedrigeren Qualitat der arbeitsteilig vollzogenen Einzelhandlungen. Koordination reduziert diese Autonomiekosten, aber verursacht Abstimmungskosten aufgrund des hoheren Aufwands an Personal, Sachressourcen und Zeit. Das daraus resultierende Optimierungsproblem ist kaum losbar, weil diese Kosten nicht direkt quantifiziert werden konnen.^^ Im Unterschied zur Konfigurationseffizienz wird bei der Motivationseffizienz angenommen, dass Handlungstrager ihre Fahigkeiten und Fertigkeiten nicht im Sinne der 21 22 23 24
25 26
56
Vgl. Schulte-Zurhausen (2002), S. 5. Vgl. Davis/Pett (2002), S. 87 f.; Goodman/Pennings (1980), S. 193; Grundei (1999), S. 67; Ostroff/Schmitt (1993), S. 1345. Hopwood (1988), S. 6, zit. n. Radcliffe (1999), S. 333. Fiir eine detaillierte und vollstandige Darstellung dieses Effizienzkonzepts siehe v. Werder/ Grundei (2000), S. 73-97. Vgl. V. Werder/Grundei (2000), S. 80 f. Vgl. V. Werder (1998), S. 8 ff.
Messuns des Orsanisationserfolss
Unternehmensziele einsetzen. Deshalb sind gegebenenfalls Autoritat und Autonomie erforderlich. Autoritatseffekte zeichnen sich durch die Ausrichtung der Handlungen der Mitarbeiter auf die Unternehmensziele durch den Einsatz kompetenz- und qualifikationsgestiitzter Fiihrungs- und Fachautoritat aus. Autonomieeffekte basieren auf der Annahme, dass die Leistungsbereitschaft mit den Partizipationsmoglichkeiten und Handlungsspielraumen des Einzelnen steigt.27
2.3
Organisationserfolg (^.organizational performance")
Organisation als eine betriebliche Teilfunktion ist insofern erfolgskritisch, als ihr die Aufgabe obliegt, die organisatorischen Strukturen und Prozesse eines Unternehmens zielorientiert und zweckmafiig unter Beriicksichtigung diverser Kontextfaktoren, z.B. Strategic, Technologie, rechtliche Bestimmungen und kulturelles Umfeld, zu gestalten.28 Die Messung des Organisationserfolgs - in der anglo-amerikanischen Literatur findet sich dafiir der Begriff ^^organizational performance"29 _ ist deshalb ein forschungs- und praxisrelevantes Problem: ^Organizational performance is the ultimate criterion and starting point in an assessment of organizations. Performance is a complex construct that reflects the criteria and standards used by decision makers to assess the functioning of an organization."30 Die Funktion von Erfolgsmessungen besteht darin, eine Vielzahl von Informationen zu erheben, die fiir eine Reihe von Problemen und Situationen von Belang sind. Die Messung kann entweder systematisch oder ad hoc erfolgen.^i Dabei konnen die gewahlten Kriterien je nach Analyseeinheit variieren. So werden als Kriterien auf der Makroebene („macro-organization outcomes") z.B. der Zielerreichungsgrad der Organisation oder ihr Einfluss auf die Gesellschaft herangezogen. Stellt eine einzelne Organisationseinheit (^organizational unit outcomes") die Analyseeinheit dar, w^erden z.B. ihre Anpassungsfahigkeit in Bezug auf verandertes Konsumentenverhalten oder die Mitarbeiterfluktuation in diesem Bereich gemessen. Auch das einzelne Organisationsmitglied („individual job or position outcomes") kann als Analyseeinheit gewahlt werden, dessen Erfolg z.B. mit seiner Motivation oder Arbeitszufriedenheit operationalisiert 27 28 29
30 31
Vgl. V. Werder (1998), S. 17 ff. Vgl. Schreyogg/v. Werder (2004), Sp. 975; v. Werder/Grundei (2000), S. 99. Siehe dazu z.B. March/Sutton (1997), Pun/White (2005) oder Ittner/Larcker (1998) und die dort zitierten Studien. In der Regel wird unter „organizational performance" jedoch der Erfolg des gesamten Unternehmens verstanden, d.h. hier liegt ein institutioneller Organisationsbegriff zugrunde. Van de Ven/Morgan (1980), S. 223. Vgl. Pun/White (2005), S. 50 f. 57
Thomas Mellewist I Carotin Decker
wird. Eine weitere Analyseeinheit stellen interorganisationale Beziehungen dar. Dabei geht es um die Kosten der Koordination und Kontrolle („ coordination and control outcomes") zwischen organisatorischen Einheiten, Ebenen und Positionen.32 Obwohl die Ergebnisse vieler in den vergangenen Dekaden durchgefiihrten Studien implizieren, dass Organisationserfolg ein mehrdimensionales Konstrukt darstellt, das dementsprechend komplexe Operationalisierungen erfordert, folgen viele Managementforscher der weithin verbreiteten Praxis, gangige Verhaltniszahlen, so z.B. Return on Assets (ROA), Return on Investment (ROI) oder Return on Equity (ROE), als Erfolgsmafi in empirischen Studien zu verwenden. Diese Einseitigkeit der Messung verschleiert die Moglichkeit, dass Organisationen in der Realitat durchaus Effizienz zugunsten von Effektivitat aufier Acht lassen konnen et vice versa: „this focus on efficiency obfuscates recognition of potential trade-off among alternative, possibly competing performance criteria/'33 Um diese Einseitigkeit der Erfolgsmessung zu vermeiden und ein geschlossenes Konzept des Organisationserfolgs zu erarbeiten, wird hier der Argumentation von Pfeffer/Salancik (1978), Ostroff/Schmitt (1993) sowie Davis/Pett (2002) gefolgt, die in ihren Beitragen verschiedene Effizienz-Effektivitat-Konfigurationen vorschlagen (siehe Abbildung 2-1). Gemafi Davis/Pett (2002) werden Organisationen, die sowohl eine hohe Effizienz als auch eine hohe Effektivitat aufweisen, „balanced performers" genannt, solche, die in beiden Dimensionen schwach sind, „subsistence performers", und solche, die entweder hohe Effizienz- oder hohe Effektivitatswerte aufweisen, jedoch nicht in beiden Dimensionen gleich stark oder schwach sind, heifien „asymmetrical performers"."^"^
32 33 34
58
Vgl. dazu Van de Ven/Morgan (1980), S. 221 ff., insbesondere die Beispiele in Abb. 11.2. Davis/Pett (2002), S. 88. Vgl. Davis/Pett (2002), S. 89 f.
Messung des Organisationserfolgs
Abbildung 2-1:
Ejfizienz-EJfektivitat-Konfigurationen^^
hoch
„Asymmetrical Performer" (Fokus auf Effektivitat)
„Balanced Performer"
Effektivitat
niedrig
„Subsistence Performer"
„Asymmetrical Performer" (Fokus auf Effizienz)
niedrig
hoch Effizienz
Die Messung des Organisationserfolgs Neben der begrifflichen Vielfalt ist auch eine Vielzahl von Operationalisierungen von Effektivitat, Effizienz und Erfolg in der Literatur zu finden.36 Dies ist wenig iiberraschend, denn: „The choice of performance measures is one of the most critical challenges facing organizations/'^? Ooch bereits die begriffliche Vielfalt und Mehrdimensionalitat der Konstrukte lasst erahnen, dass Erfolgsmessungen problematisch sein und je nach Blickwinkel und Methode variieren konnen.38
35 36 37 38
Eigene Darstellung in Anlehnung an die empirischen Studien von Davis/Pett (2002) und Ostroff/Schmitt (1993). Vgl. Robalo (1992), S. 18. Ittner/Larcker (1998), S. 205. Vgl. dazu z.B. Montgomery/Thomas (1988), S. 94, die diese Auffassung im Hinblick auf die Erfolgswirkungen von Desinvestitionen und deren empirische Uberprufung vertreten. 59
Thomas MeUewigt I Carotin Decker
3.1
Theoretische Konzepte und die Wahl geeigneter Indikatoren
In einigen Studien werden so genannte traditionelle Mafie wie ROI (Return on Investment) neueren Konzepten wie EVA (Economic Value Added) gegeniiber gestellt, die Eignung monetarer im Vergleich zu „weichen" Faktoren wird diskutiert, und manche Studien befassen sich mit der Frage, ob der Erfolg besser mit dem Buch- oder dem Marktwert abgebildet wird sowie inwieweit sich der Marktwert eines Unternehmens mit Hilfe von intemen Kennzahlen, insbesondere den neueren Konzepten, vorhersagen lasst.39
Abbildung 3-1:
(Teil-)Felder und Kriterien zur Ejfizienzbewertung der Gestaltungsalternativen zur Organisation der Organisationsaufgaben^^
Bewertungs-
Eflfizienz(teil)feld
dimension
EfTizienzkriterien
/cntralisationscffcktc i
Dclcgationscffizicnz
j Dc-zcntnilisationscffcktc
1 1
„ Kcssourccn
Poolunescffckrc
1
!
cfhzicnz
,.
Potential-
1 1
cffizicnz
1
1 j
Konfigurations-
Intcrdc-
,-.- , f-^
. . . , ,-.- , 1 ',ntk( )pplLingsettekte
.. . . . ()rganisationsk()()r-
Integrationseffekte
dinationseffizienz
,, . . . . . . . .,- , Unahhangigkeitseftekte
,, . . . ,. nereicnskoordina-
,
!•» 1 L-ir 1 Poolunescftcktc '^
,, , ,-,Bcschaftungs-
pcndcnzcffizicnz
, II
effizienz
ctTi/icnz
,
•
tionseffizienz
Intetjrationseffekte , , , , .. • , • n- i I inabhangigkeitsettekte Auroritarscffcktc
Ix'istungscffizienz Motivfitionseffi/icn/ Akzeptanzeffizicnz
• 1
Autonomiceffekte
^ \
Autoritatscffcktc Autonomiceffekte
39 Fiir einen Uberblick iiber die hier angesprochenen Themen siehe z.B. Ittner/Larcker (1998). 40 Entnommen aus v. Werder/Grundei (2000), S. 119.
60
Messung des Orsanisationserfolss
Vom Standpunkt der Praxis aus ist allerdings viel wichtiger, ob und inwiefern sich die Verwendung von Kennzahlen und Systemen auf den Organisationserfolg auswirkt.^i Mit anderen Worten, die gewahlten Mafie sollen zur Steigerung des Erfolgs beitragen. Zu diesem Zweck sollten sie die erzielten Ergebnisse in der angemessenen Weise abbilden beziehungsweise vorab miissen geeignete Kriterien und Indikatoren identifiziert werden. Das bereits weiter oben erlauterte Effizienz-Konzept nach v. Werder/Grundei (2000) gibt dazu wichtige Hinweise, denn systematisch werden Effizienz(teil)felder und -kriterien dargelegt (siehe Abbildung 3-1). Dieses Modell soil um Indikatoren erweitert werden, die die empirische Messung und Uberpriifung des Organisationserfolgs anhand konkreter Kennzahlen ermoglichen. Derartige Kennzahlen erlauben den Vergleich von Organisationen sowie Analysen liber langere Zeitraume hinweg. Dies ist notwendig, denn Effektivitat und Effizienz sind eigentlich keine absoluten Mafie, sondern erfordem stets den Abgleich mit vorab definierten Normen oder Standards, also Referenzwerte.42 Doch wer legt die relevanten Indikatoren fest? Potentielle Kandidaten, die fiir diese Aufgabe in Frage kommen, sind Eigentiimer, Belegschaft, Kunden und Wissenschaftler. Je nach Starke des Einflusses herrscht eine Perspektive vor.43 Bilden z.B. die Anteilseigner die dominierende Gruppe, iiberwiegen finanzwirtschaftliche Kennzahlen. Ist eine Organisation hingegen in einer besonders wissensintensiven Branche tatig und deshalb stark vom Know-how seiner Mitarbeiter abhangig, spielen eher „weiche" Faktoren wie beispielsweise Arbeitszufriedenheit eine Rolle. Einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Perspektiven fordern die Vertreter moderner Analyseraster, so z.B. Balanced Scorecard, Kanji's Comparative Business Scorecard oder Integrated Performance Measurement Systems.^
3.2
Quantitative und Qualitative Kennzahlen
Traditionelle finanzwirtschaftliche Kennzahlen werden immer haufiger als unzureichend erachtet. Dies fiihrte in den letzten Jahren zur Entwicklung alternativer Kennzahlen oder komplexer Analyserahmen, die iiber die Finanzperspektive hinausgehen.45
41
42 43 44 45
„From a managerial accounting standpoint, the key question is not whether economic value measures are more highly correlated with stock returns than traditional accounting measures, but whether the use of economic value measures for internal decision-making, performance measurement, and compensation purposes improves organizational performance (Ittner/Larcker [1998], S. 211). Vgl. Cameron (1986), S. 94; Goodman/Pennings (1980), S. 193; Robalo (1992), S. 16 f. Vgl. Goodman/Pennings (1980), S. 198 f. Vgl. PunAVhite (2005), S. 57 f. und 61 f. Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 205 und 209 f. und siehe PunAVhite (2005) fiir Beispiele. 61
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Traditionelle und neuere
finanzwirtschaftliche
Konzepte
Traditionell stiitzen sich Organisationen bei der Erfolgsmessung auf finanzwirtschaftliche Kennzahlen, wie beispielsweise Budgets, Gewinne, ROI sowie Gewinn oder Verlust je Aktie.46 In den Augen vieler Manager scheinen diese Mafie jedoch nicht mehr auszureichen, weil sie die Kapitalkosten nicht beriicksichtigen und stark von extemen Regeln fiir die Rechnungslegung beeinflusst werden.47 Beratungsunternehmen propagieren deshalb die Vorteilhaftigkeit angeblich „neuer'' Konzepte.48 Beispielhaft dafiir ist das EVA-Konzept. EVA wird definiert als bereinigter Betriebsgewinn abziiglich Kapitalkosten.49 Diese Kennzahl, die markenrechtlich von ihrem Erfinder Stem Stewart & Co. geschiitzt wurde, besagt, dass eine Organisation nur dann Shareholder Value schafft, wenn die verbleibenden Profite die Kapitalkosten iibertreffen. Dennoch bedeutet ein positiver Wert fiir EVA nicht unbedingt einen hohen Shareholder Value. Wenn z.B. die Steigerungen von EVA nicht den Erwartungen der Analysten entsprechen, kann der Aktienkurs eines Unternehmens sogar sinken.50 Ein weiteres Beispiel fiir eine von Beratern empfohlene Kennzahl, die auf den internen Zinsfufi zuriickgeht, ist der CFROI (Cash Flow Return on Investment), von dem neben seiner urspriinglichen Form verschiedene Varianten in die Praxis eingegangen sind. Dabei handelt es sich um den langfristigen internen Zinsfufi; bei der Berechnung wird der inflationsbereinigte Cash Flow durch die inflationsbereinigten Investitionen aus laufender Geschaftstatigkeit dividiert. Uber die Vor- und Nachteile der jeweiligen „neuen" Konzepte ist zwar ein heftiger Streit zwischen Beratungsfirmen entbrannt, doch die empirische Evidenz zur Frage, inwieweit sie den traditionellen Konzepten uberlegen sind, ist sparlich und zudem uneindeutig.'^i Interessanter fiir die Managementforschung scheint vielmehr die Frage zu sein, inwieweit Kennzahlen aus dem internen Rechnungswesen dazu geeignet sind, die Entwicklungen des Aktienkurses, also des Marktwerts eines Unternehmens, als Reaktion auf Mafinahmen einer Organisation vorherzusagen. Dies lasst sich mit einem Beispiel illustrieren: Studien zur Desinvestition von Unternehmensteilen als einem speziellen Aspekt des „Corporate Restructuring'' verwenden entweder marktorientierte Kennzahlen wie Schwankungen des Aktienkurses im Zeitverlauf oder Kennzahlen aus dem Rechnungswesen, um Veranderungen des Organisationserfolgs nach einer Desinvesti-
46 47 48 49 50 51
62
Einen Uberblick iiber gangige Kennzahlen geben z.B. Brealey/Myers (2000), S. 824-836. Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 206. Fur eine detaillierte Kritik an finanzwirtschaftlichen Kennzahlen mit Beispielen siehe Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 471-475. Von „neu" kann eigentlich nicht die Rede sein, denn diese Indikatoren gehen auf Kennzahlen aus den 1950er und 1960er Jahren zuriick. EVA = (ROIC - WACC) * I [ROIC = return on invested capital, WACC = weighted average cost of capital, I = investiertes Kapital]. Vgl. Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 475. Vgl. Copeland/Weston/Shastri (2005), S. 475; Ittner/Larcker (1998), S. 209 f. Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 210.
Messuns des Orsanisationserfolss
tion zu messen.52 Eine Ausnahme bilden Montgomery/Thomas (1988), die sich in ihrer Folgestudie zu Duhaime/Grant (1984), in der Kennzahlen aus dem Rechnungswesen eingesetzt werden, und Montgomery/Thomas/Kamath (1984), die sich auf marktorientierte Werte stiitzen, auf beide Arten der Erfolgsmessung beziehen. Die Kombination der Ergebnisse der beiden Studien fiihrt bei Montgomery/Thomas (1988) zu dem Refund, dass positive Reaktionen des Aktienmarkts auf Desinvestitionen auf die wohlwollenden Erwartungen der Anteilseigner beziiglich der zukiinftigen Entwicklung der desinvestierenden Unternehmen zuriickgehen. Die eher enttauschenden Buchwerte dieser Unternehmen vor und nach der Desinvestition eines Unternehmensteils haben hingegen keinen Einfluss auf die Reaktion des Kapitalmarkts.53 Qualitative
Mafie
Die Frage, ob neben den traditionellen finanzwirtschaftlichen Kennzahlen auch nichtmonetare Mafie eingesetzt werden sollen, ist nicht neu. Eine Folge dieser verstarkt zu Beginn der 1990er Jahre gefiihrten Diskussion ist die Einfiihrung der Balanced Scorecard, wenngleich bereits in den 1980er Jahren die gangigen finanzwirtschaftlichen Kennzahlen im Zuge der Verbreitung von Total Quality-Konzepten durch andere Erfolgsindikatoren erganzt wurden. Verantwortlich dafiir sind die begrenzte Aussagekraft der traditionellen finanzwirtschaftlichen Kennzahlen aufgrund ihres in die Vergangenheit gerichteten Blickwinkels, ihrer geringen Vorhersagekraft fiir zukiinftige Entwicklungen, z.B. infolge ihres hohen Aggregationsgrades, der Vernachlassigung von intangiblen Faktoren wie intellektuellem Kapital und der fehlenden Beriicksichtigung interorganisationaler Prozesse. Auch der verstarkte Wettbewerbsdruck zwingt Unternehmen zunehmend dazu, nicht-finanzwirtschaftliche und zukunftsorientierte Indikatoren zu bestimmen.54 Qualitative Mafie, so z.B. Motivation der Mitarbeiter, Kundenzufriedenheit oder Innovationsgrad, sind allerdings schwer messbar. Aufierdem unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Aggregationsgrades und sind - wenn iiberhaupt - nur lose mit Strategien verknupft.55 Diese Argumentation weist auf die Notwendigkeit einer holistischen Betrachtungsweise hin, wie sie Kaplan und Norton Anfang der 1990er Jahre mit der von ihnen entwickelten Balanced Scorecard entwickelten. Das Ziel dieses Modells besteht darin, die Mission einer Organisation mit den Zielen fiir die intemen Prozesse, der Kunden, der Anteilseigner und der Belegschaft in Einklang zu bringen. Dabei werden vier Perspektiven beriicksichtigt, namlich die Finanzperspektive (Wie sehen uns unsere Aktionare?), die misst, in welchem Ausmafi die Anforderungen der Anteilseigner erfiillt werden, z.B. mit dem ROI, die Kundenperspektive (Wie sehen uns unsere Kunden?), die auf den Grad der Erfiillung der Kundenwiinsche abstellt, z.B. mit der Messung der
52 Vgl. Bowman/Singh/Useem/Badhury (1999), S. 35. 53 Vgl. Montgomery/Thomas (1988), S. 94 f. 54 Vgl. Eccles (1991), S. 132 f.; Ittner/Larcker (1998), S. 217 f.; Kaplan/Norton (2005), S. 173 f. 55 Vgl. Pun/White (2005), S. 51.
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Kundenzufriedenheit, die Prozessperspektive (In welchen Prozessen miissen wir uns auszeichnen, um Erfolg zu haben?), die misst, wie effizient und effektiv die Bediirfnisse der Kunden befriedigt werden, und die Lem- und Innovationsperspektive (Wie starken wir unsere Fahigkeit, uns zu verandern und zu verbessern?), in deren Rahmen z.B. Produktentwicklungszeiten oder die Anzahl der Neuprodukte im Vergleich zur Konkurrenz erhoben werden. Der Vorteil dieses Analyserasters besteht darin, dass das Management sich auf diejenigen Bereiche konzentriert, die den grofiten Einfluss auf die Erfiillung der strategischen Ziele versprechen. Zu bemangeln ist jedoch, dass keine spezifischen Ziele fiir die Hohe des Erfolgs und keine konkreten Methoden fiir eine erfolgreiche Implementierung vorgegeben werden. Zudem fehlt voUig der Bezug auf die Perspektive der Wettbewerber, die den Organisationserfolg entscheidend beeinflussen konnen.56 Des Weiteren lasst sich die Balanced Scorecard noch um eine Perspektive erweitern, auf deren Relevanz v. Werder/Grundei (2006) im Rahmen des Conformance-Controlling hinweisen, namlich die Perspektive des Gesetzgebers. Dieser legt den rechtlichen Rahmen fest, dem eine Organisation unterworfen ist.57 Trotz der Begeisterung von Praktikern stofit die Balanced Scorecard nur auf mafiiges Interesse der Managementforscher. Gerade dies ware aber angebracht, denn offenbar klafft eine weite Liicke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So behaupten Kaplan und Norton, dass ihr Modell dazu beitragt, langfristige strategische Ziele mit kurzfristigen Mafinahmen zu verkniipfen und Strategien innerhalb einer Organisation fiir alle Mitarbeiter verstandlich zu kommunizieren. Auch soil die Balanced Scorecard dabei helfen, dass die Ressourcenallokation sowie die Bestimmung von Prioritaten auf der Basis des jeweiligen Beitrags erfolgt, den einzelne Initiativen zur Erfiillung der langfristigen strategischen Ziele leisten. Feedback und Lernen sollen durch die Steuerung kurzfristiger strategischer Ergebnisse gefordert werden. Die empirische Bestatigung dieses Anspruchs fallt aber eher diirftig aus: Eine Befragung des Beratungsunternehmens Towers Perrin von Anwendern der Balanced Scorecard ergab, dass zwar die meisten mit diesem Konzept zufriedener waren als mit anderen Instrumenten der Erfolgsmessung, doch nur 37% der Befragten bestatigten die Erhohung des Verstandnisses fiir Mafinahmen in der Belegschaft, und 18% sprachen sogar von einem geringeren Verstandnis. Auch die Ergebnisse der wenigen wissenschaftlichen Studien zu diesem Aspekt lassen Zweifel an der Berechtigung von Kaplans und Nortons Anspruch aufkommen.5« Aus diesen Ausfiihrungen lasst sich ableiten, dass traditionelle finanzwirtschaftliche Kennzahlen heutzutage nicht mehr ausreichen, um den Organisationserfolg zu messen, denn zum einen hangen Effektivitat und Effizienz von den Erwartungen und 56 Vgl. Kaplan/Norton (2005), S. 174 und 178; Neely/Gregory/PIatts (1995), S. 96 f.; Pun/White (2005), S. 57 f. 57 Dies fallt in den Bereich des Compliance-Controllings, das die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Organisation betrifft. Vgl. v. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band). 58 Vgl. Ittner/Larcker (1998), S. 221 ff. und die dort zu diesem Aspekt herangezogenen Studien.
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Messuns des Or^anisatwnserfolgs
Anspriichen mehrerer Interessengruppen innerhalb und aufierhalb der Organisation ab und zum anderen iibt das Umfeld einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Indikatoren fiir den Organisationserfolg aus: Die traditionellen Kennzahlen, die im Industriezeitalter ausgereicht haben, entsprechen heutzutage nicht mehr den veranderten Anforderungen einer modernen Dienstleistungsgesellschaft.59
3.3
Der Zusammenhang von Strategie und Erfolg
Die in den letzten Jahren entwickelten, zum Teil recht komplexen Modelle zur Messung des Organisationserfolgs tragen der Tatsache Rechnung, dass das veranderte Wettbewerbsumfeld und neue Geschaftsmodelle ganzheitliche Analyseraster erfordern, welche die Erfolgsmafie eng mit der Strategie und den langfristigen Zielen einer Organisation bzw. mit den Bereichen, die entscheidend fiir Erfolg oder Scheitern einer Organisation sind, verzahnen. Dies ist notig, denn eine fehlende Verkniipfung kann zu erheblichen Verlusten und nicht-realisierten Erfolgspotentialen fiihren.60 Wie diese Verbindung aussehen kann, fiihren Davis/Pett (2002) vor. Mit Hilfe einer Faktorenanalyse auf der Basis der Ergebnisse einer schriftlichen Befragung von 321 Geschaftsfiihrern in der US-amerikanischen Papier- und Zellstoffindustrie und angelehnt an Porters generische Wettbewerbsstrategien identifizieren sie Produktionseffizienz, Produktinnovation und Marketingdifferenzierung als Wettbewerbsstrategien, die mit verschiedenen Effizienz-Effektivitat-Konfigurationen^^ kombiniert werden. „Balanced performers", so wird vermutet, verfolgen gleichzeitig mehrere Wettbewerbsstrategien, „asymmetrical performers" hingegen nur eine einzige und „subsistence performers" keine der zur Wahl stehenden Alternativen. Erfolg wird mit den Kennzahlen ROS (After-tax Return on Total Sales) und ROA (Return on Total Assets) als Effizienzmafie sowie Umsatz- und Beschaftigungswachstum zur Abbildung der organisationalen Effektivitat gemessen. Die empirischen Befunde zeigen, dass hypothesenkonform die „balanced performers" keinen bestimmten Schwerpunkt setzen, sondern gleichzeitig mehrere Strategien verfolgen. Keine Unterstiitzung finden die Autoren hingegen fiir ihre Hypothese beziiglich der „asymmetrical performers". Entgegen ihrer Vermutung wird keine einzige Strategie von den Organisationen dieser Gruppe besonders stark betont. Stattdessen werden alle drei Strategien gleichzeitig und eher halbherzig verfolgt. Die „subsistence performers" zeichnen sich dadurch aus, dass sie Produktionseffizienz und Produktinnovation vernachlassigen und
59 Vgl. Kaplan/Norton (2005), S. 172. 60 Vgl. Lillis (2002), S. 497; PunAVhite (2005), S. 53 und 66; Mankins/Steele (2005), S. 68. 61 Siehe Kapitel 2.3, insbesondere Abbildung 2-1.
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Thomas MeUewist I CaroUn Decker
zugleich der Marketingdifferenzierung ein relativ hoheres Mafi an Aufmerksamkeit widmen.62 Anhand der hier vorgefiihrten Unterteilung der Wettbewerbsstrategien wird deutlich, dass sich die Bestrebungen einer Organisation nach Effektivitat und Effizienz nach den verschiedenen, ihr inharenten Funktionen wie beispielsweise Fertigung, Marketing Oder Produktentwicklung richten konnen. Doch auch diese Einteilung ist noch nicht erschopfend, wie eine Studie von Lillis (2002) zeigt. Um den Erfolg im Bereich Fertigung zu messen, nimmt die Autorin eine weitere Gliederung je nach strategischem Schwerpunkt vor und definiert Kennzahlen je nach Betonung von Qualitat, z.B. Starke der Bedeutung von Qualitat, Produktdesign und Markennamen, Anpassungsbereitschaft, z.B. in Form von Kundenbezogenheit und Zuverlassigkeit, oder Kostenfiihrerschaft, z.B. Hohe der anfallenden Kosten oder Produktivitat.63 Lillis (2002) unterscheidet jedoch nicht explizit die Dimensionen Effektivitat und Effizienz. Vorhies/Morgan (2003) als Beispiel fiir eine Studie zur Messung des Marketingerfolgs hingegen nehmen diese Einteilung vor. Marketingeffektivitat wird mit dem Ausmafi erfasst, in welchem die Organisation ihre Ziele im Hinblick auf Wachstum des Marktanteils und des Umsatzes sowie in Bezug auf die Marktposition erreicht hat. Marketingeffizienz ergibt sich aus dem Verhaltnis der Ausgaben fiir Marketing und Verkauf zu den Bruttobetriebseinnahmen.^4 pQr den Bereich Produktentwicklung zeigen Brown/Eisenhardt (1995) eine Vielzahl moglicher Kennzahlen auf, die sich auf das Produkt selbst, den Entwicklungsprozess oder das verantwortliche Projektteam beziehen.^5
62 63 64 65
66
Vgl. Davis/Pett (2002), S. 89 ff. Vgl. Lillis (2002), S. 504. Vgl. Vorhies/Morgan (2003), S. 106. Fiir einen detaillierten Uberblick siehe Brown/Eisenhardt (1995).
Messung des Organisationserfolss
3.4
Organisationserfolg als abhangige oder unabhangige Variable
In empirischen Studien insbesondere auf dem Gebiet des Strategischen Managements wird der Organisationserfolg zumeist als abhangige Variable definiert.66 Diese iibliche Vorgehensweise erscheint zwar einleuchtend, denn Strategien werden verfolgt, um den Organisationserfolg zu erhohen, dennoch gilt sie als problematisch, weil die Realitat haufig viel komplexer aussieht. So ist es z.B. denkbar, dass der Erfolg einer Organisation zu einem friiheren Erhebungszeitpunkt auf ihren spateren Erfolg einwirkt. Eine hohe Platzierung in einer Rangliste fiihrt beispielsweise zu hohem Selbstvertrauen und Respekt von Seiten der relevanten Anspruchsgruppen, wahrend ein schlechtes Abschneiden bei einem Ranking zum Verlust von Selbstvertrauen und Reputation fiihrt. Im ersten Fall wird eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte, im zweiten die Tendenz zum Scheitern begiinstigt. Auch kann negatives Feedback entweder zu einer Senkung des Anspruchsniveaus oder verstarkten Anstrengungen fiihren, was sich positiv auf den Erfolg auswirken kann. Zudem kann Erfolg die Lernbereitschaft senken. Wenn eine friihere Strategie stets zum gewlinschten Erfolg gefiihrt hat, sinkt die Bereitschaft, Neues hinzuzulernen. Die Folge ist eine „Kompetenzfalle", die langfristig zum Scheitern beitragen kann.^7 in Bezug auf den Organisationserfolg kann die Problematik, ob es sich um eine abhangige oder unabhangige Variable handelt, wieder mit dem Beispiel „Desinvestition von Unternehmensteilen" illustriert werden. Mangelnder Erfolg ist ein starkes Motiv fiir den Verkauf oder gar die Stilllegung eines Geschaftsbereichs. In diesem Fall wird Erfolg als unabhangige und Desinvestition als abhangige Variable definiert. Der Erfolg sowohl auf der Ebene des Gesamtunternehmens als auch auf der Ebene der zu verkaufenden organisatorischen Einheit kann jedoch auch die abhangige Variable sein, wenn beispielsweise Veranderungen des Organisationserfolgs durch die Desinvestition eines Unternehmensteils - in dem Fall die unabhangige Variable - erklart werden kann. Abbildung 3-2 verdeutlicht dieses Beispiel.
^^ Zu diesem Ergebnis kommen March/Sutton (1997) nach einer umfassenden Analyse gangiger Fachzeitschriften (vgl. March/Sutton [1997], S. 699 und 705, Endnote 2). 67 Vgl. March/Sutton (1997), S. 699 ff. 67
Thomas Mellewist I CaroUn Decker
Abbildung 3-2:
Erfolg als abhangige oder unabhangige Variable am Beispiel von Desinvestitionen^^ Unternehmensstrategie: • Vcranderung von Ressourcenallokation und Produktionssystemcn • Verjindcrungen dcs Diversifikationsgradcs
Strategic: • fchlcndcr strategischcr I'it und/otlcr I'okus • Rcssourcenknapphcit, z. B. Rcssourccn fiir andcrc (icschaftsfcldcr odcr Akquisitioncn
Steuerung: • Konrrollvcrlustc aufgrunc) /u starker Divcrsifi/icrung
Uniwcit: • WVttlH-wcrh • Markfsclirunipturig
Desinvestition von Untemehmensteilen
Mitarbeiter: » fvntlassungen • Vcrandcrungcn dcr iMnstellungcn gcgcniiber Arbeit, Karrierc und IJnternehmen
irfolg dcr desinvestiertei Einheit: I'inan/ieller I'-rfolg Nut/en aufgrund tier Ressoureen unci I'iiliigkeiteii ci( neuen ik'sit/ers
Diesbeziiglich aufschlussreich ist auch die Studie von McGuire/Schneeweis/Branch (1990). Untersucht wird zum einen das Ausmafi, in welchem die wahrgenommene Managementqualitat^^ den finanziellen Unternehmenserfolg beeinflusst, und zum anderen, inwieweit Messungen des finanziellen Erfolgs in der Vergangenheit auf zukiinftige Wahrnehmungen der Managementqualitat einwirken. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass finanzieller Erfolg tatsachlich die Wahrnehmungen der Managementqualitat beeinflusst. Zudem ist erkennbar, dass diese Wahrnehmungen starker mit den finanziellen Ergebnissen aus der Vergangenheit zusammenhangen als mit Prognosewerten fiir die Zukunft. Allerdings werden letztere zumindest insofern von
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69
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Eigene Darstellung auf der Basis einer Literaturanalyse im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Thema Desinvestition von Unternehmensteilen am Lehrstuhl fiir Organisation und Unternehmensfiihrung an der Universitat Paderborn. Die Qualitat des Managements („firm or management quality") wird mit der Reputation eines Unternehmens operationalisiert. Daten zur Reputation wurden aus einer Befragung des Wirtschaftsmagazins Fortune entnommen (vgl. McGuire/Schneeweis/Branch [1990], S. 167).
Messuns des Organisationserfolss
Qualitatswahrnehmungen beeinflusst, als sie im direkten Zusammenhang mit den gewahlten Mafinahmen und Strategien des Managements stehen70 Des Weiteren ist die Wahl der unabhangigen Variable(n), die den Organisationserfolg, also die abhangige Variable, bestimmen soll(en), problematisch. Haufig sind diese nicht direkt beobachtbar, zumindest nicht iiber einen langeren Zeitraum hinweg. Folglich konnen gerade bei Befragungen Verzerrungen auftreten, denn die befragten Personen tendieren dazu, die von ihnen gegebenen Informationen zu historischen Daten unbewusst mit dem Wissen iiber den gegenwartigen Erfolg zu verkniipfen, den die von ihnen gewahrten Einblicke erklaren sollen.^i Die Datenlage bestimmt somit mafigeblich die Qualitat einer Erfolgsmessung. So scheiterte z.B. Chenhall (1997) an der fehlenden Informationsbereitschaft der von ihm befragten Manager und musste auf objektive Daten wie ROA zur Messung des Rentabilitatswachstums verzichten. Andere objektive Kennzahlen erschienen ungeeignet, weil die Standards fiir die Rechnungslegung je nach Unternehmen und Branche in der Stichprobe variierten. Als Ersatz griff Chenhall deshalb auf Wahrnehmungsdaten zuriick, die der vorgenannten Gefahr der Verzerrung in der Riickschau unterliegen72
Ein Vorschlag zur Messung des Organisationserfolgs Wie in Kapitel 3 ersichtlich wurde, ist Erfolgsmessung ein viel diskutiertes, aber gelegentlich schlecht definiertes Thema. Deshalb soil zunachst geklart werden, was unter der Messung des Organisationserfolgs hier verstanden wird, bevor ein eigener Vorschlag dazu vorgestellt wird.
