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German Pages 433 Year 2008
Torsten Schonert Interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke in der deutschen Automobilindustrie
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Entscheidungs- und Organisationstheorie Herausgegeben von Prof. Dr. Egbert Kahle
Die Schriftenreihe soll Forschungsergebnisse aus den Bereichen Entscheidungstheorie und Organisationstheorie einschließlich der damit verbundenen Problemfelder Kommunikation, Wahrnehmung, Unternehmenskultur, Unternehmensethik und Unternehmensstrategie vorstellen und – über Einzeldarstellungen hinaus – den Gesamtzusammenhang der Probleme und Lösungsansätze vermitteln. Der ausdrückliche Theoriebezug schließt dabei eine konkrete Praxisorientierung im Einzelnen mit ein.
Torsten Schonert
Interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke in der deutschen Automobilindustrie Die Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen am Beispiel internationaler Standortentscheidungen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Egbert Kahle
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Leuphana Universität Lüneburg, 2007
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Britta Göhrisch-Radmacher Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0960-2
Geleitwort Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem spezifischen aktuellen und theoretisch noch offenen Problem, das erhebliche praktische Relevanz hat. Die umfassend angelegte Arbeit ist systematisch aufgebaut und mit der notwendigen Quellenbasis versehen. Sie besteht aus vier inhaltlichen Abschnitten, denen eine Einleitung vorausgeht und denen als Ableitung ein Erklärungsmodell der erarbeiteten Zusammenhänge in einem fünften Abschnitt folgt. Von den inhaltlichen Abschnitten befassen sich drei mit verschiedenen Aspekten der Wertschöpfungsnetzwerke und der vierte befasst sich mit internationalen Standortentscheidungen; diese Schwerpunktsetzung entspricht der theoretischen „Fragwürdigkeit“ der Problemstellungen, da zu den Wertschöpfungsnetzwerken mehr offene Fragen bestehen als zu den schon recht breit untersuchten Standortproblemen, zu denen zwei aktuelle Anätze besonders herausgestellt werden. Der erste inhaltliche Abschnitt gibt konzeptionelle Grundlagen zu automobilen Wertschöpfungsnetzwerken im Allgemeinen, die dann im zweiten Abschnitt auf interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke bezogen werden. Nach einem kurzen Ausblick auf die Netzwerktheorie als Ausgangsbasis interorganisationaler Wertschöpfung werden verschiedene Aspekte von Unternehmensnetzwerken aufgegriffen und erörtert, wobei der trichotome Ansatz als zentraler Orientierungspunkt dient. Darauf aufbauend werden Macht und Vertrauen als Parameter interorganisationaler Wertschöpfung diskutiert. Die ausführlichen theoretischen Darlegungen zu Netzwerken werden im dritten Abschnitt auf die automobilen Wertschöpfungsnetzwerke übertragen, wobei auch empirische Befunde zu Macht und Vertrauen in diesen Netzwerken eingebracht werden. Im vierten Abschnitt werden die Standortentscheidungen analysiert und die entscheidungsrelevanten Standortfaktoren erläutert, auf deren Grundlage dann drei Standortentscheidungen beschrieben werden. Die Ergebnisse werden zusammengefasst. Die Komplexität des Themas und seiner immanenten Bereiche wird verschiedentlich sichtbar, und die zugrunde gelegte und gut dokumentierte Literatur zeigt, dass es in diesem Feld schwierig ist, eindeutige Zusammenhänge sichtbar zu machen. In den Leitlinien und Hypothesen des Autors kommen die verschiedenen Erklärungszusammenhänge und theoretischen Ansätze zu den Elementen des Feldes fundiert zum Tragen. Ich wünsche der Arbeit von Herrn Schonert die ihr zukommende Aufmerksamkeit in Theorie und Praxis. Professor Dr. Egbert Kahle
V
Vorwort Standortentscheidungen in Netzwerken kennzeichnen sich nicht allein im unternehmerischen Umfeld durch eine hohe Bedeutung. Auch im Privaten ist die wiederkehrende persönliche Standortbestimmung für die konsequente Verfolgung und letztendliche Erreichung von gesetzten Zielen eine notwendige Voraussetzung. Ich habe die Erfahrung machen dürfen, dass mir bei dieser Standortbestimmung von vielen Menschen in meinem persönlichen Netzwerk vorbehaltlos ein Vertrauensvorschuss und die uneingeschränkte Zusammenarbeit hinsichtlich der Erreichung meines Ziels – der Erstellung der vorliegenden Dissertation – gewährt wurden. Dafür möchte ich mich bei allen an dieser Arbeit Beteiligten bedanken. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Egbert Kahle, der mir die Möglichkeit einräumte, diese Dissertation neben meiner beruflichen Tätigkeit zu erstellen. Die Zusammenarbeit mit ihm gestaltete sich durch die für mich inhaltlich frei wählbaren Schwerpunkte als auch durch die Vielzahl seiner kritischen und fachlichen Hinweise äußerst konstruktiv und positiv. Für beides – die Freiheit und die enge Anbindung zugleich – möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Danken möchte ich ferner meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Lutz Zündorf für die Betreuung meiner Arbeit. Ein besonderes Anliegen ist es mir, all denen zu danken, die an der operativen Umsetzung meiner Ideen und Gedanken beteiligt waren. Dazu zählt Herr Thomas Rennemann, der mich mit seinen kritischen Fragen und Anmerkungen in viele Diskussionsrunden zwang und so meine Arbeit inhaltlich anspruchsvoller werden ließ. Frau Svea Becker unterstützte mich ebenfalls intensiv durch ihre kritischen Anregungen und ließ insbesondere durch ihren Blickwinkel von außerhalb der Automobilindustrie viele Branchenspezifika allgemeinverständlicher werden. Herrn Endrik Scholz danke ich für seine investierte Zeit. Er war nicht nur einer der Ersten, der meine Gedankengänge auf logische Plausibilität überprüfte. Ihm oblag darüber hinaus die Aufgabe des Motivators und verständnisvollen Zuhörers auch für nichtdissertationsrelevante Probleme während dieser Zeit. Frau Rosemarie Schonert danke ich für die orthografische und grammatikalische Überarbeitung der nachfolgenden Seiten. Sollten dennoch Fehler auftreten, so sind diese nicht ihr anzurechnen. Der größte Dank gilt jedoch meiner Frau Frauke Schonert für ihre in jeglicher Hinsicht nie nachlassende Unterstützung, ihre unendliche Geduld sowie ihr vorbehaltloses Vertrauen. Ohne sie als die zentrale Person in meinem persönlichen Netzwerk wäre die vorliegende Dissertation nie entstanden. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Torsten Schonert VII
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung....................................................................................................
1
1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
Problemstellung ........................................................................................... Zielsetzung der Arbeit ................................................................................. Aufbau der Arbeit ........................................................................................ Abgrenzung der Arbeit ................................................................................
1 4 5 8
2
Konzeptionelle Grundlagen zur Analyse automobiler Wertschöpfungsnetzwerke........................................................................
11
2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3
Theoretische Grundlagen............................................................................. Automobilspezifische Definitionen ............................................................. Wertschöpfung............................................................................................. Market-based View...................................................................................... Resource-based View .................................................................................. Resource Dependence Theory ..................................................................... Zusammenfassung ....................................................................................... Automobile Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen in der historischen Entwicklung........................... Handwerkliche Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen in den Anfängen der Automobilindustrie (ca. 1885 – 1915) ......................................................................................... Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen während der ersten Phase der automobilen Massenproduktion (ca. 1915 – ca. 1950).................................................................................... Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen während der zweiten Phase der automobilen Massenproduktion (ca. 1950 – ca. 1990).................................................................................... Aktuelle Wertschöpfungs-Netzwerkstrukturen und internationale Standortentscheidungen (seit ca. 1990) ....................................................... Veränderungsprozesse in der Automobilindustrie ...................................... Fundamentale Einflussdeterminanten automobiler Wertschöpfungsprozesse ....................................................................................................... Auswirkungen fundamentaler Einflussdeterminanten auf automobile Wertschöpfungsprozesse ............................................................................. Handlungsprämissen für automobile Wertschöpfungsnetzwerke ...............
12 12 15 17 22 31 33 34
35
36
39 46 52 53 59 67
IX
3
Interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke....................................
3.1
Netzwerktheorie als Ausgangsbasis interorganisationaler Wertschöpfung............................................................................................. Netzwerktheoretische Grundlagen............................................................... Partialnetze................................................................................................... Anwendung der Netzwerktheorie auf interorganisationale Unternehmensnetzwerke.............................................................................. Aspekte von Unternehmensnetzwerken ...................................................... Unternehmensnetzwerke als dritte Koordinationsform neben Markt und Hierarchie..................................................................................................... Markt............................................................................................................ Hierarchie..................................................................................................... Unternehmensnetzwerke – ein trichotomes Erklärungsmodell ................... Interorganisationale Kooperation ................................................................ Marktorientierte Kooperationen .................................................................. Traditionelle Kooperationen........................................................................ Partnerschaftliche Kooperationen................................................................ Kooperation als Parameter interorganisationaler Wertschöpfungsnetzwerke............................................................................................................ Charakterisierung und Typologisierung von Unternehmensnetzwerken .... Chancen von Unternehmensnetzwerken...................................................... Risiken von Unternehmensnetzwerken ....................................................... Automobilrelevante Formen von Unternehmensnetzwerken ...................... Strategische Netzwerke................................................................................ Strategische Allianzen ................................................................................. Wertschöpfungspartnerschaften .................................................................. Macht und Vertrauen als Parameter interorganisationaler Wertschöpfung............................................................................................. Macht ........................................................................................................... Vertrauen ..................................................................................................... Macht und Vertrauen als komplementäre Steuerungsmechanismen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken...................................... Theoretische Ansätze zur Erklärung von Zusammenarbeit in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken...................................... Spieltheorie .................................................................................................. Property-Rights-Theorie .............................................................................. Principal-Agent-Theorie .............................................................................. Transaktionskostentheorie ........................................................................... Parameter der Transaktionskostenanalyse...................................................
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.4 3.2.4.1 3.2.4.2 3.2.4.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.4.1 X
71 71 72 74 77 79 80 80 81 84 88 93 94 95 96 97 103 106 111 112 120 129 132 133 141 149 151 153 159 162 168 169
3.4.4.2 Interdependenzen der Transaktionsparameter ............................................. 3.4.4.3 Erkenntnisse der Transaktionskostenanalyse .............................................. 3.4.4.4 Anwendung der transaktionskostentheoretischen Erkenntnisse auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke........................................................ 3.4.4.5 Besondere Bedeutung der Faktorspezifität in der Automobilindustrie ....... 3.4.4.6 Berücksichtigung von Macht und Vertrauen im automobilen transaktionskostentheoretisch basierten Kontext......................................... 3.4.4.7 Kritische Reflexion der Transaktionskostentheorie vor einem automobilspezifischen Untersuchungshintergrund......................................
174 179 181 185 187 190
4
Automobile Wertschöpfungsnetzwerke................................................... 193
4.1 4.2 4.3
Struktureller Aufbau automobiler Wertschöpfungsnetzwerke .................... Funktionsweise automobiler Wertschöpfungsnetzwerke ............................ Abhängigkeiten, Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen....................................................................... Interdependente Abhängigkeiten im automobilen Wertschöpfungsverbund ........................................................................................................ Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen – empirische Ergebnisse ................................................................................. Integration von Wertschöpfung, Macht und Vertrauen............................... Interorganisationale Wertschöpfungssteuerung: Fallbeispiel Toyota ......... Leitlinien als Basis für eine multivariable Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes .....................
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.5
194 198 206 207 216 220 223 229
5
Internationale Standortentscheidungen .................................................. 237
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.2 5.2.1 5.2.1.1 5.2.1.2 5.2.1.3 5.2.2 5.3 5.3.1
Theoretische Erklärungsansätze zu ausländischen Direktinvestitionen ...... Makroökonomische Erklärungsansätze ....................................................... Mikroökonomische Erklärungsansätze........................................................ Institutionenökonomische Ansätze.............................................................. Verhaltensorientierte Ansätze...................................................................... Deskription der Standortentscheidungstheorien .......................................... Standortbestimmungslehre .......................................................................... Reine (exakte) Standortbestimmungslehre .................................................. Geometrische Standortbestimmungslehre ................................................... Empirisch-realistische Standortbestimmungslehre...................................... Standortplanungslehre ................................................................................. Ansätze einer internationalen Standortlehre................................................ Die Ansätze von Sabathil und Tesch ...........................................................
239 239 240 241 242 245 248 249 252 254 259 261 261
XI
5.3.2
Internationale Standortentscheidungen aus netzwerktheoretischer Perspektive................................................................................................... 5.3.3 Neuere Ansätze internationaler Standortentscheidungen ............................ 5.3.3.1 Der Ansatz von Meyer: Optimierung globaler Produktionsnetzwerke ....... 5.3.3.2 Der Ansatz des Verbundprojektes BESTAND............................................ 5.4 Der Standortentscheidungsprozess .............................................................. 5.4.1 Standortbewertungsverfahren im Überblick................................................ 5.4.2 Der Standortentscheidungsprozess vor dem Hintergrund verhaltenswissenschaftlicher Aspekte ......................................................... 5.5 Entscheidungsrelevante Standortfaktoren ................................................... 5.5.1 Marktfaktoren .............................................................................................. 5.5.2 Faktorkosten – Arbeit, Kapital, Material..................................................... 5.5.3 Produktivität beeinflussende Standortfaktoren............................................ 5.5.4 Logistikkosten.............................................................................................. 5.5.5 Externe Faktoren.......................................................................................... 5.6 Internationale Standortentscheidungen in der Automobilindustrie ............. 5.6.1 Automobile Standortentscheidungen deutscher Unternehmen in Mexiko und in den USA............................................................................................ 5.6.2 Automobile Standortentscheidungen in China ............................................ 5.6.3 Automobile Standortentscheidungen in Mittel-/Osteuropa......................... 5.7 Zusammenfassende Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses ................
264 267 267 271 281 285 288 290 291 292 299 304 305 310 313 320 325 328
6
Internationale Standortentscheidungen in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken – ein theoretisches Erklärungsmodell ...................................................................................... 333
6.1 6.2
Formale Darstellung der Ausgangslage für das Erklärungsmodell ............. 335 Erklärungsmodell für einen interorganisationalen Standortentscheidungsprozess ..................................................................... 339 Erweiterung des Erklärungsmodells um verhaltenswissenschaftliche Aspekte ........................................................................................................ 359
6.3
7
Zusammenfassung und Ausblick.............................................................. 363
8
Anhang........................................................................................................ 369
9
Literaturverzeichnis .................................................................................. 377
XII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.3: Abb. 2.1.1: Abb. 2.1.2–1:
Aufbau der Arbeit im Überblick.................................................... Definitionsabgrenzung automobilspezifischer Terminologien ..... Vereinfachte Darstellung des Prinzips der Wertschöpfung im unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund ................ Abb. 2.1.2–2: Einordnung theoretischer Grundlagen zur Wertschöpfungsanalyse in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken....... Abb. 2.1.3: Wertekette nach Porter................................................................... Abb. 2.1.4: Konzeptionelle Einordnung strategischer Ressourcen im Rahmen des RBV......................................................................................... Abb. 2.2: Historische Entwicklung automobiler Wertschöpfungsstrukturen ....................................................................................... Abb. 2.2.4: Historische Entwicklung automobiler Wertschöpfungstiefe aus Sicht der OEM ............................................................................... Abb. 2.3.1: Fundamentale Einflussdeterminanten und Ursachen für automobile Wertschöpfungsprozesse ............................................ Abb. 2.3.2–1: Auswirkungen fundamentaler Einflussdeterminanten auf automobile Wertschöpfungsprozesse ............................................ Abb. 2.3.2–2: Zunehmende Komplexität als Grund für wachsenden Kapazitätsbedarf (KB) ................................................................... Abb. 2.3.3: Handlungsprämissen für automobile Wertschöpfungsprozesse .... Abb. 3.1.1: Besondere Formen von Knoten und Kanten im Netzwerk............ Abb. 3.1.2: Partialnetze..................................................................................... Abb. 3.2.1.3–1: Marktliche und hierarchische Elemente von Netzwerken ............. Abb. 3.2.1.3–2: Netzwerkformen im trichotomen Modell von Fischer .................. Abb. 3.2.3: Typologie von Unternehmensnetzwerken ..................................... Abb. 3.2.4: Einordnung automobilrelevanter Formen von Unternehmensnetzwerken in das trichotome Modell von Fischer........................ Abb. 3.2.4.2: Handlungsalternativen in Strategischen Allianzen........................ Abb. 3.3.1: Macht und latente Macht in Netzwerkbeziehungen ...................... Abb. 3.3.2: Vereinfachter Prozess der Vertrauensentstehung .......................... Abb. 3.4.4.4: Einordnung automobilspezifischer Wertschöpfungsumfänge mit Hilfe transaktionskostentheoretischer Parameter .................... Abb. 4.1–1: Klassische Darstellung der automobilen Zulieferpyramide .......... Abb. 4.1–2: Interorganisationales automobiles Wertschöpfungsnetzwerk ....... Abb. 4.1–3: Koordinationsformen interorganisationaler Wertschöpfung im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk .........................................
5 14 16 17 20 26 35 51 53 59 63 68 74 75 84 87 99 112 124 138 145 182 194 195 198
XIII
Abb. 4.2: Abb. 4.3.1: Abb. 4.5: Abb. 5.2: Abb. 5.2.1.3: Abb. 5.2.2: Abb. 5.3.3.1: Abb. 5.3.3.2: Abb. 5.4: Abb. 5.5.2: Abb. 5.5.5: Abb. 6.1–1: Abb. 6.1–2: Abb. 6.2–1:
Abb. 6.2–2: Abb. 6.2–3:
Abb. 6.2–4:
Abb. 6.2–5:
XIV
Desintegration automobiler Wertschöpfung am Beispiel Interieurumfänge............................................................................ Dynamik wechselseitiger Anbieter-/AbnehmerAbhängigkeiten.............................................................................. Multivariable Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes ...................................... Typologische Einordnung der Standorttheorien............................ Standortfaktorensystematik nach Behrens..................................... System der Standortstrategien nach Lüder/Küpper ....................... Vorgehen zur Entwicklung und Umsetzung eines strategischen Standortkonzeptes.......................................................................... Die BESTAND-Standortfaktorensystematik................................. Sukzessive geografische Eingrenzung der Standortwahl am Beispiel BMW Spartanburg........................................................... Erzielte Einsparungen von US-Zulieferern bei unterschiedlichen Wertschöpfungsumfängen durch die Beschaffung in China ......... Vereinfachte Darstellung des Natural Hedging zum Ausgleich von Währungsrisiken ..................................................................... Interorganisationales Wertschöpfungsnetzwerk mit nationaler Ausrichtung.................................................................................... Interorganisationales Wertschöpfungsnetzwerk mit internationaler Ausrichtung ........................................................... Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 1............................................. Zeitlich versetzte Abfolge der SO-Entscheidungsprozesse von OEM und Zulieferer....................................................................... Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 2............................................. Erfolgskritische Standortfaktoren des Zulieferers beim Following Customer und ihre Beeinflussung durch Anreizmechanismen seitens des OEM .......................................... Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 3.............................................
201 207 230 246 257 260 269 273 282 299 308 335 336
341 342
346
347
359
Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1.1: Tabelle 3.1.1: Tabelle: 3.2.2: Tabelle 3.2.4.2–1: Tabelle 3.2.4.2–2: Tabelle 3.3.1: Tabelle 3.4.4.3: Tabelle 4.2: Tabelle 4.3.2: Tabelle 5.3.3.2–1: Tabelle 5.3.3.2–2: Tabelle 5.3.3.2–3: Tabelle 5.3.3.2–4: Tabelle 5.4:
Tabelle 5.4.1: Tabelle 5.5.2–1:
Tabelle 5.5.2–2: Tabelle 5.5.2–3: Tabelle 5.6.2:
Einteilung automobiler Zulieferebenen...................................... Definitionen zu Netzwerkeigenschaften .................................... Dimensionen der Kooperationsform .......................................... Vergleich Markt – Netzwerk – Hierarchie................................. Chancen und Risiken von Strategischen Netzwerken................ Potenzielle Machtfaktoren von Zulieferern ............................... Der Transaktionskostenansatz.................................................... Eigenleistung und Fremdbezug in der Automobilindustrie ....... Regionale Vertrauens- und Opportunismusausprägungen in der Automobilindustrie .......................................................... Matrix der strategischen Passfähigkeit von Internationalisierungs- und Wettbewerbsstrategie .................................... Erfolgskritische Standortfaktoren für die Internationalisierungsstrategie Following Customer ................. Durch regionale Kooperationen verbesserbare Standortfaktoren....................................................................................... Individuelle Potenziale zur Verbesserung von Standortfaktoren durch regionale Kooperationen.................................... Primär relevante Standortfaktoren zur Eingrenzung potenzieller Standorte auf unterschiedlichen geografischen Betrachtungsebenen ................................................................... Bewertungsverfahren zur Standortentscheidung im Überblick .................................................................................... Durchschnittliche Arbeitskosten je tatsächlicher Arbeitsstunde für einen angelernten Industriebeschäftigten (für 2004; bei langfristigen, durchschnittlichen Wechselkursen) ..... Gehaltsbeispiele für verschiedene Mitarbeiterkategorien in Shanghai/Ningbo........................................................................ Indikatorenschema und länderspezifische Kapitalkostensätze ............................................................................................ Ausländische Automobilhersteller auf dem chinesischen Markt ..........................................................................................
13 73 90 116 117 141 179 202 219 274 275 278 279
283 285
293 294 297 321
XV
Abkürzungsverzeichnis Abb. Aufl. bzgl. bspw. bzw. et al. etc. EU f. ff. F&E Fzg. ggf. ggü. Hrsg. i. d. R. int. interorg. intraorg. JIS JIT Kfz. KMU OEM m. E. MNU Mio. Mrd. Pkw SO SOE u. u. a. u. U. o. V. WFOE WSNW vgl. z. B.
Abbildung Auflage bezüglich beispielsweise beziehungsweise et alii et cetera Europäische Union folgende [Seite] folgende [Seiten] Forschung & Entwicklung Fahrzeug gegebenenfalls gegenüber Herausgeber in der Regel international interorganisational intraorganisational Just-in-sequence Just-in-time Kraftfahrzeug Kleine und Mittlere Unternehmen Original Equipment Manufacturer meines Erachtens Multinationale Unternehmen Million Milliarde Personenkraftwagen Standort Standortentscheidung und unter anderem unter Umständen ohne Verfasser Wholly Foreign Owned Enterprise Wertschöpfungsnetzwerk vergleiche zum Beispiel
XVII
1 Einleitung 1.1.
Problemstellung
In Gesellschaften, die sich durch zunehmende Geschwindigkeit, Komplexität und einen hohen Informationsgehalt charakterisieren, unterliegt der strategische Fokus von Industrieunternehmen einer konstanten Transformation. Mit der Übernahme arbeitsintensiver Routinetätigkeiten durch Automatisierung und Technologie gewinnen Informationen und fachliche Kompetenz an Bedeutung. Sie stellen in vielen Fällen die Basis für die Generierung von Wettbewerbsvorteilen dar. Eingebettet in diesen Kontext gestaltet sich die unternehmerische Tätigkeit zunehmend als eine Zusammenarbeit mit den richtigen Partnern und der gegenseitigen Ressourcennutzung. Die Fähigkeit, das richtige Netzwerk aufzubauen, zu pflegen und weiterzuentwickeln, zeigt sich als eine der vorrangigen Notwendigkeiten. Dies führt zu veränderten Rahmenbedingungen in den interorganisationalen Beziehungen, weg von der distanzierten Koordinationsform des Marktes beziehungsweise der hohen Integration im Sinne hierarchischer Steuerung hin zu partnerschaftlichen und teilweise vertrauensvollen Formen der Kooperation. Die aktuell in der Automobilindustrie zugrunde liegenden Beziehungen sowie die interorganisationale Zusammenarbeit basieren nicht immer auf optimalen Rahmenbedingungen. So bescheinigen viele Zulieferer den Automobilherstellern eine Kultur des Misstrauens, mangelnde Berechenbarkeit und jegliches Fehlen von Kooperationsbereitschaft.1 Viele Automobilhersteller haben offensichtlich noch nicht erkannt, dass „[…] Kooperation […] nicht das Leugnen von konkurrierenden Interessen, sondern die Suche nach Möglichkeiten ihrer – wenigstens teilweise – gemeinsamen Befriedigung […]“2
ist. Durch die gegenseitige Interaktion von Unternehmen und die daraus resultierenden unternehmensübergreifenden Beziehungen entstehen zwangsläufig verschiedene Grade von Einbindung und Abhängigkeit. Diesen Abhängigkeiten kann unterschiedlich begegnet werden: Zum einen durch Macht als einem möglichen Steuerungsinstrument, zum anderen stellen vertrauensvolle, langfristig ausgerichtete Beziehungen eine alternative Koordinationsmöglichkeit interorganisationaler Wertschöpfung dar. 1
Vgl. Schneider, M. C. (2004), S. 53. Siehe auch die Ergebnisse aus den Untersuchungen von Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004); Bullinger, H.-J. et al. (2003). 2 Kahle, E. (1999b), S. 58 f. 1
Die Wahl der Koordinationsform besitzt weitreichende Auswirkungen für die strategische und operative Ausgestaltung der interorganisationalen Zusammenarbeit. Allein in den Bereichen Produktentwicklung und Produktion für einzelne Wertschöpfungsumfänge stellt bereits eine enge Verzahnung der jeweiligen Supply Chains der Unternehmen eine große Herausforderung dar. Werden hingegen Entscheidungen mit einem erheblich größeren unternehmensübergreifenden Einfluss getroffen – Standortentscheidungen, zumal mit internationalen Dimensionen, sind hierunter zu subsumieren – so muss es das Ziel sein, die Interessen aller beteiligten Akteure zu berücksichtigen. Wenn nun Automobilzulieferer entgegen eigener Planungen neue Standorte und Arbeitsplätze im Ausland aufbauen müssen, um auch zukünftig als Geschäftspartner der Automobilhersteller in Betracht gezogen zu werden,3 so entspricht dies nicht der geforderten multiplen Interessensberücksichtigung. Vielmehr trifft ein (mächtigeres) Unternehmen eine autonome Standortentscheidung, ohne die Belange der vorgelagerten – und gleichzeitig unverzichtbaren – Zulieferebenen einzubeziehen.4 Interorganisationale Wertschöpfung als Faktum zu negieren, käme einer sträflichen Missachtung der gegebenen Rahmenbedingungen gleich, in die jedes Unternehmen mit seinem wirtschaftlichen Handeln eingebettet ist: „Die Optimierung der Standortstruktur erweist sich zunehmend als zentraler Ansatz zur nachhaltigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. […] Als […] Erfolgskriterium lässt sich die Einbeziehung von anderen Segmenten, Zulieferern und Abnehmern identifizieren. Die integrierte Betrachtung […] vorgelagerter Wertschöpfungsstufen ist unerlässlich […]. Die strategische Standortwahl sollte mit den Zulieferern, Kunden und Know-how-Partnern gemeinsam in Angriff genommen werden – zunächst unabhängig von der Frage, welches der Unternehmen in der Umsetzungsphase die operative Verantwortung tragen wird.“5
Es stellt sich demnach nicht die Frage, ob unternehmensübergreifende Beziehungen einzugehen sind, sondern wie die Ausgestaltung dieser Beziehungen innerhalb von Unternehmensnetzwerken erfolgen soll, um die Ziele und Interessen des eigenen Unternehmens optimal verfolgen zu können. Im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion ist der Thematik der Unternehmensnetzwerke und der damit verbundenen interorganisationalen Wertschöpfung breite Zuwendung zuteil geworden. Eine Anwendung der gewonnen Erkenntnisse auf das komplexe Problem unternehmensübergreifender Standortentscheidungen erfolgte bis
3 4
5
2
Vgl. Schneider, M. C. (2004), S. 52. Die Darlegungen in Abschnitt 2.2 zeigen auf, dass dies die bis dato übliche Vorgehensweise ist. Meyer, T. (2006c), S. 135 (Hervorhebungen wie im Original).
dato allerdings nicht. Standortentscheidungen werden weitgehend in der Literatur als einzelunternehmerischer Tatbestand adressiert. Vor diesem Hintergrund liegt folgende These dieser Arbeit untersuchungsleitend zugrunde: These: Internationale Standortentscheidungen fokaler Unternehmen sind zukünftig nicht mehr ausschließlich als autonome Unternehmensentscheidungen zu treffen, sondern auf Grund der komplexen und engen Wertschöpfungsbeziehungen mit den wichtigsten Wertschöpfungspartnern interorganisational abzustimmen und zu koordinieren. Das in dieser Arbeit aufgegriffene grundlegende Problem stellt sich folglich als Gestaltung interorganisationaler Geschäftsbeziehungen unter Berücksichtigung diverser Einflussparameter u. a. von Ressourcen- und Absatzsicherung, unterschiedlichen Formen von Unternehmensnetzwerken, Faktorspezifität sowie Abhängigkeit, Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken dar. Internationale Standortentscheidungen dienen als Projektionsfläche für die Ausgestaltung optimaler interorganisationaler Wertschöpfungsbeziehungen und Entscheidungsfindungen.
3
1.2.
Zielsetzung der Arbeit
Die Untersuchung ist explorativ und Hypothesen generierend angelegt. Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist die Erarbeitung eines Erklärungsmodells, das theoretischen und praktischen Anforderungen genügende Lösungsansätze zur Gestaltung interorganisationaler Wertschöpfungsbeziehungen in der Automobilindustrie bietet. Dabei soll über die Ebene der reinen Zustandsbeschreibung hinausgegangen werden. Auf Basis dieser Beziehungen sollen zugleich langfristige und weitreichende Entscheidungen wie Standortentscheidungen unternehmensübergreifend belastbar getroffen werden können. Um die Zielsetzung der Arbeit zu erreichen, sind weitere Teilziele zu verfolgen. Aufbauend auf einer Analyse des Istzustands der Automobilindustrie [Identifikation fundamentaler aktueller und zukünftiger Einflussfaktoren und der Ableitung der aus den Einflussfaktoren resultierenden Kausalketten (UrsacheWirkungs-Zusammenhänge)] und den theoretischen Grundlagen der Kapitel zwei, drei und fünf6 sowie den daraus gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse ergeben sich folgende Teilziele: { Darstellung des Aufbaus und der Funktionsweise eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes { Evaluation des Istzustands in der automobilen Praxis zu den im Rahmen der theoretischen Diskussion aufgeworfenen Aspekten der interorganisationalen Wertschöpfung { Abgleich der wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem Istzustand in der Praxis { Ableitung von Handlungsempfehlungen für die konkrete Ausgestaltung der interorganisationalen Zusammenarbeit in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken unter besonderer Berücksichtigung der Parameter Abhängigkeiten, Macht und Vertrauen.
6
4
Wertschöpfung, Ressourcen/-abhängigkeit, Macht und Vertrauen, Unternehmensnetzwerke, theoretische Ansätze zur Erklärung interorganisationaler Zusammenarbeit, internationale Standortentscheidungen.
1.3.
Aufbau der Arbeit 1. Einleitung
2. Konzeptionelle Grundlagen
3. Interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke
2.1 Theoretische Grundlagen
3.1 Netzwerktheorie
2.2 Historie Wertschöpfungsstrukturen/ SOE
3.2 Unternehmensnetzwerke
2.3 Veränderungsprozesse in der Automobilindustrie
3.3 Macht und Vertrauen 3.3 Theoret. Ansätze zur Erklärung v. Zusammenarbeit
4. Automobile Wertschöpfungsnetzwerke 4.1 Struktureller Aufbau 4.2 Funktionsweise 4.3 Abhängigkeiten, Macht und Vertrauen
4.5 Multivariate Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes
4.4 Fallbeispiel Toyota
5. Internationale Standortentscheidungen 5.1 Theor. Erklärungsansätze ausländ. Direktinvest. 5.2 Deskription der Standortentscheidungstheorien 5.3 Ansätze einer internationalen Standortlehre 5.7 Zusammenfassende Erkenntnisse 5.4 Standortentscheidungsprozess 5.5 Entscheidungsrelevante Standortfaktoren 5.6 Internat. SOE in der deutschen Automobilindustrie
6. Internationale Standortentscheidungen in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken 6.1 Formale Basis des Modells 6.2 Erklärungsmodell 6.3 Erweiterung um verhaltenswissenschaftl. Aspekte
7. Zusammenfassung und Ausblick
SOE = Standortentscheidung
Abb. 1.3: Aufbau der Arbeit im Überblick 5
Der inhaltliche Aufbau der Arbeit erfolgt analog zu Abbildung 1.3. Die Arbeit unterteilt sich in sieben Kapitel. Im Anschluss an diese Einleitung legt Abschnitt 2.1 zunächst die definitorischen Grundlagen und stellt die wissenschaftlichen Basiskonzeptionen vor, auf denen die Arbeit aufbaut. Abschnitt 2.2 befasst sich mit den beiden Hauptaspekten der Arbeit – Zusammenarbeit in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken und internationale Standortentscheidungen – an dieser Stelle im historischen Verlaufsüberblick. Im Folgenden werden fundamentale Einflussfaktoren der aktuellen Automobilindustrie und die sich daraus ableitenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufgezeigt (Abschnitt 2.3). Im weiteren Verlauf analysiert Kapitel 3 interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke ausgehend von Aspekten der formalen Netzwerktheorie (Abschnitt 3.1) über die Betrachtung von Unternehmensnetzwerken (Abschnitt 3.2) bis hin zu den Parametern Macht und Vertrauen (Abschnitt 3.3). Vervollständigt wird die wissenschaftliche Analyse durch die Erklärung der interorganisationalen Zusammenarbeit anhand verschiedener Theorien (Abschnitt 3.4). Auf den Kapiteln 2 und 3 aufbauend appliziert Kapitel 4 die theoretischen Erkenntnisse auf die Praxis automobiler Wertschöpfungsnetzwerke. Die diskutierten Fallbeispiele zeigen die praktische Relevanz der zuvor dargelegten theoretischen Grundlagen. Abschnitt 4.5 stellt mit den erarbeiteten Leitlinien als Basis für eine multivariable Handlungskonzeption hinsichtlich der Gestaltung von interorganisationalen Wertschöpfungsbeziehungen ein erstes wichtiges Teilergebnis der Arbeit dar. Nachfolgend befasst sich Kapitel 5 mit internationalen Standortentscheidungen. Neben der Darlegung theoretischer Erklärungsansätze zu ausländischen Direktinvestitionen (Abschnitt 5.1) und der Deskription von Standortentscheidungstheorien (Abschnitt 5.2) werden darüber hinaus auch internationale Standortentscheidungen thematisiert (Abschnitt 5.3). Der Fokus liegt hierbei vor allem auf zwei neueren Ansätzen, die sich durch einen starken Praxisbezug und die zumindest teilweise Einbeziehung der interorganisationalen Sichtweise auszeichnen. Im Anschluss daran wird der normaltypische Standortentscheidungsprozess aufgezeigt, um in einem weiteren Schritt diesen Prozess vor dem Hintergrund verhaltenswissenschaftlicher Aspekte zu beleuchten (Abschnitt 5.4). Des Weiteren sind entscheidungsrelevante Standortfaktoren und ihre Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess zu diskutieren (Abschnitt 5.5). Nach diesen theoretischen Ausführungen werden bereits getroffene internationale Standortentscheidungen in der Automobilindustrie mit dem Fokus auf die gemeinsame Entscheidungsfindung der beteiligten Wertschöpfungspartner hin untersucht (Abschnitt 5.6). Im Abgleich mit den in Abschnitt 4.5 herausgearbeiteten Wirkungszusammenhängen erfolgt abschließend eine Zusammenfassung dahingehend, mit welchen Herausforderungen sich Automobilunternehmen im 6
Prozess der internationalen Standortentscheidung zukünftig konfrontiert sehen werden (Abschnitt 5.7). In Kapitel 6 werden die Leitlinien der multivariablen Handlungskonzeption aus Abschnitt 4.5 erneut aufgegriffen und auf die interorganisationale Entscheidungsfindung am Beispiel einer internationalen Standortentscheidung angewandt. Dadurch wird letztlich das übergeordnete Ziel der Arbeit verfolgt – ein Erklärungsmodell zur interorganisationalen Standortentscheidungsfindung im automobilen Wertschöpfungsverbund zu entwickeln. Kapitel 7 fasst die erarbeiteten Ergebnisse zusammen und ordnet sie hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für die Praxis kritisch ein. Des Weiteren wird ein Ausblick auf zukünftigen Forschungsbedarf gegeben.
7
1.4.
Abgrenzung der Arbeit
Bevor die theoretischen Grundlagen vorgestellt werden, bedarf es der inhaltlichen Abgrenzung der vorliegenden Arbeit bezüglich { des geografischen Bezugsrahmens, { des Fokus auf die Wertschöpfungsebenen OEM, System- und Modullieferanten, { des Terminus Automobilindustrie, { der Wertschöpfungsbereiche (F&E, Produktion etc.), { der Netzwerktypen, { zu treffender Standortentscheidungen (Neugründung, Verlagerung etc.). Als Erstes ergibt sich die Notwendigkeit der geografischen Abgrenzung. Die Arbeit versucht zwar insbesondere in den Abschnitten 2.2 und 2.3, möglichst geringfügig regional begrenzte Aussagen hinsichtlich der historischen Entwicklung der automobilen Wertschöpfungskette und der aktuellen Einflussdeterminanten der Automobilindustrie zu treffen. Allerdings stößt dieses Ansinnen bisweilen auf Grenzen, auf die an den entsprechenden Stellen verwiesen wird.7 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Spezifika unterschiedlicher Regionen (Deutschland, Europa, Nordamerika, Asien) zur vergleichsweisen Betrachtung mit aufgenommen, wobei der Fokus immer auf der deutschen Automobilindustrie liegt. Unternehmen werden ihr zugerechnet, wenn der Sitz der Konzernzentrale auf deutschem Hoheitsgebiet angesiedelt ist.8 Die hier vorgenommene Abgrenzung der einzelnen Wertschöpfungsebenen ist im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen und praxisorientierten Arbeiten detaillierter, um den in der automobilen Praxisvorkommenden Gegebenheiten ge7
8
8
Hinsichtlich einer Verallgemeinerung der in dieser Arbeit getroffenen Aussagen und deren Anwendung auf andere Unternehmen bzw. andere Regionen ist Vorsicht geboten. Dies bedingt sich aus mehreren Faktoren wie der bereits angesprochenen unterschiedlichen regionalen Zugehörigkeit (bspw. kulturelle Unterschiede), der Unternehmensgröße, der Wertschöpfungsebene etc. In der theoretischen Analyse (siehe Abschnitt 2.1.4) wird zudem auf die Historizität der Unternehmen verwiesen. Diese führt zwangsläufig zu Problemen, wenn eine Verallgemeinerung in der Argumentation auf den Automobilhersteller bzw. den Modullieferanten etc. erfolgt. Somit ist bspw. DaimlerChrysler nach dieser Definition als deutsches Unternehmen einzuordnen, die deutsche Tochter des Fordkonzerns hingegen nicht.
recht zu werden. Es wird aus zwei Gründen primär aus Sicht eines Automobilherstellers (OEM = Original Equipment Manufacturer) analysiert und argumentiert: Erstens gehen Veränderungen innerhalb der Automobilindustrie bislang i. d. R. vom OEM aus.9 Zweitens begründen sich die Erfahrungen des Autors in der Automobilindustrie auf eine 6-jährige Tätigkeit in verschiedenen Positionen bei einem deutschen OEM. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wird versucht, die Sichtweisen der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen einzubeziehen und kritisch die Handlungsweisen der OEM als fokales Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk zu beleuchten. Eine weitere Abgrenzung zielt auf den Terminus Automobilindustrie. Darunter werden in der vorliegenden Arbeit Fahrzeughersteller und deren direkte und indirekte Zulieferer gemäß der in Abschnitt 2.1.1 dargestellten Unterteilung verstanden. Die Ausführungen insbesondere in Abschnitt 2.2 und 2.3 beziehen sich ausschließlich auf das Pkw-Geschäft. Das in Abschnitt 2.1.3 vorgestellte Konzept der Wertschöpfungskette wird hinsichtlich der praxisorientierten Analysen vor allem auf die Bereiche F&E und Produktion, aber auch auf Logistik und Beschaffung bezogen. Damit werden Wertschöpfungsbereiche wie Marketing, Vertrieb, Kundenservice etc. nicht betrachtet. Netzwerke als einer der zentralen Bestandteile der Arbeit sind in der wissenschaftlichen Literatur sehr weit gefasst. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Organisationen, was politische und gesellschaftliche Netzwerke sowie Nonprofit-Organisationen explizit ausschließt. Darüber hinaus fokussiert die Arbeit insbesondere auf organisatorische und weniger auf „selbst-organisierte“ Netzwerke.10 Eine letzte Abgrenzung ist bezüglich des Themas Standortentscheidungen notwendig. Die Arbeit bezieht sich ausschließlich auf die Neugründung von Standorten bestehender Unternehmen. Standortverlagerungen im Sinne von Neugründung und gleichzeitiger Schließung eines bestehenden Standortes sind nicht Gegenstand der Betrachtungen. Ausgeschlossen sind ebenfalls innerbetriebliche Standortentscheidungen (interne Standortoptimierung).
9 10
Vgl. Lawrenz, O., et al. (2001), S. 282. Ein organisiertes Netzwerk basiert auf der bewussten zielgerichteten Aktion, ein Netzwerk zu etablieren und zu erhalten, während die „selbst-organisierte“ Variante Interaktionen ohne zielgerichtete Steuerung mit einer fortwährenden Rekonfiguration anspricht. Vgl. Thompson, G. F. (2005), S. 28 f. 9
2 Konzeptionelle Grundlagen zur Analyse automobiler Wertschöpfungsnetzwerke Die in diesem Kapitel vorgestellten Grundlagen dienen der für die nachfolgenden Ausführungen notwendigen Schaffung eines einheitlichen Verständnisses von Begrifflichkeiten und wissenschaftlichen Konzepten. In Abschnitt 2.1 werden automobilspezifische Termini definiert, die im weiteren Verlauf der Arbeit wiederholt Verwendung finden. Es wird der Begriff der Wertschöpfung als inhaltliche Grundlage des betrachteten Schwerpunktes der Wertschöpfungsnetzwerke analysiert. Hinsichtlich des aktuellen Verdrängungswettbewerbs auf allen automobilen Wertschöpfungsstufen und dem Ziel der Akteure sich Wettbewerbsvorteile insbesondere durch herausragende Produkteigenschaften zu verschaffen, bietet der Market-based View eine wissenschaftliche Erklärungsgrundlage. Darüber hinaus bedürfen die wachsende Desintegration und Spezialisierung innerhalb der automobilen Wertschöpfung einer detaillierten Betrachtung einzelner Wertschöpfungsumfänge. Das dafür notwendige Analyseinstrument bietet die von Porter entwickelte Wertekette zur Dekomprimierung von Wertschöpfungsketten in einzelne Wertschöpfungsaktivitäten. Den theoretischen Darlegungen des Market-based View und Porters Wertekette wird danach der Resource-based View gegenübergestellt. Er fokussiert nicht außenperspektivisch wie der Market-based View, sondern analysiert die unternehmensinternen Ressourcen als notwendige Basiselemente für Wertschöpfungsaktivitäten. Einen Überblick über die Entwicklung automobiler Wertschöpfungsstrukturen und die Bedeutung von internationalen Standortentscheidungen für die einzelnen Wertschöpfungsstufen im historischen Zeitablauf gibt Abschnitt 2.2. Die Erläuterungen erstrecken sich von den Anfängen der handwerklich geprägten automobilen Produktion über die industrielle Massenproduktion bis zu den heute dominierenden Wertschöpfungsnetzwerken. Ziel ist es, die Entwicklung hin zu den aktuellen Wertschöpfungsstrukturen der Automobilindustrie aufzuzeigen, die dann in Kapitel 4 erneut detaillierter aufgegriffen werden. Abschnitt 2.2 thematisiert dabei die Relevanz internationaler Standortentscheidungen für die Unternehmen der unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen ebenso wie die Frage, ob Standortentscheidungen in der Vergangenheit als autonome Entscheidungen einzelner Unternehmen getroffen wurden und ob derartige Entscheidungen zukünftig verstärkt im Wertschöpfungsverbund – und damit unternehmensübergreifend – zu treffen sind. Abschnitt 2.3 beschäftigt sich mit den aktuellen Veränderungsprozessen in der Automobilindustrie und legt u. a. den Fokus der handelnden Akteure offen, die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch herausragende Produkteigenschaften zu realisieren. Damit greifen die Darlegungen das in Abschnitt 2.1 vorgestellte Konzept des Market-based View vor einem
11
praxisbezogenen Hintergrund wieder auf. Neben der Identifikation der für die Veränderungsprozesse innerhalb der Automobilindustrie verantwortlichen fundamentalen Einflussdeterminanten werden weitergehend daraus abzuleitende Ursache-Wirkungs-Ketten entwickelt. In diesem Kontext wird deutlich, dass den zur Erstellung bestimmter Wertschöpfungsaktivitäten notwendigen Ressourcen eine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch hier wird die Verbindung zur theoretischen Basis des Resource-based View hergestellt. Es wird untersucht, wie sich zunehmende Desintegration und Spezialisierung auf die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken auswirkt. Die Aspekte Ressourcensicherung und Ressourcenintegration finden dabei besondere Aufmerksamkeit. 2.1 Theoretische Grundlagen 2.1.1 Automobilspezifische Definitionen Hinsichtlich der automobilen Wertschöpfungsebenen wird eine funktionale Einteilung bezogen auf die zu erbringende Vorleistung gewählt (siehe nachfolgende Tabelle 2.1.1).
12
Wertschöpfungsumfang Rohstoffe Rohmaterialien Teile Komponenten11
Module12
Systeme15
Systemintegration16
Erklärung/Beispiele - unbehandelte/unbearbeitete (naturbelassene) Materialien Bsp.: Erdöl, Eisenerz, Holz - ver-/bearbeitete Rohstoffe Bsp.: Stahl, Plastik, Leder - einfache mechanische Umfänge, die gemäß ihrer ursprünglichen Form und Funktion Eingang in ein Fahrzeug finden Bsp.: Schrauben, Bleche, Kabel - Baugruppen aus mehreren Teilen, die durch ihre Zusammensetzung eine neue Form annehmen und eine neue Funktion erfüllen - u. U. ist eine zerstörungsfreie Zerlegung einer Komponente in ihre Einzelteile nicht mehr gewährleistet Bsp.: Klimakompressor, Zahnrad - vormontierte Einheiten aus Teilen, Komponenten und Teilsystemen - Ziel ist eine vereinfachte Endmontage als Kompletteinbau gemäß der Taktung des Montagebandes beim OEM13 - räumliche Zusammengehörigkeit der verbauten Umfänge - erfüllt Grundfunktion - übergreifende Gesamtfunktion kann, muss aber nicht gegeben sein Bsp.: Cockpit-Modul, Dach-Modul14, Achs-Modul - technisch/technologisch und funktional zusammengehörende Einheiten aus mechanisch verbundenen Komponenten und Teilen und deren teilweiser elektronischer Steuerung - räumliche Zusammengehörigkeit der verbauten Umfänge ist nicht zwangsläufig notwendig - Ziel ist die vereinfachte Endmontage beim OEM - übergreifende Gesamtfunktion ist gegeben Bsp.: Bremssystem, Navigationssystem, Tanksystem - Integration von Modulen/Systemen zu einer umfassenden Liefereinheit - räumliche Zusammengehörigkeit der integrierten Umfänge i. w. S. - Ziel ist die Komplettlieferung eines bedeutenden Fahrzeugumfangs an den OEM Bsp.: Innenraum17, Frontend18, gesamtes Fzg. (extremste Ausprägung)
Tabelle 2.1.1: Einteilung automobiler Zulieferebenen 11
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14 15 16
17
18
Vgl. Lang, H. (2004), S. 314 als einen Ansatz zur Differenzierung zwischen Komponenten, Systemen, Modulen und integrierten Systemen. Vgl. Stockmar, J. (2004), S. 73. Vgl. Müller-Stewens, G./Glocke, A. (1995), S. 13; Eicke, H./Femerling, C. (1991), S. 32. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 72 ff. für eine ausführliche Darlegung. Vgl. Stockmar, J. (2004), S. 73. Vgl. Stockmar, J. (2004), S. 73. Systemlieferanten sind gemäß Gaintanides Träger einer integrierten Belieferung. Ihnen obliegt die Entwicklung, Herstellung und Qualitätsprüfung der Einzelkomponenten und Teile sowie des gesamten Systemumfangs. Fahrzeugspezifische Applikationen des Systems unterliegen dagegen weiterhin der Hoheit der OEM. Vgl. Gaintanides, M. (1997). Die Integration des gesamten Innenraumes umfasst u. a. die Sitzmodule, das Cockpit-, das Dach-, die Türmodule, Komponenten der Innenverkleidung und des Bodenbelages (Teppich etc.). Vgl. Stockmar, J. (2004), S. 73. Die Frontend-Integration umfasst Scheinwerfer- und Kühlungsmodul sowie das gesamte Crashsystem. Vgl. Lang, H. (2004), S. 314. 13
Zur Verdeutlichung ordnet Abbildung 2.1.1 die Termini noch einmal hinsichtlich ihres funktionalen und räumlichen Integrationsgrades ein:
hoch
Systeme* Tanksystem
Integrierte Systeme/ Module Sitz
funktionaler Integrationsgrad
Systemspezialist
Komponenten
Systemintegrator
Zahnrad
Module** Schiebedach
Komponentenlieferant
Modullieferant
gering gering
hoch räumlicher (einbautechnischer) Integrationsgrad
* i. d. R. auch Entwicklungsmodule ** i. d. R. auch Fertigungs- bzw. Montagemodule
Abb. 2.1.1: Definitionsabgrenzung automobilspezifischer Terminologien [Quelle: Lang, H. (2004), S. 314]
An der Spitze der automobilen Wertschöpfungskette steht der Original Equipment Manufacturer (OEM). Er trägt die Gesamtproduktverantwortung und verfügt über ein Zugangsmonopol zum Endkunden hinsichtlich des Gesamtproduktes. Die Begriffe OEM und Fahrzeughersteller werden synonym verwendet.19 Den OEM sind verschiedene Zulieferebenen vorgelagert. Die für diese Arbeit vorgenommene Unterteilung nach Rohstoff-, Rohmaterial-, Teile-, Komponenten-, Modul- und Systemlieferanten20 wird in dieser Detailliertheit selten in der Literatur vorgenommen.21 Durch das Zusammenfassen einzelner Zulieferebenen wird häufig eine Komplexitätsreduzierung vorgetäuscht, die so in der betrieblichen Praxis nicht existent ist. Die Unterteilung in dieser Arbeit wurde gewählt, um die Komplexität automobiler Wertschöpfungsketten aufzuzeigen.
19 20 21
14
Fahrzeughersteller sind bspw. Audi, Toyota und Volkswagen. Systemlieferanten sind i. d. R. gleichzeitig auch Systemintegratoren. Vgl. Abschnitt 4.1 für die Abgrenzung der hier gewählten Darstellung als Wertschöpfungsnetzwerk und der üblichen Darstellung als Zulieferpyramide.
2.1.2 Wertschöpfung Um sich dem Begriff Wertschöpfungsnetzwerk inhaltlich zu nähern, erfolgt im ersten Schritt die semantische Zerlegung in die beiden Teilbegriffe Wertschöpfung und Netzwerk22. Im klassischen betriebswirtschaftlichen Sinn versteht sich Wertschöpfung als das originäre Ziel jeglicher produktiven Tätigkeit, bei der vorhandene Güter in Güter mit höherem Nutzen transformiert werden.23 Die Wertschöpfung ist dabei als positive24 Ertragsdifferenz aus der Leistung des erstellenden Unternehmens sowie der für diese Leistungserstellung verbrauchten Vorleistung messbar.25 Vereinfacht ausgedrückt entspricht Wertschöpfung dem Ergebnis der Eigenleistung. Die Definition beschränkt ihr Verständnis dabei nicht auf die physische Güterproduktion.26 Wertschöpfung kann sich ebenso auf immaterielles Kapital beziehen.27 Materielle Wertschöpfung entsteht beispielsweise, indem zwei physische Komponenten zusammengefügt werden und die neu entstandene Komponente einen größeren Wert gemessen in Geldeinheiten besitzt als die Summe der Werte der beiden Ausgangskomponenten. Immaterielle Wertschöpfung hingegen entsteht zum Beispiel im Bereich der Forschung und Entwicklung, ohne dass an dieser Stelle bereits materielle Güter entstehen (müssen).28 22 23
24
25
26
27 28
Der Netzwerkthematik ist Kapitel 3 gewidmet. Zur Abhängigkeit von Wertschöpfung und Gewinn siehe Günther, H./Tempelmeier, H. (2003), S. 2. Ist der Saldo negativ, handelt es sich um Wertvernichtung. Im Folgenden wird nur noch von Wertschöpfung gesprochen. Vgl. Haller, A. (1997), S. 42 f. Haller verweist in diesem Zusammenhang auf die Vielschichtigkeit der Definitionen und Interpretationen, geprägt durch den jeweiligen Blickwinkel des Betrachters. Vgl. auch Lücke, W. (1996), S. 199 für die unterschiedliche Darstellung der Wertschöpfung nach der subtraktiven Entstehungsrechnung und der additiven Verwendungsrechnung. Vgl. Haller, A. (1997), S. 31. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auf eine weitergehende Diskussion der Begrifflichkeit verzichtet, weil lediglich ein Grundverständnis des Begriffes Wertschöpfung für die folgenden Ausführungen von Belang ist. Damit werden auch bewusst Aspekte wie die Frage der Einrechnung von Abschreibungen etc. mangels Relevanz für die hier behandelte Problematik ausgeblendet. Für eine detaillierte Übersicht und Erläuterung unterschiedlicher Wertschöpfungsarten (volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, prozessbezogene Wertschöpfung etc.) vgl. Wunderer, R./Jaritz, A. (2002), S. 60. Vgl. Lev, B. (2004) zur Bedeutung immateriellen Kapitals. Beispielhaft sei die Entwicklung eines Klimagerätes angeführt. Während in der Entwicklungsabteilung durch die Ressource Mensch das Klimagerät immateriell neu entsteht, wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt materiell in Serie produziert und in Fahrzeugen verbaut. Es entsteht demnach eine zweifache Wertschöpfung: erstens durch die Entwicklung (immateriell) und zweitens durch den Einbau in das Fahrzeug (materiell). 15
Wertschöpfung im Verständnis der vorliegenden Arbeit erstreckt sich explizit über die materiellen Tätigkeiten der Produktion hinaus. Das Prinzip der Wertschöpfung stellt Abbildung 2.1.21 in vereinfachter Form dar. Wertschöpfung Wertschöpfung Wertschöpfung Vorleistung Tier-3
Tier-2
Abgabeleistung
Abgabeleistung
Vorleistung
Tier-1
Vorleistung
OEM
Abb. 2.1.2–1: Vereinfachte Darstellung des Prinzips der Wertschöpfung im unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund [Quelle: In Anlehnung an Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2005), S. 370]
Zur Analyse von Wertschöpfungsaktivitäten wurde im Rahmen der Marketbased View von Porter29 das Instrumentarium der Wertekette entwickelt. Die Wertekette dient der Dekonstruktion der unternehmerischen Gesamtwertschöpfung in einzelne Wertschöpfungsaktivitäten. Sowohl die grundlegende wissenschaftliche Forschungsrichtung des Market-based View als auch Porters Konzept der Wertekette werden nachfolgend in der gebotenen Kürze dargelegt. Sie dienen als theoretische Grundlage für das Verständnis der sich anschließenden Betrachtungen der automobilen Wertschöpfung in unternehmensübergreifenden Netzwerken. Als diametrales Konzept entwickelte sich der Resource-based View als wissenschaftliche Forschungsrichtung. Er fokussiert auf die Basiselemente (Ressourcen) für die jeweiligen Wertschöpfungsaktivitäten. Dieses Konzept wird als Abgrenzung zum Market-based View vorgestellt und dient ebenfalls als theoretische Basis für die weitergehenden Betrachtungen hinsichtlich der notwendigen Prämissen für unternehmerische Wertschöpfung. Darüber hinaus werden Erkenntnisse gewonnen, wie sich eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Abhängigkeit von notwendigen Ressourcen gestalten sollte.30
29
30
16
Vgl. Porter, M. E. (1989). Ursprünglich stellte Porter sein Konzept der Wertekette bereits im Jahr 1985 vor. Siehe Porter, M. E. (1985) im amerikanischen Original. Für die Einordnung theoretischer Grundlagen zur Wertschöpfungsanalyse in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken siehe Abbildung 2.1.22.
Wertschöpfungskettendekomposition (Market-based View/ Wertekette)
Wertschöpfung in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken interne Ressourcen
externe Ressourcen
(Resource-based View)
(Resource Dependence Theory)
Abb. 2.1.2–2: Einordnung theoretischer Grundlagen zur Wertschöpfungsanalyse in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken
2.1.3 Market-based View Der zu Beginn der 1980er Jahre entwickelte und in den Folgejahren die wissenschaftliche Management- und Organisationsliteratur dominierende Ansatz des Market-based View (MBV) ist durch eine stark außenperspektivische Sichtweise demnach mit Fokus auf Markt und Branche gekennzeichnet. Mit dem MBV geht der Begriff des Structure-Conduct-Performance-Paradigmas (SCP-Paradigma) einher.31 Das SCP-Paradigma fragt nach den wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren von Unternehmen.32 Geprägt durch ihre Vordenker Mason33 und dessen Schüler Bain34 argumentieren die Vertreter des MBV, dass der Unternehmenserfolg sowohl durch die jeweilige Branchenstruktur als auch durch die unternehmensspezifischen strategischen Aktionen bestimmt wird.35 Der bis hierhin unproblematische Ansatz weil ausgewogen zwischen den beiden Polen Branche und unternehmensspezifische Aktionen erfährt in der Auslegung der Industrieökonomik eine starke Branchendominanz. Unternehmensspezifische Aktionen müssen in deren Verständnis nachhaltig auf die branchenspezifischen Aspekte ausgerichtet sein.
31
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Market-based View und SCP-Paradigma sind inhaltlich gleich zu sehen. Sie werden im Folgenden synonym verwendet. Ein guter Überblick über das SCP-Paradigma findet sich in Schwalbach, J. (1994), S. 93 ff. Vgl. Wolf, J. (2003), S. 416. Vgl. Mason, E. S. (1939). Vgl. Bain, J. S. (1956). Vgl. Neumann, M. (1979), S. 645. 17
Darüber hinaus sollten Unternehmen ihre Tätigkeiten in Branchen vornehmen, die hohe Unternehmensgewinne erwarten lassen.36 Wird diese Logik konsequent fortgedacht, führt dies im Extremfall zu einem Gleichverhalten aller in einer Branche tätigen Unternehmen. Wenn auch die Vertreter des Market-based View dahingehend keine explizite Empfehlung treffen, so ist doch hiermit bereits einer der grundsätzlichen Kritikpunkte des Ansatzes offen gelegt – der stark branchendominierte Unternehmenserfolg und daraus folgend die Vernachlässigung unternehmensinterner Faktoren.37 In der branchenorientierten Denkweise des SCP-Paradigmas finden Markteintrittsbarrieren ein besonderes Augenmerk. Dabei erfolgt eine Differenzierung nach strukturellen, d. h. branchenbedingten Barrieren38 und solchen Barrieren, die sich aus dem Verhalten etablierter Anbieter ergeben. Letztere Barrieren werden aufgebaut, um die Wettbewerbsvorteile der bestehenden Anbieter vor neuen Anbietern zu schützen. Barrieren dieser Art können demnach als Wettbewerb verzerrend klassifiziert werden. Branchenbedingte Barrieren definieren sich dagegen als Economies of Scale, Kapitalintensität, absolute Kostenvorteile, aber auch bestehende Produktdifferenzierungen.39 Porter entwickelte im Rahmen der instrumentellen Umsetzung des SCP-Paradigmas40 die Branchenstrukturanalyse, das Wertschöpfungskettenmodell sowie die drei Strategien der Differenzierung, der Kostenführerschaft und der Nische. Nicht zuletzt wegen der praxisorientierten Auslegung und der guten Anwendbarkeit des Instrumentariums dominierte das SCP-Paradigma die wissenschaftliche Theorie und alsbald auch die unternehmerische Praxis. Eine Wertekette versteht Porter41 als die Gesamtheit der einzelnen funktionalen Segmente eines Unternehmens.42 Als operatives Analyseinstrument gelingt
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18
Vgl. Wolf, J. (2003), S. 417. Die Vernachlässigung unternehmensinterner Faktoren umfasst auch die historische Determiniertheit – idiosynkratische Historizität. Auf sie wird später im Rahmen des Resource-based View eingegangen. Vgl. Jarillo, J. C. (2005), S. 71 ff. Vgl. Bain, J. S. (1956), S. 7 f. Vgl. Porter, M. E. (1980), S. 4. Porter greift den Grundgedanken des SCP-Paradigmas – die Leistung einer Unternehmung wird durch die Struktur des Marktes innerhalb einer Branche determiniert – auf und entwickelt ihn weiter. Gemäß Porter existieren Beeinflussungseffekte der durch die am Markt agierenden Unternehmen auf die Marktstruktur. Porter erhält somit ein interdependentes SCP-Paradigma. Vgl. für nachfolgende Ausführungen grundlegend Porter, M. E. (1989), S. 17 ff. Die Begriffe Wertekette und Wertschöpfungskette werden im weiteren Verlauf synonym verwendet. Vgl. Porter, M. E. (1989), S. 22.
mit ihr die Dekomprimierung der Wertschöpfungsketten von Unternehmen.43 Dabei werden die jeweiligen funktionalen Segmente eines Unternehmens entsprechend der dem Verrichtungsprinzip folgenden branchenspezifischen Reihenfolge dargestellt und analysiert. Die Wertschöpfungskettenanalyse zielt darauf ab, diejenigen Wertschöpfungsaktivitäten zu identifizieren, die einem Unternehmen zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen. Eine Aufspaltung der Wertekette ist notwendig, weil ihre Betrachtung in der Gesamtheit keinen Aufschluss über die Quellen eventueller Wettbewerbsvorteile liefert.44 Erst durch das Aufbrechen der Wertekette kann zwischen technologisch-physischen, ökonomischen und strategischen Teilfunktionen eines Unternehmens differenziert werden. Die Unterscheidung der Wertschöpfungsaktivitäten kann an den Kriterien Inhalt wie auch Aufgabenprofil vollzogen werden. Die Wertekette selbst kann ex post als Analyseinstrument oder ex ante als Gestaltungselement eingesetzt werden.45 Darüber hinaus besteht oftmals eine räumliche Trennung der Aktivitäten. Porter verweist auf zwei Schlüsselfaktoren im Zusammenhang mit Werteaktivitäten: Konfiguration und Koordination. Konfiguration bezieht sich dabei auf die geografische Zuordnung aller Wertschöpfungsaktivitäten zu Standorten. Mit der Konfiguration wird ein räumlicher Aspekt in die Betrachtung eingebracht. Damit sind nicht mehr nur Werteaktivitäten angesprochen, sondern auch Wertschöpfungsstandorte impliziert. Finden sich mehrere Standorte in einem Unternehmen, gilt es, diese im Rahmen des zweiten Schlüsselfaktors wieder zu integrieren.46 Porters neun Cluster zu Werteaktivitäten sind generischer Natur, in die zu identifizierende und zu spezifizierende Wertschöpfungsaktivitäten einzuordnen sind. Gemäß Porter sind Wertschöpfungsaktivitäten in zwei Gruppen zu unterteilen: erstens in Primäraktivitäten und zweitens in flankierende Maßnahmen. Als Primäraktivitäten verstehen sich diejenigen funktionalen Segmente, die sich mit Herstellung und Vertrieb des Produktes, dessen nachgelagertem Kundenservice sowie dem Marketingprozess beschäftigen. Flankierende Maßnahmen kennzeichnen sich durch ihren die Primäraktivitäten unterstützenden Cha-
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44
45 46
Porter konzipierte seine Wertekette zwar vor einem wettbewerbsstrategischen Hintergrund. Dieser steht in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht im Fokus der Betrachtungen. Die Wertekette wird hier als Instrument zur Dekomprimierung von Wertschöpfungsketten verstanden. Allerdings werden wettbewerbsstrategische Aspekte bei der nachfolgenden Konzeptdarstellung aus Gründen des Verständnisses und der Vollständigkeit dargelegt. Vgl. Esser, W.-M. (1989), S. 192 sowie Welge, K. M./Al-Laham, A. (2003), S. 242 zum Verdienst Porters für die prozessorientierte Untersuchung von Wettbewerbsvorteilen. Vgl. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2005), S. 381 ff. zur beispielhaften Analyse von Werteketten. Vgl. Meffert, H. (1989), S. 263. Vgl. Porter, M. E. (1989), S. 31 ff. 19
rakter. Dazu zählt das Personalmanagement mit der zur Verfügung Stellung qualifizierter Mitarbeiter ebenso wie die Beschaffung mit der Bereitstellung der benötigten (im)materiellen Inputfaktoren. Die Infrastruktur des Unternehmens umfasst letztlich alle Aktivitäten, die nicht dem primären oder flankierenden Bereich zugeordnet werden können. Dazu zählen u. a. die strategische Planung, das allgemeine Management und der Finanzbereich. Abb. 2.1.3 zeigt das Modell der Wertschöpfungskette in seiner ursprünglichen Fassung.
Infrastruktur des Unternehmens
Pe
Personalmanagement
Flankierende Maßnamen
rip he r
e
Technologische Entwicklung Beschaffung
Interne Logistik
Operative Funktionen
Externe Logistik
Marketing und Verkauf
Kundendienst
re he rip e P
Ak
tiv
itä te n
n te itä tiv k A
Primäraktivitäten
Abb. 2.1.3: Wertekette nach Porter [Quelle: Porter, M. E. (1989), S. 23]
Der Fokus der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die beiden Cluster Technologische Entwicklung und Operative Funktionen (Produktion). Zudem ist der Cluster Beschaffung im Rahmen der hier verfolgten Sichtweise von großer Bedeutung, weil die Beschaffung letztlich den Leistungsbezug von anderen Unternehmen abbildet, der sich zwangsläufig aus einer interorganisational ausgerichteten Wertschöpfungskonstellation ergibt. Vor dem Hintergrund der Klärung von Eigenfertigung und Fremdbezug bedarf es in einem ersten Schritt der grundlegenden Feststellung, welche Aktivitäten profitabel sind. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu klären, welchen Werteaktivitäten eine strategische Bedeutung zugesprochen wird, die somit ebenfalls nicht Gegenstand einer Auslagerung werden dürfen. Im Endergebnis definiert sich daraus die Fertigungstiefe eines Unternehmens. Schlüsselfaktoren, notwendige Ressourcen und Fähigkeiten, aber auch potenzielle Wettbewerber und der branchenspezifische technologische Fortschritt sind Aspekte, die einer intensiven weitergehenden Analyse unterzogen werden müssen. Letztlich sind die relevanten Schnittstellen wischen den Wertschöpfungsaktivitäten offen zu legen und dahingehend latente Probleme zu antizipieren.47 47
20
Vgl. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2005), S. 377 f.
In den letzten Jahren wurden Untersuchungen zur aktuellen und zukünftigen Dekomprimierung der automobilen Wertschöpfungskette durchgeführt.48 Die Vorgehensweise der Untersuchungen lehnt sich stark an das Analysetool der Wertekette an, wobei die Wertschöpfung der gesamten Branche und nicht eines einzelnen Unternehmens im Fokus steht. Es wird klar herausgestellt, dass sich der Trend der letzten Jahre zur Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten bei den OEM weiter fortsetzen wird.49 Die Studien verweisen für die OEM auf die Notwendigkeit, markenprägende Wertschöpfungsumfänge zu identifizieren und diese gezielt im eigenen Wertschöpfungsportfolio zu halten.50 Eine durch die OEM ausgelöste Neuordnung der Wertschöpfungskette auf den vorgelagerten Zulieferebenen hat zur Folge, dass insbesondere System- und Modullieferanten die ausgelagerten Leistungsumfänge der OEM übernehmen. Zulieferer, die sich auf spezifische Leistungsumfänge konzentrieren, determinieren damit auch ihre Position im Wertschöpfungsnetzwerk51, bspw. als Modullieferant oder Systementwickler/-integrator. Die im Rahmen der Wertschöpfungskettenanalyse angesprochenen Aspekte von Profitabilität und strategischer Bedeutung werden für die jeweiligen Leistungsumfänge analysiert und daraus Schlussfolgerungen für die Ausrichtung der Geschäftstätigkeiten auf den unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen gezogen.52 Mit der weiter anhaltenden Desintegration der automobilen Wertschöpfungskette und der Notwendigkeit zu interorganisationaler Zusammenarbeit gewinnt auch die Schnittstellenproblematik zwischen den Unternehmen an Bedeutung.53 Eindeutige Handlungsempfehlungen dahingehend lauten, dass machtbasierte Vorgehensweisen, insbesondere die der OEM gegenüber ihren Zulieferern, zu ändern sind und darüber hinaus eine interorganisationale Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken zu forcieren ist.54
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51 52
53 54
Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003); Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004); Wildemann, H. (2004); McKinsey & Company/PTW (2003). Die Ergebnisse der Studie von McKinsey & Company/PTW wurden von den Autoren Radtke, Abele und Zielke nachgelagert ausführlicher im Buch „Die smarte Revolution in der Automobilindustrie“ dargestellt; vgl. Radtke, P. et al. (2004). Für Dudenhöfer, F. et al. (2002) ist die Thematik zwar nicht primärer Untersuchungsgegenstand, sie wird aber in den Ergebnissen der Studie ausführlich mit betrachtet. Vgl. Dudenhöfer, F. et al. (2002), S. 6 ff. und S. 13 – 15. Vgl. auch Radtke, P. et al. (2004), S. 11. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 12 und S. 27 ff Radtke, P. et al. (2004), S. 128. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 116; Wildemann, H. (2004), S. 4 und S. 15. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 131; Radtke, P. et al. (2004), S. 112. Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 18; Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 26 und S. 57. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85 f. und S. 100; Wildemann, H. (2004), S. 22. 21
Die Aspekte der interorganisationalen Wertschöpfungssteuerung werden im Verlaufe der Arbeit erneut aufgegriffen und analysiert.55 Obwohl die Studien nicht explizit auf die Wertekettenanalyse verweisen, nutzen sie dennoch die Grundidee dieses Instrumentariums. Die Untersuchungen gehen allerdings weiter und thematisieren die zur Erfüllung der Wertschöpfungsumfänge notwendigen Ressourcen. Weil einer der Hauptkritikpunkte des MBV die weitgehende Vernachlässigung unternehmensinterner Faktoren betrifft,56 gilt es, eine weiterführende theoretische Basis voranzustellen, die eine potenzialorientierte Denkrichtung propagiert. Die allen Wertschöpfungsaktivitäten als Grundlage dienenden Inputfaktoren betrachtet der Resource-based View als ein zentrales Untersuchungselement. 2.1.4 Resource-based View Der Resource-based View (RBV), oft als diametraler Standpunkt zum marktorientierten Ansatz deklariert, findet seine inhaltlichen Ursprünge in den Arbeiten von Selznick57 und Penrose58. Ressourcen rückten seit Mitte der 1980er Jahren durch Wernerfelt59 mit dem Bezug zu strategischen Aspekten erneut in den Fokus der wissenschaftlichen Managementlehre.60 Während sich der Unternehmenserfolg aus der Sicht des MBV aus Wettbewerbsvorteilen, die aus herausragenden Marktstellungen bzw. herausragenden Produkten resultieren, erklärt und bezüglich der Ressourcenausstattung von Unternehmen von einer weitgehenden Homogenität der Produktionsfunktionen der Unternehmen ausgegangen wird, fokussiert der im Hinblick auf den Unternehmenserfolg konträre Erklärungsansatz des RBV auf unternehmensinterne Faktoren, auf die Heterogenität der Ressourcenausstattung sowie im Speziellen auf strategische Ressourcen. Unternehmen sehen sich verstärkt einer zunehmenden Informationsfülle und Informationsgeschwindigkeit ausgesetzt. Neben dem Problem wachsender Komplexität unternehmerischer Geschäftstätigkeiten61 ergeben sich weitere Problemfelder. So fließen mit zunehmender Informationsfülle und -geschwindigkeit zwangsläufig Produktinformationen an Konkurrenten.62
55 56 57 58 59 60
61 62
22
Siehe Abschnitte 4.3 und 4.5. Vgl. Thiele, M. (1997). Vgl. Selznick, P. (1957). Vgl. Penrose, E. T. (1959). Vgl. Wernerfelt, B. (1984). Vgl. Freiling, J. (2000), S. 21 für einen Überblick der Entwicklungsstufen des Resource- based View. Vgl. Eichen, v. d. S. et al. (2005). Vgl. Deckstein, D. et al. (2006), S. 70 ff.
Erworbene Wettbewerbsvorteile, die ausschließlich auf Produktvorteilen aufbauen, wirken bei weitem nicht mehr derart nachhaltig, wie dies in vergangenen Jahrzehnten der Fall war. So stellen Kuhn/Hellingrath fest: „Produkte sind leicht nachahmbar und sichern nicht den notwendigen Wettbewerbsvorsprung. Nur die individuellen und gegenüber dem Wettbewerb nicht transparenten Prozesse von Unternehmen bieten den nötigen Imitationsschutz im globalen Wettbewerb. D. h., die Wettbewerbsvorteile der Zukunft werden auf der Ebene der Unternehmensprozesse erzielt – nicht nur intern, sondern unternehmensübergreifend.“63
Abnehmende Produktunterschiede, insbesondere hinsichtlich Qualität und Nutzungsmöglichkeiten, zeigen sich als Ergebnis dieser neuen Rahmenbedingungen. Ein sich verschärfender Wettbewerb, der in der Automobilindustrie u. a. stark auf der produktbezogenen Ebene geführt wird, ist die natürliche Folge. Neben Einflüssen wie dem Markenimage64 bedarf es weiterer Faktoren, den zukünftigen Unternehmenserfolg gegenüber der Konkurrenz zu sichern. Wird der bis hierhin dargelegten Logik weiter gefolgt, gilt es demnach, Faktoren zu identifizieren, die auch bei hoher Informationsdiffusion möglichst nicht von Wettbewerbern imitierbar sind. An dieser Stelle setzt der RBV an. Auch er dient der Erklärung von Wettbewerbsvorteilen, allerdings nicht auf Industrie-/Branchenebene, sondern auf Firmenebene. Im Verständnis ressourcenorientierter Ansätze65 finden markt- und kundenorientierte Belange (so gut wie) keine Beachtung. Die Branchenstruktur, zentraler Bezugspunkt des SCP-Paradigmas – und hier zeigt sich ein klarer Unterschied beider Sichtweisen – ist nicht exogen gegeben, sondern determiniert sich aus dem Wettbewerb der Unternehmen. Indessen nehmen unternehmensinterne Faktoren, d. h. die stark ausgeprägte Heterogenität der Ressourcenausstattung eine große Bedeutung für die Erklärung des Unternehmenserfolges ein. Die zentrale These des RBV besagt, dass Erfolgsunterschiede zwischen Firmen durch die unterschiedlichen Ressourcenausstattungen (präziser: durch die Effizienzunterschiede der Ressourcennutzung) zu erklären sind.66
63 64
65
66
Kuhn, A./Hellingrath, B. (2002), S. 123. Zur Bedeutung des Markenimages in der Automobilindustrie vgl. Gottschalk, B. (2003); Kalmbach, R. (2003), S. 47 ff; Dietz, W. (2003). Für eine Resümee zu den genannten ressourcenorientierten Ansätzen (Resource-, Competence- und Knowledge-based View) vgl. Bouncken, R. (2003), S. 32 ff. Vgl. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2005), S. 357. 23
Materielle und immaterielle Ressourcen stellen auf diese Weise die kleinsten Elemente zur Erzielung von Wertschöpfung dar. In ihrer Gesamtheit spiegeln sie jedoch die unikale Ressourcencharakteristik eines Unternehmens wider. Im Umkehrschluss können Unternehmen als Bündel tangibler und intangibler Ressourcen definiert werden.67 Nachfolgend gilt es zu klären, was explizit unter Ressourcen zu verstehen ist und wie sie wertschöpfend wirken. Darüber hinaus bedarf es einer Analyse hinsichtlich möglichst nachhaltiger und einzigartiger Ressourcen. Auf diese Weise kann der RBV einen Beitrag leisten, die Basis von Wertschöpfungsaktivitäten zu erklären. Ressourcen Ressourcen lassen sich grundsätzlich als alle materiellen und immateriellen Güter und Werte charakterisieren, die in die Wertschöpfung eines Unternehmens eingehen. Die volkswirtschaftliche Sichtweise setzt Ressourcen mit Produktionsfaktoren gleich. Die klassische Unterteilung in Boden/Rohstoffe, Arbeit und Kapital wird in der neueren Volkswirtschaftslehre um die Faktoren (technisches) Wissen und soziales System erweitert.68 Im Gegensatz zur Industrieökonomik, die die volkswirtschaftliche Sichtweise übernimmt und Ressourcen als InputOutput-Relationen versteht, betrachten ressourcenorientierte Ansätze Ressourcen als materielle und immaterielle Faktoren. Eine einheitliche Definition von Ressourcen liegt bisher aber in der einschlägigen Literatur nicht vor.69 Wernerfelt unternimmt eine sehr weit gefasste Begriffsbestimmung: „By a resource is meant anything which could be thought of as strength or a weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semi permanently to the firm.“70
Das Fehlen einer allgemein akzeptierten einheitlichen Definition resultiert in uneinheitliche Kategorisierungen von Ressourcen. Für die vorliegende Arbeit wird die von Grant71 vorgenommene Differenzierung aus folgenden Gründen herangezogen: Die Kategorisierung in tangible und intangible Ressourcen deckt 67 68 69 70
71
24
Vgl. Barney, J. B. (1991), S. 101 sowie Penrose, E. T. (1959), S. 77. Vgl. Siebert, H. (1996), S. 48. Vgl. Hermann, U. (1996), in Wolf, J. (2003), S. 420. Wernerfelt, B. (1984), S. 172. In Abgrenzung dazu sprechen Amit/Shoemaker vage von Ressourcen als Bestände verfügbarer Faktoren, die eine Firma besitzt oder kontrolliert; vgl. Amit, R./Shoemaker, P. J. (1993), während sich Teece et al. auf die Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit der Imitation firmenspezifischer Vermögenswerte beziehen; vgl. Teece, D. et al. (1997). Vgl. Grant, R. M. (1991).
bereits einen sehr großen Teil möglicher Ressourcen ab. Zudem werden die in dieser Arbeit als sehr wichtig erachteten menschlichen Ressourcen von Grant ausdrücklich thematisiert. Einteilung der Ressourcen nach Grant:72 (1)
tangible
Ressourcen (finanzielle und physische Ressourcen)
(2)
intangible Ressourcen (technologische und kulturelle Ressourcen, Ruf der Unternehmung)
(3)
humane
Ressourcen (spezialisierte Fertigkeiten, Wissen, kommunikative Fähigkeiten, Motivation der Mitarbeiter)
Anhand der gewählten Einteilung sind Ressourcen auf ihre Fähigkeit zur Generierung von Wertschöpfung und zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen. Nicht alle Ressourcen können im gleichen Umfang dazu beitragen.73 Der RBV konzentriert sich auf herausragende Inputfaktoren, die lediglich in begrenzter Quantität existieren. Auf Grund des eingeschränkten Angebotes dieser Ressourcen gelingt es einer Firma, die über sie verfügt, geringere Durchschnittskosten im Vergleich zum Wettbewerb zu realisieren. Renten werden demnach so lange generiert, wie eine Firma die Heterogenität der Ressourcenausstattung bzw. die daraus resultierenden Effizienzvorteile aufrechterhalten kann.74 Zeichnen sich bestimmte Ressourcen durch gewisse Merkmale aus, so sind sie besonders wertschöpfend und zum Aufbau beziehungsweise zur Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen geeignet. Es handelt sich um Ressourcen von besonderer strategischer Relevanz, die letztendlich der langfristigen Differenzierung im Wettbewerbsumfeld dienen. Neben der übergeordneten strategischen Relevanz sind es dabei weitere konkrete Merkmalsausprägungen, die Ressourcen kennzeichnen (siehe Abbildung 2.1.4):75
72
73 74 75
Vgl. Grant, R. M. (1991), S. 91 ff. Eine ähnliche, jedoch nicht völlig identische Einteilung von Ressourcen trifft Barney; vgl. Barney, J. B. (1991), S. 101. Vgl. Wolf, J. (2003), S. 420. Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2005), S. 358. Vgl. zu den nachfolgenden vier Merkmalen Barney, J. B. (1991), S. 106 ff., Collis, D. J. (1991), S. 51, Conner, K. (1991), S. 137, Grant, R. M. (1991), S. 114 ff., Rasche, C./Wolfrum, B. (1994), S. 501 ff., Bamberger, I./Wrona, T. (1996), S. 130 ff. sowie grundlegend Thiele, M. (1997). 25
Identifikation
we r
ns me h eh rn zifisc e t un spe
tvo ll
Nutzung
Schutz
strategische Ressourcen gte it din rke be rba tie i Im
Su
b bs edin titu gt ier e ba rke
it
Weiterentwicklung
Abb. 2.1.4: Konzeptionelle Einordnung strategischer Ressourcen im Rahmen des RBV
Wertvoll Ressourcen bedürfen vor allem einer entsprechenden Werthaltigkeit. Je wertvoller eine Ressource ist, umso größer ist die durch ihren Einsatz zu verzeichnende Effizienz- und Effektivitätssteigerung. Seltenheit ist dabei ein möglicher Faktor, der die Werthaltigkeit einer Ressource determiniert. Weiterhin ist die Nachhaltigkeit ein Bestimmungsfaktor dafür, wie wertvoll sich eine Ressource erweist. Grundsätzlich gilt, dass wertvolle Ressourcen im Unternehmen zu halten sind. Während also die externe Transferierbarkeit in jedem Fall zu vermeiden ist, bedeutet die interne Transferierbarkeit eine zusätzliche Wertschöpfung. Mit einer Ressource wird auf diese Weise an mehreren Stellen im Unternehmen Wertschöpfung erzielt. Den in Geldeinheiten ausgedrückten Wert einer Ressource bestimmt auf indirektem Weg letztlich der Kunde. Erst wenn durch die Ressource ein Mehrwert geschaffen wird, den der Kunde als solchen wahrnimmt und eine erhöhte Preisbereitschaft zur Zahlung eines Mehrpreises generiert wird, ist eine Ressource als wertvoll einzustufen. Andererseits kann eine Ressource auch Kosten senkend wirken und auf diese Weise zur Wertschöpfung beitragen. Die weiteren Merkmalsausprägungen der Unternehmensspezifität, der bedingten Imitierbarkeit und der bedingten Substituierbarkeit dienen jeweils dem Aufbzw. Ausbau der Werthaltigkeit einer Ressource.
26
Unternehmensspezifisch An sich wertvolle Ressourcen sind möglichst unternehmensspezifisch anzulegen, um ihre Werthaltigkeit weiter zu steigern. Aus der Unternehmensspezifität folgen eine eingeschränkte Transferierbarkeit, eine zumindest partielle Immobilität sowie eine erschwerte Handelbarkeit. Diese drei Folgen bilden einzeln oder in jeglicher Kombination einen wirksamen Schutzmechanismus, der seinerseits Ressourcen wertvoll macht. Unternehmensspezifität erschwert oder verhindert bestenfalls die Errichtung von Faktormärkten für die Ressourcen bzw. ermöglicht nur unvollkommene Faktormärkte. Die Ressourcen sind durch die fehlende bzw. eingeschränkte Handelbarkeit nicht oder nur bedingt unternehmensextern transferierbar. Werden unternehmensspezifische Ressourcen externalisiert, können derart hohe Transaktionskosten entstehen, dass sich die Wirtschaftlichkeit für einen potenziellen Käufer nicht mehr darstellen lässt. Auch hier ist die Handelbarkeit und daraus folgend die Transferierbarkeit eingeschränkt. Unternehmensspezifische Ressourcen können sich insbesondere aus der so genannten idiosynkratischen Historizität76 eines Unternehmens herleiten. Damit wird auf die Einmaligkeit in der Unternehmensentwicklung abgehoben. Hieraus entstehende Ressourcen sind weitgehend immobil. Eine Handelbarkeit bzw. Transferierbarkeit an Faktormärkten ist nur eingeschränkt möglich.77 Die idiosynkratische Historizität bietet zudem die Voraussetzungen zur Entwicklung unternehmensspezifischer Ressourcenkombinationen. Während sich bereits einzelne unternehmensspezifische Ressourcen durch einen sehr guten Schutz auszeichnen, steigt die Schutzwirkung bei Ressourcenkomplexen nochmals an. Selbst wenn einzelne Ressourcen aus dem Ressourcenkomplex transferiert werden können, bewirkt die Dispersion, dass der Wert der Einzelfragmente sinkt. Die Transferierbarkeit eines gesamten unternehmensspezifischen Ressourcenkomplexes kann als so gut wie ausgeschlossen gelten. Bedingte Imitierbarkeit Anzustreben ist, dass Ressourcen nicht oder nur sehr schwer imitierbar sind. Bestimmte Isolierungsmechanismen schaffen dafür die Voraussetzungen: So genannte First-Mover-Advantages stellen eine Möglichkeit dar, Ressourcen vor Imitierbarkeit zu schützen. Dabei werden die speziellen Ressourcen möglichst frühzeitig genutzt, um sich Produkt- und Prozessvorteile zu verschaffen. Je früher ihr Einsatz erfolgt, umso höhere Imitationsbarrieren lassen sich aufbauen.78 Letztlich sind diese Ressourcen jedoch nicht vollständig vor Imitatio-
76
77 78
Cohen/Levinthal sprechen in diesem Zusammenhang von „path dependency“; vgl. Cohen, W. M./Levinthal, D. A. (1990), S. 135 ff. Vgl. Ahlert, D. et al. (2003), S. 39. Der Aufbau dieser Barrieren bedingt jedoch hohe Kosten der Entwicklung, Markteinführung und Produktpenetration sowie des Risikos des Scheiterns. 27
nen geschützt. Patente sind auf rechtlicher Basis eine zweite Möglichkeit, Ressourcen zu schützen. Allerdings wirkt auch dieser Schutz nur eingeschränkt, weil zwar nicht die ursprüngliche Ressource von Konkurrenzunternehmen genutzt werden kann. Möglich ist jedoch eine Nachbildung der Ressource, d. h. sie wird substituiert. Ein weitaus wirksamerer Schutz stellt die bereits angesprochene idiosynkratische Historizität eines Unternehmens dar. Wenn auf Grund dieser eine bestimmte Ressource/Ressourcenkombination durch ein Unternehmen entsteht, so ist sie so gut wie nicht von einem anderen Unternehmen zu imitieren. Ähnlich verhält es sich mit der kausalen Ambiguität.79 Fehlt den Konkurrenzunternehmen das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Ressourcen und Unternehmenserfolg, wird von einseitiger Ambiguität gesprochen. Diese Ressourcen sind in besonderem Maße geschützt. Selbst wenn den Wettbewerbern die Ressourcen zur Verfügung stehen würden, wüssten sie nicht, wie diese Erfolg bringend einzusetzen sind. Denkbar ist in diesem Zusammenhang die Abwerbung der Mitarbeiter, die das Wissen um die Anwendung der Ressourcen besitzen. Besteht hingegen eine zweiseitige Ambiguität, fehlt auch dem Unternehmen, das über die Ressourcen verfügt, das Verständnis für den Zusammenhang von Ressourcen und Erfolg. In diesem Fall ist das Unternehmen einfach erfolgreich. Während diese Situation einerseits die bei der einseitigen Ambiguität gegebene Gefahr der Abwerbung von Mitarbeitern bannt, besteht andererseits die Gefahr des unbewussten Verlustes der Ressourcen. Weil das Unternehmen selbst nicht um die Ressourcen bzw. deren Anwendbarkeit weiß, kann es diese auch nicht explizit schützen bzw. weiterentwickeln. Bedingte Substituierbarkeit Substituierbarkeit geht mit Imitierbarkeit einher. Besteht keine Möglichkeit der Imitation von Ressourcen, werden Wettbewerber versuchen, diese zumindest zu substituieren. Ziel ist es, den Wettbewerbsvorteil der Konkurrenz zu eliminieren. Dies kann auf zwei Arten erfolgen. Erstens wird durch eine reine Substitution versucht, gleichartige Ressourcen zu entwickeln und einzusetzen. Zweitens besteht die Option, mit anderen Mitteln das Ergebnis der Konkurrenz zu erzielen. Auch in diesem Fall ist der bis dato gegebene Wettbewerbsvorteil eliminiert. Gelingt dies zu ähnlichen oder geringeren Kosten, hat die ursprüngliche Ressource einen großen Teil ihres vorherigen Wertes für das Unternehmen verloren. Unternehmen sollten deshalb nicht nur der Imitierbarkeit ihrer Ressourcen, sondern auch der Substituierbarkeit Aufmerksamkeit schenken. Zusammenfassend kann festgehalten werden, Ressourcen sind die kleinste Einheit wertschöpfender Faktoren und befähigen Unternehmen zu Wertschöpfungsaktivitäten. Darüber hinaus existieren strategische Ressourcen, die beson79
28
Vgl. Reed, R./DeFillipi, R. J. (1990).
ders wertvoll und somit zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen geeignet sind.80 Unternehmen müssen danach streben, sich Ressourcen zu Eigen zu machen, die vorzugsweise wertvoll, d. h. selten und nachhaltig sind. Darüber hinaus sind Ressourcen anzustreben, die auf Grund ihres unternehmensspezifischen Charakters begrenzt unternehmensextern transferierbar und handelbar sowie möglichst immobil sind. Ressourcen sollten weiterhin so gut wie nicht imitierbar bzw. substituierbar sein. Hinsichtlich der operativen Anwendung gilt, dass strategische Ressourcen zu identifizieren, zu nutzen, weiterzuentwickeln und zu schützen sind. Nachdem der Begriff Ressource hergeleitet und erklärt wurde, welche Ressourceneigenschaften Wettbewerbsvorteile verschaffen, stellt sich die Frage nach der Generierung derartiger Ressourcen. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von Eigenentwicklung über Zukauf bis hin zu Kooperationen.81 Die eigene Entwicklung strategischer Ressourcen stellt die sowohl finanzielle als auch zeitlich aufwendigste Variante dar. Dem stehen jedoch nachhaltige Vorteile gegenüber: { Die idiosynkratische Historizität eines Unternehmens begünstigt die Entwicklung unternehmensspezifischer Ressourcen. { So entstandene Ressourcen sind sehr wirkungsvoll geschützt. { Der Ressourcenaustausch mit anderen Geschäftsbereichen desselben Unternehmens bietet bei möglicher interner Ressourcentransferierbarkeit eine kostengünstige Nutzung bereits existierender Ressourcen. { Interne Ressourcentransferierbarkeit kann umfangreich genutzt werden.
80
80 81
In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Kernkompetenz – als Ressource bzw. Potenzial, über das ein Unternehmen in einzigartiger Weise verfügt – geprägt; vgl. speziell Prahalad, C. K./Hamel, G. (1991), S. 71 und Prahalad, C. K./Hamel, G. (1995), S. 36 – 42; vgl. grundlegend Boos, F./Jarmai, H. (1994); Quinn, B./Hilmer, F. G. (1995). Für das Konzept der Kernkompetenzen gilt, dass es sich vorwiegend auf ein Geschäftsfeld im Unternehmen beschränkt, vgl. Boos, F./Jarmai, H. (1994). Unternehmensübergreifende Aspekte, aber auch die unternehmensinterne Transferierbarkeit bleiben somit außer Acht. Um dem in der betriebswirtschaftlichen Praxis sehr inflationär und damit inhaltlich oft falsch verwendeten Begriff der Kernkompetenz nicht weiteren Vorschub zu leisten, wird in der vorliegenden Arbeit von Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen gesprochen. Vgl. Brumagim, A. (1994), S. 85. Vgl. Thiele, M. (1997). 29
Mit dem Zukauf neuer Ressourcen existiert eine kurzfristige und sehr einfache Ressourcengewinnung. Im Wirtschaftsleben stellt der Zukauf neben der Eigenentwicklung die gebräuchlichste Praxis dar. Dagegen sprechen allerdings alle bis dato angeführten Probleme wie schlechte Transferierbarkeit, Handelbarkeit etc. Insbesondere strategische Ressourcen sind auf diesem Weg nicht einfach zu erwerben, wobei der Rückgriff auf Kompetenzträger eine konkrete Handlungsweise zum Ressourcenerwerb darstellt. Die hiermit verbundenen Probleme insbesondere in einem Ressourcenkomplex wurden bereits diskutiert. Basiert der Ressourcenerwerb auf der Akquisition ganzer Unternehmen, sind zudem das Akquisitionsrisiko an sich, aber auch ein u. U. hoher Kapitalbedarf sowie die gebundenen Managementkapazitäten während des Integrationsprozesses in Betracht zu ziehen.82 Werden Ressourcen klassisch über die Mechanismen des Marktes erworben, existiert neben allen Vorteilen dieser Koordinationsform83 die grundsätzliche Gefahr der Unterversorgung, was in komplexen Wertschöpfungsabläufen zu enormem wirtschaftlichen Schaden führen kann. Mit der Nutzung von Kooperationen findet sich ein weiterer Weg zur Ressourcengenerierung. Ziel ist es, eine Ressourcenübertragung zwischen den an der Kooperation beteiligten Unternehmen möglichst in jeder Hinsicht (rechtlich, finanziell, etc.) unproblematisch zu gestalten.84 Kooperationsbeziehungen spielen im Zusammenhang mit unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken eine bedeutende Rolle, die es nachfolgend ausführlich zu analysieren gilt. Der Resource-based View weist Schwächen auf, die nachfolgend angeführt werden, um eine unilaterale Sichtweise zu vermeiden:85 { fehlende definitorische Eindeutigkeit bezüglich der grundlegenden Terminologie Ressource86 { Schwierigkeiten bei der ex ante Bestimmung von strategischen Ressourcen und Erklärung, wie diese entwickelt werden können { mangelhafte Quantifizierbarkeit der Wertbestimmung einer Ressource (Wert ausgedrückt in Geldeinheiten) und damit unzureichende rationale Analyse unternehmensspezifischer Potenziale, insbesondere bei bestehenden Ressourcenkomplexen. 82 83 84
85
86
30
Vgl. Mias, C. (2005), S. 30. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.2.1. Ressourcengenerierung und -nutzung in Kooperationsbeziehungen werden in Kapitel 3 erneut aufgegriffen. Vgl. nachfolgend Wolf, J. (2003), S. 433 ff. für eine umfassende kritische Würdigung des RBV. Vgl. Foss, N. J. (1997).
Trotz der ausgewiesenen Schwächen lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die im Kontext der vorliegenden Arbeit schwerer wiegen, weil sie m. E. die Schwächen des Market-based View kompensieren: { Betonung unternehmensinterner Faktoren { Fokus auf strategische Ressourcen, die langfristig und nachhaltig den Unternehmenserfolg sichern { Erklärung brancheninterner Unterschiede { kritische Hinterfragung der Annahmen der klassischen Ökonomie, wonach vollkommene (Faktor)Märkte dazu führen, dass kurzfristig bestehende Wettbewerbsvorteile nivelliert werden. 2.1.5 Resource Dependence Theory Die grundlegenden Arbeiten zur Resource Dependence Theory (RDT) wurden von Pfeffer und Salancik87 verfasst. Das Ressourcenverständnis ist ähnlich dem RBV sehr weit ausgelegt: „Resources can be almost anything that is perceived as valuable – from building contracts to press exposure to control over systems and analysis […].“88
Die (RDT) hinterfragt, welche Ressourcen in welchem Ausmaß Abhängigkeit von internen und externen Akteuren für eine Organisation schaffen. Des Weiteren liegt der Untersuchungsschwerpunkt auf dem Aspekt, wie Organisationen auf die potenzielle Instabilität von Ressourcenzu- und -abflüssen reagieren. Eingebettet in einen offenen Rahmen von System-Umwelt-Beziehungen lassen sich die konzeptionellen Grundlagen der RDT wie folgt zusammenfassen:89 Die Annahme, das primäre Ziel von Unternehmen ist die Sicherung der Überlebensfähigkeit, die durch die Reduktion der von der Umwelt ausgehenden Unsicherheit erreicht wird, führt zu Aktionen, die den Zufluss überlebensnotwendiger Ressourcen sicherstellen. Der Analysefokus richtet sich dabei insbesondere auf Ressourcen, die überlebensnotwendig sind, über die eine Organisation allerdings nicht selbst verfügt
87 88 89
Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G. R. (1978). Pfeffer, J. (1992), S. 87. Vgl. nachfolgend und für eine detaillierte Darlegung Pfeffer, J./Salancik, G. R. (1978); Sandner, K. (1990); Knyphausen, D. z. (1997); Schreyögg, G. (1997). 31
und aus diesem Grunde durch Austauschbeziehungen von externen Akteuren beziehen muss. Der Abhängigkeitsgrad von externen Ressourcen determiniert sich durch drei Aspekte: (1) Wichtigkeit einer Ressource (relativer Anteil der Ressource am gesamten benötigten Ressourceninput; kritische Ressource für den Wertschöpfungsprozess) (2) Allokationsstruktur einer Ressource (Eigentum/Besitz; Zugangskontrolle; Nutzung; Regulierung von Besitz/Zugangskontrolle/Nutzung) (3) Konzentration der Ressourcenkontrolle (alternative Ressourcenquellen vermindern die Abhängigkeit). Mit zunehmender Abhängigkeit von extern kontrollierten Ressourcen begrenzt sich der Handlungsspielraum eines Unternehmens. Gemäß der RDT können Unternehmen jedoch ihre Überlebenschancen verbessern, indem sie Maßnahmen ergreifen, sich an ihre Umwelt anzupassen. Die RDT sieht Organisationen dabei als aktive Einheiten, die ihre eigenen Voraussetzungen für Überlebensfähigkeit und Erfolg schaffen. Dies drückt sich u. a. in der Überzeugung aus, dass es dem Unternehmen frei gestellt ist, mit welchen Lieferanten und Kunden Geschäftsbeziehungen eingegangen werden und zu welchen Konditionen die Geschäftstätigkeit abgewickelt wird. Umweltadaptionen können zum einen durch die Strategie der Ressourcengegenlieferung erzielt werden. Zum anderen kann die so genannte Strategie der Kooptation verfolgt werden. Das ressourcenabhängige Unternehmen integriert sich in den Wertschöpfungsprozess des Ressourcenlieferanten mit dem Ziel der Beeinflussung zu eigenen Gunsten. Pfeffer und Salancik verweisen auf die Kooptation mit Konkurrenten, die in der Praxis von großer Bedeutung ist. Danach ist diese Strategie bei mittlerer Marktkonzentration erfolgversprechend, weil „vollständige“ Konkurrenz auf Seiten der Ressourcenanbieter zu nichtmanipulierbaren Marktpreisen führt, während eine oligopolistische Situation zu einem engen Verhaltensspielraum seitens der Ressourcenanbieter führt. Ungeachtet der allgemeinen Schwächen der RDT (keine klare Definition des Ressourcenbegriffs; Reduktion auf einen einzigen Kernaspekt: Ressourcenabhängigkeit; keine klaren Umwelt-Struktur-Beziehungen ableitbar)90 lassen sich für die vorliegende Arbeit grundlegende theoretische Annahmen herleiten:
90
32
Vgl. Wolf, J. (2003), S. 230 f.
{ Unternehmen sind im Rahmen ihrer Überlebenssicherung von ihrer Umwelt abhängig. { Unternehmen sichern sich die Grundlagen ihrer eigenen Wertschöpfung durch externen Ressourcenzugang. { Unternehmen gelingt die Bewältigung der Abhängigkeit von externen Ressourcen durch interorganisationale Interaktion.91 2.1.6 Zusammenfassung In Kombination bergen Market-based View, Resource-based View und die Ressourcenabhängigkeitstheorie eine Grundlage zur Erklärung von Wertschöpfungsaktivitäten und weiterführend für die spezielle Analyse unternehmensübergreifender Wertschöpfung. Das Instrumentarium der Wertekette, ursprünglich für die Analyse einzelunternehmerischer Wertschöpfungsaktivitäten konzipiert, lässt sich unproblematisch unternehmensübergreifend anwenden, wenn sich die Wertschöpfung auf mehrere Unternehmen aufteilt. Im Ergebnis zeigt sich, welche Wertschöpfungsebenen sich auf welche Leistungsumfänge konzentrieren. Damit wird deutlich, dass eine Zusammenarbeit in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken unumgänglich ist, um die einzelnen Wertschöpfungsumfänge letztlich als Gesamtprodukt Automobil zusammenzuführen. Der RBV bringt unternehmensinterne Faktoren in Form von unternehmenseigenen Ressourcen in die Analyse ein. Er verfolgt die spezifische Sichtweise auf strategische Ressourcen, die es zu identifizieren, nutzen, schützen und weiterzuentwickeln gilt. Strategische Ressourcen, die für die Einzigartigkeit einer Unternehmung verantwortlich zeichnen, implizieren, dass sich Unternehmen auf Basis ihrer heterogenen Ressourcenausstattung unterscheiden und auf unterschiedliche Wertschöpfungsaktivitäten spezialisieren. Diese Sichtweise führt auch zur Erkenntnis, dass ein Unternehmen nicht über alle theoretisch vorhandenen Ressourcen verfügen kann und deshalb auf die Interaktion mit anderen Unternehmen angewiesen ist. An dieser Stelle setzt die Theorie der Ressourcenabhängigkeit an. Unternehmen sehen sich aus Gründen der Sicherung ihrer Überlebensfähigkeit mit dem Bezug externer Ressourcen konfrontiert, was zwangsläufig eine Umweltabhängigkeit impliziert. Externe Ressourcenbeschaffung gelingt durch interorganisationale Interaktion und zwingt Unternehmen damit in Umweltbeziehungen. Die Ressourcenabhängigkeitstheorie stellt weiterhin klar, dass die Entscheidung, mit welchen Ressourcenanbietern interagiert wird, jedem Unternehmen selbst obliegt. Die Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken ist demnach
91
Vgl. Schreyögg, G. (1997), S. 483. 33
so auszurichten, dass die eigene Ressourcenausstattung optimal durch externe Ressourcen ergänzt wird. Letzteren kommt dabei, je nach eigenem Ressourcenbesitz, eine erhebliche Bedeutung zu. In automobilen Wertschöpfungsnetzwerken mit dem OEM als fokalem Unternehmen und einem Wertschöpfungsanteil von weniger als 50 % am Gesamtprodukt ist die Ressourcenausstattung der Wertschöpfungspartner von erheblichem Belang. Die Ressourcenausstattung und die daraus resultierende Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungspartner haben direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des OEM und des Wertschöpfungsnetzwerkes als Ganzes. Im Wertschöpfungsverbund ergibt sich die Notwendigkeit, auf die Wertschöpfung der Partner aufzubauen, d. h. die Ressourcensicherung wird durch Zusammenarbeit gesichert. Aus Sicht der OEM besteht das dringende Interesse, Wertschöpfungsnetzwerke zu formen und aufrecht zu erhalten, die Unternehmen umfassen, die im Optimalfall 1. über die besten Ressourcen verfügen, 2. diese am effektivsten nutzen und 3. die Bereitschaft zur Zusammenarbeit einbringen. 2.2 Automobile Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen in der historischen Entwicklung Im Laufe des automobilen Zeitalters haben sich die zugrunde liegenden Strukturen der an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen mehrfach nachhaltig verändert. Währenddessen waren internationale Standortentscheidungen unterschiedlich motiviert und relevant. Der nachfolgende Abschnitt dient – in einem historisch-betriebswirtschaftlichen Kontext – der inhaltlichen Hinführung auf die beiden Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit. Die historische Entwicklung, in abstrakter Form in Abbildung 2.2 dargestellt, wird in vier Abschnitte unterteilt.92 Zu Beginn wird die jeweilige Epoche charakterisiert, bevor sich der Fokus der Analyse den automobilen Wertschöpfungsstrukturen sowie letztlich den internationalen Standortentscheidungen der involvierten Akteure zuwendet.93 Des Weiteren werden die Ausgestaltungen der Beziehungsebenen zwischen den einzelnen Wertschöpfungsebenen thematisiert.
