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German Pages 296 Year 2006
Leonid Jasvoin Integration der Unsicherheitsaspekte in die Schedule-Optimierung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europäischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network
Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers, European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht, RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke; Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Leo Schuster, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Universität Bamberg; Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants
Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Beiträge zur ökonomischen Forschung im europäischen Kontext.
Leonid Jasvoin
Integration der Unsicherheitsaspekte in die Schedule-Optimierung Empirische Modellierung unter Anwendung der Fuzzy-Theorie am Beispiel des Luftverkehrs
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Heinrich Rommelfanger
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Frankfurt am Main, 2005
1. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0324-0 ISBN-13 978-3-8350-0324-8
V
Meiner Familie
VII
Geleitwort Die fortschreitende Globalisierung der Weltmärkte, die Harmonisierung der Produkte und die Sättigung der Verbrauchernachfrage in der ersten Welt setzen Unternehmen einem zunehmenden Konkurrenzdruck aus. Um Produktions- oder Dienstleistungen verkaufen zu können, sind sie daher gehalten, Aufträge möglichst schnell und kostengünstig auszuführen. Dabei sind die Festlegung der zeitlichen Reihenfolge, in der Aufträge bearbeitet werden sollen, und die Zuordnung von mengen- und terminmäßig spezifizierten Aufträgen zu Ressourcen zentrale Entscheidungskomponenten im Produktionsund Servicebereich, welche den operativen Gewinn von Unternehmen stark beeinflussen. Es ist daher wichtig, diese Pläne ("Schedule") möglichst optimal festzulegen, um Engpässe zu vermeiden und eine effektive Auslastung der Ressourcen zu erzielen. Bei realen Scheduling-Problemen tritt zumeist die Schwierigkeit auf, dass einige der Parameter nur ungenau beschrieben werden können, wie z. B. Bearbeitungs- oder Lieferzeiten, Material-, Maschinen oder Personenverfügbarkeit, Marktnachfragen. Werden diese Unsicherheiten bei der Festlegung eines Schedules nicht adäquat berücksichtigt, so läuft man Gefahr, dass der festgelegte Plan nicht mehr effizient oder gar nicht mehr durchführbar ist. Aktuell werden Unsicherheiten in Scheduling-Modellen entweder ignoriert, oder man unterstellt, dass man die Unsicherheiten durch eine bekannte Wahrscheinlichkeitsverteilung beschreiben kann. In der Realität ist aber die Annahme konstanter Rahmenbedingungen häufig nicht zutreffend. In seiner Dissertation liefert Herr Jasvoin einen viel versprechenden Ansatz, Unsicherheitsaspekte in die Flugplanoptimierung und allgemein in das Scheduling zu integrieren. Um eine zutreffendere Beschreibung der Daten zu erzielen, werden neben den Vergangenheitsdaten auch die subjektive Erfahrung von Experten zur Beschreibung der für das Scheduling relevanten Parameter verarbeitet. Der Autor liefert innovative und überzeugende Lösungen zu sehr komplexen Optimierungsproblemen, die angesichts des Konkurrenzkampfes auf internationalen Märkten Lösungen von immenser Bedeutung sind. Die empirischen Tests mit dem professionellen Sortware-Tool, mit dem eine Bewertung und Optimierung reeller Flugpläne internationaler Fluggesellschaften vorgenommen werden kann, belegen eindrucksvoll die Vorteile dieses innovativen Ansatzes. Heinrich Rommelfanger
IX
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation im Rahmen des von Roland Berger Strategy Consultants geförderten Promotionsprogramms und wurde von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main angenommen. Das Zustandekommen der Arbeit war an die Mithilfe zahlreicher Personen gebunden, bei denen ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Mein besonderer Dank und persönliche Wertschätzung gilt meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Heinrich Rommelfanger für die Betreuung der Promotion, die vielen hilfreichen Diskussionen und die stets höchst wissenschaftlich kompetenten Anregungen sowie für das jederzeit entgegengebrachte Interesse am Fortgang der Arbeiten. Herrn Prof. Dr. Heinz Isermann danke ich herzlich für die Übernahme des Koreferats. Der Firma Roland Berger, aller voran Dr. Uwe Kumm und Dr. Philipp Goedeking, die mir durch ihre Unterstützung die konzentrierte Bearbeitung meines Forschungsvorhabens ermöglichten, gilt ebenfalls mein Dank. Bedanken möchte mich bei Dr. Sven Bartels, der mich oft durch kompetente fachliche Ratschläge, Diskussionen, Literaturhinweise aber auch durch aufbauende Worte unterstützt und motiviert hat. Meiner Frau Anna will ich ebenso einen besonderen Dank für ihre Geduld und ihr Verständnis aussprechen, da sie direkt unter dem Aufwand für diese Arbeit zu leiden hatte. Ein großes Anliegen ist es mir, mich bei meinen Eltern zu bedanken; sie haben mir meine Ausbildung ermöglicht und waren für mich stets in jeder Hinsicht vorbildliche Eltern.
Leonid Jasvoin
XI
Inhaltsverzeichnis Geleitwort.................................................................................................................... Vorwort....................................................................................................................... Inhaltsverzeichnis....................................................................................................... Abbildungsverzeichnis................................................................................................ Tabellenverzeichnis.................................................................................................... Symbolverzeichnis...................................................................................................... Abkürzungsverzeichnis............................................................................................... 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einleitung.............................................................................................. Problemstellung..................................................................................... Flugplanoptimierung als ein Scheduling-Problem.................................. Zielsetzung............................................................................................. Gang der Untersuchung.........................................................................
2
2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3 2.3.3.3.1 2.3.3.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements................................................................................................ Einführung.............................................................................................. Grundlagen der Luftverkehrswirtschaft.................................................. Definition und Abgrenzung des Luftverkehrs......................................... Eigenschaften der Produktion von Verkehrsleistungen......................... Charakteristika des Angebots................................................................ Charakteristika der Nachfrage............................................................... Entwicklung des Luftverkehrs................................................................ Entwicklung der wichtigsten politischen Rahmenbedingungen im Luftverkehr................................................................................................... Regulierung des Luftverkehrs in den USA und Europa......................... Deregulierungs- und Liberalisierungsprozess im Luftverkehr................ Auswirkungen der Deregulierung und Liberalisierung auf die Luftverkehrsmärkte........................................................................................... Streckennetze und Flugangebot............................................................ Flugpreise.............................................................................................. Wettbewerb und Marktstruktur............................................................... Wettbewerb zwischen etablierten und neuen Fluggesellschaften......... Strategische Flugallianzen und Kooperationen..................................... Grundzüge des Airline-Netzwerkmanagements.................................... Aufgaben und Funktionen des Airline-Netzwerkmanagements............. Grundgedanke der Netzwerkoptimierung.............................................. Airline-Netzwerke................................................................................... Prozess der Flugplanung.......................................................................
3 3.1
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung................................. Einführung..............................................................................................
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
VII IX XI XV XXI XXIII XXXI
1 1 2 3 4 6 6 6 6 7 8 9 11 12 12 13 15 16 17 17 17 19 23 24 28 30 35 48 48
XII
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.2.1 3.2.3.2.2 3.2.3.2.3 3.2.3.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.2.3.1 3.3.2.3.2 3.3.2.3.3 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2 3.3.3.3 3.3.3.4 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.4 4.2.4.1 4.2.4.2 4.3
Inhaltsverzeichnis
Quantitative Flugplanoptimierung.......................................................... Überblick über die wichtigsten Kategorien der quantitativen Optimierungsmodelle in der Luftfahrtindustrie.................................................... Reihenfolge der Initialisierung der quantitativen Modelle zur Festlegung der optimalen Zeitenlagen der Flüge............................................ Modelle zur Flugplanoptimierung........................................................... Darstellung der Flugnetzwerke im Rahmen der Graphentheorie........... Scheduling-Modelle............................................................................... Flugplanoptimierung mit Slot-Assignment-Modellen.............................. Flugplanoptimierung mit Zeittafel-Modellen........................................... Modelle zur simultanen Optimierung der Zeitenlagen und der Flugzeugzuordnung...................................................................................... Flugzeugrotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen................... Lösungsverfahren der Flugplanoptimierungsmodelle............................ Überblick über die potenziellen Lösungsverfahren................................ Exakte Lösungsverfahren...................................................................... Vollständige Enumeration...................................................................... Schnittebenenverfahren......................................................................... Entscheidungsbaumverfahren............................................................... Dynamische Optimierung....................................................................... Begrenzte Enumeration......................................................................... Branch-and-Bound-Verfahren................................................................ Heuristische Lösungsverfahren............................................................. Eigenschaften und Arten heuristischer Verfahren................................. Tabu-Suche........................................................................................... Simulated Annealing.............................................................................. Genetische Algorithmen......................................................................... Irregulärer Flugbetrieb........................................................................ Einführung.............................................................................................. Entstehung, Entwicklung und Auswirkung von Flugverspätungen........ Irreguläre Ereignisse als Ursache von Flugverspätungen..................... Entwicklung der Flugverspätungen........................................................ Alternative Reaktionsmöglichkeiten der Fluggesellschaften auf Flugverspätungen......................................................................................... Taktische Reaktionsmaßnahmen auf die Flugverspätungen................ Strategische Reaktionsmaßnahmen auf die Flugverspätungen............ Auswirkungen der Flugverspätungen aus Sicht der unterschiedlichen Beteiligten.............................................................................................. Auswirkungen der Flugverspätungen auf die Fluggesellschaften.......... Auswirkungen der Flugverspätungen auf die Passagiere...................... Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte in der modernen Flugplanung.......................................................................................................
48 48 49 50 50 51 52 56 58 59 64 64 66 66 66 66 67 67 68 69 69 72 76 77 79 79 79 79 85 87 87 90 92 92 104 107
Inhaltsverzeichnis
4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.3.1 5.3.3.2 5.4 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.2.1
Modelle zur Flugplanwiederherstellung (Schedule Recovery Models).. Messung und Optimierung der Robustheit und Zuverlässigkeit der Airline-Planung....................................................................................... Nicht stochastische Modelle zur Optimierung von Flugplänen.............. Stochastische Modelle zur Optimierung von Flugplänen....................... Simulationsbasierte Modelle zur Optimierung von Flugplänen.............. Darstellung der U nsicherheitsaspekte mit Hilfe der Theorie der Fuzzy-Mengen...................................................................................... Einführung.............................................................................................. Grundlagen der Theorie der Fuzzy-Mengen.......................................... Grundgedanke und Definition von Fuzzy Mengen................................. Basisdefinitionen der Theorie der Fuzzy-Mengen................................. Modellierung der Unsicherheit mit Hilfe der Theorie der FuzzyMengen.................................................................................................. Gestalt und Interpretation der Zugehörigkeitsfunktionen....................... Rangordnung und Vergleich der als Fuzzy-Mengen dargestellten Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge...................................................... Herleitung der Zugehörigkeitsfunktionen für Fuzzy-Ankunfts- und Abflugszeiten.............................................................................................. Ableitung der Zugehörigkeitsfunktionen aus Häufigkeiten sowie aus Wahrscheinlichkeits- bzw. Dichteverteilungen....................................... Ableitung der Zugehörigkeitsfunktionen aus subjektiven Aussagen...... Vor- und Nachteile der Abbildung von Unsicherheiten mit Hilfe der Theorie der Fuzzy-Mengen in der Flugplanoptimierung........................ Einsatz der Modelle diskreter Entscheidungen zur Passagiernachfrageschätzung auf Luftverkehrsmärkten................................. Einführung.............................................................................................. Überblick über die wichtigsten relevanten Modelle diskreter Entscheidungen................................................................................................... Anforderungen an ein in einem Flugplanoptimierungsmodell zur Passagiernachfrageschätzung eingesetztes Modell.................................... Verhaltensannahmen der Individuen in Modellen diskreter Entscheidungen................................................................................................... Struktur der Modelle diskreter Entscheidungen..................................... Multinominale Logit-Modelle.................................................................. Multinominale Probit-Modelle................................................................. Parameterschätzung und Teststatistik für Modelle diskreter Entscheidungen................................................................................................... Parameterschätzung mit der Maximum-Likelihood und der SimulatedMaximum-Likelihood-Methode............................................................... Teststatistik............................................................................................ Signifikanztests......................................................................................
XIII
107 110 110 111 113 116 116 116 116 118 119 119 124 127 128 132 134 138 138 138 139 140 142 144 149 153 153 154 154
XIV
Inhaltsverzeichnis
6.3.2.2
Anpassungstests....................................................................................
7
7.3.3 7.3.4
Entwicklung eines Fuzzy- und Marktmodell-basierten Flugplanoptimierungsmodells........................................................................... Einführung.............................................................................................. Modellformulierung und -implementierung............................................ Allgemeine Modellformulierung.............................................................. Modellimplementierung.......................................................................... Struktur und Implementierung der Sub-Probleme................................. Sub-Problem 1: Generieren der Flugverbindungen............................... Sub-Problem 2: Flugplanbewertung...................................................... Schätzung der Passagiernachfrage und der zu erwartenden Passagierumsätze........................................................................................... Evaluierung der Verspätungskosten...................................................... Master-Problem..................................................................................... Empirische Bewertungs- und Optimierungsläufe................................... Bewertung und Optimierung der Flugpläne von American Airlines in Chicago O'Hare...................................................................................... Bewertung und Optimierung der Flugpläne von American Airlines in Dallas/Fort Worth................................................................................... Bewertung und Optimierung der Flugpläne von Lufthansa in Frankfurt Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse...................................
207 212 216
8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien.............. Einführung.............................................................................................. Modelleinsatz im Transportwesen......................................................... Auswirkungen auf das Master-Problem und Restriktionen.................... Auswirkungen auf das Sub-Problem 1................................................... Auswirkungen auf das Sub-Problem 2................................................... Modelleinsatz im Supply Chain Management und in der Logistik.......... Auswirkungen auf das Master-Problem und Restriktionen.................... Auswirkungen auf das Sub-Problem 1................................................... Auswirkungen auf das Sub-Problem 2...................................................
219 219 220 221 223 224 226 227 229 229
9
Fazit und Ausblick...............................................................................
231
Anhang....................................................................................................................... Literaturverzeichnis.....................................................................................................
235 242
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.2.1 7.2.2.1.1 7.2.2.1.2 7.2.2.1.2.1 7.2.2.1.2.2 7.2.2.2 7.3 7.3.1 7.3.2
155 158 158 161 161 164 165 165 171 172 179 191 199 201
XV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1 Abbildung 2.1
Übereinstimmung der Flugplanoptimierung mit typischen Scheduling-Aufgaben...................................................................... Erscheinungsformen des Luftverkehrs............................................
3 7
Abbildung 2.2
Verteilung der Passagiere zwischen den Wochentagen.................
10
Abbildung 2.3
Verteilung der von US-amerikanischen Fluggesellschaften in 2004 monatlich transportierten Passagiere.....................................
11
Entwicklung der weltweit beförderten Flugpassagiere sowie der angebotenen und verkauften Passagierkilometer...........................
12
Abbildung 2.5
Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa.....................................
14
Abbildung 2.6
Bestehende Regulierungen und Wettbewerbsverzerrungen in der Luftfahrtindustrie und ihre Auswirkungen auf die Märkte................
15
Abbildung 2.7
Die Größten Newcomer und Pleiten in der amerikanischen Luftfahrtindustrie.............................................................................. 18
Abbildung 2.8
Entwicklung der Durchschnittserträge und Stückkosten der amerikanischen Fluggesellschaften nach der Deregulierung.......... 19
Abbildung 2.9
Synergiepotenziale einer Airline-Allianz..........................................
Abbildung 2.10
Die größten weltweiten Flugallianzen.............................................. 21
Abbildung 2.11
Mögliche Formen der netzwerkseitigen Kooperation im Luftverkehr....................................................................................... 22
Abbildung 2.4
20
Abbildung 2.12
Kostenstruktur einer Fluggesellschaft.............................................
24
Abbildung 2.13
Netzwerkmanagement als Schnittstelle zwischen der Produktions- und Passagiersicht.....................................................
25
Abbildung 2.14
Prozess der Netzwerkplanung- und Optimierung............................ 27
Abbildung 2.15
Zeitliche Struktur des Netzwerkplanungsprozess............................ 28
Abbildung 2.16
Sichtweise der modernen Netzwerkplanung – O&Ds statt Strecken..........................................................................................
29
Beispiel für die Bildung der Direkt- und Transferpassagierströme mit einem Flug.................................................................................
30
Abbildung 2.18
Dezentrale Netzwerkstruktur vs. Hub-and-Spoke-Netzwerk...........
31
Abbildung 2.19
Einige Hub-Arten.............................................................................
32
Abbildung 2.20
Mögliche Anzahl der Verbindungen in Flugnetzwerken..................
33
Abbildung 2.21
"Wachstum generiert Wachstum": Volumen der Transferpassagierströme an den größten europäischen Flughäfen 34
Abbildung 2.22
Phasen des Prozesses zur Entwicklung und Optimierung der Flugpläne......................................................................................... 35
Abbildung 2.23
Wellenbilder von Lufthansa in Frankfurt und Air France in Paris....
Abbildung 2.17
37
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.24
Schritte zur Erarbeitung der Wellenoptionen................................... 37
Abbildung 2.25
Zeitliche Bündelung von Zeitclustern............................................... 38
Abbildung 2.26
Festlegung der Wellenstruktur......................................................... 39
Abbildung 2.27 Abbildung 2.28
Festlegung der Destinationen in den Wellen................................... 41 Rotationsbildung.............................................................................. 42
Abbildung 2.29
Bedingungen für das Zustandekommen eines Hits......................... 44
Abbildung 3.1
Initialisierungsreihenfolge der quantitativen Optimierungsmodelle.
50
Abbildung 3.2
Optimierungsverfahren für kombinatorische Probleme...................
65
Abbildung 3.3
Interner Ablauf der Kurzzeitgedächtnisfunktion der Tabu-Suche....
74
Abbildung 4.1
Verursacher von Flugverspätungen................................................
81
Abbildung 4.2
Ursachen für die von der Verkehrssteuerung ausgelösten Flugverspätungen............................................................................ 82 Entstehung von Abflugsverspätungen, Propagation von Verspätungen.................................................................................. 83
Abbildung 4.3 Abbildung 4.4
Prozentsatz der 15-min Abflugsverspätungen in Europa und den USA.................................................................................................
85
Abbildung 4.5
Durchschnittliche Länge einer Flugverspätung pro Flug in Europa und den USA...................................................................................
86
Abbildung 4.6
Gesamtzahl der Abflugsverspätungsminunten sowie Gesamtzahl der Flüge in Europa und den USA................................................... 87 Taktische Option Nr. 1 – Verspätung der Anschlussflüge............... 88
Abbildung 4.7 Abbildung 4.8
Taktische Option Nr. 2 – Rotationstausch zur Reduzierung der Flugverspätung................................................................................ 89
Abbildung 4.9
Hub-Struktur von American Airlines in Dallas/Fort Worth vor und nach De-Peaking.............................................................................
91
Abbildung 4.10
Möglicher Verlauf der Verspätungskostenfunktion..........................
93
Abbildung 4.11
Arten der bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten.......................................................................... 95
Abbildung 4.12
Anteile der einzelnen Arten von Verspätungskosten an den gesamten bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten.......................................................................... 99
Abbildung 4.13
Operatives Ergebnis der weltweiten Airline-Industrie, 1990-2002... 103
Abbildung 5.1
ρ-Präferenz für den Vergleich der Ankunfts- und Abflugszeiten...... 120
Abbildung 5.2
Mögliche Typen von Zugehörigkeitsfunktionen...............................
124
Abbildung 5.3
Modellierung der subjektiven Aussagen der Entscheider bezüglich der Zeitenlagen der Ereignisse......................................
126
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abbildung 5.4
Verlauf der Dichte- und der Möglichkeitsfunktion bei Transformation mit Verfahren von Dubois / Prade und Civanlar / Trussell............................................................................................
Abbildung 6.1
Die empirisch erwarteten Auswahlwahrscheinlichkeiten vs. LogitAuswahlwahrscheinlichkeiten.......................................................... 146
Abbildung 7.1
Überblick über Modellaufbau, In- und Outputs................................
Abbildung 7.2
Ablaufschema zur Bestimmung des Konkurrenzangebots.............. 167
Abbildung 7.3
Bestimmung des Verbindungsangebots der zu untersuchenden Airline............................................................................................... 169
Abbildung 7.4
Änderung der Zeitenlagen der Mehr-Leg-Flüge..............................
Abbildung 7.5
Vorgehensweise zur Berechnung der zu erwartenden Passagierumsätze für eine Flugplanlösung..................................... 173
Abbildung 7.6
Verteilung der Ankunftszeitpräferenzen der Geschäftsreisenden...
175
Abbildung 7.7
Verteilung der Ankunftszeitpräferenzen der Privatreisenden..........
176
Abbildung 7.8
Eingabemaske für die Marktmodell-Parameter...............................
179
Abbildung 7.9
Vorgehensweise zur Berechnung der Verspätungskosten.............. 181
Abbildung 7.10
Erwartete Abhängigkeit des Umsatzabschlags von der Verspätungshöhe............................................................................ 183 Parametrisierung der Verspätungskostenberechung im SoftwareTool.................................................................................................. 183 Beispiel zur Berechnung der potenziellen Verspätungskosten....... 185
Abbildung 7.11 Abbildung 7.12 Abbildung 7.13 Abbildung 7.14 Abbildung 7.15 Abbildung 7.16 Abbildung 7.17 Abbildung 7.18
Herleitung der Verspätungsmöglichkeit aus FuzzyZugehörigkeitsfunktionen der Zeitenlagen...................................... Möglichkeitsverteilungen für die Flüge von American Airlines von Chicago (ORD) nach Atlanta (ATL) 2001....................................
131
164
170
186 189
Spezifikation der Fuzzy-Zugehörigkeitsfunktionen der Zeitenlagen im Software-Tool............................................................................. 190 Funktionsweise des Master-Problems............................................. 192 Eingabemaske des Software-Tools zur Parametrisierung der Optimierungsroutine........................................................................ Methode der "parallelen Flüge".......................................................
193 197
Abbildung 7.19
Eingabe der verfügbaren Slots im Software-Tool............................ 198
Abbildung 7.20
Grafische Oberfläche des Software-Tools zum Anzeigen des Optimierungsverlaufs....................................................................... 199
Abbildung 7.21
Entwicklung des Netto-Profits von American Airlines in Chicago (ORD) 1999-2004............................................................................
Abbildung 7.22
Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von American Airlines in Chicago (ORD)..................... 202
201
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 7.23
Anzahl der Flugbewegungen in Chicago O'Hare............................. 203
Abbildung 7.24
Flugplanstruktur von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD) im Sommer 2001 und 2002.............................................................
204
Abbildung 7.25
Anzahl der Transferverbindungen von American Airlines in den Sommerflugplänen 2001 und 2002, die über Chicago O'Hare verlaufen, und ihre Transferzeit....................................................... 205
Abbildung 7.26
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD)..................................................................................
Abbildung 7.27
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD)..............................................................................................
206
Abbildung 7.28
Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag..................
207
Abbildung 7.29
Entwicklung des Netto-Profits von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW) 1999-2004................................................................. 208
Abbildung 7.30
Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW)...... 208
Abbildung 7.31
Anzahl der Flugbewegungen in Dallas/Fort Worth..........................
209
Abbildung 7.32
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW)...................................................................................
210
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW)...................................................................................
210
Abbildung 7.33
206
Abbildung 7.34
Anzahl der Transferverbindungen von American Airlines in den Sommerflugplänen 2002 und 2003, die über Dallas/Fort Worth (DFW) verlaufen, und ihre der Transferzeit.....................................
211
Abbildung 7.35
Transferverbindungen mit dem negativen Deckungsbeitrag...........
211
Abbildung 7.36 Abbildung 7.37
Entwicklung des Netto-Profits von Lufthansa in Frankfurt 19992004................................................................................................. 212 Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von Lufthansa in Frankfurt (FRA)................................. 213
Abbildung 7.38
Anzahl der Flugbewegungen in Frankfurt........................................ 214
Abbildung 7.39
Vergleich der Flugzeiten der Lufthansa Flüge in den Flugplänen 2003 und 2004 auf den Strecken, die in beiden Flugplänen geflogen werden..............................................................................
Abbildung 7.40
Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag..................
Abbildung 7.41
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von Lufthansa in Frankfurt..................... 215
214 215
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 7.42
XIX
Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von Lufthansa in Frankfurt........................
216
Abbildung 7.43
Flugplanstruktur von American Airlines in Chicago im Winter 2000 vor und nach der Optimierung.........................................................
217
Abbildung 8.1
Modelleinsatz im Transportwesen und im Supply Chain Management.................................................................................... 220
Abbildung 8.2
Modellanpassungen für den Einsatz im Transportwesen................ 222
Abbildung 8.3
Ziele und Aufgaben von Supply Chain Management......................
Abbildung 8.4
Modellanpassungen für den Einsatz im Supply Chain Management.................................................................................... 228
Abbildung A.1
Entwicklung des Anteils der Codeshare-Flüge in den Weltflugplänen................................................................................. 236
Abbildung A.2
Entwicklung der operativen Ergebnisse und Gewinne der weltweiten Airline-Industrie.............................................................. 236
226
XXI
Tabellenverzeichnis Tabelle 4.1 Tabelle 4.2 Tabelle 4.3 Tabelle 4.4 Tabelle 7.1
Verspätungskosten für die gesamte US-amerikanische AirlineIndustrie........................................................................................... Verspätungskosten für die gesamte europäische Airline-Industrie Verspätungskosten für die Passagiere auf dem USamerikanischen Markt..................................................................... Verspätungskosten für die Passagiere auf dem europäischen Markt................................................................................................ Schätzkoeffizienten und Teststatistiken der Marktmodellkalibrierung..................................................................
100 102 105 106 178
XXIII
Symbolverzeichnis Im Kapitel 3 verwendete Symbole a Ein Knoten des gerichteten Graphen ai Angebotsknoten ati Untere Grenze des Zeitfensters für den Flug i Kantenmenge des gerichteten Graphen A bti Obere Grenze des Zeitfensters für den Flug i Kosten für die Ausführung des Fluges i nach dem Flug j cij mit dem gleichen Flugzeug c(x) Zielfunktion des Optimierungsproblems C Bewertungsfunktion des gerichteten Graphen Cij Indikatorvariable – Deklarierung einer Transferverbindung als ein Hit ctihj Die Mindestumsteigezeit kennzeichnende Variable d Outbound-Slot dij Anzahl der Tage zwischen dem Ausführen der Flüge i und j D Senkknoten i Flug I Menge der Flüge mit gleichen Flugnummern, die an unterschiedlichen Tagen ausgeführt werden IBs Menge der verfügbaren Inbound-Slots IBihs Indikatorvariable – Zuordnung der Inbound-Flüge zu einem Inbound-Slot G(V,A) Gerichteter Graph Gerichteter Graph mit Bewertungsfunktion G(V,A,C) hh Umsteigeknoten HWh Breite des Zeitfensters (in Minuten), das die maximal zulässige Wartezeit der Passagier im Hub h angibt m(x) Nicht tabu gesetzte Nachbarschaftslösungen der Lösung x M Hinreichend große Zahl MCTh Minimum Connecting Time im Hub h nj Nachfrageknoten N(x) Menge der Nachbarschaftslösungen der Lösung x O Quellknoten OBhjd Indikatorvariable – Zuordnung der Outbound-Flüge zu einem Outbound-Slot OBd Menge der verfügbaren Outbound-Slots
XXIV
s SLIBhs SLOBhd T
Ti TATi vihj v V VLij xij x x´ xakt xneu X
ZF
Symbolverzeichnis
Inbound-Slot Zeitenlage des Inbound-Slots s im Hub h Zeitenlage des Outbound-Slots d im Hub h Tabu-Liste Abflugszeit des Fluges i Turn-Around-Time des Fluges i Indikatorvariable – Zuordnung der Strecken zu Reiseströmen Eine Kante des gerichteten Graphen Knotenmenge des gerichteten Graphen Prioritätskennziffer für das O&D (i,j) Entscheidungsvariable – Ausführung des Fluges i nach dem Flug j mit dem gleichen Flugzeug Eine Lösung aus dem Lösungsraum des Optimierungsproblems Ausgangslösung Aktuelle Lösung Neu generierte Lösung Lösungsraum des Optimierungsproblems Zielfunktion
Im Kapitel 5 verwendete Symbole A Element einer Menge à Fuzzy-Menge α Niveau α Spannweite einer L-R-Fuzzy-Zahl B Element einer Menge ~ B Fuzzy-Menge β Spannweite einer L-R-Fuzzy-Zahl c Gewähltes Konfidenzniveau f Abbildungsvorschrift f -1(y) Urbildmenge der nichtleeren klassischen Menge G Variable i Zählvariable Inf Infimum j Zählvariable L(...) Linke Referenzfunktion einer L-R-Fuzzy-Zahl L(µ,λ) Zielfunktion eines Optimierungsprogramms m Gipfelpunkt einer L-R-Fuzzy-Zahl
Symbolverzeichnis
µÃ(x) µcompÃ(x) µÃ∩B~(x) µÃ∪B~(x) µR n
℘(X) pi P(A)
p(x) R R(...)
ℜ
ρ S
Sup supp(Ã) π1,π2,..., πn ∏(A) ∏G(B)
w1,w2,..., wn Ω
λ
x X y Y
XXV
Zugehörigkeitsfunktion Komplement einer Fuzzy-Menge Durchschnitt zweier Fuzzy-Mengen Vereinigung zweier Fuzzy-Mengen Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzy-Relation Zählvariable Potenzmenge von X Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeitsmaß Werte einer Dichtefunktion Relation Rechte Referenzfunktion einer L-R-Fuzzy-Zahl Menge der reellen Zahlen Kleine reelle Zahl Menge Supremium Stützende Menge Möglichkeitsgrade Möglichkeitsmaß Möglichkeitsverteilung Umweltzustände Zustandsraum Multiplikator Element der Grundgesamtheit Grundgesamtheit Element der nichtleeren klassischen Menge Nichtleere klassische Menge
Im Kapitel 6 verwendete Symbole Vektor der Parameterwerte Modellparameter Schätzwert für den Modellparameter k cov(...) Kovarianz d O&D-Markt D Gesamtzahl der relevanten O&D-Märkte εin Stochastische Nutzenkomponente f(...) Dichtefunktion F(...) Verteilungsfunktion
β βk βˆ
XXVI
hin H0 H1 i I j Jd
Jn k
LF LogLFf LogLF0
MAE
µ n
Nd
od(i) pin pid pj pˆ di PAXid R²
RMSE sk t tα/2 ti tk uin
Symbolverzeichnis
Unabhängig und identisch verteilte Zufallsvariable Nullhypothese Gegenhypothese Alternative Einheitsmatrix Alternative Menge der verfügbaren Alternativen am O&D-Markt d Menge der für den Passagieren n verfügbaren Alternativen Index des Zeitintervalls Likelihood-Funktion Wert der Likelihood-Funktion des geschätzten Modells Wert der Likelihood-Funktion des Modells, dessen Parameter auf Null gesetzt sind Mean Absolute Error – Durchschnittlicher absoluter Fehler Skalierungsparameter der Gumbel-Verteilung Individuum Menge der Passagiere, die am O&D-Markt d eine Auswahlentscheidung treffen Funktion, die eine Alternativverbindung dem entsprechenden O&D zuordnet Auswahlwahrscheinlichkeit der Alternative i seitens des Individuums n Auswahlwahrscheinlichkeit der Alternativverbindung i auf dem O&D-Markt d Wahrscheinlichkeit Geschätzter Marktanteil der Flugverbindung i auf dem O&D-Markt d Anzahl der Passagiere auf der Alternativverbindung i auf dem O&D-Markt d Bestimmtheitsmaß Root Mean Squared Error– Wurzel aus dem quadrierten Fehler Anteil der im Zeitintervall k abfliegenden Passagiere an allen beförderten Passagieren t-Wert (t-Test Statistik) Kritischer Wert des t -Tests Abflugszeit der Alternativverbindung i Abflugszeit im Zeitintervall k Nutzen der Alternative i für das Individuum n
Symbolverzeichnis
uik vij W xi xin xn*β* yin
δii δij
¦n
σ ρ ζn ϑin ϑn
σ(β) ρ12 ρ 22
XXVII
Nutzen der Alternative i im Zeitintervall k Deterministischer Nutzenteil Matrix der normierten alternativspezifischen Gewichte Vektor der beobachtbaren Attribute der Alternative i Vektor der beobachtbaren Attribute der Alternative i für das Individuum n Maximum der alternativspezifischen Nutzenwerte Indikationsvariable Varianz des Störterms der Alternative i Kovarianz zwischen zwei Alternativen i und j Varianz-Kovarianz-Matrix der alternativspezifischen Störterme Varianzparameter Autokorrelationskoeffizient Vektor der unabhängig und identisch verteilten Zufallsvariable für das Individuum n Komponente des stochastischen Nutzenteils der Alternative i für das Individuum n Vektor der Komponente des stochastischen Nutzenteils für das Individuum n Standardabweichung eines Parameters Pseudo-Bestimmtheitsmaß Adjustiertes Pseudo-Bestimmtheitsmaß
Im Kapitel 7 verwendete Symbole a1 Indikationsvariable; gibt an, ob es einen oder mehr nächstmöglichen Flüge zum Bestimmungsort des Zubringerfluges existieren a2 Indikationsvariable; gibt an, ob zwei oder mehr nächstmögliche Flüge zum Bestimmungsort des Zubringerfluges existieren à Fuzzy-Abflugszeit des Anschlussfluges AA Ankunftsflughafen (Arrival Airport) AT Ankunftszeit (Arrival Time) ATi Ankunftszeit des Fluges i ~ Fuzzy-Ankunftszeit des Zubringerfluges plus MCT B
XXVIII
bFL
β d dist(...) DA DC(...) DCijp DT DTi f(...) F FL FFL
Symbolverzeichnis
Anzahl der Flugzeuge in der Teilflotte FL im Ausgangsflugplan Parametervektor des Marktmodells Wochentag Distanzfunktion Abflugsflughafen (Departure Airport) Verspätungskostenfunktion Potenzielle Verspätungskosten der Transferverbindung (i-j)
IB _ SlotshD,t
Abflugszeit (Departure Time) Abflugszeit des Fluges i Funktionale Abhängigkeit Flugzeugflotte der untersuchten Fluggesellschaft Flugzeugtyp Teilflotte, die aus den Flugzeugen des Flugzeugtyps FL besteht Flughafen Menge der von der untersuchten Fluggesellschaft angeflogenen Flughäfen Flugverbindung Transferverbindung, die aus den Flügen i und j besteht Anzahl der von Flügen der untersuchten Fluggesellschaft
j J Jd J dXX
aktuell belegten Inbound-Slots am Tag d am Flughafen h für das Ankunftszeitfenster t Flugverbindung Menge der Flüge der untersuchten Fluggesellschaft Menge der Flüge am Tag d Gesamtheit der Verbindungen der zu untersuchenden
k K 1j
Airline auf dem jeweiligen O&D-Markt am Tag d Abflugszeitpunkt Airline-Typ-spezifischer Kostenaufschlagsfaktor für den
2 j
ersten späteren Flug des Anschlussfluges j Airline-Typ-spezifischer Kostenaufschlagsfaktor für den
h H i (i,j)
K
LA
LB MAE
zweiten späteren Flug des Anschlussfluges j Referenzfunktion der linken Seite der Fuzzy-Zahl à Referenzfunktion der linken Seite der Fuzzy-Zahl B Mean Absolute Error – Durchschnittlicher absoluter Fehler
Symbolverzeichnis
max
XXIX
Maximiere
Max_Detour Maximal zulässiger Detour-Factor D Max_IB_Slots h,t Maximale Anzahl der am Tag d am Flughafen h für das Ankunftszeitfenster t für die untersuchte Fluggesellschaft zur Verfügung stehenden Inbound-Slots
Max_OB_Slots hD,t Maximale Anzahl der am Tag d am Flughafen h für das Ankunftszeitfenster t für die untersuchte Fluggesellschaft
µ A
zur Verfügung stehenden Outbound-Slots Maximal zulässige Wartezeit auf den Anschlussflug Minimum Connecting Time Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzy-Abflugszeit des
µ B
Anschlussfluges Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzy-Ankunftszeit des
Max_Waiting MCT
Nj OB _ SlotshD,t
OC OD OT p pi PAXi PAXij PR (...)
π r
RA RB Rij
RMSE
Zubringerfluges plus MCT Anzahl der nächstmöglichen Flüge zum Bestimmungsort von j Anzahl der von Flügen der untersuchten Fluggesellschaft aktuell belegten Outbound-Slots am Tag d am Flughafen h für das Abflugszeitfenster t Übernachtungskosten für einen Passagier Umsatzabschlag bei einer Übernachtung Andere (nicht untersuchte) Fluggesellschaften Verspätungsmöglichkeit Auswahlwahrscheinlichkeit der Flugverbindung i Anzahl der Passagiere auf der Flugverbindung i Anzahl der Passagiere auf der Transferverbindung (i-j) Funktion der Passagierumsätze Permutation des Ausgangsflugplans Faktor zur Berücksichtigung von früheren Abflügen des Anschlussfluges Referenzfunktion der rechten Seite der Fuzzy-Zahl à Referenzfunktion der rechten Seite der Fuzzy-Zahl B Durchschnittlicher Passagierertrag auf der Transferverbindung (i-j) Root Mean Squared Error – Wurzel aus dem quadrierten Fehler
XXX
sk
Symbolverzeichnis
D S FL
Anteil der im Zeitintervall k abfliegenden Passagiere an allen beförderten Passagieren Flugplan (Menge der Flüge) der untersuchten Fluggesellschaft am Tag d Teilflugplan der untersuchten Fluggesellschaft am Tag d,
ShD
der nur aus Flügen, die mit dem Flugzeugtyp FL ausgeführt werden, besteht Teilflugplan, der nur die Flüge der untersuchten
SD
Fluggesellschaft enthält, die am Flughafen h am Tag d starten oder landen Abflugs- oder Ankunftszeitfenster Untere Grenze des Zeitenlagenfensters für den Flug i
t t Ai t Bi T TATFL ukOT
Geplante Abflugszeit des Anschlussfluges Turn-Around-Time der Flugzeuge des Typs FL Aggregierter Nutzen der Verbindungen der Konkurrenz auf
uikXX
dem jeweiligen O&D-Markt zum Abflugszeitpunkt k Nutzen der Verbindung i der zu untersuchenden Airline
V
1 j
V j2
ω(...) WSD xi XX Z 1j Z
2 j
ρ 22 ζ(i,j)
Obere Grenze des Zeitenlagenfensters für den Flug i
zum Abflugszeitpunkt k Prozentuale Verteilung der Passagiere auf den ersten späteren Flug des Anschlussfluges j Prozentuale Verteilung der Passagiere auf den zweiten späteren Flug des Anschlussfluges j Bewertungsfunktion Flugverbindungsangebot der Konkurrenz der untersuchten Fluggesellschaft am Tag d Attributvektor der Flugverbindung i Untersuchte Fluggesellschaft Wartezeitabhängiger Umsatzabschlag für den ersten späteren Flug des Anschlussfluges j Wartezeitabhängiger Umsatzabschlag für den zweiten späteren Flug des Anschlussfluges j Adjustiertes Pseudo-Bestimmtheitsmaß Hit-Transferverbindung, die aus Flügen i und j besteht
XXXI
Abkürzungsverzeichnis AA ABC-MNL AEA AG AOCC ASK ATA ATC BTS bzw. ca. CAB CFMU CODA CRS d.h. et al. etc. EU EUR FAA GAR-MNP IATA ICAO IT ITA LH MCT Min. Mio. Mrd. Nr. OAG Pan Am PAX PSA RPK
American Airlines Attribute Based Covariance Multinominal Probit Association of European Airlines Aktiengesellschaft Airline Operations Control Center Available Seat Kilometers US Airline Transport Association Air Traffic Control Bureau of Transportation Statistics beziehungsweise circa, ungefähr Civil Aeronautic Board Central Flow Management Unit Central Office for Delay Analysis Computer Reservation System das heißt und andere et cetera, und so weiter Europäische Union Euro Federal Aviation Administration Generalized Autoregressive Multinominal Probit International Air Travel Association International Civil Aviation Organisation Informationstechnologie Institut du transport aérien Deutsche Lufthansa Minimum Connecting Time Minuten Millionen Milliarden Nummer Official Airline Guide Pan American Airlines Passagier Pacific Southwest Airlines Revenue Passenger Kilometers
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
S. S99 S00 S01 S02 S03 S04 W99/00 W00/01 W01/02 W02/03 W03/04 TWA US USA USD usw. z.B.
Seite Sommerflugplan 1999 Sommerflugplan 2000 Sommerflugplan 2001 Sommerflugplan 2002 Sommerflugplan 2003 Sommerflugplan 2004 Winterflugplan 1999/2000 Winterflugplan 2000/2001 Winterflugplan 2001/2002 Winterflugplan 2002/2003 Winterflugplan 2003/2004 Trans World Airlines United States (of America) United States of America US Dollar und so weiter zum Beispiel
Airport-Codes AMS BRU CDG DFW FRA LGW LHR MUC MXP ORD VIE ZRH
Amsterdam Schiphol Airport Brüssel National Airport Paris Charles de Gaulle Airport Dallas / Fort Worth Airport Frankfurt International Airport London Gatwick Airport London Heathrow Airport München Franz Josef Strauss Airport Milan Malpensa Airport Chicago O'Hare Airport Airport Wien Airport Zürich
City-Codes AMS BER BKK
Amsterdam Berlin Bangkok
Abkürzungsverzeichnis
BRU DXB FRA HKG IST JNB LAX LIS LON MOW MUC NYC PAR PRG ROM SAO SIN STO TYO VIE ZRH
XXXIII
Brüssel Dubai Frankfurt am Main Hongkong Istanbul Johannesburg Los Angeles Lissabon London Moskau München New York Paris Prag Rom Sâo Paulo Singapur Stockholm Tokio Wien Zürich
1
Kapitel 1: Einleitung 1.1 Problemstellung In den letzten Jahren zeichnet sich auf den weltweiten Güter- und Dienstleistungsmärkten ein deutlicher Trend in Richtung Globalisierung und Verschärfung des Wettbewerbs ab. Dieser Trend wird durch die Sättigung der Verbrauchernachfrage, den Rückgang der Margen und die Homogenisierung des Produktangebots noch verstärkt. Solch ein schwieriges Markt- und Wettbewerbsumfeld zwingt Unternehmen dazu, ihre Produktionsprozesse so effizient wie möglich zu gestalten, um profitabel und auf längere Sicht erfolgreich agieren zu können. Bei vielen Aufgabenstellungen im Produktions- und Dienstleistungsbereich bedeutet dies, Aufträge so schnell oder so kostengünstig wie möglich zu bearbeiten und dabei Engpässe zu vermeiden und die Ressourcenauslastung zu maximieren. Einen Prozess zur Aufstellung eines Zeitplanes ("Schedules"), der die optimale Zuordnung von Aufträgen zu Ressourcen und die zeitliche Reihenfolge, in der die Aufträge bearbeitet werden sollen, bestimmt, bezeichnet man in der Literatur zumeist als "Scheduling". Er definiert die Ressourcenallokation und die Effektivität der Leistungserbringung und ist deshalb einer der wichtigsten Entscheidungsprozesse, der die operative Ertrags- und Kostenbasis der Unternehmen im Produktions- und Servicebereich beeinflusst. Eine grundlegende Schwierigkeit in Zusammenhang mit dem Scheduling ist die Unsicherheit der zur Beschreibung der Scheduling-Probleme verwendeten Parameter. Diese Unsicherheit betrifft z.B. die Länge der Bearbeitungsprozesse, Material-, Personal- und Maschinenverfügbarkeit sowie Preise und Marktanforderungen. Je nachdem, ob beim Scheduling solche Unsicherheitsaspekte explizit berücksichtigt werden, unterscheidet man deterministische und nicht deterministische Scheduling-Modelle. Die deterministischen Scheduling-Modelle unterstellen Konstanz der Planungsprämissen während der gesamten Ausführungsperiode der optimierten Schedules und postulieren somit die Abwesenheit von Unsicherheit. Die zum Planungszeitpunkt getroffenen Annahmen bezüglich der SchedulingParameter erweisen sich jedoch bei der Planausführung wegen unerwartet eintretender Ereignisse oft als nicht zutreffend. Dies führt dazu, dass die entwickelten Schedules ihre Effizienz und Optimalität verlieren oder sogar undurchführbar werden. Als Folge einer solchen realitätsfremden Planung entstehen erhebliche operative und alternative Kosten.
2
Kapitel 1
Einleitung
Die nicht deterministischen Scheduling-Modelle gehen meistens von einer stochastischen Verteilung der Parameter aus, wobei die Dichtefunktion der Wahrscheinlichkeitsverteilung als bekannt angenommen wird. Diese Annahme ist allerdings sehr kritisch zu sehen, denn zum einen erfordert die Herleitung einer solchen Dichtefunktion das Vorhandensein einer ausreichend großen Menge von historischen Beobachtungswerten. Zum anderen suggeriert sie die vollständige Gleichheit der Rahmenbedingungen in der Vergangenheits-, Planungs- und Ausführungsperiode. Somit eignen sich die stochastischen Modelle nur in sehr eingeschränktem Maße zur Lösung der Realweltprobleme. Ein anderer Ansatz, der die wesentlichen oben dargestellten Nachteile der Stochastik beseitigt und somit eine realitätsnahe Abbildung der Unsicherheit ermöglicht, basiert auf der Theorie der Fuzzy-Mengen. Dabei werden Expertenwissen und -bewertung, menschlicher Sachverstand und Erfahrung zur Darstellung der Sachverhalte der Realwelt herangezogen. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt unter anderem in der Möglichkeit der Verwendung von sowohl Vergangenheitsdaten als auch subjektiven Erfahrungen und Vorstellungen zur Parametrisierung der für das Scheduling relevanten Größen. Der auf der Theorie der Fuzzy-Mengen basierenden, realitätsnahen Darstellung der Unsicherheit müssen jedoch eine an die Problemstruktur angepasste Instrumentalisierung und die Integration der erfassten Unsicherheitsaspekte in die Schedule-Optimierung folgen. Erst dann werden die hergeleiteten Schedules eine optimale Ressourcenallokation ermöglichen und von den Endnutzern akzeptiert werden.
1.2 Flugplanoptimierung als ein Scheduling-Problem Der Begriff "Scheduling" eignet sich für die Beschreibung einer ganzen Reihe von Problemstellungen, die sich mit der Zuordnung von Aufgaben zu Ressourcen befassen. Aufgaben sind beispielsweise Materialbearbeitungsschritte, Flüge, Zugfahrten oder Unterrichtsstunden; als Ressourcen kommen dabei Aggregate, Flugzeuge, Züge oder Lehrer in Frage. Alle diese Probleme verlangen eine Allokation der Aufgaben zu Ressourcen, die bezüglich der vorgegebenen Wirtschaftlichkeitskriterien optimal ist und diversen Rahmenbedingungen genügt. Der Prozess der Flugplanoptimierung ist ein typisches Scheduling-Problem:
Kapitel 1
Einleitung
3
Im Rahmen der Flugplanoptimierung wird nach einer solchen Zuordnung der Flüge zu Abflugs- bzw. Ankunftszeiten gesucht, die das operative AirlineErgebnis maximiert und die operationellen Restriktionen erfüllt. Abbildung 1.1 fasst die wichtigsten Gemeinsamkeiten der Scheduling-Konzepte und der Flugplanoptimierung zusammen. Scheduling-Aufgaben
Flugplanoptimierung
• Zuordnung von Aufträgen zu den Ressourcen
• Zuordnung der Flüge zu den Start- und Lande-Slots
Zielfunktion
• Minimierung der Bearbeitungskosten • Maximierung des Unternehmensgewinns oder -umsatzes • Minimierung der Durchlaufzeiten
• Minimierung der Flugbetriebskosten • Maximierung des Airline-Gewinns oder -umsatzes • Minimierung der Connection-Times
Nebenbedingungen
• Anzahl der Maschinen • Anzahl der Mitarbeiter • Maschinenkapazität
• Anzahl der Flugzeuge • Anzahl der Crews • Vorhandene Flughafen- bzw. SlotKapazität
• Dauer der Bearbeitungszeiten • Ausfall einer Maschine • Nichtverfügbarkeit der Mitarbeiter
• Dauer der Flugzeiten • Ausfall eines Flugzeuges • Nichtverfügbarkeit der Crew-Mitglieder, Mitarbeiter-Streiks
Zuordnung
Unsicherheitsaspekte
Abbildung 1.1: Übereinstimmung der Flugplanoptimierung mit typischen SchedulingAufgaben
Die Methodologie zur Abbildung und Integration der Unsicherheitsaspekte in die Flugplanoptimierung kann somit auf die allgemeinen Scheduling-Konzepte sowie auf die anderen konkreten Scheduling-Probleme übertragen werden.
1.3 Zielsetzung Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, durch die Verknüpfung der empirischen und theoretischen Forschung ein Flugplanoptimierungsmodell zu entwickeln, das •
die mit dem irregulären Flugbetrieb verbundenen Unsicherheitsaspekte bezüglich der Zeitenlagen der Flüge erfasst und
•
die daraus resultierenden negativen Konsequenzen monetär bewertet und in den Optimierungsprozess integriert.
Das Modell soll dabei die Gegebenheiten der Luftverkehrsmärkte realitätsnah abbilden. Es muss in der Lage sein, den Prozess der operativen Flugplanop-
4
Kapitel 1
Einleitung
timierung zu unterstützen. Dafür ist es notwendig, dass sich das Modell in den Airline-Prozess der Planung und Optimierung von Flugplänen einordnet sowie über eine Umsatz- und Kostenaspekte beschreibende Zielfunktion und die relevanten Nebenbedingungen verfügt. Aufbauend auf der hergeleiteten Modelldefinition soll ferner ein professionelles und einsatzfähiges Software-Tool programmiert werden, das die Flugplanbewertung und -optimierung unter Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte ermöglicht. Mit Hilfe des entwickelten Software-Tools sollen dann reelle Flugpläne großer internationaler Fluggesellschaften umfassend bewertet und optimiert werden. Dabei sollen Effekte der Flugplanumstrukturierungen erklärt und konkrete Vorschläge zur zeitlichen Repositionierung der Flüge generiert werden. Schließlich sollen Ansätze zur Übertragung des Modells auf andere Scheduling-Probleme erarbeitet werden.
1.4 Gang der Untersuchung Die gewählte Vorgehensweise zum Aufbau der schriftlichen Arbeit soll die Schilderung der Nachteile der herkömmlichen Modelle und die Begründung der Notwendigkeit der Berücksichtigung von Unsicherheitsaspekten im Scheduling-Prozess unterstützen. Darüber hinaus soll sie dem Leser das Wissen, das für das Verständnis des entwickelten Modells erforderlich ist, vermitteln und ihn somit auf die eigentliche Modelldarstellung sowie auf die Beantwortung der aus der Zielsetzung der Arbeit resultierenden Forschungsfragen vorbereiten. Dafür werden als erstes im Kapitel 2 die Besonderheiten der Luftverkehrsmärkte erörtert, um die für die Konzeption eines Optimierungsmodells notwendigen industriespezifischen Grundlagen zu vermitteln. Es wird das Angebot und die Nachfrage nach Luftverkehrsprodukten charakterisiert sowie die zu der auf modernen Luftverkehrsmärkten beobachteten Markt- und Wettbewerbsstruktur geführte Entwicklung der wichtigsten politischen Rahmenbedingungen skizziert. Es wird die grundlegende Logik der modernen Flugplanoptimierung präsentiert und der Prozess der Flugplanentwicklung detailliert beschrieben. Im Kapitel 3 werden die aus der Literatur bekannten deterministischen Flugplanoptimierungsmodelle dargestellt. Darüber hinaus werden hier die poten-
Kapitel 1
Einleitung
5
ziellen Lösungsverfahren für Flugplanoptimierungsmodelle gezeigt und ihre Vor- und Nachteile bezüglich des Einsatzes in dem zu entwickelnden Optimierungsmodell diskutiert. Ausgehend von diesen Vor- und Nachteilen wird dann ein Verfahren selektiert, das in das zu entwickelnde Modell integriert werden soll. Das Kapitel 4 dient der Darstellung der Ursachen von Flugverspätungen und entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten der Fluggesellschaften. Ferner werden die Verspätungsstatistiken präsentiert und anhand der aus zahlreichen empirischen und theoretischen Studien hergeleiteten Verspätungskosten für die Luftfahrtindustrie und die Allgemeinheit die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte in der Flugplanoptimierung begründet. Außerdem findet sich im Kapitel 4 der Stand der Forschung auf dem Gebiet der Abbildung der Flugplanirregularitäten und der Integration solcher irregulären Ereignisse in die Flugplanoptimierung. Kapitel 5 enthält die wichtigsten Konzepte der Theorie der Fuzzy-Mengen, die für die Modellierung der Unsicherheitsaspekte bezüglich der Zeitenlagen der Flüge benötigt werden. Es werden Methoden zur Herleitung der FuzzyZugehörigkeitsfunktionen aufgezeigt; die Vor- und Nachteile des Einsatzes der Fuzzy-Mengen zur Beschreibung und Integration der Flugplanirregularitäten werden diskutiert. Um im entwickelten Modell die monetäre Bewertung der Flugplanlösungen zu ermöglichen, werden im Kapitel 6 Modelle diskreter Entscheidungen präsentiert, mit denen die Passagiernachfrage auf Luftverkehrsmärkten geschätzt und prognostiziert werden kann. Neben mathematischen Notationen werden Schätz- und Testverfahren für diese Modelle dargestellt. Nachdem alle notwendigen Grundlagen in den ersten sechs Kapiteln vermittelt wurden, erfolgt im Kapitel 7 die eigentliche Darstellung des neuen Fuzzyund Marktmodell-basierten Flugplanoptimierungsmodells. Hier wird sowohl die Modellstruktur und -ausgestaltung detailliert erklärt als auch die Aspekte der Modellimplementierung im Software-Tool beschrieben. Es folgen die Ergebnisse der empirischen Bewertungs- und Optimierungsläufe, die durch den Einsatz des Software-Tools auf den Flugplänen von American Airlines und Lufthansa errechnet wurden. Anschließend werden im Kapitel 8 Ansätze zur Übertragung des Modells auf spezielle Scheduling-Probleme erarbeitet und die dafür notwendigen Modellanpassungen beschrieben.
6
Kapitel 2: Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements 2.1 Einführung Quantitative empirische Optimierungsmodelle müssen trotz der oft verlangten Allgemeingültigkeit der Formulierung stets die Gegebenheiten des für sie relevanten Einsatzgebietes realitätsnah abbilden können. Modelle zum Einsatz in der Luftfahrtindustrie haben somit zur Gewährleistung der Validität ihrer Ergebnisse die Besonderheiten der Luftverkehrsmärkte zu berücksichtigen. Ferner müssen sich diese Modelle zur optimalen Unterstützung der Planungsprozesse in die bereits bestehende Methoden- und Prozesslandschaft einordnen können bzw. sie müssen so konzipiert werden, dass sie existierenden unternehmensinternen Prozessabfolgen und den damit verbundenen Inund Outputgrößen sowie der Dauer der einzelnen Planungsschritte Rechnung tragen. Dies erfordert eine genaue Kenntnis des Industrie- und Unternehmensumfeldes. Dieses Kapitel vermittelt das für das Verständnis der Sachverhalte in der Luftfahrtindustrie notwendige Wissen. Neben der historischen Entwicklung des weltweiten Luftverkehrs werden hier die Besonderheiten und die wichtigsten Charakteristika der Nachfrage und des Angebots auf Luftverkehrsmärkten skizziert. Die dargestellte Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen mit ihren Auswirkungen auf die Märkte soll darüber hinaus die interne Dynamik sowie die Markt- und Wettbewerbsstruktur der modernen Luftverkehrsindustrie verdeutlichen. Des Weiteren wird in diesem Kapitel der Airlinespezifische Netzwerkmanagementprozess inkl. Ausgestaltung und Funktion seiner Bestandteile erläutert. Es folgt eine detaillierte Beschreibung des Airline-internen Prozesses der Flugplanentwicklung und -optimierung, die sowohl die in den einzelnen Prozessphasen anfallenden Aktivitäten schildert als auch die entsprechenden Prozess-In- und Outputs aufzeigt.