4.1
Erfolgsmessung: UberbMck und Vorgehensweise
Der Definition von Neely/Gregory/Platts (1995) folgend wird Erfolgsmessung als der Prozess der Quantifizierung der Effizienz und Effektivitat einer Mafinahme verstanden73 Wie bereits in Kapitel 2.3 erlautert, besteht eine Erfolgsmessung aus der Erfas-
70 71 72 73
Vgl. McGuire/Schneeweis/Branch (1990), S. 178 f. Vgl. March/Sutton (1997), S. 701. Vgl. Chenhall (1997), S. 196. Vgl. Neely/Gregory/Platts (1995), S. 80.
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sung einer oder mehrerer Kennzahlen, die mit dem Zielsystem der Organisation zusammenhangen. Eine Kennzahl ist ein Indikator fiir die Effizienz und/oder Effektivitat einer organisatorischen Mafinahme. Quantitative Ma6e74 lassen sich im Gegensatz zu qualitativen Kennzahlen^s relativ leicht erheben. Viele Unternehmen verlassen sich auf mehr oder weniger komplexe Systeme zur Erfolgsmessung, um den Erfolg zu steuern, Bereiche zu erkennen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, die Motivation zu steigern, sowie die Kommunikation und die Zurechenbarkeit der Ergebnisse zu verbessern. Systeme zur Erfolgsmessung sollen einen Abgleich mit den strategischen Zielen und den Erfordemissen des Marktes ermoglichen, die effektive Nutzung der Ressourcen der Organisation koordinieren und den Fortschritt im Hinblick auf die Erreichung der vorab definierten strategischen Ziele uberwachen76 Erfolgsmessungen, insbesondere solche, die in einem Umfeld vorgenommen werden, das mit einer gewissen Mehrdeutigkeit beziiglich der Wahl der geeigneten Kriterien vorgenommen werden, miissen abgegrenzt und an die speziellen Umstande angepasst werden, d.h. „not all possible criteria or perspectives can be taken into account, so researchers must be explicit about what they are and are not measuring/'77 Cameron (1986) schlagt deshalb einen Leitfaden zur Entwicklung eines Systems zur Erfolgsmessung vor, der in Abbildung 4-1 anhand Camerons spezifischem Forschungsfokus verdeutlicht wird. Im ersten Schritt soli die Perspektive gewahlt werden, aus welcher der Erfolg gemessen wird. Danach wird der Funktionsbereich festgelegt, auf den sich die Erhebung bezieht. Der dritte Schritt sieht die Wahl der Analyseebene vor. AnschlieBend wird der Zweck der Messung identifiziert. Auf die Festlegung des zeitlichen Rahmens fokussiert der flinfte Schritt, bevor dann iiber die Art der zu erhebenden Daten nachgedacht wird. Im letzten Schritt werden die Referenzwerte festgelegt, mit denen die erhobenen Kennzahlen verglichen werden sollen78
'^^ Beispiele sind finanzwirtschaftliche Kennzahlen (siehe Kapitel 3.2), Mitarbeiterfluktuation oder Anzahl der Kundenbeschwerden. Siehe dazu Kapitel 3. ^5 Beispiele sind Motivation, Innovation, Qualitat und Kundenzufriedenheit. Siehe dazu Kapitel 3. 76 Vgl. Neely/Gregory/Platts (1995), S. 80 f.; PunAVhite (2005), S. 51. 77 Cameron (1986), S. 93. Radcliffe argumentiert ahnlich, wenn er fiir eine „contingent efficiency which attends to organisational and social dynamics as much as to technical procedures of financial administration" pladiert (Radcliffe [1999], S. 359). 78 Vgl. Cameron (1986), S. 93 f.
70
Messuns des Orsanisationserfolgs
Abhildung 4-1:
Camerons (1986) Leitfaden zur Erfolgsmessung^^ Guideline
Circumscription
1.
From whose perspective is effectiveness being judged?
Dominant coalition members constitute the relevant perspective in this study. This group comprises the major decision makers in the institutions, and the ones that have the most influence on institutional policy, direction, and performance.
2.
On what domains of activity is the judgment focused?
The undergraduate portion of the institutions was assessed. This was selected because it is a comparable domain across all the schools, and because it comprises the major area of activity and identity for each of the institutions.
3.
What level of analysis is used?
The organizational level of analysis was the focus. This level is important in makeing comparative judgments across institutions, and because it has largely been ignored in past evaluations in higher education. Moreover, none of the institutions is so large as to make institutional wide ratings infeasible.
4.
What is the purpose of the assessment?
This assessment sought to identify areas of strength and weakness on various dimensions of effectiveness. Ciuaranteeing confidentiality for institutions helped to eliminate the threat that the assessments would be used for political or punitive purposes, and that the biased data would result.
5.
What time frame is employed?
Oiteria of effectiveness all were oriented toward static, short-term indicators. They focus on the extant to which the institutions currendy possess characteristics indicative of high effectiveness.
6.
What type of data are sought?
Perceptual ratings of effecdveness were sought by way of questionnaire.
What is the referent against which effectiveness is judged?
Schools were assumed to be highly effective if they scored higher on a dimension than other institutions in the sample. Therefore, a comparative referent was employed.
'^^ Entnommen aus Cameron (1986), S. 93 f.
71
Thomas MeUewi^t I CaroUn Decker
4.2
Ein Analyserahmen zur Messung des Organisationserfolgs
Ausgangspunkt fiir die Entwicklung eines Analyserahmens zur Messung des Organisationserfolgs ist das bereits zuvor dargestellte Modell, das v. Werder/Grundei (2000) vorlegen (siehe Abbildung 3-1). Es besteht aus den Bewertungsdimensionen Konfigurations- und Motivationseffizienz. Da sich Erfolg aus Effizienz und Effektivitat zusammensetzt,80 wird aus Griinden der Koharenz mit den vorhergehenden Ausfiihrungen Konfigurations- und Motivationseffektivitat hinzugefiigt. Zur Vereinfachung wird nachfolgend von Konfigurations- und Motivationserfolg gesprochen. Dementsprechend werden die jeweiligen Effizienzfelder um die Effektivitatsdimension erweitert. Somit fallen unter die Rubrik Konfigurationserfolg die Felder Delegations-, Potential- und Interdependenzerfolg. Potentialerfolg bezieht sich auf die Teilfelder Ressourcen- und Marktpotentiale, Interdependenzerfolg auf Organisations- und Bereichskoordination. Der Motivationserfolg umfasst die Felder Leistung und Akzeptanz. Die Perspektive, die hier eingenommen wird, um mogliche Indikatoren fiir den Organisationserfolg auf der Basis der skizzierten Ausgangslage zu definieren, ist die des Managementforschers.^i Dieser soil fiir den Funktionsbereich Organisation aussagekraftige Mafie zur Abbildung von Effektivitat und Effizienz von Aufbau- und Ablauforganisation sowie Reorganisationsprozessen darlegen. Sowohl objektive als auch subjektive Daten fliefien in die Bewertung des Organisationserfolgs ein. Aufgrund der Tatsache, dass es schwierig ist, einen direkten Zusammenhang zwischen organisatorischen Veranderungen und dem Organisationserfolg zu quantifizieren, werden neben finanzwirtschaftlichen Kennzahlen auch qualitative Mafie beriicksichtigt.^^ Die nachfolgend genannten Indikatoren fiir die jeweiligen Erfolgs(teil)felder konnen nur als ausgewahlte Beispiele verstanden werden, d.h. die Liste der Indikatoren je Rubrik liefie sich beliebig fortsetzen, weil im Gegensatz zu beispielsweise Cameron (1986), die Bildungseinrichtungen untersucht, Radcliffe (1999), der sich auf Organisationen im offentlichen Sektor bezieht, oder Ozcan/Shukla/Tyler (1997), die auf Institutionen im Gesundheitssektor fokussieren,^"^ hier auf Organisationen allgemein abgestellt wird und keine spezifische, handlungsleitende Forschungsfrage^^ vorliegt.
80 81 82 83 84
72
Siehe dazu Kapitel 2. Dies stellt eine starke Vereinfachung dar. Wie bereits weiter oben dargestellt, sind auch andere Perspektiven denkbar. Vgl. V. Werder/Grundei (2006), S. 13 (in diesem Band). Siehe Cameron (1986), Radcliffe (1999) und Gzcan/ShuklaA^yler (1997) fiir mehr Details. Mogliche spezifische Forschungsfragen konnten beispielsweise wie folgt lauten: „Wie wirkt sich Downsizing auf den Unternehmenserfolg aus?" Oder: „Wie verandert sich der Aktienkurs eines Unternehmens infolge einer Refokussierungsstrategie?"
Messung des Organisationserfolss
Abbildung 4-2 gibt einen Uberblick iiber die einzelnen (Teil-) Felder und mogliche Indikatoren je (Teil-)Feld.
Abbildung 4-2:
Indikatoren fur den Erfolg organisatorischer Tatbestdnde
Bewertungs1 dimension
Erfolgs(teil)feld Delegationserfolg: - Fiffektivitat: z.B. Bediirfnisbefriedigung - Effizienz: z.B. Personalaufwand je Kunde
Potentialerfolg Konfigurationserfolg
Interdependenzerfolg
Motivationserfolg
Ressourcen: (1) Sachressourcen: - Effektivitat: z.B. Anzahl und Qualitat der Produkte - Effizienz: z.B. optimale I/)sgr6Be (2) Personalressourcen: - Effektivitat: z.B. Anzahl der Projektmitarbeiter, Dauer der Teamzugehorigkeit - I'vffizienz: z.B. Output je Mitarbeiter Markt: (1) Beschaffung: - [effektivitat: z.B. (Qualitat der zugekauften Teile - leffizienz: z.B. Lagerumschlagshaufigkeit (2) Absatz: - Effektivitat: z.B. Marketingeffektivitiit - Effizienz: z.B. Markctingeffizienz Organisationskoordination: - 1 effektivitat: z.B. Kostensenkung infolge von Interdependenzen - Effizienz: z.B. Synergien infolge von Ressourcenfit Bereichskoordination: - Effektivitat: z.B. Nutzung des Know-hows der iibergeordneten organisatorischen I^inheiten - {effizienz: z.B. Produktivitat, Rentabilitiit eines Bereichs
Leistung: - I'Lffcktivitat: z.B. fh6hung dcs Marktwerts infolge cincr Reorganisation - I^ffizienz: z.B. Verhaltnis der eingesetzten Arbeitszeit des Organisationsspezialisten im Verhaltnis zum Wert der Transaktion Akzeptanz: - Effektivitat: z.B. Arbeitszufriedenheit, I^jyalitat - [{ffizienz: z.B. Verhaltnis von Aufwand fiir die Arbeitszufriedenheit erhohenden MaBnahmen zu Produktivitat je Mitarbeiter
73
Thomas Meltewigt I CaroUn Decker
Delegation bezieht sich auf den Tatbestand der Ubertragung von Aufgaben und Entscheidungen von hoheren Hierarchieebenen auf untergeordnete Organisationseinheiten. Dabei konnen zum einen infolge der Unstimmigkeiten im Hinblick auf Menge und Qualitat der weitergeleiteten Informationen Abstimmungskosten und zum ande* ren infolge des fehlenden Wissens und Know-hows der unteren Ebenen Autonomiekosten in Form von sinkender Entscheidungsqualitat entstehen.^s In Anlehnung an Ozcan/ShuklaAyler (1997) konnten Indikatoren fiir den Erfolg der Delegation wie folgt aussehen: Das Management einer Organisation iibertragt die Aufgabe, ein speziell auf die Bediirfnisse und Wiinsche ihrer Kunden abgestimmtes Set an Dienstleistungen zu erstellen, auf die Organisationsmitglieder einer untergeordneten Hierarchieebene. Das Ausmafi, in welchem diese Dienstleistungen die Bediirfnisse befriedigen („need fulfillment"), bildet die Effektivitat ab. Dementsprechend kann Effizienz beispielsweise mit dem Personalaufwand je Kunde, der diese Leistungen in Anspruch nimmt, gemessen werden.86 Der Potentialerfolg bezieht sich auf verschiedene Potentialarten. „Ressourcenpotentiale verweisen auf die Moglichkeit, vorhandene Ressourcen der Unternehmung effizient zu nutzen/'^^ Dies konnen sowohl Sach- als auch Personalressourcen sein. Eine Sachressource ist beispielsweise eine FertigungsstraBe, deren Effizienz z.B. mit der optimalen Losgrofie oder mit den Kosten je gefertigtem Teil ermittelt werden kann. Ein Indikator fiir ihre Effektivitat ist z.B. die Anzahl der gefertigten Teile oder die Qualitat der hergestellten Produkte.^^ Personalressourcen bezeichnen die Mitarbeiter eines Unternehmens. Deren Effektivitat kann z.B. damit abgebildet werden, dass man die Anzahl der Projektmitarbeiter angibt, die notig sind, um ein neues Produkt zu entwickeln. Die Dauer der Teamzugehorigkeit ist ein Indikator fiir die Effektivitat eines Projektteams, denn eine lange Zugehorigkeit ist ein Zeichen fiir bewahrte Muster des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit.^^ Der Output je Mitarbeiter ist ein Mafi fiir die Effizienz einer Personalressource. Marktpotentiale beziehen sich zum einen auf die Beschaffung und zum anderen auf den Absatz.^o Die Effektivitat der Beschaffung lasst sich mit der Hohe der mit den Lieferanten ausgehandelten Rabatte, der Qualitat der zugekauften Teile oder der Lieferzeit abbilden. Ein Indikator fiir eine effiziente Beschaffung ist z.B. die Lagerumschlagshaufigkeit.^^ Im Rahmen der Nutzung von Absatzpotentialen konnen Indikatoren fiir Marketingeffektivitat und -effizienz angefiihrt werden.92
85 86 87 88 89 90 91 92
74
Vgl. Grundei (1999), S. 75. Vgl. Ozcan/Shukla/Tyler (1997), S. 180 f. Grundei (1999), S. 301 (Hervorhebung in Kursivschrift im Original). Vgl. Kuhn/Schlick (1996), S. 181; Van de Ven/Morgan (1980), S. 221. Vgl. Brown/Eisenhardt (1995), S. 367 f. Vgl. Grundei (1999), S. 301 f. Vgl. Kiihn/Schlick (1996), S. 84,105. Vgl. Vorhies/Morgan (2003), S. 106 und Kapitel 3.3 beziiglich der Operationalisierung der Konstrukte.
Messuns des Organisationserfolss
Das Beurteilungsfeld Interdependenzerfolg tragt der Tatsache Rechnung, dass infolge von Bereichsbildungen Handlungs- bzw. Entscheidungsinterdependenzen zwischen verschiedenen organisatorischen Einheiten, z.B. zwischen den Abteilungen oder in diversifizierten Unternehmen zwischen unterschiedlichen Geschaftsbereichen, entstehen.93 Qer Erfolg der Koordination der gesamten Organisation ist beispielsweise gefahrdet, wenn ein Prozess verandert oder sogar ganz abgeschafft wird, der fiir mehrere Bereiche gleichermafien wichtig ist. Deshalb ist es gegebenenfalls ineffektiv, einen Geschaftsbereich zu verkaufen, selbst wenn er kaum noch Gewinne erzielt. "The more complementary or linked the business is to other businesses in the company, the less likely will it be economically justified to sell or shut down the business even if it is chronically unprofitable, and the larger the immediate losses the firm will face if it does so/'94 Diese Interdependenzen betreffen die bereichsiibergreifende Teilung von Ressourcen, so z.B. die gemeinsame Nutzung von Vertriebskanalen, sowie interne Leistungs- und Lieferbeziehungen. Von einer effizienten Koordination der gesamten Organisation kann man sprechen, wenn Synergien zwischen den einzelnen Bereichen vorhanden sind. Diese werden z.B. auch mit den Konstrukten „strategische Ahnlichkeit'', „Ressourcenasymmetrie" oder „Ressourcenfit" gemessen. Capron/Mitchell/ Swaminathan (2001) messen die Variable „strategische Ahnlichkeit'' mit dem Ubereinstimmungsgrad von Kundensegmenten, geographischen Markten und Wettbewerb auf einer Fiinf-Punkt-Likert-Skala (1 = iiberhaupt nicht ahnlich, ..., 5 = sehr ahnlich); „Ressourcenasymmetrie'' betrifft die vier Items Produktinnovation, Produktionswissen, kommerzielle Dynamik und Produktqualitat und wird ebenfalls mit einer FiinfPunkt-Likert-Skala gemessen (1 = schwacher, ..., 5 = starker).^^ „Ressourcenfit'' betrifft z.B. den Ubereinstimmungsgrad der Wissensbasen der Mitarbeiter in unterschiedlichen Geschaftsbereichen. Je hoher er ist, desto eher kann dieses Wissen in mehr als einem Bereich verwendet werden, was sich positiv auf die Flexibilitat der Organisation auswirkt, weil diese schneller auf veranderte Anforderungen des Marktes reagieren kann.96 Die Beurteilung der Bereichskoordination bezieht sich auf Integrations- und Unabhangigkeitseffekte.^'^ Die Integration eines Bereichs in die Gesamtorganisation ist effektiv, wenn z.B. dieser Teil der Organisation von der Expertise profitiert, die ihm das Management zur Verfiigung stellt. Ist dies nicht der Fall, ist es sinnvoll, iiber eine Loslosung aus der Gesamtorganisation nachzudenken, beispielsweise in Form eines Verkaufs an ein anderes Unternehmen, welches das erforderliche Know-how zur Ver-
93 94 95 96
97
Vgl. V. Werder/Crundei (2000), S. 118. Vgl. Porter (1976), S. 23. Vgl. Capron/Mitchell/Swaminathan (2001), S. 843. Zur Messung der Variable „human resource profile dissimilarity" siehe Chang (1996), S. 596. "Ressourcenfit" kann sich dariiber hinaus auf Technologie, Kapitalintensitat und Marketing beziehen (siehe dazu Chang/Singh [1999]). Vgl. V. Werder/Grundei (2000), S. 120. 75
1
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fiigung stellen kann.^^ Die Effektivitat eines Bereichs kann auch mit der Anzahl der dort beschaftigten Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Organisationseinheiten gemessen werden, wahrend seine Effizienz z.B. mit seiner Produktivitat und Rentabilitat abgebildet wird.99 Der Motivationserfolg bezieht sich auf die Organisationsmitglieder und wird an den Feldem Leistung und Akzeptanz festgemacht.ioo ^^Die Leistungseffizienz bezieht sich auf die Organisationsspezialisten und gibt die Intensitat ihrer tatsachlichen Bemiihungen an, organisationsrelevantes Wissen aufzubauen und im Rahmen von Gestaltungsprozessen zu nutzen/'^o^ Ein moglicher Indikator fiir die Intensitat der Bemiihungen konnte die eingesetzte Arbeitszeit des Spezialisten im Verhaltnis zum Wert der (Re-) Organisationsma6nahmei02 sein. Demgemafi sollte die Effektivitat einer Leistung gegeben sein, wenn der Organisationsspezialist die mit einer organisatorischen Mafinahme verbundenen Ziele erfiillt, so z.B. Erhohung des Marktwertes infolge von strategischem Wandel, der durch Desinvestitionen induziert wird.103 Oje Effektivitat von Motivationsmafinahmen im Hinblick auf die Akzeptanz beispielsweise von Reorganisationsmafinahmen bezieht sich auf eher „weiche" Faktoren wie z.B. Arbeitszufriedenheit,^^'* Loyalitat, Anpassungsfahigkeit oder Gruppenkohasion^o^ uri(j stellt den Organisationsforscher vor grofiere methodologische Herausforderungen als die Erhebung quantitativer Kennzahlen. Von Effizienz kann man allerdings erst dann sprechen, wenn sich die beispielsweise die Arbeitszufriedenheit erhohenden Mafinahmen z.B. in Form von hoherer Produktivitat je Mitarbeiter niederschlagen. Die hier genannten Beispiele illustrieren, dass eine Vielzahl von Kennzahlen existiert, um die Effektivitat und Effizienz organisatorischer Tatbestande abzubilden. Diese Liste muss auf das konkrete Problem zugeschnitten werden. Jedoch sollte dabei bedacht werden, dass die Indikatoren je nach Art der untersuchten Organisation, z.B. im Hinblick auf Branche oder Grofie, variieren konnen. Hilfreich fiir deren Auswahl konnten Kriterien zur Entwicklung von Messmodellen sein, die z.B. Neely/Gregory/Platts (1995) nennen. So heifit es beispielsweise, dass sich die gewahlten Kennzahlen auf die Organisationsziele beziehen, den Vergleich zwischen Organisationen erlauben und gemeinsam mit den betroffenen Personengruppen entwickelt wor^^ Vgl. dazu Dranikoff/Koller/Schneider (2002), S. 79 und das dort dargestellte Beispiel General Electric. 99 100 101 ^02
Vgl. Goodman/Pennings (1980), S. 196 f.; Van de Ven/Morgan (1980), S. 221. Vgl. V. Werder/Grundei (2000), S. 120 f. V. Werder/Grundei (2000), S. 120 (Hervorhebung im Original). Dies konnte z.B. mit der Anzahl der von einer Downsizing-Mafinahme betroffenen Mitarbeiter oder dem finanziellen Wert eines zu veraufiernden Unternehmensteils gemessen werden. 103 Vgl. zu diesem Beispiel Byerly/Lamont/Keasler (2003), S. 541. ^^^ Zur Messung von Arbeitszufriedenheit siehe z.B. Matiaske/Mellewigt (2001). Fiir eine kritische Auseinandersetzung mit der empirischen Untersuchung von Arbeitszufriedenheit und die damit verbundenen methodologischen Herausforderungen siehe z.B. Starbuck (2004), S. 341. 105 Vgl. Van de Ven/Morgan (1980), S. 221 f.
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Messuns des Organisationserfolss
den sein sollten. Aufierdem sollten Methoden zur Datensammlung und Berechnung der Kennzahlen klar definiert sein, Verhaltnis- gegeniiber absoluten Zahlen sowie objektive gegeniiber subjektiven Mafien bevorzugt werden und die Mafie wechseln konnen, wenn sich Veranderungen im Umfeld der Organisation abzeichnen. Des Weiteren ist gegebenenfalls nicht jedes verwendete Mafi gleichermafien fiir alle Teile der Organisation geeignet. Die Kennzahlen sollten zudem einfach zu handhaben und zu interpretieren sein. 1^6
Fazlt und ImpMkationen fUr Forschung und Praxis Die Messung des Organisationserfolgs ist - wie aus den Ausfiihrungen hervorgeht ein forschungs- und praxisrelevantes Problem, das im Rahmen des OrganisationsControllings, insbesondere des Performance-Controllings thematisiert wird. Aufgrund eines uneinheitlichen Begriffsverstandnisses und der Vielzahl an Systemen zur Erfolgsmessung ist ein allgemein giiltiges „Rezept'', wie der Organisationserfolg angemessen mit Hilfe von Indikatoren operationalisiert werden kann, nicht vorhanden. Aus empirischen Studien geht hervor, dass Effektivitat und Effizienz Dimensionen des Organisationserfolgs sind, die getrennt und unabhangig voneinander in unterschiedlicher Gewichtung von Organisationen betont bzw. mit quantitativen und qualitativen Mafien abgebildet werden konnenJ07 D^r hier vorgestellte Vorschlag zur Messung des Organisationserfolgs basiert auf dem Effizienzkonzept, das v. Werder/Grundei (2000) vorgestellt haben, und wird um die Effektivitatsdimension erweitert sowie mit Indikatoren je (Teil-)Feld angereichert.^08 Die genannten Indikatoren sind allerdings nur als Beispiele zur Illustration zu verstehen. Der Vorschlag verdeutlicht, dass in der Forschung ein Defizit beziiglich der konkreten Abgrenzung von Effektivitat und Effizienz herrscht. Die begriffliche Konfusion und die Vielfalt der Operationalisierungen stiftet Verwirrung im Hinblick auf die Erfolgstrachtigkeit von organisatorischen Mafinahmen. Die aus den empirischen Befunden abgeleiteten Handlungsempfehlungen fiir die Praxis sollten deshalb mit Vorsicht betrachtet werden. Kiinftige Studien zur Erfolgswirksamkeit organisatorischer Tatbestande sollten eindeutige begriffliche Abgrenzungen vornehmen, auf die Argumentationslinien und Messmethoden aufbauen.
106 vgl. Neely/Gregory/Platts (1995), S. 97 f. lO'^ Siehe dazu Kapitel 2 und 3 und die dort zitierte Literatur. 108 Siehe Kapitel 4.2. 77
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Decker
Die Frage, ob der Organisationserfolg als abhangige oder unabhangige Variable definiert werden soll,^^^ stellt gegebenenfalls eine zu starke Abstraktion von der Realitat dar, derm die Beziehung zwischen organisatorischen Tatbestanden und Erfolg ist womoglich viel komplexer. So zeigen beispielsweise Byerly/Lamont/Keasler (2003) empirisch, dass der Zusammenhang zwischen Refokussierungs- und Repositionierungsstrategien und dem Unternehmenserfolg vom Grad der Diversifikation des Unternehmens moderiert wird.^^o Kiinftige Forschungsbemiihungen sollten deshalb darauf gerichtet sein, unter welchen Bedingungen Veranderungen beziiglich Effektivitat und Effizienz infolge organisatorischer Mafinahmen zu erwarten sind. Die Ausfiihrungen haben ebenfalls gezeigt, dass gerade in den letzten Jahren viele neue Systeme zur Erfolgsmessung entwickelt wurden. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie die Bedeutung einer holistischen Betrachtungsweise hervorheben. So werden beispielsweise die Sicht der Kunden starker betont, intangible Ressourcen mit in die Organisationsbewertung aufgenommen, was gerade in wissensintensiven Branchen aufierst relevant ist, und auf die hohere Dynamik des Wettbewerbsumfelds hingewiesen. Dennoch sollte bei diesen Modellen, die haufig von Unternehmensberatungen empfohlen werden, Vorsicht gelten. Zum einen fehlen namlich vielfach konkrete Methoden zu ihrer Implementierung, zum anderen ist ihre Erfolgstrachtigkeit oft alles andere als wissenschaftlich abgesichertJ^i Das Grundgeriist eines Analyserasters speziell zur Erhebung der organisationalen Effektivitat und Effizienz wurde aus wissenschaftlicher Sicht in diesem Beitrag entwickelt. Ob es praxistauglich ist, kann an dieser Stelle nicht geklart werden. Vielmehr liefert es Denkanstofie, welche Kriterien zur Abbildung des Organisationserfolgs angelegt werden konnen, die mit konkreten Beispielen illustriert werden.
109 Siehe dazu Kapitel 3.4. 110 Vgl. Byerly/Lamont/Keasler (2003), S. 537. m Siehe dazu das Beispiel Balanced Scorecard in Kapitel 3.2.
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Wllfiied KrUger
Controlling von Reorganlsationsprojekten*
Zusammenfassung
85
1
Problemstellung
87
2
Charakteristik des Reorganisations-Controllings 88 2.1 Controllingverstandnis, -gegenstand und -trager 88 2.2 Gesamtzusammenhang des Reorganisations-Controllings 90 2.2.1 Lebenszyklus von Organisationssystemen als Orientierungsrahmen.90 2.2.2 Aufgaben des Reorganisations-Controllings 91 2.2.3 Bildungeines Controllingsystems 94 2.2.4 Reifegrade des Reorganisations-Controllings 95
3
Kosten und Nutzen von Reorganisationsprojekten 3.1 Bestimmung der Reorganisationskosten 3.1.1 Prozesskosten des Projekts 3.1.2 Kostentrager und Kostenverantwortung 3.2 Abschatzung des Reorganisationsnutzens 3.2.1 Monetare und nichtmonetare Wirkungen 3.2.2 Organisationsmangel als Ankniipfungspunkte 3.3 Typisierung von Reorganisationsprojekten
97 97 97 100 102 102 104 104
4
Projektspezifische Controllingfragen 4.1 Projekte zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung 4.1.1 Kostenorientierte Vorgehensweise 4.1.2 Nutzenorientierte Optimierung der Organisation 4.1.3 Konsequenzen fiir das Controlling 4.2 Projekte zur strategischen Ausrichtung von Prozessen und Strukturen 4.2.1 Stofirichtungen und Kennzahlen strategischer Organisationsanderungen 4.2.2 Realoptionen als Ansatz zur Nutzeneinschatzung 4.2.3 Konsequenzen fiir das Controlling
108 108 108 109 110 112 112 116 119
Der Verfasser dankt Frau Prof. Dr. Barbara E. Weifienberger fiir Anregungen und Hinweise zu dem Manuskript aus Controlling-Sicht. 83
WHfried Kruger
4.3
Projekte zur Bildung einer entwicklungsfahigen Organisation 4.3.1 Organisatorische Fahigkeiten als Denkansatz 4.3.2 Reorganisationen zum Fahigkeitserwerb 4.3.3 Konsequenzen fiir das Controlling
Ergebnisse
84
120 120 122 124 126
ControlUng von Reorganisationsprojekten
Zusammenfassung Ob und in welchem Umfang Reorganisationsprojekte einem standardisierten Controlling unterzogen werden (konnen), hangt sehr von der Art des Projektes ab. Um hier zu weiterfiihrenden Ergebnissen zu gelangen, baut der folgende Beitrag auf einer typisierenden Unterscheidung von drei Arten von Reorganisationen auf: Projekte zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung, Projekte zur strategischen Ausrichtung von Prozessen und Strukturen, Projekte zur Bildung einer entwicklungsfahigen Organisation. Basis fiir ein Controlling sowohl wahrend des Projektablaufs als auch in der nachvollziehenden Ergebniskontrolle ist in jedem Fall die Bestimmung der Kosten und Nutzen des Projekts. Wahrend auf der Kostenseite Standards gebildet werden konnen, lasst sich der Nutzen organisatorischer Mafinahmen nur zum kleinen Teil monetar erfassen bzw. dem einzelnen Projekt zurechnen. In einfacheren Fallen (,operative' Reorganisationen) konnen hier Effizienzkonzepte helfen, die zumindest als Heuristik die Starken und Schwachen der Organisation einzuschatzen erlauben. Bei komplexeren Anderungsvorhaben (,strategische' Reorganisationen) kann der Ansatz der Realoptionen Denkhilfen bieten. Reorganisationen werden dabei wie eine Investition behandelt, deren Nutzen darin besteht, dass sie bestimmte Anschlussentscheidungen zulasst. Nicht zuletzt sind Reorganisationsprojekte auch erforderlich, um die Entwicklungsfahigkeit der Unternehmung zu verbessern, so z.B. durch die Einrichtung von Einheiten und Prozessen fiir das Ideenmanagement. Konzeptionell lasst sich der Nutzen dieser Vorhaben erfassen, indem man sie als Investitionen in dynamische organisatorische Fahigkeiten begreift.
85
ControUins von Reorsanisationsprojekten
Problemstellung Der vorliegende Beitrag erganzt die Grundlagenbeitrage von v. Werder/Grundei sowie Mellewigt/Decker in diesem Band. Wahrend dort die Organisation im Ganzen betrachtet wurde, geht es hier um die Veranderungen von Strukturen und Prozessen durch Reorganisationsprojekte. Das Controlling von Reorganisationsprojekten ist genauso wie das gesamte Organisations-Controlling ein in Theorie und Praxis kaum behandelter Bereich. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu der allseits bekannten und anerkannten Bedeutung der Organisation als einem strategischen Erfolgsfaktor. Mafigebliche Ursachen fiir dieses Defizit diirften sein, dass Organisationsmafinahmen nur in Teilen (z.B. bei Personaleinsparungen) rechenbare Ergebnisse erzielen und dass Ergebnisse, die zeitlich nach einer Reorganisation eintreten (z.B, Umsatzerhohungen) meist nicht eindeutig auf organisatorische Veranderungen zugerechnet werden konnen. Die Losung dieser Probleme kann allerdings nicht darin bestehen, dass man sie negiert bzw. ausklammert. Vielmehr sollte nach Wegen gesucht werden, die der Praxis zumindest eine hohere Transparenz und eine robuste Einschatzung von Reorganisationsprojekten erlauben. Ankniipfungspunkte hierfiir liegen vor allem im Projektmanagement, im Change Management, im Strategischen Management und nicht zuletzt im betrieblichen Controlling. Angewendet auf Reorganisationsfragen sollen im vorliegenden Beitrag vor allem zwei Ziele erreicht werden. Zum einen soil dem interessierten Praktiker ein gedanklicher Orientierungsrahmen geboten werden, den er im Sinne einer Heuristik fiir seine Analysen und Diskussionen nutzen kann. Zum anderen geht es darum, die Organisationstheorie auf einem fraglos wichtigen Teilgebiet weiter zu bringen und sie mit anwendungsbezogenen Ansatzen anzureichern. Das Augenmerk richtet sich dabei auf folgende Fragen: 1.
Worin bestehen die Besonderheiten des Reorganisations-Controllings?
2.
Welche Aufgaben umfasst das Controlling von Reorganisationsprojekten?
3.
Worin bestehen Kosten und Nutzen verschiedenartiger Reorganisationsvorhaben?
4.
Welche Konsequenzen
ergeben
sich daraus
fiir
das
Reorganisations-
Controlling?
87
t i
WUfhed Kruser
2
Charakteristik des ReorganisationsControllings
2.1
Controlhngverstandnis, -gegenstand und -trager
Controllingbegriffe und ControUingverstandnis sind vielfaltig.i Fiir eine organisationsbezogene Betrachtung von Controllingfragen empfiehlt es sich, die Controllingcharakteristik zunachst anhand der Aufgaben vorzunehmen, die es zu erledigen gilt (funktionale Sichtweise), unabhangig davon, wer (Person oder Organisationseinheit) diese Aufgaben zu erfiillen hat (institutionelle Sichtweise). Controllingaufgaben dienen der Unterstiitzung der sachbezogenen Managementaufgaben der Planung, Steuerung (Uberwachung) und Kontrolle. Giiterwirtschaftliche Sachverhalte werden informatorisch erfasst. Die Informationen werden aufbereitet und ausgewertet und dienen der Fundierung von Managemententscheidungen.2 Im Falle von Reorganisationsprojekten sollen die projektverantwortlichen Stellen (z.B. Mitgliedcr im Lenkungsausschuss, Projektieiter) bei den Aufgaben des Projektmanagements unterstiitzt werden. Reorganisations-Controlling soil Unterstiitzung bei der Formulierung von Reorganisationszielen bieten, im Verlauf der Projektabwicklung zur Sicherung der Zielerreichung beitragen und nach Projektabschluss das Erreichen der Projektziele iiberpriifen. Bei den heute vielfach erforderlichen, komplexen Wandlungsvorhaben ist eine arbeitsteilige Projektarbeit iiblich, horizontal wie vertikal. Die Aufgaben des Projektmanagements sind vertikal typischerweise auf drei Ebenen verteilt: Projektteams, Kernteam, Lenkungsausschuss. Entsprechend muss auch die Controllingaufgabe analytisch aufgefachert werden.3 Auf der untersten Arbeitsebene geht es um das Controlling einzelner Projekte bzw. Teilprojekte und entsprechender Teams. Auf der mittleren Ebene, oft als Programmebene bezeichnet, miissen diese Telle koordiniert werden. Hierzu dient das Kernteam, dem die Teilprojektleiter sowie der Gesamtprojektleiter (ProgrammManager) angehoren. Das (Teil-)ProjektcontroIling und das Programmcontrolling sind auf dieser Arbeitsebene zu verzahnen. Das Wandlungsprogramm ist schliefilich mit der Unternehmungsgesamtplanung abzustimmen, eine Aufgabe fiir die oberste Arbeitsebene, den Lenkungsausschuss.
^ 2 3 88
Vgl. zu den unterschiedlichen Konzepten des Controllings insbesondere Kiipper (2001) und Weber (1999). Vgl. zu dieser Sichtweise Weifienberger (2004). Vgl. Alter (1990), S. 178 ff.