92
93
34
Eine klare zeitliche Trennung der jeweiligen Epochen war in der Praxis nicht gegeben. So existierten bspw. handwerkliche Produktion und Massenproduktion vergleichsweise lange parallel nebeneinander, bevor sich die Massenproduktion bei den meisten Unternehmen durchsetzte. Die Literatur gibt nur vereinzelt Hinweise darauf, wie sich die Zulieferstrukturen bis ca. 1990 entwickelten. Der Fokus lag bis zu diesem Zeitpunkt auf den Aktivitäten der OEM. Zulieferer wurden lediglich als „Begleiterscheinung“ betrachtet. Erst mit Entstehung automobiler Netzwerkstrukturen und ihrer zunehmenden Bedeutung finden Zulieferunternehmen explizit und umfangreich Eingang in Untersuchungen.
Sie werden erneut in Abschnitt 4.2 aufgenommen. Darüber hinaus fokussiert die Darstellung auf die zur jeweiligen Zeitepoche führende Region.94 OEM OEM OEM OEM OEM OEM OEM
Anfänge der Automobilindustrie
Anfänge der Massenproduktion
OEM-gesteuerte Massenproduktion
NetzwerkStruktur
ca. 1885 – ca. 1915
ca. 1915 – ca. 1950
ca. 1950 – ca. 1990
seit ca. 1990
sehr hohe vertikale Desintegration
sehr hohe vertikale Integration
hohe vertikale Integration
hohe vertikale Desintegration
Abb. 2.2: Historische Entwicklung automobiler Wertschöpfungsstrukturen [Quelle: Schonert, T./Rennemann, T. (2005), S. 133]
2.2.1 Handwerkliche Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen in den Anfängen der Automobilindustrie (ca. 1885 – 1915) Die begrenzte Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte zur Folge, dass Automobile zu jener Zeit ein Luxusgut darstellten. Die Fahrzeugproduktion war durch handwerkliche Einzelanfertigungen unter Berücksichtigung individueller Kundenwünsche geprägt. Die von den Fahrzeugherstellern spezifizierten Einzelteile wurden von einer Vielzahl von Handwerksunternehmen bezogen, die als unabhängige Auftragnehmer der Fahrzeughersteller agierten. Neben der Produktion oblag den zuliefernden Unternehmen oft auch die vorgelagerte Konstruktion der Teile. Eine ausgeprägte Dezentralisierung kennzeichnete die Wertschöpfungsstrukturen der handwerklichen Produktion. Die Koordinationsfunktion einzelner Wertschöpfungsschritte kam den OEM zu.95
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An dieser Stelle weicht die Arbeit von der gesetzten Abgrenzung auf die deutsche Automobilindustrie ab und vermittelt ein umfassenderes Bild der historischen Entwicklung. Um den vorgegeben Rahmen nicht zu überschreiten, wird die zur jeweiligen Epoche führende Region charakterisiert. Dies hat zur Folge, dass sich bspw. die Darlegungen zu den Anfängen der Massenproduktion fast ausschließlich auf die nordamerikanische Automobilindustrie beziehen. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 25 ff. 35
In dieser frühen Phase begannen sich erste einfache Strukturen der automobilen Wertschöpfung zu entwickeln. In Anlehnung an die in Abschnitt 2.1 vorgenommene Einteilung automobiler Wertschöpfungsstufen lässt sich die Existenz von vier Ebenen ableiten. Als Erstes sind die OEM zu benennen, die von diversen unabhängigen Teilelieferanten beliefert wurden. Benötigte Materialien bezogen sowohl die OEM als auch ihre Teilezulieferer von Rohmateriallieferanten. Diese wiederum erhielten von Rohstofflieferanten ihre zur Weiterverarbeitung benötigten Rohstoffe. Ein stufenweiser Aufbau der Wertschöpfungsstrukturen ist auf Grund der starken Dezentralisierung jedoch noch nicht zu verzeichnen. Eine Internationalisierung des Absatzes existierte insofern, als dass sich die wenigen Kunden an die Hersteller wandten und selbst für die Einführung der von ihnen erworbenen Fahrzeuge in ihr jeweiliges Heimatland verantwortlich zeichneten. Die Erschließung neuer geografischer Märkte stellte zu dieser Zeit keine Notwendigkeit dar. Die OEM und ihre Zulieferer konzentrierten ihre Wertschöpfungsprozesse der Entwicklung, Konstruktion, Beschaffung und Produktion dagegen zumeist auf das geografisch begrenzte Gebiet einer Stadt.96 Neue Akteure siedelten sich bestimmt durch die gewachsenen traditionellen handwerklichen Strukturen in den bestehenden Standortclustern der automobilen Wertschöpfung an. Standortentscheidungen waren somit geografisch auf diese bereits existierenden Automobil-Cluster fokussiert. Gleichzeitig waren Standortverlagerungen auf Grund der starken Desintegration und der gegenseitigen Abhängigkeiten kaum möglich. 2.2.2 Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen während der ersten Phase der automobilen Massenproduktion (ca. 1915 – ca. 1950) In den USA, dem Ursprungsland der automobilen Massenproduktion, setzte sich selbige mit allen ihr eigenen Merkmalen in einem über einem Jahrzehnt andauernden Entwicklungsprozess durch.97 Henry Ford I. begann 1903 mit der Entwicklung seines ersten Fahrzeugs (A-Modell) nach den Kriterien der Massenproduktion, bis er 1908 mit dem zwanzigsten Modell (T-Modell) über ein Produkt verfügte, dass nicht mehr nach handwerklichen Grundsätzen gefertigt wurde. Der paradigmatische Wechsel von der handwerklichen Produktionsweise zur automobilen Massenproduktion98 vollzog sich in einem weiteren Schritt mit
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Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 25 ff. Eine eindeutige Datierung des Beginns der automobilen Massenproduktion ist deshalb nicht möglich. Zu den Merkmalen der automobilen Massenproduktion (Arbeitskräfte, Organisation, Werkzeuge, Produkt) vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 35 – 43. Vgl. Braess, H.-H. (2006), S. 53.
der Inbetriebnahme der neuen Fabrik in Highland Park (Michigan) ab 1910. Die dort realisierte Transformation der Produktionsstrukturen gemäß der Massenproduktion nahm ihren Ursprung in der Teilefertigung mit der Einführung von Fließarbeit (ab 1913), Spezialmaschinen, neuen Werkzeugen und Prozessinnovationen99 sowie der Technisierung notwendiger Transportfunktionen.100 Die Massenproduktion basierte auf der verstärkten Nutzung des Faktors Arbeit, der intensivierten Technisierung und Zerlegung von Arbeitsumfängen sowie der Strukturierung der Produktion gemäß des Prinzips der Economies of Scale.101 In der Produktion wurden weitgehend standardisierte und aufgegliederte Arbeitsabläufe eingeführt, die in eine überdurchschnittliche Routine durch ihre hohe Wiederholhäufigkeit einfacher und kurzzyklischer Tätigkeiten führte. Die in der Großserienproduktion übliche Nutzung skalenökonomischer Effekte forcierte ein bis dahin nicht gekanntes Mengenwachstum, was wiederum in stark integrierte vertikale Produktionskomplexe resultierte.102 Während Ford die Massenproduktion anfangs nur in der von ihm dominierten Endfertigung umsetzte und die notwendigen Teile und Komponenten von Zulieferunternehmen bezog, änderte er diese Vorgehensweise sukzessive. Bis 1915 vollzog die Firma weitgehend die vertikale Integration. Fords Motivation begründete sich in der Überlegenheit seines Massenproduktionssystems, das in dieser Perfektion nicht bei den Zulieferern realisiert war. Kosteneinsparungen, Qualitätsverbesserungen und Lieferzeitverkürzungen waren die Hauptursachen, die Koordinationsform des Marktes durch die der hierarchischen Koordination zu ersetzen. Die vertikale Integration fand ihre maximale Ausprägung in Fords 1927 eröffnetem River-Rouge-Komplex in der Nähe Detroits. Ford war seinem Bestreben nach vollständiger vertikaler Integration nachgekommen und hatte seine automobilen Produktionsanlagen um ein Blechverarbeitungswerk, ein Stahlwalzwerk und eine Glasfabrik ergänzt. Somit war auch die Ebene der Rohmateriallieferanten integriert. Darüber hinaus bezog Ford alle Rohstoffe wie bspw. Kautschuk von unternehmenseigenen Plantagen aus Brasilien und Eisenerze aus Gruben in Minnesota. Der Transport wurde von eigenen Schiffen vorgenommen, unterstützt durch eine eigene Eisenbahnlinie in der Detroiter Region.103Fords Bestrebungen nach maximaler vertikaler Integration bargen neben den Vorteilen allerdings auch Risiken: Eine zunehmend schwieriger werdende Organisation auf Grund unternehmensinterner bürokratischer
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Vgl. Abernathy, W. (1978), S. 183 ff. zum Übergang von Holz- auf Stahlbauweise; vgl. Gartmann, D. (1986), S. 63 f. zu Prozessinnovationen des Lackierprozesses. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 31 f. und S. 40 f. Vgl. grundlegend Piore, M./Sabel, C. (1985), S. 28 ff. Vgl. zur Definition der vertikalen Integration Benkenstein, M. et al. (1996), S. 4; Armour, H. O./Teece, D. J. (1980), S. 473; Teece, D. J. (1980), S. 2. Vgl. Womack, J. P. et al., S. 37 f. und S. 43. 37
Hürden sowie die komplizierte Internationalisierung der Geschäftstätigkeit.104 General Motors (GM) als zweiter dominierender Automobilhersteller jener Zeit verfolgte unter Alfred Sloan ein differenziertes Konzept bezüglich der Schwierigkeiten hierarchischer Koordination eines hoch integrierten Unternehmens. Teile- und Komponentenzulieferer waren bei GM größtenteils in den Konzernverbund integriert, als eigenständige Unternehmen,105 aber im Sinne von Profit-Centern von der Konzernzentrale geführt. Darüber hinaus wurden die Mechanismen des Marktes, d. h. externe Zulieferer stärker genutzt als dies bei Ford der Fall war.106 Hinsichtlich der Zulieferstrukturen lässt sich festhalten, dass Zulieferer entweder vollkommen vertikal (Ford) oder in den Konzernverbund des Fahrzeugherstellers (GM) integriert waren. Neben den OEM als dominierenden Akteuren der Wertschöpfungskette existierten Rohmaterial- und Rohstofflieferanten sowie Teile- und Komponentenlieferanten. Die Leistungsumfänge der Letzteren bestanden darin, Teile und Komponenten gemäß genauer Vorgaben des Fahrzeugherstellers zu produzieren. Über die Produktion hinausgehende Wertschöpfungsumfänge umfassten nicht das Leistungsprogramm der Zulieferer. Der zweite oben angesprochene Aspekt, der als Folge einer sehr hohen vertikalen Integration entstand, bezieht sich auf die Errichtung neuer Standorte. Unabhängig davon, ob innerhalb nationaler Grenzen oder international die Geschäftstätigkeiten ausgebaut werden sollten, sahen sich die OEM vor gravierende Probleme gestellt. Zur damaligen Zeit virulente Transportprobleme verhinderten, dass ganze Fahrzeuge schadensfrei von einem Produktionsstandort in andere Städte bzw. Länder verfrachtet werden konnten. Das von den OEM angestrebte Ziel, das Automobil als ein Massenprodukt zu etablieren, verlangte indes eine geografisch ausgedehnte Marktpräsenz. Im Rahmen der Internationalisierungsbemühungen sahen sich die Fahrzeuganbieter zudem mit Handelsbarrieren für Fertigprodukte konfrontiert. Auf die Herausforderung wurde mit dezentralen Montagewerken in den wichtigsten Absatzgebieten reagiert, während die Entwicklung, Konstruktion und Produktion der Teile und Komponenten weiterhin der Hoheit der Konzernzentralen oblag. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Europa zusehends auch Teile und Komponenten mit Zöllen belegt. Ford reagierte mit voll integrierten Produktionssystemen an den neuen Standorten, während GM – ähnlich der Steuerung der im Konzernverbund integrierten Zulieferunternehmen – dezentral operierende Produktions- und Vertriebseinheiten installierte.107 Im Zuge dessen entstand die
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Vgl. Womack, J. P. et al., S. 38 f. Vgl. Piore, M./Sabel, C. (1985), S. 73 f. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 44 ff. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 38 f sowie S. 46.
erste Auslandsproduktion von General Motors 1925 in Argentinien, während 1929 in Deutschland die Adam Opel AG übernommen wurde.108 Internationale Standortentscheidungen wurden demnach vor allem von den OEM aus Absatzgründen getroffen. Die mit der Gründung von Vertriebsgesellschaften notwendige Errichtung von Produktionsstandorten umfasste entweder die vorgelagerten Wertschöpfungsstufen (bei voller vertikaler Integration) oder sie wurden lokal zugekauft. 2.2.3 Wertschöpfungsstrukturen und internationale Standortentscheidungen während der zweiten Phase der automobilen Massenproduktion (ca. 1950 – ca. 1990) Die nach Ende des Zweiten Weltkrieges und bis zu Beginn der 1970er Jahre stetig anwachsende Automobilnachfrage ließ die Industrie an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Das Primat der Stunde lautete Befriedigung des immensen Bedarfs. Konsequenterweise wurde das System der Massenproduktion mit dem Einsatz von Fließbändern und Spezialmaschinen sowie akkordbasierter Leistungslohnsysteme weiter ausgebaut und verbessert.109 Ziel dieser an ihren bis dahin ungekannten Ausbringungsmengen110 gemessenen Massenproduktion in großbetrieblichen Strukturen war weiterhin die Realisierung von Economies of Scale, d. h. die durchschnittliche Stückkostenreduzierung auf Grund einer hohen Ausbringungsmenge. Erzielt wurden die sinkenden Stückkosten durch Lernkurveneffekte111 und Erfahrungskurveneffekte112. Mit der Auflösung der Massenmärkte durch die Diversifikation und Individualisierung der Nachfrage in den 1970er/1980er Jahren wandelte sich der einstige automobile Verkäufermarkt sukzessiv zu einem Käufermarkt. Neue Indikatoren wie Preis, Qualität, Umweltbewusstsein und/oder Sicherheit waren für die Kunden kaufentscheidend. Darüber hinaus führte eine gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwächung in den entwickelten Industrienationen und damit in den Hauptabsatzgebieten der Automobilindustrie zu einer sinkenden Nachfrage. Seitens des Wettbewerbs kamen die Angebote japanischer Hersteller hinzu, die erst in den USA, später auch in Europa mit ihren Fahrzeugangeboten nachhaltig Marktanteile erobern konnten. Mit weniger stark steigender Nachfrage und zu-
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Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 5. Vgl. Wittke, V. (1996), S. 140 ff. sowie Bechtle, G./Lutz, B. (1989), S. 25 ff. So stieg allein die Produktion der deutschen Automobilindustrie zwischen 1950 und 1960 von ca. 300.000 auf ca. 2,05 Millionen Einheiten pro Jahr; vgl. Flink, J. J. (1992), S. 297. Vgl. zum Lernkurveneffekt bspw. Sheperd, W. G. (1990), S. 218; Scherer, F. M. (1980), S. 82. Vgl. zum Erfahrungskurvenkonzept Backhaus, K. (1995), S. 184. 39
nehmendem Wettbewerb sahen die amerikanischen und europäischen OEM die Auslastung ihrer Produktionskapazitäten gefährdet. Eine der damaligen industriespezifischen Prämissen war jedoch die optimale Auslastung der – kurzfristig nicht reversiblen – kapitalintensiven Strukturinvestitionen. Die OEM versuchten durch die Ausweitung ihrer Modellpalette, eine große Variantenvielfalt113 sowie eine immer größere Anzahl von serienmäßigen Ausstattungsumfängen und einer verbesserten Qualität den schnell wechselnden Kundenwünschen nachzukommen und so ihre Auslastung abzusichern.114 Diese Ursachen führten bei den OEM zu stark ansteigenden Kosten115 und zu einem sich weiter verschärfenden Verdrängungswettbewerb. Die OEM sahen sich gezwungen, in der Wertschöpfungsstruktur nach Potenzialen zu suchen. Durch den technischen Fortschritt ermöglicht, wandelte sich als weitere Reaktion die bis dato traditionelle Massenproduktion in den 1980er Jahren zu einer flexibleren Produktionsweise, die über die notwendigen Kosteneinsparungen hinaus die nun mittlerweile unerlässlichen Qualitätsverbesserungen (auf Grund eines allgemein steigenden Qualitätsniveaus aller Anbieter) mit sich brachte.116 Ansatzpunkt war in einem ersten Schritt bei den OEM die Automatisierung der Produktionskernbereiche Lackiererei, Rohbau und der peripheren Bereiche wie bspw. dem Werkzeugbau. Der geforderten Variantenvielfalt konnte mit einem automatisierten und wechselnden Produktionsprogramm bei gleichzeitiger Senkung der Fertigungslohnkosten und daraus resultierender Produktivitätssteigerung nachgekommen werden.117 Ferner hielten CAM (Computer Aided Manufacturing) Technologien in Form von Industrierobotern und computergestützten Werkzeugmaschinen Einzug in die automobile Produktion.118 Eine höhere Prozesssicherheit war Basis für eine qualitätsorientierte Produktion, die Fehlerkorrekturen in der kostenintensiven Nacharbeit ebenso reduzierte wie aus mangelhafter Qualität erwachsende Regressforderungen der Kunden. Computerbasierte Technologien erstreckten sich fortlaufend auf immer mehr Bereiche wie bspw. die Prozess- und Produktionsplanung und das Design.119 Hochgradig verkettete und doch flexibel handhabbare, typunabhängige Produktionsanlagen zur schnelleren Realisierung von Modellwechseln setzten sich immer mehr durch.120 113 114 115
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Vgl. Semlinger, K. (1993), S. 318. Vgl. Jürgens, U. et al. (1989), S. 80. Wildemann konstatiert, dass die Verdoppelung der Variantenzahl eine Stückkostensteigerung um 20 % bis 30 % bewirkt. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem umgekehrten Erfahrungskurveneffekt. Vgl. Wildemann, H. (1990), S. 617 f. Vgl. Haraldsen, T. (1993), S. 71. Vgl. Jürgens, U. et al. (1989), S. 46. Vgl. Lay, G. (1987), S. 407. Vgl. Kern, W. (1992), S. 340 f. Vgl. Jürgens, U. et al. (1989), S. 46 ff.
Die OEM besaßen innerhalb der Wertschöpfungskette weiterhin ihre historisch gewachsene Vormachtstellung, aus der heraus sie die vorgelagerten Zulieferstrukturen steuerten und koordinierten. Hinsichtlich des vertikalen Integrationsgrades der OEM ist jedoch regionen- und unternehmensspezifisch zu differenzieren. Ford nutzte ab den 1950er Jahren sehr viel stärker den Mechanismus des freien Marktes, während GM weiterhin in der unter Sloan initiierten vertikalen Integration im Konzernverbund verhaftet blieb.121 Die westeuropäischen OEM stützten sich einerseits auf eine ausgeprägte Zulieferstruktur, andererseits waren auch sie teilweise vertikal integriert. Diese Konstellation ergab sich erstens aus der Tatsache, dass nur die großen Hersteller (Volkswagen, Fiat etc.) über die finanziellen Mittel für einen hohen Anteil an Eigenfertigung verfügten. Zweitens existierten starke Zulieferer, die sich durch einen klaren technischen Vorsprung in den von ihnen dominierten Leistungsspektren auszeichneten. Sie produzierten nicht nur gemäß der OEM-Spezifikationen, sondern entwickelten und konstruierten Komponenten eigenständig. Obwohl die Koordinationsform des Marktes zu externen Zulieferunternehmen genutzt wurde, waren die zu den Zulieferern unterhaltenen Geschäftsbeziehungen im Vergleich zu Ford längerfristig ausgelegt. Typischerweise waren die Standorte der Zulieferer in räumlicher Nähe der OEM angesiedelt. In den 1980er Jahren begannen europäische und hier insbesondere deutsche Zulieferer (bspw. Bosch, VDO, ZF) ihre internationale Standortpräsenz auszubauen.122 Standorte wurden u. a. in Großbritannien errichtet, um die hohen Lohnkosten im Heimatland zu umgehen und gleichzeitig die sich dort angesiedelten japanischen Transplants123 zu beliefern.124 Einen anderen Weg der Wertschöpfungsverteilung gehen seit jeher japanische Hersteller.125 Ausgehend von der Überzeugung, dass eine hohe vertikale Zulieferintegration den Anforderungen der Produktionsprozesse des OEM ebenso wenig wie eine Desintegration im Sinne einer reinen Marktbeziehung ge-
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Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 145 f. Vgl. Pries, L. (1999), S. 26. Als Transplants werden japanische Produktionsbetriebe außerhalb Japans bezeichnet, die das in Japan vorherrschende Produktionssystem nahezu identisch applizieren und den lokalen Anforderungen entsprechend adaptieren. Vgl. Pries, L. (1999), S. 28. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 172 ff. Die Diskussion, ob ein einheitliches japanisches Produktions-/Wertschöpfungssystem existiert, kann hier nicht im Detail geführt werden. Kilper/Pries kommen zum Schluss, dass dies ein angemessenes Vorgehen darstellt. Vgl. Kilper, H./Pries, L. (1999), S. 10 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 54 f. zu den besonderen Bedingungen japanischer OEM in den 1950er Jahren und der daraus resultierenden Notwendigkeit, verstärkt auf Zulieferressourcen zurückzugreifen. 41
nügt, verfolgen sie die Einbindung der Zulieferer in ihre eigenen Wertschöpfungsprozesse. Japanische Keiretsu-Systeme126 wirken dabei als Ursache wie als Folge unterstützend. In der operativen Umsetzung koordiniert der OEM seine Tier-1 Zulieferer. Diese zeichnen für ganze Module (bspw. Sitze) verantwortlich. Benötigte Teile und Komponenten werden von vorgelagerten Zulieferebenen (Tier-2 etc.) bezogen, deren Koordination den Tier-1 Zulieferern obliegt.127 Je nach Ausprägung der vertikalen Integration gestalteten sich dagegen die Wertschöpfungsbeziehungen westlicher OEM zu ihren Zulieferern unterschiedlich. Bei hoher vertikaler Integration wurde ein großer Anteil der Komponenten und Teile selbst bzw. durch Tochterunternehmen im Konzernverbund gefertigt.128 Fertigungsumfänge wurden präferiert an hausinterne Zulieferer vergeben, was sukzessive den Wettbewerb mit externen Zulieferern verhinderte und damit die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigte. Selbst nachdem sich verändernde Kundenanforderungen die Hersteller zu einer immer stärkeren Ausdifferenzierung ihres Produktangebotes zwangen, behielten diese OEM einen hohen Grad an vertikaler Integration bei, nun unter der Prämisse, das Qualitätsniveau auf dem angestrebten hohen Niveau halten zu können.129 Mitte der 1980er Jahre begann auch GM als bis dato noch immer vertikal hoch integriertes Unternehmen mit der Reduktion intern bezogener Teile und Komponenten, um die Kostenvorteile externer Lieferanten zu nutzen.130 Für Leistungsumfänge, die an externe Zulieferer vergeben wurden, nutzten die OEM die klassische Koordinationsform des Marktes mit distanzierten und kurzfristigen Geschäftsbeziehungen, für die auch die kurzfristige Entbindung von Lieferverpflichtungen bei Nachfragerückgängen seitens des OEM charakteristisch war. Das Leistungsspektrum von Zulieferern für einfache Teile und Komponenten beschränkte sich auf die Fertigung und Anlieferung gemäß den spezifizierten Anforderungen des OEM. Der Zuschlag wurde auf Basis von
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Vgl. zu japanischen Keiretsu Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005); Picot, A. et al. (2005), S. 196 ff.; Sell, A. (2002), S. 74 f. sowie Sydow, J (1992), S. 38 ff. Vgl. Kilper, H./Pries, L. (1999), S. 11; Womack, J. P. et al. (1991), S. 66. Die unterschiedlich starke Einbindung vorgelagerter Zulieferunternehmen in die eigenen Wertschöpfungsprozesse vor 1990 zeigt sich unter anderem am Anteil der Zulieferer an der Entwicklung. Japanische Produzenten arbeiteten mit 51 % ihrer Zulieferer zusammen, während europäische Mengenproduzenten 37 %, europäische Spezialisten 32 % und amerikanische Produzenten lediglich 14 % ihrer Zulieferer in die Entwicklungsarbeit einbanden. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 124 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Wolters, H. (1996), S. 38; Lamming, R. (1994), S. 39. Vgl. Lamming, R. (1994), S. 41. Vgl. Womack, J. P. et al. (1991), S. 146 und S. 166.
Preis – der vor allem durch die relative Verhandlungsstärke der Vertragsparteien determiniert war – Qualität und Lieferzuverlässigkeit erteilt.131 Das machtbasierte Hegemonialverhalten der OEM führte seitens der Zulieferer zu einem erlernten Verhalten, dass „[…] Informationen vor dem Hersteller gehütet werden müssen und das jedes Vertrauen in eine langfristige Beziehung fehl am Platze ist.“132
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass neben den OEM vorrangig Komponenten- und Teilelieferanten sowie Rohmaterial- und Rohstofflieferanten existierten. Darüber hinaus nutzten japanische OEM die Ebene der Tier-1 Zulieferer als Modullieferanten. Internationale Standortentscheidungen gewannen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg für alle Fahrzeughersteller zunehmend an Bedeutung. Die seit den 1950er Jahren angestrebte „[…] Neutralisierung des Problems der Kosten durch die Ausweitung des Produktionsvolumens […]“133
verlangte trotz steigender Absatzvolumina auf den Heimatmärkten die Erschließung neuer Absatzmärkte. Ford und GM waren seit jeher auf den europäischen Märkten stark vertreten. Die europäischen Automobilhersteller sahen sich zu dieser Konkurrenz auf ihren Heimatmärkten zusätzlich mit einem sinkenden Exportanteil in den Ländern der Dritten Welt auf Grund steigender Importzölle für Fahrzeuge konfrontiert.134 Als Reaktion darauf errichteten die OEM ausländische Montagewerke in den 1960er Jahren, in denen CKD135-Teilesätze im Exportland zum Endprodukt Automobil montiert wurden. So konnten nicht
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Unabhängige Zulieferer konkurrierten um Volumenteile und -komponenten wie Reifen, Batterien und Lichtmaschinen; vgl. Womark, J. P. et al. (1991), S. 64 und S. 163. Womack, J. P. et al. (1991), S. 152. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die hier dargestellten Extreme hoher vertikaler Integration (GM) und die machtbasierte marktorientierte Vorgehensweise (Ford) nicht von allen OEM in der Form praktiziert wurde. Wie bereits aufgezeigt, gestalteten sich bspw. die Abnehmer-ZulieferBeziehungen in Westeuropa langfristiger. Revelli, M. (1997), S. 3. Vgl. Freyssenet, M. (1984), S. 15 ff., in Speidel, F. (2005), S. 88. CKD = Completely Knocked Down; alle Teile eines Fahrzeuges werden produziert und zu Teilesätzen vormontiert. Diese Teilesätze werden sodann in das Exportland verfrachtet und vor Ort montiert. Der Vorteil ergibt sich aus der Tatsache, dass die Teilesätze nicht den hohen Einfuhrzöllen für komplette Fahrzeuge unterliegen. 43
nur die Importbeschränkungen umgangen, sondern zugleich die politischen Erfordernisse nach lokaler Produktion erfüllt werden. Obwohl die zugrunde liegende Motivation in der Erschließung der Absatzmärkte lag, war die Rationalität der Standortentscheidungen u. a. in der Tatsache zu suchen, keine potenziell lukrativen Peripheriemärkte in Übersee (Lateinamerika, Afrika, Asien) an die Konkurrenz zu verlieren. Die Attraktivität der Absatzmärkte war zum Zeitpunkt der Standortentscheidung nicht in jedem Fall zwangsläufig erwiesen.136 Mit Blick auf die aktuelle Situation internationaler Standortentscheidungen in der Automobilindustrie scheint sich diese geschichtliche Entwicklung in einigen Märkten gerade zu wiederholen.137 Im weiteren Verlauf verschärften die ausländischen Regierungen immer mehr ihre Anforderungen an die Automobilhersteller hinsichtlich der Erhöhung des lokalen Wertschöpfungsanteils. Damit waren der CKD-Fertigung Grenzen gesetzt. Die OEM hatten die Wahl, auf aus ihrer Sicht ausländische Zulieferer (das heißt Zulieferer im Exportland) zurückzugreifen oder ihre traditionellen heimischen Zulieferer zu internationalen Standortinvestitionen zu bewegen. Damit wurden internationale Standortentscheidungen erstmals für Teile- und Komponentenlieferanten als auch für Rohmaterialzulieferer virulent. Rohstofflieferanten hingegen waren (und sind) stets an die natürlichen Vorkommengebiete der jeweiligen Ressource gebunden. Eine Standortinvestition auf dieser Wertschöpfungsebene kam (und kommt) nicht in Frage. In den 1980er Jahren traten japanische Hersteller ihre Standortexpansion vor allem in Nordamerika und Europa an.138 Bedingt durch eine bis dato verfolgte Exportstrategie vom japanischen Heimatmarkt aus und dadurch kumulierte hohe Exportüberschüsse wuchs der politische Druck ausländischer Regierungen, Fertigungsstätten in den Hauptabsatzgebieten aufzubauen. Mit ihren Transplants bevorzugt in den USA und Großbritannien gelang es teilweise, die seitens der NAFTA und EU auferlegten Importbestimmungen für Fahrzeuge zu umgehen bzw. die Mindestquote an regionaler Wertschöpfung zu erfüllen. Weil diese Mindestquote jedoch nicht ausschließlich durch die Endmontage zu erfüllen war, bestand die Notwendigkeit, vorgelagerte Wertschöpfungsumfänge vor Ort zu beschaffen.
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Vgl. Speidel, F. (2005), S. 90 f. So ist China als Beispiel dafür anzuführen, dass fast jeder Automobilhersteller aktuell versucht, Marktanteile auf- und auszubauen. Messbar wird die ungebremste Markterschließung, die zumeist mit dem Aufbau von Produktionsstandorten einhergeht anhand der Auslastungskapazität. Diese sank von 90 % im Jahr 2003 auf ca. 50 % Ende 2005. Vgl. Götz, A. (2005), S. 46. Vgl. im Folgenden Kilper, H./Pries, L. (1999), S. 11 ff. und die dort angegebene Literatur.
Die japanischen OEM konnten zu Beginn ihrer Expansionsaktivitäten auf drei strategische Optionen hinsichtlich der benötigten Zulieferstruktur zurückgreifen. Die erste Option bestand darin, sich auf nicht-japanische Zulieferer zu stützen. Weil sich japanische OEM beim Aufbau internationaler Standortpräsenzen zumeist auf ihre bewährten japanischen Zulieferer verlassen,139 wurde auf diese Option weitestgehend verzichtet. Vorbehalte existierten insbesondere dahingehend, dass die spezifischen japanischen interorganisationalen Kooperationsformen nicht implementiert werden könnten. Die zweite Option umfasste die Aufforderung der OEM an ihre Zulieferer, ihnen an die neuen Standorte zu folgen und eigene Zweigwerke aufzubauen. Dies wurde zumindest zu Beginn der Internationalisierungsaktivitäten mit Rücksicht auf die finanziellen und organisatorischen Gegebenheiten der Zulieferstrukturen kritisch bewertet. Zudem stellte sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, für Produktionsstandorte von 60.000 bis 150.000 Einheiten eine eigene Zulieferstruktur zu implementieren. Als dritte Option bestand die Belieferung der Transplant-Montagewerke mit Vorleistungen aus den in Japan existierenden Beschaffungsstrukturen. Trotz der logistischen Probleme, die die Aufrechterhaltung der zeit- und mengengenauen Zustellung (just-in-time, kanban) potenziell gefährdeten, wurde zunächst hauptsächlich die dritte Option realisiert. Zwei Gründe führten jedoch dazu, dass sich alsbald wichtige japanische Tier-1 Lieferanten in der Region der Transplants ansiedelten. Zum einen reichte, wie oben dargelegt, die Endmontage der OEM nicht zur Erfüllung der Mindestquote für die lokale Wertschöpfung aus. Andererseits waren die strategisch wichtigen Tier-1 Zulieferer notwendig, um mit den bewährten Zulieferstrukturen die Versorgung der Transplants sicherstellen zu können. Vor dem aufgezeigten Hintergrund wird deutlich, dass „[…] das japanische Produktionsmodell nicht auf die innerbetrieblichen Technik- und vor allem Organisationsstrukturen beschränkt war, sondern sehr stark auch die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung zwischen Herstellern und Zulieferern thematisierte.“140
Internationale Standortentscheidungen automobiler OEM tangieren demnach nicht nur die Belange der OEM selbst, sondern auch sehr stark die ihrer vorgelagerten Wertschöpfungsebenen, insbesondere die der wichtigen Tier-1 Zulieferer.
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Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 61. Kilper, H./Pries, L. (1999), S. 14. 45
2.2.4 Aktuelle Wertschöpfungs-Netzwerkstrukturen und internationale Standortentscheidungen (seit ca. 1990) Zu Beginn der 1990er Jahre wandte sich der Fokus der Reorganisation automobiler Wertschöpfungsketten zu. Lean Production – als prozessorientierte, auf Produktion und Logistik bezogene Aufgaben- und Funktionsintegration – propagierte programmatisch einen Bruch mit den Strukturen der Massenproduktion. Neben reinen Kostensenkungsaspekten gewann die bereits in den 1980er Jahren ansatzweise begonnene Reorganisation von Wertschöpfungsstrukturen an Bedeutung. Die bis heute vorherrschende Dominanz der Thematik ist auf Grund der Krise vieler OEM und Zulieferunternehmen nachvollziehbar.141 Die Reorganisation der Wertschöpfungsstrukturen ist u. a. in der Wandlung einer Vielzahl der OEM zu global operierenden, transnationalen Konzernen zu sehen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Umwandlung interner Komponentenlieferanten in leistungsfähige Systementwickler, mit deren anschließender Ausgliederung aus ehemals vertikal hoch integrierten Konzernen,142 verschärft den Konkurrenzkampf zwischen den Zulieferern ebenso wie die gegen Ende der 1980er Jahre eingeleiteten geopolitischen Machtwechsel entstandenen neuen Bezugsquellen in Asien und Osteuropa. Insbesondere Rohstoffe, Rohmaterialien und einfache Teile werden zu niedrigen Preisen, basierend auf vergleichsweise geringen Lohnkosten, angeboten.143 Darüber hinaus wirkt die „[…] Hinwendung von der klassischen Bauteil- beziehungsweise Komponentenbetrachtung zur Funktions- und Systemorientierung […]“144
ursächlich für die Etablierung neuer und sich stark ausdifferenzierender Wertschöpfungsebenen und einer zunehmenden Spezialisierung innerhalb der Zulieferstrukturen. Mit der fundamentalen Neuordnung der Wertschöpfungsstrukturen und dem Versuch, notwendige Ressourcen friktionsfrei zu allokieren, geht eine interorga-
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Vgl. stellvertretend für viele zur aktuellen Situation der Automobilindustrie Baeuchle, C. (2006), S. 22; Hillebrand, W. (2006a), S. 22; Ruess, A. (2005), S. 68 ff. Beispielhaft sei hier die Desintegration der Ford Motor Company mit der Ausgliederung interner Zulieferstrukturen und der Gründung und dem IPO von Visteon Corporation 2000 angeführt; vgl. www.visteon.com/faq/ oecustomers.shtml, Abruf: 17.03.2007. General Motors vollzog 1999 die Ausgliederung der Delphi Automotive Systems; vgl. www.gm.com/company/corp_info/history/gmhis1990.html, Abruf: 17.03.2007. Vgl. Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005), S. 62 f. Braess, H.-H. (2006), S. 54.
nisationale Arbeitsteilung zwischen OEM und Zulieferern einher, bei der Produktions- und Logistik-, zunehmend aber auch Entwicklungs- und Konstruktionsumfänge an Zulieferer ausgelagert werden.145 Dabei entstehen unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die neben vertikalen auch horizontale Kooperationen – nicht zuletzt zwischen den OEM – umfassen.146 Eine effiziente Steuerung eines derartigen Wertschöpfungsnetzwerkes wird jedoch mit steigender Komplexität immer schwieriger. Die OEM reagieren, indem sie erstens neben reinen Leistungsumfängen verstärkt auch die Verantwortung und Koordination für die vorgelagerten Zulieferebenen an Systemlieferanten übertragen und zweitens einen engen Kontakt zu ihren Tier-1 Lieferanten suchen.147 Während sich die Wertschöpfungsstrukturen westlicher OEM seit den 1990er Jahren in Anlehnung an die Vorgehensweise japanischer OEM in Richtung unternehmensübergreifender Netzwerke wandeln,148 ist die Beziehungsebene hingegen noch immer nicht vergleichbar. Die Literatur ist sich weitgehend darüber einig, dass die Frage längst nicht mehr lautet ob, sondern wie die distanzierten Beziehungen zwischen OEM und Zulieferern in enge Partnerschaften umgewandelt werden können.149 So erfordert die aus der vermehrten Übertragung von Wertschöpfungsumfängen resultierende steigende Abhängigkeit von externen Partnerunternehmen zunehmend eine Vernetzung zwischen den Kooperationspartnern. Doch anstelle partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den OEM und ihren vorgelagerten Wertschöpfungsebenen belasten neben dem weiterhin evidenten Preis- und Termindruck vor allem das aus der noch immer herrschenden Hegemonie der Automobilhersteller resultierende gegenseitige Misstrauen.150 Die häufig propagierte Entwicklung hin zur Partnerschaft zwischen westlichen OEM und Zulieferunternehmen wird sehr lange dauern, weil sich der strukturelle Wandel des automobilen Wertschöpfungssystems evolutionär und nicht revolutionär vollzieht.151
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Die aktuelle Fertigungstiefe der Automobilhersteller wird im Allgemeinen auf 30 50 % geschätzt. Vgl. Fischer, B. (2006), S. 41. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 169 ff. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 42 und S. 135 ff.; Baumgärtner, T. (2004), S. 24 ff. Während unternehmensspezifische Unterscheidungen vorzunehmen und pauschalierende Aussagen zu vermeiden sind, können jedoch Tendenzen in der Entwicklung interorganisationaler Zusammenarbeit abgeleitet werden. Vgl. stellvertretend für viele Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005); Wildemann, H./Faust, P. (2004), S. 30; Ebel, B. et al. (2004); Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 61. Vgl. stellvertretend Radtke, P. et al. (2004); Bullinger, H.-J. et al. (2003); Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004). Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 18 ff.; S. 85; S. 119. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 9. 47
Liker/Choi vertreten die Auffassung, dass der Aufbau von Zuliefer-Netzwerken eine Möglichkeit darstellt, von japanischen Unternehmen zu lernen. Westliche Unternehmen sollten diese eng verknüpften Netzwerke – ohne deren komplexe finanzielle Überkreuzbeteiligungen – nutzen, um in einem stetigen Prozess gemeinsam zu lernen, zu wachsen und sich zu verbessern.152 Die OEM sollten gemäß „[…] ihrer eigenen strategischen Ausrichtung […] ein schlagkräftiges, sich ergänzendes Zuliefer-Netzwerk entwickeln und es langfristig ausbauen und pflegen.“153
Aktuelle Wertschöpfungsnetzwerke sind durch eine funktionale Wertschöpfungsarchitektur charakterisiert, d. h. die unterschiedlichen Ebenen spezialisieren sich auf einzelne Leistungsumfänge.154 Für die weiterführenden Betrachtungen der vorliegenden Arbeit wird folgende formale Einteilung implementiert: Auf der obersten Ebene stehen die OEM, die die Systemlieferanten (Tier-1) auf der darunter liegenden Ebene direkt koordinieren.155 Tier-1 Zulieferer greifen ihrerseits auf Modullieferanten (Tier-2) zurück, die wiederum Komponenten (Tier-3) und Teilelieferanten (Tier-4) als vorgelagerte Wertschöpfungsebenen verzeichnen. Rohmateriallieferanten (Tier-5) und Rohstofflieferanten (Tier-6) bilden die untersten Ebenen des Wertschöpfungsnetzwerkes.156 Die durch die japanischen OEM seit den 1980er Jahren bedingte Verschärfung der Wettbewerbssituation provozierte eine Reaktion dahingehend, dass die amerikanischen und europäischen OEM bewusst Kostenvorteile mit ihren eigenen internationalen Standortentscheidungen realisierten.157 Internationale Stand-
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48
Vgl. Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005), S. 62. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 34. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 110. Radtke et al. propagieren, dass sich die heute vertikal dominierten Strukturen zukünftig stärker horizontal ausrichten. Demgemäß werden viele Unternehmen „[…] innerhalb der einzelnen funktionalen Systeme kleinere Aufgaben übernehmen, diese aber dafür in mehreren verschiedenen Systemen […].“ Radtke, P. et al. (2004), S. 116. Diese Lieferanten werden auch als Direktlieferanten bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass lediglich Tier-1 Zulieferer Direktlieferanten sein können. Die hier gewählte Einteilung unterscheidet sich von der in der Literatur üblichen Darstellung als Zulieferpyramide vor allem durch die Aufnahme der Rohmaterialund Rohstofflieferanten, die in den seltensten Fällen explizit aufgeführt werden, sowie der klaren Abgrenzung zwischen System- und Modullieferanten als auch zwischen Komponenten- und Teilelieferanten. Vgl. Abschnitt 4.1 und speziell Abbildung 4.1-2 für eine detaillierte Darstellung automobiler Wertschöpfungsnetzwerke. Vgl. Speidel, F. (2005), S. 95.
ortentscheidungen gewannen in den 1990er Jahren damit zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der vorgelagerten Wertschöpfungsstrukturen, weil internationale Standortentscheidungen der OEM allein, ohne die notwendige Zulieferstruktur vor Ort nur zu einem gewissen Grad zur angestrebten Realisierung der Kostensenkungspotenziale verhalfen. Auf Grund der dargelegten Beziehungen amerikanischer und europäischer OEM zu ihren Zulieferern kann geschlussfolgert werden, dass es sich bei den Standortentscheidungen nicht um konkordante Entscheidungsfindungen handelte. Seit dem Zusammenbruch der bipolaren Welt, dem geopolitischen Machtwechsel und den daraus resultierenden veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gewinnen internationale Standortentscheidungen nicht nur geografisch eine neue Dimension, sondern auch in ihrer Bedeutungsschwere. Längst sind es nicht mehr nur die OEM, die sich mit Standortentscheidungen internationalen Ausmaßes auseinander setzen. Vorgelagerte Zulieferebenen suchen aktiv eigene neue Standorte oder sehen sich im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit ihrer Wertschöpfungsnetzwerke zu internationalen Standortentscheidungen veranlasst. Bezüglich der Anzahl der beteiligten Firmen kommen grundsätzlich zwei Ausgangssituationen in Betracht: 1) Ein Unternehmen trifft eine isolierte Standortentscheidung, ohne sich dahingehend mit anderen Firmen abzustimmen. 2) Entscheidungen für einen Standort sind im Wertschöpfungsverbund gemeinsam von zwei oder mehreren Unternehmen zu treffen. Im ersten Fall steht die Standortentscheidung zwar im Kontext mit den exogenen Umweltbedingungen, d. h. auch die Einbindung in interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke beeinflusst indirekt durch die bestehenden ökonomischen Verflechtungen die Standortwahl. Letztlich trifft das Unternehmen jedoch die Standortentscheidung autonom. Dabei ist die Erschließung neuer internationaler Standorte als wettbewerbsbedingte Notwendigkeit158 zu werten: „Eine integrierte Produktions- und Standortstrategie kann durch die richtige Standortwahl, durch Faktorkostenvorteile und optimale Kapazitätszuordnung die Herstellkosten häufig […] um 10 bis 15 % senken.“159
Sind gemeinsame internationale Standortentscheidungen zu treffen, ist hinsichtlich der jeweiligen Ausgangskonstellation der beteiligten Akteure zu unterscheiden. So werfen bspw. Standortentscheidungen, die auf horizontaler Ebene von zwei OEM als gleichberechtigte Partner getroffen werden, andere Aspekte auf als Standortentscheidungen zwischen vertikal operierenden Firmen mit einem existierenden Machtgefälle. Letztere Konstellation betrachtet vor allem den Fall, dass eine internationale Standortentscheidung durch einen OEM forciert
158 159
Vgl. Schneider, M. C. (2004), S. 56. Radtke, P. et al. (2004), S. 154. 49
wird und Firmen der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen mit einschließt. Seitens der OEM ist die lokale Wertschöpfung dort zu etablieren, wo (zukünftig) der Bedarf der Endkunden für Automobile herrscht bzw. sich kostenbasierte Wettbewerbsvorteile realisieren lassen. Zulieferunternehmen tätigen Standortinvestitionen in diesem Kontext an den vom OEM ausgewählten Standorten.160 Dabei handelt es sich nicht mehr nur um Produktionskapazitäten, die internationalen Standortentscheidungen unterworfen sind. Auch produktbezogene Entwicklungskapazitäten der Zulieferer richten sich gemäß den Kundenanforderungen an der räumlichen Nähe zum OEM aus.161 Zulieferunternehmen sehen sich demnach immer mehr mit der Herausforderung konfrontiert, neben den ihnen übertragenen Entwicklungsleistungen zusätzlich kapitalintensive Standortinvestitionen zu finanzieren.162 Die finanzielle Belastung für Zulieferunternehmen steigt insbesondere dann, wenn es sich um eine (internationale) Standortvielfalt, d. h. den Aufbau mehrerer Standortpräsenzen für einen oder mehrere OEM handelt. Die Unternehmen bedürfen unter diesen Umständen einer sicheren Planungsbasis im Sinne einer langfristigen Vertragsgestaltung mit garantierten Gewinnmargen. Nur so sind derartige Investitionen betriebswirtschaftlich sinnvoll darstellbar.163 Vor diesem Hintergrund wird folgende These postuliert: Ein durch Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen strukturiertes Handlungsfeld, in dem Standortentscheidungen der Zulieferer ausschließlich an den Interessen und Präferenzen der OEM ausgerichtet sind, kann keine nachhaltige Geschäftsgrundlage für interorganisationale Kooperationen in Wertschöpfungsnetzwerken bilden. Abschließend fasst die nachfolgende Abbildung 2.2.4 die vorab diskutierte historische Entwicklung automobiler Wertschöpfungsstrukturen (aus dem Blickwinkel eines OEM) zusammen. Dabei geht es weder darum, die hier vorgenommene Einteilung auf ein spezielles Unternehmen zu beziehen, noch die keineswegs gleichartigen Entwicklungen der OEM pauschal zu verallgemeinern. Vielmehr sollen die fundamentalen Entwicklungsschritte noch einmal verdeutlicht werden.
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Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer Institut (2004), S. 9, S. 24 und S. 137. Vgl. auch Wildemann, H. (2004), S. 10. Vgl. Fuchs, M. (2004), S. 18 sowie Wildemann, H. (2004), S. 21. Zur Verdeutlichung: Streben bspw. deutsche Zulieferer Beziehungen zu amerikanischen Endherstellern an, so werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer internationalen Standortentscheidung konfrontiert, weil die amerikanischen OEM eine Vor-OrtPräsenz als Bedingung zur Auftragsvergabe setzen. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 135 ff. und Wildemann, H. (2004), S. 64. Vgl. beispielhaft zum Verhältnis zwischen Toyota und den Zulieferunternehmen Hillebrand, W. (2006b), S. 47.
Ko or din fo atio rm n s-
Hierarchie
Netzwerke Markt
Systeme
Wertschöpfungsumfang
Komponenten
Module
Teile Teile Komponenten Rohmaterial Teile
Teile Rohstoffe Rohmaterial
Rohmaterial
Rohmaterial
Rohstoffe
Rohstoffe
Rohstoffe
ca. 1885 ca. 1915
ca. 1915 ca. 1950
ca. 1950 ca. 1990
seit
Zeit
ca. 1990
Abb. 2.2.4: Historische Entwicklung automobiler Wertschöpfungstiefe aus Sicht der OEM
Es wird ersichtlich, dass mit dem Übergang zur Massenproduktion die Wertschöpfungsumfänge, die bisher unter marktlichen Bedingungen bezogen wurden, nun bei den OEM integriert waren.164 Erst nach 1950 mit dem weltweiten Ausbreiten der Massenproduktion wurden bestimmte Bauteile zu Komponenten zusammengefasst. Das Fahrzeug wurde in der Endmontage nun aus Teilen und Komponenten gefertigt. Sowohl Bauteile als auch Komponenten wurden zu einem erheblichen Umfang in den hoch integrierten Unternehmen der OEM gefertigt. Die Entwicklung/Konstruktion dieser Umfänge oblag der Hoheit der OEM. Mit der hohen vertikalen Integration einhergehend herrschte die hierar164
Zur Verdeutlichung dieser Entwicklung ist diese Periode speziell an die maximale vertikale Integration Henry Fords angelehnt. Wie bereits erwähnt, wies General Motors zu diesem Zeitpunkt keine Integration der Wertschöpfungsstufen Rohstoffe und Rohmaterialien auf. 51
chische Koordinationsform vor. Seit den 1990er Jahren versuchen die Hersteller, dem zunehmenden Wettbewerbsdruck entgegenzuwirken. Die dazu notwendige vertikale Desintegration wurde dabei in zwei Schritten vollzogen. Erstens: Einfache, bisher beim OEM integrierte Leistungsumfänge wie die Fertigung von Teilen und Komponenten wurden in Richtung Zulieferer ausgelagert. Komplexitätsreduktion beim OEM, Kostenreduzierungen und Verlagerung von Risiken auf externe Lieferanten sind die hierfür ursächlichen Ziele. Der Koordinationsmechanismus Markt erlebte in diesem Zusammenhang eine Renaissance. Dieser Prozess gilt als weitgehend abgeschlossen. Diese Wertschöpfungsumfänge werden weiterhin langfristig bei den Zulieferern angesiedelt bleiben und unter rein marktlichen Bedingungen abgewickelt werden. Zweitens: Durch Zusammenfassung von Leistungsumfängen zu Modulen und Systemen und deren Fahrzeug übergreifenden Einsatz wird ein wichtiger Schritt in Richtung weitergehende Standardisierung unternommen. Weil es sich hierbei um teilweise schwer zu spezifizierende Leistungsumfänge handelt, ist eine rein marktliche Transaktion oftmals ausgeschlossen. Dieser Umstand wird durch die Tatsache verstärkt, dass es sich mittlerweile nicht mehr um reine Fertigungsumfänge handelt. Verstärkt wird auf das Know-how der Zulieferer zurückgegriffen. Konsequenterweise unterliegen damit auch die vorgelagerten Entwicklungsumfänge dem Outsourcing. Weil es sich um obligate Fahrzeugumfänge handelt, ist eine enge Abstimmung zwischen OEM und beauftragtem Zulieferer zwingend notwendig. Outsourcing bedeutet in diesen Fällen demnach nicht, dass der Zulieferer vom OEM in der Entwicklung und Produktion allein gelassen wird. Genau hier liegt der Unterschied zu rein marktlich ausgestalteten Transaktionen. Kooperative Austauschbeziehungen bieten die erforderlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus stoßen die OEM immer mehr an die Grenzen ihrer Ressourcen in der Entwicklung und Produktion, so dass eine hierarchische Lösung ebenfalls ausgeschlossen ist. Alle Faktoren führen zum Koordinationsmechanismus Netzwerk. Im folgenden Abschnitt 2.3 wird in einem methodischen Zwischenschritt analysiert, welche Ursachen für die Veränderungen der automobilen Wertschöpfungskette verantwortlich sind und ob interorganisationale Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken der richtige Weg zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen in der Automobilindustrie ist. 2.3 Veränderungsprozesse in der Automobilindustrie Die nachhaltige Erzielung von Gewinnen durch den Verkauf von Produkten/ Dienstleistungen zu einem Preis oberhalb der Selbstkosten dient dem übergeordneten Ziel der Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit von Unternehmen. Nach wissenschaftlichem Diskurs165 setzt sich auch in der betriebs165
52
Vgl. stellvertretend Sydow, J. (2006; 1992) und die Ausführungen in Abschnitt 3.2.
wirtschaftlichen Praxis zunehmend die Erkenntnis durch, dass die interorganisationale Zusammenarbeit über mehrere Wertschöpfungsstufen hinweg zur langfristigen Optimierung entlang der Wertschöpfungskette beiträgt: „Ein Unternehmen wird dann erfolgreich am Markt agieren, wenn es mit seinen Wertschöpfungspartnern besser kooperiert als seine Konkurrenten.“166
Interorganisationale Wertschöpfungsbeziehungen in der Automobilindustrie erfolgreich zu initiieren, aufzubauen und zu pflegen, setzt das Verständnis grundlegender industriespezifischer Kausalketten voraus. Diese Ursache-Wirkungs-Ketten werden – aus Sicht der OEM – nachfolgend entwickelt. Darüber hinaus gilt es, die sich daraus ergebenden Konsequenzen für automobile Wertschöpfungsnetzwerke aufzuzeigen und zu bewerten.167 2.3.1 Fundamentale Einflussdeterminanten automobiler Wertschöpfungsprozesse Aktuelle automobile Wertschöpfungsprozesse werden durch drei fundamentale Einflussfaktoren – Konsument, Wettbewerbsumfeld, Gesetzgebung – determiniert, wie in Abbildung 2.3.1 dargestellt wird. Einflussdeterminante
Konsumenten
Wettbewerbsumfeld
Gesetzgebung
Ursachen
- Individualisierungen steigen - Preisbereitschaft sinkt - Anspruchshaltung steigt - Marktsättigung (Triade) steigt
- Produktdifferenzierung steigt - Produktinnovationen steigen - Produkteigenschaften steigen - Markterschließung steigt
- Sicherheitsanforderungen steigen - Umweltvorschriften steigen - regionale Unterschiede steigen
Abb. 2.3.1: Fundamentale Einflussdeterminanten und Ursachen für automobile Wertschöpfungsprozesse
Einflussdeterminante Konsumenten In Abschnitt 2.2 wurde bereits dargelegt, dass sich der Automobilmarkt spätestens in den 1980er Jahren vom Käufer- zum Verkäufermarkt wandelte, ein Fakt, der aktuell noch immer gilt.168 Automobilhersteller müssen deshalb ihr Angebot auf die Konsumentenwünsche ausrichten. Reagieren die Hersteller nicht auf die Kundenwünsche, setzen sie sich der Gefahr der Kundenabwanderung aus.169 Sinkende Umsatzerlöse wären ebenso die Folge wie eine rückläufige Stückkos-
166 167
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Arndt, H. (2004), S. 47. Zu Ursache-Wirkungs-Ketten automobiler Wertschöpfungsnetzwerke siehe Schonert, T./Rennemann, T. (2005), S. 130 – 144. Vgl. Picot, A. et al. (2003), S. 3 zum Übergang von Verkäufer- zu Käufermärkten. Vgl. McKinsey & Company/PTW (2003), S. 14. 53
tendegression170 durch ein geringeres Volumen. Die Individualisierungswünsche der Konsumenten171 werden immer vielschichtiger, weil ein Fahrzeug in den Hauptabsatzmärkten der Triade172 neben der reinen Fortbewegungsfunktion immer häufiger den entsprechenden Lebensumständen und Gepflogenheiten (Familie/Single, Freizeitaktivitäten etc.) Rechnung tragen sollen.173 Als Folge dessen sehen sich die Kunden einer stark ausgeweiteten Modellpalette der Hersteller von traditionellen Limousinen, Kombis und Coupés bis hin zu Cabrios, Geländewagen, Vans etc. gegenübergestellt. Die implizite Mikrosegmentierung erfordert eine flexible und effiziente Systeminfrastruktur.174 Darüber hinaus ist eine Ausweitung der Ausstattungsumfänge175 für alle Modelle festzustellen, die ebenfalls zur Erfüllung individueller Konsumentenwünsche dient. Auch sie benötigt eine Wertschöpfungsstruktur, die der hieraus erwachsenden Variantenvielfalt flexibel und effizient begegnen kann. Die automobilen Hauptabsatzmärkte der Triade kennzeichnet eine Marktsättigung auf hohem Niveau.176 Die Automobilhersteller reagieren weitgehend homogen auf die nachhaltige Marktsättigung. Nachlässe auf den Verkaufspreis
170
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Eine einfache Rechnung soll die hohe Volumenabhängigkeit der Automobilindustrie verdeutlichen: Bei einer Milliarde Euro an Entwicklungsaufwand und einer weiteren Milliarde Euro an Investitionen ergibt sich bei 500.000 Fzg. über den gesamten Lebenszyklus eine Fixkostenumlage von 4.000,- €/Fzg. Gelingt es dem OEM, das Volumen zu verdoppeln, halbiert sich die Fixkostenumlage. Ein hohes Fahrzeugvolumen ist auf Grund der sehr hohen Fixkostenbelastung ein primäres Ziel eines jeden Herstellers. Als Bespiel sei hier auf die Mercedes G-Klasse verwiesen. Die erste Generation wurde (mit technischen Adaptionen) von 1979 bis 2005 produziert. Vgl. Kacher, G. (2005), S. 10. Die Projektrendite war in den letzten Jahren aus folgenden Gründen hoch: Das Auto verkaufte sich trotz seines hohen Preises und des fortgeschrittenen Stadiums im Lebenszyklus weiterhin gut. Ein weiterer wichtiger Faktor in dieser Kalkulation – die Entwicklungs- und Investitionskosten waren bereits amortisiert. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist demnach die einzig sinnvolle Entscheidung, dieses Fahrzeug so lange weiter zu produzieren, wie sich entsprechende Kundennachfrage findet. Zur Ausweitung der Individualisierungswünsche der Konsumenten siehe Lawrenz, O. et al. (2001), S. 282. Triade: Nordamerika, EU, Japan. Für die Entwicklung der steigenden Anforderungen an das Automobil im Zeitablauf siehe Abbildung A 1 im Anhang. Vgl. Slywotzky, A. J. et al. (1999), S. 143 – 146 sowie Piller, F. T./Ihl, C. (2002) für Ausführungen zur Mass Customization. Für eine Darlegung von Produkt- und Technologietrends in der Automobilindustrie siehe Wallentowitz, H. et al. (2002), S. 3. Vgl. Freymann, R. (2003), S. 6.
(insbesondere Rabattschlachten im US-amerikanischen Automobilmarkt),177 eine zunehmende Seriensetzung vormals aufpreispflichtiger Sonderausstattungen sowie die Ausweitung des Produktportfolios zur Abdeckung auch letzter Mikromarktsegmente scheinen den OEM als gemeinhin probates Mittel zu gelten. In einem oligopolistischen Markt, wie er zwischen Fahrzeugherstellern und Endkunden existiert, kann dies auf der kurzen Marktseite (OEM) nur zu einem harten Verdrängungswettbewerb führen.178 Eine Verbesserung der Gewinnsituation ist deshalb nicht durch ein signifikantes Volumenwachstum (ohne Verdrängung) und/oder steigende Umsatzerlöse aus Preiserhöhungen zu erwarten. Letztere lassen sich auf Grund der geringen Preiselastizität der Konsumenten179 nicht durchsetzen. Neben Marktsättigung und sinkender Preisbereitschaft lässt sich ein – von den OEM selbst initiiertes und konditioniertes – Kundenverhalten einer stetig steigenden Anspruchshaltung hinsichtlich Qualität und schnelleren Lieferzeiten gegenüber dem Produkt Automobil verzeichnen.180 Als Gegenläufigkeit zu jahrzehntelangen Nominalpreissteigerungen stellt sich die sukzessive Erhöhung der Grundausstattung aller Fahrzeugklassen dar. Es handelt sich dabei faktisch um Preisbereinigungen zugunsten der Kunden. Diese Entwicklung bewirkt, dass der Endpreis eines Automobils inflationsbereinigt in den nächsten zehn Jahren so gut wie nicht steigen wird.181 Hinzu kommt ein verstärkter Wettbewerb durch Anbieter wie bspw. Kia und Hyundai, die ihre Fahrzeuge mit umfangreichen Ausstattungen ohne Aufpreis ausrüsten. Aber auch etablierte Anbieter wie Toyota verfolgen diese Strategie, so dass sich kaum einer der Wettbewerber dieser Entwicklung entziehen kann. Fehlendes nachhaltiges Volumenwachstum in den Hauptabsatzmärkten und eine nicht zu erwartende Verbesserung der Erlössituation (Erlös pro Fahrzeug) führen zur Notwendigkeit, Optimierungen im Bereich der Wertschöpfungskette anzustreben.
177
178 179 180 181
Das Worst-Case-Szenario (aus Sicht der OEM) zeigt sich seit Herbst 2001 im USamerikanischen Automobilmarkt. Hier werden von den großen amerikanischen Herstellern Incentives, d. h. durchschnittliche Preisnachlässe von über $ 3.000 gewährt. Obwohl die Nominalpreise konstant bleiben, kommt dies de facto einer Preissenkung gleich. Vgl. Ebel, B. et al. (2004), S. 6. Im Juli 2004 beliefen sich die durchschnittlichen Kaufanreize der drei amerikanischen OEM auf $ 4.088. Vgl. Becker, H. (2005), S. 32 f. Vgl. Diez, W. (2006), S. 24. Vgl. McKinsey & Company/PTW (2003), S. 7; Diez, W. (2006), S. 95. Vgl. Picot, A. et al. (2003), S. 3 f. Vgl. McKinsey & Company/PTW (2003), S. 13. 55
Einflussdeterminante Wettbewerbsumfeld Automobilhersteller sehen sich allein seitens der Einflussdeterminante Konsumenten einem hohen Wettbewerbsdruck182 gegenüber, der dazu führt, dass „[…] Unternehmen auf den stagnierenden Märkten größtenteils nur noch wachsen, indem sie Mitwettbewerber verdrängen.“183
Die OEM begegnen diesem Wettbewerbsdruck zum einen, indem sie eben jenen Druck an die ihnen vorgelagerten Zulieferebenen weitergegeben. Zum anderen reagieren sie mit einer zunehmenden Produktdifferenzierung184 sowie einer Vielzahl von Produktinnovationen185 bzw. verbesserten Produkteigenschaften.186 Aktuell ist im Wettbewerbsumfeld am deutlichsten die massive Ausweitung des Produktportfolios mit der Einführung neuer Modelle187 und einer steigenden Derivatisierung188 bei allen Fahrzeugherstellern zu beobachten.189 Daneben ist bezüglich der Ausstattungsvarianten eine stetige Zunahme zu verzeichnen. Ziel ist eine angebotsinduzierte Nachfragesteigerung in einem stagnierenden Marktumfeld. Mit dem Angebot von Nischenprodukten bzw. einer umfangreicheren Ausstattungspalette versuchen die Hersteller, einerseits auf die Individualisierungswünsche der Kunden einzugehen und andererseits über einen gestiegenen Kundennutzen eine erhöhte Preisbereitschaft bei den Kunden zu generieren. Im Ringen um die Gewinnung von Neukunden bzw. die Stärkung von Loyalitätsraten war in den letzten Jahren bei den OEM ein Trend hin zu einem so genannten Over-Engineering und Pseudo-Innovationen190 erkennbar. Für den Kundennutzen im alltäglichen Gebrauch irrelevante marginale Verbesserungen be-
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56
D’Aveni prägte den Begriff des Hyperwettbewerbs; vgl. D’Aveni, R. A. (1995). Gollwitzer, M./Karl, R. (1998), S. 13. Zur Produktproliferation ausgewählter Automobilhersteller siehe Abbildung A 2 im Anhang. Für einen Überblick zum aktuellen Stand der betriebs- und ingenieurwissenschaftlichen Debatte zum Innovationsmanagement siehe Dreher, C. et al. (2005), S. 7 – 11. Ein aktuelles Ranking der Innovationsstärke der bedeutendsten Automobilhersteller zeigt die Untersuchung AutomotiveInnovations 2005/2006 des FHDW Center of Automotive; siehe Bratzel, S./Tellermann, R. (2006), S. 30 – 42. Beispiele sind SUV (Sports Utility Vehicle), die on- und off-road-Eigenschaften mit einem größeren Platzangebot kombinieren, oder Fahrzeuge, die mit einem Metallklappdach sowohl Limousine-/Coupé- als auch als Cabrio-Eigenschaften aufweisen. Derivatisierung bezieht sich auf die unterschiedliche Fahrzeugausprägungen einer Fahrzeugklasse. Bspw. sind die Limousine, der Kombi und das Cabrio drei Derivate der Fahrzeugklasse Audi A4. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 57. Vgl. Wüst, C. (2004), S. 214.
stehender Produkteigenschaften dienen weder der Profilierung gegenüber den eigenen Kunden, noch wird es von Kunden anderer Marken als herausragender Vorteil wahrgenommen, der zum Markenwechsel veranlasst. Die mitunter sehr teure Entwicklung und Produktion sowie steigende Aufwendungen im Vertrieb können schnell zu einer Fehlallokation begrenzter Ressourcen führen.191 In der derzeitigen Situation eines harten Verdrängungswettbewerbs192 stellt sich für keinen Automobilhersteller die Option, auf die Einführung neuer Produkteigenschaften bzw. die Weiterentwicklung bestehender Eigenschaften zu verzichten. Die Unternehmen müssen demnach ihren Fokus darauf richten, kundenrelevante Produkteigenschaften zu entwickeln und anzubieten. In der Konsequenz bedeutet dies der Ausweitung der Variantenvielfalt gezielt entgegenzusteuern. Die aus ihr resultierende Komplexität wird gleichwohl absolut gesehen weiter steigen. Kapazitätsengpässe als Folge wachsender Komplexität sind insbesondere im Bereich der Entwicklung und der Produktion eine der größten organisationalen und prozessualen Herausforderungen. Für die OEM ist es deshalb von vordringlichster Bedeutung, Potenziale dahingehend in der gesamten Wertschöpfungskette zu erschließen, um sich Ressourcen für die notwendige Innovationsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Eine weitere Möglichkeit dem Verdrängungswettbewerb entgegenzuwirken, besteht in der Erschließung neuer Märkte. Absatzsteigerungen lassen sich bspw. in China und Indien allein auf Grund der Bevölkerungshöhe erwarten.193 Allerdings begrenzt die fehlende Kaufkraft auf absehbare Zeit nennenswerte absolute Steigerungen des Absatzvolumens, das ohnehin nicht annähernd mit dem in den Triademärkten vergleichbar ist.194 Eine Zunahme der Variantenvielfalt resultiert aus der Notwendigkeit, bestehende Fahrzeuge an die in den neuen Absatzmärkten vorherrschenden klimatischen und infrastrukturellen Bedingungen anzupassen195 sowie der Berücksichtigung landesspezifischer Kundenwünsche. Für die OEM gilt es zu entscheiden, ob sie die Markterschließung durch eine Exportstrategie verfolgen oder durch den Aufbau von (Vertriebs-, Produktions-, evtl. auch Entwicklungs-)Standorten in den jeweiligen Märkten.
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Dudenhöffer schlägt in diesem Kontext die Einführung einer Kundenlandkarte vor, um so das Risiko von Fehlentwicklungen zu reduzieren, die letztlich keine Zahlungsbereitschaft beim Kunden generieren. Vgl. Dudenhöffer, F. (2005). Für einen Überblick über die Konsolidierung der Weltautomobilindustrie auf OEM-Ebene von 1970 bis 2005 siehe Abbildung A 3 im Anhang. Für einen Überblick über die Angebotskonzentration auf dem deutschen Automobilmarkt von 1992 bis 2005 siehe Abbildung A 4 im Anhang. Vgl. Freymann, R. (2003), S. 6 f. Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 18. Vgl. Wallentowitz, H. et al. (2002), S. 171. 57
Einflussdeterminante Gesetzgebung Mit gesetzlichen Regelungen vor allem in den Bereichen der Sicherheitsvorschriften und der Umweltvorgaben nimmt der Staat nachhaltigen Einfluss auf die Automobilhersteller. Weil alle Automobilhersteller ihre Fahrzeuge in einem Großteil der entwickelten Industriestaaten und zunehmend auch in Emerging Markets vertreiben, gelten die jeweiligen landesspezifischen Gesetzgebungen. Fahrzeughersteller sehen sich gesetzlichen Anforderungen gegenüber, die sie zwangsläufig erfüllen müssen, wenn sie weiterhin Fahrzeuge in den jeweiligen Märkten verkaufen wollen.196 Richtlinien für zu erfüllende Sicherheitsanforderungen werden auf nationaler bzw. supranationaler Ebene (bspw. EU) erlassen. Sie dienen vor allem dem Verbraucherschutz. Fahrzeughersteller werden auf diese Weise gezwungen, Sicherheitsstandards in ihren Produkten umzusetzen. Es handelt sich dabei weniger um Anforderungen hinsichtlich des Einbaus spezifischer Fahrzeugumfänge wie bspw. ein ESP.197 Vielmehr sehen sich die OEM gezwungen, ihre Modelle standardisierten Sicherheitstestverfahren zu unterziehen.198 Ähnlich verhält es sich mit in den letzten Jahren immer restriktiveren Umweltvorschriften. Ein bekanntes Beispiel sind die Abgasnormen EU1 bis EU5.199 Insbesondere auf diesem Sektor verschärft sich aktuell die Diskussion vor dem Hintergrund des gesellschaftlich gewünschten und politisch gewollten Klimaschutzes.200 Auch wenn sich die Umsetzung aus Kundensicht bzw. aus gesellschaftspolitischen Gründen vorteilhaft darstellt, rein betriebswirtschaftlich bedeutet sie eine direkte Kostenerhöhung. Mehrkosten entstehen insbesondere im Bereich der Technologieentwicklung sowie der Produktion durch den Einsatz zusätzlicher und/oder teurer Prozesse und Verfahren und den Mehreinsatz von Material und Arbeitszeit. Eine Ausweitung der Variantenvielfalt ist ebenso unvermeidlich wie eine steigende Komplexität und eine zunehmende Auslastung ohnehin schon
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58
Es handelt sich um so genannte „Must-have-Technologien“. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 25. Obwohl Systeme wie ESP und ABS eine sehr hohe sicherheitsrelevante Bedeutung haben und sich sehr stark in Neufahrzeugen aller Segmente durchsetzen, handelt es sich nicht um gesetzliche Vorschriften. Beispielhaft sei hier der EURO NCAP-Crashtest (New Car Assessment Programme) erwähnt. Euro NCAP bezeichnet ein europaweit einheitliches Testverfahren zur Sicherheitsbewertung von Neufahrzeugen in unterschiedlichen Kategorien. Hier werden basierend auf bestehenden Normen u. a der Insassenschutz beim Front- und Seitencrash, Pfahlaufprall- und Fußgängerschutz getestet. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 23. Stellvertretend für viele vgl. www.spiegel.de/politik/deutschland/ 0,1518,469725, 00.html, Abruf: 04.03.2007.
knapper Kapazitäten.201 Weil es sich hier um Fahrzeugumfänge handelt, die alle OEM anbieten müssen, ist eine Preiserhöhung auf Grund des herrschenden hohen Wettbewerbsniveaus und der erwähnten geringen Preiselastizität seitens der Konsumenten in den seltensten Fällen möglich. 2.3.2 Auswirkungen fundamentaler Einflussdeterminanten auf automobile Wertschöpfungsprozesse Die den drei fundamentalen Einflussdeterminanten zugeordneten Ursachen haben nachhaltige Auswirkungen auf automobile Wertschöpfungsprozesse (siehe Abbildung 2.3.2–1). Einflussdeterminante Ursachen
Konsumenten
Wettbewerbsumfeld
Gesetzgebung
- Individualisierungen steigen - Preisbereitschaft sinkt - Anspruchshaltung steigt - Marktsättigung (Triade) steigt
- Produktdifferenzierung steigt - Produktinnovationen steigen - Produkteigenschaften steigen - Markterschließung steigt
- Sicherheitsanforderungen steigen - Umweltvorschriften steigen - regionale Unterschiede steigen
Wirkung auf …
Produktlebenszyklen
Variantenvielfalt
Standortwahl
Komplexität
Wissen
Kosten
Flexibilität
Abb. 2.3.2–1: Auswirkungen fundamentaler Einflussdeterminanten auf automobile Wertschöpfungsprozesse
Verkürzte Produktlebenszyklen Die aufgezeigten Ursachen der Einflussdeterminante Konsumenten sowie die Verschärfung des Wettbewerbs führen in Verbindung mit zunehmend schneller wechselnden Designtrends – als Ergebnis des Werbens um Kunden – zu einer steigenden Bedeutung zeitnaher Fahrzeugmodellpositionierungen am Markt.202 201
202
Knappe Kapazitäten beziehen sich in diesem Fall nicht auf Produktionskapazitäten. In diesem Bereich existieren Überkapazitäten i. H. v. 15 – 40 %. Vgl. Diez, W. (2006), S. 25. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang um bereits im Unternehmen vorhandene und begrenzte fachlich hoch qualifizierte Humanressourcen. Weil Unternehmen bei der Neueinstellung von Fachkräften insbesondere in Deutschland eher zurückhaltend agieren, sind zusätzliche Aufgabenumfänge mit den bestehenden Humanressourcen zu gewährleisten. Diese sind/werden ab einem gewissen Punkt knapp. Vgl. Wallentowitz, H. (2002), S. 171. 59
Die time-to-market203 ist somit in der Automobilindustrie ein bestimmender Erfolgsfaktor.204 Sinkende time-to-market205 rufen eine Verschärfung des Wettbewerbs hervor, weil alle Automobilhersteller daran interessiert sind, ihre Neuprodukte möglichst schnell am Markt einzuführen. Dies hat zur Folge, dass die Produktlebenszyklen kürzer werden.206 Steigende Variantenvielfalt Die Ausweitung des Fahrzeugportfolios und der Ausstattungsvarianten,207 aber auch die Heterogenität der Märkte, die die Fahrzeughersteller bedienen, bedingen eine erhöhte Variantenvielfalt. Hinsichtlich der Wertschöpfungsumfänge bedeutet die Derivatisierung eine Zunahme des Kapazitätsbedarfes in allen Wertschöpfungsbereichen, insbesondere in der Entwicklung, der Produktion und im Vertrieb. Kapazitäten werden für jedes neue Derivat gebunden, wobei die absolute Stückzahl über den gesamten Lebenszyklus in diesem Fall eine untergeordnete Rolle spielt.208 Unausweichlich negative Auswirkungen ergeben sich,
203
204
205
206
207
208
60
time-to-market: Zeit vom Projektentscheid eines Fahrzeuges bis zur Markteinführung. Zur Bedeutung des Aspektes Zeit als strategischer Erfolgsfaktor siehe grundlegend Simon, H. (1989); siehe darüber hinaus Slama, A. et al. (2005), S. 111 – 113. Zu sinkenden Entwicklungszeiten in der Automobilindustrie siehe Wallentowitz, H. (2002), S. 15. Der durchschnittliche Produktlebenszyklus eines Fahrzeugmodells hat sich in den vergangenen 15 Jahren ungefähr um 50 % verkürzt. Vgl. Arndt, H. (2004), S. 21; Lehmann, S. (2002), S. 199. Unter Varianten wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Abwandlung bzw. Abweichung von einer Norm verstanden. Unterscheidet sich ein Produkt in mindestens einer Merkmalsausprägung von einer Grundversion, die als Norm definiert ist, liegt eine Variante vor. Bezogen auf die Automobilindustrie kann dann von Varianten gesprochen werden, wenn es sich insbesondere um physische Gegenstände handelt, die einen hohen Anteil identischer Umfänge aufweisen, sich jedoch in Form und/oder Funktion bis zu einem gewissen Grad unterscheiden. Ein sehr eingängiges Beispiel für entstehende Variantenvielfalt in der Automobilindustrie lässt sich an Sitzen erklären. Ausgehend davon, dass Größe und Funktionalitäten der Sitze gleich sind, entstehen Varianten allein durch unterschiedliche Sitzbezüge (i. d. R. werden mehrere Stoffe und Ledersorten angeboten). Verschiedene Farben und Muster vergrößern die Variantenzahl um ein Vielfaches. Wird darüber hinaus die eingangs getroffene Annahme gleicher Funktionalität (mechanisch/elektrisch verstellbar, Lordoseunterstützung ja/nein etc.) aufgehoben, wird ersichtlich, mit welcher Variantenvielfalt die Automobilindustrie allein beim Modul Sitz umgehen muss. Gemeint ist, dass eine Kapazitätsbindung bei einem Fahrzeugprojekt mit 200.000 Fzg. über den gesamten Lebenszyklus in annähernd gleicher Höhe erfolgt, wie bei einem Fahrzeugprojekt mit 1.000.000 Fzg.
wenn die seitens der OEM angestrebten Mengeneffekte nicht eintreten. Kannibalisierungseffekte209 treten dann auf, wenn der Gesamtabsatz trotz erhöhter Varianten nicht steigt, sondern sich die Kunden (zumindest teilweise) aus dem eigenen Kundenstamm rekrutieren.210 Die von den Endkunden und damit auch von den Herstellern gewünschte Individualisierung stellt eine Gratwanderung hinsichtlich ihrer impliziten positiven und negativen Folgen für beide Seiten dar. Während sich Kunden explizit über die individuelle Konfiguration ihres Fahrzeuges differenzieren möchten,211 darf das Angebot an Varianten (und sich daraus ergebenden Zwangskombinationen) nicht verwirren.212 Automobilhersteller begegnen der Ausweitung der Produkt- und Teilevielfalt mit so genannten Plattform- bzw. Gleichteilestrategien.213 Dies betrifft speziell Fahrzeugumfänge, die für den Kunden nicht sichtbar sind und denen kein markenprägender Charakter zuzuordnen ist. Die so erreichte Standardisierung214 ermöglicht eine Variantenreduzierung und die Freisetzung von Kapazitäten. Zunehmende internationale Standortwahl Kosteneinsparungen aus Skaleneffekten als Treiber der Plattformstrategie werfen die Fragen auf, von welchem Wertschöpfungspartner und an welchem Standort die jeweiligen Leistungsumfänge zu erbringen sind. Die Standortfrage ist auf Grund der vielfältigen Motive für eine Internationalisierung von Wertschöpfungsaktivitäten gleichwohl sehr viel komplexer. Während direkte Faktorkosteneinsparungen und die Erschließung neuer Märkte gemeinhin als primäre Motive gelten, sind eine günstigere Beschaffung von Zulieferteilen, der Erwerb von Wissen (spezifisches Marktwissen zur besseren Erfüllung der Kundenwünsche) und Qualifikationen sowie die Vermeidung von unternehmerischen Risiken (bspw. Wechselkursschwankungen) sekundäre Motive – zumeist in Verbin-
209 210
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213
214
Vgl. Wildemann, H. (1999), S. 32. Beispielhaft sei auf die Markteinführung des Audi Q7 verwiesen. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses Modell seinen Kundenstamm nicht nur von den Wettbewerbern (bspw. Mercedes ML und BMW X5) rekrutiert. Vielmehr dürften bisherige Kunden des Audi A6, Audi allroad, Audi A8 und nicht zuletzt des VW Touareg zu einer unternehmens-/konzerninternen Kannibalisierung beitragen. Andererseits gilt zu beachten, dass Audi eigene Kunden ohne das Angebot des Audi Q7 an die Wettbewerber verlieren könnte. Bis zu dreiviertel der gesamten Teilepositionen eines Premiumfahrzeugs beruhen auf Sonderwünschen. Vgl. Kuhn, A./Hellingrath, B. (2002), S. 163. Für eine weiterführende Analyse zu Ursachen (interne/externe) und Auswirkungen (Vor-/Nachteile) von Produkt- und Teilevielfalt siehe Ehrlenspiel, K. et al. (2005), S. 287 ff. Vgl. Vossen, K. (2003), S. 5; Ehrlenspiel, K. et al. (2005), S. 348 f.; Nagel, P. (2005), S. 74; Diez, W. (2006), S. 150 ff. Zum Aspekt der Standardisierung in Netzwerken siehe Neher, A. (2005). 61
dung mit einem der beiden Hauptmotive.215 Die Prämisse muss demnach sein, die geografische Ansiedlung von Wertschöpfungsaktivitäten dort vorzunehmen, wo sie ihren größten Nutzen generieren. Internationale Standortentscheidungen sind im Rahmen dieser Entwicklung zukünftig häufiger zu treffen. Sie kennzeichnen sich durch eine hohe gesamtunternehmerische Tragweite, sobald sie über den Aufbau einer reinen Vertriebspräsenz hinausgehen. Im Falle eines Produktionsstandortes (gleiches gilt für einen Produktions- und Entwicklungsstandort), der eine weitaus höhere Komplexität nach sich zieht, ist es auf Grund der verketteten und interdependenten Wertschöpfungsbeziehungen nicht mehr sinnvoll, wenn internationale Standortentscheidungen autonom durch ein Unternehmen getroffen werden. Weil durch eine zunehmende Desintegration der Wertschöpfungskette interorganisationale Zusammenarbeit zur betrieblichen Notwendigkeit avanciert, werden internationale Standortentscheidungen zukünftig verstärkt im Wertschöpfungsverbund – zumindest unter expliziter Einbeziehung der Keyplayer (OEM, Tier-1 und Tier2) und ihrer Unternehmensinteressen – zu treffen sein. Wachsende Komplexität Als Konsequenz aus steigender Produkt- und Teilevielfalt sowie der Zunahme von Standorten sehen sich die Unternehmen einer wachsenden Komplexität216 ihrer Prozesse und Aufgaben ausgesetzt217, was einem wachsenden Kapazitätsbedarf entspricht (siehe Abbildung 2.3.2–2).
215 216
217
62
Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 15. Vgl. Kahle, E. (2001), S. 110 f. zum Begriff der Komplexität. Siehe darüber hinaus Luhmann, N. (2000), S. 5. Zu Erkenntnissen aus der modernen Komplexitätstheorie siehe Eisenhardt, K. M./Sull, D. N. (2001), S. 107 ff. Die in diesem Kontext inhaltlich wichtige Unterscheidung zwischen Komplexität und Unsicherheit beschreiben Picot/Dietl wie folgt: „Im Gegensatz zur Unsicherheit beschreibt Komplexität eine zwar sichere, in ihren Zusammenhängen von Menschen aber nicht überschaubare Situation.“ Picot, A./Dietl, H. (1990), S. 179. Für eine aktuelle, praxisbezogene Diskussion zu den Aspekten Komplexität und Wertschöpfung siehe Eichen, A. F. v. d. et al. (2005), S. 114 – 123. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 9.
2006
2007
Kapazitätsbedarf
Kapazitätsbedarf 150 KB1
Fzg.-Projekt E KB2,3 100
Fzg.-Projekt D
Fzg.-Projekt D Fzg.-Projekt C Fzg.-Projekt C Fzg.-Projekt B Fzg.-Projekt B KB4
Fzg.-Projekt A
Fzg.-Projekt A 100
Produktentwicklungszeit
80
Produktentwicklungszeit
Abb. 2.3.2–2: Zunehmende Komplexität als Grund für wachsenden Kapazitätsbedarf (KB)
Abbildung 2.3.2–2 zeigt beispielhaft die Entwicklung des Gesamtkapazitätsbedarfes (F&E, Produktion, Beschaffung, Marketing, Vertrieb etc.) eines Unternehmens (OEM) im Zeitablauf. Aus Gründen der Veranschaulichung sei vereinfacht unterstellt, dass das Unternehmen bereits im Jahr 2006 mit vier Projekten/ Produktlinien (A bis D) an der Kapazitätsgrenze operierte. Mehrere Faktoren führen nun zu einem steigenden Kapazitätsbedarf. Auf Grund der oben diskutierten Einflussfaktoren und den sich daraus ergebenden Konsequenzen sieht sich das Unternehmen mit der Notwendigkeit zur Ausweitung seiner Produktpalette konfrontiert. Zukünftig werden deshalb nicht mehr vier, sondern fünf Produktlinien angeboten ǻKB1).218 Zusätzlich sieht sich das Unternehmen mit der Tatsache konfrontiert, bestehende Projekte nicht mehr mit der bisherigen Kapazität realisieren zu können: Einerseits finden kompliziertere Produktinhalte Eingang in das Endprodukt (ǻKB2), andererseits erhöht sich die Quantität der Produktumfänge (ǻKB3). Verkürzte Entwicklungs- und
218
Es entstehen Opportunitätskosten durch die Bindung begrenzter Kapazitäten für die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Varianten. Auf alternativ zu erwirtschaftende Gewinnbeiträge aus diesen Ressourcen wird verzichtet. Betriebswirtschaftlich bedenklich ist die Konstellation, in der Randprodukte die Kernprodukte der eigenen Produktpalette substituieren. Randprodukte werden in kleineren Losen und deshalb zumeist mit höheren Kosten erstellt. Können diese Mehrkosten nicht durch einen erhöhten Mehrpreis kompensiert werden, sinkt die Ergebnisqualität des Unternehmens. Vgl. Ehrlenspiel, K. et al. (2005), S. 150. 63
Vermarktungszeiten (ǻKB4) binden darüber hinaus Ressourcen. Zudem erhöht sich der ohnehin schon gestiegene Kapazitätsbedarf ein weiteres Mal durch die Ausweitung der internationalen Standortpräsenz [ǻKB5 (nicht in Abbildung 2.3.2–2 dargestellt)]. Für Automobilunternehmen bedeutet die wachsende Komplexität eine stetige Optimierung der intra- und interorganisationalen Wertschöpfungsprozesse, um denen der Komplexitätszunahme immanenten und somit nicht vermeidbaren negativen Folgen219 sowie der mit ihr einhergehenden Kapazitätszunahme entgegenzuwirken. Die Komplexitätszunahme und die steigende Kapazitätsbindung betrifft alle Wertschöpfungsbereiche220 (F&E, Produktion, Vertrieb etc.) und gestaltet sich zudem Wertschöpfungsebenen übergreifend, weil die OEM einen erheblichen Teil an die ihnen vorgelagerten Zulieferer delegieren. Vor dem Hintergrund weiterhin steigender Kundenanforderungen, der Zunahme des Wettbewerbs und sich ausweitender Gesetzesanforderungen ist zukünftig kein Komplexitätsrückgang zu erwarten.221 Weil Komplexität Kosten bedingt,222 ist insbesondere die Einführung immer neuer Produktvarianten und -eigenschaften kritisch zu bewerten und bei mangelnder Kundenakzeptanz abzulehnen. Die Notwendigkeit der kritischen Prüfung gilt desgleichen für die Ausweitung internationaler Standortpräsenzen, weil mit der Optimierung bestehender Standorte eventuell erhebliche Potenziale gehoben werden können, die der Kompensation der negativen Komplexitätsfolgen dienen kann. Wissen als Erfolgsfaktor Zur Erhaltung und zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit ist es unabdingbare Voraussetzung, Wissen als notwendige Wertschöpfungsressource zu sichern, weiterzuentwickeln bzw. gegebenenfalls neu aufzubauen.223 Wissen bezieht sich auf bestehende und neue Produkte und Prozesse, wobei insbesondere Produktund Prozessinnovationen die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Automobile Pro-
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64
Empirische Untersuchungen in der Automobilindustrie haben gezeigt, dass Komplexität, wenn entsprechend damit umgegangen wird, nicht zwangsläufig ein Produktivitätsproblem nach sich ziehen muss. Womack et al. konnten „[…] überhaupt keine Korrelation zwischen der Anzahl der Modelle und Karosserieformen […] und der Produktivität und Produktqualität feststellen.“ Womack, J. P. et al. (1991), S. 103. Kritisch sei hier anzumerken, dass die zitierten Untersuchungen bereits mehr als 15 Jahre zurückliegen. Die damalige Komplexität ist mit der heutigen nur noch bedingt vergleichbar. Vgl. Eichen, A. F. v. d. et al. (2005), S. 119. Vgl. Voegele, A./Zeuch, M. (2002), Vorwort; vgl. auch Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 17. Vgl. Ehrlenspiel, K. et al. (2005), S. 150 ff. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 19.
duktinnovationen charakterisieren sich im Vergleich zu Prozessinnovationen durch eine relativ leichte und damit schnelle Imitierbarkeit.224 Auf diese Weise wandeln sich kurzfristige Unique Selling Proposition (USP) im Laufe der Zeit zu „[…] Hygienefaktoren, deren Erfüllung zur conditio sine qua non wird […].“225
Nachhaltige Wettbewerbsvorteile lassen sich in diesem Zusammenhang nur in den seltensten Fällen aufbauen und verteidigen. Vom Fahrzeugkäufer dagegen weitgehend unbemerkt stellen Prozessinnovationen einen wesentlichen Faktor der Wettbewerbsfähigkeit dar. Ausschlaggebend sind in erster Linie Verfahrensinnovationen, die bspw. in der Produktion eingesetzt, zu sinkenden Kosten führen. Aber auch reine Prozessinnovationen, das heißt die Organisation von Prozessen in der Entwicklung, Produktion, Beschaffung oder im Vertrieb können zu enormen Wettbewerbsvorteilen führen.226 Fahrzeughersteller sichern sich Wissen immer häufiger durch den externen Bezug von vorgelagerten Zulieferebenen.227 Der Zugriff auf das Know-how der Zulieferer geht mit dem Versuch einher, die Komplexität im eigenen Entwicklungs- und Produktionsprozess zu senken. Hierarchische Steuerungsphilosophien, die heute noch eine zumindest teilweise Kostenallokation zu Ungunsten der Zulieferer ermöglichen, sind zukünftig durch Partnerschaftsmodelle zu ersetzen.228 Eine optimale Gestaltung der interorganisationalen Wertschöpfungsbeziehungen ist unter den momentan vorherrschenden Umständen schwierig, insbesondere dann, wenn Automobilhersteller bestehende Abhängigkeiten ausnutzen,229 um ihre Forderungen durchzusetzen und Misstrauen die Geschäftsbeziehungen dominiert230. Beständiger Kostendruck Obige Ausführungen haben deutlich gemacht, dass für die Fahrzeughersteller einerseits keine Verbesserung der Erlössituation durch Preiserhöhungen (nach Ausstattungsbereinigung) zu erwarten ist. Andererseits führen die zunehmende Variantenvielfalt und Komplexität zu einem enormen Kostendruck.231 Das Wis-
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228 229 230 231
Vgl. Abschnitt 2.1.4. Mattes, B. et al. (2004), S. 13. Das wohl bekannteste Beispiel ist das Toyota-Produktions-System (TPS). Zum Aspekt der Wissensverteilung in produktionsorientierten Netzwerken siehe Schiemenz, B. (2005). Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 136. Vgl. Abschnitt 4.3. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85 f. Vgl. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 16. 65
sen um spezifische Produkt- und Prozessinnovationen ermöglicht Kostensenkungen. So ist es für ein Unternehmen durch die Entwicklung und Anwendung spezifischen Prozess-Know-hows sehr viel leichter, sich auf einen oder wenige Wertschöpfungsumfänge zu spezialisieren und sie fortwährend zu optimieren. Skaleneffekte können ebenfalls leichter durch Spezialisierung realisiert werden. Weil Zulieferer selten ausschließlich für einen einzigen OEM arbeiten, gelingt es, die Stückzahlen mehrerer OEM zu bündeln. Entwicklungskosten lassen sich auf eine erhöhte Stückzahl umlegen, Lernkurveneffekte und so weiter treten schneller ein.232 Erhöhte Flexibilitätsanforderungen Eine weitere Handlungsalternative zur partiellen Komplexitätskompensation und effizienteren Ausnutzung bestehender Kapazitäten liegt in einer erhöhten Flexibilität, die auch eine Kostenreduzierung impliziert. Flexibilität kann als die Anpassungsfähigkeit eines Wertschöpfungssystems an sich verändernde Parameter definiert werden.233 Allgemein besagt Flexibilität, auf neue und sich stetig verändernde Anforderungen reagieren zu können. Für die Automobilhersteller bedeutet Flexibilität in der konkreten Ausgestaltung bspw. die Möglichkeit, mehrere Fahrzeuge auf einer Fertigungslinie zu produzieren. Nachfrageschwankungen einzelner Modelle können so flexibel ausgeglichen werden. Überdies kann Flexibilität in der Endmontage durch eine sequenzgesteuerte Materialanlieferung erreicht werden, die der durch die hohe Teilevarianz bedingten Komplexität entgegenwirkt. Diese internen Optimierungen der OEM sind in zweifacher Hinsicht nicht hinreichend. Erstens steigen die Herstellkosten eines Fahrzeugs nach aktuellen Prognosen in den nächsten acht bis zehn Jahren auf Grund zusätzlicher Ausstattungsumfänge derart an,234 dass die Einsparungen nicht ausreichen werden, um den Kostenanstieg zu kompensieren. Zweitens führen autonome unternehmensinterne Optimierungen wegen der hohen interorganisationalen Verflechtungen im Wertschöpfungsverbund nur zu begrenzten Erfolgen. Notwendig ist danach eine
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Entwickelt und produziert dagegen jeder OEM eigenständig den Leistungsumfang, fallen die Kosten dafür auch bei jedem OEM in voller Höhe an. Auf zulieferbasierte Stückkostendegressionen wird in diesem Fall verzichtet. Vgl. zu Stückkostendegressionseffekten Ehrlenspiel, K. et al. (2005), S. 170 ff. Vgl. Richter, W. (1992), S. 77. Richter bezieht seine Definition auf Produktionssysteme. Sie wird hinsichtlich der Grunddefinition von Flexibilität und der Definitionen der Teilflexibilitäten übernommen, jedoch inhaltlich auf das gesamte Wertschöpfungssystem erweitert. So steigen die Herstellkosten eines gut ausgestatteten Kompaktwagens in diesem Zeitraum laut Prognosen von ca. 11.000 Euro auf ca. 15.000 Euro, was einem Kostensprung von über 35 % entspricht. Vgl. Mauermann, H. (2001), S. 51.
Optimierung auf der Ebene des gesamten Wertschöpfungsnetzwerkes, d. h. zwischen Automobilherstellern und Zulieferern.235 2.3.3 Handlungsprämissen für automobile Wertschöpfungsnetzwerke „Zusammenarbeit über Funktions- und insbesondere über Unternehmungsgrenzen hinweg wird […] zukünftig zu einem der kritischen Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie.“236
Flexibilitätserhöhung, notwendige Kostensenkungen in allen Unternehmensbereichen sowie Sicherung, Weiterentwicklung und Aufbau von Wissen befähigen dazu, die über die steigende Komplexität verloren gegangene Produktivität zu kompensieren. Die effiziente Umsetzung dieser Prämissen erfolgt durch die Konzentration auf spezifische Leistungsumfänge und Kompetenzen. Durch Spezialisierung können die erwünschten Kostendegressionen im eigenen Unternehmen und beim jeweiligen Wertschöpfungspartner realisiert werden. Flexibilitätssteigerungen sind zudem in einem Wertschöpfungsverbund leichter umzusetzen, wenn sich die Partner auf einzelne Leistungsumfänge konzentrieren und dort ihre operative Exzellenz erreichen. Des Weiteren werden bei den OEM dringend benötigte Kapazitäten freigesetzt,237 mit denen die Sicherung und der Aufbau von strategisch wichtigen Ressourcen vorgenommen werden können. Interorganisationale Arbeitsteilung und die daraus resultierende Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken bildet die Grundlage einer solchen Entwicklung (siehe Abbildung 2.3.3).
235 236 237
Vgl. Nagel, P. (2005), S. 74; Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 17. Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004), S. 130. Der primäre Wertschöpfungsanteil eines Automobilherstellers beträgt unter diesen Bedingungen i. d. R. lediglich 25 bis 40 %. Vgl. Bock, D. et al. (2003), S. 73; Lehmann, S. (2002), S. 92. Die Mercer/Fraunhofer-Institut-Untersuchung FAST 2015 geht davon aus, dass der Wertschöpfungsanteil der weltweiten Automobilzulieferindustrie von derzeit 417 Milliarden Euro bis 2015 auf ca. 700 Milliarden Euro wachsen wird. Vgl. Kalmbach, R./Kleinhans, C. (2004), S. 5. 67
Einflussdeterminante
Konsumenten
Wettbewerbsumfeld
Gesetzgebung
Ursachen
- Individualisierungen steigen - Preisbereitschaft sinkt - Anspruchshaltung steigt - Marktsättigung (Triade) steigt
- Produktdifferenzierung steigt - Produktinnovationen steigen - Produkteigenschaften steigen - Markterschließung steigt
- Sicherheitsanforderungen steigen - Umweltvorschriften steigen - regionale Unterschiede steigen
Wirkung auf …
Produktlebenszyklen
Variantenvielfalt
Standortwahl
Komplexität
Wissen
Schlussfolgerung
Handlungsprämissen
Kosten
Flexibilität
Konzentration auf spezifische Kompetenzen
Arbeitsteilung/Spezialisierung/Kooperation Arbeitsteilung/Spezialisierung/Kooperationin in interorganisationalen interorganisationalenWertschöpfungsnetzwerken Wertschöpfungsnetzwerken
Abb. 2.3.3: Handlungsprämissen für automobile Wertschöpfungsprozesse
Mit der Konzentration auf bestimmte Leistungsumfänge und der vertikalen Desintegration der automobilen Wertschöpfungskette werden jedoch nicht nur Probleme gelöst. Es entstehen auch gegenläufige Effekte. Komplexität beim einzelnen Unternehmen wird zwar reduziert, weil sich die einzelnen Wertschöpfungsumfänge auf mehrere Akteure verteilen. Die steigende Akteursanzahl in der interorganisationalen Zusammenarbeit bedingt allerdings die Notwendigkeit zur interorganisationalen Koordination und Kommunikation: „Wenn eine Lieferkette gebildet wird, entsteht ein äußerst komplexer Unternehmensorganismus. Schon jedes einzelne Mitglied der Lieferkette, jedes Einzelunternehmen ist ein komplexes Gebilde. Es besitzt in der Regel eine Vielzahl von Kunden und Projekten, noch mehr Produkte und entsprechende Herstellungsprozesse sowie ein breites Lieferantennetzwerk. […] Komplexitäten […] zu vermeiden, ist für das Einzelunternehmen schon schwierig genug. Die Beherrschung der Komplexität vernetzter Lieferketten besitzt noch einmal eine ganz andere Qualität und stellt eine bei weitem größere Herausforderung dar.“238
Für Unternehmen der Automobilindustrie (insbesondere für OEM, Tier-1 und Tier-2 Zulieferer) lassen sich aus den dargelegten Ursache-Wirkungs-Ketten klare Handlungsprämissen ableiten: 238
68
Kurek, R./Schindler, S. (2002), S. 122.
Die Konzentration auf spezifische Leistungsumfänge und Kompetenzen ist unabdingbar, um steigender Komplexität und steigendem Kapazitätsbedarf entgegenzuwirken. Die Konzentration auf spezifische Leistungsumfänge bedingt eine weitergehende Arbeitsteilung, d. h. die Verlagerung von Wertschöpfungsumfängen auf Zulieferebenen. Da periphere Leistungsumfänge bereits weitgehend ausgelagert sind, bedarf es einer bewussten Entscheidung seitens des OEM, welche Umfänge zu den zukünftigen Kerntätigkeiten gehören sollen. Die Neuverteilung innerhalb der automobilen Wertschöpfungskette führt zu einer Spezialisierung und wachsenden Bedeutung der Zulieferindustrie. Die OEM sehen sich vor dem Hintergrund der Ressourcensicherung der Notwendigkeit einer stärkeren Einbindung ihrer Zulieferebenen gegenüber. Effizienzen entstehen in der interorganisationalen Zusammenarbeit nur, wenn die Partner ein ausgewogenes Verhältnis von Leistungserbringung und Entlohnung erwarten können. Die Zusammenarbeit ist dementsprechend so zu gestalten, dass sie aufeinander abgestimmt der Gewinnoptimierung des Wertschöpfungsverbundes bei gerechter Gewinnverteilung für alle Beteiligten dient. Die soweit gewonnen Erkenntnisse können zu folgender untersuchungsleitenden These verdichtet werden: Untersuchungsleitende These: Internationale Standortentscheidungen fokaler Unternehmen239 sind zukünftig nicht mehr ausschließlich als autonome Unternehmensentscheidungen zu treffen, sondern auf Grund der komplexen und engen Wertschöpfungsverflechtungen mit den wichtigsten Wertschöpfungspartnern interorganisational abzustimmen und zu koordinieren. Die Handlungsprämissen und die untersuchungsleitende These dienen als Basis für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit. Der primäre Schwerpunkt, der sich bis hierhin herauskristallisiert hat, betrifft die interorganisationale Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken. Kapitel 3 wird sich nachfolgend mit diesem Thema aus einer theoretischen Sichtweise heraus beschäftigen. Kapitel 4 greift die hier gelegten automobilen Grundlagen wieder auf und appliziert die in Kapitel 3 gewonnen Erkenntnisse auf die spezifischen Belange der Industrie. Ein zweiter herausgearbeiteter Schwerpunkt ist die Problematik internationaler Standortentscheidungen. Sie werden in Kapitel 5 sowohl theoretisch als auch automobilspezifisch thematisiert.
239
Als fokale Unternehmen werden in der vorliegenden Arbeit Automobilhersteller verstanden; siehe auch Abschnitt 3.2.1.2 und Abschnitt 4.1. 69
3 Interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke Das vorliegende Kapitel fokussiert in den jeweiligen Abschnitten auf drei Schwerpunkte, die die theoretische Fundierung für die interorganisationale Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken legen. In Abschnitt 3.1 dient die Netzwerktheorie als Referenzpunkt für netzwerktheoretische Analysen. Neben Grundbegriffen wie Knoten und Kanten etc. stehen vor allem die Partialnetze eines Netzwerkes im Fokus. Sie werden in Kapitel 4 erneut im Rahmen der Applikation auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke aufgegriffen. Letztlich erfolgt eine Ausweitung der bis dato intraorganisationalen auf eine interorganisationale Sichtweise. In klarer inhaltlicher Abgrenzung zu dieser formalen netzwerktheoretischen Sichtweise stehen die in Abschnitt 3.2 thematisierten Netzwerkaspekte. Der Abschnitt bildet den inhaltlichen Schwerpunkt des Kapitels 3 und beginnt mit der Darlegung der Koordinationsformen Markt, Hierarchie und vertrauens-/abstimmungsbasierte Koordination. Letztere Koordinationsform bezieht sich auf das trichotome Modell von Fischer. Es schließen sich interorganisationale Kooperationsformen an, um einen ersten Praxisbezug herzustellen. Die Charakterisierung und Typologisierung von Unternehmensnetzwerken schafft die Voraussetzungen für eine gezielte Analyse der für die Automobilindustrie relevanten Formen von Unternehmensnetzwerken. Im Einzelnen werden Strategische Netzwerke, Strategische Allianzen und Wertschöpfungspartnerschaften charakterisiert. Im Rahmen dieser Ausführungen werden wiederholt die Mechanismen Macht und Vertrauen thematisiert. Folglich beschäftigt sich der letzte Abschnitt mit diesen komplexen Aspekten. Empirische Untersuchungen von Apelt und Sako geben wichtige Aufschlüsse über das ambivalente Verhältnis von Macht und Vertrauen sowie die nationalen Unterschiede hinsichtlich Vertrauen und Opportunismusneigung in der Automobilindustrie. Abschnitt 3.3 nimmt sich der Frage an, wie die Ausgestaltung von interorganisationalen Wertschöpfungsbeziehungen aus theoretischer Sicht erfolgen sollte und untersucht zugleich, ob, wann und wie Kooperation als alternative Koordinationsform sinnvoll eingesetzt werden kann. Dazu werden die Spieltheorie, die Property-Rights-Theorie, die Principal-Agent-Theorie sowie die Transaktionskostentheorie herangezogen. 3.1 Netzwerktheorie als Ausgangsbasis interorganisationaler Wertschöpfung Als Ausgangspunkt für die inhaltliche Betrachtung des Netzwerkaspektes dient die formale Netzwerktheorie. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur finden sich Untersuchungen zu organisationalen Netzwerken, die auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen ansetzen. 71
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Arbeiten, die sich einerseits auf nationale Unterschiede240 und andererseits auf regionale Unterschiede241 der Arbeitsorganisation konzentrieren. Nicht zuletzt finden sich sowohl auf der Branchenebene Analysen zu Kooperationsbeziehungen in interorganisationalen Netzwerken242 als auch auf Markenebene243. Im Folgenden wird in einem ersten Schritt im ursprünglichen Sinn der Netzwerktheorie argumentiert, d. h. ohne den Bezug auf wirtschaftliche bzw. organisationale Tatbestände. 3.1.1 Netzwerktheoretische Grundlagen Die Netzwerktheorie ermöglicht die Konstruktion beliebiger Objekte durch die Spezifizierung von im Raum existierenden Knoten, und diese Knoten verbindenden Kanten. Damit sind Knoten und Kanten basale und zugleich konstituierende Elemente eines Netzwerkes. Als Knoten werden alle Elemente eines Netzwerkes bezeichnet. Kanten definieren sich hingegen als die Verbindungen zwischen Knoten. Ein Netzwerk entsteht als strukturierte Gesamtheit aus dem Zusammenspiel von Knoten und Kanten.244 Grundsätzlich gilt, dass zwischen zwei Knoten eine oder mehrere Kanten verbindend wirken können, wobei nicht zwischen allen Knoten eine Kante als Verbindung existieren muss. Kanten variieren in ihrer Stärke, womit die Bindung zwischen zwei Knoten hinsichtlich Häufigkeit, Intensität und Dauer angesprochen ist. Über die Symmetrie einer Kante wird beispielsweise ein existierendes Machtgefälle ausgedrückt, d. h. allgemein formuliert die Gleichheit bzw. die Ungleichheit zwischen zwei Knoten. Mit der Zahl der Kanten(inhalte) drückt sich die Vielfältigkeit aus, während sich die Wechselseitigkeit als übereinstimmende Einschätzung zweier Knoten hinsichtlich Existenz, Stärke und Symmetrie einer Kante niederschlägt. Tabelle 3.1.1 fasst die grundlegenden Definitionen der Netzwerktheorie zusammen,245 während Abbildung 3.1.1 die positionalen Eigenschaften der Knoten im Netzwerk zusätzlich verdeutlicht.