2.2 Grundlagen der Luftverkehrswirtschaft 2.2.1 Definition und Abgrenzung des Luftverkehrs "Luftverkehr bezeichnet alle Vorgänge, die der Ortsveränderung von Personen, Fracht und Post auf dem Luftweg dienen"1 und umfasst alle unmittelbar oder mittelbar damit verbundenen Institutionen und Dienstleistungen2. 1 2
MAUER, P. (2002), S. 1 Vgl. POMPL, W. (1991), S. 8; STERZENBACH, R. (1999), S. 17
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
7
Unterschiedliche Autoren ordnen den Begriff Luftverkehr je nach Forschungsund Erkenntnisinteresse unterschiedlichen Erscheinungsformen zu. Die Kriterien, nach denen solch eine Zuordnung erfolgt, sind in Abbildung 2.1 systematisiert. Das für diese Arbeit relevante Unterscheidungs- und Klassifizierungsmerkmal des Luftverkehrs ist seine Regelmäßigkeit, die den Luftverkehr je nach der planmäßigen Periodizität des Flugbetriebs in Linienluftverkehr und Gelegenheitsluftverkehr gliedert3.
Luftverkehr
Transportobjekt
Zugänglichkeit
Wirtschaftliches Ziel
Streckenlänge
Luftraum
Verkehrsgebiet
Regelmäßigkeit
Personen
Öffentlich
Gewerblich
Kurzstrecke
National
Regional
Linienluftverkehr
Fracht
Privat
Allgemein
Mittelstrecke
International
Kontinental
Gelegenheitsluftverkehr
Langstrecke
Interkontinental
Abbildung 2.1: Erscheinungsformen des Luftverkehrs (Quelle: HUNZIKER, H.-J. (1983), S. 76, POMPL, W. (2002), S. 24, VOLKSMANN, C. (1989), S. 44)
Das "Abkommen von Chicago" vom 7. Dezember 1944 definiert den Luftlinienverkehr als "... jeden planmäßigen Luftverkehr, der von Luftfahrzeugen für die öffentliche Beförderung von Fluggästen, Post oder Fracht durchgeführt wird ..." 4 . Der Gelegenheitsverkehr wird allgemeingültig als "gewerblicher Flugverkehr, der nicht Fluglinienverkehr ist", definiert5. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird nur der auf die Fluggastbeförderung bezogene Luftlinienverkehr betrachtet und untersucht. 2.2.2 Eigenschaften der Produktion von Verkehrsleistungen Beim originären Produkt einer Fluggesellschaft, der Luftbeförderung der Passagiere, handelt es sich um eine Dienstleistung, die sich durch simultane Pro3 Zu anderen Abgrenzungskriterien des Luftlinienverkehrs siehe etwa POMPL, W. (1998), S. 25; SCHWENK, W. (1995) 4 INTERNATIONAL CIVIL AVIATION ORGANIZATION (ICAO) (1944), Convention on International Civil Aviation, Kap. XXII, Artikel 96a, in ZANTKE, S. (1985), S. 26 5 Vgl. §22 LuftVG; POMPL, W. (1998), S. 28
8
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
duktion und Konsumption auszeichnet6. Somit gelten für die Airline-Produkte die Merkmale der Dienstleistungsproduktion: •
•
•
• •
Das Produkt ist immateriell bzw. es stellt ein abstraktes Leistungsversprechen dar7. Das Produkt ist nicht lagerfähig oder speicherbar8. Es lässt sich weder physisch greifen 9 noch auf Vorrat produzieren oder nachträglich liefern. Dies bedeutet auch, dass die nicht genutzte Kapazität nach der Ausführung des Fluges endgültig verloren geht10. Die Qualität des Produktes lässt sich nur während des Konsums feststellen, es ist also kein Kauf auf Probe möglich11. Bei eventuellen Mängeln kann das Airline-Produkt somit nicht zurückgenommen werden12. Es besteht eine Vorauszahlungspflicht13. Das Produkt ist weitgehend homogen. Wegen des Einsatzes ähnlicher oder oft sogar gleicher Produktionsmittel sprechen einige Autoren von der Homogenität des Kernprodukts einer Fluggesellschaft14. In der modernen Luftverkehrswirtschaft zeichnet sich jedoch ein deutlicher Trend in Richtung zunehmender Individualisierung und Differenzierung des Produktangebots ab15.
2.2.3 Charakteristika des Angebots Drei wesentliche Merkmale charakterisieren das Angebot der Luftverkehrsleistungen: 1. Staatliche Angebotsregulierungen: Mit Ausnahme der USA und Europas wird der weltweite Linienluftverkehr durch die Verordnungen und Aktionen der nationalen Regierungen kontrolliert und beeinflusst 16 . Die 6
Vgl. JÄCKEL, K. (1991), S. 79ff; DIEGRUBER, J. (1990), S. 132; KASPAR, C. (1977), S. 35, MAUER, P. (2002), S. 86 7 Vgl. DIEGRUBER, J. (1990), S. 132; HUNZIKER, H.-J. (1983), S. 79 8 Vgl. WIEZOREK, B. (1999), S. 21; MAUER, P. (2002), S. 86; HUNZIKER, H.-J. (1983), S. 79; MALDITUS, J. (1997), S. 443ff. 9 Vgl. HUNZIKER, H.-J. (1983), S. 79; STANOVSKY, R. (2003), S. 51; BIERMANN, T (1985), S. 78; STERZENBACH, R. (1999), S. 139; JÄCKEL, K. (1991), S. 82ff 10 Die "Nichtlagerfähigkeit" des Produkts führt oft zu intensivem Preiswettbewerb. Da die Kapazität nach dem Abflug unwiederbringlich verloren geht und nicht mehr Gewinn bringend eingesetzt werden kann, lohnt es sich für die Airlines, die noch freien Sitzplätze zu Grenzkosten (und nicht zu Vollkosten) zu verkaufen. 11 Vgl. DIEGRUBER, J. (1990), S. 133 12 Vgl. MAUER, P. (2002), S. 86 13 Vgl. MAUER, P. (2002), S. 86 14 Vgl. O'CONNOR, W. (1985), S. 5; BIERMANN, T. (1985), S. 78; KRAHN, H. (1994), S. 9 15 Vgl. BOBERG K. B. / COLLISON F. M. (1989), S. 2; STANOVSKY, R. (2003), S. 52 16 Vgl. POMPL, W. (1998), S. 42
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
9
Markteintrittsbarrieren, die vor allem durch die staatlich reglementierte Vergabe von Verkehrsrechten, Betriebs- und Streckengenehmigungen, Slots, Tarifen und Kapazitäten entstehen, bestimmen eine "... vornehmlich oligopolistische Organisation des Angebots ..." des heutigen Linienluftverkehrs, "... dem eine ausgesprochen polypolistische Nachfrage gegenübersteht"17. 2. Relativ unelastische Angebotsanpassung: Stark ausgeprägte Nachfrageschwankungen bedingen die Notwendigkeit, das von den Fluggesellschaften zur Verfügung gestellte Sitzplatzangebot mengenmäßig anzupassen. Jedoch ist eine kurzfristige Kapazitätsanpassung wegen der starren Sitzladekapazität des Flugzeuges kaum möglich 18 . Sie wird erschwert durch die Tatsache, dass Flugzeuge wegen ihrer teilweise unterschiedlichen Reichweiten und anderer technischer Gegebenheiten sowie ihrer aktuellen räumlichen Positionierungen nicht beliebig austauschbar sind19. Eine erfolgreiche und wirksame Angebotsanpassung ist somit nur mittel- bis langfristig möglich20. 3. Hoher Fixkostenanteil mit relativ geringen Grenzkosten21: Die hohen Anlageinvestitionen (Flugzeuge, Terminals, Reservierungssysteme usw.), die in der Luftfahrtindustrie getätigt werden, resultieren in einem Fixkostenblock, der ca. 70-80% der Gesamtkosten ausmacht. Die Grenzkosten22, die von der Anzahl der beförderten Passagiere abhängen23, sind im Vergleich dazu marginal. 2.2.4 Charakteristika der Nachfrage Auf der Nachfrageseite unterscheidet man grundsätzlich zwei Kundensegmente: Je nach Reisezweck spricht man hier entweder vom beruflichen oder privaten Verkehr24. Die beiden Segmente divergieren wesentlich in den Präferenzen bezüglich der angebotenen Leistung, der Erwartungshaltung sowie 17
MEINECKE, H. (1975), S. 28 Eine kurzfristige Erhöhung der Sitzplatzkapazität ist meist unrentabel. Eine Reduzierung der Anzahl der Sitze bringt mit Ausnahme, dass die Ladefläche anderweitig Gewinn bringend genutzt werden kann, kaum Kosteneinsparungen 19 Flugzeuge können sich z.B. bezüglich Lärmproduktion, Alter und damit verbundenen Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Cockpit-Typen unterscheiden. Letztere schränken die Austauschbarkeit der Crews ein 20 Wegen der begrenzten Möglichkeiten der Angebotssteuerung versucht man außerdem, die NachfragePeaks durch eine zeitlich differenzierte Preisgestaltung zu glätten 21 Vgl. DIEGRUBER, J. (1990), S. 144; POMPL, W. (1998), S. 41; STERZENBACH, R. (1999), S. 152-158; WIEZOREK, B. (1999), S. 29-31; DÖRING, T. (1999), S. 88-89 22 Unter Grenzkosten versteht man Kosten, die bei der Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit anfallen 23 Kosten wie Agentenprovisionen, Bordverpflegung, Unfallversicherung, Abfertigungsgebühren 24 Vgl. POMPL, W. (1998), S. 141 18
10
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
der Preiselastizität, die ihre Repräsentanten besitzen 25 . So haben die Geschäfts- und Privatreisenden eine unterschiedliche Einstellung zur Gesamtreisezeit einer Verbindung, zum Service am Bord und am Boden sowie z.B. zu der Möglichkeit, den Rückflug an mehreren Wochentagen antreten zu können. Beiden Passagiersegmenten gemeinsam ist die Tendenz zu regelmäßigen zeitlichen Schwankungen in der Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen. Diese Schwankungen werden damit begründet, dass die Nachfrage nach Luftverkehr für sich alleine kein Bedürfnis darstellt, sondern sich im Wesentlichen von den originären Bedürfnissen der Reisenden ableitet26. Die Schwankungen können saisonal bedingt sein oder sich auf Wochentag und Tageszeit beziehen. Abbildung 2.2 zeigt die Nachfrageverteilung auf die einzelnen Wochentage: Man erkennt, dass sowohl Geschäfts- als auch Privatreisende die Abflüge an Freitagen am stärksten bevorzugen. Die Wochenendtage spielen für den beruflichen Verkehr im Gegensatz zum privaten Verkehr nur eine untergeordnete Rolle. An den anderen Tagen ist die Passagiernachfrage relativ gleichmäßig verteilt.
Verteilung Verteilung der der Geschäftsreisenden Geschäftsreisenden
Verteilung Verteilung der der Privatreisenden Privatreisenden
19,2% 16,7% 13,7%
18,3%
16,2%
15,8%
14,8%
14,0%
13,2% 12,1%
Mo
Di
Mi
Do
Fr
9,9%
9,5%
Sa
So
Mo
Di
13,6%
13,1%
Mi
Do
Fr
Sa
So
Abbildung 2.2: Verteilung der Passagiere auf die Wochentage (Quelle: Bureau of Transportation Statistics, eigene Berechnungen)
Abbildung 2.3, in der die im Jahr 2004 von den US-amerikanischen Fluggesellschaften transportierten Passagiere dargestellt sind, lässt die monatlichen Nachfrageschwankungen im Luftverkehr erkennen. So weisen in der Regel 25 26
Vgl. VOLKMANN, C. (1989), S. 62f. Vgl. O'CONNOR, W. (1985), S. 75
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
11
die Sommermonate Juni bis August ein stärkeres Nachfrageprofil auf als die Herbst- und Wintermonate. Anzahl Anzahl der der von von den den amerikanischen amerikanischen Fluggesellschaften Fluggesellschaften im im Jahr Jahr 2004 2004 transportierten transportierten Passagiere, Passagiere, [Mio.] [Mio.]
46,8 38,6
39,2
Jan.
Febr.
45,9
49,1
51,5
49,6
45,5
45,4 40,5
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
43,5
44,8
Nov.
Dez.
Abbildung 2.3: Verteilung der von US-amerikanischen Fluggesellschaften im Jahr 2004 transportierten Passagiere auf Monate (Quelle: ATA – Air Transport Association of America)
2.2.5 Entwicklung des Luftverkehrs Der Luftverkehr war eine der weltweit am stärksten wachsenden Branchen des letzten Jahrhunderts. Wie Abbildung 2.4 zeigt, stieg das weltweite Fluggastaufkommen in den letzten 50 Jahren um mehr als 5.000% auf 1,66 Mrd. Passagiere im Jahr 2003. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von ca. 8%. Einen ähnlich steilen Verlauf weist die ebenfalls in dieser Abbildung dargestellte weltweit angebotene und nachgefragte Personenverkehrsleistung auf, die in von den Airlines zur Verfügung gestellten (ASK) und verkauften (RPK) Passagierkilometern gemessen wird. Sie wuchs jährlich um ca. 9,4% bzw. 9,1%. Das rapide Wachstum der Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen begann, wie obiger Abbildung zu entnehmen ist, in der Mitte Hälfte der 70er Jahre. Die in den nächsten Abschnitten aufgezeigten politischen Rahmenbedingungen erklären und begründen die Trends und Tendenzen auf den Luftverkehrsmärkten, die zu einem derart schnellen Anstieg der Passagiernachfrage geführt haben.
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Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
ASK / RPK
Passagiere
[Bil. km]
[Mrd. Pax]
5,0
1,8
4,5
1,6
4,0
1,4
3,5
1,2
3,0
1
2,5 0,8
2,0
0,6
1,5 1,0
0,4
0,5
0,2 0
0,0 '50
'55 ASK
'60
'65 RPK
'70
'75
'80
'85
'90
'95
'00
Passagiere
Abbildung 2.4: Entwicklung der weltweit beförderten Flugpassagiere (Mrd.) sowie der angebotenen (ASK) und verkauften (RPK) Passagierkilometer (Bil. km) (Quelle: International Civil Aviation Association (ICAO))
2.3 Entwicklung der wichtigsten politischen Rahmenbedingungen im Luftverkehr 2.3.1 Regulierung des Luftverkehrs in den USA und in Europa Auf dem US-amerikanischen Markt führten die Befürchtungen über einen möglichen ruinösen Wettbewerb und die daraus folgende Monopolisierung des Lufttransportsektors, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Landes im hohen Maße negativ beeinflussen würde27, zur Verabschiedung der Regulierungsgesetze im Jahr 1938. Das zentrale Element dieser Regulierungsgesetze, die sowohl dem öffentlichen Interesse als auch dem Interesse der Airlines dienen sollten, war die Einrichtung des Civil Aeronautic Board (CAB). An das CAB wurde die praktische Umsetzung der Luftverkehrskontrollen übertragen28. Diese Kontrollen betrafen dabei den Marktzutritt, die Flugrouten und Flugpreise. In Europa drückte sich die Regulierung des internationalen Luftverkehrs in 27 28
Vgl. DEMPSEY, P.S. (1990), S. 4 Vgl. KYLE III R. (1985), S. 3
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
13
einem System bilateraler Abkommen aus, die die Vergabe der Verkehrsrechte und der Kapazität zwischen den einzelnen Staaten regelten29. Auf den nationalen europäischen Luftverkehrsmärkten bewirkte die Regulierung "... eine fast vollständige Fixierung sämtlicher den Fluglinienverkehr betreffenden Wettbewerbsparameter. Ziel war der Schutz der nationalen Carrier vor ausländischer Konkurrenz. Staatlich beschränkt wurden auch in Europa die freie Preisbildung, der Zugang zu den Märkten und die Angebotsvolumina."30 Die mit der Regulierung des Luftverkehrs verbundene Unterbindung des Preiswettbewerbs führte zu einer ineffizienten Allokation der AirlineRessourcen. So hatten die Airlines insbesondere keinen Anreiz, ihre Kosten zu reduzieren, da die Kostenvorteile nicht an die Kunden weitergereicht werden konnten. Anstatt über die Kosten konkurrierten die Airlines über das oft überflüssige und unangemessen hohe Serviceangebot, was sich einerseits negativ auf die Gewinne der Fluggesellschaften auswirkte und andererseits Wohlfahrt mindernd für die Gesellschaft war. Zudem gab es auf vielen Flugstrecken ein Überangebot an Sitzplätzen, was die Airline-Gewinne ebenfalls negativ beeinflusste und eine Fehlallokation der Ressourcen darstellte. Da solch ineffiziente Zustände die Entwicklungen der nationalen Ökonomien behinderten und die Wettbewerbssituation auf den Luftverkehrsmärkten verzerrten, setzte man in den USA und in Europa Ende der 70er Jahre Deregulierungs- und Liberalisierungsprozesse in Gang, die auf die weitgehende Aufhebung der staatlichen Kontrollen im Luftverkehr ausgerichtet waren. 2.3.2 Deregulierungs- und Liberalisierungsprozess im Luftverkehr Die regulatorischen Veränderungen begannen in den USA mit dem Airline Deregulation Act of 1978, einem Gesetz, das die seit 40 Jahren gültigen Kontrollen der Flugpreise und -märkte aufhob. Ziel dieses Gesetzes war vor allem die Wiederherstellung des Wettbewerbs sowie die Preis- und Angebotsflexibilisierung. Um die potenziellen negativen Folgen eines schnellen Deregulierungsprozesses zu vermeiden, sah das Gesetz einen stufenweisen Abbau der Luftverkehrsbeschränkungen vor: So sollten bis Januar 1982 in der ersten Deregulierungsphase die Markteintrittsbarrieren vollständig abgeschafft werden, während die zweite Phase auf die Aufhebung der Preiskontrollen bis Januar 1983 ausgerichtet war31. 29
Vgl. STANOVSKY R. (2003), S. 111; WIEZOREK, B. (1999), S. 103 ff. STANOVSKY R. (2003), S. 111 31 Vgl. LEONARD, W. (1983), S. 453 30
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Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Die insgesamt positiven Erfahrungen mit der Deregulierung in den USA lösten auch im europäischen Raum diverse Bestrebungen bezüglich Öffnung der Luftverkehrsmärkte aus. Doch da im Unterschied zu den USA die Mehrzahl der europäischen Fluggesellschaften staatlich war und die Regierungen auf Grund der Marktöffnung den Verlust eines wichtigen Teils der nationalen Souveränität befürchteten, blieben hiesige Versuche, das bestehende regulierte System zu ändern, oft zögerlich. Somit konnte sich der Liberalisierungsprozess in Europa nur langsam entwickeln. Er wurde im Wesentlichen durch die Europäische Gemeinschaft vorangetrieben32. Der Luftverkehr in Europa wurde sukzessiv im Rahmen der drei Liberalisierungspakete dereguliert, die in den Jahren 1987, 1989 und 1993 in Kraft traten 33 . Im April 1997 garantierte die Europäsche Union überdies allen europäischen Fluggesellschaften auf Strecken innerhalb der EU freien Marktzugang sowie vollständige Preis- und Kapazitätsfreiheit. Abbildung 2.5 fasst die wichtigsten Liberalisierungsmaßnahmen in Europa zusammen34.
1987 1987 (Erste (Erste Stufe) Stufe)
1989 1989 (Zweite (Zweite Stufe) Stufe)
• Einführung ermäßigter Tarife • Erweiterte Margen bei Tarifen (Deep Discount bis 70% unter (Margentarife: Discount-Tarif Normaltarif) 10-35% unter Normaltarif, Deep Discount 35-55% unter • Kapazität einer Airline kann Normaltarif) während einer Saison innerhalb bestimmter Grenzen erhöht • Einführung des „Double werden (bis 75%:25% Disapproval“ für diese Tarife Kapazitätsaufteilung zwischen (Tarife gelten automatisch als den beteiligten Airlines) genehmigt, sofern sie nicht von beiden beteiligten Regierungen • Zusätzliche Rechte der 5. innerhalb von 30 Tagen Freiheit abgelehnt werden) • Die Aufnahme neuer • Abkehr vom strikten Liniendienste der 3., 4. und 6. Kapazitätsverhältnis (50:50%) Freiheit zwischen den zwischen den beteiligten internationalen Flughäfen der Airlines im NachbarschaftsEU darf von den nationalen verkehr Regierungen nicht mehr verweigert werden • Erweiterung des Rechts der 5. Freiheit
1993 1993 (Dritte (Dritte Stufe) Stufe)
1. 1. April April 1997 1997
• Volle Kabotage möglich • Aufhebung aller Beschränkungen hinsichtlich Strecken und Kapazitäten • Niederlassungsfreiheit für EU-Gesellschaften (freier Marktzugang) mit Ausnahme der echten Kabotage kann jede EU-Airline jede Strecke innerhalb der EU fliegen
Abbildung 2.5: Liberalisierung des Luftverkehrs in Europa
Trotz vermehrter Deregulierungs- und Liberalisierungsbestrebungen kann jedoch in vielen Bereichen des Luftverkehrs noch keine Rede von freiem Wett32
Vgl. WIEZOREK, B. (1999), S. 103 Siehe dazu etwa MAUER, P. (2002), S. 16ff.; POMPL, W. (1991), S. 272-304; STANOVSKY, R. (2003), S. 120-127; DIEGRUBER J. (1990), S. 207-220; BEYEN R,/HERBERT J. (1991), S. 72-140 34 Die für das Verständnis der Abbildung 2.5 benötigten Erklärungen der Freiheitsgrade im Luftverkehr finden sich im Anhang 33
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
15
bewerb sein. So verhindern die immer noch bestehenden bilateralen Abkommen zwischen den europäischen und nicht europäischen Staaten eine effiziente, kostengünstige und marktkonforme Produkt- und Ressourcenallokation. Die regulierten Airline-Besitzverhältnisse erlauben keine freien Kapitalflüsse und vereiteln somit eine optimale Risikoallokation der Fluggesellschaft35. Andere Wettbewerbseinschränkungen oder -verzerrungen wie z.B. die reglementierte Verfügbarkeit und Vergabe von Slots und staatliche Subventionen wirken sich ebenfalls negativ auf die Markteffizienz der Luftfahrtindustrie aus (siehe Abbildung 2.6). Bestehende Regulierungen und Wettbewerbsverzerrungen
Auswirkungen auf die Märkte
1 Regulierte Airline- Besitzverhältnisse
• Kein freier Kapitalfluss • Fragmentierte Marktstruktur mit fast völliger Abwesenheit von internationalen Fusionen und Akquisitionen • Sub-optimale Risikoallokation
2 Komplexes System bilateraler Abkommen
• Verhinderung der vollständigen Realisierung der Netzwerkpotenziale
3 Regulierte Verfügbarkeit von Slots
• Sehr hohe Markteintrittsbarrieren • Ineffiziente Allokation und Benutzung von Slots
4 Staatliche Subventionen für "Flag" Carrier
• Unfairer Wettbewerb durch subventionierte Preise • "Künstliche Beatmung" der ineffizient arbeitenden Airlines
5 Flughafen im Staatsbesitz- und betrieb
• Keine von der Nachfrage getriebene Entwicklung der Flughafeninfrastruktur
Abbildung 2.6: Bestehende Regulierungen und Wettbewerbsverzerrungen in der Luftfahrtindustrie und ihre Auswirkungen auf die Märkte (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2003): Internes Know-how-Papier)
2.3.3 Auswirkungen der Deregulierung und Liberalisierung auf die Luftverkehrsmärkte Der Deregulierungs- und Liberalisierungsprozess hat weit reichende Veränderungen in der modernen Luftfahrtindustrie in Gang gesetzt. Die Möglichkeit der freien Angebots- und Preisgestaltung versetzte die etablierten Fluggesell35
Vgl. DÖRING, T. (1999). S. 82ff.
16
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
schaften in die Lage, ihr Produkt an die Kundenwünsche anzupassen und ihre Preise durch Optimierung der Kostenbasis flexibel und marktkonform zu gestalten. Neue Fluggesellschaften erhielten Zutritt zum Markt. Die Deregulierung wirkte sich also auf die Streckennetze und Flugpreise der Airlines sowie auf die Wettbewerbs- und Marktstruktur der Industrie aus. 2.3.3.1 Streckennetze und Flugangebot Der Wegfall der regulatorischen Vergabe von Flugstrecken und die daraus resultierende Möglichkeit zur freien Wahl der zu bedienenden Destinationen führte zu einer vollkommenen Umgestaltung und Reorganisation der Streckennetze. Hatten sich die Airlines vor der Deregulierung auf die Bedienung der lokalen Nachfrage zwischen zwei Städten spezialisiert, so begannen sie nach der Deregulierung, ihre Netzwerke in große Drehscheiben (so genannte Hub-and-Spoke-Netzwerke36) zu verwandeln, in denen der ankommende und ausgehende Passagierverkehr zusammengeführt wird, was die Anzahl der erschlossenen Märkte maximiert. Mittel- und Langstreckenflüge blieben dabei den großen Airlines vorenthalten, die als "Flag"-Carrier bezeichnet werden. Regionale Fluggesellschaften bedienten die Kurzstrecken37. Die Entwicklung der Hub-and-Spoke-Netzwerke ermöglichte den Fluggesellschaften die Senkung ihrer Stückkosten38 und erhöhte durch die Steigerung der Anzahl der bedienten Flugmärkte gleichzeitig die Attraktivität der AirlineNetzwerke für die Passagiere. Der Nachteil solcher Netze besteht allerdings darin, dass die Passagiere ihr Reiseziel nicht mehr direkt, sondern nur über einen Umsteigeflughafen erreichen. Eine derartige Netzwerkumstrukturierung führte auch dazu, dass kleinere Städte ihre Luftverkehrsanbindung entweder vollständig verloren oder mit wesentlich weniger Direktflügen bedient wurden. Der Ersatz der Direktflüge durch die Transferverbindungen über einen Hub bedingte zwar eine Verlängerung der Reisezeit, die Anzahl der angebotenen Flugfrequenzen stieg jedoch in der Regel39. Zudem wurden neue Märkte erschlossen, die früher nur mit mehrmaligem Umsteigen und langen Wartezeiten erreicht werden konnten.
36
Siehe Abschnitt 2.4.3 Vgl. WIEZOREK, B. (1999), S. 67 38 z.B. durch die Möglichkeit des Einsatzes größerer Flugzeuge 39 Vgl. MORRISON S./ WINSTON C. (1986), S. 23ff. 37
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
17
2.3.3.2 Flugpreise Die Deregulierung der Märkte hatte erhebliche Veränderungen in Tarifstruktur und -niveau verursacht. Während die neu auf dem Markt auftretenden Billiganbieter, so genannte "Low Cost Carrier", in der Regel eine sehr einfache und übersichtliche Tarifstruktur implementierten, entwickelten die meisten etablierten Airlines ein sehr komplexes und vielschichtiges Tarifsystem, das mit Hilfe diverser Restriktionen40 die einzelnen Tarife voneinander abgrenzt. Es versetzte die Airlines in die Lage, die Preise in Abhängigkeit von Kundenbedürfnissen zu gestalten. Die Preise wurden somit nicht mehr aus den Kosten, sondern aus den jeweiligen Marktverhältnissen hergeleitet41. Die Flexibilisierung der Preise führte auf dem amerikanischen Markt zu einer Reduktion der Flugpreise um 15-20% 42 . In Europa konnte hingegen keine generelle Senkung der Flugpreise beobachtet werden43. Erhebliche Preisminderungen wurden hier wettbewerbsbedingt ausschließlich auf Strecken festgestellt, auf denen mehr als zwei Fluggesellschaften ihren Service anboten oder auf denen sich die Low Cost Carrier etablierten 44. 2.3.3.3 Wettbewerb und Marktstruktur Die Öffnung der Märkte verschärfte den Wettbewerb der Fluggesellschaften drastisch. Sie waren nun gezwungen, ihre Produktivität deutlich zu erhöhen sowie ihr Angebot und die Kostenstruktur den Marktanforderungen anzupassen. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, gingen die Airlines strategische Partnerschaften ein. In den nächsten zwei Abschnitten werden die Auswirkungen der Deregulierung auf die Wettbewerbslandschaft skizziert sowie die Formen der strategischen Partnerschaften mit ihren Vor- und Nachteilen erläutert. 2.3.3.3.1 Wettbewerb zwischen etablierten und neuen Fluggesellschaften Die Deregulierung verursachte in den 80er und Anfang der 90er Jahre eine große Krise der gesamten US-Luftfahrtindustrie. Der Wettbewerb zwischen etablierten und neu gegründeten Fluggesellschaften ließ an die 100 Airlines 40
z.B. Restriktion bezüglich Wochenendaufenthalt, Abflugtag, Möglichkeit zur Änderung der Abflugszeit Vgl. WIEZOREK, B. (1999), S. 91 42 Vgl. DIEGRUBER, J. (1990), S. 195 43 Vgl. STANOVSKY, R. (2003), S. 205 44 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft (1996): Auswirkungen des Dritten Pakets von Maßnahmen zur Liberalisierung des Luftverkehrs, S. 6 41
18
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
vom Markt verschwinden: Sie gingen bankrott oder fusionierten. Einige Fluggesellschaften konnten nur durch staatliche Hilfen oder Konkursschutz weiter existieren. Kaum eine der neu gegründeten Fluggesellschaften überlebte eigenständig45. Abbildung 2.7 gibt einen Überblick über die wichtigsten Marktein- und -austritte in den USA. Air FL
Große Newcomer
Midway Republic AirCal Morris PSA
NY Air
79
Reno Air
Midwest
Southwest
80
AmericaWest
People Express
81
82
83
MGM Grand
84
Branifft
Air FL
Texas
Capitol
85
86
People Express
KIWI
87
World PSA
88
89
Western Eastern Piedmont
90
91
Value Jet
92
Pan Am II
93
Pan Am
94
95
Morris
..
00
TWA
Frontier AirCal Republic
Große Pleiten
America West Chapter 11
TWA Chapter 11
Continental Chapter 11
Abbildung 2.7: Die wichtigsten Newcomer und Pleiten in der amerikanischen Luftfahrtindustrie (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2003): Internes Know-how-Papier)
Starker Wettbewerb und die damit verbundene Konsolidierung führten sowohl in den USA als auch in Europa zu einem hohen Kostendruck. Durch die Optimierung der Streckennetze sowie durch tief greifende Restrukturierungsmaßnahmen konnten die Airlines ihre Kosten allerdings deutlich reduzieren46. Doch die so gewonnenen Kostenvorteile mussten die amerikanischen Fluggesellschaften, wie Abbildung 2.8 zeigt, vollständig an ihre Kunden weitergeben. Wie empirische Untersuchungen zeigen, waren dagegen die Fluggesellschaften in Europa zum größten Teil in der Lage, die realisierten Kostensenkungspotenziale einzustreichen 47 und somit ihre Ertragslage zu verbessern.
45
Vgl. DÖRING, T. (1999), S. 77 Vgl. DIEGRUBER, J. (1990), S. 222ff.; STANOVSKY, R. (2003), S. 205 47 Vgl. STANOVSKY, R. (2003), S. 205-206 46
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Konsolidierung
19
“Gesättigter Markt"
9,0 8,5
-28%
Effizienzgewinne wurden an die Kunden weitergereicht
8,0 7,5 7,0 6,5 6,0
-23%
5,5 5,0 4,5 4,0
19
78 980 982 984 986 988 990 992 994 996 998 000 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2
Durchschnittsertrag (real; 1978=100) Stückkosten (real, 1978=100)
Abbildung 2.8: Entwicklung der Durchschnittserträge und Stückkosten der USamerikanischen Fluggesellschaften nach der Deregulierung [Dollar-Cents] (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2003): Internes Know-how-Papier)
2.3.3.3.2 Strategische Flugallianzen und Kooperationen In der durch die Liberalisierungsbestrebungen ausgelösten Marktsituation, die sich durch zunehmenden Druck auf Erträge und Kosten auszeichnete, war das isolierte Agieren für Fluggesellschaften mit erheblichen Risiken verbunden48. Zudem erkannten die Airlines, dass mit Eingehen von strategischen Partnerschaften, so genannten Flugallianzen, signifikante umsatz- und kostenseitige Synergiepotenziale realisiert werden können49. Dies führte dazu, dass die Anzahl der Allianzen und Kooperationen im Luftverkehr kontinuierlich zunahm50: So wird der Wettbewerb im Luftverkehr seit Beginn der 90er Jahre nicht mehr zwischen einzelnen Fluggesellschaften, sondern primär zwischen Allianzen ausgetragen 51 . Die strategischen Allianzen entwickeln sich dabei immer mehr von den früheren bilateralen regionalen Kooperationen in Richtung weltweiter multilateraler Partnerschaften. Abbildung 2.9 zeigt die mit der Allianzbildung verbundenen Synergieeffekte. 48
Vgl. JÄCKEL, K. (1991), S. 284 Siehe Abbildung 2.9 Vgl. GALLACHER, J. (1998), S. 42; AIRLINE BUSINESS (2000): Danach belief sich 1999 die Anzahl der weitweiten Allianzen ohne finanzielle Beteiligung auf 513; mit finanzieller Beteiligung auf 53 51 Vgl. POMPL, W.(2002), S. 404 49 50
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Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Umsatzseitige Synergien • Anlocken zusätzlicher Passagiere durch größere Netzwerke, höhere Frequenzzahl und bessere Flugverbindungen • Umsatzsteigerung durch gemeinsame Kunden- und Agentenbindungsprogramme, Frequent-FlyerProgramme und gemeinsames Branding • Vermeidung der Ertragerosion: Koordination von Pricing und Yield Management • Zusätzlicher Umsatz aus Direktflügen auf den Hauptrouten • Zusätzlicher Umsatz aus neuen Transferverbindungen
Zusammensetzung der Synergiepotenziale [%]
Andere (Stationen, Cargo, Finanzen, Marketing)
IT
Wartung/ Reparatur
Netzwerk 16 35
8
11
Kostenseitige Synergien • • • •
Reduktion der Überkapazitäten Integration der Nebenfunktionen (IT, Handling usw.) Integration der Vertriebsmannschaften Steigerung der Einkaufsmacht (Flugzeuge, Treibstoff, usw.) • Reduktion der Personal- und Materialkosten
17
Einkauf
13
Vertrieb
Kostenseitige Synergien Umsatzseitige Synergien
Abbildung 2.9: Synergiepotenziale einer Airline-Allianz (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2004): Internes Know-how-Papier)
Je nach regionaler Netzabdeckung unterscheidet man regionale und globale Allianzen52. Abbildung 2.10 zeigt den aktuellen Stand der größten Flugallianzen. Man erkennt, dass die Hälfte des weltweiten Passagieraufkommens sowie der generierten Umsatzströme im Rahmen von Airline-Kooperationen abgewickelt wird. Der Wettbewerb auf Luftverkehrsmärkten wird somit von der Ebene der einzelnen Fluggesellschaften auf die Ebene der Allianzgruppen verlagert. Die am häufigsten verbreitete Form der Airline-Kooperationen ist das Codesharing53. Beim Codesharing fügt eine Airline ihrem Flugplan, also unter ihrer Flugnummer, einen Flug hinzu, der operationell von einer anderen Airline ausgeführt wird54. Codesharing kann sowohl einzelne Flüge als auch gesamte Flugnetzwerke betreffen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile resultieren im Wesentlichen aus folgenden Effekten55: 1. Erhöhung der Marktanteile durch Erhöhung der Flugfrequenz 2. Ausweitung der gemeinsamen Netzwerke und der Marktpräsenz 52
Vgl. STANOVSKY, R. (2003), S. 198; POMPL, W. (2002), S. 405ff. Im Anhang findet sich eine Übersicht über die Entwicklung der Codeshare-Flüge im Zeitraum 1996 bis 2004 54 Siehe dazu etwa OUM/PARK/ZHANG (1996), S. 190; BURTON, J./HANLON P. (1994), S. 220 55 Vgl. POMPL, W. (2002), S. 110ff. 53
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
21
3. Vernachlässigung der bilateralen Länderabkommen und fehlenden Verkehrsrechte 4. Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Transferverbindungen56 5. Verbesserung der Flugzeugauslastung beider beteiligten Airlines durch gemeinsame Planung57 6. Produktverbesserung, z.B. gemeinsames Check-In, Lounges, Vielfliegerprogramme.
Mitglieder
• • • • • • • • • • • • • • • • •
Weltweiter Passagieranteil
19,5%
18,0%
11,9%
Σ=49,4%
Weltweiter Anteil an RPKs
21,9%
19,1%
15,4%
Σ=56,4%
Weltweiter Umsatzanteil
24,9%
18,6%
14,4%
Σ=57,9%
Air Canada Air New Zealand All Nippon Asiana Austrian Airlines British Midland LOT Polish Airlines Lufthansa Mexicana SAS Singapore Airlines Spanair Tap Air Portugal Thai Airways United Airlines US Airways Varig
• • • • • • • • •
Aeromexico Air France Alitalia Continental Airlines CSA Czech Airlines Delta Airlines KLM Korean Air Northwest
• • • • • • • •
Aer Lingus American Airlines British Airways Cathay Pacific Finnair Iberia Airlines Lan Chile Quantas Airways
Abbildung 2.10: Die größten weltweiten Flugallianzen (Quelle: Airline Business, September 2004)
Im Bezug auf die Art der Kooperation und der Risikoverteilung zwischen den Partnern unterscheidet man beim Codesharing drei wesentliche Typen von Abkommen: Blocked-Space-Vereinbarungen, Free-Sale-Vereinbarungen und Joint-Venture-Flüge58. Blocked-Space-Vereinbarungen sind ein vertraglich festgelegter Kauf oder Tausch einer bestimmten Anzahl von Sitzplätzen 56 Die Vergabe eines Codeshares verhüllt die Tatsache, dass mehrere Airlines an einer Transferverbindung beteiligt sind. Dies verbessert die Positionierung der Verbindung in Computer-Reservierungssystemen und somit ihre Wertigkeit. Die meisten Passagiere bewerten zudem solch eine Codeshare-Verbindung als eine Verbindung, die von nur einer Airline ausgeführt wird. Da sie auf ihrem Reiseweg den Wechsel der Fluggesellschaft in der Regel meiden, entscheiden sie sich daher eher für eine Codeshare-Verbindung 57 Vgl. HANLON, P. (1996), S. 105 58 Vgl. DÖRING, T. (1999), S. 121ff.
22
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
auf einem Partnerflug. Der Erwerber der Sitzkontingente vermarktet diese unter eigener Flugnummer. Je nach dem, wer das Verkaufsrisiko trägt, spricht man hier vom Hard Agreement oder Soft Agreement. Beim Hard Agreement muss die nicht operierende Airline für alle Sitze der erworbenen Kontingente bezahlen, wohingegen sie beim Soft Agreement einige Sitzplätze innerhalb bestimmter Fristen zurückgeben kann und somit nicht zu bezahlen braucht. Bei Free-Sale-Vereinbarungen ermöglicht die Airline, die den Flug durchführt, dem Kooperationspartner einen direkten oder indirekten Zugriff auf seine Sitzplatzkapazität über das Reservierungssystem. Unter Einhaltung gewisser Beschränkungen und zu festgelegten Kommissionen oder Preisen darf dieser dann die freien Plätze buchen. Bei der Durchführung von Joint-VentureFlügen werden die jeweiligen Erlöse und Kosten unter beiden beteiligten Fluggesellschaften aufgeteilt59. Außer Codesharing sind noch andere Formen der netzwerkseitigen Kooperation von Fluggesellschaften möglich. Abbildung 2.11 fasst die wesentlichen Ausprägungen solcher Kooperationen zusammen und zeigt, in welcher Relation diese zur Bindungsintensität stehen. strategischer Fokus Fusionen/ Akquisitionen Gemeinsames Netzwerkmanagement
Netzseitige Allianz-Vereinbarungen Codeshare- Vereinbarungen
Integration
ScheduleKoordination
Gemeinsames Pricing/ Yield Management Joint-VentureFlüge
Blocked-SpaceVereinbarung Franchising Wet Lease
Free-SaleVereinbarung
Interlining Bindingsintensität/Austrittsrisiken
Abbildung 2.11: Mögliche Formen der netzwerkseitigen Kooperation im Luftverkehr (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2000): Internes Know-how-Papier)
Die in Abbildung 2.11 dargestellten "Interlining"- und "Wet-Lease"-Koopera59
Entspricht dem IATA-Pool-Abkommen
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
23
tionen sind sehr lose Kooperationsformen. Unter "Interlining" versteht man den Verkauf von Flugtickets einer Fluggesellschaft über die Reservierungssysteme einer anderen Fluggesellschaft sowie das Bilden von Transferverbindungen, an denen mehrere Fluggesellschaften beteiligt sind und die auch als solche verkauft werden. Von "Wet Lease" spricht man, wenn ein Flugzeug samt Besatzung zu einem vereinbarten Preis über einen bestimmten Zeitraum vermietet wird60. Alle dabei entstehenden Kosten, z.B. für Treibstoff und Wartung oder Landegebühren, werden vom Flugzeugbesitzer getragen. Schedule-Koordination und gemeinsames Netzwerkmanagement sind Kooperationsformen, die die Integration der Netz-, Preis-, und Kapazitätsplanungsprozesse der beteiligten Airlines erfordern und sich nur im jeweiligen Integrationsgrad unterscheiden. Durch die "Franchising"-Vereinbarungen vermarkten die großen Fluggesellschaften ihren Markennamen, um auf Nischenmärkten präsent zu sein, die sie selbst operativ nicht sinnvoll bedienen können. Wie bereits oben erwähnt, begannen die Fluggesellschaften, ihre Flugnetzwerke für sich alleine und im Rahmen der strategischen Allianzen und Partnerschaften zu optimieren, um die Vorteile der neuen Marktordnung im Luftverkehr in vollem Umfang auszunutzen. Die nachfolgenden Abschnitte erläutern die wesentlichen Aspekte des Netzwerkmanagements und schildern den Prozess der Flugplanentwicklung und -optimierung.
2.4 Grundzüge des Airline-Netzwerkmanagements Abgesehen von den vorhandenen materiellen Aktiva stellt der Flugplan die wichtigste Ressource und die Quelle der Ertragsströme einer Fluggesellschaft dar. Die mit der Änderung der Flugpläne verbundenen Aktionen beeinflussen unmittelbar das operative Ergebnis einer Airline und wirken sich somit direkt auf ihre Rentabilität aus. Ein effizientes Management der Flugnetzwerke ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben, die die Airlines im Rahmen der operativen und strategischen Planungen wahrnehmen. Da das Verständnis der komplizierten Prozesse und Aktivitäten im Kontext des Netzwerkmanagements später bei der Darstellung des in der vorliegenden Arbeit entwickelten Flugplanoptimierungsmodells benötigt wird, werden diese nachfolgend in ihren Grundzügen präsentiert.
60
Vgl. SCHMIDT, G.H. (1999)
24
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
2.4.1 Aufgaben und Funktionen des Airline-Netzwerkmanagements Die primäre Aufgabe des Netzwerkmanagements besteht in der Planung, Steuerung und Koordination des gesamten Flugnetzwerks einer Airline. Das Flugnetzwerk ist dabei als die Gesamtheit aller Flüge der jeweiligen Airline zu verstehen. Es enthält außer den Direktflügen auch alle möglichen Flugkombinationen, die von Flugverbindungen zwischen Städtepaaren erzeugt werden. Die das Netzwerk bildenden Flugverbindungen sind Produkte einer Airline. Sie bestimmen zusammen mit weiteren Determinanten wie Preis und Verfügbarkeit, die ebenfalls vom Netzwerkmanagement definiert und gesteuert werden, das Angebot einer Airline an ihre Kunden. Das Netzwerkmanagement ist somit für die Angebotsgestaltung einer Airline verantwortlich. Da allerdings im Rahmen des Netzwerkmanagements die wichtigsten Produkteigenschaften61 festgelegt werden, die sich auf die Auswahl und Kaufentscheidung der Passagiere direkt auswirken, beeinflusst das Netzwerkmanagement auch die Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen einer Fluggesellschaft. In der modernen Fluggesellschaft wird, wie in Abbildung 2.12 dargestellt, der größte Teil der Gesamtkosten direkt oder indirekt durch die Größe und die
Typische Typische Kostenstruktur Kostenstruktur einer einer Fluggesellschaft Fluggesellschaft
~15% ~15%
~85%
Sonstige Fixkosten
Netzwerkabhängige Kosten
100%
~20% ~50%
Flugvariable Kosten
Flugzeugvariable Kosten
Passagiervariable Kosten
Gesamt
Abbildung 2.12: Kostenstruktur einer Fluggesellschaft (Döring, T. (1999); Stanovsky, R. (2003), eigene Projekterfahrung) 61
z.B. Zeitenlagen der Flüge, Umsteige- und Wartezeiten, Flugzeugtypen
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
25
Struktur des Flugnetzes bzw. durch das Angebot an Flugverbindungen bestimmt62. So sind nur ca. 15% der Kosten passagierabhängig, für ca. 40-50% der Kosten ist die Entscheidung, ein Flugereignis durchzuführen, Ausschlag gebend. Die restlichen 20-30% der Kosten entstehen durch Netzinfrastruktur, Flotte, Vertrieb usw. Das Netzwerkmanagement definiert also die Struktur und das Ausmaß der wichtigsten Kostentreiber und hat somit einen direkten Einfluss auf die Ertragssituation einer Fluggesellschaft. Das Netzwerkmanagement steht also vor der Aufgabe, eine optimale Allokation der Flugplanressourcen zwischen der Markt- bzw. der Passagiersicht und der Produktionssicht zu finden. Dabei müssen die Passagierströme und die daraus resultierenden Umsätze maximiert und die Kosten des Flugbetriebes minimiert werden. Diese Suche nach der optimalen Ressourcenallokation ist eine der schwierigsten Aufgaben im Airline-Geschäft. Ihre Komplexität ergibt sich aus der weitgehenden Unabhängigkeit der Passagier- und der Produktionssicht. Flugverbindungen Flugverbindungen // Sitzplatzströme Sitzplatzströme
Flugproduktion Flugproduktion A
A
D
D
B
B
E
C
E
C
PRODUKTIONSSICHT Optimierende Rolle des Netzwerkmanagements
PASSAGIERSICHT Passagiernachfrage Passagiernachfrage A
D B
C
E
Abbildung 2.13: Netzwerkmanagement als Schnittstelle zwischen Produktions- und Passagiersicht
62
Vgl. DÖRING, T. (1999). S. 88; STANOVSKY, R. (2003), S. 32; POMPL, W. (2002)
26
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Die Passagiersicht beschreibt die Wünsche der Reisenden bezüglich ihrer Beförderung zwischen verschiedenen Städtepaaren und bildet somit die Nachfrageströme. Die Produktion einer Airline wird durch einen Flug auf einer bestimmten Flugstrecke ("Leg") zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem bestimmten Flugzeugtyp gekennzeichnet. Somit lässt sich die Produktionssicht als die Gesamtheit aller Flüge mit den entsprechenden Flugzeugen darstellen. Die Produktionssicht definiert die Flugzeugströme bzw. Ströme der Sitzplatzkapazitäten. Die Aufgabe des Netzwerkmanagements ist es also, diese unabhängigen Sichten möglichst eng aneinander zu koppeln bzw. die Produktionssicht der Passagiersicht anzupassen und dabei die Durchführbarkeit der Airline-Aktivitäten zu gewährleisten. Die Komplexität des oben beschriebenen Netzwerkoptimierungsprozesses hat dazu geführt, dass die Airlines in einem wesentlich höheren Ausmaß als die meisten anderen Industrien Modelle und Tools aus dem OperationsResearch-Bereich einsetzen. Doch trotz des Einsatzes der vielfältigen Operations-Research-Werkzeuge ist es wegen der höchst komplexen Natur des Netzwerkplanungs- und -optimierungsprozesses noch keiner Airline gelungen, alle in diesem Prozess enthaltenen Komponenten in einem Modell zu vereinen und sie simultan zu optimieren. Vielmehr wurde der Prozess in eine Abfolge sequentieller Funktionen zerlegt63. Die Prozessabfolge beinhaltet Scheduling, Produktionsplanung, Pricing, Yield Management und Vertrieb. Jeder der einzelnen Schritte der Netzwerkplanungssequenz, die der Reihe nach durchlaufen werden, hat seine eigenen zeitlichen Horizonte, operative Restriktionen und Detailziele. Die Maximierung des Gesamtgewinns der Airline ist jedoch das übergeordnete Ziel aller Prozessbausteine. Abbildung 2.14 auf der nächsten Seite zeigt die wesentlichen Bestandteile des Netzwerkplanungs- und -optimierungsprozesses. Im hier dargestellten Netzwerkplanungsprozess wird mit Hilfe von Scheduling die Gestalt des Flugnetzwerkes einer Airline bestimmt. Die Produktionsplanung beschäftigt sich mit der produktionsseitigen Umsetzung einer Netzwerklösung, Pricing ist für die Ausgestaltung der Tarifstruktur verantwortlich und Yield Management evaluiert und steuert die Sitzplatzverfügbarkeit ausgehend von der gegebenen Kapazität64. Abbildung 2.15 verdeutlicht die zeitliche Anordnung der einzelnen Unter63 64
Vgl. SMITH B.C./ BARLOW J./ VINOD B.(1997), S. 117 Vgl. DÖRING, T. (1999), S. 91.
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
27
Netzwerkplanungs- Prozess
schritte im Netzwerkplanungs- und -optimierungsprozess. Der Prozess beginnt bereits drei bis fünf Jahre vor Durchführung eines jeden Fluges: Basierend auf der Marktentwicklung und der Unternehmensstrategie wird die Netzstrategie festgelegt, d.h. es wird über die zu bedienenden Märkte und die Flottengröße und -zusammensetzung entschieden. Sechs Monate vor Beginn einer Flugplanperiode muss der Flugplan sowie die Flugzeug- und Crewplanung erstellt werden. Im Rahmen der kurzfristigen Steuerung erfolgen dann Pricing und Yield Management. Netzwerkplanungsfunktionen
Wichtigste Detailschritte / Tools
Scheduling
Marktplanung und Angebotsoptimierung • Gesamtmarktplanung • Marktanteilsabschätzung • Hub-Optimizer/Connection Builder
Produktionsplanung Fleet Assignment
Pricing
Yield Management
Umlaufplanung • Fleet Assignment • Routing Generator/Rotation Builder • Zuverlässigkeitsvorhersage-Modelle Preisoptimierung • Tarifplanung und Segmentierung • Analyse und Simulationsmodelle Umsatzoptimierung • Nachfrage- Forecasting • Yield-Optimierung durch Verfügbarkeitssteuerung bezüglich der Buchungsklassen und O&Ds
Abbildung 2.14: Prozess der Netzwerkplanung und -optimierung
Der Netzwerkplanungs- und -optimierungsprozess umfasst somit die Kernfunktionen einer Airline. Seine Effizienz und die Qualität seiner Ergebnisse beeinflussen in bedeutendem Ausmaß die Umsatzentwicklung und die operative Kostenbasis einer Fluggesellschaft. Eine Verbesserung der Effektivität dieses Prozesses oder einiger seiner Komponenten, die auch das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, hat direkte Auswirkungen auf den Gewinn und die Wettbewerbsfähigkeit einer Airline-Unternehmung.