ControlUns von Reorganisationsprojekten
Sofern mehrere Projekte/Programme gleichzeitig abzuwickeln sind, miinden die Informationen in ein Multiprojektmanagement.4 Das projektbezogene Controlling ist mit dem geschafts- bzw. untemehmungsbezogenen Controlling zu verzahnen. Zum einen konnen Reorganisationsprojekte als Teil einer Gesamtplanung der betreffenden Einheit (z.B. Untemehmung, Bereich, Standort) definiert werden. Anstofie fiir entsprechende Projektauftrage konnen aus der strategischen Planung resultieren oder/und falls vorhanden - aus dem Organisations-Controlling. Zum anderen kann sich das Ergebniscontrolling von Projekten auf ein ausgebautes Unternehmungs- bzw. Bereichscontrolling stiitzen, das in der Lage ist, die notwendigen Kennzahlen und Indikatoren zu ermitteln und auszuwerten, um den Erfolg einer Organisationsmafinahme abzuschatzen. Diese Uberlegungen fiihren zu der Frage nach den Tragem des ProjektcontroUings (institutionelle Sichtweise). In der Praxis nehmen offenbar die Projektverantwortlichen die Controllingaufgaben im laufenden Projekt weitgehend selbst wahr, und ein Follow Up-Controlling findet kaum statt. Fiir eine weitergehende Professionalisierung bietet sich die Ubertragung von Controllingaufgaben auf spezialisierte Stellen an, so wie fiir die Geschaftsprozesse langst iiblich. Hierfiir kommen drei Kategorien von Unterstiitzungseinheiten in Betracht. Die von der Reorganisation betroffenen Organisationseinheiten sind mit ihrem BereichscontroUing zu beteiligen. Dominierend wird das BereichscontroUing, wenn der Bereich zugleich der federfiihrende Projekttrager bzw. -auftraggeber ist. Fiir kleinere Vorhaben bzw. Teilprojekte wird dieses dezentrale Liniencontrolling auch die Aufgaben des ProjektcontroUings iibernehmen. Bei grofieren Vorhaben werden ProjektcontroUer eingesetzt, typischerweise dem ProgrammManager zugeordnet (Projekt-Assistent, Projektbiiro). Nicht zuletzt ist das Zentralcontrolling auf Unternehmungsebene zu erwahnen, das die Einbindung in die Gesamtplanung sicherstellen muss. Sofern vorhanden, sind die Beziehungen zu spezialisierten Einheiten des Organisations-Controllings zu regeln. Zentrale Einheiten formulieren Standards und Richtlinien, erbringen auch Serviceleistungen, iibernehmen aber typischerweise nicht das Projektcontrolling. Die genaue Arbeitsteilung, die Unterstellungsverhaltnisse und Berichtswege der verschiedenen moglichen Trager hangen im Einzelfall von der Aufbauorganisation des Projekts und der Umgebungsorganisation ab. Auf diese aufbauorganisatorischen Fragen des ProjektcontroUings wird hier nicht naher eingegangen.5 Gegenstand des ProjektcontroUings ist wie im Organisations-Controlling einerseits die Leistung des Projekts („Performance''), andererseits die Einhaltung der hierfiir vorgesehenen Standards und Regeln, also die Ordnungsmafiigkeit des Vorgehens („Conformance'').6 Um diese beiden Bereiche begrifflich zu erfassen, wird hier vorge-
4 5 6
Vgl. z.B. Jantzen-Homp (2000). Vgl. zu der moglichen organisatorischen Verankerung des Organisations-Controllings v. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band). Vgl. im Einzelnen den Beitrag von v. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band). 89
WHfried Kruser
schlagen, die Bezeichnungen Leistungscontrolling und Verfahrenscontrolling zu benutzen. Im Leistungscontrolling geht es darum, die inhaltliche Planung, Steuerung und Kontrolle der Ziele und Mafinahmen des Projekts zu unterstiitzen. Das Verfahrenscontrolling bezieht sich dagegen auf die im Projekt einzusetzenden Methoden und Techniken sowie die einzuhaltenden Richtlinien. Es unterstiitzt das Projektmanagement also in methodisch-prozeduraler Hinsicht. Im Mittelpunkt der folgenden Uberlegungen steht das Leistungscontrolling.
2.2
Gesamtzusammenhang des ReorganisationsControllings
2.2.1
Lebenszyklus von Organisationssystemen als Orientierungsrahmen
In organisatorischer Hinsicht beginnen Aktivitaten des Projektcontrollings mit dem Projektauftrag und sie enden mit der Auflosung des Projektteams, also der Ubergabe des Organisationssystems an die Benutzer (Projektcontrolling im engeren Sinne). Fiir eine Gesamtbetrachtung der Projektkosten und des Projektnutzens ist allerdings eine weiterreichende Analyse erforderlich. Zum einen geht es dabei um die Vorphase von Projekten, also die Initialisierung. Auch hierfiir fallen unter Umstanden bereits erhebliche Kosten an. Sie entziehen sich allerdings iiblichen Betrachtungsweisen, da es sich dabei vorwiegend um ungeregelte Managementprozesse handelt. Immerhin erscheint es zumindest konzeptionell erforderlich, aber auch heuristisch wertvoll, in die Kostenbetrachtung entsprechende Kostenarten einzubeziehen. Zum anderen muss nach Beendigung der Projektarbeit gepriift werden, ob die Benutzer mit der Organisationsregelung zurechtkommen und ob die angestrebten Ziele der Reorganisation auch erreicht werden. In institutioneller Sicht ist fiir derartige Aufgaben typischerweise das Liniencontrolling zustandig, je nach Bezugsbereich des Projekts also das BereichscontroUing oder das Zentralcontrolling. Um die Vorphase der Initialisierung sowie die nachgeiagerten Prozesse der Nutzung und Anpassung (einschliefilich einer eventuellen Aufierdienststellung) der Organisationslosung zu beriicksichtigen, ist der Betrachtungszeitraum des Reorganisations-Controllings gedanklich auf die Lebensdauer der getroffenen Regelungen auszudehnen. Reorganisations-Controlling reicht also weiter als das iibliche Projektcontrolling. Entscheidend fiir den Projekterfolg sind auf der einen Seite die Lebenszykluskosten der jeweiligen Mafinahme, auf der anderen
90
Controlling von Reorganisationsprojekten
Seite die in diesem Zeitraum zu erwartenden monetaren und nichtmonetaren Ergebnisse7 Die Bereitstellung einer organisatorischen Losung mit den Phasen Initialisierung, Konzipierung und Realisierung fiihrt zu einem Aufgabengebiet, das man als Bereitstellungscontrolling bezeichnen konnte. Entsprechend waren die Nutzung und Anpassung des Organisationssystems als weitere Phasen des Lebenszyklus zum Gegenstand eines NutzungscontroUings zu machen. Im Bereitstellungscontrolling geht es um folgende Fragen: 1st der Prozess der Reorganisation effizient verlaufen (Leistungscontrolling/Performance) und wurden die hierfiir geltenden Regeln eingehalten (Verfahrenscontrolling/Conformance)? Das Nutzungscontrolling erganzt diese Themen um zwei weitere Fragen: Hat die Organisationslosung die in sie gesetzten Erwartungen erfiillt (Leistungscontrolling/ Performance) und werden die darin enthaltenen Regelungen von den betroffenen Organisationseinheiten eingehalten (Verfahrenscontrolling/Conformance)?
2.2.2
Aufgaben des Reorganisations-Controllings
Die Controllingaufgaben lassen sich zunachst grob danach einteilen, ob ein existierendes System genutzt wird oder erst entwickelt werden soil: Controllingsystemnutzende und -bildende Aufgaben.^ Unter Reorganisations-Controlling wird man iiblicherweise systemnutzende Aufgaben verstehen, dabei unterstellend, dass ein Controllingsystem bereits existiert. Da dies keineswegs iiberall der Fall ist, wird im weiteren Verlauf zumindest iiberblicksartig auch auf die systembildenden Aufgaben eingegangen, die der Installierung eines Reorganisations-Controllings dienen. Zunachst werden allerdings die systemnutzenden Aktivitaten betrachtet. Zur Aufschliisselung dieser Aufgaben wird von dem bereits angedeuteten fiinfphasigen Lebenszyklus des Organisationssystems ausgegangen, der bei entsprechender Gestaltung mit den Teilprozessen einer Reorganisation identisch ist (vgl. Abbildung 2-1). Er lehnt sich an wandlungstheoretische Modelle an und ist in besonderem Mafie geeignet, die jeweiligen Managementaufgaben deutlich zu machen, die das Controlling zu unterstiitzen hat.^ Die Controllingaufgaben, die auf dieser Grundlage formuliert werden, spezifizieren vorhandene Ansatze des (Projekt-)Controllings.io
9 10
Eine Ubersicht iiber Ansatze des Lebenszyklus-Controllings gibt Grimmeisen (1998), S. 93 ff. Vgl. hierzu Alter (1990). Vgl. hierzu Kruger (2006a); Kriiger/Janz (2006). Vgl. insbesondere Kruger (1979), S. 164 ff.; Alter (1990), S. 171 ff.; Steinle/Lawa/Kraege (2001), S. 139 ff.; Klingshirn (1997), S. 51; Fischermanns (1996), S. 109 ff. 91
Wilfried Kruser
Ahbildung 2-1:
Gesamtzusammenhang des Reorganisations-Controllings
Lebenszyklus eines Organisationssystems/Teilprozesse einer Reorganisation Initialisieruna
Konzipieruna
Realisierunq
Nutzuna
Bildung eines Controllingsystems
Anpassunq
J
In der Initialisierungsphase geht es zunachst darum, iiberhaupt ein Problembewusstsein fiir notwendige Organisationsanderungen zu erzeugen, gegcbenenfalls ein Lcitbild fiir die zukiinftige Losung zu formulieren, die notwendige Unterstiitzung sicherzustellen und schliefilich einen Veranderungsprozess auszulosen. Das Controlling kann Anstofie zu Organisationsanderungen geben; als Feedback aus Ergebnissen der Nutzungs- Oder Anpassungsphase, in denen das Bereichscontrolling bzw. ein spezialisiertes Organisations-Controlling die Controllingfunktionen wahrnimmt; als Feedforward aus der Umsetzung strategischer Absichten, die in der Unternehmungsplanung festgelegt sind.^^ Das ProjektcontroUing (im engeren Sinne) hat in der Initialisierung also Schnittstellen zum Liniencontrolling. Die Initialisierung endet im Erfolgsfall mit einem Projektauftrag. Das Controlling kann informatorische Hilfestellung bei der Ziel- und Auftragsformulierung leisten. Die Konzipierungsphase ist der erste Teil des Reorganisationsprojekts. An seinem Ende steht als Ergebnis ein Organisationsvorschlag, der in der anschliefienden Realisierungsphase umzusetzen ist. Konzipierung und Realisierung, als Hauptprozesse der Reorganisation, werden iiblicherweise in Teilaufgaben und -prozesse zerlegt, um zu einem standardisierten Vorgehensmodell zu gelangen. So sieht der auf das Systems V. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band) sprechen in diesem Zusammenhang von Checkup-Controlling bzw. Follow-up-Controlling. 92
Controlling von Reorsanisationsprojekten
Engineering zuruckgehende Ansatz fiir die Konzipierung einen zyklischen Ablauf von Vor-, Haupt- und Teilstudien vor.i2 In Unternehmungen mit einem ausgebauten Projektmanagement existieren dokumentierte Verfahren und Methoden der Projektarbeit, die unter anderem der einzelfalliibergreifenden Standardisierung des Vorgehens dienen. Sie verweisen auf controllingsystembildende Aufgaben. Sie zu iibemehmen ware im Falle von Organisationsprojekten Aufgabe eines Organisations-Controllings als Teil des Unternehnnungscontrollings. Die Projektverantwortlichen miissen in der Konzipierung im Wesentlichen Teilziele und Rahmenbedingungen des Vorgehens bestimmen, die Aufgabenverteilung und das Vorgehen regeln, die von den Teams erarbeiteten Vorschlage und Altemativen beurteilen und auswahlen und schliefilich die notigen Durchfiihrungsentscheidungen treffen. Das Projektcontrolling, das hier aufsetzt, kann im Zusammenwirken mit anderen Controllingtragern zahlreiche Beitrage leisten. Es hangt von der Grofie des Projekts und dem damit verbundenen Ausmafi an Arbeitsteilung, aber auch vom Flihrungsstil der Projektleitung ab, wie weit die Aufgabenstellung und der Einfluss spezialisierter Controllingstellen reichen. Zu nennen sind insbesondere: •
Unterstiitzung bei der Projektstrukturplanung
•
Projektbezogene Ressourcenbedarfsplanung nach Art, Menge und Zeit
•
Prognose der zu erwartenden Projektkosten
•
Uberwachung der Planeinhaltung
•
Prognose/Schatzung von Kosten- und Liquiditatswirkungen von alternativen Organisationsmafinahmen
•
Prognose/Schatzung monetarer und nichtmonetarer Ergebniswirkungen von Organisationsalternativen
•
Zusammengefasste Altemativenbeurteilung als Entscheidungsgrundlage.
Die Realisierungsphase wird allgemein mit „Umsetzung" und „Durchsetzung'', bezogen auf Organisationssysteme mit „Systembau" und „Einfuhrung'' assoziiert. Es geht also darum, die Plane und Absichten in die Tat umzusetzen und die Benutzer zur Akzeptanz der Losung zu bringen. Hier treten schwierige und bedeutungsvolle personelle Fiihrungsaufgaben auf, die im vorliegenden Beitrag ausgeblendet bleiben.^^ Die Sachaufgaben des Projektmanagements konzentrieren sich zunachst darauf, die notwendigen Durchfiihrungsvoraussetzungen zu schaffen. Sie betreffen das Festlegen von Prioritaten (prioritare Vorhaben - Folgeprojekte), gegebenenfalls die erneute Festlegung der personellen Zusammensetzung und Leitung der Teilprojekte sowie die Zuweisung von finanziellen, sachlichen und personellen Ressourcen. Der Programm-
12 Vgl. z.B. Kriiger (1994), S. 384 ff.; Schmidt (2003), S. 33 ff. 13 Vgl. hierzu Bach (2006a); Becker (2006); Brehm (2006). 93
WUfried Kruger
ablauf ist zu iiberwachen, bei markanten Abweichungen ist einzugreifen. Die mogliche Unterstiitzung durch ein Projektcontrolling beriihrt vor allem folgende Teilaufgaben: n Detaillierung der Struktur-, Bedarfs- und Prozessplanung fiir den Systembau •
Ableitung von Teilzielen und Indikatoren der Zielerreichung nach Inhalt, Ausmafi und Terminierung
•
Mitwirkung bei der Mafinahmenplanung fiir die Einfiihrung
•
Laufende Steuerung und Uberwachung von Kosten, Leistungen und Terminen
•
Erarbeitung von Abweichungsanalysen und Korrekturmafinahmen
•
Abschlusskontrolle und Projektdokumentation.
Nutzungs- und Anpassungsphase werden hier zusammengefasst behandelt. Am Ende der Realisierung steht das iibergabebereite System, das nach entsprechenden Informations- und Trainingsaktivitaten an die Benutzer iibergeben wird, die damit die Verantwortung iibernehmen. Das Projektcontrolling iibergibt an das Bereichscontrolling, gegebenenfalls an ein Organisations-Controlling. Die Managementaufgaben sind nunmehr keine Projektaufgaben mehr, sondern Teil des Tagesgeschafts. Dies bedeutet, dass die Bereichsverantwortlichen bestimmte Aufgaben des Organisationsmanagements zu iibernehmen haben. Dazu gehort in erster Linie die Feststellung, ob sich die Organisationsanderungen bewahrt haben und im Bedarfsfall das Einleiten bzw. Anstofien von Anpassungsmafinahmen. Im Zweifel geht es auch um ein Aufierdienststellen von Systemen. Im Idealfall werden organisatorische Verbesserungsprozesse als Aufgabe permanenten Wandels begriffen, und es werden Plattformen fiir Lernen und Entwicklung geschaffen. Zu den Standardzielen im jahrlichen Fiihrungsprozess treten Innovations- und Entwicklungsziele. In jedem Fall ergeben sich einige Ankniipfungspunkte fiir Controllingaktivitaten: •
Steuerung und Uberwachung der laufenden Nutzung organisatorischer Regelungen
•
Erhebung und Auswertung der erreichten Ergebnisse
•
Anstofi von Anpassungsmafinahmen/Folgeprojekten
•
Planung und Auswertung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse.
2.2.3
Bjidung eines Controllingsystems
Bisher wurde davon ausgegangen, dass in der Unternehmung bereits ein geeignetes Controlling existiert. Die erlauterten ControUingaufgaben sind controllingsystemnutzend. Diese Betrachtung ist nun zu erganzen um solche Aufgaben, die das Controllingsystem erst aufbauen, also systembildend sind (Metacontrolling). Trager dieser
94
ControUing von Reorsanisationsprojekten
Aufgaben diirften in der Praxis - abgesehen vom Einsatz extemer Berater - Einheiten des Unternehmungscontrollings sein, insbesondere gegebenenfalls solche des Organisations-Controllings, geht es doch darum, einen moglichst breit verwendbaren Standard zu schaffen, der Effizienz und Effektivitat von Reorganisationsvorhaben verbessern soil. Die Deutsche Bahn AG kann als Praxisbeispiel hierfiir dienen. In einer besonderen Konzernrichtlinie wird dort unter anderem eine Standardisierung von Reorganisationsvorhaben vorgenommen. Durch die Regelung des methodischen Vorgehens in solchen Projekten soil eine hohere Effizienz der Projektarbeit erreicht werden. Zustandig fiir diese konzernweite Regelung ist die zentrale Organisationsabteilung als Teil der Einheit „Konzementwicklung".i4 Abzustimmen sind die Regeln fiir Reorganisationsprojekte gegebenenfalls mit anderen Projektformen, z.B. IT-Projekten; dies vor allem, um das Multiprojektmanagement zu erleichtern. Insbesondere geht es um: •
Entwicklung und Implementierung eines projektbezogenen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsystems
•
Regelung der Arbeitsteilung zwischen Projektcontrolling, Bereichscontrolling und Unternehmungscontrolling
•
Formulierung projektbezogener Grundsatze und Verfahren zum Aufbau und Ablauf von Projekten
•
Auswahl, Dokumentation und Einfiihrung geeigneter Methoden, Techniken und Tools der Projektarbeit
•
Anwendungsbetreuung und -iiberwachung
•
Anpassung und Weiterentwicklung des Projektcontrollingsystems.
2.2.4
Reifegrade des Reorganisations-Controllings
Projektmanagement als Arbeitsform ist in der Praxis weit verbreitet und wird von spezialisierten Instituten und Vereinigungen vorangetrieben. Dies geht mittlerweile bis hin zu einer Zertifizierung von Personen und Institutionen. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Entwicklungsstand, dem Reifegrad, vorhandener Projektmanagement-Systeme. Die dafiir benutzten Kategorien sind durchaus verallgemeinerungsfahig und konnen auch auf das Reorganisations-Controlling angewendet werden. Nach dem Modell des Project Management Institute z.B. lassen sich vier Reifegrade bzw. Entwicklungsstufen unterscheiden.^s
14 Vgl. hierzu den Firmenbericht Deutsche Bahn AG von Weinhold/Hadrich/Bach (2006) (in diesem Band). 15 Vgl. hierzu Project Management Institute (2004). 95
WUfried Kruger
1.
Standardisierung
2.
Messung
3.
Kontrolle
4.
Stetige Verbesserung.
Die Standardisierung beginnt aus organisatorischer Sicht mit der Beschreibung und Dokumentierung der Aufgaben des Reorganisations-Controllings. Sie setzt sich fort mit einer Festlegung einzusetzender Methoden, Techniken und Tools. Die Messung der Aufgabenerfiillung kann im einfachsten Fall qualitativ angelegt sein. Hier sind die weit verbreiteten Ampelkarten der Praxis einzuordnen, also die schrittweise Beurteilung des Projektfortschritts anhand der Farben einer Verkehrsampel. Bereits solche einfachen Hilfsmittel sind unter Kosten-/Nutzengesichtspunkten wirkungsvolle Hilfen. Auch die quantitative Beurteilung eines Projekts kann sich zunachst einfacher Kennzahlen bedienen, so z.B. einem Vergleich der geplanten und der realisierten Gesamtdauer bzw. der Gesamtkosten. Fiir eine detaillierte Analyse sind Projektkosten und -nutzen aufzuschliisseln, wie unten dargestellt. Voraussetzung hierfiir sind allerdings klare und operational Projektziele seitens der Auftraggeber sowie ein darauf aufbauender Projektplan. Nur dann lasst sich eine Kontrolle sachgerecht durchfiihren, die laufende Uberwachung des Projektfortschritts ebenso wie spatere Ergebniskontrollen. Spatestens anhand der vierten Reifegradstufe, der stetigen Verbesserung, wird die Notwendigkeit der Spezialisierung deutlich. Auch ein Controllingsystem bedarf der Anpassung und Weiterentwicklung. Hierfiir sind die dokumentierten Projektergebnisse und -erfahrungen ebenso auszuwerten (Lessons Learned) wie externe Entwicklungen. Dies sind Aufgaben, die nicht von wechselnden Projektleitern zu leisten sind.
96
ControUing von Reorsanisationsprojekten
Kosten und Nutzen von Reorganisationsprojekten
3.1
Bestimmung der Reorganisationskosten
3.1.1
Prozesskosten des Projekts
Eine durchgehende Problematik des Controllings von Reorganisationen ist die Bestimmung von Kosten und Nutzen organisatorischer Anderungen. Dies bildet das betriebswirtschaftliche Kernproblem, das direkt oder indirekt den beschriebenen Controllingaufgaben zugrunde liegt und auf das sich daher die weiteren Ausfiihrungen konzentrieren. Letztlich handelt es sich dabei auch um Fragen der Effizienz und Effektivitat organisatorischer Prozesse und ihrer Ergebnisse. Die entsprechenden Konzepte der Organisationstheorie beziehen sich allerdings zum einen darauf, die Organisation als Ergebnis des Prozesses zu betrachtenJ^ Es geht also nicht um den Reorganisationsprozess, auf den hier abzustellen ist. Zum anderen wird die Gesamtorganisation betrachtet und ihr Stellenwert als einer von mehreren Erfolgsfaktoren der Unternehmung. Das Controlling von Reorganisationsprojekten muss dagegen versuchen, Kosten und Nutzen einzelner organisatorischer Veranderungen zu bestimmen; dies ist eine Analyse, die einen hoheren Detaillierungsgrad verlangt. Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, ist die Abschatzung der Projektkosten, formal betrachtet, weitgehend unabhangig vom Gegenstand der Reorganisation. Die Kostenseite kann also fiir alle Arten von Reorganisationsprojekten zusammengefasst behandelt w^erden. Fiir eine Projektkostenrechnung ist auf die Kategorien Kostenarten, -trager und -stellen zuriickzugreifen. Dies gilt unabhangig vom Projektumfang. Es versteht sich, dass der Detaillierungsgrad der Rechnung in einem angemessenen Verhaltnis zum Gesamtaufwand stehen muss. Die Bandbreite reicht von iiberschlagigen Schatzungen anhand weniger Zahlen bis zu einer ausgebauten Vor- und Nachkalkulation. Grundlage bildet immer eine Bestimmung der Kostenarten. Die herkommliche Systematik der Kostenarten kniipft an eine Einteilung der Giiterarten an (z.B. Materialkosten, Personalkosten). Wichtiger als diese Kategorien ist fiir das Projektcontrolling die Kenntnis der Kosten fiir einzelne Aktionen/Teilprozesse. Hierfiir existiert bisher keine standardisierte, akzeptierte Kostenartensystematik. Eine praktikable Vorgehensweise diirfte es sein, sich am Projektablauf zu orientieren. Die einzelnen Phasen 16 Vgl. den Vorschlag von Mellewigt/Decker (2006) (in diesem Band), sowie die dort diskutierten Ansatze und Forschungsergebnisse. 97
WHfried Kruger
bzw. Teilprozesse eines Projektes stellen Hauptaufgaben dar, die sich in Teilaufgaben zerlegen lassen. Die Kostenarten sind sodann anhand der Teilaufgaben aufzuschliisseln. Besitzt eine Unternehmung ein standardisiertes Vorgehensmodell des Reorganisationsprozesses, dann lassen sich daran prozessbezogene Kosten festmachen. Dies entspricht im Grundsatz dem Vorgehen der Prozesskostenrechnung (activity based costing). 17 Der in Abbildung 3-1 dargestellte Vorschlag ist als Hinweis fiir den Aufbau derartiger Standards zu verstehen. Den Prozesskem bilden die dem Lebenszyklus entsprechenden Teilprozesse („Phasen") einer Reorganisation, also die Aktivitaten der Bereitstellung, Nutzung und Anpassung organisatorischer Losungen. Sie stellen den Leistungsprozess des Projekts dar. Bei Bedarf lassen sich tiefergehende Differenzierungen vornehmen, so z.B. in der Konzipierungsphase, falls Vor-, Haupt- und Teilstudien zu unterscheiden sind, oder in der Realisierungsphase, in der Basis- und Folgeprojekte auftreten.^^ Die verschiedenen Projektkosten lassen sich nun zunachst verursachungsgerecht den einzelnen Teilprozessen des Leistungsprozesses zuordnen. Dies fiihrt zu den in Abbildung 3-1 vorgenommenen Kategorien, z.B. Aktivierungs- und Einbindungskosten als Kosten des Initialisierungsprozesses. Der Leistungsprozess wird begleitet von Managementaktivitaten der Planung, Steuerung, Koordination und Kontrolle, vereinfacht als Steuerungsprozesse bezeichnet. Die zugehorige Kostenkategorie wird mit dem Begriff Koordinationskosten belegt.^^ Projektleiter und Lenkungsgremien stehen im Mittelpunkt. Es geht um die projektinterne Koordination der einzelnen Teams sowie die projektexterne Abstimmung mit der Linienorganisation und den Fiihrungs-, Mitbestimmungs- und Aufsichtsgremien. Auch Marktpartner und weitere unternehmungsexterne Anspruchsgruppen sind gegebenenfalls zu beriicksichtigen. Schliefilich bleiben die Unterstiitzungs- oder Supportprozesse mit den zugehorigen Kosten zu erwahnen, zu denen neben der Projektinfrastruktur und Projektadministration nicht zuletzt das Reorganisations-Controlling selbst zahlt. Als durchgehende Unterstiitzungsaufgabe wird hier auch die Kommunikation interpretiert, die in ihrer Bedeutung kaum zu iiberschatzen ist. Die Kosten fiir die durchgehenden Steuerungs- und Unterstiitzungsprozesse des Projekts besitzen den Charakter von Prozessgemeinkosten. Die Kosten der Leistungsteilprozesse sind dagegen Prozesseinzelkosten. Um in der Praxis zu den Prozesskosten des Projekts zu gelangen, miissen die Projektstrukturplanung und die Projektkostenrechnung Hand in Hand gehen. Zunachst sind die einzelnen Teilaufgaben („Phasen", ^Teilprozesse'') eines Projektes zu bestimmen und dann kdnnen die zugehdrigen Kostenarten geschatzt bzw. ermittelt werden. Damit verbinden sich vor allem zwei Vorteile. Zum einen lasst sich bei den mehr oder weniger neuartigen und wenig standardisierten Aufgaben eines Reorganisationspro-
17 Vgl. z.B. O'Guin (1991), S. 29 ff.; Horvath (2002), S. 553 ff. 18 Vgl. Kriiger (2006a). 19 Fiir die Koordinationsprobleme wird auch auf die Transaktionskosten zuriickgegriffen, vgl. Picot (1991); zu Knyphausen-Aufsefi (1997), S. 379 ff. 98
ControUins von Reor^anisationsprojekten
jektes eine hinreichende Transparenz des Projektgeschehens erreichen. Zum anderen bieten prozessorientierte Kosten auch eine Basis fiir die Steuerung und Kontrolle des Projektablaufs.
Abbildung 3-1:
Steuerungsprozesskosten Leistungsprozesskosten
Prozesskosten von Reorganisationsprojekten
- Lenkungsgremien - Prpjektfeitung - Interne Schnittstellen
y
InKlailstorung
Aktivierungs- und Einbindungskosten - Topmanagement - Fijhrungskrafle - MiterbeiterVertretung - Shareholder - weitere exteme Anspruchsgruppen
^
Koordinationskosten - Exleme Partner - Exteme Anspmchsgaippen
Konziptorung
Analyse- und Entwicklungskosten -
Projektieitung Prpjektmitarbeiter Hiifsmittel Projektinfrastruktur Exteme Leistungen Administration/ Support
Raalisterung y Umstellungskosten - Personalkosten - Prozesse - Aufbauorganisation - Infrastruktur/ Stand orte - Sachmittel/ Maschinen - PuK-Systeme - IT-Systeme - Anreizsysteme Schulungskosten - Trainer - Infrastruktur - Teilnehmer
Nutzung
Anpassung
y>
Aniaufkosten - Produktionsausfdlle - Umsatzausfdile - Lemkurve - Nachschulung - Fehlzeiten
Erhaitungskosten - Support - Wartung/ Instandhaltung - KVP-Prozesse - Projektanstdfie
Folgekosten - Produktivitatsveranderungen - Lohnveranderungen - Kapitalkosten - Exteme Abhangigkeiten Akzeptanzkosten -Fluktuation -Motivation
Supportprozesskosten
Prozessergebnisse
UnterstUtzungskosten - Projektinfrastmktur - Administration/Controlling
y
Prqjektauftrag
y
Organisations- \ vorschlag /
- Interne und exteme Kommunikation
QbergabebereitesV System x
lauffdhiges System
y
angepasstes System
>
Wie erwahnt wird das Projektcontrolling iiblicherweise erst beginnen, nachdem ein Projektauftrag erteilt worden ist. Er bildet das Ergebnis der Initialisierung und legt Ziele, Termine, Budgets und Verantwortlichkeiten fest. Den Schwerpunkt des Projektcontrollings bilden die Konzipierungs- und Realisierungsaufgabe. Mit der Ubergabe der Projektergebnisse an die Benutzer endet die organisatorische Einheit „Projekt'' und mit ihr typischerweise auch das Projektcontrolling. Ein gesamthaftes Reorganisations-Controlling kann sich auf diese Teilprozesse allerdings nicht beschranken, sondern muss zumindest konzeptionell auch die (Vor-)Phase der Initialisierung sowie die spatere Systemnutzung und Anpassung einbeziehen. Auf diese Weise geraten im Leistungsprozess zunachst die hier als Aktivierungs- und Einbindungskosten bezeichneten Kategorien ins Blickfeld. Damit sind die Miihen und die Zeit gemeint, die Promotoren aufwenden miissen, bis sie ihre Projektidee zur Akzeptanz gebracht haben. Denn der Gegenstand und die Reichweite eines Reorganisationsvorhabens sind nicht objek-
99
WUfried Kruser
tiv gegeben, sondem Ergebnis von Beratungs- und Verhandlungsprozessen im Vorfeld. Dabei treffen unterschiedliche Ziele und Interessen aufeinander, und es entstehen Konflikt- und Kompromisskosten, bis ein Projektauftrag abgestimmt ist. Sei es, dass bei mitbestimmungspflichtigen Vorhaben z.B. Beschaftigungs- und Standortgarantien oder Ausgleichszahlungen vereinbart werden; sei es, dass die aktive Mitwirkung bzw. Zustimmung von Fiihrungskraften resp. Shareholdem die Gewahrung monetarer Anreize in Form von Optionen, Dividenden, Boni etc. erforderlich macht. Nicht zuletzt sind im Falle unternehmungsiibergreifender Projekte auch Kunden und Lieferanten sowie weitere exteme Anspruchsgruppen in das Vorhaben und damit in die Kostenverursachung einzuplanen. Alle derartigen Aktivitaten sind gemeint, wenn hier von Aktivierungs- und Einbindungskosten gesprochen wird. Sodann geht es um die in der Konzipiening anfallenden Aktivitaten und deren Kosten. Die Analyse des Istzustands sowie der Entwurf von Sollkonzepten sind Teil des Leistungsauftrags eines Projekts. In der Literatur werden Spezialaspekte des Controllings diskutiert, die dieser Phase zuzurechnen waren, so z.B. die Fragen der Partizipation und des Einbezugs von Beratungsleistungen.20 Falls die Projektvorschlage umgesetzt werden, entstehen in der Realisierung Kosten fiir die Organisationsumstellung in den betreffenden Einheiten sowie Kosten fiir Schulung. Wesentliche Spezialfragen der Realisierung betreffen das Controlling von Qualifikationsprogrammen und von Personalanpassungsma6nahmen.2i Die sich anschliefiende Nutzung der geanderten oder neu geschaffenen Organisation verursacht analog zu technischen Projekten Anlaufkosten, die sich aus der Umstellung und Einarbeitung ergeben. Aber auch Folgekosten sind zu bedenken sowie Kosten der (mangelnden) Akzeptanz der Losung bei den Betroffenen. In der Anpassungsphase schliefilich konnen Kosten fiir die Benutzerunterstiitzung, fiir die Aktualisierung der Losung („Wartung und Instandhaltung") sowie deren kontinuierliche Verbesserung anfallen. Als Folge von gemachten Erfahrungen und deren Analyse ergeben sich moglicherweise neue Projektideen, die zunachst gesammelt und ausgewertet werden mussen, um gegebenenfalls neue Projektauftrage anzustofien. Auch diese Aktivitaten sind kostenverursachend.
3.1.2
Kostentrager und Kostenverantwortung
Als Kostentrager eines Reorganisationsprojektes lassen sich die Ergebnisse der Projektphasen begreifen. Sie stellen Entwicklungsstadien bzw. Lebensstadien eines Systems dar. Es beginnt mit dem abgestimmten Projektauftrag, der die Grundlage der Konzipierung bildet. Einem realisierungsfahigen Organisationsvorschlag als dem
20 Vgl. Grimmeisen (1998), S. 188 ff., S. 257 ff. 21 Vgl. Grimmeisen (1998), S. 152 ff., S. 325 ff.
100
ControUins von Reorganisationsprojekten
Produkt dieser zweiten Phase lassen sich die Konzipierungskosten zurechnen, gegebenenfalls sind Teilleistungen vorgelagert und getrennt zu kalkulieren, wie z.B. eine Vorstudie. Die Gesamtheit der anschliefienden Realisierungskosten hinzugefiigt, entsteht ein iibergabebereites System. Auch in der Realisierung sind Teilprojekte moglich und rechenbar, so z.B. Pilotanwendungen. Die Kosten des Systembetriebs (Nutzungsphase) lassen sich ebenfalls auf einen Kostentrager beziehen. Man konnte von einem lauffahigen System als Ergebnis der Nutzungsphase sprechen. Im Anschluss an Anpassungsaktivitaten entsteht schliefilich ein angepasstes System als letzter Kostentrager. Die Kostentragerbetrachtung macht dem Auftraggeber deutlich, mit welchen Betragen er fiar die einzelnen Phasen bzw. Teilprojekte eines Projektauftrags zu rechnen hat. Im einfachsten Fall fiihrt jeder Teilprozess nur zu einem einzigen Ergebnis. Dann fallen die Teilprozesskosten und die Kostentragerkosten zusammen. Wenn in einer Phase allerdings mehrere Teilergebnisse produziert werden, dann ist eine entsprechende Aufteilung der Prozesskosten erforderlich. Im Rahmen der Realisierungsphase waren z.B. gegebenenfalls Kosten fiir Pilotanwendungen und Kosten fiir Folgeprojekte zu ermitteln. Aufierdem ist die Kostenverantwortung sichtbar und iiberpriifbar zu machen. Diesem Zweck dient auch in Projekten eine Kostenstellenrechnung. Die Kostenarten sind verursachungsgerecht den Kostenstellen zuzuordnen. Alle Aktivitaten, die der Infrastruktur des gesamten Vorhabens sowie den iibergeordneten Unterstiitzungs- und Steuerungsprozessen dienen, sind Programmaktivitaten. Die hierfiir zu veranschlagenden Koordinationskosten und Unterstiitzungskosten bilden den Projektoverhead. Sie besitzen, wie erwahnt, im Hinblick auf die (Teil-)Projekte Gemeinkostencharakter und sind fiir das Programm im Ganzen anzusetzen. Die Hauptkostenstelle des Projekts bzw. Programms, der diese Gemeinkosten zuzurechnen sind, umfasst gegebenenfalls alle Teilprojekte auf Hilfskostenstellen.22 Hier fallen die erlauterten direkten Kosten fiir das Erbringen der Projektleistung an. Programmleiter, Projektleiter bzw. Teilprojektleiter als die in der Projektorganisation zustandigen Fiihrungskrafte sind in dieser Kostenstellenstruktur als Kostenverantwortliche abgebildet. Die Aufbauorganisation des Projekts spiegelt sich in der Kostenstellenstruktur wider. Dies umschliefit selbstverstandlich auch die in der Linie existierenden Kostenstellen, auf die bestimmte Kosten verrechnet werden konnen.