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241
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243 244 245
72
Vgl. Gerlach, M. L./Lincoln, J. R. (1992) für einen Vergleich zwischen den USA und Japan. Siehe Hamilton, G. C./Biggart, N. W. (1988) für einen Vergleich zwischen der japanischen Keiretsu und des koreanischen Chaebol-Systems. Vgl. beispielhaft die Ausführungen zur Emiglia Romana bei Piore, M. J./Sabel, C. F. (1984); zum MIT siehe Nohria N. (1992). Vgl. zu Netzwerkstrukturen der Automobilindustrie Nohria, N./Garcia-Pont, C. (1991) sowie Devlin, G./Bleakley, M. (1988). Vgl. Grüter, A. (2006); Spengel, A. (2005). Vgl. Klemm, W. (1997), S. 72 ff. Für eine Vertiefung der Netzwerkthematik siehe die Quellen und die dort jeweilig angegebenen Literaturverweise.
A) Eigenschaften der Kanten ´1. Kanteninhalte ¾ ¾ ¾
Ressourcen- und Leistungsflüsse Informationsflüsse Einflussbeziehungen
´2. Kantenausprägungen ¾
Stärke
Stärke der Bindung zwischen zwei Knoten auf Grund der Häufigkeit, Intensität und Dauer der Kante
¾
Symmetrie
über die Kante ausgedrückte Gleichheit bzw. Ungleichheit zwischen zwei Knoten (z. B. Machtbeziehung)
¾
Wechselseitigkeit
übereinstimmende Einschätzung zweier Knoten hinsichtlich der Existenz, Stärke und Symmetrie der Kante
¾
Vielfältigkeit
Zahl der Kanten(inhalte), die zwei Knoten verbinden
B) Strukturelle Eigenschaften des Netzwerkes
´1. Relationale Eigenschaften des Netzwerkes ¾
Größe
Zahl der durch Kanten verbundenen Knoten im Netzwerk
¾
Dichte
Verhältnis aus der Zahl existierender Kanten und der Zahl potenziell möglicher Kanten
¾
Verbundenheit
Ausdruck einer direkten bzw. indirekten Erreichbarkeit anderer Knoten (gemessen in den durchschnittlich notwendigen Kanten zur Verbindung jeweils zweier Knoten)
¾
Hierarchie
Verhältnis von nicht-symmetrischen zu symmetrischen Kanten im Netzwerk
¾
Clusterung
Region dichterer Kantenbeziehungen im Netzwerk im Vergleich zu anderen Regionen
´2. Positionale Eigenschaften der Knoten im Netzwerk ¾
Star
Knoten mit den meisten Kanten
¾
Liaison
Knoten, der verschiedene Netze verbindet, aber keinem angehört
¾
Bridge
Knoten, der Mitglied mehrerer Netzwerke ist (Cosmopolit) oder Kante, die die einzige Verbindung zu einem Akteur oder einem Netzteil darstellt
¾
Gatekeeper
Knoten, der die Verbindung zwischen dem fokalen Netzwerk und einem anderen, externen Netzwerk darstellt; kann Informationsfluss maßgeblich beeinflussen
¾
Isolate
Knoten, der keine Verbindung zum Rest des Netzes aufweist
¾
Weak Tie
Kante, die eine schwache Verbindung symbolisiert; über sie fließen neue Informationen in ein Netz
´3. Grundmuster der Vernetzung ¾ ¾ ¾ ¾
Kreis Kette Rad/Stern Spinne/Vermischt
Tabelle 3.1.1: Definitionen zu Netzwerkeigenschaften [Quelle: Meier, A (1997), S. 150; Krupp, M./Klaus, P. (2004), S. 66 ff.]
73
Gatekeeper
Star
Weak Tie
Bridge Liaison
Isolate
Abb. 3.1.1: Besondere Formen von Knoten und Kanten im Netzwerk [Quelle: Krupp, M./Klaus, P. (2004), S. 69]
3.1.2 Partialnetze Bevor die Applikation der Netzwerktheorie auf der Ebene der basalen Elemente (Knoten und Kanten) erfolgt,246 wird aufgezeigt, welche Partialnetze existieren. Dies dient einerseits dem besseren Verständnis der Netzwerktheorie in der Applikation auf Organisationen. Andererseits soll verdeutlicht werden, dass nicht Unternehmen als solche als Knoten anzusehen sind, die durch Kanten miteinander verbunden sind und auf diese Weise ein Gesamtnetzwerk ergeben. Vielmehr besteht das zu analysierende gesamte Wertschöpfungsnetzwerk in der hier dargelegten Sichtweise aus verschiedenen Teilnetzen,247 die wiederum jedem im Netzwerk vertretenen Unternehmen zugeordnet werden können (siehe Abbildung 3.1.2).
246 247
74
Vgl. die Ausführungen im Anschluss in Abschnitt 3.1.3. Vgl. nachfolgend für die vorgestellten Partialnetze Krupp, M./Klaus, P. (2004), S. 64 f. sowie speziell für Beziehungsnetzwerke die dort angegebene weiterführende Literatur. Alternativ unterscheiden Håkansson/Johanson zwischen einzelnen Netzwerken von Aktivitäten, Ressourcen und Akteuren; vgl. Håkansson, H./Johanson, J. (1992).
Wertschöpfung
Güter-/ Dienstleistungsnetz 11 00 Informationsnetz
10 01 01 11
kooperatives Verhalten informelle Kommunikation Sicherheit durch Vertrauen
§§ $$
Soziales Netz (Beziehungsnetzwerk) §§ $$
Institutionales Netz
formale Kommunikation
Sicherheit durch Verträge §§ $$
Abb. 3.1.2: Partialnetze [Quelle: In Anlehnung an Krupp, M./Klaus, P. (2004), S. 65]
Die Grundlage interorganisationaler Zusammenarbeit bildet ein institutionales Netzwerk. Es charakterisiert sich durch rechtliche Konstrukte (gesetzliche Regelungen, Verträge etc.) sowie formale Regelungen hinsichtlich der Organisation (Definition von Geschäftsprozessen, Zuordnung der Aufgaben nach Funktionen, Hierarchiestufen etc.). Damit werden die Rahmenbedingungen der abzuwickelnden Transaktionen determiniert. Die Aspekte institutionaler Netzwerke sind in einer rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung als notwendige und sehr bedeutende, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für das Funktionieren von Unternehmensnetzwerken anzusehen. Ihre Auswirkungen finden grundlegend Eingang im Rahmen transaktionskostentheoretischer Analysen, sind was die operative Ausgestaltung anbelangt, jedoch eher Gegenstand juristischer Überlegungen (die Transaktionskosten bewirken). In einem inhaltlichen Vorgriff ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass einzelnen Vertragsregelungen hinsichtlich der Auswirkungen auf die weiteren Partialnetzwerke eine enorme Bedeutung zukommen kann.248 Der Fokus der betriebswirtschaftlichen Analysen lag in den letzten Jahren deshalb mehr auf den formalen Informations- und Güternetzwerken. Dabei stand die Optimierung der Supply Chains, d. h. der Güter- und Informationsfluss zwischen den einzelnen Wertschöpfungsstufen im Vordergrund. In Güternetzwerken sind physische Objekte (Teile, Komponenten etc.) Gegenstand der Betrachtung, während in Datennetzwerken formale Informationen (Planungs-und Steuerungsdaten etc.) fließen.
248
Siehe dazu die multivariable Handlungskonzeption in Abschnitt 4.5. 75
Das formale Informationsnetzwerk stellt demnach eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren des Güternetzwerkes dar. Der Fluss formaler Informationen gestaltet sich intraorganisatorisch (auf Grund der hierarchischen Durchgriffsrechte des Managements, eines gemeinsamen „Wir-Gefühls“ der Mitarbeiter etc.) einfacher als zwischen zwei oder mehreren unabhängigen Unternehmen. Trotz der zunehmenden Quantität und Qualität von Informations- und Kommunikationstechnologien liegt es weitgehend im Handlungsbereich der beteiligten Akteure, in welchem Umfang Friktionen in der Zusammenarbeit auftreten bzw. vermieden werden können. Den zwischenmenschlichen Beziehungen kommt somit eine entscheidende Bedeutung zu. Soziale Netze249 (Beziehungsnetze) thematisieren soziale und psychologische Aspekte (so genannte weiche Faktoren): „Das Konzept des sozialen Netzwerkes [bezieht sich; T. S.] auf die ‚Gesamtheit’ der sozialen Beziehungen.“250
Dabei wird nicht nur die grundsätzliche Notwendigkeit von Beziehungen, sondern es werden gleichfalls die damit verbundenen Leistungssteigerungen respektive Leistungseinbußen in Wertschöpfungssystemen diskutiert. Beziehungsnetzwerke – zu verstehen als die Gesamtheit von Personen/Personengruppen, die mit Hilfe verschiedenster Mittel miteinander kommunizieren – lassen sich analog der Netzwerktheorie als Geflecht aus Knoten und Kanten beschreiben. Die beteiligten Akteure stellen die Knoten dar; Kanten als verbindende Elemente drücken sich durch Kommunikation, Vertrauen etc. aus. Das Ausmaß der (vermiedenen) Friktionen in der Zusammenarbeit wird dadurch determiniert, dass Kanten in Beziehungsnetzwerken nicht nur (informelle) Informationen, sondern auch Emotionen transportieren. Kooperation oder Konflikt als extreme Gegensätze eines möglichen Handlungsspielraumes beeinflussen das formale Informationsnetz (bspw. negativ durch die bewusste Zurückhaltung von Informationen auf Grund persönlicher Befindlichkeiten) und damit auch das Güternetzwerk. Anzustreben ist deshalb ein möglichst standardisierter Datenfluss des Informationsnetzes, unterstützt durch das institutionale Netz. Darüber hinaus sollte für die nicht oder nur bedingt auf der formalen Datenebene übertragbaren Daten eine Absicherung durch Vertrauen und interpersonelle Kommunikation im Rahmen des Beziehungsnetzwerkes erfolgen.
249
250
76
Für eine weitergehende Betrachtung der Thematik siehe Scott, J. (2005); Trappmann, M. et al. (2005). Siehe insbesondere die ausführliche Analyse bei Thompson, G. F. (2005), S. 54 ff. Hollstein, B. (2006), S. 13.
3.1.3 Anwendung der Netzwerktheorie auf interorganisationale Unternehmensnetzwerke Im vorangegangenen Abschnitt wurde ein Netzwerk als Summe mehrerer Partialnetze betrachtet. Die dabei gewählte Differenzierung wird im Folgenden aufgegeben und stattdessen die Sichtweise des gesamten multiplexen Netzwerkes eingenommen, weil das Zusammenspiel der einzelnen Partialnetze wesentlich das Geschehen in intraorganisationalen Netzwerken determiniert. In einem ersten Schritt wird lediglich ein Unternehmen als Netzwerk betrachtet (intraorganisationale Sichtweise), an den sich danach eine Ausweitung der Thematik auf mehrere Unternehmen (interorganisationale Sichtweise) anschließt. Netzwerktheoretisch wird auf der Ebene der basalen Elemente angesetzt.251 Als Knoten werden formal Wertschöpfungsaktivitäten verstanden, die – in Anlehnung an Porter252 – technologisch-physische Teilfunktionen eines Unternehmens sind. Wertschöpfungsaktivitäten resultieren dabei aus der Ressourcenkombination von Materialien, menschlicher Arbeit und Know-how (Technologie). Des Weiteren werden Informationen bezüglich der Wertschöpfungsaktivitäten benötigt, die jedoch auch durch letztere geschaffen werden.253 Ein Knoten, d. h. eine Wertschöpfungsaktivität wird demnach einem Unternehmen zugeordnet. Kanten können vor dem hier gegebenen organisationstheoretischen Hintergrund als Beziehungen interpretiert werden.254 Tichy et al. konkretisieren Beziehungen anhand von drei grundsätzlichen Aspekten:255 Bestehen erstens Kommunikationsbeziehungen zwischen den Knoten eines Netzwerkes, werden Informationen ausgetauscht (communication content).
251
252 253 254
255
Die Vorgehensweise, ein fokales Unternehmen als ein netzwerktheoretisches Objekt heranzuziehen, erfolgt in Anlehnung an Klemm, der seinerseits auf Weick und Nohria verweist und zu dem Schluss gelangt, dass alle Organisationen als Netzwerk konstruiert werden können. Weick konstatiert, jedes organisierte Untersuchungsobjekt und damit auch eine internationale Unternehmung könne netzwerkanalytisch beschrieben werden. Nohria greift diesen Gedanken auf und argumentiert weitergehend, dass überdies die Umwelt eines fokalen Unternehmens als Netzwerk beschrieben werden kann. Auf dieser Basis wird eine unternehmensübergreifende Betrachtung möglich. Vgl. Klemm, W. (1997), S. 77 f.; Weick, K. E. (1979); Nohria, N. (1992). Vgl. Porter, M. E. (1985), S. 36 ff. sowie Abschnitt 2.1.3. Vgl. Klemm, W. (1997), S. 86. Erst die relationalen Verbindungen/Beziehungen ergeben die Struktur eines Netzwerkes. Vgl. Thompson, G. F. (2005), S. 55. Vgl. nachfolgend Tichy, N. et al. (1979), die sich inhaltlich an Mitchell anlehnen und lediglich dessen Punkt der Erwartung durch Sympathie/Verständnis und Macht/Einfluss modifizieren; vgl. auch Mitchell, J. C. (1973). 77
Austauschbeziehungen können zweitens hinsichtlich Gütern und Dienstleistungen als Ergebnis von Wertschöpfungsaktivitäten zwischen Knoten bestehen (exchange content). Drittens können einseitige bzw. wechselseitige Verbindungen sowohl über Sympathie und Verständnis (affect and liking) als auch Macht- und Einflussbeziehungen (influence and power) zu einer Verknüpfung von Knoten führen (normative content). Wichtig zu beachten ist in diesem Kontext, dass nicht allein stark ausgeprägte Verbindungen für Netzwerkeigenschaften verantwortlich zeichnen. Netzwerkphänomene finden ihren Ursprung oft in schwach ausgeprägten, teilweise nur latent vorhandenen Verbindungen. Die Stärke einer Verbindung spiegelt deshalb nicht zwangsläufig deren Bedeutung wider. Zielt der Fokus lediglich auf stark ausgeprägte Beziehungen, treten schwache, respektive latente Beziehungen in den Hintergrund bzw. werden überhaupt nicht wahrgenommen. Bildet eine latente Beziehung jedoch den Zugriff auf entfernte Netzwerkressourcen ab, können diese bei entsprechend inhaltlicher Bedeutung (und gleichzeitiger Fokussierung auf starke Verbindungen) in nicht erklärbare Verhaltensmuster resultieren.256 Kanten können des Weiteren unter bestimmten Umständen ebenso wie Knoten Wertschöpfungsaktivitäten abbilden, d. h. selbst Wert schöpfend sein.257 Die Ausweitung des bisher intraorganisational ausgelegten Netzwerkes über formale, d. h. rechtliche Grenzen eines Unternehmens hinaus ermöglicht die Abbildung realer Wertschöpfungsvorgänge. Somit besteht die gesamte zu analysierende Wertschöpfungskette aus mehreren Knoten, die sich auf unterschiedliche Unternehmen aufteilen. Mit Rückblick auf die zuvor diskutierten Partialnetze und die Definition von Knoten und Kanten kann festgehalten werden, dass Knoten als Wertschöpfungsaktivitäten die Aspekte der drei Partialnetze soziales, informatorisches sowie Güter-/Dienstleistungsnetz kombinieren. Kanten als Beziehungen finden ihre grundlegende Voraussetzung für das interorganisationale Zusammenspiel der Knoten in den Regelungen des institutionalen Netzes. Die informelle Ebene der interorganisationalen Zusammenarbeit (informelle Kommunikation) rekrutiert sich zum einen aus dem formalen Informationsnetz (Informationen, die ausgetauscht werden) und zum anderen aus dem sozialen Netz (kooperatives Verhalten/Vertrauen) und kann entsprechend starken Einfluss auf die Ebene des Güter-/Dienstleistungsnetzes nehmen.
256
257
78
Vgl. Granovetter, M. S. (1973; 1982; 1992). In weniger abstrakten und eher fassbaren Betrachtungen liegt der Fokus auf Güter-, Geld- und Wissensströmen. Hiermit wird der exchange content stärker thematisiert im Vergleich zum communication content und normative content; vgl. Bartlett, C. A./Ghoshal, S. (1989; 1992; 1995). Vgl. Klemm, W. (1997), S. 87. Als Beispiel führt Klemm die Wertschöpfungsaktivitäten von Logistikdienstleistern an.
3.2 Aspekte von Unternehmensnetzwerken Unternehmensnetzwerke finden sich speziell in der Automobilindustrie mit Netzwerkverbindungen, die sich primär durch mehrstufige Zulieferverhältnisse ausdrücken.258 Bevor jedoch auf die automobilspezifische Ausgestaltung derartiger Netzwerke eingegangen wird, soll eine allgemeine theoretische Fundierung der Thematik erfolgen. Im Rahmen der Diskussion des Resource-based View wurde in Abschnitt 2.1.4 dargelegt, dass Unternehmen für den eigenen Wertschöpfungsprozess drei grundsätzliche Möglichkeiten zum Ressourcenerwerb zur Verfügung stehen: (1) Eigenentwicklung von Ressourcen (Aufbau und Weiterentwicklung) (2) Fremdbezug (durch Kauf am Markt oder Akquisition/Fusion259 im Sinne von hierarchischer Integration) (3) Kooperation mit Wertschöpfungspartnern. Die aktuellen Anforderungen zur Erhaltung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Automobilindustrie wurden in Abschnitt 2.3 anhand fundamentaler Einflussfaktoren und der sich daraus ergebenden Implikationen analysiert. Dabei wurde herausgearbeitet, dass Wertschöpfungsumfänge zunehmend im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund generiert werden. Durch unternehmensübergreifende Zusammenarbeit sichern sich Unternehmen (wechselseitig) den Zugriff auf Ressourcen, ohne bspw. die nachteiligen Folgen von Kapitalbindung (durch Eigentumserwerb) in den jeweiligen Wertschöpfungsebenen. Interorganisationale Kooperationen einzugehen, ist tendenziell für große und kleine Unternehmen gleichermaßen feststellbar,260 mit vielfältigen und teilweise divergenten Motiven.261 Die nachfolgende theoretische Diskussion stellt in einem ersten Schritt die beiden ursprünglichen Koordinationsformen Markt und Hierarchie vor (Abschnitt 3.2.1). Sodann wird der Begriff der Kooperation detailliert erläutert, um 258 259
260 261
Vgl. Siebert, H. (2006), S. 14. Vgl. Vizjak, A. (1990), S. 95 ff. für die Vorzüge der unternehmensübergreifenden Kooperation im Vergleich zu Akquisition/Fusion. Vgl. Strauss, B./Bruhn, M. (2003), S. 5. Während kleine, mittelständisch geprägte Firmen bspw. Ressourcen durch Kooperationen zu erwerben versuchen, die sie auf Grund fehlender Kapitalausstattung nicht selbst generieren/entwickeln können, ist es denkbar, dass große Unternehmen im Rahmen von Rationalisierungsprozessen und damit verbundenem Outsourcing Kooperationen anstreben. Dies ist dann der Fall, wenn der ausgelagerte Leistungsumfang nicht durch rein marktliche Koordination bezogen werden soll. Vgl. ausführlicher Abschnitt 3.2.3.1 zu den Motiven interorganisationaler Wertschöpfung. 79
ein allgemeines Verständnis für dessen weiteren Gebrauch in der vorliegenden Arbeit zu schaffen. Im weiteren Verlauf wird auf die Zusammenarbeit mit Wertschöpfungspartnern in interorganisationalen Kooperationen fokussiert. Dabei werden Unternehmensnetzwerke vorab allgemein charakterisiert und typologisiert (Abschnitt 3.2.3), bevor Chancen (Abschnitt 3.2.3.1) und Risiken (Abschnitt 3.2.3.2) von Unternehmensnetzwerken adressiert werden. Daran schließt sich die Diskussion von Formen von Unternehmensnetzwerken an (Abschnitt 3.2.4). Das Augenmerk richtet sich speziell auf die für die Automobilindustrie relevanten Formen der Strategischen Netzwerke, Strategischen Allianzen und Wertschöpfungspartnerschaften (Abschnitt 3.2.4.1 bis 3.2.4.3). Abschließend erfolgt eine Würdigung der Parameter Macht und Vertrauen für die interorganisationale Wertschöpfung (Abschnitt 3.2.5). 3.2.1 Unternehmensnetzwerke als dritte Koordinationsform neben Markt und Hierarchie Die Transaktionsformen Markt und Hierarchie262 nehmen noch immer die bestimmenden Stellungen in der organisationalen Ausgestaltung ökonomischer Geschäftstätigkeit ein. Gleichwohl gewinnen Kooperationsformen unterschiedlichster Ausprägung zunehmend an Bedeutung.263 3.2.1.1 Markt Wichtigstes Kennzeichen marktlich-wettbewerblicher Strukturen ist die Koordination durch den Preis als exklusives Regulationsinstrument.264 Geschäftliche Beziehungen werden in der Tradition der neoklassischen Theorie265 als Nullsummenspiel verstanden. Der Verteilungsaspekt, d. h. Erlösmaximierung der einen Partei vs. Kostenminimierung der anderen Partei, ausgedrückt durch den Preis, steht im Fokus. Gemeinsame Ziele werden nicht angestrebt, weil die Marktteilnehmer ausschließlich Individualinteressen verfolgen. Weitere neben
262 263
264
265
80
Vgl. Coase, R. H. (1937), S. 390 f. Die weite Verbreitung des Markt-Hierarchie-Paradigmas wird durch die umfassende und vielfältige wissenschaftliche Rezeption deutlich. Dass sich das Paradigma nicht ausschließlich auf der betriebswirtschaftlichen Ebene abspielen muss, sondern auch für die Analyse des Handelns von Staaten und der Ausdifferenzierung internationaler Ordnungen dienen kann, vgl. Zündorf, L. (2005). Exklusiv wird im vorliegenden Zusammenhang nicht als „alleinig“, sondern als „vorrangig“ interpretiert. Vgl. Thompson, G. F. (2005), S. 25 f. für einen kompakten Überblick der neoklassischen Theorie im Kontext der marktlichen Koordination.
dem Preis existierende Steuerungsmechanismen sind Verträge266 und feste Austauschrelationen. Hohe Abhängigkeiten, eingeschränkte Einflussnahme, dafür aber die freie Wahlmöglichkeit des Transaktionspartners sind ebenso Merkmale marktlicher Koordination.267 Darüber hinaus charakterisieren den Markt interdependente Beziehungen268 – im Gegensatz zur Hierarchie mit ihren einseitig dependenten Beziehungen – ebenso wie eine standardisierte Aufgabenabwicklung. Kauf-/Verkauftransaktionen am anonymen Markt implizieren, dass es sich um kurzfristig realisierbare Transaktionen handelt, die keiner gesonderten, d. h. über vertragliche Regelungen hinausgehenden Absprachen bedürfen.269 Im Regelfall erfolgt die Spezifikation vertraglich zu regelnder Details hinsichtlich technischer Anforderungen, qualitativer Standards und terminlicher Vorgaben. Darüber werden keine Informationen weitergegeben. Spezifizierte Verträge bedingen deshalb einen geringen über die fixierten Austauschrelationen hinaus gehenden Ressourcenfluss. Wechselseitig reglementierter Informationsfluss ist dementsprechend genauso ein Merkmal marktlich-wettbewerblicher Beziehungen wie der seitens des mächtigeren Marktteilnehmers270 ausgeübte Effizienzdruck. Opportunistisches Verhalten scheint eher die Regel als die Ausnahme zu sein. Ohne den tatsächlichen Ursprung opportunistischen Verhaltens an dieser Stelle näher zu diskutieren, bleibt festzuhalten, dass Kosten für eben dieses Verhalten und die vorhandenen Informationsasymmetrien entstehen. Nicht selten sieht sich deshalb ein Unternehmen versucht, durch Eigenfertigung diese Kosten einzusparen und auf den Fremdbezug von Leistungsumfängen zu verzichten. In der Folge würde der Aufgabenumfang im Rahmen hierarchischer Beziehungen abgewickelt. 3.2.1.2 Hierarchie Wie erwähnt, können Situationen auftreten, in denen der Markt nicht die optimale Möglichkeit des Tausches arbeitsteiliger Güter bzw. Dienstleistungen darstellt (bei zu hohen Transaktionskosten). Hinzu kommen Konstellationen, bei 266
267 268
269 270
Es finden gesetzliche Vertragsformen Anwendung: Stück- und Gattungskauf (§§ 243, 480 BGB), Handelskauf (§ 373 BGB), Leasing (§ 553 BGB), Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB), Bar- und Kreditverkauf (§§ 1 ff. VErbrKrG). Vgl. Rautenstrauch, T. et al. (2003), S. 8. Interdependenz bezieht sich hier einerseits auf die Resource Dependence-Theorie (Notwendigkeit wechselseitiger Beziehungen auf Grund fehlender Ressourcen), vgl. Sydow, J. (1992), S. 196 ff., andererseits auf den sozialen, d. h. zwischenmenschlichen Hintergrund von Beziehungen. Vgl. Sell, A. (2002), S. 7. Diese Sichtweise steht im Kontrast zur reinen Markttheorie, gemäß der sich gleich starke Marktteilnehmer gegenüberstehen, die ihren Leistungsaustausch von Preis und Leistung über Verträge aushandeln. Vgl. Mintzberg, H. (1979), S. 4. 81
denen kein geeigneter Marktpartner gefunden werden kann bzw. die vollständige Unabhängigkeit für eine Wertschöpfungsaktivität seitens eines Unternehmens angestrebt wird. In diesen Fällen müssen ökonomische Aktivitäten entweder unterbleiben oder von nicht-marktlich strukturierten Organisationen übernommen werden, was mit einer eingeschränkten Flexibilität und erhöhten Investitionen korreliert.271 Die Koordination erfolgt dann im Rahmen der Hierarchie (eines Unternehmens) als innerbetriebliche Organisationsform,272 d. h. ohne die Einbindung von Ressourcen außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen. Indes bedarf es auch hier bestimmter Koordinationsmechanismen, einerseits zur aufgabenbezogenen Steuerung, andererseits zur Steuerung der unternehmensinternen Zusammenarbeit.273 Koordinationsmechanismen in der Hierarchie sind in erster Linie (An)Weisungen, aber auch wechselseitige Abstimmung und Standardisierung.274 In organisationaler Hinsicht erfolgt die Koordination durch übergeordnete Instanzen in Form von Macht. Hierarchie wird dabei der „Code Macht“, dem System Markt der „Code Geld“ zugeordnet.275 Verfolgte Ziele bei der Entscheidung für die hierarchische Koordinationsform können die bereits erwähnte Einsparung von Transaktionskosten, aber auch die Vermeidung bzw. die Reduzierung der Abhängigkeiten von potenziellen Marktpartnern sein. Häufig negierter Nebeneffekt ist bedingt durch einen geringeren Informationszugang der Verlust von Vergleichsmaßstäben mit der (externen) ökonomischen Umwelt und ein damit einhergehender Effizienzverlust auf Grund des fehlenden Wettbewerbs. Durch Integration (z. B. Akquisition, Fusion)276 können bis dato marktlich-wettbewerbliche (aber auch kooperative) Beziehungen in Hierarchiestrukturen einfließen und diese erweitern. Picot konstatiert, dass es sich bei marktlicher und hierarchischer Koordination nicht um zwei trennscharfe Alternativen handelt. Die Frage stellt sich deshalb nicht, ob Markt oder Hierarchie vorliegt, stattdessen sei zu hinterfragen „[…] wie viel Markt und wie viel Hierarchie für jede Transaktion […]“277 271 272 273
274 275
276
277
82
Vgl. Rautenstrauch, T. et al. (2003), S. 8. Vgl. Williamson, O. E. (1985b), S. 747. Die Steuerung einer hierarchischen Organisation obliegt dem Management; vgl. Thompson, G. F. (2005), S. 22. Vgl. Mintzberg, H. (1979), S. 4. Vgl. Luhmann, N. (1992), S. 30 ff. in Kahle, E. (1999b), S. 52. Zusätzlich wird der „Code Vertrauen“ für das System Netzwerk genannt, auf den nachfolgend im Zusammenhang mit Unternehmensnetzwerken eingegangen wird. Obwohl Akquisitionen und Fusionen in der Praxis der Automobilindustrie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zugesprochen werden muss, spielen sie für die Betrachtungen der vorliegenden Arbeit lediglich eine untergeordnete Rolle. Sie werden deshalb nachträglich nicht weiter verfolgt. Konsortien und Kartelle als zusätzliche Formen der Zusammenarbeit werden ebenfalls ausgeblendet. Picot, A. (1982), S. 275.
vorliege. Thompson stellt bezüglich der langfristigen Beziehungen zwischen der fokalen Unternehmung und deren Auftragnehmern und Zulieferern genauer fest: „They are neither straightforwardly hierarchically organized via orders and administrative edict, nor strictly straightforward market relationship where the main firm continually searches for the least-cost supplier and only maintains a short-term arm’s length ’buyer/seller’ relationship with its suppliers. The stimulus for this change comes from technological developments and the need to increase flexibility by the client firms. Such developments […] are leading to the disintegration of the vertically hierarchical character of firms as more and more of the production of the manufactured parts needed for in-house assembly are located in subcontracting firms.“278
Beide Autoren verweisen damit auf das Phänomen, dass die Begriffe Markt und Hierarchie in ihrer praktischen Ausprägung nicht im Sinne des Weberschen Idealmodells279 zu verstehen sind. Die Sichtweise lediglich zweier Koordinationsformen (Markt und Hierarchie auf einer diskontinuierlichen Skala) ist somit hinsichtlich ihrer praktischen Erklärungsrelevanz beschränkt. Vor dem Hintergrund relationaler Vertragsbeziehungen, die eben nicht durch reine Marktbeziehungen bzw. vertikale Integration (im Sinne hierarchischer Koordination) erklärt werden können, bedarf es einer grundlegenden inhaltlichen Erweiterung. Die daraus entstandene und bis heute weit verbreitete Kontinuumlogik280 ordnet das Element Netzwerk als weitere Koordinationsform auf dem durch die beiden Pole Markt und Hierarchie gebildeten Kontinuum ein. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich dahingehend kontroverse Ansätze, ob Unternehmensnetzwerke als eigenständige Koordinationsform oder lediglich als Kombination hierarchischer und marktlicher Elemente zwischen Markt und Hierarchie gesehen werden können.281 Im Folgenden soll dieser dichotomen Logik jedoch nicht weiter gefolgt werden. Stattdessen wird die Argumentation in Anlehnung an Fischers trichotomes Modell282 der Koordinationsformen weitergeführt, weil hier durch die explizite Einbeziehung der vertrauensbasierten Abstimmung Unternehmensnetzwerke als Koordinationsform sehr viel genauer betrachtet werden können. 278 279 280 281
282
Thompson, G. F. (2005), S. 114 f. Vgl. Picot, A. (1982), S. 273. Vgl. Powell, W. W. (1996), S. 216. Ohne diese Diskussion im Detail aufzugreifen, sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. Zum ersten Ansatz vgl. bspw. Semlinger, K. (2006); Gerum, E. (1999); Vogt, J. (1997); Håkansson, H./Johanson, J. (1993). Zum zweiten Ansatz vgl. bspw. Richter, R. Furubotn, E. G. (1999); Sydow, J. (1992). Zu den Vorteilen der Kooperation als Möglichkeit zur Reduzierung der Probleme marktlicher und hierarchischer Strukturen siehe Bullinger, H.-J./Warschat, J. (1997), S. 30. Vgl. Fischer, S. (2001). 83
3.2.1.3 Unternehmensnetzwerke – ein trichotomes Erklärungsmodell Netzwerke versuchen, die Vorteile von Markt (marktlicher Effizienzdruck und Funktionsspezialisierung) und Hierarchie (Vertrauen und Informationsintegration) zu vereinen.283 Gemäß Siebert existieren im Hinblick auf marktliche und hierarchische Elemente von Netzwerken vier Charakteristika, dargestellt in Abbildung 3.2.1.3–1.
marktliche marktliche Spezialisierung Spezialisierung
Markt Markt
Fokussierung jedes Netzwerkakteurs auf die Wertschöpfungsaktivitäten, für die er die relativ beste Ressourcenausstattung besitzt Netzwerke Netzwerke
hierarchisches hierarchischesVertrauen Vertrauen gegenseitiges Vertrauen, d. h. Verzicht auf die Realisierung von Vorteilen auf Kosten der Netzwerkpartner
Hierarchie Hierarchie
marktliche marktlicheEffizienz Effizienz Erhöhung der Leistungsbereitschaft der Netzwerkakteure durch Möglichkeit des Netzwerkaustritts bzw. des Netzwerkeintritts durch externe Unternehmen
hierarchische hierarchischeInformationsintegration Informationsintegration Informationsaustausch zwischen Netzwerkakteuren vergleichbar mit dem Informationsfluss innerhalb einer Unternehmung
Abb. 3.2.1.3–1: Marktliche und hierarchische Elemente von Netzwerken 284
[Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Siebert, H. (2006), S. 11 ff.
]
Ausgehend von dieser Basis muss weiterhin festgehalten werden, dass bei netzwerkartigen Koordinationsformen ein gewisser Kooperationsgrad auch bei unternehmensübergreifenden Interaktionen besteht. Dabei fällt die Opportunismusneigung – situativ unterschiedlich – deutlich schwächer aus, weil die Beziehungen zwischen Netzwerkpartnern häufig auf Vertrauen basieren.
283
284
84
Helper spricht in diesem Zusammenhang von „Voice“-Beziehungen. Sie kennzeichnen sich durch eine enge informatorische Vernetzung und hohes Commitment. Vgl. Helper, S. (1991), S. 15 ff. Vgl. Siebert, H. (2006), S. 11 ff.
An dieser Stelle setzt das trichotome Modell von Fischer an.285 Zu den beiden bekannten Koordinationsmechanismen preisbasierter Vertrag (= Markt) und autoritätsbasierte Weisung (= Hierarchie) ergänzt er als dritte Koordinationsform die vertrauensbasierte Abstimmung (= Netzwerk),286 um so „[…] der komplexen Realität der Koordination der Leistungserstellung und des ökonomischen Austausches gerecht zu werden.“287
Fischers Annahmen basieren auf denselben, die auch dieser Arbeit zugrunde liegen.288 Unternehmen handeln mit der Zielsetzung, Wertschöpfung durch eine effiziente und effektive Ressourcennutzung zu schaffen, wobei die Knappheit von Ressourcen firmenspezifische Arbeitsteilung und damit einhergehende Spezialisierung sowie sich anschließenden Tausch bedingt. Dieser Tausch bedarf der Koordination, die wiederum über die genannten drei Mechanismen erfolgen kann. Fischer unterstellt in seinem Modell, dass sich der Gesamtkoordinationsgrad aus der Summation des Vertragsquotienten289 kV, des Weisungsquotienten kW und des Abstimmungsquotienten kA ergibt und mittel- bis langfristig mit einer gewissen Streuung gegen 100 % tendiert (Theorie der komplementären Koordination: Eine „Über-Regulierung“ bzw. „Unter-Regulierung“ der Koordination wird aus transaktionskostentheoretischer Sicht von mindestens einem Partner aus Gründen der Ineffizienz nicht akzeptiert). Weniger formal ausgedrückt: Ein höherer/geringerer Prozentsatz an vertrauensbasierter Abstimmung resultiert in eine geringere/höhere notwendige Abstimmung über Verträge bzw. Weisungen. Die vertrauensbasierte Abstimmung ist im Sinne von Verständigung auf persönlichem Vertrauen290 zwischen zwei oder mehreren Akteuren zu verstehen. Das Vertrauensverständnis im Modell geht in diesem Fall über den reinen Verzicht auf gegenseitiges Ausnutzen hinaus und umfasst zudem explizit die Verringerung von opportunistischem Verhalten. In Anlehnung an Luhmann kann jeder Akteur 285 286
287 288 289
290
Vgl. nachfolgend Fischer, S. (2001), S. 121 – 149. Gerum vertritt ebenfalls in Abgrenzung zur üblichen Markt-Hierarchie-KontinuumDiskussion die Auffassung, dass Netzwerke als dritte eigenständige Koordinationsform zu betrachten sind. Vgl. Gerum, E. (1999), S. 14 f. sowie Gerum, E. et al. (1998), S. 266. Fischer, S. (2001), S. 121. Vgl. speziell Abschnitt 2.1.5. Der Vertragsquotient definiert sich als Prozentwert des durch den Vertrag zu bewältigenden Koordinationsaufwandes in Relation zum insgesamt benötigten Koordinationsaufwand. Gleiches gilt für den Weisungsquotienten (durch Weisung zu bewältigender Koordinationsaufwand in Relation zum Gesamtkoordinationsaufwand) und den Abstimmungsquotienten. Vgl. Abschnitt 3.2.5.2. 85
„[…] durch entsprechendes Verhalten eine Reduktion der Komplexität erreichen, indem er sich im Rahmen der Erwartungen des Austauschpartners verhält. Durch die Bestätigung der Erwartungen und die Erwiderung des Vertrauensvorschusses ist die Grundlage für die Intensivierung der Austauschbeziehung und zum weiteren Aufbau von Vertrauen gegeben.“291
Fischer zählt den im Hinblick auf vertrauensfördernde Maßnahmen notwendigen Aufwand hinzu, stellt allerdings gleichzeitig fest, dass sich dieser – sobald Vertrauen einmal aufgebaut ist – erheblich reduziert, weil sich auf Grund einer gemeinsamen Austauschhistorie verlässliches Wissen um die situativen Reaktionen bzw. Maßnahmen des Partners entwickelt hat. Im trichotomen Modell wird ebenfalls das Phänomen der „reinen“ Ausprägung der drei Koordinationsformen (als jeweilige Idealform) und der tatsächlichen Ausprägungen in der Praxis adressiert. Abbildung 3.2.1.3–2 zeigt im oberen Teil die theoretische Konstruktion der drei möglichen Koordinationsmechanismen. Das dreidimensionale Modell wird sodann aus Gründen der Vereinfachung in die Zweidimensionalität übertragen (unterer Teil der Abbildung), und es werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Unternehmensnetzwerke verankert. Der äußere „Rahmen“ stellt die jeweilige Idealform der drei Koordinationsmechanismen dar, die, wie bereits diskutiert, so in der Praxis nicht anzutreffen sind.
291
86
Fischer, S. (2001), S. 128. Für eine Darstellung des Prozesses zum Vertrauensaufbau vgl. Abschnitt 3.2.5.2.
Koordination durch preisbasierten Vertrag kV (%)
100
Markt
Hierarchie
0
Koordination durch vertrauensbasierte Abstimmung: kA (%)
100
100
ker ion tzw sat Ne ani g Or
Markt
Koordination durch autoritätsbasierte Weisung: kW (%)
Hierarchie Unternehmen
r kt Ma erke tz w Ne
Un te -N rneh et z we men rke s
Marktliche Organisation
NetzwerkOrganisation
Abb. 3.2.1.3–2: Netzwerkformen im trichotomen Modell von Fischer [Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Fischer, S. (2001), S. 135 und S. 145]
Das hier vorgestellte Modell wird im weiteren Verlauf der Arbeit erneut in Abschnitt 3.2.4 aufgegriffen, und die automobilspezifischen Organisationsformen werden eingeordnet. Im Folgenden soll jedoch vorab der Bedeutung der interorganisationalen Kooperation Rechnung getragen werden. In einem ersten Schritt wird die definitorische Klärung des Begriffes Kooperation vorgenommen. Mit Bezug auf den bereits mehrfach erwähnten Aspekt der fehlenden Idealausprägung der Koordinationsformen („reine“ Marktbeziehungen etc.) werden im Anschluss die unterschiedlichen Ausprägungen von Kooperationen (marktlich, traditionell, partnerschaftlich) diskutiert.
87
3.2.2 Interorganisationale Kooperation Der Terminus Kooperation findet seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet Zusammenarbeit, respektive gemeinschaftliche Erfüllung von Aufgaben.292 Bei der semantischen Auflösung des Begriffes Zusammenarbeit ergeben sich die Bestandteile zusammen und Arbeit. Es geht aus ökonomischer Perspektive um den gezielten Einsatz von Ressourcen (Arbeit) in einer gemeinschaftlichen Handlung (zusammen). Diese Logik impliziert Arbeitsteilung. Dabei gilt jede von den Partnern beigesteuerte Leistung als notwendiger, aber nicht – auf den Einzelbeitrag bezogen – hinreichender Beitrag. Unternehmensübergreifend rekurriert hingegen auf die Aufteilung von Arbeitsschritten/Funktionen auf mindestens zwei Unternehmen.293 Die Funktionen können sich dabei auf einzelne Wertschöpfungsstufen beziehen und/oder Wertschöpfungsstufen übergreifend sein. Vor einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund ist die Definition einzugrenzen und zu präzisieren. In diesem Kontext handelt es sich bei einer Kooperation { um eine zwischenbetriebliche, explizit vertraglich vereinbarte und kündbare Zusammenarbeit { zwischen mindestens zwei rechtlich und wirtschaftlich in den von der Kooperation nicht betroffenen Gebieten selbständigen Unternehmen 292
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Vgl. Nieschlag, R. et al. (2002), S. 261. Bereits vor der Betriebswirtschaftslehre haben sich andere Sozialwissenschaften ausführlich mit dem Phänomen der Kooperation auseinander gesetzt. In einer sehr weitgehenden Auffassung wird Kooperation als unverzichtbare Voraussetzung menschlichen Lebens angesehen; vgl. Montagu, A. (1950), S. 44 ff. Darüber hinaus finden sich Interpretationen der Kooperation als Gesellschaftsprinzip, das die Basis für Sozialisierung bildet, was letztlich der Überwindung der Individualisierung dient; vgl. stellvertretend Ratzenhofer, G. (1898), S. 244 ff. Zu einer weiteren begrifflichen Auseinandersetzung von Kooperationen im Zusammenhang mit anderen theoretischen Ansätzen vgl. Wurche, S. (1991). Nachfolgende Ausführungen beziehen sich auf organisationale Kooperationen in einem ökonomischen Kontext und innerhalb dieses Forschungszweiges auf interorganisationale Kooperationen. Die zweite Forschungsrichtung der intraorganisationalen (zwischenbetrieblichen) Kooperation wird auf Grund fehlender Relevanz für diese Arbeit außer Acht gelassen. Vgl. zu intraorganisationalen Kooperationen Wunderer, R. (1995). Hinsichtlich einer einheitlichen Definition von Kooperationen in der betriebswirtschaftlichen Literatur ist festzustellen, dass sich eine solche bisher nicht etablieren konnte. Stattdessen wird mit einer Vielzahl von Begriffsvariationen argumentiert. Vgl. Friese, M. (1998), S. 57. Schwierig gestaltet sich in diesem Zusammenhang auch die Masse der aus der unternehmerischen Praxis erwachsenen möglichen Kooperationsformen. Ihre genaue Abgrenzung zueinander stellt die Wissenschaft noch immer vor große Probleme. Der Aspekt der innerbetrieblichen Kooperation wird in dieser Arbeit ausgeblendet.
{ zur gemeinsamen Durchführung von Aufgaben, { die in der Regel auf mittlere bis längere Frist angelegt ist.294 Wurche spricht in diesem Zusammenhang auch von wechselseitigen ZielMittel-Verflechtungen.295 Hinsichtlich ihrer Expansionsrichtung können Kooperationen in vertikale, horizontale und diagonale Kooperationen unterschieden werden. Eine funktionale Unterteilung fundiert auf den unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen wie F&E, Produktion, Vertrieb. Kooperationen gelten dann als strategisch, wenn das vereinbarte Aufgabengebiet der Zusammenarbeit für die beteiligten Partner hinsichtlich ihres jeweiligen Unternehmenserfolges von besonderer Bedeutung ist und zudem eine langfristige Perspektive unterstellt ist.296 Nachfolgende Tabelle 3.2.2 fasst die Gestaltungsparameter von Kooperationen und ihre möglichen Ausprägungen zusammen.297
294
295 296
297
Vgl. Picot, A. et al. (2005), S. 173; Sell, A. (2002), S. 3. Grunwald zeigt in einer übergreifenden Betrachtung vier Bedeutungsebenen der Kooperation auf: 1. Kooperation als sozial-ethische Norm, 2. Kooperation als internalisierte Einstellung bzw. Erwartung, 3. Kooperation als Strukturierungsprinzip sozialer Systeme, 4. Kooperation als Verhaltens- bzw. Interaktionsform. Für eine kritische Auseinandersetzung mit der Definition der Kooperation vgl. weiterführend Grunwald, W. (1981), S. 72 ff. Vgl. Wurche, S. (1994a), S. 53. Vgl. Sell, A. (2002), S. 18 ff. Sydow verweist auf die Uneinheitlichkeit bezüglich der Definitionen und Bedeutungen des Strategischen. Allerdings nennt auch er die Ausprägungen Langfristigkeit und Wichtigkeit, die im allgemeinen Sprachgebrauch dem Begriff strategisch zugesprochen werden. Vgl. Sydow, J. (1991), S. 80 f. Bis heute hat sich die Definitions- und Bedeutungsvielfalt nicht verringert, so dass auch in dieser Arbeit, so nicht explizit anders ausgewiesen, „strategisch“ als langfristig und bedeutungsvoll aufgefasst wird. Vgl. für eine weitergehende Analyse Nieschlag, R. et al. (2002), S. 264 ff. 89
Gestaltungsparameter
Ausprägungen
Zielidentität
identisch
komplementär
Unternehmensbereiche
F&E
Beschaffung
Richtung
horizontal
vertikal
lateral (diagonal)
Bindungsintensität
Absprache
Vertrag
Kapitalbeteiligung
zeitlicher Aspekt
kurzfristig (< 1 Jahr)
mittelfristig (1 – 5 Jahre)
langfristig (> 5 Jahre)
räumlicher Aspekt
lokal
regional
Produktion
national
sonstige
international
Bindungsart
formlos
vertraglich
Anzahl der Partner
bilateral
Unternehmensnetzwerk
Tabelle: 3.2.2: Dimensionen der Kooperationsform [Quelle: Nieschlag, R. et al. (2002), S. 264]
Kooperationen kommen aus der Überzeugung der beteiligten Partner zustande, dass sie die zur Kooperation bestimmte Aufgabe gemeinsam besser wahrnehmen können, als diese Leistungen über den Markt zu kaufen bzw. im eigenen Unternehmen zu erbringen. Dabei gilt es zu beachten, dass gewisse Aufgabenumfänge erst durch eine Zusammenarbeit ermöglicht werden, Aufgaben effizienter und mitunter mit einem geringeren Risiko erledigt werden können. Im Idealfall resultiert das Ergebnis der Zusammenarbeit in einen für jeden Partner größeren Überschuss, als dies ohne Kooperation der Fall wäre.298 Im Hinblick auf mögliche Kooperationsmotive lässt sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Fülle von Gründen auch empirisch fundiert299 für das Eingehen interorganisationaler Zusammenarbeit finden. Hervorzuheben ist insbesondere der Zugang zu externen, strategisch wichtigen Ressourcen sowie das Erschließen von Märkten und Technologien. Unternehmen versprechen sich davon eine Steigerung ihrer zukünftigen Ertragspotenziale. Vor einem finanziellen Hintergrund ergeben sich die Motive der Risikominderung, des verminderten Kapitaleinsatzes sowie der Erzielung von Skaleneffekten. Kooperation impliziert Arbeitsteilung und bietet deshalb die Chance zur Spezialisierung. Freiwerdende Ressourcen können dann – und auch das ist ein explizites Motiv – zur Konzentration auf eigene (Kern)Kompetenzen verwendet werden. Ferner
298 299
90
Vgl. Sell, A. (2002), S. 3. Hauschildt verweist in einer aktuellen Auflage auf vier empirische deutsche Studien, die typische Kooperationsziele nennen und gewichten; vgl. Hauschild, J. (2004), S. 270.
sind Motive in der Beeinflussung des Wettbewerbs durch zunehmende Marktmacht wie auch in der Diversifikation des Leistungsprogramms zu finden. Letztlich sehen Unternehmen zugleich die Chance organisationalen Lernens.300 Alle Motive sollten schließlich in höhere Erlöse und/oder geringere Kosten der Unternehmen resultieren. Obschon Kooperationen in der wissenschaftlichen Literatur überwiegend positiv dargelegt werden, gilt es auch durch sie entstehende Problemstellungen aufzuzeigen.301 Kooperationen sind mit Kosten verbunden. Kosten entstehen durch die Anbahnung, die Koordination und nicht zuletzt durch die Kontrolle der kooperativen Tätigkeiten.302 Opportunistisches Verhalten der Kooperationspartner führt ebenso wie eine selten zu vermeidende Wissensdiffusion zu nachteiligen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit.303 Opportunistisches Verhalten könnte zumindest durch die Aufstellung und Einhaltung ethischer Grundregeln eingeschränkt werden. Hiermit werden Fragen der Kooperationskultur angesprochen.304 Letztlich ist auf die wachsende wechselseitige Abhängigkeit der Kooperationspartner zu verweisen, die sich negativ bemerkbar machen kann. Wie bei allen zwischenmenschlichen Interaktionen hängt der Erfolg gemeinsamer Aktivitäten hauptsächlich von den direkt involvierten Beteiligten ab. So ist es auf einer übergeordneten, strategischen Ebene äußerst wichtig, den/die richtigen Kooperationspartner zu finden.305 In der operativen Umsetzung ist es dagegen umso bedeutender, dass die jeweiligen Unternehmensvertreter zusammenarbeiten. Hervorgehoben werden soll dieser Aspekt mit einem Zitat Kahles: „Kooperation ist weder selbstverständlich noch natürlich noch kostenlos […] Die Kosten der Kooperation sind oft eher sichtbar als die ‚Opportunitätskosten’ des antagonistischen oder opportunistischen Verhaltens.“306
300 301
302
303 304 305
306
Vgl. Bamberger, I./Wrona, Th. (2004), S. 195. Für eine kompakte Abwägung der Vor- und Nachteile von Kooperationen siehe Gerybadze, A. (2005), S. 159. Für eine ausführliche Darlegung der durch Kooperationen entstehenden Transaktionskosten siehe Abschnitt 3.3.4 und Abschnitt 3.3.5. Vgl. Kale, P. et al. (2000). Vgl. Hauschildt, J. (2004), S. 250. Vgl. Brockhoff, K. (1991), S. 365 ff. für unterschiedliche Kriterien der Partnerwahl in Kooperationen. Kahle, E. (1999b), S. 59. 91
Um die Zusammenarbeit in Unternehmensnetzwerken erfolgreich zu gestalten, gilt es, bestimmte Grundregeln zu beachten, die in der wissenschaftlichen Diskussion zu diesem Thema von Hamel/Doz/Prahalad wie folgt zusammengefasst wurden:307 { Zusammenarbeit ist Wettbewerb in anderer Gestalt. { Harmonie ist nicht der wichtigste Erfolgsmaßstab. { Zusammenarbeit hat ihre Grenzen. Besonders gegen Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit müssen sich die Unternehmen wehren. { Lernen von den Partnern ist oberstes Gebot. Als eine wichtige Möglichkeit des Schutzes deklarieren die Autoren weiterhin, es sei von Unternehmen „[…] sorgfältig aus[zu]wählen, welche Fähigkeiten und Technologien sie an ihren Partner weiterreichen. Sie müssen Sicherheitsschranken errichten gegen den unbeabsichtigten, formlosen Informationstransfer. Ziel ist es, der Durchsichtigkeit der eigenen Betriebsabläufe Grenzen zu setzen.“308
Die operative Steuerung der formalen Informationsweitergabe ist durch so genannte Wächter zu kontrollieren.309Kooperationen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen lassen sich weder in der wissenschaftlichen Theorie und noch viel weniger in der betrieblichen Praxis310 exakt voneinander abgrenzen. So gestaltet sich der Übergang von marktlichen Beziehungen zu Kooperationen fließend. Dies ist allein deshalb gegeben, weil reine Tauschbeziehungen in der wirtschaftlichen Praxis kaum vorkommen.311
307 308 309
310
311
92
Vgl. Hamel, G. et al. (1998), S. 8. Hamel, G. et al. (1998), S. 11. Vgl. Hamel, G. et al. (1998), S. 12. Vgl. Abbildung 3.1.1 und dort die Knoten „Gatekeeper“ und „Bridge“. Für eine übersichtliche Charakterisierung verschiedener Kooperationsformen siehe Picot, A. et al. (2005), S. 179 ff. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 102. Reine Tauschbeziehungen, bei denen sich die Vertragspartner nicht kennen, finden bspw. an der Börse statt. Im „normalen“ Geschäftsleben hingegen werden Leistungsumfänge, Preise etc. ausgehandelt und in Verträgen fixiert. Hier finden sich selten reine Tauschbeziehungen, weil „zwischenmenschliche“ Kontakte und Beziehungen der Unternehmensvertreter in den meisten Fällen auch einen kooperativen Aspekt implizieren.
Kooperative Elemente finden vor diesem Hintergrund sehr schnell Eingang in interorganisationale Geschäftsbeziehungen. Vor dem hier gezeichneten Hintergrund können daher verschiedene Stufen der Kooperation aufgezeigt werden.312 3.2.2.1 Marktorientierte Kooperationen Marktorientierte Kooperationen bilden den Übergang zwischen Markt und Kooperation. Genau genommen handelt es sich hierbei um Beziehungen, die dem allgemeinen Verständnis nach als marktliche Beziehungen einzuordnen sind. Sie basieren im Wesentlichen auf den Steuerungsmechanismen des Marktes (Preis, feste Austauschrelationen, Verträge), diese jedoch eingebettet in kooperative Beziehungen. Wird der Argumentation Pohlmanns313 gefolgt, so stellt die Marktlogik in dieser Konstellation das regulierende Element dar. Während eine standardisierte Aufgabenabwicklung vertragliche Regelungen ermöglicht und so eher der marktlichen Seite der Charakteristika zuzuordnen ist, können eine längerfristige Beziehung, lose Zusammenarbeit und nicht zuletzt ein Mindestmaß an Vertrauen (das schwer zu quantifizieren ist) auf der kooperativen Seite derartiger Beziehungen eingeordnet werden. Die inhaltliche Nähe zu Marktkonstellationen drückt sich durch den Verteilungsaspekt (die Bemühungen um Erlösmaximierung der einen Partei verhalten sich konträr zu den Bemühungen um Kostenminimierung der anderen Partei) aus. Traditionelle Abnehmer-Zuliefer-Beziehungen für einfache Leistungsumfänge sind prädestiniert für marktorientierte
312
313
Vgl. nachfolgend Hellmer, F. et al. (1999), S. 81 ff. Neben den dargestellten Stufen der Kooperation finden sich in der Literatur weitere Unterteilungen. Pohlmann et al. unterscheiden zwischen antagonistischer Kooperation und komplementärer Kooperation. Vgl. Pohlmann, M. et al. (1995), S. 283 f. Antagonistische Kooperation im Sinne von gegensätzlich steht im markanten Widerspruch zu Kooperation im Sinne von Zusammenarbeit. Trotz des bekundeten Willens zur Kooperation besteht die latente Gefahr opportunistischen Verhaltens durch die einseitige Aneignung des in Kooperation erwirtschafteten Mehrwertes. Antagonistische Kooperation ist ein Nullsummenspiel mit der Handlungsmaxime: „Einseitige Vorteilnahme soweit wie möglich, Orientierung am gemeinsamen Nutzen soweit wie nötig.“ Vgl. Pohlmann, M. et al. (1995), S. 283. Der Verteilungsaspekt rückt in den Mittelpunkt und lässt dabei häufig die Kooperation zur Makulatur werden. Im Gegensatz dazu fokussiert die komplementäre Kooperation auf den Ertragsaspekt, den Wertzuwachs des in Gemeinschaft erwirtschafteten Ertrags. Handlungsleitendes Motiv ist demnach: „Gemeinsamer Nutzen soweit wie möglich, einseitige Vorteilnahme soweit wie nötig.“ Vgl. Pohlmann, M. et al. (1995), S. 283. Spieltheoretisch dominiert die antagonistische die komplementäre Kooperation. Vgl. Pohlmann, M. (1994). 93
Kooperationen. Die kooperativen Elemente dienen der Unsicherheitsreduktion (bspw. Liefer- und Zahlungssicherheit). Die solchen Austauschbeziehungen zugrunde liegende Standardisierung bewirkt eine Reduktion der Komplexität. Innovationen seitens des Leistungserbringers sind dagegen kaum zu erwarten. Verglichen mit einfachen Tauschbeziehungen werden auch bei marktförmigen Kooperationen wenig zusätzliche Ressourcen (hier sind vor allem Informationen angesprochen) ausgetauscht. 3.2.2.2 Traditionelle Kooperationen Werden Kooperationen von einem (fokalen) oder mehreren Unternehmen tatsächlich im Sinne einer gemeinschaftlich ausgerichteten Zusammenarbeit verfolgt, so kann ihnen eine gewisse strategische Ausrichtung zugesprochen werden. Dabei bedarf insbesondere die Konstellation mit einem fokalen Unternehmen einer genaueren Analyse. Während das fokale Unternehmen einerseits Verantwortung hinsichtlich der Steuerung und Definition der Wertschöpfungsprozesse in der Kooperationsgemeinschaft übernimmt, ergeben sich andererseits häufig Machtungleichgewichte, die nicht selten aus Größenunterschieden resultieren. Derartige Machtungleichgewichte können die positiven Effekte aus der Kooperation überkompensieren. Vorteile liegen vor allem beim fokalen Unternehmen. Von einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten kann jedoch nicht mehr gesprochen werden. Fokussiert das fokale Unternehmen dagegen auf die nachhaltigen Vorteile (bspw. Kostenreduzierungen auf Grund von Spezialisierung, Nutzung von Economies of Scale etc.) aus der Kooperation und stellt zudem eine Gewinnverteilung sicher, die alle Beteiligten fair behandelt und zufrieden stellt, so sind die Voraussetzungen für eine langfristige Partnerschaft gegeben. Ohne die Perspektive eines sich zumindest langfristig einstellenden Positivsummenspiels ist die Basis für jegliche Kooperationsbemühungen entzogen. Im Unterschied zu marktorientierten Kooperationen finden Marktprozesse, das heißt insbesondere Preisverhandlungen weniger ausgeprägt ihren Niederschlag. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie völlig ihren Stellenwert verlieren. Sie werden lediglich durch eine funktionale gleichbedeutend mit intensiverer Zusammenarbeit zwischen den beteiligten selbständigen Unternehmen überlagert. Strukturelle Machtungleichgewichte bleiben erhalten, können allerdings bei ernsthaft verfolgter Kooperation (hier insbesondere vom mächtigeren Partner, weil dieser freiwillig einen Teil seiner Verhandlungsmacht aufgibt) ausbalanciert werden. Hinsichtlich des Vertrauens lässt sich konstatieren, dass traditionelle Kooperationen eine größere Vertrauensbasis besitzen als marktorientierte Kooperationen. Opportunistisches Verhalten muss allerdings bei beiden Formen unterstellt werden. Die intensivere Zusammenarbeit der kooperierenden Unternehmen bewirkt nach außen eine gewisse Geschlossenheit und reduziert darüber hinaus 94
auch Unsicherheiten in der interorganisationalen Wertschöpfung. Komplexität wird dagegen durch gegenseitigen Ressourcenaustausch begrenzt. Hinsichtlich der Gewinnverteilung kann verallgemeinert werden, dass hier wie auch bei marktorientierten Kooperationen der Verteilungsaspekt stark im Vordergrund steht. 3.2.2.3 Partnerschaftliche Kooperationen Die bei traditionellen Kooperationen latente Gefahr opportunistischen Verhaltens wird mit zunehmender Kooperationsausprägung geringer.314 Partnerschaftlich ausgerichtete Kooperationen zielen in diese Richtung. Kennzeichnendes Merkmal ist die ausgeprägte und offen bekundete Bereitschaft für eine langfristig ausgerichtete und intensive Zusammenarbeit, ebenso wie ein sehr viel stärker ausgeprägtes Vertrauensverhältnis. Anhand dessen wird die Abgrenzung zu traditionellen Kooperationen besonders deutlich. Vertragliche Ausgestaltungen zur Regulierung der Zusammenarbeit existieren in den meisten Fällen. Ihnen kommt jedoch ein eher formeller Charakter zu. Dies zeigt sich explizit in der Vertragsform, die selten konkret detailliert alle Aspekte regelt. Vielmehr handelt es sich um Rahmenverträge, die situativen Spielraum erlauben. Der Verteilungsaspekt spielt eine zunehmend geringere Rolle, obwohl auch hier – zumindest langfristig – die ökonomische Grundregel der Gewinnerzielung das Motiv des Handelns ist. Letztlich prägt das Ziel, den gemeinsam zu erwirtschaftenden Ertrag zu maximieren, das gemeinsame Handeln. Partnerschaftlich orientierte Kooperationen finden sich vor allem, jedoch nicht ausschließlich in vertikaler Ausrichtung wieder. Insbesondere die Wertschöpfungsstufe der Entwicklung ist vermehrt von derartigen Kooperationen geprägt. Die Entwicklung bezieht sich dabei sowohl auf Produkt- als auch auf Prozessentwicklungen.315
314
315
In diesem Zusammenhang wird auch von Coopetition – der Koexistenz von Konkurrenz und Kooperation – gesprochen. Vgl. Brandenburg, A. M./Nalebuff, B. J. (1996). Selbst das Bundeskartellamt hat diesen Begriff mittlerweile in den offiziellen Sprachgebrauch übernommen. Vgl. Bundeskartellamt (2000), in: Kosmider, H.P. (2004), S. 108, sowie die dort angegebene Literatur. Vor dem Hintergrund einer zunehmend vernetzten Wertschöpfungsstruktur sind partnerschaftlich orientierte Kooperationen allerdings auch im Produktionsbereich häufiger anzutreffen. Eine Ausweitung der Modularisierung (Zusammensetzen eines beliebigen Endproduktes aus verschiedenen Modulen) bedeutet einen verstärkten Bezug von Wertschöpfungselementen von Zulieferern. Allein die benötigte Liefersicherheit zwingt zu einem hohen Vertrauen gegenüber den Kooperationspartnern. Nur so kann die Fertigung des Endproduktes friktionslos erfolgen. 95
Das zwingend notwendige, stark ausgeprägte Vertrauen drängt eventuelle Machtungleichgewichte in den Hintergrund und reduziert die Unsicherheit. Vergleichbar mit traditionellen Kooperationen ist die Komplexitätsreduktion durch den gegenseitigen Ressourcenaustausch, die hier jedoch in sehr viel stärkerem Ausmaß gegeben ist. Einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt stellt die Fähigkeit zur Innovation dar, der ebenfalls weitgehend auf das ausgeprägte Vertrauen zurückzuführen ist. In der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit können hohe Funktionalitäten, aber auch ebenso gut Dysfunktionalitäten auftreten. Der damit angesprochene Stellenwert von Emotionen in zwischenmenschlichen Beziehungen ist Risiko und Chance zugleich, denn sie können sich nicht nur positiv auf die Zusammenarbeit auswirken, sondern auch in Konflikte und Probleme resultieren. Je nach Bindungsintensität geht dabei die operative Ausübung der Kooperation über die sach- und aufgabenbezogene Ebene hinaus. 3.2.2.4 Kooperation als Parameter interorganisationaler Wertschöpfungsnetzwerke Unternehmensnetzwerke umfassen zumeist mehrere (nicht selten viele) Beteiligte, so dass eine Koordination der gegenseitigen Austauschbeziehungen durch die Koordinationsmechanismen des Marktes, d. h. Verträge und Geld zu einer enormen Steigerung der Transaktionskosten führen würde. Je mehr Netzwerkpartner beteiligt wären, desto größer würde dabei der Effizienzverlust sein. Kooperation ist demnach als ein zentrales konstituierendes Merkmal von Unternehmensnetzwerken einzustufen,316 wobei sich die grundlegende Bedeutung der Kooperation u. a. daran bemisst, dass Netzwerke „[…] häufig explizit als ein Geflecht kooperativer Beziehungen konzipiert werden“317.
Nicht nur im Rahmen der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit, sondern auch auf den Ebenen Markt und Hierarchie existiert die Notwendigkeit zur Kooperation. Allerdings kann sie in letzteren beiden Fällen „[…] wenigstens teilweise durch Geld erkauft oder durch Macht erzwungen werden […]“318.
316
Vgl. Semlinger, K. (2006). Wurche, S. (1994b), S. 143, mit Bezug auf die Diskussion bei Sydow, J. (1992), S. 93 ff. 318 Kahle, E. (1999b), S. 53. 317
96
Dies stellt die Wichtigkeit des kooperativen Elements in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit heraus. Kooperation kann in interorganisationalen Beziehungen nicht erkauft oder erzwungen werden. Um nachhaltige Beziehungen zu generieren, muss sie freiwillig von allen Beteiligten erbracht werden. Dies umfasst ebenfalls die generelle Erwartungshaltung nach Vermeidung opportunistischen Verhaltens. Vertrauen spielt dabei als reziprokes Beziehungselement eine wichtige Rolle. Daran anknüpfend soll der Unterschied zwischen Unternehmensnetzwerken und dem kooperativen Element in Unternehmensnetzwerken verdeutlicht werden. Reziprozität bezieht sich auf die Tatsache, dass zwischen den Vertragspartnern über die reine Austauschbeziehung hinaus weitere Interdependenzen auf Grund sozialer Beziehungen bestehen. Utilitarismus wird begrenzt, der Aufbau von Vertrauen erleichtert. Letztlich begünstigt dies ein kooperatives Miteinander. Das Reziprozitätsprinzip als charakteristisches Merkmal von Netzwerken ist weiter gefasst. Es grenzt sich vom reinen Tauschprinzip dahingehend ab, dass es sich durch eine angemessene und ungefähre Gegenleistung und nicht durch Äquivalenz auszeichnet. Sodann handelt es sich um eine dauerhaftere soziale Beziehung und nicht um einen einmaligen Tausch. Das wohl wichtigste Merkmal ist der Verzicht auf explizite Vertragsbedingungen und damit auf Vertragsund Rechtssicherheit. Stattdessen bilden informelle Absprachen basierend auf Vertrauen die Beziehungsbasis.319 3.2.3 Charakterisierung und Typologisierung von Unternehmensnetzwerken Obschon das Netzwerkphänomen und in diesem Zusammenhang auch Unternehmensnetzwerke – Sydow spricht hier von einem mittlerweile „ubiquitären Phänomen“320 – seit mehr als zwei Jahrzehnten in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur diskutiert werden, konnte bis heute weder über ihre fundamentalen Eigenschaften noch definitorisch Einigkeit erzielt werden.321 Im Hinblick auf
319 320
321
Vgl. Messner (1995), S. 289 ff. Vgl. Sydow, J. (2004), S. 283. Vgl. ebenfalls Bommes; M./Tacke, V. (2006), S. 37. Thompson fasst seine Einschätzung weiter und impliziert kritisch: „Networks have become a ubiquitous metaphor to describe too many aspects of contemporary life. […] the category has left much of its analytical precision. […] it has become a ’word’ rather than a ’concept’.“ Vgl. Thompson, G. F. (2005), S. 2. Bezogen auf die organisationstheoretische Literatur siehe stellvertretend Sjurts, I. (2000), S. 6 ff.; Meyer, M. (1995), S. 156. Einen wesentlichen Beitrag zu Unternehmensnetzwerken leistete Sydow, dessen Definition und Einteilung mittlerweile eine weite Verbreitung gefunden haben; vgl. Sydow, J. (1992). Auf seine Arbeiten wird im Folgenden stark rekurriert. 97
versuchte Abgrenzungen des Netzwerkbegriffs kann konstatiert werden, dass die Vielzahl Typen bildender Kriterien lediglich bedingt zu einer Klärung der Sichtweise geführt haben. Bindungsintensität, Komplexitätsgrad, Steuerungsform oder die zeitliche Stabilität der Netzwerkbeziehung sind dabei nur einige im Schrifttum vorkommende Abgrenzungskriterien.322 Dissens besteht daneben hinsichtlich der wirtschaftlichen Selbstständigkeit/Abhängigkeit der am Netzwerk beteiligten Unternehmen.323 Letztlich muss auf die Uneinigkeit bezüglich der Netzwerkkonstituierenden Mitgliederzahl verwiesen werden. Hier reicht das Meinungsspektrum von zwei Unternehmen bis zu komplexen Multi-Strukturen, die jedoch aus mindestens drei Partnern bestehen.324 Der Querschnitt aus der wissenschaftlichen Literatur zeigt, dass Netzwerke ein theoretisch (und zwangsläufig auch empirisch) schwer zu erfassendes, kompliziertes Gebilde darstellen. Sydow definiert ein Unternehmensnetzwerk als „[...] eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten [...], die sich durch komplex reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmen auszeichnet.“325
Dabei ordnet Sydow Unternehmensnetzwerke nach: der Art der Steuerung (heterarchisch – hierarchisch) und der Stabilität der Beziehungen (stabil – dynamisch).326 Hierarchisch geführte Unternehmensnetzwerke charakterisieren sich durch die Existenz eines fokalen Unternehmens, das im Rahmen einer strategischen Führungsposition für Inhalt und Art der interorganisationalen Geschäftsbeziehungen verantwortlich zeichnet. Die Position innerhalb der Wertschöpfungskette, die Unternehmensgröße und/oder eine Ressourcenüberlegenheit bilden die Basis für die Dominanz des fokalen Unternehmens. Die Abhängigkeitsverhältnisse in einem hierarchischen Netzwerk gestalten sich asymmetrisch mit einem Machtge322
323
324
325 326
98
Vgl. Hess, T. (1999), S. 161; Sydow, J./Winand, U. (1998), S. 15 f. und Miles, R. E./Snow, C. C. (1992). Die Auffassungen umfassen eben jenes Spektrum von wirtschaftlicher Selbstständigkeit bis hin zur Abhängigkeit. Vgl. dazu Wildemann, H. (1997), S. 427; Sydow, J. (1992), S. 82. Der Grad der Abhängigkeit lässt sich naturgemäß nur schwer spezifizieren. Vgl. Mochty, L. (2001), S. 226; Schreyögg, G. (1999), S. 386; Beck, T. C. (1998), S. 12. Sydow, J. (1992), S. 79. Vgl. Sydow, J. (2003), S. 301. Wildemann trifft in diesem Kontext die Unterscheidung zwischen hierarchisch und polyzentrisch; vgl. Wildemann, H. (1997), S. 423. Für eine sehr ausführliche Typologie von Netzwerken nach Prozess, Inhalt und Funktion siehe Sydow, J. et al. (2003), S. 54 – 71.
fälle zwischen fokalem Unternehmen und den restlichen Netzwerkpartnern. Ein heterarchisches (/polyzentrisches) Netzwerk lässt dagegen genau diese Existenz eines fokalen Unternehmens vermissen, was zu einer eher gleichberechtigten Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Netzwerkpartnern führt. Koordinationsaufgaben innerhalb des Netzwerkes werden daher heterarchisch wahrgenommen.327 Die zweite Dimension zur Unterscheidung von Unternehmensnetzwerken bezieht sich auf die Stabilität der Netzwerkbeziehungen. Stabile Netzwerke entstehen durch die Verlagerung von Wertschöpfungsumfängen des Hauptakteurs (so genannten Core-Firm) auf dessen vor- bzw. nachgelagerte Wertschöpfungsebenen. Weil sich das Kernunternehmen in seiner Ausrichtung nicht grundlegend verändert, sind die interorganisationalen Beziehungen stabil und dauerhaft ausgestaltet. Dagegen werden dynamische Beziehungen durch den Hauptakteur (so genannte Lead Firm) kurzfristig und mit begrenztem Zeithorizont initiiert. Ziel derartiger Beziehungen ist die Kompetenzbündelung unterschiedlicher Firmen.328 Anhand der zwei diskutierten Dimensionen nimmt Sydow die in Abbildung 3.2.3 dargestellte Einteilung von Unternehmensnetzwerken vor: hierarchisch
Art der Steuerung
SN = strateg. Netzwerke PN = Projektnetzwerke RN = regionale Netzwerke VU = virtuelle Unternehmung
SN
PN VU
RN heterarchisch Stabilität d. Beziehung stabil
dynamisch
Abb. 3.2.3: Typologie von Unternehmensnetzwerken [Quelle: Sydow, J. (2003), S. 301] 327
328
Vgl. die Ausführungen bei Wildemann, H. (1997). Sydow charakterisiert heterarchische Netzwerke als regionale Netzwerke, weil sie zumeist zwischen kleinen und mittleren Unternehmen entstehen, die sich zudem durch eine räumliche Nähe auszeichnen; vgl. Sydow, J. (1995), S. 630. Vgl. Snow, C. C. et al. (1992), S. 13 ff. 99
Netzwerke resultieren aus bereits erfolgreicher interorganisationaler Zusammenarbeit oder auf Grund der konkreten Umsetzung latenter Bedürfnisse für eine unternehmensübergreifende Wertekette. Dabei bedürfen vernetzte Unternehmensstrukturen zur Zielerreichung grundlegend derselben Kompetenzen wie ein Einzelunternehmen. Der Vorteil hier ist die zielorientierte Ergänzung unterschiedlicher Fähigkeiten. Sydow et al. stellen im Zusammenhang mit Unternehmensnetzwerken fest, dass sie durch eine „[…] Intensivierung der Zusammenarbeit von Unternehmen oder durch eine begrenzte Funktionsausgliederung aufgrund einer ‚Lockerung’ hierarchisch koordinierter Austauschbeziehungen, mit anderen Worten, durch Quasi-Internalisierung oder Quasi-Externalisierung […]“329
entstehen. Die Zusammenarbeit kann sich auf die unterschiedlichsten funktionalen Wertschöpfungsumfänge beziehen und vielfältig ausgestaltet sein. Die Separation ehemals von einem Einzelunternehmen verrichteter funktionaler Umfänge bedingt dabei eine Reorganisation der bisherigen Wertschöpfungskette. So bemerkt Scheuplein: „Netzwerkartige Organisation liegt vor bei einer hohen organisatorischen Verkettung der Wertschöpfungsglieder und gleichzeitig geringer eigentumsrechtlicher Konzentration.“330
Koordination und Steuerung von Unternehmensnetzwerken erfolgt sowohl durch marktliche als auch durch hierarchische Elemente. Preise – als Ausdruck marktlicher Koordination – finden ihre Anwendung in Unternehmensnetzwerken in einer mittel- bis langfristigen Ausrichtung, im Gegensatz zu kurzfristigen Marktbeziehungen. Deshalb findet in Unternehmensnetzwerken auch bei kurzfristigen preisbasierten Diskrepanzen nicht sofort ein Geschäftspartnerwechsel statt, solange ein längerfristiges preisliches Einvernehmen besteht. Pläne – als Ausdruck hierarchischer Koordination – finden gleichfalls Anwendung. Auch hier existiert jedoch ein Unterschied, weil die Pläne interorganisational abgestimmt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unternehmensnetzwerke längerfristig orientiert und dementsprechend gesteuert sind.331 In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage nach den Zielen einer Netzwerkbildung auf. Vor dem Hintergrund der für Unternehmensnetzwerke charakteristischen Abhängigkeit der Partner, aus der ein schwierig zu quantifizierendes
329
330 331
Sydow, J. et al. (1995), S. 16. Zu den Begriffen Quasi-Internalisierung bzw. QuasiExternalisierung vgl. ausführlich Sydow, J. (1992), S. 103. Scheuplein, C. (1998), S. 25. Vgl. Siebert, H. (2006), S. 23.
100
Netzwerkrisiko resultiert, müssen positive Effekte dieses Risiko zumindest kompensieren. An dieser Stelle wird zur Erklärung auf die ressourcentheoretische Sichtweise rekurriert. Netzwerkbeziehungen entstehen durch die gegenseitige Einbringung dem Partnerunternehmen fehlender und zugleich komplementärer Ressourcen.332 Davon versprechen sich die beteiligten Unternehmen eine höhere Rente, als sie mit ihrem eigenen Ressourceneinsatz außerhalb der Netzwerkbeziehung erzielen könnten. Jene Ressourcenkomplementarität bedingt die angesprochene wirtschaftliche Abhängigkeit der Netzwerkpartner. Aktionen innerhalb des Netzwerkes wirken sich auf die jeweils selbst eingebrachten Ressourcen, aber auch auf die Ressourcen der Partnerunternehmen und damit auf die zu erzielende Netzwerkrente aus. Die Verteilung der Netzwerkrente muss dabei verhandelt werden.333 Unterschiedliche Spannungsverhältnisse entstehen selbst bei einer harmonischen Ausgestaltung der Netzwerkbeziehungen nicht nur hinsichtlich der Verhandlung über die Verteilung der Netzwerkrente. Spannungsverhältnisse können bezüglich Vertrauen und Kontrolle sowie Autonomie und Abhängigkeit/Macht, aber auch Kooperation und Kompetition auftreten.334 Konkret fasst Siebert die Gründe für Unternehmensnetzwerke zusammen. Aus einer wettbewerblichen Perspektive heraus335 sieht er die Notwendigkeit zu interorganisationaler Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken aus Gründen des Innovations-, Zeit-, Qualitäts- sowie Kosten- und Preiswettbewerbs.336 Einordnung automobiler Wertschöpfungsnetzwerke Automobile Wertschöpfungsnetzwerke lassen sich gemäß den vorgestellten Dimensionen in einem ersten Schritt wie folgt einordnen:337 Sowohl durch ihre klare hierarchische Führung durch den OEM als auch durch relativ stabile Geschäftsbeziehungen innerhalb des Netzwerkes sind automobile Wertschöpfungsnetzwerke als strategische Netzwerke zu kategorisieren.
332
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335 336 337
Zur Bündelung komplementärer Ressourcen in einem Netzwerk vgl. Das, T. K./ Teng, B.-S. (2000), S. 33 ff. sowie Dyer, J. H./Singh, H. (1998), S. 666 ff. Unternehmen erzielen auf Märkten Tauschrenten (Verteilung durch klassische Verträge geregelt) und in Hierarchien Quasi-Renten (Verteilung durch Arbeits- und Gesellschaftsverträge geregelt). Vgl. dazu Mayntz, R. (1992). Vgl. Sydow, J. et al. (1995), S. 49 ff. Semlinger gibt zu bedenken „[…], dass kein reales Sozialsystem vollständig intentional strukturiert und gesteuert werden kann. Dementsprechend ist es hoch wahrscheinlich, dass selbst mächtige Akteure, die versuchen, ihre Austauschverhältnisse zu ihrem Vorteil zu organisieren, an die Grenzen ihrer Macht stoßen, bevor ihnen dies zu ihrer vollsten Zufriedenheit gelungen ist.“ Semlinger, K. (2006), S. 56. Vgl. auch Abschnitt 2.3. Vgl. Siebert, H. (2006), S. 16 ff. In Abschnitt 4.1 wird diese Einordnung erneut aufgegriffen und automobile Wertschöpfungsnetzwerke werden in einem weiteren Schritt detaillierter betrachtet. 101
Ein detaillierter Blick offenbart gleichwohl, dass die Merkmale beider Dimensionen nicht für alle Netzwerkebenen zutreffen. So ist insbesondere das Merkmal der stabilen Geschäftsbeziehungen kritisch zu beleuchten. Das Verhältnis westlicher OEM zu ihren Teile- und Komponentenlieferanten ist vor allem durch marktliche Beziehungen geprägt, bei denen die Möglichkeiten des Global Sourcing genutzt werden, um standardisierte Leistungsumfänge hauptsächlich über das Kriterium Preis zu vergeben.338 Das latente Potenzial für kurzfristige Partnerwechsel wirkt dabei stabilen Beziehungen entgegen. Auf Grund des Innovations- und Zeitdrucks sehen sich die OEM darüber hinaus zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, mit Unternehmen Geschäftsbeziehungen einzugehen, die technologische Detaillösungen anbieten. Kurzfristige Beziehungsanbahnungen zur Ressourcensicherung kennzeichnen diese Beziehungen ebenso wie kurzfristige Auflösungen von Geschäftsbeziehungen bei ausbleibendem Geschäftserfolg. Die (In)Stabilität der Geschäftsbeziehungen hängt dabei sehr stark vom Innovations(miss)erfolg der Unternehmen ab. Den Fahrzeugherstellern ist im Rahmen der etablierten Hierarchie die Position des fokalen Unternehmens zuzuordnen.339 Regionale Netzwerke, Projektnetzwerke und virtuelle Unternehmungen werden im Folgenden nicht näher betrachtet, obwohl ihnen eine gewisse Relevanz für die Automobilindustrie nicht abgesprochen werden kann.340 Bevor die drei als für die Automobilindustrie relevant identifizierten Formen interorganisationaler Zusammenarbeit – Strategische Netzwerke, Strategische Allianzen, Wertschöpfungspartnerschaften – analysiert werden, soll die Betrachtung von Unternehmensnetzwerken auf einer übergeordneten Ebene mit der Diskussion von Chancen und Risiken abgeschlossen werden.
338 339 340
Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85 und S. 119. Vgl. Kalmbach, R./Kleinhans, C. (2004), S. 5. So ist insbesondere die Einbettung automobiler Wertschöpfung in regionale Netzwerkstrukturen von großer Bedeutung. Die in diesem Kapitel verfolgte Analyse fokussiert dagegen mehr auf die grundlegende Einordnung automobiler Wertschöpfungsnetzwerke, die wie dargelegt als strategische Netzwerke fungieren. Der räumliche Aspekt wird in Kapitel 5 im Rahmen der Standortfaktorenanalyse näher betrachtet. Projektnetzwerke werden im Rahmen von interorganisationalen F&EAktivitäten in der Automobilindustrie genutzt. Ihnen ist ungeachtet der teilweise bedeutenden Inhalte in Bezug auf die Entwicklung innovativer Produkte und Prozesse im Rahmen des Gesamtwertschöpfungsnetzwerkes lediglich eine periphere Bedeutung zuzuordnen. Virtuelle Unternehmungen sind trotz erschöpfender wissenschaftlicher Diskussion zumindest in der Automobilindustrie von nachgelagerter Bedeutung.
102
3.2.3.1 Chancen von Unternehmensnetzwerken In Anlehnung an die dargestellten Ziele/Motive interorganisationaler Kooperation341 lassen sich die Chancen respektive die Potenziale von Unternehmensnetzwerken ableiten. Ressourcenzugang Der Zugang zu wertvollen, nicht substituierbaren und nicht imitierbaren Ressourcen342 stellt eine wesentliche Motivation für die Zusammenarbeit in Unternehmensnetzwerken dar. Unternehmen sehen sich mit der grundsätzlichen Unmöglichkeit konfrontiert, über alle für einen Wertschöpfungsprozesses notwendigen Ressourcen selbst zu verfügen.343 Gleichzeitig besteht die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit – zumindest indirekt, d. h. durch Netzwerkpartner – auf fehlende Ressourcen zugreifen zu können. Aus der Perspektive des Gesamtnetzwerkes ist es nicht nur erstrebenswert, komplementäre Ressourcen zu vereinen, um den gewünschten Leistungsumfang erstellen zu können. Vielmehr sollten die Ressourcen derart kombiniert werden, dass der Leistungsumfang hinsichtlich Qualität, Kosten und Zeit verbessert wird. Können darüber hinaus neue (innovative) Leistungsumfänge durch die Kombination komplementärer Ressourcen geschaffen werden, wird der erzielte Nutzen für die Netzwerkunternehmen nochmals erhöht.344 Ressourcenzugang muss sich nicht allein auf physische Komponenten beziehen. Die Erschließung neuer Märkte durch die Überwindung von Eintrittsbarrieren345 ermöglicht durch die Zusammenarbeit in einem Unternehmensnetzwerk stellt ebenfalls eine Form des Ressourcenzugangs dar. Internationale Kooperationen bieten die Chance für ausländische Unternehmen, sich in einem bis dato nicht erschlossenen Markt mit Hilfe eines inländischen Partners zu etablieren. Die zugrunde liegende Motivation ist der Erwerb von Akzeptanz bei Kunden und Geschäftspartnern.346 Darüber hinaus können Kooperationen der Erhöhung von Marktmacht dienen, um einen gemeinsamen Standard (bspw. elektronische Schnittstellen etc.) zu definieren.347
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344 345 346 347
Siehe Abschnitt 3.2.2. Siehe Abschnitt 2.1.4. Siehe Abschnitt 2.1.5 sowie Abschnitt 2.2.2 zu den Autarkiebestrebungen Fords in der Automobilindustrie. Vgl. Göransson, A./Schuh, G. (1997), S. 77. Siehe Abschnitt 2.1.3. Vgl. Pepels, W. (2004), S. 1122. Vgl. Krystek, U. et al. (1997), S. 223. 103
Verbesserung der Kostenposition und Qualität Mit der Bildung von bzw. dem Beitritt zu bestehenden Netzwerken versuchen Unternehmen, Synergien zu erschließen, die auf die Verbesserung der Kostenposition sowie der Qualität abzielen. Insbesondere in Massenproduktionsindustrien kann auf diese Weise die eminent wichtige Kapazitätsauslastung durch die sinnvolle Bündelung von Wertschöpfungsumfängen erreicht werden. Die daraus resultierenden Größenvorteile (Fixkostendegression) tragen ebenso zu Effizienzgewinnen bei wie die gleichzeitig mit der Verringerung der Leistungstiefe einhergehenden Spezialisierungsvorteile. Lerneffekte können durch höhere Stückzahlen schneller realisiert werden,348 was sich – in einer dynamischen Betrachtung – in sinkenden Kosten und steigender Qualität zu einem früheren Zeitpunkt widerspiegelt. Des Weiteren bietet sich mit der gezielten gemeinsamen Nutzung bereits etablierter Infrastrukturen (F&E-, Produktionseinrichtungen) die Möglichkeit zum Abbau von Redundanzen.349 Hohe Kapitalbindungskosten können so vermieden bzw. zumindest reduziert werden. Letztlich ist auf Kostenreduktionen in der Beschaffung durch die gestärkte Verhandlungsposition gegenüber Zulieferern und Abnehmern auf Grund der zunehmenden Größe zu verweisen. So erzielte Kosteneinsparungen dienen der Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Innovations-, Zeit- und Flexibilitätsvorteile Durch die Einflussdeterminanten Konsumenten, Wettbewerb und Gesetzgebung steigen die Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich Innovationsfähigkeit, Zeit und Flexibilität.350 Produkt- und Prozessinnovationen lassen sich im Netzwerkverbund oftmals leichter generieren und resultieren in sinkende Kosten, steigende Qualität und im besten Fall in eine (zumindest kurzfristige) Technologieführerschaft. Zeit als eigenständige Einflussgröße des Wettbewerbs gewinnt weiterhin beständig an Bedeutung hinzu.351 Dies gilt insbesondere für die der Produktion vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsumfänge von F&E und Vertrieb.352 Picot et al. fassen wie folgt die Vorteile kurzer Entwicklungszeiten zusammen:353
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Vgl. Göransson, A./Schuh, G. (1997), S. 75. Vgl. Bleicher, K. (1992), S. 70. Siehe Abschnitt 2.3.1 und 2.3.2. Vgl. Stalk, G./Hout, T. M. (1992), S. 45 ff. Vgl. Simon, H. (1989) darüber hinaus zur Thematik „Zeit als strategischer Erfolgsfaktor“. Vgl. Bower, J. L./Hout, T. M. (1989), S. 70 f. Vgl. Picot, A. et al. (1988), S. 114.
104
{ Möglichkeit auf Nachfrageänderungen am Markt schneller reagieren zu können; { Geringere Kapitalbindung und damit frühere Ressourcenfreisetzung durch schnellere Fertigstellung der Entwicklungsarbeiten; { Verringerung zeitabhängiger Störungen/Änderungen im Entwicklungsprozess. Der erste Punkt kann sich sowohl auf die marktgetriebene Entwicklung bestimmter Produktumfänge als auch neuer Fahrzeuge beziehen. Entwicklungszeiten können als Prognosezeitraum zur Erfüllung von Kundenwünschen verstanden werden. Je kürzer der Entwicklungszeitraum und damit der Prognosezeitraum, desto größer dürfte die Prognosesicherheit ausfallen, die dann ihrerseits den Erfolg des Produktes am Markt positiv beeinflusst.354 Die Reduzierung der time-to-market wird deshalb vor allem durch F&E-Kooperationen realisiert. Zeitvorteile beruhen ferner ebenso wie Flexibilitätsvorteile auf der parallelen bzw. zeitlich überlappenden Wertschöpfung, die erst durch das Zusammenspiel mehrerer Netzwerkakteure gewährleistet werden kann. Innovationskooperationen werden im Bereich der F&E von großen Unternehmen angestrebt, um sich entweder konkrete Innovationen oder aber die Option auf zukünftige Innovationen zu sichern. Kleine Unternehmen profitieren im Gegenzug von einer Risikominimierung im Falle einer Fehlentwicklung und/oder dem erleichterten Zugang zu Fremdkapital, das durch den Netzwerkpartner bereitgestellt wird.355 Sydow verweist auf die im Vergleich zur monolithischen Organisationsstruktur höhere strategische Flexibilität von Unternehmensnetzwerken.356 Die Erschließung bzw. Aufgabe neuer Geschäftsfelder wird durch die lose Kopplung der Netzwerkbeziehungen begünstigt. Mit Blick auf die vereinten Ressourcen des Netzwerkes im Vergleich zu den Ressourcen eines einzelnen Unternehmens ist der Ressourceneinsatz für die Erschließung neuer Geschäftsmöglich-
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356
Vgl. Clark, K. B./Fujimoto, T. (1992), S. 75 f. Diese Annahme unterstellt, dass sich die Finanzierung am Kapitalmarkt für innovative „kleine“ Unternehmen schwieriger gestaltet als für große Konzerne. Dies ist in Studien zumindest für die deutsche Automobilzulieferindustrie mehrfach bestätigt. Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 56 für die Herausforderungen, denen sich mittelständische Automobilzulieferer bei der Fremdfinanzierung stellen müssen. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 137 darüber hinaus zur Eigenkapitalausstattung deutscher Automobilzulieferer und die daraus resultierende Finanzierungsproblematik. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 110; Sydow, J. (2003), S. 306. 105
keiten begrenzt.357 Dies kommt einer Risikominimierung gleich. Flexibilisierung entsteht auch bei den bereits angesprochenen Fixkosten durch die Vergabe von Wertschöpfungsumfängen an Netzwerkpartner. In diesem Kontext ist auch die Glättung von Nachfrageschwankungen durch ein einerseits abgestimmtes und andererseits breit gestreutes Produktionsvolumen positiv zu bewerten. Die bessere Abstimmung ermöglicht die – im Vergleich zu marktlichen Transaktionen – in Netzwerken gegebene Stabilität der Austauschbeziehungen durch den langfristigen Horizont und die enge informatorische Verknüpfung. Das Ziel der Automobilhersteller, modulare Produktarchitekturen umzusetzen, bietet die Chance und die Notwendigkeit der ganzheitlichen interorganisationalen Optimierung der Wertschöpfungskette. Diese Optimierung ist mit der in einem Unternehmensnetzwerk gegebenen Stabilität und informatorischen Verknüpfung leichter realisierbar als in marktlich ausgerichteten Geschäftsbeziehungen. Flexibilität bezüglich standardisierter Baugruppen und die Eindämmung von Kosten bezüglich der notwendigen Variantenvielfalt sind als weitere Vorteile zu nennen.358 3.2.3.2 Risiken von Unternehmensnetzwerken Netzwerkbeziehungen lassen sich nicht friktionsfrei gestalten, weil sie von sozialen Beziehungen getragen werden, die ihrerseits durch divergente Ziele der handelnden Akteure geprägt sind. Um eine umfassende Entscheidungsbasis bezüglich der Wertschöpfungserstellung in Unternehmensnetzwerken zu schaffen, bedarf es daher auch der Betrachtung der Risiken von Unternehmensnetzwerken. Im Folgenden werden die für automobile Wertschöpfungsnetzwerke als besonders relevant erachteten Risiken diskutiert; und für eine weitergehende Analyse wird auf die jeweilige Literatur verwiesen.359 Zunahme der Abhängigkeit von Netzwerkressourcen Bindet sich ein Unternehmen in ein Unternehmensnetzwerk ein, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es damit seine Handlungsfreiheit und Autonomie einschränkt, weil die Entscheidungsfindung im Netzwerk bis zu einem gewissen Grad i. d. R. konsensbasiert erfolgt.360
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Vgl. Kogut, B. (1991), S. 22. Vgl. Krystek, U. et al. (1997), S. 209. Vgl. zu den Problemdimensionen einer Netzwerkorganisation ausführlich Messner, D. (1995), S. 214 ff. Werden dagegen Entscheidungen durch das fokale Unternehmen getroffen und auf Grund asymmetrischer Machtverhältnisse durchgesetzt, ergeben sich anders gelagerte Probleme, die in Abschnitt 3.2.3.2 analysiert werden.
106
Eine Einschränkung der einzelunternehmerischen Flexibilität äußert sich bspw. dadurch, dass die Möglichkeit der so genannten exit option zwar theoretisch gegeben, jedoch nicht immer kurzfristig realisierbar ist. Die Einhaltung bestehender Verträge, aber auch der potenzielle Verlust des mit dem Netzwerk generierten Geschäftes kann zu einem Verbleiben und damit zur Abhängigkeit zwingen. Abhängigkeiten in Unternehmensnetzwerken definieren sich darüber hinaus aus der relativen Bedeutung der einzelnen Netzwerkpartner zueinander. Die relative Stärke manifestiert sich zum einen in historisch gewachsenen Strukturen – was bspw. für viele fokale Unternehmen in strategischen Netzwerken zutrifft. Zum anderen entscheidet die Ressourcenausstattung (qualitativ und quantitativ) über die relative Stärke.361 Die im Optimalfall an der kollektiven Nutzensteigerung des Netzwerks ausgerichteten Entscheidungen müssen zudem nicht zwangsläufig mit den Zielvorstellungen der einzelnen Netzwerkpartner konform gehen. Eine Beeinflussung der Netzwerkpartner (wenn nicht durch gegebene asymmetrische Machtverhältnisse unterstützt) hinsichtlich der Realisierung eigener Interessen gestaltet sich schwierig, weil die hierarchische Koordinationsform der (An)Weisung in Unternehmensnetzwerken nicht durchsetzbar ist. Alternativ können Macht und Vertrauen als Koordinationsinstrumente Anwendung finden. Macht scheint robuster als Vertrauen zu sein, wobei ihr Einsatz die Wahrscheinlichkeit eines Netzwerkversagens erhöht.362 Dagegen gilt es, Vertrauen in einem langfristigen Prozess aufzubauen und zu pflegen, wobei opportunistisches Verhalten eines oder mehrerer Netzwerkakteure zu einem kurzfristig eintretenden, unter Umständen jedoch lang anhaltenden Vertrauensverlust führt. Dies kann je nach Schwere des Vertrauensmissbrauchs im Extremfall das Fortbestehen des gesamten Netzwerkes gefährden.363 Abhängigkeiten durch die Einbindung in das Unternehmensnetzwerk können sich auch als lock-in Effekt (eingeschlossen in das Unternehmensnetzwerk) bzw. als lock-out Effekt364 (von Beziehungen außerhalb des Unternehmensnetzwerkes ausgeschlossen) äußern. Dass ein Unternehmen auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Unternehmensnetzwerk auf Beziehungen zu netzwerkexternen Unternehmen verzichten oder diese zumindest einschränken muss, kann sich durch rechtlich vereinbarte Netzwerkexklusivität oder aber mangels begrenzter Ressourcen (d. h., dass Netzwerk bindet zu viele Ressourcen, um weitere Beziehungen eingehen zu können) ergeben.
361
362 363 364
Ressourcenausstattung wird in diesem Kontext in Anlehnung an Abschnitt 2.1.4 und 2.1.5 im weitesten Sinne verstanden. D. h. Ressourcen können sowohl materielle Werte als auch immaterielle Werte (Kompetenzen etc.) umfassen. Vgl. Messner, D. (1995), S. 215. Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (1997), S. 89. Vgl. Gulati, R. et al. (2000), S. 210 f. 107
Know-how-Verlust Als wesentliche Motive interorganisationaler Zusammenarbeit gelten der Austausch und Aufbau materieller und immaterieller Ressourcen.365 Gerade der Austausch von Know-how impliziert jedoch auch immer die Gefahr des Knowhow-Abflusses.366 Es ist demzufolge einzelfallspezifisch zu klären, ob ein Unternehmen seine langfristige Wettbewerbsposition durch den Verlust von strategischem Know-how beeinträchtigt.367 Cohen und Levinthal sprechen von absorptive capacity368 als Fähigkeit, externes Wissen aufzunehmen, zu bewerten, zu assimilieren und letztlich auch zu kommerzialisieren, was den unilateralen Lernerfolg determiniert. Unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten resultieren dabei in einem asymmetrischen Know-how-Abfluss. Opportunistisches Verhalten entsteht insofern, als dass jedes Unternehmen versuchen wird, schneller zu lernen als seine Netzwerkpartner369 – um dann so zeitig die Verbindung zu lösen, dass das andere Unternehmen den einseitigen Know-how-Transfer nicht mehr ausgleichen kann.370 Im Extremfall werden Unternehmen versuchen, so viel wie möglich Know-how zu absorbieren und möglichst kein eigenes Know-how preiszugeben, sei es durch ein geringes Engagement dahingehend bzw. durch die bewusste Informationszurückhaltung.371 Diese Verhaltensweise widerspricht aber grundsätzlich dem Netzwerkgedanken. Eine per Definition angestrebte langfristig ausgerichtete Zusammenarbeit findet somit keine Basis. Der Abfluss von Know-how kann seine Ursachen auch in einer übermäßigen Wertschöpfungsexternalisierung finden. Kompetenzverluste durch Auslagerung auf Grund kurzfristig ausgerichteter Kostensenkungsmaßnahmen drohen, einem
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Die nachfolgende Diskussion legt den Fokus auf immaterielle Ressourcen und fasst diese aus Gründen der Vereinfachung unter dem Begriff Know-how zusammen. Vgl. Porter, M. E./Fuller, M. B. (1989), S. 378. Für eine aktuelle Diskussion und zwei unterschiedliche Sichtweisen vgl. Walden, E./Wetherbe, J. (2005), S. 12 f.; Deckstein, D. et al. (2006), S. 70 – 72. Vgl. Pierer, H. v. (1999), S. 383. Vgl. Cohen, W. M./Levinthal, D. A. (1990), S. 128. Der bilaterale Lernerfolg wird dagegen durch gemeinsame Wissensbasen, Organisationsstrukturen und dominante Geschäftslogiken gefördert. Vgl. Ritter, T./Gemünden, H. G. (1998), S. 260 ff. Hamel spricht in diesem Zusammenhang von einem „learning race“; vgl. Hamel, G. (1991), S. 88 f. Porter/Fuller stellen fest: „Koalitionen [als Synonym für unternehmensübergreifende Zusammenarbeit; T. S.], bei denen es um den Zugriff auf Spezialkenntnisse geht, sind die am wenigsten dauerhaften. Sie lösen sich auf, sobald die Unternehmung den angestrebten Zugang zum gewünschten Wissen erhalten hat und intern ihre Kenntnisse oder Fähigkeiten weiterentwickelt, die sie durch die Koalition gewonnen hat.“ Porter, M. E./Fuller, M. B. (1989), S. 381. Vgl. Gulati, R. et al. (2000), S. 210 f.
108
Unternehmen langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu entziehen. Diese durchaus reale Gefahr wird allerdings nur selten in der von Lorenzoni/Baden-Fuller diskutierten Degenerierung eines Unternehmens zu einer hollow organization372 resultieren, weil jedes Unternehmen weitgehend autonom darüber entscheidet, welche Wertschöpfungsumfänge und in welchem Umfang diese ausgelagert werden. Kritisch ist die Situation jedoch dann einzuschätzen, wenn das Unternehmen einen derart abnehmenden Beitrag an der Gesamtwertschöpfung des Netzwerkes verzeichnet, dass es entbehrlich wird. Fokale Unternehmen unterliegen dieser Gefahr wegen ihrer Dominanz weniger als periphere Netzwerkpartner. Allerdings sehen sich fokale Unternehmen durch den mit der Auslagerung von Wertschöpfungsumfängen einhergehenden Kompetenzverlust mit wachsenden Schwierigkeiten bezüglich der Steuerung des Gesamtnetzwerkes konfrontiert. Eine zunehmende Autonomie der Netzwerkakteure führt dazu, dass sie sich nicht mehr in dem Maße durch den strategischen Führer steuern lassen wie zuvor.373 Netzwerkkosten Kosteneinsparungen durch Kooperation (bspw. durch Spezialisierung und damit das Erzielen von Skaleneffekten oder das Vermeiden von mehrfach getätigten F&E Aufwendungen) stehen erhöhte Transaktionskosten gegenüber.374 Um die interorganisationale Zusammenarbeit in komplexen Unternehmensnetzwerken zu initiieren, bedarf es zu Beginn Investitionen zum Netzwerkaufbau. Dabei sind es häufig die durch die Netzwerkgründung gebundenen – und nur schwer zu quantifizierenden – Managementressourcen, die die Unternehmen belasten. Insbesondere ein fokales Unternehmen wird hier überproportional beansprucht, weil ihm im Rahmen der strategischen Ausrichtung die Initiierungsfunktion obliegt. Mit Blick auf die nach der Aufbauphase anstehende Netzwerksteuerung erscheint es sinnvoll, ausführlich und mit großer Sorgfalt in die vertragliche Ausgestaltung der Netzwerkbeziehungen zu investieren. Derartige Anfangsinvestitionen, die zwar höhere Kosten vorab bedingen, können im Verlauf der eigentlichen Netzwerkarbeit zur Vermeidung von Kosten führen. Klare Netzwerkregelungen, die auch Sanktionen bei Fehlverhalten umfassen, können eventuellen Konflikten vorbeugen oder sie bei Auftreten zumindest entschärfen. Genaue vertragliche Regelungen können im Streitfall Einsparungen bei Verhandlungskosten ergeben.