28
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Netzstrategie Marktentwicklung
Entwicklung Strategie
Flottenplanung
Netzplanung
Marktforschung
Flugplanplanung
Rotations- Verfeinerung planung Flugplan
IATA draft
Netzsteuerung Kapazitäts- "Pricing" austausch
3-5 Jahre
12 Monate
6 Monate
Yield management
Tag des Abflugs
Abbildung 2.15: Zeitliche Struktur des Netzwerkplanungsprozesses (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2002): Internes Know-how-Papier)
2.4.2 Grundgedanke der Netzwerkoptimierung In den ersten Entwicklungsphasen des Netzwerkmanagements wurde die Netzwerkoptimierung als reine Flugstrecken- bzw. "Leg"-Optimierung verstanden: Die Airlines versuchten, die Passagiernachfrage auf einer bestimmten, von den anderen Flugverbindungen als unabhängig betrachteten Flugstrecke möglichst gut zu befriedigen und so die Flugzeugauslastung zu steigern. Die Optimierungseinheit war also ein einzelner Streckenabschnitt bzw. ein Flug. Der Wettbewerb spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Entsprechend dieser Sichtweise wurde die Netzplanung und -steuerung sowie die Erfolgsmessung auf der Leg-Basis durchgeführt. Aus Sicht des Kunden spielen jedoch nur der Abflugsort (Origin) und der endgültige Bestimmungsort (Destination) – nicht die einzelnen Flüge – eine Rolle für die Entscheidung zur Selektion einer Reiseverbindung. Im Bestreben, das Kapazitätsangebot am Produktwunsch der Kunden auszurichten, sowie als Reaktion auf die Verschärfung des Wettbewerbsumfelds haben die Fluggesellschaften ihre Philosophie der Netzwerkoptimierung geändert: Für das moderne Netzwerkmanagement wird das Angebot nicht mehr über Flugstrecken, sondern über O&D-Verbindungen, also Verkehrsströme zwischen Origin und Destination, definiert. Die Optimierungseinheit ist nicht mehr der einzelne Flug, sondern ein O&D-Markt 65 . Abbildung 2.16 verdeutlicht die Sichtweise der modernen Netzwerkplanung. 65
O&D-Markt wird oft als ein "O&D" bezeichnet
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Nachfrage
29
Angebot
PAR - NYC
FRA
PAR
direkt
NYC
LON AMS
Abbildung 2.16: Sichtweise der modernen Netzwerkplanung – O&Ds statt Strecken (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (1999): Internes Know-how-Papier)
Mit dem Wandel des allgemeinen Netzverständnisses änderte sich auch das System der Erfolgsmessung. Der Gewinn, der mit einem Flug erzielt wird, ist für die neue Philosophie der Netzwerkoptimierung unerheblich. Ziel ist nun, den Gesamtnetzertrag zu maximieren, d.h. auf der Gesamtheit der möglichen Reiseströme die größte Passagiermenge mit der höchsten Ertragswertigkeit in der optimalen Zeit zu befördern66. Entscheidend ist somit der Beitrag des einzelnen Fluges zur gesamten Netzrentabilität und nicht mehr der isolierte Ertrag dieses Fluges. Entsprechend diesem Grundgedanken können im Netzwerk durchaus Flüge existieren, die isoliert betrachtet nicht Kosten deckend ausgeführt werden, in ihrer Funktion als Zu- oder Abbringer jedoch Gewinn bringen. Abbildung 2.17 illustriert diesen Sachverhalt. Wie die Abbildung zeigt, resultiert die Gesamtzahl der Passagiere, die mit einem Flug befördert werden, aus der Summe der einzelnen Reiseströme auf verschiedenen O&Ds, die mit Hilfe dieses Fluges gebildet werden können. Die Aufgabe der Netzwerkplanung im Rahmen von Scheduling ist es somit, durch intelligente Flugplangestaltung eine solche Kombination der Flüge mit den entsprechenden Abflugs- und Ankunftszeiten zu finden, dass die Summe der Passagiere auf den durch das gesamte Flugnetzwerk fließenden Verkehrsströmen maximal ist. 66
Vgl. MAURER, P. (2002), S. 341
30
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Zubringermärkte
Abbringermärkte
NYC
SIN
JNB
TYO
SAO STO PAR AMS
FRA - MUC Direkt FRA – MUC : 20 Pax
+
NYC – FRA – MUC: 10 Pax JNB – FRA – MUC: 5 Pax SAO – FRA – MUC: 3 Pax .... FRA – MUC – SIN: 15 Pax FRA – MUC – TYO: 5 Pax FRA – MUC – MNL: 2 Pax ... Summe der Passagiere auf dem Flug FRA – MUC: 100
MNL LIS VIE DXB
Abbildung 2.17: Beispiel für die Bildung der Direkt- und Transferpassagierströme mit einem Flug
Um Netzwerkmanagement gestalten zu können, ist die genaue Kenntnis des gelenkten Systems, d.h. der Netzwerke der Airline, unabdingbar. Im nächsten Abschnitt werden die verschiedenen Arten von Airline-Netzwerken mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt. 2.4.3 Airline-Netzwerke Grundsätzlich findet Verkehr zwischen zwei Punkten statt: dem Start- und dem Zielort. Es gibt allerdings verschiedene Möglichkeiten, vom Start- zum Zielort zu kommen. So kann man z.B. direkt, ohne Umsteigen (Punkt zu Punkt) oder mit einer Umsteigeverbindung über einen Flughafen, auch Hub genannt, vom Start- an den Zielort gelangen. Die Direktverbindung ist für einen Passagier die günstigste Verbindungsart, denn so erreicht er in kürzester Zeit sein Reiseziel. Allerdings ist es für eine Fluggesellschaft aus wirtschaftlichen Überlegungen möglicherweise nicht immer von Vorteil, eine Direktverbindung anzubieten. Um jedoch für die Kunden ein breites Angebot an möglichen Verkehrsmärkten schaffen zu können, auf denen durch die Ausschöpfung von Verbundvorteilen67 profitabler Betrieb 67
Vgl. GELLMANN, A.J. (1990), S. 54
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
31
möglich ist, haben die Fluggesellschaften die so genannten Hub-and-SpokeNetzwerksysteme entwickelt und implementiert. Wie in Abschnitt 2.3.1 dargestellt, waren in Zeiten des regulierten Luftverkehrs dem Ausbau von Hub-and-Spoke-Netzwerken wegen des beschränkten Zugangs zu neuen Flugdestinationen enge Grenzen gesetzt. Die mit den Liberalisierungsbestrebungen einher gehende Beseitigung der Markteintrittsbarrieren verlieh den Fluggesellschaften die notwendige Flexibilität, um ihre Flugnetze entsprechend der Hub-und-Spoke-Philosophie umzugestalten. In einem Hub-and-Spoke-Netzwerk werden im Unterschied zu den dezentralen Netzsystemen, die voneinander unabhängige Direktflüge beinhalten, die einzelnen Flugstrecken (Spokes) in einem zentralen Punkt (Hub) gebündelt. Ziel der Flugbündelung ist es, in einen Hub hinein fließende Verkehrsströme zeitgleich zusammenzuführen und sie dann auf die Anschlussflüge zu verteilen.
Dezentrales Dezentrales Netzsystem Netzsystem
Hub-and-Spoke-Netzwerk Hub-and-Spoke-Netzwerk
Abbildung 2.18: Dezentrale Netzwerkstruktur vs. Hub-and-Spoke-Netzwerk
Je nach Ausgestaltung der Netzstruktur unterscheidet man Hourglass-, Hinterland-, Fortress-, Sekundär-, Multi- und Mega-Hubs68. Ein Hourglass-Hub dient der Bündelung von eingehenden Flügen aus einer Richtung, die dann in die entgegen gesetzte(n) Richtung(en) weiter laufen. Auf den Flügen werden meistens die selben Flugzeugtypen eingesetzt. Ein typisches Beispiel ist Singapur, das Europa mit Australien und Südostasien verbindet. Ein Hinterland-Hub (z.B. Frankfurt) bündelt Kurzstreckenflüge und 68
Vgl. MAURER, P. (2002), S. 347
32
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
verteilt deren Passagiere auf Langstreckenflüge, wodurch er als eine Art Verteilungszentrum für sein umliegendes Einzugsgebiet (Catchment Area) fungiert. Hier findet meistens ein Fluggerätwechsel von Regionalflugzeugen zu Langstreckenflugzeugen statt. Beim Multi-Hubbing werden mehrere HubFlughäfen von einer Fluggesellschaft in einem synchronisierten Verbundsystem betrieben. Ein Beispiel hierfür ist American Airlines, die Hubs in Chicago und Dallas unterhält. Wird außer einem zentralen Hub-Flughafen ein zusätzlicher Regional-Hub aufgebaut, der zeitlich mit dem zentralen Hub synchronisiert ist und eine Auslastung des Letzteren ermöglicht, spricht man von einem Sekundär-Hub. München stellt für die Lufthansa einen solchen Regionalflughafen dar, der mit dem Flugbetrieb in Frankfurt abgestimmt ist. Ein MegaHub dient mehr als einer Fluggesellschaft als Hub. Ein Fortress-Hub entsteht, wenn eine Fluggesellschaft eine Slot-Dominanz in einem Hub besitzt, so dass für die Mitbewerber kaum noch Kapazität vorhanden ist.
Hourglass Hourglass Hub Hub
Hinterland Hinterland Hub Hub
Mega Mega Hub Hub
Abbildung 2.19: Einige Hub-Arten
Die Bündelung und Umverteilung der Verkehrsströme erlaubt es den Airlines, höhere Sitzladefaktoren69 zu erzielen und durch den effektiveren Einsatz von Flugzeugen und Personal als in den linearen Netzen kostengünstig zu operieren 70 . Ein weiterer positiver Effekt, der mit der Einrichtung von Hub-andSpoke-Netzwerken verbunden ist, manifestiert sich in der exponentiell wachsenden Anzahl von möglichen Transfer-O&Ds mit der Zunahme der Zahl der angebotenen Flüge in den und aus dem Hub71. Abbildung 2.20 illustriert den entsprechenden Sachverhalt. 69 Der Sitzladefaktor ist definiert als das Verhältnis der Anzahl der Passagiere auf einem Flug zu der gesamten Sitzplatzkapazität des den Flug durchführenden Flugzeuges 70 Vgl. PHILLIPS, L. (1985), S. 19 71 Die maximale Anzahl der Transfer-O&Ds in Abhängigkeit von der Anzahl der angebundenen Flüge errechnet sich aus der Formel: Anzahl bedienter Transfer-O&Ds = n*(n-1), wobei n die Anzahl der Hub-Flüge
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
33
Passagiere, die sich für eine Transferverbindung entscheiden, ziehen es meist vor, auf den einzelnen Teilstrecken von einer einzigen Fluggesellschaft befördert zu werden. Daher besitzt die Fluggesellschaft, die über ein umfassendes Netzwerk häufig bedienter Flugstrecken verfügt, einen signifikanten komparativen Wettbewerbsvorteil72. Die Attraktivität solcher Netzwerke kann zusätzlich durch den Einsatz von Vielfliegerprogrammen gesteigert werden73.
Verbindungsmöglichkeiten
Verkehrssituation
Direktverkehr
A
Großer Hub
Kleiner Hub
B
Anzahl möglicher Verbindungen = 2
5 Inbound Flüge
B
5 Outbound Flüge
Anzahl möglicher Verbindungen = 20
10 Inbound Flüge
B
10 Outbound Flüge
Anzahl möglicher Verbindungen = 90
Bemerkung: Die Berechnung der möglichen Verbindungen beruht auf der Formel : n·(n-1)
Abbildung 2.20: Mögliche Anzahl der Verbindungen in Flugnetzwerken
Hub-Verbundsysteme, die einer Airline die gleichzeitige Bedienung mehrerer geografischer Märkte ermöglichen, reduzieren durch eine breite Angebotsdiversifizierung ferner die Abhängigkeit von einzelnen Märken, was sich positiv auf das Risikoprofil der Airline auswirkt74. Ein weiterer Vorteil für eine Hub-Betreiber-Airline resultiert aus dem so genannten Fortress-Effekt. Demnach kann eine Airline, die einen Hub dominiert, die potenziellen Konkurrenten durch ihre bestehende Kosten- und Slot-Überlegenheit von einem wettbewerbsfähigen Marktzutritt ausschließen 75 . Die Auswertung der Flughafendaten ergibt dazu, dass die Anzahl der Transferpassagiere, die über einen Hub befördert werden, überproportional mit der ist. Die tatsächliche Zahl der sinnvollen und somit der nachgefragten O&D-Verbindungen wird kleiner als n*(n-1) sein, bedingt durch die Zeitenlagen und die Regionalität der einzelnen Flüge 72 Vgl. BERRY, S. (1990), S. 394; MORRISON S./ WINSTON C. (1986), S. 8; POMPL, W. (1998), S. 338 73 Vgl. RAKOWSKI, J. (1990), S. 510; POMPL, W. (1998), S. 338 74 Vgl. WHEELER, C. (1989), S. 1 75 Vgl. POMPL, W. (1998), S. 338
34
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Größe des Hubs bzw. mit der Anzahl der dort angebotenen Flügen wächst. Für eine Airline ist es also vorteilhaft, durch die Ausweitung der Anzahl der eigenen Flüge in ihrem Hub eine gewisse "kritische Masse" an Flugbewegungen zu erreichen, um damit die Wettbewerber zu verdrängen und selbst vom überproportionalen Wachstum der Transferpassagiere zu profitieren. Abbildung 2.21 zeigt das Volumen der Transferpassagierströme in den größten europäischen Flughäfen und bestätigt hiermit diese Hypothese. Transfer Pax [Mio.]
30
25
FRA
20 LHR AMS
15
CDG
ZRH
10
x5
LGW
MXP 5
MUC
BRU VIE
0 0
100
200
300
x2
400
500
600
Anzahl von Flugbewegungen
Abbildung 2.21: "Wachstum generiert Wachstum": Volumen der Transferpassagierströme an den größten europäischen Flughäfen (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2002): Internes Know-how-Papier)
Trotz der oben beschriebenen Vorteile, die Hub-and-Spoke-Flugnetzwerke Airlines und Passagieren bringen, weisen diese auch eine Reihe von Nachteilen auf. Der wesentliche Nachteil solcher Netzwerktypen besteht in der Verschärfung der Überlastungsprobleme an den Hub-Flughäfen. Dies resultiert daraus, dass die Flugplanentwickler die über den Hub laufenden Verkehrsströme zeitlich sehr eng zusammenführen, um die Qualität der angebotenen Verbindungen und somit ihren Nutzen für den Kunden zu erhöhen. Solch eine Planungstechnik führt zu so genannten Verkehrswellen76 und damit zur Kon76
Siehe Abschnitt 2.4.4
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
35
zentration der meisten Flughafenaktivitäten 77 an wenigen, relativ knappen Tageszeitfenstern. Dies erfordert eine hohe Vorhaltung der Flughafenkapazität und führt zu einer sehr unausgeglichenen Kapazitätsauslastung 78 . Die zeitlich enge Koppelung der In- und Outbounds erhöht auch die Störanfälligkeit des Flugplans, was sich dann in Flugverspätungen manifestiert79. Diese können sich durch den gesamten Flugplan propagieren und somit zu erheblichen Kosten für Fluggesellschaften, Passagiere und Flughäfen führen. 2.4.4 Prozess der Flugplanung Der Prozess der Flugplanerstellung und -optimierung gliedert sich in sechs Phasen, die iterativ durchlaufen werden und in Abbildung 2.22 im Überblick dargestellt sind. Das in dieser Arbeit entwickelte Modell unterstützt dabei die sechste Phase, die Feinabstimmung des Flugplans. 6 Feinabstimmung
5 Berechnung von wirt-
schaftlichen Auswirkungen Iterativ 4 Durchführbarkeitsstudie
auf betrieblicher Basis 3 Präzise Flugplan-
erstellung
Iterativ
2 Optionen zur Hub- und
Wellenstruktur 1
Optimierung des O&DPortfolios
Abbildung 2.22: Phasen des Prozesses zur Entwicklung und Optimierung der Flugpläne
Durch die Flugplanoptimierung wird ein solcher Flugplan generiert, der einer Airline den gewinnmaximalen Betrieb ermöglicht. Um für möglichst viele Passagiere attraktiv zu sein, muss er auf der einen Seite Direktflüge zu den am stärksten nachgefragten Destinationen enthalten und auf der anderen Seite 77
Start, Landung, Passagier- und Gepäckabfertigung, Flugzeug-Handling usw. Vgl. POMPL (1998), S. 338 79 Siehe Kapitel 4 78
36
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
möglichst viele bequeme Transferverbindungen ("Connections") generieren. Die Kostenseite eines Flugplanes muss selbstverständlich ebenfalls in die Optimierung mit einbezogen werden. Hierfür ist es relevant, die Anzahl der für die Ausführung des Flugbetriebes notwendigen Flugzeuge und Crews zu minimieren. Phase 1: Optimierung des O&D-Portfolios Unter dem O&D-Portfolio versteht man die Gesamtheit aller Direkt- und Transfermärkte, die von der jeweiligen Fluggesellschaft bedient werden. Die Optimierung des O&D-Portfolios bezieht sich somit auf die Definition der Städtepaare bzw. Märkte, die im zu erstellenden Flugplan zu erschließen sind. Für die Auswahl können verschiedene Kriterien eine Rolle spielen. Die wichtigsten sind jedoch die Passagiernachfrage im Segment der Geschäfts- und Privatreisenden sowie die Durchschnittserträge pro Passagier, die in diesen beiden Segmenten auf den jeweiligen Märkten abhängig von der Art der Verbindung (Direkt- oder Transferverbindung) erzielt werden können. Als nächstes wichtiges Kriterium gilt das bereits bestehende eigene Angebot an Direktund Transferverbindungen auf einem O&D sowie das Angebot der Wettbewerber. Bei der Eingrenzung der Zahl der in Frage kommenden O&Ds geht man vom "Detour-Faktor" aus: Er gibt das Verhältnis der Gesamtdistanz einer Transferverbindung zu der Distanz der entsprechenden Direktverbindung an und entscheidet somit über die Attraktivität der Verbindung für die Passagiere. Dadurch wird auch die geografische Lage des Hubs berücksichtigt. Üblicherweise definiert man einen Detour-Faktor von 1,25 bis 1,35, was bedeutet, dass die Passagiere einen Umweg von 25-35% im Vergleich zu einem Direktflug in Kauf nehmen müssen. Mit Hilfe der oben beschriebenen Auswahlkriterien definiert man einen Prioritätsindex, anhand dessen man letztendlich die zu bedienenden O&D-Märkte selektiert. Phase 2: Erarbeitung der Optionen zur Hub- und Wellenstruktur Entsprechend der Hub-Philosophie80 müssen in einem Hub die hinein und heraus fließenden Verkehrsströme mit möglichst kurzer Umsteigezeit miteinander verknüpft werden. Zu diesem Zweck werden die Inbound- und OutboundFlüge in so genannten Wellen oder Verkehrsknoten gebündelt. Somit ergibt sich ein wellenförmiges Grundmuster von Flugzeugbewegungen im HubFlughafen81 (siehe Abbildung 2.23). 80 81
Siehe Abschnitt 2.4.2 und Abschnitt 2.4.3 Vgl. MAURER, P. (2002), S. 352
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Wellenmuster Wellenmuster von von Lufthansa Lufthansa in in Frankfurt Frankfurt
37
Wellenmuster Wellenmuster von von Air Air France France in in Paris Paris (CDG) (CDG)
Herausgehende Flüge (Outbounds)
Herausgehende Flüge (Outbounds)
Tageszeit
Ankommende Flüge (Inbounds)
Tageszeit
Ankommende Flüge (Inbounds)
Abbildung 2.23: Wellenbilder von Lufthansa in Frankfurt und Air France in Paris (Quelle: OAG-Sommerflugplan 2004, eigene Berechnungen)
Das Ziel der zweiten Phase der Flugplanerstellung ist es, das Hub-Wellenbild grob zu skizzieren. Als Inputdaten benötigt man hierfür Informationen über die Start- und Zieldestinationen der Flüge sowie über die Flug- und Turnaround-Zeiten (TAT)82. Abbildung 2.24 zeigt die einzelnen Unterschritte, die bei der Definition der Wellenoptionen durchlaufen werden.
Frequenz-FlugzeitMatrix
FlugzeitenCluster
Definition der HubWellen nach Tageszeit
Frequenz
Zeitliche Festlegung der “Banks“
Cluster
1
2
3 Flugzeit
Tageszeit
Morgenwelle
Abendwelle
4 Zeit Welle A
B
C
D
Abbildung 2.24: Schritte zur Erarbeitung der Wellenoptionen (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2000): Internes Know-how-Papier)
Im ersten Schritt wird hier eine Frequenz-Flugzeit-Matrix erstellt. Diese Matrix 82 Die Turnaround-Zeit (TAT) gibt an, wie lange ein Flugzeug eines bestimmten Typs mindestens braucht, um in einem Flughafen nach einem Landevorgang für den nächsten Startvorgang bereit zu sein
38
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
gibt an, wie viele Flüge mit einer bestimmten Flugzeit die jeweilige Airline – ausgehend vom in Phase 1 festgelegten O&D-Portfolio – in einem definierten Zeitraum 83 durchführen kann. Danach werden die Flüge basierend auf der Frequenz-Flugzeit-Matrix zeitlich geclustert, indem die Flugzeiten zusammengefasst und in Gruppen aufgeteilt werden. So bildet man z.B. drei Zeitcluster für Flüge mit kurzer, mittlerer und langer Flugzeit. Ziel eines solchen Clusterns ist, aufzuzeigen, wie man Flüge mit unterschiedlicher Flugzeit zu Transferverbindungen verknüpfen kann. Abbildung 2.25 verdeutlicht, wie z.B. Flüge aus dem ersten Cluster (Kurzstreckenflüge) zusammen mit den Flügen aus dem zweiten Cluster (Mittelstreckenflüge) zu Connections werden.
Outbound- Flug Inbound- Flug TAT im Hub TAT in der Außenstation
Abbildung 2.25: Zeitliche Bündelung von Zeitclustern
Die einzelnen Cluster müssen nicht gleich groß sein. Wichtig ist allerdings, dass sie nicht zu groß sein dürfen, da dies die Flugzeugauslastung reduzieren kann. Im nächsten Schritt dieser Flugplanungsphase werden Zeitgrenzen für die Start- und Landezeiten im Hub sowie an den Außenstationen festgelegt. Die Zeitgrenzen können von mehreren kulturellen, geografischen oder klimatischen Gegebenheiten abhängen. So fliegt man z.B. in Südeuropa gewöhnlich nicht vor 7 Uhr morgens, in Nordeuropa ist im Winter ein Flug vor 6 Uhr in der Früh wegen der Wetterbedingungen nicht möglich. Zu berücksichtigen wären dabei auch die Flughafenrestriktionen wie z.B. Nachtflugverbot und die verkehrsrechtlichen Bestimmungen. Als Letztes erfolgt die zeitliche Festlegung der Wellen. Um möglichst viele Connections zu erzeugen, müssen in einer Welle die Inbound-Flüge zeitlich vor den Outbound-Flügen positioniert werden. Damit eine Connection opera83
z.B. einer Woche oder einem Monat
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
39
tiv durchgeführt werden kann, muss zwischen der Landung eines InboundFluges und dem Starten eines Outbound-Fluges wenigstens die so genannte Minimum-Connecting-Time (MCT) vorgesehen sein. Diese Zeit, die üblicherweise von Faktoren wie Connection-Typ (nationale oder internationale Connection) und Flughafen abhängt, definiert, wie lange man mindestens braucht, um eine Connection in einem Hub zu generieren. Die genaue Gestalt bzw. die Überlappungsstruktur der Wellen hängt unter anderem von der Airline-Strategie ab. Versucht eine Airline die Anzahl der Connections zu maximieren, so muss die Anzahl der Wellen möglichst gering gehalten werden. Dazu dürfen sich die Wellen nicht überlappen. Ist die Strategie der Airline dagegen auf die Bedienung eines bestimmten geografischen Destinationsportfolios gerichtet, so können sich die Wellen deutlich überschneiden. Ist eine Airline an kurzen und somit an für die Kunden attraktiven Umsteigezeiten interessiert, werden die Wellen sehr eng und "zusammengestaucht" aussehen. Ein solches Planungsvorgehen erhöht allerdings die Störanfälligkeit des Flugplans und führt zu Verspätungen. Zur Verbesserung der Pünktlichkeit der Connections gestaltet man breite Wellen. Abbildung 2.26 schildert schematisch das Prinzip der Strukturbildung der Wellen. Anzahl der Wellen: So wenige wie möglich, so viele wie nötig
Überlappungsstruktur von Hub-Wellen
Outbounds
Inbounds
Eine geringe Anzahl von Wellen ermöglicht eine hohe Konnektivität
Mehr Hub-Wellen müssen von einer Verkehrsstrategie getragen werden: • Geografischer Fokus • Mix von Lang- und Kurzstrecken • Wettbewerbsfähige Tageszeiten
Das Verbinden aller Inbounds mit allen Outbounds erzeugt höchste Konnektivität
Dichte der Hub-Wellen
Outbounds
Inbounds
Genau definiertes geografisches Portfolio von Destinationen
Lange Umsteigezeiten sorgen für hohe Pünktlichkeit
Kurze Umsteigezeiten gefährden die Pünktlichkeit
Abbildung 2.26: Festlegung der Wellenstruktur (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2000): Internes Know-how-Papier)
Basierend auf der Entscheidung über die Wellenstruktur und unter Verwendung der vorher hergeleiteten Zeitcluster der Flüge entwirft man dann das
40
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Wellenbild eines Hubs. Als Optionen kommen folgende Grundmuster in Frage: •
Wenige große Wellen, z.B. zwei oder drei über den ganzen Tag verteilt
•
Einige Hauptwellen und eine oder zwei kleine Wellen zwischen den Hauptwellen
•
Multi-Wellen, d.h. viele kleine Wellen, die sehr eng beieinander liegen
Die Auswahl einer Option hängt auch von den vorhandenen Flughafenrestriktionen ab: Ist beispielsweise die Anzahl der zur Verfügung stehenden Slots begrenzt, so ist es wenig sinnvoll, nur wenige Wellen zu planen, in denen viele In- und Outboundflüge zusammenlaufen sollen. Der Entwurf des Wellenbildes wird in solch einem Fall von der bestehenden Slot-Situation ausgehen müssen. Nach der Auswahl der präferierten Wellenoption geht man zur nächsten Planungsphase über. Phase 3: Präzise Flugplanerstellung Nach der Bestimmung des Wellenbildes beginnt man, die zeitliche Position jedes einzelnen Fluges innerhalb der Wellen festzulegen. Dazu trägt man, basierend auf der Kenntnis der Zeitcluster der Flüge, zuerst die Destinationen in die Wellen ein. Zu beachten sind dabei folgende Kriterien: •
• •
Die Abflugs- und Ankunftszeiten der Direktflüge müssen möglichst gut zu der Tageszeitpräferenz der Kunden passen Die Anzahl der sinnvollen Transferverbindungen84 muss maximiert werden Die Transfer-Connections mit dem größten O&D-Passagiervolumen müssen nach Möglichkeit am schnellsten bedient werden.
Üblicherweise fängt man bei der Destinationsverteilung mit den Destinationen der Langstreckenflüge an. Dies erklärt sich zum einen durch deren primäre wirtschaftliche Bedeutung und zum anderen durch die geringere Flexibilität der Ankunfts- und Abflugszeiten auf Grund der langen Gesamtflugzeiten. In diesem Schritt werden auch die bestehenden operationellen Restriktionen85 berücksichtigt. Bei einem Konflikt mit einer oder mehreren Restriktionen muss oft auf die gewünschten Zeitenpositionen verzichtet werden.
84 85
Zur Definition einer sinnvollen Verbindung siehe Phase 5 der Flugplanplanung Wie z.B. Slot- und Flughafenkapazität
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Einsortierung Einsortierung der der Destinationen Destinationen nach nach O&D-Größe O&D-Größe
Anpassung Anpassung der der Destinationen Destinationen
Kapazitätsengpässe
FRA
Kapazitätsengpässe
STO
MUC
STO
FRA
MUC
IST
MOW
NYC
IST
MOW
NYC
PAR
LAX
BER
PAR
LAX
BER
FRA
BRU
BKK
FRA
BRU
BKK
ROM
ZHR
JNB
ROM
ZHR
JNB
LON
Kapazitätsengpässe
41
LON
Kapazitätsengpässe
Abbildung 2.27: Festlegung der Destinationen in den Wellen
Die Positionsbestimmung der einzelnen Flüge ist ein iterativer Prozess. Eine Iteration beinhaltet meistens sowohl die Bestimmung der Zeitenlage eines Fluges oder einer Gruppe von Flügen als auch die Durchführbarkeitsanalyse und die Flugplanbewertung aus wirtschaftlicher Sicht – die nächsten beiden Planungsphasen. Phase 4: Durchführbarkeitsanalyse auf betrieblicher Basis Im Rahmen der Durchführbarkeitsanalyse wird untersucht, ob die jeweilige Flugplanlösung nicht die definierten operationellen Restriktionen verletzt. Diese Restriktionen sind üblicherweise: 1. Flottenrestriktion: Die Anzahl der für die Ausführung eines Flugplans notwendigen Flugzeuge in jeder Teilflotte86 darf nicht die Anzahl der zur Verfügung stehenden Flugzeuge überschreiten. Die Menge der notwendigen Flugzeuge wird durch den in jeder Optimierungsiteration zu erstellenden Flugzeugrotationsplan bzw. Flugzeugeinsatzplan bestimmt. Ein Rotationsplan ordnet einer Flugzeugrotation ein reales Flugzeug zu. Eine Flugzeugrotation ist die zeitliche und örtliche Sequenz von Flügen, die von einem Flugzeug an einem Tag auszuführen 86 Unter der Teilflotte wird hier die Untermenge der Gesamtflugzeugflotte verstanden, die die Flugzeuge eines Typs enthält
42
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
ist87. Werden alle Flüge des Flugplans in einem solchen Rotationsplan erfasst, so resultiert die Anzahl der notwendigen Flugzeuge aus der Anzahl der gebildeten Rotationen88. Abbildung 2.28 verdeutlicht das Prinzip der Rotationsbildung an einem Beispiel.
Abbildung 2.28: Rotationsbildung
2. Crew-Restriktion Ähnlich wie bei der Flottenrestriktion wird hier überprüft, ob die Anzahl der Flugzeug-Crews, d.h. das Kabinen- und Cockpit-Personal, die aus einem Flugplan resultiert, nicht größer ist als die Anzahl der vorhandenen Crews. 3. Slot-Restriktion Bei der Kontrolle der Slot-Einhaltung wird geprüft, ob alle Start- und Landezeiten der Flüge innerhalb der der Airline zugewiesenen Slot-Fenster liegen. 4. Sonstige Restriktionen Zusätzlich können noch weitere Restriktionen wie z.B. die Flughafenkapazität, 87 Beim Bilden der Rotation muss stets darauf geachtet werden, dass die Anzahl der eingesetzten Flugzeuge minimal ist (vgl. SUHL (1994)). Bei der Auswahlentscheidung für ein Flugzeug zum Ausführen eines Fluges werden deshalb meistens drei Grundregeln angewandt: first-in-first-out (FIFO) – das Flugzeug, das als erstes an einem Flughafen angekommen ist, verlässt als erstes diesen Flughafen wieder; last-in-first-out (LIFO): das Flugzeug, das als letztes ankommt, verlässt als erstes den Flughafen; best-first (BF): es wird aus allen vorhandenen Flügen der Flug ausgewählt, der mit dem Flugzeug durchgeführt werden kann, bei dem die Standzeit am kürzesten ist 88 Vgl. GOLDEN/ASSAD/LEVY (1984), S 49-66; PHILLIPS R. /BOYD D. (1989); SUHL, L. (1994), S. 97
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
43
Nachtflugverbot oder Verfügbarkeit des Bodenpersonals auf ihre Einhaltung geprüft werden. Genügt der Flugplan den operationellen Restriktionen, ist er also durchführbar, geht man zur nächsten Flugplanungsphase über. Ist es nicht der Fall, wird die aktuelle Flugplanlösung verworfen. Eine neue valide Flugplanvariante muss somit generiert werden. Phase 5: Berechnung von wirtschaftlichen Auswirkungen Ist eine gültige Flugplanlösung erstellt, evaluiert man die Güte dieser Lösung. Unterschiedliche Kriterien können dabei als ein Gütemaß des Flugplans verwendet werden. Prinzipiell ist es aber möglich, diese Kriterien als monetär und als nichtmonetär zu klassifizieren. 1. Nicht monetäre Flugplanbewertung Die Berechnung der monetären Konsequenzen einer Flugplanlösung ist meist kompliziert und nimmt in der Regel relativ viel Zeit in Anspruch. So erschwert und verlangsamt sie oft den iterativen Flugplanoptimierungsprozess. Um einen Flugplan schnell und zuverlässig bewerten zu können, überlegt man sich daher nicht monetäre Größen, die mit den monetären Kennzahlen stark korreliert sind und relativ einfach und schnell berechnet werden können. Die wichtigste nicht monetäre Flugplanbewertungsgröße ist die Verbindungsqualität bzw. die Konnektivität. Die Verbindungsqualität wird ausgehend von der Menge und der Qualität der Transferverbindungen berechnet, die mit einem Flugplan generiert werden können. Kunden ziehen eine Direktverbindung einer Transferverbindung meistens vor. Es ist jedoch möglich, Transferverbindungen zu bilden, die auf Grund ihrer Eigenschaften durchaus mit Direktverbindungen konkurrieren können. Eine derartige konkurrenzfähige Transferverbindung wird "Hit" genannt. Damit ein Hit zustande kommt, müssen die Hit-Fenster- und Detour-FaktorBedingungen erfüllt sein. Abbildung 2.29 verdeutlicht grafisch den Sinn dieser Bedingungen. Die Hit-Fenster-Bedingung ermöglicht das Zustandekommen einer Transferverbindung, nur wenn die Zeit zwischen der Landung des ersten und dem Abflug des zweiten Fluges mindestens der Minimum Connecting Time (MCT) entspricht und eine vorgegebene maximale Umsteigezeit89 nicht überschreitet. Hiermit wird einerseits die operationelle Ausführbarkeit einer 89 Die maximale Umsteigezeit kann für Lang- und Kurzstreckenverbindungen unterschiedlich definiert werden
44
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
Transferverbindung und andererseits die Attraktivität der Verbindung für die Passagiere gewährleistet. Liefert die Hit-Fenster-Bedingung eine valide Transferverbindung, muss noch geprüft werden, ob der Umweg, den ein Passagier auf dieser Verbindung macht, zumutbar ist. Als Hit werden also nur Transferverbindungen gezählt, die zusätzlich zu der Hit-Fenster-Bedingung einen Detour-Faktor ausweisen, der im Rahmen eines definierten Intervalls liegt. In der Regel wird dieses Intervall von den Werten 1,25 und 1,35 begrenzt90. Die Detour-Faktor-Bedingung sichert ebenfalls die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Verbindungen. Je niedriger der Detour-Faktor desto höher ist also die Qualität einer Transferverbindung. Hit-Fenster
Detour Factor
• Das Anschlusszeitfenster ist nicht kleiner als ein Minimalwert (MCT) und ist nicht größer als ein vorgegebenes Maximum
• Der Umwegfaktor liegt unter einem vorgegebenen Grenzwert
Outbound-Flüge Origin
a
Hit InboundFlug
Kein Hit
Hub
Kein Hit
c
t Minimum Hit Fenster = 120 Min. Connecting Time = 60 Min.
b
Detour Faktor = (a+b)/c Destination
Maximum Connecting Time = 180 min.
Nicht sinnvolle, unattraktive Verbindungen werden ausgeschlossen
Nicht sinnvolle Routen werden ausgeschlossen
Abbildung 2.29: Bedingungen für das Zustandekommen eines Hits (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants (2001): Internes Know-how-Papier)
Außer den beiden Hit-Bedingungen definiert man oft noch zusätzlich eine so genannte Minimal-Bedingung. Diese prüft, ob auf dem gleichen O&D nicht schon eine andere Verbindung91 der Konkurrenz oder der jeweiligen Airline existiert, die zeitlich früher endet und dabei später startet. Ist dies der Fall, wird eine Transferverbindung nicht als Hit gezählt. Ein Hit ist also eine hoch qualitative Transferverbindung. Je mehr Hits erzeugt werden, desto mehr Umsatz kann eine Airline mit ihren Transferpassa-
90 91
Vgl. KNORREN NICHOLS, W. / KUNZ, M. (1999) Dabei kann es sich um eine Transfer- oder eine Direktverbindung handeln
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
45
gieren generieren. Die Maximierung der Hitzahl entspricht deshalb dem Ziel der Umsatzmaximierung. Die Güte eines Flugplans kann nun mit folgenden Kennzahlen beurteilt werden: a. Summe der Hits Diese Kennzahl informiert über die Gesamtzahl aller wettbewerbsfähigen Connections, die mit einem Flugplan aufgebaut werden können, und gibt somit Aufschluss über das Umsatzpotenzial durch die Transferpassagiere. b. Summe der gewichteten Hits Da die Hits die Märkte mit unterschiedlichem Passagiervolumen erschließen, ziehen sie je nach O&D-Markt unterschiedlich große Nachfrageströme auf sich und führen somit zu einer potenziell ungleichen Anzahl von Passagieren, die sich für diese Verbindungen entscheiden werden. Um die Größe der O&Ds und somit das Passagierpotenzial der mit den Hits gebildeten O&Ds in die Flugplanbewertung aufzunehmen, gewichtet man die Hits mit ihrem O&DPassagiervolumen. Die Summe der so gewichteten Hits ist eine gute Abschätzung des Umsatzes, den man mit Transferpassagieren generieren kann. Alternativ oder auch zusätzlich zu der Passagiergewichtung ist eine Gewichtung der Hits mit der Länge der Umsteigezeit möglich92. c. Summe der bidirektionalen Hits Da die Flugpassagiere meistens an Hin- und Rückflugverbindungen interessiert sind, ist es sinnvoll, nur die Hits zu zählen, für die in die umgekehrte Flugrichtung ebenfalls Hits gebildet werden können. Solche Hits nennt man bidirektional. d. Summe der gewichteten bidirektionalen Hits Alternativ zu den "einfachen" Hits gewichtet man die bidirektionalen Hits mit der entsprechenden Passagiernachfrage und/oder Umsteigezeit. e. Durchschnittliche Anzahl der Hits pro Inbound-Flug Diese Kennzahl zeigt, wie viele hoch qualitative Connections einem mit einem Inbound-Flug ankommenden Passagier im Durchschnitt zur Verfügung stehen.
92
Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 34
46
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
f. Verhältnis der tatsächlichen Anzahl der Hits zur maximal möglichen Anzahl Da die durchschnittliche Anzahl der Hits pro Inbound-Flug abhängig von der Airline-Größe ist, wird eine Normierung durchgeführt, indem man die Anzahl der Hits durch die theoretisch maximal mögliche Hitzahl dividiert. Diese theoretisch mögliche Maximalzahl kann entweder als das Quadrat der Anzahl der Inbound-Flüge oder alternativ als das Produkt der Anzahl von Inbound- und Outbound-Flügen berechnet werden. Wegen diverser Slot-Restriktionen sowie der Regionalität der Flüge wird es jedoch nicht möglich sein, die Mehrzahl der theoretisch maximal möglichen Hits zu realisieren. Um dieser Tatsache Rechung zu tragen und eine realistischere Normierung zu ermöglichen, wird anstatt des Maximums oft ein Erwartungswert der Hits kalkuliert, zu dem dann die tatsächlichen Hits in Beziehung gesetzt werden. 2. Monetäre Flugplanbewertung Im Rahmen der monetären Flugplanbewertung werden die mit einer Flugplanlösung assoziierten Passagiererträge und -kosten berechnet und zu einer Gewinngröße aggregiert. Zur Bestimmung der Passagiererträge werden mit Hilfe des Marktmodells93 zuerst die Marktanteile aller Flugverbindungen einer Airline kalkuliert, die den auf Basis des Kundennutzens berechneten Auswahlwahrscheinlichkeiten entsprechen. Die Marktanteile müssen dabei für die Segmente Geschäftsund Privatreisende getrennt geschätzt werden, da diese für ein und dasselbe O&D sehr stark hinsichtlich Passagiernachfrage und Durchschnittserträgen divergieren können. Basierend auf den geschätzten Marktanteilen, den O&DMarktvolumen und Durchschnittserträgen wird dann der mit der Passagierbeförderung generierte Umsatz berechnet. Das Kostenmodell zur Flugplanbewertung basiert meistens auf der Evaluierung der Größe von passagier- und flugzeugabhängigen Kosten für jede Flugstrecke. Phase 6: Feinabstimmung In der letzten Phase der Flugplanung, die meistens manuell durchgeführt wird, versucht man durch geringfügige Anpassungen der Zeitenlagen der Flüge die Einhaltung einiger operationeller Restriktionen zu verbessern oder auf kurzfristige Änderungen im Markt- oder Wettbewerbsumfeld zu reagieren. Auch 93
Siehe Kapitel 6
Kapitel 2
Grundzüge der Luftverkehrswirtschaft und des Netzwerkmanagements
47
soll eine Verbesserung der Kostensituation der Airline herbeigeführt werden, indem beispielsweise durch eine zeitliche Neupositionierung eines Fluges ein Flugzeug oder eine Crew weniger benötigt werden. Das Modell, das in dieser Arbeit entwickelt wird, soll die Phase der Feinabstimmung unterstützen. Nachdem ein Flugplan bereits weitgehend optimiert wurde, gibt es dem Benutzer die Möglichkeit, diesen Flugplan im Bezug auf seine operationelle Robustheit bzw. Störanfälligkeit und die damit verbundenen Verspätungskosten zu optimieren. Im Modell werden die mit dem Flugbetrieb verbundenen Verspätungskosten mit Hilfe der Fuzzy-Mengen-Theorie erfasst und optimiert, indem die zeitlichen Positionen der einzelnen Flüge im Rahmen der vom Benutzer vorgegebenen Zeitintervalle verschoben werden.
48
Kapitel 3: Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung 3.1 Einführung Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Darstellung von quantitativen deterministischen Modellen zur Optimierung von Flugplänen. Es werden verschiedene Arten von Modellen zur Optimierung der Zeitenlagen der Flüge aus der Literatur präsentiert sowie deren potenziellen Lösungsmethoden aufgezeigt. Die Relevanz und die Effektivität der Lösungsverfahren bei der Bestimmung von optimalen Ergebnissen der Flugplanoptimierungsprobleme wird diskutiert; anschließend wird die Wahl eines Optimierungsverfahrens für das in dieser Arbeit entwickelte Flugplanoptimierungsmodell getroffen und begründet.
3.2 Quantitative Flugplanoptimierung 3.2.1 Überblick über die wichtigsten Kategorien der quantitativen Optimierungsmodelle in der Luftfahrtindustrie Wie aus den Darstellungen des vorangegangenen Kapitels hervorgeht, gehört der Airline-Netzwerkmanagementprozess zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren, die im modernen Umfeld der Luftverkehrsmärkte über die Rentabilität und die Wettbewerbsfähigkeit einer Fluggesellschaft entscheiden. Zur Unterstützung der einzelnen Detailschritte dieses hoch komplexen Prozesses ist in den letzten Jahren eine Reihe von quantitativen Optimierungsmodellen entwickelt worden, die auf Methoden und Lösungsverfahren von Operations Research basieren. So existieren z.B. Modelle zur Abschätzung und Prognose der Gesamtnachfrage auf Luftverkehrsmärkten 1 , die den Input für die Netzwerkdesign-Modelle liefern. Die Netzwerkdesign-Modelle leiten ausgehend von der Nachfrage der einzelnen Märkte, der Unternehmensstrategie und den Beförderungskosten die optimale Struktur der Airline-Netzwerke her und selektieren Flugsegmente, die angeboten werden müssen, um die gewünschten Passagierströme zu minimalen Kosten zu bedienen 2 . Zur Unterstützung der Airlines im komplexen Prozess der Flugplanentwicklung und -optimierung3 wurden Modelle zur Berechnung der optimalen Anzahl der
1 Siehe z.B. ABRAHAMSSON, T., (1998), BIERLAIRE, M. (1995), TRANSPORTATION RESEARCH ECIRCULAR (2002) 2 Zu Netzwerkdesign-Modellen siehe z.B. REYNOLDS-FEIGHAN, A..J. (1992); GHOBRIAN, A. / KANAFANI, A. (1985); HANSEN, M. (1988); LEDERER, P.J. et al. (1998); O'KELLY, M.E. (1986); AYKIN, T. (1988); O'KELLY, M.E. (1987); JAILET, P. / SONG, G. / YU, G. (1997); JAILET, P. / SONG, G. / YU, G. (1994); SONG, G. (1995); SOUMIS, F. / NAGURNEY, A. (1993) 3 Zum Prozess der Flugplanentwicklung und -optimierung siehe Abschnitt 2.4.4
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
49
Flugfrequenzen zu angebotenen Destinationen 4 sowie die so genannten Scheduling-Modelle entwickelt,5 die die optimalen Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge festlegen. Die kostengünstigste Zuordnung der einzelnen im Flugplan befindlichen Flugsegmente zu den vorhandenen Flugzeugtypen erfolgt mit Hilfe von Fleet-Assignment-Modellen. Mit den so genannten Rotationsmodellen werden die Umläufe bzw. die Rotationen einzelner Flugzeuge bestimmt6. Die Crew-Einsatzpläne werden mit Hilfe von Crew-Assignment-Modellen festgelegt7. 3.2.2 Reihenfolge der Initialisierung der quantitativen Modelle zur Festlegung der optimalen Zeitenlagen der Flüge Im Rahmen der Unterstützung der Flugplanentwicklung mit Hilfe von quantitativen Modellen sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Anordnungen der Initialisierung und der Ausführung dieser Modelle denkbar 8 . Abbildung 3.1 zeigt mögliche Reihenfolgen der Modellinitialisierungen. Bei der ersten Anordnungsvariante ist die eigentliche Optimierung der Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge mit den Scheduling-Modellen der Bestimmung der optimalen Flugzeugzuordnungen und Rotationen vorgelagert. Somit erfolgt hier die im Abschnitt 2.4.4 beschriebene Durchführbarkeitsanalyse unmittelbar nach dem Flugplanentwurf. Die Flugplanbewertung findet bei dieser Anordnungsvariante in expliziter Form durch die Berücksichtigung der entsprechenden monetären oder nicht monetären Größen in den Zielfunktionen der Scheduling- und Fleet-Assignment-Modelle statt. Bei der zweiten Anordnungsvariante der Optimierungsmodelle werden nach der Bestimmung der kostengünstigsten Flugzeugzuordnung die Zeitenlagen der Flüge im gleichen Schritt mit der Berechnung der Flugzeugrotationen festgelegt. Die Überprüfung der operationellen Flugplanvalidität wird hier also gleichzeitig mit der eigentlichen Flugplanentwicklung durchgeführt. Die Flugplanbewertung ist hier ebenfalls explizit in die Modellformulierung integriert.
4 Hierzu siehe z.B. ELCE, I. (1970); ETSCHMAIER, M. M. (1970); ETSCHMAIER, M. M. (1970); DANTZIG, G.B. (1963); KUSHIGE, T. (1963); MILLER, R. (1967); RICHARDSON, R. (1976); SOUDAROVICH, J. (1971) 5 siehe Abschnitt 3.2.3.2 6 Zu Rotationsmodellen siehe z.B. SUHL, L. (1994); CLARKE, L. / JOHNSON, E. / NEMHAUSER, G. (1995); KABBANI, N. M. / PATTY, B.W. (1992); BARNHART, C. / BOLAND, N. / CLARKE, L.W. (1998) 7 Zu Crew Assignment Modellen siehe z.B. YU, G. (1996); KOHL, N. / KARISCH, S. (2002); VANCE, P. / BARNHART, C. / JOHNSON, E. (1995); EKENBÄCK, A. (1995); GERSHKOFF, I. (1989); ANBIL, R. /GELMAN, E. / PATTY B. (1991); ANBIL, R. / TANGA, R./ JOHNSON (1992); BARNHART, C. / JOHNSON, E. / ANBIL, R. et al. (1994) 8 Vgl. SUHL, L. (1994), S. 25, 106
50
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
Schätzung Schätzung der der O&D-Nachfrage O&D-Nachfrage O&D-Modelle O&D-Modelle Entwicklung Entwicklung der der optimalen optimalen Netzwerkstruktur Netzwerkstruktur Netzwerkdesign-Modelle Netzwerkdesign-Modelle Bestimmung Bestimmung der der optimalen optimalen Frequenzzahl Frequenzzahl Frequenz-Modelle Frequenz-Modelle
Anordnungsvariante 1
Anordnungsvariante 2
Optimierung Optimierung der der Zeitenlagen Zeitenlagen der der Flüge Flüge
Bestimmung Bestimmung der der optimalen optimalen Flugzeugzuordnung Flugzeugzuordnung
Scheduling-Modelle Scheduling-Modelle
Fleet-Assignment-Modelle Fleet-Assignment-Modelle
Bestimmung Bestimmung der der optimalen optimalen Flugzeugzuordnung Flugzeugzuordnung und und Rotationen Rotationen Fleet-Assignment Fleet-Assignment und und AircraftAircraftRotation-Modelle Rotation-Modelle
Bestimmung Bestimmung der der optim. optim. Zeitenlagen Zeitenlagen der der Flüge Flüge und und Rotationen Rotationen Flugzeugrotationsmodelle Flugzeugrotationsmodelle mit mit Zeitenlagenverschiebungen Zeitenlagenverschiebungen
Herleitung Herleitung der der optimalen optimalen CrewCrewEinsatzpläne Einsatzpläne Crew-Assignment-Modelle Crew-Assignment-Modelle
Abbildung 3.1: Initialisierungsreihenfolge der quantitativen Optimierungsmodelle
Es gibt keine grundsätzliche Empfehlung für eine der Anordnungsvarianten: Vielmehr hängt die Auswahl von der Optimierungsphilosophie der jeweiligen Fluggesellschaft ab. Im Folgenden wird die Struktur und die formale Darstellung der für die Optimierung der Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge relevanten Scheduling-Modelle sowie der Flugzeugrotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen präsentiert. 3.2.3 Modelle zur Flugplanoptimierung 3.2.3.1 Darstellung der Flugnetzwerke im Rahmen der Graphentheorie Die formale Beschreibung der relevanten Flugplanoptimierungsprobleme verlangt die Darstellung der Airline-Flugnetzwerke mit graphentheoretischen Konzepten. Dafür werden die Flugnetzwerke durch die bewerteten gerichteten Graphen bzw. Diagraphen G(V,A,C) repräsentiert. Die Elemente v∈V werden Knoten genannt, die Elemente a∈A Kanten. Je nach Modellformulierung können beispielsweise Flughäfen durch Knoten und Flüge durch Kanten abgebildet werden. Alternativ dazu ist auch eine Darstellung der Flüge durch Knoten und der validen Verbindungen zwischen den Flügen durch Kanten
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
51
denkbar. Die Kantenbewertung wird durch die Bewertungsfunktion C vorgegeben. Als mögliche Bewertungen kommen für die Airline-Netzwerke z.B. Flugdistanzen und -zeiten, Flugkosten oder die Passagiernachfrage in Frage. Zur formalen Problemdarstellung werden die so definierten Graphen in Matrizenform überführt und dann in Bezug auf die Entscheidungsvariablen wie z.B. Kantenflüsse, Kantenzuordnung und -reihenfolge mit zumeist linearen Optimierungsverfahren gelöst. 3.2.3.2 Scheduling-Modelle Die Scheduling-Modelle suchen unter Berücksichtigung der operationellen Restriktionen sowie der markt- oder nachfragerelevanten Vorgaben nach der gewinnmaximalen Allokation der Zeitenlagen der auszuführenden Flüge. Als Inputgrößen fungieren dabei die Informationen über die Passagiernachfrage für jeden relevanten O&D-Markt sowie über Distanz und Flugzeit der einzelnen Flugsegmente. Je nach angewandtem Modell können ebenfalls die Angaben über die Durchschnittserträge auf den entsprechenden O&DMärkten, das Angebot der Wettbewerber, Zeitpräferenzen der Passagiere sowie die operativen Kosten zur Ausführung eines Fluges mit einem bestimmten Flugzeugtypen zur Bestimmung der optimalen Abflugszeiten als Inputgrößen erforderlich sein9. Die im Abschnitt 2.4.4 erwähnten Restriktionen, die bei der Flugplanoptimierung mit Scheduling-Modellen eingehalten werden müssen, können dabei folgende Modellkomponenten betreffen10: 1. Flughafen •
Die Start- und Landevorgänge dürfen an den jeweiligen Flughäfen nur außerhalb der zur Vermeidung von Lärmemission festgesetzten Zeitfenster, den so genannten Cerfews, erfolgen.
•
Die Flughafenkapazität darf nicht überschritten werden. Das bedeutet, dass die Anzahl der eingeplanten Start- und Landevorgänge zu einem bestimmten Zeitpunkt die für diesen Zeitpunkt vorhandene Maximalzahl der verfügbaren Start- und Landeslots nicht übersteigen darf.
2. Flugzeug •
Der Flugplan muss mit der vorhandenen Flugzeugflotte ausgeführt werden können.
3. Transferverbindung •
9
Für das Zustandekommen einer gültigen Transferverbindung müssen
Vgl. SUHL, L. (1994), S. 24 Vgl. ZILS, M. (2001), S. 77ff.
10
52
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
die Zeitenlagen der diese Verbindung bildenden Flüge so festgelegt werden, dass die Minimum Connecting Time eingehalten wird. •
Zur Bedienung einer Transferverbindung müssen die entsprechenden Verkehrsrechte bzw. Freiheitsgrade11 vorliegen.
4. Flug •
Die Abflugs- oder Ankunftszeiten der Flüge müssen im Rahmen der vordefinierten Zeitintervalle liegen. Diese Restriktion wird beim Wunsch der Fluggesellschaft aktiviert, die Ausführung einiger Flüge aus z.B. Markt- oder Wettbewerbsgründen sowie wegen gewisser technischer Gegebenheiten auf bestimmte Zeitfenster zu beschränken.
•
Der Flug darf nur Abflugs- oder Ankunftszeiten vorweisen, die in die vorhandenen Slots der Airline passen.
Es lassen sich drei Arten von quantitativen Scheduling-Modellen zur Optimierung der Zeitenlagen der Flüge aus den in der Literatur dargestellten Modellen zusammenfassen. Diese Modelle wurden zum Teil explizit für die Flugplanoptimierung entwickelt, zum Teil sind sie allgemeingültig für unterschiedliche Transportmodi formuliert und lassen sich somit auf die Aufgabenstellungen des Luftverkehrs übertragen. Die einzelnen Scheduling-ModellTypen werden in folgenden Abschnitten präsentiert. 3.2.3.2.1 Flugplanoptimierung mit Slot-Assignment-Modellen In dieser Gruppe von Scheduling-Modellen werden die Ankunfts- und Abflugszeiten durch die Zuordnung von Flügen zu den verfügbaren In- und Outbound-Slots optimiert. So verfährt z.B. auch das Modell von Leibold (2001), in dem in iterativen Schleifen die Slot-Zuordnung mit dem Ziel der Maximierung der gewichteten oder ungewichteten Anzahl der resultierenden Transferverbindungen auf vorgegebenen Passagierströmen bestimmt wird12. Das Modell basiert auf einem Diagraphen G(V,A) mit der Menge der Knoten V, die in Start-, Transfer- und Endknoten unterteilt ist. Diese Knotentypen werden durch die Größen ai,hh,nj ∈ V beschrieben. Die Flüge werden durch die Graphkanten A repräsentiert. Zur Disposition stehen jeweils die verfügbaren In- und Outbound-Slots IBs, s = 1,...,q , OBd, d = 1,...,r. Für die Bildung einer Transferverbindung zwischen zwei Destinationen i und j über den HubFlughafen h wird die durch die Variable ctihj vorgegebene Mindestumsteigezeit benötigt. Ferner definiert man hier folgende Indikationsvariablen: 11 12
Siehe Anhang Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 50ff
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
53
Zuordnung der Strecken zu den Reiseströmen:
vihj =
falls das O&D von i über h nach j verläuft
°1 ® °¯0
sonst
Zuordnung der Inbound-Flüge zu einem Slot:
IBihs =
falls der Inbound-Flug von i nach h Slot s zugeordnet wird
°1 ® °¯0
sonst
Zuordnung der Outbound-Flüge zu einem Slot:
OBhjd=
falls der Outbound-Flug von h nach j Slot d zugeordnet wird
°1 ® °¯0
sonst
Deklarierung einer Transferverbindung zu einem Hit:
Cij =
falls das O&D von i nach j als Hit gezählt wird
°1 ® °¯0
sonst
Folgende Modellparameter werden außerdem gebraucht:
SLIBhs SLOBhs MCTh HWh M VLij
Zeitenlage des Inbound-Slots s im Hub h Zeitenlage des Outbound-Slots d im Hub h Minimum Connecting Time im Hub h Breite des Zeitfensters (in Minuten), das die maximal zulässige Wartezeit der Passagiere im Hub h angibt Hinreichend große Zahl13 Prioritätskennziffer für das O&D (i,j) (z.B. die Gesamtnachfrage auf dem jeweiligen O&D)
Das Optimierungsmodell wird somit wie folgt beschrieben: Zielfunktion: max ZF, mit I
H
J
i
h
j
ZF = max ¦¦¦ vihj
13 Wird später für die Hit-Fenster-Nebenbedingung benötigt. Hängt vom Betrag den Uhrzeiten der In- und Outbound-Slots, MCT sowie der Breite des Hit-Zeitfensters ab
54
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
Nebenbedingungen: 1. Alle Transferverbindungen werden über nur einen Flughafen bedient:
¦v
= cij , ∀i, j
ihj
h
2. Für das Zustandekommen einer Transitverbindung muss jeweils mindestens ein In- und Outbound-Slot zur Verfügung stehen:
≥ vihj , ∀i, h, j
¦ IB
ihs
s
¦ OB
hjd
≥ v ihj , ∀i, h, j
d
3. Jedem Flug darf maximal ein Slot zugeordnet werden:
¦ IB
ihs
≤ 1, ∀i, h
s
¦ OB
hjd
≤ 1, ∀ h , j
d
4. Jedem Slot darf maximal ein Flug zugeordnet werden:
¦ IB
ihs
≤ 1, ∀i, s
i
¦ OB
hjd
≤ 1, ∀h, d
j
5. Die Minimum Connecting Time muss stets eingehalten werden:
¦ SLOB
hd
d
⋅ OBhjd − ¦ SLIBhs ⋅ IBihs + M ⋅ (1 − vihj ) ≥ MCTh ⋅ vihj , ∀i, h, j s
6. Die Umsteigezeit einer validen Transferverbindung darf die maximal zulässige Umsteigezeit nicht überschreiten:
¦ SLOB d
hd
⋅ OBhjd − ¦ SLIBhs ⋅ IBihs ≤ HWh + M ⋅ (1 − v ihj ), ∀i, h, j s
7. Berechnung der benötigten Umsteigezeit über die Nebenbedingungen:
Kapitel 3
¦ SLOB d
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
hd
55
⋅ OBhjd − ¦ SLIBhs ⋅ IBihs − M ⋅ (1 − vihj ) ≥ ct ihj , ∀i, h, j s
Dieses Modell ermittelt somit eine Zuordnung der Flüge zu den entsprechenden Zeit-Slots, die zu einer maximalen Anzahl der validen und wettbewerbsfähigen Transferverbindungen führt14. Trotz der Einfachheit der Formulierung und der Relevanz der Zielfunktion weist das Modell mehrere schwer wiegende Mängel auf. Als Erstes fällt auf, dass bei der Festlegung der Zeitenlagen die Direktflüge nicht betrachtet werden und nur der Transferverkehr optimiert wird. Da die Auswirkungen der Abflugs- und Ankunftszeiten auf die lokale Nachfrage nicht berücksichtigt werden, kann das Modell nur das Optimum bezüglich der Anzahl von Transitverbindungen herbeiführen. Doch diese sind meistens mit niedrigeren Tarifen verbunden und können zu einer drastischen Reduzierung der hochwertigen Direktpassagiernachfrage führen, wenn die Anforderungen der Direktpassagiere an die Zeitenlagen der Flüge nicht beachtet werden. Als weiterer Schwachpunkt des Modells erweist sich die nicht monetäre Flugplanbewertung in der Zielfunktion. Das Modell ermöglicht zwar durch die Gewichtung der Anzahl der Transferverbindungen mit einer Präferenzkennzahl der entsprechenden O&D-Märkte eine Indikation der Güte des resultierenden Flugnetzwerks, doch die Kalkulation der genauen Anzahl der Transferpassagiere, die sich bei der jeweiligen Netzwerkausgestaltung für die Flüge der die Optimierung durchführenden Airline entscheiden und somit monetäre Umsätze generieren, wird hier nicht verfolgt. Des Weiteren kann eine Planung, die auf die Maximierung der Anzahl von Transferverbindungen ausgerichtet ist, in einer starken Bündelung der In- und Outbound-Flüge und in nur einer einzigen Verkehrswelle pro Tag resultieren. Solch ein HubAufbau widerspräche jedoch den in der Praxis vorzufindenden Strukturen. Dieser Mangel kann allerdings relativ einfach durch weitere Restriktionen beseitigt werden, die für die Einhaltung der Zeitenlagen der Flüge im Rahmen der vordefinierten Zeitintervalle sorgen. Außer dem oben beschriebenen Modell finden sich in der Literatur weitere Ansätze zur Schedule-Optimierung mittels Slot-Zuordnung, die allerdings allgemein angelegt sind und nicht speziell für den Luftverkehr hergeleitet wurden. Als Beispiele für solche Ansätze können Arbeiten von Bartak (2000) sowie von Brusoni / Console / Lamma et al. (1996) angeführt werden.