22 Vgl. Bach (2006b).
101
WUfried Kruser
3.2
Abschatzung des Reorganisationsnutzens
3.2.1
Monetare und nichtmonetare Wirkungen
Die Betrachtung des Reorganisationsnutzens wird im Folgenden auf das Projektergebnis beschrankt. Es wird also nach dem Nutzen der Reorganisationslosung gefragt. Die Beurteilung des Organisationsprozesses, z.B. die Analyse der Vorzugswiirdigkeit verschiedener Formen der Projektorganisation im Rahmen des Controllings, bleibt aufier Ansatz.23 Die Nutzenfrage durchzieht wie die Kostenproblematik den gesamten Lebenszyklus des Organisationssystems. Sie stellt sich wahrend der Initialisierungsphase z.B. in der Form, dass die besonderen Starken und Schwachen des organisatorischen Istzustands zu ermitteln sind, um daraus konkrete Projektgegenstande und Projektziele abzuleiten. Wahrend der Konzipierung geht es darum, Organisationsaltemativen zur Losung der Probleme zu erarbeiten und anhand dieser Ziele zu beurteilen. Durch Realisierung und Nutzung der Losung muss sich schliefilich erweisen, ob die anfangs erkannten Probleme durch die Reorganisation bewaltigt wurden. Der Nutzen einer Reorganisation ergibt sich aus der Wirksamkeit der eingetretenen Veranderungen. Zu unterscheiden sind monetare Wirkungen, z.B. Einsparungen, und nichtmonetare, z.B. Produktqualitat, Akzeptanz, Kundenzufriedenheit. Sie waren im BereitstellungscontroUing zum Gegenstand einer „Vorkalkulation'', im Nutzungscontrolling einer „Nachkalkulation" zu machen. Monetare Wirkungen (Wertziele) konnen auf der Kosten- und der Umsatzseite entstehen. Projekte der organisatorischen Tagesarbeit tragen allerdings weit iiberwiegend nur zur Kosten- bzw. Aufwandsreduzierung bei, nicht dagegen zur Umsatz- bzw. Ertragssteigerung. Dies trifft vor allem auf die weit verbreiteten und liber die Jahre hinweg in wechselndem Gewand auftretenden Kostensenkungsprogramme zu. In einer rein monetaren Wirksamkeitsbetrachtung sind die Kosten bzw. Auszahlungen fiir die Durchfiihrung eines solchen Programms den dadurch in Zukunft erreichbaren Kostensenkungen bzw. Einsparungen gegeniiberzustellen, um zu einer Alternativenbeurteilung zu gelangen. Schwieriger zu ermitteln und zu quantifizieren sind die nichtmonetaren Wirkungen einer Reorganisation. Dies gilt bereits fiir die „Nebenwirkungen" vorwiegend monetarer Projekte, z.B. fiir den Verlust an Erfahrung und implizitem Wissen bei Personaleinsparungen. Zum Kernproblem werden derartige Effekte, wenn sie das eigentliche Ziel der Reorganisation darstellen, also die Hauptwirkungen. Nichtmonetare Wirkungen
23 Vgl. hierzu exemplarisch Grimmeisen (1998), S. 229 ff. 102
ControlUns von Reorsanisationsprojekten
werden iiblicherweise in Sachziele und Sozialziele eingeteilt.24 Sollen solche Ziele erreicht werden, so sind Indikatoren zu bestimmen, die in den betrachteten Untersuchungsbereichen als Kenngrofien fiir den Istzustand und die angestrebte Veranderungsleistung dienen konnen. Teils konnen Mangel direkt gemessen werden, z.B. mit Zeit- und Mengenangaben sowie Qualitatsmerkmalen von Produkten, teils sind indirekte Messungen erforderlich, z.B. bei der Mitarbeiter- oder Kundenzufriedenheit. Existierende Programme wie TQM, Six Sigma oder EFQM arbeiten mit Kennzahlen, die hier ebenfalls in Betracht kommen. Erfahrungsgestiitzte Hinweise liefem die verschiedene Checklisten und Mangelkataloge der Organisationspraxis.^s Um in dieser Richtung weitergehende Hilfen anzubieten, wird hier auf die allgemeinen („generischen'') Anforderungen Bezug genommen, die zur Beurteilung organisatorischer Regelungen dienen konnen.26 Sie liefern dem Praktiker zusammen mit den darauf aufbauenden Checklisten moglicher organisatorischer Mangel eine Heuristik, die er zur Analyse des Istzustands und zur Bestimmung von Reorganisationsbedarfen einsetzen kann. Es ist im Einzelfall Aufgabe der Projektverantwortlichen, sich iiber die relative Bedeutung der dargestellten Anforderungen und der eventuell vorhandenen Mangel klar zu werden. Dabei ist auch auf Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen organisatorischen Problemen zu achten. Da in aller Regel mehrere Symptome gleichzeitig zu beobachten sind, miissen die Ursache-AVirkungsbeziehungen moglichst geklart werden, ehe mit Mafinahmen zur Schwachenbeseitigung („Therapie'') begonnen wird. Innengerichtete Anforderungen: Organisatorische Regelungen sollen •
moglichst kostengiinstig sein sowie eine giinstige Ausschopfung der materiellen Ressourcen und Kapazitaten (Rohstoffe, Maschinen, Technologien, bauliche Infrastruktur) sichern: Finanz- und Sachressourcen-Effizienz.
•
eine rasche, spezialisierte, hochwertige Aufgabenerfiillung in alien Geschaftsprozessen (operative Prozesse und Unterstiitzungsprozesse) bewirken: Geschaftsprozesseffizienz.
•
die Kapazitat sowie die Qualifikation und Motivation des Managements und der Mitarbeiter ausschopfen und entwickeln sowie das hierfiir erforderliche individuelle Lernen ermoglichen: Human Ressourcen-Orientierung.
•
eine rasche, kostengiinstige und gut fundierte Planung, Steuerung, Kontrolle und Koordination erlauben: Fiihrungsprozesseffizienz.
24 Vgl. z.B. Hahn/Hungenberg (2001), S. 11 ff. 25 Vgl. Schmidt (2003), S. 201 ff. 26 Vgl. hierzu Kruger (2005), S. 150; ThomAVenger (2000).
103
Wilfried Kruser
Aufiengerichtete Anfordeningen: Organisatorische Regelungen sollen •
die Ausrichtung auf den Markt und Wettbewerb sowie die Nahe zum Kunden ermoglichen: Markt- und Wettbewerbsorientierung.
•
die Aktionsfahigkeit der Untemehmung sicherstellen, zugleich aber die Anpassungsfahigkeit an interne wie externe Veranderungen erhohen: Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit.
•
die Entwicklung und Durchsetzung neuartiger Produkte, Dienste, Verfahren und Strukturen begiinstigen sowie das hierfiir erforderliche kollektive Lernen ermoglichen: Innovations- und Lemfahigkeit.
•
das Eingehen unternehmungsiibergreifender Partnerschaften begiinstigen. Dazu zahlen sowohl vertikale (Abnehmer-Zulieferer-Kooperationen) als auch horizontale Netzwerke (AUianzen): Netzwerkfahigkeit.
3.2.2
Orgamsationsmangel als Anknlipfungspunkte
Die Checkliste von Abbildung 3-2 legt die genannten internen Anforderungen als Mafistab fiir eine „optimale Organisation" zugrunde und illustriert stichwortartig wichtige Schwachen, die sich in Prozessen und Strukturen demgegeniiber zeigen konnen. Diese Liste sowie die nachfolgende, analog aufgebaute Liste von Schwachen in Abbildung 3-3 hinsichtlich der externen Anforderungen konnen im konkreten Einzelfall als eine Hilfe zur ersten Orientierung im Rahmen einer Lageanalyse dienen („Quick-Check"). Und sie legen die Grundlage fiir die Bestimmung der Reorganisationsschwerpunkte.
3.3
Typisierung von Reorganisationsprojekten
Die Kostenbestimmung von Reorganisationsvorhaben kann einem einheitlichen Schema folgen, ist also vom Gegenstand des Projekts unabhangig. Ein standardisiertes Vorgehensmodell liefert - wie erlautert - die Grundlage hierfiir. Die Kostenarten andern sich bei wechselnden Projektgegenstanden nicht. Ganz anders sieht es auf der Nutzenseite aus.
104
ControiUng von Reorganisationsprojekten
Abhildung 3-2:
Mangel hinsichtlich interner Anforderungen
Finanz- und Sachressourceneffizienz: - zu grolie/unterausgelastete Aniagen/Organisationseinheiten, - uberdimensionierte Verwaltungseinheiten, - Doppelarbeit/Mehrfachaufgaben, - zu hohe Wertschopfungs-ZFertigungstiefe, - zu hohe Varianten-ZProduktvielfalt, - zu geringe IT-Unterstutzung . Geschaftsprozesseffizienz: - zu weit getriebene Arbeitsteilung, viele Schnittstellen, - fehlende/zu geringe Standardisierung, - unklare/fehlende Zuordnung von Aufgaben/Kompetenzen/ Verantwortung, - keine durchgehende Prozessorganisation, - fehlende/unklare Prozessverantwortung, - zu lange Durchlaufzeiten, Liege- und Wartezeiten, - haufige Informationslucken, - mangelhafte Ziel-/Ergebnis-Analyse. Human Ressourcen-Orientierung - zu hohe Arbeitsteilung/Unterforderung, - zu wenig Handlungsspielraum/zu viel Burokratie, - unklare Aufgabenbeschreibung, - mangelhafte Stellenbesetzung, - unklare Ziele, fehlende Leistungsbeurteilung, -fehlende Lem-und Entwicklungsmoglichkeiten. Fuhrungsprozesseffizienz: - zu Starke Zentralisation von Entscheidungen, - zu wenig Delegation und Partizipation, - zu breite Leitungsspanne, - zu viele Leitungsebenen, - quantitative/qualitative Uberlastung der Spitze, - zu viele und zu grofie Gremien, - Schwerfallige Koordinations- und Entscheidungsprozesse, - unklare Zustandigkeiten und Verantwortungen, - Mehrfachunterstellungen, - unklare/fehlende Ziele/Zielbildungsprozesse, - unzureichende Fortschrittskontrollen.
105
WHfried Kruger
Ahbildung 3-3:
Mangel hinsichtlich externer Anforderungen
Markt- und Wettbewerbsorientierung: - keine/unklare Verantwortung fiir Produkte/Regionen/Kundengruppen, - zersplitterte Kunderv/Marktverantwortung, - mangelnde Dezentralisation von Entscheidungen. Flexibilitat und Anpassungsiihigkeit: - zu lange vertikale Wege, - zu geringe/fehlende Querschnittsregelung bei funktionaler Arbeitsteilung, - zu wenig Dezentralisierung, - zu viel Burokratie, - keine Teams/Lernplattformen/Projekte. Innovationsorientierung: - keine Freiraume fur internes Unternehmertum, - keine Teams/Lernplattformen/Verbesserungs- und Entwickiungsprojekte, - keine/zu geringe F&E-Einheiten, - keine Verzahnung von TagesgeschSft und Verbesserungsprozessen, - keine innovationsbezogenen Ziele/Anreize. Netzwerkfslhigkeit: - keine/unzureichende Regelung unternehmungsubergreifender Geschaftsprozesse (z.B. zu Kunden/Lieferanten), - keine ubergreifendeProzessverantwortung, - keine/unzureichende Einbindung von Kunden/Lieferanten in Entwicklungsvorhaben.
Man denke zunachst an die zahlreichen Kostensenkungsprogramme der letzten Zeit. Sie konzentrieren sich auf bestimmte Bereiche, Funktionen oder Standorte. Ihr Nutzen besteht iiberwiegend in der besseren Erfiillung der innengerichteten Anforderungen, ist also insbesondere auf die Finanz- und Sachressourcen-Effizienz, die Geschaftsprozesseffizienz sowie die Human Ressourcen-Orientierung ausgerichtet. Die Wettbewerbsfahigkeit als Teil der aufiengerichteten Anforderungen kann teilweise davon berijhrt werden, zumindest soweit es sich um einen Kosten- und Preiswettbewerb handelt. Dennoch ist Kostensenkung als Ziel und Projektauftrag insgesamt eher als innengerichtet und „operativ" denn als aufiengerichtet und „strategisch'' einzustufen. Anders gelagert sind die ebenfalls haufigen Falle, in denen ein Umbau der Rahmenorganisation aufgrund eines Strategiewechsels erfolgt („Structure follows Strategy").
106
ControUws von Reorsanisationsprojekten
Konzentration auf Kerngeschafte, Kauf und Verkauf ganzer Untemehmungsteile (M&A-Vorgange), In- und Outsourcing von Funktionen sind Beispiele flir eher strategische Reorganisationen. Dominierend im Sinne der Anforderungen und des angestrebten Nutzens sind hier zunachst die Kategorien der Markt- und Wettbewerbsorientierung, der Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit, teilweise auch der Netzwerkfahigkeit. Innengerichtete Anforderungen treten dagegen starker zuriick. Veranderungen der Rahmenorganisation beriihren hier zunachst vor allem die Fiihrungsprozesseffizienz, so insbesondere durch die Regelungen der Fiihrungsorganisation. Erst bei der operativen Umsetzung strategischer Kurswechsel konnen durch weitere Teilprojekte bzw. Folgeprojekte bereichsbezogene Probleme gelost werden, die sich dann wiederum auf innengerichtete Anforderungen ausrichten, wie z.B. die Vereinheitlichung von Geschaftsprozessen oder die Zusammenlegung von Serviceaufgaben. Als Ergebnis des Konzernumbaus entsteht in der Praxis ein Trend zur strategiefokussierten Organisation. So auch am Beispiel der SAP AG in diesem Band zu studieren.27 SAP wandelt sich von einem Anbieter isolierter Leistungen zu einem integrierten Problemloser. Kern der neuen Strategie ist die Positionierung als Plattform-Provider. Als Folge davon ist der Entwicklungsbereich einer grundlegenden Reorganisation unterzogen worden. Im Zuge dieser Veranderung wurden im Ubrigen auch bisherige Organisationsmangel beseitigt. Der Vergleich dieser beiden Projektkategorien, die sich grob mit „operativ'' und „strategisch" klassifizieren und - wie das Beispiel SAP zeigt - auch kombinieren lassen, mit der Liste der Anforderungen lasst eine Liicke erkennen. Beide Projektarten weisen keinen unmittelbaren Bezug zur Innovations- und Lernfahigkeit einer Unternehmung auf. In dem Mafie wie Unternehmungen auch dieser Anforderung gerecht werden wollen, miissen weitere organisatorische Mafinahmen ergriffen werden, z.B. die Einrichtung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse. Der Nutzen derartiger Mafinahmen kann ganz unterschiedlich sein, sich also z.B. in Materialeinsparungen, geringeren Stillstandszeiten oder verbesserter Produktqualitat niederschlagen. Sind diese Effekte fiir sich genommen schon attraktiv genug, so ist es insgesamt betrachtet umso mehr das Entstehen einer evolutionsfahigen und sich kontinuierlich entwickelnden Unternehmung. Aus dieser typisierenden Einschatzung realer Falle ergeben sich drei Projektarten, die mit hinreichender Trennscharfe untersucht werden konnen, um daran Besonderheiten des Reorganisations-Controllings zu studierenr^s 1. Projekte zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung: Bei diesen operativen Projekten bleiben die Strategie und Rahmenstruktur des Bezugsbereichs unverandert. Es geht um Mafinahmen der Effizienzsteigerung und der Anpassung an geanderte Bedingungen. 27 Siehe Vetter/Sturm/Petry (2006) (in diesem Band). 28 Vgl. im Einzelnen hierzu Kriiger (2006b).
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WHfried Kruser
2. Projekte zur strategischen Ausrichtung von Prozessen und Strukturen: Im Vordergrund derartiger Projekte steht eine Umsetzung geanderter strategischer Absichten, aktuell z.B. bei der Konzentration auf Kemgeschafte zu sehen. Die Rahmenstruktur des Bezugsbereichs muss neu gestaltet werden. Dies geht hin bis zum Umbau ganzer Konzerne (strategiefokussierte Organisation). 3. Projekte zur Bildung einer entwicklungsfahigen Organisation: Unternehmungen, die sich die Fahigkeit zu kontinuierlicher Entwicklung und Verbesserung („permanenter Wandel") erarbeiten wollen, miissen hierfiir geeignete organisatorische Vorkehrungen treffen. Diesem Zweck dient der dritte Typ von Reorganisationsprojekten, der hier behandelt wird.
Projektspezifische Controllingfragen
4.1
Projekte zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung
4.1.1
Kostenorientierte Vorgehensweise
Die Anpassung organisatorischer Regelungen von Strukturen und Prozessen an geanderte aufiere Bedingungen gehort zur Tagesarbeit des Organisationsmanagements. Gemeint sind damit Projekte, die bei unveranderter Strategie und Rahmenstruktur des betreffenden Bereichs erforderlich werden, urn z.B. geanderten Gesetzen und Verordnungen nachzukommen oder Anderungen in der Produktions- oder Biirotechnologie organisatorisch zu begleiten. Im Grenzfall geht es um extern induzierte Anpassungen, z.B. an neue Gesetze und Verordnungen, deren Ergebniswirkungen nicht aktiv gewahlt werden, sondern als auferlegte Folge hingenommen werden miissen. Nicht selten wird ein solches Projekt iiberwiegend oder ausschHefilich mit Terminvorgaben gesteuert und mit Hilfe der erwahnten Ampelkarten iiberwacht. Der Einsatz von Ampelkarten ist auch am Beispiel des erwahnten SAP-Projekts zu studieren.29 Das Bereitstellungscontrolling wird sich gegebenenfalls auf die Kosten der Umsetzung konzentrieren und daran die Per-
29 Vgl. den Firmenbericht der SAP AG von Vetter/Sturm/Petry (2006) (in diesem Band). 108
Controlling von Reorsanisationsprojekten
formance beurteilen. Die organisatorische Veranderung wird im anschliefienden Nutzungscontrolling nicht auf ihre Performance, sondern auf Einhaltung seitens der Betroffenen gepriift. Die Conformance-Priifung dominiert also. Diesem Projekttyp eines „Muss''-Projekts, das der Umsetzung gesetzlicher Regelungen dient, entspricht das Beispiel der IBM.^o In Folge des Sarbanes-Oxley-Acts wurde weltweit ein Prozess des Compliance-Controllings eingefiihrt. Um die flir die Finanzberichterstattung erforderlichen Daten ermitteln und aufbereiten zu konnen, mussten teilweise erst die notwendigen durchgehenden Prozesse sowie die Prozessverantwortung geregelt werden. Gesteuert wurde dieses Projekt im Wesentlichen durch eine Terminvorgabe, betreffend den Jahresabschluss 2004. Bei technischen Anpassungen, vor allem im IT-Bereich, steht haufig ebenfalls die Kostenbetrachtung im Vordergrund. Anschaffungs- und Folgekosten werden in einer speziellen Lebenszyklusbetrachtung zu den Total Costs of Ownership (TCO) zusammengefasst und bilden damit den Controllinggegenstand.
4.1.2
Nutzenorientierte Optimierung der Organisation
Anders liegen die Verhaltnisse, wenn es nicht nur um Anpassungsmafinahmen, sondern um die gezielte Beseitigung erkannter Mangel geht. Die Schwachstellen in Prozessen und Strukturen mussen dann zunachst erkannt, zum Gegenstand von Projektauftragen gemacht und schliefilich beseitigt werden. Zur Identifikation von Reorganisationsbedarfen und darauf aufbauenden Projektauftragen konnen die erlauterten Anforderungskriterien und Mangelkataloge dienen. Das checklistenartige Durchpriifen kann allerdings nur der Einstieg in eine genauere Diagnose sein, in der die naheren Ursachen und deren Zusammenhange aufzudecken sind, um die kritischen Faktoren und damit zugleich die Stellgrofien potentieller Verbesserungen aufzudecken. Ein solches Vorgehen, gegebenenfalls gekoppelt mit jeweils geeigneten Erhebungstechniken (z.B. Interviews), erscheint in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen kann es bei abgegrenzten, dezentralen Vorhaben eingesetzt werden; sei es vom Liniencontrolling im Sinne einer Check Up-Priifung oder in einem bereits laufenden Projekt als Teil der Konzipierungsphase. Zum anderen ist an die Zusammenhange von strategischen und operativen Reorganisationen zu erinnern. Als Teil oder als Folge von untemehmungsweiten Organisationsanderungen sind operative Veranderungen zu realisieren. Die hierzu erforderliche Prazisierung und das Herunterbrechen strategischer Absichten auf dezentrale Teilprojekte liefien sich ebenfalls anhand der geschilderten Nutzeniiberlegungen durchfiihren. Eine anforderungsgerechte Optimierung der Organisation ist allerdings nicht nur ein Problem der inhaltlichen Eignung einer Regelung, also der Einschatzung von „richtig" 30 Vgl. den Firmenbericht der IBM Central Holding GmbH von Heydkamp/Ostrowski (2006) (in diesem Band). 109
WUfried Kru^er
oder „falsch''. Durchgehend zu priifen ist auch, ob ein „Zuvier' oder „Zuwenig'' an Regulierung vorliegt. Ein Ubermafi an Organisation, wie es in vielen grofien Unternehmungen beklagt wird, fiihrt zu biirokratischer Erstarrung und Inflexibilitat. Ineffizient ist allerdings genauso das andere Extrem. Intransparenz, Leerlauf, „Schlamperei" und „Chaos" sind die Folge fehlender Regelungen. Eine Anforderung an Reorganisationsprojekte lautet daher, die jeweils angemessene Mitte zwischen „Uberorganisation" und „Unterorganisation" anzusteuern, den optimalen Organisationsgrad. Dies bedeutet hinsichtlich der ausfiihrenden und unterstiitzenden Prozesse in der Wertkette, dass eine Uberkomplizierung ebenso zu vermeiden ist wie eine Ubervereinfachung. Leitidee ist die problemangepasste Regelung. Bestimmend hierflir ist zum einen der Routinegehalt einer Aufgabe. Arbeitsteilung sowie Standardisierung von Routineaufgaben wirken effizienzsteigernd, qualitatssichernd und personell entlastend. Zum anderen spielt das Motivations- und Qualifikationsprofil der Aufgabentrager eine grofie Rolle. Zu weit getriebene Arbeitsteilung und Ausfiihrungsregelungen engen ein, demotivieren und dequalifizieren. Auch im Hinblick auf die Fiihrungsprozesse, also die vertikale Arbeitsteilung, ist der Organisationsgrad zu optimieren. Anzustreben ist eine Fiihrung, die straff ist, ohne rigide zu sein und die zugleich auch locker sein kann, ohne nachlassig zu wirken (strafMockere Fuhrung). Nicht zuletzt ist der organisatorische Regelungsumfang ein Problem fiir die Prozesse der Unternehmungsentwicklung. Hier gilt es, die Balance zu halten zwischen einer effizienzmindernden Unterstabilisierung des Tagesgeschafts einerseits, einer entwicklungshemmenden Uberstabilisierung andererseits. Die Unternehmung benotigt eine flexible, entwicklungsfahige Organisation.
4.1.3
Konsequenzen flir das ControlHng
Zumindest bei grofieren Vorhaben ist es iiblich, die Projektleitung durch die Einrichtung von Unterstiitzungseinheiten zu entlasten, die in einem Projektbiiro zusammenarbeiten. Dieser Mitarbeiterstab nimmt unter anderem Aufgaben wahr, die Beziige zum Controlling aufweisen, dies auch dann, wenn keine Stelle diese Bezeichnung tragt. So am Beispiel des Project Office fiir das erwahnte SCORE- Projekt von SAP zu sehen.3^ Grundlage fiir ein Controlling operativer Reorganisationsprojekte ware ein standardisiertes Vorgehenskonzept, also eine Regelung der Projektablaufe und der einzusetzenden Methoden und Techniken. Dies entspricht der ersten Stufe in dem erlauterten Reifegradmodell des Projektmanagements. Entwicklung, Pflege, Einfiihrung und Uberwachung (Conformance-Priifung) solcher Hilfen fiir das Projekt-Management bildet eine Aufgabe des Organisations-Controllings. Dazu konnte es auch gehoren, 31 Vgl. den Firmenbericht der SAP AG von Vetter/Sturm/Petry (2006) (in diesem Band). 110
ControUins von Reorganisationsprojekten
den Anwendem sowie dem Projekt- und Liniencontrolling unternehmungsspezifische Anforderungskataloge und Mangellisten an die Hand zu geben, um eine dezentrale Organisationspriifung zu erleichtern. Das gleiche gilt fiir die Definition funktionsbzw. prozessbezogener Kenngrofien. Dies betrifft vor allen\ die nichtmonetaren Nutzengrofien. Damit waren die Messung und die Uberwachung als weitere Stufen des Reifegrads vorbereitet. Die Ermittlung der monetaren Ergebnisse von Reorganisationen verlangt, selbst dort, wo eine Zurechnung moglich ist, besondere Auswertungen. Beste Grundlage hierfiir ist ein ausgebautes Rechnungswesen, dies sowohl fiir die Ermittlung der Istkosten und die Abschatzung der in den Projektzielen verankerten Sollkosten als auch fiir die spatere Uberpriifung des Projekterfolgs anhand der Kostenanderungen. Dabei sind allerdings die Zahlen des Rechnungswesens entsprechend der Erfordernisse des Organisationsprojekts aufzubereiten.32 Davon betroffen ist vor allem die herkommliche Kostenstellenrechnung, dies bei ablauf- wie aufbauorganisatorischen Veranderungen. Reorganisationen haben verstarkt iibergreifende Prozesse zum Gegenstand, z.B. Auftragsabwicklung, Produktentwicklung, Markterschliefiung. Zu ihrer Kalkulation wird eine Prozesskostenrechnung erforderlich, also eine Betrachtung der einzelnen Aktivitaten/Teilprozesse und der darauf entfallenden Kostenarten. In der Praxis wird als Hilfe fiir die Losungserarbeitung wie die Kosten-/Nutzenschatzung von internem wie externem Benchmarking Gebrauch gemacht. Fiir eine gedankliche Losung von Istzustanden und das Anstreben radikaler Veranderungen steht dagegen der Ansatz des Business Reengineering.-^-^ Im Falle aufbauorganisatorischer Projekte, z.B. Stellenstreichungen, ist eine verursachungsgerechte Kostenzurechnung erforderlich, also eine Ermittlung der Einzelkosten des jeweiligen Bezugsbereichs (z.B. einzelne Stelle, Abteilung, Bereich, Sparte). Nur diese Kosten verandern sich definitionsgemafi bei Stellenstreichungen, nicht jedoch die jeweiligen Gemeinkosten. Gemeinkostensenkungen („Overhead") stellen allenfalls mogliche Folgewirkungen von Stellenstreichungen im operativen Bereich dar. Ansonsten fiihrt Personalabbau zwar zu einer absoluten Senkung von Einzelkosten, erhoht aber c.p. den auf die verbleibenden Kostenstellen entfallenden Gemeinkostenanteil. Sind die Kosten- bzw. Zahlungswirkungen („Einsparungen'') ermittelt, so lassen sie sich den fiir die Projektdurchfiihrung erforderlichen Auszahlungen gegeniiberstellen. Dies entspricht dem iiblichen Vorgehen der Investitionsrechnungen. Reorganisationen werden dann wie Investitionsvorhaben einer Renditebetrachtung unterzogen. Besondere Beachtung verlangt - wie iiblich - neben einer moglichst genauen Schatzung der Einsparungen die Festlegung des Betrachtungszeitraums (Investitionsdauer) sowie die Bestimmung des Kalkulationszinsfufies, der zur Barwertermittlung wie zur Fixierung des Renditeanspruchs dient. 32 Vgl. hierzu auch zu Knyphausen-Aufsefi (1997). 33 Vgl. Hammer/Champy (2003).
111
WUfried Kruger
Die verschiedenen Wirkungen der Reorganisationen sowie die erforderlichen Ausgaben hierfiir sind zu einer Gesamtaussage zu verdichten, um ein Projekt bzw. alternative Mafinahmen beurteilen zu konnen. Hierfiir stehen zwei bewahrte Verfahren zur Verfiigung: Die Kosten-Wirksamkeits-Analyse sowie die Nutzwertanalyse.34 In der Nutzwertanalyse werden samtliche Einzelwerte zu einem Gesamtwert, einem dimensionslosen Punktwert, verdichtet. Die Kosten-Wirksamkeits-Analyse betrachtet den Projektaufwand als monetare Grofie getrennt von den Wirksamkeitspunkten, macht also die Beziehung von „Aufwand" und „Ertrag" eines Projekts sichtbar. Die Praxis setzt weithin auf monetare Kennzahlen, denen psychologisch eine hohere Beweiskraft als den - scheinbar - subjektiven Nutzwerten und Wirksamkeitskennzahlen zuerkannt wird. Demgegenliber ist zu betonen, dass jede Entscheidung notwendigerweise subjektive Elemente enthalt, beginnend mit der Auswahl und Priorisierung von Zielen. Es geht also nicht darum, „objektiv richtige'' Entscheidungen zu treffen, sondern darum, den Moglichkeitenraum unter Beriicksichtigung aller relevanten Informationen auszuleuchten. Die Alternativen sind umfassend zu beurteilen, um die zu erwartenden Konsequenzen realistisch einzuschatzen und in die Auswahl einzubeziehen. Nur so lasst sich ein abgerundetes, aussagekraftiges Bild von Organisationsprojekten gewinnen. Die hohe Misserfolgsquote tiefgreifender Veranderungen, z.B. von M&A-Projekten, diirfte nicht zuletzt darauf zuriickzufiihren sein, dass zu den errechneten monetaren Vorteilen des Zusammengehens vielfaltige nichtmonetare Nachteile hinzutreten, die sich als Wandlungsbarrieren bzw. Synergiebarrieren bemerkbar machen.-^'' Die Gesamtheit der Ergebniswirkungen stellt sich dann im Nachhinein gegeniiber den Erwartungen als weit weniger positiv oder sogar negativ heraus.
4.2
Projekte zur strategischen Ausrichtung von Prozessen und Strukturen
4.2.1
StoBrichtungen und Kennzahlen strategischer Organisationsanderungen
Projekte zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung dienen der operativen Konsolidierung bzw. Sanierung der Unternehmung. Sie bauen Schwachen ab und sichern das Uberleben in Krisensituationen. Im Vordergrund stehen interne Anforderungen wie Geschaftsprozesseffizienz, Finanz- und Sachressourceneffizienz, Fiihrungsprozesseffizienz und Human Ressourcen-Orientierung. Das gezielte Erarbeiten von Starken und die Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen sind damit allerdings 34 Vgl. Kriiger (1983), S. 125 ff.; Schmidt (2003), S. 327 ff. 35 Vgl. Kriiger (2001), S. 736 ff.; Reissner (1992), S. 75 ff.
112
Controlling von Reorsanisationsprojekten
keineswegs zwangslaufig verbunden. Es verhalt sich ahnlich wie mit „Diat" und „Fitnessprogramm''. Schwachenabbau liefert die Basis, aber Starkenaufbau verlangt besondere Mafinahmen, so insbesondere eine Ausrichtung auf werthaltige und wettbewerbsrelevante Kernfahigkeiten, Kemfunktionen und Kerngeschafte. Voraussetzung ist eine klare Strategie, die Schwerpunkte setzt sowie Kern- und Randbereiche klar erkennen lasst. Der daraus abzuleitende Reorganisationsauftrag besteht darin, eine strategiefokussierte Organisation zu schaffen.36 Die Prioritaten liegen dabei vor allem auf den externen Anforderungen, also insbesondere Markt- und Wettbewerbsorientierung, Flexibilitat und Innovationsfahigkeit, aber auch Netzwerkfahigkeit. Eine Konsequenz hiervon ist die Ausrichtung der Unternehmung auf Funktionen und Prozesse, die sie werthaltig gestalten und zu wettbewerbsfahigen Ergebnissen fiihren kann. In struktureller (aufbauorganisatorischer) Hinsicht ergeben sich Organisationseinheiten, die sich nach der Entflechtung „historisch gewachsener" Strukturen auf je unterschiedliche Aufgaben- und Fahigkeitsschwerpunkte konzentrieren. Randaufgaben werden aufgegeben oder abgegeben. Die verbleibenden Aufgaben werden nach „Steuerung'', „Operation'' und ^Support" getrennt und in unterschiedlichen Einheiten gebiindelt (Center-Organisation). Daraus entstehen Grofien- und Spezialisierungsvorteile. Damit einher geht die Entflechtung, also die Desintegration von Wertketten.37 Davon betroffen sind nicht nur die Wertketten einzelner Unternehmungen, sondern zugleich diejenigen der Marktpartner, auf der Beschaffungs- wie der Absatzseite. Es geht daher nicht mehr nur um die Umgestaltung der eigenen Wertkette, sondern um die Konfiguration einer iibergreifenden Wertschopfungsarchitektur."^^ Die damit zwangslaufig verbundene Vervielfaltigung externer Schnittstellen fiihrt zu neuen Koordinationsaufgaben. An die Stelle marktlicher bzw. hierarchischer Losungen treten oft Netzwerke. Die Organisation solcher Kooperationen mit Lieferanten und Kunden, aber auch Wettbewerbern, stellt besondere Anforderungen. In einer strategiefokussierten Organisation erfolgt aufierdem eine Neuregelung der Fiihrungsbeziehung zwischen Konzernspitze bzw. Zwischeneinheiten und den nachgelagerten Einheiten. Kennzeichnend hierfiir ist eine straffere und transparentere Fiihrung, in der monetare Steuerungsgrofien eine tragende Rolle spielen. Dahinter steht in vielen Fallen ein starkes Mafi an Dezentralisierung, verbunden mit der Ubertragung von Ergebnisverantwortung, so insbesondere beim Ubergang vom Stammhauskonzern zur Management- oder Finanzholding. Inhaltliche Unterschiede in derartigen Projekten, die sich auch im Controlling niederschlagen, lassen sich anhand der verschiedenen Stofirichtungen der Reorganisation typisierend deutlich machen. Um eine strategiefokussierte Organisation zu erreichen.