372 373 374
Vgl. Lorenzoni, G./Baden-Fuller, C. (1995), S. 152. Vgl. Sydow, J. (2003), S. 306. Vgl. Porter, M. E./Fuller, M. B. (1989), S. 377 f. Vgl. darüber hinaus detailliert Abschnitt 3.3.4 zur Transaktionskostentheorie. 109
Die Bedeutung strategischer Ressourcen kann ein Netzwerkunternehmen veranlassen, die Verfügungsgewalt über eben jene Ressourcen zu behalten (oder zu gewinnen), obwohl bzw. gerade weil ein anderer Netzwerkakteur diese Ressourcen beisteuert.375 Die Ressourcenallokation innerhalb des Netzwerkes ist auf Grund der Ressourcenredundanz und den damit anfallenden unnötigen Kosten nicht optimal. Die Verhaltensweise ist aus Sicht des Gesamtnetzwerkes abzulehnen, aus Sicht des einzelnen Netzwerkteilnehmers hingegen nachvollziehbar. Das Unternehmen versucht, die Abhängigkeiten von Netzwerkressourcen, insbesondere von strategischen Ressourcen zu begrenzen, um sich auf diese Weise eine gewisse Autonomie zu erhalten/aufzubauen. Letztlich dient diese Handlungsweise der Vorbeugung gegen opportunistisches Verhalten. Opportunismus verlangt im Vergleich zur hierarchischen Koordination nach höheren Kontrollkosten.376 Die Vermeidung opportunistischen Verhaltenspotenzials zur weitgehenden Reduktion von Transaktionskosten lenkt den Fokus auf interorganisationales Vertrauen. Existiert gegenseitiges interorganisationales Vertrauen, verfügen die Netzwerkakteure über eine weitgehend sichere Entscheidungsbasis für ihre eigenen Unternehmensentscheidungen. Daneben resultiert Vertrauen in Komplexitätsreduktion377 und damit in sinkende Kosten. Trotz möglicher Probleme durch Vertrauensmissbrauch378 ist die Investition in beziehungsspezifische Vermögenswerte durch Vertrauen als Mittel zur Transaktionskostensenkung379 aus betriebswirtschaftlichem Kalkül positiv zu bewerten. Ein weiteres Risiko soll an dieser Stelle nur genannt werden, ohne es jedoch ausführlicher zu diskutieren. Sydow verweist auf die Gefahr einer unterdurchschnittlichen Leistungsbereitschaft, die aus mangelnder Identifikation mit dem Netzwerk entspringen kann.380 Aus dem Blickwinkel heraus, dass die Netzwerkteilnahme auf Grund der daraus resultierenden und überwiegenden Chancen angestrebt wird, erscheint dieser Gesichtspunkt allerdings eher theoretischer Natur. Vielmehr ergibt sich die Gefahr unterdurchschnittlicher Leistungserbringung durch den einseitigen Einsatz von Macht (bspw. durch das fokale Unternehmen).
375
Vgl. Krystek, U. et al. (1997), S. 235 f. Vgl. Kabst, R. (2000), S. 68 ff. sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.3.4. 377 Vgl. Luhmann, N. (2000), S. 27 ff. 378 Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (1997), S. 89 und die Ausführungen unter dem Punkt „Zunahme der Abhängigkeit von Netzwerkressourcen“ in diesem Abschnitt. 379 Vgl. Dyer, J. H. (1997), S. 544. 380 Vgl. Sydow, J. (2003), S. 306. 376
110
3.2.4 Automobilrelevante Formen von Unternehmensnetzwerken Nachdem in den Abschnitt 3.2.1 die Koordinationsformen Markt, Hierarchie und Unternehmensnetzwerke vorgestellt, in Abschnitt 3.2.2 die Kooperationsthematik ausführlich dargelegt und in Abschnitt 3.2.3 Unternehmensnetzwerke allgemein charakterisiert wurden, bedarf es nun der Typologisierung der vielfältigen Ausprägungen praxisrelevanter Koordinationsformen. Dabei reicht das Spektrum möglicher Kooperationen von stillschweigenden, mündlichen Absprachen bis hin zu engen vertraglichen Regelungen.381 Nachfolgend werden Strategische Allianzen, Strategische Netzwerke und die seit geraumer Zeit insbesondere in der automobilspezifischen Fachliteratur verstärkt thematisierten Wertschöpfungspartnerschaften analysiert.382 Eine erste Einordnung erfolgt in nachfolgender Abbildung 3.2.4 anhand des bereits eingeführten trichotomen Modells. Mit dieser partiellen Darstellung wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Darüber hinaus lassen sich die angeführten Organisationsformennicht eindeutig im Modell positionieren. Marktlich basierte Austauschverhältnisse, denen in der Automobilindustrie allein auf Grund ihres häufigen Auftretens eine große Bedeutung zuzusprechen ist, sind aus Gründen der Vollständigkeit mit aufgeführt, obwohl sie nachfolgend nicht diskutiert werden.383
381 382
383
Vgl. Bronder, C. (1993), S. 57 ff. Akquisitionen und Fusionen spielen in den aktuellen Geschehnissen der Automobilindustrie im Rahmen des seit Jahren anhaltenden Konzentrationsprozesses insbesondere auf Zulieferebene eine bedeutende Rolle. In der vorliegenden Arbeit werden sie jedoch vernachlässigt, weil mit ihnen zwei vormals eigenständige Unternehmungen verschmelzen, was im weitesten Sinne einer vertikalen bzw. horizontalen Integration gleich kommt. Die hier verfolgte Netzwerkperspektive fokussiert dagegen auf die interorganisationale Zusammenarbeit zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen. Für eine Charakterisierung marktlicher Austauschverhältnisse siehe Abschnitt 3.2.1.1. 111
Markt
Hierarchie
marktlich basierte Austauschverhältnisse
Strategische Netzwerke Strategische Allianzen
Wertschöpfungspartnerschaften
NetzwerkOrganisation
Abb. 3.2.4: Einordnung automobilrelevanter Formen von Unternehmensnetzwerken in das trichotome Modell von Fischer [Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Fischer, S. (2001), S. 148]
3.2.4.1 Strategische Netzwerke Wird der Begriff des Strategischen Netzwerkes sehr weit aufgefasst, so bezieht er sich auf alle langfristig ausgelegten interorganisationalen Beziehungen mit strategischer Relevanz der am Netzwerk beteiligten Unternehmen.384 In dieser wenig präzisen, aber im allgemeinen Sprachgebrauch üblichen Begriffsauslegung können unterschiedliche Kooperationsformen mit strategischer Ausrichtung (bspw. Strategische Allianzen oder Joint Ventures) zusammengefasst werden.385 Dabei differenzieren sich Strategische Netzwerke vor allem vertikal aus. Gleichwohl sind auch horizontale Netzwerkarrangements üblich, die sich allein dann ergeben, wenn mehrere horizontale Allianzen strukturprägend für ein Strategisches Netzwerk wirken.386 Eine Divergenz zwischen Strategischen Netz-
384 385 386
Vgl. Gulati, R. et al. (2000), S. 203. Vgl. Bamberger, I./Wrona, Th. (2004), S. 201. So können bspw. strategische Netzwerke zwischen Unternehmen durch mehrere Transferallianzen oder Joint Ventures entstehen. Beide Kooperationsformen neigen eher, aber nicht ausschließlich, zu einer horizontalen, denn vertikalen Ausprägung.
112
werken und Strategischen Allianzen existiert insofern, als dass Strategische Netzwerke komplexe, multiple Organisationsstrukturen aufweisen, die in der Regel mehrere Strategische Allianzen und/oder weitere Kooperationsformen umschließen können.387 Die Abgrenzung Strategischer Netzwerke gestaltet sich im Vergleich zur Abgrenzung Strategischer Allianzen nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil nicht alle am Netzwerk beteiligten Unternehmen direkte Beziehungen miteinander unterhalten. Die inhaltlich gleiche Verwendung der Begriffe Strategische Allianz und Strategisches Netzwerk ist in einigen Fällen gerechtfertigt, bspw. bei japanischen Keiretsu Systemen.388 Indes besteht eine klare Unterscheidung zwischen dem Netzwerkkonzept, das vielfache enge, allerdings nicht-exklusive Beziehungen impliziert, und dem Konzept der Strategischen Allianz, das im Vergleich dazu auf eher losen Beziehungen basiert, die auf die Bildung einer gemeinsamen Unternehmung hinsichtlich eines eingeschränkten Wertschöpfungsumfangs gerichtet sind.389 Sell definiert ein Strategisches Netzwerk als eine größere Gruppe von Unternehmen, die langfristig ausgerichtet nach bestimmten Regeln (festgeschrieben oder auch nicht) zusammenarbeiten. Die Netzwerkführerschaft übernimmt ein oder mehrere Unternehmen. Das/die fokale(n) Unternehmen steht/stehen größtenteils am Ende der Wertschöpfungskette nahe dem Endkonsumenten. Innerhalb eines Strategischen Netzwerkes findet vor allem eine Technologie- und Personaltransferierung statt, und es erfolgt eine Weitergabe erfolgskritischer Informationen. Hinsichtlich der Koordination werden spezielle Organisationseinheiten und interorganisationale Informationssysteme unterhalten. Auf Grund personeller, sachlicher, (u. U. auch) finanzieller Vernetzung werden Netzwerke ebenso zusammengehalten wie durch vertragliche Vereinbarungen oder Absprachen zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.390
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390
Es gilt jedoch anzumerken, dass keine Verallgemeinerung getroffen werden kann, Strategische Allianzen wären zwangsläufig als „Untergruppe“ Strategischer Netzwerke zu betrachten. Siehe nachfolgend die Definition zu japanischen Keiretsu in diesem Kapitel. Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 145. Der von den Autoren vertretenen Auffassung der nicht-exklusiven Beziehungen in Strategischen Netzwerken wird im Folgenden für bestimmte interorganisationale Beziehungen in automobilen Netzwerken widersprochen (OEM und Tier-1/Tier-2; Tier-1 und Tier-2). Vgl. Sell, A. (2002), S. 72 ff. 113
Japanische Keiretsu, die als Urform der dominierten Form eines Netzwerkes gelten, lassen sich wie folgt charakterisieren: „[…] the vertical keiretsu are tight hierarchical associations centered on a single large parent and containing multiple smaller satellite companies within related industries. While focused in their business activities, they span the status breadth of the business community, with the parent firm part of Japan’s largefirm economic core and its satellites, particularly at lower levels, small operations that are often family-run. […] The vertical keiretsu can be divided into three main categories. The first are the sangyo keiretsu or production keiretsu, which are elaborate hierarchies of primary, secondary, and tertiary-level subcontractors that supply, through a series of stages, to the parent firm. The second are the ryutsu keiretsu or distribution keiretsu. These are linear systems of distributors that operate under the name of a large-scale manufacturer, or sometimes a wholesaler. They have much in common with the vertical marketing system that some large US manufacturers have introduced to organize their interfirm distribution channels. A third – the shihon keiretsu or capital keiretsu – are groupings based not on the flow of production materials and goods but on the flow of capital from a parent firm.“391
Die Ausgestaltung vollzieht sich in der Praxis jedoch nicht immer so klar abgegrenzt, wie hier dargestellt. Partielle Überschneidungen sind häufig anzutreffen, duale Zentren – ein Produktions- bzw. Handelszentrum und gleichzeitig ein Finanzzentrum – liegen ebenfalls im Bereich des Möglichen.392 Die von Sydow geprägte Definition eines Strategischen Netzwerkes erfreut sich trotz ihrer Abstraktheit in der wissenschaftlichen Literatur regelmäßiger Verwendung und soll deshalb auch hier als Referenzpunkt dienen. Gemäß Sydow stellt sich ein Strategisches Netzwerk als „[…] eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende, polyzentrische, gleichwohl von einem oder mehreren Unternehmen strategisch geführte Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmen auszeichnet. Typischerweise tritt in dieser Organisationsform dezentraler Unternehmensführung die Frage des Eigen-
391 392
Gerlach, M. L. (1992), S. 68. Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 155. Zu japanischen Keiretsu-Systemen vgl. grundlegend Picot, A. et al. (2005), S. 196 ff.; Burt, D. N. (1994); Burt, D. N./Doyle, M. F. (1993), S. 37 ff.; Sydow, J. (1991), S. 241 ff.
114
tums hinter der Frage der strategischen Steuerbarkeit der Netzwerkunternehmungen zurück.“393
Das signifikant charakterisierende Merkmal für Strategische Netzwerke ist – wie bei vielen Autoren verankert – die strategische Führung der im Netzwerkverbund integrierten Unternehmen durch eine Unternehmung oder mehrere fokale Unternehmungen.394 Dabei wirkt sich der Einfluss der fokalen Unternehmung stärker als der der geführten Unternehmen auf Aspekte wie Strategien/ Technologien zur Marktbearbeitung, die Marktauswahl und die interorganisationalen Geschäftsprozesse aus. Das fokale Unternehmen ist laut Sydow tendenziell ein Endverbraucher nahes Großunternehmen, das Unternehmen unterschiedlicher Größe führt.395 Weil sich Strategische Netzwerke für die Abwicklung bestimmter Transaktionen als effizientester Koordinationsmechanismus396 anbieten,397 soll aus Gründen der methodischen Vollständigkeit die Abgrenzung von Netzwerken gegenüber den beiden traditionellen Koordinationsformen Markt und Hierarchie in tabellarischer Form vorgenommen werden.
393
394
395 396
397
Sydow, J. (1992), S. 82. Ergänzend zu dieser eher abstrakten Definition stellt Sydow weiterhin fest: „Faktisch stellt die Netzwerkorganisation, die ein erhebliches Maß an strategischer Flexibilität aufweisen soll, das Gegenmodell zur vertikal tief integrierten und/oder breit diversifizierten Unternehmung dar. Anders als im Fall der vertikalen und horizontalen Integration wird bei der Netzwerkorganisation angesichts zunehmend turbulenter Wettbewerbsumwelten auf eine hierarchische Kontrolle durch vollständige Eingliederung der ökonomischen Aktivitäten verzichtet, aber nicht auf hierarchische Elemente in interorganisationalen Beziehungen. Letztere werden – netzwerktypisch – durch marktliche Elemente in der Kooperation ergänzt.“ Sydow, J. (2006), S. 1. Jarillo führte als Erster den Begriff des Strategischen Netzwerkes ein. Sie sind nach seinem Verständnis „[...] long term, purposeful arrangements among distinct but related for-profit organizations that allow those firms in them to gain or sustain competitive advantage vis-a-vis their competitors outside the network...“. Jarillo, J. C./Ricart, J. E. (1987), S. 85. Vgl. darüber hinaus Jarillo, J. C. (1988). Vgl. Jarillo, J. C. (1988) und (1995); Sydow, J. (1992); Lorenzoni, G./BadenFuller, C. (1995); Gulati, R. et al. (2000). Im Folgenden wird – mit Blick auf automobile Netzwerke – von einem fokalen Unternehmen ausgegangen. Vgl. Sydow, J. (2006), S. 395 f. Vgl. Jarillo, J. C. (1988), S. 31 ff. Jarillo verweist in diesem Zusammenhang zugleich auf die hierarchische Steuerungsform und die Stabilität der Austauschbeziehungen; vgl. Jarillo, J. C. (1988, S. 32. Siehe Abschnitt 3.3 für eine detaillierte theoretische Analyse hinsichtlich der optimalen Koordinationsform bei unterschiedlichen Bedingungen. 115
Key Features
Market
Network
Hierarchy
Normative basis
Contract property
Complementary
Employment
rights
strengths
relationship
Prices
Relational
Routines
Fiat; supervision
Means of communication Conflict resolution
Haggling and resort
Reciprocity and
to law
reputation
Flexibility
High
Medium
Low
Commitment
Nil
Medium
High
Tone
Precision
Open-ended
Formal
Suspicion
Mutual benefit
Bureaucratic
Actor preference
Independent
Interdependent
Dependent
Mixing of forms
Repeat transactions
Status
Informal organization
Hierarchy Contracts
Multiple partners
Profit centres
Formal rulers
Transfer pricing 398
Tabelle 3.2.4.2–1: Vergleich Markt – Netzwerk – Hierarchie [Quelle: In Anlehnung an Child, J. et al. (2005), S. 146]
Mit dem Netzwerkbegriff werden – in terminologischer Abgrenzung zu Kooperation und Allianz – demnach deutlich komplexere Beziehungsgeflechte assoziiert.399 Dies bedingt sich u. a. aus der für Netzwerke typischen Dynamik. Eintritt in, Austritte aus und/oder Repositionierungen innerhalb des Netzwerkes basieren auf dem Erfolg/Misserfolg der Nachfrage- bzw. Angebotsstärke von Firmen inner- und außerhalb des Netzwerkverbundes. Die Rechtfertigung für ein Unternehmen, die Netzwerkposition zu halten, resultiert letztlich aus dem Glauben an die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit verglichen mit der Alternative vollständig marktlicher Koordination. Dabei ist der Zusammenhalt eines Netzwerkes von seiner Etablierung, den Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und der eventuellen Stärkung der Beziehungen abhängig. Die zugrunde liegende Motivation ist die Hoffnung auf zukünftige Gewinne. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Netzwerk wiederum vom Markt, der Gewinne sofort an398
399
Das letzte Merkmal der Tabelle konzediert, dass viele Märkte Aspekte von Netzwerken und letztere Aspekte von Hierarchien aufweisen. Die Terminologien sind deshalb eher indikativ als präzise zu verstehen. Vgl. Sydow, J. (2006), S. 3.
116
strebt.400 Wichtig für den einzelunternehmerischen Erfolg ist die Partizipation an einem erfolgreichen Netzwerk, während die Teilnahme an einem wenig erfolgreichen Netzwerk ihre negative Wirkung auch auf der Ebene des einzelnen Netzwerkpartners ausübt.401 Die Gründe für das Entstehen von Strategischen Netzwerken, das Bestreben von Unternehmen, in ein bestehendes Netzwerk einzutreten, ebenso aber auch unter bestimmten Umständen die Austrittsoption des wahrzunehmen, drücken sich implizit in den Chancen respektive den Vorteilen von Strategischen Netzwerken aus. Den Chancen stehen naturgemäß auch Risiken gegenüber, wie Sydow prägnant aufzeigt. Chancen
Risiken
Steigerung der strategischen Flexibilität
Lock-in durch hoch spezifische Investitionen
Zugang zu ansonsten evtl. unerreichbaren Ressourcen
Einbuße strategischer Autonomie
Verteilung des unternehmerischen Risikos, bei Diversifikation durch Kooperation
insbes.
Zurechnung von Verantwortlichkeiten
Senkung von Produktionskosten, insbes. durch externe Skalenerträge
Erschwerung strategischer Steuerung
Senkung von Koordinationskosten (z. B. w/ eingespielter Praktiken)
Steigerung von Koordinationskosten (z. B. auf Grund zusätzlichen Verhandlungsbedarfs)
Abschöpfung von Regelungsarbitrage (z. B. auf Grund günstigerer Tarifverträge)
Senkung des Commitments der Arbeitenden ob mangelnder Identifikationsmöglichkeiten
interorganisationales Lernen, Entwicklung kooperativer Kompetenzen
Verlust der Kernkompetenz
Senkung des Kapitalbedarfs
Verlust organisationaler Identität und damit z. B. abnehmende Möglichkeit zur Identifikation
Erlangung von neuem Prozesswissen
unkontrollierter Abfluss von Wissen
Tabelle 3.2.4.2–2: Chancen und Risiken von Strategischen Netzwerken
402
[Quelle: In Anlehnung an Sydow, J. (2006), S. 402] 400
401 402
Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 149. Um den Unterschied zwischen Markt und Netzwerken plastisch herauszustellen, sei Powell zitiert: „Prosperous market traders would be viewed as petty and untrustworthy shysters in networks, while successful participants in networks who carried those practices into competitive markets would be viewed as naïve and foolish.“ Powell, W. W. (1990), S. 302. Vgl. Kogut, B. (2000); Afuah, A. (2000); Gulati, R. et al. (2000). Die hier von Sydow vorgetragenen Chancen und Risiken sind vor einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund zusammengestellt. Des Weiteren bezieht Sydow die Inhalte auf Unternehmensnetzwerke allgemein. In der vorliegenden Arbeit werden sie den Strategischen Netzwerken zugeordnet, obwohl einige Chancen und Risiken auch auf Strategische Allianzen etc. zutreffen. 117
Die drei wichtigsten und häufig angeführten Risiken: 1. nur partielle Systembeherrschung, 2. Kompetenzverlust und 3. Abhängigkeit sollen kurz diskutiert werden.403 Das Risiko der nur partiellen Systembeherrschung gilt auch für strategisch geführte Netzwerke, die im Gegensatz zum polyzentrischen Charakter eines „herkömmlichen“ interorganisationalen Netzwerkes über lediglich eine zentrale Steuerungsstelle (das fokale Unternehmen) verfügen. Auf Grund ineinander greifender Fremd- und Selbststeuerung kann niemals eine vollständige zentrale Steuerung erreicht werden. Eine relativ große Autonomie der am Netzwerk beteiligten Unternehmen (verglichen beispielsweise mit Konzernunternehmen) lässt durch eine bis zu einem gewissen Grad gegebene Selbstorganisation des Systems Netzwerk auf eine Entlastung des fokalen Unternehmens beim Netzwerkmanagement schließen. Andererseits bedingt die Selbstorganisation eventuell Prozesse, die die Steuerbarkeit des Netzwerkes einschränken. Das Risiko des Kompetenzverlustes erklärt sich aus dem konstitutiven Merkmal der Entstehung Strategischer Netzwerke – der Quasi-Internalisierung bzw. Quasi-Externalisierung ökonomischer Aktivitäten. Die Führungsposition des fokalen Unternehmens kann durch eine Quasi-Internalisierung (d. h. den Verzicht auf eine vollständige vertikale oder horizontale Internalisierung) gefährdet sein, weil langfristig nicht das benötigte Maß an Kompetenz gesichert werden kann. Im Gegensatz dazu ist die Quasi-Externalisierung von Funktionen auf Grund der Möglichkeit des sehr viel schnelleren und nachhaltigeren Kompetenzverlustes noch risikoreicher. Durch die Funktionsexternalisierung (Outsourcing) im Bereich der strategischen Kompetenzen kann sowohl die Wettbewerbsals auch die Netzwerkposition stark geschwächt werden. Dieses latente Risiko tritt insbesondere auf, wenn die Entscheidung zur Funktionsexternalisierung nicht strategisch reflektiert, sondern lediglich vor einem operativ ausgerichteten kostenorientierten Hintergrund erfolgt. Eine effiziente Beziehung zu Lieferanten wirkt dabei prozessunterstützend, weil kurzfristig erzielte kostenseitige Erfolge tendenziell zu einer weiteren Quasi-Externalisierung bzw. letztlich zu einer tatsächlichen Externalisierung verleiten.404 Das Risiko der Abhängigkeit kann sich in wechselseitigen Abhängigkeiten ausdrücken bzw. im ungünstigsten Fall in einseitigen Abhängigkeiten, wobei Letztere als latente Existenzbedrohung für das interorganisationale Netzwerk 403
404
Vgl. dazu im Folgenden Sydow, J. (2006), S. 402 ff. und die dort angegebene Literatur. Sydow führt weiter aus, dass durch die Funktionsexternalisierung die relativen Gemeinkosten ansteigen, was zum Abbau von Gemeinkosten verursachenden Aktivitäten – die meistens in Verbindung mit für das Unternehmen zentralen Produktund Prozessinnovationen stehen – führt. Letztlich stellt das Risiko des vollständigen Verlustes aller strategischen Kompetenzen ein Extrem, jedoch auch eine realistische Gefahr dar. Vgl. Sydow, J. (2006), S. 403.
118
klassifiziert werden können. Es wird deutlich, dass im Zusammenhang mit (Strategischen) Netzwerken auftretende Machtasymmetrien und Interessensdifferenzen die Berücksichtigung von Vertrauen und Kontrolle, von Kooperation und Kompetition sowie von Autonomie und Abhängigkeit erfordern.405 Wird Vertrauen als alleiniger Aspekt zur Gestaltung von Netzwerkbeziehungen herangezogen, gelingt es demnach nur partiell, ein realistisches Bild interorganisationaler Netzwerke zu zeichnen. So wie der Preis der dominante und hauptsächlich regulierende Faktor in marktlichen Austauschbeziehungen ist, so ist nach Thorellis Auffassung neben Vertrauen auch Macht ein dominanter Faktor in Netzwerkbeziehungen.406 Alle Netzwerkmitglieder verfügen über ein unterschiedliches Ausmaß an Macht. Die Verbindung zwischen den Netzwerkpartnern und ihre jeweilige Macht über einander determiniert die Kultur eines Netzwerkes.407 Die aus Vertrauen resultierende soziale Einbettung (Embeddedness) ist dabei hinsichtlich ihrer Ausprägung nicht im Sinne „je mehr desto besser“ zu interpretieren. Den empirischen Untersuchungen Uzzis zufolge resultiert ein hohes Maß an Einbettung einer Unternehmung in ein Netzwerk ebenso in eine schwache Leistungsfähigkeit wie ein geringes Maß an Einbettung. Moderate Einbettung scheint hingegen die Leistungsfähigkeit zu steigern. Eine zu starke Einbettung in das Netzwerk ist gleichbedeutend mit dem Verlust an Flexibilität und strategischen Wahlmöglichkeiten außerhalb des Netzwerkes, was zu einer sinkenden Leistung führt. Wenig eingebettete Firmen leiden indes darunter, nicht optimal am Netzwerkwissen und der damit möglichen Erweiterung der eigenen Fähigkeiten zu partizipieren. Moderate Einbettung gewährleistet dagegen sowohl die Erhaltung von Flexibilität und Freiheit als auch den Zugang zu erweitertem Know-how und Wissen.408 Die praktische Ausprägung von strategisch geführten Netzwerken in der Automobilindustrie zeigt, dass zwar Kooperation über Wettbewerb dominiert, dass jedoch neben den kooperativen Beziehungen auch immer die Option des Wettbewerbs existiert. Die Koordinationsform des Marktes tritt immer dann auf, wenn vom Abnehmer Alternativangebote eingeholt und auf dieser Basis Nachverhandlungen mit dem Stammlieferanten geführt werden. Wird ein Single Sourcing durch ein Dual respektive Multiple Sourcing ersetzt, wird Wettbewerb in weitaus größerem Umfang in Kooperationsbeziehungen eingeführt. Kapitel 4 greift die hier dargelegten theoretischen Erkenntnisse erneut auf und betrachtet die konkrete Ausgestaltung automobiler interorganisationaler Wertschöpfungsnetzwerke.
405 406 407 408
Siehe dazu die Ausführungen zur Automobilindustrie in Abschnitt 4.3. Vgl. Thorelli, H. B. (1986), S. 43. Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 148. Vgl. Uzzi, B. (1996). 119
3.2.4.2 Strategische Allianzen Allianz, im ursprünglichen Sinne als Interessengemeinschaft oder Bündnis zu verstehen, beschreibt die gemeinsame Verpflichtung mehrerer Unternehmen auf etwas, wozu sie auch allein in der Lage wären.409 Etymologisch lässt sich der Begriff Allianz auf das lateinische Wort alligare, gleichbedeutend mit verbinden, zurückführen.410 Strategische Allianz steht darüber hinaus für den Strategiebezug derartiger Kooperationen, wobei Kooperation und Strategische Allianz nicht wie oft impliziert gleichzusetzen sind.411 Der Grundgedanke der Strategischen Allianz basiert auf der Annahme einer langfristigen und strategischen Zusammenarbeit mit Erfolgspotenzialbezug.412 Mit dem Erfolgspotenzialbezug zielt demnach jedes der beteiligten Partnerunternehmen auf den Auf- bzw. Ausbau von Wettbewerbspositionen.413 Transaktionen mit unternehmensexternen Partnern werden dabei in der Weise verknüpft, dass sie nicht mehr vollständig über den Markt – im Sinne traditioneller/klassischer Verträge – geregelt werden.414 Die beteiligten Partner treten dagegen weiterhin getrennt am Markt auf, d. h. sie erhalten sich ihre rechtliche Selbstständigkeit.
409 410 411
412
413 414
Vgl. Sell, A. (2002), S. 79. Vgl. Fontanari, M. (1996), S. 75. Die strategische Ausrichtung von Allianzen ist als wesentliches Abgrenzungskriterium zu Kooperationen zu sehen; vgl. Ringlstetter, M. (1995b), S. 696. Vgl. außerdem Hoffmann, der zwischen strategischen Kooperationen im Sinne Strategischer Allianzen und operativen Kooperationen abgrenzt; vgl. Hoffmann, W. H. (2001), S. 10 f. Diese Sichtweise trifft nicht auf uneingeschränkte Zustimmung, weil bspw. Fontanari darauf verweist, dass jede Kooperation durch strategische Züge gekennzeichnet ist; vgl. Fontanari, M. (1996), S. 81 ff. Die begriffliche Mehrdeutigkeit zeigt sich darüber hinaus darin, dass Koalition und Strategische Partnerschaft synonym verwendet werden; vgl. Porter, M. E. (1989), S. 64, respektive Zentes, J. (1992), S. 20. Vgl. Bamberger, I./Wrona, Th. (2004), S. 200. Für eine Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit des Strategischen im betriebswirtschaftlichen Sinne vgl. Hungenberg, H. (2006), S. 5 f. Allgemein gilt, dass Strategien zur Erreichung ökonomischer Unternehmensziele dienen. Sie verstehen sich folglich als bestimmte Handlungskonzepte zum systematischen Einsatz interner Ressourcen. Vgl. Gerpott, T. J. (2004), S. 1624. Vgl. Lutz, V. (1993), S. 44; sowie Mirow, M. (1995). Das Beziehungsgeflecht Strategischer Allianzen wird juristisch durch ein so genanntes Vertragsnetzwerk geregelt, das die Grundlage für die ökonomischen Austauschbeziehungen darstellt. Vgl. Lange, K. W. (1998), S. 105 f. Charakteristisches Merkmal ist die explizite Erwähnung der im Netzwerk existierenden multilateralen Vertragsbeziehungen. Einzelverträge sind derart aufgesetzt, dass sie Schnittstellen zu den jeweiligen anderen Verträgen aufweisen. Auf diese Weise werden auch die Netzwerkgrenzen definiert.
120
Eine eher allgemein gehaltene Definition geben Backhaus/Meyer,415 die Strategische Allianzen als eine Form von Netzwerkarrangements sehen, bei der die horizontale Kooperationsrichtung im Mittelpunkt steht. Albach416 sieht hinsichtlich der horizontalen Geschäftsfeldspezifität analog zu Backhaus/Piltz417 in der Strategischen Allianz eine Kooperation zwischen mindestens zwei rechtlich voneinander unabhängigen Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges oder verwandten Technologiefeldern. Ziel ist die Sicherung und/oder Stärkung bestehender Wettbewerbspositionen.418 Sell vervollständigt die Begrifflichkeit der Strategischen Allianz von rein horizontalen Allianzen (Unternehmensverbund im gleichen Markt) hin zu diagonalen Allianzen (Unternehmensverbund in unterschiedlichen Märkten).419 Explizit zu erwähnen ist die Tatsache, dass es sich bei Strategischen Allianzen um temporäre Konstrukte handelt, die einer speziellen Situation und/oder Umgebung Rechnung tragen. Dieser Sichtweise ist immanent, dass bei Änderung der Ausgangsbedingungen ein Auflösen der Strategischen Allianz durchaus als ein legitimes Verhalten akzeptiert werden muss.420 Bullinger/Warschat421 stellen in ihren Ausführungen auf die konstitutiven Notwendigkeiten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in Strategischen Allianzen ab: Offenheit und gegenseitiges Vertrauen, Aufbau eines stabilen Beziehungsnetzes zwischen den Fachabteilungen, Beständigkeit in den Beziehungen, Kooperationen bereits in frühen Entwicklungsphasen, Verfügbarkeit von beiderseitigem Know-how und die Wahrung der Vertraulichkeit von spezifischen Ergebnissen, Daten, Zeichnungen und Verfahren.
415 416 417 418
419
420 421
Vgl. Backhaus, K./Piltz, K. (1990); Gahl, A. (1991). Vgl. Albach, H. (1992), S. 664. Vgl. Backhaus, K./Piltz, K. (1990), S. 2 f. Sell bezweifelt indes die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit insbesondere bei Allianzen zwischen direkten Konkurrenten bspw. im Bereich der F&E, da „[…] hier ein Wettbewerbsinstrument, das Wettbewerbsstärke gegenüber einem Konkurrenten begründen kann, aus der Hand gegeben wird.“ Sell, A. (2002), S. 83. Vgl. Sell, A. (2002), S. 79; Sell, A. (1995); Ringlstetter, M. (1995a). Die inhaltliche Beschränkung auf rein horizontale Kooperationen wie bspw. von oben genannten Autoren vertreten engt den Begriff stark ein und trägt damit auch nicht der in der Praxis gebräuchlichen sprachlichen Verwendung Rechnung, demgemäß vertikale Hersteller-Zuliefer-Beziehungen als Strategische Allianzen gefasst werden. Es erscheint hilfreicher, die Existenz vertikaler und diagonaler Strategischer Allianzen anzuerkennen und mitzubetrachten. Vgl. Ringlstetter, M. (1995b), S. 696. Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 11. Vgl. Bullinger, H. J./Warschat, J. (1997), S. 40. 121
An dieser Stelle wird deutlich, dass Strategische Allianzen eine sehr hohe Bindungs- und Verflechtungsintensität nach sich ziehen, die in diesem Maße nicht bei alternativen Kooperationsformen festzustellen ist. Die konkrete Ausgestaltung kann sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Bindungsintensitäten von einer vertragslosen Zusammenarbeit (Agreements), über eine vertraglich fixierte Zusammenarbeit (Kooperations- oder Lizenzvertrag) bis hin zu einer institutionalisierten Zusammenarbeit (Joint Venture) erstrecken.422 Porter/Fuller423 unterscheiden zwischen zwei grundsätzlichen Integrationsformen Strategischer Allianzen: (1) Austauschkooperation oder Transfer-Allianz: Austausch von Knowhow mit dem Ziel der gegenseitigen Ergänzung der jeweiligen Erfolgspotenziale (2) Gemeinschaftskooperation: gemeinsame Durchführung von Wertschöpfungsaktivitäten, häufig im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture). Backhaus/Plinke verweisen auf einen für die weitergehenden Betrachtungen wichtigen Aspekt. Strategische Allianzen werden in den meisten Fällen zwischen wenigen Unternehmen geschlossen. Jeder Allianzpartner verfügt jedoch über ein entsprechend großes eigenes Beziehungsnetzwerk zu vorgelagerten Zulieferern bzw. nachgelagerten Kunden. Gegebenenfalls bestehen weitere Allianzen, die ihrerseits zusätzliche Beziehungsgeflechte nach sich ziehen. Diese mittelbaren Beziehungen können letztlich in ein umfassendes Kooperationssystem resultieren. Insbesondere in einer derart vernetzten Branche wie der Automobilindustrie kann dies zu einem Branchen überspannenden (Allianz)Netzwerk führen. Den vollen Umfang aller netzwerkartigen Verbindungen können die Netzwerkteilnehmer auf Grund zu hoher Komplexität nicht erfassen. Nicht selten werden die Verzweigungen innerhalb der Beziehungsgeflechte überhaupt nicht wahrgenommen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Netzwerke einer dynamischen Umwelt unterliegen, d. h. Beziehungen verändern sich, werden neu geknüpft oder alte werden gelöst.424 Dynamische Umweltbeziehungen bspw. resultierend in eine nachlassende Kooperationsbereitschaft innerhalb der Allianz, werden von den einzelnen Akteuren unterschiedlich abgepuffert. Mangelnde Kooperation geht für kleine und mittlere Unternehmen mit ernsthaften Implikationen einher. Diese Firmen bedürfen der Allianzen am meisten, während sie gleichzeitig am stärksten gefährdet sind. Eine derartige Allianz-Abhän-
422 423 424
Siehe Abbildung 3.2.4. Vgl. Porter, M. E./Fuller, M. B. (1989), S. 390. Vgl. nachfolgend Backhaus, K./Plinke, W. (1990).
122
gigkeit resultiert aus der Abhängigkeit von den Ressourcen der Partner. Darüber hinaus verfügen derartige Unternehmungen häufig nicht über weitere solide Geschäftsbeziehungen, die ein Scheitern der Allianz kompensieren können.425 Allianzen bieten nicht nur als Möglichkeit zur Überwindung geografischer Barrieren426 Vorteile gegenüber hoch integrierten Unternehmen oder Akquisitionen. Insbesondere mit Blick auf den Erwerb fehlender Ressourcen werden Strategische Allianzen zunehmend als Alternative zu Akquisitionen gesehen.427 Diese sind allerdings nicht in jeder Konstellation die schlechtere Wahl, insbesondere wenn es einem Unternehmen speziell um den Markteintritt geht. Mit ihr erwirbt das akquirierende Unternehmen bestehende Absatz-, Zulieferungs- und Produktionsstrukturen, die den Markteintritt erleichtern.428 Potenzielle Allianzpartner müssen darauf achten, dass sie die Vorteile einer Allianz tatsächlich in ihrer spezifischen Geschäftssituation ausnutzen können und dementsprechend kooperativ agieren. Zu diesen Vorteilen zählt erstens, dass eine Allianz hohe Anfangsinvestitionen ebenso wie die Bindung knapper Managementressourcen zur Integration des akquirierten Unternehmens erspart. Größere Flexibilität ergibt sich zweitens aus der zeitlichen Befristung und dem daraus leichter zu realisierenden Austritt aus der Allianz bei nicht erfüllten Erwartungen. Drittens können sich Allianzen auf bestimmte Teilbereiche beziehen, ohne dass dabei die gesamte Reststruktur des übrigen Unternehmens übernommen werden muss.429 Nachfolgende Abbildung 3.2.4.2 verdeutlicht den teilweise angesprochenen Verhaltensspielraum der Allianzpartner.
425 426 427
428
429
Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 7. Vgl. Colombo, G./Comboni, G. (1991), S. 128. Des Weiteren werden Strategische Allianzen im Zuge der Forderung nach mehr Flexibilität im Rahmen der strategischen Unternehmensführung zunehmend als Alternative zu den traditionellen Markttransaktionen wie Beteiligungen und teilweise sogar als „way of future“ gesehen. Vgl. Krystek, U./Eberhard, Z. (2002), S. 203. Eine konkrete Handlungsempfehlung geben Bleeke/Ernst dahingehend, dass außerhalb des Kerngeschäftes nicht akquiriert werden sollte, besonders nicht in neuen regionalen Märkten; vgl. Bleeke, J./Ernst, D. (1998), S. 38. Vgl. Sell, A. (2002), S. 81 f. 123
Aktive Kooperation
Aktive Förderung der Kooperation unilaterale Verbindlichkeiten/ Zusagen eingehen
Passive Kooperation
Passiver Opportunismus
Unterlassung einseitiger Vorteilsausnutzung auf Kosten der Partner Einhaltung der gegebenen Zusagen
Aktiver Opportunismus
Arglist/ Schwindel/ Mogeln Nicht-Erbringung von Leistung bei Aktionen, die anderen nutzen
Defektieren eines Partners
Defektieren der Allianz
Betrug zum Schaden anderer Partner agieren (Manipulation/ Machteinsatz)
Akquisition eines Allianzpartners
Austritt aus der Allianz Eintritt in Wettbewerbsallianz
Abb. 3.2.4.2: Handlungsalternativen in Strategischen Allianzen [Quelle: Suen, W. W. (2005), S. 17]
Abbildung 3.2.4.2 zeigt das Spektrum zwischen den beiden Verhaltensextrema aktive Kooperation und Defektieren der Allianz. Aktive Kooperation verbindet sich mit Vertrauen, durch das unvollständige Verträge ermöglicht werden. Defektion430 im Sinne einer bewussten Schädigung der Allianzpartner stellt dagegen das ultimative Verhalten von Nicht-Kooperation dar. Dabei hängen die negativen Auswirkungen des Verhaltens auf die Allianz vom Beitrag des defektierenden Unternehmens und dem Ausmaß der bestehenden Interdependenzen ab. Im Extremfall (bei hohem Beitrag für die Allianz und starken Interdependenzen) kann dies zur Auflösung der Allianz führen.431 Nachfolgende Motive/Vorteile Strategischer Allianzen offenbaren die unterschiedlichen Bedeutungen, die dieser Form der Zusammenarbeit zukommen können:432 { Economies of Scale { direkter Zugang zu neuen Technologien, Produkten und Märkten { Ergänzung gegenseitiger Stärken
430 431 432
Vgl. die Ausführungen zur Defektion in Abschnitt 3.3.1 (Spieltheorie). Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 18 und S. 20. Vgl. Lombriser, R./Abplanalp, P. A. (1997), S. 294. Auf eine ausführliche Diskussion der Vorteile wird verzichtet, weil eine solche in der einschlägigen Literatur nachzuvollziehen ist und zudem die Aufzählung selbsterklärend ist. Vgl. stellvertretend für viele die ausführliche Darlegungen bei Child, J. (2005), S. 76 ff.
124
{ verbesserte Kapazitätsauslastung { Aufteilung von hohen F&E-Ausgaben { Verkürzung von Entwicklungszeiten { schnellere Verbreitung von Technologien { Erzielung größerer Marktmacht { Risikostreuung; begrenzter Kapitaleinsatz { Teilnahme an Großprojekten { Überwindung politischer, rechtlicher und kultureller Eintrittsbarrieren in Auslandsmärkte { Zugang zu Marktkenntnissen eines ausländischen Partners. In der betriebswirtschaftlichen Praxis treten die aufgezeigten Motive selten einzeln auf. Es erscheint deshalb sinnvoll, sie in Motivgruppen zusammenzufassen. Derartige Motivgruppen können „[…] das Ressourcen-, das Zeit-, das Kosten- und das Marktmotiv sowie das schwerer fassbare spekulative Motiv […]“433
sein.434 Des Weiteren finden sich in der Literatur Verweise auf das Machtmotiv sowie das Risikomotiv.435 Entsprechend der angestrebten Motive/Motivgruppen ist sodann die konkrete Ausgestaltung der Strategischen Allianz zu planen.436
433
434
435
436
Müller-Stewens, G./Hillig, A. (1992), S. 78. Die Autoren stellen auf der Grundlage der von ihnen untersuchten Allianzen fest, dass kein einheitliches branchenübergreifendes Motiv für die Bildung Strategischer Allianzen existiert. Damit lassen sich auch die in der wissenschaftlichen Literatur vielfältigen Systematisierungsansätze zu den Zielen von Strategischen Allianzen besser fassen. Vgl. Schächtele, A. (2004), S. 145 ff. Vgl. zum Machtmotiv Schächtele, A. (2004), S. 147. Das Risikomotiv bezieht sich auf das Bestreben von Unternehmen, die Basis bei risikoreichen Unternehmensaktivitäten zu verbreitern. Vgl. Lubritz, S. (1998), S. 38. Beispielhaft sei hier auf die Strategischen Allianzen von automobilen OEM zur Entwicklung von investitionsund risikoreichen Nischenmodellen verwiesen (Toyota/PSA Peugeot Citroën). Vgl. Bronder, C./Pritzel, R. (1991), S. 44 ff. Die Autoren entwickeln ein Vier-Phasen-Konzept zur Strategischen Allianz: (1. Strategischer Entscheid, 2. Konfiguration, 3. Partnerwahl, 4. Management); vgl. Bronder, C./Pritzel, R. (1991), S. 46 f. 125
Mit der Umsetzung Strategischer Allianzen werden auch die Problembereiche dieser Zusammenarbeitsform offensichtlich.437 Mögliche Risiken sind im Verhältnis zu denen anderer Koordinationsformen zu bewerten. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Eigenleistung im Sinne einer hierarchischen Koordinationsform als zeit- und kostenintensiv einzustufen ist.438 Dagegen sind marktliche Transaktionen dann von Nachteil, wenn es sich um komplexe Leistungsumfänge handelt, deren genaue Spezifikation problematisch ist. Sie erfordern deshalb eine engere Beziehung der Transaktionspartner, um einen erweiterten Informationsfluss zu ermöglichen, der so letztlich eine optimale Leistungserstellung ermöglicht.439 Fusions- bzw. Akquisitionspläne beschränken sich andererseits nicht selten durch kartellrechtliche Vorschriften und sind zudem durch eine hohe Ressourcenbindung gekennzeichnet. Lizenzen wiederum stellen lediglich kurzfristige Lösungen dar.440 Strategischen Allianzen ist dagegen die mit der strategischen Flexibilität korrelierende Reversibilität nachteilig zuzurechnen. Getroffene Kooperationsentscheidungen können wesentlich einfacher rückgängig (reversibel) gemacht bzw. jederzeit einseitig gekündigt werden.441 Das Risiko manifestiert sich in opportunistischem Verhalten eines Kooperationspartners, der, sobald er den für ihn relevanten Vorteil aus der Kooperation gezogen hat, eben jene vorzeitig auflöst, obwohl das gemeinsam festgelegte Ziel noch nicht realisiert wurde.442 Darüber hinaus ist das von Hamel/Doz/Prahalad thematisierte Kompetenzrisiko zu nennen.443 Kompetenzverlust durch ungewollten Informationsabfluss ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Obwohl das Ziel der Kooperationspartner, sich gemeinsam gegen andere Wettbewerber zu stärken, umgesetzt werden kann, besteht gleichzeitig die Eventualität, dass ein Kooperationspartner auf Kosten eines anderen geschwächt werden kann.444
437
438 439 440 441 442
443
444
Einige empirische Studien belegen, dass ca. 70 % aller Strategischen Allianzen nicht zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (2001), S. 142. Heck konstatiert, dass über 50 % aller Strategischen Allianzen scheitern und dies vor allem auf eine mangelnde Umsetzung zurückzuführen ist. Vgl. Heck, A. (1999), S. 33. Siehe Abschnitt 2.1.4. Siehe Abschnitt 3.2.1. Vgl. Bleeke, J./Ernst, D. (1994), S. 27. Vgl. Krystek, U./Eberhard, Z. (2002), S. 211. Vgl. Killich, S. (2005), S. 21. Um diesem Verhalten vorzubeugen, können Auflösungsklauseln im Kooperationsvertrag festgeschrieben werden. Vgl. dazu Killich, S./Luczak, H. (2003), S. 9. Vgl. die Ausführungen zur erfolgreichen Gestaltung in Unternehmensnetzwerken in Abschnitt 3.2.2. Vgl. Hamel, G. et al. (1998), S. 7.
126
Das Kompetenzrisiko kann aber auch anders interpretiert werden. Child et al. verweisen auf die Unfähigkeit (mangels Kompetenz), die in der Kooperationsgemeinschaft vereinbarten Leistungsumfänge zu erstellen.445 Letztlich gilt es, auf die mit einer Strategischen Allianz einhergehenden Abstimmungsprobleme sowie die daraus resultierenden Folgekosten bei der Realisierung bzw. dem Fortbestehen der Allianz hinzuweisen.446 Jedoch ist in einer relativen Betrachtung mit Fusionen und Akquisitionen festzustellen, dass sich diese durch noch höhere Folgekosten auf Grund eines höheren Integrationsgrades auszeichnen.447 Im Vergleich zur hierarchischen Koordination ist problematisch „[…], dass nicht in dem Ausmaß wie im Einzelunternehmen hierarchische Durchsetzungsmöglichkeiten bestehen.“448
Die anderen Koordinationsformen immanente Nachteile lassen Strategische Allianzen in Relation dazu vorteilhaft abschneiden.449 Risiken (Nachteile) Strategischer Allianzen können durch vertraglich fixierte Kontrollmechanismen eingegrenzt, gleichwohl nie vollständig beseitigt werden. Mithin kommt insbesondere dem Vertrauensaspekt eine fundamentale Bedeutung für eine erfolgreiche interorganisationale Zusammenarbeit zu.450 Abschließend lässt sich folgendes Fazit ziehen: Trotz der aufgezeigten Nachteile ist die Strategische Allianz positiv zu bewerten, weil sie die Kombinationsmöglichkeit aus der Stabilität hierarchischer Kooperationsformen mit den Effizienzvorteilen des Marktes bietet. So kann der Zeit- und Kostenvorteil einer externen Ressourcenbeschaffung mit einer vergleichsweise geringen finanziellen Investition kombiniert werden.451
445 446 447 448 449 450 451
Vgl. Child, J. (2005), S. 50 f. Vgl. Ringlstetter, M. (1995b), S. 697. Vgl. Lojewski, U. v. (2003), S. 440. Schuh, G. et al. (2005), S. 31. Vgl. Lojewski, U. v. (2003), S. 440. Vgl. Pausenberger, E./Nöcker, R. (2000), S. 410. Vgl. Fromen, B. (2004), S. 23. 127
Fallbeispiel: Toyota und PSA Peugeot Citroën Ein aktuelles Beispiel für eine Strategische Allianz452 stellt die Kooperation im Segment der Kleinwagen zwischen Toyota und PSA Peugeot Citroën dar.453 Beide Automobilkonzerne investierten ein Volumen von 1,3 Milliarden Euro in ein gemeinsames Werk in Kolin (Tschechische Republik), das im Laufe des Jahres 2005 eingeweiht wurde. In diesem Werk werden drei Kleinwagen – Toyota Aygo, Peugeot 107, Citroën C1 – produziert, die zuvor gemeinschaftlich entwickelt wurden. Als Zielmarkt ist für alle Modelle der gesamteuropäische Markt, d. h. einschließlich Osteuropa definiert. Das Werk besitzt eine Produktionskapazität von 300.000 Einheiten pro Jahr. Die drei Marken teilen das Volumen gleichmäßig untereinander auf. Die Vorteile für beide Konzerne sind offensichtlich: 1,3 Milliarden Euro Investitionen für einen neuen Produktionsstandort werden auf zwei Konzerne mit einem erheblich höheren Gesamtvolumen aufgeteilt. Dies ist umso wichtiger, als das Skaleneffekte im margenschwachen und zudem äußerst kompetitiven Kleinwagenmarkt enorm wichtig für die Wirtschaftlichkeit eines derartigen Projektes sind. Beide Parteien bezeichnen die 50:50-Kooperation gleichermaßen als Win-Win-Situation. Toyota schätzt, 50 % der Kosten im Vergleich zu einer Einzellösung gespart zu haben. Weitere Skaleneffekte ergeben sich bei den Entwicklungskosten für die drei Fahrzeugmodelle. Dabei waren die Zuständigkeiten klar zwischen beiden Partnern aufgeteilt. Toyota zeichnete sowohl für die Entwicklung der Fahrzeuge als auch für die Ausplanung des Werkes verantwortlich. In dieser Hinsicht profitierte der PSA Konzern von den anerkannten Kernkompetenzen Toyotas. Die Japaner hingegen profitierten ihrerseits vom Beschaffungs- und Finanz-Know-how der Franzosen. Während die Kooperation innerhalb des Werkes auf vertrauensvoller Zusammenarbeit basiert, stehen sich die Modelle im Vertrieb im selben Marktsegment gegenüber. Allerdings ist es jeder Marke gelungen, nicht nur eigenständige Designakzente zu setzen. Sie differenzieren sich darüber hinaus durch unterschiedliche Ausstattungsumfänge und unterschiedliche Preise. Es bleibt nach einem positiven Start abzuwarten, inwieweit diese Strategische Allianz langfristig die angestrebten Erfolge erzielt.
452
453
In den Medien wurde der Begriff der Strategischen Allianz nicht verwendet. Stattdessen wurde von einem Joint Venture gesprochen. Die horizontale, langfristig ausgelegte Kooperation zwischen den beiden OEM erfüllt hingegen alle Merkmale einer Strategischen Allianz. Strategische Allianzen finden sich weiterhin bspw. bei DaimlerChrysler und Volkswagen, die so genannte Technologie- und F&E-Abkommen getroffen haben, um den Austausch von Know-how und gemeinsame Forschungsbestrebungen zu fördern. Weitere horizontale Verflechtungen zeigen Müller-Stewens/Glocke auf. Vgl. Müller-Stewens, A./Glocke, H. (1995), S. 110 f. Vgl. im Folgenden Bläske, G. (2006), S. 82.
128
3.2.4.3 Wertschöpfungspartnerschaften Wertschöpfungspartnerschaften werden in der Literatur seit längerem und in der neueren Literatur insbesondere mit automobilspezifischem Hintergrund adressiert. Dabei bildete sich zwar keine allgemein gültige Definition, wohl aber ein zunehmend einheitliches Begriffsverständnis heraus.454 Wertschöpfungspartnerschaften können in ihrer einfachsten Ausprägung im Sinne einer Unternehmenskooperation als Zusammenarbeit von zwei rechtlich selbständigen455 und wirtschaftlich eingeschränkt selbständigen Unternehmen – i. d. R. auf unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen angesiedelt456 – angesehen werden, bei der die Verfolgung gemeinsamer Ziele in bestimmten Bereichen zu einer Einschränkung der Entscheidungsautonomie führt.457 Rechtliche Selbständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Koordination der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit nicht auf die Mechanismen der Hierarchie zurückgreifen kann. Mit der Akzeptanz der Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit ist andererseits nicht mehr die Grundlage für eine rein marktliche Koordination gegeben. Partikulare Interessen sind hinter die Interessen des Wertschöpfungsnetzwerkes zu stellen. Wertschöpfungspartnerschaften unterscheiden sich in diesem Punkt demnach nicht von Strategischen Netzwerken. Unter einer Wertschöpfungspartnerschaft458 ist in idealisierter Form eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Win-Win-Situation für alle beteiligten Partner zu verstehen. Beziehungen in einem grundsätzlich losen Zusammenschluss unabhängiger Unternehmen können sich in einem
454
455
456
457
458
Es wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, in diesem Abschnitt die Charakteristika von Wertschöpfungspartnerschaften möglichst branchenunabhängig darzustellen. Kapitel 4 greift anschließend die hier dargelegten theoretischen Aspekte wieder auf und ordnet sie im Zusammenhang mit der Automobilindustrie ein. Mit diesem Merkmal grenzen sich Wertschöpfungspartnerschaften von japanischen Keiretsu-Systemen ab, weil sich letztere durch Kapitalverflechtungen auszeichnen und somit nicht mehr eine rechtliche Selbständigkeit vorliegt. Vgl. Johnston, R./Lawrence, P. R. (1989). In diesem Charakteristikum unterscheiden sich Wertschöpfungspartnerschaften von Strategischen Allianzen. Damit erfolgt auch die Abgrenzung von Wertschöpfungspartnerschaften gegenüber horizontal ausgerichteten Strategischen Allianzen. Vgl. Corsten, H./Will, T. (1995), S. 20 ff. Nicht alle Autoren folgen jedoch der wertschöpfungsstufenbezogenen Abgrenzung. Vgl. Lombriser, R./Abplanalp, P. A. (1997), S. 292 f. Die Ausführungen dieses Absatzes werden nicht einzelnen Autoren zugeordnet, sondern bilden einen Querschnitt der aktuellen Literatur ab. Die hier wiedergegebenen grundlegenden Aussagen werden von einer Mehrzahl von Autoren in der einen oder anderen Form so dem Begriff der Wertschöpfungspartnerschaft zugeordnet. Vgl. stellvertretend Radtke, P. et al. (2004), Wildemann, H. (2004), Bullinger, H.-J. et al. (2003). 129
Spektrum von bilateral bis multilateral459 gestalten. Wertschöpfungspartnerschaften sehen im Vergleich zur marktlichen Transaktionsabwicklung in der praktischen Ausgestaltung eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen einer begrenzten Anzahl von (bevorzugten) Partnern vor. Ursachen für die Herausbildung von Wertschöpfungspartnerschaften liegen in der zunehmenden Dynamik und Komplexität der ökonomischen Umwelt und sind der Versuch der beteiligten Unternehmen, auf die daraus resultierende steigende Konkurrenzverschärfung zu reagieren.460 Das angestrebte Ziel einer derartigen Zusammenarbeit liegt in einem ersten Schritt in der Reduzierung der Fertigungstiefe, was gleichbedeutend mit einer vertikalen Desintegration ist. Ebenso wie Strategische Netzwerke implizieren Wertschöpfungspartnerschaften deshalb Arbeitsteilung und – damit latent – eine funktionale Spezialisierung. Letztere ermöglicht die Konzentration auf und den Ausbau von spezifischen Kompetenzen. Werden nun Wertschöpfungsumfänge von einem ehemals hoch integrierten Unternehmen ausgelagert, so zieht dies eine wachsende Anzahl unternehmensexterner Schnittstellen nach sich. Infolgedessen erhöht sich der Koordinationsaufwand bei allen Beteiligten. Funktionale Spezialisierung respektive Konzentration resultiert in Qualitätsverbesserungen, Kostensenkungen und Zeitersparnissen, von denen alle Beteiligten profitieren. Zudem lassen sich – aus dem Blickwinkel der Wertschöpfung als Ganzes – durch die Kombination unterschiedlich großer Partner Vorteile hinsichtlich Flexibilität und geringerer Overheadkosten (bei kleineren Unternehmen) realisieren.461 Beziehungen in einer Wertschöpfungspartnerschaft fokussieren im Wesentlichen auf das Lieferanten-Abnehmerverhältnis. Es wir in diesem Kontext von Wertschöpfungspartnerschaften zwischen Hersteller und Zulieferer gesprochen.462 Wildemann dehnt dagegen den Begriff der Entwicklungspartnerschaft über alle Wertschöpfungsstufen aus und definiert sie wie folgt: „Partnerschaften, wenn sie für die Entwicklung neuer Produkte zwischen Herstellern und Zulieferern eingegangen werden, stellen Entwicklungspartnerschaften (EWP) dar und sind als Kooperation zu verstehen, da versucht wird, das Produkt durch Integration des gesamten Know-hows und der optimalen Nutzung der zur Verfügung stehenden Mittel aller Beteiligten herzustellen. In diesem Zusammenhang wird unter Entwicklungspartnerschaft die Zusammen-
459
Multilateral ist dabei jedoch nicht mit der teilweise unüberschaubaren Anzahl von Beziehungen, wie sie in Strategischen Netzwerken gegeben sind, gleichzusetzen. Die Exklusivität der Beziehungen beschränkt deren Anzahl. 460 Siehe Abschnitt 2.3. 461 Vgl. Johnston, R./Lawrence, P. R. (1988), S. 99. 462 Vgl. Johnston, R./Lawrence, P. R. (1988), S. 81 ff; Sydow, J. (1992), S. 64. 130
arbeit nicht nur auf Entwicklungsebene verstanden, sondern umfasst zusätzlich Einkauf, Forschung und Vertrieb, kurz […] die gesamte Kette der an einem Produktentstehungsprozess beteiligten Bereiche.“463
Auch Bullinger/Warschat zeichnen den Idealfall der Kooperation in Form von Wertschöpfungspartnerschaften. Wertschöpfungspartner kooperieren nach ihrer Auffassung vor allem auf den ersten Stufen der Wertschöpfungskette (Entwicklung und Produktion). Der Output komplexe Module und Systeme wird im Regelfall einbaufertig und qualitätsgeprüft an den Abnehmer geliefert. Die zugrunde liegende Koordination führen die Zulieferer eigenständig und eigenverantwortlich durch. Die zwangsläufig entstehenden Abhängigkeiten werden von den Wertschöpfungspartnern im Zuge einer auf Vertrauen basierenden Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil genutzt.464 Wildemann stellt ebenfalls das Vertrauen in den Beziehungen heraus und schlussfolgert, dass unter diesen Voraussetzungen relativ schnell und kostengünstig innovative Produkte am Markt und innovative Prozesse im Unternehmen eingeführt werden können.465 Kritisch ist hingegen der Verweis auf Wertschöpfungspartnerschaften als neue Form der Zusammenarbeit jenseits der Regeln des Konkurrenzmodells466 zu sehen. Dies widerspricht den bisher dargelegten theoretischen Grundlagen, nach denen sich Unternehmen trotz aller vertrauensvollen Kooperation und Intensivierung der Zusammenarbeit weiterhin im Wettbewerb zueinander befinden. Hinsichtlich der mit dem Eingehen von Wertschöpfungspartnerschaften verfolgten Ziele lässt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit mit denen Strategischer Allianzen und Strategischer Netzwerke feststellen.467 Allerdings liegt eine andere Gewichtung der Ziele vor. So kennzeichnen sich Wertschöpfungspartnerschaften zwar auch durch die angestrebte Nutzung von Kostenvorteilen468 (Skaleneffekte) und Zeitvorteilen (Verkürzung von Entwicklungszeiten) sowie der Risikoteilung zwischen den Partnern. Daneben ist es aber vor allem der Zugang zu Know-how (Zugang zu Technologie, Produkten, Märkten), der durch die exklusiven interorganisationalen Beziehungen angestrebt wird. Kennzeichnend ist demzufolge eine enge Kooperation oft technisch/technologisch ausgerichtet mit einer begrenzten Anzahl an Lieferanten zu bestimmten Entwicklungsumfängen. Koordination und Integration sind dabei stark ausgeprägt. Der Lieferant muss in diese Beziehung neben Produkt- und Produktions-Know-how auch System- und Problemlösungskompetenz einbringen.469 Häufig sind 463 464 465 466 467 468 469
Wildemann, H. (2004), S. 16. Vgl. Bullinger, H. J./Warschat, J. (1997), S. 40. Vgl. Wildemann, H. (1992), S. 403. Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 20. Vgl. Abschnitt 3.2.4.1 und Abschnitt 3.2.4.2. Vgl. Belz, C./Kramer, M./Schögel, M. (1994), S. 18. Vgl. Wildemann, H. (1994), S. 334 ff. 131
Großunternehmen, die als Abnehmer in einer Beziehung fungieren, motiviert, mit der (exklusiven) Sicherung des Know-hows ihrer Lieferanten das eigene Kompetenzprofil zu ergänzen.470 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Wertschöpfungspartnerschaften, um erfolgreich zu agieren, vor allem einer längerfristigen Ausrichtung und komplementärer Ziele der beteiligten Partner bedürfen. Zudem erfordert es die Vermeidung opportunistischen Verhaltens sowie die vereinte Pflege und Weiterentwicklung der interorganisationalen Beziehungen. Dies drückt sich trotz der weiterhin bestehenden Kompetivität u. a konkret in der Teilung von Chancen und Risiken und einem von Vertrauen geprägten Umgang miteinander aus. Fallbeispiel: Bosch und Getrag Automobile Wertschöpfungspartnerschaften existieren im Rahmen automobiler Strategischer Netzwerke zwischen zwei oder mehreren Partnern. Dabei können die Beziehungen zwischen OEM und Tier-1 Lieferanten beispielhaft angeführt werden. Darüber hinaus finden sich Wertschöpfungspartnerschaften auch zwischen Unternehmen der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen, insbesondere in Form von Entwicklungspartnerschaften für Zukunftstechnologien. Eine derartige Kooperation besteht zwischen den Firmen Bosch (Tier-1) und Getrag (Getriebespezialist): Die Zusammenarbeit wurde auf dem Gebiet der Hybridsysteme vereinbart. Der Kooperationsvertrag umfasst die Entwicklung und Vermarktung so genannter Parallelhybrid-Systeme in Verbindung mit Doppelkupplungsgetrieben und elektrischen Achsantrieben. Kernpunkte sind die Integration mechanischer und elektrischer Komponenten sowie die Entwicklung der zugehörigen Software. Die Kompetenzfelder sind dabei klar verteilt: Bosch bringt als Spezialist für Motor- und Getriebe-Managementsysteme wertvolles Know-how hinsichtlich elektrischer Maschinen und die erforderliche Leistungselektronik in die Partnerschaft ein. Getrag hingegen hat ein breites Produktportfolio im gesamten Antriebsstrang und vor allem in der Doppelkupplungsgetriebe-Technologie.471 3.3 Macht und Vertrauen als Parameter interorganisationaler Wertschöpfung Die bisherigen Ausführungen der einzelnen Abschnitte 3.2.1 – 3.2.4 haben wiederholt die Aufmerksamkeit auf die Aspekte Macht und Vertrauen in Netzwerken gelenkt. Im Folgenden werden deshalb die theoretischen Grundlagen dargelegt, um an späterer Stelle im Rahmen der praxisorientierten Analyse automobiler Wertschöpfungsketten erneut aufgegriffen zu werden. Dabei werden Macht 470 471
Vgl. Gaintanides, M. (1997), S. 738 ff. Vgl. www.all4engineers.com/index.php;do=show/sid=4084d0433f409b2a03463a9 5992035b9/site=a4e/lng= de/id=5382/alloc=1, Abruf: 18.07.2006.
132
und Vertrauen in Anlehnung an Bachmann/Lane weder als dichotomisch entgegengesetzte Konzepte noch als trennscharfe Alternativen verstanden. Vielmehr handelt es sich nach diesem Verständnis um zwei jeweils mögliche soziale Mechanismen, die interorganisationale Kooperation ermöglichen und sich unter Umständen komplementär ergänzen.472 Die Ausgestaltung von automobilen Wertschöpfungsnetzwerken mit ihren losen und engen sowie kurz- und längerfristig angelegten Austauschverhältnissen erfordert Steuerungsmechanismen für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit. Macht und Vertrauen dienen aus der empirischen Beobachtung heraus als solche Mechanismen. Es gilt im Folgenden aufzuzeigen, welche Handlungssituationen eher Macht und welche eher Vertrauen präferieren. Die Analyse erfolgt vor dem Hintergrund, dass Vertrauen in Unternehmensnetzwerken eng mit Macht473 und Einflussnahme zusammenhängt. 3.3.1 Macht In den folgenden beiden Abschnitten gilt es zu klären, ob und wie die Bereitschaft von Netzwerkakteuren zu partnerschaftlicher und vertrauensvoller Kooperation mit der Effektivität und Effizienz von Unternehmensnetzwerken korreliert. Bezogen auf den Machtaspekt formuliert: Entstehen Effizienzverluste und dysfunktionale Konsequenzen durch Machtausübung stärkerer Partner auf Kosten schwächerer Netzwerkmitglieder?474 Verpflichtet sich ein Unternehmen mit dem Eingehen einer Strategischen Allianz bzw. der Teilnahme in einem Wertschöpfungsnetzwerk zu den daraus erwachsenden, übergeordneten interorganisationalen Zielen, so kann von den beteiligten Akteuren jedoch nicht erwartet werden, dass sie ihre einzelunternehmerischen Ziele vollkommen hinter diesen gemeinschaftlichen Zielen zurückstellen.475 Entstehen bspw. Situationen, in denen ein Unternehmen aus strategischen 472 473 474
475
Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (2006), S. 75, S. 78, S. 87. Vgl. Thorelli, H. B. (1986). Hinsichtlich der grundlegenden Relevanz der aufgeworfenen Fragestellung – und in Übereinstimmung mit den in dieser Arbeit gelegten Grundlagen (siehe Abschnitt 2.1.5) – stellt Zündorf fest: „Eine rationale Organisation des Produktionsprozesses impliziert eine effektive Kontrolle der inhärenten Instabilitäten der Märkte, um auf der Inputseite einen kontinuierlichen Zufluß der benötigten Ressourcen sicherzustellen und um auf der Outputseite stabile Absatzverhältnisse aufrechtzuerhalten. Aus der Sicht des Managements bedeutet dies eine Reduktion der Ungewißheiten durch strategische Planung und bürokratische Kontrolle. So wie die Organisationsleitung versucht, das Handeln der Mitglieder im Inneren zu kontrollieren, so versucht sie auch die Austauschbeziehungen mit anderen formal unabhängigen Organisationen zu kontrollieren und zum eigenen Vorteil auszugestalten.“ Zündorf, L. (1987), S. 10. Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 1. 133
Gründen die Teilnahme an einem Netzwerk anstrebt, damit jedoch kurzfristig diverse einzelunternehmerische Subziele beeinträchtigt, so liegt die Versuchung nahe, durch Machteinsatz das Netzwerkgeschehen zum eigenen Nutzen zu manipulieren. Auftretende Zieldiskrepanzen werden so für einen Netzwerkteilnehmer gelöst, jedoch impliziert sein Handeln mitunter nachhaltige Auswirkungen auf andere Netzwerkteilnehmer. Mit der Einführung des Machtaspektes in die netzwerktheoretische Analyse wird deutlich, dass Kooperation nicht automatisch die vollständige Aufhebung des Wettbewerbs bedeutet. Es ist vorab darauf hinzuweisen, dass sich die vorliegende Arbeit der Auffassung Beckers anschließt, Macht sei grundsätzlich nicht amoralisch. Allerdings ist an späterer Stelle zu zeigen, dass in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit amoralische Machtaspekte auftreten. In einer verträglichen Ausprägung zeigt sie jedoch positiv regulierende Tendenzen, die eine effiziente Zusammenarbeit ermöglichen. Machtmoral offenbart sich in den angestrebten Zielen und der genutzten Machtgrundlage.476 Eine eher allgemeine, trotz allem mittlerweile als klassisch geltende Machtdefinition geht auf Weber zurück, für den Macht „[…] jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht […]“477
bedeutet. Anders ausgedrückt: Macht ist die Möglichkeit von Personen/Personengruppen, auf Handlungsfelder anderer Personen/Personengruppen einzuwirken.478 Hier tritt der relationale Aspekt des Machtphänomens hervor. Macht definiert sich demnach aus der/den Beziehung(en) zwischen unterschiedlichen Personen. Machtbeziehungen können dabei auch mehr als zwei Elemente umfassen.479 Von besonderer Relevanz für die betriebswirtschaftliche Praxis sind einerseits die ausgeübte Macht und andererseits die angekündigte Macht.480 Letztere kennzeichnet sich durch den Hinweis auf eigene Macht gegenüber einer anderen Partei und eliminiert damit eine eventuelle Unkenntnis ihrer Existenz. Der Fall, dass Firmen, die in einem Unternehmensnetzwerk zusammenarbeiten, sich entweder der eigenen Macht gegenüber bzw. der eigenen Abhängigkeit von anderen Unternehmen nicht bewusst sind, ist als theoretischer Aspekt zu vernachläs476
477 478 479 480
Vgl. Becker, H. (1984). Becker bezieht sich in seinem Aufsatz auf Macht in Unternehmen. Weber, M. (1972), S. 28. Vgl. Krüger, W. (1976), S. 5. Vgl. Kahle, E. (2001), S. 201. Für die Unterscheidung zwischen Macht und Einfluss vgl. Zündorf, L. (1986), S. 47.
134
sigen. Macht-/Abhängigkeitsverhältnisse sind den beteiligten Parteien normalerweise ebenso bekannt wie deren Auswirkungen bei Ausübung, wenn sie auch kaum genau quantifiziert werden können.481 Hier liegt jedoch der große Vorteil angekündigter Macht. Negative Auswirkungen resultierend aus der Ausübung von Macht können für alle beteiligten Parteien vermieden werden.482 Zudem erhält sich der Machtinhaber die Machtausübung als zukünftige Handlungsoption. Die Aufgabe dieser Option ist charakteristisch für die ausgeübte Macht. Zwar verliert der Machtinhaber sie, jedoch kann dadurch das Machtpotenzial für die zukünftige Beziehung erhalten oder sogar ausgebaut werden. Bloße Androhung der Machtausübung, ohne diese jemals tatsächlich zu realisieren, kann dazu führen, dass diese Handlungsoption irgendwann keine Option mehr darstellt. Der Machtunterworfene fühlt sich in dieser Konstellation nicht mehr als solcher.483 Für die Analyse von Machtbeziehungen in vertikalen unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken erscheint es angebracht, relevante Machttaktiken theoretisch vorab einzuführen. Neuberger identifiziert sieben Hauptgruppen von Machttaktiken:484 (1) Zwang/Druck (2) Belohnung (3) Einschaltung höherer Autoritäten (4) Rationales Argumentieren (5) Koalitionsbildung (6) Persönliche Anziehungskraft (7) Idealisierung/Ideologisierung Als für den aufgezeigten Analysehintergrund relevant werden die Machttaktiken Zwang/Druck, Belohnung und Rationales Argumentieren erachtet. Sie sol481 482
483
484
Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 41. Es gilt zu beachten, dass auch der Machtinhaber eventuell negative Folgen bei Machtausübung akzeptieren muss. Im Falle der Kündigung einer Geschäftsbeziehung verliert nicht nur der Zulieferer diese Geschäftsgrundlage. Auch der Kunde muss sich in einem mitunter langwierigen Prozess eine neue Zulieferbeziehung aufbauen. Vgl. Krüger, W. (1976), S. 7. Krüger unterscheidet weiterhin zwischen potenzieller und aktivierter Macht, die an dieser Stelle vernachlässigt werden. Vgl. hier und für nachfolgende Erläuterungen Neuberger, O. (1995). Auf die Darlegung der weiteren Machttaktiken wird an dieser Stelle verzichtet. 135
len kurz erläutert werden. Insbesondere die Machttaktik des Zwangs/Drucks weist eine gewisse inhaltliche Überschneidung zu den oben referierten Formen der angekündigten und ausgeübten Macht auf. Zwang, respektive Druck finden ihre Machtgrundlage in der Bestrafung. Der Machtinhaber baut durch die zur Schaustellung der vorhandenen Machtmittel ein Drohpotenzial auf. In der extremsten Auslegung kommt es zu einer unmittelbaren Konfrontation, die sich in Einschüchterung, Bedrohung und/oder Erpressung ausdrückt. Interaktionen gestalten sich in dieser Form außerordentlich asymmetrisch. Die Wahl dieser Machttaktik hat für den Machtausübenden nicht nur positive Konsequenzen. Seine Transaktionskosten steigen dahingehend, weil er die Reaktionen auf das von ihm vorgegebene Verhalten permanent kontrollieren muss, um so seinerseits wiederum reaktionsfähig zu sein. Anders verhält es sich mit der Machttaktik „Belohnung“. Der Machtunterworfene bekommt vom Machtinhaber bei erwünschtem Verhalten eine Belohnung bei interorganisationalen Geschäftsbeziehungen bspw. in Form von Geld oder Folgeaufträgen in Aussicht gestellt. Grundsätzlich steht es dem Machtunterworfenen frei, die ihm angetragenen Konsequenzen anzunehmen oder abzulehnen. Eine Annahme wird dann erfolgen, wenn der Machtunterworfene der Einhaltung der Belohnung seitens des Machtinhabers Glauben schenkt. Derartiger Glaube fundiert einerseits auf Rechtssicherheit. In diesem Fall sind die Leistung und die Belohnung vertraglich geregelt. Andererseits kann aus vergangenen Beziehungen heraus aufgebautes Vertrauen zu einer Annahme der Belohnung führen. Es wird deutlich, ökonomische Tatbestände können in bestimmten Konstellationen Aspekte von Macht und Vertrauen vereinen. Kombinationen unterschiedlicher Machttaktiken sind im Übrigen auch möglich. So kann das Ausschlagen einer in Aussicht gestellten Belohnung an die Machttaktik Druck gekoppelt sein.485 Rationales Argumentieren abstrahiert dagegen von der auf negativen oder positiven Konsequenzen beruhenden Einflussnahme. Hier tritt die Fachkompetenz im Sinne einer Problemlösungskompetenz hervor. Mit dieser wird um begründetes Einverständnis geworben. Erfolg versprechend gestaltet sich diese Machttaktik nur, wenn sich der Machtunterworfene gegenüber rationalen Argumenten offen zeigt und das Problem mit Hilfe dieser Argumente auch gelöst werden kann. Dies impliziert ein höheres Problemlösungspotenzial des Machtinhabers als des Machtunterworfenen. Rationalem Argumentieren kann im Vergleich zur Machttaktik Druck/Zwang eine sehr viel intelligentere Vorgehensweise unterstellt werden. Denkbar ist die folgende Konstellation: Auf Grund von Marktgegebenheiten sieht sich ein Unternehmen in der Abhängigkeit eines anderen Unternehmens. Das abhängige Unternehmen versucht nun, das Macht besitzende Unternehmen durch rationales Argumentieren zu überzeugen. In diesem Fall 485
Es liegt bspw. ein Angebot der Art „Wenn Du die für Dich positive Option A ausschlägst, tritt automatisch die für Dich negative Option B in Kraft.“ vor.
136
würde sich eine zusätzliche Machtbeziehung aufbauen (weil die erste Machtbeziehung bestehen bleibt). Derartige Konstellationen finden sich insbesondere in vertikalen Wertschöpfungsnetzwerken.486 Es finden sich weitere Machttaktiken, die teilweise Mischformen der grundlegenden sieben Machttaktiken sind.487 Es soll auch hier nur auf eine Auswahl der im vorliegenden Analysekontext als wichtig erachteten Taktiken aufgezählt werden: Schaffung vollendeter Tatsachen, Emotionalisierung und Dramatisierung, Intrigieren und Absprachen-Treffen im Hintergrund, aber das gleichzeitige Signalisieren von Kompromissbereitschaft. Machtbasiertes Verhalten kann sich also in unterschiedlicher Ausprägung zeigen. Um den vielschichtigen Machtbegriff auf das vorliegende komplexe Themengebiet adäquat anwenden zu können, bedarf es einer inhaltlichen Eingrenzung für nachfolgende Betrachtungen. Die thematische Eingrenzung richtet sich an der mit Abschnitt 2.1.4 und 2.1.5 gelegten Grundlage der Ressourcenperspektive aus. Gemäß dem Resource-based View vereinigen Unternehmen ihre tangiblen und intangiblen Ressourcen, um die gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und so Gewinne zu erzielen. Die Resource Dependence Theorie greift den grundlegenden Aspekt der Ressource auf und bietet weitergehend die Basis für die Analyse von Macht als einen wichtigen Einflussfaktor für das Verhalten eines Unternehmens im Netzwerkverbund.488 Der Besitz von strategischen Ressourcen determiniert Einfluss und Kontrolle. Macht entsteht demgemäß aus der Abhängigkeit anderer Unternehmen vom eigenen Ressourcenbeitrag.489 Neben dieser direkt ableitbaren Macht existieren in der interorganisationalen Zusammenarbeit latente Machtbeziehungen respektive Interdependenzen (im Sinne wechselseitiger Abhängigkeit), die das eigentliche Machtgefüge relativieren. Nachfolgende Abbildung 3.3.1 zeigt die Zusammenhänge exemplarisch auf.
486
487 488
489
Die Argumentation wird in Abschnitt 4.3 erneut aufgegriffen und automobilspezifisch fortgeführt. Vgl. Buschmeier, U. (1995), S. 33 – 50 grundlegend und im Speziellen S. 46 – 49. In der Analyse von Macht ist zwischen den Ressourcenbeziehungen, die einem Akteur das Potenzial zur Beeinflussung geben, und der tatsächlichen Ausübung von Macht zu unterscheiden. Vgl. Keohane, R. O./Nye, J. S. (2001), S. 10. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G. R. (1978), S. 27. Dagegen werden aus der Netzwerkperspektive Machtgefälle als Funktion von der Position eines Akteurs innerhalb einer Gruppe argumentiert. Die Position bedingt sich ihrerseits wiederum aus der Anzahl der Verbindungen zu anderen Akteuren, dem Grad der Dichte (Enge) der Verbindungen (direkt/indirekt) und der Anzahl der Beziehungen. Vgl. Brass, D. J./Burkhardt, M. E. (1992). In bestimmten Beziehungen leitet sich Macht auch aus dem Ungleichgewicht von Interdependenzen ab, d. h. der relativen Abhängigkeit zweier Akteure. Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 33. 137
Macht abhängig vom Ressourcenbeitrag zum Netzwerkziel
A
B
C
Latente Macht/ Interdependenz bezogen auf Unternehmensaktivitäten außerhalb des Netzwerkes
Abb. 3.3.1: Macht und latente Macht in Netzwerkbeziehungen [Quelle: In Anlehnung an Suen, W. W. (2005), S. 35]
In obiger Grafik erwirtschaftet Unternehmen A 50 % des Netzwerkbeitrages, allerdings geht dies nicht zwangsläufig mit einer ebensolchen Machtverteilung einher. Unternehmen B und C verfügen über latente Macht, bspw. auf Grund von Marktkapitalisierung, Marktanteilen, Cashflow, Position in der Wertschöpfungskette etc. Diese latente Macht relativiert die direkte Macht von Unternehmen A dahingehend, als dass es Unternehmen C möglich wäre, Unternehmen A zu akquirieren. Interdependenzen können „natürlich“ durch die genannten Faktoren auftreten bzw. „künstlich konstruiert“ werden. Letzteres tritt in Kraft, wenn Unternehmen im Rahmen ihrer Netzwerkaktivitäten Arrangements hinsichtlich Wettbewerbsvermeidung, Wissensbereitstellung etc. treffen.490 In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, auf Galbraiths Konzept der „countervailing power“ zu verweisen. Demnach stellt Widerstand als integraler Bestandteil des Machtphänomens und nicht Unterwerfung die übliche Reaktion auf Machtausübung dar.491 Dies ist für die weitere Analyse automobiler Wertschöpfungsbeziehungen insofern von Bedeutung, als dass mächtigere Unternehmen (i. d. R. OEM) nicht davon ausgehen können, dass die von ihnen abhängigen Unternehmen (Zulieferer) ein machtbasiertes Verhalten vollständig tolerieren werden. Machtausübung bedingt demgemäß ein Verhalten, das im Rahmen gegebener Verhaltensspielräume Opportunismus stärkt.
490 491
Vgl. Suen, W. W. (2005), S. 35 ff. Vgl. Galbraith, J. K. (1987), S. 86 ff.
138
Zwischenbetriebliche Macht ist in der unternehmerischen Praxis eine nicht zu unterschätzende Komponente. Ein Blick in die Literatur lässt jedoch eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich Macht in wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen erkennen. Die Interpretationsvielfalt von Macht paart sich mit semantischer Unschärfe in der Begriffsabgrenzung.492 Machttheoretische Betrachtungen beziehen sich vor allem auf hierarchische Organisationen. Wie bereits in Abschnitt 3.2.1 dargelegt, ist Macht vor allem ein Merkmal der hierarchischen Koordination: „Macht kommt vor allem in vertikalen, hierarchischen Beziehungen zum Ausdruck, in denen die Entscheidungen und Weisungen einer übergeordneten Ebene Vorrang vor denen einer untergeordneten Ebene haben und für diese verbindliche Handlungsprämissen darstellen.“493
Von dieser auf der hierarchischen Koordination basierenden Machtbetrachtung ausgehend werden im nächsten Schritt zwischenbetriebliche Machtverhältnisse mit dem Fokus auf vertikal ausgerichtete Wertschöpfungsnetzwerke analysiert. Das Phänomen Macht bzw. das Verhältnis von Macht und Autonomie im Kontext (vertikaler) Unternehmensnetzwerke findet ebenfalls seinen Niederschlag in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion.494 Ein kurzer Überblick sei angeschlossen. Sydow fokussiert auf Unternehmensnetzwerke, deren strategische Führung durch ein fokales Unternehmen erfolgt.495 Macht findet dabei Berücksichtigung, allerdings bleiben die polyzentrischen Charakterzüge von Netzwerken grundlegend erhalten.496 Semlinger konstatiert, Kooperation in Unternehmensnetzwerken ermöglicht, in Abgrenzung zu Markt und Hierarchie, die Koexistenz von Autonomie und Abhängigkeit.497 Sauer/Döhl498 in Anlehnung an den Ansatz der systemischen Rationalisierung sehen eine wachsende interorganisationale Zusammenarbeit, die Arbeitsteilung impliziert, die sich in pyramidenförmigen Wertschöpfungsketten wiederfindet. Die Autoren sprechen dabei von einem „Formwandel der Herrschaft“.499 Sie sehen auch fokale Unternehmen an der Spitze der Wertschöpfungsketten.
492 493 494 495 496 497 498 499
Vgl. Wolf, J. (2003), S. 203. Zündorf, L. (1986), S. 35. Vgl. Sydow, J. et al. (1995), S. 49 ff., und Warnecke H. J. (1992). Siehe Abschnitt 3.2.4.2. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 81. Vgl. Semlinger, K. (2006), S. 54 f. Vgl. Sauer, D./Döhl, V. (1994b). Vgl. Sauer, D./Döhl, V. (1994a), S. 266. 139
Ihnen gelingt es, durch ihre beherrschende Stellung gegenüber den Wertschöpfungspartnern die Gesamtproduktivität der Produktionskette durchzusetzen.500 Pohlmann et al. sehen vertikale Unternehmensnetzwerke als Ausprägung antagonistischer Kooperation501 und bezeichnen sie unter Rückgriff auf Mann502 als Systeme ‚distributiver Macht’: „Erst nach der Durchsetzung der auf Basis der Markt- und Machtkonstellation möglichen Verteilung wird die Verfolgung gemeinsamer Produktionsziele erwogen und zwar nur soweit, wie sie den durchgesetzten Verteilungsmaßstab nicht in Frage stellt.“503
Wenn auch für die vorliegende Arbeit nicht von primärer Bedeutung, weil nur ein Teilaspekt adressiert wird, so sei doch angemerkt, dass Macht in horizontalen Netzwerken eine wesentlich geringere Rolle zu spielen scheint. Die Ausgewogenheit hinsichtlich der Unternehmensgröße, vor allem aber die horizontalen Kooperationen inhärenten geringeren Interdependenz resultieren in ein höheres Maß an Autonomie. Interdependenz der beteiligten Parteien begrenzt also das Gewicht von Macht in Netzwerken.504 Derartige Beziehungen kennzeichnen sich demnach eher durch einen stärkeren Fokus auf den Ertragsaspekt. Dies wirft die Frage nach grundlegenden Faktoren auf, die das Machtpotenzial von Zulieferunternehmen gegenüber ihren Abnehmern bestimmen. Tabelle 3.3.1 stellt diese Faktoren prägnant dar.505
500 501 502 503 504 505
Vgl. Sauer, D./Döhl, V. (1994b), S. 202. Siehe die Ausführungen zu antagonistischen Kooperationen in diesem Abschnitt. Vgl. Mann, M. (1990). Pohlmann, M. et al. (1995), S. 283. Vgl. Messner, D. (1995), S. 236. Sie werden in Abschnitt 4.3 erneut aufgenommen und anhand von empirischen Untersuchungsergebnissen ausgewertet.
140
Produktprogramm
x Ausmaß der Eigenentwicklung der Produkte x technologische Überlebensfähigkeit der Produkte x Anteil der Zulieferprodukte am Produktspektrum x Wertigkeit des zugelieferten Produkts beim Kunden x Anteil der Zulieferprodukte, die der Kunde selbst fertigt
Marktstruktur
x Zahl und Größe der potenziellen Kunden x Zahl und Größe der potenziellen Abnehmer x Zahl der potenziellen Lieferbranchen
Umsatzstruktur
x Anteil der Zulieferkunden am Umsatz x Unternehmensgröße der Zulieferkunden x Anzahl der Branchen, an die geliefert wird 506
Tabelle 3.3.1: Potenzielle Machtfaktoren von Zulieferern [Quelle: Apelt, M. (1999), S. 51]
Abschließend sei noch einmal der Unterschied zwischen Markt und Netzwerk im Kontext der Macht herausgestellt: „In contrast to the market model, in which power is seen as a kind of imperfection, the network model views power as a necessary ingredient in exploiting (...) interdependencies.“507
Macht bildet also in Netzwerken – im Gegensatz zum Markt – ein funktionales Element. 3.3.2 Vertrauen Während in soziologischen, philosophischen, (sozial)psychologischen, pädagogischen und kulturwissenschaftlichen Untersuchungen der Aspekt des Vertrauens seit längerem eine bedeutende Rolle spielt,508 fand er im Zusammenhang mit der netzwerktheoretischen Diskussion in den vergangenen Jahren auch verstärkt
506
507 508
Apelt definiert in ihrer Untersuchung aus Gründen der besseren Messbarkeit neben den hier aufgeführten Faktoren zudem Indikatoren für das Machtpotenzial von Zulieferern. Vgl. Apelt, M. (1999), S. 52 f. Håkansson, H./Johanson, J. (1993), S. 48. Vgl. Licharz, E.-M. (2002), S. 16. Insbesondere Luhmann machte sich um die soziologische Sichtweise von Vertrauen verdient; vgl. Luhmann, N. (2000). 141
Eingang in die betriebswirtschaftliche Diskussion.509 Trotz der uneinheitlichen und multiplen Definitionen510 zu Vertrauen scheint es in der wissenschaftlichen Literatur eine Übereinstimmung dahingehend zu geben, dass es sich um die Bereitschaft einer Partei handelt, Beziehungen mit einer anderen Partei in der Überzeugung einzugehen, das Verhalten des Anderen sei vorteilhaft für die erste Partei – ohne dass es dafür Garantien gibt.511 So definiert Kahle: „Vertrauen bedeutet […] üblicherweise die Erwartung, dass der Vertrauensempfänger willens und in der Lage ist, eine an ihn gerichtete positive Erwartung auch zu erfüllen.“512
Wird Vertrauen dahingehend betrachtet, dass es sich an unterschiedliche Adressaten richten kann, so ist zwischen ontologischem, institutionellem und persönlichem Vertrauen zu unterscheiden.513 Ontologisches Vertrauen bezieht sich vereinfacht ausgedrückt auf das individuelle Weltbild, geprägt durch Erfahrungen und Kommunikation, das somit einem stetigen (un)bewussten Entwicklungsprozess unterliegt. Es gibt einerseits Verhaltenssicherheit, andererseits enthält es Unsicherheiten bei fehlenden Informationen bzw. Fremdinformationen. Institutionelles Vertrauen definiert sich als Vertrauen in die Funktionsfähigkeit von Organisationen.514 Es erleichtert das Handeln (insbesondere in Hierarchien) und wirkt darüber hinaus Komplexität reduzierend. Persönliches Vertrauen – basierend auf persönlichen Erfahrungen und daher situationsbedingt unterschiedlich ausgeprägt – bezieht sich auf die Erwartungshaltung, andere Personen würden sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit positiver Interaktion mit der eigenen Person zeigen. Für die weiteren Betrachtungen wird ontologisches Vertrauen als gegeben angenommen. Der Begriff Vertrauen bezieht sich nachfolgend auf persönliches und institutionelles Vertrauen.515 509
510
511
512
513 514
515
Vgl. Kahle, E. (1999a), S. 3. Einen umfassenden Überblick über verschiedene theoretische Ansätze zu Vertrauen bieten bspw. Messner, D. (1995), S. 289 ff. und Loose, A./Sydow, J. (1994). Vgl. McKnight, D.H./Chervany, N. L. (2002), S. 37 ff.; Ripperger, T. (1998), S. 5 ff. Für eine Übersicht von Definitionsansätzen zum Vertrauenskonstrukt in der Literatur siehe Fischer, B. (2006), S. 176 f.; Kasselbaum, U. B. (2004), S. 8 ff. Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 50 und die dort angegebenen Literaturverweise; vgl. auch Dammer, I. (2005), S. 38. Kahle, E. (1999b), S. 54. Mayer, R. C. et al. sprechen von einer „willingness to be vulnerable“, siehe Mayer, R. C. (1995), S. 712. Vgl. nachfolgend Kahle, E. (1999a), S. 10. Vgl. Kowol, U. (1998). In Anlehnung an Luhmann nennt Kowol dieses Vertrauen auch Systemvertrauen, vgl. Kowol, U. (1998), S. 318. Diese Unterscheidung findet insbesondere in Abschnitt 4.3 bei der Darlegung zweier Untersuchungsergebnisse aus der Automobilindustrie [Sako, M. (1998); Apelt, M. (1999)] ihren Niederschlag.
142
Persönliches Vertrauen kann hinsichtlich der Ausprägung in drei Formen klassifiziert werden. Die erste Form ist kalkuliertes Vertrauen im Sinne eines notwendigen Vertrauensvorschusses, um eine Beziehung überhaupt beginnen zu können. Auf Verständnis basierendes Vertrauen als zweite Form entwickelt sich im Laufe der Zusammenarbeit mit der Erkenntnis, dass der Partner Vereinbarungen einhält und so seine Aktionen akkurat vorhergesagt werden können.516 Die dritte Form von Vertrauen basiert auf persönlicher Identifikation und nachhaltigen persönlichen Beziehungen, die sich langfristig entwickeln. Nicht jede Geschäftsbeziehung muss zwangsläufig dieses Stadium erreichen. Allerdings ist Vertrauen dieser Art die beste Garantie für eine erfolgreiche Beziehung.517 „Trust is seen to develop gradually as the partners move from one stage to the next. […] As the partners become increasingly aware of the mutual investment they have made in their relationship, the benefits they are deriving from it, and the costs of reneging, they have more incentive to carry it forward. In this sense, the trust between them will benefit from the ’shadow of the future’.“518
Werden einzelne Merkmale des Vertrauenskonzeptes betrachtet, so ist das Problem der riskanten Vorleistung – d. h. die Gewährung eines Vertrauensvorschusses – als ein Hauptaspekt zu adressieren.519 Vertrauen ist demnach mit Risiko behaftet.520 „Vertrauen bezieht sich also stets auf eine kritische Alternative, in der der Schaden beim Vertrauensbruch größer sein kann, als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird. Der Vertrauende macht sich mithin an der Möglichkeit übergroßen Schadens die Selektivität des Handelns anderer bewusst und stellt sich ihr. Der Hoffende fasst trotz Unsicherheit einfach Zuversicht. Vertrauen reflektiert Kontingenz, Hoffnung eliminiert Kontingenz.“521
Die Höhe der Vorleistung ist dabei vom situativen Kontext, der relativen Bedeutung eines möglichen Verlustes seitens des Vertrauensgebers, dem ontologischen und persönlichen Vertrauen des Vertrauensgebers sowie der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensempfängers abhängig.522 Als weite-
516
517 518 519 520 521 522
Für die in diesem Zusammenhang relevante Beziehungsqualität und deren Konzeptionalisierung siehe Georgi, D. et al. (2006), S. 313 f. Vgl. Child, J. et al. (2005), S. 149. Child, J. et al. (2005), S. 67. Vgl. Luhmann, N. (2000), S. 27. Vgl. Deutsch, M. (1958), S. 265 f.; Griffin, K. (1967), S. 104 f. Luhmann, N. (2000), S. 28 f. Vgl. Shaw, R. B. (1997), S. 27. 143
res Merkmal lässt sich die Erwartungsreziprozität523 von Vorleistung (= Vertrauensvorschuss) und Gegenleistung anführen. Der Vertrauensgeber hat die Erwartung, dass der Vertrauensnehmer das ihm entgegengebrachte Vertrauen nicht enttäuschen wird.524 Der Erwartungsreziprozität ist eine zeitliche Verzögerung zwischen Vor- und Gegenleistung immanent525, wobei die Gegenleistung nicht fest definiert ist. Damit ist Vertrauen zwar einerseits zeitpunktbezogen, nämlich dann, wenn der Vertrauensvorschuss gewährt wird. Andererseits erfolgt dies jedoch nur unter der Maßgabe, dass die der Vertrauensgewährung zugrunde liegende Beziehung längerfristig ausgerichtet ist, sich also über einen Zeitraum erstreckt. Nur so ist die Möglichkeit zur „Rückzahlung“ bzw. „Einforderung“ der Gegenleistung gewährleistet. Ist erkennbar, dass sich Interaktionen zukünftig wiederholen werden, greift das Prinzip des bereits zitierten Shadow of the Future526. Längerfristige und sich wiederholende Transaktionen implizieren zumindest ein gewisses Maß an Interdependenz der beteiligten Akteure, als Basis für die Entwicklung von Vertrauen und weitergehend für dessen nachhaltige Stabilisierung.527 Um den ökonomischen Gewinn aus einer etablierten vertrauensbasierten Beziehung nicht zu gefährden, gilt es, die in der Vergangenheit aufgebaute Reputation nicht durch Vertrauensverletzung zu zerstören.528 Ökonomische Rationalität unterstellt, wird Vertrauen zudem nur dann gewährt, wenn der Erwartungswert bezüglich der Gewinnchancen größer ist als der Erwartungswert der Verlustrisiken bei Vertrauensmissbrauch.529 In diesem Kontext ist letztlich auch die Notwendigkeit von Verteilungsgerechtigkeit und Interessensausgleich einzuordnen, die in der operativen Ausgestaltung in einem von allen Beteiligten getragenen Konsens münden muss, um nicht das grundlegende vertrauensbasierte Beziehungsgerüst zu gefährden.
523
524 525
526 527 528
529
Für eine kompakte Zusammenfassung der grundlegenden Beziehung zwischen Reziprozität und Vertrauen siehe Fantapié Altobelli, C./Hoffmann, S. (2006), S. 57 f. Vgl. Deutsch, M. (1958), S. 265; Kasselbaum, U. B. (2004), S. 8 ff. Die zukünftige Erbringung der Gegenleistung bildet einerseits die Basis für das Entstehen von Vertrauen und gestaltet sich dabei zugleich als soziale Bewährung. Vgl. Bommes, M./Tacke, V. (2006), S. 51. Vgl. Axelrod, R. (2005), S. 113 sowie Abschnitt 3.3.1. Vgl. Kahle, E. (1999a), S. 5. Für eine tiefer gehende Analyse vgl. Kowol, U. (1998), S. 321 ff.; Messner, D. (1995), S. 251 ff. sowie Wurche, S. (1994b). Diese relativ abstrakte Zuordnung des Vertrauensbegriffs zu ökonomischer Rationalität wird in der Literatur teilweise negiert; vgl. stellvertretend für viele Möllering, G./Sydow, J. (2006), S. 65.
144
sich selbst verstärkender Vertrauensmechanismus entsteht mit jeder weiteren Interaktion Interaktion II Gegenleistung vom Vertrauensnehmer B erbracht 4. Vertrauensbeweis vertrauensbasierte Interaktion gefestigt
Prozess der Vertrauensentstehung
Gewährung des Vertrauensvorschusses durch Vertrauenden A ggü. Vertrauensnehmer B 3. Vertrauensbeweis vertrauensbasierte Interaktion gefestigt
Interaktion I Gegenleistung vom Vertrauensnehmer B erbracht 2. Vertrauensbeweis vertrauensbasierte Interaktion gefestigt Gewährung des Vertrauensvorschusses durch Vertrauenden A ggü. Vertrauensnehmer B 1. Vertrauensbeweis vertrauensbasierte Interaktion entsteht
grundlegende Bereitschaft des Vertrauenden, Vertrauensvorschuss zu gewähren und des Vertrauensnehmers erwartete Gegenleistung zu erbringen
Wirkungen
Grundvoraussetzungen
positive subjektive Erfahrungen der Akteure
Wissen um längerfristige Beziehung
Wissen um Interdependenzen
„Shadow of the Future“ greift
Abb. 3.3.2: Vereinfachter Prozess der Vertrauensentstehung
Obige Abbildung beschreibt den Prozess der Vertrauensentstehung530 und der sich daraus ergebenden (möglichen) Etablierung einer vertrauensbasierten Beziehung. Die Grundvoraussetzung positiver subjektiver Erfahrungen führt bei Vertrauendem A zur grundlegenden Bereitschaft, Vertrauensnehmer B einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Dieser sieht sich mit dem gewährten Vertrauensvorschuss konfrontiert und muss entscheiden, ob er die vom Vertrauenden A erwartete Gegenleistung erbringen will. Mit der in der Grafik dargestellten Konstellation einer sich abzeichnenden längerfristigen Beziehung sowie Interdependenzen zwischen den Akteuren wird B Folgendes bewusst: Die eigene Reaktion auf den gewährten Vertrauensvorschuss wird bei A wiederum eine Reaktion auslösen. Da A und B interdependent miteinander verbunden sind, hat die 530
Ein vertiefendes Modell der Vertrauensentwicklung zeigt Muethel. Die von ihr gewonnen Erkenntnisse unterstützen die Argumentation der vorliegenden Arbeit. Vgl. Muethel, M. (2006), S. 74 – 89. Für die Darstellung eines integrierten Modells der Vertrauensentstehung siehe darüber hinaus Mayer, R. C. (1995), S. 715; für die Darstellung eines interdisziplinären Vertrauensmodells siehe McKnight, D. H./ Chervany, N. L. (2002), S. 42. 145
Gegenreaktion des A Auswirkungen auf B in der Zukunft usw. B sollte demnach mit der ersten eigenen Reaktion A dazu bewegen, dass dieser zukünftig so agiert, wie B dies wünscht. Der Shadow of the Future greift. Darüber hinaus ist mit der sich abzeichnenden längerfristigen Beziehung die Grundvoraussetzung gegeben, dass B die von A erwartete Gegenleistung in Zukunft tatsächlich erbringen kann. Erkennt B die Vorteilhaftigkeit der Gewährung der Gegenleistung und erbringt diese, sieht A seinen Vertrauensvorschuss gerechtfertigt. Es fällt A bei der nächsten Interaktion (II) auf Grund der subjektiven Erfahrungen mit B leichter, erneut Vertrauen zu gewähren. B hat ebenfalls bereits einmal in die Beziehung investiert (mit der Erbringung der Gegenleistung), so dass bei Vertrauensmissbrauch im Rahmen der zweiten Interaktion die erste Investition in die gemeinsame Beziehung verloren ginge bzw. zumindest beschädigt würde. B muss abwägen, ob der Nutzen aus einem einmaligen Vertrauensmissbrauch die zukünftigen Nachteile rechtfertigt (was in dem hier konstruierten Beispiel einer längerfristigen interdependenten Beziehung nicht der Fall ist). Mit jeder weiteren vertrauensbasierten Interaktion zwischen A und B erhöht sich damit der Verlust (nämlich die gemeinsame vertrauensbasierte Beziehung) bei einseitigem Vertrauensmissbrauch. Dies stabilisiert die Beziehung im Zeitablauf, und es entsteht ein sich selbst verstärkender Vertrauensmechanismus, so lange die Erwartungshaltung hinsichtlich des gegenseitig gewährten Vertrauens eher erfüllt als enttäuscht wird.531 Vertrauensvolle Kooperation wie in der beispielhaft dargestellten Beziehung darf jedoch nicht mit bedingungslosem Vertrauen gleichgesetzt werden. Dies käme einer Illusion gleich, die mittelfristig nicht praktikabel gestaltet werden kann. Vertrauensvolle Kooperation setzt klare Spielregeln voraus, die eingehalten und notfalls auch eingefordert werden können. Nur so werden die beteiligten Partner ihren Nutzen aus der Netzwerkbeziehung maximieren und die Basis für zukünftiges Vertrauen schaffen. Dieses Vertrauen entspricht dann nicht mehr einem Vertrauensvorschuss, sondern resultiert aus einer gemeinsamen Historizität der Geschäftsbeziehungen. Institutionelle Regeln wirken zudem das Vertrauen stützend, da hier klare Regelungen für den Konfliktfall bestehen.532
531
532
Die Formulierung „[…] eher erfüllt als enttäuscht […]“ impliziert Folgendes: Bei vielen Interaktionen über einen längeren Zeitraum ist nicht davon auszugehen, dass ein einmaliger Vertrauensmissbrauch die etablierte Beziehung sofort und endgültig zerstört, solange es sich nicht um einen massiven Vertrauensmissbrauch handelt. Als institutionelle Regelungen sind u. a. Garantien und Gewährleistungsrechte zu verstehen, die dem Kooperationspartner Ansprüche auf Schadensersatz bei Ausnutzung von Informations- und Machtasymmetrien garantieren. Vgl. Walgenbach, P. (2006), S. 24.
146
Es drängt sich die Frage auf, warum ein Akteur einen Vertrauensvorschuss gewähren bzw. der Vertrauensnehmer nicht mit sofortigem Vertrauensmissbrauch reagieren und damit der Fragilität von Vertrauen533 Vorschub leisten sollte. Einfacher formuliert: Welcher Vorteil ergibt sich aus vertrauensbasierten sozialen Beziehungen? Blau stellt fest: „[…] trust is essential for stable social relations […]“534
Was für zwischenmenschliche Beziehungen auf privater Ebene eine normale Handlungsalternative darstellt, lässt sich auch auf die ökonomische Ebene interorganisationaler Zusammenarbeit beziehen. Dabei wird unterstellt, dass der Erwartungswert des Nutzengewinns durch die Vertrauensgewährung größer ist als der zu erwartende Verlust bei Vertrauensmissbrauch.535 Der Nutzengewinn zeigt sich konkret in der Reduktion von Komplexität und daraus resultierenden Kostensenkungen (eventuell auch Ertragssteigerungen durch vereinfachten Marktzugang etc.) für die handelnden Akteure. Steigender Komplexität in sozialen Systemen kann mit Vertrauen begegnet werden, „[…] weil im Vertrauen eine wirksamere Form der Reduktion von Komplexität zur Verfügung steht.“536.
Im Idealfall gelingt durch Vertrauen eine Überkompensation der exogen verursachten (durch die vielfältigen Netzwerkbeziehungen) Komplexitätserhöhung. Dass Komplexität ein wesentlicher Kostentreiber ist, wurde bereits in Abschnitt 2.3.2 dargelegt. Die Relevanz der Problematik für interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke ist demnach erheblich. Wird dabei transaktionskostentheoretischen Denkmustern gefolgt, so lässt sich feststellen, dass Vertrauen Transaktionskosten senkt.537 Eine gesunde Vertrauensbasis bietet den Beteiligten einen gewissen Spielraum, bestimmte Strukturen und Prozesse unter gewissen Rahmenbedingungen offener zu gestalten und infolgedessen den administrativen Aufwand538 zu vermindern.