14
Siehe Abschnitt 2.4.4
56
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
3.2.3.2.2 Flugplanoptimierung mit Zeittafel-Modellen Mit Zeittafel-Modellen 15 optimiert man die Zeitenlagen unterschiedlicher Dienste 16 . Beim Einsatz der Zeittafel-Modelle im Verkehrswesen versucht man, unter Vorgabe der zu bedienenden Märkte sowie der Anzahl der Frequenzen auf einzelnen Strecken die Start- und Endzeiten der Transportdienste derart zu bestimmen, dass die im jeweiligen Modell spezifizierte Zielfunktion ihr Optimum erreicht. Die Zeittafel-Modelle werden oft zur Optimierung der Bus- und Bahnfahrpläne herangezogen und können somit wegen der weitgehenden Ähnlichkeit der Prozesse und Zielsetzungen im Nah- und Schienenverkehr und der Luftverkehrsindustrie auch zur Flugplanoptimierung verwendet werden. In Mekkaoui / de Palma / Lindsey (2000), in de Palma / Lindsey (2000) sowie in de Palma / Fontan / Mekkaoui (2000) wird ein allgemeines, für die öffentlichen Verkehrsdienste spezifiziertes Zeittafel-Modell präsentiert, das die Startund Endzeiten der Transportdienste mit der Zielsetzung der Reduzierung von passagierbezogenen Kosten optimiert. Diese Kosten entstehen, wenn die jeweilige Start- oder Endzeit eines Transportdienstes früher oder später als die vom Passagier präferierte Zeit liegt, da die Verteilung der Passagierpräferenzen bezüglich der Zeitenlagen stetig und die Verteilung der Zeitenlagen der Dienste diskret ist. Einige Zeittafel-Modelle sind der Optimierung der Transportdienste in Bezug auf die Synchronisierung der einzelnen Dienste, bzw. der Maximierung der Anzahl der möglichen Transitverbindungen, die aus einem Transportnetzwerk resultieren, gewidmet. So auch das Modell von Salzborn (1980), in dem zwei miteinander verwandte Probleme beschrieben werden: Das erste Problem ist die Bestimmung der Zulässigkeit der einzelnen über die unterschiedlichen Hubs laufenden Transfer-Routen; diese Zulässigkeit hängt von der Erfüllung der entsprechenden Zeitfensterrestriktionen ab. Input für dieses Problem sind die Gesamtreisezeit der Transfer-Route, die Pufferzeit zwischen den einzelnen Diensten sowie die minimale Zeit, die die Passagiere für einen Transfer brauchen. Das zweite Problem behandelt die Planung der Zeitenlagen von Zubringerdiensten in jedem Hub und ist Ausgangspunkt für die Bedingungen, die zur Bildung von zulässigen Zubringer-Zeitplänen führen. Ceder / Tal (1999) entwickelten am Beispiel der Busfahrpläne ein Modell zur Bestimmung der Zeitenlagen von einzelnen Transportdiensten, die zur maxi15 16
Auch unter der Bezeichnung Timetabling-Modelle bekannt z.B. Zeitenlagen der Schul- oder Studienunterrichte, Abfahrtszeiten der Busse oder Bahnen usw.
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
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malen Anzahl von synchronisierten Transferverbindungen führen. Das Modell, das als ein gemischt-ganzzahliges Problem formuliert wird, sucht nach Abfahrtszeiten, die im Rahmen von vorgegebenen Intervallen liegen und die Gesamtzahl von simultanen Busankünften an gleichen Netzwerkknoten maximieren. Die Autoren weisen auf die Möglichkeit der Modellerweiterung hin, die aus der Gewichtung der einzelnen Transferverbindungen sowie der Definition der Zeitfenster besteht, in die die synchronen Ankünfte fallen sollen. Ein weiteres Modell zur Transitoptimierung wurde von Klemt / Stemme (1988) entwickelt. Als die zu minimierende Zielfunktion fungieren hier die Transferkosten, die als Produkt aus Wartezeiten und Anzahl von Transitpassagieren berechnet sind. Man unterstellt die Periodizität der Transportdienste auf jeder Route und sucht nach Zeitenlagen, die im gegebenen Routennetzwerk zur maximalen Synchronisation dieser Dienste in den Überscheidungspunkten der Routen führen. Die mathematische Formulierung des Modells ergibt ein quadratisches Zuordnungsproblem, das mit Hilfe einer Heuristik gelöst wird. Ein Modell zur Festlegung der Zeitenlagen der Direktflüge, bei dem die Summe der operativen Kosten und die Passagierwartezeit minimiert werden, präsentiert Simpson (1969). Der wichtigste Modellinput ist die Information über die Verteilung der Direktpassagiernachfrage über den Tag. Das Modell basiert auf einem Netzwerk, das über zwei Variablen, nämlich der Abflugszeit und der Anzahl der zu dieser Flugzeit wartenden Passagiere, aufgespannt wird. Die Entscheidung über die zeitliche Positionierung eines Fluges fällt ausgehend von den Kosten der Passagierwartezeit, die als lineare Funktion der Wartezeit kalkuliert werden, und den operativen Kosten, die entstehen, wenn ein Flug zu einer bestimmten Zeit ausgeführt wird. Im Modell wird eine unbeschränkte Anzahl von zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Flugzeugtypen unterstellt und es werden die bei einer Landung entstehenden operativen Kosten vernachlässigt. Gagnon (1967) schlägt ein Modell vor, das die Passagiernachfrage durch die Definition von bestimmten Attraktivitätsregeln den in einem als Input fungierendem Flugplan enthaltenen Flügen zuweist; dies geschieht in Abhängigkeit von Zeitpräferenzen, Konkurrenzangebot und Flugauslastung. Wird das Modell als Bewertungsschritt in einem iterativen Zeitenlagenoptimierungsalgorithmus eingesetzt, so lassen sich damit optimale Zeitenlagen der Flüge identifizieren.
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Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
Weitere Modelle zur Bestimmung der Zeitenlagen der Flüge finden sich z.B. in Loughran (1972), Gertsbakh / Serafini (1991), Ceder (2001) und Bhadra / Gentry / Hogan et al. (2003). 3.2.3.2.3 Modelle zur simultanen Optimierung der Zeitenlagen und der Flugzeugzuordnung Die oben beschriebenen Scheduling-Modelle optimieren nur die Abflugs- und Ankunftszeiten der Transportdienste. Darüber hinaus wurden in der letzten Zeit Modelle vorgestellt, die versuchen, die Bestimmung der Zeitenlagen der Flüge mit der Zuordnung der Flugzeugtypen zu den einzelnen Flugsegmenten zu kombinieren. Dazu gehört auch das Modell von Rexing / Barnhart / Knicker (2000), das auf mehreren Netzwerken basiert, die jeweils für einen Flugzeugtypen aufgebaut werden. Gleichzeitig mit der Festlegung der optimalen Abflugszeiten wählt das Modell die aus ökonomischen Gesichtspunkten beste Zuordnung der Flugzeugtypen zu den Flugsegmenten. Dabei geht es von den operativen Flugzeugkosten, den passagierabhängigen Kosten sowie den Opportunitätskosten der Passierabweisung aus17. Opportunitätskosten entstehen, wenn die Passagiernachfrage auf einem Flugsegment die verfügbare Sitzplatzkapazität des diesem Segment zugeordneten Fluggeräts übersteigt. Das Modell optimiert die Abflugszeiten nur in Bezug auf die Minimierung der für die Ausführung eines Flugplans notwendigen Anzahl der Flugzeuge und der damit verbundenen Kosten. Es geht lediglich von der auf einem Flugsegment vorherrschenden lokalen Passagiernachfrage aus und berücksichtigt nicht die Transferpassagierströme, die bei entsprechender Festlegung der Zeitenlagen der Flüge zusätzlich gebildet werden können. Ein anderes Modell, das das Flug-Scheduling und die Flugzeugzuordnung im gleichen Optimierungsschritt durchführt, wurde von Yan / Tseng (2002) entwickelt. Bei gegebenen Informationen über Passagiernachfrage auf vordefinierten O&Ds, Anzahl der Flugzeuge in den Teilflotten, verfügbaren Slots und Kostendaten sucht das Modell nach der optimalen Allokation der Zeitenlagen der Flüge und bestimmt die kostengünstigste Zuordnung der Flugzeuge zu den Flugsegmenten. Eine Besonderheit dieses Modells ist die explizite Berücksichtigung und die monetäre Bewertung der Direkt- und Transferpassagierströme. Ziel ist die simultane Bestimmung von Flugzeugund Passagierflüssen, die zu minimalen Kosten bzw. zu maximalem Airline17
So genannte Spill-Kosten
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Gewinn führen. Zur Abbildung dieser Flüsse werden zwei Netzwerke spezifiziert: Das eine Netzwerk modelliert die Flugzeugbewegungen und die damit verbundenen Kosten und Kapazitäten in der Luft und am Boden. Das andere Netzwerk zeigt die Passagierströme auf O&D-Märkten mit den entsprechenden Kosten und Umsätzen. Die Zielfunktion minimiert die aus den Flugzeugund Passagierströmen der beiden Netzwerke resultierenden Kosten bzw. Gewinne. Die Modellnebenbedingungen sorgen für die Einhaltung des Netzwerkflusses, die Eindeutigkeit der Flugzeugzuordnung zu einem Flugsegment sowie die Nichtüberschreitung der Anzahl der verfügbaren Flugzeuge in der entsprechenden Sitzplatzkapazität. Somit erfolgt in diesem Modell die Bestimmung der optimalen Zeitenlagen der Flüge parallel mit der Überprüfung der operationellen Flugzeugvalidität und der Flugplanbewertung. Zur Berechnung der Flugzeugrotationen im nächsten Optimierungsschritt schlagen die Autoren den von Ahuja / Magnanti / Orlin (1993) entwickelten Dekompositionsalgorithmus zur Zerlegung der Netzwerkflüsse in die Menge von zusammenhängenden Kantenabfolgen vor. 3.2.3.3 Flugzeugrotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen Im Unterschied zu Scheduling-Modellen, die einen Flugplan primär bezüglich der Zeitenlagen optimieren, erfolgt in Flugzeugrotationsmodellen mit Zeitenlagenverschiebungen eine gleichzeitige Optimierung der Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge sowie der Reihenfolge, in der die vorhandenen Flugzeuge diese Flüge ausführen. Ähnlich wie bei Scheduling-Modellen kann hier der Entscheider z.B. ausgehend von der vordefinierten Grobstruktur der HubWellen18 die entsprechenden Zeitfenster für die Abflugszeiten der einzelnen Flüge festlegen. Diese können sich dabei über mehrere Stunden oder, wenn nötig, über mehrere Tage erstrecken sowie auch den Wert Null annehmen19. Sollten die Zeitfenster mehrere Tage umfassen, muss in der Modellformulierung sichergestellt werden, dass die Flüge mit gleichen Flugnummern, die an unterschiedlichen Tagen ausgeführt werden, zu gleichen Tageszeiten starten und landen20. Außer den in der Spezifikation und der Lösung von Scheduling-Modellen zu berücksichtigenden Restriktionen, die im vorherigen Abschnitt beschrieben wurden, sind bei Rotationsmodellen mit Zeitenlagenverschiebungen noch die aus den technischen Eigenschaften der Flugzeuge resultierenden Einschrän18
Siehe Abschnitt 2.4.4 In diesem Fall sind die Abflugszeiten auf eine bestimmte Zeit fixiert 20 Vgl. SUHL, L. (1994), S. 106ff 19
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kungen zu beachten. Diese Restriktionen müssen sicherstellen, dass zwischen der Landung und dem darauf folgenden Startvorgang eines Flugzeuges mindestens die für den jeweiligen Flughafen und Flugzeugtypen relevante Turnaround Time (TAT) verstreicht oder dass ein Flugzeug nach einer bestimmten Anzahl von Flugstunden gewartet werden muss und somit für eine gewisse Zeit nicht verfügbar ist. Als Input benötigt das Rotationsmodell mit Zeitenlagenverschiebungen zusätzlich zu den für die Scheduling-Modelle erforderlichen Inputs noch zwei bzw. drei Größen: die Informationen über die im vorangegangenen Optimierungsschritt erfolgte Zuordnung der Flugzeugtypen zu Flugsegmenten, die Angaben über die TAT-Zeit und, falls die Flugzeugwartung im Modell explizit berücksichtigt wird, wartungsrelevante Informationen. Die Flugzeugrotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen können basierend auf den formalen Darstellungen des "Multiple Traveling Salesman" oder des "Vehicle Routing Problem with Time Windows" beschrieben werden. Eine typische Formulierung für solche Flugzeugrotationsmodelle, die von der Struktur des Multiple Traveling Salesman Problem with Time Windows ausgeht und als lineares gemischt-ganzzahliges Programm aufgesetzt wird, sei im Folgenden präsentiert21. Das Modell basiert auf einem Diagraphen G(V,A). Die Menge der Knoten V dieses Diagraphen bildet die einzelnen Flüge i∈ V, i = 1,..., N ab; die Menge seiner Kanten A enthält alle für ein Flugzeug validen Verbindungen zwischen zwei aufeinander folgenden Flügen. Der Diagraph G(V,A) besitzt außerdem zwei zusätzliche Knoten: den Quellknoten O sowie den Senkknoten D. Für G(V,A) werden folgende Mengen und exogene Variablen definiert:
TATi ati, bti
Die nach der Ausführung des Fluges i∈ V gültige Turnaround Time Jeweils die untere und die obere Grenze des Zeitfensters für den Flug i∈ V
cij
Kosten, die entstehen, wenn das gleiche Flugzeug den Flug i∈ V unmittelbar nach dem Flug j∈ V ausführt
I
Menge der Flüge mit gleichen Flugnummern, die an unterschiedlichen Tagen ausgeführt werden
dij M
Anzahl der Tage zwischen dem Ausführen der Flüge i und j∈ V
21
Hinreichend große Zahl
Vgl. SUHL, L. (1994), S. 106ff.
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
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Als Entscheidungsvariable des Modells fungiert die Zuordnung von zwei aufeinander folgenden Flügen zu einer Rotation sowie die tatsächliche Abflugszeit der Flüge: falls dasselbe Flugzeug den Flug j nach dem Flug i ausführt
xij =
°1 ® °¯0
Ti
Die Abflugszeit des Fluges i∈ V innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters
sonst
Je nachdem, ob man die Gesamtkosten der Flugzeugzuordnung oder die Gesamtzahl der für die Ausführung des Flugplans notwendigen Flugzeuge minimiert, ergeben sich folgende Zielfunktionen
ZF1 = min ¦¦ cij xij i
j
ZF2 = min ¦ xOj j
sowie die Nebenbedingungen: 1. Eindeutigkeit der Zuordnung: Für zwei aufeinander folgende Flüge existiert nur eine einzige Verbindung in nur einer Flugzeugrotation:
¦ x =¦ x kj
k
jk
=1, j = 1,..., N
k
2. Einhaltung der Vorgabe für das Zeitfenster: Die Abflugszeit der Flüge befindet sich innerhalb der jeweiligen vordefinierten Zeitintervalle:
ati ≤ Ti ≤ bti , i = 1,..., N 3. Einhaltung der Turnaround Time: In einer Rotation kann ein Flug nur dann starten, wenn der vorausgehende Flug gelandet und die Turnaround Time verstrichen ist:
T j − Ti − TATi ≥ M (xij − 1), ∀i, j 4. Binaritätsbedingung der diskreten Entscheidungsvariablen:
xij ∈ {0,1}, ∀i, j 5. Gleichheit der Abflugszeiten der Flüge an unterschiedlichen Wochentagen:
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Erstrecken sich die Zeitfenster für die Abflugszeiten der Flüge über mehrere Tage und ist die Gleichheit der Zeitenlagen der Flüge mit den gleichen Flugnummern gewünscht, wird folgende Nebenbedingung aktiviert, die allerdings die Struktur des Multiple Traveling Salesman Problems aufhebt:
T j − Ti = d ij , i, j ∈ I Außer der hier vorgestellten Modellformulierung finden sich in der Literatur noch mehrere Ansätze zur Darstellung und Lösung der Flugzeugrotationsprobleme mit Zeitlagenverschiebungen. So basieren Ioachim / Desrosiers / Soumis et al. (1999) ihr Optimierungsmodell auf den für jedes Flugzeug konstruierten Diagraphen und beschreiben es in Form eines Mehr-Güter-Netzwerkflussproblems, in dem jedes Flugzeug ein Gut repräsentiert. Dieses Modell, das die Kosten der Flugzeugzuordnung minimiert und nicht lineare Restriktionen enthält, ermöglicht die Flugplanoptimierung für eine heterogene Flugzeugflotte. Es enthält Flusserhaltungsrestriktionen, Restriktionen für Abflugs- und Turnaround-Zeiten sowie die Zuordnungseindeutigkeit. Desaulniers / Desrosiers / Dumas (1997) entwickeln zwei alternative Formulierungen für das Rotationsmodell mit Zeitenlagenverschiebungen im Rahmen der vorgegebenen Zeitfernster. Die erste Formulierung stellt die Rotationsbildung als ein Mengenpartizionierungsproblem dar. Darin wird für jeden möglichen Flugplan eines bestimmten vorhandenen Flugzeugtypen eine binäre Entscheidungsvariable definiert, die das Enthalten dieses Flugplans in der Endlösung kennzeichnet. Darüber hinaus werden hier die Nebenbedingungen spezifiziert, die für die Gleichheit der Anzahl der startenden und landenden Flugzeuge an jedem Flughafen sowie für die Nichtüberschreitung der verfügbaren Anzahl der Flugzeuge in den Teilflotten sorgen. Die zweite Formulierung beschreibt das Mehr-Güter-Netzwerkflussproblem und sucht nach besten Verbindungsmöglichkeiten für zwei aufeinander folgende Flüge, die von einem Flugzeug ausgeführt werden können. Die hier vorhandenen Nebenbedingungen sorgen für die Eindeutigkeit der Zuordnung, die Flusserhaltung an jedem Graphknoten, die Einhaltung der vordefinierten Zeitfenster und der Turnaround Time sowie für die Nichtüberschreitung der maximalen Flugzeugzahl. Die Autoren gehen von der zeitunabhängigen Passagiernachfrage aus und spezifizieren die Kosten und Erträge auf Basis der einzelnen Flugsegmente, ohne die Transferverbindungen zu berücksichtigen. Levin (1971) schlägt zwei Flugzeugrotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen vor, die die Anzahl der eingesetzten Flugzeuge für homogene Flotten
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minimieren. Das erste Modell basiert auf einem Diagrafen, in dem die Flüge als Knoten und die Verbindungen zwischen zwei Flügen für ein Flugzeug als Kanten fungieren. Hierin wird für jeden Flug ein Bündel möglicher Abflugszeiten definiert. Die Minimierung der Flugzeugzahl manifestiert sich in der Suche nach einem solchen maximalen 0-1 Netzwerkfluss, bei dem für jeden Knoten höchstens ein Element aus dem entsprechenden Zeitenbündel einen 1-Fluss sendet oder empfängt. Das zweite Modell basiert auf einem ZeitRaum-Netzwerk, in dem die Abflugs- und Ankunftszeiten die Netzwerkknoten repräsentieren. Jeder potenzielle Flug, der für eine der Netzwerkkanten steht, verbindet zwei Knoten, die somit seine Zeitenlage bestimmen. Eine Indikationsvariable gibt an, ob die entsprechende Kante in der Endlösung enthalten ist. Das Modell minimiert die sich bei der operativen Ausführung des Flugplans ergebende Anzahl der Flugzeuge bzw. Flugzeugrotationen, die als Summe der Flüsse auf den Übernachtungskanten berechnet wird. Die meisten Rotationsmodelle mit Zeitenlagenverschiebungen haben das Ziel, die optimale Zusammensetzung und Reihenfolge der auszuführenden Flugsegmente für jedes vorhandene Flugzeug bei flexibler Festlegung der Zeitenlagen der Flüge zu finden. Die Abflugs- und Ankunftszeiten ergeben sich somit als ein Nebenprodukt der Rotationsplanung, bei der entweder die Flugzeugzahl oder die Kosten des Flugbetriebs minimiert werden. Ein Flugplan, der mit solchen Rotationsmodellen erstellt wurde, ist optimal in Bezug auf die operative Durchführung, reflektiert jedoch nicht notwendigerweise die Marktseite und ist nicht auf die Maximierung der Passagiererträge ausgerichtet. Mashford / Marksjö (2002) entwickeln ein mehrstufiges Rotationsmodell, das sowohl die interne Betriebssicht als auch die Passagiersicht in die Optimierung integriert. In der ersten Modellstufe werden mögliche valide Rotationen bei der Selektion von bestimmten Abflugszeiten und unter Einhaltung von relevanten Turnaround-Zeiten gebildet. Die Menge der Flugzeugrotationen, die bei den gewählten Zeitenlagen der Flüge jeden im Flugplan vorhandenen Flug abdeckt, wird in der nächsten Stufe bewertet. Dazu werden als erstes alle möglichen Direkt- und Transferpassagierverbindungen aufgebaut. Beim Aufbau der Transferverbindungen wird die von der Airline spezifizierte minimale und maximale Verbindungszeit berücksichtigt. Die anschließende Bewertung der Verbindungen erfolgt durch die Allokation der Passagiernachfrage zu jeder gebildeten Verbindung und die Modellierung der entsprechenden Tarife. In einem iterativen Optimierungsprozess, in dem in jeder Optimierungsschleife die Zeitenlagen der Flüge und die Rotationen mit Hilfe eines
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Substitutionsalgorithmus neu festgelegt werden, werden die beiden Modellstufen mehrmals nacheinander durchlaufen, bis die beste Flugplanlösung gefunden ist. Ein weiteres Modell, das die Transferpassagierströme in der Rotationsplanung explizit berücksichtigt, stellen Erdmann (1999) und Noltemeier (2001) vor. Hier wird am Beispiel der Charterflugpläne ein gemischt-ganzzahliges Optimierungsproblem beschrieben, das den aus den Kosten des Flugzeugeinsatzes und den Passagierumsätzen zusammengesetzten Airline-Gewinn maximiert. Das Modell bestimmt die unter Kostengesichtspunkten optimalen Rotationen und versucht dabei, durch die Festlegung der passenden Abflugszeiten der Flüge die generierten Flugzeugrotationen mit möglichst vielen Transferpassagierströmen zu verbinden.
3.3 Lösungsverfahren der Flugplanoptimierungsmodelle 3.3.1 Überblick über die potenziellen Lösungsverfahren Der Wert der Zielfunktion der im Abschnitt 3.2 präsentierten Flugplanoptimierungsmodelle hängt von der Reihenfolge der Ausführung der einzelnen Flugplanoperationen ab22. Somit gehören diese Modelle zur Klasse der so genannten kombinatorischen Optimierungsprobleme23. Da die Entscheidungsvariablen dieser Modelle ganzzahlig oder gemischt-ganzzahlig sind, handelt es sich hierbei um eine ganzzahlige bzw. gemischt-ganzzahlige kombinatorische Optimierung. Der Lösungsraum der Flugplanoptimierungsmodelle umspannt sämtliche zulässige Kombinationen der im jeweiligen Modell definierten Entscheidungsvariablen24. Je nach Problemstellung und Modellspezifikation kann dieser Lösungsraum mehrere Millionen Ergebnispunkte enthalten. Die Lösungsverfahren solcher Modelle müssen folglich in der Lage sein, das Modelloptimum aus einer riesigen Ergebnismenge zu ermitteln. Die Ganzzahligkeitsbedingung der Modellvariablen stellt zusätzliche Anforderungen an die Lösungsverfahren und erschwert den Optimierungsprozess. Die optimalen ganzzahligen Ergebnisse können nicht durch das Runden der Ergebnisse der Modelloptimierung ohne die Berücksichtigung der Ganzzahligkeitsbedingung errechnet werden25. Es bedarf spezieller Optimierungstech22 z.B. von der Reihenfolge der der Flüge in einer Rotation, Anordnung der Flüge an einem Hub-Flughafen usw. 23 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 147 24 Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 59 25 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 125
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niken, die das Problemoptimum unter Ausschluss aller nicht ganzzahligen Lösungen ermitteln. Es existieren mehrere mathematische Verfahren, die für die ganzzahlige bzw. gemischt-ganzzahlige kombinatorische Optimierung eingesetzt werden. Diese Verfahren unterscheiden sich danach, ob sie die optimale zulässige Lösung exakt ermitteln oder sich der optimalen Lösung nur nähern. Die ersteren, die exakten Lösungsverfahren werden angewandt, wenn sich die Optimierungsprobleme mit einem vertretbaren Rechenaufwand lösen lassen. Ist dies nicht der Fall, werden die so genannten heuristischen Lösungsverfahren eingesetzt. "Diese bestehen aus bestimmten Vorgehensregeln zur Lösungsfindung, die hinsichtlich des angestrebten Ziels und unter Berücksichtigung der Problemstruktur als sinnvoll, zweckmäßig und Erfolg versprechend erscheinen, aber nicht immer die optimale Lösung hervorbringen. Der Rechenaufwand ist dafür meistens gering" 26. Abbildung 3.2 zeigt und klassifiziert die wichtigsten Lösungsverfahren der ganzzahligen kombinatorischen Optimierungsprobleme. In den folgenden Abschnitten werden diese Lösungsverfahren beschrieben und ihre Einsatzmöglichkeit zur Lösung der Flugplanoptimierungsprobleme diskutiert.
Exakte Exakte Optimierungsverfahren Optimierungsverfahren • Vollständige Enumeration • Schnittebenenverfahren • Entscheidungsbaumverfahren – Dynamische Optimierung – Begrenzte Enumeration – Branch-and-Bound-Verfahren
Heuristische Heuristische Optimierungsverfahren Optimierungsverfahren • Allgemein anwendbare Heuristiken – Dekomposition – Induktives Vorgehen – Analogieschlüsse – Inkrementalanalyse – Stufenweise Verfeinerung der Modellstruktur – Modellmanipulationen usw. • Metaheuristiken – Tabu-Suche – Simulated Annealing – Genetische Algorithmen
Abbildung 3.2: Optimierungsverfahren für kombinatorische Probleme
26
MÜLLER-MERBACH, H. (1973), S. 290
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3.3.2 Exakte Lösungsverfahren 3.3.2.1 Vollständige Enumeration Bei der vollständigen Enumeration wird jeder Punkt aus dem zulässigen Lösungsraum des jeweiligen Modells bewertet und das beste Ergebnis ausgewählt. Diese Prozedur ist sehr rechenaufwendig. Sie setzt voraus, dass jede Ausprägung der Entscheidungsvariablen der Flugplanoptimierungsprobleme generiert und bewertet wird. Im Hinblick auf die bereits erwähnte exorbitante Größe des zulässigen Lösungsbereichs solcher Probleme wird verständlich, dass dieses Verfahren zur Lösung der Flugplanoptimierungsprobleme nicht herangezogen werden kann. 3.3.2.2 Schnittebenenverfahren Das Schnittebenenverfahren zeichnet sich durch das systematische iterative Hinzufügen der künstlichen Restriktionen des Lösungsraumes aus, die den zulässigen ganzzahligen Bereich einschränken27. Die sukzessive Einengung des beschriebenen Bereichs führt dazu, dass die optimale Lösung auf einen ganzzahligen Punkt fällt. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, dass es sehr kompliziert ist, den Lösungsraum effektiv einzugrenzen, ohne dabei den Optimalpunkt abzuschneiden. Außerdem weist das Schnittebenenverfahren ein schlechtes Konvergenzverhalten auf. Aus diesen Gründen eignet es sich ebenso wie die vollständige Enumeration nicht zur Lösung der Flugplanoptimierungsprobleme28. 3.3.2.3 Entscheidungsbaumverfahren Beim Entscheidungsbaumverfahren wird nur der Teil des zulässigen Lösungsbereichs enumeriert, in dem die optimale Lösung vermutet wird. Die Lösungen oder Teillösungen, die ausgehend von einem bestimmten Kriterium als suboptimal identifiziert werden können, werden somit nicht bewertet, was mit dem Abspalten der entsprechenden Zweige eines Entscheidungsbaumes assoziiert wird. Diese Vorgehensweise reduziert den Rechenaufwand, der mit der Modelloptimierung verbunden ist, erheblich. Allerdings kann bei bestimmten Problemformulierungen der Rechenaufwand wiederum sehr groß werden29, was den Einsatzbereich dieses Verfahrens in der Flugplanoptimierung einschränkt. Je nach Organisation des Enumerationsprozesses unterscheidet
27
Vgl. MÜLLER-MERBACH, H. (1973), S. 370 Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 62 29 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 123 28
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man drei Entscheidungsbaumverfahren, die in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt werden. 3.3.2.3.1 Dynamische Optimierung Bei der dynamischen Optimierung erfolgt die Enumeration in zueinander parallelen Stufen, auf denen aus der Menge der inhaltlich gleichen Teillösungen30 solche aussortiert und verworfen werden31, die nicht zu einer besseren Lösung führen als dies die bereits bewerteten Lösungsvarianten tun32. Ein solcher sequenzieller Aufbau des Entscheidungsbaumes sorgt zwar für die Übersichtlichkeit des Optimierungsprozesses, verursacht jedoch einen hohen Rechenaufwand33 und benötigt viel Speicherkapazität, da sämtliche Zweige gleichzeitig gespeichert werden müssen34. Aus diesen Gründen eignet sich das Verfahren der dynamischen Optimierung nur in einem sehr begrenzten Maße zur Lösung der Flugplanoptimierungsprobleme. 3.3.2.3.2 Begrenzte Enumeration Die begrenzte Enumeration ist durch den streng sequenziellen Aufbau des Enumerationsprozesses charakterisiert. Im Unterschied zur vollständigen Enumeration wird hier mit Hilfe eines heuristischen Eröffnungsverfahrens eine Ausgangslösung im Entscheidungsbaum generiert35. Basierend auf dieser Lösung, die – je nach Optimierungsrichtung – entweder die Ober- oder die Untergrenze für die Zielfunktion bildet, werden die weiteren Lösungen derart aufgebaut, dass die weiteren Äste nur an die Zweige des Entscheidungsbaumes angehängt werden, deren Zielfunktionswert die zuvor bestimmte Ober- bzw. Untergrenze unter- bzw. überschreitet. Auch das Verfahren der begrenzten Enumeration ist mit einem größeren Rechenaufwand verbunden36 und somit zur Lösung der Flug-Scheduling-Probleme nicht optimal geeignet.
30
Vlg. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 154 Unter inhaltlich gleichen Teillösungen können dabei solche Lösungen verstanden werden, die z.B. die gleichen Graphkanten oder -knoten enthalten, sich jedoch in der Reihenfolge der Kanten- oder Knotenauswahl unterscheiden 32 Vgl. OHSE, D. (1998), S. 103ff 33 Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 201, ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 154 34 Vgl. MÜLLER-MERBACH, H. (1973), S. 326 35 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 154 36 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 156 31
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3.3.2.3.3 Branch-and-Bound-Verfahren Im Branch-and-Bound-Verfahren wird der Enumerationsprozess in gemischten parallelen und sequenziellen Schritten organisiert37. Nach der Zerlegung des Lösungsraums des Problems in Teilmengen wird nach der Ergebnismenge gesucht, die eventuell die optimale Lösung enthält. Das schrittweise Aufspalten des Lösungsraumes wird "Branching" genannt. "Bounding" bezeichnet die Bestimmung der entsprechenden oberen oder unteren Schranken des Zielfunktionswertes, mit deren Hilfe die die optimale Problemlösung enthaltenden Ergebnissteilmengen eingegrenzt werden38. Die Schranken für die Zielfunktion des Problems werden im allgemeinen Fall durch die Lösung des um die Ganzzahligkeitsbedingung relaxierten Problems, der so genannten LP-Relaxierung, kalkuliert. Eine besondere Art der Relaxierung, bei der ein Teil der Nebenbedingungen bei der Multiplikation mit den Straffkosten in die Zielfunktion übertragen wird, wird "Lagrange-Relaxierung" genannt. Mit der Lagrange-Relaxierung lassen sich besonders scharfe Schranken für das Optimierungsproblem finden. Die Wahl der Knoten bzw. der Zweige des Entscheidungsbaumes spielt eine wichtige Rolle in Branch-andBound-Verfahren. Um die Recheneffizienz des Branch-and-Bound-Verfahrens zu verbessern sowie die Anzahl der für die Findung der optimalen Lösung notwendigen Bewertungsschritte zu reduzieren, kombiniert man es mit dem Schnittebenenverfahren oder mit der Spaltenerzeugung. Die Kombination des Branchand-Bound-Algorithmus mit dem Schnittebenenverfahren nennt man "Branch and Cut". Die Kombination von Branch and Bound mit der Spaltenerzeugung, die als Branch-and-Price-Verfahren bezeichnet wird, löst Optimierungsprobleme mit einer sehr großen Anzahl von Variablen bei vertretbarem Rechenund Zeitaufwand. In der Literatur finden sich zahlreiche Veröffentlichungen, die sich mit der Lösung des Scheduling-Problems sowie des mit der Struktur der Flugzeugrotationsproblems mit Zeitfenstern im Wesentlichen übereinstimmenden Vehicle Routing Problem with Time Windows mit Hilfe von Branch-and-Bound Verfahren und seinen Modifikationen beschäftigen. So entwickeln Barnhart / Johnson / Nemhauser et al. (1998) ein Branch-and-Price-Verfahren zur Lösung großer Scheduling- und Zuordnungsprobleme. Auch Savelsberg (1998) entwickelt und validiert einen Branch-and-Price-Algorithmus für große 37 38
Vgl. MÜLLER-MERBACH, H. (1973), S. 326 Vgl. ZIMMERMANN, W. / STACHE, U. (2001), S. 156
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allgemeine Zuordnungsprobleme. Mehrere Autoren, wie z.B. Rousseau / Gendreau / Pesant et al. (2004), Desrochers / Desrosiers / Solomon (1992) et al. und Larsen (1999) untersuchen die Lösbarkeit des Traveling Salesman und des Vehicle Routing Problem with Time Windows mit Hilfe von Branchand-Price-Verfahren und weisen auf das zuverlässige Laufzeitverhalten sowie die Praxistauglichkeit dieses Verfahrens hin. Cordeau / Desaulniers / Desrosiers et al. (2000) berichten über ähnliche Ergebnisse für das Branchand-Cut-Verfahren bei seiner Anwendung zur Lösung der Vehicle-RoutingProbleme. Ioachim / Desrosiers / Soumis et al. (1999) sowie Desaulniers / Desrosiers / Dumas. et al. (1997) lösen das Flugzeugrotationsproblem mit Zeitfenstern mit Hilfe des Branch-and-Price-Algorithmus. Erdmann (1999) und Noltemeier (2001) verwenden das Branch-and-Cut-Verfahren zur Lösung für ihr Modell zur Rotationsbildung mit Zeitfenstern. Trotz der theoretischen Möglichkeit, das Branch-and-Bound-Verfahren zur Lösung von diversen Optimierungsproblemen einzusetzen, wird es in der vorliegenden Arbeit nicht angewandt. Gründe dafür sind unter anderem die mangelnde Flexibilität dieses Verfahrens, sein relativ hoher Rechenaufwand und die Schwierigkeit der Implementierung. 3.3.3 Heuristische Lösungsverfahren 3.3.3.1 Eigenschaften und Arten heuristischer Verfahren Im Unterschied zu den in den letzten Abschnitten dargestellten exakten Lösungsverfahren verfolgt man bei der Anwendung heuristischer Verfahren das Ziel, Modelllösungen zu ermitteln, die nahe am Optimum liegen und mit einem vertretbaren Rechenaufwand und in akzeptabler Zeit bestimmt werden können. Heuristische Verfahren eignen sich zur Lösung einer Vielzahl von Optimierungsproblemen. Der genaue Aufbau und die Ausgestaltung des Suchprozesses dieser Verfahren ist jedoch stets problemabhängig und lässt sich nicht zu einer exakt vordefinierten mathematischen Struktur zusammenfassen39. Vielmehr geben die existierenden heuristischen Verfahren ein grobes Ablaufmuster vor, das der Benutzer zur Lösung seines Problems adaptieren und ggf. verfeinern muss. Somit weisen die Lösungsheuristiken folgende Eigenschaften auf40:
39 40
Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 265 Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 259
70
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Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
•
Ausschluss potenzieller Lösungen: Heuristische Verfahren grenzen den Lösungsraum des Problems ein und evaluieren nur die Ergebnispunkte, die sich innerhalb der eingegrenzten Bereiche befinden, ohne dabei zu prüfen, ob das globale Optimum im ausgeschlossenen Lösungsraum liegt.
•
Nicht willkürliche Suchprozesse: Die Ergebnissuche erfolgt nach bestimmten Regeln.
•
Fehlende Lösungsgarantie: Die durch den Ausschluss potenzieller Lösungen bedingte fehlende Konvergenz gegen den optimalen Ergebniswert schließt ihrerseits die Übernahme der Lösungsgarantie aus.
•
Subjektive Stoppregeln: Das mangelnde Konvergenzverhalten der heuristischen Verfahren führt dazu, dass der Benutzer Stoppregeln festlegen muss, die von der Struktur des zu lösenden Problems abhängen.
•
Steuerungsmöglichkeiten: Das Verfahren muss Adaptationen durch den Benutzer insofern zulassen, als dieser den Ablauf des Optimierungsprozesses kontrollieren und entsprechend der Problemstruktur steuern können muss.
Man unterscheidet zwei grundsätzliche Arten von heuristischen Verfahren41: Mit dem so genannten Eröffnungsverfahren sucht man nach einer zulässigen Ausgangslösung des Modells. Mit Hilfe der "Verbesserungsverfahren" versucht man, eine bekannte Modelllösung in iterativen Schritten zu verbessern. Die Verbesserungsverfahren gliedern sich ihrerseits in so genannte "allgemein anwendbare Heuristiken"42 und in Meta-Heuristiken. Erstere bestehen aus einer Reihe allgemein gültiger Vorgehensvorschläge, die eine Problemlösung oder zumindest die Verbesserung einer bekannten Lösung herbeiführen können. Diese zum größten Teil aus der Beobachtung des menschlichen Entscheidungsverhaltens resultierenden Handlungsempfehlungen umfassen folgende Maßnahmen43: •
Dekomposition: Man zerlegt das Problem in Teilprobleme und zieht eine Schlussfolgerung über das globale Optimum des Gesamtproblems basierend auf den Lösungen der einzelnen Teilprobleme.
•
Induktives Vorgehen: Man zieht die Schlussfolgerung aus der Lösung eines verkleinerten Modells und überträgt sie auf die Lösung des Gesamtproblems.
41
Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 260 Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 260 43 Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 261 42
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
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•
Analogieschlüsse: Ausgehend von den Lösungsstrukturen der Teilmodelle zieht man Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Globallösung
•
Inkrementalanalyse: Man versucht, durch Modifikationen der Lösung im lokalen Umfeld die Gesamtlösung zu verbessern.
•
Stufenweise Verfeinerung der Modellstruktur: Man beginnt mit der Lösung eines grob spezifiziertes Modells, das man im Rahmen der Optimierungsroutine nach und nach detailliert und verfeinert.
•
Modellmanipulationen: Man ändert das zu lösende Modell, um eine brauchbare zulässige Lösung herbeizuführen.
Für das Vehicle Routing und das Traveling Salesman Problem existieren neben den oben dargestellten allgemein anwendbaren Heuristiken heuristische Optimierungsalgorithmen, die auf bestimmten Regeln für den Austausch der Netzwerkknoten – oder der Kanten im lokalen Umfeld einer bestimmten Lösung – basieren44. Der Grundgedanke dieser Algorithmen besteht in der Untersuchung der lokalen Umgebung der aktuellen Lösung nach Nachbarschaftslösungen, die einen besseren Zielfunktionswert aufweisen. Als Nachbarschaft werden dabei solche Punkte des Lösungsraumes verstanden, die ausgehend von der aktuellen Lösung durch eine einzige Austauschoperation erreicht werden können. Außer den allgemein anwendbaren Algorithmen existiert eine weitere Kategorie der Verbesserungsverfahren, die als Meta-Heuristiken bezeichnet werden. Diese enthalten eine Reihe von allgemein spezifizierten Vorschriften und Strategien, die den Suchprozess leiten und in die je nach Ausgestaltung des zu lösenden Problems verschiedene andere exakte oder heuristische Verfahren eingebettet werden können. Die Meta-Heuristiken haben sich bei der Lösung von komplexen kombinatorischen Optimierungsproblemen mit riesigem Lösungsraum als besonders leistungsfähig erwiesen. Im Unterschied zu allgemein anwendbaren Heuristiken, die nur gewisse Handlungsempfehlungen definieren und für jedes Problem maßgeschneidert werden müssen, enthalten Meta-Heuristiken die für mehrere Problemtypen geltenden Regeln zur Steuerung und Beschleunigung des Optimierungsprozesses, Vermeidung der lokalen Optimalitäten, Identifikation der Erfolg versprechenden Bereiche des Lösungsraumes sowie zur Auswahl der Nachbarschaftslösungen. Bei der Verwendung von Meta-Heuristiken muss der Benutzer jedoch in Abhängigkeit von Struktur, Größe und anderen Gegebenheiten des zu lösenden Problems subjektive Inputparameter für die jeweilige 44
Vgl. WENDT, O. (1995), S. 20ff.
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Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
Meta-Heuristik festlegen, deren Werte die Suchrichtung und -intensität sowie die Ergebniskonvergenz wesentlich beeinflussen können. Bei der Optimierung von Flugplänen spielen die allgemein anwendbaren Heuristiken nur eine untergeordnete Rolle. Mit ihrer Hilfe können zwar gewisse den Optimierungsprozess erleichternde oder vereinfachende Modellmodifikationen kreiert werden – so kann man z.B. mehrere Kanten und Knoten eines Netzwerkes durch eine Heuristik aggregieren, was die Modellgröße erheblich reduzieren kann und somit die Optimierung vereinfacht. Doch die Lösung der Flugplanoptimierungsmodelle bis zur Optimalität ermöglichen diese Heuristiken in den meisten Fällen nicht. Aus diesem Grund werden hier die allgemein anwendbaren Heuristiken nicht weiter erläutert. Dagegen haben sich die wichtigsten Meta-Heuristiken bei der Lösung von Flugplanoptimierungsproblemen als sehr zielführend erwiesen und werden daher in den nächsten Abschnitten präsentiert. Da eine dieser Meta-Heuristiken, die "Tabu-Suche", für die Lösung des in der vorliegenden Arbeit entwickelten Fuzzy- und Marktmodell-basierten Flugplanoptimierungsmodells eingesetzt wird, findet sich nachfolgend eine ausführliche Darstellung ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise. Für die anderen relevanten Meta-Heuristiken wird nur das Grundprinzip erklärt. 3.3.3.2 Tabu-Suche Die Tabu-Suche wurde von Glover (1986) zur Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme entwickelt. Es handelt sich um ein iteratives Suchverfahren, das sich durch ein flexibles und adaptives Gedächtnis auszeichnet. Das Verfahren ist in der Lage, den Optimierungsprozess so zu steuern bzw. die Ausführung der untergeordneten Methoden so zu organisieren, dass die lokalen Optima der Zielfunktion überwunden werden. Das Verhindern vom Verfangen im lokalen Minimum oder Maximum wird durch eine Bewertungsfunktion sichergestellt. Sie selektiert aus der relevanten Nachbarschaft der aktuellen Problemlösung die Lösung mit der größten Verbesserung oder der geringsten Verschlechterung des Zielfunktionswertes und deklariert sie als nächste aktuelle Lösung. Da auch Ergebnisverschlechterungen akzeptiert werden, ist bei diesem Vorgehen das wiederholte Aufsuchen der bereits bewerteten und akzeptierten Lösungen möglich, was den Optimierungsprozess in einen Zyklus führen würde. Um dies zu verhindern, wird eine Liste, auch "Tabu-Liste" genannt, eingeführt, die die Eigenschaften der bereits besuchten Lösungen speichert. Die in den Suchalgorithmus integrierte Verbot-Strategie kontrolliert den Inhalt der Tabu-Liste und verhindert so das
Kapitel 3
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Aufsuchen der in der Tabu-Liste enthaltenen Lösungen, wodurch Zyklen vermieden werden 45 . Zur 100-prozentigen Verhinderung der wiederholten Bewertung von Modellergebnissen wäre ein Ausschluss aller bereits besuchten Lösungen nötig. Dies würde jedoch einen hohen Speicherbedarf und Rechenaufwand verursachen. Ausreichend, dennoch ohne Garantie für die vollständige Eliminierung von Zyklen, ist das Verbot bzw. das Tabu-Setzen einer bestimmten Anzahl zuletzt besuchter Lösungen. Diese Anzahl von zuvor akzeptierten und bewerteten Lösungen, die nicht erneut aufgebaut werden dürfen, nennt man die Länge der Tabu-Liste. Sie ist einer der oben erwähnten Inputparameter der Meta-Heuristiken, die vom Benutzer definiert und an den Optimierungsalgorithmus übergeben werden müssen. Von ihr hängt in hohem Maße die Effizienz der Suche und die Konvergenz der Modellergebnisse ab. Ist die Länge der Tabu-Liste zu gering, kann sich der Suchalgorithmus in Zyklen verfangen, ist sie zu groß, kann die Suche zu weit von attraktiven Bereichen des Lösungsraumes weggesteuert werden, bevor diese Bereiche ausreichend enumeriert sind. Ein weiterer Inputparameter der Tabu-Suche ist das "Abbruchskriterium", über das der Benutzer vorgibt, wann die Suche zu beenden ist. Unterschiedliche Abbruchskriterien sind denkbar, einige sind im Folgenden aufgeführt46: •
Eine zulässige optimale Lösung wurde gefunden.
•
Die vor Beginn des Optimierungsprozesses festgelegte maximale Anzahl der Iterationen ist erreicht.
•
Es existiert keine weitere relevante Nachbarschaftslösung für die aktuelle Lösung. Innerhalb einer vordefinierten Anzahl der letzten Iterationen wurde keine signifikante Verbesserung des Zielfunktionswertes festgestellt.
•
Formal kann das Grundschema der Tabu-Suche wie folgt dargestellt werden: Gegeben ist ein Optimierungsproblem c(x): x∈ X → min 1. Initialisierung: Bestimme eine Ausgangslösung x´∈ X, setze xakt = x' und T =∅ (xakt ist die aktuelle Modelllösung, T ist die Tabu-Liste) 2. Erzeugung einer Nachbarschaftslösung: Wähle xneu ∈ arg min (c(x): x∈ N(x')), wobei N(x) die Menge der Nachbarn x∈N(x) darstellt, die durch nicht tabu gesetzte Nachbarschaftslösun45 46
Vgl. VOSS, S. (1993), S. 39ff. Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 73
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Kapitel 3
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gen m(x) ∉ T erreichbar sind 3. Wahl einer besseren Lösung, Prüfung des Abbruchskriteriums: Setze x' = xneu. Gilt c(x') < c(xakt), setze xakt = x'. Ist das Abbruchskriterium erfüllt, so terminiere. Sonst passe die Tabu-Liste T an und gehe zurück zu Schritt 2. 1
Initialisierung
Finde eine Ausgangslösung und initialisiere das Modell mit dieser Lösung
2
Erstelle Kandidatenlisten
Generiere eine Liste der zulässigen Nachbarschaftslösungen
3 Wähle eine neue Lösung und bewerte sie Bringt die Auswahl der aktuellen Lösung eine Zielfunktionsverbesserung (oder die geringste Verschlechterung)?
JA
NEIN 7
JA 4
Prüfe Kriterien für die Bildung der Nachbarschaft
Soll eine andere Lösung aus der direkten Nachbarschaft gewählt und evaluiert werden?
Prüfe den Status der Tabu-Liste Ist gewählte Lösung tabu gesetzt?
Nicht tabu
NEIN 6
Tabu 5 Prüfe das Aspirations-
Die Lösung ist zulässig Speichere sie als neue beste Lösung
kriterium
JA
Die Lösung erfüllt das Aspirationskriterium
NEIN 8 Überschreibe die alte Lösung mit der neuen Deklariere die neue Lösung als die „beste“
9
10 Modifiziere Tabu-Liste
Überschreibe das Abbruchkriterium
Ist das Abbruchskriterium erfüllt?
und Aspirationskriterium
NEIN
Bilde die Basis für neue Nachbarschaften
JA STOP
Abbildung 3.3: Interner Ablauf der Kurzzeitgedächtnisfunktion der Tabu-Suche (Quelle: GLOVER, F. (1990), S. 368)
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
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Zusätzlich zu dem in der formalen Beschreibung dargestellten Grobablauf der Tabu-Suche, können weitere Bestandteile den Suchalgorithmus dieser MetaHeuristik ergänzen und verfeinern. So kann der Benutzer etwa neben der Länge der Tabu-Liste und dem entsprechenden Abbruchskriterium noch ein so genanntes "Aspirationskriterium" vorgeben: Es besteht aus der Menge der Regeln, die in einer bestimmten Situation das Ausführen einer tabuisierten Nachbarschaftslösung erlauben. Im Folgenden werden mögliche Ausprägungen des Aspirationskriteriums mit den entsprechenden möglichen Zuständen des Optimierungsprozesses präsentiert, in denen dieses Kriterium zur Anwendung kommen kann47. •
"Aspiration by Default": Tritt auf, wenn alle Nachbarschaftslösungen tabu gesetzt sind. In diesem Fall wird der Tabu-Status einer zufällig ausgewählten Nachbarschaftslösung oder einer Lösung mit der geringsten verbleibenden Tabu-Zeit aufgehoben.
•
"Aspiration by Objective": Kann in Situationen angewandt werden, in denen die Aufhebung des Tabu-Status mit erheblichen Verbesserungen des Zielfunktionswertes verbunden ist48. "Aspiration by Search Direction": Kommt zustande, wenn die Wahl einer Nachbarschaftslösung die Suchrichtung nicht verändert.
• •
"Aspiration by Influence": Sollte eine Nachbarschaftslösung mit "geringem Einfluss" auf tabu gesetzt sein, während eine Nachbarschaftslösung mit "starkem Einfluss" ausgeführt wurde, kann der Tabu-Status der ersten Lösung aufgehoben werden. Lösungen mit geringem (starkem) Einfluss führen zu jeweils relativ kleinen (großen) Ergebnisveränderungen.