36 37 38
Vgl. Kriiger (2004b), S. 189 ff. Vgl. Heuskel (1999). Vgl. Kruger (2004a), S. 67 ff. 113
WUfhed Kruser
sind Mafinahmen und Projekte des Abbaus, Umbaus und Aufbaus erforderlich.39 Ihre Planung, Steuerung und Kontrolle erfordert, strategieabhangig, neben den Kosten weitere Wertziele und ist aufierdem auf Sachziele (insbesondere Leistungsziele) sowie Sozialziele (insbesondere Akzeptanzziele) auszurichten. Im Einzelfall sind geeignete Indikatoren zu bestimmen, anhand derer strategische Veranderungen und dennentsprechende Projektergebnisse zu erkennen sind. Abbildung 4-1 gibt exemplarisch eine Ubersicht iiber mogliche Abbau-, Umbau- und Aufbaukennzahlen.^o Mit Abbau ist allgemein die Zuriickfuhrung oder Aufgabe von Positionen oder Potenzialen gemeint. Entbehrliche Aufgaben werden gestrichen, andere reduziert, vereinfacht oder an Externe abgegeben (Outsourcing). In aufbauorganisatorischer Hinsicht bedeutet dies vor allem Stellenabbau, Abflachung der Hierarchie und Dezentralisierung. Zu denken ist an das Stichwort „Lean Management'', also die Verringerung der Leitungstiefe bei gleichzeitiger Erhohung der Leitungsbreite. Eine weitere Veranderung in diesem Zusammenhang ist die Schaffung kleinerer Einheiten sowie der Abbau von zentralen Einheiten. Vor allem die dabei angestrebte Personalkostensenkung verursacht zunachst zusatzlichen Aufwand in Form von Riickstellungen fiir Ausgleichszahlungen und Abfindungen. Mindestens von gleicher Bedeutung wie die aufbauorganisatorischen Veranderungen sind auch „schlanke" Prozesse, also einfache Ablaufe, die moglichst standardisiert sind und ohne Liege- und Wartezeiten ans Ziel fiihren. Die Geschaftsprozesse sind zu straffen, gegebenenfalls auch durch eine Rundumsachbearbeitung abzuwickeln. Dies bedeutet eine Zuriicknahme zu weit getriebener Arbeitsteilung und damit eine Reduktion der Schnittstellen, der Fehlerquellen und der Durchlaufzeiten. Das Optimieren der Geschaftsprozesse beginnt zwar hier, ist allerdings ein durchgehendes Thema der Reorganisation."*^
39 Vgl. Kriiger (2006a). 40 Vgl. Bach (2006b). 41 Vgl. z.B. Best/Weth (2003).
114
ControUins von Reorsanisationsprojekten
Ahbildung 4--1:
Ahhau-, Umbau- und Aufbaukennzahlen
Abbau
Umbau
Aufbau
Wertziele
Capital Employed (CE), Return on CE, Working capital, Capital expenditure, Budget fur Abfindungen, Budgeteinsparungen Marktkapitalisierung
Verhaltnis neuer zu alter Umsatz, Schulungsbudget, Personalkosten pro Mitarbeiter, Marktkapitalisierung
Umsatzwachstum, Unnsat2 aus Neugeschaft, Umsatz aus Wachstumssegmenten, Investitionsvolumen, F&E-Budget, Vertrlebs-/ Werbeaufwand, Neueinstellungsbudget, Marktkapitalisierung
Leistungsziele
Personalbestand, Anzahl stillgelegter Vertriebsoder Produktionsstandorte, Abbau Fertigungskapazitat, Abbau Lagerbestand
Anzahl neuer Geschaftsfelder, Anzahl Neukunden Fertigungstiefe, Automatisierungsgrad in der Fertigung, Qualitatskennzahlen, Anzahl Versetzungen, Kundenzufriedenhelt
Anzahl Neukunden, Anzahl neuer Geschaftsfelder, Anzahl Neuprodukte, Neuproduktrate, Produktentwicklungsdauer
Anzahl interner Stellenbesetzungen, Fluktuationsrate, Krankenstand, Fehlzeiten, Anzahl Schulungen je Mitarbeiter
Anzahl Neueinstellungen, Anzahl Schulungen je Mitarbeiter, Anzahl gezahlter Pramien, Betriebszugehorigkeit
Akzep- Abbau ohne betrlebstanzbedingte Kundigungen, Sozialplan, Anzahl ziele OutplacementMaflnahmen
Zwar dominieren im Abbau wie in der Mangelbeseitigung die Kostenziele. Strategischer Abbau geht allerdings weiter und reicht tiefer, da ganze Geschafte oder Produktbereiche betroffen sein konnen. Abbauprogramme sind oft eine erste Phase eines langeren Turnaroundprozesses.'*^ Abbaumafinahmen konnen insbesondere Krafte und Ressourcen freisetzen, die an anderer Stelle zukunftsfahiger einzusetzen sind. Damit geht der Abbau in einen Umbau iiber. Von Umbau wird gesprochen, wenn vorhandene Potenziale oder Positionen umgruppiert und erneuert werden, ohne sie dabei allerdings grundsatzlich in Frage zu stellen. Umbau als strategische Mafinahme betrifft den zukiinftig als erfolgskritisch angesehenen Kern der Unternehmung, der gestarkt und verbessert werden soil (Kerngeschafte, Kernprozesse, Kernfunktionen). Solche Programme sind fiir die betroffenen Bereiche typischerweise eine Kombination aus Elementen des Abbaus und des Aufbaus. Die Umbaumafinahmen fiihren insgesamt dazu, dass aus historisch gewachsenen Untemehmungen klar gegliederte, strategisch ausgerichtete Organisationen werden. 42 Vgl. Kruger (2006b). 115
Wilfhed Kruser
Randbereiche werden abgegeben, Mehrfachaufgaben werden gebtindelt, so insbesondere die vielfaltigen Unterstiitzungsaufgaben, woraus Shared Service Center entstehen.43 Neben Kostensenkungszielen werden verstarkt Umsatz- und Wachstumsziele verfolgt. Ein Aufbau liegt vor, wenn eine Unternehmung fiir sie neue Potenziale oder Positionen mit eigenen Mitteln schafft (entspricht internem Wachstum) oder durch M&AAkti vita ten erwirbt (entspricht extemem Wachstum). Entweder werden im Rahmen vorhandener Kompetenzen neue Produkte/Leistungen angeboten, neue Regionen oder neue Kundengruppen erschlossen. Oder es entstehen neue Kompetenzen, die in vorhandenen oder neuen Geschaften zu Wettbewerbsvorteilen fiihren. Aufbau ist also auf das „doing right things'' konzentriert, im Gegensatz zum Abbau, der sich mit „doing things right" befasst. Das Hauptaugenmerk im Aufbau wird zunachst auf den werthaltigen (operativen) Aktivitaten liegen. Allerdings miissen die steuernden und unterstiitzenden Aufgaben und Prozesse im weiteren Verlauf ebenfalls angepasst werden. Die dominierenden Zielsetzungen derartiger Reorganisationen sind nachhaltige Umsatz- und Ergebnissteigerungen. Kostensenkungsziele treten in den Hintergrund.
4.2.2
Realoptionen als Ansatz zur Nutzeneinschatzung
Im Falle strategischer Reorganisationen sind die Ergebniswirkungen - sowohl monetare wie nichtmonetare - durch eine hohe Unsicherheit gekennzeichnet und sie lassen sich nicht durch eine Zahlungsreihe darstellen. Dies fiihrt in der Praxis zu der sarkastischen Feststellung: „Strategisch ist alles, was sich nicht rechnen iasst.". Die Entscheidung uber strategische Organisationsanderungen ist dann vielfach ein mikropolitischer Prozess, bei dem es um die Durchsetzung oder Balancierung von Interessenlagen und Machtpositionen geht. Um die sachlogischen Fragen zu klaren, empfiehh es sich, die Reorganisation als Investitionsvorhaben zu betrachten. Eine organisatorische Investition wird getatigt, um in der Zukunft die Wettbewerbsfahigkeit zu starken und moglichst Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Gelingt dies, so hat die Umgestaltung der Organisation Fiandlungsmoglichkeiten eroffnet und Entscheidungsspielraume geschaffen, die zu mehr Wachstum und Ertrag fiihren. Strategische Reorganisationen legen also organisatorische Grundlagen fiir anschliefiende strategische Manover; sie eroffnen den Zugang zu strategischen Optionen. Der Umbau eines Stammhauskonzerns zur Holding bildet z.B. die Voraussetzung dafiir, anschliefiend einzelne Bereiche zu verkaufen oder getrennt an die Borse zu fiihren, aber auch mit neu erworbenen Unternehmungen zu integrieren. Derartige Folgeprojekte sind in die Beurteilung des jeweiligen Reorganisationsprojekts einzubeziehen. Dies kann mit herkommlichen Investitionsrechnungen oder Verfahren wie der Nutzwertanalyse nicht geleistet wer43 Vgl. Z.B. Kriiger/Danner (2004). 116
ControUing von Reorganisationsprojekten
den. Einen moglichen Ansatz hierfiir bietet das Konzept der sog. Realoptionen. In Analogic zu finanzwirtschaftlichen Optionen (z.B. Optionen zum Kauf oder Verkauf von Aktien) wird argumentiert, dass Investitionen ihren Wert dadurch erhalten bzw. erhohen, dass sie es ermoglichen, zukiinftige Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen zu treffen. Dazu gehort auch die Moglichkeit des Aufschiebens von Mafinahmen. Wahrend Finanzoptionen am Kapitalmarkt gehandelt werden, handelt es sich bei Realoptionen um eine unternehmungsinterne Betrachtung im Rahmen von Sachinvestitionen. Der Nutzen derartiger Investitionen wird mit Hilfe von Realoptionen diskutiert und interpretiert. Als Anwendungen hierfiir wurden z.B. Fragen des Erwerbs von Unternehmungen sowie die strategische Flexibilitat von Untemehmungen untersucht.44 Einen ersten Vorschlag, Realoptionen im Rahmen des OrganisationsControllings anzuwenden, machte zu Knyphausen-Aufsefi.^S Realoptionen zur Beurteilung der Flexibilitat von Organisationsstrukturen diskutiert Mayer.46 Um den Zusammenhang von Reorganisationsvorhaben und Realoptionen herzustellen, ist zunachst eine Klassifikation von Realoptionen erforderlich. Typischerweise wird hierzu auf Arbeiten von Trigeorgis zuruckgegriffen.47 So unterscheidet z.B. Mayer sechs Grundtypen von Realoptionen, die im Folgenden aufgegriffen und in den Kontext von Reorganisationsvorhaben eingeordnet werden.^^ 1. Wachstumsoptionen: Eine Investition eroffnet bei positiver Entwicklung die Moglichkeit zu wachstumsorientierten Folgeinvestitionen. Der Wert der ersten Investition ergibt sich aus dem Wert dieser Basisinvestition plus der Option auf die Folge- | investition. Beispiele: Durch die Einrichtung einer Holdingstruktur (Basisinvestition) wird ein Geschaftsbereich rechtlich verselbstandigt, der anschliefiend durch Zukaufe (Folgeinvestitionen) expandiert. Eine prozessorientierte Organisation der Produktent- ! wicklungsaufgaben in einem speziellen Center (Basisinvestition) fiihrt im Erfolgsfall dazu, dass die Produktzyklen verkiirzt und neue Produkte schneller als von der Konkurrenz auf den Markt gebracht werden (Folgeinvestition). 2. Liquidationsoptionen: Eine Investition ist so gelagert, dass bei negativen Entwicklungen eine Beendigung moglich ist bzw., dass die gebundenen Mittel freigesetzt oder verkauft werden konnen. Beispiel: Eine Serviceaufgabe wird konzernweit in einem Shared Service Center gebiindelt (Basisinvestition), um wettbewerbsfahige Leistungen zu Marktpreisen
44 45 46 47 48
Vgl. Tomaszewski (2000); Mayer (2001). Vgl. zu Knyphausen-Aufsefi (1997), S. 386 ff. Vgl. Mayer (2001); S. 206 ff. Vgl. Trigeorgis (1998); Trigeorgis (1993a); Trigeorgis (1993b). Vgl. Mayer (2001), S. 116 ff. 117
Wilfried Kruger
zu entwickeln. Im Misserfolgsfall wird das Center verkauft oder geschlossen (Folgedesin vestition). 3. Kapazitatsoptionen (Expansion und Schrumpfung): Eine Investition wird so getatigt, dass sie die Moglichkeit offen lasst, die Kapazitat nach oben oder unten anzupassen. Beispiel: Eine neu errichtete Niederlassung wird so geplant und organisiert, dass sie ohne grofiere Umbauten weiteres Umsatzwachstum in sachlicher und personeller Hinsicht verkraften kann. 4. Produkt- und Prozessoptionen: Die Investition verschafft die Moglichkeit, zukiinftig Input, Throughput oder Output eines Prozesses zu verandern; z.B. durch Wechsel von Lieferanten, Produktionsstandorten oder Zusammensetzung des Produktprogramms. Beispiele: Der Anteil an Eigenfertigung wird reduziert. Entsprechende Abteilungen werden geschlossen. Zukiinftig erfolgt ein Fremdbezug iiber Kooperationspartner. Ein Konzern organisiert sich als Wertschopfungsnetzwerk mit verschiedenen Kompetenzzentren, zwischen denen die Entwicklungs- und Fertigungsprozesse situativ optimiert werden konnen. 5. Verzogerungsoptionen: Ein Investitionsvorhaben lasst sich aufschieben, z.B. um Umweltentwicklungen abzuwarten und darauf gezielt zu reagieren oder um Lernprozesse durchfiihren zu konnen. Irreversible Investitionen sollen also soweit wie moglich vermieden oder zumindest verschoben werden. Beispiel: Eine Unternehmung organisiert die Neuproduktentwicklung in Form eines Joint Ventures, baut also keine vollstandige eigene Entwicklungsabteilung auf. 6. Ausstiegsoptionen bei mehrstufigen Investitionsprojekten: Eine Investition ist so angelegt, dass sie in mehreren aufeinander aufbauenden Stufen getatigt werden kann. Am Ende jeder Stufe kann grundsatzlich iiber den Projektabbruch entschieden werden. Beispiele: Im Rahmen eines Organisationsprojekts wird eine griindliche Vorstudie durchgefiihrt, an deren Ende die Entscheidung iiber die Durchfiihrung des Vorhabens steht. Im Rahmen der Realisierung wird zunachst ein Pilotbereich reorganisiert. Aufgrund der dort gemachten Erfahrungen wird iiber die Gesamteinfiihrung entschieden.
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ControUins von Reorsanisationsprojekten
4.2.3
Konsequenzen fiir das Controlling
Die Berechnung strategischer Vorhaben ist generell problembehaftet. Daraus ware als Konsequenz allerdings nicht abzuleiten, dass man sich bei der Entscheidung auf sein Gefiihl verlassen miisse. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in solchen Situationen miissten Versuche unternommen werden, den Rationalitatsgehalt und die Qualitat der Entscheidungen zu erhohen. Das Controllingproblem setzt sich in der nachvollziehenden Uberpriifung des Umsetzungserfolgs fort. Es ist keineswegs selbstverstandlich, dass bei strategischen Vorhaben ein Follow up-Controlling erfolgt, wie dies am Beispiel der SAP AG in diesem Band zu sehen ist. Dort wird von einer gesonderten Einheit (Corporate Strategy Management) untersucht, ob sich die Strategie in der Umsetzung bewahrt hat.49 Das Durchpriifen der Realoptionen als den denkbaren zukiinftigen strategischen Handlungsmoglichkeiten kann dabei eine wirkungsvolle Hilfe sein. Eine erste Anwendung konnte in der Initialisierungsphase erfolgen, wenn es darum geht, die strategischen Ziele der Reorganisation festzulegen. Bei gegebenen strategischen Zielsetzungen der Unternehmung ist auf die Weise herauszufiltern, welche zukiinftigen Handlungsmoglichkeiten erschlossen werden miissten, um diese Ziele zu erreichen. Die anzustrebenden Optionen legen Prioritaten fiir den Reorganisationsauftrag fest (z.B. Reorganisation in Richtung auf Wachstumsoptionen oder Prozessoptionen). Gesucht werden sodann in der Konzipierungsphase solche Reorganisationslosungen, die zu den gewiinschten Zielen fiihren, also Wege zu den erforderlichen Realoptionen darstellen. Die Liste der Realoptionen dient jetzt zum Durchpriifen der moglichen Konsequenzen alternativer Reorganisationsvorschlage. Dabei werden typischerweise zeitlich und sachlich aufeinander aufbauende Optionen zu berijcksichtigen sein. Formal betrachtet geht es also um die Losung mehrstufiger Entscheidungsprobleme. In methodischer Hinsicht bietet sich hierfiir herkommlicherweise der Einsatz der Entscheidungsbaumtechnik als praktikables Hilfsmittel an."^^^ Sie ermoglicht es, mehrere Alternativen in ihren Zielwirkungen iiber mehrere Perioden hinweg zu durchdenken und durchzurechnen. Dem zunachst rein qualitativen Durchdenken verschiedener Entwicklungspfade kann also sehr wohl eine quantitative Einschatzung der zu erwartenden Ergebnisse folgen. Altbekannt ist in dem Zusammenhang auch die Risikoabschatzung anhand von Alternativrechnungen und Szenarien. Die Ergebnisse fundieren die Auswahl der zu realisierenden Organisationslosung. Im Verlauf der spateren Nutzungsphase ist durch das Bereichs- bzw. Unternehmungscontrolling der Erfolg der Reorganisation anhand dieses Entscheidungstableaus zu iiberpriifen.
49 Vgl. den Firmenbericht der SAP AG von Vetter/Sturm/Petry (2006) (in diesem Band). 50 Vgl. zum Zusammenhang von Optionen und dem Entscheidungsbaumverfahren Ballwieser (2002), S. 187 ff.
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4.3
Projekte zur Bildung einer entwicklungsfahigen Organisation
4.3.1
Organisatorische Fahigkeiten als Denkansatz
Die bisherige Betrachtung versuchte, Vor- und Nachteile verschiedener Organisationsalternativen zum Gegenstand des Controllings zu machen. Bei operativen Organisationsprojekten werden klar definierte Mangel anhand von Anforderungskriterien identifiziert und beseitigt. Strategische Organisationsprojekte bauen Strukturen und Prozesse so um, dass sie den veranderten Unternehmungsstrategien entsprechen. Dabei handelt es sich nicht nur um die einmalige Veranderung eines gegebenen Istzustandes zu einem anhand von Zielen/Anforderungen bestimnnbaren Sollzustand. Vielmehr wurde deutlich, dass es um Organisationsinvestitionen geht, die vor allem danach zu beurteilen sind, welche zukiinftigen Handlungsoptionen sie eroffnen. Organisation ist ein Instrument der Wettbewerbsstrategie. Organisationslosungen sollen dazu beitragen, die zukiinftige Wettbewerbsfahigkeit zu erhalten bzw. zu starken. Organisationsmafinahmen dienen also auch dem Aufbau von Fahigkeiten bzw. Kompetenzen einer Unternehmung. Diesen Gedanken aufgreifend, lassen sich solche Reorganisationsprojekte (besser) verstchen, die weder der Mangelbeseitigung dienen, noch der Strategieumsetzung. Hierzu zahlen konventionelle Mafinahmen wie z.B. die Einrichtung eines betrieblichen Vorschlagswesens ebenso wie die modernen Versuche, Prozesse und Plattformen des organisationalen Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung einzurichten. Alle derartigen Projekte lassen sich als Investitionen in Unternehmungsfahigkeiten begreifen. Als Erklarungsmuster hierfiir konnen das Konzept der organizational capabilities sowie der Kernkompetenzansatz dienen. Der Grundgedanke der organisatorischen Fahigkeiten besteht darin, dass Wettbewerbsvorteile nicht in den sichtbaren und bewertbaren Auspragungen von Strukturen und Prozessen bestehen, sondern in den quasi dahinter liegenden, sich in Strukturen und Prozessen erst entfaltenden Fahigkeiten einer Unternehmung. Damit sind nicht einzelne Ressourcen und individuelle Fahigkeiten gemeint, sondern die gedankliche Summe dessen, was eine Unternehmung braucht, um ihre verschiedenen Handlungseinheiten und deren Aktivitaten zu formen, zu koordinieren und an veranderte Umweltbedingungen anzupassen. Im Versuch, diese noch unscharfe und durchaus umstrittene Kategorie der organizational capabilities zu prazisieren, wird auch von Routinen gesprochen. So definiert Winter wie folgt: "An organizational capability is a high-level routine (or collection of routines) that, together with its implementing input flows, confers upon an organization's management a set of decision options for producing significant output of a particular type.".51 Mit Routinen wird ein erlerntes 51 Winter (2003), S. 991.
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ControUing von Reorganisadonsprojekten
repetitives Verhaltensmuster bezeichnet, das auf spezifische Ziele ausgerichtet ist. Es unterscheidet sich von Improvisation und basiert zumindest teilweise auf implizitem Wissen.52 Ankniipfungspunkte fiir die verschiedenen Typen von Reorganisationsprojekten ergeben sich aus einer Differenzierung organisatorischer Fahigkeiten, wie sie hier aufbauend auf Winter vorgeschlagen wird.53 Zunachst gilt es, ein Basisniveau (zero level) erforderlicher Fahigkeiten zu bestimmen. Mit Basisfahigkeiten sind solche organisatorischen Fahigkeiten gemeint, die ein System fiir die laufende Aufgabenerfiillung („Tagesgeschaft") benotigt. Fine Unternehmung, die ihre seitherigen Geschafte unverandert mit gegebenen Kunden auf gegebenen Markten betreibt, sich also quasi im Gleichgewicht befindet, iibt Basisfahigkeiten aus. Im Einzelfall kann es sich dabei um ganzlich unterschiedliche Fahigkeiten handeln. Ein Industriebetrieb, der Fertigprodukte aus angelieferten Bauteilen herstellt und anschliefiend vertreibt, benotigt z.B. andere Fahigkeiten als ein unabhangiges Forschungs- und Entwicklungszentrum, dessen Aufgabe die Neuproduktentwicklung ist. Im einen Fall bestimmt eine hochstandardisierte kontinuierliche Fertigung, im anderen Fall die permanente Entwicklung das Basisniveau der Fahigkeiten. Jede Art von Weiterentwicklung und Veranderung des Tagesgeschafts verlangt Fahigkeiten, die iiber die Basisfahigkeiten hinausgehen, also Fahigkeiten hoherer Ordnung darstellen. In der Literatur wird hierzu der Begriff „dynamic capabilities" verwendet.-''^ Unternehmungen, die iiber Routinen fiir Veranderungen verfugen, besitzen dynamische Fahigkeiten. Dabei lassen sich analytisch zwei Stufen unterscheiden: Dynamische Fahigkeiten erster und zweiter Ordnung."^5 Dynamische Fahigkeiten erster Ordnung liegen vor, wenn sich eine Unternehmung reaktiv an Umweltveranderungen anpassen kann bzw. proaktiv eigene Veranderungen durchfiihren kann. Wenn Firmen wie McDonalds, Starbuck's oder Vorwerk neue Regionen durch neue Outlets bzw. Aufiendienste erobern, sind derartige Fahigkeiten ebenso im Einsatz wie bei externem Wachstum durch Firmeniibernahmen, wie z.B. bei Cisco oder e.on zu sehen. Diese dynamischen Fahigkeiten erster Ordnung werden benotigt, um die diskutierten operativen und strategischen Reorganisationen zu bewaltigen. Sie bedingen, dass Unternehmungen nicht nur einzelne Projekte durchfiihren bzw. sich dabei iiberwiegend auf externe Berater stiitzen. Voraussetzung ist ein durch Wiederholungen entstandenes Muster der Projektarbeit, das - intern explizit oder implizit vorhanden den Beteiligten als Orientierungsrahmen dient. Dynamische Fahigkeiten erster Ord-
52 53 54 55
Vgl. ebenda. Weiterentwickelt nach Winter (2003), S. 992 ff. Vgl. grundlegend hierzu Teece/Pisano/Shuen (1997); Collis (1994); ahnlich aus Kernkompetenzsicht Kriiger/Homp (1997), S. 41 ff. Weiterentwickelt nach Winter (2003), S. 994. 121
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nung sind daher wohl gleichbedeutend mit Projekt-(Management-)Fahigkeiten. Sie sind ein erster Bestandteil der Wandlungsfahigkeiten einer Untemehmung.56 Die hochste Stufe in dieser Pyramide der Fahigkeiten (dynamische Fahigkeiten zweiter Ordnung) ist erreicht, wenn Unternehmungen liber kollektive Lern-, Entwicklungs- und Innovationsfahigkeiten verfiigen. Fahigkeiten zweiter Ordnung dienen letztlich dazu, Fahigkeiten erster Ordnung sowie Basisfahigkeiten zu generieren und zu verandern. Genau darum geht es bei den Projekten zur Bildung einer entwicklungsfahigen Organisation. Das mit ihrer Hilfe angestrebte Leitbild ist die Unternehmung als evolvierendes, entwicklungsfahiges System.57 Erreicht werden soil, dass eine Unternehmung nicht nur in der Lage ist, Wandel durch herkommliche Projektarbeit zu leisten. Wandel muss vielmehr als permanente Aufgabe begriffen werden. Wandlungsprozesse sollten parallel zu den taglichen Geschaftsprozessen ablaufen. Wandel ist zu verstetigen und als kontinuierlicher Strom von Entwicklungsimpulsen zu organisieren.58 Die dynamischen Fahigkeiten zweiter Ordnung gehoren als kollektive Lern- und Entwicklungsfahigkeiten ebenfalls zu den Wandlungsfahigkeiten der Unternehmung.
4.3.2
Reorganisationen zum Fahigkeitserwerb
Zwischen den verschiedenen Reorganisationsvorhaben und den organisatorischen Fahigkeiten bestehen Wechselwirkungen. Einerseits erfordert die professionelle Durchfiihrung von Reorganisationsprojekten - gleich welchen Typs - dynamische Fahigkeiten erster Ordnung; andererseits erwerben Unternehmungen, die wiederholt derartige Projekte mit eigenen Mitteln durchfiihren, genau diese Fahigkeiten. Nicht zuletzt besteht ein enger Zusammenhang zwischen den organisatorischen Anderungen als Ergebnis der Projekte und den organisatorischen Fahigkeiten. Operative Projekte konnen die Basisfahigkeiten verbessern. Man denke z.B. an MaEnahmen wie Vermeidung von Doppelarbeit oder die Standardisierung von Leistungen zur Qualitatssicherung. Strategieinduzierte Reorganisationen bieten dariiber hinaus die Gelegenheit, auch dynamische Fahigkeiten hoherer Ordnung zu erwerben. Das (wiederholte) Ausiiben von Realoptionen und die hierfiir erforderlichen Entscheidungsprozesse bilden einen Entwicklungspfad. Entlang dieses Weges konnen Lernprozesse stattfinden, was nichts anderes ist als der Erwerb von Fahigkeiten. Es hangt vom Einzelfall ab, welche Fahigkeitsart davon angesprochen ist. Entsteht z.B. durch eine Profit Center-Bildung zukiinftig eine Wachstumsoption, so verweist dies auf dynamische Fahigkeiten erster Ordnung. Die Ubernahme und Integration eines F&E-Dienstleisters dient einem industriellen Hersteller dazu, sein Produktprogramm kontinuierlich zu
56 Vgl zu Wandlungsfahigkeiten Kriiger (2006a). 57 Vgl. auch Kirsch (1997). 58 Vgl. hierzu Kriiger (2002), S. 91 ff.
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ControUing von Reorsanisationsprojekten
innovieren (Produktoption). Dies bedeutet den Erwerb von dynamischen Fahigkeiten zweiter Ordnung. Realoptionen und organisatorische Fahigkeiten weisen also einen engen Zusammenhang auf .^^ Reorganisationsprojekte lassen sich demgemafi als Investition in organisatorische Fahigkeiten interpretieren. Dies gilt in besonderem Mafie fiir entwicklungsorientierte Organisationsprojekte. Sie sind in ihrem Ergebnis als eine Investition in dynamische Fahigkeiten zweiter Ordnung anzusehen. Der Nutzen solcher Projekte lasst sich anhand der oben diskutierten aufiengerichteten Anforderungen diskutieren. Ganz entscheidend ist die Gewinnung bzw. Erhohung der Innovations- und Lemfahigkeit. Zumindest in einem dynamischen Marktumfeld mit intensivem Wettbewerb ist diese Fahigkeit essentiell fiir den Erhalt der Wettbewerbsfahigkeit oder gar das Erlangen von Wettbewerbsvorteilen. Es gilt die Aussage: Wer Marktfiihrer sein (und bleiben) will, muss Wandlungsfiihrer werden! Wandlungsfahigkeit ist also die Voraussetzung der Wettbewerbsfahigkeit. Das durch geeignete Mafinahmen angestrebte Leitbild einer entwicklungsfahigen Unternehmung zeigt Abbildung 4-2.^0
Abbildung 4-2:
Institutionalisicrun^ des Wandels im Gegenstromverfahren
^i^mi^^Mj'^^^^
Top Down - Leitbilder * Strategien • Standardziele
• Verbesserungen • Best Practices
Outside In: ..Anpassung" Marl Kundenbediirfnisse > Wettbewerbsstrategie Lieferanten/ kompleKomplernpntnron mentoren
y r^
Inside Out: ..Gestaltung" Ressourcen + Fahigkeiten > Kemkompetenzen > Wettbewerbsvorteile
• Entwiddungsziele •Anreize •Vorbildfuniction
Kunden/ Wettbewerber
• Internes Untemehmertum Bottom Up
59 Vgl. grundsatzlich hierzu Kogut/Kulatilaka (2001). 60 Nach Kriiger (2006a).
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M
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Die in der Praxis immer wieder auftauchenden Restrukturierungswellen sollen in diesem Modell nach Moglichkeit von einem kontinuierlichen Strom der Weiterentwicklung abgelost werden. Wandel ist in die Tagesarbeit soweit wie moglich integriert. Wandlungsprozesse und Geschaftsprozesse laufen parallel. Das gedankliche Orientierungsmodell ist die Vorstellung vom Unternehmungsprozess als einem vertikal und horizontal verlaufenden Gegenstrom, der iiber die verschiedenen organisatorischen Einheiten und Ebenen hinweg zu regeln ist. In organisatorisch horizontaler Richtung geht es um einen Wissens- und Informationsstrom, der sich entlang der Wertkette bewegt. Zumindest konzeptionell, mehr und mehr aber auch organisatorisch, sind dabei die Marktpartner auf der Beschaffungswie der Absatzseite einbezogen. Auch Wettbewerber sowie Partner mit komplementaren Fahigkeiten (Komplementatoren) kommen in Betracht und werden Bestandteil des horizontalen Managementprozesses. In diesem Prozess geht es darum, die marktorientierte Aufiensicht mit der ressourcenorientierten Innensicht zu verbinden. Die Anpassung an den Markt und Wettbewerb (Outside In) entspricht im Ubrigen dem Market Based View des strategischen Managements und das Ausspielen eigener Starken, basierend auf Kernkompetenzen (Inside Out), dem Resource Based View. In organisatorisch vertikaler Richtung werden Managementprozesse kaskadenformig iiber die Hierarchieebenen hinweg organisiert. Dieser Teil des Gegenstroms enthalt in einem abwarts gerichteten Prozess strategische Absichten und Ziele als Rahmenvorgaben. Im aufwarts gerichteten Prozess werden Mafinahmen zur Zielerreichung geplant.
4.3,3
Konsequenzen fiir das Controlling
Das Reorganisations-Controlling geht auf in einem ausgebauten Managementsystem. FiJhrungskonzepte wie das Management by Objectives oder die Balanced Scorecard sind hier zu erwahnen. Die Kopplung von Tagesgeschaft und Wandel kann in der Weise erfolgen, dass im Rahmen einer Fiihrung durch Ziele (MbO) neben den jahrlichen Standardzielen Entwicklungsziele fiir die verschiedenen Ebenen und Bereiche formuliert werden. Wo mit der Balanced Scorecard gefiihrt wird, kann Wandel in einzelnen Perspektiven verankert werden, so vor allem in der Prozess- und der Mitarbeiterperspektive. Auf diese Weise werden Tagesgeschaft und Wandel miteinander verbunden. Im Rahmen der jahrlichen Planung, Steuerung und Kontrolle konnen so Veranderungen angestofien, durchgefiihrt und ausgewertet werden. Die Uberpriifung der erreichten Ergebnisse sowie der Ideen und Impulse, die sich im aufwarts gerichteten Prozess zeigen, kann zur Identifikation interner Bestlosungen dienen, die, entsprechend gratifiziert und kommuniziert, den verschiedenen Unternehmungsbereichen zur Anwendung empfohlen werden. Die Ergebnisse der Umset-
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ControUing von Reorganisationsprojekten
zung werden vom Bereichscontrolling erhoben und fliefien in die nachste Gesamtplanung ein. In diesem Zusammenhang ist auch die Verbindung des Projektcontrollings mit dem allgemeinen Organisations-Controlling zu klaren. Die Auswertung einzelner Projektergebnisse durch ein Projektcontrolling und die daraus moglicherweise entstehenden Ideen und Impulse sind mit den Ergebnissen genereller Organisationsiiberwachung zusammenzufuhren. Das Organisations-Controlling miisste seine eigenen Erkenntnisse mit diesen Ergebnissen zu einem Gesamtbild verarbeiten und in Abstimmung mit dem Liniencontrolling in die Planung zukiinftiger Veranderungen und Projekte einarbeiten. Auf diese Weise wiirde erreicht, dass die Erfiillung von Controllingaufgaben ihrerseits dazu beitragt, die organisatorischen Fahigkeiten zu erhohen. Auch der Aufbau eines (Re-)Organisations-Controllings stellt mit anderen Worten eine Investition in organisatorische Fahigkeiten dar. Das Bereitstellungscontrolling fiir eine Investition in dynamische Fahigkeiten wird auf der Kostenseite kaum Besonderheiten aufweisen. Auf der Nutzenseite sind Unterschiede zwischen den Fahigkeiten erster und zweiter Ordnung zu registrieren. Die Entwicklung von Projektfahigkeiten (1. Ordnung) sollte sich in der Performance und Conformance der Projektabwicklung wie der Projektergebnisse bemerkbar machen, Effekte, die sich allerdings kaum nachweisen lassen. Unternehmungen mit eigenen Inhouse-Consulting Einheiten z.B. setzen offenbar dennoch auf derartige Effekte. In dem Zusammenhang ist auch die Identifikation und Bekanntgabe von Wissenstragern mit besonderer Expertise zu erwahnen (z.B. Yellow Pages, Practice Leader). Auch solche einfachen Mafinahmen konnen organisatorische Fahigkeiten verbessern helfen. Unternehmungen mit Lern- und Entwicklungsfahigkeiten (2. Ordnung) konnen den Kosten fiir das Vorhalten und Pflegen entsprechender Plattformen und Prozesse in der Nachkalkulation - dem Nutzungscontrolling - z.B. die realisierten Verbesserungsvorschlage und deren Nutzen gegeniiberstellen. Im Sinne der Realoptionen argumentiert, handelt es sich dabei typischerweise um Produkt- und Prozessoptionen. Im Gegensatz zu herkommlichen Reorganisationen fiihrt der Aufbau von Lern- und Entwicklungsfahigkeiten allerdings zu inhaltlich nicht spezifizierten Realoptionen. Anders formuliert: Die Verantwortlichen wissen (oder hoffen) zwar, dass sich Realoptionen eines bestimmten Typs eroffnen werden. Sie konnen aber ex ante nicht planen oder kalkulieren, welcher Art diese Optionen sein werden, welchen Umfang sie annehmen und wann sie eintreten. Fiir die Trager des Reorganisations-Controllings bedeutet dies eine erhebliche Einschrankung der Moglichkeiten von Projektcontrollern. Das Controlling von dynamischen Fahigkeiten ist im Ansatz Aufgabe spezialisierter Stellen des Liniencontrollings bzw. Organisations-Controllings. Im einen Fall (1. Ordnung) ginge es z.B. darum, den Erfolg der Projektarbeit insgesamt anhand eines Vergleichs der verschiedenen Vorhaben einzuschatzen und daraus Verbesserungsmoglichkeiten abzuleiten. Im anderen
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Fall (2. Ordnung) miisste das ZentralcontroUing neben den Standardprozessen auch die oben skizzierten Lern- und Entwicklungsprozesse der Unternehmung abbilden.