533 534 535
536 537 538
Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (2006), S. 85. Blau, P. M. (1964), S. 99. Vgl. Coleman, J. (1990) für diesen vom Rational-Choice-Ansatz geprägten Gedankengang. Vertrauen muss dabei während der operativen Aufgabenbewältigung immer wieder neu hergestellt werden. Im Fokus der Betrachtungen steht insbesondere die Realisierung des Nutzenerwartungswertes aus der Perspektive des Kooperationspartners. Vgl. Howaldt, J./Ellerkmann, F. (2005), S. 28. Luhmann, N. (2000), S. 8 f. Siehe die ausführliche Darlegung in Abschnitt 3.4.4. Vgl. Schuh, G. et al. (2005), S. 33. 147
Koordinations- und Kontrollkosten werden durch Vertrauensgewährung, wenn auch in den seltensten Fällen vollständig, so doch zumindest partiell reduziert. Dies ist durch die verringerte Anzahl von Koordinations- und Kontrollmechanismen möglich539. Gegenseitiges Vertrauen zwischen Partnern wirkt begrenzter Rationalität und opportunistischem Verhalten entgegen, während gleichzeitig spezifische Investitionen begünstigt werden.540, 541 Zur Einordnung des Vertrauens im Kontext von Kooperation bzw. Netzwerken sei die Verbindung zu den bereits diskutierten Koordinationsstrukturen Markt und Hierarchie hergestellt. Dem Koordinationsmechanismus Markt wurde dabei der „Code Geld“ und der Hierarchie der „Code Macht“ zugeordnet.542 Kahle ordnet darüber hinaus Netzwerken den „Code Vertrauen“ zu.543 Vorangestellt sei, dass diese Zuordnung nicht ausschließlichen Charakter besitzt. Auch in marktlichen und hierarchischen Beziehungen findet sich ein gewisses Maß an Vertrauen. Allerdings kommt Vertrauen in Märkten und Hierarchien nicht annähernd die Bedeutungsschwere zu wie dem Vertrauen in Netzwerken. Dies resultiert aus den unterschiedlichen zugrunde liegenden Strukturen. Ressourcenaustausch wird im Markt durch einen einfachen Tausch – Ressource gegen Geld – vollzogen. In Hierarchien erfolgt er auf Anweisung. Netzwerke bedürfen für diesen Austausch dagegen ausgeprägter Vertrauensbeziehungen. Damit stellt sich die Frage, ob vertrauensbewusstes Management544 in Netzwerken grundsätzlich möglich ist. Möllering/Sydow beantworten die Frage wie folgt: „Es [vertrauensbewusstes Management; T. S.] beginnt mit der simplen Erkenntnis, dass Vertrauen überhaupt eine Rolle spielt, dass es sich auf Verwundbarkeit und Ungewissheit bezieht, und dass es immer riskant ist und bleibt. Auch in Kunden-Lieferanten-Beziehungen ist das Anerkennen von Verwundbarkeit und Ungewissheit der Beteiligten ein erster Schritt zur Vertrauensbildung und -erhaltung. Ohne hierbei über das Ziel hinauszuschießen, sollten die Unwägbarkeiten für individuelle, kollektive und korporative Akteure in und zwischen Organisationen als Normalität etabliert werden, anstatt eine Fassade der Unverwundbarkeit und Gewissheit zu erzwingen.“545
539 540 541
542 543 544 545
Vgl. Kahle, E. (1999b), S. 57. Vgl. Chiles, T. H./McMackin, J. F. (1996). Vgl. Fischer, S. (2001), S. 109 ff. für weitere vorteilhafte Vertrauenswirkungen wie Ansporn zur Übernahme von Verantwortung, Verbesserung von Kommunikation und Gruppeneinfluss sowie von Kooperation und Problemlösung in Gruppen. Siehe Abschnitt 3.2.1. Vgl. Kahle, E. (1999b), S. 52. Vgl. Loose, A./Sydow, J. (1994), S. 190; Möllering, G. (2002). Möllering, G./Sydow, J. (2006), S. 72.
148
Wie dargelegt, entsteht Vertrauen in einem langwierigen Prozess – in Wertschöpfungsnetzwerken an den Schnittstellen zwischen den beteiligten Unternehmen.546 Vor dem Hintergrund der Nutzung eventueller Zeitvorteile und/oder Absatzchancen ist jedoch darauf zu achten, dass der Vertrauensaufbau zeitnah erfolgt.547 Ganz offensichtlich sind die für den Vertrauensaufbau notwendigen Interdependenzen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken gegeben. Die weitere notwendige Grundvoraussetzung zur Initiierung einer vertrauensbasierten Beziehung ist die Gewährung eines Vertrauensvorschusses, der gemäß der Theorie auf positiven Erfahrungen beruht. In Wertschöpfungsnetzwerken kann die Rolle des Vertrauenden vom mächtigeren Partner übernommen werden, weil sich für ihn das Risiko eines Vertrauensmissbrauchs weniger schwerwiegend auswirkt bzw. der weniger mächtige Partner nicht nur durch den Vertrauensbeweis zur Kooperation motiviert wird, sondern auch die zugrunde liegende Abhängigkeit motivierend wirkt (Shadow of the Future). Auf diese Weise können sowohl Vertrauen als auch Macht als komplementäre Steuerungsmechanismen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken fungieren. 3.3.3 Macht und Vertrauen als komplementäre Steuerungsmechanismen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken Sowohl Macht als auch Vertrauen sind funktional als ähnliche Mechanismen zur Komplexitätsreduktion in sozialen Handlungssituationen zu verstehen. Die Akteure sehen sich mit der Anwendung beider Mechanismen in der Lage, gewisse Annahmen über das zukünftige Handeln des jeweils Anderen treffen zu können. Die theoretisch unbegrenzte Anzahl von Handlungsalternativen wird auf eine bestimmte Anzahl wahrscheinlicher Möglichkeiten verringert. Während sich Vertrauen bei der Reduktion von Möglichkeiten auf positive Annahmen hinsichtlich der zukünftigen Handlungen des Gegenübers stützt, erkennt im Falle der Macht der unterlegene Akteur die negativen Implikationen an, die ihm der Mächtigere als vermeidbar darlegt. Macht kann demnach als Alternative zu Vertrauen gesehen werden, mit deren Hilfe relativ stabile und effiziente Beziehungen gestaltet werden können. Zudem zeichnet sich Macht durch eine höhere Robustheit gegenüber Vertrauen aus, weil die getroffenen Annahmen, die der Macht zugrunde liegen, weniger durch Enttäuschung bedroht sind. Macht ist deshalb in erster Linie in der praktischen Bedeutung als eine wichtige Ressource sozialen Handelns einzustufen. Inwieweit bestehende Asymmetrien dadurch
546 547
Siehe Abschnitt 3.1.1. Vgl. Schuh, G. et al. (2005), S. 33. 149
verstärkt oder nivelliert werden, ist ein Aspekt der operativen Ausgestaltung der interorganisationalen Zusammenarbeit und ist losgelöst von der eigentlichen Funktionsweise von Macht.548 Im Zusammenspiel von Macht und Vertrauen bedarf es der grundlegenden Evaluierung, welcher der beiden Mechanismen in einer konkreten Situation angewandt wird bzw. ob nicht auf beide Koordinationsmechanismen Rückgriff genommen werden kann. Im letzteren Fall ist abzuwägen, welche Kosten der jeweilige Mechanismus verursacht, insbesondere vor dem Hintergrund der notwendigen langfristigen Orientierung von Vertrauen. Für viele soziale Beziehungen gilt, dass sie auf einer Kombination aus Macht und Vertrauen aufbauen. Es gilt, in diesen Konstellationen zu analysieren, welcher Koordinationsmechanismus dominiert. Dies ist wichtig, weil Macht und Vertrauen nicht in jedem Fall alternativ zur Verfügung stehen, respektive gegeneinander kompensiert werden können. Funktional äquivalent sind beide Mechanismen lediglich dann, wenn sie ausschließlich auf einem individuellen sozialen Beziehungsverhältnis basieren und damit weitgehend unabhängig von institutionellen Rahmenbedingungen sind. Für die Vielzahl von Beziehungen, die von institutionellen Rahmenbedingungen geprägt sind, gilt demnach keine funktionale Äquivalenz. Dabei erscheint Macht weniger auf institutionelle Garantien angewiesen zu sein, als dies für Vertrauen gilt. Während Macht auch dann noch funktioniert, wenn die institutionelle Basis der handelnden Akteure eingeschränkt ist, bedarf Vertrauen kollektiv bindender Regeln bezüglich des sozialen Handelns, die auf institutionell verfestigten Formen basieren.549 In interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken, die traditionell durch Abhängigkeiten – und damit durch Machtasymmetrien zu Gunsten der OEM – geprägt sind, stellt Vertrauen insofern eine große Herausforderung an die beteiligten Akteure (insbesondere an die OEM) dar, als dass damit der historisch gewachsene Koordinationsmechanismus in Frage gestellt wird. Allerdings sind die Beziehungen in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken nicht ausschließlich machtbasiert. Sie entsprechen damit genau denjenigen (oben beschriebenen) Beziehungen, die sowohl macht- als auch vertrauensbasiert sind, allerdings mit der Dominanz hin zur Macht. Damit kann der Machtmechanismus einerseits der grundlegenden Stabilisation der Beziehungen im Netzwerk dienen. Andererseits kann die gegebene Machtasymmetrie (das drohende Machtpotenzial bei Nichtbefolgung) auch dahingehend genutzt werden, dass ein seitens des mächtigeren OEM entgegengebrachter Vertrauensbeweis durch den Lieferanten erwidert wird. Ein so initiiertes Vertrauen kann unter den bereits dargelegten Voraussetzungen (Langfristigkeit und Interdependenz) in einen sich selbst verstärkenden Vertrauensprozess resultieren.
548 549
Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (2006), S. 85 f. Vgl. Bachmann, R./Lane, C. (2006), S. 88 f.
150
Für einen OEM als fokalen Akteur, der auch hinsichtlich der Beziehungsentwicklung und der innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerkes gelebten Normen und Werte (im Sinne institutioneller Eckpfeiler) als führend verantwortlich zeichnet, kann es nicht von Interesse sein, die bestehende Machtposition zu verlieren. Ebenso wenig ist dies aber auch aus dem Blickwinkel des gesamten Netzwerkes heraus von Interesse, weil damit der robuste Steuerungsmechanismus verloren geht. Allerdings sollte der OEM den Machtmechanismus zu den für ihn primären Netzwerkakteuren (bspw. Tier-1 Systemlieferanten oder hoch spezialisierte Technologie-Zulieferer) um den Koordinationsmechanismus Vertrauen ergänzen, so dass beide Mechanismen komplementär wirken. Dies bedeutet zugleich, dass es sich hierbei nie um eine vollständige Substitution Vertrauen gegen Macht handeln wird. Darüber hinaus wird es auch immer Direktlieferanten für den OEM geben, die nicht macht- und vertrauensbasiert, sondern nur machtbasiert koordiniert werden. Wird dieser Gedankengang fortgesetzt, stellt sich die Situation auf der Ebene der Tier-1 Lieferanten ähnlich dar, die nun ihrerseits entscheiden, welchen ihrer eigenen Zulieferer sie eine macht- und vertrauensbasierte und welchen eine ausschließlich machtbasierte Koordination angedeihen lassen wollen. Dies zieht sich bis auf die untersten Wertschöpfungsebenen durch. Damit wird deutlich, dass Wertschöpfungsnetzwerke nicht verklärt als ausschließlich auf Vertrauen basierende interorganisationale Formen der Zusammenarbeit zu sehen sind. 3.4 Theoretische Ansätze zur Erklärung von Zusammenarbeit in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken Mit den Ausführungen in Abschnitt 2.2 wurde die anhaltende vertikale Desintegration der automobilen Wertschöpfungskette aufgezeigt. Wie zu zeigen sein wird, erweist sich die „Wiederentdeckung“ marktlicher Strukturen für gewisse Wertschöpfungsumfänge als suboptimale Lösung. Gleichzeitig ist der Desintegrationsprozess auf Grund der in Abschnitt 2.3 diskutierten Ursache-WirkungZusammenhänge als Faktum zu akzeptieren, so dass die Option der vertikalen Integration in den wenigsten Fällen sinnvoll ist. Interorganisationale Kooperation wird somit einfach zur Notwendigkeit im Wettbewerbsgeschehen. Nicht mehr kurzfristige und fast ausschließlich preisdominierte, sondern nachhaltig und langfristig ausgerichtete Geschäftsbeziehungen entwickeln sich infolgedessen insbesondere zu den für die OEM wichtigen Tier-1 und Tier-2 Zulieferern. Derartige Austauschbeziehungen sind als dritte Form neben den bis dato dominierenden Koordinationsprinzipien Hierarchie (Make) und Markt (Buy) einzuordnen. In der betrieblichen Praxis liegt eine der primären Motivationen für unternehmensübergreifende Kooperationen in der Senkung der Produktionskosten. Anfallende Koordinationskosten werden zumeist negiert. Für eine wissenschaft151
liche Analyse erscheint eine sich rein an den Produktionskosten orientierende Beurteilung des optimalen Koordinationsdesigns zwischen OEM und Zulieferebenen nicht geeignet. Vielmehr bedarf es des Fokus’ auf die den Beziehungen zugrunde liegenden Strukturen und den daraus resultierenden Kosten. Erklärungsbedarf besteht dahingehend, welches Koordinationsdesign sich für die Zusammenarbeit in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken als optimal erweist. Unterschiedliche Umweltbedingungen können in diesem Kontext unterschiedliche Koordinationsdesigns erfordern. Ziel dieses Abschnitts ist die Klärung der Frage, ob über theoretische Ansätze die Rationalität von Zusammenarbeit in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken erklärt werden kann, und wenn ja, unter welchen konkreten Rahmenbedingungen die Ausgestaltung der Netzwerkkooperation erfolgen sollte. Es bedarf einer theoretischen Grundlage, mit der sowohl generelle als auch spezifische Beziehungen in Wertschöpfungsnetzwerken analysiert werden können. Dazu wurden vier Theorien550 ausgewählt, die bei der Betrachtung dieser Fragestellung helfen sollen. Die Spieltheorie wurde gewählt, weil sie Wettbewerbssituationen simuliert und nach Entscheidungsregeln und Situationsdeterminanten sucht, mit denen sich bestimmte, vorher festgelegte Ergebnisse (im vorliegenden Fall Nutzenmaximierung des Netzwerkes durch Kooperation) erreichen lassen. Die Property-Rights-Theorie fokussiert auf vertragliche Regelungen zwischen Austauschpartnern und die effiziente Verteilung von Verfügungsrechten, die die Handlungen von Wirtschaftssubjekten und Faktorallokationen beeinflussen. Weil sich interorganisationale Wertschöpfungsnetzwerke als ein Geflecht aus zwischen den einzelnen Akteuren bestehenden Verträgen charakterisieren lassen551, wird die Theorie auf ihren weiterführenden Erklärungsgehalt hin untersucht. Mit Hilfe der Principal-Agent-Theorie gelingt die Abbildung von vertraglich geregelten Auftragsbeziehungen zwischen mindestens zwei Parteien, die sich des Effizienzmaßes der Agency-Kosten bedient. Dabei werden für ein Wertschöpfungsnetzwerk typische Aspekte wie die Überlassung von Entscheidungsautorität, Informationsasymmetrien, Risikoaversion, Interessengegensätze und Zieldivergenzen thematisiert. Der Transaktionskostentheorie ist ein Erklärungsgehalt zuzusprechen, da sie zum einen die Transaktionskosten in unterschiedliche Arten (Anbahnungs-, Vereinbarungskosten etc.) unterteilt, was eine Betrachtung aller anfallenden
550
Angesichts der methodischen Komplexität der ausgewählten Theorien kann jeweils nur der grundsätzliche Denkansatz vorgestellt werden. Weil es sich zudem um weitreichend diskutierte und zitierte Theorien handelt, wird auf eine detaillierte Darlegung aller inhaltlichen Facetten verzichtet. 551 Siehe Abschnitt 3.1.2, speziell die Ausführungen zum institutionalen Partialnetz. 152
Transaktionskosten über den gesamten Lebenszyklus einer Transaktion ermöglicht und damit wiederum die Abbildung realer Koordinationsdispositionen. Zum anderen bezieht sie bestimmte Parameter (Komplexität, Faktorspezifität, asymmetrische Informationsverteilungen etc. sowie die Verhaltensdispositionen begrenzte Rationalität und Opportunismus) mit ein, die eine entsprechende Praxisrelevanz gewährleisten. Über die konkrete Ausgestaltung der Parameter lassen sich Wertschöpfungsumfänge dem Koordinationsdesign Markt bzw. Hierarchie zuordnen. In einer weitergehenden Analyse gelingt es nachzuweisen, welche automobilen Wertschöpfungsumfänge im Rahmen der Netzwerkkoordination abzuwickeln sind. Macht und Vertrauen, keine expliziten Aspekte der Transaktionskostentheorie, werden zusätzlich betrachtet. 3.4.1 Spieltheorie Die Spieltheorie552 setzt sich mit Entscheidungssituationen auseinander, die auf Grund interpersoneller Interessenkonflikte mehrerer Entscheidungsträger Konfliktpotenzial bergen. Die Ergebnisse sind von mindestens zwei Personen determiniert. Ziel der Spieltheorie ist es, alternative Entscheidungen und zugrunde liegende Entscheidungsprozesse zu analysieren sowie Bedingungen zu erarbeiten, um bestimmte Ergebnisse realisieren zu können.553 Um in der theoretischen Analyse Komplexität zu vermeiden, werden vornehmlich Situationen mit zwei Akteuren, von denen jeder zwischen zwei Strategien wählen kann, betrachtet. Die deskriptive Spieltheorie legt den Fokus auf das tatsächliche Spielverhalten der Akteure, während die präskriptive Spieltheorie versucht, Erfolg versprechende Entscheidungsstrategien zu sondieren, deren Bewertung vor dem Hintergrund ökonomischer Kriterien erfolgt. In Abgrenzung zur Transaktionskostentheorie und Principal-Agent-Theorie stehen dabei die Ertragsmöglichkeiten der situativ gewählten Strategie, ausgedrückt in (Aus-) Zahlungsströmen, im Fokus der Analyse.554 Die ideale spieltheoretische Situation555 unterstellt vollständige Information aller beteiligten Spieler sowie isolierte Entscheidungssituationen. Für die betriebswirtschaftliche Praxis ist zumindest die Prämisse vollständiger Information
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Zu den grundlegenden Arbeiten der Spieltheorie vgl. Neumann, J. v. (1928); Neumann, J. v./Morgenstern, O. (1943); Nash, J. (1950a; 1950b); Selten, R. (1965); Harsanyi, J. (1967; 1968). Vgl. Neumann, J. v./Morgenstern, O. (1973); Beuermann, G. (1993), Sp. 3929; Bitz, M. (1981), S. 216 f. Vgl. Beuermann, G. (1993), Sp. 3930. Für die verschiedenen in der Spieltheorie untersuchten (und hier nicht alle relevanten) Spielarten siehe stellvertretend Holler, M. J./Illing, G. (2006) und Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004). 153
irrelevant,556 während einmalige Transaktionen durchaus als ein möglicher realistischer Sachverhalt einzuschätzen ist. Des Weiteren ist zwischen Nullsummenspielen557 und Nichtnullsummenspielen558 zu unterscheiden. In der ökonomischen Realität sind zumeist Situationen gegeben, die den Charakter von Nichtnullsummenspielen besitzen.559 Sie können einmalig oder iteriert auftreten. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Kommunikation respektive die Nicht-Kommunikation in Spielsituationen.560 Kommunikation kann bei (partiellem) Interessenpluralismus Ergebnis verändernd wirken. Schließlich sind kooperative und nicht kooperative Spiele zu unterscheiden. Kooperative Spielsituationen erlauben im Hinblick auf der Kommunikationsmöglichkeit und -nutzung Koalitionsbildung und somit ein koordiniertes Vorgehen zur gemeinsamen Interessenverwirklichung. In Spielsituationen, die einmaliges Interagieren abbilden, kann von den teilnehmenden Akteuren definitionsgemäß auch nur einmalig die Spielstrategie gewählt werden. Die Entscheidung ist zwischen Vertrauen (Kooperationsbereitschaft) und Misstrauen (fehlende Kooperationsbereitschaft) zu fällen. Die Spieltheorie trifft eine klare Aussage hinsichtlich der dominanten Strategie561 für derartige Situationen – die Strategie des Misstrauens. Das bedeutet, diese Strategie wird seitens aller Beteiligten ausgeübt, und zwar unabhängig davon, wie sich die jeweils andere Spielpartei entscheidet.562 Mit dem Wissen um die Dominanz der Misstrauensstrategie wird sie jeder rationale Spieler wählen. In dieser Konstellation ist Vertrauen demnach als nicht rationales Verhalten zu klassifizieren.
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Es ist schlicht unmöglich, dass einem Entscheider alle für eine Entscheidung relevanten Informationen und deren Auswirkungen sowie Wechselwirkungen bekannt sind. Entscheidungen in der Realität werden immer unter unvollständiger Information getroffen. Vgl. Axelrod, R. (2005), S. 4. Nullsummenspiele: Es gibt einen klaren Gewinner und einen klaren Verlierer. Der Gewinn des einen Spielers entspricht genau dem Verlust des anderen Spielers. Vgl. Axelrod, R. (2005), S. 27. Nichtnullsummenspiele: Es kann keinen, einen oder mehrere Gewinner geben, die sich auf Kosten anderer einen Vorteil verschaffen, oder aber auch nur Verlierer; vgl. auch Kehrer, A. (2004), S. 64. Das oft zitierte Gefangenendilemma verdeutlicht eine solche Entscheidungssituation. Für eine genaue Darlegung des theoretischen Konzeptes siehe Axelrod, R. (2005), S. 7 ff. Zu den Ursprüngen des Gefangenendilemmas siehe den Verweis bei Axelrod, R. (2005), S. 22. Nicht-Kommunikation ist für das hier zu analysierende Problemfeld irrelevant und wird deshalb ausgeblendet. Eine Strategie wird als dominant bezeichnet, wenn sie unabhängig von der gewählten Strategie des Gegenspielers selbst durchsetzbar ist. Vgl. Nuissl, H. et al. (2002), S. 53.
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Wie müssen nun Entscheidungssituationen ausgestaltet sein, damit Vertrauen und folglich Kooperation zur dominanten Strategie wird? Eine erste Möglichkeit ist die vertragliche Fixierung von Sanktionen bei auftretendem Fehlverhalten. Dieser Mechanismus ist insbesondere dann sehr effektiv, wenn die notwendigen Kontrollmaßnahmen zur Feststellung von Fehlverhalten funktionieren.563 Darüber hinaus kann Vertrauen bzw. Kooperationsbereitschaft bestärkt werden, in dem die Interaktion dauerhafter gestaltet wird: „Wechselseitige Kooperation kann stabil sein relativ zur Gegenwart, wenn die Zukunft hinreichend wichtig ist. Das liegt daran, dass die Spieler die Defektion des anderen implizit mit Vergeltung bedrohen können, sofern die Interaktion lang genug dauert, um die Drohung wirksam zu machen.“564
Weiterhin bietet sich die Aufhebung der Bedingung einer einmaligen Entscheidungssituation zur Steigerung der Kooperationsbereitschaft an: „In diesem Fall tritt die nächste Interaktion früher auf und daher zählt der nächste Zug mehr als sonst.“565
Nachfolgetransaktionen sind eine wenn auch nicht immer in der wirtschaftlichen Praxis zu realisierende Motivation für eine vertrauensvolle und kooperationsbereite Geschäftsbasis. Durch Nachfolgetransaktionen gewinnen also Interdependenzen der Spielparteien in Form der Shadows of the Future an Bedeutung.566 Wird von zwei interagierenden Unternehmen die nachgewiesenermaßen erfolgreiche Tit for Tat-Regel567 angewandt, entsteht durch beiderseitigen Kooperationswillen eine langfristige Austauschbeziehung. Der Spieltheorie gelingt dahingehend die Erklärung, dass kooperative Strategien nicht nur als Folge aus einem bestimmten Verhalten resultieren. Vielmehr leistet neben gewährtem Vertrauen auch die Androhung von Sanktionen einen wichtigen Beitrag. Unter der entscheidungstheoretischen Annahme, in iterativen Austauschbeziehungen herrsche eine allseitige Zweck-Mittel-Rationalität und eine egoisti-
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Fehlverhalten in Mehr-Personen-Situationen drückt sich vor allem durch die Nichteinhaltung von Absprachen innerhalb von Koalitionen aus. Vgl. Kahle, E. (1999b), S. 51. Axelrod, R. (2005), S. 113. Axelrod, R. (2005), S. 116. Vgl. grundlegend Axelrod, R. (2005), S. 113 ff. Tit for Tat – Wie Du mir, so ich Dir! Die Regel besteht aus zwei Vorgehensweisen: 1. Eröffne mit einem kooperativen Zug. 2. Reagiere bei jedem Zug mit der Strategie, die dein Partner in der Runde zuvor gewählt hat. Vgl. grundlegend Axelrod, R. (2005), S. 17 ff. 155
sche Grundhaltung vor, ist auch in Nichtnullsummenspielen die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens mit bestehenden Informationsasymmetrien in Netzwerkbeziehungen positiv korreliert.568 Allerdings kann eine gegenseitige Vertrauensstrategie unter ansonsten konstanten Rahmenbedingungen die dominante Strategie sein und eine beiderseitige Besserstellung ermöglichen, wenn Entscheidungen auf Grund einer unendlichen iterativen Spielwiederholung getroffen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass beide Akteure a priori den Gewinn aus Vertrauen größer einschätzen als den Gewinn aus Misstrauen. Genau dann ist Vertrauen die rationale und zugleich dominante Strategie, die zu effizienten Gleichgewichten führt.569 Durch die sich wiederholende Entscheidungssituation wird sichergestellt, dass die strukturelle Abhängigkeit der Spieler so lange zu vertrauensvollem Verhalten führt, wie sie jeweils von Gegenvertrauen ausgehen können. Die angenommene Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Gegenvertrauens muss dabei nicht mit der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit übereinstimmen. Unvollständige Informationen bilden die Basis, auf der die Spieler ihre Entscheidungen treffen. Strukturelle Abhängigkeit besteht insofern, als dass Fehlverhalten in einer Periode durch Sanktionierung in der Nachfolgeperiode bedacht werden kann. Zweiseitige Abhängigkeit kennzeichnet die Situation, weil der ein Fehlverhalten in Betracht ziehende Spieler um die Sanktionsmöglichkeiten seines Gegenspielers weiß. Für den eigenen Erfolg in Nichtnullsummensituationen ist die Kooperation mit dem Partner unverzichtbar. Allerdings können weder Vertrauen noch Kooperationsbereitschaft angeordnet bzw. erzwungen werden. Daher müssen Bedingungen geschaffen werden, die erstens eine Kooperationsbereitschaft entstehen lassen und diese zweitens festigen. Erfolgserlebnisse, die der Partner hat, ermutigen dabei ebenso zur Kooperation wie die eigene Offenheit.570 Grundsätzlich positiv anzumerken571 sind die für Grundstrategien gegebenen konkreten und verlässlichen Handlungsanweisungen. Die Spieltheorie greift das für wirtschaftliche Situationen typische Wettbewerbsverhalten mit allen Facetten von Konkurrenz- und Konfliktpotenzialen auf, bei dem sich überschneidende Interessenslagen eher die Regel denn die Ausnahme sind. Sie zeigt zudem, dass trotz dieser Konstellationen eine gemeinsame Nutzenmaximierung erreicht werden kann.
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Bezüglich des Informationsvorsprungs eines fokalen Unternehmens in Netzwerken siehe Hippe, A. (1996), S. 44 f. Vgl. hier und im Folgenden Nuissl, H. et al. (2002), S. 53. Vgl. Kehrer, A. (2004), S. 78. Die kritische Würdigung der Theorien (hier und in den folgenden Abschnitten) erfolgt im Hinblick auf die für diese Arbeit relevanten Aspekte. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
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Kritik an der Spieltheorie ist hinsichtlich der vereinfachenden Annahmen und der relativ starken Abstraktion von realen Situationen zu üben. Dadurch wird die Anwendung auf die betriebswirtschaftliche Praxis eingeschränkt. Mit der Kumulation vieler Einflussparameter und/oder deren Missachtung solcher eignet sich die Spieltheorie in erster Linie zur Definition und Analyse von Grundstrategien. Im Vergleich zu anderen ökonomischen Theorien vermag die Spieltheorie keine Erklärung für in kooperativ ausgelegten Zusammenarbeiten entstehende Wettbewerbsvorteile zu geben. Als letzter wichtiger Kritikpunkt sei auf die in der betriebswirtschaftlichen Realität existierenden Konfliktstrukturen interorganisationaler Zusammenarbeit hingewiesen. Es erscheint unmöglich, sie durch ein vollumfängliches Regelwerk abzubilden, das zudem allen Akteuren in sämtlichen Details bekannt ist. Anwendung der spieltheoretischen Erkenntnisse auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke Die Spieltheorie zeigt, dass sich kooperative Strategien in Summe besser als autonome Strategien erweisen.572 Selbst unter der Annahme opportunistischen Verhaltens stellen sich kooperativ und vertrauensvoll ausgerichtete Verhaltensstrategien als langfristig sinnvoll und Erfolg versprechend dar, solange entsprechend implementierte Mechanismen unterstützend eingreifen. Demgemäß kann davon ausgegangen werden, dass bspw. die Dauer einer Netzwerkbeziehung und die Bereitschaft zur Informationsweitergabe eine positive Korrelation aufweisen. Zwischen Wertschöpfungspartnern tritt also nicht dann Erfolg ein, wenn ein Unternehmen versucht, ein anderes zu besiegen. Erst mit dem ernsthaften Versuch einer Kooperationsgemeinschaft bzw. der positiven Erwiderung profitieren die beteiligten Partner.573 Entscheidungssituationen in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken umfassen in aller Regel mehr als zwei Parteien. Hieraus entsteht Komplexität, nicht zuletzt durch die Möglichkeit von Koalitionsbildungen. Für derartige Situationen, die zudem durch eine enorme Dynamik auf Grund sich verändernder Umweltbedingungen geprägt sind, kann die Spieltheorie keine klaren Handlungsanweisungen geben. Macht- und Einflussstrukturen, die in vom OEM als fokalem Unternehmen dominierten interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken als Normalzustand angesehen werden können574, vernachlässigt die Spieltheorie ebenfalls weitgehend. In Nullsummenspielen als eine im Rahmen der spieltheoretischen Analyse mögliche Vorgehensweise bei interorganisationaler Wertschöpfung dominiert die Strategie des Misstrauens. Derart extreme Situationen sind jedoch nur in
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Vgl. Sydow, J. (1992), S. 169. Vgl. Kehrer, A. (2004), S. 81. Siehe die Ausführungen in Abschnitt 2.2 und Abschnitt 2.3. 157
Einzelfällen in der automobilen Praxis zu finden, bspw. wenn ein Unternehmen auf Grund des Wettbewerbsverhaltens eines anderen Unternehmens Konkurs anmelden muss. In der Automobilindustrie wird die aktuelle Situation zugegebenermaßen etwas populistisch als Nullsummenspiel deklariert. Der Austritt von Wettbewerbern aus dem Markt (bspw. Rover) wird als Bestätigung dahingehend empfunden. Ob es sich jedoch klar um ein Nicht-Konstantsummenspiel mit einer sehr hohen Anzahl an Iterationen handelt, erscheint zumindest hinterfragenswürdig. Dies gilt neben den horizontalen Wettbewerbsverhältnissen (bspw. zwischen OEM) umso mehr in den vertikalen Beziehungen zwischen OEM und ihren vorgelagerten Zulieferebenen. Die interdependenten und zumeist über eine Iteration hinausgehenden Beziehungen sind viel eher mit der Situation des Gefangenendilemmas vergleichbar. Die Spieltheorie stellt dahingehend klar heraus, dass in derartigen Situationen eine gemeinsame Wettbewerbsstrategie höhere Erträge für alle Beteiligten erwarten lässt. Dies verlangt jedoch für die Etablierung einer vertrauensbasierten Kooperation von einem Akteur die Gewährung eines Vertrauensvorschusses. Diese sollte m. E. vom jeweils mächtigeren Beziehungspartner ausgehen. Die Begründung dafür liegt im existenten Machtungleichgewicht. So kann bspw. ein OEM gegenüber einem Zulieferer der Gewährung eines Vertrauensvorschusses zusätzlich Nachdruck auf Grund eben jenes Machtungleichgewichtes verleihen. Die eventuell latente Drohung des OEM gegenüber dem Lieferanten, den Vertrauensvorschuss nicht zu enttäuschen, wirkt dabei vertrauensfördernd. Damit wird die Basis für interdependente und langfristige Beziehungen gelegt, die auf Grund des Shadow of the Future grundlegend besser für vertrauensbasierte Kooperationen geeignet sind. Im Verlauf der kooperativen Strategie sind Abweichungen von dieser gemäß der Tit-for-Tat-Regel sofort und konsequent zu bestrafen, allerdings ist nach der Beantwortung einer Provokation Nachsicht zu üben – so die Spieltheorie. Für die automobile Praxis ist dagegen situativ zu prüfen, ob ein derartiges Vorgehen tatsächlich die jeweils beste Alternative darstellt.575 Während unnötige Konflikte in jedem Fall von allen Beteiligten zu vermeiden sind, ist Fehlverhalten durch vorher vereinbarte und allen Beteiligten bekannte Sanktionen zu ahnden. Wertschöpfungspartner sollten darüber hinaus in der interorganisationalen Zusammenarbeit Mechanismen implementieren, die Kooperation und Vertrauen ermöglichen und fördern.576 Gleichzeitig müssen jedoch Wettbewerbsmechanismen erhalten bleiben, um die Vorteile der marktlichen Koordination zu sichern.
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Siehe Abschnitt 4.4 zur Gestaltung von Wertschöpfungsbeziehungen zwischen Toyota und den Zulieferebenen. „Competition“ leitet sich aus dem lateinischen „com = zusammen“ und „petere = anstreben“ ab.
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Kehrer fasst in Anlehnung an Axelrod die aus der Spieltheorie ableitbaren Konsequenzen für erfolgreiches Verhalten in Nichtnullsummensituationen in für die unternehmerische Praxis taugliche Grundsätze zusammen. Diese allgemeingültigen Aussagen können auch für automobile Wertschöpfungsbeziehungen übernommen werden (wobei Punkt drei entsprechend obigen Ausführungen kritisch zu betrachten ist): (1) Freundlich zum Partner sein! – Nie als Erster defektieren! (2) Nicht neidisch sein! – Der Erfolg des anderen ist vielmehr Voraussetzung für den eigenen Erfolg! (3) Provozieren lassen! – Tit for Tat! – Besser schnell auf eine Provokation antworten. (4) Versöhnlich sein! – Nicht nachtragend sein, nachdem dem Ärger Luft gemacht wurde; siehe 3.)! Prinzip: Es ist sinnlos, Verluste aus der Vergangenheit ausgleichen zu wollen, die realisiert sind. Wichtig ist es vielmehr die Gewinnchancen der Zukunft zu nutzen! (5) Nicht versuchen, clever zu sein! – Berechenbar und extrem konsequent sein!577 3.4.2 Property-Rights-Theorie Im Kontext der Neuen Institutionenökonomik ist die Property-Rights-Theorie als theoretische Basis zu verstehen.578 Die diskutierten Aspekte der in den 1960er Jahren in den USA entwickelten Theorie finden auf Grund ihres Fundamentalcharakters Eingang in die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie. Im Mittelpunkt der Property-Rights-Theorie stehen Verfügungsrechte, d. h. Eigentumsrechte sowie die von ihnen ausgehenden Wirkungen auf die Handlungen von Wirtschaftssubjekten und die Faktorallokation innerhalb komplexer sozial-ökonomischer Systeme.579 Die Theorie unterscheidet zwischen physischen und effektiven Gütern.580 Das physische Gut kann nur dann rechtmäßig genutzt werden, wenn der Nutzer auch die dazu gehörenden Verfügungs-
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Vgl. Kehrer, A. (2004), S. 76 ff; Axelrod, R. (2005), S. 116. Vgl. die grundlegenden Arbeiten von Demsetz, H. (1967); Alchian, A. A./Demsetz, H. (1972;1973); Furubotn, E. G./Pejovich, S. (1972); DeAlessi, L. (1973); Gerum, E. (1988), S. 23 ff.; Picot, A. (1991), S. 150 ff. Siehe Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 57 – 59 für einen kompakten Überblick. Vgl. Gerum, E. (1988), S. 23. Vgl. Demsetz, H. (1967), S. 347. 159
rechte (property rights) besitzt.581 Mit dieser Annahme wird Verfügungsrechten an einem Gut (im Sinne einer tangiblen Ressource582) eine größere Bedeutung beigemessen als dem Gut selbst. Aus dem Eigentum entstehende Ansprüche beziehen sich auf folgende Rechte:583 { Recht zur (Be)Nutzung bestimmter Vermögenswerte { Recht auf Aneignung von Erträgen (Gewinn) aus Vermögenswerten – Pflicht zur Verlustübernahme { Recht auf Änderung der Form/Substanz eines Vermögenswertes (Be-/ Verarbeitung) { Recht auf Übertragung der vorgenannten Rechte. Die Property-Rights-Theorie erklärt, durch welche Koordinationsstrukturen eine effiziente Verteilung von Verfügungsrechten ermöglicht wird.584 Institutionen und ihre Einbettung in Umweltbeziehungen werden durch eine endliche Zahl von aufeinander bezogenen vollständigen Verträgen, die nur einmal verhandelt werden, abgebildet. In Abgrenzung zu diesen vollständigen Verträgen sind unvollständige (relationale) Verträge zu sehen.585 Vollständige Verträge regeln – zumindest der reinen Theorie nach – alle Aspekte des Verhaltens von Unternehmungen und der sie repräsentierenden Akteure. Es besteht durch die vollumfängliche vertragliche Regelung nach Vertragsabschluss keine Notwendigkeit, sich mit Zielen auseinander zu setzen. Zielbezogene Handlungsspielräume sind durch die getroffenen Vertragsregelungen nicht existent. Vollständige Verträge umfassen Regelungen hinsichtlich Vertragsbeginn und Vertragsende sowie Leistungen und Gegenleistungen innerhalb der Vertragslaufzeit. Vertragsverstöße können gerichtlich sanktioniert werden, so dass sich letztlich die Ausübung der Verfügungsrechte unter vollständigen Verträgen unproblematisch gestaltet.586
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„Property Rights“ kann verschiedentlich übersetzt werden. So finden sich alternativ folgende Übersetzungen: Verfügungsrechte (am häufigsten), Besitz-, Eigentumsrechte, aber auch Vermögens-, Handlungs- oder Dispositionsrechte. Im Folgenden wird der Begriff Verfügungsrechte verwendet. Siehe Abschnitt 2.1.4. Vgl. Furubotn, E. G./Pejovich, S. (1974), S. 4; Richter, R. (1991). Vgl. Gerum, E. (1988), S. 169. Vgl. im Folgenden Macaulay, S. (1963), S. 55 ff. Vgl. Richter, R. (1991), S. 407.
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Die Theorie unterstellt weiterhin, dass mit der Übertragung (Nutzung, Durchsetzung etc.) von Verfügungsrechten Transaktionskosten entstehen.587 In einer kritischen Würdigung588 ist der Property-Rights-Theorie positiv zuzusprechen, dass sie Unternehmen nicht undifferenziert, sondern heterogen in den jeweiligen Interessenslagen und als dynamisches Geflecht in Bezug auf die Vertragsbeziehungen betrachtet. Die Ressourcenallokation bestimmt sich aus den Rechten, über die die Akteure verfügen. Die Property-Rights-Theorie erlaubt den gedanklichen Schluss, dass unterschiedliche Verfügungsrechte ungleiche Verhaltensweisen bedingen. Dagegen erweist sich vor allem die Annahme vollständiger Verträge für eine praxisorientierte Betrachtung als unüberwindbares Problem.589 Es ist in der betriebswirtschaftlichen Praxis schlicht unmöglich, vollständige Verträge mit der Regelung aller Eventualitäten aufzusetzen. Zudem gestaltet sich die gerichtliche Durchsetzung von Vertragsvereinbarungen keineswegs – wie theoretisch angenommen – unproblematisch. Realitätsnahe Annahmen wie beschränkte Rationalität und Opportunismus blendet die PropertyRights-Theorie vollständig aus und unterstellt stattdessen die individuelle Nutzenmaximierung als einzige Verhaltensannahme. Die Nachteile überwiegen demzufolge deutlich. Anwendung der Erkenntnisse der Property-Rights-Theorie auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke Obige Kritik führt zur Schlussfolgerung, dass die zu gewinnenden Erkenntnisse aus der Property-Rights-Theorie für den Kontext der vorliegenden Arbeit gering ausfallen. In automobilen Wertschöpfungsnetzwerken kommt zwar der Einigung über die Verteilung von Verfügungsrechten eine nachhaltige Bedeutung zu, die das zu wählende Koordinationsdesign beeinflusst. Mit der Ausblendung der Phasen nach Anbahnung und Zustandekommen einer Geschäftsbeziehung sowie realitätsfernen Annahmen (mit der Unterstellung vollständiger Verträge, die darüber hinaus gerichtlich unproblematisch regelbar sind) kann der PropertyRights-Theorie nur eine bedingte Erklärungskraft hinsichtlich realer Koordinationsdesigns zugesprochen werden. Wichtig erscheint die Erkenntnis, dass eine effiziente Verteilung der Verfügungsrechte bezüglich der erstellten Leistungen eine grundlegende Rolle für die Entwicklung kooperativer Koordinationsstrukturen in der Automobilindustrie spielt. Damit wird die Bedeutung von Vorab-Regelungen (Vertragsgestaltung)
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Vgl. Picot, A. (1991), S. 147. Es ist auf folgenden Unterschied hinzuweisen: Transaktionskosten im Verständnis der Transaktionskostentheorie – nicht jedoch im Verständnis der Property-Rights-Theorie – sind auf den Transfer von Leistungen bezogen. Vgl. nachfolgend Wolf, J. (2003), S. 266 f. und die dort angegebene Literatur. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 59. 161
zum Zeitpunkt der Geschäftsanbahnung, die nachträgliche Auseinandersetzungen vermeiden sollen, hervorgehoben. Mangelnde bzw. schlimmstenfalls fehlende Regelungen hinsichtlich der Absicherung von getätigten beziehungsspezifischen Investitionen und/oder der Gewinnverteilung resultieren im zeitlichen Verlauf in Veränderungen des Koordinationsdesigns. Das etablierte kooperative Element kann auf diese Weise schnell verloren gehen. Dadurch bestehen dann einerseits die Möglichkeit der vertikalen Integration des ehemaligen Kooperationspartners und damit der Rückgriff auf den Mechanismus der Hierarchie. Andererseits kann die bis dato kooperative Netzwerkbeziehung durch rein marktlich orientierte Geschäftsbeziehungen mit neuen Partnern ersetzt werden. Letztlich besteht die Möglichkeit des Aufbaus einer kooperativen Beziehung zu einem neuen Partner. Weil dies jedoch mit zusätzlichen Kosten verbunden ist, kann letztere Möglichkeit nur vor einem langfristigen Hintergrund sinnvoll sein. Folgende Handlungsempfehlungen lassen sich aus der Property-Rights-Theorie ableiten: { Vertragliche Regelungen stellen eine grundsätzliche Notwendigkeit für interorganisationale Geschäftsbeziehungen dar. { Eine Anpassung vertraglicher Regelungen ist bei sich ändernden Geschäftsbeziehungen sinnvoll bzw. notwendig. { Die jeweils gewählte Koordinationsform hat eine effiziente Verteilung der Verfügungsrechte zu unterstützen. 3.4.3 Principal-Agent-Theorie Die Principal-Agent-Theorie590 thematisiert vertraglich geregelte Auftragsbeziehungen zwischen zwei (oder mehreren) Parteien. Der Principal engagiert einen/mehrere Agenten und betraut ihn (sie) mit der Ausübung von Aufgaben bzw. der Wahrnehmung von Interessen.591 Die Aufgabendelegation impliziert gleichzeitig die Überlassung von Entscheidungsautorität, weil der Agent Entscheidungen trifft, die nicht nur ihn selbst, sondern auch den Principal betreffen.592 Das Effizienzmaß der Theorie sind die Agency-Kosten. Die Summe aller Agency-Kosten bildet die monetäre Differenz zwischen der (theoretisch) tat-
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591 592
Siehe grundlegend Alchian, A. A./Demsetz, H. (1972); Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976); Elschen, R. (1988); Eisenhardt, K. M. (1989); Williamson, O. E. (1990). Siehe Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 63 – 66 für einen kompakten Überblick. Vgl. Hartmann-Wendels, T. (1992), S. 72. Vgl. Picot, A. (1991), S. 150. Picot et al. bezeichnen die Principal-Agent-Theorie auch als ökonomisches Modell der Delegation; vgl. Picot, A. et al. (1997), S. 171.
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sächlich besten (realistisch jedoch fast nie umsetzbaren) und der zweitbesten (dafür aber realisierbaren) Lösung.593 Die Principal-Agent-Theorie weist zum einen den positiven (deskriptiven) Theoriezweig auf, der die institutionellen Auftragsbeziehungen in der Praxis zu beschreiben und zu erklären versucht. Zum anderen existiert der normative Zweig der Theorie. Hier werden mathematisch orientierte Empfehlungen hinsichtlich der optimalen Vertragsgestaltung zwischen Principal und Agent abgeleitet.594 Die vorrangig auf innerbetriebliche Beziehungen fokussierte Theorie595 kann auch auf interorganisationale Agenturverhältnisse – bspw. die Funktionsexternalisierung innerhalb automobiler Wertschöpfungsnetzwerke – angewandt werden. Informationsasymmetrien und daraus resultierende Unsicherheiten, die opportunistische Verhaltensmöglichkeiten eröffnen, prägen die Austauschbeziehungen zwischen Principal und Agent ebenso wie Risikoaversion, Interessengegensätze und Zieldivergenzen. Eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Zielerreichung wird unter diesen Ausgangsbedingungen erschwert. Insbesondere Informationsasymmetrien (hidden information) wirken sich nachhaltig auf das Austauschverhältnis aus. Die Theorie unterscheidet dahingehend zwischen: { hidden characteristics (Unsicherheit des Principals bezüglich nicht vollständig vorliegender Informationen über die Eigenschaften potenzieller Agenten) { hidden action (Unsicherheit des Principals in Bezug auf das Verhalten potenzieller Agenten) { hidden intention (Unsicherheit des Principals hinsichtlich nicht bekannter Ausprägungen der Leistungsbereitschaft potenzieller Agenten).596 Zur Reduktion von Informationsasymmetrien empfiehlt die Principal-AgentTheorie, die Aktionen des Agenten bspw. durch die Informationsbereitstellung seitens des Principals zu beeinflussen.597 Vor allem dienen jedoch positive und negative Anreizsysteme hinsichtlich vertraglich fixierter Vereinbarungen und 593 594
595 596 597
Vgl. Föhr, S. (1991), S. 127. Vgl. Dietl, H. (1993), S. 133; Elschen, R. (1991), S. 1006; Eisenhardt, K. M. (1989). Vgl. Wolf, J. (2003), S. 278. Vgl. Dietl, H. (1993), S. 141 f.; Picot, A. (1991), S. 152. Dyer, J. H. et al. ist der empirische Nachweis des Austausches vertraulicher Informationen in japanischen Zuliefernetzwerken gelungen; vgl. Dyer, J. H. et al. (1998). Vgl. im Besonderen zur Begünstigung des Informationstransfers in japanischen Zuliefernetzwerken Dyer, J. H. et al. (1998), S. 62 ff. 163
Kontrolle der Leistungen des Agenten der Reduzierung von Informationsasymmetrien.598 Für den Principal entstehen durch die Vertragsgestaltung (Agency-) Kosten. Aus Sicht des Agenten fallen Garantie- und/oder Signalisierungskosten für die Verbesserung des Informationsniveaus an.599 Garantieleistungen und Zertifizierungen dienen der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung. Ein hohes Misstrauen in der Auftragsbeziehung ist mit hohen Überwachungskosten für den Principal und hohen Signalisierungskosten für den Agenten sowie verbleibenden Residualverlusten verbunden.600 Primäres Ziel der Theorie ist demnach die Optimierung der Vertragsregelungen zwischen Principal und Agent zur Überwindung von Informationsasymmetrien.601 Die Minimierung der AgencyKosten gilt als zu erfüllende Nebenbedingung. Damit werden in der theoretischen Analyse auch der Beziehung zwischen Principal und Agent zugrunde liegende Koordinationsdesigns sowie deren Optimierung aufgegriffen. Die Präferenz für Kooperationen als Form interorganisationaler Zusammenarbeit lässt sich aus der Principal-Agent-Theorie schlussfolgern, weil so marktliche Anreize bei gleichzeitiger Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien erhalten bleiben. Weil Agency-Kosten durch Vertrauen reduziert werden können, sind Risikoverlagerungen nur insoweit vorzunehmen, als dass keine Vertrauensbasisstörungen auftreten.602 Auf Grund der in einem zunehmend differenzierten und spezialisierten Wirtschaftsleben dominierenden Principal-Agent-Probleme ist im Rahmen einer kritischen Beurteilung als wichtigster Punkt die hohe praxisrelevante Bedeutung der Theorie hervorzuheben. Mit der Aufnahme opportunistischer Verhaltensannahmen in die Betrachtung wird darüber hinaus den tatsächlichen Belangen der wirtschaftlichen Praxis Rechnung getragen.603 Schließlich gestaltet sich die Modellkonstruktion einfach und präzise, so dass auftretende Probleme verdeutlicht und strukturiert werden. Klare Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen gibt die Theorie selbst nicht. Sie können jedoch abgeleitet werden. Negativ anzumerken ist die einseitige Unterstellung, lediglich der Agent zeige opportunistisches Verhalten. Multi-Agenten-Modelle, die weit besser die Realität abbilden würden, sind bislang kaum entwickelt. Auch der einseitige Fokus auf Probleme vor Vertragsabschluss ist negativ zu beurteilen.604 Die Nichtbeachtung
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Vgl. Dietl, H. (1993), S. 136. Vgl. Spremann, K. (1990), S. 568. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 226. Vgl. Wolf, J. (2003), S. 280. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 226. Die ursprüngliche Theorie unterstellt ein vollkommenes Informationsniveau der beteiligten Parteien sowie die kostenlose Kontrolle und Durchsetzung der vertraglichen Vereinbarungen; vgl. Müller, C. (1995). Vgl. Backhaus, K. et al. (1994), S. 14 f. und S. 23.
164
mehrstufiger Lernprozesse und die fehlende Operationalisierung des Effizienzkriteriums – den Agency-Kosten – komplettieren die Kritik.605 Um nachfolgend analysieren zu können, wie Verträge optimal auszugestalten sind, werden die in der Automobilindustrie gebräuchlichen Vertragstypen in einem Exkurs thematisiert. Exkurs: Vertragstypen in der Automobilindustrie In der Automobilindustrie dominieren drei Vertragstypen die vertraglichen Regelungen zwischen Anbietern und Abnehmern: klassische, neoklassische und relationale Verträge.606 Klassische Verträge kennzeichnen sich durch das zeitliche Zusammenfallen von Leistung und Gegenleistung, bzw. wenn dies nicht der Fall ist, so sind zumindest Zeitpunkt und Art des Leistungsaustauschs eindeutig determinierbar. Bezogen auf die im Rahmen des automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes diskutierten Beziehungen handelt es sich hier vorwiegend um Austauschleistungen mit Tier-3 und Tier-4 Lieferanten, die einfache Teile wie bspw. Schrauben und Standardbleche bzw. Rohmaterialien/Rohstoffe zuliefern. Geringe Unsicherheiten auf Grund fehlender Produktkomplexität prädestinieren derartige Güter für klassische Verträge. Allerdings finden auch hier Klauseln ihren Niederschlag, die eher den neoklassischen Verträgen zuzuordnen sind, weil nicht die absolute Liefermenge, sondern eine Quote bezogen auf den Gesamtumsatz des Abnehmers fixiert wird. Der Preis ist in jedem Fall Hauptverhandlungskriterium, was auf klassischen Verträgen beruhende Zulieferbeziehungen im Schaubild des trichotomen Modells sehr nah am Bezugspunkt Markt verankert.607 Abweichend von der Idealform des Marktes, in der der Preis alle Informationen umfasst, ist der mit diesen Beziehungen häufig verknüpfte Machteinsatz einzuordnen. Gleichwohl bedürfen auch klassische Verträge eines gewissen Minimums an Vertrauen, weil trotz aller vertraglichen Regelungen immer die Unsicherheit besteht, dass die vereinbarte Leistung nicht beziehungsweise nicht wie vereinbart erbracht wird. Neoklassische Verträge unterscheiden sich gegenüber klassischen Verträgen dadurch, dass sie einen längeren Zeitraum umfassen und mit Vertragsabschluss keine eindeutige Regelung aller Geschäftsbedingungen festlegen. Daraus folgt eine partielle Unvollständigkeit dieser Verträge, dennoch wird versucht, die Verträge so genau wie möglich auszugestalten. Dieser Vertragstyp ist der in der Automobilindustrie für Güter und Dienstleistungen höherer/hoher Komplexität am häufigsten verwandte. Liefermengen werden nicht mehr absolut spezifiziert, stattdessen erfolgt eine Quotenvereinbarung, die sich am Gesamtumsatz des Ab-
605 606 607
Vgl. Wolf, J. (2003), S. 282. Vgl. Apelt, M. (1999), S. 54 ff. Vgl. Abbildung 3.2.1.3–2. 165
nehmers orientiert. Marktschwankungen werden somit auf die vorgelagerten Zulieferebenen übertragen. Selbst Preise für die gelieferten Leistungsumfänge sind nicht vollständig fest vereinbart. Einerseits sind in den meisten Verträgen Klauseln verankert, die jährliche Preissenkungen zu Gunsten des Abnehmers festschreiben (als Ausdruck der üblicherweise mächtigeren Position des Abnehmers), andererseits besteht aber auch für den Zulieferer die Möglichkeit, zumindest teilweise steigende Rohstoffpreise an den Abnehmer weiterzugeben (in Abhängigkeit von der jeweiligen Machtrelation). Machteinsatz ist auch in diesen Geschäftsbeziehungen üblich, aber es ist ein größeres Vertrauen auf Grund der geringen vertraglichen Spezifikation notwendig. Relationale Verträge sind von den vorgenannten Verträgen grundlegend verschieden. Hier wird lediglich ein Rahmenvertrag geschlossen, der die langfristige Kooperationsgemeinschaft festhält, während kaum konkrete Vereinbarungen getroffen werden. Beispielhaft können hier Entwicklungspartnerschaften für Zukunftstechnologien zwischen OEM und Tier-1 Zulieferern, aber auch horizontale Partnerschaften608 der unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen angeführt werden. Anwendung der Erkenntnisse der Principal-Agent-Theorie auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke Für Leistungsbeziehungen in einem automobilen Wertschöpfungsnetzwerk ist zwischen den einzelnen Wertschöpfungsebenen nicht immer eindeutig festgelegt, wem die Rolle des Principal und wem die Rolle des Agenten zukommt (insbesondere bei oben erwähnten horizontalen Beziehungen innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerkes). Die Rollenverteilung gestaltet sich situationsabhängig. Eine theoretische Dekomposition von Wertschöpfungsnetzwerken in einzelne Principal-Agent-Beziehungen wäre theoretisch zwar möglich. Allerdings erscheint es ebenso wenig sinnvoll wie Erfolg versprechend, die vielfältigen Beziehungsgeflechte eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes derart zu analysieren. Um trotz allem theoriebasierte Schlussfolgerungen für die automobile Praxis ableiten zu können, ist folgende Abstraktion vorzunehmen: In einem bilateralen Verhältnis wird der OEM als Principal und der Zulieferer als Agent klassifiziert. Auf Grund existierender Abhängigkeits-/Machtverhältnisse in der Automobilindustrie bestimmen größtenteils die OEM, welche Kosten für die Überwindung von Informationsasymmetrien und die Vermeidung opportunistischen Verhaltens anfallen. Mit der Forderung von Nachweisen für die Eignungsvoraussetzung werden bspw. Leistungseigenschaften seitens der Zulieferer beglaubigt. Dies erlaubt den OEM eine deutlich einfachere Agentenauswahl. Von den
608
Siehe Abschnitt 3.2.4.3 und dort das angeführte Beispiel der horizontalen Kooperation zwischen Bosch und Getrag.
166
Zulieferern zu erbringende gängige Leistungsnachweise sind Zertifizierungen nach ISO 9000/9001 und Qualitätssiegel, die vor allem die Einhaltung von Qualitätsstandards nachweisen sollen. Für den OEM interessant sind zudem Selbstauskünfte potenzieller Zulieferer. Weil Zulieferer ohne die Erbringung der geforderten Leistungsnachweise keine Aufträge erhalten, sind die für diese Leistungsnachweise anfallenden Kosten für die Zulieferer unvermeidlich. Aber auch die OEM sehen sich Kosten auf Grund ihrer eigenen Anforderungen gegenüber gestellt. Eingereichte Leistungsnachweise bedürfen der Prüfung und Auswertung. Es besteht eine direkte Proportionalität zwischen Prüfungsumfang/-intensität und Kostenanfall.609 Basierend auf den vorangestellten Darlegungen und ausgehend vom Ziel der Principal-Agent-Theorie, Verträge derart zu gestalten, dass Probleme aus Informationsasymmetrien und Risikoverteilungen optimal gelöst werden, lassen sich für interorganisational agierende automobile Wertschöpfungsnetzwerke zusammenfassend die folgenden Erkenntnisse gewinnen: { Um Agency-Kosten durch eine verminderte Opportunitätsneigung zu senken, bedarf es eines gegenseitigen Interessenausgleichs. Mit der Implementierung von Bonus- respektive Malussystemen und einer fairen Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien kann opportunistischem Verhalten der Anreiz genommen werden, wobei die Effizienz bei Erhalt der Flexibilität gesteigert werden kann. { Eine Prinzipal-Agenten-Beziehung, die sich durch Misstrauen auszeichnet, verursacht hohe „Agency-Costs“. Eine Verlagerung des Risikos innerhalb eines Netzwerkes sollte nur insoweit erfolgen, als dass dadurch nicht die Vertrauensbasis der kooperierenden Organisationen zerstört wird. { Angesichts gegebener Machtverhältnisse in der Automobilindustrie obliegt es den OEM, vertrauensvolle Zusammenarbeit in den von ihnen dominierten Wertschöpfungsnetzwerken zu initiieren und zu fördern. Sollten Zulieferer das in sie gesetzte Vertrauen nicht rechtfertigen, so besteht für die OEM auf Grund ihrer Machtposition die relativ problemlose Möglichkeit der Sanktionierung des Fehlverhaltens.
609
Standardzertifizierungen wie bspw. ISO 9000/9001 sind am einfachsten zu evaluieren. Sie stellen allerdings auch nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Selektionsprozess dar. In Kombination mit weiteren erforderlichen Leistungsnachweisen sieht sich der Principal (OEM) größeren Bewertungsschwierigkeiten ausgesetzt. Vor allem der Kostenaspekt für die Festlegung und Erstellung von Anforderungskatalogen, Qualität-Audits sowie der Prozess der Lieferantenbewertung umfassen einen nicht zu vernachlässigenden Kostenblock. 167
{ Relationale Verträge bieten eine Basis für automobile Zuliefer-Abnehmer-Beziehungen, die sich auf sehr komplexe Wertschöpfungsumfänge beziehen. Im Zweifelsfall sind trotz anfänglich erhöhter Kosten eher detaillierte vertragliche Regelungen anzustreben, d. h. neoklassische Verträge zu verwenden. 3.4.4 Transaktionskostentheorie Im Mittelpunkt der Transaktionskostentheorie610 steht die Frage nach der Wahl der effizientesten Koordinationsform des Austausches von Gütern und Dienstleistungen zwischen Individuen. Die zu wählende Koordinationsform kann mit Hilfe eines Institutionenvergleichs (Markt vs. Hierarchie) gelöst werden.611 Die Wahl der Koordinationsform bestimmt sich gemäß der Transaktionskostentheorie nicht durch die Produktions-, sondern durch die Transaktionskosten.612 Die Definition des Transaktionsbegriffs erfolgt in der Literatur semantisch uneinheitlich. Seine Ursprünge findet der Transaktionsbegriff bei Commons.613 Demnach sind Transaktionen „[…] not the exchange of commodities, but the alienation and acquisition, between individuals, of the rights of property and liberty created by society which must therefore be negotiated between the parties concerned before labour can produce, or consumers can consume, or commodities be physically exchanged“614.
Im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Praxis, die zumeist die absoluten Herstellkosten und damit das Produkt bzw. die Dienstleistung fokussiert, verfolgt die Transaktionskostentheorie einen differenzierten Ansatz. Die Theorie betrachtet die Transaktion an sich und als Bewertungsgröße die anfallenden Transaktionskosten.615 Die Transaktionskostentheorie kommt auf Grund der An-
610 611 612 613 614
615
Siehe Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 59 – 62 für einen kompakten Überblick. Vgl. Coase, R. H. (1937). Vgl. Sydow, J. (1992), S. 131. Vgl. Commons, J. R. (1931). Commons, J. R. (1931), S. 652; zitiert nach Picot, A. (1982), S. 269. Ouchi definiert einfacher: „ […] any activity which is engaged in to satisfy each party to an exchange that the value given and received is in accord with his or her expectations.“ Ouchi, W. G. (1980), S. 130. Die Herstellkostenunterschiede der einzelnen Koordinationsformen – so die Annahme – konvergieren letztlich gegen null. Damit werden die Transaktionskosten zur Entscheidungsgröße. Ihre Bedeutung erwächst aus der Höhe von in der Regel ca. 50 % aller betrieblichen Kosten; vgl. Picot, A. (2000), S. 29; van Someren, T. (2005), S. 175.
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nahme konstanter Herstellkosten und der Unterstellung ökonomischer Handlungsorientierungen zum Schluss, dass die handelnden Akteure eine Minimierung der Transaktionskosten anstreben. Funktional ausgedrückt stellen die für eine Transaktion zu wählende Koordinationsform die exogene und die Transaktionskosten die endogene Variable dar.616 Die gewählte Koordinationsform determiniert die Höhe der Transaktionskosten.617 Eine quantitative Aussage über den Kostenvorteil erfolgt nicht. Vielmehr weist die Transaktionskostenanalyse als Ergebnis diejenige Koordinationsform aus, die unter bestimmten Umständen die relativ geringsten Transaktionskosten verursacht. 3.4.4.1 Parameter der Transaktionskostenanalyse Williamson,618 auf den die Transaktionskostentheorie im Wesentlichen zurückgeht, nähert sich dem komparativen Kostenvergleich unterschiedlicher Koordinationsformen619 durch die Einführung von drei Parametern: Eigenschaften der handelnden Individuen, Situationseigenschaften, unter denen eine Transaktion stattfindet, sowie Eigenschaften der Transaktion selbst. Den an der Transaktion beteiligten Individuen werden ausschließlich ökonomische Handlungsorientierungen, d. h. die Minimierung der Transaktionskosten unterstellt. Bezüglich der Verhaltensdispositionen wird den Individuen begrenzte Rationalität und opportunistisches Verhalten unterstellt. Die ursprünglich auf March und Simon620 zurückgehende Verhaltensdisposition der begrenzten Rationalität eines Individuums fasst Picot umfassender und nachhaltiger als kapazitive Beschränkung hinsichtlich der Verfügbarkeit von Wissen, Können, Zeit und Informationsver-
616 617 618 619
620
Vgl. Söllner, A. (1993), S. 142. Vgl. Wolters, H. (1995), S. 115. Vgl. Williamson, O. E. (1975); Williamson, O. E. (1985a). Während Williamson in seiner frühen Arbeit lediglich die Koordinationsformen Markt und Hierarchie betrachtet, erweitert er seine Sichtweise später um so genannte hybride Formen; vgl. Williamson, O. E. (1990), S. 94. In diesem Zusammenhang vertieft er auch die Analyse der bis dato nur sekundär betrachteten Variable Faktorspezifität; vgl. Williamson, O. E. (1990), S. 60 ff. Gemäß des organisationssoziologischen Arguments sind Akteure nicht in der Lage, die gesamte Komplexität einer Konstellation respektive eines zu lösenden Problems zu erfassen; vgl. March, J. G./Simon, H. A. (1958), S. 169. Vgl. zur begrenzten Rationalität außerdem Simon, H. A. (1976), S. 28. Faust konstatiert, dass die Rationalität handelnder Akteure „[…] wegen der Inkonsistenz der Organisationsziele, der Unmöglichkeit, alle Kontextbedingungen als Variable zu behandeln, wegen der unvermeidlichen Informationslücken der Akteure stets ‚begrenzt’ […]“ ist. Faust, M. et al. (1994), S. 11. 169
arbeitungsfähigkeit auf.621 Der Einsatz fortschrittlicher Informations- und Kommunikationstechnologien622 (IuK-Technologien) kann die dem menschlichen Individuum gesetzte Kapazitätsgrenze zwar erweitern, jedoch niemals vollständig aufheben. Opportunismus als zweite Verhaltensdisposition neben der begrenzten Rationalität wird durch das Prinzip der individuellen Nutzenmaximierung623 ausgedrückt. Die Verhaltensannahme unterstellt, dass die Akteure zur Erlangung von Vorteilen bewusst auf Elemente der Täuschung, Manipulation, List624 etc. zurückgreifen. Sowohl begrenzte Rationalität als auch Opportunismus bewirken bei der Durchführung von Transaktionen Kosten. Im Folgenden wird auf die Transaktionskosteneinteilung Picots625 Bezug genommen werden. Er systematisiert gemäß dem zeitlichen Anfall nach: Anbahnungskosten: Kosten der Informationssuche und -beschaffung über potenzielle Transaktionspartner und ihre jeweiligen Konditionen; Vereinbarungskosten: Kosten der Verhandlung, Vertragsformulierung und Einigung; Abwicklungskosten: Kosten der Prozesssteuerung und des Managements; Anpassungskosten: Kosten für die Anpassung auf Grund dynamischer Umweltbedingungen (Änderungen bspw. für Mengen, Preise, Termine und Qualitätsanforderungen); Kontrollkosten: Kosten zur Sicherung der Einhaltung von Mengen-, Preis-, Termin- und Qualitätsvereinbarungen und Geheimhaltungsverpflichtungen.
621 622
623 624
625
Vgl. Picot, A. (1982), S. 269. Vgl. Picot, A. et al. (2003), S. 175 ff.; Evans, P./Wurster, T. S. (1997); Evans, P./ Wurster, T. S. (2000), S. 37. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 26 ff. Williamson führt explizit aus, was er unter Opportunismus versteht: „[…] Verfolgung von Eigeninteresse unter Zuhilfenahme von List“. Williamson, O. E. (1990), S. 74. Vgl. Picot, A. (1982), S. 270 sowie Picot, A. (1991), S. 147.
170
Zur Beantwortung der Frage nach der kostengünstigsten Transaktionsform verweist Williamson auf Variablen, die sowohl die vorherrschenden und zukünftigen Umweltzustände (Situationseigenschaften) als auch die Transaktion an sich charakterisieren. Williamson unterscheidet in Anlehnung an Koopmanns zwischen primärer Unsicherheit (Unvorhersehbarkeit zukünftiger Umweltausprägungen = nicht beeinflussbar) und sekundärer Unsicherheit (unvollkommene Datenverfügbarkeit und unzureichende Kommunikation zwischen den beteiligten Transaktionspartnern = beeinflussbar).626 Die Ausprägung der Unsicherheit bestimmt sich aus der vorherrschenden Komplexität und Dynamik.627 Nachfolgend werden die Umwelt-/Situationseigenschaften und Transaktionseigenschaften vor dem Hintergrund verursachender Kosten erörtert. Ungewissheit628 Ungewissheit bezieht sich auf die Unbestimmtheit der Beziehung zwischen Handlungsmöglichkeit und zugehöriger Konsequenz. Ursächlich dafür sind verfügbare, aber nicht vorliegende bzw. nicht beschaffbare Daten. Hinzu kommen die eingeschränkte Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungskapazität der Individuen. Dies resultiert in der betriebswirtschaftlichen Praxis in den meisten Fällen in Entscheidungssituationen unter Unsicherheit.629 Unsichere Transaktionen verlangen demnach im Vergleich zu sicheren Transaktionen630 nach mehr und besseren Informationen, was in erhöhte Anbahnungskosten resultiert. Die Vereinbarungskosten steigen, da die Transaktionspartner wegen der vorherrschenden Ungewissheit versuchen, möglichst viele Eventualitäten vorab festzulegen. Unvermeidlich sind nachgelagerte Anpassungen, weil nicht alle Eventualitäten vorab regelbar sind. Anpassungskosten treten in ungewissen Situationen ebenso auf wie nachgelagerte Kontrollkosten.
626
627 628
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630
Vgl. Koopmanns, T. (1957), S. 147 und S. 162 f., zitiert bei Williamson, O. E. (1989), S. 143 f. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 21 ff. Die Begriffe Ungewissheit und Unsicherheit werden im Folgenden aus Gründen der Vereinfachung inhaltlich gleich verwendet. Obwohl Williamson Unsicherheit als von Komplexität/Dynamik abhängig beschreibt, werden die beiden Variablen Unsicherheit und Komplexität in der vorliegenden Arbeit formal auf einer Ebene angesiedelt. Vgl. Kahle, E. (2001), S. 115 f. Zu Entscheidungssituationen unter Unsicherheit siehe Kahle, E. (2001), S. 119. Der Begriff sichere Transaktion impliziert nicht, dass es sich hierbei um Transaktionen ohne jegliches Risiko handelt. 171
Komplexität Ohne auf die vielschichtige Diskussion des Begriffes Komplexität einzugehen631, sollen im Folgenden prägnant die wesentlichen Aspekte sowohl vor einem entscheidungstheoretischen als auch vor einem praxisorientierten Hintergrund herausgestellt werden. Komplex sind „[…] solche Entscheidungssituationen […] deren Elemente: Alternativen, Konsequenzen und/oder Bewertungen durch Zielvariable nicht in einem geschlossenen Erklärungszusammenhang vollständig wiedergegeben werden können, d. h. bei denen mittelbare Interdependenzen vorliegen, die nicht in einem Modell erfasst werden können.“632
Komplexe Transaktionen verursachen ebenso wie unsichere Transaktionen höhere Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten. Die Argumentation folgt derselben Logik wie bei Ungewissheit. Anzahl der Transaktionspartner In inhaltlicher Übereinstimmung mit dem mikroökonomischen Grundverständnis von Angebot und Nachfrage geht die Transaktionskostentheorie davon aus, je höher die Anzahl der Marktteilnehmer (sowohl auf Abnehmer-, wie auf Anbieterseite), desto weniger Marktmacht kommt dem einzelnen Akteur zu. Das wiederum führt zu einem wettbewerbsintensiven Umfeld, in dem der verbleibende opportunistische Spielraum pro Transaktionspartei sinkt. Als Konsequenz ergeben sich unter den geschilderten Umständen sinkende Transaktionskosten. Transaktionsspezifische Investitionen Williamsons Argumentation folgend können faktorspezifische Investitionen in abnehmerspezifische Investitionen, spezifische Kapitalgüterinvestitionen, spezifische Investitionen in Humankapital und standortspezifische Investitionen unterteilt werden.633 Mit ihrer Hilfe lassen sich bestimmte Leistungsumfänge generieren, die im Anschluss Gegenstand einer Transaktion sind.
631
632 633
Luhmann bspw. definiert Komplexität abstrakt und sieht in ihr „ […] die Zahl der Möglichkeiten, die durch Systembildungen ermöglicht werden [und dabei; T.S.] mehr Möglichkeiten zulässt, als Wirklichkeit werden können […]“. Luhmann, N. (2000), S. 5. Siehe des Weiteren die Ausführungen und Literaturverweise zu Komplexität in Abschnitt 2.3.2. Kahle, E. (2001), S. 110 f. Vgl. Williamson, O. E. (1985a), S. 95 f. Picot/Dietl ergänzen zeitspezifische Investitionen; vgl. Picot, A./Dietl, H. (1990), S. 179. Freiling erweitert vor einem praxisbezogenen Hintergrund die Liste um kundenindividuell ausgerichtete und verknüpfte Prozesse; vgl. Freiling, J. (1995), S. 112 f.
172
Die Spezifität634 wirkt in zweierlei Hinsicht. Sie ist an einen bestimmten Leistungsumfang gebunden, der ohne diese Investition nicht zu erstellen ist. Darüber hinaus können andere Leistungsumfänge nicht (oder nur sehr unzureichend) mit dieser spezifischen Investition generiert werden. Entfällt der zu erbringende Leistungsumfang durch den Verlust der Geschäftsbeziehung, so stellt die spezifische Investition „sunk cost“ dar. Dadurch entstehen lock-in-Effekte.635 Der Partner mit den getätigten spezifischen Investitionen hat eine höhere Neigung, den Geschäftskontrakt aufrechtzuerhalten, um die Amortisation seiner Investition (die anders nicht nutzbar/nur sehr schlecht verwendbar ist) zu gewährleisten. Deshalb verleiten einseitige transaktionsspezifische Investitionen den Abnehmer des spezifischen Leistungsumfanges zu opportunistischem Verhalten. Hinsichtlich der Transaktionskosten gilt, je asymmetrischer die Verteilung der einseitigen spezifischen Investition, desto höher fallen die Transaktionskosten insbesondere für Anbahnung und Vereinbarung sowie für Kontrollen aus. Informationsverteilung636 Symmetrisch verteilte Information implizieren ein annähernd gleiches Informationsniveau der beteiligten Interaktionspartner. Dagegen bedeutet eine asymmetrische Informationsverteilung für den Akteur mit einem Informationsdefizit i. d. R. höhere Transaktionskosten der Anbahnung und Vereinbarung (für Informationsbeschaffung und Vertragsgestaltung), um dieses Defizit auszugleichen. Notwendig erscheint dies wiederum vor dem Hintergrund opportunistischer Verhaltensdispositionen.637 Anzahl wiederkehrender Transaktionen638 Grundsätzlich gilt, ein Unternehmen wird so lange Transaktionen intern ausführen, wie es diese zu geringeren Kosten realisieren kann, als es durch marktliche Transaktionen möglich wäre. Mit zunehmender Größe eines Unternehmens und damit einhergehend wachsender Ineffizienz steigen die Kosten pro Transaktion mit jeder weiteren Transaktion an. Ist der Punkt erreicht, an dem die internen die externen Transaktionskosten übersteigen, wird der Leistungsumfang fremdbezogen. Die Transaktionskostentheorie unterstellt des Weiteren, je häufiger
634 635 636 637
638
Picot spricht von Spezialität; vgl. Picot, A. (1982), S. 271. Vgl. Williamson, O. E. (1979), S. 240, sowie Williamson, O. E. (1990), S. 61. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 32. Vgl. Picot, A./Dietl, H. (1990), S. 180. Die Autoren verweisen weiterhin darauf, dass in einer Geschäftsbeziehung aufgebautes idiosynkratisches Wissen den Spezifitätsgrad der Leistungsbeziehung erhöht; vgl. Picot, A./Dietl, H. (1990), S. 180. Williamson schreibt der Transaktionshäufigkeit im Vergleich zur Faktorspezifität eine geringere Bedeutung zu; vgl. Williamson, O. E. (1990), S. 59. 173
Transaktionen mit ein und demselben (unternehmensexternen) Partner durchgeführt werden, desto geringer fallen die Transaktionskosten pro Transaktion aus. Der Kostendegressionseffekt ist auf „Skaleneffekte der Transaktion“ zurückzuführen. So verteilen sich bspw. einmalige Informationsbeschaffungskosten auf mehrere Transaktionen. Aber auch die zunehmende Standardisierung von Verträgen und Prozessen sowie die steigende Erfahrung wirken Transaktionskosten reduzierend. Zu den genannten Effekten kann mit zunehmender Transaktionshäufigkeit (mit ein und demselben Partner) ein wachsendes Vertrauen hinzutreten. Rückblickend auf die eingangs eingeführte Prämisse ökonomischer Handlungsorientierungen (d. h. dem Streben nach Transaktionskostenminimierung) ist die Gewährung von Vertrauen demnach dann ökonomisch sinnvoll, wenn sich nach der Bewertung von Chancen und Risiken ein positiver Erwartungswert dahingehend ergibt, dass sich damit Transaktionskosten minimieren lassen. Der Erwartungswert wird dabei umso positiver sein, je besser639 die Erfahrungen in der Vergangenheit waren. Vertrauensaufbau ist jedoch nur möglich, wenn die Geschäftstransaktionen in einem guten Klima abgewickelt werden. Transaktionsklima Das Transaktionsklima ist eine sehr subjektive Größe, der trotz ihrer schwierigen Quantifizierbarkeit eine hohe Bedeutung zukommt. Erst wenn von allen Transaktionspartnern das Klima als gut empfunden wird, lassen sich Transaktionen unkomplizierter abwickeln. Einheitliche Wertesysteme und ein von allen Beteiligten akzeptierter und gelebter Verhaltenskodex640 als Basis für die Abwicklung von Geschäftsvorgängen führen zu sinkenden Transaktionskosten bei unternehmensübergreifenden Geschäften. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist dabei das wechselseitig entgegengebrachte Vertrauen. Je größer das gegenseitige Vertrauen ist, desto geringer sind die aufzuwenden Transaktionskosten für Anbahnung, Vereinbarung, Anpassung und Kontrolle. 3.4.4.2 Interdependenzen der Transaktionsparameter In einer weiterführenden Betrachtung bedarf es nun der Analyse auftretender Interdependenzen zwischen den vorgestellten Parametern und Variablen, weil bestimmte Kombinationen aus Umweltzuständen/Transaktionseigenschaften und Verhaltensdispositionen zum Versagen von Koordinationsmechanismen führen
639
640
Besser bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, dass der jeweils gewährte Vertrauensvorschuss nicht enttäuscht wurde. Vgl. Blazejewski, S./Dorow, W. (2006), S. 37 ff., wie ein Wertekodex funktionieren kann.
174
können. Der Fokus richtet sich auf die drei für die automobilspezifische Problemstellung relevanten Interdependenzen Komplexität/Unsicherheit und begrenzte Rationalität, Faktorspezifität und Opportunismus sowie asymmetrische Informationsverteilung und Opportunismus.641 Interdependenzen zwischen Komplexität/Unsicherheit und begrenzter Rationalität Unsicherheit und/oder Komplexität an sich stellen zunächst kein Problem dar. Erst mit der Überschreitung der Grenzen der Rationalität werden sie zu einem Problem.642 Grundsätzlich gilt, je größer die Unsicherheit/Komplexität, desto schneller wird die Grenze der Rationalität überschritten. In der betriebswirtschaftlichen Praxis sehen sich die Akteure i. d. R. mit einem Informationsdefizit und teilweise mit mangelnder Informationsverarbeitungskapazität für vorliegende Informationen konfrontiert. Wie bereits erwähnt, lassen sich die individuellen Grenzen der Informationsverarbeitung durch moderne IuK-Technologien problemlos erweitern, was allerdings in steigende Kosten für diese Technologien resultiert. Aufheben können aber auch diese Medien die Grenze nie vollständig. Die Verhaltensdisposition der begrenzten Rationalität wird demnach weiterhin als Faktum bestehen bleiben. Unsicherheit/Komplexität kann mit dem Versuch begegnet werden, eine höhere Informationsvielfalt und -qualität, detaillierte Vereinbarungen und verstärkte Kontrollen zu erzielen, um ungewisse und komplexe Situationen besser einzuschätzen und zu regeln. Das Informationsdefizit kann verkleinert, aber nie vollständig abgebaut werden, weil nie alle zur Entscheidungsfindung relevanten Informationen trotz eines noch so großen Aufwandes beschafft werden können. Das Problem bleibt weiterhin existent.643 Betriebliche Entscheidungssituationen werden zwar nie unter vollständiger Sicherheit getroffen, jedoch sind sie nicht zwangsläufig komplexer Natur. Transaktionen, die sich auf einfache Leistungsumfänge beziehen und deren Transaktionshorizont eher kurzfristig ausgelegt ist, sind demzufolge als unpro-
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Vgl. im Folgenden grundlegend Williamson, O. E. (1975), S. 20 ff. Vgl. Zündorf, L. (2003), S. 20. In einem komparativen Vergleich unterschiedlicher Koordinationsformen gilt es demnach zu klären, welche Koordinationsformen die Grenze der Rationalität als Erste überschreitet. Sie ist in diesem Fall die unterlegene Transaktionsform. Es kann sich durchaus folgende Konstellation ergeben: Aus der Motivation heraus, Unsicherheiten reduzieren zu wollen, werden derart viele Informationen gesammelt und fließen anschließend in den Entscheidungsfindungsprozess ein, dass erst dadurch eine komplexe Situation entsteht. Werden zudem dann noch die Informationsverarbeitungskapazitäten überschritten, wirkt der Versuch zur Reduzierung von Unsicherheit kontraproduktiv. 175
blematisch einzustufen. Komplexe Leistungsumfänge, die überdies einen längeren Transaktionshorizont haben, stellen die beteiligten Akteure dagegen vor große Herausforderungen, weil nicht alle zukünftig auftretenden Eventualitäten vorab vertraglich geregelt werden können. Dies würde die Vereinbarungskosten unermesslich ansteigen lassen. Der bewusste Verzicht auf vollständige Verträge, stattdessen der Abschluss relationaler bzw. neoklassischer Verträge, gilt in solchen Fällen als Handlungsmaxime. Diese Verträge bieten zudem Flexibilitätsvorteile, die bei vertrauensvollem Umgang der Transaktionspartner miteinander der Lösung eventuell nachgelagerter Probleme dienen können. Dies resultiert in eine Senkung der nachgelagerten Transaktionskosten. Weiterhin ist den Transaktionspartnern eine offene Kommunikation zur gegenseitigen Reduzierung der sekundären Unsicherheit zu empfehlen. Informationsdefizite sind weitgehend zu beseitigen. Hinsichtlich der Transaktionskosten gilt: Je größer die Unsicherheit/Komplexität, desto höher
die Anbahnungskosten (Kosten der Informationsbeschaffung zur Reduzierung von Unsicherheit und Komplexität),
desto höher
die Vereinbarungskosten (Kosten der Vertragsgestaltung zur Reduzierung von Unsicherheit und Komplexität),
desto höher
die Anpassungs- und Kontrollkosten (nachträgliche Verhandlungen über Preise, Mengen etc. und Kontrollen, um die im Vorfeld nicht absehbaren Folgen aus Unsicherheit und Komplexität zu regeln).
Interdependenzen zwischen Faktorspezifität und Opportunismus Durch einseitige transaktionsspezifische Investitionen entstehen für die spezifisch investierende Partei lock-in-Effekte. Derartige Effekte begünstigen wiederum opportunistisches Verhalten für die nicht spezifisch investierende Partei. Je höher die einseitige Spezifität der Investition, umso stärker wirkt der Anreiz zu opportunistischem Verhalten. Williamson verweist allerdings auch auf den positiven Aspekt der Errichtung einer Eintrittsbarriere durch spezifische Investitionen.644 Ein hoher Spezifitätsgrad begrenzt insofern die Wettbewerbsintensität, als dass nur eine geringe Anzahl von Marktteilnehmern als potenzielle Transaktionspartner den speziellen Leistungsumfang erbringen kann.645 Im Extremfall führt die einseitige spezifische Investition zu einer Abhängigkeitssituation des
644 645
Vgl. Williamson, O. E. (1989), S. 144. Vgl. Riordan, M. E./Williamson, O. E. (1985), S. 367.
176
Abnehmers der Leistung genau dann, wenn kein weiterer Anbieter diese Leistung erbringen kann. Substitutive Leistungen können von Mitwettbewerbern in den meisten Fällen erzeugt werden. Fraglich ist hingegen, in welchem Zeithorizont dies möglich ist. Auch für die Erstellung von Substituten müssen spezifische Investitionen getätigt werden, die ihrerseits Zeit für die Implementierung bedürfen. Zudem spielen Fragen der mengenmäßigen Verfügbarkeit, der Qualität des Leistungsumfangs und nicht zuletzt des Preises eine wichtige Rolle. Kurzfristige Partnerwechsel schließen sich somit in den meisten Fällen aus. Potenzielle Partner müssen sich über möglicherweise auftretende Abhängigkeiten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen bewusst sein. Es wird daher Gegenstand der Verhandlungen sein, einen für alle Beteiligten tragbaren Konsens zu finden. Nur so können nachfolgend auftretende „Switching Costs“646 (resultierend aus dem Aufbau neuer Geschäftsverbindungen) vermieden werden. Allerdings lassen die Verhandlungen die Transaktionskosten vorab – je nach Intensität – mehr oder weniger stark steigen. Wechselseitige transaktionsspezifische Investitionen verstärken indes die bestehende Geschäftsbeziehung und verringern die Neigung zu opportunistischem Verhalten. Die investierten Akteure sind an einer möglichst langfristigen Geschäftsdauer interessiert, um die Amortisation der Investition zu erreichen. Die erwähnten lock-in-Effekte wirken hier, da wechselseitig, stabilisierend. Hinsichtlich der Transaktionskosten gilt: Je größer die Spezifität einer einseitigen Investition,
646
desto höher
die Anbahnungskosten (Kosten der Informationsbeschaffung zur Beurteilung, ob der potenzielle Transaktionspartner den eigenen Erwartungswert über die anstehende Transaktion erfüllt),
desto höher
die Vereinbarungskosten (Kosten der Vertragsgestaltung, um die spezifische Investition gegen möglichst viele Eventualitäten, d. h. Opportunismus abzusichern),
desto höher
die Anpassungs- und Kontrollkosten (nachträgliche Verhandlungen über Preise, Mengen etc. und Kontrollen um die spezifische Investition gegen auftretenden Opportunismus zu schützen).
Vgl. Kummer, S./Weber, J. (1998), S. 232. 177
Interdependenzen zwischen asymmetrischer Informationsverteilung und Opportunismus Liegt ein Informationsdefizit seitens eines Transaktionspartners vor, kann er sich dem Schließen der Lücke nur schwerlich entziehen. Gemäß den unterstellten Verhaltensannahmen ist dem Akteur bewusst, dass der Transaktionspartner durch den Informationsvorsprung zu opportunistischem Verhalten verleitet wird. Er kann also nicht darauf vertrauen, dass sein Gegenüber erstens die Informationen preisgibt oder zweitens den Informationsvorsprung nicht opportunistisch nutzt. Hinsichtlich der Transaktionskosten gilt: Je asymmetrischer die Informationsverteilung, desto höher
die Anbahnungskosten (Kosten der Informationsbeschafung zur Schließung der Informationslücke und der damit einhergehenden Unterbindung/Einschränkung opportunistischen Verhaltenspotenzials, bzw. Kosten der Verschleierung zur Aufrechterhaltung der asymmetrischen Informationsverteilung durch die andere Partei),
desto höher
die Vereinbarungskosten (Kosten der Vertragsgestaltung zur Reduzierung des Informationsdefizits bzw. zur Aufrechterhaltung desselben durch die andere Partei),
desto höher
die Anpassungs- und Kontrollkosten (nachträgliche Verhandlungen über Preise, Mengen etc. und Kontrollen, um den sich aus der asymmetrischen Informationsverteilung ergebenden opportunistischen Spielraum zu verringern).
Im Hinblick auf die weiterführende Analyse kann festgehalten werden: Nicht ein Parameter allein ist ausreichend, um die Effizienz einer institutionellen Disposition zu begründen. Stattdessen bedarf es der Beachtung aller Einflussfaktoren und der ihnen immanenten Interdependenzen, um über die Vorteilhaftigkeit einer Koordinationsform zu entscheiden.
178
3.4.4.3 Erkenntnisse der Transaktionskostenanalyse Im Folgenden gilt es zu beantworten, unter welchen Bedingungen welches Koordinationsdesign komparative Vorteile aufweist. Nachfolgende Tabelle 3.4.4.3 stellt die beiden klassischen Koordinationsformen Hierarchie und Markt gegenüber und bewertet sie hinsichtlich der Umwelt- und Situationseigenschaften sowie den Eigenschaften der Transaktion selbst: Umwelt-/Situationseigenschaften Eigenschaften der Transaktion selbst
Vorteile der Hierarchie
Vorteile des Marktes
Unsicherheit
groß
gering
Komplexität
groß
gering
Anzahl der Transaktionspartner
klein
groß
Transaktionsspezifische Investitionen
hoch
gering
asymmetrisch
symmetrisch
hoch
gering
schlecht
gut
Informationsverteilung Anzahl wiederkehrender Transaktionen Transaktionsklima
Tabelle 3.4.4.3: Der Transaktionskostenansatz [Quelle: In Anlehnung an Zündorf, L. (2003), S. 16]
Gemäß der Transaktionskostentheorie verfügt die hierarchische Koordinationsform in hoch komplexen und unsicheren Umweltzuständen gegenüber der marktlichen Koordination über einen komparativen Vorteil. Begrenzte Informationsverarbeitungskapazitäten als Ursache wie auch als Wirkung begrenzter Rationalität verstärken die herrschende Unsicherheit und Komplexität. Der Erweiterung der individuellen Kapazitätsgrenze der Informationsverarbeitung durch IuK-Technologien kann in einer hierarchischen Organisationsstruktur vor dem Hintergrund einheitlicher Systeme ein höherer Wirkungsgrad zugeschrieben werden als in einer marktlichen, d. h. unternehmensübergreifenden Struktur. Ferner gestaltet sich die operative Informationsbeschaffung in einer hierarchischen Organisationsstruktur auf Grund existierender hierarchischer Durchgriffsrechte sehr viel einfacher, d. h. vor allem kostengünstiger. Am Markt sind Informationen teilweise nur unter sehr hohen Transaktionskosten zu beschaffen (Worst-Case-Szenario: unter keinen Umständen zu beschaffen). Mit zunehmender Unsicherheit und Komplexität und daraus resultierender Opportunismusneigung steigt die Bedeutung von Absicherungsmaßnahmen. Ihre vollständige vertragliche Regelung ist in den meisten Fällen unmöglich. Die positive Korrelation zwischen zunehmend detaillierten vertraglichen Regelungen und steigenden Transaktionskosten (Vertragsvereinbarungskosten) ist offenkundig. In der Konsequenz erweist sich die Koordinationsform Hierarchie als vorteilhaft. Eine hohe Anzahl von Marktteilnehmern und damit schwindende Marktmacht für den einzelnen Transaktionspartner führen zu einem geringeren op179
portunistischen Spielraum. Das wiederum resultiert in einem wettbewerbsintensiven Umfeld. Unter diesen Bedingungen ist die Koordination durch den Markt der hierarchischen Koordination überlegen. Bei geringen transaktionsspezifischen Investitionen bietet die marktliche Koordination sowohl Produktions- als auch Transaktionskostenvorteile. Ein als Zulieferer tätiges Unternehmen profitiert von diversen Skaleneffekten (Losgrößenvorteile, Lernkurveneffekte etc.), weil es für mehrere Abnehmer produziert. Zudem können durch die Beschaffung am Markt bürokratische Hemmnisse der hierarchischen Koordination vermieden und gleichzeitig marktwirtschaftlich motivierte Gewinnchancen hinsichtlich Innovation und Kostensenkung realisiert werden. Die marktliche dominiert die hierarchische Koordination. Dagegen verringern sich die Produktions- und Transaktionskostenvorteile eines externen Marktteilnehmers bei hohen spezifischen Investitionen, weil er nun nicht mehr Skaleneffekte in diesem Ausmaß realisieren kann.647 Je höher die Investitionsspezifität ausfällt, desto stärker überwiegen die Vorteile der Eigenfertigung.648 Wechselseitige transaktionsspezifische Investitionen verringern die Neigung zu opportunistischem Verhalten. Die auftretenden lock-in-Effekte wirken sogar stabilisierend auf eine Geschäftsbeziehung. Eine unter diesen Bedingungen auf dem Marktmechanismus beruhende Transaktion bietet einen komparativen Vorteil, weil die Effizienz des Marktes (bspw. durch Spezialisierung auf einzelne Wertschöpfungsumfänge) nicht durch opportunistisches Verhalten unterlaufen wird. Einseitige transaktionsspezifische Investitionen erhöhen dagegen die Opportunismusneigung. Infolgedessen kommt es im Fall hoher Spezifität zu einem Marktversagen und einem komparativen Vorteil für die hierarchische Koordinationsform. Bei geringer Spezifität hingegen dominiert die marktliche Koordination. Mit der real existierenden Möglichkeit zur Wahl eines neuen Transaktionspartners kann opportunistisches Verhalten begrenzt werden.649 Unternehmensübergreifende Geschäftsbeziehungen sind durch asymmetrisch verteilte Information charakterisiert. Das verleitet gemäß den unterstellten Verhaltensdispositionen die handelnden Akteure zu opportunistischem Verhalten. Die hierarchische Koordinationsform besitzt unter diesen Gegebenheiten einen komparativen Vorteil. Die Transaktionskostentheorie besagt, dass bei einer Vielzahl wiederkehrender Transaktionen die Hierarchie die transaktionskostengünstigere Koordinationsform ist. Dies ist insbesondere bei komplexen und spezifischen Leistungsumfängen der Fall, weil die notwendigen Anpassungen und Änderungsbedarfe keine umfangreichen Neuverhandlungen nach sich ziehen. Im
647
648 649
Im Extremfall ist eine Investition derart speziell auf den Abnehmer zugeschnitten, dass keine Skalenvorteile durch den externen Marktteilnehmer erzielt werden können. Vgl. Semlinger, K. (2006), S. 43 f. Vgl. Williamson, O. E. (1975), S. 117 ff.
180
Rahmen der hierarchischen Koordination werden Anpassungen einseitig durch das Instrument Anweisung erteilt und durchgesetzt, weil seitens der ausführenden Ebene ein geringerer Widerstand als bei der marktlichen Koordination zu erwarten ist.650 Eine geringe Anzahl von wiederkehrenden Transaktionen im Extremfall eine Einmaltransaktion ist dagegen vorzugsweise mit Hilfe des Marktmechanismus abzuwickeln.651 Dem Marktmechanismus ist ein komparativer Vorteil für Transaktionen zuzusprechen, die vereinfachend mit einem guten Geschäftsklima umschrieben werden können. Konkret bedeutet dies den Verzicht auf Machtmissbrauch und die Förderung von Vertrauen. Eine hierarchische Lösung ist indes zu präferieren, wenn obige Bedingungen nicht als Geschäftsgrundlage etabliert werden können. Allgemein gültige Schlussfolgerungen lassen sich unter den beiden grundlegenden Prämissen begrenzter Rationalität der handelnden Individuen sowie deren Neigung zu opportunistischem Verhalten wie folgt aus der Transaktionskostentheorie herleiten: Bei Leistungsumfängen die großer Unsicherheit und Komplexität unterliegen sowie hohe transaktionsspezifische Investitionen erfordern, liegen die Vorteile in einer hierarchischen Ausführung. Wenn zudem lediglich eine geringe Anzahl von Anbietern auftritt und eine asymmetrische Informationsverteilung vorliegt, wird die Wahrscheinlichkeit des Marktversagens und somit der Vorteil der Hierarchie nochmals verstärkt. In einer genau umgekehrten Konstellation kann von Hierarchieversagen und Vorteilen des Marktmechanismus’ ausgegangen werden (siehe Tabelle 3.4.4.3).
3.4.4.4 Anwendung der transaktionskostentheoretischen Erkenntnisse auf automobile Wertschöpfungsnetzwerke Die im vorhergehenden Abschnitt gewonnen Erkenntnisse werden im Folgenden auf automobile Wertschöpfungsumfänge angewandt (siehe Abbildung 3.4.4.4). Aus Gründen der Vereinfachung wurde in einem ersten Schritt das Kriterium
650 651
Vgl. Williamson, O. E. (1985a), S. 78. Vgl. Semlinger, K. (2006), S. 44. 181
Transaktionsatmosphäre außer Acht gelassen.652 Es wird im Anschluss explizit adressiert. Eine weitere Vereinfachung wurde hinsichtlich der zu unterscheidenden Leistungsumfänge vorgenommen.653
Unsicherheit
groß
gering
Komplexität
groß
gering
Anzahl der Anbieter
klein
groß
transakt.spezif. Investitionen
hoch
gering
Informationsverteilung
asymmetrisch
symmetrisch
Transaktionsdauerhaftigkeit
hoch
gering
Transaktionsatmosphäre schlecht
gut
Vorteile der Hierarchie
Vorteile des Marktes
komplexe Leistungsumfänge
einfache Leistungsumfänge
(z. B. Elektronikmodule)
(z. B. Schrauben, Bleche)
Abb. 3.4.4.4: Einordnung automobilspezifischer Wertschöpfungsumfänge mit Hilfe 654 transaktionskostentheoretischer Parameter
652
653
654
So werden seitens der fokalen Unternehmen unterschiedliche Geschäftspraktiken mit den vorgelagerten Wertschöpfungsebenen gelebt. Während einige OEM ein partnerschaftliches Verhältnis anstreben und damit für ein gutes Interaktionsklima sorgen, sehen andere OEM nicht die Notwendigkeit für eine gute Arbeitsatmosphäre. Darüber hinaus können sich die Geschäftsbeziehungen bspw. zwischen Tier-1 und Tier-2 völlig anders vollziehen, als das zwischen OEM und Tier-1 der Fall ist. Die diffizile Unterteilung der automobilen Wertschöpfungsebenen aus Abschnitt 2.1.1 und Abbildung 4.1–2 wird an dieser Stelle aus Gründen der allgemein gültigen Erkenntnisgewinnung nicht berücksichtigt. Die Parameterausprägungen werden aus Gründen der Vereinfachung als extreme Positionen verstanden, um so die jeweilige Koordinationsform besser charakterisieren zu können.
182
Für einfache Leistungsumfänge empfiehlt sich die Konstellation der marktlichen Koordination. Hinsichtlich der Transaktionsatmosphäre ist festzuhalten, dass Automobilzulieferer tendenziell unter einem schlechten Geschäftsklima leiden.655 Das schlechte Klima ergibt sich aus der (aus Sicht der OEM und der einflussreichen Tier-1 Zulieferer) problemlosen Austauschbarkeit von Lieferanten einfacher Wertschöpfungsumfänge. Diese Austauschbarkeit resultiert ihrerseits aus der geringen Unsicherheit und Komplexität der Leistungsumfänge, der i. d. R. fehlenden transaktionsspezifischen Investitionen, einer symmetrischen Informationsverteilung (da die Leistungsumfänge einfach zu bewerten sind) und einer großen Anzahl von Anbietern. Die einfache Austauschbarkeit der Lieferanten führt letztlich auch dazu, dass die Dauer der Transaktionsbeziehungen als eher kurzfristig charakterisiert werden kann. Im Hinblick auf die Transaktionsatmosphäre kann konstatiert werden, dass die automobile Praxis nicht mit der aus der Theorie hergeleiteten Ausprägung des Kriteriums übereinstimmt. Die transaktionskostentheoretische Empfehlung kann trotz der fehlenden Übereinstimmung des Parameters Transaktionsatmosphäre in Richtung marktliche Koordination für einfache Leistungsumfänge ausgesprochen werden. Weil derartige Umfänge in der automobilen Praxis fast ausschließlich über den Markt bezogen werden, bleibt im Einklang mit der theoretischen Erkenntnis als Handlungsempfehlung festzuhalten, dass die bestehende Koordinationsform beizubehalten ist. Darüber hinaus sollte auch mit den Lieferanten einfacher Wertschöpfungsumfänge eine gute Transaktionsatmosphäre erzielt werden, um so die interorganisationalen Geschäftsbeziehungen zu verbessern. Komplexe Leistungsumfänge sind in der Automobilindustrie durch eine große Unsicherheit und Komplexität geprägt und erfordern hohe spezifische Investitionen in Human- und/oder Sachkapital. Diese drei Merkmalsausprägungen bedingen zudem eine geringe Anzahl von Anbietern und eine asymmetrische Informationsverteilung (mit Informationsvorteilen für den Lieferanten). Eine hohe Transaktionsdauerhaftigkeit wird sowohl seitens des Abnehmers (zumeist der nachgelagerten Wertschöpfungsebenen) als auch seitens des Lieferanten aus Gründen der Planungssicherheit angestrebt. Für den Abnehmer ist Planungssicherheit von Bedeutung, weil er auf Grund der angeführten Merkmalsausprägungen des Leistungsumfanges nicht kurzfristig den Lieferanten ersetzen kann. Planungssicherheit für Lieferanten bedeutet die Gewissheit, dass sich die vorab geleisteten spezifischen Investitionen amortisieren werden. Die Geschäftsbeziehung kennzeichnet sich angesichts der gegenseitigen Abhängigkeit durch stabile Strukturen.
655
Diese Aussage gilt nicht pauschal für alle automobilen Wertschöpfungsbeziehungen, die einfache Leistungsumfänge umfassen. Sie orientiert sich an den Ausführungen der Abschnitte 2.2 und 2.3. 183
Im Hinblick auf die Ausprägung des Kriteriums Transaktionsatmosphäre ist mit Bezug auf die gegenseitige Abhängigkeit festzuhalten, dass die interagierenden Geschäftspartner ein natürliches Interesse an einem guten Klima haben. Obwohl dem Lieferanten durch die zu seinen Gunsten asymmetrisch verteilte Information die Option der Vorteilsgewinnung aus opportunistischem Verhalten offen steht, wird er dagegen die langfristigen Risiken abwägen. Eine kurzfristige Gewinnmaximierung auf Kosten des Abnehmers wird zum einen Anschlussgeschäfte verhindern. Zum anderen zerstört es die Reputation innerhalb der Automobilindustrie, so dass auch andere Unternehmen bei Bekanntwerden auf Grund des in der Vergangenheit gezeigten Geschäftsgebarens von Beziehungen mit diesem Unternehmen Abstand nehmen. Dieses Wissen beschränkt die Bereitschaft zu opportunistischem Verhalten. Grundsätzlich kann demnach die Transaktionsatmosphäre als gut bezeichnet werden. Wie schon bei den einfachen Leistungsumfängen stimmt auch hier der theoretische Erwartungswert der Merkmalsausprägung nicht mit dem praktischen Beobachtungswert in der Automobilindustrie überein. Ungeachtet der fehlenden Übereinstimmung einer Merkmalsausprägung kann auch an dieser Stelle die Empfehlung ausgesprochen werden, dass komplexe Leistungsumfänge einem hierarchischen Zugriff unterliegen. Mit den aus der Transaktionskostentheorie gewonnen Erkenntnissen für komplexe Wertschöpfungsumfänge lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, vorgelagerte Wertschöpfungsstufen seien unter die hierarchische Kontrolle des fokalen Unternehmens zu bringen. Eine vertikale Integrationspolitik wäre die notwendige Konsequenz. Wie jedoch bereits aufgezeigt, ist es den OEM auf Grund fehlender Ressourcen nicht möglich, alle für ein Automobil benötigten komplexen Leistungsumfänge in Eigenregie zu entwickeln und zu produzieren.656 Es ergibt sich somit eine Konstellation, in der einerseits Marktversagen vorliegt, andererseits der theoretisch abgeleiteten Empfehlung zur hierarchischen Eingliederung in der Praxis erwiesenermaßen nicht nachgekommen werden kann. Als ein dritter Weg bietet sich die interorganisationale Netzwerkkooperation an.
656
Vgl. Abschnitt 2.3.2.