Die Tabu-Suche kann als geordnete Hierarchie von Lang-, Mittel- und Kurzzeitgedächtnisfunktionen interpretiert werden49. Der interne Ablauf der Kurzzeitgedächtnisfunktion ist in Abbildung 3.3 zusammengefasst und basiert auf dem um das Aspirationskriterium erweiterten oben dargestellten Grobschema. Das Kurzzeitgedächtnis versucht, durch eine geeignete Auswahl von Nachbarschaftslösungen den Optimierungsprozess schnell und effizient zu den lokalen Optima zu führen und ihn dann aus diesen Optima durch Setzen einiger Schritte auf tabu in neue Richtungen zu lenken. So werden neue Lösungsbereiche erschlossen und neue zulässige Lösungsfolgen generiert50. Das Lang- und Mittelzeitgedächtnis wird durch das "statische" oder "dynami47
Vgl. PHAM, D. / KARABOGA, D. (2000), S. 9-10 Es gilt z.B. für den Fall, dass ein tabu gesetzter Zug zur Verbesserung der globalen Lösung oder der Lösung der letzten t Iterationen führt 49 Vgl. GLOVER, F. (1990), S. 367 50 Vgl. ZIMMERMANN, H.-J. (1992), S. 287 48
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sche Tabu-Listen-Management" realisiert, das die Entscheidungen über die Auswahl der tabu zu setzenden Nachbarschaftslösungen und der Dauer ihres Tabu-Status festlegt. Beim statischen Tabu-Listen-Management werden in jeder Iteration eine bestimmte Nachbarschaftslösung oder gewisse Elemente dieser Lösung für eine feste Zeitdauer tabu gesetzt. Neben der definierten Anzahl der tabu zu setzenden Lösungen kann die Tabu-Liste bei statischen Steuerungsmethoden auch eine variable Dauer aufweisen. Diese hängt dann von der Art der Problemstellung, der Größe des Problems oder der Nachbarschaft sowie von der Schärfe der Restriktionen ab51. Zusätzlich dazu definiert man im Rahmen des statischen Tabu-Listen-Managements durch die Auswertung der Informationen über den bisherigen Lösungsverlauf so genannte "Intensivierungs- und Diversifizierungsstrategien". Mit ihrer Hilfe soll die Suche in Erfolg versprechenden Bereichen des Ergebnisraums vertieft oder auf neue Bereiche dieses Raums verlagert werden, um die lokalen Optima zu verlassen oder neue attraktive Lösungen zu identifizieren. Beim dynamischen Tabu-Listen-Management sollen Zyklen durch den Einsatz verschiedener Techniken mit Sicherheit ausgeschlossen werden52. In der Literatur wird in mehreren Arbeiten ausdrücklich auf die Relevanz und Effizienz der Tabu-Suche bei der Optimierung von Flug- und Rotationsplänen sowie bei der Lösung von Traveling-Salesman- und Vehicle-Routing-Problemen mit oder ohne Zeitfenster hingewiesen.53 Vorzüge wie ihr relativ einfacher Aufbau und die wenig komplizierte Implementierung sowie die deterministische und somit nicht zufällige Ergebnisauswahl und ein gutes Konvergenzverhalten zeichnen diese Optimierungsmethode aus54 All diese Kriterien begründen die Entscheidung für die Wahl der Tabu-Suche zur Lösung des in der vorliegenden Arbeit entwickelten Fuzzy- und Marktmodell-basierten Flugplanoptimierungsmodells. 3.3.3.3 Simulated Annealing Simulated Annealing ist die stochastische Variante der lokalen Suchverfahren zur Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme. Sie basiert auf der Analogie zwischen dem Abkühlungsprozess der Moleküle eines Festkörpers und 51
Vgl. DOMSCHKE, W. / KLEIN, R. / SCHOLL, A. (1996), S. 6 Vgl. VOSS, S. (1993), S. 39ff. 53 Vgl. z.B. KNAUER, S. (2002); OSMAN, I. (1993); POTVIN J.-Y. / KERVAHUH, T. / GARCIA, B. (1996); TAILARD, E. / BADEAU, P. / GENDREAU, M. et al. (1997); TAN, K. / LEE, L. / ZHU, Q. et al. (2001); MASHFORD J. / MARDSJÖ, B. (2002); CHIANG, W.-C. / RUSSEL, R.A. (1997); LEIBOLD, K. (2001); SEMET, F. / TAILARD, E. (1993) 54 Vgl. LEIBOLD, K. (2001), S. 165; HANAFI, S. (2000), S. 58 52
Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
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der Problemlösung kombinatorischer Optimierungsmodelle. In einer festen Materie stehen die Moleküle in einem bestimmten räumlichen Verhältnis zueinander. Eine Erhöhung der Temperatur dieser Materie führt zur Erhöhung der kinetischen Energie ihrer Moleküle, die sich nun beliebig neu ordnen können, wodurch die alte räumliche Struktur der Materie aufgegeben wird. Eine Abkühlung reduziert dagegen den Energiegehalt der Moleküle und führt zur Bildung fester Strukturen. Die Gestalt dieser Strukturen hängt zudem vom Verlauf des Kühlprozesses ab. Eine schnelle Kühlung kann Unregelmäßigkeiten und Defekte in der Materie verursachen, wohingegen eine langsame Kühlung regelmäßige Strukturen erzeugt55. Die Analogie zum Optimierungsprozess wird bei der Simulated-Annealing-Methode über drei Assoziationen hergestellt: 1) die der Energiezustände mit zulässigen Problemlösungen, 2) die des Übergangs zu einem neuen Energiezustand der Materie mit der Auswahl der nächsten zulässigen Nachbarschaftslösung und 3) die des Zustands des niedrigsten Energiegehalts, bei dem die Materie erstarrt, mit dem Modelloptimum. Wenn man das Modell mit dem Simulated-AnnealingVerfahren optimiert, beginnt man bei einem Zustand mit hoher Temperatur und kühlt das System langsam ab. In jeder Temperaturhöhe wird bei Vorliegen eines Minimierungsproblems der Übergang zu einer neuen molekularen Struktur nur dann akzeptiert, wenn der Energiegehalt des Systems im neuen Zustand geringer ist. Mit einer Wahrscheinlichkeit, die von der Anzahl der bereits durchgeführten Iterationen abhängt, werden allerdings Übergänge akzeptiert, die zu einer Erhöhung des Energiegehaltes führen. Die Entwicklung des Optimierungsprozesses bestimmt der Benutzer weitgehend durch die Vorgabe einer monoton fallenden Abkühlungsfunktion. Simulated Annealing wird in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten zur Lösung verschiedener kombinatorischer Probleme, unter anderem auch der Flugplanoptimierungs- sowie der Vehicle-Routing-Probleme, angewandt 56 . Dieses Verfahren wird allerdings nicht zu der Lösung des in dieser Arbeit entwickelten Flugplanoptimierungsmodells herangezogen, da sein Rechenaufwand verhältnismäßig hoch ist und die Optimierungsergebnisse stark vom definierten Abkühlungsplan abhängen. 3.3.3.4 Genetische Algorithmen Genetische Algorithmen sind ebenso wie Simulated Annealing stochastische 55
Vgl. PHAM, D. / KARABOGA, D. (2000), S. 11-13 Vgl. z.B. KNAUER, S. (2002); WENDT, O. (1995); OSMAN, I. (1993); TAN, K. / LEE, L. / ZHU, Q. et al. (2001); MASHFORD, J. / MARKSJÖ, B. (2002) 56
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Kapitel 3
Quantitative Modelle zur Flugplanoptimierung
lokale Suchverfahren. In diesen Algorithmen wird dem Optimierungsprozess der kombinatorischen Probleme eine Analogie zu selbst organisierenden biologischen Evolutionsprozessen unterstellt, die sich durch sexuelle Reproduktion, Mutation und Selektion auszeichnen. Die Reproduktion wird dabei als Mischung und Diversifikation vom gutem genetischen Material definiert. Unter Mutation und Selektion versteht man jeweils die langfristige Anpassung an die veränderten Umweltbedingungen sowie den Erhalt lebensfähiger und flexibler Populationen von Individuen. Der Analogieschluss zu Optimierungsproblemen wird erreicht, indem man die Menge der zulässigen Modelllösungen durch die Population von Individuen und die Zielfunktionswerte dieser Lösungen durch die Fitness der Individuen ersetzt. Des Weiteren wird die sexuelle Reproduktion mit den Suchoperatoren und Kombinationen benachbarter Lösungen assoziiert und die Mutation durch zufällige Perturbation von Lösungen dargestellt. Auch die genetischen Algorithmen finden eine breite Anwendung auf dem Gebiet der kombinatorischen Optimierung. Es existieren zahlreiche Beispiele für den erfolgreichen Einsatz dieser Algorithmen zur Optimierung von Flugund Rotationsplänen sowie zur Lösung von unterschiedlich formulierten Vehicle-Routing- und Traveling-Salesman-Problemen 57 . Wegen der offensichtlichen Vorzüge der Tabu-Suche – hinsichtlich einer einfachen Implementierung – wird dieses Verfahren jedoch in der vorliegenden Arbeit nicht angewandt.
57
siehe z.B. TAN, K. / LEE, L. / ZHU, Q. et al. (2001); BLANTON, L. / WAINWRIGHT, R. (1993); BRÄYSY, O. (2001); FANG, H.L. (1994); HÜE, X. (1997); GROSCHE, T. / ROTHLAUF, F. / HEINZL, A. (2003); THANGIAH, S. (1995); POTVIN, J. / BENGIO, S. (1996); WENDT, O. (1995)
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Kapitel 4: Irregulärer Flugbetrieb 4.1 Einführung Im Kapitel 3 wurden deterministische Modelle zur Flugplanoptimierung präsentiert, die von einem stabilen und pünktlichen Flugbetrieb ausgehen. Diese Modelle unterstellen Konstanz und Unveränderlichkeit der Planungsprämissen bezüglich der Länge der Flug-, Boden- und Verbindungszeiten der Flüge über die gesamte Flugplanperiode und suchen nach einer optimalen Flugplanlösung für sichere und störungsfreie Umfeldzustände. Die Realität zeigt jedoch, dass solch ein stabiler und ausnahmslos pünktlicher und zuverlässiger Flugbetrieb in der Luftverkehrsindustrie nicht existiert. Wettereinwirkungen, Eingriffe der Luftverkehrssteuerungszentralen sowie fehlerhafte Aktionen der Fluggesellschaften oder Flughäfen verhindern oft die reguläre und planmäßige Ausführung der Flugplanaktivitäten. Somit eignen sich die im Kapitel 3 dargestellten deterministischen Modelle nur im eingeschränkten Maße zur realitätsnahen und somit für die Airlines nützlichen Optimierung der Flugpläne. In diesem Kapitel werden die Ursachen für Entstehung von Flugverspätungen untersucht und die Entwicklung der Verspätungsstatistiken im Luftverkehr der letzten zehn Jahre präsentiert. Anhand der in der modernen Literatur dargestellten Analysen von Verspätungskosten für Airlines und Passagiere werden die gravierenden Folgen der Flugverspätungen für die Allgemeinheit skizziert und die Notwendigkeit der expliziten Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte zur Minimierung dieser Folgen in der Planungs- und Optimierungsphase des Airline-Betriebs begründet. Ferner werden die möglichen Reaktionsmaßnahmen der Airlines auf Flugverspätungen aufgezeigt und der Stand der Forschung auf dem Gebiet der Berücksichtigung irregulärer Flugereignisse in der Flugplanoptimierung präsentiert.
4.2 Entstehung, Entwicklung und Auswirkung von Flugverspätungen 4.2.1 Irreguläre Ereignisse als Ursache von Flugverspätungen Ein Flugereignis im weiteren Sinne setzt sich aus vielen Komponenten, an denen sich mehrere Akteure beteiligen, zusammen: so werden vor einem Flug die Passagiere und das Gepäck vom Flughafen- oder Airline-Personal registriert und abgefertigt. Das Flugzeug wird gereinigt, betankt und in die startbereite Position gebracht. Während des Fluges wird das Flugzeug von
80
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
einer oder mehreren Flugsicherungszentralen geleitet. Nach der Landung werden die Passagiere und die Crews empfangen und gegebenenfalls durch die Grenz- und Zollkontrollen geführt usw. Es werden also sehr viele Prozesse angestoßen und von verschiedenen Organisationseinheiten ausgeführt. Im Laufe der Ausführung dieser Prozesse, die zudem noch eines enormen Koordinationsaufwands bedürfen, können – bedingt durch menschliche oder technische Fehler – Abweichungen vom planmäßigen Betrieb auftreten. Darüber hinaus werden die einzelnen Prozesskomponenten von Wetterbedingungen beeinflusst, was ebenfalls zu einer Störung der erwarteten Abläufe führen kann. In vielen Fällen verursachen die so genannten unerwarteten irregulären Ereignisse 1 Abweichungen vom geplanten Flugbetrieb einer Fluggesellschaft und wirken sich somit auch auf Einnahmen und Kosten aus. Eine der gravierenden Folgen der oben beschriebenen Irregularitäten sind die Flugverspätungen. Sie definieren sich als Abweichung der tatsächlichen von der im Flugplan publizierten Flugzeit. Man unterscheidet unabhängige und induzierte Abweichungen: Die unabhängigen Verspätungen entstehen unmittelbar auf einem Flugsegment, wohingegen die induzierten Verspätungen von den Flugzeugrotationen abhängen und durch die Abweichungen der vorgelagerten Flüge einer Rotation vom planmäßigen Betrieb verursacht werden. Je nachdem in welcher Phase des Flugereignisses die Verspätung aufgetreten ist, spricht man von Abflugs-, Ankunfts-, Taxi- und En-Route-Verspätungen. Die Abflugs- und Ankunftsverspätungen sind auf die Verzögerungen der Startoder Landevorgänge zurückzuführen. Eine Taxi-Verspätung entsteht während das Flugzeug vom oder zum Flugsteig gefahren wird. Die En-RouteVerspätung kommt während des eigentlichen Fluges zustande. Die genauen Gründe für die Entstehung von Verspätungen sind vielfältig und häufig auf die Verkettung verschiedener Faktoren zurückzuführen. Nach dem offiziellen IATA-Kriterienkatalog können Flugverspätungen 78 potenzielle Ursachen haben, die sich in elf verschiedene Kategorien gliedern2. Grundsätzlich können Verspätungen danach unterschieden werden, ob sie von den Fluggesellschaften, Flughäfen, Verkehrssteuerungsdiensten oder anderen Organisationen verschuldet wurden. Laut Eurocontrol, der europäischen Flugverkehrssteuerungszentrale, werden in Europa ca. 40% aller Verspätun1 Einige Autoren verstehen unter irregulären Ereignissen nur solche unerwarteten Ereignisse, die zu einer signifikanten Abweichung vom ursprünglichen Flugplan führen und ein Re-Scheduling notwendig machen. Siehe z.B. Clarke, M.D.D. (1995), S. 7 2 Siehe Standard IATA Delay Codes
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
81
gen durch die Airlines verursacht3, weitere ca. 30-40% werden von der Verkehrssteuerung wegen Kapazitätsproblemen in der Luft oder an den Flughäfen ausgelöst. Der Rest von ca. 20% geht auf das Konto anderer Beteiligter (z.B. Flughafen, Bodendienste, Catering)4. Abbildung 4.1 zeigt die Verteilung der Flugverspätungen differenziert nach den verursachenden Organisationseinheiten, so wie dies in der von Eurocontrol in Auftrag gegebenen Studie kalkuliert wurde.
Verursacher Verursacher von von Flugverspätungen Flugverspätungen 21%
42%
100%
Verkehrssteuerung
Induzierte Verspätung
Gesamt
21%
6%
58%
Sonstige
Unabhängige Verspätung
29%
12% 11%
Airline
Flughafen
Verkehrssteuerung
Airline
Abbildung 4.1: Verursacher von Flugverspätungen (Quelle: ITA-Studie (2000))
Wie aus Abbildung 4.2 hervorgeht5, stellen ungünstige Wetterbedingungen die primäre Ursache der von der Verkehrssteuerung verursachten Verspätungen dar. Die Kapazitätsprobleme der Verkehrsinfrastruktur, d.h. an den Flughäfen und in der Luft, sind für ca. 46% der von der Verkehrssteuerung ausgelösten Flugverspätungen verantwortlich. 3
Vgl. EUROCONTROL (2004) AEA (Association of European Airlines), eine Organisation, die die Interessen europäischer Fluggesellschaften vertritt, publiziert jedoch eine andere Statistik von Verspätungsursachen: Danach werden ca. 70% der Verspätungen von der Flugsicherung und den Flughäfen verursacht. (Vlg. AEA (2000), S. 1-11) 5 Zu den Ursachen der Flugverspätungen siehe etwa: WU, C-L (2003), S. 2; AGEEVA, Y (2000), S. 25; EVANS A.D / CLARKE J-P (2002), S. 18; SHAVELL Z.A. (2000), S. 1; SAUTER-SERVAES, T. / RAMMLER, T. (2000), S. 7ff; MORIN, M. (2001), S. 21; CORNELIUS, S. (1994), S. 24; LÜKING, J. (1993), S. 152; CLARKE, M.D.D. S. 7; THENGVALL, B. G. / BARD, J. F. / YU, G. (2000), S. 181 4
82
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Personal und Ausrüstung der VerkehrsSonstige steuerung 1% 12%
Restriktionen der Nachfragekapazität in der Luft
Wetter 19%
40%
27%
Flughafenrestriktionen
Abbildung 4.2: rUsachen für die von der Verkehrssteuerung ausgelösten Flugverspätungen (Quelle: EU ROCONTROL (2004), S.15)
Abgesehen von den nicht beeinflussbaren Faktoren sind die Netzwerkplanung und -steuerung, Crew- und Flugzeugverfügbarkeit sowie die Ineffizienzen der Bodenprozesse und der Passagierabfertigung6 die wichtigsten Ursachen für Flugverspätungen seitens der Fluggesellschaften. Unter der für das Entstehen der Verspätungen verantwortlichen Netzwerkplanung versteht man eine Planung mit sehr knappen Flugumläufen, d.h. sehr kurze Zeitabstände zwischen den aufeinander folgenden Flügen 7 . Werden die Umsteigezeiten zwischen den ankommenden und abfliegenden Maschinen zu knapp berechnet, treten häufig Abflugsverspätungen auf Grund von Verspätungen der ankommenden Flüge auf. Dies passiert, weil die Vorbereitung eines Flugzeuges auf seinen nächsten Abflug aus technischen Gegebenheiten eine Mindestrüstzeit, die so genannte Turnaround-Time (TAT), benötigt. Ist der geplante Zeitabstand zwischen den aufeinander folgenden Flügen kleiner als die notwendige Vorbereitungszeit des Fluggeräts plus die Ankunftsverspätung, verzögert sich das Abflugsereignis zwangsläufig. Es entsteht also eine induzierte Abflugsverspätung. Abbildung 4.3 verbildlicht diesen Sachverhalt. Gelingt es nach dem verspäteten Eintreffen eines Flugzeuges an einem Flughafen nicht, 6 7
Vgl. BOOZ-ALLEN & HAMILTON (2001), S. 5 Vgl. BUNSE, T. (2000), S. 93
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
83
die entstandene Verspätung durch schnelles Ent- und Beladen der Maschine sowie durch einen schnelleren Flug auszugleichen, folgen weitere Ankunftsund Abflugsverspätungen. Die einzelnen Verspätungen akkumulierten sich mit dem Ergebnis, dass die Flüge zu späteren Tageszeiten eine sehr hohe Gesamtverspätung aufweisen können8. Solch ein Akkumulierungseffekt tritt insbesondere in den im Abschnitt 2.4.3 dargestellten Hub-and-Spoke-Netzwerken auf. FRA
BER
Planmäßige Rotation
Flugzeit
Rotation mit Verspätungen
Flugzeit
AMS
Bodenzeit
Flugzeit
Bodenzeit Ankunftsverspätung
FRA
Bodenzeit
Flugzeit
Abflugsverspätung
Flugzeit
Bodenzeit Zusätzliche Verspätung
Flugzeit Gesamtverspätung
Abbildung 4.3: Entstehung von Abflugsverspätungen, Propagation von Verspätungen
Die durch die Deregulierung und Liberalisierung der Luftverkehrsmärkte ausgelöste Umstrukturierung der Airline-Netzwerke zu Hub-and-Spoke-Netzwerken9 bedingte unter anderem einen rapiden Anstieg der Flugverspätungen10. Ursachen hierfür waren die mit der Bündelung der Verkehre einhergehende Störanfälligkeit der Flugpläne und die knappe Infrastrukturkapazität. Wie im Abschnitt 2.4.3 dargestellt, werden in Hub-and-Spoke-Netzwerken zunächst die Passagiere aus allen Richtungen an einen zentralen Hub-Flughafen geflogen, um von dort aus in gebündeltem Verkehrsströmen zu ihren eigentlichen Zieldestinationen verteilt zu werden. Die Flugzeuge treffen dabei in kurzen Zeitabständen im Hub ein und starten wieder, sobald die Abfertigung des letzten Zubringer-Fluges abgeschlossen ist. Solch eine Vorgehensweise führt zu einer sehr starken zeitlichen Ballung des Flugaufkommens an einem Flughafen binnen einiger wenigen Stunden und führt somit zur Entstehung und auf Grund der Verknüpfungen zwischen Passagieren, Gepäck, Crews und Flugzeugen auch zu einer starken Vermehrung von Verspätungen. 8
Vgl. LÜKING, J. (1993), S. 300 Siehe Abschnitt 2.3.3.1 10 Vgl. CORNELIUS, S. (1994), S. 58; LÜKING, J. (1993), S. 74 9
84
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Die Planung von kurzen Zeitabständen zwischen den Flugereignissen in den Flugzeugrotationen resultiert aus dem Bestreben der Fluggesellschaften, die Flottenproduktivität zu steigern und dadurch erhebliche Kostensenkungspotenziale zu realisieren11. Die Kosteneinsparungen ergeben sich dabei aus dem längeren Einsatz der Flugzeuge an einem Tag und der dadurch kleineren Anzahl der für die Ausführung eines Flugplans benötigen Flugzeuge. Ein anderer wichtiger Grund für die Kalkulation und Planung von kurzen Bodenund Pufferzeiten seitens der Fluggesellschaften ist das Ziel, die Gesamtflugzeit der Transferverbindungen zu verringern und somit die Attraktivität und Wertigkeit dieser Verbindungen für die Kunden zu steigern. Dabei hängt die Wertigkeit von der Position ab, auf der die jeweilige Transferverbindung in den Computerreservierungssystemen (CRS) erscheint. Diese Position wird in Abhängigkeit von der Gesamtreisezeit bestimmt. Solch eine Zielsetzung und die damit verbundene Netzwerkplanung gewinnt bedingt durch den intensiven Wettbewerb auf den Luftverkehrsmärkten immer stärker an Bedeutung. Es wird allerdings oft vergessen, dass die durch den Versuch die Flottenproduktivität und Verbindungsattraktivität zu verbessern ausgelöste Planung zu erheblichen Verspätungskosten im Fall des Eintretens der irregulären Ereignisse führen kann12. Das in dieser Arbeit zu entwickelnde Modell berücksichtigt die relevanten Verspätungskosten und generiert einen Flugplan, der sowohl in Bezug auf die Passagierumsätze als auch auf die eventuellen negativen monetären Konsequenzen der Flugverspätungen optimal ist. Wie bereits erwähnt, stellt die beschränkte Kapazität der Luftverkehrsinfrastruktur, insbesondere der Flughäfen, eine zusätzliche Ursache für Flugverspätungen dar13. Da der mit der Deregulierung des Luftverkehrs einhergehende enorme Nachfrageschub nach Luftverkehrsleistungen von einem relativ geringen Kapazitätswachstum begleitet wurde14, entstand in den letzten Jahren auf vielen Flughäfen sowie anderen Systemeinheiten ein großes Überlastungsproblem, das direkt oder indirekt zu einem deutlichen Anstieg der Anzahl der Flugverspätungen beitrug15. Der nächste Abschnitt behandelt ausführlich die Dynamik der Flugverspätungen in Europa und den USA.
11
Laut Airports International (2000) führt eine beim unproduktiven Warten eines Flugzeugs an einem Flughafen eingesparte Minute zu jährlichen Kosteneinsparungen von ca. einer Million USD 12 Siehe Abschnitt 4.2.4 13 Vgl. CORNELIUS, S. (1994), S. 25 14 Vgl. BERSTER, P. (1996), S. 41; CORNELIUS, S. (1994), S. 9 15 Vgl. LÜKING, J. (1993), S. 83-93
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
85
4.2.2 Entwicklung der Flugverspätungen Bei der Darstellung und Analyse der publizierten Verspätungsstatistiken wird ein Flug meistens nur dann als verspätet registriert, wenn seine planmäßige Flugzeit um mehr als 15 Minuten überschritten wird16. Dieser Schwellenwert wird damit begründet, dass die Passagiere mit kurzen Verspätungen immer rechnen müssen und somit solche Verspätungen nicht als eine besondere Belastung angesehen werden17. Die Abbildungen 4.4 und 4.5 zeigen die Entwicklung der so genannten 15Minuten-Flugverspätungen, die entsprechend der oben beschriebenen Vorgehensweise berechnet werden, in Europa und den USA sowie die Entwicklung der durchschnittlichen Länge einer Flugverspätung pro Flugbewegung. Man erkennt aus diesen Abbildungen, dass ca. 20% aller Flüge eine nicht zu vernachlässigende Verspätung aufweisen. Der Prozentsatz der von den Verspätungen betroffenen Flüge sowie die durchschnittliche Länge einer Verspätung im europäischen Luftraum ist deutlich höher als der Wert dieser Kennzahlen in den USA. Dies wird begründet durch die geringere Grenzauslastung der Luftverkehrsinfrastruktur sowie die bessere Arbeitseffizienz der Ver-
Prozentsatz der 15-min Abflugsverspätungen in Europa und USA, [%] 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
1995
1996
1997
Europäische Fluggesellschaften
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
US-amerikanische Fluggesellschaften
Abbildung 4.4: Prozentsatz der 15-min Abflugsverspätungen in Europa und den U SA (Quelle: Eurocontrol CODA Berichte 1996-2004, Eurocontrol CFMUJahresbericht 2003, AEA Yearbook 2003, Bureau of Transportation Statistics)
16 17
Vgl. SAUTER-SERVAES, T. / RAMMLER, T. (2000), S. 4 Vgl. LÜKING, J. (1993), S. 153
86
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Durchschnittliche Länge einer Verspätung pro Flug in Europa und USA, [Min.] 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
1995
1996
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Europäische Fluggesellschaften
1998
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2001
2002
2003
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US-amerikanische Fluggesellschaften
Abbildung 4.5: Durchschnittliche Länge einer Flugverspätung pro Flug in Europa und den S UA (Quelle: Eurocontrol CODA Berichte 1996-2004, Eurocontrol CFMUJahresbericht 2003, AEA Yearbook 2003, Bureau of Transportation Statistics)
kehrssteuerung in den USA bzw. durch die zum Teil unterschiedliche Methodologie der Datenerfassung und -analyse von Seiten der zuständigen statistischen Ämter in beiden Luftverkehrssystemen. Ein deutlicher Anstieg der Zahl sowie der Länge der Verspätungen in Europa im Jahre 1999 wird durch die von der Kosovo-Krise ausgelöste Kapazitätsreduktion in der Luft und am Boden sowie durch die Umstrukturierung von Teilen des Luftraums über Frankreichs und der Schweiz erklärt18. Wie Abbildung 4.6 zeigt, ist auch der absolute Betrag der gesamten Verspätungsminuten in Europa deutlich höher als in den USA bedingt durch die größere Anzahl der Flüge sowie die durchschnittliche Verspätung pro Flugbewegung in Europa. Sowohl in Europa als auch in den USA ist ab dem Jahr 1999 ein kontinuierlicher Rückgang der Flugverspätungen zu verzeichnen. Dieser ist einerseits auf die Verbesserung der Systeme und Prozesse der Luftverkehrssteuerung und andererseits auf die verschärfte Wahrnehmung der Verspätungsproblematik und die daraus resultierende Implementierung der Maßnahmen zur Pünktlichkeitsverbesserung bei den Airlines zurückzuführen. Die Reduktion des Gesamteffekts der Flugverspätungen ist für Passagiere und Airlines jedoch deutlich geringer ausgefallen als der beobachtete Rückgang der Verspätungsminuten. Grund
18
Vgl. SAUTER-SERVAES, T. / RAMMLER, T. (2000), S. 5
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
87
hierfür ist die Steigerung der Anzahl der Transferpassagiere sowie der Stornierungsrate der Flüge und der durchschnittlichen Flugauslastung19. Gesamtzahl der Flüge und gesamte Abflugsverspätung in den USA
5,4
5,4
5,5
5,7
6,0
Gesamtzahl der Flüge und gesamte Abflugsverspätung in Europa
6,5 5,3
7,7
8,1
47,3
99,8
50,2
46,8
1998
1999
2000
2001
8,2
2002
8,5
97,2
80,7
28,8
1997
8,4
119,2 116,0
62,0 43,8
8,5
133,7
7,3
76,4
33,5
2003
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Gesamtzahl der Flüge, [Mio. Flüge] Gesamte Abflugsverspätung [Mio. Minuten]
Abbildung 4.6: Gesamtzahl der Abflugsverspätungsminunten sowie Gesamtzahl der Flüge in Europa und den S UA (Quelle: Eurocontrol CODA Berichte 1997-2003, Eurocontrol CFMUJahresbericht 2003, AEA Yearbook 2003, Bureau of Transportation Statistics)
4.2.3 Alternative Reaktionsmöglichkeiten der Fluggesellschaften auf Flugverspätungen Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, weist ein relativ hoher Anteil der Flüge eine Verspätung auf. Zur Reduzierung der negativen Folgen von Flugverspätungen20 ergreifen die Fluggesellschaften verschiedenartige Maßnahmen. In Anhängigkeit von der zeitlicher Ausrichtung unterscheidet man dabei taktische und strategische Reaktionsmaßnahmen. 4.2.3.1 Taktische Reaktionsmaßnahmen auf die Flugverspätungen Nach dem Auftreten einer Flugverspätung versuchen die Airlines mit Hilfe von kurzfristigen Maßnahmen, den Flugbetrieb schnellstmöglich wieder in den planmäßigen Zustand zu überführen. Dazu sind bei den Fluggesellschaften spezielle Organisationseinheiten, so genannte "Airline Operations Control
19 20
Vgl. BARNHART, C. / BRATU, S. (2001), S. 22 Siehe Abschnitt 4.2.4
88
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Center" (AOCC),21 eingerichtet, die in enger Kooperation mit Stationskontrollund Flugzeugwartungszentren und mit Hilfe von quantitativen Operations Research Tools schnelle taktische Aktionen zur Wiederherstellung des planmäßigen Betriebs und zur Beseitigung von Verspätungsfolgen entwickeln sowie ihre Durchführung überwachen. Je nach Länge der eigentlichen Flugverspätung und in Abhängigkeit von bestehenden operationellen Restriktionen haben die Airlines folgende taktische Optionen für eine Reaktion auf die Verspätungen22: a. Verspätung der Anschlussflüge. Weist ein Flug eine relativ geringe Verspätung auf und befinden sich auf diesem Flug viele Transferpassagiere, so kann es sinnvoll sein, die mit diesem Flug in Verbindung stehenden Anschlussflüge absichtlich verspätet starten zu lassen. Dies ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn für die verspäteten Startereignisse freie Slots zur Verfügung stehen. Ist dies nicht der Fall, kann alternativ, wie in Abbildung 4.7 dargestellt, ein Tausch der Abflugszeiten verschiedener Flüge vorgenommen werden. Verspätung des Anschussfluges
Tausch der Abflugszeiten
MUC Ab s Ve ichtli rsp che ätu ng
MUC
MCT
MCT
FRA
Ve r
Ve r
MCT
sp
ät un g
MCT
sp
ät un g
FRA
NYC
PRG
NYC
Abbildung 4.7: Taktische Option Nr. 1 –Verspätung der Anschlussflüge
b. Änderung der Flugzeugrotationen. Liegt eine Verspätung vor und befindet sich am Zielflughafen des verspäteten Fluges ein anderes typ-gleiches oder -ähnliches Flugzeug, das zeitlich nah an der nächsten planmäßigen Abflugszeit des verspäteten Fluges starten soll, kann eine Fluggesellschaft als 21 22
Vgl. CLARKE, M.D.D. (1997a), S. 4 ff. Vgl. MORIN, M. (2001), S. 22-23; EVANS A.D / CLARKE J-P (2002), S. 57ff.
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
89
Reaktion auf die entstandene Verspätung die Flugsegmentzuordnung in den Rotationen beider Flugzeuge umtauschen. Dadurch wird die Verspätung entweder vollständig eliminiert oder zumindest teilweise reduziert. Abbildung 4.8 verbildlicht diese Option.
FRA
FRA Verspätung
MUC
MUC
PAR
PAR
Tageszeit
Tageszeit
Planmäßiger Flug Verspäteter Flug Rotation für das Flugzeug Nr. 1 Rotation für das Flugzeug Nr. 2
Abbildung 4.8: Taktische Option Nr. 2 –Rotationstausch zur Reduzierung der Flugverspätung
c. Einsatz eines Ersatzflugzeuges. Ist die Verspätung so groß, dass der planmäßige Betrieb nicht mit den für die operative Ausführung des Flugplans eingeplanten Flugzeugen weitergeführt werden kann, können die Airlines den Einsatz eines Ersatzflugzeuges als alternative Option zur Beseitigung der Verspätungsfolgen in Erwägung ziehen. Das Ersatzflugzeug wird an den Zielort des verspäteten Flugzeuges gebracht und führt den Flug aus, den das verspätete Flugzeug ausführen sollte. Diese Option ist allerdings mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden23. d. Stornierung eines Fluges. Beim Vorliegen einer großen Verspätung kann es auch sinnvoll sein, die Flüge mit relativ niedriger Priorität24 zu stornieren, um die Verspätung der anderen Flüge zu vermeiden oder zu vermindern. Die Reduzierung der Verspätung der aus Netzwerk- und
23 24
Siehe Abschnitt 4.2.4.1 z.B. Flüge zwischen den Außenstationen eines Netzwerkes oder Flüge mit niedrigem Sitzladefaktor
90
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Unternehmenssicht wichtigeren Verbindungen25 erfolgt dann durch die Allokation der Ressourcen26 der annullierten Flüge. e. Umleitung eines Fluges. Droht eine temporäre Schließung des vorgesehenen Zielflughafens eine starke Flugverspätung zu verursachen, können die Airlines mit einer Flugumleitung über einen anderen Flughafen auf solch ein irreguläres Ereignis reagieren. 4.2.3.2 Strategische Reaktionsmaßnahmen auf die Flugverspätungen Außer durch Ergreifen taktischer Aktionen mit kurzfristiger Wirkung versuchen die Fluggesellschaften, das Ausmaß der Flugverspätungen und die daraus resultierenden negativen Konsequenzen zu minimieren, indem sie ihre Erfahrungen mit dem irregulären Flugbetrieb in die strategische Planung einfließen lassen. Folgende strategische Maßnahmen kommen dafür in Betracht27: a. Reduktion der Flugzahl von und zu einem Flughafen. Resultieren die Flugverspätungen aus der ineffizienten Leistung oder aus Kapazitätsproblemen eines Flughafens sowie aus den in der Nähe eines Flughafens vorherrschenden ungünstigen Witterungsbedingungen, kann die Reduktion der Anzahl der Flüge von und zu diesem Flughafen die Zahl von Flugverspätungen verringern. Die annullierten Flüge können alternativ entweder von einem anderen Flughafen aus angeboten oder durch Transferverbindungen ersetzt werden. b. Flottenharmonisierung. Besteht das Netzwerk einer Fluggesellschaft aus einer Vielzahl häufig bedienter Flugstrecken mit ähnlicher Distanz, ermöglicht das Vorhandensein einer homogenen Flugzeugflotte einen unkomplizierten kurzfristigen Rotationstausch als taktische Reaktionsmaßnahme auf die Flugverspätungen. Eine stärkere Flottenharmonisierung ist somit eine strategische Entscheidung mit langfristigen Wirkungseffekten, die kurzfristige Reaktionen auf die Flugverspätungen unterstützt. c. Verbesserung der Arbeitseffizienz der Bodendienste. Der strategische Fokus einer Airline-Unternehmung kann auf die Reduktion der verspätungsbedingten Kosten durch Effizienzsteigerung der Bodendienste gerichtet sein. Die Arbeitseffizienz der Bodendienste kann z.B. durch schnellere und schlan25 z.B. internationale oder interkontinentale Flüge, Flüge zum Hub-Flughafen oder Flüge mit hoher Passagierzahl 26 z.B. das Flugzeug und die Crew 27 Vgl. EVANS A.D. / CLARKE J.-P. (2002), S. 64ff.
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
91
kere Prozesse sowie mit Hilfe moderner IT-Systeme verbessert werden. d. Planungs- und Strukturanpassungen. Antizipieren die Fluggesellschaften das Auftreten von Irregularitäten im Flugbetrieb in den nächsten Flugplanperioden, versuchen sie, deren negative Auswirkungen durch Anpassung der Ressourcenplanung sowie der Ressourcenstruktur zu reduzieren. Zu solchen Planungsanpassungen gehört z.B. eine absichtliche Ausdehnung der Planflugzeiten sowie der Verbindungs- bzw. Wartezeiten zwischen zwei Flügen einer angebotenen Transferverbindung. Verbunden mit der Anpassung der Flug- und Wartezeiten sind Erhöhungen der geplanten und für die Ausführung eines Flugplanes notwendigen Anzahl der Flugzeuge und Crews. Eine andere Art der strategischen Planungs- und Strukturanpassung, die aus den aktuellen Kapazitäts- und Verspätungsproblemen im Luftverkehr resultiert, ist eine besondere Flugplanungstechnik, die als "De-Peaking" bezeichnet wird. Mit dieser Technik versucht man, durch die Glättung der Wellenprofile eines Hub-Flughafens eine gleichmäßige Ressourcenverteilung zu erzielen und somit einen kostengünstigeren Betrieb zu ermöglichen. American Airlines, DFW, Sommer 2002
American Airlines, DFW, Sommer 2003
Herausgehende Flüge
Herausgehende Flüge
Tageszeit
Ankommende Flüge
Tageszeit
Ankommende Flüge
Abbildung 4.9: Hub-Struktur von American Airlines in Dallas/Fort Worth vor und nach dem De-Peaking (Quelle: OAG Weltflugpläne, eigene Berechungen)
Wie im Abschnitt 2.4.3 dargestellt, werden in einem Hub die meisten Airlineund Airport-Ressourcen28 innerhalb kurzer Zeitabstände konzentriert, was zur Steigerung der operativen Kosten während dieser Zeiten sowie zu einer er28
z.B. Flugzeuge, Crews, Gates, Bodenpersonal, Check-In-Service
92
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
höhten Störanfälligkeit des Flugplans führt. Um das Auftreten solcher Effekte zu vermeiden, wird im Rahmen des De-Peakings die Wellenstruktur eines Hubs vollständig oder teilweise aufgegeben29. Anstatt der Bildung eines klar definierten Wellenmusters verwischt man die Wellen und verteilt die Flüge relativ gleichmäßig über den Tag. Abbildung 4.9 demonstriert die Unterschiede in der Hub-Struktur vor und nach dem De-Peaking. Die Hub-Umstrukturierung muss nicht notwendigerweise mit der Reduktion der Anzahl der qualitativen Transferverbindungen einhergehen, die eine Airline aufbauen und verkaufen kann30. Im Gegenteil: Wird bei der Neuverteilung der Zeitenlagen der Flüge auf die Direktionalität und die Verbindungszeit geachtet, kann die Anzahl der Transferverbindungen beibehalten oder sogar gesteigert werden. American Airlines hat als erste Fluggesellschaft im Jahr 2002 die DePeaking-Strategie an ihren beiden Hub-Flughäfen Chicago (ORD) und Dallas/Fort Worth (DFW) implementiert. Danach haben auch andere amerikanische und europäische Fluggesellschaften ihre Flugpläne entsprechend dieser Strategie umgestaltet. So reduzierte die Lufthansa im Sommer 2004 gegenüber dem Sommer 2003 die Höhe der Inbound- und Outbound-Wellen in Frankfurt um ungefähr 5% bzw. 10%. Als Ergebnis sanken die Passagier-, Personal- und Flugzeugkosten. Die Pünktlichkeit stieg um ca. 5%. Die Verspätungskosten konnten signifikant reduziert werden31. 4.2.4 Auswirkungen der Flugverspätungen aus Sicht der unterschiedlichen Beteiligten Nachdem die Ursachen für die Entstehung und die Propagation von Verspätungen erläutert sowie Reaktionsmöglichkeiten der Fluggesellschaften dargestellt wurden, sollen nun die Folgen für die Fluggesellschaften und die Passagiere betrachtet werden. 4.2.4.1 Auswirkungen der Flugverspätungen auf die Fluggesellschaften Die durch die irregulären Ereignisse hervorgerufenen Flugverspätungen, die sich kumulativ über das gesamte Netzwerk propagieren, führen nicht nur zu einer direkten Steigerung der operativen Kosten der Airlines, sondern verursachen signifikante Opportunitätskosten. Neben den negativen kostenseiti29
Vgl. ZHANG, Y. / MENENDEZ, M. / HANSEN, M. (2003), S. 3 Vgl. KLINGENBERG, C. (2004), S. 10-11 31 Vgl. KLINGENBERG, C. (2004), S. 10-11; S. 13, LUFTHANSEAT (2003) 30
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
93
gen Effekten besteht die Gefahr von einerseits Umsatzminderungen auf Grund der intra- und intermodalen Kundenabwanderung32 sowie andererseits der Reduktion der Durchschnittserträge. Im Folgenden soll überlegt werden, wie sich die Verspätungskosten zusammensetzen, die bei den Fluggesellschaften anfallen, und welchen möglichen Verlauf die Verspätungskostenfunktion aufweist. Es erscheint logisch, dass die im Airline-Netzwerk entstandenen Verspätungskosten einer nicht linearen Funktion in Abhängigkeit von der eigentlichen Verspätungsdauer folgen. So verursacht z.B. eine fünfzigminütige Flugverspätung wesentlich mehr Kosten als fünfzig einminütige Verspätungen. Dies resultiert daraus, dass bei der fünfzigminütigen Verspätung deutlich mehr planmäßige Bodendienste gestört sowie mehr Crew- und Passagierrouten auseinander gerissen werden. Es ist allerdings auch denkbar, dass die Verspätungskosten nach einer bestimmten Verspätungsdauer wieder abnehmen. Es ergibt sich aus der Reaktion der Fluggesellschaften, die diverse Reaktionsmaßnahmen ergreifen, um die Verspätungsfolgen zu minimieren. Abbildung 4.10 illustriert den möglichen Verlauf der Verspätungskostenfunktion. Kosten pro Verspätungsminute
Verspätung, [Min.] 10
20
30
40
50
60
70
80
90 100 110
Abbildung 4.10: Möglicher Verlauf der Verspätungskostenfunktion
Nimmt man zusätzlich an, dass die Fluggesellschaften einige Flüge absichtlich verspäten, damit diese an einem Hub-Flughafen nicht ungünstig mitten in einer Abflugswelle ankommen, führt dies dazu, dass die Verspätungskostenfunktion nicht nur nicht linear, sondern auch nicht monoton verläuft33. 32 33
Vgl. KNORREN NICHOLS, W. / KUNZ, M. (1999), S. 62-64 Vgl. GILLEN, D. / HANSEN, M.M. / DJAFARIAN-TEHRANI, R. (2001), S. 2
94
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Die Verspätungskosten sind kombinatorischer Natur. Denn, wie bereits an mehreren Stellen dargestellt, hängt das Ausmaß des verspäteten Flugbetriebs für das Gesamtnetzwerk einer Airline nicht nur von der Verspätungsdauer einzelner Flüge, sondern auch von den Interdependenzen zwischen den Verspätungen mehrerer Flüge ab. Dies macht sich insbesondere in den Hub-and-Spoke-Netzwerken bemerkbar, in denen die Flüge in Wellen gebündelt und zu Transferverbindungen zusammengeführt werden. Erfahren alle Flüge einer Ankunftswelle die gleiche Verspätung, ist der sich ergebende negative Effekt wegen der gleich gebliebenen wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Flügen vermutlich kleiner, als wenn die Verspätungsdauer dieser Flüge unterschiedlich ausfallen würde. Die Verspätungen können durch das antizipative Verhalten der Fluggesellschaften und die damit verbundenen Flugplananpassungen zu erheblichen Opportunitätskosten führen. Denn um einen Flugplan robuster und resistenter gegen die Verspätungen zu gestalten, implementieren die Airlines oft eine Reihe von Maßnahmen, die sich direkt oder indirekt auf die operative Kostenbasis auswirken. Solche Maßnahmen sind z.B. bewusste Verlängerung der geplanten Flugzeiten bzw. Einfügung von Zeitpuffern, Einplanung und Haltung von zusätzlichen Flugzeugen, Crews und Bodenpersonal. Diese Maßnahmen reduzieren zwar die Kosten im Fall des Eintretens einer Flugverspätung, sie erhöhen die laufenden operativen Kosten jedoch signifikant. Die Verspätungen instrumentalisieren sich somit nachhaltig in der gesamten Kostenstruktur einer Fluggesellschaft und wirken sich auch beim planmäßigen Flugbetrieb negativ auf die Ertragssituation aus. Basierend auf den obigen Überlegungen und unter Berücksichtigung aller möglichen Verspätungsfolgen für die Airlines und die Passagiere lassen sich mehrere Kategorien von Verspätungskosten für Fluggesellschaften herleiten und zusammenfassen 34 . Folgende potenzielle Kostenarten entstehen oder erhöhen sich als Folge von Flugverspätungen. Abbildung 4.11 detailliert die einzelnen Kostenarten. a. Operative Flugzeugkosten entstehen beim Durchführen eines Fluges mit einem Flugzeug. Bei einer Flugverspätung erhöhen sich diese Kosten z.B. wegen des erhöhten Treibstoffverbrauchs35, der zu zahlenden Parkgebühren 34
Vgl. ITA (2000), S. 8; MORIN, M (2001), S. 106 1999 hat Lufthansa ca. 100.000 Tonnen Kerosin durch das Warten in Warteschlangen sowie durch höhere Fluggeschwindigkeiten verbraucht, die notwendig waren, um Verspätungen zu reduzieren. Dies verursachte zusätzliche Kosten von ca. einer Million D-Mark pro Tag 35
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
95
sowie wegen des durch den Mehreinsatz des Fluggeräts verursachten zusätzlichen Reparaturaufwandes. Die Erhöhung der operativen Flugzeugkosten resultiert unter anderem auch aus einer nach einer Flugverspätung oft notwendigen Re-Positionierung des Flugzeuges an einen anderen Flughafen. Solche Re-Positionierungen, auch "Ferry"-Flüge genannt, führen zu einem starken Kostenanstieg, da dieser Flug ohne Passagiere ausgeführt wird und somit keine Einnahmen generiert. Langfristige Opportunitätskosten • Imageverlust
Operative Flugzeugkosten
• Marktanteilsverlust an andere Airlines und Transportmodi
• Treibstoff
• Reduzierung der Durchschnittserträge
Passagierbezogene Kosten • Ausgaben für Essen und Getränke
• Parkgebühren
• Hotel und Hoteltransfers
• Verkehrssteuerung
• Re-Routing der Passagiere
• Wartung
Operative Personalkosten
Arten von Verspätungskosten
• Zusätzliche Crews • Geplante Crews • Bodenpersonal • Zahlungen für Hotels, Transfer und Tagegeld
Strukturkosten • Zusätzliche Flugzeuge • Geplante Flugzeuge • Ausrüstung der Bodendienste
• Umsatzverlust • Entschädigungszahlungen
Opportunitätskosten der Netzwerkqualität • Reduktion der Anzahl der Transferverbindungen • Minderung der Attraktivität der Transferverbindungen • Reduktion der Netzwerkeffizienz
Abbildung 4.11: Arten der bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten
b. Operative Personalkosten. Operative Personalkosten erhöhen sich verspätungsbedingt wegen der Notwendigkeit, die zusätzliche Arbeitsleistung des Crew- und Bodenpersonals zu bezahlen. Die Entlohnung der Cockpitund Kabinencrews besteht bei den meisten Airlines aus einem fixen und einem variablen Teil. Letzterer wird in Abhängigkeit von den geleisteten Arbeitsstunden kalkuliert. Bei den durch eine Flugverspätung verursachten längeren Flugzeiten werden somit höhere Lohnzahlungen fällig. Neben den variablen Löhnen können die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen CrewEinsatzregeln36 zu einer sprunghaften Kostenerhöhung führen. Nach diesen 36
Vgl. Yu, G. (1996), S. 4; ANBIL, R. / TANGA, R. / JOHNSON, E.L. (1992)
96
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Regeln darf das Flugzeugpersonal nur eine bestimmte Stundenzahl pro Tag produktiv eingesetzt werden. Die Regeln definieren auch eine Mindestzeit, die zwischen zwei Einsätzen verstreichen muss, damit die Crews wieder in einem Flugzeug arbeiten dürfen. Führt also eine Flugverspätung dazu, dass die maximal vorgeschriebene Crew-Einsatzzeit überschritten wird, muss eine neue Crew verfügbar sein, um den Flugbetrieb fortzusetzen, für die selbstverständlich auch Lohnzahlungen zu leisten sind. Da die neuen Crews sich nicht immer an jedem Flughafen befinden können, werden sie oft an ihren Einsatzort geflogen, was ebenso zu Mehrkosten führt. Das ausgewechselte Flugzeugpersonal wird entweder mit einer anderen Maschine zu seiner Basis zurück- oder in der jeweiligen Stadt zeitweilig untergebracht, was zu zusätzlichen Aufwendungen wegen der zu zahlenden Aufenthaltskosten, Verpflegung, Tagesgelder und Löhne führt. c. Strukturkosten. Die Strukturkosten resultieren aus der Verankerung der Effekte des irregulären Flugbetriebes in der Planung. Wie bereits erwähnt, halten die Airlines in Antizipation der Abweichungen vom planmäßigen Betrieb Reserveflugzeuge vor, die meistens nicht produktiv eingesetzt werden, sondern den Flugbetrieb nur beim Auftreten der Irregularitäten aufrechterhalten, mit dem Ziel, weitere negative Folgen zu vermeiden. Eine weitere Ursache für die Entstehung der Strukturkosten ist die Einplanung und somit auch die Haltung einer größeren Zahl von Flugzeugen als tatsächlich für die Ausführung eines regulären Flugplans notwendig. Das kommt daher, dass die Fluggesellschaften die Flugzeugrotationen absichtlich ausgehend von längeren Flugzeiten planen37, wodurch sich eine höhere Anzahl erforderlicher Fluggeräte ergibt. Alternativ zu den Flugzeugen wird zusätzliches Crew- und Bodenpersonal unterhalten. d. Passagierbezogene Kosten. Diese Kosten entstehen durch die Entschädigung der Passagiere beim Vorliegen einer Verspätung. So müssen Passagieren, die ihren Anschlussflug wegen einer Flugverspätung verpasst haben und auf den nächsten Flug am gleichen Tag warten, Verpflegung und Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden. Sollte es für die Fluggesellschaft nicht möglich sein, die stehen gebliebenen Passagiere innerhalb des gleichen Tages zu ihren Enddestinationen zu befördern, werden Übernachtungs- und Transferkosten fällig. Beim Umleiten der Passagiere, die die Anschlussverbindung auf ihrem Reiseweg verspätungsbedingt verpasst haben, mit anderen Flügen – dem so genannten Re-Routing – entstehen ebenfalls erhebliche 37
Vgl. LÜKING, J. (1993), S. 247
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
97
Kosten. Werden die Passagiere mit Flügen der eigenen Fluggesellschaft weiterbefördert, verursacht dies bei einer hohen Nachfrage auf dem entsprechenden Flugsegment signifikante Opportunitätskosten. Sie resultieren zum einen daraus, dass die Sitzplätze auf dem originären Anschlussflug, nachdem die Passagiere an einem Flughafen stehen geblieben sind, leer bleiben und nicht verkauft werden. Und zum anderen können sich Opportunitätskosten dadurch ergeben, dass diese Passagiere auf Flüge umgeleitet werden, auf denen wegen der hohen Nachfrage die so blockierten Sitze hätten verkauft werden können. Gibt es keinen Flug der eigenen Fluggesellschaft, mit dem die Passagiere zu ihren Zielflughäfen befördert werden können, muss das Re-Routing mit den Flügen der Partner- oder Konkurrenz-Airlines erfolgen, was ebenfalls zu erheblichen Kosten führen kann. Um die sich durch die Verspätung ergebenden Unannehmlichkeiten zumindest teilweise auszugleichen, ist es üblich, dass die Fluggesellschaften Kompensations- bzw. Entschädigungszahlungen an die Passagiere leisten oder den Flugpreis mindern. Der Betrag solcher Zahlungen oder Preisnachlässe hängt meistens von der Verspätungsdauer, der Gesamtflugzeit oder -distanz sowie dem Kundensegment 38 ab. Bis vor kurzem stellten derartige Entschädigungen freiwillige Leistungen der Fluggesellschaften dar und konnten somit nicht eingefordert werden. Nach den neuen Regelungen des EU-Ministerrates, die im Februar 2005 in Kraft traten39, sind die Airlines jedoch verpflichtet, bei einer Verspätung sowie einer Nichtbeförderung oder Flugannullierung Ausgleichs- und Betreuungsleistungen an die Fluggäste zu tätigen: Ist ein Flug bis 1.500 km um zwei Stunden, ein innengemeinschaftlicher Flug über 1.500 km oder ein anderer Flug zwischen 1.500 und 3.500 km um drei Stunden und alle anderen Flüge um vier Stunden verspätet, so haben die Passagiere ein Anrecht auf Mahlzeiten, Erfrischungen und Telefonate sowie auf Hotelübernachtung und Transfer zum und vom Hotel. Bei einer Verspätung von mehr als fünf Stunden ist eine vollständige Erstattung des Flugpreises oder der Rückflug zum Abflugsort zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgeschrieben. Die nicht beförderten Flugpassagiere können sich auf einen anderen Flug umbuchen oder sich ihr Ticket ebenfalls vollständig erstatten lassen. Hinzu kommt der Anspruch auf eine Mahlzeit und ggf. eine Übernachtung im Hotel. Der Anspruch auf die Entschädigung besteht jetzt auch dann, wenn schlechtes Wetter oder Terrorgefahr der Grund für die Verspätung sind. Insgesamt können 38
Geschäfts- oder Privatreisende. Es ist auch möglich, dass die Fluggesellschaften bei der Leistung der Entschädigungszahlungen zwischen den Buchungsklassen der Passagiere unterscheiden.
39
Vgl. Verordnung 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen
98
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
die Kompensationen oder die direkten Zahlungen an die Passagiere somit erhebliche Kosten für die Fluggesellschaften verursachen. e. Langfristige Opportunitätskosten. Außer den direkt greifbaren Kosten entsteht als Konsequenz von Flugverspätungen eine Reihe von indirekten und nicht eindeutig quantifizierbaren, jedoch aber in ihrem Ausmaß für die Fluggesellschaften hoch signifikanten und daher nicht zu vernachlässigenden Opportunitätskosten. Auslöser für die Entstehung und Entwicklung solcher langfristigen Kosteneffekte ist der mit der Zunahme der Flugverspätungen einhergehende Imageverlust. Die Zuverlässigkeit bezüglich der angebotenen Leistungen ist eine der grundsätzlichen Anforderungen der Fluggäste an die Luftbeförderung. In den durch eine weitgehende Homogenität der angebotenen Luftverkehrsprodukte gekennzeichneten modernen Luftverkehrsmärkten bedeutet ein Zuverlässigkeitsverlust einen massiven Wettbewerbsnachteil 40 und führt bei den betroffenen Airlines zu Kundenabwanderungen und Umsatzeinbußen. Somit entstehen bei den Fluggesellschaften als Folge von Flugverspätungen und den damit verbundenen Imageschäden langfristige Opportunitätskosten wegen der Kundenabwanderung zu anderen Airlines und anderen Verkehrsmodi41. Diesen Sachverhalt belegt die Untersuchung der Passagierentwicklung der europäischen Fluggesellschaften: Sie zeigt, dass das Passagieraufkommen auf verspätungsanfälligen Flügen signifikant langsamer ansteigt als auf überwiegend pünktlichen Flügen42. Außer der Einwirkung auf die Passagiernachfrage haben die Verspätungen einen Einfluss auf die Durchschnittserträge. Ein zuverlässiger Flugverkehr bedeutet einen guten Service für die Kunden und kann moderate Preiserhöhungen rechtfertigen43. f. Opportunitätskosten der Netzwerkqualität. Hierzu zählen die indirekten Kosten, die auf Grund der Qualitätsreduktion der Airline-Netzwerke durch Flugverspätungen entstehen 44 . Solche Qualitätsminderungen ergeben sich durch die von den Airlines in Erwartung möglicher Verspätungen absichtlich verlängerten Planwartezeiten zwischen zwei Flügen einer Transferverbindung. Jede Erhöhung dieser Zwischenzeit über die für einen Flughafen festgelegte Minimum Connecting Time (MCT) hinaus verschlechtert die Attraktivität der
40
Vgl. MCKENNA, J. T. (1999), S. 72 z.B. zu Bahn oder Auto 42 Vgl. LÜKING, J. (1993), S. 309-311 43 Vgl. MORIN, M. (2001), S. 106; JANUSZEWSKI, S. (2004), S. 33 44 In der ITA - Studie werden zu dieser Kostenposition noch die Kosten der Flugstornierungen sowie die Kosten der verpassten Transferverbindungen dazugerechnet 41
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
99
angebotenen Verbindungen für die Transferpassagiere45 und führt somit zu Umsatzverlusten. Darüber hinaus reduziert eine solche Ausdehnung der Aufenthaltszeiten an einem Zwischenflughafen die Anzahl der wettbewerbsfähigen Transferverbindungen 46 , die eine Airline über einen Hub aufbauen und ihren potenziellen Kunden verkaufen kann. Dies mindert ebenfalls die Netzwerkqualität und somit auch die erwarteten Passagierumsätze. Abbildung 4.12 fasst die Anteile der einzelnen oben dargestellten Verspätungskostenarten zusammen, die in der von der europäischen Flugverkehrssteuerungszentrale Eurocontrol in Auftrag gegebenen Studie des ITA-Instituts kalkuliert wurden.