Ergebnisse Orientierung am Lebenszyklus der Organisationslosung: Reorganisationen werden in Form von Projekten durchgefiihrt. Sie beginnen iiblicherweise mit der Erteilung des Projektauftrags und enden mit der Ubergabe der organisatorischen Losung an die Benutzer. Fiir eine gesamthafte Betrachtung der Reorganisationskosten, vor allem aber des Reorganisationserfolgs, ist die Einbeziehung der vorgelagerten Initialisierungsaktivitaten wie der nachgelagerten Nutzung und Anpassung erforderlich. Das Controlling der Reorganisation sollte sich daher auf den gesamten Lebenszyklus der organisatorischen Losung erstrecken. Controllingsystembildende und -systemnutzende Aufgaben: Ein systematisches Controlling von Reorganisationen setzt den Aufbau eines entsprechenden Controllingsystems voraus, das mit dem Geschaftscontrolling und dem allgemeinen Organisations-Controlling zu verzahnen ist. Diese controUingsystembildenden Aufgaben diirften vom Unternehmungscontrolling zu iibernehmen sein. In der Nutzung des Controllingsystems wechseln sich im Laufe des Lebenszyklus unterschiedliche Trager ab. Ob sich eine durchgefiihrte Reorganisation nach dem Projektabschluss bewahrt, ist vom BereichscontroUing zu iiberpriifen. Die Ergebnisse dieser Uberpriifung fliefien zusammen mit eventuellen Projektinitiativen in die Arbeit des Unternehmungscontrollings ein. Dort werden bereichsiibergreifende Auswertungen vorgenommen und in Abstimmung mit der strategischen Planung organisatorische Veranderungen angeregt bzw. ausgelost. Deren Umsetzung erfolgt durch entsprechende Projekte, denen ein Projektcontrolling zur Seite steht. Im Lebenszyklus einer Reorganisation gibt es also eine Arbeitsteilung zwischen Projektcontrolling, BereichscontroUing und Unternehmungscontrolling. Die Regelung dieser Arbeits- und Informationsbeziehungen ist ein wesentlicher Bestandteil der controUingsystembildenden Aufgaben. 3. Standardisierte Kostenanalyse von Reorganisationen: Riickgrat jedes Controllings ist die Bestimmung von Kosten und Nutzen der Reorganisation. Wahrend die Nutzenanalyse in starkem Mafie von der Art der Reorganisation abhangt, lasst sich die Kostenseite formal standardisieren. Ankniipfungspunkt bilden die Phasen des Lebenszyklus. Die Gesamtheit der durchgehenden Managementaktivitaten verursacht Kosten, die sich zusammenfassend als Koordinationskosten bezeichnen lassen. Die prozessbegleitenden Supportleistungen verursachen Unterstiitzungskos-
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ControUing von Reorganisationsprojekten
ten. Im Mittelpunkt steht der Leistungsprozess, der anhand der Phasen des Lebenszyklus einzuteilen ist. Entsprechend sind die Kostenarten anhand der anfallenden Teilaufgaben zu gliedern (Initialisierung, Konzipierung, Realisierung, Nutzung, Anpassung). Kostentrager sind die (Teil-)Leistungen, die das sachliche Ergebnis dieser Aufgaben bilden. Teilkostenstellen sind die jeweiligen arbeitsteiligen (Teil-)Projekte, die im Rahmen eines grofieren Vorhabens anfallen. Ubergreifende Steuerungs- und Unterstiitzungsaufgaben, die z.B. von einem Lenkungsausschuss iibernommen werden, sind einer entsprechenden Hauptkostenstelle (Programmkostenstelle) zuzurechnen. 4. Nutzenbestimmung anhand von Organisationsanforderungen: Der Nutzen von Reorganisationen in monetarer wie nichtmonetarer Hinsicht lasst sich anwendungsbezogen anhand einer Systematik von Organisahonsanforderungen diskutieren. Mit ihrer Hilfe sind sowohl mogliche Starken und Schwachen eines Istzustands zu diagnostizieren als auch unterschiedUche Schwerpunkte von Reorganisationen zu bestimmen. Die Fiille praktischer Projekte lasst sich typisierend mit einer Fallunterscheidung dreier Projektarten einfangen: operative und strategische Reorganisationen sowie Projekte zum Aufbau organisatorischer Fahigkeiten. 5. Nutzen operativer Reorganisationsprojekte: Reorganisationen zur Organisationsanpassung und Mangelbeseitigung verbessern bei unveranderter Unternehmungsstrategie und Rahmenorganisation vor allem die Kosten-, teilweise auch die Leistungszahlen des Tagesgeschafts. Im Grenzfall geht es um die Erfiillung zwingender Vorgaben, z.B. in Form von Gesetzen/Verordnungen, und entsprechende Projekte werden nur anhand der Projektkosten gesteuert und beurteilt. Ansonsten ist der Projektnutzen anhand einschlagiger Zahlen des Rechnungswesens bzw. projektspezifischer Kennzahlen zu ermitteln. 6. Nutzen strategischer Reorganisationsprojekte: Bei strategischen Reorganisationen, z.B. dem Umbau einer Konzernstruktur, ist der Nutzen schwer zu ermitteln. Es handelt sich zwar um eine Form der Investition, aber fiir eine Investitionsrechnung fehlt die Zahlungsreihe auf der Einnahmenseite, die dem Projekt zuzurechnen ware. Zum Durchdenken und Auswahlen von Organisationsalternativen und entsprechender Projekte wird hier der Ansatz der Realoptionen empfohlen. Organisationsanderungen eroffnen den Zugang zu unterschiedlichen strategischen Optionen, z.B. des Wachstums oder der Schrumpfung. Das unter Umstanden mehrstufige Analysieren der angestrebten bzw. zu erwartenden Optionen und der damit verbundenen Ergebnisse bildet den Gegenstand des strategischen Reorganisations-Controllings. 7. Reorganisationsprojekte zum Aufbau organisatorischer Fahigkeiten: Uber die operative Konsolidierung und strategische Ausrichtung einer Unternehmung hinaus kommt es darauf an, untemehmungsweite Fahigkeit des Wandels, der Ent-
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wicklung und Innovation aufzubauen. Dies erfordert neben Mafinahmen im Bereich der Personal- und Anreizsysteme vor allem die Einrichtung geeigneter Strukturen und Prozesse, also spezifische Reorganisationsprojekte. Ein weitergehendes Verstandnis fiir derartige Vorhaben gewinnt man, wenn man auJSer den Realoptionen das Konzept der organisationalen Fahigkeiten einsetzt. Operative Reorganisationen betreffen in ihren Wirkungen die sogenannten Basisfahigkeiten einer Unternehmung, also Fahigkeiten, die zur Durchfiihrung des Tagesgeschafts erforderlich sind. Die Fahigkeit, Projekte durchzufiihren, stellt eine sog. dynamische Fahigkeit erster Ordnung dar. Das wiederholte Abwickeln von Projekten mit eigenen Mitarbeitern und die Standardisierung der Projektarbeit - Controlling eingeschlossen dient dem Aufbau dieses Fahigkeitstyps. Soil die Rahmenorganisation ihrerseits entwicklungsfahig gemacht werden, sind organisatorische Investitionen erforderlich. Im Erfolgsfall erwirbt eine Unternehmung sog. dynamische Fahigkeiten zweiter Ordnung, die sie befahigen, einen kontinuierlichen Entwicklungs- und Verbesserungsprozess durchzufiihren.
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ControlUns von Reorsanisationsprojekten
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132
TeilC Praxisbeispiele
Thomas Michels / Anna Krzeminska
Sarbanes-Oxley Act und Six Sigma als Instrumente des Prozess-Controllings bei def AXA Konzern AG
Zusammenfassung
136
1
Die AX A Konzern AG
137
2
Prozess-Organisation bei der AXA Konzern AG
140
3
Durchfiihrung des Organisations-Controllings bei der AXA Konzern AG 3.1 Conformance-Controlling am Beispiel des Sarbanes-Oxley Acts 3.1.1 Prijfungsgegenstand und -kriterien 3.1.2 Erhebung und Dokumentation 3.1.3 Organisation des SOX-Projekts 3.1.4 Ergebnisse und abschliefiende Betrachtung 3.2 Performance-Controlling mit Hilfe von Six Sigma 3.2.1 Prijfungsgegenstand und -kriterien 3.2.2 Definieren, messen, analysieren, verbessern und steuern 3.2.3 Organisation des Six Sigma-Projekts 3.2.4 Ergebnisse und abschliefiende Betrachtung
141 141 141 142 143 144 145 145 146 148 148
4
Resiimee
149
135
4
Thomas Michels I Anna Krzemjnska
Zusammenfassung Die AXA Konzern AG ist die deutsche Tochter der franzosischen AXA Gruppe, die heute mit ca. 50 Mio. Kunden und einem Umsatz von 72,2 Mrd. Euro eines der grofiten und erfolgreichsten Versicherungsunternehmen weltweit darstellt. Der Erfolg des Unternehmens liegt neben einer ausgepragten Vertriebs- und Produktkompetenz nicht zuletzt im effizienten Controlling der drei Kerngeschaftsprozesse Antragsbearbeitung, Bestandsverwaltung und Leistungserbringung im Schadens- bzw. Leistungsfall begriindet. Dabei wird auf die beiden Controlling-Ziele Conformance und Performance gleichermafien Wert gelegt. Der Erreichung bzw. Verbesserung der Conformance wurde die AXA mit der Umsetzung der im Sarbanes-Oxley Act of 2002 geforderten Einrichtung, Aufrechterhaltung sowie der Dokumentation eines internen Kontrollsystems zur Minimierung des Risikos eines fehlerhaften Bilanzausweises gerecht. Die ProzessPerformance hingegen wurde mit der Einfiihrung der Qualitatsmanagement-Methode Six Sigma deutlich gesteigert, deren Kern darin besteht, die Fehlerquote eines Prozesses auf ein minimales Niveau zu senken. Beide Beispiele werden im Folgenden in Anlehnung an das im Einfiihrungsartikel dieses Bandes vorgestellte Raster erlautert. Dabei wird im vorliegenden Beitrag insbesondere auf den Priifungsgegenstand sowie -kriterien, die Erhebung und Analyse der Ist-Zustande und die aus der Abweichung vom gewiinschten Soll-Zustand resultierenden Implikationen und Veranderungen eingegangen. Abschliefiend werden jeweils kurz die wesentlichen Ergebnisse kritisch vorgestellt. Der Beitrag schliefit mit einem kurzen Resiimee.
136
Prozess-ControlUng bei der AXA Konzern AG
Die AXA Konzern AG Ihre Wurzeln hat die AXA Konzern AG in Koln. Doch mit der einstigen „Kolnischen Feuer-Versicherungs-Gesellschaft'', genannt Colonia, die anno 1839 gegriindet wurde, hat der Global Player von heute nicht mehr viel gemeinsam: Seit 1997 gehort das Unternehmen, an dessen Spitze die Holdinggesellschaft AXA Konzern AG steht, zur internationalen AXA Gruppe, einem der grofiten Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen der Welt. So ist die international AXA Gruppe mit ihren Schwerpunkten in Westeuropa, Nordamerika und dem asiatisch/pazifischen Raum mit ca. 50 Mio. Kunden weltweit drittgrofiter Versicherer sowie siebtgrofiter Vermogensverwalter mit 869 Mrd. Euro verwaltetem Vermogen. 2004 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 72,2 Mrd. Euro (per 31.12.2004). In Deutschland zahlt AXA mit Einnahmen von rund 6,4 Mrd. Euro (Geschaftsjahr 2004) zu den Marktfiihrern unter den deutschen Erstversicherern. Im Geschaftsfeld Sachversicherung liegt AXA auf Rang zwei, im Bereich Lebensversicherung ist sie sechstgrofites Unternehmen in Deutschland. Der Konzern beschaftigt knapp 8.200 Mitarbeiter und hat hierzulande rund 4,7 Millionen Kunden. Die insgesamt starke Marktprasenz des Konzerns quer durch alle Geschaftsbereiche ist vor allem das Ergebnis einer konsequenten Ausrichtung am Kunden. Wichtigste Konzerngesellschaften sind die AXA Versicherung, AXA Lebensversicherung, AXA Krankenversicherung, AXA Art Versicherung, AXA Bank, Deutsche Arzteversicherung und die assoziierte Roland Rechtsschutzversicherung. Die Holdinggesellschaft AXA Konzern AG halt insgesamt Beteiligungen an iiber 40 Tochtergesellschaften. Die untenstehende Grafik illustriert die Beteiligungsstruktur der AXA Konzern AG in Prozent.i Da Versicherungsunternehmen nach deutschem Recht aufgrund ihrer Funktion als Risikotrager in Form einer Aktiengesellschaft organisiert sein miissen, sind dem Gestaltungsspielraum und somit auch dem Einsatz eines Controllings von Organisationsstrukturen Grenzen gesetzt. Zudem kann im Versicherungs- und Finanzdienstleistungssektor eine Differenzierung gegeniiber Wettbewerbern weniger durch die Organisationsstruktur als vielmehr durch die effiziente Gestaltung der Kernprozesse erfolgen, weswegen sich dieser Beitrag im Folgenden auf das Controlling der Ablauforganisation bei der AXA Konzern AG fokussiert.2 Dabei existiert bei der AXA eine eigens dafiir zustandige, iibergreifende Stabsstelle, die sog. Betriebsorganisation, deren Direktor bis zum 30.09.2005 Thomas Michels war. Um die Umsetzung der beiden Hauptziele des Organisations-Controllings bei der AXA besonders anschaulich verdeutlichen zu konnen, werden sowohl fiir das Con-
1 2
Vgl.o.V. (2005), S. 1-3. Vgl. Michels (2005b). 137
m
Thomas Michels I Anna Krzeminska
formance-Controlling-Ziel als auch fiir das Performance-Controlling-Ziel unterschiedliche Beispiele herangezogen.3
Kapitalbeteiligungsstruktur der AXA Konzern AG (Stand: Mai 2005)^
Abbildung 1-1:
Koinisch* V»rwaltung»-AQ fiir V«r8icharungsw«rt»
AXA KONZERN AG
9€ ,9
9€ ,1
\r
7
AXA Vcrsch*rung
AXA L«b»n
100.0
97,8
t
i
0«utsch« Arztww•ich«rung
ProbAV
1
64.3
i
AXA Krank*n
100.0
100.0
AXA Art
AXA Bank
6,6
y AXA InWSVTMIlt 1
1i y,.7
100.
i
AXA .,di»Altornativ*"
-)
10 c
-^
0) -J
0)
UJ
O
GlJederungsgrundsatze Konzern, Grunds^tze zur Zusammenarbeit
X
Erarbeiten der GrundsStze
Konzernrichtlinien Organisation
X
Geschaftsverantwortung
Bilden, gmndlegendes Andern, Auflbsen von Gruppen-/ Servicefunktion
X
Erarbeiten der Entscheidungsvorlagen,
Andern der Aufbauorganisation von Gruppen-/ Servicefunktionen
Vorbereiten und Herausgeben von Organisations- und Projektweisungen,
X
Einrichten, Andern, Aufldsen von Steuerkreisen und konzernubergreifenden Ausschussen und Projekten
X
Grundlegendes Andern der Organisation der GF
X
organisatorische Freigabe
Anderung der Aufbauorganisation der GF
X
Grundlegendes Andern der Organisation der GE
X
Anderung der Aufbauorganisation der GE Einrichten, Andern, Aufldsen von Arbeitsgebieten innerhalb von OE
X X
Dokumentation, organisatorische Freigabe
Durchgefiihrt werden Reorganisationsmafinahmen durch Organisationsweisungen. Diese enthalten alle notwendigen Anweisungen und Regelungen fiir die Umsetzung. Ein wichtiger Schritt im Zuge der Professionalisierung der Organisationsarbeit war die Standardisierung der Organisationsweisungen in der Konzernrichtlinie (KoRil) Organisationsprozess, die nun Muss- und Sollbestandteile definiert (vgl. Abbildung 2-2).
GF: Geschaftsfeld; GE: Geschaftseinheit (Teil eines Geschaftsfeldes); OE: Organisationseinheit. 175
Wolfsang Weinhold I Volker Hddhch I Norbert Bach
Abbildung 2-2:
Ausgewdhlte Muss-Bestandteile einer Organisationsweisung gemdfi Konzernrichtlinie 'Organisationsprozess '^
Checkpunkt
Aktion
1
Aniass
Grund, Ausgangslage bzw. Aniass der Madnahme
2
Ziel
Was soil erreicht werden? (z.B. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Zusammenarbeit, der Arbeitsablaufe, der Prozesse)
3
Mafinahmen (L6sung)
Beschreiben der Veranderungen gegenuber dem 1st, insbesondere zu Aufgabengebiet, GeschSftsprozessen und Organisationsstruktur z.B. Auflosen, Bilden, Zuordnen, Trennen, Zusammenlegen von Organisationseinhe ten im Einzelfall auch von Arbeitsplatzen und -inhalten am gleichen oder einem anderen Ort.
4
Zustandigkeiten, Berichtswege, Verantwortung festegen
Aufgaben/KompetenzenA/erantwortungen, Berichtswege festlegen z.B. Aufgabenverlagerungen, Geschaftsverteilung, Organigramme, Funktions-/Stellenbeschreibungen, ggf. Aufgabenbeschreibungen bzw. fachliche Detaildarstellungen, Funktionstransferubersichten, Gegenuberstellung alt/neu beifugen, ggf. Anpassung Regelwerk veranlassen
5
Quittierte Ubergabe
Regelungen treffen oder entsprechende AuftrSge erteilen und terminieren, Ubergabe dokumentieren und ggf. archivieren z.B.: Schriftgut, Akten, Daten ubergeben; Software, Periodika und Regelwerksverteiler ummelden
6
Kaufmannische Regelungen
Regelungen treffen oder entsprechende Auftrage zur Regelung erteilen; Regelung handels- u. steuerrechtlicher Folgen, die Ergebnisse der Abstimmung nnit dem Controlling sind zu dokumentieren, folgende Textbausteine stehen dafur zur Verfugung: - Das Unternehmen nimmt an den Systemen der DB AG teil/ nicht teil. - Aufgrund der Organisationsmaflnahme sind keine Anderungen/ Neueinstellungen in den Systemen zu veranlassen. - Die Organisationsmafinahme hat keine Auswirkungen auf die Bahnstellenstruktur. / Aufgrund der Organisationsmafinahme ist die Bahnstellenstruktur anzupassen. - Es ist in Bezug auf... eine Unternehmensnummer/ Buchungskreis/ Verbundkennzeichen einzurichten/ zu deaktivieren. - Umsetzungstermin der organisatorischen Mafinahmen in den Finanzund Controllingsystemen der DB AG ist der... - Das vollkonsolidierte verbundene Unternehmen/ der neu gebildete Buchungskreis nimmt ab der Planungsrunde ... an der Planung des DB Konzerns teil. - Das vollkonsolidierte verbundene Unternehmen/ der neu gebildete Buchungskreis nimmt ab dem Monatsabschluss ... am Berichtswesen des DB Konzerns teil. - Festlegungen hinsichtlich ... (z.B. Unternehmensnummer, Bukr, BSTStruktur, Systemteilnahme) stehen noch aus.
6
176
Bukr: Buchungskreis; BST: Bahnstelle (Teil der Kostenstellensystematik).
Orsonisations-ControUing bei der Deutschen Bahn AG
2.3
Weiterentwicklung des Instrumentariums der Reorganisation
Im Mittelpunkt der zweiten Stufe des Organisations-Controllings stand die Entwicklung eines standardisierten Vorgehensmodells, da in der Vergangenheit haufig in Abhangigkeit von den handelnden und den zu organisierenden Personen vorgegangen wurde. Ziel der Standardisierung war es, die Rollen der Beteiligten zu klaren, die Moglichkeiten der Einflussnahme ad personam zu reduzieren, eine Ausrichtung der neu zu erarbeitenden Organisationsstruktur auf die Konzernziele sicherzustellen und damit die Verbindlichkeit der Fiihrungsstrukturen zu erhdhen. Durch die Standardisierung der Aktivitaten in den nachfolgend beschriebenen drei Phasen soil die Qualitat der Organisationsstruktur als Prozessergebnis gesteigert werden. •
Konzeptionelle Phase
In der konzeptionellen Phase wird ein funktionaler organisatorischer Rahmen entworfen, eventuell zu dessen Umsetzung notwendige Migrationsprojekte definiert und die Auswirkungen der geplanten Mafinahme dargelegt. Insbesondere ist das Ziel der Mafinahme zu definieren. Die Konformitat der Mafinahme mit den Geschaftszielen und iibergeordneten Organisationsregelungen sind zu priifen. Die inhaltliche Abstimmung und der Einbezug moglichst aller betroffenen Stellen liegt in der Verantwortung der fachverantwortlichen Stelle unter methodischer Begleitung durch die Organisationsabteilung. Die Compliance mit rechtlichen Regelungen ist ebenso zu priifen wie die Auswirkungen auf bestehende Prozesse und Regelwerke. Bei Bedarf sind insbesondere das Controlling und die Mitarbeitervertretung hinzuzuziehen. •
Administrative Phase
Parallel zur inhaltlichen Arbeit setzt die Organisationsabteilung das vorgeschlagene Konzept in eine Organisationsweisung um. Bereits im friihen Stadium der administrativen Arbeit sind formale und inhaltliche Priifungen durchzufiihren und die Umsetzung in den kaufmannischen Systemen ist zu priifen und vorzubereiten. Bei Bedarf sind die Organisationsweisung und das zugrunde liegende Organisationskonzept anzupassen. Vor Inkraftsetzung und Veroffentlichung der Organisationsweisung sind die Zustimmungen der fachlich Beteiligten, der von den Auswirkungen betroffenen kaufmannischen Stellen (Personal, Controlling) und des Betriebsrats einzuholen.
177
Wolfsang Weinhold I Volker Hddrich I Norbert Bach
•
Umsetzungsphase
Nach Inkraftsetzung und Veroffentlichung der Organisationsmafinahme liegt die Verantwortung fiir die Umsetzung bei der Leitung der betroffenen OE. Die Organisationsabteilung hat nur noch geringe Handlungsmoglichkeiten. Die in der Konzemrichtlinie Organisationsprozess definierten Verantwortlichkeiten zeigen Starken und Schwachen. Als positiv hat sich herausgestellt, bereits in der Konzeptionsphase iiberpriifbare Performance-Ziele zu spezifizieren und es nicht bei Pauschalaussagen wie z.B. „Schnittstellenoptimierung" zu belassen. Kritisch gesehen werden kann hingegen die alleinige Verantwortung der Umsetzung bei der Leitung der betroffenen OE. Viele operative Schwierigkeiten in der Umsetzung, insbesondere im Abgleich mit den kaufmannischen und personalwirtschaftlichen Systemen, hangen in hohem Mafi von der Qualitat der formalen und inhaltlichen Arbeit der organisationsverantwortlichen Steile in der konzeptionellen Phase ab. Dariiber hinaus zeigt sich immer deutlicher, dass die Abstimmung der Organisationsregelungen mit den Struktur stiitzenden Systemen nicht nur im Zuge von Reorganisationsprojekten sichergestellt werden muss. Vielmehr erwachst der Organisationsabteilung hier eine Daueraufgabe, fiir die eine Funktion Organisations-Controlling eingerichtet werden sollte. Im Zuge der Einfiihrung eines Organisations-Controllings ist dann auch eine Methodik zu entwickeln, mit deren Hilfe systematisch die Performance-Ziele der Organisation erfasst und deren Zielerreichung bewertet werden kann. Die Literatur liefert hierzu erste Hinweise/ lasst aber bisher eine Integration des Controllings von Organisationsprojekten als Element eines dauerhaften Organisations-Controllings vermissen. Neben kurzfristig ausgerichteten Performance-Zielen sind hier auch Ziele im Blick auf die Konzernstrategie und den zu deren Umsetzung notwendigen Kompetenzen erforderlich.«
7 8 178
Vgl. Mellewigt/Decker (2006) (in diesem Band). Vgl. auch Kriiger (2006) (in diesem Band).
Organisations-ControUins bei der Deutschen Bahn AG
Abbildung 2-3:
Standardisierter Reorganisationsprozess der Deutsche Bahn AG gemdfi Konzernrichtlinie 'Organisationsprozess'
Verantwortlich LU
Dokumentation
Beteiligt
Eriauterung
AuftraaQeber^
X Q.
') A u f t r a g g e b e r fijr O r g m a l i n a h m e g e m . KoRil 138.0101 Abschn. 4 s c h r i f t l i c h , ggf. in F o r m V o r s t a n d s - / G f Beschluss
Vorphase, Veranlassung
02 j Fachverantwortlich» Stellg^
Q. HI N Z
Konzeption: Entwicklung d. funktionalen/organ. Rahmens, Darlegung der Auswirkungen
o
03 j Orq.VerantwortHcher' Entwurf der Organisationsdokumentation^
/04 I ( \
laufende Abstimmung nach Bedarf: -
betroffene/beteiligte Stellen Fachdienste zentrales Controlling dezentrales Controlling Organisation* Mitarbeitervertretung/ Betriebsrat (Beratungsrecht)
Konzeption/Entwurf beinhaltet die Beschreibung der Umsetzung (ggf. D e f i n i t t o n M i g r a t i o n s p r o j e k t )
- Verantwortliche Immobilien Holding (Bedarf/Freizug) "Pnijfung: arbeits- und gesellschaftsrechtliche sowie steuerliche Auswirkungen •Uberprufen, Anpassen/ Neugestalten von Prozessen und Regelwer1
O r g a n i s a t b n s v e r a n t w o r t l i c h e r : Konzernorganisation, b e i m O r g a n i s a t i o n s p r o z e s s fiir A r b e i t s g e b i e t e ( A g ) : Leiter z u s t . O E *' O r g a n i s a t i o n s d o k u m e n t a t b n g e m . KoRil 138.0103 Abschn. 4: • Organisationsweisung • Geschaflsverteilungsplan (Organigramme, Aufgabenverteilung/ B e s e t z u n g , F u B e , ggf. S t e l l e n t>eschreibungen) fur A g : A u f g a b e n v e r t e i l u n g a u f A g *
Controlling
Ora.-Verantwoftllch»r\
Formale und inhaltliche Prijfung, Kcxjrdination
2' B e r a t u n g / B e g l e i t u n g d u r c t i Konzernorganisation
Vorbereitung / Einordnung in kaufmannische Systeme
< I Q. [11
>
2
06
Org.-VerantwortHcher
Abstimmung und Einholen von ^ Zustimmungen
08
07 \
Bfilfiilifllfi^i
Zuttimmung/fachlictie Freigal)e Auttraggeber, fachlicti Beteiligte, •- Organisatwn*, ggf Recht Abstimmung: Personal, Controlling Mitwirkung/Bcteiligung: Gremien gem E
Organisationsmalinahme
Ora.-Verantwortllcher Inkraftsetzung^ (Unterschrift)
09
i
|Ora.-Verantwortllcher|
Freigegeben* Organisationsdokumentation^
Ver6ffentlichung*
Hi CO
Nutzung
» \ \ / /
Dez. 2003
People efficiency
y
\ /
Marz 2004
Dies stellte gleichzeitig auch den Startschuss fiir die - aus drei Unterphasen (Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Mitarbeiter) bestehende - Realisierungsphase dar. Wahrend die Initialisierung und Konzipierung in Workshops stattfand, wurde fiir die Umsetzung eine eigene Projekt- bzw. (organisationstheoretisch betrachtet) Programmorganisation aufgesetzt.24 Das Gesamtprogramm bestand aus acht aufeinander abgestimmten Tracks (Teilprojekten), die vom Project Office (Programmleitung) operativ und vom Project Steering Board (Lenkungsausschuss) strategisch gesteuert wurden (vgl. Abbildung 3-3).
23 24
238
Vgl. zu generischen Strategien der Implementierung Bach (2000), S. 124 ff. sowie Kriiger (2002), S. 74 ff. Vgl. Brehm/Jantzen-Homp (2002), S. 212 ff.
Reorsanisations-ControiUns bei der SAP AG
Abbildung 3-3:
Programmorganisation SCORE
Project Steering Board
Project Office
Project Org. In Development
Quality Mgmt.
Interface BSGs / Global Marketing
1 Interface BSGs / AP&A/ Net Weaver 1 Unit
Portfolio Mgmt.
Roll-in, Product Def. & Sol. Mgmt.
Als hierarchisch hochstes Organ der Programmorganisation bestand die Aufgabe des Project Steering Board primar in der Festlegung strategischer Entscheidungen, der iJberwachung des Gesamtprogramms und der Vertretung des SCORE-Programms nach aufien. Das Board war mit Top Managern und Vorstanden der SAP AG besetzt, um gegeniiber den Projektmitgliedern und den von der Reorganisation betroffenen Mitarbeitern klar zu signalisieren, welche strategische Bedeutung dem SCOREProgramm zukommt. Fiir die sachliche und zeitliche Koordination der einzelnen Tracks war das Project Office verantwortlich. Dieses hatte die Aufgabe, den reibungslosen Ablauf des Reorganisationsprozesses zu sichern, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Tasks zu koordinieren und den Programmfortschritt zu steuern. Bei der personellen Ausgestaltung der einzelnen Tracks wurden nach Moglichkeit bereits die fiir die spateren Einheiten vorgesehenen Leiter eingesetzt, da diese auch in der neuen Organisationslosung arbeiten miissen und somit ein grofies Interesse an einer effektiven und effizienten Losung haben. Aus diesem Grund waren die spateren BSG-Leiter auch bereits als Projektmitglieder im Track ,Jmplementation Teams" involviert.
3.3
Controlling des Reorganisationsprogramms SCORE
Das Controlling des Reorganisationsprogramms SCORE erstreckte sich auf die soeben vorgestellte Realisierungsphase, die von August 2003 bis Marz 2004 dauerte. Hierfiir verantwortlich war ein spezieller Programmcontroller im Project Office. Allerdings
239
Thomas Vetter I Timmo A. Sturm I Thorsten Retry
hatte das finanzielle Controlling im betrachteten Wandlungsprogramm nur eine untergeordnete Bedeutung. Aufgrund der Schwierigkeit der quantitativen und/oder qualitativen Messung der Effektivitat und Effizienz der Organisation der Entwicklung, lag der Schwerpunkt des Reorganisations-Controllings auf einer inhaltlichen Kontrolle des Fortschritts der einzelnen Teilprojekte.25 Das Controlling des Programms erfolgte im Wesentlichen uber „Ampelkarten". Auf diesen einseitigen Ubersichtsbogen wurde der Status der Umsetzung in den Teilprojekten monatlich an das Project Steering Board berichtet.
Abbildung 3-4:
Ampelkarte des Reorganisationsprogramms SCORE
Overall Status
Task Implementation Teams Business Planning
Roll-in, Product Definition & Sol. Management Portfolio Management Interface BSGs / AP & A / 1 NetWeaver Unit
Project Org. in Development
o
green" = on track
O0O O0O
®oo ®oo
Draft processes available, detailed process description and organizational alignment in process
Joint Business Planning BSG / Field under implementation
Detailed concept and processes available, syndication and alignment in process
1
Processes as well as tasks and responsibilities defined; syndication and alignment in process
|
O0O
Interface BSGs / Global Marketing Quality Management
Comment will be discussed In detail
®oo ®oo ®oo
"yellow" = issues ahead to be solved
Task alignment between BSGs done; draft of organizational set-up planned by Sept. 15th will be discussed in detail Organization defined and in syndication phase; definition of processes in process
J
"red" = issues might jeopardize success
Neben der iiberblicksartigen Ampelkarte fiir das Gesamtprogramm (vgl. Abbildung 3-4) gab es auch detaillierte Karten zu den einzelnen Teilprojekten. Abbildung 3-5 zeigt eine solche Detail-Karte fiir das Projekt „Business Planning". Die Karten stellen den Status der jeweiligen Tracks im Detail dar und heben insbesondere den anstehenden Entscheidungsbedarf hervor. Fiir das Befiillen der Ampelkarten und damit das 25
Neben diesem Controlling der Reorganisation fand allerdings auch eine Reorganisation des Controllings statt, denn auch das Controlling des Entwicklungsbereichs musste aufgrund der organisatorischen Veranderungen angepasst werden. Dies betraf insbesondere den Planungsund Budgetierungsprozess. Dieser war dementsprechend auch Bestandteil eines eigenen Tracks („Business Planning"), wie auch oben gezeigt. Aufgrund des ehrgeizigen Ziels, bereits die Budgetierung im Dezember 2003 auf Basis der neuen Organisationslosung durchzufiihren, musste dieses Teilprojekt relativ friih in der Realisierungsphase starten. Bereits Ende Oktober 2003 mussten die Plane der einzelnen Einheiten feststehen. Hierfiir wurden auch die spateren Controller auf BSG-Ebene mit in die Programmorganisation eingebunden.
240
Reorganisations-Controlling bei der SAP AG
Controlling der einzelnen Tracks waren die jeweiligen Projekt-/Trackleiter selbst verantwortlich.
Abbildung 3-5:
Ampelkarte des Teilprojekts ,,Business Planning"'^^
Business Planning
Task
11.09.2003
Date
Overall Status
1 O0O 1
Key Activities
Started
Due
Achievements
Status
Development of Joint Field/IBU Business Plans (JBPs)
Jul 1«'
Oct 31 s'
Concept available, implementation in process
®oo
Aug 25'*^
Oct W*"
Template developed and currently in alignment process. Process is under development with the goal to finalize by September 30'^ to facilitate current Business Planning Process
OGO
1
Development of 2004 Business Plan Template and Process
Recommendation
Issues to be resolved
Decision / Action needed
1
Who takes the lead for the overall 2004 cross-BSG Business Planning process?
1 Next steps / Activities
Owner
Due by
|
Align / syndicate BSG Business Planning Template within the organization
CCT
Oct 1^'
1
Develop BSG Business Planning process
Team
Oct 1="
1
\_) "green" = on track
3.4
Q ^ "yellow" = issues ahead to be solved
^ P "red" = issues might jeopardize success
Follow Up-Controlling
Mit dem Ende der Programmorganisation im Marz 2004 war auch das eigentliche Reorganisations-Controlling beendet. Aber auch nach dem Abschluss der Wandlungsprogramme SCORE und GOAL erfolgt weiterhin ein ziel- und strategieorientiertes Controlling. Hierfiir ist bei SAP die noch relativ junge Corporate Strategy Management Einheit verantwortlich.27 Mit Hilfe eines (unbefristeten) „Follow Up"Controllings wird untersucht, inwieweit sich die neue, klar nach Funktionen geglie-
26 Die Inhalte der Spalten „Recommendation" und „Decision/Action needed" wurden geloscht. um die Anonymitat zu wahren. 27 Die Einheit erfiillt damit die von Kaplan/Norton geforderte Rolle eines Office of Strategy Management". Vgl. Kaplan/Norton (2005), S. 71 ff. 241
I4
Thomas Vetter I Timmo A. Sturm / Thorsten Retry
derte Organisationsstruktur (vgl. Abbildung 3-6) in der Umsetzung der Strategic bewahrt hat.28
Abbildung 3-6:
Heutige Organisationsstruktur der SAP AG
Office of the CEO (Henning Kagermann) Research & v^Breakthrough Innovation (Peter Zencke)
Giobai Service & Support (Gerhard Oswald)
Customer Solutions & > Operations (Ldo Apotheker)
Finance & Administration (Werner Brandt) Human Resources & Processes (Glaus E. Heinrich)
Im Rahmen eines vierteljahrlichen strategischen Performance Tracking wird analysiert, ob und wie die an der SAP-Strategie und den iibergeordneten Unternehmungszielen (Goals) ausgerichteten Teilziele (Objectives) von den einzelnen organisatorischen Einheiten erfiillt werden. Die Performancewirkung der geanderten Strukturen und Prozesse wird dabei bisher jedoch nur indirekt - iiber die Zielerreichung in der neuen Organisation - beriicksichtigt. Werden im Rahmen des Performance Trackings (nachhaltige) Abweichungen zwischen Ziel- und Istwert ermittelt, miissen die organisatorischen Regelungen als mogliche Ursache kritisch iiberpriift werden. Ein moglicher Optimierungsansatz der neuen Organisationsstruktur besteht darin, dass funktionsbereichsiibergreifende Prozesse relativ schwierig zu steuern sind. So startet ein IT-Konzept typischerweise im Bereich ^Research & Breakthrough Innovation" und durchlauft dann die Funktionen „Product" und ^Production", bevor es durch ^Customer Solutions & Operations" vertrieben und durch den Bereich ^Global Service & Support" betreut wird. Im Hinblick auf eine effiziente Organisationslosung ist hier zu priifen, ob die Abhangigkeiten zwischen den einzelnen funktionalen Einheiten iiber Workshops abzustimmen sind oder ob zukiinftig eine zweite Organisationsdimension eingefiihrt werden muss. Vorstellbar waren beispielsweise quer zu den Funktionen liegende Einheiten oder Produkt-/ Prozessverantwortliche (^Product/Process Owner"). Eine solche Querschnittsfunktion erfiillt heute einzig der Bereich ^Service Solution Management", der das Leistungsportofolio zwischen „Customer Solutions & Operations" und „Global Service & Support" abstimmt. 28
242
Der in Kapitel 3 vorgestellte Entwicklungsbereich ist dem Funktionsbereich „ Product" untergeordnet.