184
3.4.4.5 Besondere Bedeutung der Faktorspezifität in der Automobilindustrie Die in Abschnitt 3.4.4.1 erwähnten unterschiedlichen Ausprägungen der Faktorspezifität – abnehmerspezifische Investitionen, spezifische Kapitalgüterinvestitionen, spezifische Investitionen in Humankapital, standortspezifische Investitionen – werden hier kurz charakterisiert, um danach ihre jeweilige Bedeutung für die automobile Wertschöpfungskette aufzuzeigen. Es gestaltet sich schwierig, abnehmerspezifische Investitionen in der praktischen Anwendung von den anderen Formen der Faktorspezifität abzugrenzen. So lässt sich argumentieren, spezifische Kapitalgüterinvestitionen sind per Definition abnehmerspezifisch ausgelegt. Auch Investitionen in Humankapital, die speziell dazu dienen, die Bedürfnisse eines Kunden zu erfüllen, sind abnehmerspezifisch. Die Frage nach der Art der Faktorspezifität erscheint vor diesem Hintergrund eher theoretischer Natur. Relevanter ist die Frage nach dem Grad der (Abnehmer)Spezifität. Dieser bestimmt sich zum einen aus der absoluten Höhe der Investition und zum anderen aus einer möglichen Nutzung für alternative Wertschöpfungsumfänge657. Diese absolute Höhe der Investition bedarf einer relativen Einordnung.658 Wichtig für die weitergehende Betrachtung ist die Erkenntnis, dass Investitionen ab einer bestimmten absoluten Höhe für jedes Unternehmen einen kritischen Schwellenwert erreichen. Wird dieser überschritten, begibt sich das investierende Unternehmen in eine Situation der Abhängigkeit gegenüber dem Transaktionspartner. Die Exit-Option, d. h. die bewusste Entscheidung über den Ausstieg aus dem Wertschöpfungsverbund durch das Lösen der geschäftlichen Beziehungen zum Transaktionspartner, kommt dann der Insolvenz des Unternehmens gleich.659 Die Kontrolle über das eigene Unternehmen wird mit der spezifischen Investition aufgegeben.
657
658
659
In der praktischen Ausgestaltung würde sich als messbare Größe für die alternative Verwendung derjenige Geldbetrag ergeben, der notwendig ist, um die Investition gemäß den Anforderungen der zweitbesten Verwendungsmöglichkeit umzurüsten. Für eine tiefer gehende Betrachtung siehe dazu den bei Backhaus et al. dargestellten Zusammenhang zwischen Spezifität, Quasirente und Opportunitätskosten; vgl. Backhaus, K. et al. (1994), S. 43 ff. So mag eine Investition von 100.000 Euro für ein Kleinunternehmen bereits Existenz gefährdend sein, während ein großes mittelständisches Unternehmen diese Summe unproblematisch investieren kann. Ob die richtige Bezugsbasis der Umsatz, der Gewinn oder andere Kenngrößen sind, ist an dieser Stelle von nachrangiger Bedeutung. Das Unternehmen wird infolge der Charakteristik der spezifischen Investition als sunk cost insolvent. 185
Spezifische Kapitalgüterinvestitionen sind Investitionen in Güter und Anlagen, die der Erstellung eines spezifischen Wertschöpfungsumfangs dienen. Speziell angepasste Maschinen und Werkzeuge seien beispielhaft für die Automobilindustrie angeführt. Vornehmlich in den Bereichen Produktion und F&E finden sich spezifische Kapitalgüterinvestitionen. Zunehmend an Bedeutung gewinnt die unternehmensübergreifende Vernetzung der Informationstechnologien im Wertschöpfungsverbund. Investiert ein Transaktionspartner in neue Hardware und/oder Software, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, handelt es sich auch hierbei um spezifisches Sachkapital. Letztlich kann auch die logistische Synchronisation der einzelnen Wertschöpfungsprozesse hierunter subsumiert werden. Spezifische Investitionen in Humankapital beziehen sich auf die spezielle Ausbildung von Mitarbeitern, deren Qualifikationen zur spezifischen Leistungserbringung für einen Transaktionspartner benötigt werden und gleichzeitig für alternative Transaktionen nur wenig genutzt werden können. Zutreffend ist dies für Spezialisten in allen Bereichen eines Unternehmens. Beispielhaft seien hier Ingenieure mit spezifischem Know-how im Bereich F&E oder speziell für Verhandlungen ausgebildete Mitarbeiter im Einkauf angeführt. Auch die Verpflichtung externer Spezialisten fällt hierunter (bspw. externe Patentanwälte). Grundsätzlich gilt: Investitionen in Humankapital dürften hinsichtlich ihrer absoluten Höhe fast immer unterhalb von spezifischen Kapitalgüterinvestitionen liegen. Zudem bieten Mitarbeiter, insbesondere sehr gut ausgebildete, eine sehr viel größere Flexibilität für die alternative Nutzung ihrer Qualifikationen. Das Risiko der sunk cost ist daher geringer zu bewerten als bei spezifischen Kapitalgüterinvestitionen. Es tritt i. d R. dann ein, wenn ein Spezialist das Unternehmen verlässt und die in ihn investierten Ressourcen vollkommen verloren gehen. Gemessen an den beiden Indikatoren für Spezifität (absolute Höhe und alternative Verwendung der Investition) weisen spezifische Humankapitalinvestitionen in der hier dargelegten Logik in den meisten Fällen einen geringeren Grad der Faktorspezifität auf als spezifische Kapitalgüterinvestitionen. Mit Standortinvestitionen verbindet sich die weitestgehende Faktorspezifität. Mit der Investition von Sach- und Humankapital an einem bis dato nicht vorhandenen Standort bindet sich ein Wertschöpfungspartner in sehr hohem Maße an seine(n) Transaktionspartner. Grundsätzlich sind Standortentscheidungen mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden und ziehen somit eine enorme Kapitalbindung nach sich. Die Ausrichtung an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Wertschöpfungspartner durch die Eröffnung eines neuen Standortes stellt eine Konzession dar, die weit über die von herkömmlichen spezifischen Kapitalgüterinvestitionen oder spezifischen Humankapitalinvestitionen hinausgeht. In der Automobilindustrie wurden Standortentscheidungen bisher einerseits autonom von den Unternehmen getroffen, sowohl durch die OEM als auch durch die vorgelagerten Zulieferebenen. Andererseits haben die OEM 186
zunehmend versucht, die Zulieferer an ihre eigenen neuen Produktionsstandorte zu binden.660 Letztere Konstellation hatte für die Zulieferer die Eröffnung eines neuen Standortes in unmittelbarer Umgebung des OEM zur Folge. Die Automobilhersteller nutzen dabei ihre einseitige Machtposition, um ihrer Interessenlage Nachdruck zu verleihen. Somit bleibt den Zulieferern im Extremfall nur die Wahl zwischen zwei Optionen: Standortverlagerung/-neueröffnung oder Verlust des bisherigen Geschäftsbeziehung.661 Der volle Umfang dieser Entwicklung wird erst offensichtlich, wenn die Tatsache berücksichtigt wird, dass viele Zulieferer mehrere OEM beliefern. Verlangt nun jeder OEM die unmittelbare Anbindung an seine eigene Produktionsstätte, bedeutet dies die Eröffnung mehrerer neuer Standorte für den einzelnen Zulieferer. Für kleine und mittelständische Unternehmen mit geringer Eigenkapitalausstattung stellt das eine nicht zu realisierende finanzielle Belastung dar. Aus Sicht der OEM ist die Forderung nach unmittelbarer Nähe der Wertschöpfungspartner dagegen verständlich. Mit der Sicherung der Versorgung für die eigene Produktion, der Minimierung der Transportkosten sowie einer jederzeit möglichen Qualitätskontrolle sind die Vorteile offenkundig. Darüber hinaus sind notwendige Abstimmungen der Zusammenarbeit nunmehr ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand möglich.662 3.4.4.6 Berücksichtigung von Macht und Vertrauen im automobilen transaktionskostentheoretisch basierten Kontext Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, dass jede Transaktion bei maximaler Ausreizung des opportunistischen Verhaltenspotenzials mit hohen Transaktionskosten belegt ist. Opportunismus kann durch eine hierarchische Koordination der Transaktion entgegen getreten werden. Von Interesse ist jedoch, wie Opportunismus eingeschränkt werden kann, ohne dabei auf die Koordinationsform Hierarchie zurückgreifen zu müssen. Dies ist deshalb der Fall, weil eine vertikale Integration von Wertschöpfungsumfängen entweder ökonomisch nicht sinnvoll (einfache Leistungsumfänge) und/oder aus Komplexitäts-/Kapazitätsgründen unmöglich ist.663 Die Einbettung ökonomischer Transaktionen in soziale Beziehungen, die so genannte „social embeddedness“664, kann darauf eine Antwort geben. Kontextbedingungen wie Vertrauen, abnehmender Machtmissbrauch, eine gemeinsame Historie und von allen Beteiligten gelebte Normen und 660 661 662
663 664
Vgl. Abschnitt 2.2 und Abschnitt 5.3. Vgl. Schneider, M. C. (2004), S. 52. Die Ausführungen zu standortspezifischen Investitionen werden in Abschnitt 4.5 erneut aufgegriffen. Es wird herausgearbeitet, ob Standortentscheidungen weiterhin autonom oder im Wertschöpfungsverbund zu treffen sind. Siehe die vorangegangene Argumentation in Abschnitt 3.3.4.4. Vgl. dazu grundlegend Granovetter, M. (1985). 187
Werte kommen in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Ein (teilweiser) Verzicht auf die Realisierung kurzfristiger Vorteile durch opportunistisches Verhalten665 zu Gunsten eines langfristigen und nachhaltigen Gewinns für alle Beteiligten stellt die grundlegende Voraussetzung dar. Kooperative Koordination in Netzwerken ist also immer dann als effizient einzustufen, wenn es tatsächlich gelingt, alle Beteiligten zum Verzicht opportunistischen Verhaltens zu bewegen. Transaktionskostensteigernde Vertragsvereinbarungen (Absicherungsmechanismen), nachträgliche Anpassungskosten und über das normale Maß hinausgehende Kontrollen werden so vermieden. Angesichts der besonderen Relevanz der beiden Faktoren Macht und Vertrauen für die vorliegende Arbeit ist die Thematik weiterführend genauer zu betrachten. Voraussetzung für die theoretische Option der Ausübung von Macht ist ein existierendes Machtungleichgewicht. Vor dem Hintergrund der betriebswirtschaftlichen Praxis interorganisationaler Geschäftsbeziehungen erscheint die Annahme eines Machtungleichgewichtes in unterschiedlich starker Ausprägung realistisch. Wird transaktionskostentheoretischen Denkmustern gefolgt, so ist die diskussionswürdige Fragestellung, ob Kostenerwägungen die für die Machtanwendung dominierende Motivation sind. Machtausübung als Selbstzweck kann zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Allerdings unterliegt das unternehmerische Handeln zumindest langfristig der Gewinnerzielungsabsicht, so dass sich die Machtausübung unter dieses Oberziel einzufügen hat.666 Demnach wird Macht aus Kostengründen angewandt. Zündorf verweist jedoch zu Recht darauf, dass Machtausübung nicht immer Kostenkalkulationen untergeordnet sein muss. So kann es „[…] durchaus wirtschaftlich rational sein, der Kontrolle der relevanten Beschaffungsumwelt Priorität gegenüber der Reduzierung der Transaktionskosten einzuräumen. Denn Ungewissheit ist eine Quelle von Irrationalität und behindert längerfristige Planung und betriebswirtschaftliche Optimierung. Die Reduktion von Ungewissheit durch Ausübung von Macht (z. B. in Form direkter Kontrolle kritischer Ressourcen oder Lieferanten) im Interesse einer berechenbaren Grundversorgung mit strategischen Rohstoffen kann durchaus eine rationale und effiziente Unternehmensstrategie sein […].“667
665
666
667
Grunwald spricht von „Eine[r] sozialdarwinistische[n] Mentalität, die den schnellen individuellen Nutzen auf Kosten von […] Unternehmen […] zu maximieren versucht […].“ Grunwald, W. (2005), S. 72. Vgl. Zündorf, L. (2003), S. 25 mit Bezug auf Williamson, O. E./Ouchi, W. G. (1983), S. 29 ff. Zündorf, L. (2003), S. 25.
188
Wird dieser Gedankengang fortgeführt, drängt sich folgende Logik auf: Machteinsatz, bspw. um die durchgehende Versorgung der Produktion sicherzustellen, mag kurzfristig zu einer Senkung der Transaktionskosten (Abwicklungskosten) für den machtausübenden Partner führen. Wahrscheinlich ist aber auch, dass der Machteinsatz mittel- bis langfristig höhere Transaktionskosten auslöst, weil der „genötigte“ Partner seinerseits versteckte Handlungsspielräume ausnutzt, um sich schadlos zu halten. Die anfängliche Machtausübung eines Partners animiert die Gegenseite zu opportunistischem Verhalten.668 Dies kann bspw. durch eine geringe, jedoch nur schwer nachweisbare Qualitätsreduktion erfolgen. Dem leistungsliefernden Partner entstehen so geringere Produktionskosten, während sich der leistungsabnehmende Partner mit nun steigenden Transaktionskosten konfrontiert sieht (u. a. höheren Kontrollkosten). Problematisch stellt sich wiederum die bereits diskutierte quantitative Bilanzierung der gegenläufigen Kostenpositionen dar. Realistisch kann jedoch davon ausgegangen werden, Machtverzicht führt zu sinkenden Transaktionskosten. Deshalb bedarf eine nachhaltige transaktionskostentheoretische Analyse zur Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Koordinationsformen der Einbeziehung des Faktors Macht. Netzwerke funktionieren insbesondere dann effizient und effektiv, wenn Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Dass dabei Unternehmensgrenzen überschritten werden, liegt in der Natur der Sache. Möglich ist dies jedoch nur unter der Prämisse gegenseitigen Vertrauens.669 Wird Vertrauen gewährt, impliziert dies einerseits das Verlustrisiko des Vertrauensvorschusses.670 Andererseits ist bei erwidertem Vertrauen von sinkenden Transaktionskosten auszugehen. Kooperationen mögen sich deshalb – sobald sie erfolgreich etabliert sind – als überlegene Koordinationsform erweisen. Voraussetzungen für die Stabilität von interorganisationalen Kooperationen sind ein über einen längeren Zeitraum anhaltendes gleichgewichtiges Austauschverhältnis sowie das Fehlen opportunistischer Handlungsweisen bzw. eine nachhaltige wechselseitige Absicherung.671
668
669 670 671
Die transaktionskostentheoretische Annahme opportunistischen Verhaltens besteht weiterhin. Sie wird jedoch um soziale Aspekte wie Vertrauen etc. ergänzt. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass opportunistisches Verhalten ohne anfänglichen Machtmissbrauch der Gegenseite nicht oder nur in geringerem Umfang ausgeübt worden wäre. Vgl. Someren, T. v. (2005), S. 176. Vgl. Granovetter, M. (1985), S. 491; siehe auch Abschnitt 3.2.5.2. Vgl. Semlinger, K. (2006), S. 51. 189
3.4.4.7 Kritische Reflexion der Transaktionskostentheorie vor einem automobilspezifischen Untersuchungshintergrund Der für diese Arbeit wichtigste Vorteil der Transaktionskostentheorie ist ihre Eignung zur Erklärung interorganisationaler Aspekte wie vertikaler Integration und Zulieferbeziehungen. Williamson unterstreicht die Bedeutung der Transaktionskostentheorie als Analyseinstrument zur Entscheidungsfindung für klassische „Make-or-Buy“-Sachverhalte.672 Den Annahmen beschränkter Rationalität und opportunistischen Verhaltens muss eine hohe Bedeutung hinsichtlich der dadurch möglichen Realitätsnähe beigemessen werden. Mit der Anzweifelung des Mittels vollständige Verträge (stattdessen die Unterstellung relationaler Verträge) und der Wirksamkeit von Sanktionsmechanismen (auf Grund mangelnder gerichtlicher Überwachung aller Transaktionen) ist der Transaktionskostentheorie ein weiterer realitätsnaher Aspekt zuzuschreiben. Ebenso gelingt durch die Betrachtung aller anfallenden Transaktionskosten über den gesamten Lebenszyklus einer Transaktion eine umfassende Abbildung realer Koordinationsdispositionen. Die Transaktionskostentheorie schafft so eine umfassende und doch einfach anwendbare Modellwelt, die von restriktiven, d. h. realitätsfernen Annahmen abstrahiert.673 Als schwerwiegendster Kritikpunkt soll die fehlende Quantifizierbarkeit der Transaktionskosten als erstes in die Betrachtung aufgenommen werden. Dem lässt sich entgegenhalten: Ziel der Transaktionskostentheorie ist die Herausarbeitung derjenigen Koordination, die unter bestimmten Bedingungen einen komparativen Vorteil aufweist. Einer genauen Quantifizierung des Vorteils bedarf es dazu nicht zwangsläufig. Die Aussagekraft der gewonnen Erkenntnis über die vorteilhaftere, d. h. transaktionskostengeringere Koordinationsform wird indes nicht geschmälert.674 Kritisch anzufügen ist an dieser Stelle auch die bisher nicht eindeutige Definition des Begriffes Transaktionskosten. Mit den von Williamson gesetzten Prämissen definiert die Transaktionskostentheorie hingegen klar den Untersuchungsgegenstand (Transaktion/Transaktionskosten), grenzt damit allerdings ebenso eindeutig wie bewusst andere Aspekte aus der Analyse aus. Grundsätzlich stellen die Transaktionskosten zwar einen bedeutenden Anteil an den Gesamtkosten dar, letztlich bilden sie jedoch nur eine
672 673
674
Vgl. Williamson, O. E. (1988), S. 568. Obwohl nur als indirekter Beweis zu werten, zeigt nicht zuletzt die überwältigende Rezeption der Transaktionskostentheorie, wie sehr sie sich gegenüber anderen Theorien verdient gemacht hat. „Dieser Vergleich erfordert lediglich eine Antwort auf die Frage, ob die zu erwartenden Transaktionskosten bei der Wahl einer Koordinationsform größer oder kleiner als bei einer anderen sind, nicht aber die Angabe ihres genauen Wertes […].“ Picot, A./Dietl, H. (1990), S. 183.
190
Kostenkategorie ab. Die Produktionskosten werden entsprechend vernachlässigt. Wertschöpfungsbetrachtungen fokussieren hingegen auf den Gesamtumfang der anfallenden Kosten, d. h. der Summe aus Produktions- und Transaktionskosten. Mit Blick auf die Automobilindustrie und deren enormer Flexibilisierung sowie starker Externalisierung von Wertschöpfungsumfängen seitens der OEM speziell in den vergangenen 15 Jahren ist kritisch zu hinterfragen, inwieweit Williamsons Modell noch seine ursprüngliche Wirkungskraft zugesprochen werden kann. Der Verweis auf verbesserte IuK-Technologien und der damit entstandenen Möglichkeit, auch häufigere Transaktionen mit einem hohen Spezifitätsgrad mit Hilfe des Marktmechanismus abzuwickeln, kann nur bedingt überzeugen. Problematisch erscheint zudem die ungenaue Charakterisierung des Transaktionskostenklimas. Als Residualgröße ist sie nicht imstande, diejenigen Aspekte aktueller sozialer und technologischer Entwicklungen zu erklären, die bisher nicht oder lediglich unzureichend von der Transaktionskostentheorie erfasst werden. Darüber hinaus muss der Variable Technologie insbesondere in der Automobilindustrie eine sehr hohe Bedeutung zuerkannt werden. Hier kann jedoch für die vorliegende Analyse unproblematisch auf die transaktionsspezifischen Investitionen verwiesen werden. Wie bereits diskutiert, ermöglichen oft erst diese Investitionen überhaupt die Erstellung spezifischer Wertschöpfungsumfänge, in diesem Fall einer neuen Technologie. Die grundlegend richtige Einordnung sozialer Aspekte wie Vertrauen und Macht in zwischenmenschlichen Beziehungen unter die Variable Transaktionsatmosphäre findet indes nur eine formale Berücksichtigung. Letztlich sei auf den Umstand aufmerksam gemacht, die Anwendung der Transaktionskostentheorie führe tendenziell zu einer Unterbewertung der hierarchischen und zu einer Überbewertung der netzwerklichen und marktlichen Transaktionskosten. Dies geschieht durch die nicht korrekte Berücksichtigung interner Transaktionskosten: „Die Transaktionskostenüberbewertung gilt insb. für strategische Netzwerke zwischen Unternehmen: Strukturelle und prozessuale Bedingungen, die durch eingespielte Interaktionen mit anderen Unternehmen des Netzwerkes bereits geschaffen worden sind, werden unterschätzt. Demzufolge besteht die Tendenz, Internalisierungsstrategien zu gut und Externalisierungsstrategien zu schlecht zu beurteilen.“675
675
Wolf, J. (2003), S. 276. 191
Es ist das Fazit zu ziehen, die Transaktionskostentheorie ist – kritisch angewandt – ein hilfreiches Analyseinstrument, mit dessen Hilfe sich sinnvolle Ergebnisse erzielen. Leistungsumfänge der automobilen Wertschöpfungskette sind hinsichtlich der Ausprägung von Situations- und Transaktionsvariablen mit Hilfe der Theorie einzuordnen. Die Ergebnisse können sodann mit der in der automobilen Praxis ausgeübten Koordinationsform abgeglichen werden. Sollte keine Übereinstimmung zwischen theoretischer Empfehlung und praktischer Anwendung vorliegen, ist im Nachgang an jeder einzelnen Transaktionsvariablen kritisch zu überprüfen, wie Verbesserungspotenziale bezüglich einer effektiven und effizienten Koordination der Wertschöpfungsumfänge generiert werden können. Dies kann entweder durch den Wechsel des Koordinationsdesigns oder durch die Anpassung einer bzw. mehrerer Transaktionsparameter zu Gunsten der gewünschten Koordinationsform geschehen.
192
4 Automobile Wertschöpfungsnetzwerke Die komplexen Wertschöpfungsumfänge ihrer Fahrzeuge in Entwicklung, Beschaffung und Produktion können die Automobilhersteller nicht ohne den Rückgriff auf die vorgelagerten Zulieferstrukturen gewährleisten. Die aktuelle Situation in der Automobilindustrie zwingt indes nicht nur die Fahrzeughersteller, sondern alle Unternehmen der Wertschöpfungskette stärker als je zuvor zu einer interorganisationalen Zusammenarbeit. Das resultiert in ein Netz miteinander verbundener Unternehmen aller Wertschöpfungsstufen. Die Bedeutung der Wertschöpfungsbeziehungen bemisst sich zweifelsohne an der Tatsache, dass der Erfolg von Unternehmen in der Automobilindustrie nicht ausschließlich von den internen Stärken eines Unternehmens, sondern zunehmend auch davon determiniert wird, zu welchen Wertschöpfungspartnern Beziehungen bestehen und wie sich diese ausgestalten.676 Mit zunehmendem Rückgriff der Fahrzeughersteller auf die Ressourcen der vorgelagerten Zulieferstruktur gewinnen diese immer mehr an Bedeutung und damit auch an Einfluss. Unternehmensübergreifende Kooperation – in vereinfachter Form die freiwillige wechselseitige Verflechtung der jeweiligen Handlungsentscheidungen zwischen einem Hersteller und seinen vorgelagerten Zulieferern677 – ist notwendige Voraussetzung für den Netzwerkerfolg. Im vorliegenden Kapitel werden die in Kapitel 2 und Kapitel 3 erarbeiteten theoretischen Aspekte auf automobilspezifische Belange appliziert.678 In einem ersten Schritt bedarf es dazu der Veranschaulichung des strukturellen Aufbaus und der Schaffung einer Arbeitsdefinition eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes (Abschnitt 4.1). Es schließt sich die Darlegung der Funktionsweise eines solchen Netzwerkes mit den komplexen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen an (Abschnitt 4.2). Darauf aufbauend wird der Einfluss von Abhängigkeiten sowie von Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen erörtert (Abschnitt 4.3). Dazu werden zwei empirische Untersuchungen herangezogen, die sich mit dieser Thematik in der Automobilindustrie beschäftigen. Auf einen konkreten Einzelfall bezogen, zeigt das Fallbeispiel Toyota auf, wie Wertschöpfungsbeziehungen in einem gemeinhin als Benchmark akzeptierten Netzwerk ausgestaltet sind (Abschnitt 4.4). Schließlich bedarf es der Zusammenführung aller Aspekte und der Entwicklung von Handlungsleitlinien zur Optimierung der Wertschöpfung im gesamten
676 677 678
Vgl. Balling, R. (1998), S. 7. Vgl. Müller-Stewens, A./Glocke, H. (1995), S. 31. Der Verweis auf die jeweils zugehörigen theoretischen Ausführungen findet sich in den entsprechenden Fußnoten. 193
Netzwerk durch die Ausgestaltung der Wertschöpfungsbeziehungen (Abschnitt 4.5). Darüber hinaus erfolgt der Ausblick auf die Thematik der internationalen Standortentscheidungen in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken. 4.1 Struktureller Aufbau automobiler Wertschöpfungsnetzwerke In der praxisorientierten Literatur wird häufig von der automobilen Zulieferpyramide gesprochen (siehe Abbildung 4.1–1). Dabei werden Wertschöpfungsebenen in aggregierter Form dargestellt, wobei selten die Ebene der Rohmateriallieferanten und fast nie die Ebene der Rohstofflieferanten mit einbezogen werden.679 Die typische Aggregation von Modul- und Systemlieferanten verfälscht das Bild ebenfalls. Die Zulieferpyramide suggeriert zudem, dass auf den vorgelagerten Zulieferebenen die Anzahl der agierenden Zulieferer stetig steigt. Dies ist bis zur Ebene der Teilelieferanten richtig. Die Anzahl der Teilelieferanten dürfte die der vorgelagerten Rohmaterial- und Rohstofflieferanten allerdings bei weitem übersteigen. Als Rohstofflieferanten können bspw. Erdöl fördernde Konzerne oder Eisenerz gewinnende Unternehmen angeführt werden. Diese Unternehmen existieren allein auf Grund ihrer Unternehmensgröße nur in geringer Anzahl. Ebenso verhält es sich mit Rohmateriallieferanten. Auch diese Unternehmen treten als große Konzerne, aber in kleiner Anzahl auf. Thyssen Krupp als Stahlerzeuger ist hier beispielhaft einzuordnen.
OEM
System- u. Modullieferant (Tier 1)
Komponentenlieferant (Tier 2)
Rohmaterial-/ Halbfabrikate-/ DIN-/ Normteilelieferant (Tier 3)
Abb. 4.1–1: Klassische Darstellung der automobilen Zulieferpyramide [Quelle: In Anlehnung an Wildemann, H. (2004), S. 18]
679
Siehe dazu die in Abschnitt 2.1 eingeführte Einteilung der Wertschöpfungsebenen.
194
Die vorliegende Arbeit vertritt eine differenzierte Auffassung. In Anlehnung an die in Abschnitt 2.1 vorgenommene Einteilung der Wertschöpfungsebenen wird in Abbildung 4.1–2 ein automobiles Wertschöpfungsnetzwerk aufgespannt, das die erwähnten Kritikpunkte berücksichtigt. Damit entsteht ein komplexes Gebilde mit sechs Ebenen und vielfältigen Beziehungsgeflechten. Allerdings scheitert der Versuch, alle Beziehungen innerhalb der automobilen Wertschöpfungskette erschöpfend zu erfassen aus Komplexitätsgründen. Die in dieser Darstellung notwendigen Limitierungen und Vereinfachungen werden im Anschluss ebenso kommentiert wie die Beziehungen zwischen den jeweiligen Wertschöpfungsebenen. ENDKUNDE ENDKUNDE
OEM OEM
OEM
SystemLieferanten/ Integratoren (Tier-1)
S-L/I S-L/I 11
… …
S-L/I S-L/I 22
… …
ModulLieferanten (Tier-2)
M-L M-L 11
M-L M-L 22
M-L M-L 33
… …
KomponentenLieferanten (Tier-3)
K-L K-L 11
K-L K-L 22
K-L K-L 33
… …
TeileLieferanten (Tier-4)
T-L T-L 11
T-L T-L 22
T-L T-L 33
… …
RohmaterialLieferanten (Tier-5)
RohstoffLieferanten (Tier-6)
RM-L RM-L 11
RM-L RM-L 22
… …
R-L R-L 11
R-L R-L 22
… …
Abb. 4.1–2: Interorganisationales automobiles Wertschöpfungsnetzwerk [Quelle: Schonert, T./Rennemann, T. (2005), S. 137]
195
Trotz der in Bezug auf die Anzahl der Partner notwendigen Beschränkung verdeutlicht Abbildung 4.1–2 die einem automobilen Wertschöpfungsnetzwerk zugrunde liegende Komplexität. Die Pfeile sind dabei als Beziehungen zwischen den jeweiligen Netzwerkpartnern (Kasten) zu verstehen. Es gilt zu beachten, dass eine strikte Trennung der einzelnen Zulieferebenen (Rohstoff-, Rohmaterial-, Teilelieferanten etc.) in dieser Form in der automobilen Praxis nicht immer vorzufinden ist. So kann ein Zulieferer als Komponentenlieferant und gleichzeitig als Teilelieferant für nachgelagerte Wertschöpfungsebenen tätig sein. Beziehungsgeflechte, so wird aus der obigen Abbildung weiterhin ersichtlich, sind in der Automobilindustrie nicht nur vorwärts gerichtet. Ein Lieferant kann einerseits Komponenten für den nachgelagerten Modullieferanten fertigen und andererseits als Teilelieferant für einen anderen Komponentenlieferanten dienen. Wechselseitige Beziehungen sind auf fast allen Ebenen möglich.680 In der Praxis nicht zu vernachlässigen, sind die Ebenen überspringenden Beziehungen. Demnach kann bspw. ein Teilelieferant auch als Direktlieferant eines Systemlieferanten fungieren.681 Hinsichtlich einer Arbeitsdefinition automobiler Wertschöpfungsnetzwerke muss die in einem ersten Schritt in Abschnitt 3.2.2 vorgenommene Einordnung als Strategisches Netzwerk erweitert werden. Strategische Netzwerke dienen als Basiskonstrukt zur Erfassung der grundlegenden Wertschöpfungsbeziehungen, die durch den OEM als fokales Unternehmen gesteuert werden. Abbildung 4.1–3 zeigt jedoch, dass innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerkes auch Strategische Allianzen und Wertschöpfungspartnerschaften existieren, die nur eine beschränkte Anzahl der Netzwerkpartner direkt involvieren. Zudem sind marktliche Beziehungen zwischen einzelnen Wertschöpfungspartner üblich. Vor diesem Hintergrund wird folgende Definition etabliert:
680
681
Für eine Übersicht ausgewählter aktueller Partnerschaften auf der Ebene automobiler OEM siehe Abbildung A 5 im Anhang. Das hier dargestellte Netzwerk bezieht nur die Wertschöpfung mit ein, die sich im direkten Verbau eines Fahrzeug wieder findet. Abgebildet werden deshalb in erster Linie Produktionsumfänge. Nur wenn der jeweilige Zulieferer auch zugleich die Entwicklung der von ihm produzierten Teile/Komponenten etc. übernimmt, wird dieser Teil der Wertschöpfung implizit in der Grafik mit dargestellt. So wird bspw. die Arbeit zusätzlich eingebundener Entwicklungsdienstleister bzw. die Entwicklung bestimmter Leistungsumfänge durch den OEM (die dann die Spezifikationen für die Fertigung an den entsprechenden Zulieferer weiterleiten) nicht abgebildet. Die bei der Entwicklung und Herstellung von Produktionsmaschinen und -anlagen geleistete Wertschöpfung ist ein weiterer über die Grafik hinaus gehender Aspekt.
196
Ein automobiles Wertschöpfungsnetzwerk ist ein Komplex von Unternehmen, deren Ziel die Abwicklung der gesamten automobilen Wertschöpfungskette ist. Das einzelne Unternehmen agiert weiterhin eigenständig und unabhängig nach ökonomischen Handlungsmaximen. Die Wertschöpfungsstufen übergreifenden, vertikal orientierten Abnehmer-Zuliefer-Beziehungen, bei denen nicht alle Beteiligten direkt miteinander interagieren, werden vom OEM als fokalem Unternehmen strategisch gesteuert. Dabei werden die operative Steuerung bezüglich funktionaler Umfänge und die damit einhergehende informatorische, soziale und institutionelle Koordination zumindest partiell auf vorgelagerte Wertschöpfungsebenen delegiert. Innerhalb eines automobilen Netzwerkes, das grundlegend einem strategischen Netzwerk gleicht, können Strategische Allianzen und Wertschöpfungspartnerschaften zwischen einzelnen Akteuren bestehen. Marktlich ausgestaltete Beziehungen sind ebenfalls üblich. Als Auszug aus Abbildung 4.1–2 verdeutlicht Abbildung 4.1–3, mit inhaltlichem Bezug auf die Abschnitte 3.2.1, 3.2.3 und 3.2.4, die Koordinationsformen innerhalb eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes.
197
ENDKUNDE ENDKUNDE
OEM OEM
OEM
H
… …
WSP SystemLieferanten/ Integratoren (Tier-1)
ModulLieferanten (Tier-2)
M
S-L/I S-L/I 11
… …
WSP SA
M-L M-L11
M-L M-L22
H
… …
K-L K-L 22
H
… …
T-L T-L 22
H
… …
M M KomponentenLieferanten (Tier-3)
K-L K-L 11
M TeileLieferanten (Tier-4)
T-L T-L 11
M RohmaterialLieferanten (Tier-5)
M RM-L RM-L11
M RohstoffLieferanten (Tier-6)
R-L R-L11
M
RM-L RM-L22
M
H: M: SA:
… …
Hierarchie (innerh. d. Unternehmung) Markt Strateg. Allianz = Netzwerk-Koordination WSP: Wertschöpfungspartnerschaft = Netzwerk-Koordination
Abb. 4.1–3: Koordinationsformen interorganisationaler Wertschöpfung im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
4.2 Funktionsweise automobiler Wertschöpfungsnetzwerke Wertschöpfungsnetzwerke im Sinne der vorliegenden Arbeit bilden die ökonomischen Beziehungen aller in den Wertschöpfungsprozess eingebundenen Unternehmen ab.682 Beziehungen zwischen interagierenden Unternehmen sind durch Verträge geregelt. Je nach Leistungsumfang, der die Koordinationsform determiniert, spannt sich ein Möglichkeitsraum von klassischen/neoklassischen
682
Die im Rahmen der Netzwerktheorie (Abschnitt 3.1) beschriebenen Weak Ties, Liaison etc. werden im Folgenden vernachlässigt. Die Analyse beschränkt sich auf die starken Beziehungen (Kanten) zwischen den wichtigsten Akteuren (Knoten).
198
Verträgen (marktliche Koordination für einfache Leistungsumfänge) bis hin zu relationalen Verträgen (Rahmenverträge; vertrauensbasierte Koordination für komplexe Leistungsumfänge) auf.683 An der Spitze des Wertschöpfungsnetzwerkes steht das fokale Unternehmen – der OEM. Daneben existiert eine Vielzahl weiterer Unternehmen, die auf den unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen angesiedelt sind, wobei ein Unternehmen bezogen auf unterschiedliche Wertschöpfungsumfänge auch mehreren Ebenen zugeordnet werden kann. Jedes Unternehmen für sich ist als Wertschöpfungsknoten (intraorganisatorische Leistungserstellung) zu verstehen, der durch die unternehmensinterne Hierarchie gesteuert wird. Das Einzelunternehmen tritt sodann mit anderen Netzwerkpartnern [nicht jedoch mit allen – selbst der OEM bzw. ein Systemintegrator (Tier-1) hat einen beschränkten Kontakt] in Interaktion. Dabei unterscheidet sich die Koordinationsform des Leistungsaustausches je nach Stellung, Bedeutung etc. der interagierenden Unternehmen. Klassische, kurzfristig orientierte marktliche Austauschbeziehungen finden sich dabei ebenso wieder wie vertrauensbasierte, langfristig orientierte Abstimmungen. Die Wertschöpfungsumfänge der vorgelagerten Ebenen laufen beim OEM in der Endmontage zusammen. Allerdings ist ein immer stärkerer Trend dahingehend zu beobachten, dass Systemintegratoren Module, Komponenten und Teile in so genannte Systeme integrieren, die dann just-in-time bzw. just-in-sequence in die Endmontage des Herstellers geliefert werden. Systemlieferanten spezialisieren sich dazu häufig auf ein System bzw. wenige Systeme. Sie übernehmen damit Wertschöpfungsaktivitäten, die bisher vom OEM selbst erbracht wurden. Die operative Koordination der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen wird den Systemintegratoren dabei mit übertragen. Mit dieser Entwicklung geht eine für den OEM abnehmende Anzahl von Direktlieferanten einher. Mit den verbliebenen Zulieferern bedarf es auf Grund höherer Abhängigkeiten einer sehr viel intensiveren Zusammenarbeit, weil sie die wenigen Stellen sind, auf die ein OEM noch Einfluss hinsichtlich der operativen Netzwerksteuerung nehmen kann. Dem OEM obliegt damit die strategische, nicht aber die vollumfängliche operative Steuerung des Netzwerkes, was auf Grund der gegebenen Komplexität auch nicht zielführend wäre. Auch Systemintegratoren übergeben die operative Steuerung der ihnen vorgelagerten Wertschöpfungsebenen, so dass sich eine kaskadenförmige Übertragung der Steuerungsgewalt ergibt.684 Dennoch behalten sich die nachgelagerten Ebenen einen jederzeitigen Durchgriff auf indirekte Liefe-
683 684
Siehe Abschnitt 3.4.3. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 40 f. zur Bedeutung des unternehmensübergreifenden Projektmanagements in der Automobilindustrie und den damit verbundenen Problemen. 199
ranten vor.685 So kann es durchaus sein, dass ein OEM einem Systemlieferanten vorschreibt, welchen Komponenten- oder Teilelieferanten dieser zu benennen hat. Die Koordination wird durch diesen Eingriff für den Systemintegrator erschwert, weil der OEM mit größerer Macht ausgestattet jederzeit die vom Systemlieferanten implementierten und eingespielten Geschäftsprozesse übergehen kann. Der Bedeutungszuwachs der Tier-1 Lieferanten wird nicht allein durch die Übernahme größerer Wertschöpfungsumfänge und deren zunehmend wichtiger werdende Rolle als Koordinator der vormals vom OEM gesteuerten vorgelagerten Wertschöpfungsebenen bewirkt.686 Ein enormer Wettbewerbsdruck in der Zulieferindustrie führt darüber hinaus zu anhaltenden Marktbereinigungen, was zum einen in Zulieferinsolvenzen und zum anderen in einer verstärkten Konzentrationswelle resultiert.687 Letztere hat in den vergangenen Jahren auf eben jener Tier-1 Ebene große Zulieferkonglomerate (Systemanbieter/-integratoren) entstehen lassen. Einige, wenn auch nicht viele, dieser Unternehmen stehen den Automobilherstellern – bezogen auf die Marktgröße – zumindest teilweise ebenbürtig gegenüber (bspw. Bosch). Traditionelle Abhängigkeiten zu Gunsten der OEM schwinden damit.688 Durch diese Entwicklung verlieren neben den als neue Keyplayer etablierten Systemintegratoren immer mehr Tier-2 und Tier-3 Lieferanten den direkten Kontakt zum OEM. Für sie besteht die Gefahr zunehmender Bedeutungslosigkeit im Wertschöpfungsnetzwerk. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, bedarf es Investitionen in neue Produkt- und Prozesstechnologien. Diese Unternehmen sind zwar auf Grund fehlender Unternehmensgröße nicht in der Lage, mit den OEM und Tier-1 Zulieferern zu konkurrieren, können aber über innovative Leistungsumfänge, die schlecht zu substituieren sind,689 ihre Bedeutung im Wertschöpfungsnetzwerk nachhaltig sichern. Zudem bieten interorganisationale Zusammenschlüsse (bspw. durch Strategische Allianzen) innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerkes die Möglichkeit, die eigene Position zu verbessern.690
685 686
687
688 689 690
Vgl. Sydow, J. (2006), S. 397. Für eine Darstellung der Zusammenarbeit zwischen OEM, Systemintegrator und Modullieferant vgl. Boutellier, R./Biedermann, A. (2005), S. 656 f. Vgl. Radtke, P. et al. (2004), S. 18. Demnach sank allein die Zahl der weltweiten Automobilzulieferer von ca. 30.000 im Jahre 1988 auf ca. 5.600 im Jahre 2000. Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 27 f. Siehe auch die Ausführungen in Abschnitt 4.3. Siehe Abschnitt 2.1.4. Beispielhaft ist den Unternehmen Hella KG Hueck & Co. und Behr GmbH & Co., die seit 1992 eine horizontale Partnerschaft bilden, die Neupositionierung als Systemlieferant für Frontend-Systeme durch die interorganisationale Kooperation gelungen. Hella bringt dazu spezielles Know-how in der Lichttechnik/Elektronik ein, während Behr die Kompetenz bei Motorkühlung/Klimatechnik zur Verfügung stellt. Vgl. Wildemann, H. (2004), S. 28.
200
Tier-4 Lieferanten, die standardisierte und sehr einfache Leistungsumfänge beisteuern, sehen sich auch zukünftig einem enormen Wettbewerbsdruck gegen über, weil sie wegen ihrer wenig spezifischen Leistungsumfänge und der relativ großen Anzahl der Anbieter leicht zu substituieren sind. Die Beziehungen zwischen den Rohstoff- und Rohmateriallieferanten und den ihnen nachgelagerten Wertschöpfungspartnern dürften tendenziell unverändert bleiben, wobei sich mit zunehmender Rohstoffknappheit die Verhältnisse hier eher zu Gunsten dieser Konzerne verschieben. Die Komplexität des gesamten Wertschöpfungsumfangs „Automobil“ ist derart groß, dass eine integrierte hierarchische Transaktionsabwicklung keine praktisch sinnvolle Lösung darstellt. Um der Komplexität zu begegnen, begannen die OEM die Wertschöpfungskette aufzubrechen und einzelne Leistungsumfänge auszulagern. Nach einfachen und standardisierten Leistungsumfängen, die der marktlichen Koordination unterliegen, wurden zunehmend komplexere Wertschöpfungsumfänge an Zulieferer vergeben.691 Abbildung 4.2 verdeutlicht die Desintegration des Endproduktes Automobil in die typischen großen Wertschöpfungsumfänge (Motor, Fahrwerk, Karosserie etc.) und zeigt die weitergehende Desintegration am Beispiel von Interieurumfängen auf.
Motor Motor
Fahrwerk Fahrwerk
Karosserie Karosserie
Design Design Interieur Interieur
OEM OEM
Cockpit-Integration Cockpit-Integration
Tier-1 Tier-1
Dach-Integration Dach-Integration
Tier-1 Tier-1
Sitz-Integration Sitz-Integration
Tier-1 Tier-1
Interieur Interieur
Zugriff auf
Zugriff auf
etc. etc. Integration Integrationaller aller Interieur Interieur bezogenen bezogenen Wertschöpfungsumfänge Wertschöpfungsumfänge
Elektrik/ Elektrik/ Elektronik Elektronik
Tier-2 Tier-2 Tier-3 Tier-3 Tier-4 Tier-4 etc. etc. Tier-2 Tier-2 Tier-3 Tier-3 Tier-4 Tier-4 etc. etc.
OEM OEM (zukünftig (zukünftigTier-1) Tier-1)
Abb. 4.2: Desintegration automobiler Wertschöpfung am Beispiel Interieurumfänge
691 692
692
Siehe Abschnitt 2.2. Bilddatei: Vgl. www.audi.com; Abruf: 01.10.2006. 201
Jeder Wertschöpfungsumfang wird in weitere kleine Umfänge aufgegliedert. Für die dadurch entstehenden Teilumfänge wird dann der OEM die Entscheidung hinsichtlich Eigenfertigung oder Fremdbezug treffen. Bei Fremdbezug wird ein Zulieferer ernannt, der seinerseits die Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug trifft und auf ihm vorgelagerte Wertschöpfungsebenen zugreift.693 Insbesondere die OEM unterliegen hier dem Trade-off zwischen notwendiger Auslagerung von Wertschöpfungsumfängen auf Grund komplexer, nicht mehr vollumfänglich abzuwickelnder Prozesse und dem Erhalt von für das Endprodukt wichtigen Kompetenzen. Kooperationen helfen dabei, den Ressourcenzugang für jene Umfänge zu sichern, die nicht im eigenen Leistungsgeschehen abgebildet werden können, trotz allem aber so wichtig sind, dass sie nicht einem rein marktlichen Bezug zu unterwerfen sind. Vor dem Hintergrund einfacher bzw. komplexer und markenprägender bzw. nicht markenprägender Wertschöpfungsumfänge stellt Tabelle 4.2 für die Bereiche F&E und Produktion gegenüber, auf welcher Ebene diese idealerweise vorgenommen werden sollten. Grad des Leistungsumfangs
einfach
Markenspezifischer USP ja nein
ja komplex nein
Wertschöpfungsebene F&E
Produktion
nicht praxisrelevant
nicht praxisrelevant
kaum Entwicklungsleistung (Normteile/-komponenten) i. d. R. vom OEM spezifiziert
Zulieferer (Tier-3/Tier-4)
OEM oder OEM in Kooperation mit Zulieferer (Tier-1/Tier-2)
OEM oder Zulieferer (Tier-1/Tier-2)
zunehmend durch Zulieferer (Tier-1/Tier-2)
weitgehend durch Zulieferer (Tier-1/Tier-2)
Tabelle 4.2: Eigenleistung und Fremdbezug in der Automobilindustrie
Die zugrunde liegende Koordinationsform für einfache Leistungsumfänge wie Teile und Komponenten ist der Markt. Der Fall markenprägender einfacher Umfänge kann für die automobile Praxis vernachlässigt werden. Bedeutsam hinsichtlich zu erzielender Wettbewerbsvorteile sind vor allem komplexe Leistungsumfänge. Markenspezifische komplexe Leistungsumfänge sind grundlegend vom OEM zu entwickeln. Zum besseren Schutz vor Wissensdiffusion 693
Was hier der Einfachheit halber an physischen Vorprodukten verdeutlicht werden soll, bezieht sich in Porters Modell der Wertschöpfungskette vor allem auf die Bereiche F&E und Produktion. Deshalb ist Porters Modell für die Automobilindustrie u. a. dahingehend anzupassen, dass dem Bereich F&E die Bedeutung einer Primäraktivität eingeräumt werden muss; siehe Abb. 2.1.3.
202
sollten diese Umfänge auch selbst produziert werden. Eigene Entwicklung in Kombination mit eigener Fertigung existiert in der automobilen Praxis jedoch nur noch sehr selten, bspw. in der Motorenentwicklung und -produktion.694 Viel häufiger ist eine Kombination aus Entwicklung seitens des OEM bzw. des OEM in Kooperation mit Zulieferern und der anschließenden Produktion beim Zulieferer anzutreffen. Beispielhaft sei hier auf das bereits angeführte Interieurdesign eines Fahrzeuges verwiesen. Die so entwickelten und gefertigten Module und Systeme finden letztlich Eingang in der Endfertigung des gesamten Fahrzeuges beim OEM. Weiterhin existieren Umfänge wie das Fahrwerk eines Automobils, die grundlegend als komplettes System entwickelt werden (in Kooperation mit einem Zulieferer oder vom Zulieferer allein695). Die markenspezifische Abstimmung des Fahrwerks liegt jedoch in der alleinigen Hoheit des OEM. Im Extremfall vereint der Fahrzeughersteller eine markenprägende USP mit einer Kernkompetenz.696 Zum Abschluss sei auf den bereits erwähnten Fall komplexer, aber nicht markenspezifischer Umfänge verwiesen, die verstärkt von den OEM an Zulieferer ausgelagert werden. Wesentlich erscheint hier, dass nicht nur die Produktion, sondern auch die Entwicklung auf die Zulieferer übertragen wird. Die Zusammenarbeit im Wertschöpfungsnetzwerk verfolgt über die erwähnte Komplexitätsreduktion hinaus auch die Ziele Qualitätsverbesserung, Innovationsförderung sowie Zeiteinsparung. Vorrangiges Bestreben der Wertschöpfungspartner ist jedoch die Realisierung von Kostenvorteilen697 durch die Nut-
694
695
696
697
Wird von Hochleistungsmotoren abstrahiert, ist jedoch kritisch zu hinterfragen, inwieweit Motoren heute noch als markenprägend eingestuft werden können. Aus der Historizität des jeweiligen OEM heraus mag den Motoren eine derartige Bedeutung zukommen werden. So wird Audi Kompetenz im Bereich der Turbomotoren zugesprochen, während der Reihensechszylinder als Domäne von BMW gilt. Tatsächlich bestehen jedoch für den durchschnittlichen Kunden kaum Unterschiede zwischen den Motoren. Je kleinvolumiger und leistungsschwächer die Motoren sind (und das trifft auf den überwiegenden Teil der Fahrzeuge der Massenhersteller zu), umso geringer fallen die Unterschiede aus. Magna Powertrain (Tier-1) als weltweit führender Hersteller für Vierradantriebe hat ein Grundkonzept des 4x4 Antriebes entwickelt, das den spezifischen Wünschen der jeweiligen OEM angepasst werden kann. Vgl. Klein, R. (2005), S. 40. Porsche gilt mit seinen Fahrwerksabstimmungen in der Automobilindustrie weltweit als Benchmark. Die spezielle Porsche-spezifische Applikation eines Grundfahrwerks wird allgemein als Kernkompetenz des OEM anerkannt (der beständige Versuch und das ebenso beständige Scheitern anderer OEM, das Porsche-typische Fahrverhalten zu kopieren, lässt die Schlussfolgerung zu, dass es sich hier tatsächlich um eine Kernkompetenz handelt). Das Grundfahrwerk muss dagegen in der Entwicklung nicht zwangsläufig vom OEM allein entwickelt werden. Vgl. Belz, C./Kramer, M./Schögel, M. (1994), S. 18. 203
zung von Economies of Scale und Economies of Scope, die aus der Spezialisierung auf einzelne Wertschöpfungsstufen/-schritte resultieren. Kostenvorteile sind demnach auf zwei Ebenen zu erreichen – auf der Ebene der Fixkosten (Investitionen pro Baureihe) und auf der Ebene der variablen Kosten (Kosten pro Fahrzeug). Die Spezialisierung auf bzw. die Bündelung von bestimmten Wertschöpfungsumfängen bei einzelnen Unternehmen hilft dieses Bestreben operativ umzusetzen. Wird dabei die zwingend erforderliche interorganisationale Kooperation (im Sinne offener Kommunikation und gezielter Abstimmung) gewährleistet, kann bspw. auch von sequenziellen zu parallelen Entwicklungsprozessen übergegangen werden. Dies wiederum resultiert in Zeitvorteilen. Zeit als eigenständige Einflussgröße des Wettbewerbs gewinnt weiterhin beständig an Bedeutung.698 Dies gilt speziell für die der Produktion vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsumfänge F&E und Vertrieb.699 Die Vorteile kurzer Entwicklungszeiten liegen in: (1) der Möglichkeit auf Nachfrageänderungen am Markt schneller reagieren zu können,700 (2) einer geringeren Kapitalbindung und damit früheren Ressourcenfreisetzung durch schnellere Fertigstellung der Entwicklungsarbeiten und (3) der Verringerung zeitabhängiger Störungen und Änderungen im Entwicklungsprozess701.
698
699 700
701
Siehe Abschnitt 2.3 und Abschnitt 3.2.3. So lieferte Audi mit der Einführung des Audi A3 ein eindrucksvolles Beispiel für die Generierung von Wettbewerbsvorteilen durch einen früheren Markteintrittszeitpunkt als die Konkurrenz. Als erster Kompaktwagen in der Premiumklasse wurde der Audi A3 einen gesamten Lebenszyklus (über 850.000 Fahrzeuge) verkauft, bevor BMW mit dem BMW 1er mit einem Konkurrenzprodukt aufwartete. Zudem gelang durch den First-Mover-Advantage der Aufbau eines loyalen Kundenstamms für das Nachfolgemodell. (Die Mercedes A-Klasse wird nicht als direkter Wettbewerber gewertet. Die unterschiedlichen Konzepte und Zielgruppenansprachen drücken sich bereits im Exterieur-Design aus.) Vgl. Bower, J. L./Hout, T. M. (1989), S. 70 f. Dieser Punkt kann sich sowohl auf die marktgetriebene Entwicklung bestimmter Produktumfänge als auch neuer Fahrzeuge beziehen. Entwicklungszeiten können als Prognosezeitraum zur Erfüllung von Kundenwünschen verstanden werden. Je kürzer der Entwicklungs- und damit der Prognosezeitraum, desto größer dürfte die Prognosesicherheit ausfallen, die dann ihrerseits den Erfolg des Produktes am Markt positiv beeinflusst. Vgl. Clark, K. B./Fujimoto, T. (1992), S. 75 f. Vgl. Picot, A. et al. (1988), S. 114.
204
Wie oben dargestellt, kann die technologische Leistungsfähigkeit eines Zulieferers seine Netzwerkposition entscheidend beeinflussen. Weil Investitionen in einer technologiegetriebenen Branche wie der Automobilindustrie zumeist einen hohen finanziellen Aufwand erfordern, stoßen mittelständische Unternehmen mit geringen Eigenkapitalausstattungen an ihre Grenzen. Erkennen finanzstarke OEM bzw. Tier-1 Lieferanten die spezifische Leistungsfähigkeit einzelner Tier2 und Tier-3 Zulieferer, beteiligen sie sich unter Umständen an deren Entwicklungsprojekten über Wertschöpfungspartnerschaften702. Sie sichern sich mit der Beteiligung an diesen Kooperationen die Zugriffsrechte auf die generierten Innovationen. Die Zulieferer binden sich ihrerseits wegen der geleisteten Unterstützung und der geteilten Risiken vorbehaltloser an ihre Abnehmer, als dies sonst der Fall wäre. Weil Wertschöpfungspartnerschaften zumeist über Rahmenverträge geregelt sind, bedarf es neben vertraglichen Regelungen auch eines gewissen Grundvertrauens, das opportunistischem Verhalten aller Beteiligten entgegenwirkt. Konkret bedeutet dies, zeitlich nachgelagerte Preiserhöhungen seitens des Anbieters sind ebenso auszuschließen wie kurzfristige Lieferantenwechsel seitens des Abnehmers. Wissensdiffusionen sind in einem bestimmten Umfang notwendig und gewünscht. Externe Wissenspreisgabe zur Erzielung eigener Vorteile auf Kosten der Wertschöpfungspartner ist dagegen – vertraglich festgelegt – zu sanktionieren. In dieser Konstellation wird im Übrigen das Problem des zu gewährenden Vertrauensvorschusses teilweise eliminiert. Während der OEM/Tier-1 Zulieferer einen Vertrauensvorschuss durch die vorab zu leistende finanzielle Beteiligung gewährt, verpflichtet sich im Gegenzug der Tier-2 Lieferant vertraglich, bspw. zum ausschließlichen Verkauf der Innovation an seinen Wertschöpfungspartner für einen bestimmten Zeitraum. Die Wertschöpfungspartnerschaft ist für beide Akteure als vorteilhaft einzustufen, da sich der Abnehmer den Ressourcenzugang zur Innovation und der Anbieter vorzeitig seine Absatzquelle sichert. Verträge spielen in dieser Konstellation eine wichtige Rolle, weil sie der Regelung von Verfügungs- und Nutzungsrechten (Property-Rights-Theorie), letztlich aber auch der Risikoverteilung der zu tätigenden Investitionen (Principal-Agent-Theorie) dienen. Weil es sich im genannten Beispiel um einen komplexen und mit Unsicherheit behafteten Leistungsumfang handelt, ist die Bereitschaft nachgelagerter Wertschöpfungsebenen, institutionalisierte und infolgedessen relationale interorganisationale Wertschöpfungsverhältnisse zu akzeptieren und zu fördern, gegeben (Transaktionskostentheorie). Da in einem automobilen Wertschöpfungsnetzwerk neben Wertschöpfungspartnerschaften auch Strategische Allianzen und marktliche Geschäftsbeziehungen mit situativ unterschiedlich enger Führung durch ein Unternehmen der
702
Siehe Abschnitt 3.2.4.3. 205
nachgelagerten Wertschöpfungsebene – vornehmlich jedoch durch den OEM beziehungsweise Tier-1 Zulieferer – existieren, gilt es im Folgenden, die Abhängigkeiten beziehungsweise den Einsatz von Macht und Vertrauen zwischen den Akteuren zu untersuchen. 4.3 Abhängigkeiten, Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen Hirsch-Keinsen stellt fest, dass „[…] Unternehmensnetzwerke zum Ausbau von Machtpositionen großer und zur Ausbeutung kleiner Unternehmen und ihrer spezifischen Leistungsfähigkeit genutzt werden. […] Diese Netzwerke umfassen vertrauensbasierte Beziehungen allenfalls zwischen den Endherstellern und den großen Systemlieferanten, nicht jedoch bei der Vielzahl der Beziehungen mit anderen Direktlieferanten und schon gar nicht zu peripheren Sublieferanten.“703
Diese weit verbreitete Meinung soll als Ausgangspunkt für die nachfolgende Diskussion dienen. Die Aktualität und Brisanz der Thematik unterstreicht eine Studie in der deutschen Automobilzulieferindustrie, bei der allen deutschen OEM mit Ausnahme von BMW eine Kultur des Misstrauens, fehlende Berechenbarkeit und Kooperationsbereitschaft etc. seitens der Zulieferer vorgeworfen wird.704 Vor diesem Hintergrund gilt es zu erörtern, inwieweit Macht tatsächlich als dominierender Koordinationsmechanismus genutzt wird und ob Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen eine nachhaltige Bedeutung zukommt. In Abschnitt 3.2.5.1 wurde dargelegt, dass Macht auf einem multilateralen Beziehungsgefüge von mindestens zwei Parteien basiert und somit als relative Größe zwischen Unternehmen zu verstehen ist. Machtpotenzial begründet asymmetrische Abhängigkeiten, weshalb der Ausgangspunkt der Analyse Abhängigkeiten in der Automobilindustrie ist. Abschnitt 4.3.1 zeigt dazu an einem einfachen Beispiel die Dynamik wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen Anbieter und Abnehmer. In einem weiteren Schritt werden potenzielle Abhängigkeiten hinsichtlich der Faktoren Marktstrukturen, Marktpartner, Austauschobjekt und Austauschprozess aufgezeigt. Abschnitt 4.3.2 beschäftigt sich daraufhin mit empirischen Ergebnissen bezüglich Macht und Vertrauen in der Automobilindustrie. Es wird auf die Ergebnisse aus den Studien von Apelt705 und Sako706 Bezug genommen, weil sie explizit die in dieser Arbeit betrachtete 703
704 705 706
Hirsch-Kreinsen, H. (2002), S. 113. Vgl. darüber hinaus und stellvertretend für viele Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85 für eine ähnlich gelagerte Feststellung. Schneider, M. C. (2004), S. 53 f. Vgl. Apelt, M. (1999). Vgl. Sako, M. (1998).
206
Thematik von Vertrauen und Macht bzw. Opportunismusneigung in der Automobilindustrie untersuchen.707 Zudem werden in Sakos Studie regionale Unterschiede herausgearbeitet, die speziell Rückschlüsse auf Wertschöpfungsbeziehungen in der deutschen Automobilindustrie zulassen. 4.3.1 Interdependente Abhängigkeiten im automobilen Wertschöpfungsverbund Abbildung 4.3.1 stellt die auftretende Dynamik wechselseitiger Abhängigkeiten in automobilen Anbieter-/Abnehmerbeziehungen vereinfacht dar. Als Anbieter ist beispielhaft ein Tier-3 Zulieferer mit einem Leistungsumfang mittlerer Komplexität gewählt (preisdominierte Verhandlungen, technische Spezifikationen durch den OEM vorgegeben), der mit dem OEM als Abnehmer in direktem Kontakt steht. einseitige Abhängigkeit des Anbieters preisdominiertes NachfrageOligopol
Versorgungssicherheit des Abnehmers dominiert
einseitige Abhängigkeit des Abnehmers
Such-/ Verhandlungsphase
1. Phase des Lebenszyklus‘
Lieferantenwechsel möglich Nachfolgeentscheidung Versorgungs(erfahrungsgeprägt) sicherheit des Abnehmers dominiert (erfahrungsgeprägt)
VerhandlungsPhase für 2. Phase des Lebenszyklus‘
2. Phase des Lebenszyklus
Lieferantenwechsel möglich Nachfolgeentscheidung (erfahrungsgeprägt)
Zeit
Such-/ Verhandlungsphase für nachfolgenden Lebenszyklus
Abb. 4.3.1: Dynamik wechselseitiger Anbieter-/Abnehmer-Abhängigkeiten
In der Phase der Erstnominierung liegt unter der Voraussetzung eines Nachfrage-Oligopols ein klares Abhängigkeitsverhältnis zu Ungunsten des Anbieters vor. Preisdominanz bestimmt die Verhandlungen. Der OEM bestimmt nicht nur die inhaltlichen Anforderungen hinsichtlich des Preises, sondern setzt sich auch mit den Anforderungen an Qualität, Absatzmenge, Termine, Konventionalstra707
Neuere Studien zu Wertschöpfungsbeziehungen in der Automobilindustrie (Radtke, P. et al. (2004); Mercer Management Consulting/Fraunhofer-Institut (2004); Bullinger, H.-J. et al. (2003); McKinsey & Company/PTW (2003)) thematisieren zwar auch die Aspekte Macht, Vertrauen und Abhängigkeiten. Sie sind jedoch im Untersuchungsdesign nicht explizit auf diese Schwerpunkte ausgerichtet, sondern sehr viel breiter angelegt. Aus diesem Grund bezieht sich die Arbeit an dieser Stelle auf die beiden genannten Studien von Apelt und Sako. 207
fen etc. durch. Mit Abschluss des Vertrages und Eintritt in die erste Phase des Lebenszyklus ändert sich zeitlich begrenzt das zugrunde liegende Abhängigkeitsverhältnis. Die Begründung findet sich in der Ressourcenabhängigkeit des OEM vom ernannten Anbieter und dem Wettbewerbsdruck, der sich u. a. im Zeitdruck niederschlägt. Letzterer setzt eine Barriere für einen kurzfristigen Wechsel seitens des Abnehmers. Der Zulieferer sieht sich in der Pflicht, den Wertschöpfungsumfang in der geforderten Qualität, Menge und unter Einhaltung der vereinbarten Termine zu liefern. Für den Abnehmer hat die Aufrechterhaltung der eigenen Produktion die höchste Priorität. Deshalb befindet sich der Anbieter in einer Position, in der er eigene Forderungen durchsetzen könnte. Tatsächlich wird er dies jedoch nur unter Berücksichtigung seiner langfristigen Ziele tun. Opportunistisches Verhalten zu diesem Zeitpunkt kann zur Folge haben, dass Anschlussaufträge an andere Anbieter vergeben werden.708 In den meisten Fällen wird der Lieferant die Absicherung seiner langfristigen Überlebensfähigkeit (langfristige Sicherung von Absatzquellen) in den Mittelpunkt stellen und auf die Abschöpfung kurzfristiger Gewinne verzichten.709 Der OEM nun in einer situationsbedingten strukturellen Abhängigkeit wird sich nicht dem Zulieferwunsch nach langfristigen Verträgen verwehren, wenn es ihm auf diese Weise gelingt, überzogene Preisvorstellungen abzuwenden. In der automobilen Praxis sind deshalb Nachverhandlungen üblich, die selten seitens des Anbieters überzogene Forderungen enthalten. Offensichtlich ist die Abhängigkeit des Abnehmers in dieser Phase umso höher, je weniger Alternativanbieter die speziellen Leistungsanforderungen kurzfristig realisieren können.710 Die Verhandlungsphase für den zweiten Teil des ersten Lebenszyklus geht i. d. R. mit Änderungsanforderungen seitens des OEM bezüglich des Leistungsumfanges einher. Damit bietet sich für den OEM die Chance, einen Zulieferwechsel vorzunehmen. Die Entscheidung dafür bzw. dagegen wird einerseits stark durch die Erfahrungen mit dem bisherigen Zulieferer determiniert. Andererseits wird der OEM im Falle unangemessener Nachforderungen seitens des
708 709 710
Es greift der Shadow of the Future. Siehe Abschnitt 3.3.1. Vgl. Axelrod, R. (1997), S. 157. Deshalb verzichten OEM zumeist auf ein Single Sourcing und versuchen, die Wertschöpfungsumfänge von mehreren Anbietern zu beziehen. Je komplexer der Umfang jedoch ist, umso weniger lässt sich ein Multiple Sourcing verwirklichen. Die Spezifität komplexer Leistungen erfordert spezielles F&E-Know-how, eigens konstruierte Betriebsmittel, aber auch die Auslegung der benötigten Kapazitäten. Weil die Investitionen der Anbieter für derartige Leistungen meist einen hohen finanziellen Aufwand bedeuten, beteiligen sich die Abnehmer an diesen. Werden nun zwei anstatt einem Anbieter dahingehend finanziell unterstützt, resultiert dies in eine hohe finanzielle Belastung des OEM. Er sieht sich einem Trade-off aus geringerer Abhängigkeit, dafür aber einer größeren finanziellen Belastung gegenüber.
208
Anbieters trotz anfallender Switching-Kosten die Chance eines neuen Zulieferers ergreifen. Dagegen wird er sich bei zufriedenstellender Leistung des Zulieferers diese Kosten ersparen und das Geschäftsverhältnis fortsetzen. Allerdings wird der Lieferant Preissenkungen, Qualitätsanpassungen, zusätzliche Leistungsanforderungen etc. des OEM akzeptieren müssen. Wichtig zu erwähnen ist der Aspekt der Innovationsfähigkeit des Zulieferers. Sie reduziert die Wechselbereitschaft des OEM, denn je innovativer ein Anbieter ist, umso attraktiver erweist sich die langfristige Ressourcenquellensicherung durch ihn. Weil hier das Interesse an langfristiger Ressourcenquellensicherung (durch den Abnehmer) auf langfristige Absatzquellensicherung (durch den Anbieter) trifft, sind wichtige Voraussetzungen für eine nachhaltige Zusammenarbeit gegeben. Die nachfolgende Phase des zweiten Teils des ersten Lebenszyklus und die Phase des sich anschließenden zweiten Lebenszyklus gestalten sich entsprechend den jeweiligen vorhergehenden Phasen. Lediglich den bis dato gewonnen Erfahrungen kommt eine immer größere Bedeutung zu. Während sich die Richtung der Abhängigkeit in den einzelnen Phasen nicht grundlegend ändert, wirkt sich das Verhalten in der Vergangenheit nachhaltig auf die Stärke der Abhängigkeit für zukünftige Interaktionen aus.711 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Spieltheoretisch dominiert opportunistisches Verhalten dann, wenn die jeweiligen Phasen als isolierte Spielzüge verstanden werden. Sobald jedoch die in der Praxis so wichtige Verbindung zwischen den Phasen (die gewonnenen Erfahrungen) in die Betrachtung mit einbezogen wird, besteht die Opportunismusdominanz nicht mehr. Genau an dieser Stelle setzt die Idee der partnerschaftlichen Anbieter-Abnehmer-Beziehung an. Preisdominierte Ausschreibungsverfahren werden um das Instrumentarium erfahrungsbasierter Zulieferauswahl ergänzt. Diese Vorgehensweise hat neben einer fundierten erfahrungsgeleiteten Entscheidungsgrundlage den höchst relevanten Vorteil einer Motivationsförderung. Wie beschrieben, wird der Zulieferer in jeder Phase der Geschäftsbeziehungen die langfristigen Aussichten in sein Entscheidungskalkül einbeziehen. Die realistische Möglichkeit als Lieferant für die zweite Phase des ersten Lebenszyklus, viel wichtiger aber als Nachfolgelieferant für den zweiten Lebenszyklus ernannt zu werden, wird ihn dazu motivieren, die vereinbarten Konditionen hinsichtlich Qualität und Quantität der Leistungsumfänge, terminliche Absprachen etc. einzuhalten. Preisliche Nachforderungen an den Abnehmer werden bei Änderungswünschen oder externen Effekten wie Verteuerungen am Rohstoffmarkt auch weiterhin gestellt. Allerdings werden sie nicht überzogene Ausmaße annehmen.
711
Siehe Abbildung 4.3.1 und die dazu gehörigen Ausführungen über den Aufbau einer vertrauensbasierten Beziehung. Siehe dazu auch Abb. 3.3.2. 209
Eine wechselseitige Bedeutung kann im vorliegenden Beispiel dem Vertrauen respektive dem Verzicht auf Machteinsatz der Partner zugeschrieben werden. Vertrauen basiert auf der Selbstverpflichtung, während gleichzeitig die Selbstverpflichtung auf Grund von Vertrauen eingegangen wurde.712 Hieraus resultiert die für eine stabile Geschäftsbeziehung notwendige Verhaltenssicherheit. Gewinnmargen werden einvernehmlich und zum beiderseitigen Vorteil aufgeteilt. Sensibles Datenmaterial kann unproblematischer (wenn auch nicht vollständig) ausgetauscht werden. Produkt- und Prozessinnovationen können anderen Netzwerkpartnern zur Verfügung gestellt werden und so der Nutzensteigerung des gesamten Netzwerkes dienen.713 Die vertragliche Integration von Leistungsanreizen beschränkt die Opportunismusneigung, was wiederum in eine Reduzierung von Transaktionskosten resultiert. In einem weiteren Schritt sollen nun die Dimensionen Marktstruktur, Marktpartner, Austauschobjekt und Austauschprozess dahingehend untersucht werden, inwieweit sie für Abhängigkeiten in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken verantwortlich zeichnen. Selbstverschuldete Abhängigkeiten als praxisrelevanter Aspekt werden in diesem Kontext mit betrachtet. Abhängigkeiten aus Marktstrukturen Es existiert ein Nachfrageoligopol der OEM gegenüber den vorgelagerten Wertschöpfungsebenen, das marktbedingte Abhängigkeiten eindeutig zu Gunsten der OEM nach sich zieht. Zum anderen führt die Unternehmensgröße der OEM zu einer weiteren Verschärfung der Abhängigkeiten der Zulieferunternehmen. Die daraus resultierende hohe Konkurrenz unter den Zulieferern auf allen Wertschöpfungsebenen ermöglicht den Automobilherstellern die Abschöpfung von Lieferantenmargen. Neben dieser Gewinnerosion wirkt sich die Ausrichtung der Leistungsprogramme der Zulieferer auf die Bedürfnisse der OEM dann kritisch aus, wenn die Hersteller sich verkalkulieren. Mit den üblichen relationalen Verträgen, die bezüglich der abzunehmenden Menge lediglich einen Prozentsatz auf den Gesamtumsatz des OEM ausweisen, ist der Zulieferer sehr stark vom Abnehmer abhängig. Mit fehlendem Zugang zum Endkundenmarkt sind keine Kompensationsgeschäfte möglich, was die Abhängigkeit weiter verschärft. Der Unternehmens(miss)erfolg des OEM wirkt sich direkt auf die Zulieferer aus. Die Entstehung großer Tier-1 Zulieferkonglomerate714 führt zu einer Verschiebung der historisch gewachsenen asymmetrischen Abhängigkeitsver-
712 713
714
Vgl. Sydow, J./Windeler, A. (2000), S. 13. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Partner die Ursprungsrechte an der Innovation verliert. Er stellt sie lediglich zur Nutzung den Netzwerkpartnern zur Verfügung. Siehe Abschnitt 4.3.2.
210
hältnisse zu Ungunsten der OEM.715 Obwohl die OEM weit davon entfernt sind, ihre Stellung als fokales Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk zu verlieren, sehen sie sich mit zunehmend verhandlungsstarken Zulieferern der ersten Ebene konfrontiert. Darüber hinaus spüren die Hersteller die Auswirkungen ihrer rigiden Vergabepolitik, weil die angesprochenen Zulieferinsolvenzen die eigene Versorgungssicherheit716 gefährden. Abhängigkeiten bestehen darüber hinaus auch zwischen den einzelnen Zulieferebenen, wobei insbesondere Tier-1 Lieferanten in den letzten Jahren gegenüber den ihnen vorgelagerten Wertschöpfungsebenen Abhängigkeiten aufbauen konnten. Dies resultiert aus der beschriebenen Unternehmensgröße und der aufgebauten Technologiekompetenz dieser Unternehmen. Abhängigkeit vom Marktpartner Die Abhängigkeit vom Marktpartner besteht insbesondere dann, wenn der Umsatz mit einem einzigen Abnehmer einen hohen Anteil am Gesamtumsatz eines Unternehmens ausmacht. Wird bspw. seitens des OEM oder des Tier-1 Lieferanten eine derartige Geschäftsbeziehung beendet, verliert der Tier-2/Tier-3 Zulieferer seinen Schlüsselkunden, was zur Insolvenz führen kann. Weil der Abnehmer i. d. R. um seine Bedeutung weiß, kann er das latente Machtpotenzial gegebenenfalls bewusst ausspielen und in Verhandlungen die bestehenden, stark einseitig ausgeprägten Abhängigkeiten zur Durchsetzung seiner Interessen nutzen. Ein Interesse an der Insolvenz seines Lieferanten kann der Abnehmer allerdings nicht haben, weil die Versorgungssicherheit der eigenen Produktion, insbesondere innerhalb eines Lebenszyklus (also in der Phase der laufenden Serienproduktion) für ihn höchste Priorität besitzt. Exkurs: Versorgungssicherheit Sie ist innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette von immenser Bedeutung, speziell für den OEM als Hersteller des finalen Produktes. Die mittlerweile schlanke – im Sinne minimierter Puffer – und zugleich noch immer auf hohe Volumina ausgerichtete Produktion ist von Versorgungssicherheit besonders abhängig.717 Eine gestörte Versorgung bedeutet auf den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen die Nichteinhaltung von Terminen, Störungen der geplanten Kapazitätsauslastung etc., was erhöhte Kosten und Umsatzrückgänge nach sich zieht. Aber auch weniger einfach zu quantifizierende Faktoren wie Kundenbin715
716
717
Vgl. Kalmbach, R./Kleinhans, Ch. (2004), S. 6. Diese Situation besteht momentan nicht nur in Beziehungen zwischen OEM und Tier-1 Zulieferern, sondern auch mit Spezialisten für innovative Leistungsumfänge bzw. Nischenprodukte. Vgl. nachfolgende Ausführungen zur Bedeutung innovativer Leistungsumfänge. Vgl. zu Abhängigkeiten aus Versorgungssicherheit nachfolgend den Abschnitt Abhängigkeit vom Marktpartner. Vgl. Kaufmann, L. (2001), S. 396. 211
dung und Image leiden unter Lieferverzögerungen. Der vermehrte Einsatz von JIT- und JIS-Systemen in der Produktion führt zu einer enormen Abhängigkeit von der Versorgungszuverlässigkeit der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen. Dies betrifft alle Wertschöpfungsebenen, allerdings nimmt der Druck zum Endprodukt progressiv zu. Abhängigkeit vom Austauschobjekt Weil Zulieferleistungen nur in Kombination mit anderen Leistungsumfängen in Form des finalen Produktes Automobil beim Endkunden Nutzen stiften, liegt die Macht per Definition auf Seiten der Fahrzeughersteller, was Abhängigkeitsverhältnisse der jeweiligen Zulieferer impliziert.718 Neben dieser grundlegenden Abhängigkeit ist zwischen der Abhängigkeit von standardisierten und komplexen/innovativen Austauschobjekten (Wertschöpfungsumfängen) zu unterscheiden. Die tatsächliche Abhängigkeit eines Zulieferers vom OEM oder von nachgelagerten Zulieferern ergibt sich aus der relativen Bedeutung des eigenen Wertschöpfungsumfanges zum Endprodukt. Standardisierte, d. h. wenig spezifische Leistungen unterliegen einer erhöhten Substituierbarkeit, weil naturgemäß die Anzahl der Anbieter größer als bei spezifischen Umfängen ist. Dies drückt sich in einer geringeren Bedeutung des eigenen Leistungsumfangs im Verhältnis zum Endprodukt und damit in einer stärkeren Abhängigkeit aus. Andererseits bieten sich hier auch Chancen, den standardisierten Wertschöpfungsumfang anderen Nachfragern anzubieten, denn unter Ausnutzung von Skaleneffekten können Zulieferer unter Umständen kostengünstiger produzieren, als es die Eigenfertigung beim OEM erlaubt. Somit lässt sich die Abhängigkeit von einem einzelnen Abnehmer mitunter nachhaltig reduzieren. Schwierig gestaltet sich diese Geschäftspolitik insofern, weil nur bei sehr einfachen Teileumfängen wirkliche Standardisierung möglich ist. Je spezifischer (und somit je wertvoller) dagegen ein Leistungsumfang ist, umso eher kann der Anbieter seine Position von weisungsbefolgend in gestaltend modifizieren. Dies befähigt zu einem größeren Mitspracherecht in den Vertragsverhandlungen, während es auf objekt- und prozessbezogener Ebene ebenfalls eine größere Mitbestimmung erlaubt. Zusätzlichen Vertrauens bedarf es in interorganisationalen Wertschöpfungsprozessen, wenn der Abnehmer zwar die Lastenheftdefinitionen vornimmt, deren Umsetzung hingegen dem Auftragnehmer zugesteht.719 718 719
Vgl. Freiling, J. (1994), S. 55. Bildlich gesprochen: Bis in die 1990er Jahre hinein wurde den vorgelagerten Wertschöpfungsebenen zur Erreichung des Leistungsumfangs nicht nur Startpunkt und Ziel, sondern auch der Weg zwischen diesen beiden Punkten vorgeschrieben. Gegenwärtig zeichnen sich vertrauensgeprägte Beziehungen in der Automobilindustrie dadurch aus, dass nur noch Start und Endpunkt vordefiniert sind, der Weg zum Ziel jedoch frei wählbar ist (unter vertraglich geregelten Restriktionen wie Kosten, Menge, Zeit, Qualität etc.).
212
Beteiligungen an Investitionen im Sinne von Wertschöpfungspartnerschaften zur Sicherung von Innovationen und Know-how sind die sicherste Möglichkeit, um den Zugang zu gewährleisten und zukünftige Abhängigkeiten zu vermeiden. Diese Vorgehensweise birgt aber auch das Verlustrisiko bei Fehlentwicklungen. Verzichtet der OEM auf Beteiligungen, kann der Lieferant mit einem innovativen Leistungsumfang, für den zumindest kurzfristig keine Substitution möglich ist, das herkömmliche Abhängigkeitsverhältnis, wenn schon nicht umkehren, so doch eine kurzfristig bessere Verhandlungsposition erreichen. Gerade Tier-1 und Tier-2 Zulieferern mit hoher technologischer Kompetenz gelingt es, mit ihrer höheren Leistungsfähigkeit die traditionellen Abhängigkeitsverhältnisse, insbesondere gegenüber den OEM zu eigenen Gunsten auszubalancieren. Aber auch Tier-2 Zulieferer streben über Innovationsfähigkeit und technologische Kompetenz eine bessere Positionierung, d. h. eine Verringerung der Abhängigkeit gegenüber den Tier-1 Lieferanten an.720 So entstehen auf den oberen Wertschöpfungsebenen verstärkt interdependente Austausch- und Abhängigkeitsbeziehungen. Abhängigkeit vom Austauschprozess Prozessbezogene Abhängigkeiten ergeben sich durch die oben dargestellte interorganisationale Vernetzung und betreffen alle Wertschöpfungsebenen. Sinnvoll ist eine solche Vernetzung insbesondere dann, wenn es sich um Geschäftsvorgänge mit gleich bleibenden Transaktionspartnern handelt, die zudem auf einen langfristigen Horizont ausgelegt sind. Rationalisierungen und damit einhergehende Effizienzsteigerungen sind die Ziele einer solchen Vorgehensweise. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Bedeutung von JIT- und JIS-Versorgungen nachhaltig gestiegen. Die dafür notwendige Prozessvernetzung erfordert(e) in vielen Fällen die geografische Annäherung an den Standort des Abnehmers. Anpassungsinvestitionen mit einer sehr hohen Spezifitätsausprägung sind die Folge. Den anfallenden Kosten stehen sinkende Logistik- und Transaktionskosten ebenso wie eine steigende Prozesssicherheit und daraus resultierende Kostensenkungen, Qualitätssteigerungen und Versorgungssicherheit gegenüber. Informelle Strukturen, die sich in einem wachsenden persönlichen Vertrauen ausdrücken, bilden sich bei einer intensiven Zusammenarbeit vor Ort heraus, die der Optimierung bestehender und zukünftig zu implementierender Wertschöpfungsprozesse dienen. Die entstehenden Abhängigkeiten sind nicht zuletzt durch die gegenseitige Wissensdiffusion wechselseitig. Die Auflösung einer solchen Wertschöpfungsbeziehung (exit-option) ist mit erheblichen direkten und indirekten Kosten verbunden. Bis dato existente Strukturen müssen erneut aufgebaut werden, was gerade bei informellen Beziehungen nur sehr langsam vollzogen werden kann. 720
Siehe Abschnitt 4.2. 213
Selbst verschuldete Abhängigkeiten Während es einerseits wichtig ist, eine langfristige Zusammenarbeit aufzubauen, was wie gezeigt das Risiko steigender Abhängigkeit impliziert, darf andererseits eben jene Abhängigkeit nicht leichtfertig in Kauf genommen werden. Dies geschieht insbesondere auf Grund der typischen menschlichen Verhaltensweise – dem Streben nach Sicherheit721. Ist eine Lieferantenbeziehung etabliert und liefert zufriedenstellende Ergebnisse, so wird diese Beziehung wegen der gewonnenen Sicherheit aus der vorangegangenen Geschäftsbeziehung bei nachfolgenden Anschlussgeschäften fortgesetzt. Problematisch wird es dann, wenn bereits das Ergebnis der bisherigen Kooperation nicht optimal war. Wurde aus einem Sicherheitsdenken heraus in der Vergangenheit darauf verzichtet, eine bestehende Beziehung kritisch zu überprüfen und notfalls zu ersetzen, so kann sich diese fortgesetzte Verhaltensweise im Zeitablauf immer bedrohlicher entwickeln. Mit zunehmender Dauer der Beziehung entstehen stetig größer werdende Abhängigkeiten mit negativen Auswirkungen. Eine weitere selbst verschuldete Abhängigkeit entsteht, wenn Unternehmen im Rahmen der Entscheidung über Eigenleistung oder Fremdbezug Wertschöpfungsumfänge auslagern, die von strategischer Bedeutung sind. Im Extremfall gehen unbewusst Kompetenzen verloren, die Wettbewerbsvorteile darstellen. Dieser Fall erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, weil davon auszugehen ist, dass sich die meisten Unternehmen der Bedeutung ihres Leistungsportfolios bewusst sind. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass zukünftige Entwicklungen nicht richtig antizipiert werden und es so zu einer Fehleinschätzung bezüglich zukünftig wichtiger Kompetenzen und daraus resultierender Wettbewerbsvorteile kommt (anstatt einer „make-Entscheidung“ wird eine „buy-Entscheidung“ getroffen). Werden derartige Umfänge ausgelagert, gerät ein Unternehmen bspw. technologisch in die Defensive und in eine zunehmende Abhängigkeit gegenüber dem Unternehmen, zu dem ausgelagert wurde. Eine Analyse des eigenen Kompetenzprofils und zukünftig bedeutender Technologiefelder stellt somit eine der wichtigsten Entscheidungsgrundlagen für die strategische Ausrichtung aller Unternehmen dar. Bestehende F&E-Kompetenz ist zu schützen722 bzw. aufzubauen, soweit nicht vorhanden. Produktionskompetenz ist speziell auf der Ebene der OEM nur dann zu halten, wenn durch eine Produktionsauslagerung die Gefahr des Know-how Abflusses besteht.723
721 722 723
Vgl. Boutellier, R. (2005), S. 66. Siehe Abschnitt 2.1.4. Siehe Tabelle 4.2.
214
Fazit Abhängigkeitsverhältnisse zu Gunsten der Automobilhersteller bestehen in aktuellen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken zu allen vorgelagerten Wertschöpfungsebenen, mit denen der OEM in direktem Kontakt steht. Weiterhin existieren Abhängigkeiten zwischen den Zulieferebenen, wobei die nachgelagerten Wertschöpfungsebenen die jeweiligen Beziehungen dominieren. Das existente Oligopol seitens der Hersteller ist ein Faktum, das sich in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Dies lässt sich wie folgt begründen: Die Konzentrationswelle in der Zulieferindustrie ist auf der Ebene der Tier-1 bereits sehr weit fortgeschritten, wobei auch hier noch immer eine Vielzahl von Anbietern einer geringen Anzahl von Nachfragern (OEM) gegenübersteht. Zudem können zwar einige, aber letztlich nur wenige Tier-1 Zulieferer (bspw. gemessen am Umsatz) mit der Marktgröße der Fahrzeughersteller konkurrieren. Auf Grund ihrer Finanzstärke ist es den OEM noch immer möglich, eigene Entwicklungs- und Produktionskapazitäten zu installieren, um auf diese Weise Abhängigkeiten gezielt zu vermeiden.724 Mit weiter steigenden Komplexitäten der Dimensionen Produkt und Prozess wird diese Fähigkeit jedoch weiter abnehmen. Darüber hinaus vermeiden insbesondere Automobilhersteller durch konsequentes Multiple Sourcing Abhängigkeiten. Traditionelle Abhängigkeitsverhältnisse relativieren sich jedoch mit zunehmender Differenzierung der Wertschöpfungskette und wachsender Innovationsfähigkeit der Zulieferer. Tier-1 und Tier-2 Zulieferer nutzen ihre wachsende Unternehmensgröße und ihr differenziertes Know-how, um individuelle Handlungsspielräume hinsichtlich einer Nutzensteigerung zu erweitern (Gewinnsteigerung, langfristige Sicherung der Geschäftsbasis etc.). Hersteller zeigen gegenüber den aktuellen institutional-strukturellen Arrangements in den von ihnen noch immer dominierten Wertschöpfungsnetzwerken eine außerordentliche Sensibilität, wenn es sich um die weitere Erodierung ihrer eigenen Vormachtstellung handelt. Letztere entsteht maßgeblich durch die Erstarkung von Systemlieferanten, die mittlerweile vitale Bindeglieder in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken darstellen. Im Verhältnis zu den OEM verfügen Systemlieferanten über einen enormen Informationsvorsprung. Die asymmetrische Informationsverteilung manövriert die Hersteller in eine Position, in der sie das Ausnutzen von Verhaltensspielräumen seitens der Systemlieferanten befürchten müssen. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit zur Kooperation. Eine kurzfristige Alternative wäre die Umgehung der Systemlieferanten. Weil es für die Hersteller
724
Automobilhersteller vermeiden Outsourcing bzw. betreiben Insourcing auch dann, wenn die hierarchische Lösung nicht die optimale Handlungsalternative darstellt. Diese Verhaltensweise dient einzig der Vermeidung von Abhängigkeiten gegenüber externen Quellen. Interne Komplexitätsprobleme etc. werden dabei billigend in Kauf genommen. 215
jedoch auf Grund der vielfältigen Geschäftsbeziehungen nicht mehr zielführend ist, jeden Lieferanten zu kontaktieren, und zudem das bestehende Vertrauensverhältnis im Netzwerk durch die Bildung von Sub-Koalitionen unterlaufen wird, bietet diese Vorgehensweise keine nachhaltige Lösung an. Automobilhersteller werden demzufolge zukünftig eine geringere Abhängigkeit der Zulieferer und gleichzeitig eine größere eigene Abhängigkeit von den Zulieferern akzeptieren müssen. Die Form der Zusammenarbeit wird sich zumindest langfristig dahingehend ändern, dass seitens der OEM weniger Machtmissbrauch erfolgt und stärkere vertrauensbasierte Beziehungen entstehen. 4.3.2 Macht und Vertrauen in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen – empirische Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse von zwei empirischen Untersuchungen zu den Aspekten Macht und Vertrauen in der automobilen Wertschöpfung vorgestellt. Untersuchung von Apelt725 Ein differenziertes Bild hinsichtlich Vertrauen und Macht in automobilen Wertschöpfungsbeziehungen gibt die regional auf deutsche Zulieferunternehmen beschränkte Untersuchung von Apelt726. Die empirische Untersuchung unterscheidet dabei zwischen Organisationsvertrauen und Zutrauen727, während sich der Thematik Macht über Machtpotenziale der Zulieferer gegenüber ihren Abnehmern genähert wird. Die Untersuchung konnte keinen direkten Zusammenhang zwischen Marktmachteinsatz728 und Vertrauen feststellen. Abnehmer üben trotz enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit Preisdruck auf ihre Zulieferer aus. Dies bedeutet,
725 726
727
728
Vgl. Apelt, M. (1999), S. 64 – 91. Vgl. Apelt, M. (1999). Neben der Automobilindustrie wurden in dieser Untersuchung auch Zulieferer der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Luft- und Raumfahrt sowie der Nutzfahrzeugindustrie befragt, so dass auch Aufschluss darüber gewonnen wird, wie die automobilspezifischen Ergebnisse in Relation zu anderen Branchen zu bewerten sind. Der Fokus dieser Arbeit konzentriert sich jedoch speziell auf die Ergebnisse bezüglich der Automobilindustrie. Organisationsvertrauen ist mit dem in Abschnitt 3.3.2 vorgestellten institutionellen Vertrauen und Zutrauen mit persönlichem Vertrauen gleichzusetzen. Für die folgenden Darlegungen werden in Abweichung zur zitierten Untersuchung die Begriffe institutionelles Vertrauen und persönliches Vertrauen verwendet, um die in dieser Arbeit gelegte Nomenklatur beizubehalten. Marktmacht wurde anhand der Zufriedenheit mit den realisierten Preisen, der Vereinbarung sinkender Preise, dem Zwang zur Offenlegung der Kalkulation etc. gemessen.
216
dass unabhängig vom Preisdruck enge und vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen entstehen. Allerdings wird das persönliche Vertrauen durch den Preisdruck belastet. Institutionelles Vertrauen steigt parallel zum Organisationsmachteinsatz,729 während kein Zusammenhang mit persönlichem Vertrauen festgestellt werden konnte. Bei der Untersuchung von institutionellem Vertrauen und subjektiver Einschätzung des Machtverhältnisses730 wurde eine negative Korrelation festgestellt, während persönliches Vertrauen eine positive Korrelation aufweist. Bestehen enge und vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen mit den Zulieferern, so müssen diese nicht selten Zugeständnisse machen und drücken ein Gefühl der Unterlegenheit aus. Persönliches Vertrauen wächst hingegen mit dem Bewusstsein, ein gleichberechtigter Partner zu sein. Eine wichtige Erkenntnis wurde bezüglich der Vertragsformen731 gewonnen: Vertrauen wird durch jegliche Art von Verträgen unterstützt. Persönliches Vertrauen unterscheidet dabei nicht zwischen unterschiedlichen Vertragstypen, was auch bedeutet, dass Rahmenverträge gegenüber anderen Vertragsformen kein besonderes Sicherheitsgefühl hervorrufen. Die für deutsche Unternehmen grundsätzlich übliche Vertrauensstärkung durch Verträge steht in Übereinstimmung mit dem von Sako aufgezeigten Vertragsvertrauen.732 Eine gewonnene Erkenntnis hinsichtlich der relevanten Vertragstypen ist, dass Rahmenverträge (relationale Verträge, die gleichzeitig vielfach neoklassische Vertragselemente enthalten) in zunehmendem Maße die Zulieferbeziehungen bestimmen. Über die Hälfte (51 %) der befragten Automobilzulieferer hat mit den Abnehmern ein Rahmenabkommen abgeschlossen. Mit diesen Abkommen werden intensive und dauerhafte Partnerschaften festgeschrieben. Sie regeln neben der Preisgestaltung weitere Bedingungen wie bspw. die Vergütung gemeinsamer F&E-Aktivitäten und Gewährleistungsansprüche. Dabei sind – typisch für relationale Verträge – nicht alle Rahmenbedingungen genau festgelegt. Rahmenverträge werden zudem mit Zulieferern geschlossen, mit denen bereits eine langfristige Beziehung besteht. Sie werden des Weiteren bei Entwicklungskooperationen wahrscheinlicher. Hinsichtlich der Transaktionsbedingungen konnte aufgezeigt werden, dass große und abhängige Automobilzulieferer weitestgehend eng an ihre Abnehmer angebunden sind. Dagegen konnte die These, dass marktschwache Zulieferer eng an ihre Abnehmer gebunden sind, nicht belegt werden. 729
730
731
732
Marktmacht wurde anhand von Lieferantenbewertungen (einmalig/mehrmalig), verbindlichen Vorschlägen zur Qualitätssicherung und dem Führen von Ranglisten bzgl. bester/schlechtester Lieferanten gemessen. Die subjektive Einschätzung des Machtverhältnisses wurde als solches abgefragt, ebenso wie die Art der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten. Vertragstypen wurden in den Kategorien ohne Vertrag, konkret ausformulierter Vertrag, Vertragsdauer und Existenz eines Rahmenvertrages erhoben. Siehe nachfolgende Ausführungen zur Untersuchung von Sako, M. (1998). 217
Für die weiterführende Analyse können folgende Kernaussagen festgehalten werden: Institutionelles Vertrauen wird durch langjährige Beziehungen und Rahmenverträge und dem Willen zur Kooperation gefestigt. Der Einsatz von Markt- und Organisationsmacht senkt nicht die Chancen für institutionelles Vertrauen, wohingegen bei institutionellem Vertrauen die Durchsetzungsfähigkeit der Lieferanten bei Meinungsverschiedenheiten sinkt. Institutionelles Vertrauen, so die Vermutung von Apelt, ist ein bloßes Erfordernis schlanker Zulieferung und hat wenig mit dem allgemeinen Verständnis von Vertrauen gemein. Persönliches Vertrauen wird dagegen durch den Glauben an die Stabilität der Geschäftsbeziehung und die subjektive Einschätzung des Informationsaustausches geprägt. Kompromissbereitschaft seitens des Abnehmers sowie der Verzicht auf Machtmittel beeinflussen das persönliche Vertrauen positiv. Apelt bestätigt in ihrer Untersuchung die theoretischen Annahmen bezüglich des ambivalenten Verhältnisses von Macht und Vertrauen – Macht und institutionelles Vertrauen können komplementär wirken, während der Einsatz von Machtmitteln persönlichem Vertrauen tendenziell entgegenwirkt. Darüber hinaus sollte Verträgen unabhängig von der Vertrauensausprägung einer Geschäftsbeziehung entsprechend große Beachtung geschenkt werden, weil diese Vertrauen fördernd wirken. Untersuchung von Sako Sakos Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zwischen Automobilherstellern und deren Zulieferern hinsichtlich der regional unterschiedlichen Vertrauens- und Opportunismusausprägungen fasst Tabelle 4.3.2 zusammen. Für die vorliegende Arbeit sind die Ergebnisse insofern von Bedeutung, weil es sich zum einen um die Automobilindustrie handelt, die sich traditionell durch Abhängigkeiten der Zulieferer von den OEM charakterisiert und allein deshalb unterschiedliche Ausprägungen im Vergleich zu anderen Branchen erwarten lässt. Zum anderen wird ersichtlich, dass kulturelle Unterschiede (Werte, Normen etc.) einen gravierenden Einfluss auf Vertrauensausprägungen nehmen können. Die für den Kontext der vorliegenden Arbeit zu gewinnenden Erkenntnisse basieren auf dem Vergleich der jeweiligen Ausprägung der einzelnen Merkmale zwischen den unterschiedlichen Regionen.
218
Japan
USA
UK
Deutschland
röm.-kath. 733 Südeuropa
Vertragliches Vertrauen
24,03
16,62
15,25
27,45
14,00
KompetenzVertrauen
48,37
31,25
35,51
28,57
39,58
„Goodwill“Vertrauen
38,81
37,24
42,50
50,00
64,00
Fairness des Abnehmers
67,88
42,41
40,00
54,00
54,90
Opportunismus des Abnehmers
23,94
55,85
32,50
26,00
26,00
(in %)
Tabelle 4.3.2: Regionale Vertrauens- und Opportunismusausprägungen in der Automobilindustrie [Quelle: Sako, M. (1998), S. 88 – 117]
Eine erste Erkenntnis ist, dass sowohl vertragliches als auch kompetenzbasiertes Vertrauen sowie die Fairness des Abnehmers (OEM) in den USA und UK auf annähernd demselben Niveau liegen, allerdings deutlich unter den Ausprägungen, die japanische Verhältnisse kennzeichnen. In Deutschland wird Verträgen in Relation zu den anderen Ländern/Regionen das höchste Vertrauen entgegengebracht, dafür besteht hingegen das geringste Kompetenzvertrauen. Opportunismus des Abnehmers zeigt in Deutschland eine ebenso geringe Ausprägung wie im römisch-katholisch geprägten Südeuropa und liegt lediglich geringfügig über dem Japans. Die Opportunitätswerte liegen in UK und den USA deutlich oberhalb der drei anderen Regionen, wobei opportunistisches Verhalten in den USA sogar eine mehr als doppelt so hohe Ausprägung aufweist. Interessanterweise ist das „Goodwill“-Vertrauen in Japan auf einem ebenso geringen Niveau wie in UK und damit sogar geringfügig unter dem der USA, während Deutschland deutlich darüber liegt und dieses Ergebnis nochmals von Ausprägungen im römisch-katholischen Südeuropa übertroffen wird. Aus dieser Untersuchung lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ziehen. Erstens: Japanische OEM-Zuliefer-Beziehungen sind sehr viel stärker vertrauensbasiert als die in anderen Regionen – mit Ausnahme des „Goodwill“-Vertrauens – bei gleichzeitig geringster Neigung zu opportunistischem Verhalten. Dies dürfte langfristig stabilisierend für die Beziehungen zwischen den OEM
733
Italien, Frankreich, Spanien. 219
und ihren Zulieferern dienen, so dass japanische Netzwerkbeziehungen von dieser Konstellation profitieren. Problematisch erscheint die interorganisationale Netzwerkgestaltung in angloamerikanisch geprägten OEM-Zuliefer-Beziehungen. Ein hohes Maß an Opportunismus gepaart mit vergleichsweise geringer Fairness seitens der OEM erschwert die interorganisationale Zusammenarbeit mit den vorgelagerten Zulieferebenen. Hinzu kommt ein schwach ausgeprägtes vertragliches Vertrauen, was in Verbindung mit der bestehenden Opportunitätsbereitschaft zu werten ist – eine mangelnde Erfüllung bestehender Verträge. Automobile Zulieferbeziehungen in Deutschland und im römisch-katholischen Südeuropa charakterisieren sich durch eine relativ hohe Fairness des Abnehmers und einer gleichzeitig relativ hohen Opportunismusabstinenz. Während in Deutschland stärker Verträgen vertraut wird, kehrt sich diese Tendenz in den südeuropäischen Regionen eher in Richtung Kompetenz um. Auch hier lässt sich festhalten, dass die Beziehungen OEM-Zulieferer langfristig, nachhaltig und stabil aufgebaut sind und somit eine Basis für interorganisationale Netzwerke besteht, die in Deutschland durch ein Mehr an Verträgen geregelt sein sollten. Interkulturelle Probleme können demnach immer dann entstehen, wenn deutsche oder japanische Automobilunternehmen mit angloamerikanischen Unternehmen im Netzwerkverbund zusammenarbeiten.734 Dies geschieht bspw. dann, wenn ein OEM eine Standortentscheidung trifft, die außerhalb seines Heimatmarktes angesiedelt ist. Deshalb sind kulturelle Unterschiede bei Netzwerkbeziehungen von vornherein in Betracht zu ziehen. 4.3.3 Integration von Wertschöpfung, Macht und Vertrauen Abschließend wird die Integration der Aspekte Wertschöpfung, Macht und Vertrauen angestrebt. Zielleitend ist dabei die Frage, ob Wertschöpfungspotenzial durch die Mechanismen Macht und Vertrauen positiv beziehungsweise negativ beeinflusst werden kann. Ansatzpunkt der Überlegungen ist eine einfache Kosten-/Nutzenbetrachtung. Es existiert Wertschöpfungspotenzial für die involvierten Parteien, wenn der Nutzen einer Beziehung die Kosten dieser über die Laufzeit übertrifft. In Anlehnung an die Erkenntnisse aus dem trichotomen Modell von Fischer sowie den theoretischen Ausführungen in Abschnitt 3.3 und den empirischen Ergebnissen der Untersuchung von Apelt werden folgende Arbeitshypothesen aufgestellt:
734
Dabei dürfte es irrelevant sein, ob ein deutscher bzw. japanischer OEM mit angloamerikanischen Zulieferern oder ein deutscher bzw. japanischer Zulieferer mit einem angloamerikanischen OEM zusammenarbeitet.
220
AH1: Vertrauen (persönliches) als Koordinationsmechanismus wirkt in interorganisationalen Wertschöpfungsbeziehungen positiv auf die Stabilität der Geschäftsbeziehungen und den Informationsaustausch und generiert auf diese Weise ein größeres Wertschöpfungspotenzial als Beziehungen ohne persönliches Vertrauen. AH2: Der Verzicht auf Machtmissbrauch fördert (persönliches) Vertrauen und wirkt damit, trotz der Ambivalenz beider Mechanismen, tendenziell wertschöpfungsfördernd. Nachfolgende Formel735 drückt vereinfacht aus, dass Vertrauensgewährung und Machtverzicht zusätzliches Wertschöpfungspotenzial fördern. Dieses Potenzial ist umso größer, je länger eine Beziehung existiert. Wie dieses Potenzial letztlich genutzt wird, unterliegt weiteren Prämissen, die in Abschnitt 4.5 im Rahmen der Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes diskutiert werden. n
WP ¦ N K u i t
t
t
t 1
WP = Wertschöpfungspotenzial t = Zeit; Anzahl der Perioden einer Geschäftsbeziehung N = Nutzen aus der Wertschöpfungsbeziehung K = Kosten aus der Wertschöpfungsbeziehung i = Interaktionsmodus mit i < 1 = hoher Machtmissbrauch/geringes Vertrauen i = 1 = konstant/neutral i > 1 = weitgehender Machtmissbrauchverzicht/hohes Maß an Vertrauen
Es gestaltet sich schwierig, in einer einfachen Formel die operative Umsetzung von Vertrauensgewährung und Verzicht auf Machtmissbrauch widerzuspiegeln, weil es sich letztlich um soziale Prozesse zwischen Individuen, die als Repräsentanten ihrer Unternehmen agieren, handelt. Wird aber die Konstellation unterstellt, dass kooperatives Verhalten – als Voraussetzung für Vertrauensgewährung und Verzicht auf Machtmissbrauch – einen höheren Wertschöpfungsgewinn erzeugt als die kurzfristige Nutzenmaximierung, impliziert dies die ökonomische Rechtfertigung von Vertrauen in Geschäftsbeziehungen. Austauschbeziehungen sind für den Fall des Weiterbestehens effizienter als die eines kon-
735
Die Formel soll nicht als mathematische Funktion verstanden werden. Sie dient vielmehr der abstrakten konzeptionellen Demonstration der zugrunde liegenden Logik. 221
kurrierenden Wertschöpfungsnetzwerkes, was sich auf Lernkurven und beziehungsspezifische Erfahrungen zurückführen lässt.736 Abschließend sei auf einen wichtigen Aspekt in der Umsetzung des Verzichts auf Machtmissbrauch bzw. Vertrauensvorschuss hingewiesen. Bereits zu Beginn einer geschäftlichen Beziehung bietet sich dazu die Chance durch nachhaltiges Verhandeln. Dabei ist es nicht die „Dealmaker-Mentalität“, die zu langfristigem Erfolg verhilft. Mit dem Einsatz von Macht und Druck auf Grund einseitiger Abhängigkeiten entstehen im Nachhinein dann „[…] hohe Kosten […], wenn Verträge in der Praxis nicht realisierbar sind, weil der Zulieferer niemals in der Lage sein wird, genügend Gewinn zu erwirtschaften.“737
Ertel verweist in einem aktuellen Beitrag darauf, dass eine Anreizstruktur wichtig für den Partner ist, um das Richtige zu tun. Auch eine maßvolle Offenlegung von Daten und Hintergrundinformationen, die ein besseres Verständnis der Gegenseite für die eigene Verhandlungsposition bewirkt, kann eine Verhandlung und die Umsetzung der Ergebnisse daraus erleichtern. Die Motivation für eine derartige Vorgehensweise liegt in folgender Erkenntnis: Wenn als Folge nicht aufeinander abgestimmter Interessen eine Vertragspartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, so ist dies nicht ausschließlich das Problem dieser Partei. Kostenintensive Nachverhandlungen und negativ belastete Beziehungen bieten in dieser Konstellation nicht die optimalen Voraussetzungen für die Fortsetzung der geschäftlichen Beziehungen. In Anlehnung an die Erkenntnisse aus der Transaktionskostentheorie738 lässt sich festhalten, erhöhte Anbahnungs- und Vereinbarungskosten sind dann begründet, wenn durch eine längere Verhandlungsphase und detaillierte vertragliche Regelungen nachgelagerte Transaktionskosten für Abwicklung, Anpassung und Kontrolle reduziert werden können. Die Rechtfertigung für einen fairen Umgang bereits zu Beginn einer Geschäftsbeziehung manifestiert sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass Wertschöpfung nicht durch das Unterschreiben von Verträgen, sondern durch praktische Arbeit nach Vertragsunterzeichnung entsteht.739
736 737 738 739
Vgl. Axelrod, R. (1997), S. 157. Ertel, D. (2005), S. 75. Siehe Abschnitt 3.4.4. Vgl. Ertel, D. (2005), S. 74 ff. Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 4.4 zu den Geschäftspraktiken von Toyota.