8,8%
5,2%
4,1%
99,8%
Operative Flugzeugkosten
Gesamt
12,9% 28,7%
40,1%
Operative Personalkosten
Opportunitätskosten der Netzwerkqualität
Strukturkosten
Langfristige Opportunitätskosten
Passagierbezogene Kosten
Abbildung 4.12: Anteile der einzelnen Arten von Verspätungskosten an den gesamten bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten (Quelle: ITA-Studie (2000))
Demnach machen die operativen Personalkosten sowie die Opportunitätskosten der Netzwerkqualität ca. 70% der gesamten Verspätungskosten aus. Die passagierbezogenen Aufwendungen zusammen mit den weitgehend aus dem Passagierverhalten resultierenden langfristigen Opportunitätskosten repräsentieren ca. 14% der gesamten bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten. Eine andere Kostenverteilung folgt aus der Untersuchung der Verspätungs45 46
z.B. durch schlechtere Positionierung dieser Verbindungen in Computerreservierungssystemen Siehe Abschnitt 2.4.4
100
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
folgen, die auf den Daten von Austrian Airlines basiert47. Hiernach tragen die direkten passagierbezogenen Kosten sowie die langfristigen Opportunitätskosten jeweils ca. 20-25% zu den Gesamtverspätungskosten bei. Den größten Kostenblock mit ca. 50% stellen hier die Opportunitätskosten der Netzwerkqualität dar. Auch bezüglich des Anteils der Kosten, die auf Grund der unabhängigen und der induzierten Verspätungen entstehen, weisen die beiden Studien deutlich divergierende Ergebnisse auf. Der Kostenanteil der induzierten Verspätungen liegt nach der ITA-Untersuchung bei ca. 22%, ist jedoch laut AustrianAirlines-Studie mit etwa 54% mehr als doppelt so hoch. Auch in anderen Veröffentlichungen, die die Höhe der Verspätungskosten für die gesamte Airline-Industrie evaluieren, finden sich zum Teil stark differierende Ergebnisse. Die Tabellen 4.1 und 4.2 fassen die Verspätungskosten für die US-amerikanische und die europäische Luftverkehrsindustrie zusammen, wie sie den aktuellsten Untersuchungen zu entnehmen sind.
US-amerikanischer Markt Autor
Bezugsjahr
Jährliche Kosten für
Kommentar
die Industrie Maximal mögliche Einsparung der
GILLEN, D. / HANSEN, M.M. / DJAFARIANTEHRANI R. (2001)
1999
1 - 3,6 Mrd. USD
Airlines bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit des amerikanischen Luftverkehrssteuerungssystems. Kosten für zehn US-Airlines, keine Berücksichtigung der Opportunitätskosten Maximal mögliche Einsparung der
CITRENBAUM, D. / JULIANO, R. (1999)
19961998
1,2 Mrd. USD
Airlines bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit des amerikanischen Luftverkehrssteuerungssystems; nur operative Kosten, keine Berücksichtigung der Opportunitätsund Strukturkosten, keine Berücksichtigung der Abflugsverspätung
47
Vgl. KNORREN NICHOLS, W. / RICHTER G. (1999), S. 327
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
FEDERAL AVIATION ADMINISTRATION (FAA) (1995)
19871994
GEISINGER, K. (1998)
1997
ODONI, A. (1995)
CLARKE, J.-P.
1993
19951999
101
2,5 Mrd. USD
Nur operative Kosten, basierend auf der Ankunftsverspätung
2,5 Mrd.
Hochrechnung des geschätzten
USD
2 - 4 Mrd. USD
4 Mrd. USD
Wertes von 1986 (1,8 Mrd. USD) Verspätungskosten, die auf Aktionen der Verkehrssteuerung zurückzuführen sind, sowie Kosten der nicht optimalen Flugbahnen und der Flugstornierungen Verspätungskosten wegen irregulären Flugbetriebs und der damit verbundenen passagierbezogenen Kosten Direkte Kosten wegen des irregulä-
SHAVELL, Z.A. (2000)
1998
1,8 Mrd. USD
ren Flugbetriebs, in Folge dessen die Flüge nur storniert oder umgeleitet werden können. Für zehn Airlines. Jeweils 0,9 Mrd. USD entstehen wegen Flugstornierungen und Flugumleitungen Verspätungskosten definiert als o-
US AIRLINE TRANSPORT ASSOCIATION (ATA)
KOSTIUIK, P. (2001)
1999
3 Mrd. USD
perative Flugzeugkosten (2,2 Mrd. USD) und Kosten der Bodendienste (ca. 0,8 Mrd. USD)
2005
2,5-6 Mrd. USD
Nur Verspätungskosten auf Grund zu geringer Flughafenkapazität; Schätzung ohne Berücksichtigung der Opportunitäts- und Strukturkosten
Tabelle 4.1: Verspätungskosten für die gesamte S U-amerikanische Airline-Industrie
102
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Europäischer Markt Autor
Bezugsjahr
Jährliche Kosten für die Industrie
Kommentar Jährliche Verspätungskosten für
BOOZ-ALLEN & HAMILTON (2001)
20002001
0,1 -0,4 Mrd. EUR
eine europäische Top-10-Airline. Keine Berücksichtigung der Opportunitätskosten. Eine einprozentige Verbesserung der Pünktlichkeitsrate bringt 4-16 Mio. EUR Kosteneinsparungen
INSTITUT DU TRANSPORT AÉRIEN (ITA) (2000)
1999
IATA AIRLINE ECONOMICS TASK FORCE
1997
1,6 - 2,3 Mrd. EUR
21,2 USD pro Minute
Alle oben aufgeführten Verspätungskostenpositionen; langfristige Opportunitätskosten sind hier möglicherweise unterschätzt. Berücksichtigung nur der durch das Luftverkehrsmanagement ausgelösten Verspätungen; direkte operative Kosten der europäischen IATA-Mitglieder
Tabelle 4.2: Verspätungskosten für die gesamte europäische Airline-Industrie
Die Verspätungskosten variieren für die amerikanische Industrie je nach gewählter Untersuchungszielsetzung und den daraus resultierenden Kostendefinitionen zwischen einer und sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die wenigen für den europäischen Markt durchgeführten Bewertungsstudien präsentieren ebenfalls ein zum Teil unterschiedliches Ausmaß an Verspätungskosten. Die Analyse von Booz-Allen & Hamilton zeigt, dass bei einer europäischen Top-10-Airline jährlich Verspätungskosten in Höhe von ca. 0,1 bis 0,4 Milliarden Euro anfallen. Die bereits genannte ITA-Studie kommt dagegen auf ein Verspätungskostenintervall für die gesamte europäische Airline-Industrie von 1,6 bis 2,3 Milliarden Euro pro Jahr. Werden hier noch zusätzlich die Kosten berücksichtigt, die sich aus der Antizipation und der entsprechenden Anpassung der Flugpläne gegenüber dem Optimum ergeben, erhöhen sich die Beträge auf drei bis fünf Milliarden Euro. Trotz unterschiedlicher Schätzwerte für die Höhe der gesamten Verspätungs-
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
103
kosten lässt sich behaupten, dass diese sich primär aus dem irregulären Flugbetrieb und der ineffizienten Flugplanung ergebenden Kosten einen signifikanten negativen Einfluss auf die Ertragslage der Fluggesellschaften ausüben. Vergleicht man die geschätzten Werte der monetarisierten Konsequenzen der Flugverspätungen mit dem gesamten operativen Ergebnis der weltweiten Airline-Industrie, das in Abbildung 4.13 dargestellt ist, wird deutlich, dass die Verspätungskosten oft einen erheblichen Teil der gesamten operativen Gewinne verschlingen oder eine Fluggesellschaft sogar in die Verlustzone ziehen können. Operatives Ergebnis der weltweiten Airline-Industrie [Mrd. USD] 18,0 15,0 12,0 9,0 6,0 3,0 0,0 -3,0
'90
'91
'92
'93
'94
'95
'96
'97
'98
'99
'00
'01
'02
-6,0 -9,0 -12,0
Abbildung 4.13: Operatives Ergebnis der weltweiten Airline-Industrie, 1990-2002, M [ rd. S UD](Quelle: International Civil Aviation Organization (ICAO))
Die Verbesserungen der Flugplanstabilität und die daraus resultierende Reduzierung der Verspätungskosten wirken sich somit direkt auf die Gewinnsituation der Airlines aus und sichern ihre Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Es ist also enorm wichtig, die während des Flugbetriebs auftretenden Irregularitäten explizit in der Flugplanung zu berücksichtigen, um die sich daraus ergebenden hohen Verspätungskosten in ihren unterschiedlichen Formen48 noch in der Planungsphase des Airline-Betriebs zu minimieren. Die von den Airlines eingesetzten deterministischen Flugplanoptimierungsmodelle, die im Kapitel 3 präsentiert wurden, können die im vorliegenden Kapitel dargestellten Abweichungen vom regulären Flugbetrieb und die daraus resultierenden Kosten nicht abbilden, da sie von der Stabilität und der konstanten Planmäßigkeit der Flugplanaktivitäten ausgehen. Das in dieser Arbeit entwickelte Optimierungsmodell dagegen liefert ein Werkzeug zur Erstellung von Flugplänen, 48
Siehe Abschnitt 4.2.4
104
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
die den Fluggesellschaften den maximalen operativen Gewinn ermöglichen, indem sie die Unsicherheit der Flugereignisse und die mit dieser Unsicherheit verbundenen Verspätungskosten berücksichtigen. Das Modell evaluiert außer den in den traditionellen Flugplanoptimierungsroutinen kalkulierten Passagierumsätzen zusätzlich noch die Höhe verschiedener Arten von Verspätungskosten und generiert durch die iterative Festlegung der Zeitenlagen der Flüge einen Flugplan, der bezüglich sowohl der Umsätze als auch der Verspätungskosten optimal ist. Somit trägt diese Arbeit durch die Verbesserung der Flugplanung zur Senkung der durch Flugverspätungen hervorgerufenen hohen Kosten für die Airline-Industrie bei. 4.2.4.2 Auswirkungen der Flugverspätungen auf die Passagiere Um die generelle Auswirkung der Flugverspätungen auf die Allgemeinheit zu evaluieren, müssen zusätzlich zu den von den Airlines getragenen Verspätungskosten noch die bei den Fluggästen anfallenden Kosten berücksichtigt werden. Die Passagiere werden, wie im vorherigen Abschnitt erwähnt, von den Fluggesellschaften zwar teilweise für die infolge von Flugverspätungen entstehenden Unannehmlichkeiten entschädigt, der gezahlte Entschädigungsbetrag kompensiert jedoch bei weitem nicht die vollen bei den Fluggästen induzierten Kosten49. Den Ausgangspunkt für die Berechnung der Verspätungskosten für die Passagiere bildet die Verspätungszeit. In dieser Zeit können die Passagiere weder ihrer Arbeit nachgehen noch für Arbeit entlohnt werden oder Nutzen aus der Freizeit ziehen. Es handelt sich somit um Opportunitätskosten. Sie werden auf Basis des finanziellen Wertes der Zeit geschätzt, der sich als Äquivalent zu dem Geldbetrag ergibt, den die Passagiere zu zahlen oder zu bekommen bereit wären, um die durch die Flugverspätung verloren gegangene Zeit einzusparen. Solch ein Zeitwert kann auch aus der von den Passagieren getroffenen Entscheidung über die Auswahl eines Transportmodus und der daraus resultierenden Relation zwischen dem Ticketpreis und der Reisezeit hergeleitet werden50. Der finanzielle Zeitwert hängt unter anderem von Reisegrund, Reisezeit, Kundensegment und sozioökonomischen Charakteristiken der Reisenden ab51. Die Tabellen 4.3 und 4.4 fassen die in der Literatur vorhandenen Ergebnisse der empirischen Analyse bezüglich Opportunitätskosten der Flugpassagiere zusammen. 49
Vgl. ITA (2000), S. 19 Vgl. ITA (2000), S. 19 51 z.B. Einkommen, Vermögen, Ausbildung, Alter 50
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
105
US-amerikanischer Markt Autor
Bezugsjahr
Kosten pro
Gesamt-
Verspätungsstunde
kosten pro Jahr
Zitiert in ITA-Studie; die Gesamtkosten wurden un-
US AIRLINE TRANSPORT ASSOCIATION
4,2 Mrd. USD
1999
(ATA)
Die Gesamtkosten wurden unter Berücksichtigung des 3,6 Mrd. USD
1996
R. (1999)
Ausgangsbasis: Verspä19871994
44 USD
6,5 Mrd. USD
Zitiert in ITA-Studie; Zeit-
57 EUR 1999
geschäftlich, 37 EUR
keine Angaben
privat 22 EUR HEINITZ, F. (1998)
1999
PROSSALOGLOU, K. / KOPPELMAN, F.S. (1999)
tung von insgesamt ca. 150 Mio. Passagierstunden
(1995)
ORLYVAL (1986/1987)
Anteils der von der Verkehrssteuerung verursachten Verspätungen (ca. 50%) hochskaliert
FEDERAL AVIATION ADMINISTRATION (FAA)
ter Berücksichtigung des Anteils der von der Verkehrssteuerung verursachten Verspätungen (ca. 50%) hochskaliert
CITRENBAUM, D. / JULIANO,
Kommentar
geschäftlich, 13 EUR privat
keine Angaben
geschäftlich 10 EUR privat
Arbeitskosten berücksichtigt) Zitiert in ITA-Studie; Zeitwerte sind extrapoliert ins Jahr 1999 (Steigerung der Arbeitskosten berücksichtigt) Zitiert in ITA-Studie; Zeit-
38 EUR 1999
werte sind extrapoliert ins Jahr 1999 (Steigerung der
keine Angaben
werte sind extrapoliert ins Jahr 1999 (Steigerung der Arbeitskosten berücksichtigt)
106
Kapitel 4
SINNCOTT, J.H. / MAC REYNOLDS, W.K. (1998)
1999
38 - 260 EUR
keine Angaben
Irregulärer Flugbetrieb
Zitiert in ITA-Studie; Zeitwerte sind extrapoliert ins Jahr 1999 (Steigerung der Arbeitskosten berücksichtigt)
Tabelle 4.3: Verspätungskosten für die Passagiere auf dem S U-amerikanischen Markt
Europäischer Markt Autor
Bezugsjahr
Kosten pro
Gesamt-
Verspätungsstunde
kosten pro Jahr
Kommentar Zitiert in ITA-Studie: Die Gesamtkosten resultieren aus den Verspätungsminu-
EUROCONTROL
1999
(1999)
60 EUR pro Minute und Flug
8,4 Mrd. EUR
ten 1999 (ca. 70 Mio.), den Verspätungskosten pro Minute und dem Anteil der von der Verkehrssteuerung verursachten Verspätungen (50%)
INSTITUT DU TRANSPORT AÉRIEN (ITA)
1999
34 - 44 EUR
4,2 - 5,4
Die in der Studie berechneten Gesamtkosten wurden mit Zwei multipliziert
Mrd. EUR
(da die Verkehrssteuerung
(2000)
nur 50% der Verspätungen verursacht) Zitiert in ITA-Studie; die Gesamtkosten sind be-
KROES, E.P. / SHELDON, R.J. (1988)
78 EUR Lang1999
streckenflug, 30 EUR Kurzstreckenflug
rechnet ausgehend von der Anzahl der Verspä2,3 Mrd. EUR
tungsminuten in Europa im Jahr 1999 (ca. 70 Mio.) sowie den Anteilen der Langstrecken- und Kurzstreckenflüge (jeweils 5% und 95%)
Tabelle 4.4: Verspätungskosten für die Passagiere auf dem europäischen Markt
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
107
Die Tabellen 4.3. und 4.4 lassen erkennen, dass trotz relativ hoher Streuung der Schätzwerte der bei Passagieren anfallenden Verspätungskosten in der Literatur, diese Kosten einen erheblichen negativen Faktor darstellen, der das Einkommen der einzelnen Fluggäste und somit auch die Wohlfahrt der Gesellschaft signifikant mindern kann.
4.3 Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte in der modernen Flugplanung Die im Abschnitt 4.2.4 dargestellten Schätzwerte der Verspätungskosten für Airlines und Fluggäste unterstreichen die Problematik, die aus dem irregulären Flugbetrieb und den Flugverspätungen folgt. Trotz der enormen Bedeutung der negativen monetären und sozialen Effekte für die Luftverkehrsindustrie konzentrierten sich die Fluggesellschaften und die wissenschaftliche Forschung in den letzten Jahrzehnten auf die Entwicklung von Modellen und Systemen, die die Flugpläne in Bezug auf den maximalen Gewinn und unter Einhaltung operationeller Restriktionen, jedoch ohne die Berücksichtigung der eventuellen Irregularitäten im Flugbetrieb optimieren52. Nur sehr wenige Forschungsaktivitäten widmeten sich der Einbeziehung der mit dem irregulären Flugbetrieb einhergehenden Unsicherheiten in die Flugplanung und -optimierung sowie der Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen zur Beseitigung der Flugplanstörungen infolge von Irregularitäten53. In den nachfolgenden Abschnitten wird der Stand der Forschung auf dem Gebiet der Berücksichtigung von Unsicherheiten und möglichen Betriebsstörungen in der Flugplanung präsentiert und die Modelle zur Abschätzung der Verspätungspropagation werden skizziert. 4.3.1 Modelle zur Flugplanwiederherstellung (Schedule Recovery Models) Ein Großteil der quantitativen Modelle, welche die während des Flugbetriebs auftauchenden irregulären Ereignisse explizit berücksichtigen, beschäftigt sich mit der Bestimmung der optimalen Wiederherstellungsstrategien zur schnellen und kostengünstigen Überführung des durch ein irreguläres Ereignis gestörten Flugbetriebs in den planmäßigen und stabilen Zustand. Diese Modelle stellen somit wertvolle Werkzeuge dar und unterstützen die Airlines in ihrem operativen Geschäft durch die Herleitung der geeigneten taktischen
52 53
Vgl. AGEEVA, Y. (2000), S. 10; MORIN, M. (2001), S. 27-28 Vgl. CLARKE, M.D.D. (1997a); LAN, S. / BARNHART, C. / CLARKE, J.-P. (2002), S. 9
108
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Reaktionsmaßnahmen, die in ihren wesentlichen Ausprägungen im Abschnitt 4.2.3.1 beschrieben wurden. So entwickelte Mathaisel (1996) ein Entscheidungsunterstützungssystem zur Erarbeitung von Vorschlägen zum dynamischen Flugzeug-Rescheduling. Unter Flugzeug-Rescheduling wird die Änderung der Flugzeugrotationen als Reaktion auf die Betriebsstörungen verstanden. Ein solches Rerouting wird im Modell im Gesamtkontext des Airline-Betriebs betrachtet, der die Planung von Flugzeugrotationen und Flugzeugwartungsplänen, das CrewManagement, die Flugsteigzuordnung sowie die Flugplanung umfasst. Die in der Arbeit entwickelten Algorithmen helfen den Airlines beim Eintreten eines Störereignisses, das den Flugbetrieb wesentlich beeinflusst, ihre Flugzeuge, Crews und Passagiere optimal zu repositionieren. Das Unterstützungssystem enthält auch ein Modul zur Bewertung der möglichen Reaktionsszenarien. Das Problem der Flugplanwiederherstellung wurde ebenfalls vielseitig in den Arbeiten von Dusan Teodorovic erforscht. Teodorovic / Guberinic (1984) beschreiben ein Modell zur Minimierung der gesamten Passagierverspätung, die sich als Folge von irregulären Flugplanereignissen ergibt. Die Autoren entwickeln ein nur für eine kleine Flugzeugflotte und eine kleine Anzahl von Flugsegmenten relevantes Modell, das die kostengünstigste Kombination von Flugzeugrotationen und Zeitenlagen der Flüge unter Annahme der gleichen Sitzkapazität bei allen vorhandenen Flugzeugen bestimmt. Das Flugplanwiederherstellungsproblem wird hier als Netzwerk-Fluss-Problem formuliert. In diesem Netzwerk werden die Flüge durch die Knoten und die Zeitverluste der Passagiere, die sich auf Grund der geänderten Zeitenlagen der Flüge ergeben, durch die Kanten repräsentiert. Das Modell, das nur die weiteren Flugverspätungen als eine mögliche Reaktionsmaßnahme der Airlines auf die Irregularitäten des Flugbetriebs erwägt, wird mit dem Branch-and-BoundAlgorithmus gelöst. Teodorovic / Stojkovic (1990) erweiterten dieses Modell durch die Integration von Flugstornierungen als mögliche Reaktionsmaßnahme sowie durch die Berücksichtigung der Flughafenrestriktionen in den Nebenbedingungen. Das Problem wird hier zweistufig hierarchisch gelöst: Zuerst wird die Anzahl der stornierten Flüge minimiert. Ergeben sich unterschiedliche Lösungen mit gleicher Anzahl von stornierten Flügen, erfolgt die Minimierung der gesamten Passagierverspätung. Die Optimierungsläufe werden mittels einer Heuristik durchgeführt, die jedem Flugzeug so viele Flugsegmente wie möglich zuweist
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
109
und nach den Rotationen sucht, die die gleichen Flugsegmente enthalten und mit minimalen Passagierverspätungen verbunden sind. Ein Nachteil dieses Modells ist, dass das Crew-Rescheduling außer Acht gelassen wird. Teodorovic / Stojkovic (1995) integrieren die Crew-Planung in das Flugplanwiederherstellungsmodell. Sie nutzen lexikographische Optimierungsmethoden und optimieren, ähnlich wie in ihrem vorherigen Modell, die Anzahl der nicht stornierten Flüge und die Passagierverspätung in zwei Stufen. Die Lösungsheuristik des Modells basiert auf dem FIFO-Prinzip (first-infirst-out) für die Bildung der Flugzeug- und Crew-Rotationen sowie auf der sequenziellen dynamischen Programmierung. Jarrah et al. (1993) präsentieren ein Entscheidungsunterstützungssystem bestehend aus zwei Modellen jeweils für Flugstornierungen und -verspätungen, die auf Zeit-Raum-Netzwerken basieren und unabhängig voneinander gelöst werden. Somit erlaubt dieses System, das bei United Airlines implementiert wurde, keine Ausgleichsentscheidungen zwischen Stornierungen und Flugverspätungen als Reaktion der Airline auf die Irregularitäten. Die Berechnung der Kostenstruktur der Netzwerke ist äußerst komplex. Sie berücksichtigt die Anzahl der Passagiere auf einem Flugsegment sowie auf den Anschlussverbindungen, propagierte Verspätungen und Stornierungen, den Verlust der Einsatzzeit der Crews und Probleme, die auf Grund der Änderung der Flugzeugwartungspläne entstehen können. Im Unterschied zum Ansatz von Jarrah wird in Yu (1995) ein Modell entwickelt, das die simultane Entscheidung bezüglich der Flugstornierungen und -verspätungen erlaubt. Das Netzwerkmodell enthält hier Substitutionsknoten und -kanten, über die die Änderungen der Flugzeugzuordnung abgebildet werden können Yan / Yang (1996) präsentieren zum ersten Mal ein Ansatz, der die Flugstornierungen und -verspätungen sowie die "Ferry"-Flüge als mögliche Reaktionsmaßnahmen auf die irregulären Ereignisse in einem Modell integriert. Das Modell basiert auf einen Zeit-Raum-Netzwerk und geht von der Annahme der Homogenität der Flotte aus. Cao / Kanafani (1997) beschreiben eine Modellerweiterung von Jarrah et al. (1993), in der die Entscheidungen über Flugstornierungen und -verspätungen simultan getroffen werden. Die Autoren präsentieren ein quadratisches 0-1Programm, das den operativen Airline-Gewinn unter Berücksichtigung der Verspätungskosten und der Strafkosten optimiert, die bei Flugstornierungen
110
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
entstehen. Das Modell betrachtet das Netzwerk der Flughäfen als ein komplettes System und verfolgt die Verspätungen sowie die Änderungen in der Flugzeugzuordnung nacheinander von einem Flughafen zum anderen. Die Autoren erwähnen die Möglichkeit der Integration von "Ferry"-Flügen und Änderungen der Flugzeugrotationen in der Modellformulierung. Clarke (1997) entwickelt ein Flugplanwiederherstellungsmodell, das auf einem Raum-Zeit-Netzwerk basiert und in dem die Stornierungen und Verspätungen ebenfalls simultan erfolgen. Das Modell erlaubt zahlreiche Umtauschoperationen zwischen den Rotationen der Flugzeuge unterschiedlicher Typen. Außerdem berücksichtigt es durch Einschränken der Anzahl der Flugzeugbewegungen an bestimmten Flughäfen die möglichen Aktionen seitens der Verkehrssteuerungszentrale sowie die eventuellen Probleme mit der CrewVerfügbarkeit. 4.3.2 Messung und Optimierung der Robustheit und Zuverlässigkeit der Airline-Planung Außer den im vorherigen Abschnitt dargestellten Modellen zur taktischen Flugplanoptimierung, die nach Eintreten der irregulären Ereignisse zur effizienten Reallokation der Ressourcen eingesetzt werden, finden sich in der Literatur einige Ansätze zur Integration der Unsicherheitsaspekte in die Planungsphase des Airline-Betriebes. Diese Ansätze wurden zum Teil für andere Verkehrsmodi wie z.B. die Bahn entwickelt, lassen sich jedoch auf den Luftverkehr übertragen. Sie bilden durch die ex ante Messung und Optimierung der Robustheit und der Zuverlässigkeit der Flug-, Flugzeug- und Crewpläne die strategischen Reaktionsmaßnahmen54 der Airlines auf die Flugplanirregularitäten ab. Grundsätzlich können solche Modellansätze nach der Notwendigkeit der Verwendung stochastischer Verteilungsfunktionen oder der Durchführung von Simulationsläufen zur Herleitung von Optimierungskonzepten unterschieden werden. 4.3.2.1 Nicht stochastische Modelle zur Optimierung von Flugplänen Ageeva (2000) präsentiert einen nicht stochastischen Ansatz. Sie definiert die Flugplanrobustheit als die aus der Flugplanung resultierende Eigenschaft zur schnellen und für die Passagiere bequemen Wiederherstellung des planmä54
Siehe Abschnitt 4.2.3.2
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
111
ßigen Flugbetriebs nach dem Auftreten eines irregulären Ereignisses. Ein Flugplan ist somit robust, wenn er überlappende Elemente wie Flüge, Transferverbindungen und Routen enthält, über die der Verkehr im Störungsfall umgeleitet werden kann. Die Robustheit manifestiert sich in der Planung von sich an mehreren Flughäfen überschneidenden Flugzeugrotationen sowie von redundanten bzw. alternativen Passagierrouten, auf denen die Passagiere über gleiche oder unterschiedliche Zwischenflughäfen von ihrer Start- zur Zieldestination befördert werden können. Die Optimierung der Flugplanrobustheit erfolgt in der Planungsphase durch die Integration des Robustheitsmaßes in die Zielfunktion, das als Differenz zwischen der potenziellen und der aktuellen Anzahl der Überschneidungen kalkuliert ist. Eine ähnliche Formulierung der Robustheit findet sich bei Morin (2001). Hier wird eine Flugverbindung als robust deklariert, wenn zwischen ihren Anfangsund Endpunkten alternative Verbindungen über andere Flughäfen aufgebaut werden können. In Abhängigkeit von Benutzerpräferenzen werden unterschiedliche Robustheitsniveaus definiert. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit wird eine Flugverbindung in einzelne Komponenten wie Flugzeit, Taxi-Zeit, Wartezeit usw. zerlegt. Das Verspätungsprofil der Komponenten wird für jeden Flughafen sowie jeden Flug mit Hilfe theoretischer Dichtefunktionen vorgegeben. Basierend auf diesen Profilen sowie auf möglichen Stornierungsraten der Flüge und auf den eingeplanten Zeitpuffern wird eine Zuverlässigkeitskennzahl für eine Flugverbindung ex ante hergeleitet. Für die aus Unternehmenssicht wichtigen Flugverbindungen und Flugmärkte, die ein gewisses Robustheitsniveau aufweisen müssen, werden im Rahmen der Flugplanung und -optimierung durch diverse Tauschoperationen alternative Verbindungen aufgebaut, die unter Verwendung der gewichteten Zuverlässigkeitskennzahlen bewertet werden. 4.3.2.2 Stochastische Modelle zur Optimierung von Flugplänen Trietsch (1993) untersucht den Einfluss der stochastischen Flugplanpünktlichkeit auf die Optimierung der Hub-and-Spoke-Netzwerke. In seinem Modell werden die Ankunfts- und Abflugszeiten der Flüge in und aus einem HubFlughafen als unabhängige stochastische Variablen angenommen. Das Modell minimiert die Kosten der stochastischen Verspätungen und berücksichtigt den Effekt der Aggregation der stochastischen Zeitvariablen. Auf die aus den Flugzeugrotationen resultierenden Unsicherheitsaspekte wird hier allerdings nicht geachtet.
112
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Das Modell von Wu / Caves (2002) adressiert explizit die stochastischen Faktoren in den Flugzeugrotationen und optimiert die Zeitpuffer zwischen zwei aufeinander folgenden Flügen sowie die Planflugzeit durch Ausbalancieren der Flugplanzuverlässigkeit und der operativen Kosten der Rotationen. Mederer / Frank (2002) verbessern die Zuverlässigkeit eines Flugplanes durch die Annahme der aus den historischen Daten hergeleiteten stochastischen Verteilungen der Flugplanzeiten und durch die Integration der stochastischen Variablen in die Optimierungsroutine. Jauffred (1997) entwickelt ein Modell, das mit Hilfe von stochastischer Optimierung einen robusten Flugplan durch Ausbalancieren der Kosten- und Zuverlässigkeitsaspekte erzeugt. Das Optimierungsproblem, das als stochastische Erweiterung konventioneller deterministischer Optimierungsprobleme formuliert wird, wird mit der Subgradient-Methode gelöst. Das Ergebnis der Optimierung ist eine Flugplanvariante, die das Eintreten hoch wahrscheinlicher Ereignisse reflektiert und angesichts dieser Ereignisse maximalen Gewinn bzw. minimale Kosten liefert. Carey (1994) entwickelt ein Konzept für die Schedule-Zuverlässigkeit am Beispiel der Zugfahrpläne sowie ein Modell zur Schedule-Optimierung unter Berücksichtigung der Zuverlässigkeitsziele. Die Zuverlässigkeit wird hier – ausgehend von einer um der Allgemeingültigkeit willen nicht näher spezifizierten Dichtefunktion der Zufallsvariable Fahrzeit – als die Wahrscheinlichkeit für das Nichtüber- bzw. -unterschreiten der Planfahrzeit definiert. Basierend auf den aus der Dichtefunktion der Fahrzeit abgeleiteten Verteilungen der Ankunfts- und Abfahrtszeiten und der Unterscheidung zwischen den unabhängigen und induzierten Verspätungen werden die Erwartungswerte der Verspätungskosten sowie die Gesamtkosten einer Reise kalkuliert. Zur Fahrplanoptimierung wird ein mathematisches Programm formuliert, das die so berechneten Gesamtkosten unter der Einhaltung der operationellen Restriktionen minimiert. Außer dem kostenbasierten Ansatz werden kostenunabhängige Zuverlässigkeitsmaße definiert. Diese sind Wahrscheinlichkeit für ein zu spätes oder zu frühes Starten oder Ankommen, Erwartungswert und Varianz der Verspätung. Carey (1999) erarbeitet eine Reihe von ex ante Zuverlässigkeitsmaßen eines Fahr- oder Flugplanes, die mit oder ohne Dichte- und Verteilungsfunktionen hergeleitet werden. Hier wird ebenfalls zwischen unabhängigen und induzierten Verspätungen unterschieden. Die Zuverlässigkeit der einzelnen Transfer-
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
113
verbindungen, definiert als Wahrscheinlichkeit oder Erwartungswert für das Nichteintreten einer Verspätung, wird hier evaluiert. Es werden ebenfalls ex ante Zuverlässigkeitsmaße für den gesamten Fahr- oder Flugplan berechnet, die als der gewichtete oder ungewichtete Durchschnittswert der Zuverlässigkeitskennzahlen der einzelnen Verbindungen bestimmt werden. Die heuristischen Kennzahlen, die ohne Dichtefunktionen kalkuliert werden, beziehen sich im Wesentlichen auf die Länge und die Verteilung der Verbindungszeiten. Die Ansätze zur Optimierung der Flugplanzuverlässigkeit werden hier nicht hergeleitet. In Carey (1998) wird hingegen die Methodologie zur Bestimmung und Optimierung der die Fahr- oder Flugplanzuverlässigkeit beeinflussenden Zeitpuffer zwischen zwei Elementen präsentiert, die eine Transferverbindung bilden55. Die Größe dieser Zeitpuffer, die vom Verhältnis der Verspätungs- zu den Gesamtkosten einer Verbindung abhängen, wird dabei unter Berücksichtigung der Antizipation der Zeitpufferverlängerung und der entsprechenden Reaktion der Nutzer vorgegeben. Yen (2000) präsentiert die Methodologie zur Optimierung der Airline-CrewFlugpläne, die die Unsicherheitsaspekte bezüglich des Flugbetriebs explizit berücksichtigt. Hier werden zum deterministischen Teil der Zielfunktion, der die Crew-Einsatzkosten enthält, die erwarteten Verspätungskosten hinzugefügt, die aus der Realisierung eines zufällig ausgewählten Störungsszenarios resultieren. Die Störungen werden durch die stochastische Verteilung der Flug- und Bodenzeiten dargestellt. Verspätungskosten entstehen, wenn eine Crew, die auf einem verspäteten Flugzeug eingesetzt wurde, auf ein anderes Flugzeug umsteigen muss. 4.3.2.3 Simulationsbasierte Modelle zur Optimierung von Flugplänen Die Zuverlässigkeit und die Robustheit einer Flugplanlösung wird oft mit Hilfe von Simulationen beurteilt, die von empirischen oder theoretischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Flug-, Warte- und Verbindungszeiten sowie anderer Variablen ausgehen. Beim Ansatz zur Messung und Optimierung der Flugplanrobustheit in Bian / Burke / Jain et al.(2003) werden für einen ohne Berücksichtigung der Irregularitäten voroptimierten Flugplan diverse Störungsfälle, wie Verkehrstaus und Verspätungen, stochastisch simuliert. Ein Algorithmus, der die Reaktion der 55
z.B. zwei Zügen, Flügen oder Bussen
114
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
Airlines auf diese Störungen nachbildet und dabei die Flüge in den Flugzeugrotationen tauscht oder diese im Extremfall storniert, wird nach Ausführen der Störungssimulation angewandt. Die Stabilität und die Robustheit des zu validierenden Flugplans wird anhand unterschiedlicher Kennzahlen beurteilt, z.B. anhand des Prozentsatzes der Flüge, die pünktlich starten oder landen oder die nicht storniert wurden, sowie des Prozentsatzes der Transferpassagiere, die ihre Anschlussverbindung wegen der simulierten Flugbetriebsstörungen verpassten. In Rosenberger / Schaefer / Goldsman et al. (2001) wird ein Modell zur Abbildung des täglichen operativen Betriebes einer Fluggesellschaft präsentiert, das die aus einer Flugplanlösung resultierenden Kosten- und Zuverlässigkeitsprofile durch die Simulation unterschiedlicher Ereignisse evaluiert. Als Modellinput fungieren ein Flug- und Crew-Einsatzplan, die Verspätungsverteilung der Flugereignisse und der Algorithmus zur Flugplanwiederherstellung. Das Modell liefert als Ergebnis unterschiedliche Statistiken, die die Flugplanzuverlässigkeit bewerten, wie z.B. der Prozentsatz pünktlicher Flugereignisse sowie der Prozentsatz der Transferpassagiere, die ihren Anschluss verpassten, oder die Anzahl der stornierten Flüge. Ein ähnliches Simulationsmodell des operativen Airline-Betriebs wird in Lee / Huang / Lee et al. (2003) dargestellt. In Schäfer et al. (2003) und Klabjan / Schaefer et al.(2001) werden simulationsbasierte Modelle zur Crew-Schedule-Optimierung entwickelt. In beiden Modellen werden die gesamten erwarteten Crew-Einsatzkosten pro Crew, die die Verspätungskosten enthalten und als Zielfunktion minimiert werden, ausgehend von den durch die Monte-Carlo-Simulation bestimmten Flugzeiten approximiert. Die Reaktion der Airlines auf die entstandenen Verspätungen wird durch ein Schedule-Recovery-Modell repliziert. In Cohn / Barnhart (2000) wird ein Verfahren zur robusten Flugzeugzuordnung56 präsentiert. Dabei werden für eine Flugzeugzuordnung, die zunächst ohne Berücksichtigung der Unsicherheitsaspekte bestimmt wurde, mehrere mögliche Störungsszenarien generiert, die an das Flugplanwiederherstellungsmodell übergeben werden. Mit dem Flugplanwiederherstellungsmodell werden dann die Kosten sowie die Zuverlässigkeits- und Robustheitskennzahlen der Flugzeug-, Crew- und Passagiernetzwerke für diese Zuordnungsvariante bei unterschiedlichen Störungsszenarien evaluiert. Als optimal wird 56
Fleet-Assignment-Modell
Kapitel 4
Irregulärer Flugbetrieb
115
eine Flugzeugzuordnung deklariert, die sowohl mit minimalen operativen Kosten verbunden ist als auch sich bei Störungen am stabilsten verhält. Simulationsbasierte Berechnungen der Robustheits- und Zuverlässigkeitsmaße der Zugfahrpläne, die sich auf die Flugplanung übertragen lassen, finden sich z.B. auch in Hallowell / Harker (1998) sowie in Carey / Carville (2000).
116
Kapitel 5: Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit Hilfe der Theorie der Fuzzy-Mengen 5.1 Einführung In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden deterministische Modelle zur Flugplanoptimierung präsentiert und es wurde die Problematik geschildert, die ein irregulärer Flugbetrieb auslöst, vor allem wenn die aus solchen Irregularitäten resultierenden Unsicherheitsaspekte bezüglich Abflugs- und Ankunftszeiten nicht im Planungsprozess berücksichtigt werden. Dieses Kapitel zeigt nun mit Hilfe der Theorie der Fuzzy-Mengen die Methodologie zur realitätsnahen Beschreibung und Integration jener Unsicherheitsaspekte in die Flugplanoptimierung, die im Luftverkehr bezüglich der Zeitenlagen der Flüge entstehen können. Zusätzlich werden die für die Entwicklung weiterer Konzepte benötigten Grundlagen dieser Theorie dargelegt, die sich im Wesentlichen auf die in Rommelfanger (2002) verwendeten Notationen stützen. Außerdem finden sich hier Methoden zur Herleitung der Zugehörigkeitsfunktionen für Fuzzy-Mengen. Abschließend erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen des Einsatzes der Fuzzy-Set-Theorie in der Flugplanoptimierung.
5.2 Grundlagen der Theorie der Fuzzy-Mengen 5.2.1 Grundgedanke und Definition von Fuzzy-Mengen In vielen theoretischen Modellen wird ein vollständiger Kenntnisstand über die Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Größen unterstellt. In der betrieblichen Realität ist solch ein kompletter und erschöpfender Informationsstand jedoch nur sehr selten vorhanden. Am Beispiel des Luftverkehrs wurde im vorangegangenen Kapitel bereits geschildert, dass die Daten, die als Input für die Flugplanoptimierung fungieren, aus unterschiedlichen internen und externen Gründen nur in Form von Richtwerten vorliegen und niemals exakt bekannt sind. Es wurde gezeigt, dass es z.B. auf Grund von unvorhersehbaren Wetterbedingungen sowie Aktionen seitens Flugsicherung und Flughäfen nicht möglich ist, alle Ausprägungen von Flug-, Warte- und Abfertigungszeiten während der Planungsperiode vollständig zu kennen. Man spricht in einem solchen Fall von unscharfen Angaben, die die Einbeziehung von subjektiven Vorstellungen, Erfahrungen und Wünschen in den Planungs- und Optimierungsprozess notwendig machen. Bei diesen unscharfen Angaben unterscheidet man intristische und informationale Unschärfe 1 . Intristische 1
Vgl. ROMMELFANGER, H. (2002), S. 4-5
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
117
Unschärfe liegt vor, wenn ein Begriff nicht genau definiert ist. Bei der informationalen Unschärfe ist der Begriff hingegen genau definiert, es ist aber unmöglich, die Menge der durch diesen Begriff spezifizierten Objekte klar abzugrenzen, da die dafür notwendigen Informationen fehlen. Um die Unschärfe in die mathematischen Modelle integrieren zu können, wird eine formale Darstellung der unscharfen Größen benötigt. Die von Zadeh 1965 erstmals vorgestellte Theorie der Fuzzy-Mengen2, die eine Verallgemeinerung der klassischen Mengentheorie darstellt, ermöglicht die Erfassung und Verarbeitung von Unschärfe. Im Unterschied zu den klassischen Mengen, in denen genau festgelegt ist, ob ein Element ihr Bestandteil ist oder nicht, zeichnen sich die Fuzzy-Mengen dadurch aus, dass ihnen ihre Elemente nur zu einem bestimmten Grad angehören. Dieser wird üblicherweise als der Zugehörigkeitsgrad bezeichnet und nimmt Werte zwischen Null und Eins ein, wobei der Wert Null den Ausschluss des jeweiligen Elements aus der Menge ausdrückt. Der Zugehörigkeitsgrad von Eins bedeutet dagegen, dass ein Element am ehesten zu einer Menge gehört. Definition 1: Eine Fuzzy-Menge à auf einer beliebigen Grundmenge X ist die Menge
A = §¨ x, µ A ( x), x ∈ X ·¸ ©
¹
(5.1)
bestehend aus den Elementen x ∈ X und ihren Zugehörigkeitsgraden µÃ(x) ∈ [0,1]. Dabei bezeichnet man µÃ(x)→ [0,1] als Zugehörigkeitsfunktion von à =
( x, µ A ( x), x ∈ X )
Die Zugehörigkeitsfunktion, die eine Abbildung der subjektiven Bewertungen von einzelnen oder mehreren Individuen darstellt3, hängt eindeutig mit der Fuzzy-Menge zusammen und ist reellwertig 4 . Die Mengen im Sinne der klassischen Mengenlehre ergeben sich bei einer solchen Formulierung als ein Spezialfall der Fuzzy-Mengen, für den Fall, dass die Zugehörigkeitsfunktion nur die Werte Null und Eins annimmt. Weitere benötigte Basisdefinitionen werden im folgenden Abschnitt dargestellt.
2
siehe ZADEH, L. A. (1965) Vgl. ROMMELFANGER, H. (2002), S. 8 4 Vgl. KEHR, J. (1995), s. 46 3
118
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
5.2.2 Basisdefinitionen der Theorie der Fuzzy-Mengen Definition 2: Als stützende Menge einer Fuzzy-Menge à bezeichnet man eine klassische Menge
supp(Ã) = { x ∈ X µ A ( x) > 0}
(5.2)
Definition 3: Als Komplement einer Fuzzy-Menge à wird die Fuzzy-Menge mit Zugehörigkeitsfunktion
µcomplA ( x) = 1 − µ A ( x), ∀x ∈ X
(5.3)
bezeichnet. Definition 4: Für eine Fuzzy-Menge à und eine reelle Zahl net man die klassische Menge
Aα = { x ∈ X µ A ( x) ≥ α }
α ∈ [0,1] bezeich(5.4)
als α-Niveau-Menge von Ã. 5
Definition 5: Eine konvexe, normalisierte Fuzzy-Menge à auf Basis der reellen Zahlen ℜ wird Fuzzy-Zahl genannt, wenn • genau eine reelle Zahl x existiert, für die gilt µA(x)=1 • µÃ(x) stückweise stetig ist Definition 6: Eine konvexe, normalisierte Fuzzy-Menge à auf Basis der reellen Zahlen ℜ wird Fuzzy-Intervall genannt, wenn • mehr als eine reelle Zahl x existiert, für die gilt µÃ(x)=1 • µÃ(x) stückweise stetig ist Um für die herkömmlichen mathematischen Verfahren entsprechende Verfahren für die Fuzzy-Mengen herzuleiten und somit die Unschärfe z.B. in Optimierungsmodelle zu integrieren, wird eine Regel benötigt, mit deren Hilfe man die Definitionsbereiche der Fuzzy-Mengen bei der Durchführung der arithmetischen Operationen auf diesen Mengen erweitert. Die mathematischen Operationen lassen sich als Abbildungen f: X → Y interpretieren, wobei die Basismenge X durch eine bestimmte Transformationsvorschrift y = f(x1,..., 5 Eine Fuzzy-Menge à ist dann normiert, wenn die Zugehörigkeitsgrade ihrer Elemente nicht größer als Eins sind und mindestens ein Element mit einem Grad von genau Eins existiert. Ferner heißt sie konvex, wenn für eine Basismenge X µÃ (λx1+(1-λ)x2) min(µÃ (x1), µ à (x1)), ∀ x1, x2 ∈ X, ∀ λ ∈[0,1], gilt. Dies bedeutet, dass der Funktionsverlauf der Menge X keine Sub-Optima aufweisen darf
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
119
xn) auf die Menge Y abgebildet werden kann. Auf diese Weise können auch die Werte von Fuzzy-Mengen in eine scharfe Abbildungsmenge überführt werden. Mit dem so genannten Erweiterungsprinzip, das jedem Wert der so gebildeten scharfen Mengen einen Zugehörigkeitsgrad zuordnet, werden dann die entsprechenden Fuzzy-Mengen der scharfen Abbildungen hergeleitet6. Nach dem Erweiterungsprinzip von Zadeh, einem der grundlegenden Konzepte der Fuzzy-Theorie, entsteht für eine beliebige nicht leere klassische Menge Y durch die Abbildung f: X → Y – wobei X das kartesische Produkt der Mengen X1 ×...× Xn repräsentiert – eine Fuzzy-Menge à mit der Zugehörigkeitsfunktion
( (
))
° sup min µ A1 (x1 ),..., µ An ( x n ) −1
falls f -1(y) ≠ ∅
°¯
sonst
µ A (x ) = ®
x∈ f
( y)
0
(5.5)
-1
wobei f (y) die Urbildmenge von Y symbolisiert. Nach dem Erweiterungsprinzip werden also die Zugehörigkeitsgrade der durch die arithmetischen Operationen auf Fuzzy-Mengen gebildeten Mengen festgelegt, indem man zunächst das Minimum der Zugehörigkeitsgrade der Elemente x1,..., xn für jeden durch die Abbildung y = f(x1,..., xn) bestimmten Wert der neuen Menge kalkuliert und anschließend den höchsten7 Zugehörigkeitsgrad für die gleichen Elemente der neu gebildeten scharfen Menge berechnet.
5.3 Modellierung der Unsicherheit mit Hilfe der Theorie der Fuzzy-Mengen 5.3.1 Gestalt und Interpretation der Zugehörigkeitsfunktionen Eines der zentralen Elemente der Theorie der Fuzzy-Mengen sind die Zugehörigkeitsfunktionen, die benötigt werden, um die Unschärfe zu quantifizieren und somit in die mathematischen Modelle zu integrieren. Gewöhnlich werden die Fuzzy-Mengen in der Literatur mit Hilfe von dreiecks- 8 , trapez- und glockenförmigen Zugehörigkeitsfunktionen modelliert. Prinzipiell können die Zugehörigkeitsfunktionen jedoch auch andere Gestal6
Vgl. KEHR, J. (1995), S. 49 Es existieren jedoch Vorschläge, das Supremium durch die algebraische Summe zu ersetzen, siehe ROMMELFANGER, H. (2002), S. 36 8 zu den Vorteilen der dreieckigen Form der Zugehörigkeitsfunktionen siehe PEDRYCZ, W. (1993) 7
120
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
ten annehmen9, die sich aus den parametrischen Verteilungen ergeben, falls dadurch die Realwelt besser abgebildet werden kann. Abbildung 5.1 zeigt die Verläufe einiger Zugehörigkeitsfunktionen.
(stückweise) linear
Trapezförmig
Dreieckig
1
1
1
0
0
0
S-förmig
konvex
konkav
1
1
1
0
0
0
Abbildung 5.1: Mögliche Typen von Zugehörigkeitsfunktionen
Die Zugehörigkeitsfunktionen der Fuzzy-Zahlen bzw. Fuzzy-Intervalle werden in der Literatur oft durch die so genannte LR-Darstellung vorgegeben. Dadurch wird das Zurückgreifen auf einfache Funktionstypen sowie eine schnelle und unkomplizierte Ausführung von arithmetischen Rechenoperationen auf Fuzzy-Mengen durch die Spezifikation von bestimmten Näherungsregeln ermöglicht. Zur Erläuterung der LR-Darstellungsform wird zunächst der Begriff Referenzfunktion eingeführt. Definition 7: Eine Funktion L: [0, +∞) wird als Referenzfunktion von FuzzyZahlen bezeichnet, wenn sie folgende Bedingungen erfüllt: • L(0) = 1 • L ist nicht steigend in [0, +∞)
wird als L-R-Fuzzy-Zahl bezeichnet, wenn Definition 8: Eine Fuzzy-Zahl A ihre Zugehörigkeitsfunktion mit den Referenzfunktionen L und R wie folgt dargestellt werden kann:
9 Einen guten Überblick über die in der Literatur vorfindbaren formalen Beschreibungen der parametrischen Zugehörigkeitsfunktionen geben z.B. DOMBI, J. (1990) S. 3ff. und SMITHSON, M. (1988), S. 77ff.
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
§m−x· ° L ¨© α ¸¹ ° µ A ( x) = ® °R § x − m · °¯ ¨© β ¸¹
121
für x ≤ m, α > 0 (5.6)
für m < x, β > 0
Die Parameter α und β werden Spannweiten der L-R-Fuzzy-Zahl genannt. Sie bestimmen den Grad der Unschärfe der Fuzzy-Zahl. Der Wert m gibt den = Gipfelpunkt der Fuzzy-Zahl vor. Die Schreibweise der LR-Darstellung ist: A (m,α,β)LR. Zur fehlerfreien und sinngemäßen Abbildung der Sachverhalte der Realwelt in den mathematischen Modellen ist es unabdingbar, die Interpretation der Mengenzugehörigkeit, über die, wie oben dargestellt, die Zugehörigkeitsfunktionen der Fuzzy-Mengen bestimmt werden, richtig zu verstehen. Die Zugehörigkeit kann aus der subjektiven Möglichkeit des Auftretens gewisser Ereignisse oder Werte abgeleitet werden. Um dies zu verdeutlichen, werden folgende Begriffe eingeführt: Definition 9: Eine auf S ⊆ ℘(X) definierte Funktion ∏: S → [0,1] heißt Möglichkeitsmaß auf S, wenn gilt: • ∏(∅) = 0 • ∏(X) = 1 • A1 , A2 ,... ∈ S ∏ §¨ Ai ·¸ = sup ∏ ( Ai ) 10 ©i ¹ i Dabei bezeichnet ℘(X) die Potenzmenge von X. Definition 10: Die Möglichkeitsverteilung einer Variablen G auf der Grundmenge X ist die Funktion πG:X → [0,1], wenn gilt: sup π G ( x) = 1 x∈ X
Das Möglichkeitsmaß lässt sich wie folgt mittels der Möglichkeitsverteilung darstellen:
∏G ( B) = sup π G ( x), ∀B ⊆ X
(5.7)
x∈B
Wird die Möglichkeitsverteilung durch die normalisierte Zugehörigkeitsfunktion µ vorgegeben, so kann das Möglichkeitsmaß wie folgt spezifiziert werden11: 10 11
Für endliche X genügt die Bedingung ∏(A∪B) = max(∏(A), ∏(B)), ∀A, B ∈ X Vgl. RABETGE, C. (1991), S. 22
122
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
∏( B) = sup π G ( x) = sup µ ( x), ∀B ⊆ X x∈B
(5.8)
x∈ X
Die Möglichkeit stellt eine schwächere Bewertung der Ereignisse dar als die Wahrscheinlichkeit. Dies resultiert daraus, dass die wahrscheinlichen Ereignisse auch möglich sein müssen. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht immer zutreffend. Somit fungieren die Wahrscheinlichkeitswerte als die untere Grenze für die entsprechenden Möglichkeitswerte:12 (5.9)
∏(A) ≥ P(A), ∀ A ∈ S, mit
P(A) – Wahrscheinlichkeitsmaß eines Ereignisses 13. Es ist wichtig anzumerken, dass die hier beschriebene Möglichkeit nur die subjektive Bewertung der Möglichkeit für die Realisierung bestimmter Ereignisse, nicht aber die physikalische Möglichkeit ausdrückt14. Die Möglichkeitswerte brauchen zudem im Unterschied zu den auf dem Intervall [0,1] metrisch skalierten Wahrscheinlichkeitswerten lediglich ordinal skaliert zu sein. Dubois / Prade (1989) sprechen in diesem Zusammenhang von zwei Ausprägungen der Möglichkeit: Die erste Ausprägung bedeutet dabei die Einfachheit des Erreichens eines Wertes oder Zustandes im Sinne des Satzes "es ist möglich, für den Flug der Airline XY von Frankfurt nach Bangkok eine Verspätung von 30 Minuten zu haben". Die zweite Interpretation der im Rahmen der Theorie der Fuzzy-Mengen relevanten Möglichkeit drückt dagegen die Kompatibilität mit den verfügbaren Informationen aus und lässt sich durch den Satz "es ist möglich, dass morgen der Flug von Frankfurt nach Bangkok der Airline XY eine Verspätung aufweist" erläutern. Zur Herstellung von Flugplänen, die im Hinblick auf sowohl die erwarteten Passagierumsätze als auch auf die Verspätungskosten optimal sind, müssen in dieser Arbeit die Unsicherheiten bezüglich der Realisationen der Abflugsund Ankunftszeiten der Flüge abgebildet und bewertet werden. Um diese Unsicherheiten zu modellieren, werden die tatsächlichen Abflugs- und 12 13
Vgl. DUBOIS, D. / PRADE, H. (1986), S. 347 Eine auf S ⊆ ℘(X) definierte Funktion P: S → [0,1] heißt Wahrscheinlichkeitsmaß, wenn gilt: - A ∈ S P(A) ≥ 0
- P(X) = 1 - A1,A2,... ∈ S und Ai ∩ Aj = ∅ ∀ i ≠ j P A = P ( A ) ¦ i i
( ) i
14
Vgl. ROMMELFANGER, H. (2002), S. 53
i
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
123
Ankunftszeiten15 der Flüge als Fuzzy-Mengen dargestellt. Die Zugehörigkeitsfunktionen der entsprechenden Fuzzy-Mengen geben bei einer solchen Vorgehensweise die Zugehörigkeit bestimmter Ausprägungen der Zeitenlagen der Flüge zu der Menge der tatsächlichen Abflugs- und Ankunftszeiten an. Durch die Möglichkeitsmaße bzw. die Möglichkeitsverteilungen werden dabei die Einschätzungen der Modellbenutzer bezüglich der Möglichkeit für die Realisierung bzw. die Eintrittschancen unterschiedlicher Abflugs- und Ankunftszeiten ausgedrückt. Zusätzlich zu dieser Einschätzung können auch weitere subjektive Aspekte, wie Wünsche, Erwartungen und Erfahrungen der Experten, in die Spezifikation von Zugehörigkeitsgraden einfließen. Durch die Eingabe der subjektiven Vorstellungen bezüglich der Länge bzw. der Anfangs- und Endzeitpunkte gewisser Ereignisse geben die Experten auch ihre Einstellung zu den Faktoren an, die diese Ereignisse beeinflussen. Spezifiziert z.B. der Experte die Zugehörigkeitsfunktion für die Ankunftszeit eines Fluges, so prognostiziert und analysiert er die mögliche Auslastungssituation am Startflughafen dieses Fluges, die im ungünstigen Fall zu Verspätungen führen kann. Zudem muss er für die Ausführungsperiode des Flugplans z.B. auch die Aktionen der Flugsicherungszentralen und die eventuellen negativen Wettereinwirkungen sowie andere ihm relevant erscheinende Parameter analysieren und berücksichtigen. Erfolgt dagegen die Herleitung der Zugehörigkeitsfunktionen ausschließlich auf historischen Daten, ohne dabei das subjektive Wissen und die Erfahrung des Experten bezüglich der möglichen Änderungen der Einflussfaktoren einzubeziehen, so wird die Gleichheit der Rahmenbedingen in vergangenen Perioden und in der Planperiode unterstellt, was den Sachverhalten der Realität widerspricht. Basiert man die Zugehörigkeitsfunktionen auf der subjektiv wahrgenommenen Möglichkeit des Eintretens unterschiedlicher Zeitenlagen der Flüge, so können mit den Zugehörigkeitsfunktionen subjektive linguistische Behauptungen der Experten bezüglich Start-, End- oder Flugzeit dieser Flüge modelliert werden wie "genau X Minuten", "zwischen X und Y Minuten", "spätestens bzw. frühestens um Z Uhr" und "ungefähr um Z Uhr".16 Abbildung 5.2 zeigt mögliche Gestalten der Zugehörigkeitsfunktion für solche Behauptungen.