Thomas Vetter I Timmo A, Sturm I Thorsten Retry
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244
Reorsanisations-ControlUns bei der SAP AG
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245
Reorsanisations-ControUing bei der SAP AG
Fazit und Lessons Learned •
Grundlegend fiir eine erfolgreiche Reorganisation ist die zugrunde liegende Strategie. Ohne eine klare Vorstellung iiber die zu erreichenden Ziele und die strategische Ausrichtung ist eine effektive und effiziente Reorganisation nicht vorstellbar.
M Es gilt der Leitsatz „structure follows strategy''. Die Strukturen miissen zur verfolgten Strategie passen. Eine Anderung der Strategie erfordert in vielen Fallen auch eine Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation (strategiefokussierte Organisation). •
Zur Uberpriifung der strategischen Effektivitat und Effizienz der gewahlten Organisationslosung ist ein laufender Strategie-Controllingprozess notwendig.
•
Reorganisationsprojekte fiihren sehr haufig zu einer Verunsicherung der Mitarbeiter, die sich in der Regel auch in einem Produktivitatsverlust niederschlagt, der oft allerdings nur schwer quantifizierbar ist (Diskussionen in Kaffeeecken etc.). Diesem Verlust sollte man durch eine offene und fruhzeitige Kommunikation sowie eine ziigige Umsetzung entgegenwirken.
•
Bewahrt hat sich das Verfahren, die neuen Abteilungsleiter direkt in das Reorganisationsprogramm einzubinden, so dass Sie selbst an der Gestaltung Ihrer zukiinftigen Aufgabe mitwirken konnen.
•
Positiv ist auch der Ansatz zu bewerten, die operativ an der Durchfiihrung des Wandlungsprogramms beteiligten Mitarbeiter in den direkten Kontakt mit dem Vorstand zu bringen. Dies fiihrt zu einem tieferen Verstandnis iiber die Hintergriinde und Motivationen, die den Vorstand zur Initiierung des Wandlungsprogramms veranlasst haben, was die Wandlungsbereitschaft dieser fiir den Wandlungserfolg wesentlichen Personen erhoht.
•
Eine neue Organisation benotigt Zeit bis sie auch gelebt wird. Der Nutzen der Reorganisation zeigt sich haufig erst deutlich spater. Die Reorganisation selbst fiihrt aber dazu, dass das Tagesgeschaft zumindest kurzzeitig vernachlassigt wird. Aus diesem Grund ist permanenter Wandel (bzw. eine ^chronically unfrozen organization") abzulehnen.
243
Wolfgang Suske / Jens Grundei
Prijfung von Organisationsstrukturen bei Siemens
Zusammenfassung
248
1
Hintergrund: Produktprogramm, Rahmenstruktur und Organisationsphilosophie von Siemens 249
2
Gestaltung der Revision bei Siemens
251
3
Ziele und Arten organisationsbezogener Priifungen bei Siemens
254
4
Durchfiihrung von Organisationspriifungen bei Siemens 4.1 Priifungsgegenstand 4.2 Priifungskriterien 4.3 Erhebung 4.4 Auswertung und Konsequenzen
255 255 256 258 260
5
Verantwortungen im Organisations-Controlling
260
6
Resiimee
261
247
Wolfgang Suske I Jens Grundei
Zusammenfassung Siemens ist ein global operierendes Grofiunternehmen auf den Gebieten der Elektrotechnik und der Elektronik. Das Produktprogramm ist stark diversifiziert und liegt in der Verantwortung von aktuell elf Geschaftsbereichen. Vor diesem Hintergrund verfolgt Siemens eine dezentrale Organisationsphilosophie, welche die Eigenstandigkeit der Geschaftsbereiche betont. Diese zeichnen fiir ihre Organisationsstrukturen und somit in erster Linie auch fiir die Priifung von organisatorischer Conformance und Performance verantwortlich. Dariiber hinaus kommt der im Auftrag des SiemensZentralvorstands tatig werdenden Internen Revision eine Schliisselstellung bei der Bewertung von Organisationsstrukturen zu. Die Interne Revision ist Teil der Corporate Governance und unterstutzt den Zentralvorstand in seiner Fiihrungs- und Aufsichtsfunktion. Hauptfokus der Revision ist, durch Steigerung der Effektivitat („do the right things") und Effizienz („do things right'') mittels umfassender Reviews, Analysen und Mafinahmenvorschlage die Wettbewerbsfahigkeit von Siemens und damit den Unternehmenswert nachhaltig zu verbessern. Sie evaluiert im Rahmen umfassender Unternehmenspriifungen unter anderem auch Organisationsstrukturen. Der Ablauf von Organisationsprijfungen sowie das Zusammenspiel zwischen Bereichen und Interner Revision werden in dem Beitrag erlautert.
248
Prufung von Orsanisationsstrukturen bei Siemens
Hintergrund: Produktprogramm, Rahmenstruktur und Organisationsphi losophie von Siemens Im Geschaftsjahr 2005 erwirtschaftete Siemens mit ca. 460.000 Mitarbeitern einen Umsatz in Hohe von gut 75 Mrd. Euro. Da von entfielen 15,8 Mrd. Euro Umsatz und 36% der Beschaftigten auf Deutschland. Siemens ist damit w^eltweit das drittgrofite Unternehmen auf den Gebieten Elektrotechnik und Elektronik. Die enorme Produktvielfalt und die weltweite Prasenz von Siemens pragen mafigeblich die mehrdimensionale Rahmenstruktur des Konzerns (vgl. Abbildung 1-1).i Das operative Geschaft von Siemens ist in sechs Arbeitsgebiete gegliedert. Es handelt sich dabei um die Produktgruppen Information and Communications, Automation and Control, Powder, Transportation, Medical und Lighting. Innerhalb dieser Arbeitsgebiete sind insgesamt elf Geschaftsbereiche weltweit fiir das operative Geschaft verantwortlich.2 Alle Bereiche tragen folglich fiir ihr Geschaft die Profit and Loss-Verantwortung. Die Leitung der Bereiche erfolgt durch multipersonell besetzte Bereichsvorstande, die allerdings keinen Vorstand im juristischen Sinne verkorpern. Mit der Siemens Business Services GmbH & Co. OHG (Arbeitsgebiet Information and Communications), Siemens Building Technologies AG (Arbeitsgebiet Automation and Control), Siemens VDO Automotive AG (Arbeitsgebiet Transportation) und der Osram GmbH (Arbeitsgebiet Lighting) werden vier Geschaftsbereiche in eigener Rechtsform gefiihrt.^ Die Unternehmenspolitik sowie die Grundsatze der Geschaftspolitik des Hauses Siemens werden durch den Zentralvorstand festgelegt, der aus 9 Mitgliedern besteht und den Vorstand der Siemens AG im Sinne des Aktienrechts darstellt. Der Zentralvorstand weist einzelnen seiner Mitglieder einen oder mehrere Bereiche zur Betreuung zu. Weisungen des Zentralvorstandes sind fiir die Bereiche sowie die Leiter der Zentralabteilungen und Zentralstellen, die dem Zentralvorstand nicht angehoren, in ihrer Geschaftsfuhrung bindend. Die globale Prasenz von Siemens in 190 Landern schlagt sich in einer regionalen organisatorischen Komponente nieder."^ Im Einzelnen lassen sich Zweigniederlassungen, Regionalgesellschaften, Reprasentanzen und Vertretungen unterscheiden. Die 64 Regionalgesellschaften unterstiitzen die Bereiche in den jeweiligen Landern. Die bereichs- und regioneniibergreifende Zusammenarbeit ist eine wesentliche Grundlage fiir die weltweite Kooperation der Mitarbeiter. Diese markiert die Basis fiir Aufbau Zur Gestaltung von Rahmenstrukturen vgl. etwa v. Werder (2005), S. 323 ff. Die Bereiche werden intern weiter in Geschaftsgebiete gegliedert. Hinzu kommen wesentliche Beteiligungen wie etwa die BSH Bosch und Siemens Hausgerate GmbH sowie Fujitsu Siemens Computers (Holding) BV. Vgl. auch Suske/Grundei (2004). 249
Wolfgang Suske I Jens Grundei
und Nutzung von Know-how, das fiir ein innovationsbetontes Unternehmen wie Siemens einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt. Siemens versteht sich insofem auch als „global network of innovation'' mit dem Ziel, durch Entwicklung neuer, kundenorientierter Produkte, Systeme und Dienstleistungen nachhaltiges Wachstum zu generieren. Das Zusammenspiel von produktverantwortlichen Bereichen und Regionalgesellschaften findet innerhalb einer Matrixorganisation statt. Die Mehrdimensionalitat der Rahmenstruktur kommt zusatzlich dadurch zum Ausdruck, dass den Produkt- und Regionaleinheiten Zentralbereiche mit funktionaler Verantwortung zur Seite gestellt sind. Bei den Zentralbereichen handelt es sich zum einen um die Zentralabteilungen Corporate Development, Corporate Finance, Corporate Personnel, und Corporate Technology. Diesen Zentralabteilungen steht jeweils ein Mitglied des Zentralvorstands der Siemens AG vor. Zum anderen umfassen die Zentralstellen die Funktionen Corporate Communications, Corporate Information Office, Global Procurement and Logistics, Chief Economist/Corporate Relations so wie Management Consulting Personnel. Diese Funktionen werden im Zentralvorstand durch einen ,Betreuer' reprasentiert.
Abbildung 1-1:
Rahmenstruktur der Siemens AG (Stand: 01.01.2006)
Managing Board of Siemens AG Corporate Departments
Operations Information and Communications Communications Siemens Business Servic GmbH & Co. OHG (SBS)
Automation and Control
Power
Corporate Development
Automation and Drives (A&D) Industrial Solutions and Services (l&S)
Power Generation (PG)
Corporate Finance
Power Transmission and Distribution (RID
Corporate Personnel
Siemens Building Technologies (SBT) Transportation Transportation Systems
Medical Medical Solutions (Med)
lemens VDO Automotive AG (SV)
Lighting
Financing and Real Estate Siemens Financial Services GmbH (SFS) Siemens Real Estate (SRE)
Corporate Technology
Corporate Centers Corporate Communications (CO) Corporate Information Office (CIO) Global Procurement and Logistics (GPL) Chief Economist/ Corporate Relations (ECR) Management Consulting Personnel (MOP)
Regional Organization Germany (RD), Regional Companies, Representative Offices, agencies
250
Prufuns von Organisationsstrukturen bei Siemens
Vor dem Hintergrund der ausgepragten Diversifizierung des Produktportfolios einerseits und der weltweiten Streuung der Geschaftsaktivitaten andererseits betont die Unternehmensphilosophie des Hauses Siemens die erfolgskritische Bedeutung der Bereiche, die - wenn auch rechtlich zumeist unselbstandig - betriebswirtschaftlich wie eigenstandige Unternehmen gefiihrt werden.5 Angesichts des Leitbildes vom ,Unternehmer im Unternehmen' kommt der Forderung von Eigeninitiative, Differenzierung und Autonomie der Bereiche hochstes Gewicht zu. Gleichzeitig wird jedoch versucht, bereichsiibergreifende Synergien zu realisieren, ohne dabei die Geschaftsbereiche iiber das im Konzerninteresse tatsachlich Notwendige hinaus einzuschranken. Insofern kann die generelle Organisationsphilosophie von Siemens auf folgende Regel zuriickgeflihrt werden: nur so viel konzernweite Gemeinsamkeiten wie notig, jedoch so viel Unabhangigkeit fiir die geschaftsfiihrenden Einheiten wie moglich. Aus der Zustandigkeit fiir ein Geschaft folgt grundsatzlich auch die Verantwortung fiir die bereichsbezogene Organisation. Dementsprechend lassen sich zwei verschiedene Formen der Priifung von Organisationsstrukturen bei Siemens unterscheiden, die gleichwohl ineinander greifen. Zum einen handelt es sich um ein Controlling der Organisationseffizienz durch den jeweils verantwortlichen Bereich selbst. Zum anderen nimmt die Interne Revision im Hause Siemens im Rahmen umfassenderer Unternehmenspriifungen auch Einschatzungen von Organisationsstrukturen vor.^ Diese starker institutionalisierte Form des Organisations-Controllings steht bei den weiteren Ausfiihrungen im Vordergrund der Betrachtung.
2
Gestaltung der Revision bei Siemens
Die interne Revision gliedert sich entsprechend der Organisationsstruktur des Hauses Siemens in folgende Organisationseinheiten: •
Zentrale Revisionsfunktion mit der •
Bilanzrevision
•
Konzernrevision
•
Revisionsabteilungen der Bereiche
•
Revisionsabteilungen der Regionalgesellschaften, Bereichsgesellschaften und Beteiligungsgesellschaften
5 ^
Siehe hierzu und zum Folgenden auch Suske/Talaulicar (2000), S. 146 f. In der in Abbildung 1-1 dargestellten Siemens-Organisationsstruktur ist die Konzernrevision der Zentralabteilung Corporate Development zugeordnet (Corporate Development Audit). 251
Wolf sang Suske I Jens Grundei
Die Verantwortung fiir Bilanzrevisionen hat die Zentralabteilung Corporate Finance, die auch exteme Abschlusspriifer betreut. Zu den Aufgaben der Bilanzrevision zahlen Priifungen bilanzieller Themen von weltweiter Relevanz sowie Sonderthemen des Finanz- und Rechnungswesens. Sie stellt unter anderem sicher, dass die Bilanzierung des Hauses Siemens richtlinienkonform ist und alle notwendigen Informationen innerhalb der Veroffentlichungsfrist berichtet werden. Weitere Schwerpunkte der zentralen Bilanzrevision sind, neben Aufzeigen von Risiken, Ordnungsmafiigkeitspriifungen und Priifungen der Effektivitat interner Kontrollsysteme. Die Konzemrevision ist die Revisionsabteilung des Zentralvorstandes. Sie verfiigt iiber Kompetenz fiir Funktions-, Prozess-, Unternehmens- sowie fiir IT-Priifungen. Ihr Zustandigkeitsbereich ist das Untemehmen weltweit. Die Konzemrevision fiihrt insbesondere ganzheitliche Priifungen von Geschaftsgebieten, Geschaftszweigen und grofien Funktionsbereichen unter dem Blickwinkel der Unternehmensgesamtheit durch. Fine weitere Aufgabe ist die Revision der Zentralabteilungen/-stellen und die Unterstiitzung anderer Revisionsstellen im Hause Siemens bei schwerwiegenden und bereichsiibergreifenden Treuhandfallen und Wirtschaftskriminalitat. Im Rahmen ihrer Funktionsverantwortung koordiniert sie die dezentralen Revisionsaktivitaten und sorgt fiir das Wissensmanagement innerhalb der verschiedenen Revisionseinheiten von Siemens. Die Bereichsrevisionen sind die Revisionsabteilungen der Bereichsvorstande. Sie konnen zentral bzw. dezentral organisiert sein. So konnen z.B. zugehorige Geschaftsgebiete, Werke und Bereichsgesellschaften von der Bereichsrevision betreut werden oder iiber eigene Revisionsabteilungen verfiigen. Die Bereichsrevisionen sind fiir die weltweiten Geschaftsaktivitaten der Bereiche zustandig und priifen unter dem Aspekt des Weltunternehmens im gesamten Bereich. Alle Revisionsabteilungen eines Bereichs sind der Bereichsrevision fachlich zugeordnet. Die Revisionsabteilungen der Regionalgesellschaften werden von der Leitung der Region fachlich und disziplinarisch gefiihrt. Sie sind zustandig fiir die Region als rechtliche Einheit und die ihr zugeordneten Gesellschaften, in der Regel Vertriebsgesellschaften. Ausgelagerte Stammhausaktivitaten - Bereichsgesellschaften mit z.B, Produktions- und Entwicklungsfunktionen - unterliegen der Zustandigkeit der Bereichsrevisionen. Die Revisionsabteilung der Regionalgesellschaft kann in diesen Fallen Dienstleistungsvereinbarungen mit der Bereichsgesellschaft und der Bereichsrevision treffen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn aus Griinden der Sprache oder der Entfernung die Bereichsrevision ihre Aufgabe nicht ausreichend wahrnehmen kann. Die Revisionsprojekte werden auf Basis eines durch die Konzernrevison verbindlich vorgegebenen Revisionsprozesses durchgefiihrt. Im Rahmen der Priifung werden durch die interne Revision Risiken und Chancen sowie Schwachen bzw. Starken festgestellt, entsprechende Empfehlungen erarbeitet und kommuniziert und die Umsetzung der Empfehlungen durch Nachrevisionen iiberwacht. Dariiber hinaus gehort es
252
Prufuns von Organisationsstrukturen bei Siemens
zu den Aufgaben der Internen Revision, gewonnene Erkenntnisse in das Risikomanagement und Interne Kontrollsystem der iiberprtiften Einheit mit einzubringen. Die eigentliche Revisionsarbeit orientiert sich an folgenden Kriterien: •
Ordnungsmafiigkeit: Ubereinstimmung der Aufgabenerfiillung mit den externen und internen Vorgaben (Gesetze, Verordnungen, Richtlinien usw.), Beispiel: Organisations- und Aufsichtspflichten
•
Sicherheit: Schutz der materiellen und immateriellen Vermogenswerte vor Verlust, Beschadigung und Missbrauch (Pravention), Beispiel: Risikomanagementsystem, Internes Kontrollsystem
•
Funktionsfahigkeit: Systeme, Prozesse, Prozessketten und deren Unterstiitzung durch das Controlling und die Informationstechniken miissen so gestaltet sein, dass sie termingerecht zu den geplanten Ergebnissen fiihren. Beispiel: Auftragsabwicklung. Supply Chain
•
Wirtschaftlichkeit: Optimierung von Mitteleinsatz und Ergebnis
•
Zukunftssicherheit: Ausrichten aller untemehmerischen Aktivitaten auf die dauerhafte Sicherung der wirtschaftlichen Leistungs- und Handlungsfahigkeit des Unternehmens. Eignung der Strategiekonzepte, Prozesse, Organisationsstrukturen, Fiihrungssysteme und sonstigen Instrumentarien zur Steuerung des laufenden und zukiinftigen Geschafts.
Revisionen werden im Normalfall ein Jahr im Voraus geplant. Im Zuge einer Revisionsrahmenplanung wird sichergestellt, dass alle Themenfelder im Laufe festgelegter Intervalle gepriift werden und keine „wei6en" Flecken iibrig bleiben. Auf der Basis dieser Rahmenplanung wird jahrlich die Revisionsplanung erstellt und von der Leitung verabschiedet. Priifkontinuitat und Flachendeckung sichern die erwiinschte Praventivwirkung. Wesentliche Einflussgrofien auf die Themenwahl sind der Informationsbedarf der jeweiligen Leitung, identifizierte Risikobereiche und Performance sowie Follow up-Aktionen (sog. Nachrevisionen) zu Revisionsprojekten. Fine Nachrevision findet ca. 12 bis 18 Monate nach der Hauptrevision statt. Sie stellt zu einem bestimmten Zeitpunkt den Umsetzungsstatus der in der Hauptrevision erarbeiteten Empfehlungen bzw. mit der Leitung vereinbarten Mafinahmen fest und schliefit das Revisionsprojekt ab. Entsprechend der Priifungsschwerpunkte unterscheidet Siemens folgende Revisionsarten: •
Regelmafiig wiederkehrende Priifungen anhand von ^Standard Audit Catalogues" wie Priifungen der Einhaltung der Grundsatze ordnungsgemafier Buchfiihrung (GoB bzw. US GAAP), Priifungen der Organisations- und Aufsichtspflichten, Sicherheitspriifungen, Treuhandpriifungen (Conformance)
253
Wolfgang Suske I Jens Grundei
•
Bilanzrevisionen (entsprechend den Priifungsansatzen des externen Wirtschaftspriifers)
•
Prozess-, Funktions-, und Projektprufungen
•
Unternehmensrevisionen, d.h. Priifungen von Geschaftsauftragen, ganzheitliche Priifung von Geschaftsgebieten, Geschaftszweigen und grofien Funktionsbereichen sowie von Bereichsgesellschaften, Beteiligungsgesellschaften und regionalen Einheiten bzw. Regionalgesellschaften. Typische Untersuchungsschwerpunkte sind hierbei die Identifikation der Hauptergebnistrager und deren Risiken, Bewertung der Geschaftsstrategie, Identifikation von Verbesserungspotenzial in den Organisationseinheiten, die den grofiten Hebel fiir den Geschaftserfolg darstellen (abhangig vom Geschaft beispielsweise Einkauf, Vertrieb, Marketing), Definition von Mafinahmen zur Verbesserung der Internationalisierung, Uberpriifung von Standortkonzepten oder Aufzeigen von Outsourcing-Potenzialen.
Die Priifung von Organisationsstrukturen, auf die im Folgenden naher eingegangen wird, ist Bestandteil entweder einer Prozess-/Funktionsrevision (z.B. im Zusammenhang mit Prozesspriifungen) oder - in den meisten Fallen - von Unternehmensrevisionen.
Zlele und Arten organlsationsbezogener Prufungen bei Siemens Mit einer Revision von Organisationsstrukturen werden hauptsachlich drei Ziele verfolgt. Erstens gilt es, die direkte Abhangigkeit einer Unternehmensstruktur von der iibergeordneten Unternehmensstrategie deutlich zu machen. Zweitens werden wesentliche Strukturmodelle dargestellt und hinsichtlich ihrer wichtigsten Vor- und Nachteile, bezogen auf das zugrunde liegende Geschaft (Produkt-, System-, Losungsoder Dienstleistungsgeschaft) diskutiert und bewertet. Drittens sollen Entscheidungskriterien und Vorgehensweisen dargestellt werden, mit deren Hilfe vorhandene Strukturen beurteilt bzw. neue Strukturalternativen entwickelt und beurteilt werden konDie unterschiedlichen Arten von Organisationspriifungen lassen sich mit den im Einfiihrungsbeitrag erlauterten Erscheinungsformen abbilden.^ So handelt es sich zum einen um Follow-up-Priifungen, mit denen (angemahnte) Reorganisationen nachverfolgt werden. Wie bereits deutlich wurde, fallt die Organisationsgestaltung prinzipiell in die Zustandigkeit der geschaftsverantwortlichen Bereichs- bzw. Regionenmanager. 7 254
Siehe dazu v. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band).
Prufung von Orsanisationsstrukturen bei Siemens
Diese sind somit auch in erster Linie gehalten, die Zweckmafiigkeit und Ordnungsmafiigkeit ihrer Organisationsstrukturen permanent sicherzustellen. Die Interne Revision iiberpriift bei Nachrevisionen, die etwa ein bis anderthalb Jahre nach einer Hauptrevison stattfinden, ob und wie angemahnte organisatorische Veranderungen angegangen worden sind. Zum anderen findet sich im Hause Siemens auch die nicht durch eine Reorganisation ausgeloste Form eines ,Check-ups'. Dabei sind durch besonderen Anlass initiierte von routinemafiigen Priifungen zu unterscheiden. Zu den Anlassen, die eine Organisationsrevision auslosen konnen, zahlen beispielsweise Managementwechsel oder auch das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte fiir vermutete Verbesserungspotenziale in einem bestimmten Teil des Unternehmens.
DurchfUhrung von Organisatlonsprlifungen bei Siemens Im Folgenden soil die Durchfiihrung von Organisationsprufungen im Hause Siemens anhand der generellen Schritte des Organisations-Controllings" naher erlautert werden.
4.1
Prufungsgegenstand
Aufbau- und Ablauforganisation der zu priifenden Geschafts- oder Funktionseinheiten, z.B. eines Bereiches oder einer Region, werden mit Blick auf Conformance und Performance bewertet. Gerade diese beiden Zielkriterien lassen sich oft nicht sauber voneinander trennen. So versteht es sich von selbst, dass Strukturen, die gegen geltendes Recht verstofien (Compliance), bei Siemens als inakzeptabel gelten, selbst wenn sie eine giinstige Performance versprechen sollten. Ferner konnen Performance-Defizite unter anderem darauf zuriickzufiihren sein, dass die organisatorischen Regelungen nicht wie vorgesehen eingehalten werden (Observance). Eine aussagekraftige Organisationspriifung soUte deshalb in aller Regel die verschiedenen Facetten erfassen. Dennoch miissen im Rahmen von Organisationsprufungen durchaus bestimmte thematische Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden, um eine sinnvolle und praktikable Umfangsbeschrankung zu erzielen. Durch vergleichsweise weite Abgrenzungen des Priifungsgegenstands lassen sich aber auch etwaige bereichsinterne und -ex8
Vgl. V. Werder/Grundei (2006) (in diesem Band). 255
Wolfgang Suske I Jens Grundei
terne Interdependenzen erfassen. Hierbei kann es sich um die Zusammenarbeit oder Schnittstellen zwischen verschiedenen Geschaftsgebieten eines Bereichs handeln, auf denen strategisch wichtige, mehrere Geschaftsgebiete umspannende Prozesse (z.B. Customer Relationship Management im Vertrieb) basieren. Natiirlich gehoren dazu aber auch operative Prozesse wie etwa die Erstellung von Rechnungen. Bereichsiibergreifende Organisationsprozesse gewinnen indessen immer mehr an Bedeutung. So hat z.B. die ausgepragte Vertikalisierung von Siemens in der Vergangenheit oft zu unterschiedhchen Kundenschnittstellen gefiihrt, welche durch die Einfiihrung bereichsiibergreifender Vertriebsprozesse iiberwunden werden konnen.
4.2
Prlif ungskriterien
Fiir die Bewertung von Conformance und Performance existieren zahlreiche Priifungskriterien, die sich aus den allgemeinen Revisionskriterien ableiten, die in Kapitel 2 beschrieben sind. Dabei ist zu beachten, dass die Soll-Mafistabe der ConformancePriifung jeweils die einzuhaltenden (rechtlichen bzw. unternehmensbezogenen) Standards sind und sich folglich schon aus Griinden des Umfangs einer detaillierteren Darstellung entziehen. GesetzHche Regelungen konnen entweder fiir alle Bereiche eines Unternehmens gelten (z.B. arbeits-, mitbestimmungs- oder datenschutzrechtliche Vorschriften) oder aber bereichsspezifisch ausfallen. Zu denken ist beispielsweise nur an besondere Bestimmungen fiir Bereiche wie Medizinische Technik und Kraftwerke. Dariiber hinaus bringt es die weltweite Prasenz von Siemens mit sich, dass in den Regionen auch landerspezifische Gesetze zu befolgen sind. Organisatorische Regelungen treten aus Sicht der Bereiche im Kern in zwei Formen in Erscheinung. Zum einen ist jeder Geschaftsbereich fiir sein Geschaft und fiir die interne Organisation des Bereichs selbst verantwortlich und trifft dementsprechend die erforderlichen organisatorischen Festlegungen. Zum anderen existieren allerdings auch verschiedene Zentralbereiche, die in mehreren Fallen eine Governancefunktion gegenijber den Geschaftsbereichen ausiiben. Zentral erlassene Richtlinien sind folglich ebenfalls von den Bereichsmitarbeitern zu befolgen. Insofern stellt die blofie Vielzahl an Unternehmensregelungen das Hauptproblem ihrer Beachtung dar. Das Intranet gestattet hier eine gewisse Unterstiitzung, da prinzipiell alle geltenden Vorschriften hieriiber zuganglich sind. Es bedarf jedoch keiner naheren Erlauterung, dass die Mitarbeiter bei der Bewaltigung des operativen Tagesgeschafts nicht permanent samtliche Regelungen vor Augen haben konnen. Zur Performance-Beurteilung kann auf eine Reihe von Bewertungskriterien zuriickgegriffen werden, die grundsatzlich fiir alle Strukturevaluationen in Frage kommen. Typische Entscheidungskriterien zur Strukturbewertung sind etwa Zeit, Kosten, Qualitat, Flexibilitat und Standardisierung. Mit dem Faktor Zeit wird erfasst, wie lange die Abwicklung eines bestimmten Prozesses (beispielsweise Auftragsabwicklung) dauert.
256
Prufuns von Orsanisationsstrukturen bei Siemens
Mit den Kosten werden Sach- und Personalaufwand eines Prozesses erfasst. Die Qualitat eines Prozesses kann im Einzelfall unterschiedlich zu bestimmen sein. So kommen die realisierte Kundennahe und Marktausschopfung ebenso in betracht wie etwa Fehler- oder Ausschussquoten. Die Flexibilitat einer Gestaltungsform richtet sich danach, wie einfach sich Anpassungen an neue Anforderungen vornehmen lassen. Das Ziel der Standardisierung schliefilich spielt in jiingerer Zeit eine zunehmende Rolle.^ Es leitet sich unmittelbar aus dem Ziel ab, fiir die verschiedenartigen Geschaftsgebiete von Siemens die Voraussetzungen fiir eine moglichst hohe Wirtschaftlichkeit zu schaffen. Daraus folgt, dass der Realisierung bereichsiibergreifender Synergien eine grofie Bedeutung beigemessen wird. Diese lassen sich nicht zuletzt dadurch realisieren, dass organisatorische Prozesse standardisiert werden. Neben den genannten Beurteilungskriterien kommen im Ubrigen auch rein monetare Grofien in Betracht. Dabei geht es nicht darum, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen bestimmten Strukturformen und dem Unternehmens- bzw. Bereichsgewinn herzustellen. Dies erscheint problematisch, da entsprechende Erfolgsgrofien von zu vielen anderen Einflussgrofien - etwa der Produktqualitat - determiniert werden. Andererseits kommt dem monetar bewerteten Erfolg aber zumindest eine wichtige Indikatorfunktion zu. Verschlechtert sich beispielsweise der Erfolg eines Geschaftsbereichs, so kann dies Ausloser umfassender Revisionsaktivitaten sein, die dann eben auch eine Organisationsbewertung und gegebenenfalls Anderungsempfehlungen enthalten, um z.B. auf einen Wandel im Umfeld des Marktes adaquat zu reagieren. Im Rahmen der Unternehmenspriifung ist groBer Wert darauf zu legen, die Entscheidungskriterien fiir Unternehmensstrukturen zu verstehen und diese auf ihre Strategiekonformitat zu iiberprufen. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: •
Existiert eine konsistente, dokumentierte und kommunizierte Unternehmensstrategie?
•
Bildet diese die Grundlage fiir vergangene Strukturentscheidungen?
•
Welches sind die konkreten Kriterien, anhand derer bislang Strukturentscheidungen getroffen wurden bzw. zukiinftige Strukturentscheidungen getroffen werden sollen?
•
Lassen sich diese Kriterien aus der Unternehmensstrategie ableiten? Beriicksichtigen diese Kriterien die Verbesserung der Wettbewerbsposition bzw. den Abbau von Wettbewerbsbarrieren?
•
Sind diese Kriterien zum allgemeinen Verstandnis der Strukturentscheidungen dokumentiert und kommuniziert?
9
Vgl. auch Suske/Grundei (2004). 257
Wolf sang Suske I Jens Grundei
Durch die Beriicksichtigung dieser Punkte soil der kritische ,Fit' zwischen Strategie und Struktur hergestellt werden. Dies beinhaltet sowohl die iibergeordnete Unternehmensstrategie als auch (und gerade) die jeweilige Bereichsstrategie. Bei Siemens wird davon ausgegangen, dass zweckmafiige organisatorische Regelungen iiberhaupt nur dann existieren konnen, wenn der strategische Rahmen (z.B. in Form einer Road Map) bekannt ist. Anhand strategischer Vorgaben lassen sich die Bewertungskriterien gewichten. So kommt etwa im Komponenten- und Produktgeschaft einer effizienten Massenproduktion besondere Bedeutung zu, wahrend im Solutions- und Servicegeschaft Kundennahe und schnelle Reaktionszeiten vor Ort an Gewicht gewinnen. Hierauf ist bei der Organisationsgestaltung zu achten.
4.3
Erhebung
Um die implementierten Organisationslosungen bewerten zu konnen, miissen die jeweiligen aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen sowie die realisierten Kriterienauspragungen erhoben werden. Die Erhebung der Ist-Organisation umfasst dabei insbesondere jene grundlegenden Strukturelemente, die im Hause Siemens jeweils eine Unternehmensstruktur definieren. Hierbei handelt es sich im Einzelnen um: 1. Grundordnung Beschreibung und verbindliche Festlegung der Grundprinzipien, der vorhandenen Funktionen bzw. Rollen, deren Kompetenzen und Verantwortungen sowie der grundsatzlichen Aufgabenteilung, einschliefilich der Entscheidungswege und -gremien. Beispiel fiir eine mogliche Grundordnung eines Siemens-Bereichs: (1) Praambel (Ziele und Steuerungsgremien) (2) Geschaftsauftrag und Geschaftsfiihrung (3) Aufgaben und Verantwortungen der Geschaftsgebiete (4) Aufgaben und Verantwortungen der Vertriebseinheiten (5) Aufgaben und Verantwortungen der internen Profitcenter (6) Aufgaben und Verantwortungen der Zentralstellen (7) Fiihrung und Zusammenarbeit 2. Paritat der Funktionen Die Paritat der Funktionen beschreibt das Grundprinzip, dass alle wesentlichen Unternehmensfunktionen (z.B. strategische Planung, Vertrieb, Produktion, Finanzen,
258
Prufuns von Organisationsstrukturen bei Siemens
Controlling, Forschung und Entwicklung, Einkauf usw.) gleichberechtigt in der Unternehmensleitung vertreten sind. 3. Grad der Zentralisierung bzw. Dezentralisiening Der Grad der Zentralisierung bzw. Dezentralisierung beeinflusst das Verhaltnis zwischen einerseits der Durchsetzung langfristiger, libergeordneter Unternehmensziele und Synergienutzung und andererseits der Nutzung von Eigeninitiative und flexibler, divisionaler/regionaler Anpassungsfahigkeit. 4. Entscheidungsfindung Auch unter Beriicksichtigung des Paritatsprinzips ist fiir eine entscheidungsfahige Unternehmensleitung ein Vorsitzender, zumindest als „primus inter pares" notwendig, dessen Stimme bei Patt-Situationen den Ausschlag gibt. 5. Geschaftspolitik Die Richtlinien der Geschaftspolitik sollten von Staben in Zusammenarbeit mit den Linienabteilungen erarbeitet und von den Gremien der Unternehmensleitung beschlossen werden. Die Verantwortung fiir die Durchfiihrung der Geschaftspolitik und damit fiir die operativen Entscheidungen sollte bei den Linien- bzw. Projektverantwortlichen liegen. 6. Ressourcen Sowohl personelle Uber- wie Unterbesetzung einzelner Funktionsbereiche sind mittelund langfristig fiir das Unternehmen schadlich. Uberkapazitaten verursachen vermeidbare Kosten und Risiken, wahrend Unterkapazitaten die Qualitat der Arbeitsergebnisse und damit die langfristige Kundenzufriedenheit gefahrden. Aus Sicht einer Unternehmenspriifung ist es wesentlich, die Ressourcen darauf hin zu iiberpriifen, inwieweit auf Basis des erteilten Geschaftsauftrages und der Moglichkeiten der Fokussierung, des Best Practice Sharing und der potentiellen Kooperationsformen eine Uberoder Unterbesetzung im jeweiligen Unternehmensbereich festgestellt werden kann. Zur Erhebung der Strukturelemente und der Kriterienauspragungen kommen - je nach Eignung - ganz verschiedene Instrumente wie etwa Interviews vor Ort, Fragebogen, Dokumentenanalysen, Anforderung von Informationen aus den Bereichen sowie gegebenenfalls auch Besichtigungen an den Standorten in Betracht. Begehungen konnen z.B. relativ schnell Aufschluss dariiber geben, ob bestimmten Verhaltensrichtlinien von den Mitarbeitern nachgekommen wird (Observance). Sie spielen deshalb nicht zuletzt mit Blick auf Sicherheitsbestimmungen eine wichtige Rolle.