222
4.4 Interorganisationale Wertschöpfungssteuerung: Fallbeispiel Toyota Um den Erfolg Toyotas zu verstehen, bedarf es erstens eines kurzen historischen Rückblicks auf die Anfänge des Unternehmens und zweitens eines Vergleiches der Zusammenarbeit zwischen westlichen OEM und Toyota mit ihren jeweiligen Zulieferstrukturen. In einem historischen Kontext ist es wichtig zu beachten, dass japanische Fahrzeughersteller seit dem Beginn der zivilen Automobilindustrie nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine geringe Fertigungstiefe aufweisen, so auch Toyota. In der Aufbauphase waren die für Investitionen zur Verfügung stehenden Finanzmittel sehr beschränkt.740 Japanische OEM behalfen sich deshalb durch den im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Herstellern umfangreichen externen Bezug benötigter Teile und Komponenten. Die sich daraus entwickelnden Zulieferbeziehungen führten im Laufe der Zeit dazu, dass japanische OEM trotz verbesserter Finanzkraft nicht wesentlich mehr Wertschöpfungsumfänge übernahmen, sondern weiterhin auf ihre traditionellen und gut funktionierenden Zulieferstrukturen vertrauten. Diese jahrzehntelang praktizierte interorganisationale Kooperation zeigt eine stabilisierende Wirkung für die Interaktionsbeziehungen.741 Toyota verfolgt mit den Zulieferbeziehungen eine ebenso langfristige Ausrichtung wie in allen anderen Unternehmensbereichen: „Bei Toyota geht es nicht primär darum, kurzfristig eine überdurchschnittliche Rendite auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. Ressourcen und damit die Überlebensfähigkeit des Unternehmens werden vielmehr langfristig gestaltet. Ein solches Denken und Handeln prägt alle Bereiche, Hierarchieebenen und Beziehungen des Unternehmens, auch die zu den Zulieferern.“742
Im Vergleich der operativen Ausgestaltungen der Zulieferbeziehungen lassen sich relativ klare Grenzen zwischen der Vorgehensweise westlicher (und hier speziell amerikanischer) OEM und der Toyotas ziehen. Nach der politischen Neuordnung nach 1989 erschlossen sich den OEM alternative Bezugsquellen in Osteuropa und darüber hinaus in den aufstrebenden Schwellenländern in Asien. Dies gilt insbesondere für Rohstoffe, Rohmaterialien und einfache Teile, die zu extrem niedrigen Preisen angeboten werden. Traditionelle Automobilzulieferer sehen sich somit einer weiter steigenden Konkurrenz ausgesetzt. Westliche Automobilhersteller nutz(t)en diese Situation und tausch(t)en die Vorteile aus lang-
740 741
742
Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 55. Es gilt hinzuzufügen, dass die japanischen Keiretsu-Systeme mit ihren komplexen finanziellen Überkreuzbeteiligungen ebenfalls eine stark stabilisierende Wirkung ausübten. Zu japanischen Keiretsu-Systemen siehe Abschnitt 2.2 dieser Arbeit. Berndt, E. (2005), S. 196. 223
fristiger Zusammenarbeit mit ihren etablierten Zulieferern gegen kurzfristige Kosteneinsparungen mit neuen Lieferanten. Darüber hinaus ermöglichen neue Kommunikationstechnologien den OEM gerade bei einfachen Umfängen, den Preiskampf zwischen den Zulieferern anzufachen. Kennzeichnend für eine stark marktliche/preisliche Ausgestaltung der Zulieferunternehmen liefert bspw. Ford mit umgekehrten Auktionen (Online-Biddings)743. General Motors handelt Verträge mit den Zulieferunternehmen aus, die die Option garantieren, jederzeit den bestehenden Vertrag zu lösen und die Wertschöpfungsumfänge bei einem preislich günstigeren Zulieferer zu beziehen. Das unter diesen Bedingungen die Beziehungen zwischen OEM und Zulieferern leiden, ist offensichtlich. So wird das Verhältnis der Großen Drei744 zu ihren Zulieferunternehmen als „Kriegszustand“ beschrieben.745 Im Gegensatz dazu pflegt Toyota die Beziehungen zu den eigenen Zulieferern und setzt die langjährige Zusammenarbeit fort.746 Auf Grund der Unkenntnis über japanische Wertschöpfungsnetzwerke wurde oftmals ihr Erfolg ausschließlich auf vertrauensbasierte Beziehungen zwischen OEM und Zulieferern zurückgeführt. Vertrauen bildet dieser Argumentation zufolge die Basis für die Nutzung der Vorteile geringerer vertikaler Integration bei gleichzeitiger Vermeidung ihrer Nachteile wie terminliche Unsicherheit, mangelnde Qualität etc. Neuere Erkenntnisse zeichnen ein differenzierteres Bild, wonach Vertrauen nur ein Erfolgsfaktor ist. Vielmehr sind es gegenseitige Abhängigkeiten, auf denen die Zulieferbeziehungen aufbauen.747 Auf Grund der Bedeutung, die japanische Automobilhersteller (insbesondere Toyota und Honda) den Leistungen ihrer Zulieferer beimessen, sehen sie neben dem entgegenzubringenden Vertrauen auch die Notwendigkeit der Kontrolle. Kontrolle der Partnerunternehmen vollzieht sich allerdings ohne die negativen Aspekte, die den Beziehungen zwischen westlichen OEM und ihren Zulieferern zugrunde liegen. Sie wird schon deshalb nicht negativ wahrgenommen, weil sie im Einklang mit der Förderung des Partner-Know-hows und eines intensiven, 743
744
745
746
747
Die Zulieferer unterbieten sich in einer Online-Auktion bzgl. eines durch den OEM zuvor spezifizierten Leistungsumfangs beim Kriterium Preis. Die „Großen Drei“: General Motors (GM), Ford, Chrysler. Nach der Übernahme von Chrysler durch Daimler Benz und der Ablösung Fords als Nummer zwei durch Toyota wird neuerdings die historische Definition der „Großen Drei“ abgewandelt und auf GM, Toyota und Ford bezogen. Die „Großen Drei“ bezieht sich im hier verwendeten Kontext auf die alte Definition und schließt Toyota selbstverständlich nicht mit ein. Vgl. Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005), S. 62 f. Liker gilt als einer der renommiertesten Experten für das Toyota Produktionssystem. Bisherige Lieferanten Toyotas haben eine 90-prozentige Chance, einen neuen Auftrag zu erhalten, Zulieferer von General Motors sehen sich hingegen nur einer 58prozentigen Chance gegenüber. Vgl. Osterloh, M./Weibel, A. (2006), S. 19. Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 163.
224
wenn auch selektiven, Informationsaustausches steht. Kontrolle ist deshalb nicht traditionell im Sinne von Wareneingangskontrolle etc. (und damit ursächlich für steigende Transaktionskosten) zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um Zielvereinbarungen und Leistungskontrolle sowie die Messung der Arbeitsweisen der Zulieferer.748 Kontrollmechanismen wirken somit wertschöpfend und opportunismushemmend. Fehlverhalten wird gemäß vorab getroffenen Vereinbarungen sanktioniert, allerdings nicht sofort bei erstmaliger/einmaliger Zielverfehlung.749 Bei wiederholter Zielverfehlung ist ein erster Sanktionsschritt die Umverteilung von Wertschöpfungsquoten zu Ungunsten des zielverfehlenden Zulieferers. Erst wenn ersichtlich ist, dass ein Zulieferer trotz der Unterstützungsmaßnahmen durch den OEM keine nachhaltige Performancesteigerung erreichen kann, trennt sich Toyota von diesem Zulieferer.750 Toyota ist sehr stark daran interessiert, die Prozesse der eigenen Zulieferer zu verstehen, um die Partnerunternehmen bestmöglich unterstützen und qualifizieren zu können.751 Der OEM gewinnt damit selbstverständlich auch Einblick in die Kostenstruktur der Zulieferer. Dieses Wissen wird jedoch nicht zum Nachteil der Partner ausgenutzt, wie dies in Zulieferbeziehungen nach westlichen Maßstäben häufig der Fall ist. Narayanan und Raman konstatieren in diesem Zusammenhang: „Besitzt ein Unternehmen Informationen, die andere Mitglieder der Lieferkette nicht haben, bereitet das Abstimmen der Interessen Schwierigkeiten. Beispielsweise befürchten die meisten US-Automobilzulieferer die Offenlegung ihrer Kosten. Sie glauben, die drei wichtigsten Autohersteller [GM, Ford, Chrysler; T. S.] würden diese Informationen dazu nutzen, ihre Gewinnspannen zu drücken. Aus diesem Grund sträuben sich die Lieferanten dagegen, an Optimierungsinitiativen teilzunehmen, bei denen die Hersteller oder andere Firmen solche Daten erfassen. Weil die Lieferanten auf die Geheimhaltung ihrer Informationen bestehen, sind die Versorgungsketten der großen drei nicht so effizient, wie sie sein könnten.“752
748 749
750 751
752
Vgl. Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005), S. 68. Diese Vorgehensweise widerspricht den theoretischen Erkenntnissen aus der Spieltheorie (Tit-for-Tat-Regel). Siehe Abschnitt 3.4.1. Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 162 f. So ist es häufig der Fall, dass insbesondere neue Lieferanten teilweise bis zu sechs Monate eine kostenfreie Unterstützung bei der Optimierung der Produktionsprozesse durch ein Toyota eigenes Beratungsteam erhalten. Vgl. Osterloh, M./Weibel, A. (2006), S. 19. In Anlehnung an die theoretischen Erkenntnisse aus Abschnitt 2.1.4 kann darauf verwiesen werden, die sich die Prozessverbesserungen mitunter auch auf andere Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen übertragen lassen und dort ebenfalls zu Kostensenkungen führen. Narayanan, V. G./Raman, A. (2005), S. 41 f. 225
Toyota (und auch Honda) kalkulieren und verhandeln die Preise dagegen so, dass den Zulieferern eine Mindestmarge zugestanden wird. Diese Gewinnmarge fällt jedoch nicht so hoch aus, dass der Zulieferer keinen Anreiz hat nach Verbesserungspotenzialen zu streben. In diesem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (Kostensenkungen, Qualitätsverbesserungen, Verbesserung der Liefertreue etc.) wirkt Toyota aktiv mit. Realisierte Potenziale werden fair gemäß vorab getroffener Vereinbarung zwischen Zulieferer und OEM geteilt.753 Auf diese Weise wird Opportunismusneigung vorgebaut.754 Zulieferrivalität wird auch von Toyota begrüßt und gefördert, ganz im Gegensatz zur weit verbreiteten Annahme, es würde nur ein Zulieferer pro Bauteil/Komponente etc. nominiert und jeglicher Wettbewerb ausgeschaltet.755 Im Ergebnis wirkt die aufgezeigte Faktorenkombination förderlich für alle Beteiligten. Zulieferer bestätigen Toyota eine äußerst positive Zusammenarbeit, weil der OEM entsprechend stark mit ihnen kommuniziert, vertrauenswürdig ist, Hilfestellung leistet756 und sich nicht zuletzt für die Rentabilität seiner Zulieferer interessiert – kurz: fair und kooperativ agiert757. Hinzu kommt die Innovationsförderung seitens Toyotas. Innovationen stellen für den Automobilhersteller ein sehr wichtiges Auswahlkriterium für die Lieferanten dar. Ist die Auswahl erfolgt, wird die bereits vorhandene Innovationsfähigkeit weiterhin stark gefördert. Weil Zulieferern in neu zu erschließenden Märkten in Osteuropa und Asien oft neben mangelnder Qualität auch die Innovationsfähigkeit fehlt, widersteht Toyota der Versuchung, kurzfristige Kostenreduzierungen758 durch Zulieferwechsel zu realisieren. Der OEM profitiert seinerseits von steigender Qualität und drastisch kürzeren Entwicklungszeiten für die Fahrzeuge. Kostensenkungen werden durch eine enge Zusammenarbeit und die auf dieser Basis gewonnenen Prozessoptimierungen erzielt. Obwohl Toyota als einer der anspruchvollsten Kunden gilt, versuchen die Zulieferer, diese Ansprüche in dem Wissen zu erfüllen, dass sie dabei auf die Hilfe des OEM bauen können. Eine derartige Un-
753 754
755 756 757 758
Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 157. An dieser Stelle kann Bezug auf die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie genommen werden: Toyota (Principal) investiert spezifisch in die Qualifizierung des Zulieferers (Agent), der auf Grund dessen eine höhere Leistungsfähigkeit erreicht. Gemäß den Theorien steigt damit die Opportunitätsneigung des Zulieferers. Durch die vertragliche Zusicherung einer fairen Gewinnverteilung und die bestehenden Kontrollmöglichkeiten seitens des OEM wird diesem Verhalten jedoch entgegengewirkt. Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 162. Vgl. Köth, C.-P. (2005), S. 40. Vgl. Hillebrand, W. (2006b), S. 46 ff.; Köhler, A. (2006), S. 42. Kostenvorteile ergeben sich in erster Linie aus geringeren Fertigungslöhnen.
226
terstützung ist dabei Ausdrucksweise des entgegengebrachten Vertrauens, das zudem durch langfristig orientierte Beziehungen weiteren Nährboden findet.759 Die Grundlage der Beziehungen zwischen Toyota und den vorgelagerten Zulieferebenen bildet ein relationaler Vertrag im Sinne eines Rahmenvertrages. Diesem Vertrag kommt einerseits mit der Vereinbarung zu langfristiger Zusammenarbeit und kooperativem Verhalten eine strategische Bedeutung zu, andererseits regelt er die operativen Belange wie Preise, Kosten, Qualitätssicherung, Lieferung, Eigentumsrechte etc.760 Die Beziehungen beruhen, wie dargestellt, nicht ausschließlich auf Vertrauen. Vielmehr wird durch den Rahmenvertrag auch die gegenseitige Abhängigkeit geregelt. Der Erfolg gibt der kooperativen Handlungsweise Recht. Während auf die Toyota Motor Company als OEM lediglich 27 % der Gesamtkosten für Materialien, Werkzeuge und Fertigteile entfallen,761 bezieht sie gleichzeitig 60 % der Innovationen aus der Wertschöpfungskette762. Nur mit der Bereitschaft seitens des OEM, auf machtbasiertes Verhalten zu verzichten und ein System der Kooperation mit Anreizstrukturen und Kontrollen zu implementieren, das zudem gegenseitige Abhängigkeiten nicht als negativen Faktor bewertet, kann die angestrebte Optimierung der Wertschöpfungsnetzwerkstruktur gelingen. Dies erfordert nicht zuletzt die Fähigkeit zur Kooperation und Kommunikation.763 Die mit Blick auf die in Abschnitt 3.4.4 gewonnen theoretischen Erkenntnisse aus der Transaktionskostentheorie können am Praxisbeispiel Toyota bestätigt werden. Transaktionskosten764 fallen bei vertrauenswürdigen OEM wie Toyota in sehr viel geringerem Umfang an als bei weniger vertrauenswürdigen OEM. Während Kooperationsmanager bei Toyota nur 21 Prozent der gemeinsamen Zeit mit Prozessen der Aushandlung und Schuldzuweisung verbringen, sind es bei General Motors 47 %. Suchkosten reduzieren sich, weil sich Toyota bei der Lieferantenauswahl auf Erfahrungswerte und bestehende Controllingdaten stützt, anstatt zeitaufwändige – und damit kostenintensive – Ausschreibungen vorzunehmen und Angebote unbekannter Lieferanten zu sichten. Verhandlungskosten fallen vergleichsweise niedriger aus, weil eine vertrauensvolle Atmosphäre zu einem früheren und offeneren (wenngleich nicht vollumfänglichen) Informationsaustausch führt. Letztlich sinken die Kontrollkosten, weil Selbstkontrolle einen großen Teil der gesamten Kontrollmaßnahmen ausmacht. Der
759 760 761 762 763 764
Vgl. Liker, J. K./Choi, T. Y. (2005), S. 64 ff. Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 155. Vgl. Womack, J. P. et al. (1992), S. 163. Vgl. Lynch, R. P. et al. (2004). Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85. McKinsey schätzt aufbauend auf einer Studie, dass Transaktionskosten ein Drittel der gesamten ökonomischen Aktivitäten der US-Volkswirtschaft ausmachen; vgl. Auguste, B. et al. (1997). 227
restliche Anteil der Kontrollkosten begrenzt sich, weil spezifische Einzelkontrollen und nicht umfangreiche Generalkontrollen vorgenommen werden.765 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Toyota u. a. folgende Mechanismen zur Erreichung einer integrierten und effizienten Wertschöpfungskette nutzt: { vertragliche Regelung der Abnehmer-Zuliefer-Beziehungen (neoklassische Verträge und Rahmenverträge), { langfristige Geschäftsbeziehungen, { Kontrolle im wertschöpfenden Sinne [in Kombination mit Zulieferqualifizierung und unter Vermeidung von Transaktions(kontroll)kosten], { klar definierte Sanktionen bei Fehlverhalten (allerdings nicht sofort), { gemeinsame Lösungsfindung bei Problemen (Chance zur Prozessverbesserung), { offene Kommunikation und Informationsaustausch (gleichwohl selektiv), { Vertrauensaufbau durch kalkulierbares Verhalten, { weitgehender Machtverzicht (latentes Machtpotenzial durch Toyotas Größe, Stellung in der Wertschöpfungskette etc. gegeben).
765
Vgl. Dyer, J. H./Nobeoka, K. (2000), S. 345 ff.
228
4.5 Leitlinien als Basis für eine multivariable Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes Weil eine „[…] anwendungsorientierte Konzeption und Umsetzung für Wertschöpfungsketten in der Praxis […] bislang meist auf Basis der Machtverteilung“766
erfolgt, versucht die nachfolgend zu entwickelnde Handlungskonzeption, die sich ergebende inhaltliche Lücke zu schließen. Mit Rückgriff auf die bis dato erarbeiteten theoretischen Aspekte, die empirischen Untersuchungsergebnisse sowie die dargestellten spezifischen Belange der Automobilindustrie wird die finale Integration in eine multivariable Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes angestrebt. Im Rahmen der sich anschließenden Erläuterungen werden die Wirkungszusammenhänge in Leitlinien umgesetzt, die dem Management zur strategischen und operativen Steuerung dienen können. Die Argumentation erfolgt aus dem Blickwinkel eines OEM, weil ihm – trotz wachsender Bedeutung der Tier-1 Lieferanten – die Rolle des fokalen Unternehmens im Wertschöpfungsnetzwerk zukommt. Soweit wie möglich und ohne die gewünschte Prägnanz einzubüßen, fließen die Gesichtspunkte der vorgelagerten Zulieferebenen mit ein. Abbildung 4.5 fasst vorab die Logik der Leitlinien und der darauf aufbauenden Handlungskonzeption zusammen.
766
Wildemann, H. (2005), S. 519. 229
Akteur
Ziel
OEM
einzelunternehmerische Gewinnmaximierung
hierarchische Lösung: begrenzt marktliche Lösung: einfache WS-Umfänge Netzwerk-Lösung: komplexe WS-Umfänge
OEM mit Tier-1 bis Tier-6
Netzwerk-Optimierung durch Implementierung • marktlicher Effizienz • marktlicher Spezialisierung • hierarchischen Vertrauens • hierarchischer Informationsintegration
Optimierung des Güter-/ Dienstleistungsnetzes durch
sowie Zulieferer untereinander
zur • Ressourcenzugangs-/Absatzsicherung • Senkung v. Kosten/Komplexität • Steigerung v. Qualität/Flexibilität • Erhöhung d. Innovationsfähigkeit • Gewinnung v. Zeitvorteilen
Erkenntnis
• Optimierung des institutionalen Netzes • Optimierung des sozialen Netzes • Optimierung des Informationsnetzes
Vertragsgestaltung • klassische/neoklassische Verträge für einfache WS-Umfänge (marktliche Koordination) • relationale Verträge für komplexe WS-Umfänge (Netzwerkkoordination) Vertragliche Regelungen bzgl. • Preisen/Kosten, Mengen, Qualität, Termine etc. • Innovationsförderung/ Know-how Schutz • klarer Regeln der interorganisationalen Zusammenarbeit • faire Chancen-/Risikoverteilung • Sanktionsvereinbarungen bei Fehlverhalten • Kontrollmechanismen • zeitlicher Aspekte: kurz-, mittel-, langfristige Zusammenarbeit • räumlicher Aspekte: lokal, regional, inter-/national • spezifischer Investitionen (Standorte)
Netzwerk-Optimierung
übergeordnetes Ziel: Optimierung d. sozialen Netzes • Klärung v. Verfügungsrechten • Vermeidung v. Transaktionskosten • Begrenzung v. Informationsasymmetrien • Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten • Verzicht auf Machtmissbrauch • Begrenzung d. Opportunismusneigung • Gewinnung v. Verhaltenssicherheit • Vertrauensförderung
übergeordnetes Ziel: Optimierung d. Informationsnetzes gezielte u. offene – jedoch nicht vollumfängliche – Kommunikation • Vermeidung v. Transaktionskosten • Begrenzung v. Informationsasymmetrien • Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten
Abb. 4.5: Multivariable Handlungskonzeption zur Optimierung eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes
Ausgehend von der Gewinnmaximierung des Automobilherstellers als einzelunternehmerischem Oberziel, weiß dieser Akteur um die Tatsache, dass seine Kapazitäten nicht ausreichen, um die gesamte automobile Wertschöpfungskette autonom gewährleisten zu können. Der hierarchischen Koordination sind somit Grenzen gesetzt. Folglich sollte der Leistungsaustausch einfacher Wertschöpfungsumfänge durch die Koordinationsform des Marktes und der komplexer Wertschöpfungsumfänge durch eine Netzwerkkoordination erfolgen. Neben der Erreichung des einzelunternehmerischen Ziels der Gewinnmaximierung tritt die Optimierung des Netzwerkes mit den vorgestellten Netzwerkpartnern in den Vordergrund, wobei jeder Akteur die eigenen Netzwerkbeziehungen zu optimieren hat. Dabei darf die an betriebswirtschaftlichen Entscheidungsregeln ausgerichtete Nutzenmaximierung der Einzelunternehmung nicht die Erzielung des Wertschöpfungsnetzwerkoptimums be- bzw. verhindern. Es bedarf der Schaffung einer Win-Win-Situation für alle beteiligten Wertschöpfungspartner. 230
Mit dem Vorsatz der optimalen Ausgestaltung der Wertschöpfungsbeziehungen im Netzwerk und der Generierung zusätzlichen Wertschöpfungspotenzials wird versucht, die Vorteile marktlicher Effizienz und Spezialisierung zu kombinieren, bei gleichzeitigem Aufbau hierarchischen Vertrauens und hierarchischer Informationsintegration.767 Die Netzwerkziele Ressourcenzugangs- bzw. Absatzsicherung, Senkung von Komplexität und Kosten, Steigerung von Qualität und Flexibilität, Erhöhung der Innovationsfähigkeit und nicht zuletzt die Realisierung von Zeitvorteilen entsprechen weitgehend den einzelunternehmerischen Unterzielen der Netzwerkpartner.768 Um den interorganisationalen Leistungsaustausch des Güter- und Dienstleistungsnetzes zu optimieren, bedarf es der Optimierung der drei weiteren dem automobilen Wertschöpfungsnetzwerk zugrunde liegenden Partialnetze769. In einem ersten und sehr wichtigen Schritt sind die Voraussetzungen im institutionalen Netz (vertragliche Regelungen) zu schaffen. Dies bildet die Grundlage für eine Optimierung des sozialen Netzes, die letztlich der Optimierung des Informationsnetzes dient. Leitlinie I Aus der Notwendigkeit heraus, automobile Wertschöpfungsumfänge mit Hilfe interorganisationaler Netzwerkzusammenarbeit zu generieren, bedarf es der Optimierung des gesamten Wertschöpfungsnetzwerkes. Dabei sind die vertraglichen Regelungen so zu gestalten, dass sie nachgelagert die Optimierung des sozialen Netzes und des Informationsnetzes unterstützen. Leitlinie II Vertragliche Regelungen sind umfassend auszugestalten, um so trotz anfänglich erhöhter Transaktionskosten diese im Nachhinein durch das Vermeiden von Unklarheiten minimieren zu können. Die vorangegangenen Analysen haben gezeigt, Wertschöpfungsbeziehungen bedürfen als Grundlage der Austauschbeziehungen vertraglicher Regelungen. Dies gilt umso mehr für deutsche Unternehmen der Automobilindustrie, weil hier das Vertrauen in Verträge mit Abstand am deutlichsten ausgeprägt ist.770 Für einfache Wertschöpfungsumfänge und deren marktliche Koordination sind klassische/neoklassische Verträge geeignet, während komplexe Leistungsumfänge durch relationale Verträge (mit neoklassischen Komponenten) geregelt 767
Siehe Abb. 3.2.1.3–1. Siehe Abschnitt 3.2.1.3 und Abschnitt 4.2. 769 Institutionales Netz, soziales Netz und Informationsnetz. Siehe Abschnitt 3.1.2. 770 Siehe Abschnitt 4.3.2 die empirischen Ergebnisse von Sako in Abschnitt 4.3.3. 768
231
werden.771 Die konkrete Vertragsformulierung hat neben der Regelung von Preisen/Kosten, Mengen, Qualität und Terminen auch Innovationsförderung, Knowhow Schutz etc. zu umfassen. Über diese operativen Belange hinaus sind insbesondere Rahmenverträge für komplexe Wertschöpfungsumfänge geeignet, grundsätzliche Regelungen bezüglich der interorganisationalen Zusammenarbeit aufzunehmen. Dahingehend sind eine faire Chancen- und Risikoverteilung,772 Sanktionsvereinbarungen bei Fehlverhalten773 und feste Kontrollmechanismen zu fixieren. Kontrollmechanismen sind, wie im Fallbeispiel Toyota774 aufgezeigt, idealerweise durch die enge Kooperation an sich implementiert. Ferner wird immer die Notwendigkeit für eine grundlegende Kontrolle (Stichproben beim Wareneingang etc.) bestehen. In der operativen Ausgestaltung implizieren die aufgezeigten Regelungen folgendes: Um späterem Misstrauen und Informationszurückhaltung sowie der daraus resultierenden Transaktionskostenerhöhung vorab zu begegnen, ist es ratsam, Kontrollmechanismen als einen absichernden und Effizienz steigernden Vertragsbestandteil zu verankern. Sanktionsvereinbarungen bei Fehlverhalten sind ebenfalls von vornherein zu vereinbaren, um die Grenzen der Zusammenarbeit nachhaltig aufzuzeigen. Ob die konkrete Ausübung der Sanktionsmechanismen gemäß der Tit-for-Tat-Regel oder eher gemäß der von Toyota propagierten Vorgehensweise erfolgt, ist vor dem Hintergrund des sozialen Netzes und situativer Gegebenheiten zu entscheiden und nicht zwangsläufig Bestandteil vertraglicher Regelungen. Letztlich sind zeitliche (kurz-, mittel-, langfristige Zusammenarbeit) und räumliche Aspekte (lokal, regional, national, international) zu thematisieren.775 In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehungen eine besondere Bedeutung zu, weil sie Auswirkungen auf das soziale Netz hat, die weiter unten angesprochen werden. Räumliche Aspekte sind von Bedeutung, weil sie eventuell Standortentscheidungen für einen oder mehrere Netzwerkpartner nach sich ziehen. Wie in Abschnitt 3.3.4 dargelegt, handelt es sich bei Standortentscheidungen um Investitionen mit einem hohen Spezifitätsgrad. Werden Wertschöpfungsbeziehungen durch grundlegende Vertragsumfänge definiert, die eine derartige Standortentscheidung implizieren (bspw. JIT-Anlieferung eines Tier-2 Zulieferers an einem neuen internationalen Standort eines OEM), so bedarf es auch der konkreten Adressierung der daraus resultierenden (Standort-)Investitionen.
771 772
773 774 775
Siehe Abschnitt 3.4.4 und Tabelle 4.2. Vgl. Narayanan, V. G./Raman, A. (2005), S. 41; Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 85. Siehe Abschnitt 3.4.1. Siehe Abschnitt 4.4. Siehe Tabelle 3.2.2.
232
Leitlinie III Verträge stellen das Basiskonstrukt für die Ausgestaltung von Wertschöpfungsbeziehungen dar. Sie sollten neben der Fixierung operativer Vertragsbedingungen auch die grundlegende strategische Ausrichtung der Netzwerkzusammen-arbeit umfassen. Relationale Verträge im Sinne von Rahmenverträgen bieten dazu die Möglichkeit. Leitlinie IV Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Fehlverhalten, aber auch die gerechte Chancen- und Risikoverteilung aktueller und zukünftiger Wertschöpfungsbeiträge bedürfen der expliziten Erwähnung in relationalen Verträgen. Die Möglichkeit zur Optimierung des sozialen Netzes eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes determiniert sich stark aus den Regelungen des institutionalen Netzes, d. h. den Verträgen. Neben den Regelungen zu oben aufgelisteten Inhalten bewirken Verträge jedoch mehr. Zum einen gelingt durch sie die Klärung von Verfügungsrechten,776 was insbesondere bei Kooperationen im Sinne von Wertschöpfungspartnerschaften,777 aber auch bei der engen Zusammenarbeit von OEM und privilegierten Zulieferern im Bereich der F&E bedeutungsvoll erscheint. Zum anderen können Transaktionskosten vermieden werden. Verträge bieten zudem die Möglichkeit der Begrenzung von Informationsasymmetrien,778 der weitgehenden Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten und damit auch einer positiven Grundhaltung gegenüber dem Verzicht von Machtmissbrauch779. Letztlich schafft dies die Voraussetzungen für eine begrenzte Opportunismusneigung, der Gewinnung von Verhaltenssicherheit sowie der Förderung von persönlichem Vertrauen.780 Dabei wirkt Opportunismus nicht nur in der bilateralen Beziehung zwischen zwei Netzwerkpartnern destabilisierend. Wird derartiges Verhalten bekannt, kann dies weiteren Opportunismus anderer Netzwerkpartner nach sich ziehen. Greifen hingegen Mechanismen, die ein derartiges Verhalten scharf sanktionieren, ohne das Funktionieren des Netzwerkes zu beeinträchtigen, kann dies auch eine stabilisierende Wirkung hervorrufen. In Kombination mit langfristig ausgestalteten Beziehungen und dem Wirken des
776 777 778 779 780
Siehe Abschnitt 3.4.2. Siehe Abschnitt 3.2.4.3. Siehe Abschnitt 3.4.4.1, 3.4.4.2, 3.4.4.6. Siehe Abschnitt 3.3.1. Siehe Abschnitt 4.3.2. 233
Shadow of the Future sind die drei letztgenannten Aspekte von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das Zusammenspiel des gesamten Netzwerkes. Das Risiko der enttäuschten Erwartungshaltung ist in diesen Fällen angesichts einer sich kontinuierlich entwickelnden gemeinsamen Historizität781 begrenzt. Wichtig erscheint noch einmal der Rückverweis auf die konkreten Regelungen wie Kontrolle, Sanktion etc., um dem Eindruck entgegenzuwirken, Vertrauen allein wäre ein regulierendes Element. Diese Erkenntnis geht im Übrigen mit den Feststellungen des trichotomen Modells von Fischer782 und den empirischen Ergebnissen von Apelt783 einher. Idealtypisch bedeutet die hier beschriebene Konstellation in einem Wertschöpfungsnetzwerk die gemeinsame Verpflichtung zur Nutzensteigerung aller Beteiligten. Jeder Akteur kann dabei auf seine Art zur Stabilisierung und Vertrauensbildung beitragen: Hersteller verzichten trotz ihrer Machtposition auf die einseitige Gewinnabschöpfung und die Weitergabe von Risiken. Zulieferer verstehen sich als gleichberechtigte Partner, die sich zur stetigen Verbesserung der Leistungserstellungsprozesse und Innovation im Produktbereich verpflichtet sehen. Sie verzichten ebenso wie ihre Wertschöpfungspartner auf die Ausnutzung opportunistischer Verhaltensspielräume bei asymmetrisch verteilten Informationen. Es muss explizit festgehalten werden, dass Konstellationen denkbar sind, in denen die einseitige Ausnutzung eines gewährten Vertrauensvorschusses die ökonomisch dominierende Option sein kann. Diese Situation tritt genau dann ein, wenn aus einer kurzfristigen Gewinnabschöpfung ein größerer Vorteil (unerlaubte Verwendung von Know-how etc.) erwächst als der damit verbundene Nachteil (Konventionalstrafen, Wegfall der langfristigen Ressourcen-/Absatzquellensicherung etc.). Das resultierende Nutzenniveau für diesen Akteur ist höher als bei gegenseitiger Kooperation. Eine absolute Verhaltenssicherheit kann demnach nicht garantiert werden. Leitlinie V Zur Optimierung des sozialen Beziehungsgeflechtes in automobilen Wertschöpfungsnetzwerken sind Opportunismusneigung, Informationsasymmetrien und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden bzw. zumindest weitgehend zu begrenzen. Die Voraussetzungen dafür sind durch konkrete vertragliche Regelungen zu schaffen.
781 782 783
Siehe Abschnitt 2.1.4. Siehe Abschnitt 3.2.1.3. Siehe Abschnitt 4.3.2.
234
Leitlinie VI Zur Etablierung von Vertrauen sind langfristig orientierte Wertschöpfungsbeziehungen anzustreben. Die Gewährung des dazu notwendigen Vertrauensvorschusses und der Verzicht auf Machtmissbrauch müssen vom mächtigeren Partner ausgehen. Leitlinie VII Kurzfristige Wechsel der Geschäftsbeziehungen wirken destabilisierend und sind zu vermeiden. Wertschöpfungsbeziehungen mit Geschäftspartnern, die ihre Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit bereits bewiesen haben, sind prädestiniert fortzuführen und kontinuierlich zu verbessern. Mit der Optimierung des sozialen Netzes gelingt auch die Optimierung des Informationsnetzes. Hinsichtlich der Informationsweitergabe kann festgehalten werden, sie sollte gezielt und offen – jedoch nicht vollumfänglich – erfolgen. Diese Unterscheidung ist vor dem Hintergrund wichtig, dass Netzwerkpartnern die notwendigen, aber eben nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen überlassen werden sollten. Zum einen wird damit die beschränkte Informationsverarbeitungskapazität des Partners nicht überlastet, der bei zu vielen Informationen entscheiden muss, welche die relevanten sind. Zum anderen kann auf diese Weise dem Know-how-Schutz Vorschub geleistet werden. Der gezielte und hinreichende Informationsaustausch verfolgt die Subziele Vermeidung von Transaktionskosten, Begrenzung von Informationsasymmetrien und Vermeidung von einseitigen Abhängigkeiten.784 Der interorganisationale Informationsaustausch geht über den reinen Datenaustausch hinaus. Kommunikation auf der persönlichen Ebene hilft sowohl beim Vertrauensaufbau als auch bei der Stärkung bestehenden Vertrauens.785 Hier entsteht eine sich verstärkende Rückkopplung zwischen Informationsnetz und sozialem Netz. Allerdings ist dabei wiederum darauf zu achten, dass nicht zu viele Informationen preisgegeben werden. Leitlinie VIII Zwischen den Netzwerkpartnern ist eine offene und gezielte Informationspolitik zu betreiben. Es sind so viele Daten wie nötig und so wenige wie möglich auszutauschen, um den Wertschöpfungsprozess optimal zu unterstützen.
784 785
Siehe Abschnitt 3.4.4. Siehe Abschnitt 4.3.2. 235
Leitlinie IX Persönliche Kommunikation geht über den formalen Datenaustausch hinaus und ist durch die Netzwerkpartner zu unterstützen, weil hier der Prozess der persönlichen Vertrauensbildung unterstützt wird. Vorsicht ist bei sensiblen Informationen geboten, was zwangsläufig zu einer sorgfältigen Auswahl der interorganisationalen Gatekeeper786 führt. Letztlich wird durch die schrittweise Optimierung der Partialnetze die Optimierung des automobilen Gesamtwertschöpfungsnetzwerkes ermöglicht. Dadurch entstehende Situationen, in denen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden, ohne dass sich dabei ein Partner grundsätzlich dem anderen unterzuordnen hat787 bzw. übergangen wird, erscheinen ebenso erstrebenswert wie schwierig umsetzbar. Während eine solche Entscheidungsfindung die Wertschöpfungspartner bereits bei einfachen Produkt- und Prozessumfängen vor enorme Herausforderungen stellt, ist dies bei strategischen und/oder konstitutiven Entscheidungen, bspw. bezüglich der Internationalisierung des Geschäftes und der damit verbundenen Standortwahl kaum vorstellbar. Es wird die These vertreten, dass sich Unternehmen der Automobilindustrie zumindest auf den Ebenen OEM bis Tier-2 zukünftig nicht mehr diesen Entscheidungen auf gemeinschaftlicher Basis entziehen können. Die Leitlinien basierte multivariable Handlungskonzeption zeigt sowohl die notwendigen Voraussetzungen als auch die Kausalzusammenhänge auf und kann somit als Basis für interorganisational zu treffende internationale Standortentscheidungen dienen. Kapitel 5 beschäftigt sich deshalb mit internationalen Standortentscheidungen und vervollständigt damit die theoretische Basis. Kapitel 6 greift die hier gewonnen Erkenntnisse erneut auf und appliziert sie auf die konkrete Problematik einer gemeinsam im Wertschöpfungsverbund zu treffenden internationalen Standortentscheidung.
786 787
Siehe Abbildung 3.1.1–2. Vgl. Bullinger, H.-J. et al. (2003), S. 89.
236
5 Internationale Standortentscheidungen Im Rahmen fortschreitender Internationalisierungsbestrebungen der Automobilhersteller sehen sich System- und Modullieferanten (Tier-1/Tier-2)788 immer häufiger mit der Forderung ihrer Kunden konfrontiert, ihnen an neue Standorte zu folgen („Following Customer“)789. Die Internationalisierung von Wertschöpfungsumfängen und -beziehungen ist jedoch nicht die einzige Handlungsalternative. Anstelle des Standortaufbaus in Entwicklungsländern kann bspw. die Restrukturierung bestehender Standorte der dauerhaften Sicherung von Wettbewerbsvorteilen dienen. In einer äußerst wettbewerbsintensiven Branche wie der Automobilindustrie ist dies indes immer schwerer zu realisieren. Hinzu kommt der beständige Kostendruck, dem standgehalten werden muss. Folglich ist die Ausweitung der internationalen Standortpräsenz nicht zu umgehen, denn das „[…] Verharren in der gewachsenen Standortstruktur birgt ernsthafte Risiken: Wer die Potenziale einer wirklich globalen Produktion nicht nutzen kann, riskiert eine schleichende Verschlechterung seiner strukturellen Kostenposition. Wird diese nicht durch klar überlegene Produkteigenschaften (über-)kompensiert, kann schon der Markteintritt eines Wettbewerbers mit strukturellen Kostenvorteilen schmerzhafte Folgen haben […].Vielfach aber werden notwendige Entscheidungen immer wieder aufgeschoben; gerade auch die Restrukturierung heimischer Standorte ist in den Unternehmen häufig umstritten.“790
Um sich der Thematik der Standortentscheidungen inhaltlich zu nähern, gilt es vorab zu klären, was unter einem Unternehmensstandort zu verstehen ist. Der Unternehmensstandort ist allgemein der Teil der Erdoberfläche, an dem die Wertschöpfung eines Unternehmens vorrangig stattfindet. Darauf aufbauend bedarf es nun der Charakterisierung einer Standortentscheidung. Bei einer Standortentscheidung handelt es sich um eine konstitutive Führungsentscheidung791:
788 789 790 791
Siehe Abschnitt 4.1 und Abschnitt 2.1.1. Vgl. Lay, G./Kinkel, S. (2004). Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 27. Weitere konstitutive Entscheidungen betreffen bspw. bei der Unternehmensgründung die Wahl der Rechtsform, die Wahl der Form der Unternehmensfinanzierung sowie die Wahl bzgl. Unternehmenszusammenschlüssen/Kooperationen. Nachfolgend betrachtete Standortentscheidungen beziehen sich nicht auf die Neugründung einer Firma, sondern auf die Erweiterung der bestehenden Standortkonfiguration eines Unternehmens. 237
„Die Standortwahl gehört zu den konstitutiven Führungsentscheidungen. Aufgrund der langfristigen Wirkung und der schweren Revidierbarkeit kommt dieser Entscheidung eine besondere Bedeutung zu.“792
Standortentscheidungen implizieren demnach eine langfristige Ausrichtung der Geschäftspolitik. Kurz- bis mittelfristig kann eine Standortneustrukturierung und damit eventuell einhergehend die Änderung der Lieferantenstruktur zwar angestoßen werden. Tendenziell belastet sie aber das Unternehmensergebnis in diesem Zeitrahmen, so dass ein positiver ROI (Return On Investment) erst langfristig zu erwarten ist.793 Hinzu kommt die notwendige Einbindung eines Unternehmens in seine rechtliche, wirtschaftliche und soziale Umwelt. Wird ein neuer Standort aufgebaut, bedarf es auch der unternehmensübergreifenden Netzwerke, die die angestrebten Wertschöpfungsumfänge erst ermöglichen.794 Damit wird an die interorganisationalen Netzwerkbeziehungen der vorangehenden Kapitel angeknüpft – nun mit dem konkreten Aspekt einer internationalen unternehmensübergreifenden Standortentscheidung. Das vorliegende Kapitel geht der grundsätzlichen Frage nach, inwieweit internationale Standortentscheidungen im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund sinnvoll getroffen werden können. Dazu werden in einem ersten Schritt unterschiedliche theoretische Ansätze zur Erklärung ausländischer Direktinvestitionen dargelegt (Abschnitt 5.1). Daran anknüpfend wird die Entwicklung der Standortentscheidungstheorien aufgezeigt und auf die wesentlichen wissenschaftlichen Ansätze näher eingegangen (Abschnitt 5.2). Ihre Weiterentwicklung in Richtung einer internationalen Standortlehre wird darauf aufbauend behandelt. Neben der netzwerktheoretischen Perspektive werden insbesondere zwei aktuelle Ansätze795 dahingehend untersucht, inwiefern die interorganisationalen Aspekte Eingang in die Thematik der internationalen Standortentscheidung finden (Abschnitt 5.3). Der Standortentscheidungsprozess wird nachfolgend thematisiert. In diesem Zusammenhang wird die sukzessive Eingrenzung potenzieller Standorte auf intraorganisationaler Ebene veranschaulicht. Des Weiteren wird eine Aussage bezüglich der interorganisationalen Anwendbarkeit bestehender Standortbewertungsverfahren abgeleitet. Letztlich werden verhaltenswissenschaftliche Aspekte und ihre Auswirkungen beim Standortentschei-
792 793
794
795
Wöhe, G. (2005), S. 304. Dies ist deshalb der Fall, weil Standortentscheidungen i. d. R. mit sehr hohen Investitionen verbunden sind, insbesondere dann, wenn es sich um kapitalintensive Produktionsstandorte wie in der Automobilindustrie handelt. Der Fokus der nachfolgenden Betrachtungen richtet sich dabei primär auf die wirtschaftlichen Beziehungen. Es handelt sich hierbei um die Ansätze von Meyer und der Forschungsgruppe BESTAND.
238
dungsprozess erörtert (Abschnitt 5.4). Die Diskussion entscheidungsrelevanter Standortfaktoren als Basis für einen Standortbewertungsvergleich schließt sich an (Abschnitt 5.5). Auch dabei geht es um die Frage, inwiefern einzelne Standortfaktoren unternehmensübergreifend den Standortentscheidungsprozess unterstützen können. Letztlich gilt es anhand von Praxisberichten zu untersuchen, wie Standortentscheidungen in der Automobilindustrie getroffen werden (Abschnitt 5.6). In einer abschließenden Zusammenfassung (Abschnitt 5.7) werden die diskutierten Sachverhalte erneut aufgenommen und zu Aussagen hinsichtlich ihrer unternehmensübergreifenden Anwendbarkeit verdichtet. 5.1 Theoretische Erklärungsansätze zu ausländischen Direktinvestitionen Die Thematik der Internationalisierung, d. h. die Ausweitung der Geschäftstätigkeit durch die Aufnahme grenzüberschreitender Wertschöpfung (unabhängig vom Wertschöpfungsbereich: F&E, Produktion, Vertrieb etc.) hat in den Wirtschaftswissenschaften eine lange Tradition. Der jeweilig zugrunde liegende Blickwinkel determiniert neben unterschiedlichen Erklärungsansätzen und Betrachtungsebenen (bspw. makro- und mikroökonomische Ebene) auch diverse real existierende Aspekte (Direktinvestitionen, Herausbildung international ausgerichteter Unternehmen, Export etc.). Bei dieser Vielfalt bereitet die Systematisierung Schwierigkeiten und kann nur wie nachfolgend einen rudimentären Charakter aufweisen.796 5.1.1 Makroökonomische Erklärungsansätze Mit der Theorie der absoluten Kostenvorteile von Smith797 (1776) und der relativen, d. h. komparativen Kostenvorteile von Ricardo798 (1817) wurde die Basis für die Außenhandelstheorie geschaffen. Internationaler Handel versteht sich vor diesem Hintergrund als gesamtwirtschaftliche Problematik. Auf Ricardos Ansatz aufbauend entwickelten Heckscher/Ohlin799 das gleichnamige Theorem, gemäß dem die Arbeitsteilung und Spezialisierung eines Landes dadurch bestimmt wird, für welches Gut die meisten (und damit die billigsten) Inputfaktoren vorhanden und nutzbar sind.800 Geografische Distanzen und die sich daraus ergebenden Kosten sowie die politisch und kulturell existierende Barrieren zwischen unterschiedlichen Ländern sind ursächlich für Handelshemmnisse
796 797 798 799 800
Der nachfolgende Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vgl. Smith, A. (1776). Vgl. Ricardo, D. (1992), im Original von 1817. Vgl. Ohlin, B. G. (1952). Eine Konkretisierung erfolgt durch Samuelson; vgl. Samuelson, P. A. (1964). 239
(Isard801, Johnson802) und damit für die Beeinträchtigung internationalen Handels. Weil außenhandelstheoretische Erklärungsansätze die Immobilität von Produktionsfaktoren unterstellen, können sie weder zur Erklärung von Direktinvestitionen noch von Import-/Export-Aktivitäten dienen. 5.1.2 Mikroökonomische Erklärungsansätze Partiell auf neoklassischen Ansätzen basierend versuchen die auf das individuelle Unternehmen fokussierenden Ansätze, Direktinvestitionen und Import-/Export-Aktivitäten zu erklären. In diese Einordnung fällt die „Monopolistische Theorie der Direkt-Investitionen“.803 Sie unterstellt, dass ein Unternehmen nur dann Auslandsinvestitionen vornimmt, wenn es über firmenspezifische Vorteile804 verfügt, die eine herausragende Wettbewerbsstellung gegenüber einheimischen Unternehmen sichert, weil eben diese Vorteile die für ein ausländisches Unternehmen typischen Nachteile überkompensiert. Neben firmenspezifischen Wettbewerbsvorteilen sind es zum einen die potenzielle Kosteneinsparung durch den Internationalisierungsprozess, zum anderen die Möglichkeit der Risikoreduktion der Unternehmensinvestitionen durch ein geografisch diversifiziertes Portfolio, die unternehmensspezifische Vorteile bedingen. Dazu zählt auch die Überwindung von staatlichen Handelshemmnissen, die einen Export aus ökonomischen Gesichtspunkten ausschließen und ein ausländisches Direktinvestment vorteilhaft machen. Tesch805 zielt mit der Verknüpfung der Theorie des internationalen Handels und der Direktinvestitionen mit Elementen aus der Standorttheorie auf standortbedingte Wettbewerbsvorteile, die sich aus länderspezifischen Rahmenbedingungen ergeben. Dunning806 ist mit seiner „eklektischen Theorie der internationalen Produktion“ ebenfalls im Rahmen der Vorteilsthese anzuführen. Sie wird mit Aspekten der Transaktionskostentheorie und der Standorttheorie zusammengeführt. Direktinvestitionsursachen werden je nach Vorteilsausgestaltung einer von drei Kategorien zugeordnet:807
801 802 803 804 805
806 807
Vgl. Isard, W. (1956). Vgl. Johnson, H. G. (1968). Vgl. Hymer, S. H. (1976); Kindleberger, C. P. (1973). Siehe auch Abschnitt 2.1.4. Vgl. Tesch, P. (1980); für eine ausführlichere Darstellung des Ansatzes von Tesch siehe Abschnitt 5.3.1. Vgl. Dunning, J. H. (1977; 1979). Vgl. hier und nachfolgend Dunning, J. H. (1981), S. 80 f.
240
(1) eigentümerspezifische Vorteile (2) Internalisierungsvorteile (3) standortspezifische Vorteile. Es müssen relevante Vorteile aus allen drei Kategorien existieren, um Direktinvestitionen zu veranlassen. Eigentümerspezifische Vorteile bilden die Basis dafür, dass Produkte respektive Dienstleistungen eines Unternehmens international nachgefragt werden.808 Internalisierungsvorteile bedingen die Vorteilhaftigkeit von Direktinvestitionen gegenüber dem Export, der Lizenzvergabe etc. Standortspezifische Vorteile determinieren letztlich, in welchem Land welche Wertschöpfungsumfänge geschaffen werden. Knickerbocker809 verfolgt einen oligopolistisch ausgerichteten Erklärungsansatz, gemäß dem sich Unternehmen in einem oligopolistischen Markt gegenseitig imitieren. Dies führt zu einem „Follow the Leader“-Verhalten. Internationalisierungsbemühungen und ausländische Direktinvestitionen erfolgen deshalb im Sinne eines strategischen Gleichverhaltens. Ein markttheoretischer bzw. marketingbasierter Ansatz ist die Erklärung mit Hilfe der Produktlebenszyklus-Theorie von Vernon.810 Mit einer Internationalisierung des Absatzes durch die Erschließung neuer Märkte versuchen Unternehmen, den Beginn der Degenerationsphase eines Produktes zu verzögern. 5.1.3 Institutionenökonomische Ansätze Auf der Basis von Coase811 und Williamson812 bauen Buckley/Casson813 die „Theorie der multinationalen Unternehmung“ auf. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Internalisierung unvollkommener Märkte für Zwischenprodukte (Rohstoffe, Zwischen- und Fertigprodukte, aber auch immaterielle Güter) im Unternehmen, um so eine Transaktionskostenminimierung zu erreichen. Marktunvollkommenheiten liegen bspw. bei bilateralen Monopolen, Bewertungsproblemen beim Verkauf von Zwischenprodukten (insbesondere bei Knowhow), fehlenden Zukunftsmärkten und der Möglichkeit zur Preisdifferenzierung sowie bei staatlichen Eingriffen (Zölle, Steuern) vor.814 Die Internalisierung materieller Zwischenprodukte resultiert in vertikal integrierte Unternehmen, 808
809 810 811 812 813 814
An dieser Stelle wird der Bezug auf die Arbeiten Hymers und Kindlebergers deutlich. Vgl. Knickerbocker, F. T. (1973). Vgl. Vernon, R. (1966). Siehe Abschnitt 3.2.1. Siehe Abschnitt 3.4.4.1. Vgl. Buckley, P. J./Casson, M. (1976). Vgl. Buckley, P. J./Casson, M. (1976), S. 37 ff. 241
während die Internalisierung von Märkten für immaterielle Zwischenprodukte zu horizontal integrierten Unternehmen führt. Multinationale Unternehmen (und damit einhergehend Direktinvestitionen im Ausland) entstehen letztlich dann, wenn die Marktinternalisierung über geografische Grenzen hinweg erfolgt. Der konkrete Standort lässt sich im Rahmen der Standorttheorie erklären. Dabei wird die Standortwahl durch die Internalisierung von Märkten insofern bestimmt, als dass multinationale Unternehmen zum einen staatliche Anreize zur Transferpreisminimierung (Subventionen etc.) nutzen und zum anderen hohe Kommunikationskosten zwischen Zentrale und Niederlassungen die unternehmensinterne Koordination hemmen.815 Magees816 „Aneignungstheorie“ erklärt die Internalisierung von Märkten mit der Schwierigkeit, vor die sich Unternehmen gestellt sehen, wenn sie sich den vollen Wert eigener Ideen aneignen wollen. Multinationale Unternehmen entstehen nach dieser Logik, weil es effizienter ist, Technologien weltweit intraorganisational zu transferieren als über Austauschprozesse am Markt, weil Verlustmöglichkeiten durch Imitationen bei internalisiertem Leistungsaustausch geringer ausfallen. 5.1.4 Verhaltensorientierte Ansätze Verhaltensorientierte Ansätze unterstellen, dass die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit auf den Entscheidungen einflussreicher Individuen (Top-Management bzw. Kapitalgeber) gründet. Ursächlich können neben persönlichen Managerzielen (Stopford/Wells817) auch Portfolio-Aspekte oder Risikoeinschätzungen (Rugman818) sein. Das „Rationalitätsmodell der globalen Unternehmung“ (Robock et al.819) geht ebenso wie die „Long Run Theory“ (Casson820) davon aus, dass bei bereits existierenden multinationalen Unternehmen das TopManagement die optimale Ressourcenallokation auf globaler Ebene betreibe. Die „Imperialismustheorie“ (Wolff821) vertritt schließlich die Auffassung, reines Macht- bzw. Expansionsstreben wären die Ursachen für Direktinvestitionen im Ausland. Die Studie von Aharoni822 wird an dieser Stelle ausführlicher charakterisiert, weil sie zum einen auf den Entscheidungsprozess von Auslandsaktivitäten fokussiert, ein Aspekt der im Folgenden noch stärker thematisiert wird. 815 816 817 818 819 820 821 822
Vgl. Buckley, P. J. (1985), S. 14. Vgl. Magee, S. P. (1977a; 1977b). Vgl. Stopford, J. M./Wells, L. T. (1972). Vgl. Rugman, A. M. (1979). Vgl. Robock, S. A. et al. (1977). Vgl. Casson, M. (1979). Vgl. Wolff, R. D. (1970). Vgl. Aharoni, Y. (1966).
242
Zum anderen gelingt mit den unterstellten verhaltenswissenschaftlichen Annahmen (Simon823, Cyert/March824) eine hohe Praxisrelevanz. Der Entscheidungsprozess825 ist ein langer, komplexer und sozialer Prozess, bei dem die Vertreter verschiedener Unternehmensebenen mit divergierenden Zielen und Interessen aufeinander treffen.826 Die Entscheidungen der beteiligten Akteure werden gemäß den Annahmen der Verhaltenstheorie unter Unsicherheit und begrenzter Rationalität getroffen.827 Vor diesem Hintergrund wird nicht die Maximallösung gesucht, stattdessen zufriedenstellende Lösungen. Der Prozess des Suchens wird so lange fortgesetzt, bis die erste Lösungsmöglichkeit gefunden ist. Damit hat die Reihenfolge der Alternativenbewertung einen starken Einfluss bezüglich der Dauer und Qualität des Entscheidungsprozesses.828 Im Kontext bis dato erzielter (Miss)Erfolge variiert das Anspruchsniveau, bei dem der Suchprozess abgebrochen wird. Die individuellen Verhaltensweisen der beteiligten Akteure führen in einem Unternehmen dazu, dass { es auf Grund divergierender Zielsetzungen nicht zu einer einheitlichen Zielsystembildung kommen kann, { die Lösung von Zielkonflikten durch die Aufteilung von Entscheidungsproblemen erfolgt, die dann an unterschiedliche Instanzen delegiert werden, { die einzelnen Ziele nicht zeitgleich, sondern nacheinander abgearbeitet werden, { risikoärmere Projekte präferiert werden, um Unsicherheit zu vermeiden, was auch zur Kooperation mit Externen (Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern) führt, { neue Ansätze der Problemlösung erst dann eingesetzt werden, wenn sich konventionelle Verfahren nicht länger bewähren, { Lernprozesse und daraus resultierend organisatorische Anpassungen an die externe Umwelt von Organisationen trotz Lernfähigkeit nur langfristig realisierbar sind.829 823 824 825
826 827 828 829
Vgl. Simon, H. A. (1957a; 1957b). Vgl. Cyert, R. M./March, C. G. (1963). Siehe auch Abschnitt 5.4.2 für die Darstellung des Standortentscheidungsprozesses nach Aharoni. Vgl. Aharoni, Y. (1966), S. 17 ff. Siehe auch Abschnitt 3.4.4.1. Vgl. Aharoni, Y. (1966), S. 269 ff. Vgl. Cyert, R. M./March, C. G. (1963), S. 116 ff.; Aharoni, Y. (1966), S. 267 ff. 243
Aharonis Studie bestätigt dies zum Großteil, wobei der internen Machtverteilung eine zusätzliche Bedeutung zugesprochen werden muss. Das Einflusspotenzial für den Standortentscheidungsprozess ergibt sich aus der Fähigkeit des Top-Managements, das Unternehmen neu auszurichten, der Bedeutung sozialer Prozesse und daraus folgenden Verpflichtungen sowie der Rolle externer Umwelteinflüsse.830 Kritik wurde hinsichtlich des partialanalytischen Charakters des Ansatzes geübt, weil er vor allem das Investitionsverhalten aus defensiven Motiven heraus erklärt. Eine vollumfängliche Erklärung von Direktinvestitionen gelingt indes nicht. Des Weiteren können branchen- und länderspezifisch unterschiedlich ausgeprägte Direktinvestitionen nicht erklärt werden. Letztlich sind es fehlende empirisch testbare Hypothesen, die zur Kritik Anlass geben.831 Positiv hervorzuheben ist die Einbeziehung der aus der verhaltenswissenschaftlichen Theorie bekannten Aspekte. Die hohe Praxisrelevanz resultiert einerseits aus der Beachtung von Initialkräften und variierenden Anspruchsniveaus während des Entscheidungsprozesses sowie andererseits divergenter Zielinteressen der beteiligten Akteure. Insbesondere Letztere verweisen auf zwischenmenschliche Beziehungen832 (latente Machtbeziehungen bzw. existierende Verpflichtungen und Bindungen), die enormen Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen können. Darüber hinaus spricht auch die Beachtung der Tatsache, dass nicht nach Maximallösungen, sondern nach zufriedenstellenden Lösungen gesucht wird, für die Praxisrelevanz. Ebenfalls positiv ist die Einbeziehung der Lernfähigkeit von Unternehmen zu bewerten. Dies gilt auch für die Einbeziehung der Prozessstandardisierung und Ergebnisqualität, die sich mit zunehmender Erfahrung einstellen.833
830 831 832
833
Vgl. Aharoni, Y. (1966), S. 269 ff. Vgl. Stehn, J. (1992), S. 40 f. Siehe Abschnitt 3.1.2 für das Soziale Netz (Beziehungsnetzwerk) in Unternehmen und Abschnitt 3.3.1 zu den Auswirkungen von Machtaspekten. Die bis hierhin genannten Aspekte stimmen mit den persönlichen Erfahrungen des Autors zur Entscheidungsfindung in Unternehmen überein. Die Aspekte haben allgemeingültigen Charakter und treffen auch bei Direktinvestitionsentscheidungen zu.
244
5.2 Deskription der Standortentscheidungstheorien Standorttheoretische Ansätze reichen mehr als 200 Jahre zurück.834 Die ersten bedeutenden Werke stammen von J. H. v. Thünen (1875)835 für eine landwirtschaftliche Betrachtung und von A. Weber (1909)836 für eine industrielle Betrachtung der Standortproblematik. Ferner ist die Arbeit von W. Christaller (1933)837 zu nennen, der die Standorttheorie auf den Handel und Dienstleistungen ausweitete. Weil sich die vorliegende Arbeit mit Standortentscheidungen in der Automobilindustrie befasst, liegt der Fokus der nachfolgenden Betrachtungen auf der industriellen betriebswirtschaftlichen Standortlehre. Bedingt durch die hohe Komplexität der Standortentscheidungsproblematik findet sich in der Literatur eine ebenso vielfältige wie umfangreiche Anzahl von theoretischen Ansätzen, die sich auf einzelne Fragestellungen konzentrieren.838 Die Vielzahl der vorhandenen Arbeiten zu diesem Thema zwingt zu einer klaren inhaltlichen Abgrenzung der auszuwertenden Literatur.839 Meyer-Lindemann840 gelingt eine Typologisierung, die von Behrens841 aktualisiert und methodisch überarbeitet wurde. Sie unterscheidet zwischen { Standortentwicklungslehre { Standortwirkungslehre { Standortgestaltungslehre { Standortbestimmungslehre.
834 835
836 837 838
839
840 841
Vgl. Büsch, J. G. (1799). Vgl. Thünen, J. H. v. (1875); für nähere Erläuterungen siehe auch Abschnitt 5.2.1.1. Vgl. Weber, A. (1909); für nähere Erläuterungen siehe auch Abschnitt 5.2.1.1. Vgl. Christaller, W. (1933). Für eine umfassende Übersicht der historischen Arbeiten zur Standorttheorie vgl. u. a. Meyer-Lindemann, H. U. (1951), Meyer, W. (1960) sowie als Standardwerk Behrens, K. C. (1961). Vgl. außerdem Riehm, K. (1968), Kaiser, K. H. (1979) und Maier, G./Tödtling, F. (1995). Für eine aktuelle Literaturquelle, die historische und neuere Arbeiten sowohl volkswirtschaftlicher als auch betriebswirtschaftlicher Ansätze kompakt darlegt und würdigt, vgl. Schätzl, L. (2003). Lediglich eine kurze Auflistung der Literatur zur Standortlehre mit dem Schwerpunkt Operations Research findet sich bei Domschke, W./Drexl, A. (1996). So werden Themengebiete, die nicht oder nur sehr eingeschränkt von Bedeutung sind, nicht tiefer gehend analysiert. Jedoch wird versucht, dem Leser anhand der Literaturverweise eine detaillierte Recherche zu ermöglichen. Vgl. Meyer-Lindemann, H. U. (1951). Vgl. Behrens, K. C. (1960), S. 51 ff. 245
Die Standortbestimmungslehre unterteilt Behrens in die drei Forschungsrichtungen der reinen (exakten), geometrischen und empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre.842 Die sich zeitlich danach herausbildende Standortplanungslehre kann als fünfte Standortlehre deklariert werden. Mit der wachsenden Bedeutung internationaler Geschäftsbeziehungen entwickelten sich im Laufe der Zeit erste theoretische Erklärungsansätze, die eine internationale Standortlehre begründeten. In ihren Anfängen lehnte sie sich dabei stark an die empirisch-realistische Standortbestimmungslehre und die Standortplanungslehre an. Die vorliegende Arbeit greift auf die grundlegende Typologisierung nach Meyer-Lindemann/Behrens zurück und ergänzt diese um die Standortplanungslehre und die internationale Standortlehre (siehe Abbildung 5.2). Die Standortentwicklungs-, Standortwirkungs- und Standortgestaltungslehre werden auf Grund der nachgelagerten Bedeutung für den Untersuchungsschwerpunkt dieser Arbeit nur rudimentär charakterisiert. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre, der Standortplanungslehre und der internationalen Standortlehre. Standorttheorien
StandortBestimmungslehre (SO-BL)
StandortEntwicklungslehre
StandortWirkungslehre
StandortGestaltungslehre
reine (exakte) SO-BL geometrische SO-BL empir.-realist. SO-BL
Internationale Standortlehre
Abb. 5.2: Typologische Einordnung der Standorttheorien
842
Vgl. Behrens, K. C. (1960), S. 61.
246
StandortPlanungslehre
Standortentwicklungslehre Eine historische Klassifizierung von Standorttheorien auf einzelbetrieblicher wie auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene (Prozesse der Standortbestimmungen und der Standortwirkungen) fällt der Standortentwicklungslehre zu.843 Die erste bekannte Arbeit auf diesem Gebiet stammt von J. G. Büsch844 aus dem Jahre 1799. Büsch verglich u. a. die natürlichen Standortbedingungen in Deutschland und England und leitete daraufhin Erklärungen zur regionalen Verteilung von Fabriken ab. Standortwirkungslehre Im Rahmen der Standortwirkungslehre werden die Auswirkungen einer bereits getroffenen (und umgesetzten) Standortentscheidung auf volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Faktoren analysiert.845 Dies kann sich auf wirtschaftliche und/oder soziale, aber auch auf technische Aspekte beziehen.846 Standortgestaltungslehre Alternativ zur Bezeichnung Standortgestaltungslehre findet sich häufig die Terminologie der Raumordnungspolitik in der Literatur.847 Dabei handelt es sich vor allem um volkswirtschaftliche Ansätze standorttheoretischer Betrachtungen.
843
844
845
846
847
Vgl. Behrens, K. Ch. (1960), S. 55; Kaiser, K.-H. (1979), S. 20. Weitere Vertreter dieser Forschungsrichtung sind Roscher, W. (1865, 1881), Ross, E. A. (1896), Marshall, A. (1930), Meyer-Lindemann, H. U. (1951). Vgl. Büsch, J. G. (1799) und im Speziellen S. 258 ff; siehe dazu auch MeyerLindemann, H. U. (1951), S. 110. Behrens ordnet die Standortwirkungslehre zusammen mit der Standortbestimmungslehre (totalanalytische, kombinierte Standortbestimmungs- und Wirkungslehre) der volkswirtschaftlichen Standortlehre zu. Darüber hinaus findet sich die Standortbestimmungslehre (als reine und empirisch-realistische Standortbestimmungslehre) als Unterpunkt der betriebswirtschaftlichen Standortlehre wieder, vgl. Behrens (1960), S. 39 ff. Die fundamentalen Arbeiten zur Standortwirkungslehre sind stark volkswirtschaftlich basiert und haben somit einen eher geringen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Als Vertreter dieser Forschungsrichtung sind u. a. Engländer, O. (1924), Predöhl, A. (1925), Engländer, O. (1926), Ohlin, B. G. (1927), Predöhl, A. (1925), Ohlin, B. G. (1931a), Ohlin, B. G. (1931b), Lösch, A. (1938), Isard, W. (1956), Isard, W. (1960), Bartels, D. (1980), S. 46 f. zu nennen. Behrens deklariert die Standortgestaltungslehre sowohl als „Lehre von der wirtschaftlichen Raumordnung“ als auch als „wirtschaftspolitische Standortlehre“. Dabei grenzt er sie von den volkswirtschaftlich geprägten Theorien/Ansätzen der Standortwirkungs-/-entwicklungslehre ab. Vgl. Behrens, K. Ch. (1960), S. 59 ff. 247
Im Mittelpunkt stehen die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik zur Standortgestaltung.848 Eine aktuelle Ausrichtung bezogen auf einzelne Wirtschaftsregionen findet sich bei Balderjahn.849 Er legt dar, inwiefern Regionen sich in einem ständig verschärfenden Wettbewerb als Standortanbieter positionieren und profilieren können. In diesem Kontext wird von Standortmarketing gesprochen. Balderjahn zielt dabei stark auf unternehmensrelevante Standortfaktoren zur einzelbetrieblichen Standortentscheidung ab.850 Somit ist ein starker Praxisbezug seiner Untersuchungen gewährleistet.851 5.2.1 Standortbestimmungslehre Die Standortbestimmungslehre852 gilt als wichtiger Schwerpunkt der betriebswirtschaftlich orientierten Standortliteratur. Ihr Ziel definiert sich als Suche und Bestimmung eines geeigneten Standortes für einen Teil oder mehrere Teile der Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens. Dieses Ziel wird erreicht durch die „[…] Beschreibung, Zusammenstellung und Systematisierung solcher Standorteigenschaften, die für die Standortentscheidung relevant sein können.“853
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Vgl. u. a. Meyer-Lindemann, H. U. (1951), Töpfer, K. (1969), Ballestrem, F. v. (1974) sowie Schätzl, L. (2003). Vgl. Balderjahn, I. (2000). Der staatliche Einfluss ist dabei weniger auf gesamtstaatlicher Ebene als vielmehr auf regionalpolitischer Ebene zu verstehen. Vgl. Balderjahn, I./Schnurrenberger, B. (1999), S. 42 ff. Die aus der Untersuchung abgeleiteten Aussagen Balderjahns und Schnurrenbergers können auf Grund der geringen Stichprobenzahl (8+2) nicht bedenkenlos verallgemeinert werden. Zudem stammen die Informationen von internationalen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, so dass branchenspezifische Besonderheiten die Antworten verzerren können. Vgl. Balderjahn, I./Schnurrenberger, B. (1999), S. 3, Fußnote 1. Trotz dieser statistischen Unzulänglichkeiten haben Balderjahn und Schnurrenberger einen interessanten Untersuchungsansatz (MeansEnd-Analysis Modell und Laddering-Verfahren) gewählt, der für den betrachteten Einzelfall sehr detaillierte und fundierte Erkenntnisse ermöglicht. Alternativ zur Systematik Meyer-Lindemanns setzen Domschke/Drexl die allgemeine Standortbestimmungslehre mit der Standortplanung synonym. Letztere wird von ihnen in volkswirtschaftliche, betriebliche (entspricht trotz anders lautender Nomenklatur den betriebswirtschaftlichen) und innerbetriebliche Standorttheorien unterteilt. Vgl. Domschke, W./Drexl, A. (1996), S. 1 12. Damit entspricht die betriebliche Standortplanung von Domschke/Drexl in etwa der betriebswirtschaftlich ausgerichteten Standortbestimmungslehre bei Meyer-Lindemann. Lüder, K. (1990), S. 34.
248
Dabei stehen vor allem die von Weber geprägten Standortfaktoren854 im Fokus der Betrachtung. Eine Fülle von theoretischen Arbeiten und empirischen Untersuchungen beschäftigt sich mit der Zusammenstellung von Standortfaktorenkatalogen und der detaillierten Analyse einzelner Standortfaktoren auf die Standortwahl.855 Die Auswertung bzw. Beurteilung der Ausprägungen entscheidungsrelevanter Standortfaktoren erfolgt über Bewertungsverfahren,856 die ebenfalls Teil der Standortbestimmungslehre sind. Hier ergibt sich die Schnittstelle zwischen den theoretischen Forschungen der Standortbestimmungslehre und ihrer Anwendung in der Praxis: Die Standortbestimmungslehre stellt normative Standortbewertungsverfahren zur Verfügung. 5.2.1.1 Reine (exakte) Standortbestimmungslehre Der reinen Standorttheorie sind u. a. die beiden bereits angesprochenen Paradigmen von v. Thünen und Weber zuzuordnen.857 Insbesondere die Theorie Webers ist mit ihren Erkenntnissen für die vorliegende Arbeit von Interesse, weil sie sich auf industrielle Belange bezieht. Sie wird im Folgenden ebenso wie die Theorie v. Thünen vorgestellt. Mit der Arbeit von Johann Heinrich von Thünen – „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“858 – wurde auf landwirtschaftlicher Ebene eine Standortstrukturtheorie begründet. Von Thünen entwickelte in diesem Zusammenhang ein Standortstrukturmodell859, das nachweist, „[…] dass die Art der landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht nur durch die natürlichen, unabänderlichen Bodenbeschaffenheiten bestimmt ist, sondern wesentlich von einem ökonomischen Tatbestand abhängt, nämlich von der Entfernung des Produktionsortes vom Konsumort.“860
854
Vgl. die Darstellung der Arbeit Webers in Abschnitt 5.2.1.1 und Abschnitt 5.5. Vgl. im Folgenden die Literaturverweise zur empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre. 856 Für einen Überblick über gängige Standortbewertungsverfahren siehe Abschnitt 5.4.1 und die dort angegebenen Literaturverweise. 857 Für weitere Arbeiten zur reinen Standortbestimmungslehre vgl. u. a. Schäffle, A. E. F. (1873), Launhardt, F. C. W. (1882) und Roscher, W. (1881). 858 Vgl. Thünen, J. H. v., (1875). 859 Für eine detaillierte Darstellung des Modells von Thünens vgl. Schätzl. L. (2003), S. 64 ff sowie Behrens, K. C. (1961), S. 3 ff. 860 Behrens, K. Ch. (1961), S. 3. 855
249
In seiner Theorie stellt er stark auf den Standortfaktor861 Transportkosten ab. Demnach steigen die Transportkosten mit zunehmender Distanz zwischen Produktions- und Konsumort, was wiederum die so genannte Lagerente862 sinken lässt. Als Konsequenz ergibt sich bei gegebenem Konsumort eine räumliche Verlagerung der Produktionsstandorte. Obwohl das Modell auf sehr restriktiven Annahmen863 beruht, hat die zentrale Grundaussage weitreichend, d. h. bis heute Bestand: Die Bedeutung der Nähe von Produktions- und Konsumstandort.864 Die Arbeit v. Thünens wurde im zeitlichen Verlauf von vielen Wissenschaftlern aufgegriffen und kritisch weiter entwickelt.865 Dabei stand vor allem die Aufgabe der restriktiven Annahmen und somit die Annäherung der Theorie an die Realität im Vordergrund.866 Im Gegensatz dazu bezog sich Alfred Weber mit seinem Werk „Über den Standort der Industrien“867 auf industrielle Einzelbetriebe. Obwohl bereits Launhardt868 Forschungsergebnisse auf einzelbetrieblicher Ebene im Jahre 1882 veröffentlichte, gelang es erst Weber, eine systematische und in sich geschlossene Theorie des Industriestandortes zu entwickeln.869 Allgemein kann festgehalten werden: Webers produktionsorientierte Standortbestimmungslehre
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Der Begriff Standortfaktor wurde erst im folgenden Jahrhundert durch Weber geprägt, vgl. Weber, A. (1909), S. 16. Vgl. Schätzl, L. (2003), S. 65 ff. Die Lagerente (bei v. Thünen auf eine Flächeneinheit bezogen) errechnet sich als Produkt aus der Menge der auf einer Flächeneinheit produzierten Güter und dem Marktpreis pro Gut abzüglich der Produktionsund Transportkosten. Restriktive Annahmen im Modell v. Thünens sind u. a.: homogene Fläche, geschlossene Volkswirtschaft, lediglich ein Absatzort, Gewinnmaximierung, statische Betrachtungsweise. Vgl. Schätzl, L. (2003), S. 64. Diesem Aspekt kommt auch bei aktuellen Standortentscheidungen eine Bedeutung zu, wenn sie vor dem Hintergrund des Markterschließungsmotivs getroffen werden. Beispielhaft seien Christaller, W. (1933) mit seiner Theorie der zentralen Orte, Lösch, A. (1940) mit der Theorie der Marktnetze und letztlich von Böventer (1962) mit der Dynamisierung der genannten Ansätze. Eine kompakte Übersicht der auf von Thünens Theorie aufbauenden Ansätze findet sich bei Schätzl. Vgl. Schätzl. L. (2003), S. 70 ff. Vgl. Weber, A. (1909). Vgl. Launhardt, C. F. W. (1882). Vgl. dazu Behrens, K. Ch. (1961), S. 7, sowie Meyer-Lindemann, H. (1951), S. 24.
250
versucht, den kostenminimalen Produktionsstandort zu bestimmen. Dabei unterstellt er vereinfachende Annahmen, die die Realitätsnähe stark einschränken.870 Als ein bedeutender Beitrag zur Entwicklung der Standorttheorie kann die Prägung der Terminologie des Standortfaktors eingestuft werden, der sich definiert als „[…] einen seiner Art nach scharf abgegrenzten Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort, oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht.“871
Grundlage der Theorie Webers sind eben jene Standortfaktoren. Allerdings beschränken sich die Betrachtungen auf Kostenfaktoren und ignorieren die Faktoren des Absatzes zur Gänze.872 Der Vorteil, der in der Definition angesprochen wird, ist somit ausschließlich ein Kostenvorteil, der es ermöglicht, „[…] den als Ganzes betrachteten Produktions- und Absatzprozeß eines bestimmten industriellen Produkts nach irgendeiner Richtung billiger durchzuführen als anderswo […]“.873
Aufbauend auf seiner Systematik874 der für ihn relevanten Standortfaktoren setzt Weber im Folgenden diese in Zusammenhang mit verschiedenen Kostenarten. Diejenigen Faktoren, die nicht in Bezug zu Kostenarten gesetzt werden können, d. h. exogen vorgegeben sind, werden aus der Betrachtung ausgeschlossen bzw. als gegeben angenommen. Letztlich wirken so im Weberschen Modell nur die Faktoren Material-, Arbeits- und Transportkosten. Zugleich werden höhere Materialkosten als höhere Transportkosten (für die Beschaffung der Materialien aus größerer Entfernung) interpretiert. Auf diese Weise werden die Ein-
870
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Restriktive Annahmen im Modell Webers sind u. a.: Standorte der Rohmaterialien und räumliche Verteilung des Konsums und der Arbeitskräfte sind bekannt und exogen gegeben (Arbeitskräfte immobil, Lohnhöhe konstant, bei gegebener Lohnhöhe unbegrenzt verfügbare Arbeitskräfte), Transportkosten als Funktion von Gewicht und Entfernung in einheitlichem Transportsystem, Homogenität des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systems; vgl. Schätzl, L. (2003), S. 38. Weber, A. (1909), S. 16. Erstmals wird bei Silbe die Absatzseite im Rahmen der Standortbestimmung berücksichtigt, vgl. Silbe, H. (1937); später auch bei Lösch und Behrens, vgl. Lösch, A. (1941); Behrens, K. Ch. (1961), S. 44. Weber, A. (1909), S. 16. Weber differenziert Standortfaktoren 1. nach ihrer Allgemeingültigkeit, 2. nach ihrer räumlichen Wirkung und 3. nach der Art ihrer Beschaffenheit. Vgl. Behrens, K. Ch. (1961), S. 7 f. 251
fluss nehmenden Standortfaktoren auf Transport- und Arbeitskosten reduziert.875 Nachdem kostenminimale Produktionsstandorte durch die beiden genannten Standortfaktoren determiniert sind, werden darüber hinaus Agglomerationsvorteile876 (beziehungsweise Agglomerationsnachteile) als ein weiterer Standortfaktor einbezogen. Kritikpunkte an der Industriestandorttheorie konzentrieren sich einerseits auf die restriktiven Modellannahmen, die nur eine bedingte Abbildung der Realität zulassen. Andererseits wird auf die fehlende Verknüpfung mit der allgemeinen Wirtschaftstheorie verwiesen.877 Des Weiteren beschränkt der ausschließliche Fokus auf die Kostenseite. Letztlich ist auch der statische Charakter zu kritisieren. Ebenso wie v. Thünens Arbeit wurde auch die Theorie Webers zahlreich aufgegriffen und weiter ausdifferenziert.878 Diversen Weiterentwicklungen des restriktiven Grundmodells gelingt es indes auch nicht, Modifikationen so einzubringen, dass ihnen eine erhöhte Praxisrelevanz zugesprochen werden kann.879 Trotz aller Kritikpunkte können die standorttheoretischen Arbeiten v. Thünens und Webers als Paradigmen klassifiziert werden. Vornehmlich die Industriestandorttheorie Webers verdient eine Herausstellung in der Standortliteratur. Die vorliegende Arbeit basiert in ihrem theoretischen Fundament auf den Grundlagen der Industriestandortlehre. Dabei werden im Folgenden die ihr immanenten Restriktionen bezüglich der Praxistauglichkeit weder verkannt noch vernachlässigt. 5.2.1.2 Geometrische Standortbestimmungslehre Die geometrische (bzw. mathematisch-analytische) Standortbestimmungslehre880 entwickelt und analysiert Entscheidungsmodelle und -methoden. Dabei finden nur jene Faktoren Eingang in die Bewertung, die quantifizierbar sind. Die Bewertung erfolgt bspw. mittels Scoring-Modellen wie der Nutzwertanalyse. Außerdem existiert eine Vielzahl investitionstheoretischer Verfahren, Methoden
875 876
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879 880
Vgl. Behrens, K. Ch. (1961), S. 8 f. Vgl. Meyer-Lindemann, H. U. (1951), S. 35 ff., sowie S. 47 ff. Dieser Aspekt wird u. a. von Porter zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Begriff „Cluster“ untersucht. Vgl. dazu Porter, M. E. (1999a), S. 172 ff. Vgl. Schätzl, L. (2003), S. 48 im Folgenden. Für eine Übersicht der auf Webers Industriestandorttheorie aufbauenden Ansätze vgl. Schätzl, L. (2003), S. 48 – 59. Vgl. Maier, G./Tödtling, F. (1995), S. 27. Als wichtige Vertreter gelten Grundmann, W. et al. (1968), Bloech, J. (1970), Jacob, H. (1973), Hansmann, K. W. (1974), sowie Domschke, W./Drexl, A. (1996).
252
des Operations Research sowie der Statistik und Simulation. Quantifizierbare Standortfaktoren sind im wirtschaftlichen Kontext einer Unternehmung Faktoren, die in ihrer Ausprägung eine Veränderung der Kosten und/oder Erlöse zur Folge haben.881 Speziell die Transportkosten standen anfänglich im Fokus der Forscher.882 In der Folgezeit wurden weitere Kostenfaktoren in die Analysen aufgenommen und somit eine multidimensionale Kostenbetrachtung der Standortproblematik ermöglicht. In Behrens’ Arbeit883 finden auch Faktoren Eingang, die den Absatz determinieren. Damit erweitern sich die Überlegungen auf die Erlösseite. Die Fundierung von Standortentscheidungen auf rein quantifizierbare Ausprägungen einzelner Standortfaktoren ist ambivalent zu bewerten. Grundsätzlich gilt, dass quantitative Faktorausprägungen eine im rationalen Sinne verlässlichere Bewertung erlauben, als dies bei qualitativen Faktorausprägungen der Fall ist. Somit erhält der Entscheidungsträger partiell eine zuverlässige Entscheidungshilfe durch quantifizierbare Standortfaktoren.884 Hingegen führt ein gänzliches Ausblenden qualitativer Einflussfaktoren wie es in der geometrischen Standortbestimmungslehre der Fall ist nur zu einem bedingt zweckentsprechenden Gesamtergebnis.885 Hieraus leitet sich eine erste Handlungsempfehlung für die Praxis ab: Für die Analyse und Bewertung quantifizierbarer Ausprägungen von Standortfaktoren sollten die Methoden und Verfahren886 der geometrischen Standortbestimmungslehre angewandt werden.
881 882
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Vgl. Bloech, J. (1990), S. 76. Vgl. dazu die Diskussion des Modells von Weber in dieser Arbeit. An dieser Stelle wird auch die Problematik der eindeutigen Zuordnung von Literatur offensichtlich. Während Weber grundsätzlich der reinen Standorttheorie zuzuordnen ist, bilden zumindest Teilaspekte seiner Arbeit wiederum die Grundlage für die geometrische Standortbestimmungslehre. Die Arbeit Behrens’ wird im Folgenden im Rahmen der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre vorgestellt. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die eingehenden Informationen, das heißt die Ausprägungen der jeweiligen Standortfaktoren, einer grundlegenden Unsicherheit unterliegen. Es handelt sich hierbei um zukunftsgerichtete Aussagen. Selbst die Quantifizierung der Entscheidungsbasis führt demnach nicht zu einer „sicheren“ Entscheidung. In der Literatur ist mittlerweile anerkannt, dass durch die ausschließliche Berücksichtigung quantitativer Faktoren die Komplexität von Standortentscheidungen nicht genügend erfasst wird. Vgl. dazu u. a. Haigh, A. (1987), S. 7 f. Es sind damit sowohl investitionstheoretische Verfahren (Kapitalwertmethode) als auch Optimierungsverfahren des Operations Research angesprochen. Für eine sehr gute Übersicht zu OR-spezifischer Literatur, vgl. Fischer, K. (1997), S. 323 – 327. Vgl. dazu außerdem Lüder, K. (1990), S. 44 ff. 253
Diese Verfahren sind im Bereich der qualitativen Faktoren durch weitere geeignete Verfahren887 zu ergänzen. Die vorliegende Arbeit versucht, eine möglichst praxisnahe Betrachtung der Standortentscheidungsproblematik anzustreben. Die restriktiven Prämissen der geometrischen Standortbestimmungslehre verzerren hingegen eine ganzheitliche Standortentscheidung. Die geschilderten Ansätze finden deshalb im Rahmen dieser Arbeit nur in Bezug auf sinnvoll einsetzbare Verfahren und Methoden der quantitativen Standortfaktorenbewertung Beachtung. Der Fokus liegt auf der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre. 5.2.1.3 Empirisch-realistische Standortbestimmungslehre Ausgehend von den traditionellen betriebswirtschaftlichen Standorttheorien (und hier insbesondere der von Weber) entwickelte sich Ende der 1950er Jahre und zu Beginn der 1960er Jahre die empirisch-realistische Standortbestimmungslehre. Ziel war es, eine systematische Analyse einzelwirtschaftlicher Standortentscheidungen vorzunehmen. Auf diese Weise sollten Entscheidungshilfen für eine zielorientierte Standortwahl in der Praxis geben werden.888 Dazu war es notwendig, die Restriktionen bisheriger Modelle aufzuheben und somit die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung praxistauglicher zu gestalten. Behrens forschte in diesem Zusammenhang nach einer betriebswirtschaftlich fundierten und zugleich empirisch-realistischen Standortanalyse.889 Während Weber einzig auf die Kostenseite einer Standortentscheidung fokussiert und so mit dem kostenminimalen auch den optimalen Standort darstellt, wurde sein Ansatz von anderen Wissenschaftlern weiter entwickelt. Bereits Lösch bezieht absatzrelevante Standortfaktoren in seine Betrachtung ein.890 Dabei subtrahiert er standortbedingte Kosten von standortbedingten Erlösen. Im Gegensatz zu Webers Ansatz der Kostenminimierung strebt Lösch bei der Standortbestimmung nach Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung.891 Einen Schritt weiter geht Rüschenpöhler (1958) in seinen Ausführungen. Er setzt die Differenz aus „standortabhängigen Erlösen und Kosten“ ins Verhältnis zum „stand-
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890 891
Beispielhaft sei hier die Nutzwertanalyse genannt. Vgl. Kaiser, K.-H. (1979), S. 21 sowie Riehm, K. (1968), S. 149. Vgl. Behrens, K. Ch. (1971), S. 33. (Im Folgenden wird aus der 2. (kaum veränderten) Auflage des erstmals 1961 erschienen Werkes Behrens’ zitiert). Weil sich Behrens stark an den Ansätzen Rüschenpöhlers orientiert, kann er nicht als inhaltlicher Begründer, wohl aber als Namensgeber und als ein sehr bedeutender Vertreter der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre bezeichnet werden. Vgl. Lösch, A. (1941). Vgl. Lösch, A. (1944), S. 64 f. (zitiert nach der 2. Auflage (1944) des Werkes „Die räumliche Ordnung der Wirtschaft“).
254
ortabhängigen betriebsnotwendigen Kapital“892 und ermittelt so die standortspezifische Rentabilität. Ferner bezieht er sich in seiner Bewertung nicht mehr nur eindimensional auf gegebene Faktoren eines Standortes (Standortbedingungen). Die bisherige Sichtweise wird um so genannte Standortanforderungen erweitert. Erstmals wird damit auf unterschiedliche Erfordernisse an einen Standort verwiesen. Diese bedingen sich z. B. aus betriebsgrößen- oder branchenspezifischen Charakteristika. Standortbedingungen lassen sich inhaltlich als „[…] alle Gegebenheiten eines Platzes, die von Industriebetrieben schlechthin im Zeitablauf bei der Erfüllung ihrer wirtschaftlichen Aufgaben genutzt werden können […]“893
von einer Standortanforderung als „[…] alle Ansprüche, die ein Industriebetrieb in der Zeit an den Standort im engeren und weiteren Sinne stellt, um den Leistungsprozess mengenmäßig durchführen zu können […]“894
abgrenzen. Des Weiteren nimmt Rüschenpöhler die Unterteilung in natürliche und künstliche Standortbedingungen vor. Der Unterschied liegt für ihn in der Tatsache, „[…] ob Standortbedingungen neu geschaffen werden können oder nicht“895.
Bezüglich der Standortanforderungen ist zwischen ’rechenhaften’ und ’nicht rechenhaften’ [quantitativen und qualitativen Standortanforderungen; T. S.] zu unterscheiden.896 Mit diesen drei Schwerpunkten – standortspezifische Rentabilität als Zielgröße, Einbeziehung von Standortanforderungen und im Besonderen die Erweiterung um quantitative Faktoren – gelingt Rüschenpöhler eine bedeutsame Weiterentwicklung der standorttheoretischen Lehre. Als ein weiterer Vertreter ist Meyer (1960) zu erwähnen. Er greift auf den Weberschen Grundgedanken zurück, dass der kostenminimale Punkt nicht unbedingt dem optimalen Standort entsprechen muss, und fokussiert auf die Ab-
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Vgl. Rüschenpöhler, H. (1958), S. 37. Rüschenpöhler, H. (1958), S. 67. Rüschenpöhler, H. (1958), S. 64. Rüschenpöhler, H. (1958), S. 69. Vgl. Rüschenpöhler, H. (1958), S. 65 f. Die Terminologie übernimmt Rüschenpöhler nach eigenen Angaben von Lehmann, vgl. Lehmann, M. R. (1951), S. 31. Obwohl offensichtlich bereits in früheren Arbeiten auf qualitative Standortfaktoren verwiesen wurde, finden sie erst mit der aufkommenden empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre eine weitgehende Würdigung in der Literatur. 255
satzseite. Nur diejenigen Standorte kommen in die nähere Auswahl, die auch das entsprechende Absatzpotenzial bieten. Demzufolge findet eine durch den Absatzmarkt determinierte Vorauswahl möglicher Standorte statt, so „[…] daß die Standortnachfrage regelmäßig nicht an den gesamten ökonomisch verfügbaren Raum der Erde, sondern nur an einen Ausschnitt dieses Raumes gerichtet wird […] den Möglichkeitsbereich der Standortwahl. In vielen Fällen ist dieser Möglichkeitsbereich von vornherein fest gegeben, bestimmt durch die zahlreichen, […] unauflöslich meta-ökonomischen Bindungen […]“.897
In einer dynamischen Betrachtungsweise bedeutet dies, dass erst nach der Selektion eines Marktes die Auswahl von Standorten innerhalb dieses gewählten Marktes einzuordnen ist.898 Im Rahmen der Forschungsarbeiten zur empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre wurde eine kaum überschaubare Anzahl von Standortfaktorenkatalogen entwickelt.899 Sie dienen der Erfassung und anschließenden Analyse und Bewertung der für die Standortentscheidung wichtigen Ausprägungen von Standortfaktoren.900 Auch Behrens versucht, einen derartigen Katalog in möglichst systematischer und umfassender Form darzulegen. Sie bildet den Schwerpunkt seiner Konzeption. Exemplarisch und stellvertretend für weitere, zumeist sehr viel differenziertere Standortfaktorenkataloge wird in Abbildung 5.2.1.3 das Standortfaktorenschema nach Behrens dargestellt.
897 898
899
900
Vgl. Meyer, W. (1960), S. 83. Vgl. Floyd, J. S. (1952), S. 17. In einer aktuelleren Arbeit bezeichnen Balderjahn/ Schnurrenberger diesen bereits eingeschränkten „Möglichkeitsbereich“ als „Standortsuchraum“, vgl. Balderjahn, I./Schnurrenberger, B. (1999), S. 16 f. Stellvertretend für viele vgl. Stein, I. (1991), S. 124 ff. für einen ausführlichen Standortfaktorenkatalog. Stein lehnt sich mit seiner Darstellung an Tesch, P. (1980), S. 364 ff. an. Für einen praxisorientierten Ansatz entscheidungsrelevanter Standortfaktoren siehe Abschnitt 5.5. In der Literatur wird allgemein von Standortfaktoren zur Bewertung von Standorten gesprochen. Es fehlt jedoch häufig der Verweis darauf, dass mit dem Begriff des Standortfaktors eine Analogie zur Ausprägung des jeweiligen Faktors gebildet wird. Erst die tatsächliche Ausprägung lässt eine Bewertung zu. So bedeutet z. B. der Standortfaktor „qualifizierte Arbeitskräfte“ nicht unbedingt, dass diese auch verfügbar sind. Eine Standortbewertung erfolgt deshalb hinsichtlich der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften.
256
STANDORTFAKTOREN
Gütereinsatz
Beschaffung
Beschaffungskontakte
Beschaffungspotential
Beschaffungsfördernde Einrichtungen: Wirtschaftsbehörden, Arbeitsvermittlung, Ausstellungen, Börsen etc.
- Betriebsraum - Anlagegüter - Arbeitskräfte - Fremddienste - Materialien - Kapital - Subventionen
Absatz
Transformation
Absatzkontakte
Absatzpotential
- geologische Bedingungen - Klima - technische Agglomeration
z.B. Außenhandel, Banken, Makler, Ausstellungen, Werbeagenturen etc.
- Bedarf - Kaufkraft - Konkurrenz - Goodwill - Handelshemmnisse (tarifär u. nicht tarifär)
Abb. 5.2.1.3: Standortfaktorensystematik nach Behrens [Quelle: Kappler, E./Rehkugler, H. (1991), S. 222]
Wie Abbildung 5.2.1.3 erkennen lässt, nimmt Behrens eine grobe Unterteilung der Standortfaktoren in Gütereinsatz und Absatz vor. Der Absatz wird von ihm dabei noch stärker in den Mittelpunkt gerückt, als dies bei Rüschenpöhler der Fall ist. Behrens verweist in diesem Zusammenhang auf die Unsicherheit zukünftiger Erträge und deren Implikationen für die Standortbestimmung: „An die Stelle einer exakten Standortkalkulation tritt das subjektiv bestimmte ’Werten’ als ein Vergleich von erwarteter Chance und erwartetem Risiko“.901
Überdies differenziert auch er zwischen quantitativen und qualitativen Standortfaktoren. Für Behrens ist erneut in Anlehnung an Rüschenpöhler die Kapitalrentabilität das ausschlaggebende Entscheidungskriterium für die Standortwahl.902 Letztlich gibt Behrens zu bedenken, dass nicht jeweils alle in der Systematik aufgeführten Faktoren für jede individuelle Standortentscheidung von Relevanz sind. Damit greift er einem vielfach geäußerten Kritikpunkt gegenüber der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre vor, sie würde lediglich eine Unmenge von Standortfaktoren sammeln, die im praktischen Einzelfall nicht hilfreich wären.
901 902
Behrens, K. Ch. (1971), S. 44. Zur Definition der Kapitalrentabilität vgl. Behrens, K. Ch. (1971), S. 43. 257
Mit der Entwicklung eines umfangreichen Standortfaktorenkataloges und der in diesem Zusammenhang nachhaltigen Betonung qualitativer Faktoren schafft die Arbeit Behrens’ einen bedeutenden Fortschritt in der Standortbestimmungslehre. Zudem wurde durch ihn die Systematik Meyer-Lindemanns vor allem in der Erkenntnis weitergeführt, dass sich der optimale Standort durch ein sorgfältiges Abwägen aller von den Standortfaktoren ausgehenden Einflüsse ergibt. Er ist damit nicht berechenbar.903 Bezüglich der Kapitalrentabilität als Entscheidungskriterium bleibt festzuhalten, dass dieser Gedanke grundlegend richtig ist, jedoch Konstellationen auftreten können, in denen die Optimierung der Kapitalrentabilität des Gesamtunternehmens nicht unbedingt eine Optimierung der Kapitalrentabilität der Einzelinvestition (der Standortentscheidung) bedingt. Investitionen die aus wettbewerbsstrategischen Gründen vorgenommen werden, können aus einer Investition eines oligopolistischen Konkurrenten resultieren. Ziel des nachahmenden Unternehmens ist das Verhindern der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen durch das konkurrierende Unternehmen. Die Kapitalrentabilität der spezifischen Investition hat in diesem Fall nur eine nachrangige Bedeutung.904 Es gilt festzuhalten, dass die empirisch-realistische Standortbestimmungslehre die Standortentscheidung als eine auf ein Unternehmen beschränkte Problematik ansieht. Damit werden unternehmensübergreifende Aspekte wie die im Rahmen der Supply Chain eingebundenen Unternehmen und daraus resultierende Netzwerkeffekte nicht thematisiert. Das Unternehmen trifft die Standortentscheidung ausschließlich auf der Basis eigener Belange.
903 904
Vgl. Hansmann, K.-W. (1974), S. 33. Vgl. ausführlich zu dieser Thematik, Knickerbocker, F. T. (1973). Die nachrangige Bedeutung der Kapitalrentabilität ergibt sich wie folgt: Die Investition von Unternehmen A am neuen Standort wird vorgenommen, um dem bereits investierenden Wettbewerber (Unternehmen B) den Markt nicht vollständig zu überlassen. Die gewonnen Marktanteile führen situationsbedingt erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer steigenden Kapitalrentabilität im neuen Markt. Vorerst gilt es nur, Marktanteile zu sichern. Alternativ wäre denkbar, dass das konkurrierende Unternehmen (B) durch die Alleinstellung im neuen Markt dort monopolistische Gewinne generiert. Diese führen zu einer Stärkung des gesamten Unternehmens (B), so dass sich auch in angestammten Märkten eine Verbesserung der Wettbewerbssituation ergibt (es können auf Grund der gestiegenen Ertragskraft z. B. Preisreduzierungen vorgenommen werden). Unternehmen A befindet sich mittel- bis langfristig durch die Unterlassung der Investition im neuen Markt in gesamtunternehmerischen Schwierigkeiten.
258
5.2.2 Standortplanungslehre Im Fokus der Standortplanungslehre905 stehen die Herausarbeitung der Phasen und Kriterien der Standortplanung sowie die Optimierung des eigentlichen Prozesses einer Standortentscheidung. Im Folgenden wird die Arbeit von Lüder/ Küpper906 vorgestellt, die zum einen als die fundierteste Arbeit gelten kann und sich zum anderen in der empirischen Untersuchung auf industrielle Großunternehmen bezieht, die auch in der vorliegenden Arbeit Gegenstand der Betrachtung sind. Auf den gewonnenen grundlegenden Erkenntnissen bauen bis dato Standortentscheidungsprozesse auf. Dabei ist bemerkenswert, dass das wesentliche Untersuchungsergebnis – Wachstums- und Rationalisierungsstrategien sind die fundamentalen Standortstrategien einer industriellen Großunternehmung – auch 25 Jahre später in einer globalisierten Welt weiterhin Bestand hat. In diesem Zusammenhang kann die in Abbildung 5.2.2 dargestellte Einteilung der Standortstrategien vorgenommen und wie folgt definiert werden: „Wachstumsstrategien beziehen sich auf die räumliche Verteilung eines Zuwachses an Produktionskapazitäten. […] Rationalisierungsstrategien sind Strategien zur Verminderung der standortbedingten Kosten eines Unternehmens durch Reduzierung und/oder räumliche Umverteilung der Produktionskapazitäten.“907
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907
Für die grundlegenden Arbeiten dieser Forschungsrichtung vgl. Lüder, K./Küpper, W. (1983); Sälzer, B. E. (1985); Schill, C. O. (1990). Für einen Überblick über erste theoretische Ansätze der Standortplanungslehre vgl. Nauer, E. (1968), 161 ff.; Timmermann, M. (1972), S. 388 ff.; Timmermann, M. (1973), S. 41 ff.; Küpper, W. (1982), S. 439 ff.; Lüder, K. (1982), S. 415 ff. Die Arbeit der beiden Autoren basiert auf einer empirischen Studie zur Standortpolitik von 28 industriellen Großunternehmen im Zeitraum 1980/1981 in der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Es wurde das Verhalten der Konzerne bei der Standortwahl erfasst und analysiert. Vgl. Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 50 ff. Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 94. 259
Standortstrategien
Rationalisierungsstrategien
Wachstumsstrategien
räumliche Wachstumsstrategien
Teilstilllegung vorhandener Produktionsstätten (on-sitecontraction)
Konzentration der Standortstruktur
Bereinigung der Standortstruktur
räumliche Diversifizierung
räumliche Verdichtung
Erweiterung vorhandener Produktionsstätten (on-siteexpansion)
Abb. 5.2.2: System der Standortstrategien nach Lüder/Küpper [Quelle: Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 95]
Eine Teilstilllegung von Produktionsstätten (on-site-contraction) ist eine Kapazitätsreduktion, die sich auf einzelne Betriebsstätten bezieht, ohne jedoch die bestehende Standortstruktur zu verändern. Die Konzentration der Standortstruktur ist mit der Reduzierung bestehender Standorte gleichzusetzen, die das Ziel der Kosteneinsparung verfolgt. Dabei muss die Konzentration nicht ausschließlich in eine Stilllegung/Veräußerung resultieren, sondern kann auch die Verlagerung von Betriebsmitteln an bestehende bzw. neue Standorte zur Produktionszentralisierung bedeuten. Im Gegensatz dazu bleibt die Standortstruktur bei einer Bereinigung unverändert. Die zu fertigenden Leistungsumfänge werden innerhalb der bestehenden Standortstruktur räumlich stärker konzentriert. Der durch Wachstumsstrategien angestrebte Zuwachs kann bspw. im Rahmen von Erweiterungen der Fertigungsstätten an existierenden Standorten abgewickelt werden (on-site-expansion). Besteht Bedarf nach neuen Produktionsstätten, so ist zwischen räumlicher Verdichtung d. h. der geografische Aktionsradius wird beibehalten und räumlicher Diversifizierung zu unterscheiden. Letztere ist als Errichtung/Erwerb neuer Produktionsstätten außerhalb des bisherigen Aktionsradius (d. h. bspw. in Ländern, in denen bis dato keine Standorte vorhanden waren) zu verstehen. Standortstrategien gelten nicht nur für einen begrenzten Zeitraum. Sie können sich ebenso auf partielle Produktprogramme und/oder einen begrenzten geografischen Raum beziehen. Ein Unternehmen kann folglich mehrere Standortstrategien gleichzeitig verfolgen.908
908
Vgl. Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 94 ff.