15
D.h. solche Abflugs- und Ankunftszeiten, die tatsächlich in der Ausführungsperiode der jeweiligen Flugplans realisiert werden 16 Vgl. KEHR, J. (1995), S. 98-100
124
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
Genau 14:00
Zwischen 13:00 und 15:00
1
1
0
0 12:00
14:00 13:00
12:00
16:00
Frühestens 14:00 1
0
0 14:00 13:00
12:00
16:00
14:00 13:00
15:00
16:00 15:00
Frühestens 12:00 und spätestens 16:00
Ungefähr 14:00 1
16:00 15:00
Spätestens 14:00
1
12:00
14:00 13:00
15:00
1
0
0 12:00
14:00 13:00
16:00 15:00
12:00
14:00 13:00
16:00 15:00
Abbildung 5.2: Modellierung der subjektiven Aussagen der Entscheider bezüglich der Zeitenlagen der Ereignisse
5.3.2 Rangordnung und Vergleich der als Fuzzy-Mengen dargestellten Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge Um die Reihenfolge des zeitlichen Auftretens der durch die Fuzzy-Mengen definierten Ankunftszeit eines Zubringerfluges und der Abflugszeit eines Anschlussfluges beurteilen zu können, ist ein Größenvergleich der entsprechenden Fuzzy-Mengen notwendig. Im Gegensatz zu reellen Zahlen sind Fuzzy-Mengen nicht wohlgeordnet, sondern sie geben Intervalle vor, deren Werte bestimmten Mengen mit einem gewissen Zugehörigkeitsgrad angehö und B ren. Der Größenvergleich von zwei Fuzzy-Zahlen oder -Mengen A kann somit entweder durch eine eindeutige Ja-/Nein-Antwort oder durch die ist größer(-gleich) Angabe eines Gültigkeitsgrades für die Behauptungen " A
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
125
B " oder " A ist kleiner(-gleich) B " erfolgen.17 Das Ergebnis des Vergleichs ist im ersten Fall eine Fuzzy-Zahl und im zweiten Fall eine Fuzzy-Relation18. Der Vergleich von Fuzzy-Mengen wird mit Hilfe von Präferenz- und Rangordnungsverfahren realisiert. Es existieren zahlreiche Publikationen, die sich mit der Darstellung und Entwicklung diverser Rangordnungsverfahren befassen19. Die Grundidee dieser Verfahren besteht im Wesentlichen in der Kalkulation einer als ein Zugehörigkeitsgrad zu interpretierenden Kennzahl µ(i) für jede . Aus der Ordnung der so berechneder zu vergleichenden Fuzzy-Mengen A i ten Kennzahlen wird dann die Rangordnung der Fuzzy-Mengen abgeleitet:
Ai ≥ A j ⇔ µ (i ) ≥ µ ( j )
(5.10)
Die Präferenz- und Ordnungsverfahren werden oft in verschiedenen FuzzyScheduling-Modellen zur Zeitanalyse der Vorgänge, wie z.B. zur Ermittlung der frühesten bzw. spätesten Zeitpunkte für die Ausführung von bestimmten Ereignissen oder zur Berechnung von Pufferzeiten, herangezogen. Die für diese Arbeit im Zusammenhang mit Fuzzy-Zugehörigkeitsgraden der Abflugsoder Ankunftszeiten der Flüge relevante Fragestellung besteht in der Bestimmung der Eintrittschancen für das Nichterreichen einer Anschlussverbindung aufgrund der Tatsache, dass die Abflugszeit des Anschlussfluges später als die um die MCT verlängerte tatsächliche Ankunftszeit des Zubringers liegt. Am Beispiel eines der einfachsten Präferenzordnungsverfahren, der so genannten ρ-Präferenz, soll hier demonstriert werden, dass sich die Präferenz- und Ordnungsverfahren für die Beantwortung der in dieser Arbeit interessierenden Fragestellung nicht eignen. Definition 11 (ρ-Präferenz): Sei ρ ∈ [0, 1] die kleinste reelle Zahl, für die für ∈℘(X~ ) und B ∈℘(~X) die Ungleichung zwei Mengen A (5.11) Inf A ≥ Sup B , ∀ ρ ∈ [0, 1] α
α
gilt und für wenigstens ein α die Ungleichung (5.11) im strengen Sinne erfüllt ist. Aα = {x ∈ X | µA(x) ≥ α} und Bα = {x ∈ X | µB(x) ≥ α} bezeichnen dabei
17
Vgl. RABETGE, C. (1991), S. 75 Als eine n-stellige Fuzzy-Relation zwischen n klassischen Mengen bezeichnet man jene Fuzzy-Menge R = {((x1,..., xn), µR(x1,..., xn)) | (x1,..., xn) ∈ X1 ×...× Xn} auf dem kartesischen Produkt X1 ×...× Xn 19 Dazu siehe z.B.: LITOIU, M. / TADEI, R. (2001), S. 41ff.; BORTOLAN, G. / DEGANI, R. (1985), S. 3ff.; LIOU, T.S. / WANG, M.JJ. (1992), S. 248ff.; FORTEMPS, P. / ROUBENS, M. (1996), S. 320ff.; ROMMELFANGER, H. (1986), S. 219ff. 18
126
Kapitel 5
Darstellung der Unsicherheitsaspekte mit der Theorie der Fuzzy-Mengen
und B . Dann wird die Menge A der Menge B auf die α-Niveau-Mengen von A >ρ B . dem Niveau ρ vorgezogen und man schreibt A Die Abbildung 5.3 zeigt die Präferenzrelation für den Vergleich zweier Fuzzy und B repräsentieren dabei jeweils die Abflugszeit des Zahlen. Die Zahlen A Anschlussfluges und die um die Minimum Connecting Time verlängerte Ankunftszeit des Zubringerfluges. ~ B
µ
~ A
ρ=0
x ~ A
µ
~ B
0 als bisheriger bester ∆-Profit?
Nein
Speichere die Zeitenlagen der aktuellen Flugplanlösung
bisheriger bester ∆-Profit = aktueller ∆-Profit
Nein Wähle die nächste Zeitenlage aus dem Zeitfenster
Ja
Sind die Zeitfensterund Taburestriktion erfüllt ?
Nein
Nein
Gehe zum nächsten Flug Erhöhe Iterationszähler Nein
Sind alle möglichen Zeitenlagen aus dem Zeitfenster untersucht worden ?
Sind alle Inbound- bzw. Outbound-Flüge untersucht worden ?
Rufe die Update-Prozedur auf Ja
Ist das Abbruchskriterium erfüllt ?
E N D E
Ja Erzeuge Ausgabefiles
Update der Zeitenlagen der Codeshare-Flüge
Update der Zeitenlagen der MehrLeg-Flüge
Update des Abstands zu den nächstmöglichen Flügen
Update der Tabu-Liste
Update der Zeitcluster (für die Bildung der Connections)
Update der Berechnung der Flugzeugzahl
Abbildung 7.16: Funktionsweise des Master-Problems
Setze die aktuellen Zeiten der Flüge mit bisher bestem ∆-Profit auf die gespeicherten Zeitenlagen
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
193
Basierend auf dieser Logik werden im Rahmen der Ausführung des MasterProblems, wie in Abbildung 7.16 skizziert, als Erstes alle Nachbarschaftslösungen mit Hilfe der Sub-Probleme bewertet. Aus den so bewerteten Flugplänen wird dann ein Flugplan ausgewählt, der zur größten positiven bzw. kleinsten negativen Differenz zum aktuellen Zielfunktionswert führt. Im nächsten Iterationsschritt wird ausgehend von diesem Flugplan bei den entgegen gerichteten Flügen 14 nach neuen Vorschlägen für die optimalen Ankunfts- und Abflugszeiten gesucht.
Abbildung 7.17: Eingabemaske des Software-Tools zur Parametrisierung der Optimierungsroutine
Die Suche wird eingestellt, sobald das Abbruchskriterium erfüllt ist, das vom Eintreten folgender Bedingungen abhängt: 1. Die vorgegebene Anzahl der Iterationen wurde erreicht. Vor jedem Optimierungslauf definiert der Benutzer die maximale Anzahl der Iteratio14 Entgegen gerichtet bedeutet in diesem Zusammenhang ein Outbound-Flug, wenn der jeweilige Flug ein Inbound-Flug ist, und umgekehrt.
194
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
nen, die bei der Ausführung der Optimierungsroutine durchlaufen werden dürfen. Die Abbildung 7.17 zeigt eine Parametereingabemaske des Software-Tools, über die solche Angaben getätigt werden. 2. Der vorgegebene Mindestwert für die Zielfunktionsverbesserung ist für eine bestimmte Anzahl von Iterationen unterschritten. Der Modellbenutzer wird in der Regel nur dann einer Änderung der aktuellen Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge im Flugplan zustimmen, der als Modellinput fungiert und in den ersten Phasen des Planungsprozesses voroptimiert wurde, wenn die damit verbundene Zielfunktionsverbesserung nicht kleiner als ein gewisser Mindestbetrag ist. Dies erklärt sich damit, dass die Verschiebung der gewohnten Zeitenlagen Unannehmlichkeiten für Passagiere sowie operationelle Probleme verursachen kann. Deshalb ist es wünschenswert, die Abflugs- und Ankunftszeiten nur dann neu zu positionieren, wenn dies zu einer signifikanten Verbesserung der Ertragslage der Fluggesellschaft führt. Findet der Optimierungsalgorithmus während einer bestimmten Anzahl von Iterationen keinen Vorschlag zur Repositionierung der Flüge, der eine den Mindestwert übersteigende Zielfunktionsverbesserung produziert, so wird die Suche abgebrochen und die in diesen Iterationen vorgenommenen Änderungen der Zeitenlagen zurückgenommen. Die Anzahl der Iterationsschritte, in denen eine Verschlechterung bzw. nicht signifikante Verbesserung der Ertragssituation der Airline vom Suchalgorithmus zu akzeptieren ist, ist ein vom Benutzer zu spezifizierender Parameter, der in der in Abbildung 7.17 dargestellten Eingabemaske des Software-Tools spezifiziert wird. Zur Beschleunigung des Optimierungsprozesses wird im Master-Problem die Möglichkeit eingeräumt, in jedem Iterationsschritt mehr als nur einen Vorschlag zur Zeitenlagenrepositionierung zu akzeptieren. In jeder Iteration werden die Zielfunktionswerte für alle relevanten Nachbarschaftslösungen berechnet. Daher ist es relativ einfach und auch sehr sinnvoll, nicht nur eine einzige beste Verschiebung der zeitlichen Position für einen einzigen Flug, sondern auch die nächstbesten Verschiebungen zu selektieren und zu akzeptieren, sofern deren Zielfunktionsverbesserungen den vordefinierten Mindestwert überschreiten und sie sich nicht auf die gleichen Flüge beziehen. Prinzipiell wäre damit sogar die Akzeptanz aller jeweils besten, den beschriebenen Anforderungen genügenden Repositionierungen zu bzw. von jeder Destination mit der maximalen Steigerung des Zielfunktionswertes verbunden. Bei einer solchen Vorgehensweise und unter Verwendung von statischen TabuListen würde sich allerdings die Kontrolle über den Optimierungsprozess sehr
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
195
kompliziert gestalten. Dies resultiert daraus, dass zu Beginn der Optimierung die Länge der Tabu-Liste nur willkürlich dimensioniert werden kann, da die Anzahl der Lösungen nicht bekannt ist, die später in den einzelnen Iterationen akzeptiert werden. Zur Vermeidung der Probleme mit der Steuerbarkeit des Optimierungsprozesses wird hier eine Maximalzahl der Flüge spezifiziert, für die im Rahmen eines Iterationsschrittes eine Verschiebung der Zeitenlagen vollzogen werden darf. Um ein effizientes Durchsuchen des Lösungsraumes zu gewährleisten, wird für die Steuerung der Tabu-Suche im Rahmen des Master-Problems eine Intensivierungs- und Diversifikationsstrategie definiert. Das Ziel einer solchen Strategie ist die Konzentration des Suchprozesses auf die Erfolg versprechenden Bereiche und die Identifikation und die Vermeidung von Bereichen, in denen sich die optimalen Lösungen offensichtlich nicht befinden können. Die spezifizierte Strategie bezieht sich auf die Auswahl der Flüge, für die sich die Änderung der Zeitenlagen lohnen kann, sowie auf die Selektion der zu einer signifikanten Ergebnisverbesserung führenden Abflugs- und Ankunftszeiten im Rahmen der Zeitenlagenfenster solcher Flüge. Ausgehend von der im vorherigen Iterationsschritt ermittelten maximalen Zielfunktionsverbesserung, die ein Flug durch die Veränderung seiner Zeitenlagen stiften kann, werden in der aktuellen Iteration nur bestimmte Flüge untersucht: Es handelt sich um jene, deren Ergebnisverbesserung kleiner als die durchschnittliche Verbesserung der im vorherigen Iterationsschritt akzeptierten Flüge sowie größer als der mit einem vom Benutzer definierten Faktor multiplizierte vorgegebene Mindestwert ist. Die Selektion der Flüge mit einer unterdurchschnittlichen Ergebnissteigerung erklärt sich zum einen durch die fehlende Notwendigkeit der Überprüfung der Zeitenlagenverschiebungen für die Flüge, die eine hohe Zielfunktionsverbesserung aufweisen, in der letzten Iteration akzeptiert wurden und bereits in der Lösung enthalten sind. Zum anderen ist damit die Hoffnung verbunden, die zu einer unterdurchschnittlichen Gewinnerhöhung führenden Flüge künftig besser positionieren zu können. Der Verzicht auf die Betrachtung der Flüge mit einer maximalen Verbesserung des Zielfunktionswertes, die kleiner als der Mindestwert ist, resultiert aus der Vermutung, dass diese Flüge bereits optimal positioniert sind und deren Zeitenlagen nicht verändert werden müssen. Durch die oben beschriebenen Intensivierungskriterien werden bestimmte Bereiche des Lösungsraumes vom Aufsuchen und Bewerten ausgeschlossen. Da jedoch auch in diesen Bereichen potenziell optimale Lösungen liegen kön-
196
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Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
nen, werden mit einer vom Benutzer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit auch die Regionen des Lösungsraumes besucht, für die das Intensivierungskriterium nicht gilt. Dies erhöht die Chance, das globale Optimum zu finden.15 Nach der Entscheidung über die Flüge, für die sich eine Repositionierung der Abflugs- und Ankunftszeiten lohnen kann, wird im Rahmen der Suchstrategie als Nächstes festgelegt, wie das Zeitenlagenfenster dieser Flüge durchwandert wird. Als Erstes wird die frühestmögliche Zeit aus dem Zeitfenster eingestellt und bewertet. Ist die damit verbundene Zielfunktionsverbesserung kleiner als 50% des mit einem vom Benutzer definierten Faktor multiplizierten Mindestwertes, so wird die nächste Nachbarschaftslösung durch die Verschiebung der eingestellten Abflugs- und Ankunftszeit um 15 Minuten gebildet. Ist die Zielfunktionsverbesserung kleiner als der mit einem Faktor skalierte Mindestwert, jedoch größer als 50% dieses Wertes, so werden die Zeitenlagen in der nächsten zu generierenden Lösung entsprechend um zehn Minuten verändert. Übersteigt die Ergebnisverbesserung den skalierten Mindestwert, beträgt der Zeitschritt fünf Minuten. Ähnlich wie bei der Selektion der zu untersuchenden Flüge werden hier mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit anstatt der 15- bzw. 10-minütigen Sprünge die fünfminütigen Repositionierungen gewählt. Wie aus Abbildung 7.16 ersichtlich ist, ist die Kontrolle der Restriktionseinhaltung in den Prozess des Generierens von Nachbarschaftslösungen integriert. Zur Bewertung der Gültigkeit der Flottenrestriktion muss die mit jeder Änderung der Zeitenlagen assoziierte Anzahl der für die Ausführung eines Flugplans notwendigen Flugzeuge berechnet werden. Da der Aufbau von Flugzeugrotationen zeit- und rechenaufwendig ist, wird diese Anzahl im Modell mit Hilfe der Methode der "parallelen Flüge" kalkuliert. Das Prinzip der Methode besteht in der Bestimmung des Maximums der Flugzeuge für jeden Flugzeugtypen, die sich für jedes im Rahmen der Tageszeit verfügbare FünfMinuten-Fenster in der Luft befinden oder auf ihren nächsten Einsatz am Boden warten. Die Wartezeit am Boden wird dabei durch die für jeden Flugzeugtyp spezifische Turnaround-Zeit abgebildet. Die Funktionsweise der Methode wird in Abbildung 7.18 verdeutlicht.
15
Eine ähnliche Vorgehensweise wird in LEIBOLD, K. (2001), S. 141 vorgeschlagen
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
197
Flug 1 Flug 2 Flug 3 Flug 4 Flug 5 Flug 6
Tageszeit
2 Flugzeuge
4 Flugzeuge
5 Flugzeuge
3 Flugzeuge
Flugzeit Turnaround-Zeit
Abbildung 7.18: Methode der "parallelen Flüge"
Im Modell wird vor jedem Vorschlag zur zeitlichen Neupositionierung eines Fluges geprüft, ob sich dadurch die Anzahl der Flugzeuge des betroffenen Flugzeugtypen erhöht. Ist dies der Fall, wird der Vorschlag verworfen. Die für die Kontrolle der Einhaltung der Slot-Restriktionen benötigten Informationen über die maximale Anzahl der zur Verfügung stehenden Start- und Lande-Slots werden vor der eigentlichen Optimierung in den dafür vorgesehenen Oberflächen des Software-Tools einzeln für die Inbound- und Outbound-Flüge eingegeben. Die Slot-Restriktionen werden im Modell außer für die Gewährleistung der operationellen Durchführbarkeit der entwickelten Flugpläne noch zur Verhinderung der Entstehung einer großen Verkehrswelle benötigt, die zwar unter Aspekten der Umsatzmaximierung optimal, jedoch aus der Nutzenperspektive der Passagiere nicht erwünscht ist. Ähnlich wie bei der Untersuchung der Änderung der Flugzeugzahl wird vom Master-Problem vor jeder neuen Festlegung der Abflugs- und Ankunftszeiten geprüft, ob die Anzahl der verfügbaren Slots überschritten wird. Da bei der Überprüfung der Validität einer Nachbarschaftslösung die Einhaltung der Restriktionen nach der Verschiebung der zeitlichen Position eines einzigen Fluges kontrolliert wird, muss bei der gleichzeitigen Akzeptanz meh-
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Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
rerer Zeitenlagenverschiebungen die Gültigkeit der Slot- und Flotten-Restriktionen erneut überprüft werden. Sollte festgestellt werden, dass die neue Lösung, die durch Änderung der Abflugs- und Ankunftszeiten mehrerer Flüge entstanden ist, die Restriktionen verletzt, werden in dieser Lösung in einem iterativen Vorgang die Zeitenlagenverschiebungen der Flüge zurückgenommen, die im Vergleich zu allen anderen im aktuellen Iterationsschritt akzeptierten Flügen die kleinste Zielfunktionsverbesserung aufweisen. Dieser Vorgang wird solange ausgeführt, bis die Einhaltung aller Restriktionen garantiert ist.
Abbildung 7.19: Eingabe der verfügbaren Slots im Software-Tool
Nachdem eine Nachbarschaftslösung von der Optimierungsroutine akzeptiert wurde, muss das Master-Problem das Gesamtsystem aktualisieren. Dazu werden, wie in Abbildung 7.16 aufgezeigt, die Zeitenlagen der betroffenen Codeshare- und Mehr-Leg-Flüge entsprechend angepasst sowie der zeitliche Abstand zu den nächstmöglichen Flügen für die Flüge neu berechnet, deren Zeitenlagen verändert wurden. Außerdem wird die neue Lösung in die TabuListe aufgenommen und die zur schnelleren Bildung der Transferverbindungen verwendeten Tabellen mit den Zeitclustern werden aktualisiert. Im Laufe des Optimierungsprozesses werden vom Software-Tool, wie in Abbildung 7.20 dargestellt, die in jedem Iterationsschritt akzeptierten Zeiten-
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
199
lagenverschiebungen sowie die Entwicklung des Zielfunktionswertes angezeigt. Um die Nachvollziehbarkeit der Modellergebnisse zu gewährleisten, erzeugt das Software-Tool am Ende des Optimierungsprozesses sehr detaillierte Ausgabefiles. Diese enthalten die Informationen über die Direkt- und Transferpassagierumsätze sowie die Verspätungskosten und die Anzahl der zu erwartenden Direkt- und Transferpassagiere für jeden Flug und jede Transferverbindung. Die Informationen werden jeweils für das Segment der Geschäfts- und Privatreisenden präsentiert und können zur genauen Analyse der Auswirkungen einzelner Zeitenlagenverschiebungen verwendet werden.
Abbildung 7.20: Grafische Oberfläche des Software-Tools zum Anzeigen des Optimierungsverlaufs
7.3 Empirische Bewertungs- und Optimierungsläufe Um die Praxistauglichkeit des entwickelten Modells unter Beweis zu stellen, wird es zur Bewertung und Optimierung reeller Flugpläne eingesetzt. Ziel eines solchen Einsatzes ist die Erklärung der Sachverhalte der Realwelt mit
200
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Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
dem Modell, die Bewertung der Planungseffizienz der Flugplanentwickler sowie die Erarbeitung von konkreten Vorschlägen zur Planungsverbesserung. Untersucht werden die Flugpläne von American Airlines in Chicago O’Hare (ORD) und Dallas/Fort Worth (DFW) sowie von der Deutschen Lufthansa in Frankfurt (FRA) im Zeitraum von Sommer 1999 bis Sommer 2004. Diese Fluggesellschaften haben die Struktur ihrer Flugpläne im Rahmen der im Abschnitt 4.2.3.2 beschriebenen strategischen Reaktionsmaßnahmen auf die Flugverspätungen durch das so genannte De-Peaking teilweise oder komplett verändert. Mit dem Modell soll nun bewertet werden, wie sich das De-Peaking auf die zu erwartenden Direkt- und Transferpassagiere sowie auf die Passagierumsätze und Verspätungskosten auswirkte. Ein weiterer interessanter Punkt, den man mit dem Modell klären kann, ist die Identifizierung von Transferverbindungen mit dem negativen Deckungsbeitrag. Dies sind gemäß der Modellformulierung in der Formel (7.1) Verbindungen, deren Verspätungskosten die Passagierumsätze übersteigen. Solche Verbindungen entstehen, wenn z.B. hohe Übernachtungskosten anfallen oder wenn die Wartezeit auf den nächstmöglichen Flug zur Zieldestination sehr lang ist. Für die Analysen werden die vom OAG16 publizierten Weltflugpläne verwendet. Es wird stets zwischen den Sommer- und Winterflugplänen unterschieden, da diese verschiedene Gültigkeitsdauer haben und zum Teil andere Strukturen und Destinationsportfolios aufweisen können. Solch eine Unterscheidung ist außerdem wegen der ungleichen Witterungsbedingungen in den Sommer- und Wintermonaten sinnvoll, von denen die Flugverspätungen und somit die Verspätungskosten wesentlich beeinflusst werden können. Die Sommerflugpläne gelten von April bis einschließlich Oktober des jeweiligen Jahres. Die Winterflugpläne erstrecken sich vom November bis März. Die Fuzzy-Zugehörigkeitsfunktionen für die Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge werden aus den Daten der entsprechenden Flugplanperiode hergeleitet. Die in den nachfolgenden Abschnitten präsentierten Auswertungen beziehen sich mit Ausnahme der Gesamtzahl der Flugbewegungen in einer Flugplanperiode auf einen Verkehrstag. Dies bedeutet, dass alle Umsatz-, Kostenund Passagierzahlen für einen repräsentativen Wochentag berechnet wurden. 16
Der Official Airline Guide (OAG) enthält detaillierte Informationen über die Flüge aller Linienfluggesellschaften
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
201
Zur Optimierung der Abflugs- und Ankunftszeiten wurde für alle Flüge ein Zeitenlagenfenster von einer Stunde festgelegt, das durch Subtraktion bzw. Addition von jeweils 30 Minuten zu den planmäßigen Zeitenlagen gebildet wird. Da sämtliche Modellergebnisse in bedeutendem Maße von den gesetzten Parametern abhängen, werden alle für die empirischen Bewertungs- und Optimierungsläufe verwendeten Parameter im Anhang ausgewiesen. Auf der beigefügten CD-ROM befinden sich außerdem Wellenbilder der ursprünglichen und optimierten Flugpläne sowie die konkreten im Rahmen der Optimierung erarbeiteten Verbesserungsvorschläge zur zeitlichen Repositionierung der einzelnen Flüge. 7.3.1 Bewertung und Optimierung der Flugpläne von American Airlines in Chicago O'Hare In Abbildung 7.21 sind die PAX-Erträge der Flugpläne zusammengefasst, die als Differenz zwischen erwarteten Passagierumsätzen und Verspätungskosten definiert werden. Man erkennt daraus, dass mit dem entwickelten Optimierungsmodell eine signifikante Steigerung des Airline-Ergebnisses um ca. 4-5% erzielt werden kann. PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspä- PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspätungskosten) für Sommerflugpläne [Mio. USD] tungskosten) für Winterflugpläne [Mio. USD] +5,0%
+4,2%
+4,8%
+4,8%
+6,0%
+4,7%
+5,6%
+4,5%
+3,5%
25,3
23,6
24,2 22,5
24,0
20,3
S99
22,8
22,3
22,7
22,7
21,9
21,1
21,0
W99/00
W00/01
+4,1%
23,5 22,4
22,5 21,5
21,7
21,5
19,3
+4,4%
20,7 19,8
S00
Ausgangsflugplan
S01
S02
S03
S04
W01/02
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.21: Entwicklung des PAX-Ertrags von American Airlines in Chicago (ORD) 1999-2004
202
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Verspätungskosten [Mio. $], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Sommerflugpläne
Verspätungskosten [Mio. $], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Winterflugpläne
Rolling Hub 1,21
1,17
Rolling Hub
1,05
1, 04
1,21
1,05
1,15
1,12
1,12
0,98
0,91 1,02
8,4% 7,6%
1,01
7,7%
0,95 0,87
S01
Ausgangsflugplan
6,8%
S02
5,8%
0,74 0,70
6,4%
0,90
5,5%
4,5%
S00
0,91
6,5% 5,5%
S99
0,78
1,01
7,5% 6,6%
0,85
7,6%
4,4% 4,9%
S03
5,2%
S04
W99/00
5,8%
5,2%
5,7%
W00/01
W01/02
6,4%
4,5% 4,0%
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
x
Verspätungskosten im Ausgangsflugplan
y
Verspätungskosten im optimierten Flugplan
Abbildung 7.22: Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von American Airlines in Chicago (ORD)
Abbildung 7.22 zeigt die Entwicklung der Schätzwerte für die Höhe und den Anteil der gesamten Verspätungskosten für die Flüge von American Airlines in Chicago O'Hare. Aus dieser Abbildung lässt sich leicht erkennen, dass die Einführung von De-Peaking bzw. von der als "Rolling Hub" bezeichneten gleichmäßigen Verteilung der Flüge über den Tag zu einer signifikanten Reduzierung der gesamten passagierbezogenen Verspätungskosten um ca. 20% führte. Eine sogar noch wichtigere Kennzahl zur Beurteilung der Effektivität des Verspätungskostenmanagements als der Absolutbetrag der monetären Konsequenzen von Flugverspätungen ist das Verhältnis der Verspätungskosten zu den Transferpassagierumsätzen. Diese Kennzahl zeigt, auf welchen Anteil der durch die Beförderung von Transferpassagieren generierten Erlöse eine Fluggesellschaft wegen verspätungsbedingter Passagierentschädigung verzichten muss. Die Ergebnisse des Modells zeigen deutlich, dass der Anteil der Verspätungskosten durch das De-Peaking zurückging. Aus der rechten Grafik der Abbildung 7.22, die die Verspätungskostenentwicklung in den Winterflugplänen präsentiert, erkennt man auch, dass diese Kennzahl bereits ein Jahr vor der eigentlichen Einführung von Rolling Hub gesunken ist. Dies erklärt sich im Wesentlichen durch einen starken Rückgang der gesamten Flugbewegungen am Flughafen sowie der Flugbewegungen von Ameri-
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Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
203
can Airlines17. Dieser Rückgang war durch die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York sowie durch die allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftslage hervorgerufen und bedingte durch die Entspannung der Überlastungssituation am Flughafen eine Verbesserung der Verspätungsstatistiken. Abbildung 7.23 zeigt die Entwicklung der Flugbewegungen in Chicago O'Hare. Anzahl der Flugbewegungen in ORD, Sommerflugpläne 1.002
1.042
994
1043
Anzahl der Flugbewegungen in ORD, Winterflugpläne 1.107
979
1.094
1.022
994
988
926 589.000
557.000 533.000
539.000
+1,2%
S99
S00
S01
368.000
+2,7%
S02
-2,5%
355.000
+1,5%
+8,4%
S03
376.000
373.000
543.000
542.000
+0,5%
404.000
S04
W99/00
-4,9%
W00/01
+6,0%
W01/02
+7,4%
W02/03
W03/04
Gesamte Flugbewegungen am Flughafen während der Flugplanperiode Flugbewegungen von American Airlines an einem Tag
Abbildung 7.23: Anzahl der Flugbewegungen in Chicago O'Hare (Quelle: Chicago Airport Authority, OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen)
Den Effekt der Reduzierung der Flugfrequenzen und die damit einhergehende primär durch externe Einflüsse hervorgerufene Verbesserung des Überlastungsproblems könnte man aus dem Winterflugplan 2001/2002 herausrechnen, indem man die entsprechenden Verspätungskosten unter Verwendung der aus dem Winterflugplan 2000/2001 hergeleiteten Zugehörigkeitsfunktionen kalkuliert. Dabei ergibt sich ein Absolutbetrag der Verspätungskosten von 1,35 Mio. USD pro Tag sowie ein Verhältnis Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen von 7,9%. Dies ist ein deutlich schlechteres Ergebnis als nach der Einführung von Rolling Hub. Ein starkes Ansteigen der Verspätungskosten im Winterflugplan 2003/2004 kann ähnlich wie oben mit dem rapiden Wachstum der Flugbewegungen und des damit verbundenen Passagieraufkommens begründet werden. 17
Als Flugbewegung wird ein Start- oder Landeereignis bezeichnet
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Kapitel 7
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American Airlines, ORD, Sommer 2001
American Airlines, ORD, Sommer 2002
Abfliegende Flüge
Abfliegende Flüge
Tageszeit
Ankommende Flüge
Tageszeit
Ankommende Flüge
Abbildung 7.24: Flugplanstruktur von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD) in den Sommern 2001 und 2002 (Quelle: OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen)
Einige Ursachen für den Rückgang der Verspätungen, der mit der Einführung von Rolling Hub einherging, können mit Hilfe der in Abbildung 7.25 dargestellten Statistiken erläutert werden. Dort wird die Anzahl der Transferverbindungen von American Airlines in den Sommerflugplänen 2001 und 2002 gezeigt, die am Flughafen Chicago O'Hare für alle möglichen Transferzeiten im Rahmen des definierten Hit-Fensters aufgebaut werden. Man erkennt daraus, dass im Sommerflugplan 2001 mit seinen ausgeprägten Wellenstrukturen (siehe Abbildung 7.24), relativ viele Transferverbindungen mit einer sehr kurzen Transferzeit von 50 bis ca. 75 Minuten enthalten waren. Diese aus Marktsicht attraktiven Verbindungen führten jedoch beim Eintreten der Irregularitäten im Flugbetrieb zu passagierbezogenen Verspätungskosten, da die Transferpassagiere das zweite Segment ihrer Reiseverbindung oft nicht erreichen konnten. Mit der Einführung von Rolling Hub im Sommer 2002 reduzierte sich die Anzahl der schnellen Transferverbindungen, wobei die Anzahl der etwas langsameren und weniger verspätungskostenanfälligen, aber dennoch wettbewerbsfähigen Verbindungen mit einer Transferzeit von 75 bis 150 Minuten im Vergleich zum Sommerflugplan 2001 deutlich zunahm. In Abbildung 7.25 sind ausgeprägte Verlaufsmuster der Anzahl der Transferverbindungen zu erkennen, die eine sinuskurvenähnliche Gestalt aufweisen. Im Sommerflugplan 2001 sind die Phasen dieser Sinuskurve relativ kurz, was auf die Ballung der Passagierströme in engen und nah aufeinander positionierten Verkehrswellen hindeutet. Trotz der weitgehend gleichmäßigen Ver-
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
205
teilung der Flüge über den Tag im Rolling-Hub-Flugplan finden sich jedoch auch hier, wie Abbildung 7.25 zeigt, "versteckte" Wellenstrukturen18, die zur Maximierung der Anzahl der Transferverbindungen führen. Diese Wellen der Transferverbindungsanzahl haben jedoch deutlich längere Phasen als im Sommerflugplan 2001, was auf die Konstruktion von längeren und somit weniger verspätungsanfälligen Verbindungen hindeutet. Anzahl der Transferverbindungen 1.200 1.000 800 600 400 200 0 0:50
1:15
1:40
2:05
2:30
2:55
3:20
3:45
4:10
4:35
5:00
Transferzeit Sommerflugplan 2001 (ohne De-Peaking) Sommerflugplan 2002 (mit De-Peaking)
Abbildung 7.25: Anzahl der Transferverbindungen von American Airlines in den Sommerflugplänen 2001 und 2002, die über Chicago O'Hare verlaufen, und ihre Transferzeit (Quelle: OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen)
Dank der oben gezeigten ausgeprägten Wellenstruktur im Verlauf der Anzahl der Transferverbindungen in Rolling-Hub-Flugplänen konnten die Transferpassagierumsätze von American-Airlines-Flügen, die über Chicago O'Hare verlaufen, nach dem De-Peaking beibehalten oder sogar gesteigert werden. Die Abbildungen 7.26 und 7.27 stellen die Entwicklung der Transferpassagierumsätze sowie der Konnektivität der Flugpläne dar. Die Konnektivität, die als Verhältnis der Anzahl der Hits zu der Anzahl der Inbound-Flüge berechnet wird, zeigt, wie viele mögliche Transferverbindungen ein Passagier im Schnitt 18 "Versteckte" Wellenstrukturen, da diese aus dem Flugplanprofil nicht ersichtlich sind und nur über die Anzahl der Transferverbindungen pro Transferzeiteinheit erkannt werden können
206
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
antreten kann, der mit einem Flug am jeweiligen Hub-Flughafen ankommt. Man erkennt aus den Abbildungen 7.26 und 7.27, dass die Transferpassagierumsätze durch die Implementierung von Rolling Hub nicht unter das Niveau von Flugplänen mit einer ausgeprägten Wellenstruktur gefallen sind. Die Geschätzte Transferpassagierumsätze für Sommerflugpläne [Mio. USD]
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds
Rolling Hub 19,4
Rolling Hub 71
18,7
18,4
70
17,5
17,5
17,1 15,3 14,4
15,4
67
66
64
16,6 16,2
61
14,6
S99
S00
S01
Ausgangsflugplan
S02
S03
S04
S99
S00
S01
S02
S03
S04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.26: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD) Geschätzte Transferpassagierumsätze für Winterflugpläne [Mio. USD]
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds
Rolling Hub
Rolling Hub 68
17,8
17,6 17,1
17,1
16,5
15,5
16,3
64
16,7
65
16,3
15,5
60 60
W99/00
W00/01
Ausgangsflugplan
W01/02
W02/03
W03/04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.27: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von American Airlines in Chicago O'Hare (ORD)
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
207
Konnektivität sank zwar, blieb jedoch relativ hoch. Die Steigerung der Transferpassagierumsätze, die mit einer Reduktion der Konnektivität verbunden ist, zeugt von der Fokussierung der Planung auf die Märkte mit einem höheren Passagieraufkommen. Mit Ausnahme des Winterflugplans 2003/2004 lässt sich, wie Abbildung 7.28 zeigt, nach der Einführung von Rolling Hub ein Rückgang der Anzahl der Verbindungen mit negativem Deckungsbeitrag feststellen. Summe der negativen Deckungsbeiträge im Ausgangsflugplan, Sommerflugpläne [Tsd. $]
Summe der negativen Deckungsbeiträge im Ausgangsflugplan, Winterflugpläne [Tsd. $]
Rolling Hub
Rolling Hub -60,5
-100,9
-54,0 -46,7
-71,5
-54,3
-51,3 -45,5 -34,2 -15,5 -11,9
S99
S00
S01
S02
S03
S04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Abbildung 7.28: Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag
7.3.2 Bewertung und Optimierung der Flugpläne von American Airlines in Dallas/Fort Worth Abbildung 7.29 demonstriert die Entwicklung des als Differenz zwischen erwarteten Passagierumsätzen und passagierbezogenen Verspätungskosten definierten PAX-Ertrags im Flugplan von American Airlines in Dallas. Es zeigt sich, dass der Betrag dieser Kennzahl in den letzten Jahren zwischen 31 Mio. und 32 Mio. USD pro Tag lag und von Flugplan zu Flugplan nur wenig schwankte. Durch den Einsatz des entwickelten Optimierungsmodells lässt sich eine Verbesserung des PAX-Ertrags in der Größenordnung von 3-4% herbeiführen.
208
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspätungskosten) für Sommerflugpläne [Mio. $] +5,6%
+5,2%
+5,2%
32,8
+3,8%
33,3
32,6
32,1
+4,1%
+3,4%
+6,7%
+4,8%
+4,5%
34,2
32,8
+3,3%
33,9 32,5
31,5 31,0
+3,6% 33,7
33,7
31,9
32,1
31,1 30,5
PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspätungskosten) für Winterflugpläne [Mio. $]
32,5
32,6
32,6
W01/02
W02/03
W03/04
32,1
30,9
31,1
S99
S00
S01
Ausgangsflugplan
S02
S03
S04
W99/00
W00/01
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.29: Entwicklung des PAX-Ertrags von American Airlines in DFW 1999-2004
Wie in Chicago führte die Umstrukturierung der Wellen-Flugpläne zu Rolling Hub auch in Dallas zu einem deutlichen Rückgang sowohl des Absolutbetrages der Verspätungskosten als auch des Verhältnisses zwischen den Verspätungskosten und den Transferpassagierumsätzen (siehe Abbildung 7.30). Verspätungskosten [Mio. $], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Sommerflugpläne
Verspätungskosten [Mio. $], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Winterflugpläne
3,30
3,00
Rolling Hub 2,99 2,43
2,85
11,4%
2,11
2,69
2,13
12,3%
2,03
11,3% 2,01
10,8%
1,46
8,8%
1,76
1,51
1,97
1,83
9,8% 7,9%
Rolling Hub 2,54
2,47
1,56
9,1%
9,1% 1,28
1,43
7,7%
7,5%
7,2% 7,5%
6,2%
7,2%
5,8%
5,3% 4,8%
5,4%
S99
S00
1,27
1,08
S01
Ausgangsflugplan
S02
S03
5,5%
S04
3,9%
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
4,6%
W03/04
Optimierter Flugplan
x
Verspätungskosten im Ausgangsflugplan
y
Verspätungskosten im optimierten Flugplan
Abbildung 7.30: Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW)
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
209
Die Einführung von Rolling Hub war allerdings, wie aus Abbildung 7.31 hervorgeht, mit einer Reduktion der Anzahl der Flüge von American Airlines verbunden, so dass sich hier der vom De-Peaking ausgehende Effekt nicht eindeutig isolieren lässt. Es ist jedoch festzustellen, dass die Verspätungskosten und ihr Anteil an den Transferpassagierumsätzen in den Flugplänen Winter 2001/02 und Sommer 2002 – mit ihrer Wellenstruktur und einer ähnlichen Anzahl von Flugfrequenzen wie die nachfolgenden Rolling-HubFlugpläne – deutlich höhere Werte hatten als in den Rolling-Hub-Flugplänen. Im Winterflugplan 2003/04 stiegen die Verspätungskosten wieder leicht an, was vermutlich am starken Wachstum der gesamten Flugbewegungen am Flughafen lag. Anzahl der Flugbewegungen in DFW, Sommerflugpläne 1.554
1.559
1.564
1.513 1.372
501.000
Anzahl der Flugbewegungen in DFW, Winterflugpläne 1.524
1.407
1.422
1.303
497.000
1338
1.288 336.000
339.000 330.000
476.000 460.000
458.000
310.000
449.000
-0,9%
S99
-7,3%
S00
S01
-0,6%
S02
-1,9%
300.000
+6,0%
S03
S04
+0,8%
W99/00
-11,5%
W00/01
+3,2%
W01/02
+6,7%
W02/03
W03/04
Gesamte Flugbewegungen am Flughafen während der Flugplanperiode Flugbewegungen von American Airlines an einem Tag
Abbildung 7.31: Anzahl der Flugbewegungen in Dallas/Fort Worth (Quelle: Dallas Airport Authority, OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen)
Aus den Abbildungen 7.32 und 7.33 erkennt man jedoch, dass American Airlines durch Einführung von Rolling Hub in Dallas signifikante Einbußen in ihren Transferpassagierumsätzen hinnehmen musste und sich die Konnektivität ihrer Flugpläne erheblich verschlechterte. Diese negativen Effekte resultierten einerseits aus der Reduktion der Flugfrequenzen und andererseits aus dem in Abbildung 7.34 am Beispiel der Sommerflugpläne 2002 und 2003 dargestellten Verzicht auf ein wellenförmiges Verlaufsmuster der Transferverbindungsanzahl in Rolling-Hub-Flugplänen. Ein nahezu horizontaler Verlauf der Funktion der Anzahl der Transferverbindungen pro Transferzeit in Abbildung 7.34 deutet auf ein fast vollständiges Fehlen geplanter zeitnaher Zusammenführungen der ankommenden und ausgehenden Passagierströme im Rolling-
210
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Hub-Flugplan hin, die zur Maximierung der Transferpassagierumsätze führen sollen. Geschätzte Transferpassagierumsätze für Sommerflugpläne [Mio. $]
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds
Rolling Hub
Rolling Hub 115
28,0
27,6 27,2
26,7
111
27,5
26,4
26,2
108
106
27,0
26,9
26,1
26,2
99
25,5 93
S99
S00
S01
Ausgangsflugplan
S02
S03
S04
S99
S00
S01
S02
S03
S04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.32: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW) Geschätzte Transferpassagierumsätze für Winterflugpläne [Mio. $] Rolling Hub 28,5
28,2 27,9
26,7
26,5
117
Rolling Hub 115
27,6
27,4
27,3
27,1
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds
101
26,8
99 94
W99/00
W00/01
Ausgangsflugplan
W01/02
W02/03
W03/04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.33: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von American Airlines in Dallas/Fort Worth (DFW)
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
211
Anzahl der Transferverbindungen 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 0:50
1:15
1:40
2:05
2:30
2:55
3:20
3:45
4:10
4:35
5:00
Transferzeit Sommerflugplan 2002 (ohne De-Peaking) Sommerflugplan 2003 (mit De-Peaking)
Abbildung 7.34: Anzahl der Transferverbindungen von American Airlines in den Sommerflugplänen 2002 und 2003, die über Dallas/Fort Wort (DFW) verlaufen und ihre Transferzeit (Quelle: OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen)
Abbildung 7.35 zeigt, dass in den zu Rolling Hubs umstrukturierten Flugplänen der Betrag des erwarteten negativen Deckungsbeitrags der Transferverbindungen mit Ausnahme des Winterflugplans 2003/04 zurückging. Summe der negativen Deckungsbeiträge im Summe der negativen Deckungsbeiträge im Ausgangsflugplan, Sommerflugpläne [Tsd. $] Ausgangsflugplan, Winterflugpläne [Tsd. $] Rolling Hub
-246,1
Rolling Hub -141,9
-80,3
-167,2 -152,5
-76,6
-71,2
-146,7 -133,4 -122,0 -15,6
S99
S00
S01
S02
S03
S04
W99/00
W00/01
W01/02
Abbildung 7.35: Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag
W02/03
W03/04
212
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
7.3.3 Bewertung und Optimierung der Flugpläne von Lufthansa in Frankfurt Wie aus Abbildung 7.36 ersichtlich ist, hat Lufthansa in Frankfurt im Verlauf der letzten Jahre ihren PAX-Ertrag mit Ausnahme des Sommerflugplans 2001 kontinuierlich gesteigert. Es lässt sich jedoch zeigen, dass durch den Modelleinsatz eine zusätzliche Verbesserung des PAX-Ertrags um ca. 4-4,5% erzielt werden kann. PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspätungskosten) für Sommerflugpläne [Mio. €] +6,7%
+4,3%
+4,8%
+4,7%
+4,6%
26,2 24,9
25,3
25,0
26,1 24,9
+4,0%
+6,0%
+4,3%
+4,6%
+4,5% 26,2
25,6
26,3 24,7
25,3
24,1
24,3
PAX-Ertrag (Passagierumsatz minus Verspätungskosten) für Winterflugpläne [Mio. €]
23,2
25,1 24,5
+4,8% 25,8 24,6
23,6
23,3 23,0
S99
S00
Ausgangsflugplan
21,9
S01
S02
S03
S04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.36: Entwicklung des PAX-Ertrags von Lufthansa in Frankfurt 1999-2004
Vergleicht man die in der nachfolgenden Abbildung 7.37 präsentierten Verspätungsstatistiken für Lufthansa in Frankfurt mit den in den vorherigen Abschnitten dargestellten Zahlen von American Airlines, erkennt man Folgendes: Das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen, das die Effektivität der Verspätungskostenmanagements reflektiert, fällt bei Lufthansa im Allgemeinen günstiger aus. Dieses Verhältnis, das für die Sommerflugpläne in der Regel niedriger als für die Winterflugpläne war, hatte außerdem, mit Ausnahme des Sommerflugplans 2004, eine fallende bzw. nicht steigende Tendenz und wies im Jahr 1999 seinen Höchstwert auf.
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Verspätungskosten [Mio. €], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Sommerflugpläne 2,19
213
Verspätungskosten [Mio. €], Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen [%], Winterflugpläne 1,66
1,35
11,4%
1,34
1,31
1,28
0,84
6,8%
0,70
0,72
0,96
1,14
0,81
9,2%
S00
S01
Ausgangsflugplan
1,14
0,99
0,99
0,89
0,72 0,67
0,59 0,57 0,50 4,6% 4,4% 4,0% 3,5% 3,8% 3,3% 3,6% 3,0% 2,8% 2,4%
S99
1,21
S02
S03
S04
6,0%
6,3%
6,4%
6,4%
6,4% 5,2%
4,5%
W99/00
W00/01
4,8%
W01/02
4,6%
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
x
Verspätungskosten im Ausgangsflugplan
y
Verspätungskosten im optimierten Flugplan
Abbildung 7.37: Auswertung der Schätzdaten für die Verspätungskosten und das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen im Flugplan von Lufthansa in Frankfurt (FRA)
Der starke Rückgang der Verspätungskosten im Jahr 2000 im Vergleich zum Jahr 1999 ist auf eine umfassende Prozess- und Organisationsneuausrichtung im Rahmen des Lufthansa-internen Aktionsprogramms zur Beseitigung der Verspätungsproblematik zurückzuführen. Eine Verschlechterung der Verspätungskostensituation im Sommer 2004 – trotz des im entsprechenden Flugplan vorgenommenen De-Peaking für einen Teil der Flüge – kann durch das in Abbildung 7.38 dargestellte starke Wachstum der Flugbewegungen erklärt werden. Eine andere Erklärung für den Anstieg der Anzahl der Verspätungen und der Verspätungskosten im Sommerflugplan 2004 ist die in diesem Flugplan erfolgte und in Abbildung 7.39 dokumentierte Reduktion der Flugzeiten19 der Lufthansa-Flüge.
19 Unter der Flugzeit ist die Summe der Zeit in der Luft und am Boden zu verstehen. Diese Zeit wird in der Luftfahrtindustrie als Blockzeit bezeichnet
214
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Anzahl der Flugbewegungen in FRA, Sommerflugpläne 848
850
849
820
760
Anzahl der Flugbewegungen in FRA, Winterflugpläne 901
833
870
886
818
779 288.000
277.000
186.000
278.000
277.000
274.000
185.000
183.000 177.000
178.000 259.000 +7,0%
S99
-0,3%
S00
+0,4%
S01
S02
-1,4%
+2,7%
+5,3%
S03
S04
W99/00
-3,0%
W00/01
+4,7%
W01/02
-0,2%
W02/03
W03/04
Gesamte Flugbewegungen am Flughafen während der Flugplanperiode Flugbewegungen von Lufthansa an einem Tag
Abbildung 7.38: Anzahl der Flugbewegungen in Frankfurt, Quelle: Fraport, OAG-Flugpläne, eigene Berechnungen Inbound-Flüge
Outbound-Flüge
-45 min
1
-30 min
-35 min
1
-25 min
1
-30 min
1
-15 min
1
-20 min
1
-10 min
1
-15 min
2 39
-5 min
55 16
̈́ 0 min
82
̈́ 0 min +5 min
5
+10 min 1
1
+10 min +15 min
23
-5 min
-10 min
+5 min
3
3 1
Durchschnittliche Reduzierung um 6:24 Minuten
+15 min
3
+20 min 1 Durchschnittliche Reduzierung um 1:18 Minuten
Abbildung 7.39: Vergleich der Flugzeiten der Lufthansa-Flüge in den Flugplänen 2003 und 2004 auf den Strecken, die in beiden Flugplänen geflogen wurden (Quelle: OAG-Weltflugpläne, eigene Berechnungen)
Abbildung 7.40 zeigt, dass die Sommerflugpläne von der Lufthansa in der Regel weniger Verbindungen enthalten, in denen die Verspätungskosten die Transferpassagierumsätze übersteigen.
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Summe der negativen Deckungsbeiträge im Ausgangsflugplan, Sommerflugpläne [Tsd. €] -131,9
215
Summe der negativen Deckungsbeiträge im Ausgangsflugplan, Winterflugpläne [Tsd. €] -148,0
-93,0
-61,6 -51,0
-77,5 -70,5
-37,3 -32,5
-55,8
-24,5
S99
S00
S01
S02
S03
S04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Abbildung 7.40: Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag
Aus den nachfolgenden Abbildungen 7.41 und 7.42, die die Dynamik der Transferpassagierumsätze und der Flugplankonnektivität darstellen, lässt sich, mit Ausnahme des Sommerflugplans 2001, ein positiver Trend in der Entwicklung der Transferpassagiererlöse ableiten. Außerdem zeigt sich im Sommerflugplan 2004 eine Verbesserung der Konnektivität, trotz des erfolgten De-Peaking. Geschätzte Transferpassagierumsätze für Sommerflugpläne [Mio. €]
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds 86
21,7 21,2
21,1
20,8
19,2
20,1
20,0
20,0
78
20,3
76
77
76
19,1
19,1
18,2
64
S99
S00
Ausgangsflugplan
S01
S02
S03
S04
S99
S00
S01
S02
S03
S04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.41: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Sommerflugplänen von Lufthansa in Frankfurt
216
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
Geschätzte Transferpassagierumsätze für Winterflugpläne [Mio. €]
Verhältnis der Anzahl von Hits zu der Anzahl der Inbounds 81
21,8 21,5 20,9 19,9
18,8
20,9
78 20,6
75
20,1
19,2
73
18,1
69
W99/00
W00/01
Ausgangsflugplan
W01/02
W02/03
W03/04
W99/00
W00/01
W01/02
W02/03
W03/04
Optimierter Flugplan
Abbildung 7.42: Entwicklung der Transferpassagierumsätze und der Konnektivität in den Winterflugplänen von Lufthansa in Frankfurt
7.3.4 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Die empirischen Läufe zeigen, dass der Einsatz des in dieser Arbeit entwickelten Flugplanoptimierungsmodells den PAX-Ertrag – also die Differenz zwischen Passagierumsätzen und Verspätungskosten – um 4-5% steigern kann. Angesichts der für die Airline-Industrie üblichen durchschnittlichen Umsatzrenditen von ca. 2-3%20 bedeutet dies eine signifikante Rentabilitätsverbesserung. Das Modell sorgt sowohl für die Erhöhung der erwarteten Passagierumsätze als auch für die Instrumentalisierung und Minimierung der Verspätungskosten. Ausgehend von den gesetzten Parametern und den verwendeten Informationen bezüglich Durchschnittserträgen und Marktvolumen konnten die Verspätungskosten durch den Modelleinsatz erheblich reduziert werden: pro Tag um bis zu • 900.000 USD für die Wellenflugpläne von American Airlines • 400.000 USD für die Rolling-Hub-Flugpläne von American Airlines • 300.000 EUR für die Flugpläne der Lufthansa in Frankfurt.
20
Die Entwicklung der Umsatzrenditen der Airline-Industrie findet sich im Anhang
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
217
Im Schnitt sanken die gesamten Verspätungskosten nach der Durchführung von Optimierungsläufen um ca. 10-20%. Das Verhältnis der Verspätungskosten zu Transferpassagierumsätzen konnte um ca. 1-2% verbessert werden. Trotz der oft hohen Anzahl an Iterationsschritten, die zum Erreichen einer optimalen Flugplanlösung notwendig waren, konnte die in den ersten Phasen des Planungsprozesses festgelegte Struktur der Flugpläne in allen Fällen weitgehend aufrechterhalten werden. Diese Anforderung an das Modell ist somit erfüllt. Die nachfolgende Abbildung zeigt am Beispiel des Winterflugplans 2000 von American Airlines in Chicago eine ursprüngliche und eine optimierte Flugplanstruktur. Die dunklen Punkte markieren dabei die neuen zeitlichen Positionen der Flüge.