259
Wolf sans Suske I Jens Grundei
4.4
Auswertung und Konsequenzen
Ergibt die Unternehmensrevision Anhaltspunkte fiir organisatorische Schwachstellen, so werden diese zunachst nach Bedeutung und Dringlichkeit der Behebung bewertet. Das iibliche Vorgehen wiirde vorsehen, dass die Revision den betreffenden Bereich anhalt, eine besser geeignete Organisationslosung zu finden. Folglich fallt eine genauere Ursachenanalyse normalerweise in die Zustandigkeit des organisationsverantwortlichen Bereichs bzw. des Prozessverantwortlichen und nicht in die der Revision. Je nach festgestellter Dringlichkeit des Problems wird die Korrektur der Organisation von der Revision mehr oder weniger schnell nachverfolgt, im Regelfall nach etwa ein bis anderthalb Jahren. Die Revision selbst wird in vielen Fallen selbst einen Vorschlag zur Verbesserung unterbreiten. Dabei handelt es sich allerdings eher um Anregungen als um konkrete Vorschlage. Der betreffende Bereich ist grundsatzlich frei darin, eine aus seiner Sicht angemessene Neuregelung zu finden bzw. auch bei der momentanen Losung zu bleiben. Entscheidend ist, dass sich der Bereich ernsthaft mit dem Organisationsproblem befasst und auf der Grundlage seiner Uberlegungen zu einer aus Bereichssicht sinnvollen Losung gelangt. Folglich kommt es auch fiir die Revision nicht darauf an, dass eine ganz bestimmte Gestaltungsform eingefiihrt wird. Sie wird im Zuge der Nachrevision vielmehr primar darauf achten, dass eine nachhaltige Losung fiir das in der Hauptrevision identifizierte Problem gefunden und umgesetzt wurde.
Verantwortungen im OrganisationsControlling Wie aus den bisherigen Ausfiihrungen bereits deutlich geworden ist, obliegt die Zustandigkeit fiir die Durchfiihrung von Aufgaben des Organisations-Controllings bei Siemens zur Hauptsache den jeweils organisationsverantwortlichen Bereichen und der Konzernrevision. Die Unternehmensleitung ist nur indirekt in die Uberpriifung von Organisationsstrukturen eingebunden. So berichtet der Leiter der Konzernrevision direkt an den Zentralvorstand bzw. der Zentralvorstand fungiert als Auftraggeber fiir zentrale Unternehmenspriifungen. Kommen die revidierten Geschaftseinheiten Aufforderungen der Konzernrevision zur Durchfiihrung von Reorganisationen nicht nach, so wiirde der Vorstand hieriiber spatestens bei der Nachrevision informiert werden. Der eingangs erlauterte dezentrale Gesamtaufbau des Siemens-Konzerns hat auch fiir die Organisation der Organisationspriifungen Bedeutung. Im Hause Siemens existiert keine zentrale Organisationsabteilung. Vielmehr sind die einzelnen Geschafts- und Regionalbereiche fiir ihre Organisationsstrukturen und -prozesse jeweils selbst verantwortlich. Dementsprechend fallt nicht nur die Konzipierung und Implementierung,
260
Prufuns von Organisationsstrukturen bei Siemens
sondern auch das Controlling der Organisation grundsatzlich in die Zustandigkeit dieser Bereiche. Dabei liegt die Gesamtverantwortung bei der jeweiligen Bereichsleitung. Die Organisationsverantwortung wird gleichwohl innerhalb der Bereiche weiter herunter gebrochen, beispielsweise auf Prozessverantwortliche. Die jeweils Organisationsverantwortlichen miissen folglich auch dafiir sorgen, dass die implementierten Organisationslosungen den relevanten rechtlichen Vorschriften entsprechen, eingehalten werden und effizient sind. Hierfiir konnen sie auf die Unterstiitzung spezialisierter Einheiten wie etwa den regionalen Rechtsabteilungen sowie auch die jeweilige Revision zuriickgreifen.
ResUmee Durch die Kompetenz- und Verantwortungsverteilung sowie die Definition von Prozessablaufen bildet die Organisationsstruktur eines Unternehmens einen wichtigen Rahmen zur Ausiibung eines definierten Geschaftsauftrages. Strukturelle Veranderungen hangen in der Regel mit veranderten Macht- und Einflussstrukturen zusammen, sodass mitunter Vorbehalte im betroffenen Management und/oder den Mitarbeitern auftreten. Der Konzipierung zweckmaBiger Organisationsformen und deren reibungsloser Implementierung kommt daher - gerade in einem weltweit tatigen Grofiunternehmen - herausragende Bedeutung zu. Die Feststellung der Eignung von Organisationslosungen erfolgt im Hause Siemens einerseits durch den jeweils organisationsverantwortlichen Manager sowie durch Organisationspriifungen im Rahmen von Unternehmenspriifungen der Internen Revision. Auf diese Weise werden die Ziele eines Organisations-Controllings, Conformance und Performance der Aufbau- und Ablauforganisation sicherzustellen, erreicht. Weiterentwicklungen sind gleichwohl denkbar. So erscheint zum einen eine genauere Messung der Kriterienauspragungen vor und nach einer Reorganisation wiinschenswert. Zumeist muss man sich jedoch aus Griinden der Prlifungseffizienz damit zufrieden geben, dass im Rahmen von Unternehmenspriifungen iiberhaupt Organisationsrevisionen erfolgen. Dabei ist es regelmafiig einfacher, die Einhaltung gesetzlicher und organisatorischer Vorschriften zu iiberpriifen (Conformance) als die betriebswirtschaftliche Effizienz von Aufbau- und Ablauforganisation (Performance) genau zu bestimmen. Zumindest mit Blick auf grofiere Reorganisationen sollte allerdings eine systematische Bestandsaufnahme der Zielerreichung bzw. aufgetretener Schwachstellen erfolgen, um im Rahmen nachfolgender Organisationsanderungen gezielte Anpassungen vornehmen zu konnen. Zum anderen ist zu konstatieren, dass Organisationspriifungen heute noch iiberwiegend der dezentralen Organisationsphilosophie folgen und bereichs- bzw. regionenbe-
261
Wolfsans Suske I Jens Grundei
zogen stattfinden. Bereichsiibergreifenden Aspekten wie etwa der Realisierung von Vertriebssynergien durch Cross Selling kommt gleichwohl eine wachsende Bedeutung zu, die sich kiinftig auch in entsprechend optimierten Organisationslosungen widerspiegeln wird. Hier konnen Organisationspriifungen auch eine Impuls gebende Funktion iibernehmen.
262
Prufung von Orsanisationsstrukturen bei Siemens
I Literaturverzeichnis SUSKE, WOLFGANG/GRUNDEI, JENS (2004): Center-Organisation am Beispiel ^Corporate Information and Operations'' der Siemens AG. In: Center-Organisation: Gestaltungskonzepte, Strukturentwicklung und Anwendungsbeispiele, hrsg. v. Axel V. Werder und Harald Stober. Stuttgart, S. 147-157. SuSKE, WOLFGANG/TALAULICAR, TILL (2000): Organisationsmanagement bei Siemens Gemeinsamkeiten gewahrleisten und Eigenstandigkeiten ermoglichen. In: Organisationsmanagement. Neuorientierung der Organisationsarbeit, hrsg. v. Erich Frese. Stuttgart, S. 143-155. V. WERDER, AXEL (2005): Fiihrungsorganisation. Grundlagen der Spitzen- und Leitungsorganisation von Unternehmen. Wiesbaden. V. WERDER, AXEL/GRUNDEI, JENS (2000): Organisation des Organisationsmanagements:
Gestaltungsalternativen und Effizienzbewertung. In: Organisationsmanagement. Neuorientierung der Organisationsarbeit, hrsg. v. Erich Frese. Stuttgart, S. 97-141. V. WERDER, AXEL/GRUNDEI, JENS (2006): Konzeptionelle Grundlagen des Organisations-
Controllings. In: Organisations-Controlling: Konzepte und Praxisbeispiele, hrsg. v. Axel V. Werder, Harald Stober und Jens Grundei. Wiesbaden, S. 15-50.
263
JUrgen Ctaassen
Organisations-Controlling am Beispiel des Wertsteigerungsprogramms „ThyssenKrupp best"
Zusammenfassung
266
1
Kurzportrat ThyssenKrupp
267
2
Das Wertsteigerungsprogramm ThyssenKrupp best 2.1 Ziele und Inhalte 2.2 Programmorganisation
268 268 272
3
Organisations-Controlling im Rahmen von ThyssenKrupp best 3.1 Gesamtprogramm 3.2 Einkaufsinitiative
274 275 275
4
Management-Tool best plaza
280
5
Ausblick
282
265
Jursen Claassen
Zusammenfassung Mit zuletzt 42 Mrd. Euro Umsatz, 184.000 Mitarbeitern in iiber 70 Landern und 1,8 Mrd. Euro Gewinn vor Steuern gehort ThyssenKrupp zu den grofien Industrie- und Technologiekonzemen weltweit. Die Schwerpunkte Stahl, Industriegiiter und Dienstleistungen und ihre sechs Segmente - Steel, Stainless, Automotive, Technologies, Elevator und Services - markieren die Kompetenzfelder des Konzerns. Der ThyssenKrupp Konzern verfolgt das Ziel, seine Internationale Wettbewerbsfahigkeit zu sichern, zukunftsfahige Arbeitsplatze zu bieten und Werte zu schaffen. Um die Position an den Weltmarkten nachhaltig zu starken, setzt ThyssenKrupp auf Wachstum aus eigener Kraft. Eine entscheidende RoUe spielt dabei das konzemweite Wertsteigerungsprogramm ThyssenKrupp best (best steht fiir business excellence in service and technology). Mit ThyssenKrupp best sollen bestehende Starken des ThyssenKrupp Konzerns besser genutzt und Schwachstellen konsequent beseitigt werden. Der vorliegende Beitrag soil aufzeigen, welche Performance-Kriterien auf Konzernbzw. Segmentebene fiir das Konzernprogramm erfasst werden. Anschliefiend wird exemplarisch dargestellt, wie die Ableitung von Zielen, die Definition von Handlungsfeldern und deren Controlling im Rahmen einer ThyssenKrupp best-Initiative funktionieren. Abschliefiend wird das Managementtool best plaza vorgestellt. Best plaza ist eine web-basierte Reporting- und Kommunikationsplattform, die alien Projektbeteiligten zur Verfugung steht und damit fiir das Konzernprogramm „das'' Tool zur Messung des Organisationserfolges ist.
266
Orsanisations-ControUins am Beispiel des Wertsteiserungsprosromms „ThyssenKrupp best"
Verdnderung ist beunruhigend, wenn sie uns aufgezwungen wird, und helebend, wenn sie durch uns geschieht. Rosabeth Moss Kanter (Harvard Business School)
1
Kurzportrat ThyssenKrupp
Mit zuletzt 42 Mrd. Euro Umsatz, 184.000 Mitarbeitern in iiber 70 Landern und 1,8 Mrd. Euro Gewinn vor Steuern gehort ThyssenKrupp zu den grofien Industrie- und Technologiekonzemen weltweit. Die Schwerpunkte Stahl, Industriegiiter und Dienstleistungen und ihre sechs Segmente - Steel, Stainless, Automotive, Technologies, Elevator und Services - markieren die Kompetenzfelder des Konzerns (vgl. Abbildung 1-1). In den meisten seiner Akti vita ten besetzt ThyssenKrupp internationale TopMarktpositionen. ^
Abbildung 1-1:
Konzernstruktur ThyssenKrupp AG
Konzemstiuktur ThyssenKrupp AG
StttI
Steelmaking Industry Auto Processing
Stainless
Automotive
Nirosta AccialSpeclaH TemI Mexinox Shanghai Krupp Stainless Stainless international
Body Chassis Power^ain
Technologies
Elevator
Services
Plant Technology Marine Systems Mechanical Engineering Transrapid
4regionale Business Units Escalators/ Passenger Boardir^ Bridges Accessibility
Materials Services Europe Materials Services North America Inchistrial Services Special Products
VOH \
StiW
IndustrtegO^r
ThyssenKrupp
Olenstlelstungen
^Sjk
^^
Vgl. Geschaftsbericht ThyssenKrupp AG 2004/2005.
267
Jursen Claassen
Das Leistungsportfolio ist breit gefachert. ThyssenKrupp stellt mafigeschneiderte Stahlqualitaten her, die - beispielsweise fiir Karosserieteile eingesetzt - das Autofahren billiger, energiesparender und sicherer machen. Es werden Hochleistungswerkstoffe mit Nickel oder Titan fiir die Luft- und Raumfahrt produziert. Automobilbauer in aller Welt beziehen von uns eine umfangreiche Palette innovativer Komponenten und Subsysteme - von Bauteilen, Motorkomponenten und Lenksaulen bis hin zu kompletten Fahrwerken. Zum Produktprogramm gehoren ebenso U-Boote und Megayachten, Anlagen zur Olsandgewinnung oder fiir Diingemittel wie auch Aufziige, Fahrtreppen und Fluggastbriicken. Immer wichtiger werden dariiber hinaus die internationalen Dienstleistungen des Konzerns fiir industrielle Kunden. Unser Ziel ist eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes. Dies konnen wir nur erreichen, wenn wir uns auch kiinftig erfolgreich im immer harteren internationalen Wettbewerb behaupten. Individuelle Problemlosungen fiir Kunden, hohe technologische Standards und iiberzeugende Innovationskompetenz sind die Schliissel zum Erfolg. Aber auch in Bezug auf die Organisation und unternehmensinterne Prozesse aller Art setzt ThyssenKrupp konsequent auf standige Optimierung. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das konzernweite Wertsteigerungsprogramm ThyssenKrupp best (best steht fiir business excellence in service and technology), das im folgenden Kapitel vorgestellt wird. Neben allgemeinen Kriterien des „Organisations-Controllings" auf der Ebene des Gesamtprogramms ThyssenKrupp best wird im Kapitel 3 - am Beispiel des Funktionsbereiches „Einkauf" - die konzerninitiierte und segmentiibergreifende Durchfiihrung sowie das Performance-Controlling eines Reorganisationsprozesses (Lieterantenmanagement) vorgestellt. Das eigentliche Controllingwerkzeug „best plaza" wird im Kapitel 4 beschrieben. Abschliefiend wird im Kapitel 5 ein Ausblick auf die Schwerpunkte der weiteren Entwicklung von ThyssenKrupp best gegeben.
Das Wertsteigerungsprogramm ThyssenKrupp best
2.1
Ziele und Inhalte
Der ThyssenKrupp Konzern verfolgt das Ziel, seine Internationale Wettbewerbsfahigkeit zu sichem, zukunftsfahige Arbeitsplatze zu bieten und Werte zu schaffen. Um die Position an den Weltmarkten nachhaltig zu starken, setzt ThyssenKrupp best auf
268
Organisations-ControUins am Beispiel des Wertsteiserungsprosramms
„ThyssenKrupp best**
Wachstum aus eigener Kraft. Mit ThyssenKrupp best sollen bestehende Starken des ThyssenKrupp Konzems besser genutzt und Schwachstellen konsequent beseitigt werden. Gestartet wurde das Konzemprogramm im Herbst 2001 mit dem Ziel einer umfassenden und ganzheitlichen Performancesteigerung, im Gegensatz zu reinen Kostensenkungsprogrammen in anderen Unternehmen. Mit ThyssenKrupp best wurden im ThyssenKrupp Konzern eine Organisation und eine Infrastruktur aufgebaut, die die Umsetzung von Verbesserungsprojekten fordern und erleichtem. Erstmalig werden konzernweit systematisch Know-how und Methoden gesammelt, die fiir die Arbeit in Verbesserungsprojekten notwendig sind. Sowohl diese Tools als auch die im Rahmen des Programms bearbeiteten Projekte werden in einem web-basierten ManagementTool (best plaza - siehe Kapitel 4) erfasst und stehen alien Programmbeteiligten zur Verfiigung. Im Rahmen der ThyssenKrupp Strategie zur Wertsteigerung ist mit dem Konzemprogramm ThyssenKrupp best neben der Konzernstrategie und den kontinuierlichen Produktivitatssteigerungen ein zusatzlicher Hebel definiert worden (vgl. Abbildung 2-1).
Abbildung 2-1:
Strategie zur Wertsteigerung von ThyssenKrupp
Strategie zur Wertsteigerung von ThyssenKrupp
Strategic Fokussierung des Konzems innerhaib von -Steel - Capital Goods - Services Weiterentwicklung der Segmente - aktives Portfolio-Management - internes Wachstum - verstdrkte Oienstleistungsorientierung (Zielanteil am Umsatz: 30 %)
Produktivitatssteigerungen und Restrukturierung
IhysMnKnipp
best P ThyssenKrupp best
Kontinuieriiche Produktivitdtssteigerung von mindestens 2%bis3%jdhriich - Personalanpassung - Verbesserung Underperformer - Erreichung der Synergieziele - Restrukturierung / Sanierung
12% ROCE ThyssenKrupp
269
Jijrsen Claassen
Der im Rahmen der Strategie festgelegte konsequente Ausbau leistungsstarker Gesellschaften sowie die kontinuierlichen Produktivitatssteigerungen („Innovative Change'') in den Konzernunternehmen werden durch ThyssenKrupp best erganzt und zwar im Sinne einer umfassenden - durch viele Mitarbeiter getragenen - Effizienzsteigerung aller operativen Ablaufe und Strukturen. Auf den Priifstand kommen dabei unsere internen Ablaufe, unsere Kunden- und Lieferantenbeziehungen, alle eingesetzten Ressourcen sowie unsere Fiihrungs- und Organisationsstrukturen.2 In den Konzernunternehmen der ThyssenKrupp AG werden regelmafiige Screeningprozesse initiiert,^ anschliefiend Handlungsfelder definiert und neue Projekte aufgesetzt, die letztendlich zu einer Vielzahl von umzusetzenden Mafinahmen und Einzelschritten fiihren. ThyssenKrupp best ist im Januar 2002 mit acht Pilotprojekten gestartet und umfasst mittlerweile 4.876 nationale und international Projekte (vgl. Abbildung 2-2).
Abbildung 2-2:
Hochlauf der ThyssenKrupp best Projekte ah 2002
Projektbilanz ThyssenKrupp best 4.876 Projekte weltweit
best
5.000 4.500
4.000 3.500 3.000 2.500 2.000
:^!Hii
1.500 1.000 500 0
i'
IJ U UI iJ111JMIJJJJJ LIXiLIXM. -•—0^2001/02—^
- GJ 2002/03-
ijj. iUXI
- GJ 2003/04-
UnKouMfM
-GJ 2004/05
^ InBMititltiifif
ThyssenKrupp
Vgl. hier und im Folgenden: Berlien/Kirsten/Oelert/Schutt (2006). Im Rahmen von ThyssenKrupp best werden den Konzernunternehmen verschiedene Methoden zum Screening der Unternehmensperformance angeboten. Diese reichen von Benchmark- iiber Werttreiberanalysen bis zu Excellence-Modellen im Rahmen der EFQM-Methodik (European Foundation for Quality Management). 270
Orsanisations-ControUins
am Beispiel des Wertsteiserunsspro^ramms
„ThyssenKrupp best"
Inhaltlich ist ThyssenKrupp best in 10 Initiativen gegliedert, die an verschiedenen Hebeln zur Wertsteigerung ansetzen (vgl. Abbildung 2-3).4
Abbildung 2-3:
ThyssenKrupp best Initiativen ~ ,^ •;_ _^' """"
1 TflpliilfCf^
I
H
Einbindung von Mitarbeitern und Fijhrungskraften
H i Vertrieb
H I Optimale Leistungsqualitat durch Prozessinnovation
H i Einkauf
H
Erhohung Kapitalproduktivitat
H
H
Dienstleistungsorientierung
H I WeiterentwJcklung der Organisation
H
Wertmanagement durch Steuern aller Werttreiberhebel
H
Verbesserung der operativen Effizienz
Wissens- und Innovationsmanagement
i
• • •
^
:
(=> Optkmaie Handlimgsfelder fOrdie Untemehmenseinheiten
B'=> Einheitliche Methoden • fOr jede Initiative m Sicherung des Know-how• Transfers zwischen den 1 Segmenten
ThyssenKrupp
@
Die Schwerpunkte der operativen Arbeit liegen momentan auf den Initiativen „Verbesserung der operativen Effizienz'', „Vertrieb'' und „Dienstleistungsorientierung'' sowie auf der Einkaufsinitiative, die im Kapitel 4 mit dem Projekt „Lieferantenmanagement" als Beispiel fiir einen Reorganisationsprozess unter Beriicksichtigung von Performanceaspekten detaillierter dargestellt wird.
Vier Initiativen (Mitarbeitereinbindung, Wertmanagement, Organisationsentwicklung, Wissens- und Innovationsmanagement) decken grundlegende Themen ab, die iibrigen Initiativen wirken unmittelbar auf die Wertsteigerungshebel Umsatz, Kosten, Anlagevermogen und Net Working Capital. 271
Jurgen Claassen
2.2
Programmorganisation
Organisatorisch wird das Programm durch eine eigene Organisation mit Verantwortlichkeiten auf alien Konzernebenen unterstiitzt. Die Programmorganisation von ThyssenKrupp best stellt die einheitliche Koordination und den segmentiibergreifenden Erfahrungsaustausch sicher und entspricht der dezentralen Organisationsstruktur von ThyssenKrupp. Die Gesamtsteuerung des Konzernprogramms wird durch den Lenkungskreis auf Konzernebene wahrgenommen. Die Steuerung in den Segmenten erfolgt durch das jeweilige Kernteam (vgl. Abbildung 2-4).5 Im Koordinatorenkreis ist jedes Segment durch einen Koordinator und die Programmleitung von ThyssenKrupp best vertreten. In diesem Kreis werden in regelmafiigen Abstanden alle Informationen iiber den Programmfortschritt und die Erreichung der gesetzten Ziele in den einzelnen Segmenten zusammengetragen und iiber das Programmbiiro in den Lenkungskreis weitergegeben. Der Koordinatorenkreis wird von einem „virtuellen" Programmbiiro^ unterstiitzt, welches den Know-how-Transfer, die Weiterentwicklung von Methoden und Tools sowie die Kommunikation und das Reporting gemeinsam mit den Vertretern der Segmente gewahrleistet. Erganzt wird die Programmorganisation durch rcgelmafiige Managementgesprache des Vorstandsvorsitzenden der ThyssenKrupp AG mit seinen Kollegen aus den jeweiligen Segmenten sowie durch Vor-Ort-Projektbesuche der Konzern- und Segmentvorstande.
Die Segmente (Steel, Stainless, Automotive, Technologies, Elevator und Services) sind im Rahmen der abgestimmten Segmentziele selbststandige Einheiten mit strategischer und operativer Zustandigkeit. Die Leitung der Segmente erfolgt jeweils durch eine SegmentFiihrungsgesellschaft. Zur Schaffung transparenter Organisationsstrukturen sind die Segmente durch Biindelung vergleichbarer Geschaftseinheiten in Business Units untergliedert. Die Konzernunternehmen sind Trager des operativen Geschafts im ThyssenKrupp Konzern. Sie berichten entsprechend der Struktur innerhalb der Segmente, setzen die mit den Segmenten vereinbarten Strategien um und iibernehmen im Rahmen der abgestimmten Ziele die Eigenverantwortung fiir das operative Ergebnis. Das Programmburo in der Konzernzentrale setzt sich zusammen aus Mitarbeitern der Zentralbereiche „Communications and Strategy" und „Controlling". 272
Organisations-Controlling
Abbildung 2-4:
am Beispiel des Wertsteigerungsprogramms
„ThyssenKrupp best*'
Programmorganisation ThyssenKrupp best
Programmorgariisatlon ThyssenKrupp best Konzern
'^^'^ThSst ^
Segmente
Steuerung
Koordination
Pi#rictte$iielievorOrt
I
ThyssenKrupp
Die eigentliche Durchfiihrung von Projekten erfolgt durch die Projektteams in den Konzernunternehmen. Alle ThyssenKrupp best-Projekte werden mit einem einheitlichen Management-Tool (best plaza) erfasst, strukturiert und mit zeitlichen Meilensteinen versehen. Neben den Aspekten Projektmanagement sowie Reporting und Controlling dient best plaza aber auch als wichtige Plattform fiir den konzernweiten Know-how-Transfer (vgl. Abbildung 2-5). Mit best plaza haben die Mitarbeiter weltweiten Zugriff auf alle Projekte und konnen somit auf das bereits im Konzern vorhandene Wissen zuriickgreifen. In einem automatisch generierten Projekt-Steckbrief findet man fiir jedes Projekt neben den Kontaktdaten des Projektleiters eine Kurzbeschreibung sowie die Darstellung der Projektziele bzw. - bei schon beendeten Projekten - die wesentlichen Projektergebnisse. Dariiber hinaus ermoglicht best plaza die Suche und Auswertung von Projekten nach Regionen, Initiativen oder spezifischen Tools und Key Performance Indikatoren. Am Beispiel der Einkaufsinitiative wird best plaza im Kapitel 4 detaillierter vorgestellt.
273
Jursen Claassen
Ahbildung 2-5:
1
2
Management-Tool best plaza
Konsistente Behandiung der wettweiten Projekte •
Konsistente Projektstrukturierung mit ktaren Verantwortlichkeiten und Meilensteinen
•
Quantlfizierung der Projektziele in Scorecards
Klarheit uber Projekt- und Programmstatus *
Ampeinfurdas Projekt-und Programmmonitoring
*
Durchdachte Reportingfunktionen
Traffic lights
Reports
•nppp
Untersttitzung von Wissensaustausch und Kommunikation •
Suchmaschine fOr Projekte
Search function
Know-how section
Oownloadmdglichkeit fur Tools, detailierte Projektbeschreibungen etc.
ThyssenKrupp
Organisations-Controlling im Rahmen von ThyssenKrupp best Im Folgenden soil aufgezeigt werden, welche Performance-Kriterien auf Konzernbzw. Segmentebene fiir das ThyssenKrupp Reorganisations- und Controlling-Objekt „ThyssenKrupp best" erfasst werden. Anschliefiend wird exemplarisch dargestellt, wie die Ableitung von Zielen, die Definition von Handlungsfeldern und deren Controlling im Rahmen einer Initiative (hier: EinkaufsinitiativeA-ieferantenmanagement) funktionieren. Grundsatzlich gilt, dass die Detaillierungstiefe des Performance-Controllings von ThyssenKrupp best mit zunehmendem Abstand von den einzelnen Initiativen bzw. Projekten abnimmt. Das bedeutet umgekehrt, dass die Kriterien zur PerformanceMessung auf den Ebenen der Initiativen bzw. Projekte sehr heterogen werden konnen.
274
Orsanisations-ControUins am Beispiel des Wertsteigerungsprosramms „ThyssenKrupp best*'
3.1
Gesamtprogramm
Seitens der Konzernleitung werden den Segmenten im Rahmen des Gesamtprogramms ThyssenKrupp best keine zu erreichenden Zielgrofien vorgegeben. Generell gilt, dass ThyssenKrupp best die Konzernperformance ganzheitlich verbessern soil. Dementsprechend wird der Erfolg des Konzernprogramms auf Konzemebene bzw. auf der Ebene der Segment-Fiihrungsgesellschaften an vergleichsweise wenigen und allgemeinen Faktoren gemessen. Quantitative Erfolgskriterien sind neben der Anzahl der beendeten bzw. in Bearbeitung befindlichen Projekte die finanzwirtschaftlichen Kriterien „EBIT-Verbesserung"7 und „Reduzierung des Capital Employed''8. Diese Kenngrofien sind „die" entscheidenden Faktoren zur Performancekontrolle von ThyssenKrupp best auf Konzemebene. Da den Segmenten keine Zielgrofien vorgegeben werden, kann ein direkter Soll/IstVergleich nicht durchgefiihrt werden. Indirekte Vergleiche setzen dann allerdings an Vergleichsmerkmalen wie Segmentgrofie oder -struktur an. Neben den quantitativen Erfolgskriterien gibt es qualitative Faktoren, die auch auf den Aggregationsebenen Konzern bzw. Fiihrungsgesellschaft erfasst werden. Hierzu zahlen insbesondere die Nutzung von best plaza und der darauf zuriickzufiihrende bilaterale oder multilaterale Wissenstransfer, aber auch Kriterien wie die Mitarbeiterbeteiligung an Schulungen oder Screenings sowie die Beteiligung der Konzernunternehmen an der Ausschreibung des ThyssenKrupp best Award.^
3.2
Einkaufsinitiative
Anfang des Jahres 2005 wurde die ThyssenKrupp best Einkaufsinitiative gestartet. Neben der substanziellen quantitativen Steigerung der Konzernertragskraft verfolgt diese segmentiibergreifende Initiative auch das Ziel, die Organisationsfunktion „EinkauP' innerhalb von ThyssenKrupp qualitativ zu starken (vgl. Abbildung 3-1). Gleichzeitig werden die laufenden ThyssenKrupp best-Aktivitaten zum Thema „Einkauf' zusammengefasst, neue Handlungsfelder systematisch identifiziert und in konkrete Projekte umgesetzt, die anschliefiend entsprechend der ThyssenKrupp bestSystematik im Rahmen von best plaza dokumentiert werden.
"^ KBIT - Earnings Before Interest and Taxes - Gewinn vor Zinsaufwand und Steuern. 8 Capital Employed - eingesetztes Kapital. 9 Preis fiir die wertvollsten abgeschlossenen ThyssenKrupp best Projekte eines Jahres. 275
Jurgen Claassen
Abbildung 3-1:
Ziele der Einkaufsinitiative
iiiiii^^ Substanzielle Steigerung der Ertragskraft des Konzerns
Qualitative Starkung der Einkaufsfunktion
^i?i
ThyssenKrupp
Die segmentiibergreifend initiierte Einkaufsinitiative umfasst die folgenden Kernelemente: •
Top-down-Zielableitung
•
Performance-Screening
•
Masterplan fiir Projekte
•
Realisierungs- und Effekt-Controlling
In Erganzung zu dem sonst iiblichen methodischen Vorgehen bei ThyssenKrupp best wurden fiir das Reorganisationsprojekt „Einkauf" fiir jedes Segment in einem Topdown-Prozess auf der Basis der jeweiligen Einkaufsvolumina und entsprechender Benchmarks monetare Potenzialziele vereinbart. Zur Bestimmung des Status-quo der Einkaufsfunktion auf Ebene der Konzernunternehmen wird innerhalb des Unternehmens ein spezifisches Screening-Tool mit der so genannten Procurement Performance Analysis (PPA) eingesetzt. Anhand eines im Detail 111 Einzelbewertungspunkte umfassenden Kriteriensets wird hierbei die Leistungsfahigkeit der Einkaufsfunktion ermittelt. Der ganzheitliche Ansatz dieser Methode umfasst neben klassischen Beschaf-
276
Orsanisations-ControUins
am Beispiel des Wertsteiserungsprosramms
„ThyssenKrupp best*'
fungsthemen (z.B. Bedarfsanalyse, Biindelung oder Lieferantenmanagement) auch Prozess- und Enablerfelder (z.B. Einkaufsorganisation, Einkaufscontrolling und Personalmanagement).
Abbildung 3-2:
Procurement Performance Analysis (PPA)
Inhalte Screening
ThysiMlOnipfi
best^
PreciMimnt Ptrformwict Anafytl8(PPA)
Aufnahm*
Stnjkturfffte Btw^itung Bnkauispraztst und EinkaufirorganiMtton; Vergitich mit G«tamtorganiBaticMi sowi# Branchtndunihfchnitt Erstt Abltitung von Handtungivmpfchlungan zur Optimierung Einkaufslunktion und MMSung VarbMstmngsaffiikt .«
Bwchaffungs- Jportfolio
mmmm
^
^
^
Ennittlung und StfuMuritmng titdteNiehM B^tchaflUngsvolumtn inntrhalb d«s Konztmunttmthmfns, ttilwfis« inid. " Konztmlntamor B^K^iaflingiaffttil - Wartngnjpp^nstniMUjr
indikation Emiittlung tHiw •rittn PotmiziaiindikaHon tir WMMitKeht Wiirtngnftptn
ThyssenKrupp
Die abschliefiende Bewertung der Einkaufsfunktion erfolgt anhand von vier Klassen, die letztendlich die organisatorische Integration bzw. den Status des Einkaufs im Konzern widerspiegeln: •
Substandard - Einkauf als Bestellinstrument
•
Standard
•
Professionell - Einkauf als Organisationskonzept
•
World Class
- Einkauf als Untemehmensfunktion
- Einkauf als Managementkonzept
Die Analyseergebnisse mittels der PPA ergeben (direkt) detaillierte Hinweise auf monetare und nicht-monetare Verbesserungspotenziale und (indirekt) auch auf die Moglichkeit des Einsatzes einkaufsspezifischer Tools (Linear Performance Pricing, Total Cost of Ownership Analysis, Design-to-Cost etc.) zur Hebung der identifizierten Potenziale. Angesichts der Anzahl der im Rahmen der PPA adressierten Einzelbewer-
277
Jursen Claassen
tungspunkte gibt es dementsprechend auch viele theoretisch mogliche Kennzahlen zur Messung eines Organisationserfolges. Neben den Materialkosten und Logistikaufwendungen sind dies z.B. auch die Qualitat der Einkaufsteile, die Termintreue des Lieferanten oder auch die Komplexitat eines Zukaufteiles. Die Procurement Performance Analysis wird erganzt durch intensive Datenanalysen und Gesprache mit den Einkaufsverantwortlichen und deren Schnittstellenpartnem. Als Ergebnis des Screeningprozesses erhalt das Konzernunternehmen eine Indikation iiber die Performance der Einkaufsorganisation sowie konkrete Hinweise auf mogUche Starken und Schwachen. So war ein Ergebnis der bisher durchgefiihrten Screenings, dass segmenttibergreifend das Lieferantenmanagement innerhalb des Konzerns, d.h. der Prozess zur Auswahl, Bewertung und Entwicklung von Lieferanten, systematisiert und vereinheitlicht wurde. Die Notwendigkeit dazu war ein klares, segmentunabhangiges Signal, basierend auf dem Screeningprozess in den Konzernunternehmen. Die methodische Vorgehensweise bei der Bewertung der Lieferanten war bisher im Konzern nicht harmonisiert, und die jeweiligen Ergebnisse wurden dementsprechend auch nicht aktiv im Konzern kommuniziert. Ein segmentiibergreifendes Projektteam hat den bisherigen Prozess der Lieferantenbewertung analysiert und Vorschlage zur Verbesserung der Prozesse gemacht, um eine konzernweit einheitliche Lieferantenbewertung zu erreichen. Im Rahmen der Reorganisation des Lieferantenmanagements wird der Lieferant jetzt von einem crossfunktionalen Team anhand von bereichsspezifischen Fragenkatalogen zu den Themengebieten Einkauf, Qualitat, Logistik und Technik bewertet (vgl. Abbildung 3-3). Die Bewertung erfolgt auf der Ebene des Konzemunternehmens nach den ubergeordneten Kriterien Leistung, Kosten, Systeme und Service. Die Gewichtung der iibergeordneten Kriterien sowie deren Detaillierung erfolgen geschaftsspezifisch innerhalb der Segmente. Damit ist sichergestellt, dass die Bewertungen konzernweit vergleichbar sind und die Anforderungen an die speziellen Geschaftsarten der Segmente und der Konzernunternehmen beriicksichtigt werden. Die Ergebnisse der Bewertungen werden sowohl innerhalb der Organisation als auch gegeniiber den Lieferanten bekannt gemacht. Die Lieferanten bekommen hierdurch ein objektives Feedback zu ihrer Leistungsfahigkeit sowie die Moglichkeit, sich entsprechend weiterzuentwickeln. Hierzu werden Entwicklungs- oder Mafinahmenplane durch die Verantwortlichen bei den jeweiligen ThyssenKrupp Organisationen abgestimmt, mit Terminen versehen und gemeinsam mit den Lieferanten abgearbeitet. Die Vorteile fiir die Lieferanten liegen zum einen in einer starkeren Bindung an ThyssenKrupp. Zum anderen erhalten sie durch die Leistungssteigerung Vorteile gegeniiber ihren Wettbewerbern im Markt.
278
Organisations-Controlling am Beispiel des Wertsteiserungsprogramms „ThyssenKrupp best*'
Ahhildung 3'3:
Lieferantenmanagement
Ltef(»^iiteAmiuiafl6im»t«- QniiUildte
idee
best:>
Lieferantenoptimierung
Lieferantenbeweftung
• Ketne Bewertung darf ohne Konsequenz bteibeni
• Unternehmenseinheitliche Bewertungsl