Abbildung 7.43: Flugplanstruktur von American Airlines in Chicago im Winter 2000 vor und nach der Optimierung
Die Bewertungsläufe zeigten, dass die von American Airlines in Chicago und Dallas vorgenommene Einführung von Rolling Hubs zu einer deutlichen Verbesserung der Verspätungskostensituation führte. Die Transferpassagier-
218
Kapitel 7
Fuzzy- und Marktmodell-basiertes Flugplanoptimierungsmodell
umsätze in den entsprechenden Rolling-Hub-Flugplänen konnten allerdings nur dann gehalten oder gesteigert werden, wenn die ankommenden und ausgehenden Passagierströme systematisch zusammengeführt wurden. Das De-Peaking von Lufthansa konnte zwar den Absolutbetrag der Verspätungskosten nicht deutlich reduzieren, es sorgte jedoch für die Beschränkung der Anzahl und der Auswirkungen der Flugverspätungen. Diese wären ansonsten erheblich höher gewesen angesichts eines starken Wachstums der Flugbewegungen am Flughafen und der Verkürzung der Flugzeiten, welche die Einhaltung der planmäßigen Zeitenlagen generell unterminiert. Der Verlauf der vom Modell kalkulierten Verspätungskosten entspricht den Erwartungen und den in der Realität beobachteten Sachverhalten: So steigen die Verspätungskosten bei der Erhöhung der Flughafenauslastung und sie sinken, wenn man Maßnahmen zur gleichmäßigen Ressourcennutzung und zur Verbesserung der Verspätungssituation ergreift. Das Modell ist darüber hinaus in der Lage, diejenigen Ineffizienzen eines Flugplans zu identifizieren und zu beseitigen, die sich als Transferverbindungen mit negativem Deckungsbeitrag äußern.
219
Kapitel 8: Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien 8.1 Einführung Das im vorherigen Kapitel präsentierte Modell ermöglicht es, die mit den irregulären Flugereignissen verbundenen Verspätungskosten abzubilden und bei der Optimierung der Zeitenlagen der Flüge zu berücksichtigen. Es versetzt die Flugplanentwickler somit in die Lage, Flugpläne in Bezug auf die hohen negativen Folgen des unzuverlässigen Flugservices zu optimieren und stellt deshalb ein leistungsfähiges Werkzeug zur Steigerung des operativen AirlineGewinns dar. Die am Ende von Kapitel 7 dargestellten empirischen Ergebnisse zeigten zudem ein signifikantes Verbesserungspotenzial auf, das durch den Modelleinsatz in der Luftfahrtindustrie realisiert werden kann. Es stellt sich die Frage, ob und wie das entwickelte Optimierungsmodell auf andere Branchen zu übertragen ist, um auch dort Ergebnisverbesserungen herbeizuführen. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung des Modells auf andere Industrien oder betriebliche Wertschöpfungskonzepte. Als potenzielle und am besten geeignete Einsatzbereiche wurden dazu das Transportwesen und das Supply Chain Management identifiziert. Es wird hier untersucht, in welchen Aufgaben das Modell die operativen Planungsprozesse unterstützen kann bzw. inwiefern die aktuelle Modellstruktur angepasst werden muss, damit die Anforderungen der jeweiligen Industrien am besten erfüllt sowie die dortigen Gegebenheiten möglichst realitätsnah abgebildet werden. In Abbildung 8.1 sind die möglichen, beim Modelleinsatz in den oben aufgezeichneten Bereichen relevanten Aufgaben, Zielfunktionen und Rahmenbedingen zusammengefasst. Wie im Abschnitt 7.2.2 dargestellt, ist das entwickelte Flugplanoptimierungsmodell hierarchisch und modular aufgebaut. Es besteht aus einem MasterProblem und zwei untergeordneten Sub-Problemen, die im Laufe der Ausführung eines iterativen Suchalgorithmus zum Generieren und Bewerten der aus einer Nachbarschaftslösung resultierenden Flugverbindungen aufgerufen werden. In den nachfolgenden Abschnitten des vorliegenden Kapitels wird analysiert, wie sich die Übertragung und Anpassung des Modells auf andere Branchen und Unternehmenskonzepte auf das Master-Problem und die beiden Sub-Probleme auswirkt.
220
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
Modelleinsatz im Transportwesen
Aufgaben
Modelleinsatz im Supply Chain Management und in der Logistik
• Optimierung der Anfangs- und Endzeiten • Optimierung der Start- und Endzeiten der Transportdienste der Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebsprozesse
Mögliche Zielfunktionen
• Minimierung der Verspätungskosten • Minimierung der Verspätungsmöglichkeit • Minimierung der Differenz zwischen den Passagier- (oder Güter-)umsätzen und den Verspätungskosten
• Minimierung der Verspätungskosten • Minimierung der Verspätungsmöglichkeit
Rahmenbedingungen
• Verlinkung und enge zeitliche • Vorhandensein nationaler und Abstimmung der einzelnen Prozesse internationaler Passagier- und und Prozessbausteine Güterdrehscheiben • Optimierung der Transferpassagier- (und • Wechselseitige komplexe Prozessinterdependenzen Güter-)ströme • Wichtigkeit der Prozessstabilität und • Wichtigkeit von Pünktlichkeit und -zuverlässigkeit Zuverlässigkeit des Transportservices
Beispielanwendungen
• Optimierung der Bahn-, Bus- und Schifffahrtspläne • Optimierung der Cargo- und PostSchedules
• • • •
Auftragsplanung Liefer- und Einkaufsplanung Maschinenbelegungsplanung Personal- und Ressourceneinsatzplanung
Abbildung 8.1 Modelleinsatz im Transportwesen und im Supply Chain Management
8.2 Modelleinsatz im Transportwesen Viele der in der Luftfahrtindustrie beobachteten Sachverhalte gelten auch für das allgemeine Transportwesen. So werden ähnlich den Hub-Flughäfen, die von den Airlines zur Zusammenführung und Umverteilung von Passagierströmen aufgebaut werden, von Bahn-, Bus-, und Cargogesellschaften große nationale und internationale Drehscheiben errichtet, über die der Passagierund Güterverkehr abgewickelt wird. Analog zur Optimierung von Flugnetzwerken durch die Koordination von In- und Outbound-Flügen bzw. durch Ermöglichung der Bedienung einer maximalen Anzahl von O&D-Märkten werden Bahn- und Busfahrpläne durch die zeitliche Abstimmung der Ausführung einzelner Transportdienste optimiert. Darüber hinaus gehören sowohl im allgemeinen Transportwesen als auch in der Luftfahrtindustrie Servicepünktlichkeit und -zuverlässigkeit zu den grundlegenden Kundenanforderungen und wichtigen Wettbewerbsvorteilen, die die Unternehmensrentabilität und Wettbewerbsfähigkeit im bedeutenden Maße beeinflussen. Übertragen auf das Transportwesen könnte das entwickelte Modell zur optimalen Festlegung der Abfahrts- und Ankunftszeiten von Transportsdiensten1 1
z.B. Züge, Busse oder Schiffe
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
221
eingesetzt werden. Als Zielfunktion kann dabei, ähnlich wie in der Luftfahrtindustrie, die Differenz zwischen Passagier-(oder Cargo-)umsätzen und Verspätungskosten fungieren. Die Minimierung der Verspätungskosten oder der aggregierten Verspätungsmöglichkeit könnte auch als alternative Modellzielsetzung gewählt werden. Der Modelleinsatz im Transportwesen erfordert eine Adjustierung des Restriktionssystems sowie eine Anpassung des Master-Problems und der Subprobleme an die speziellen Industrieanforderungen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die notwendigen Modelländerungen bzw. die Auswirkungen der Modellübertragung beschrieben. Abbildung 8.2 fasst die mit der Modellanwendung im Transportwesen verbundenen Anpassungen zusammen. 8.2.1 Auswirkungen auf das Master-Problem und Restriktionen Die Tabu-Suche, die sich als sehr effektiver heuristischer Suchalgorithmus bei der Optimierung von Flugplänen bewährt hat, kann auch beim Modelleinsatz zur Optimierung von Bahn- und Busfahrplänen angewandt werden. Allerdings sind hierfür Anpassungen der implementierten Intensivierungs- und Diversifikationsstrategie nötig. Die für die Flugplanoptimierung konzipierte Intensivierungs- und Diversifikationsstrategie betrifft die Auswahl sowohl der im aktuellen Optimierungsschritt zu selektierenden Flüge als auch der geeignetsten Abflugs- und Ankunftszeiten aus dem vom Benutzer spezifizierten Zeitenlagenfenster. Bei der Suche nach optimalen Abfahrts- und Ankunftszeiten der Transportdienste kann zur Anpassung der Intensivierungs- und Diversifikationsstrategie die Berücksichtigung des Mindest- und Durchschnittswertes der Zielfunktionsverbesserung sowie die Bestimmung der Erfolg versprechenden Zeitenlagen problemspezifisch variiert werden. So kann z.B. – abhängig von der Struktur und der Ausgestaltung des jeweiligen Problems – das Ausmaß der Zeitenlagenveränderungen zur Konstruktion einer neuen Nachbarschaftslösung von den derzeit im Modell verwendeten 15, 10 und 5 Minuten auf andere Werte gesetzt werden. Außerdem ist bei der Modellübertragung auf das Transportwesen zu überlegen, ob, wie bei der bestehenden Modellformulierung, mehrere mit der entsprechenden Zielfunktionsverbesserung verbundene zeitliche Repositionierungen der einzelnen Transportdienste in einem Iterationsschritt akzeptiert werden sollen.
222
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
Modellanpassungen für den Einsatz im Transportwesen Master-Problem • Suchalgorithmus – Tabu-Suche evtl. unter Anpassung der Intensivierungsund Diversifikationsstrategie – Abwechselnde Betrachtung der In- und Outbounds bleibt bestehen • Restriktionssystem – Flottenrestriktion ist weiterhin zwingend erforderlich – Slot-Restriktion kann bei ausreichender Infrastrukturkapazität deaktiviert werden – Zeitenlagenrestriktion kann in Kombination mit einem Aspirationskriterium für die TabuSuche abgeschwächt werden • Systemaktualisierung – Ausführung gleicher Routinen – Problemspezifische Ergänzungen
Sub-Problem 1 • Art der aufzubauenden Verbindungen – Wegen der Monopolstellung der meisten Transportunternehmen ist das Konkurrenzangebot wenig relevant – Das Verbindungsangebot anderer Transportmodi kann berücksichtigt werden – Das Eigenangebot muss vollständig aufgebaut werden • Verbindungsaufbau – Es werden die gleichen Methoden und Algorithmen zum Verbindungsaufbau wie im Luftverkehr eingesetzt – Zusätzliche problemspezifische Kriterien wie z.B. notwendige Lade- und Transferzeit können spezifiziert werden
Sub-Problem 2 • Umsatzbewertung – Die grundsätzliche auf der Schätzung der Marktanteile der Verbindungen basierende Vorgehensweise ist nach wie vor gültig – Eine Kalibrierung des verwendeten Nachfrageschätzmodells ist notwendig – Beim Vorliegen nur zeitlicher Interdependenzen kann das SABRE-Logit-Modell verwendet werden • Bewertung der Verspätungskosten – Die Vorgehensweise ist analog zum Luftverkehr: potenzielle Verspätungskosten als Umsatzabschlag, Verspätungsmöglichkeit abhängig von den Zugehörigkeitsfunktionen der Zeitenlagen – Die Zugehörigkeitsfunktionen werden basierend auf den Vergangenheitsdaten und Expertenwissen hergeleitet
Abbildung 8.2: Modellanpassungen für den Einsatz im Transportwesen
Es erscheint sinnvoll, die in das Flugplanoptimierungsmodell integrierte Generierung der Verbesserungsvorschläge für jeweils nur die Inbound- oder die Outbound-Flüge in einem Iterationsschritt analog beizubehalten. Dies erklärt sich durch die bestehenden Interdependenzen zwischen den ankommenden und den die Drehscheibe verlassenden Verkehren. Bei der implementierten Vorgehensweise hat das Master-Problem die Möglichkeit, im aktuellen Iterationsschritt auf die in der letzten Iteration vorgenommene Änderung der Zeitenlage eines Fahrdienstes durch die optimale Anpassung der Zeitenlagen der entsprechenden damit verbundenen Dienste zu reagieren. Das Flugplanoptimierungsmodell fordert die Einhaltung der Flotten-, Slot- und Zeitenlagenrestriktionen. Die Flottenrestriktion, die die operationelle Durchführbarkeit der generierten Lösungsvorschläge gewährleistet, muss beim Modelleinsatz im Transportwesen unbedingt beibehalten werden. Sie wird nun als die Nichtüberschreitung der zur Verfügung stehenden Anzahl der für die Ausführung der Fahrpläne notwendigen Fahrzeuge, wie Züge, Busse
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
223
oder Schiffe, formuliert. Die Restriktionseinhaltung kann basierend auf der im Abschnitt 7.2.2.2 beschriebenen Methode der parallelen Flüge erfolgen. Die Slot-Restriktion sichert die Berücksichtigung und die Nichtüberschreitung der vorhandenen Infrastrukturkapazität. Wird das Modell für die Optimierung von Start- und Endzeiten der Transportdienste für die Transportmodi eingesetzt, in denen die Aufnahmekapazität der jeweiligen Umschlagsplätze begrenzt ist, muss die Beibehaltung der Slot-Restriktion ebenfalls verlangt werden. Sie kann dabei genauso, wie im Abschnitt 7.2.1 dargestellt, als Vergleich zwischen aktueller und maximal möglicher Anzahl der Abfahrts- und Ankunftsereignisse für eine bestimmte Zeiteinheit modelliert werden. Steht allerdings für jede mögliche Problemlösung ausreichend Kapazität zur Verfügung, kann man auf die Prüfung der Slot-Restriktion verzichten. Im Unterschied zur Slot-Restriktion, die in gewissen Situationen deaktiviert werden kann, ist die Einhaltung der Zeitenlagenrestriktion zwingend erforderlich. Führt aber eine nicht in das vom Benutzer definierte Zeitenlagenfenster passende Verschiebung der Start- oder Endzeit eines Transportdienstes zu einer sehr großen Zielfunktionsverbesserung, kann im Rahmen des Aspirationskriteriums für die Tabu-Suche entschieden werden, ob eine solche Verletzung der Zeitenlagenrestriktion akzeptiert werden darf. Außer der Generierung von Nachbarschaftslösungen, Prüfungen der Restriktionseinhaltung und Steuerung des Optimierungsprozesses besteht die Aufgabe des Master-Problems in der Aktualisierung des Systems nach der Akzeptanz einer neuen Lösung. Bei der Modellübertragung auf das Transportwesen müssen die im Abschnitt 7.2.2.2 beschriebenen Update-Prozeduren durchgeführt werden. In Abhängigkeit vom konkreten Transportproblem können darüber hinaus weitere Systemaktualisierungen benötigt werden. 8.2.2 Auswirkungen auf das Sub-Problem 1 Das erste Sub-Problem besteht im Aufbau des gesamten Verbindungsangebots, das mit einem Transportplan assoziiert ist. Während beim Modelleinsatz in der Luftfahrtindustrie nicht nur das Angebot der zu untersuchenden Fluggesellschaft erfasst wird, sondern auch alle Direkt- und Transferverbindungen der Wettbewerber auf entsprechenden O&D-Märkten gebildet werden, spielt das Konkurrenzangebot bei der Optimierung der Fahrpläne der Personentransportunternehmen in der Regel nur eine untergeordnete Rolle. Dies erklärt sich damit, dass sich die meisten dieser Unternehmen, z.B. Bahn- oder
224
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
Busgesellschaften, im Besitz der öffentlichen Hand befinden und eine nahezu vollständige Monopolstellungen haben. Hier besteht das Sub-Problem 1 im Wesentlichen im Aufbau des Eigenangebots bestehend aus allen validen Direkt- und Transferverbindungen. Je nach Problemstellung kann es auch sinnvoll sein, das Angebot der anderen Transportmodi zu berücksichtigen. So können z.B. bei der Optimierung der Bahnfahrpläne die alternativen Reisemöglichkeiten mit dem Auto, mit Bussen oder mit Flugzeugen auf den von der Bahn angebotenen Strecken erfasst und mit bewertet werden. Bei der Fahrplanoptimierung für Cargo-Unternehmen muss das Konkurrenzangebot wegen des kompetitiven Marktumfeldes im Cargo-Geschäft generiert und bei der Evaluierung der Güte einer Fahrplanlösung berücksichtigt werden. Die Generierung von eigenen und Konkurrenzverbindungen kann mit den im Abschnitt 7.2.2.1.1 beschriebenen Methoden und Algorithmen erfolgen. Die Prüfung der Hit-Fenster- und Detour-Faktor-Bedingung erscheint beim Modelleinsatz im Transportwesen sinnvoll und notwendig, da sich so die Rechenzeit während des Bewertungsschritts verkürzt und das nicht wettbewerbsfähige Angebot aussortiert wird. 8.2.3 Auswirkungen auf das Sub-Problem 2 In der Originalformulierung des entwickelten Modells werden im Sub-Problem 2 die im Sub-Problem 1 generierten Verbindungen in Bezug auf die Passagierumsätze und Verspätungskosten bewertet. Je nach Art der gewählten Zielfunktion brauchen in diesem Schritt bei der Modellübertragung auf das Transportwesen entweder nur die Verspätungskosten und die Verspätungsmöglichkeit oder die Differenz zwischen den Passagier-(oder Cargo-)umsätzen und den Verspätungskosten evaluiert zu werden. Die auf der Schätzung der Marktanteile einzelner Verbindungen basierende Berechnung der Erträge aus Beförderungsleistungen kann beim Modelleinsatz im Transportwesen weitgehend übernommen werden. Dabei spielen, genauso wie bei der Schätzung der Passagiernachfrage auf Luftverkehrsmärkten, die im Kapitel 6 dargestellten Modelle diskreter Entscheidungen eine wichtige Rolle. Bei der Abbildung des Alternativnutzens müssen jedoch die für den jeweiligen Transportmodus relevanten Faktoren herangezogen sowie eine Kalibrierung des entsprechenden Nachfrageschätzmodells vorgenommen werden. Das zur Evaluierung der Marktanteile der einzelnen Flugverbindungen verwendete SABRE-Logit-Modell kann wegen seiner Flexibilität und der Abbildung der zeitlichen Interdependenzen zwischen den Alternativen
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
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auch zur Marktanteilsprognose im Transportwesen angewandt werden. Bestehen allerdings neben zeitlichen noch weitere Interdependenzen, ist ein anderes Modell zur Schätzung der Marktanteile heranzuziehen. Analog zur Vorgehensweise in der Originalformulierung muss als Nächstes die Anzahl der Passagiere oder Gütereinheiten errechnet werden. Dies erfolgt durch Multiplikation der evaluierten Marktanteile mit den Marktgrößen der entsprechenden Märkte und Kundensegmente. Im nächsten Schritt können dann die erwarteten Umsätze als Produkt der Passagierzahl bzw. des Güteraufkommens mit den Durchschnittserträgen der jeweiligen Märkte errechnet werden. Die im Rahmen der Ausführung des Sub-Problems 2 zu kalkulierenden Verspätungskosten sind wie in der Originalformulierung vorgeschlagen auch hier durch Gewichtung der potenziellen Verspätungskosten mit der Verspätungsmöglichkeit zu berechnen. Die potenziellen Verspätungskosten können hier ebenfalls als wartezeitabhängiger Umsatzabschlag modelliert und je nach konkreter Problemausgestaltung um weitere Kosten2 ergänzt werden. Die Berechnung der Verspätungsmöglichkeiten sowie die Herleitung der dafür notwendigen Fuzzy-Zugehörigkeitsfunktionen der Zeitenlagen gestaltet sich bei der Optimierung der Start- und Endzeiten der einzelnen Fahrdienste identisch wie in der für den Luftverkehr konzipierten Methodik. Das für die Herleitung der Zugehörigkeitsfunktionen benötigte Datenmaterial wird in der Regel wegen der Periodizität der Ausführung der meisten Transportdienste in ausreichendem Maße vorhanden sein. Nach der Transformation der auf den historischen Werten basierenden Häufigkeitsverteilungen der Zeitenlagen in die entsprechenden Möglichkeitswerte müssen die Letzteren um das subjektive Expertenwissen ergänzt werden. Dafür eignen sich sowohl die beim Modelleinsatz im Luftverkehr verwendete Methode der direkten Abfrage als auch andere im Kapitel 5 beschriebene Abfragemethoden. Ausgehend von den Fuzzy-Zugehörigkeitsfunktionen der die jeweilige Transferverbindung bildenden Fahrdienste kann die Möglichkeit für das Eintreten eines Verspätungsereignisses dann mit der Formel (7.6) errechnet werden.
2
z.B. Übernachtungs-, Verpflegungs- oder Lagerkosten
226
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
8.3 Modelleinsatz im Supply Chain Management und in der Logistik Sowohl in der theoretischen Literatur als auch in der Praxis existieren unterschiedliche Meinungen, was unter Supply Chain Management (SCM) zu verstehen ist bzw. welche Aufgaben und Funktionen damit assoziiert werden. Dadurch, dass der Begriff SCM von zahlreichen Autoren mit unterschiedlichen Inhalten belegt wird, existiert dafür keine allgemeingültige Definition. Die von Wildemann (2000) verwendete Formulierung vermittelt jedoch das grundlegende Verständnis für das Konzept von Supply Chain Management: "Unter SCM kann man die Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Material- und Dienstleistungsflusses, einschließlich der damit verbundenen Informations- und Geldflüsse, innerhalb eines Netzwerks von Unternehmungen und deren Bereichen verstehen, die im Rahmen von aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette an der Entwicklung, Erstellung und Verwertung von Sachgütern und/oder Dienstleistungen partnerschaftlich zusammenarbeiten, um Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen zu erreichen"3. SCM umfasst
Informations- und Geldfluss
Beschaffung
Distribution und Lagerhaltung
Produktion
Ziele: • Erhöhung der Inputqualität • Kostensenkung • Verkürzung der Beschaffungszeiten • Schaffung eines Pools von zuverlässigen Lieferanten
Ziele: • Prozessorientierte Integration der Kundendaten in die Fertigung • Optimierung der Produktionsabläufe • Kostensenkung
Einige Aufgaben: • Einkaufs- und Losgrößenplanung • Planung der Lieferantennetzwerke • Qualitätskontrolle • Transportplanung • Auslösen und Verfolgen der Bestellvorgänge • Bestellterminierung
Einige Aufgaben: • Kurz- und langfristige Kapazitäts- und Ressourcenplanung • Produktionsablaufsplanung • Maschinenbelegungsplanung • Zeit- und Arbeitsplanung • Bedarfsplanung
Ziele: • Verkürzung der Lieferzeiten • Minimierung der Kapitalbindung • Maximierung des Servicegrades • Kostensenkung Einige Aufgaben: • Transport- und Lieferplanung • Planung und Verwaltung der Vertriebskanäle • Planung und Verwaltung des Lieferbestandes und der Lieferqualität • Lagerbestandsplanung und -verwaltung • Auftragsverwaltung
Güter- und Informationsfluss
Abbildung 8.3: Ziele und Aufgaben von Supply Chain Management
3
WILDEMANN, H. (2000), S. 12
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
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somit die mit der Planung und Steuerung der logistischen Kette verbundenen Aktivitäten. Die logistische Kette integriert dabei die inner- und außerbetrieblichen Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozesse. Abbildung 8.3 fasst die wichtigsten Ziele und Aufgaben von SCM zusammen. Im Rahmen von SCM werden Konzepte zu Just-in-Time-Produktion, Sourcing, Produktionssteuerung sowie zum Kooperations- und Vertriebsmanagement entwickelt und umgesetzt. Die einzelnen Prozesse und Prozessbausteine dieser SCM-Strategien sind dabei sehr eng miteinander verlinkt und präzise aufeinander abgestimmt. Aus diesem Grund stellt die Prozessstabilität und -zuverlässigkeit eine grundlegende Bedingung für die erfolgreiche Realisierung der auf die Kostensenkung der Logistikkette und die Steigerung der Qualität gerichteten SCM-Konzepte dar. Der Verlust oder die Reduktion der Zuverlässigkeit der einzelnen auszuführenden Dienste kann die durch Prozessoptimierung erzielten Effizienzgewinne zunichte machen und die Effektivität von SCM in Frage stellen. Durch den Einsatz des in der vorliegenden Arbeit entwickelten Modells im Kontext von SCM können die mit der irregulären Ausführung der einzelnen Liefer-, Produktions- und Distributionsdienste verbundenen Unsicherheitsaspekte in die Prozessoptimierung integriert und die negativen Folgen von unzuverlässigem Service minimiert werden. Das Modell könnte z.B. zur Festlegung der optimalen Anfangs- und Endzeiten für Bestell-, Produktions- und Absatzvorgänge herangezogen werden. In den nachfolgenden Abschnitten wird untersucht, welche Anpassungen bei einer Modellübertragung auf die Fragestellungen im Kontext von SCM notwendig sind. 8.3.1 Auswirkungen auf das Master-Problem und Restriktionen Da das Supply Chain Management primär auf die Optimierung der internen Unternehmensprozesse und nicht auf die unmittelbare Umsatz- oder Gewinnerzielung gerichtet ist, kann sich die Zielfunktion des Modells, deren Minimierung im Rahmen der Ausführung des Master-Problems überwacht und gesteuert wird, nur über Kosten- oder Zuverlässigkeitsgrößen definieren. Die Prozessoptimierung im Hinblick auf die Minimierung der Verspätungskosten oder der Verspätungsmöglichkeit, die den Grad der Störanfälligkeit des Services angibt und somit als ein Zuverlässigkeitsmaß fungiert, kann dabei als das Management des operativen Risikos interpretiert werden.
228
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
Modellanpassungen für den Einsatz im Supply Chain Management Master-Problem • Suchalgorithmus – Tabu-Suche evtl. unter Anpassung der Intensivierungsund Diversifikationsstrategie – Abwechselnde Betrachtung der In- und Outbounds ist nicht mehr sinnvoll • Restriktionssystem – Flottenrestriktion ist weiterhin erforderlich – Slot-Restriktion kann bei ausreichender Kapazität der Anlagen deaktiviert werden – Zeitenlagenrestriktion kann in Kombination mit einem Aspirationskriterium für die TabuSuche abgeschwächt werden – Zusätzliche Restriktionen, die die Ausführungsreihenfolge oder die Start- bzw. Endtermine betreffen, können hinzugefügt werden • Systemaktualisierung – Für die Systemaktualisierung sind problemspezifische Methoden notwendig
Sub-Problem 1 • Das Sub-Problem 1 verliert für die meisten Optimierungsaufgaben im Kontext von Supply Chain Management seine Relevanz • Grund: – Die für den Luftverkehr und das Transportwesen wichtige Maximierung der Transitströme ist nicht das primäre Ziel der Prozessoptimierung im Kontext von Supply Chain Management • Ausnahme: – Optimierung der Liefer- und Vertriebsnetzwerke
Sub-Problem 2 • Umsatzbewertung – Nicht notwendig • Bewertung der Verspätungskosten – Berechnung der potenziellen Verspätungskosten als von der Prozesswartezeit abhängigen Geldbetrag – Modellierung des Zusammenhangs der Verspätungslänge und der potenziellen Verspätungskosten mit unterschiedlichen Funktionstypen – Herleitung der Zugehörigkeitsfunktionen der Prozesszeitenlagen wird wegen der Unregelmäßigkeit der Prozessausführung oder sich ständig ändernden Rahmenbedingungen meistens durch die Expertenabfrage erfolgen – Berechnung der Verspätungsmöglichkeit bei gegebenen Zugehörigkeitsfunktionen erfolgt analog zum Luftverkehr
Abbildung 8.4: Modellanpassungen für den Einsatz im Supply Chain Management
Neben der Wahl der passendsten Zielfunktion muss eine Adjustierung des Restriktionssystems vorgenommen werden. Die Flottenrestriktion, die die Ausführbarkeit der optimierten Pläne auf den vorhandenen Produktionsmitteln kontrolliert, ist nach wie vor beizubehalten. Sie kann z.B. bei der Planung der Maschinenbelegung als die Ermöglichung der vorgesehenen Materialbearbeitung auf den zur Verfügung stehenden Produktionsanlagen verstanden werden. Neben der Flottenrestriktion muss auch die Slot-Restriktion zur Abbildung der verfügbaren Ressourcenkapazität berücksichtigt werden. Diese Restriktion kann hier, ähnlich wie beim Modelleinsatz im Luftverkehr, als Prüfung der Nichtüberschreitung der maximal möglichen Anzahl von Vorgängen pro Zeiteinheit auf einer Produktionsanlage bzw. einer Ressource modelliert werden.
Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
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Die Zeitfensterrestriktion wird auch für die SCM-Prozesse benötigt, kann allerdings in Kombination mit einem Aspirationskriterium abgeschwächt bzw. deaktiviert werden. Außer den in der Originalformulierung des Optimierungsmodells verwendeten Restriktionen können hier eine Reihe von zusätzlichen Nebenbedingungen definiert und berücksichtigt werden, welche die Lösungsmengen einschränken. Diese können z.B. die Reihenfolge der Ausführung einzelner Prozesse betreffen sowie die frühesten bzw. spätesten Zeitpunkte für den Anfang bzw. das Ende der entsprechenden Vorgänge festlegen. Die optimalen Zeitenlagen der einzelnen Prozesse im Kontext von SCM können weiterhin mit der in das Originalmodell integrierten Tabu-Suche ermittelt werden. Je nach konkreter Fragestellung wird jedoch eine entsprechende problemspezifische Anpassung der Intensivierungs- und Diversifikationsstrategie nötig. Verzichtet werden kann hier auf die Erarbeitung der zeitlichen Repositionierungsvorschläge für nur einen Teil der auszuführenden Vorgänge. Dies entspricht in der urprünglichen Modellformulierung der Betrachtung jeweils nur der Inbound- oder Outbound-Flüge in einem Iterationsschritt. Der Grund dafür ist eine wesentlich komplexere Natur der Prozessinterdependenzen in der betrieblichen Realität als die Art der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Flügen an einem Hub-Flughafen. 8.3.2 Auswirkungen auf das Sub-Problem 1 Das Sub-Problem der Generierung des Verbindungsangebots verliert für die meisten Problemstellungen im Kontext von Supply Chain Management seine Relevanz. Es kann zwar bei einigen Problemtypen, wie z.B. der Optimierung der Vertriebs- oder Lieferantennetzwerke, zum Aufbauen der Transportrouten aufgerufen werden, wird jedoch wegen der nicht auf die Maximierung der Transferströme gerichteten Planung nicht mehr benötigt. 8.3.3 Auswirkungen auf das Sub-Problem 2 Mit dem Sub-Problem 2 werden die miteinander zusammenhängenden Prozesse in Bezug auf die Verspätungskosten oder die Verspätungsmöglichkeit bewertet. Die Methode der Gewichtung der potenziellen Verspätungskosten mit der Möglichkeit des Eintretens eines Verspätungsereignisses verspricht
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Kapitel 8
Möglichkeiten des Modelleinsatzes in anderen Industrien
auch für die mit dem Supply Chain Management verbundenen Fragestellungen sinnvolle und valide Ergebnisse. Die potenziellen Verspätungskosten können als ein von der Verspätungszeit abhängender Geldbetrag modelliert werden. Je nach Art des Zusammenhangs zwischen einer Prozessverspätung und den daraus resultierenden negativen monetären Konsequenzen können für die Abbildung der potenziellen Verspätungskosten unterschiedliche Funktionstypen definiert werden. Bei Vorliegen einer ausreichenden Menge von Vergangenheitsdaten können die Zugehörigkeitsfunktionen der Prozesszeitenlagen analog zu der in der Originalformulierung des Modells verwendeten Vorgehensweise hergeleitet werden, d.h. durch Transformation der Häufigkeitsverteilungen in die Möglichkeitswerte mit anschließender Anpassung um das subjektive Expertenwissen. Fehlen die verlässlichen historischen Beobachtungswerte auf Grund der Unregelmäßigkeit der Prozessausführung, starker Differenz der Rahmenbedingen oder der Neueinführung der jeweiligen Prozesse, müssen die Zugehörigkeitsfunktionen mit Hilfe der im Kapitel 5 beschriebenen Abfragemethoden ermittelt werden. Bei Vorhandensein der entsprechenden Zugehörigkeitsfunktionen kann dann die Verspätungsmöglichkeit mit der für das ursprüngliche Optimierungsmodell konzipierten Formel (7.6) kalkuliert werden.
231
Kapitel 9: Fazit und Ausblick Der Kosten- und Margendruck, der infolge der verschärften Wettbewerbssituation in modernen Güter- und Dienstleistungsmärkten auf Unternehmen lastet, erfordert eine zeit- und kostenoptimale Leistungserbringung und eine effiziente Ressourcenallokation. Viele der auf die Erfüllung dieser Anforderungen ausgerichteten Schedule-Optimierungsmodelle gehen entweder von der Konstanz der Scheduling-Parameter oder von der Kenntnis der Verteilungen dieser Parameter während der Ausführungsperiode aus. Dies widerspricht jedoch den in der Realwelt beobachteten Sachverhalten und führt oft dazu, dass die auftretenden Änderungen der Rahmenbedingungen die Optimalität der Schedules zunichte machen. Als Folge daraus entstehen Effektivitätsverluste und somit operative und alternative Kosten. Das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Modell ist der erste Versuch, die Unsicherheitsaspekte am Beispiel des Luftverkehrs umfassend, realitätsnah und theoretisch fundiert in das Scheduling bzw. in die Flugplanoptimierung zu integrieren. Die Abbildung der Unsicherheiten bezüglich Abflugs- und Ankunftszeiten der Flüge erfolgt mit Hilfe der Fuzzy-Mengen-Theorie. Dies ermöglicht die Berücksichtigung sowohl der Vergangenheitsinformationen als auch der subjektiven Vorstellungen, Erfahrungen und Bewertungen der Experten bei der Herleitung der Aussagen über die zu erwartenden Unsicherheitsaspekte. Eine solche Modellierungstechnik weicht außerdem den Nachteilen der stochastischen Ansätze aus, die von der vollständigen Übereinstimmung der Rahmenbedingungen in den Vergangenheits-, Planungs- und Ausführungsperioden ausgehen, und erlaubt somit eine realitätsnahe Beschreibung der Unsicherheit. Im Unterschied zu den meisten Flugplanoptimierungsmodellen ermöglicht das vorliegende Modell eine ganzheitliche Betrachtung der relevanten Umsatz- und Kostenaspekte bei der Optimierung der Flugpläne. So werden hier die Flugverspätungen derart instrumentalisiert, dass sie in die bei den Fluggesellschaften anfallenden Verspätungskosten überführt und neben den erwarteten Passagierumsätzen zum Bestandteil der Zielfunktion deklariert werden. Die Berechnung der Verspätungskosten orientiert sich dabei an den aus der Praxis bekannten Kostenpositionen und den entsprechenden Zusammenhängen. Die durch die Passagierbeförderung generierten Umsätze, die aus einer Flugplanlösung resultieren, werden basierend auf den auf empirischen Daten kalibrierten und die Sachverhalte auf den Luftverkehrmärkten realitätsnah abbildenden Marktmodellen für Geschäfts- und Privatreisende kalkuliert.
232
Kapitel 9
Fazit und Ausblick
Das entwickelte Optimierungsmodell integriert mehrere Sub-Module. Diese liefern für jeden von der Optimierungsroutine generierten Vorschlag zur Änderung der zeitlichen Positionierungen der Flüge die monetäre Bewertung des resultierenden Flugplans. Solch ein modularer Aufbau ermöglicht durch die Anpassungen der einzelnen Modellbausteine eine unkomplizierte Übertragbarkeit des Modells auf die anderen Branchen und Wertschöpfungsbereiche. Die erarbeiteten Ansätze zur Modelladaption für den Einsatz im Transportwesen und im Supply Chain Management bestätigen dies. Zur Gewährleistung der Ergebnisvalidität und der Benutzerakzeptanz berücksichtigt das entwickelte Optimierungsmodell die Besonderheiten der Luftfahrtindustrie und lässt sich eindeutig in den Prozess der Flugplanung einordnen. Es unterstützt die Phase der Flugplan-Feinabstimmung, in welcher Flugplanänderungen heute meist manuell und unsystematisch vorgenommen werden. Das Modell bedient sich ausschließlich der zu Beginn der entsprechenden Planungsphase vorhandenen Informationen und ermöglicht das weitgehende Beibehalten der in den ersten Phasen des Planungsprozesses hergeleiteten Flugplanstruktur. Die Praxistauglichkeit des entwickelten Flugplanoptimierungsmodells wurde durch seine Überführung in ein professionelles Software-Tool und den anschließenden Einsatz bei den Flugplänen großer internationaler Fluggesellschaften bestätigt. Dabei zeigte sich, dass das Modell die in der Realität beobachteten Sachverhalte erwartungsgemäß abbildet. Es ist in der Lage, eine deutliche Steigerung der erwarteten operativen Airline-Ergebnisse in Höhe von ca. 4-5% herbeizuführen, Verspätungskosten realitätsnah und adäquat zu beschreiben sowie die in den Flugplänen vorhandenen Ineffizienzen zu identifizieren. Die empirischen Bewertungs- und Optimierungsläufe zeigten zudem eine signifikante Verbesserung der Verspätungskostensituation nach der von American Airlines in Chicago und Dallas vorgenommenen Einführung des Rolling Hub. Das De-Peaking der Lufthansa in Frankfurt kann trotz eines leichten Anstiegs der Verspätungskosten angesichts des starken Wachstums der Flugbewegungen am Flughafen und der Verkürzung der Flugzeiten ebenfalls als Erfolg bewertet werden. Die Feststellungen dieser Arbeit könnten einen Anstoß bilden, die Theorie der Fuzzy-Mengen bei der Optimierung von Flugplänen sowie bei anderen Scheduling-Aufgaben einzusetzen, um so die zu signifikanten Kosten führenden Unsicherheitsaspekte bezüglich der Ausführungs-, Anfangs- und Endzeiten der Produktions- und Dienstleistungsprozesse realitätsnah abzubilden.
Kapitel 9
Fazit und Ausblick
233
Diese Arbeit liefert weitere Argumente für die Notwendigkeit und den Sinn einer Integration der Unsicherheitsaspekte in den Prozess der Flugplanoptimierung und sie zeigt die Möglichkeiten und Grenzen für die Realisierung einer solchen Integration auf. Nicht zuletzt können die Erkenntnisse dieser Arbeit das Management der Fluggesellschaften davon überzeugen, sich von der ursprünglichen, auf den Aufbau von mehreren über den Tag verteilten Verkehrswellen ausgerichteten Planungsphilosophie zu verabschieden und sich anstatt dessen zur Gewährleistung der gleichmäßigen Ressourcenverteilung und zur Minimierung der Verspätungskosten auf die Entwicklung und Implementierung von Rolling Hubs zu konzentrieren. Anschließende Arbeiten könnten sich mit der Weiterentwicklung des Fuzzyund Marktmodell-basierten Flugplanoptimierungsmodells für die Multi-Huboder Flugallianz-Umgebung befassen. Der auf Luftverkehrsmärkten beobachtete Trend zum Aufbauen von großen, synchronisierten Multi-Hub- und Partnerflugnetzwerken macht eine solche Modellerweiterung hoch aktuell. Des Weiteren könnte ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Infrastrukturauslastung und den Zugehörigkeitsgraden der Fuzzy-Mengen erarbeitet werden, welche die entsprechende Prozesslänge, die -start-, oder -endzeitpunkte angeben. Dies würde die Spezifikation der Zugehörigkeitsfunktionen seitens der Modellbenutzer erleichtern und die Abbildung der Systeminterdependenzen präzisieren. In künftigen Forschungsarbeiten könnte man darüber hinaus versuchen, im entwickelten Modell mit anderen heuristischen oder exakten Optimierungsmethoden zu arbeiten. Sinnvoll wäre auch eine Ergänzung der Marktmodellbzw. Passagierschätzung um die Kapazitätsaspekte. In diesem Zusammenhang müsste untersucht und modelliert werden, wie die Passagiernachfrage, die die jeweilige Flugzeugkapazität übersteigt, auf die anderen Flugverbindungen verteilt werden kann. In einem nächsten Schritt wäre dann zu klären, wie sich die relevanten Kostenpositionen verändern, wenn die verspäteten Passagiere auf die alternativen späteren Verbindungen umgebucht werden müssen und dort wegen Kapazitätsengpässen die Passagiernachfrage verdrängen. Basierend auf den Erkenntnissen dieser Arbeit könnte man auch Versuche unternehmen, Flugzeug- und Crewzuordnung mit Hilfe eines Fuzzy-basierten Modells durchzuführen.
234
Kapitel 9
Fazit und Ausblick
Interessant wäre überdies ein Ansatz, der über die erarbeiteten Vorschläge zur Modelladaptation hinausgeht und versucht, das Modell auf eine konkrete Scheduling-Aufgabe im Transportwesen oder im Supply Chain Management anzuwenden. Das in dieser Arbeit enthaltene Methodeninstrumentarium liefert dafür eine solide und ausbaufähige Basis.
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Anhang Parameter der empirischen Bewertungs- und Optimierungsläufe Parameter Wochentag Detour-Factor Maximales Hit-Fenster für Transferverbindungen mit der Gesamtreisezeit < 4 Std. Maximales Hit-Fenster für Transferverbindungen mit der Gesamtreisezeit ≥ 4 Std. Zeitfenster für die Zeitenlagen der Flüge Preisaufschlagkoeffizient für die Passagierbeförderung mit der eigenen Airline Preisaufschlagkoeffizient für die Passagierbeförderung mit einer Partner-Airline Preisaufschlagkoeffizient für die Passagierbeförderung mit einer Konkurrenz-Airline Anteil der Passagiere, die mit dem ersten späteren Flug weiterbefördert werden Anteil der Passagiere, die mit dem zweiten späteren Flug weiterbefördert werden Partner-Airlines für American Airlines Partner-Airlines für Lufthansa Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 0,5 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 1 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 1,5 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 2 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 2,5 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 3 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 3,5 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung von 4 Stunden Umsatzabschlag bei einer Verspätung mehr als 4 Stunden Übernachtungskosten für einen Passagier Umsatzabschlag bei einer Übernachtung Faktor zur Berücksichtigung von früheren Abflügen Maximale Anzahl von Slots für American Airlines in Chicago O'Hare pro 5 Minuten Maximale Anzahl von Slots für American Airlines in Dallas/Fort Worth pro 5 Minuten Maximale Anzahl von Slots für Lufthansa in Frankfurt pro 5 Minuten Länge der Tabu-Liste Maximale Anzahl der Iterationen (Abbruchskriterium) Anzahl der zu akzeptierenden Flügen in einem Iterationsschritt Mindestwert für die Zielfunktionsverbesserung Skalierungsparameter für den Mindestwert Wahrscheinlichkeit für die Akzeptanz der Flüge mit der Zielfunktionsverbesserung kleiner als der skalierte Mindestwert Wahrscheinlichkeit für die Akzeptanz der Zeitenlagen der Flüge mit der Zielfunktionsverbesserung kleiner als der skalierte Mindestwert Zulässige Anzahl der Iterationsschritte mit einer Zielfunktionsverbesserung unter dem vorgegebenen Mindestwert
Wert Montag 1,35 120 Minuten 180 Minuten [-30 Minuten bis + 30 Minuten] 1,0 1,1 1,2 80% 20% OneWorld Mitglieder Star-Alliance Mitglieder 10% 10% 20% 30% 40% 60% 70% 90% 100% 100 € 70% 0% 7 13 5 170 Flüge 100 20 2.000 € 0,95 10% 10% 3
236
Anhang
Entwicklung Entwicklung des des Anteils Anteils der der Codeshare-Flüge Codeshare-Flüge in in den den Weltflugplänen Weltflugplänen
35,5% 30,6% 27,2% 27,3% 26,7%
14,6%
15,9%
17,6% 15,1% 14,4%
11,6% 11,6%
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Abbildung A.1: Entwicklung des Anteils der Codeshare-Flüge in den Weltflugplänen (Quelle: OAG-Sommerflugpläne, eigene Berechnungen)
Entwicklung Entwicklung der der operativen operativen Ergebnisse Ergebnisse und und Gewinne Gewinne der der weltweiten weltweiten Airline-Industrie Airline-Industrie Umsatzanteil 8 6 4 2 0 1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
-2 -4 -6
Operatives Ergebnis Gewinn
Abbildung A.2: Entwicklung der operativen Ergebnisse und Gewinne der weltweiten Airline-Industrie (Quelle: IATA (2004), S. 27)
Anhang
237
Freiheitsgrade im Luftverkehr Erste Freiheit Das Reicht, das Hoheitsgebiet eines anderen Staates ohne Landung zu überfliegen
Heimatstaat
Staat A
Staat B
Heimatstaat
Staat A
Staat B
Dritte Freiheit Das Recht, Passagiere, Post und Fracht aus dem Heimatstaat in einen anderen Staat zu befördern
Heimatstaat
Staat A
Vierte Freiheit Das Recht, Passagiere, Post und Fracht aus einem anderen Staat in den Heimatstaat zu befördern
Heimatstaat
Staat A
Fünfte Freiheit Das Recht, Passagiere, Post und Fracht auf einem Flug, der im Heimatstaat beginnt, zwischen zwei anderen Staaten zu befördern
Heimatstaat
Staat A
Staat B
Sechste Freiheit Das Recht, Passagiere, Post und Fracht auf zwei verschiedenen Flügen von einem anderen Staat via den Heimatstaat in einen Drittstatt zu befördern
Staat A
Heimatstaat
Staat B
Siebte Freiheit Das Recht, Passagiere, Post und Fracht auf einem Flug zwischen zwei Drittstaaten zu befördern
Heimatstaat
Staat A
Staat B
Achte Freiheit (oder Cabotage) Das Recht, Passagiere, Post und Fracht innerhalb eines Drittstaates zu befördern, aber in Verbindung mit dem Heimatstaat
Heimatstaat
Staat A
Heimatstaat
Staat A
Zweite Freiheit Das Recht im Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu nichtgewerblichen Zwecken zu landen
Neunte Freiheit (oder Stand-alone Cabotage) Das Recht, Passagiere, Post und Fracht ohne Verbindung zum Heimatstaat innerhalb eines Drittstaates zu befördern
Glossar wichtiger Begriffe der Luftverkehrswirtschaft Airline Code
Airport Code
Ein von der IATA vorgegebener zwei- oder dreistelliger Buchstabencode, der eine Fluggesellschaft identifiziert Ein dreistelliger Buchstabencode, der jeden Flughafen eindeutig identifiziert. Airport Code kann vom City-Code der jeweiligen Stadt
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Anhang
abweichen, falls eine Stadt über mehrere Flughäfen verfügt Available Passenger Kilometers
Produkt der Anzahl der verfügbaren Sitze und der Flugdistanz über alle Flüge einer Fluggesellschaft. Gibt Auskunft über die angebotene Verkehrsleistung
Carrier
Fluggesellschaft
City Code
Ein dreistelliger Buchstabencode, der jede Stadt eindeutig identifiziert
Codeshare
Häufig angewandtes Verfahren im Luftverkehr. Dabei teilen sich zwei oder mehrere Fluggesellschaften einen Linienflug. Jede der beteiligten Fluggesellschaften erhält eine eigene Flugnummer
Destination Detour-Factor
Bestimmungsort einer Flugverbindung Das Verhältnis der Summe der Distanzen einzelner Flüge, die eine Transferverbindung bilden, zu der direkten Streckenlänge
Dezentrales Netzwerk
Auch Punkt-zu-Punkt-Netzwerk genannt. Netzwerk, in dem Passagiere auf dem Weg zwischen den Start- und Endflughäfen mit Flugverbindungen ohne Zwischenstopp befördert werden
Domestic Traffic
Inlandsverkehr
Eurocontrol
Europäische Organisation für Flugsicherung und -sicherheit. Eurocontrol koordiniert den europäischen Luftverkehr US-amerikanische Organisation. Verantwortlich für Flugsicherung, Luftverkehrssteuerung, Navigation und Entwicklung des zivilen Luftverkehrs in den USA
FAA
Ferry-Flug
Flug, der ausgeführt wird, um ein Flugzeug zu seinem Basis-Flughafen oder einer ReparaturWerkstatt zu bringen sowie es an einen anderen Einsatzort zu repositionieren
Flugsicherung
Dient der Lenkung und Sicherung des Luftverkehrs. Flugsicherung schütz Flugzeuge vor möglichen Gefahren und zu nahen
Anhang
239
Begegnungen durch Verkehrsflusssteuerung und Luftraum-Management Flugverspätung
Abweichung zwischen der planmäßigen und der tatsächlichen Abflugs- oder Ankunftszeit eines Fluges. Eine Flugverspätung wird oft erst ab 15 Minuten registriert
Freiheiten im Luftverkehr Start-, Lande- und Überflugsrechte für den internationalen Fluglinienverkehr Frequenzen
Anzahl der Flüge innerhalb eines Zeitraums (meistens eine Woche)
Vielfliegerprogramme
Airline-Marketing-Programme, die Kundenloyalität steigern und dadurch Marktanteile erobern oder verteidigen. Bei diesen Programmen bekommen Passagiere Punkte für geflogene Meilen oder Kilometer. Punkte können später für Flüge oder Sachprämien ausgegeben werden und entscheiden über die Vorzugsbehandlung
High Yield Tarif
Tarife bzw. Ticketpreise für Business- und Firstclass-Passagiere
Hit
Eine wettbewerbsfähige Transferverbindung
Hit-Window
Maximale Zeitspanne zwischen der Ankunftszeit eines Zubringerfluges und der Abflugszeit eines Anschlussfluges, die zum Zustandekommen eines Hits führt
Hub
Flughafen, der als Umschlagsort für Passagierreiseströme fungiert Methode der Flugplanung, bei der eine Fluggesellschaft die Zeitenlagen ihrer Flüge, die über einen Flughafen gehen, derart koordiniert, dass die Anzahl der mit diesen Flügen beförderten Transferpassagiere maximiert wird
Hubbing
Hub-and-Spoke Netzwerk Netzwerk, in dem Passagiere auf dem Weg zwischen ihren Start- und Zielflughäfen Zwischenstopps über einen oder mehreren HubFlughäfen befördert Inbound-Flug
Ankommender Flug
Leg
Flugsegment ohne Zwischenstopp
240
Anhang
Low Yield
Tarife bzw. Ticketpreise für Economyclasspassagiere
Mehr-Leg-Flug
Ein Flug, der aus mehreren Legs besteht, wobei alle Legs unter der gleichen Flugnummer ausgeführt werden
Netzwerkmanagement
Planung des Streckennetzes einer Fluggesellschaft
O&D
Origin & Destination: Start- und Endpunkt einer Flugverbindung
Origin
Abflugsort einer Flugverbindung
Outbound-Flug
Abgehender Flug
Prorating
Umsatz- oder Gewinnaufteilung zwischen den Fluggesellschaften, die an einer Flugverbindung beteiligt sind
Transferverbindung
Flugverbindung über einen oder mehrere Zwischenflughäfen
Transferpassagier
Passagier, der eine Transferverbindung antritt
PAX
Im Luftverkehr übliche Bezeichnung für einen Passagier
Peak
Tageszeit mit einer besonders großen Passagiernachfrage
Pricing
Prozess der Preisfindung und Preissetzung
Revenue Passenger Kilometers
Produkt der Anzahl der zahlenden Passagiere und der Flugdistanz über alle Flüge einer Fluggesellschaft. Gibt Auskunft über die nachgefragte Verkehrsleistung
Schedule
Flugplan. Enthält Informationen über die geplanten Abflugs- und Ankunftszeiten -und orte
Scheduled Flight
Linienflug
Scheduling
Prozess der Flugplanentwicklung- und Optimierung
Sitzladefaktor
Prozentsatz der ausgenutzten Flugzeugsitzkapazität
Slot
Ein Zeitfenster, in dem eine Fluggesellschaft einen Start- oder Landevorgang tätigen darf.
Anhang
Spoke
241
Bezieht sich in der Regel auf ein 5 Minuten Intervall Eine Außenstation in einem Hub-and-SpokeNetzwerk
Tarif
Preis für die Passagierbeförderung
Turnaround-Time
Die aus technischen Gründen erforderliche Mindestzeit, die ein Flugzeug am Boden verbringen muss, um auf den nächsten Flug vorbereitet zu werden
Yield
Durchschnittsertrag, der mit der Passagierbeförderung generiert wird. Errechnet sich als der Passagierumsatz in einem Passagiersegment geteilt durch die Anzahl der Passagiere im entsprechenden Segment (oft teilt man den so erhaltenen Wert durch die Anzahl der angebotenen Meilen oder Kilometer)
Yield Management
Optimierung der Kapazitätsauslastung durch Preis- und Verfügbarkeitsmanagement
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AUS DER REIHE
Gabler Edition Wissenschaft
„Schriften zum europäischen Management“ Herausgeber: Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network zuletzt erschienen: John-Christian Lührs Strategische Unternehmensführung bei hoher Marktturbulenz Birgit Kuhles Interkulturelles Management westlicher Banken in Südostasien Katrin Vernau Effektive politisch-administrative Steuerung in Stadtverwaltungen Mandy Krafczyk Quality Added Value Yves Meinhardt Veränderung von Geschäftsmodellen in dynamischen Industrien Nicolás Ebhardt Privatbankiers im Elektronischen Markt Ulrich H. Krause Zielvereinbarungen und leistungsorientierte Vergütung Gregor Tjaden Erfolgsfaktoren Virtueller Unternehmen Vatchagan Vartanian Innovationsleistung und Unternehmenswert Bernd Hochberger Financial Planning Jens-Holger Dodel Supply Chain Integration Christian Krys Erfolgreiche Wettbewerbsstrategien im westeuropäischen GSM-Markt Ralf Moldenhauer Krisenbewältigung in der New Economy Karsten Lafrenz Shareholder Value-orientierte Sanierung (Weitere Titel dieser Reihe finden Sie auf der folgenden Seite.)
AUS DER REIHE
Gabler Edition Wissenschaft
(Fortsetzung) Andreas Luber Mobile Brokerage Holger von Daniels Private Equity Secondary Transactions Jens Köppen Synergieermittlung im Vorfeld von Unternehmenszusammenschlüssen Thomas Kempe Management wetterinduzierter Risiken in der Energiewirtschaft Carsten W. Seeliger Corporate Venturing in der Praxis Ralph Kudla Finanzierung in der Sanierung Tobias Harzer Investor Relations für Privatanleger Torsten Schmid Strategie als Kunst des Möglichen Ingo Lange Unternehmenswert und Behavioral Finance in der Insolvenz Jörg Zirener Sanierung in der Insolvenz Verena Reichl Prospektive Auswirkungen der Kosteneinsparung im Gesundheitswesen auf Ärzte, Patienten und die Industrie Markus Strietzel Unternehmenswachstum durch Internationalisierung in Emerging Markets Burkhard Schnorrenberg Zur Preisbildung von Forwardkontrakten im Strommarkt Leonid Jasvoin Integration der Unsicherheitsaspekte in die Schedule-Optimierung
www.duv.de Änderung vorbehalten. Stand: April 2006.
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