260
Weil sich der Untersuchungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf Konstellationen bezieht, bei denen der OEM eine Entscheidung hinsichtlich eines neuen Fertigungsstandortes trifft und an diesem Standort annahmegemäß zumindest einen Teil seiner Zulieferstruktur benötigt, ist die in diesem Kontext relevante Strategie die der räumlichen Diversifizierung. Hinsichtlich des Standortentscheidungsprozesses nehmen Lüder/Küpper eine Unterteilung in drei Phasen vor. In der ersten Phase wird der Makrostandort eingegrenzt, in der zweiten Phase wird eine Vorauswahl potenzieller Standorte mit Hilfe von Muss-Kriterien (nicht-finanzieller Art) durchgeführt, bevor in der dritten Phase Wirtschaftlichkeitsrechnungen und weitere Analysen für die Standorte der engeren Wahl (Mikrostandorte) vorgenommen werden.909 Eine Reduzierung der Komplexität von Standortinvestitionsentscheidungen ist sowohl durch die Definition operationaler Entscheidungskriterien als auch durch die Begrenzung auf einzelne Wertschöpfungsumfänge (bspw. Produktion) zu erreichen.910 Auch in diesem grundlegenden Werk zur Standortplanungslehre werden interorganisationale Aspekte wie die Berücksichtigung/Einbindung vor- bzw. nachgelagerter Wertschöpfungsebenen vernachlässigt. 5.3 Ansätze einer internationalen Standortlehre In der Literatur nehmen nur wenige Arbeiten theoretisch fundiert die Problematik der internationalen Standortlehre auf. Vielmehr beschäftigen sich die Arbeiten zur strategischen bzw. internationalen Unternehmensführung mit Teilaspekten der Standortentscheidung.911 5.3.1 Die Ansätze von Sabathil und Tesch Eine der ersten Arbeiten zur internationalen Standortlehre stammt von Sabathil912. In diesem rudimentären Werk liegt der Schwerpunkt auf der Länderauswahl im Rahmen der Standortwahl.913 Der dargestellte Standortfaktorenkatalog offenbart jedoch methodische Schwächen bzgl. Aufteilung, Inhalt und Um-
909
910 911
912 913
Vgl. Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 166 ff. Siehe auch Abschnitt 5.4 zum Standortentscheidungsprozess. Vgl. Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 179 ff. Vgl. stellvertretend Wöhe, G. (2005), S. 304 – 311; Kappler, E./Rehkugler, H. (1991), S. 217 – 235; Leontiades, J. C. (1985), S. 95 ff. Vgl. Sabathil, T. (1969). Vgl. Sabathil, T. (1969), S. 10. 261
fang.914 Des Weiteren wird dem eigentlichen Standortentscheidungsprozess nur beschränkte Aufmerksamkeit gewidmet. Vier Thesen zur internationalen Standortwahl stellen dagegen einen Beitrag zur Entwicklung einer internationalen Standortlehre dar:915 { Psychologische Faktoren prägen die Entscheidung für oder gegen einen internationalen Standort, wobei dem jeweiligen subjektiv wahrgenommenen Landesrisiko eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. { Standortentscheidungen werden vielfach zu Gunsten derjenigen Länder mit einer kulturellen Affinität getroffen. { Ein Lernprozess innerhalb eines Unternehmens und der daraus resultierende Aufbau von Know-how stellen meistens die Basis für eine internationale Standortwahl dar. Dabei gilt: Je höher die Lernbereitschaft und -fähigkeit, desto eher erfolgt die Internationalisierung. { Die internationale Ausrichtung des Standortnetzwerkes erfolgt weniger aus der Erkenntnis heraus, hinsichtlich bestehender Chancen zu agieren, als vielmehr auf wahrgenommene Risiken zu reagieren. Ein fundierter Ansatz zur internationalen Standortlehre findet sich bei Tesch916. Hier werden die Theorie des internationalen Handels und der Direktinvestitionen mit Elementen aus der Standorttheorie kombiniert. Die Argumentation basiert auf standortbedingten Wettbewerbsvorteilen, die sich aus länderspezifischen Rahmenbedingungen ergeben und Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ausüben.917 Unternehmen tätigen nach dieser Logik internationale Direktinvestitionen, um „[…] standortbedingte Wettbewerbsnachteile, die durch Handelshemmnisse, durch häufig weitere Transportwege, durch Wechselkurseinflüsse, durch unterschiedliche Produktionsbedingungen usw. entstehen, zu vermeiden und die Wettbewerbsvorteile anderer Standorte zu erlangen.“918
914
915 916 917 918
Effekte staatlicher Fördermaßnahmen/Investitionsanreize werden durch vollständige Ausblendung negiert, Länderrisikofaktoren (Währungseinflüsse, Politik etc.) werden lediglich eine sekundäre Bedeutung zugeschrieben. Vgl. Sabathil, T. (1969), S. 184 ff und S. 84 ff. Vgl. Sabathil, T. (1969), S. 263 – 279. Vgl. Tesch, P. (1980). Vgl. Tesch, P. (1980), S. 328. Tesch, P. (1980), S. 334.
262
Tesch lehnt sich inhaltlich an Behrens und Rüschenpöhler an und baut deren Ansätze um die bei einer internationalen Standortwahl relevanten Einflussfaktoren aus.919 Mit Bezug auf die international ausgerichteten Standortfaktorenkataloge von Volkholz920 und Reuter921 werden die hinsichtlich einer internationalen Standortwahl bedeutenden Standortfaktoren systematisiert.922 Bei einem Abgleich von Standortbedingungen und Standortanforderungen sind die spezifischen Belange für die Standortwahl zu berücksichtigen: „Sind diese Anforderungen je nach Produkt, Verfahren und Unternehmen unterschiedlich, stellen die Bedingungen eines Standortes je nach dem Anforderungsprofil verschiedene Standortqualitäten dar, d. h. ein und derselbe Standort bietet für verschiedene Produkte, Verfahren und Unternehmen unterschiedliche Standortvor- und -nachteile.“923
Damit wird deutlich, dass jede Standortentscheidung eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt und eine Verallgemeinerung vor jeweils unternehmensspezifischen Hintergründen nicht vorgenommen werden kann. Dies drückt sich nicht zuletzt in den differierenden Motiven einer internationalen Standortwahl aus. Dahingehend unterscheidet Tesch Exportförderung, Marktnähe, Produktionskostensenkung, konzerninterne Arbeitsteilung sowie Steuerersparnis.924 Wie die vorangegangenen theoretischen Ansätze betrachten auch die hier vorgestellten Ansätze zur internationalen Standortlehre die Standortentscheidung als ein auf ein einzelnes Unternehmen bezogenes Problem. Die interorganisationale Perspektive wird ausgeblendet.
919 920 921 922
923
924
Vgl. Tesch, P. (1980), S. 347. Vgl. Volkholz, K. (1977), S. 106 ff. Vgl. Reuter, K. P. (1977), S. 129 ff. Standortfaktoren werden demnach drei Gruppen zugeordnet, die 1) die Aktivitäten der Unternehmen insgesamt betreffen (Rechtssicherheit, politische Stabilität etc.), 2) die Verfügbarkeit und die Kosten der zur Produktion notwendigen Faktoren betreffen (klimatische Verhältnisse, Verfügbarkeit und Kosten von Kapital, Arbeitskräften etc.), 3) den Absatz betreffen (potenzieller Bedarf bei Verbrauchern, Konkurrenten etc.). Vgl. Tesch, P. (1980), S. 364 f. Tesch, P. (1980), S. 521. Praxisrelevante Applikationen konventioneller Standortfaktorenkataloge und damit die Reaktion auf die Kritik Teschs finden in aktuellen Arbeiten Berücksichtigung. So erfolgt bspw. die Einbeziehung unterschiedlicher Produktionsprozesse in die Standortwahl bei Meyer; vgl. Meyer, T. (2006a), S. 42 f. Vgl. auch Liebeck, T. et al. (2006), S. 208 ff. und speziell S. 226 f. Vgl. Tesch, P. (1980), S. 538 ff. 263
5.3.2 Internationale Standortentscheidungen aus netzwerktheoretischer Perspektive Im vorliegenden Abschnitt werden die Ansätze der netzwerktheoretischen Perspektive mit Bezug auf die Internationalisierung von Geschäftstätigkeiten dargelegt. Hieraus lassen sich theoretisch fundierte Verhaltensmuster für die zu untersuchende Fragestellung der Standortentscheidung in interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerken ableiten. Neben den bereits vorgestellten Internationalisierungsstrategien Markterschließung und Kostensenkung ist darüber hinaus die Strategie des Following Customer als relevant herauszustellen.925 Danach wirkt sich die Standortwahl des fokalen Unternehmens für die in ein Netzwerk eingebundenen Firmen als nachhaltiges Kriterium für eigene Standortentscheidungen aus, wenn die Geschäftsbeziehungen für den Zulieferer von relativ hoher Bedeutung bzw. Wert hinsichtlich des Wachstums sind.926 Dieses Verhalten des „co-location“ basiert nicht zwangsläufig auf den Prämissen der modularen Produktion und den Prinzipien der schlanken Logistik.927 Weil alle bedeutenden OEM die Methoden der modularen Produktion und der schlanken Logistik übernehmen bzw. bereits übernommen haben, müssten demnach auch bei allen OEM zumindest ähnliche Versorgungsmuster (bspw. Lieferantenparks) existieren, was derart uneingeschränkt nicht nachweisbar ist.928 Es müssen weitere Motive vorliegen, die das Standortverhalten von Zulieferern erklären. Die relative Bedeutung des fokalen Unternehmens für die Zulieferer in einem Wertschöpfungsnetzwerk kann eine Erklärung darstellen. Die ersten Versuche, Internationalisierungsbewegungen durch die Netzwerkperspektive zu erfassen, gehen bis in die späten 1980er Jahre zurück. Die Netzwerkperspektive wurde auf das „Internationalisation Process Model“ (IPM) appliziert. Als Ergebnis entstand der „network view on IPM“929 mit dem Fokus auf
925 926
927
928
929
Vgl. Kinkel, S. et al. (2004), S. 25 ff.; Kinkel, S. (2004c), S. 64 ff. Vgl. De Jong, G./Nooteboom, B. (2000); Nooteboom, B. et al. (1997); Nooteboom, B. (1996). Als Vertreter dieser Auffassung vgl. stellvertretend Estall, R. C. (1985), S. 129 ff.; Wells, P./Rawlinson, M. (1992), S. 380 ff. Gemäß der aktuellen Studie „Lieferantenparks in der Europäischen Automobilindustrie“ des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (Stuttgart) ist allerdings ein unvermindert anhaltender Trend zu Lieferantenparks festzustellen. So existieren allein in Europa 23 Lieferantenparks, bzw. 40, wenn ähnliche Konzepte dazugerechnet werden, während drei weitere Parks gebaut werden. Vgl. Barthel, H./Freese, J. (2005), S. 42. Vgl. Johanson, J./Mattsson, L.-G. (1993); Forsgren, M. (1989). Für spätere Erweiterungen vgl. Forsgren, M./Johanson, J. (1992); Andersson, U./Forsgren, M. (2000).
264
der Einbettung internationaler Geschäftsentscheidungen in intra- und interorganisationale Beziehungen und Machtbalancen. Multinationale Unternehmungen (MNU) können im Hinblick auf ihre intraorganisationalen Beziehungen als eigenständiges Netzwerk verstanden werden.930 Vor diesem Hintergrund sind die internationale Geschäftstätigkeit und damit auch internationale Standortentscheidungen das Resultat aus der entstehenden Dynamik zwischen Konzernzentrale und den Niederlassungen, wobei die Niederlassungen nach Verbesserung der eigenen Position (bspw. durch Übernahme weiterer Geschäftsfunktionen, Kompetenzausbau, Ressourcenverfügung) im intraorganisationalen Netzwerk des MNU streben. Die interorganisationale Perspektive räumt dagegen ein, dass der Internationalisierungsprozess nicht ausschließlich durch die Entscheidungsgewalt der Konzernzentrale des MNU determiniert wird. Vielmehr ist es notwendig „[…] to complement the hierarchical [intraorganizational; T. S.] view of the subsidiary by identifying the industrial [interorganizational; T. S.] network to which every subsidiary or unit belongs.”931
Folglich ist das Verhalten der internationalen Geschäftstätigkeit eines mit anderen rechtlich selbstständigen Firmen interagierenden Unternehmens durch das Verhalten eben jener Unternehmungen beeinflusst.932 In Anlehnung an die bisherigen Ausführungen lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Zulieferer ihren Hauptkunden bei deren Internationalisierungsschritten folgen. Insbesondere bereits langfristig existierende Netzwerkbeziehungen zwischen Anbietern und Abnehmern933 in angestammten Heimatmärkten verringern sich die Barrieren des Folgens, wenn der OEM seine Geschäftstätigkeit internationalisiert934. Der nachfolgende Zulieferer gewinnt zudem einen leichteren Marktzugang, weil er vom OEM hinsichtlich { des Wissens über den Auslandsstandort (konkrete Vorortkenntnisse der Infrastruktur etc.), { der Internationalisierungserfahrungen (Planung und Durchführung des Standortentscheidungsprozesses etc.) und { der Ressourcen (Kontakte zu Behörden vor Ort etc.) profitiert.
930 931 932 933
934
Vgl. Ghoshal, S./Bartlett, C. A. (1993; 1990). Forsgren, M. (1989), S. 71. Vgl. Forsgren, M. (1989), S. 69. Vgl. Rugman, A./D’Cruz, J. (2002); Johanson, J./Mattsson, L.-G. (1987); Ford, D. (1980). Vgl. Forsgren, M. (1989), S. 69. 265
Voraussetzung dafür ist die enge interorganisationale Zusammenarbeit und die Bereitschaft, das nachfolgende Unternehmen an diesem Wissen, den Erfahrungen und Ressourcen partizipieren zu lassen. Des Weiteren erklärt die Netzwerkperspektive des IPM Internationalisierungsaktivitäten hinsichtlich der Beeinflussungsmöglichkeiten der unternehmensspezifischen Stellung im Netzwerk. So sind Firmen daran interessiert, ihre Stellung durch die Internationalisierung im Netzwerk selbst, aber auch im direkten Verhältnis zu anderen Firmen zu verbessern.935 Ebenfalls aus einer Netzwerkperspektive heraus erklärt das „flagship/five partners model“ (F/5P model),936 dass fokale Unternehmen (in Anlehnung an die Definition eines solchen) die strategische Perspektive für die Internationalisierung von Zulieferunternehmen bieten. Infolgedessen sind gemeinschaftliche Internationalisierungsbemühungen üblich, bspw. durch die Gewährung standortspezifischer Aktiva. Mit dem auf die neoklassische Wachstumstheorie zurückgehenden Ansatz der traditionellen Standorttheorie der weitgehenden Faktormobilität werden lokal/ regional spezifische Bedingungen außer Acht gelassen.937 Neuere, sozialwissenschaftlich orientierte Ansätze wie der Cluster-/Kompetenzzentrum-Ansatz versuchen, den Begriff des Standortvorteils inhaltlich hinsichtlich sozialer Entstehungs- und Entscheidungszusammenhänge zu erweitern.938 Der ClusterAnsatz939 erklärt positive externe Effekte durch die wirtschaftliche und/oder räumliche Bündelung von Unternehmensaktivitäten, die sich bspw. aus der Wissenskonzentration und der Spezialisierung von Unternehmen auf einzelne Wertschöpfungsumfänge ergeben. Gerade die räumliche Aggregation von Wissen, die neben der reinen Konzentration von Fähigkeiten/Fertigkeiten sowie spezifischen Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen auch den Aspekt des Insiderwissens umfasst, ist von Bedeutung.940 Dabei bedarf es nicht zwangsläufig vollständiger Wertschöpfungsketten und/oder der Kooperation aller am Cluster beteiligten Unternehmen, um die Vorteile eines Clusters zu generieren.941
935 936 937 938
939 940 941
Vgl. Jüttner, U./Schlange, L. E. (1996), S. 479 ff.; Forsgren, M. (1989). Vgl. Rugman, A./D’Cruz, J. (2002); Rugman, A. (2002), S. 13 ff. Vgl. Bathelt, H./Glückler, J. (2002), S. 136. Des Weiteren ist der Ansatz von Netzwerken als Kristallisationskerne innovativer Milieus zu nennen. Für eine prägnante Übersicht des Forschungsstands vgl. Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 187 f. Vgl. Marshall, A. (1930). Vgl. stellvertretend Bathelt, H./Glückler, J. (2002); Porter, M. E. (1999a). Vgl. Porter, M. E. (1999b), S. 51 ff.
266
5.3.3 Neuere Ansätze internationaler Standortentscheidungen Aktuelle Ansätze zu internationalen Standortentscheidungen verbinden stärker als bisherige Ansätze inhaltliche Aspekte der empirisch-realistischen Standortbestimmungslehre sowie der Standortplanungslehre und setzen diese in einen internationalen Kontext. Im Folgenden werden die Arbeit Meyers942 und die Ergebnisse des Verbundprojektes BESTAND943 aufgezeigt. Es gilt herauszuarbeiten, inwieweit die interorganisationale Sichtweise bei internationalen Standortentscheidungen aufgenommen wurde und welche Empfehlungen sich gegebenenfalls daraus ableiten lassen. 5.3.3.1 Der Ansatz von Meyer: Optimierung globaler Produktionsnetzwerke Als Schwerpunkt der Arbeit wird die Planung von Produktionsnetzwerken und damit die Produktion als Wertschöpfungsumfang thematisiert. Produktionsnetzwerke definiert Meyer in Anlehnung an Eversheim als „[…] die durch Lieferbeziehungen verbundenen Teile eines oder mehrerer Unternehmen […]. Produktionsnetzwerke vereinen damit die Charakteristika von Lieferketten […] und Know-how-Clustern und -Netzwerken.“944
Ziel des Ansatzes ist die Entwicklung eines Vorgehens sowie von Grundregeln und Werkzeugen, mit denen sich die wettbewerbsfähigere Konfiguration von Produktionsnetzwerken effektiver und effizienter gestalten lässt, als dies bisherige Ansätze ermöglichen. Speziell wird dabei versucht, die Kritik an konventionellen Standortentscheidungsansätzen – die Vernachlässigung der vielfältigen Interdependenzen in Produktionsnetzwerken – aufzugreifen und dahingehend Verbesserungen zu erreichen. Neben dem zu analysierenden Produktionsnetzwerk an sich werden Produktionsprozesse, Prozessschritte, Prozesstypen, logistische Prozesse und Logistikkosten sowie die „Total Landed Costs“ (Kosten der Produktverfügbarkeit im Markt) berücksichtigt.945
942
943
944 945
Vgl. Meyer, T. (2006a). Die Arbeit Meyers entstand in Kooperation des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Universität Darmstadt und der Unternehmensberatung McKinsey & Company, Inc. Vgl. Kinkel, S. (2004a). Am Verbundprojekt BESTAND waren zwischen Oktober 2000 und September 2003 neben zehn Industriepartnern drei Forschungsinstitute (Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe; Lehrstuhl für Planung und Strategisches Management LfP, Universität Stuttgart; Institut für Medienforschung und Urbanistik IMU, Berlin) beteiligt. Meyer, T. (2006a), S. 19. Vgl. Meyer, T. (2006a), S. 15 und S. 19 – 21. 267
Primäre Motive für eine international ausgerichtete Produktionsstandortentscheidung sind die Erschließung neuer Märkte sowie die Kostenreduzierung. Daneben existieren sekundäre Motive, die sich auf die Sicherung materieller Ressourcen (Beschaffung/Einkauf) und immaterieller Ressourcen (Wissen) beziehen. Des Weiteren sind die Risikominimierung und die Einhaltung staatlicher Auflagen („local-content“-Vorschriften) zu nennen. Standortfaktoren werden deshalb durch Prozessfaktoren (Inputmengen für einen Produktionsprozess) ergänzt. Letztere gewichten Standortfaktoren. Damit wird der bereits von Tesch kritisierten Tatsache Rechnung getragen, dass die Bedeutung einzelner Standortfaktoren bzgl. der Wirtschaftlichkeit eines Standortes nicht allgemeingültig festgelegt werden kann.946 Der mögliche Lösungsraum für die standortgerechte Gestaltung von Produktionsnetzwerken begrenzt sich durch die { für mehrere Produkte und Produktionsprozesse festzulegenden Kapazitäten (spezifische Prozessfaktoren) an den bestehenden sowie potenziellen Produktionsstandorten (unterschiedliche Standortfaktoren) { „Make or Buy“-Entscheidung (z. B. externe Fertigung durch Zulieferer) mit ggf. differierenden Faktorkosten, Produktivitäten etc. { auszuwählende standortgerechte Fertigungstechnik (die evtl. Änderungen der Produktkonstruktionen bedingt), d. h. die Implementierung alternativer Produktionsprozesse, unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeitsprämissen für das gesamte Netzwerk { festzulegenden Lieferbeziehungen, d. h. die Allokation von Märkten zu Produktionsstandorten, die Festlegung der internen Leistungsversorgung und der daraus resultierenden Transporte.947 { Innerhalb dieses Rahmens wird ein Vorgehensmodell zur integrierten Optimierung von Produktionsnetzwerken entworfen (siehe Abbildung 5.3.3.1).
946 947
Vgl. Meyer, T. (2006a), S. 22 ff. Vgl. hier und im Folgenden Meyer, T. (2006a), S. 97 – 134.
268
1 Crossfunktionale Analyse und Bewertung
• Marktentwicklung (qualitativ und quantitativ) • Aktivitäten von Wettbewerbern (Industrietrends) • Operative Anforderungen und Möglichkeiten • Risiken (finanziell und operativ)
2
3
Optimierung mit integriertem Prozessmodell
4 Analyse und Segmentierung Produktportfolio
Potenziale bestehender Werke
5
im Rahmen der Neugestaltung nicht zwingend erforderlich (aber etwaig sinnvoll)
Aufzeigen von alternativen Produktionsprozessen
Modell-Validierung durch Simulation des IST-Zustandes (base case)
6 Entwicklung Ziel-Szenario (idealtypische Struktur mit minimalen total landed costs) 7 Planung der Migration und Optimierung der Wirtschaftlichkeit (Maximierung Kapitalwert) 8 Implementierung und Management
• Anwendung von best practices bei Aufbau/ Restrukturierung von Standorten • Globale Beschaffung und SCM-Excellenz
Abb. 5.3.3.1: Vorgehen zur Entwicklung und Umsetzung eines strategischen Standortkonzeptes [Quelle: Meyer, T. (2006a), S. 100]
Die Standortbewertung beginnt mit der Analyse der Rahmenbedingungen, die neben der Berücksichtigung der aktuellen Entscheidungsparameter und deren Entwicklung auch das Wettbewerbsumfeld sowie Opportunitäten und Risiken der einzelnen Standorte, Produkte bzw. Geschäftsbereiche bewertet. Die Analyse stützt sich auf fünf Indikatoren: (1) neue Märkte und Absatzverlagerung (2) Fähigkeiten [Fähigkeiten des Wettbewerbs und von Clustern, lokale Fähigkeiten (Qualifikationsniveau der Facharbeiter etc.)] (3) Umsatz- und Kostenanteile je Region (Ausgewogenheit zwischen den Währungszonen) (4) Änderung der Standortstruktur von Wettbewerbern (bestehende Wettbewerber und potenziell neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern) (5) signifikanter und nachhaltiger Preisverfall und Anstieg des Importanteils am inländischen Verbrauch.
269
Der zweite Schritt des Vorgehensmodells dient der Potenzialbestimmung bestehender Standorte.948 Mit der Segmentierung des Produkt- und Prozessportfolios (dritter Schritt) kann die wirtschaftliche Bewertung der Standortkonfigurationen vorgenommen werden. Das unter viertens angesprochene Aufzeigen von alternativen Produktionsprozessen wird ebenso wie die Potenzialerhebung unter zweitens als nicht zwingend erforderlich eingeordnet. Im Rahmen des fünften Schrittes erfolgt die Validitätsprüfung des Prozessmodells. Es wird vorgeschlagen, die im Modell berechneten Gesamtkosten der Produktion den tatsächlichen Kosten gegenüberzustellen, um so eine hinreichend genaue Realitätsabbildung zu erreichen. Daran anschließend erfolgt die Erstellung des eigentlichen strategischen Standortkonzeptes in den Schritten sechs und sieben. Mit der auf einer Kostenvergleichsrechnung aufbauenden Optimierung des Produktionsnetzwerkes wird die idealtypische Struktur abgebildet. Dabei sind die folgenden Fragen zu beantworten: (1) Wo ist der optimale Standort für welchen Fertigungsumfang für welches Produkt? (2) Welche Implikationen sind sowohl für die eigenen Werke als auch für die der Zulieferer zu erwarten? (3) Wie sehen die Kostenpositionen eines optimalen Produktionsnetzwerkes aus? Auf dieser Basis erfolgen die Planung der Migration sowie die Optimierung der Verlagerung unter Einhaltung wirtschaftlicher Prämissen. Der letzte Schritt bezieht sich auf die operative Umsetzung auf der Ebene der einzelnen Standorte (Werke) und die fortlaufende Koordination des Produktionsnetzwerkes. Erklärungsgehalt für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit Das von Meyer entwickelte integrative Vorgehensmodell zur Bestimmung der optimalen Standortkonfiguration in Produktionsnetzwerken erfasst eine Vielzahl von Aspekten (bspw. die total landed costs), die einen fundierten Standortentscheidungsprozess erlauben. Damit wird insbesondere gegenüber früheren Ansätzen ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung praxisorientierte Applikation der Standortentscheidungsproblematik vollzogen. In diesem Zusammenhang ist
948
Dieser Ansatz geht auf Kinkel zurück; vgl. Kinkel, S./Buhmann, M. (2004), S. 39 f. Für eine detaillierte Darstellung vgl. Jung Erceg, P. (2004), S. 131 – 161.
270
die auf die betriebswirtschaftliche Praxis ausgerichtete Ausgestaltung der Instrumente und Vorgehensweisen sehr positiv zu beurteilen.949 Obwohl Meyer neben intra- auch interorganisationale Wertschöpfungsbeziehungen anspricht, werden letztere im weiteren Verlauf nicht explizit thematisiert. Verschiedentlich wird auf die Bedeutung der Zulieferstrukturen verwiesen, ohne diesem Aspekt entscheidend nachzugehen.950 So wird auch allgemein die Bedeutung von Clustern benannt, allerdings nur auf die eventuell notwendige zumindest jedoch vorteilhafte Partizipation in einem Cluster hingewiesen. Dabei wird indes nicht die eigene Zulieferstruktur eines Unternehmens thematisiert. Der Fokus richtet sich klar auf die Optimierung der verschiedenen Produktionsstandorte eines Unternehmens und verfolgt demnach primär eine intraorganisatorische Sichtweise des Standortentscheidungsprozesses. Eine Einbindung der Zulieferer in diesen Prozess erfolgt nur insofern, als das die Implikationen der eigenen Standortentscheidungen auf die Zulieferstrukturen Beachtung finden sollen. 5.3.3.2 Der Ansatz des Verbundprojektes BESTAND951 Ausgehend von der Erkenntnis, „[…] dass internationale Standortentscheidungen zu selten zur Verbesserung der strategischen Positionen deutscher Unternehmen im globalen Wettbewerb beitragen“952,
entwickelt das Verbundprojekt BESTAND sechs neue Instrumente zur Stand-
949
950
951 952
Die praxisorientierte Ausgestaltung ergibt sich vor allem in der u. a. auf Meyers Arbeit basierenden Veröffentlichung „Handbuch Globale Produktion“ von Abele, E. et al., die wesentlich umfangreicher ist. Vgl. Abele, E. et al. (2006). „Die hohen Anforderungen an Systemlieferanten, die eine geringe eigene Fertigungstiefe des OEM erst ermöglichen, kann beim Aufbau von Produktion im Ausland eine Rückverlagerung von Fertigungsschritten in die Verantwortung des OEM erforderlich machen, wenn entsprechend hoch qualifizierte Zulieferer in der Zielregion nicht vorhanden sind.“ Meyer, T. (2006a), S. 5. „Zur Entscheidungsunterstützung bei der Bestimmung der Fertigungstiefe im Rahmen von Standortentscheidungen sowie bei der Minimierung von Risiken ist eine vollständige Erfassung der Lieferkette sowie der Kosten- und Umsatzverteilung je Unternehmen und Währungszone erforderlich.“ Vgl. Meyer, T. (2006a), S. 12. Vgl. grundlegend Kinkel, S./Lay, G. (2004), S. 415 – 440. Kinkel, S. (2004b), S. 4. 271
ortbewertung,953 die die bis dato herkömmlichen Ansätze verbessern bzw. erweitern sollen: (1) erfolgskritische Standortfaktorenableitung für verschiedene Internationalisierungsstrategien954 (2) „Historieninventur“955 (3) Bewertung von Optimierungspotenzialen am heimischen (deutschen) Standort956 (4) Schaffung von Transparenz hinsichtlich des Netzwerkbedarfs957 (5) dynamische Bewertung internationaler Standortalternativen958 (6) strategisches Standortcontrolling und -monitoring959. Die Kritik an konventionellen Instrumenten richtet sich darauf, dass { internationale Standortalternativen nur mit dem gewachsenen Istzustand des deutschen Standortes anstatt mit seinem potenziell optimierten Zustand verglichen werden, { der Netzwerkbedarf am jeweiligen Standort unterbelichtet in die Standortbewertung eingeht, { die dynamische Entwicklung potenzieller Standorte vernachlässigt bzw. der Standorterfolg nicht regelmäßig überprüft wird.
953
954 955 956 957 958 959
Es wird an anderer Stelle von den Forschern darauf verwiesen, dass die Entscheidung für oder gegen internationale Standorte eine Entscheidung unter Unsicherheit ist. Unsicherheit eins bezieht sich auf die Frage, welche Standortfaktoren wirklich erfolgskritisch sind und in diesem Zusammenhang die Unsicherheit darüber wie der Unternehmenserfolg von qualitativen Einflussfaktoren abhängt. Unsicherheit zwei bezieht sich auf exogene Faktoren (Wechselkurse, Lohnkosten etc.), die vom Unternehmen nicht oder nur bedingt beeinflussbar sind. Darüber hinaus besteht Unsicherheit drei bezüglich der zu erreichenden Performanceentwicklung für einen definierten Zeitraum und das letztendlich erreichbare Performanceniveau an einem Standort. Vgl. Buhmann, M. et al. (2004), S. 19 f. Vgl. Kinkel, S. (2004c), S. 49 – 73. Vgl. Jung Erceg, P./Lay, G. (2004), S. 91 – 102. Vgl. Jung Erceg, P. (2004), S. 131 – 161. Vgl. Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 185 – 207. Vgl. Buhmann, M./Schön, M. (2004), S. 253 – 276. Vgl. Kinkel, S. (2004d), S. 317 – 351.
272
Im Folgenden werden die für die Arbeit relevanten Instrumente eins und vier näher vorgestellt. Mit der erfolgskritischen Standortfaktorenableitung für verschiedene Internationalisierungsstrategien wird dem in dieser Arbeit betrachteten Aspekt der Standortentscheidung von Zulieferern im Sog von fokalen Unternehmen (automobilen OEM), d. h. der Internationalisierungsstrategie des Following Customer Rechnung getragen. Die Schaffung von Transparenz bezüglich des Netzwerkbedarfs thematisiert den eigentlichen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit – die interorganisationale Perspektive internationaler Standortentscheidungen. Erfolgskritische Standortfaktorenableitung für unterschiedliche Internationalisierungsstrategien960 Im Hinblick auf traditionelle Standortfaktorensystematiken, die sich auf die klassischen Produktions- und Marktfaktoren beschränken, erfolgt in diesem Ansatz eine Erweiterung um so genannte Performancefaktoren, also aktiv gestaltbare Indikatoren, die standortspezifisch die erreichbare Leistungsfähigkeit determinieren. Produktionsfaktoren (Input)
quantitativ
qualitativ
Marktfaktoren
quantitativ
qualititativ
Performancefaktoren (Output)
quantitativ
qualititativ
Produktionsfaktorkosten
Produktionsfaktorqualität
Absatzpotenzial
Marktattraktivität
Produktivität/ Herstellkosten
Innovationsfähigkeit
Produktionsfaktorverfügbarkeit
politische/ Rechtliche SO-Faktoren
Handelshemmnisse
Konkurrenzsituation
Prozessgüte
politische/ Rechtliche SO-Faktoren
Abgaben und Incentives
Infratruktur
Durchlaufzeiten
Produktqualität
Auflagen und Verfahren
Geospezifik
Gesamtwirtschaftliche Indikatoren
Soziokultur
Netzwerkbedarf • Bedarf an Kooperationen am jeweiligen Standort (in den Bereichen Produktion, Beschaffung, Marketing/ Vertrieb, Service, F&E, Aus- und Weiterbildung, Standortentwicklung) • unausgeschöpfte Potenziale vorhandener Netzwerke Kosten für den Netzwerkaufbau
Abb. 5.3.3.2: Die BESTAND-Standortfaktorensystematik [Quelle: Kinkel, S. (2004c), S. 53]
960
Vgl. Kinkel, S. (2004c), S. 49 – 73. 273
Des Weiteren findet der Bedarf an funktionierenden Netzwerken als Querschnittsperspektive Eingang in den neu entwickelten Standortfaktorenkatalog (siehe Abbildung 5.3.3.2). Treffen Unternehmen internationale Standortentscheidungen, so müssen sie auf die Kompatibilität zwischen Internationalisierungsstrategie und grundlegender Wettbewerbsstrategie achten.961 Für die Überprüfung der Passgenauigkeit dient die in nachfolgender Tabelle 5.3.3.2–1 dargestellte Matrix.
Wettbewerbsstrategie
Motive internationaler Standortentscheidungen Erschließung v. Technologie/ Erschließung v. Following Absatzmärkten Customer Know-how Kostenreduktion
Kostenführerschaft
5
5
±
±
Qualitätsführerschaft
±
5
5
5
Technologieführerschaft
±
5
5
5
hohe Liefertreue, kurze Lieferzeiten
±
5
5
±
Flexibilitätsführerschaft bei der Produktanpassung
±
5
5
5
Legende: 5 Motiv passt grundsätzlich zur Strategie ± Motiv passt nicht zur Strategie
Tabelle 5.3.3.2–1: Matrix der strategischen Passfähigkeit von Internationalisierungsund Wettbewerbsstrategie [Quelle: Kinkel, S. et al. (2004), S. 25]
Die Matrix unterscheidet zwischen vier grundlegenden Motiven eines Auslandsengagements962 und zwischen relevanten Wettbewerbsstrategien. Für die Strategie des Following Customer lässt sich festhalten, dass mit ihr alle angeführten Wettbewerbsstrategien mit Ausnahme der Kostenführerschaft kompatibel sind. Bei dieser Konstellation setzen sich die dem Kunden folgenden Unternehmen der Gefahr aus, „[…] durch eine vorschnell ‚erzwungene’ Auslandspräsenz unbewusst Skalenund Lerneffekte am Stammsitz auf[zu]geben […], deren Verlust im Ausland ohne eingespielte Prozesse und lokale Netzwerke nur langsam kompensiert werden kann.“963
961 962 963
Vgl. Emmrich, V. (2002), S. 332 ff.; Dülfer, E. (2001), S. 136 f. Vgl. auch Rehfeldt, D. (2001), S. 32 ff.; Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 15 ff. Kinkel, S. et al. (2004), S. 26.
274
Es lässt sich eine interdependente Interessenkonstellation erkennen, die sich kaskadenförmig fortsetzt: Das fokale Unternehmen (OEM) benötigt die vorgelagerte Zulieferstruktur für die Aufrechterhaltung einer effizienten Wertschöpfungskette am neuen Standort und erzwingt die Präsenz derselben notfalls auf Basis einseitiger Machtverhältnisse. Die Zulieferunternehmen (in einer vereinfachten Annahme: Tier-1 Zulieferer) sind je nach Bedeutung des Schlüsselkunden auf die Geschäftsverbindung angewiesen und folgen dem Kunden mehr oder weniger freiwillig. Das Dilemma einer fehlenden Wertschöpfungsstruktur ist so zwar für das fokale Unternehmen gelöst, verlagert sich nun aber auf den jeweiligen Tier-1, der seinerseits auf bestehende Netzwerke am neuen Standort verzichten muss. Existieren zwischen dem Tier-1 und den ihm vorgelagerten Lieferanten (Tier-2) wiederum einseitige Machtverhältnisse, wird der Tier-1 die eigenen Zulieferer sehr wahrscheinlich aus ökonomischen Zwängen heraus zur Standortpräsenz drängen. Offensichtlich ist der Aufbau eines neuen internationalen Standortes selbst im Gefolge eines Großunternehmens für viele Zulieferer von mehreren Faktoren abhängig und kann auf Grund des konstitutiven Charakters einer Standortentscheidung964 nicht ohne weiteres getroffen und umgesetzt werden. Tabelle 5.3.3.2–2 zeigt die erfolgskritischen Standortfaktoren, die im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Following Customer relevant sind. Erfolgskritische Standortfaktoren für die Internationalisierungsstrategie Following Customer 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Bedeutung des Schlüsselkunden Belastbarkeit der zugesagten Abnahmemenge bzw. der Abnahmeprognose Unterstützungsleistungen des Kunden während des Produktionsanlaufs Zertifizierungs- und local-content-Anforderungen Fühlungsvorteile und neue Kooperationspotenziale mit dem Kunden, z. B. in der Produktentwicklung Entwicklungsfähigkeit des lokalen Marktes: Konzentration potenzieller Kunden und möglicher Brückenkopfeffekte 7. Kosten und gebundenes Kapital durch die Duplizierung von Anlagen 8. Verfügbarkeit und Fluktuation (Wechselneigung) entsprechend qualifizierter Arbeitskräfte 9. Koordinations- und Qualitätssicherungskosten 10. langfristige Auswirkungen (z.B. Gebundenheit) des „Folgens“
Tabelle 5.3.3.2–2: Erfolgskritische Standortfaktoren für die Internationalisierungsstrategie Following Customer [Quelle: Kinkel, S. (2004c), S. 65]
Als Erstes ist die mittel- bis langfristige Bedeutung des Kunden im Zielmarkt für das nachfolgende Unternehmen zu evaluieren. Ohne die vertragliche Fixierung verbindlicher Abnahmemengen bzw. -korridore sind Bedarfsschwankungen in beide Richtungen vom Zulieferer auszugleichen. Das kann einerseits zu 964
Siehe Kapitel 5. 275
einer Unterauslastung von Kapazitäten führen, während andererseits eine umgehende Nachinvestition zur Aufstockung von Kapazitäten seitens des fokalen Unternehmens erwartet wird. In diesem Zusammenhang sind auch langfristige Auswirkungen auf bestehende Wertschöpfungsbeziehungen, die sich aus der Bindung durch das Folgen ergeben, zu überprüfen. So besteht bspw. bei ungleichen Machtverhältnissen zu Gunsten des fokalen Unternehmens für den Zulieferer bei Nicht-Folgen zum neuen Standort die reale Gefahr, „Restriktionen“ bei bestehenden Geschäftsbeziehungen (d. h. an bestehenden Standorten) hinnehmen zu müssen. Im Gegensatz zu einer derartig machtbasierten Interessenausübung kann das fokale Unternehmen die Zulieferer mit garantierten Abnahmemengen am neuen Standort motivieren und damit auch eine sichere Bewertungsgrundlage gewährleisten. Darüber hinaus helfen Unterstützungsleistungen (bspw. im Umgang mit Behörden) den folgenden Unternehmen beim Aufbau eines neuen Standortes. Die Erfüllung von Zertifizierungs- und local-contentAnforderungen, die nicht von bereits am Standort vorhandenen Zulieferern erfüllt werden können, verbessern die Verhandlungsbasis der Zulieferer. Das fokale Unternehmen ist in diesem Fall mit der Erfüllung gesetzlich vorgeschriebener Forderungen konfrontiert, für die es auf die Präsenz eines Teils der vorgelagerten Wertschöpfungsstruktur angewiesen ist. Die Verhandlungsbereitschaft steigt unter diesen Umständen. So genannte „Fühlungsvorteile“ ergeben sich aus der unmittelbaren geografischen Nähe im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit, bspw. in der Produktentwicklung, aber auch bei der Optimierung der unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsprozesse. Je nach Wachstum des neuen Marktes können auch für die nachfolgenden Unternehmen zusätzliche Markterschließungs- und Kostensenkungspotenziale realisiert werden, so z. B. durch die Belieferung weiterer im Markt präsenter Kunden965. Hinsichtlich der notwendigen Duplizierung von Maschinen und Anlagen gilt es bei jeder Standortentscheidung kritisch zu prüfen, ob und ab wann eine Amortisation der Investition zu erwarten ist. Im Einzelfall kann eine fortgeführte Leistungserstellung am bisherigen Standort sowohl für den Zulieferer als auch für das fokale Unternehmen von Vorteil sein. Das ist dann der Fall, wenn die entstehenden höheren Fixkosten nicht durch die erhofften Skaleneffekte aus den zusätzlichen Stückzahlen kompensiert werden. In Abhängigkeit vom technologischen Niveau der Wertschöpfungsprozesse gilt es zu überprüfen, ob entsprechend qualifiziertes Personal in ausreichendem Umfang vorhanden ist, wobei auch die Fluktuation, d. h. die Wechselneigung angelernter/gut ausgebildeter Arbeitskräfte zu evaluieren ist, die einen nicht zu unterschätzenden Kostentreiber darstellt (Qualitätssicherungs-, Koordinations-, Anlaufkosten etc.).966
965 966
Siehe das in Abschnitt 5.6 angeführte Beispiel der Hella KGaA Hueck & Co. Siehe auch Abschnitt 5.5.2 und 5.5.5.
276
Schaffung von Transparenz hinsichtlich des Netzwerkbedarfs967 Vorab gilt es darauf hinzuweisen, dass der Netzwerkbegriff mit Bezug auf Abschnitt 3.2 im engeren Sinne verstanden wird, d. h. die (vorwiegend, aber nicht ausschließlich vertikale) interorganisationale Wertschöpfung im Netzwerk. Davon abzugrenzen ist die „[…] flexible[…], aber nachhaltige […] Einbindung von Unternehmen in die Gestaltung problemadäquater Rahmenbedingungen durch lokale und regionale Netzwerke von KMU und anderen Partnern wie zum Beispiel intermediären Organisationen und dem politisch-administrativen System.“968
Bezüglich wirksamer regionaler Kooperationen für die interorganisationale Wertschöpfung wird explizit der „[…] ‚Prozess’ der Herausbildung von Vertrauen, der das Entstehen eingespielter, partnerschaftlicher Beziehungen in gewachsenen Auftragsbeziehungen, mit einschätzbarer Qualität und Liefertreue mit sich bringt […]“969
hervorgehoben. Nur auf einer vertrauensvollen Basis, so die Aussage der teilnehmenden Unternehmen des Forschungsprojektes, sei eine nachhaltige Wirksamkeit von Kooperationen zu ermöglichen. Dabei gehen die Effekte der Kooperation weit über die herkömmliche Optimierung der Wertschöpfungskette hinaus. So können bestimmte Standortfaktoren auch solche die herkömmlich als „hart“ und damit unveränderbar gelten beeinflusst werden. Standortfaktoren sind vor diesem Hintergrund in solche zu unterteilen, die durch regionale Kooperationen verbesserbar bzw. nicht oder allenfalls langfristig verbesserbar sind (siehe Tabelle 5.3.3.2–3). Mit dieser Unterteilung gelingt eine pragmatische Einschätzung des beeinflussbaren Potenzials von Kooperationen am neuen Standort.
967 968 969
Vgl. Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 191 – 205. Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 190. Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 191. 277
Standortfaktoren
Produktionsfaktoren (Input)
Marktfaktoren
Performancefaktoren (Output)
durch regionale Kooperationen verbesserbar - Kosten, Qualität und Verfügbarkeit von Material, Vorleistungen und Lieferanten - Fachkräftequalität und -verfügbarkeit - Transportkosten - Bekanntheitsgrad, Image, Attraktivität für Kunden - Marktmacht, Marktzugang und Zugriff auf Vertriebskanäle
- Produktivität/Kapazitätsauslastung - Angebotsflexibilität - Auftragsabwicklungszeiten - Innovationsfähigkeit (Produkt, Prozess, Technologie)
durch regionale Kooperationen nicht oder nur langfristig verbesserbar - Lohn- und Gehaltsniveau - Infrastruktur - politische Stabilität - Soziokultur, Sprache - etc. - Marktgröße, -wachstum - Kundenbedürfnisse - Kaufkraft - Handelshemmnisse, Zölle, „Local Content“ - etc. - Technologieniveau - Wirtschaftliches Umfeld - Wechselkurs, Inflation - Steuern, Abgaben, Subventionen - etc.
Tabelle 5.3.3.2–3: Durch regionale Kooperationen verbesserbare Standortfaktoren [Quelle: Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 193]
Zur Identifizierung und Bewertung von Kooperationspotenzialen wird eine dreistufige Vorgehensweise vorgeschlagen. In einem ersten Schritt sind erfolgskritische regionale Standortfaktoren zu identifizieren, die sich als Schnittmenge aus den im Rahmen der erfolgskritischen Standortfaktoren für die jeweilige Internationalisierungsstrategie (siehe Tabelle 5.3.3.2–2) und den durch regionale Kooperationen verbesserbaren Standortfaktoren (siehe Tabelle 5.3.3.2–3) ergeben. Die Auswahl sollte sich auf wirklich kritische Faktoren beschränken und maximal zwölf spezifische Produktions-, Markt- oder Performancefaktoren umfassen, die bezüglich der einzelnen Wertschöpfungsstufen (Beschaffung, F&E, Produktion etc.) evaluiert werden. Im zweiten Schritt sind die Netzwerkpartner an bestehenden Standorten zu erfassen. Es ist dann zu bewerten, welche Leistungsumfänge an einem neuen Standort unabdingbar sind. Damit wird deutlich, welche Netzwerkunternehmen auch am neuen Standort existenziell sind. Kosten des alternativen Netzwerkaufbaus (d. h. der Aufbau neuer Netzwerkpartner für kritische Leistungsumfänge) sind daraufhin mit in die Bewertung aufzunehmen, wenn entscheidende Wertschöpfungspartner und deren Leistungsumfänge nicht an den neuen Standort verlagert werden können. Wichtig ist, dass bei der Bestandsaufnahme bestehende Kooperationen nicht „[…] als selbstverständlich und damit nicht als ‚kritisch’ für den Standort [wahrgenommen werden; T. S.]. Die Wahrnehmung des dadurch angebotenen Zulieferer- und Dienstleistungsspektrums, der damit verbundenen Funktionen
278
und ihrer Bedeutung für das Unternehmen sind so selbstverständlich, weil ‚alltäglich’ geworden, dass das gesamte Beziehungsgeflecht nur dann wieder in das engere Blickfeld rückt, wenn die Routine gestört wird.“970
Im dritten Schritt gilt es, die Bewertung der Kooperationsmöglichkeiten anhand der zuvor identifizierten erfolgkritischen Standortfaktoren vorzunehmen (siehe Tabelle 5.2.3.2–4). Dabei wird sowohl das ausgeschöpfte Potenzial bei bestehenden als auch das realisierbare Potenzial für zukünftige Kooperationen mit Hilfe von Wirkungsketten abgeschätzt. Mit Hilfe einer einfachen Formel [genutztes Potenzial (GP) zu realistischer Potenzialobergrenze (OG) multipliziert mit dem geschätzten Wirkungsgrad (WG)] wird das unausgeschöpfte Potenzial (UP) berechnet: UP WG
OG GP
Die auf diese Weise erarbeiteten Ergebnisse dienen einerseits als Arbeitsgrundlage für die zielorientierte Planung und Umsetzung potenzieller Kooperationsmaßnahmen, andererseits der Erfolgskontrolle.
Standort-
entwicklung
Vertrieb
Bewertung Marketing/
Service
Produktion
F&E
Personal
Kooperationsfelder Beschaffung
Individuelle Potenziale zur Verbesserung von SOF durch Kooperation
ausgeschöpftes Potenzial in %
realisierbares Potenzial in %
Erfolgskritische Standortfaktoren
1) … 2) … 3) … 4) … 5) … 6) … 7) … 8) … 9) … 10) … 11) … 12) …
Tabelle 5.3.3.2–4: Individuelle Potenziale zur Verbesserung von Standortfaktoren durch regionale Kooperationen [Quelle: Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 203]
970
Richter, U./Buchner, M. (2004), S. 202. 279
Abschließend sei noch eine kurze Evaluierung sowohl des Ansatzes als auch der Ergebnisse des Verbundprojektes BESTAND hinsichtlich des Erklärungsbeitrags für die in der vorliegenden Arbeit verfolgten Fragestellungen vorgenommen. Erklärungsgehalt für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit Die praxisorientierte Sicht- und Herangehensweise an die Thematik internationaler Standortentscheidungen ist als besonders positiv hervorzuheben. Zwar fokussiert das Forschungsprojekt mehr auf KMU und trifft damit nur teilweise die in dieser Arbeit vorwiegend betrachteten Unternehmen (OEM, Tier-1, Tier-2). Jedoch lassen sich die erarbeiteten Aspekte der Passfähigkeit von Internationalisierungs- und Wettbewerbsstrategie sehr gut auf große und sehr große Unternehmen übertragen. Insbesondere die Strategie des Following Customer trifft die hier untersuchte Problemstellung sehr genau. Sie wird in keinem anderen dem Autor bekannten Ansatz derart ausführlich thematisiert. Darauf aufbauend wird dem Netzwerkeffekt entsprechende Bedeutung eingeräumt. Damit einhergehend erfolgt die direkte Ansprache der Notwendigkeit zur interorganisationalen Zusammenarbeit. Dies wird bei vielen anderen Ansätzen vermisst. Der weiterführende Verweis darauf, bestehende Netzwerkeffekte nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern diese an bestehenden Standorten zu bewerten und das Bewusstsein zu schaffen, dass ihr Aufbau an neuen Standorten teilweise unumgänglich und mit Kosten verbunden ist, ist trotz der offensichtlichen Selbstverständlichkeit als herausragendes Ergebnis einzuordnen. Auch diesen Schluss zeigen andere Ansätze nur selten auf. Letztlich wird die Bedeutung des Vertrauensprozesses für die interorganisationale Wertschöpfung hervorgehoben. Kritisch ist dagegen der heuristische Ansatz zur Abschätzung des unausgeschöpften Potenzials bzgl. bestehender und zukünftiger Kooperationen zu beurteilen. Allerdings zwingt diese Vorgehensweise im Vorfeld zumindest zur Auseinandersetzung mit dem Aspekt der interorganisationalen Wertschöpfung, was in jedem Fall positiv zu bewerten ist. Die Alternative, diese Thematik (wie in anderen Ansätzen) zu negieren, erscheint als keine nachhaltige Vorgehensweise. Letztlich erfolgt aber auch hier keine direkte Einbindung der Zulieferstruktur in den Standortentscheidungsprozess. Als Fazit kann festgehalten werden, dass dieser Ansatz die in der vorliegenden Arbeit aufgeworfene Problemstellung der interorganisationalen Standortentscheidung im Wertschöpfungsverbund im Vergleich zu anderen Arbeit am weitesten thematisiert und berücksichtigt.
280
5.4 Der Standortentscheidungsprozess Die Literatur zu Prozessmodellen bezüglich (internationaler) Standortentscheidungen gestaltet sich vielfältig.971 Grundsätzlich basieren fast alle Modelle zumindest implizit auf einem Phasen-Schema. Die vier Hauptphasen lassen sich unterteilen in (1) Initiierung/Anstoß (2) Suche (3) Bewertung und (4) Entscheidung. Hinsichtlich der inhaltlichen Zuordnung einzelner Aspekte zu den vier Phasen divergieren die Ansätze teilweise erheblich voneinander. Darüber hinaus werden kontextgebunden zusätzliche Phasen für die Entscheidungsbegleitung, Realisierung und Kontrolle ergänzt. Abbildung 5.4 zeigt den Prozess bezogen auf die sukzessive geografische Eingrenzung bei der Standortauswahl.
971
Nachfolgende Literaturangaben stellen lediglich eine Auswahl dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Vgl. bspw. Meyer, T. (2006a), S. 42 ff.; Hummel, B. (1997), S. 157 ff.; Truijens, T. (1993), S. 201 ff.; Lüder, K./Küpper, W. (1983), S. 166 ff.; Küpper, W. (1982), S. 440 ff.; Förtsch, H.-J. (1973); S. 110 ff.; Aharoni, Y. (1966), S. 42 ff. Die einzelnen Modelle werden in dieser Arbeit weder einzeln vorgestellt, noch evaluiert. Für einen Überblick des Phasenschemas von Aharoni siehe Abschnitt 5.5.2. 281
Vorauswahl auf der Ebene von Kontinenten/ globalen Regionen
Auswahl auf Landesebene
Washington Maine MontanaNorth Minnesota Dakota Vermont Oregon New Hampshire Idaho Wisconsin South Dakota York Massachusetts Wyoming Rhode Island MichiganNew Connecticut Pennsylvania Iowa Nevada New Jersey Nebraska Ohio Indiana Utah Illinois West Maryland Colorado California Virginia Virginia Kansas Missouri Kentucky North Carolina Tennessee Arizona Oklahoma South New Mexico Arkansas Carolina Alabama Georgia Mississippi Texas Louisiana
USA
Florida
Vorauswahl auf der Ebene von lokalen Regionen („Long-List“ ca. 10 – 30 Standorte)
lokale Vorauswahl („Short-List“ ca. 3 – 5 Standorte)
South Carolina
Spartanburg
endgültige lokale Standortwahl BMW Manufacturing Co. P.O. Box 11000 Spartanburg, SC, 29304-4100, USA
Abb. 5.4: Sukzessive geografische Eingrenzung der Standortwahl am Beispiel BMW 972 Spartanburg
BMW begann im Rahmen der weltweiten Vorauswahl nach eigenen Angaben mit insgesamt 250 möglichen Standorten.973 Ein Standort in den USA stellte sich aus mehreren Gründen als bevorzugte Option heraus. Zum einen wurde der Größe des Landes respektive des Marktes Rechnung getragen. Des Weiteren war es die Trendsetter-Funktion innerhalb der weltweiten Automobilindustrie, die das Unternehmen einen US-basierten Standort präferieren ließ. Der letztendliche Standort in Spartanburg, South Carolina, bietet gleich mehrere Vorteile.
972
973
Als Quellen der Bilddateien vgl.: South Carolina: http://www.lib.utexas.edu/maps/ united_states/south_carolina_90.jpg; Abruf:12.11.2006 Spartanburg Region: http://www.sciway.net/maps/cnty/spartanburg.html; Abruf: 12.11.2006; BMW Werk Spartanburg: http://www.fgould.com/images/img/ BMW-Spartanburg_1.jpg; Abruf: 12.11.2006. Vgl. Kotler, P. et al. (1994), S. 155.
282
Die Entfernung zum nächstgelegen atlantischen Tiefseehafen ist lediglich zwei bis drei Fahrtstunden vom eigenen Standort entfernt, das Eisenbahnnetz verbindet den Standort mit der Westküste der USA, was diverse logistische Vorteile mit sich bringt. Darüber hinaus überzeugte ein großzügiges öffentliches System der technischen Ausbildung und der Personalrekrutierung, das BMW eine kostenlose Qualifizierung durch den Staat bietet. Weitere attraktive Vergünstigungen des Bundesstaates und der Bezirksregierung wurden u. a. bei Steuern, Transport und Landerwerb gewährt. Somit war es die Kombination aus niedrigen Arbeits-, Land- und Lebenshaltungskosten, einer entwickelten Infrastruktur und aggressiven Vergünstigungen, die BMW zur finalen Standortwahl veranlassten.974 Die Entscheidung für einen finalen Standort ist geprägt durch vorausgehende Entscheidungen gegen andere Standorte (Negativselektion). Der Informationsbedarf für die unterschiedlichen Betrachtungsebenen resultiert aus den jeweils relevanten Standortfaktoren975. So sind auf der Ebene einer globalen Vorauswahl andere Standortfaktoren von Bedeutung als für die Auswahl des finalen Standortes aus einer „Short List“ (siehe Tabelle 5.4). (geografische) Betrachtungsebene
Primär relevante Einflussfaktoren
auf der Ebene von Kontinenten/ globalen Regionen (Nordamerika, NAFTA etc.)
- politische Stabilität/Zugang - geografische Lage/Transportkosten u. -zeiten - Mindestanforderungen hinsichtlich Markt, Infrastruktur oder Kosten
auf Landesebene (USA)
- Arbeitskosten und sonstige Faktorkosten - Marktgröße, -wachstum, Kundenanforderungen - Logistikkosten (inklusive Zölle) - Steuern und Subventionen - Verfügbarkeit Fachkräfte und Know-how
auf der Ebene lokaler Regionen „Long-List“; (Bundesstaaten etc.)
- lokale Arbeitskosten, Personalverfügbarkeit, Qualifikation - geografische Lage und Anbindung
auf lokaler Ebene „Short-List“; (Gemeinden/Städte etc.)
- lokale Arbeitskosten, Personalverfügbarkeit, Qualifikation - Preise für Land und Gebäude - Verfügbarkeit von Subventionen
Finale Standortwahl (Grundstück)
- detaillierte Vergleichsrechnung auf Basis aller relevanten Faktoren
Tabelle 5.4: Primär relevante Standortfaktoren zur Eingrenzung potenzieller Standorte auf unterschiedlichen geografischen Betrachtungsebenen [Quelle: In Anlehnung an Meyer, T. (2006b), S. 42]
974 975
Vgl. Martin, S. B. (1999), S. 65 f. Für eine Diskussion hauptsächlich relevanter Standortfaktoren siehe Abschnitt 5.5. 283
Die Anzahl der anfänglich in Frage kommenden Standorte auf Landesebene kann bei einer gründlichen Vorauswahl große Dimensionen annehmen. So untersuchte bspw. Volkswagen ca. 70 Standorte in Russland zwischen St. Petersburg, dem Ural und dem Schwarzem Meer, bevor sich der OEM für den Standort Kaluga, südwestlich von Moskau, entschied.976 Es wird ersichtlich, dass diese Anzahl an Standorten nur im Rahmen einer Vorauswahl mit groben Bewertungsmethoden wie z. B. Checklisten bewältigt werden kann. Eine genaue Wirtschaftlichkeitsrechnung mit detaillierten Implikationen ist nicht zu leisten.
976
Vgl. http://www.produktion.de/news/13/4caaab35d0e.html, Meldung vom 29.05.2006.
284
5.4.1 Standortbewertungsverfahren im Überblick Die angesprochenen Standortfaktoren bedürfen einer Bewertung, um so letztlich die Entscheidung für einen bzw. gegen andere Standorte zu unterstützen. Dafür stehen unterschiedliche Bewertungsverfahren zur Verfügung, die zwischen rudimentär und sehr detailliert variieren. Tabelle 5.4.1 gibt einen groben Überblick über die gängigsten Bewertungsverfahren. Bewertungsverfahren zur Standortentscheidung Checklistenverfahren
- Checklisten - Ausschlusskriterien - vergleichende Darstellung
Scoringverfahren
- Nutzwertanalyse - Profilmethode - Rangreihen-/Rangfolgeverfahren - Indexverfahren (Country-Ratings/Indikatoren zur Beurteilung des politischen Risikos)
Analytical Hierarchy Process Portfoliomethode Investitionstheoretische Verfahren
statisch
- Kostenvergleichsrechnung - Gewinnvergleichsrechnung - Rentabilitätsvergleichsrechnung - Amortisationsrechnung (statisch)
dynamisch
- Kapitalwertmethode - Interne Zinsfußmethode - Annuitätenmethode - Amortisationszeit (dynamisch)
Optimierungsverfahren
- kontinuierliche und diskrete Modelle zur Bestimmung einer oder mehrerer Betriebsstätten - Optimierung hinsichtlich einer Zielgröße (Transportkosten/Gewinn etc.) - simultane Planungen der Standorte mit weiteren Unternehmensfunktionen - Modelle zur Standortbestimmung in der Ebene - Standortentscheidungsmodelle für Ein- und Mehrproduktunternehmen - Global Supply Chain Model
Simulationsverfahren
Tabelle 5.4.1: Bewertungsverfahren zur Standortentscheidung im Überblick 977
[Quelle: In Anlehnung an Hummel, B. (1997), S. 241 – 299]
977
Für eine kompakte Darlegung der einzelnen Verfahren und deren kritische Würdigung vgl. Hummel, B. (1997), S. 241 – 299; siehe auch die dort angegebene weiterführende Literatur. Siehe auch Blohm, H. et al. (2006), S. 41 ff. 285
Die Bewertungsverfahren qualifizieren sich für einzelne geografische Entscheidungsebenen. Indexverfahren (Country-Ratings) sind bspw. auf der Ebene von Kontinenten/globalen Regionen respektive Ländern sinnvoll, während für die finale Grundstückswahl eine Rentabilitätsvergleichsrechnung sinnvoll ist. Dabei ist jedoch keine eineindeutige Zuordnung der Verfahren möglich. Es stehen mehrere Bewertungsverfahren für die unterschiedlichen Ebenen zur Verfügung, und es obliegt der individuellen Auswahl, welches Verfahren zur Entscheidungsunterstützung/-findung herangezogen wird. So können bspw. sowohl die Portfoliomethode als auch Indexverfahren auf der Ebene Kontinente/globale Regionen respektive Länder oder auf Grundstücksebene die Rentabilitätsvergleichsrechnung (statisch) und die Kapitalwertmethode (dynamisch) eingesetzt werden. Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit gilt es zu klären, inwieweit es mit den herkömmlichen Standortbewertungsverfahren möglich ist, eine im Wertschöpfungsverbund, d. h. unternehmensübergreifende Standortentscheidung zu treffen. Dahingehend lässt sich postulieren, je allgemeingültiger (d. h. je weniger unternehmensspezifisch) sich der notwendige Input eines Standortbewertungsverfahrens ausgestaltet, desto eher kann das Verfahren einer interorganisationalen Entscheidungsfindung dienen. Country-Ratings sind ein Beispiel für die relativ unproblematische unternehmensübergreifende Anwendung der Ergebnisse. Ergibt ein Country-Rating, das Land A im Vergleich zu Land B eine größere politische Stabilität aufweist und damit die zu tätigenden Investitionen einem geringeren Risiko (z. B. durch Verstaatlichung) unterliegen, so ist diese Aussage sowohl für Unternehmen 1 als auch für Unternehmen 2 bei ansonsten identischen weiteren Bewertungsfaktoren dahingehend zu interpretieren, in Land 1 zu investieren. Selbst unterschiedliche Risikopräferenzen der beiden Unternehmen lassen keine Zweideutigkeit bei der Ergebnisinterpretation und der daraus resultierenden Handlungsalternative zu.978 Die unternehmensübergreifende Praktikabilität ist jedoch bei den wenigsten Verfahren gewährleistet. Am Beispiel der Nutzwertanalyse als ein relativ einfaches Bewertungsverfahren zur Standortentscheidung wird nachfolgend die Problematik der unternehmensübergreifenden Anwendung dargelegt. Nachfolgende Formel zeigt die Berechnung des Gesamtnutzenwertes einer Standortalternative:
978
Dies gilt nur unter der gesetzten Prämisse, dass die weiteren Bewertungsfaktoren identisch sind. Andernfalls kann sich eine Situation ergeben, in der Unternehmen A trotz des höheren Risikos in Land 2 investiert, weil das dort bestehende Risiko im Verhältnis zu den höheren Gewinnchancen anders gewichtet wird als in Unternehmen 2.
286
m
(1)
SNW
j
¦n g ij
i
i
mit SNWj = Standortgesamtnutzenwert SNW des Standortes j nij = Teilnutzen des Standortfaktors i am Standort j mit i = 1, …, m gi = Gewichtung des Teilnutzens des Standortfaktors i
(2)
g n 1 r i
mit ri
i
= Rangziffer
979
mit i = 1, …, n
Die so gewonnenen Standortgesamtnutzenwerte sind miteinander zu vergleichen. Führen zwei Unternehmen die Nutzwertanalyse jeweils für die Standorte A und B durch, ist das Ergebnis nicht zwangsläufig das gleiche. Dies resultiert u. a. aus den eingehenden Standortfaktoren. Es ist durchaus möglich, das Unternehmen 1 Standortfaktoren in die Bewertung einfließen lässt, die Unternehmen 2 als irrelevant betrachtet und nicht bewertet. Selbst bei gleichem Standortfaktoreninput können sich Unterschiede durch abweichende Gewichtung der jeweiligen Faktoren ergeben. Dies ist umso wahrscheinlicher, je mehr Standortfaktoren in die Bewertung einfließen und je mehr Entscheidungsträger in jedem Unternehmen beteiligt sind. So trivial die Aussagekraft obiger Hypothese bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen mag, so klar lässt sich daraus ein Fazit für den Untersuchungsgegenstand der Standortentscheidung im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund ableiten: Wenn eine unternehmensübergreifende Standortentscheidung bereits mit einem so einfachen Verfahren wie der Nutzwertanalyse versagt, sind die im Vergleich dazu detaillierteren und unternehmensspezifischeren Standortbewertungsverfahren (bspw. dynamische investitionstheoretische Verfahren) noch weitaus weniger geeignet. Es kann demnach festgehalten werden, dass internationale Standortentscheidungen im Unternehmensverbund durch eine unternehmensübergreifende Anwendung bekannter konventioneller Standortbewertungsverfahren nicht zu realisieren sind. Eine Unternehmensgrenzen überschreitende Zusammenarbeit kann
979
Mögliche Gewichtungsverfahren stellen die direkte bzw. indirekte Intervallskalierung dar. Bei der direkten Intervallskalierung werden den Zielkriterien Werte auf einer Intervallskala zugeordnet, wobei die Wertabstände die Präferenzunterschiede des Entscheidungsträgers widerspiegeln. Bei der indirekten Intervallskalierung sind die Zielkriterien unter der Annahme gleicher Präferenzdistanzen in eine Rangfolge zu bringen, wobei dem wichtigsten Zielkriterium der Rang 1 usw. zugeordnet wird. Eine anschließende Normierung der Gewichte auf 1 bzw. 100 ist sinnvoll. Vgl. Blohm, H. et al. (2006) S. 153 ff. 287
allerdings im Rahmen der Informationsbeschaffung erfolgen, um auf diese Weise Kosten für die beteiligten Unternehmen zu sparen. Auch ein Austausch über die bewerteten Standortfaktoren und der ihnen zugemessenen Gewichtung kann ein Aspekt der interorganisationalen Kooperation sein. Letztlich obliegt es jedoch jedem am Standortentscheid beteiligten Unternehmen, diese Entscheidung autonom herbeizuführen. 5.4.2 Der Standortentscheidungsprozess vor dem Hintergrund verhaltenswissenschaftlicher Aspekte Ebenso wichtig wie die definierten Standortfaktoren und deren Evaluierung durch Standortbewertungsverfahren sind die sozialen Aspekte während des (intraorganisationalen) Entscheidungsprozesses. Im Folgenden wird deshalb auf den Entscheidungsprozess Aharonis980 rekurriert, der verhaltenswissenschaftliche Annahmen berücksichtigt und den ansonsten formal-analytischen Prozess praxisnäher beschreibt. Diese Darstellungsweise geht mit den im Rahmen der interorganisationalen Wertschöpfung in Netzwerken unterstellten Annahmen der vorliegenden Arbeit konform.981 Demnach dienen nicht ausschließlich Informationen der Entscheidungsfindung. Vielmehr ist es auch das soziale Netz, das für eine funktionierende Organisation sorgt.982 Der Entscheidungsprozess Aharonis gliedert sich in vier Phasen:983 (1) Phase des grundlegenden Inbetrachtziehens eines Auslandsengagements (2) Bewertungsphase (3) eigentliche Entscheidungsphase (4) Phase der Nachprüfungen und Verhandlungen Die erste Phase besitzt eine Schlüsselfunktion, die den gesamten Entscheidungsprozess beeinflusst. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die bis dato keine ausländischen Direktinvestitionen getätigt haben. Hohe Gewinnerwartungen allein reichen nicht aus, den Entscheidungsprozess zu starten, weil der Aufwand für die Bewertung als zu hoch erachtet wird. Begründet wird dies mit einem hohen Auslandsrisiko (Risiken werden über- und Chancen tendenziell un-
980 981 982 983
Siehe Abschnitt 5.1.4. Siehe Abschnitt 3.4.4.1. Siehe Abschnitt 3.1 und 4.5. Vgl. nachfolgend Aharoni, Y. (1966), S. 42 ff.
288
terschätzt), der grundlegenden Unternehmenspolitik oder vorhandenen inländischen Investitionsmöglichkeiten. Es bedarf deshalb zusätzlicher Anstoßkräfte, die sowohl inner- als auch außerhalb der Unternehmung auftreten können.984 So kann das nachhaltige Interesse des Top-Managements basierend auf Motiven wie Prestigestreben oder einer besonderen Beziehung zum Land als interne Anstoßkraft angeführt werden. Externe Anstoßkräfte gehen bspw. von der Angst aus, einen Exportmarkt zu verlieren,985 oder von einer starken Auslandskonkurrenz im heimischen Markt. Unterstützend können z. B. Aspekte wie die Nutzung abgeschriebener Produktionsanlagen am neuen Standort oder die Errichtung von Brückenköpfen für Nachbarländer des Investitionslandes wirken. Letztlich wird jedoch trotz vorhandener Initialkräfte keine grundlegende Evaluation von Investitionsmöglichkeiten im Ausland angestoßen, sondern es werden lediglich spezifische Investitionen in bestimmten Ländern analysiert. Wird in der ersten Phase die Grundsatzentscheidung für ein Auslandsengagement getroffen, beginnt in der zweiten Phase die Projektbewertung. Zeit- und Kostenrestriktionen führen dazu, dass die vorliegenden Informationen lediglich partiell genutzt werden.986 Der eigentliche Bewertungsprozess gliedert sich in mehrere Teile, wobei Kontrollen nach jedem Abschnitt installiert sind. Der Prozess beginnt mit der Abschätzung von Unsicherheit/Risiko der Auslandsinvestition (anhand grober Indikatoren), der Marktgröße sowie potenzieller Konflikte, die die Entscheidung im Hinblick auf die Unternehmenspolitik und vorhandene Ressourcen nach sich ziehen kann. In der Konstellation schwierig zu beschaffender Informationen und schwacher Initialkräfte ist es wahrscheinlich, dass der Prozess abgebrochen wird. Bei starken Initialkräften hingegen wird die Informationssuche verstärkt und eventuell werden bis dato als konstant angenommenen Variablen im Sinne einer Problemlösung/Zielfindung variiert/adaptiert. Mit dem Abschluss der Indikatorenprüfung steht eine weitergehende Informationsgenerierung und -evaluation vor Ort an. Die Phase wird mit der Ergebnispräsentation vor den zuständigen Entscheidungsträgern abgeschlossen. In der dritten Phase bedarf es der eigentlichen Entscheidung über das Auslandsengagement, wobei es hier zu Widerstand von bis dahin nicht eingebundenen Organisationsmitgliedern kommen kann. Konträre Auffassungen sind in der
984 985
986
Vgl. dazu auch Einem, E. v./Steffen, H. (1996), S. 56. Band-Wagon-Effekt: Unternehmen folgen einem Wettbewerber (Lead-Unternehmen) ins Ausland. Somit basiert der Entscheidungsprozess nur auf einem bestimmten Teil aller entscheidungsrelevanten Informationen: Mit den unterstellten verhaltenswissenschaftlichen Annahmen begründet sich die Tatsache, dass unvollkommene Information vorliegt, d. h. es können nicht alle entscheidungsrelevanten Informationen beschafft werden. Von den vorliegenden Informationen wird dann wiederum nur ein Teil herangezogen. 289
letzten Phase durch Verhandlungen und Nachprüfungen zu vereinheitlichen, was möglicherweise zu einer Änderung der ursprünglichen Beschlussfassung führt. Der Entscheidungsprozess selbst wird neben den erwähnten Initialkräften von weiteren Aspekten determiniert. So besteht die Tendenz, Spannungsverhältnisse innerhalb der Unternehmung zu vermeiden, indem Entscheidungsroutinen und übliche Vorgehensweisen beibehalten und bestimmte Lösungsansätze von Anfang an ausgeblendet werden. Darüber hinaus bestimmt neben der Art und Weise der Ergebnispräsentation auch der Fakt, dass die Entscheidungsvorbereiter nicht zugleich die Entscheidungsträger sind, die tatsächliche Entscheidung. Nicht zuletzt ist den zwischenmenschlichen Beziehungen der am Prozess beteiligten Akteure eine hohe Bedeutung beizumessen. Neben bereits erwähnten persönlichen Zielen sind es Verpflichtungen und Bindungen gegenüber Kollegen und Vorgesetzten, die bereits in der Vergangenheit bzw. während des Entscheidungsfindungsprozesses entstanden sind, denen Rechnung getragen wird. Der dargestellte Entscheidungsprozess trifft vor allem auf Unternehmen zu, die noch keine bzw. nur geringe Erfahrungen mit Auslandsinvestitionen besitzen. Auf Grund der Lernfähigkeit von Unternehmen987 sinken die Kosten der Informationssuche. Es erfolgt eine Wissensakkumulation bezüglich des Entscheidungsprozesses, und Risikoeinschätzungen relativieren sich. Mit den sich wandelnden operativen Schritten des Entscheidungsprozesses geht zugleich ein Wandel des strategischen Verhaltens einher. Das Unternehmen steht Direktinvestitionen offener gegenüber. Die durch Initialkräfte zu überwindenden Widerstände werden kleiner, und es findet eine Entwicklung hin zu einem multinationalen Unternehmen statt. Gemäß Aharoni bleiben die Phasen des Entscheidungsprozesses jedoch auch bei international agierenden Unternehmen erhalten. Eine gezielte, d. h. aktive Suche nach Investitionsmöglichkeiten im Ausland erfolgt nur bei Großunternehmen, während bei anderen Unternehmen der Zufallcharakter weiterhin vorhanden ist. 5.5 Entscheidungsrelevante Standortfaktoren Viele herkömmliche Standortfaktorenkataloge kennzeichnen sich durch fehlende branchen- sowie betriebsgrößenspezifische Aspekte ebenso wie durch die Nichtbeachtung von Motiven für Auslandsinvestitionen.988 Investitionsmotiv, Wirtschaftszweig, Art der hergestellten Produkte, Betriebsgröße und Ansiedungsform bedingen jedoch unterschiedliche Standortanforderungen. Daraus resultiert eine variierende Bedeutung der Standortfaktoren für die individuelle Standortentscheidung. Standortfaktoren bilden die Basis für die Standortbewertung.
987 988
Vgl. Aharoni, Y. (1966), S. 174 ff. Vgl. Pieper, M. (1994), S. 39.
290
Einen neuen Ansatz vertritt Meyer,989 der eine Unterteilung in Standortfaktoren (bspw. Arbeitskosten, geografische Lage etc.) und Prozessfaktoren (produktund produktionsbezogene Inputfaktormengen990 wie Arbeit, Energie, Kapital, Rohstoffe) vornimmt, wobei letztere die Standortfaktoren hinsichtlich ihrer Relevanz gewichten. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass Standorte an sich nicht als (un)attraktiv deklariert werden können, sondern sich die Attraktivität auf spezifische Wertschöpfungsumfänge für ein bestimmtes Produkt bezieht. Dieser Ansatz fokussiert im Gegensatz zu vielen theoretisch ausgelegten Standortfaktorenkatalogen auf wichtige Standortfaktoren und überzeugt damit durch seine hohe Praxisrelevanz und gute Anwendbarkeit. Mit der expliziten Beachtung von qualitativen Kriterien und dem Versuch, diese so weit wie sinnvoll zu quantifizieren, wird auch diesem Aspekt ausreichend Rechnung getragen. Im Folgenden werden die in diesem kontext aufgeführten Faktoren näher erläutert. 5.5.1 Marktfaktoren Für Unternehmen, die primär aus Gründen der Markterschließung Standortentscheidungen in Erwägung ziehen, ist die Abschätzung grundlegender Markttrends von hoher Bedeutung. Das prognostizierte Marktwachstum dient als Parameter zur Beurteilung der Attraktivität eines Marktes. In Märkten mit offensichtlicher (oder zumindest allgemein angenommener) hoher Attraktivität (wie z. B. China und Indien für die Automobilindustrie) entsteht dabei teilweise die paradoxe Situation, dass auf Grund der vielen in den Markt eintretenden Wettbewerber (OEM) nur die wenigsten Unternehmen mittelfristig nachhaltige Gewinne erzielen können. Wichtig zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch der Unterschied zwischen relativen und absoluten Wachstumsraten. Vor dem Hintergrund des sehr hohen Ausgangsniveaus erreichen die Länder der Triade991 mit ihren moderaten Wachstumsraten absolut noch immer weitaus höhere Zuwächse als Entwicklungs- und Schwellenländer. Letztere wachsen dagegen in Relation zu ihrer eigenen Ausgangsbasis (bspw. BIP) sehr viel dynamischer. Ein weiterer Aspekt zur Beurteilung der Marktattraktivität ist die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Sie nimmt maßgeblichen Einfluss darauf, wann einzelne Güter nachgefragt werden. So bedarf es eines BIP pro Kopf von US$ 800 bis 1.500, um nachhaltige Autokäufe zu etablieren. Erste Sättigungsgrenzen
989
990
991
Vgl. grundlegend Meyer, T. (2006b), S. 36 – 100 für die nachfolgende Diskussion der Abschnitte 5.5.1 – 5.5.5. Inputfaktormengen variieren hinsichtlich des Wertschöpfungsumfangs, der Produkteigenschaften und der Fertigungstechnik. Eine Änderung des Automatisierungsgrades kann bspw. zu einer Änderung der Inputfaktormengen führen. USA, Japan, EU. 291
zeigen sich bei ca. US$ 20.000.992 Daneben beeinflussen Faktoren wie die Nachfrageentwicklung und Einkommensverteilung die Wachstumsraten eines Landes. Wann der richtige Zeitpunkt für einen Markteintritt und damit für eine eventuelle Standortentscheidung (bei gewünschter Vor-Ort-Präsenz) ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Skaleneffekte einer Branche, Unternehmensgröße und Auftragsbezogenheit beeinflussen die individuelle Entscheidungssituation. Eine frühzeitige Präsenz im Markt ist zwar grundsätzlich zu befürworten, sichert hingegen nicht automatisch den langfristigen Unternehmenserfolg (siehe bspw. die aktuelle Situation von Volkswagen in China). Produktpräferenzen sind ebenfalls unter die Marktfaktoren einzuordnen und durch Unternehmen zu evaluieren. Weltweit einheitliche Kundenpräferenzen sind selten anzutreffen. Ein „Weltauto“ zu entwickeln, zu produzieren und erfolgreich am Markt zu vertreiben, gilt in der Automobilindustrie für Personenkraftwagen als sehr schwierig, da eben keine weltweit einheitlichen Kundenpräferenzen vorliegen.993 Erfolg versprechend ist vielmehr die von Toyota praktizierte Vorgehensweise, marktspezifische Fahrzeuge zu entwickeln, um regionalen/lokalen Präferenzen gerecht zu werden. Unternehmen müssen Kundenpräferenzen zunächst verstehen, bevor sie in einen Markt eintreten. 5.5.2 Faktorkosten – Arbeit, Kapital, Material Arbeit Unbestritten ist, dass neben der Markterschließung auch die Realisierung von Kostenvorteilen ein gängiges Motiv für internationale Standortentscheidungen darstellt.994 Wird allgemein von Kostenvorteilen gesprochen, bezieht sich dies zumeist implizit auf die Arbeitskosten bzw. direkten Lohnkosten. Dass die Arbeitskosten als wichtiges, aber nicht ausschließliches Kriterium zur Bewertung eines Standortes herangezogen werden können, wird im Folgenden darzulegen sein. Die Arbeitskostenunterschiede zwischen Höchst-/Hochlohnländern und Niedriglohnländern sind erheblich, wie Tabelle 5.5.2–1 zeigt.
992
993
994
Zum Vergleich: Ab ca. US$ 100 BIP pro Kopf kommt es zu einer verstärkten Nachfrage von Fernsehern, ab ca. US$ 300 BIP pro Kopf von Motorrädern. Vgl. Meyer, T. (2006b), S. 45. Für unterschiedliche Kundenpräferenzen hinsichtlich unterschiedlicher Automobiltypen siehe Abbildung A 6 im Anhang. So gilt bspw. der Standort Slowakei u. a. wegen seiner niedrigen Löhne als sehr attraktiv für Automobilunternehmen, d. h. OEM und Zulieferer gleichermaßen. ZF Sachs, ein führender deutscher Zulieferer für Getriebe und ebenfalls in der Slowakei ansässig, konstatiert, dass ein Mitarbeiter ca. ein Sechstel dessen kostet, was vergleichbar in Deutschland aufgebracht werden müsste. Vgl. o. V. (2005c), S. 28.
292
Arbeitskosten Länder
angelernter Arbeiter
erfahrener Facharbeiter
Höchstlohnländer, z. B. Deutschland
ca. 27 US$
ca. 36 US$
Hochlohnländer, z. B. Großbritannien
ca. 18 US$
ca. 24 US$
Osteuropäische EU-Beitrittsländer, z. B. Polen
ca. 5 US$
ca. 9 US$
Andere osteuropäische Länder, z. B. Rumänien
ca. 2 US$
ca. 4 US$
Asiatische Niedriglohnländer, z. B. China, Indien
ca. 1 US$
ca. 3 US$
Tabelle 5.5.2–1: Durchschnittliche Arbeitskosten je tatsächlicher Arbeitsstunde für einen angelernten Industriebeschäftigten (für 2004; bei langfristigen, durchschnittlichen Wechselkursen) [Quelle: Meyer, T. (2006b), S. 51]
Der Vergleich der absoluten Höhen der Einkommensniveaus lässt die Hypothese zu, dass eine signifikante Angleichung der aktuell stark differierenden Arbeitskosten in Niedriglohnländern an das Niveau von Hoch- bzw. Höchstlohnländern selbst in den osteuropäischen EU-Beitrittsländern erst in zwei bis drei Jahrzehnten zu erwarten ist.995 Für international tätige Großunternehmen sind landesweite Durchschnittswerte nur bedingt relevant, weil sich divergierende Arbeitskosten aus Unterschieden { in der Region – Ansiedlung von Großunternehmen bevorzugt in Ballungsgebieten, { in der Branche und damit im Qualifikationsniveau – komplexe Produkte und Technologien benötigen einen Pool entsprechend gut qualifizierter Arbeitskräfte, so dass i. d. R. ein Nachfrageüberhang existiert, der die Lohnkosten überdurchschnittlich steigen lässt, { im Image und der Beschäftigungspolitik – höhere Anspruchshaltung der Arbeitnehmer ggü. MNU im Vergleich zu lokalen Arbeitgebern; höhere Zahlungsbereitschaft der MNU, um somit der Fluktuation qualifizierter Mitarbeiter entgegenzuwirken, ergeben.996 Die Aussagen werden durch die in Tabelle 5.5.2–2 beispielhaft dargestellten Unterschiede innerhalb Chinas belegt. Es werden die unterschied995 996
Vgl. Sinn, W. (2005). Vgl. Meyer, T. (2006b), S. 33 ff. 293
lichen Lohnniveaus von Shanghai und Ningbo für diverse Mitarbeiterkategorien gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, die Kalkulation der Personalkosten muss nicht nur regionale Unterschiede, sondern auch Berufsgruppenunterschiede berücksichtigen, um das Szenario einer Standorteröffnung realistisch abzubilden. Es gilt darüber hinaus zu beachten, dass in diesem konkreten Beispiel Ningbo zwar nicht mit Shanghai vergleichbar ist, es sich jedoch um einen entwickelten Industriestandort handelt und nicht um unterentwickeltes Hinterland ohne Infrastruktur.997 Mitarbeiterkategorie
Ort
Assistentin zweisprachig
Shanghai
4.500 – 6.000
6.750 – 9.000
Ningbo
2.500 – 4.000
3.750 – 6.000
Shanghai
2.500 – 4.500
3.750 – 6.750
Ningbo
1.500 – 3.500
2.250 – 5.250
Shanghai
6.000 – 8.000
9.000 – 12.000
Ningbo
4.000 – 6.000
9.000 – 6.000
Ningbo
ab 12.000
ab 18.000
Universitätsabsolventen ohne Berufserfahrung
erfahrene Ingenieure
chinesische Manager
Bruttogehalt p. M. in RMB
Typische Kosten p .a. in EUR
Tabelle 5.5.2–2: Gehaltsbeispiele für verschiedene Mitarbeiterkategorien in Shanghai/ Ningbo [Quelle: In Anlehnung an Kasperk, G. (2006), S. 117]
Wie dargelegt, ist das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter ein ausschlaggebender Standortentscheidungsfaktor. Dies gilt sowohl für einfache Arbeiter als auch für kaufmännische Sachbearbeiter, Ingenieure und das Management. Insbesondere spezifische Qualifikationen korrelieren auch in Niedriglohnländern mit vergleichsweise hohen Lohnkosten.998 Dagegen sind die Lohnkostenunterschiede bei einfachen Arbeitern aus Sicht international agierender Großunternehmen nicht selten sekundär. So ist auch bei der automobilen Massenproduktion mit einer relativ großen Anzahl von Mitar-
997
998
Ningbo, an der Küste des Ostchinesischen Meeres, liegt etwa auf der Mitte der Ostküste Chinas, und durch den Hangzhou-Golf getrennt, steht es der internationalen Metropole Shanghai gegenüber. Es hat das Jangtse-Delta als Hinterland. Ningbo ist das Wirtschaftszentrum der Provinz Zhejiang und ebenfalls eines von Chinas wirtschaftlich am besten entwickelten Gebieten. Für nähere Informationen zur Region Ningbo vgl. http://www.china.com.cn/market/High/404780.htm, Abruf: 02.12.2006. Vgl. Liebeck, T. et al. (2006), S. 203.
294
beitern in der direkten Fertigung eine Lohnkostendifferenz von bspw. 20 Prozent zwischen einzelnen Standorten bei einer Basis von einem US-Dollar vernachlässigbar. Es können demzufolge Konstellationen entstehen, bei denen eine Standortentscheidung mehr von der Verfügbarkeit qualifizierten Personals als von den direkten Lohnkosten abhängig ist. Neben der absoluten Höhe der Lohnkosten ist zudem der Arbeitskostensatz, d. h. die Kosten pro effektiv gearbeitete Stunde zu betrachten. Hier gehen Faktoren wie Lohnnebenkosten, Unterschiede in der Wochenarbeitszeit, Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage ein. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Differenzen sind meist erheblich.999 Wichtiger als die direkten Lohnkosten für einfache Arbeiter erscheinen zudem die Kosten, die anfallen, um einen weitgehend reibungsfreien Produktionsanlauf und -verlauf zu garantieren. Hierunter sind insbesondere die im Nachfolgenden zu diskutierenden Standortfaktoren der Produktivität und Logistik zu subsumieren. Ebenfalls in die Standortkalkulation mit einzubeziehen sind die Kosten für Expatriates. Sie sind gerade beim Standortaufbau wichtig, wenn es darum geht, Prozesse zu definieren, zu etablieren und nachhaltig zu verankern. Die dabei entstehenden Personalkosten für Expatriates, die das Zwei- bis Dreifache der Mitarbeiterkosten in Deutschland betragen können,1000 sollten Unternehmen sorgfältig evaluieren. Bei nicht vermeidbarer Präsenz von Expatriates vor Ort sollten diese Mehrkosten nicht gescheut werden. Wird aus Kostengründen auf die ausreichende Präsenz ausländischer Mitarbeiter vor Ort verzichtet, kann dies zu massiven nachgelagerten Problemen (notwendige Nachbesserungen bei der
999
1000
Beispielhaft seien die Lohnnebenkosten in Form von Rückstellungen für die Gesundheitskosten der Automobilhersteller in den USA angeführt. Sie betragen teilweise über US$ 1.000 pro Fahrzeug. Das in Deutschland gezahlte Gehalt wird i. d. R. mit einem Lebenshaltungsfaktor des jeweiligen ausländischen Standortes multipliziert. Es ist zu beachten, dass bspw. Regionen wie Mumbai (Indien) mittlerweile bei den Lebenshaltungskosten westliche Metropolen übertreffen. Hinzu kommen Kosten für die Unterbringung des Expatriates und der Familie, Kindergarten- und/oder Schulkosten für die Kinder, je nach Land Kosten eines Fahrers, Flugkosten für diverse Businessflüge in das heimische Headquarter sowie Privatflüge für die Familie (i. d. R. ein bis zwei Flüge pro Jahr). In dieser Auflistung sind noch nicht so genannte „Handgelder“, das heißt Pauschalbeträge enthalten, die sich auf mehrere zehntausend Euro belaufen können. Ebenfalls außer Acht gelassen sind Gehaltsanhebungen, die sich auf das deutsche Grundgehalt beziehen (Faktor 1,5, 2 etc.) und nicht mit dem Lebenshaltungsindex zu verwechseln sind. Zusätzliche Kosten entstehen eventuell dann, wenn es sich um Notfälle der Expatriates im Ausland handelt. So gewähren Großunternehmen zumeist eine umfassende Krankenversicherung auf Unternehmenskosten, die eine 24-Stunden-Notfallversorgung umfasst und im Extremfall auch die sofortige Überführung in das Heimatland einschließt. 295
Produktqualität etc.) führen, die letztlich doch die Präsenz von Expatriates erfordert – nur zu einem späteren Zeitpunkt und in eventuell höherer Anzahl. Die daraus resultierenden Kosten (Personalkosten; direkte Kosten der Nachbesserung am Produkt, Kosten durch notwendige Prozessänderungen; Kosten, um Imageverluste wegen Qualitätsmängeln auszugleichen etc.) sind dann vergleichsweise hoch gegenüber den anfangs eingesparten Personalkosten. In einer integrierten unternehmensübergreifenden Betrachtung ist letztlich zu berücksichtigen, dass standortbedingte niedrige Personalkosten Auswirkungen über die Wertschöpfung des eigenen Unternehmens hinaus haben. Das Personalkostenniveau bestimmt bspw. auch die Preise für Zukaufteile und lokal zu beschaffende einfache Maschinen, die vor Ort erstellt werden.1001 Eine interorganisationale Perspektive ist folglich einzunehmen. Kapital Effektive Kapitalkosten sind im Rahmen von Abschreibungen bei der Standortbewertung zu berücksichtigen. Unterschiede ergeben sich bei gegebener Investitionssumme aus differierenden Abschreibungsfristen und -verfahren. Letztere dienen der steuerlichen Optimierung. Die daraus resultierenden Abschreibungssätze müssen sich in der Wirtschaftlichkeitsrechnung widerspiegeln. Zu tätigende Investitionen sind schwierig zu bewerten. Sie stellen ein grundlegendes finanzielles Risiko dar. Risiken (gesellschafts)politischer Art gefährden unter Umständen die Amortisation der Investition. Auch wenn in den meisten Ländern Osteuropas und Asiens eine Gefahr der Verstaatlichung von ausländischem Eigentum aus heutiger Sicht als unwahrscheinlich eingestuft werden kann, handelt es sich hierbei doch um ein latentes Risiko. Eine unternehmensseitig festzulegende Verzinsung des Eigenkapitals bzw. die Erwirtschaftung der Fremdkapitalzinsen sind nicht ausreichend, um diese Risiken abzudecken. Eine sinnvolle Herangehensweise ist die Berücksichtigung von landesspezifischen Kapitalkostensätzen (siehe Tabelle 5.5.2–3). Das Ausfallrisiko berechnet sich aus Parametern wie dem Kreditstatus und Indices zur politischen und sozialen Stabilität eines Landes. Auf diese Weise können die Kapitalkosten zumindest ansatzweise im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung berücksichtigt werden.
1001
296
Vgl. Liebeck, T. et al. (2006), S. 203.
Kategorie/Indices Rechnungslegung/
Land Finnland
Korruption
Rechtssystem
3
11
Wirtschaftspolitik
Unternehmensführung
23
17
Rating
Risikopremium
Marktregulation
(Indexpunkte)
(in %Punkten)
9
13
-1,83
Großbritannien
20
3
25
33
13
19
-0,44
Hongkong
26
12
14
33
15
20
-0,21
USA
28
19
27
20
10
21
0,00
Deutschland
28
14
33
17
32
25
0,86
Japan
38
24
31
22
22
28
1,51
Südafrika
55
34
28
33
18
34
2,85
Thailand
72
33
29
20
21
35
3,11
Frankreich
39
47
33
33
32
37
3,53
Polen
63
35
47
40
19
41
4,43
Italien
52
32
45
63
24
43
4,94
Argentinien
65
64
33
30
27
44
5,06
Russland
78
44
39
40
31
46
5,64
China
74
39
39
56
43
50
6,49
Libanon
83
60
65
44
42
59
8,47
Tabelle 5.5.2–3: Indikatorenschema und länderspezifische Kapitalkostensätze [Quelle: Meyer, T. (2006b), S. 59]
Material Rohstoffe, Rohmaterialien und Energie differieren standortbedingt aus Gründen der Verfügbarkeit und teilweise existierender staatlicher Regulierungen. Die standortnahe Verfügbarkeit von Erzen resultiert bspw. in geringeren Transportkosten. Dies reduziert den Materialpreis auf den nächst höheren Wertschöpfungsstufen, weil sich der Preis dort u. a. aus den eigentlichen Kosten für den Rohstoff, den Kosten für die Veredelung und den Transport errechnet.1002 Staatliche Regulierungen finden sich dagegen unter Umständen bei Energieträgern und Strom. Materialpreise werden des Weiteren durch die Wettbewerbsstruktur beeinflusst. So können Skalennachteile gegenüber einer hoch automatisierten Produktion in Industrieländern durch eine lohnintensive Fertigung in Niedriglohnländern ausgeglichen werden. Eine große Anzahl an Wettbewerbern führt zudem zu einem intensiven Wettbewerb, der sich auch in der Preisgestaltung widerspiegelt. Weil die Materialkosten ca. 60 Prozent der Herstellkosten
1002
Siehe auch Abb. 2.1.2–1. 297
eines Automobils ausmachen und die OEM einen immer geringeren Teil der Wertschöpfung selbst erzeugen, ist folglich die interorganisationale Betrachtungsebene bei Standortentscheidungen des OEM von großer Bedeutung. Im Verlauf der Wertschöpfung hin zum finalen Produkt handelt es sich immer weniger um standardisierte Vorprodukte, Rohmaterial, Rohstoffe und Energie, sondern zunehmend um produktspezifisches Material. Einsparungen im Bereich der Personalkosten auf vorgelagerten Zulieferebenen kommen letztlich den OEM und den großen ausländischen Zulieferern im Sinne von geringeren Materialkosten zu Gute. Insbesondere in Entwicklungsländern führen local-contentBestimmungen dazu, dass ein Global Sourcing nur beschränkt möglich ist. Damit ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit zur lokalen Wertschöpfung am neuen Standort. Lokale Zulieferer müssen demnach entwickelt/aufgebaut oder ausländische Zulieferer dahingehend überzeugt werden, am neuen Standort zu investieren. Während sich für einfache Wertschöpfungsumfänge lokale Zulieferer anbieten, sind komplexe Wertschöpfungsumfänge vorzugsweise durch bestehende Lieferanten am neuen Standort zu erbringen oder zu importieren. Dass sich mit der Nutzung von Beschaffungsquellen in Niedriglohnländern nachhaltige Einsparungen erzielen lassen, zeigt die Größenordnung von ca. US$ 10 Milliarden, die General Motors und Ford schätzungsweise zusammen einsparen könnten, wenn sie die Hälfte ihrer standardisierten Zulieferteile (Gussteile, einfache Elektronikbauteile, Kabelsätze etc.) aus Niedriglohnländern wie Rumänien, Indien oder China beziehen würden.1003 Nicht immer werden jedoch die Erwartungen ausländischer Unternehmen mit der Beschaffung von vorgelagerten Wertschöpfungsumfängen in Entwicklungsländern wie China erfüllt. Gemäß einer Studie des US-Zuliefererverbandes1004 erreichen 55 Prozent der befragten Unternehmen weniger als 40 Prozent der angestrebten Ziele. Damit sich die Beschaffung in China für Unternehmen lohnt, „[…] sollten die Materialkosten […] über zehn Millionen Dollar betragen, erst dann ist die kritische Masse erreicht. Zudem sollten sich die Materialkosten durch den Einkauf in China um mindestens 20 Prozent reduzieren lassen. Denn nur dann rentieren sich die höheren Kosten für die damit verbundenen höheren Risiken, die aufwändige Logistik und die schlechtere Qualität“.1005
1003 1004
1005
298
Vgl. Stolle, M. et al. (2006), S. 327. Vgl. Baeuchle, C. (2006). Im Rahmen der Studie wurden 50 US-Lieferanten, die insgesamt einen Jahresumsatz von mehr als US$ 200 Milliarden erzielen, befragt. Neben Tier-1 Zulieferern wurden auch kleinere Tier-2 und Tier-3 Zulieferer untersucht. Baeuchle, C. (2006), S. 34.
Abbildung 5.5.2 gibt einen Überblick die über erzielten Einsparungen bei einzelnen Wertschöpfungsumfängen durch die Beschaffung in China. erzielte Einsparungen 50% 40% – 50% • Verbindungselemente 30% – 40% Werkzeuge 25% – 35% Chassis/ Powertrain
• Fahrwerksteile • Abgasaufhängung • dekorative Teile • Lenkwellen • Flüssigkeitspumpen
20% 40%
• Druckguss • Kunststoffspritzguss • Plastik-Teile
20% – 30% Elektronik
• LED • Kabelbaum • elektronische Bauteile
10% – 60% • Stanzteile
15% – 20% Karosserie/ Innenraum
10%
Teile, die …
• Schließzylinder • Edelstahlrohre • Armaturen • Elektromotoren
… gut laufen
10% – 20% • bearbeitete Guss- und
Aluminiumteile • bearbeitete Stahlteile
… mittelmäßig laufen
• komplexe Bearbeitung • beschichtete Teile • Messingprodukte • Schraubenfedern
… schlecht laufen
Abb. 5.5.2: Erzielte Einsparungen von US-Zulieferern bei unterschiedlichen Wertschöpfungsumfängen durch die Beschaffung in China [Quelle: Baeuchle, C. (2006), S. 34]
Im Rahmen einer umfassenden und nachhaltigen interorganisationalen Planung der Wertschöpfungsverlagerung in Niedriglohnländer wird die Notwendigkeit deutlich, vorgelagerte Wertschöpfungsebenen und deren konkrete Leistungsumfänge mit einzubeziehen. Eine derartige Planung kann im unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund demnach zum Ergebnis haben, dass ein Zulieferer für Kabelbäume die Möglichkeiten eines neuen Billiglohnstandortes nutzt, während ein Zulieferer für Schraubenfedern bewusst auf einen neuen Standortaufbau verzichtet. Als Konsequenz sind Schraubenfedern dann in das Niedriglohnland zu importieren, um in der Endfertigung des OEM zur Verfügung zu stehen. 5.5.3 Produktivität beeinflussende Standortfaktoren Die zuvor diskutierten Faktorkostenvorteile von potenziellen Standorten können nur unter Rahmenbedingungen optimal ihre Wirkung entfalten, die eine hinreichende Produktivität und Qualität der Wertschöpfung gewährleisten. Produktivität bezieht sich sowohl auf den Faktor Arbeit als auch auf den Faktor Kapital. 299
Weil beide Faktoren partiell substituierbar sind, muss ihr relativer Einsatz zueinander genau abgewogen werden. Der isolierte Vergleich von Arbeitsproduktivitäten an unterschiedlichen Standorten ist demnach nicht zielführend. Konkret bedeutet dies die sorgfältige Planung der Fertigungsumfänge und der einzusetzenden Prozesse. Die Übertragung der kapitalintensiven Produktionsprozesse, wie sie in Hochlohnländern implementiert sind, kann sich in Niedriglohnländern schnell als nicht gangbarer Weg herausstellen. Eine Substitution zu Gunsten einer lohnintensiven Fertigung mit geringerem Kapitaleinsatz stellt eine Lösung dar. So offenkundig diese Tatsache erscheinen mag, so problematisch gestaltet sich ihre praktische Umsetzung. Bestimmte Wertschöpfungsumfänge wie bspw. der Karosseriebau bei Automobilherstellern sind fast vollständig automatisiert. Eine „Umstellung“ auf eine fertigungsintensive Produktion ist einfach unmöglich oder seitens der Unternehmen nicht erwünscht.1006 Auch Wertschöpfungsbereiche die weit weniger stark automatisiert sind als das Extrembeispiel Karosseriebau, nicht zuletzt aber noch immer eine hohe Kapitalintensität aufweisen, stellen die OEM vor Probleme. Die Entwicklung einer neuen (weniger kapitalund dafür arbeitsintensiveren) Fertigungstechnologie kann sehr hohe Kosten aufwerfen. Wird auf Grund dessen dann doch die bestehende kapitalintensive Technologie auf Entwicklungsländer übertragen, bedarf es dort bestimmter Stückzahlen, um die benötigten Skaleneffekte realisieren zu können. Erst über die Erreichung der Skaleneffekte stellt sich die angestrebte Produktivität ein. Darüber hinaus sind qualifizierte Mitarbeiter erforderlich, die in der Anwendung der Technologie geschult sind. Beide Voraussetzungen, die hohen zu produzierenden Stückzahlen und das Vorhandensein qualifizierten Personals, stellen in Entwicklungsländern häufig Knock-out-Kriterien dar. Dass sich die bewusste Steuerung des Verhältnisses von Kapital- zu Arbeitseinsatz dennoch rentieren kann, zeigen Werke in Mexiko: „Die Arbeitsproduktivität in Automobilwerken in Mexiko ist […] 30 bis 35 Prozent niedriger als die in den USA. Zumindest ein Teil dieser Differenz ist dabei durch den bewussten Einsatz arbeitsintensiverer Fertigungsverfahren erklärbar, die zum Teil auch wegen der geringeren Größe der Werke erforderlich sind. Im Ergebnis ist die Produktion in Mexiko weniger kapitalintensiv und erlaubt die Nutzung kleinerer Werke. Die Kapitalproduktivität ist aufgrund des geringeren Kapitaleinsatzes höher als bei den Vergleichsstandorten im Hochlohnland USA.“1007
1006
1007
300
Produktionskonzepte für Schwellenländer sollen auf den neuesten Technologien basieren. Interview mit H.-H. Weingarten, Vorstand Produktion der Mercedes Car Group. Vgl. Jacob, F. et al. (2006), S. 315. Meyer, T. (2006b), S. 63. Vergleichsbasis waren die Werke von General Motors, DaimlerChrysler und Ford.
Die Produktivität wird außerdem in nicht geringem Umfang durch die anfallenden Fixkosten der Standortgründung und des -aufbaus determiniert. Grundstücks- und Erschließungskosten sind in diesem Kontext ebenso zu bewertende Standortfaktoren auf der lokalen Ebene (Short- bzw. Long-List)1008 wie die Erschließungsdauer, Erweiterungsmöglichkeiten, die gemeinsame Nutzung von Nachbarbetrieben (Kläranlagen, Heizkraftwerke) sowie Aspekte der öffentlichen Ver- und Entsorgung (Strom, Wasser, Gas, Abwasser, Abfallentsorgung etc.). Auch das Infrastrukturnetz fällt in diese Bewertungskategorie.1009 Je (kosten) günstiger diese Standortfaktoren vergleichsweise ausfallen, umso geringer werden die Fixkosten sein. Dies resultiert in eine höhere Produktivität des jeweiligen Standortes. Es wurde bereits auf die mangelnde Verfügbarkeit qualifizierten Personals verwiesen. Dies ist nicht nur für den Umgang mit technologisch anspruchsvollen Maschinen notwendig. Auch die Ausführung einfacher Arbeitsumfänge erfordert grundlegende Qualifikationen. Das Problem der in Entwicklungsländern investierenden Unternehmen besteht in der nicht ausreichenden Verfügbarkeit von Fach- und Führungspersonal. Die Ausbildung in diesen Ländern ist selten fachadäquat. Selbst wenn relevante Ausbildungsinhalte vermittelt werden, sind die von international agierenden Unternehmen gestellten Anforderungen weitaus höher als das Ausbildungsniveau. Hinzu kommen häufig Probleme mit der englischen Sprache. Unter diesen Umständen nivellieren sich Lohnkostenvorteile sehr schnell. Die wenigen gut ausgebildeten Fachkräfte sind wiederum sehr gefragt und damit entsprechend teuer, so dass Lohnkostenvorteile für sie nur partiell realisiert werden können.1010 Aus mangelhafter Qualifikation der Arbeitskräfte resultierende Qualitätsprobleme in neu errichteten Produktionsstandorten können meist nur langfristig behoben werden. Die hieraus entstehenden Kosten für die „in-house“-Schulungen des eigenen Personals sind bei der Wirtschaft-
1008 1009
1010
Siehe Abbildung 5.4. Vgl. Liebeck, T. et al. (2006), S. 244. Die für Industrienationen als selbstverständlich geltenden Standards der Strom- und Wasserversorgung stellen in Entwicklungsländern teilweise sehr reale Probleme dar. Beispielhaft sei auf den Großraum Delhi verwiesen, für den „[…] eine reale Unterdeckung des Bedarfs an Elektrizität von ca. 10 Prozent des Spitzenbedarfs [besteht; T. S.], bei Wasser beträgt der Unterdeckungsgrad ca. 15 Prozent. […] Strom- und Wasserabschaltungen werden […] weiterhin die Regel sein.“ Meyer, T. (2006b), S. 67. Weil eine sehr wahrscheinlich auftretende und nicht kalkulierbare Stromunterbrechung keine Basis für die automobile Produktion darstellt (weder für OEM noch für Zulieferer), würde ein sich dort ansiedelndes Unternehmen eventuell in ein eigenes Kraftwerk investieren müssen. Die Kosten dafür sind bei der Standortbewertung zu berücksichtigen. Vgl. Liebeck, T. et al. (2006), S. 203; Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 19. 301
lichkeitsrechnung zu berücksichtigen. Die Fluktuation des geschulten Personals kann wiederum nur durch die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne vermieden werden. Im Hinblick auf die Möglichkeiten einer interorganisationalen Verbesserung der Produktivität an neuen Standorten lässt sich festhalten: In Joint Ventures können lokale Partner vor allem die wichtigen Kontakte zu Behörden und anderen notwendigen Netzwerkpartnern herstellen und pflegen.1011 Ausländische Unternehmen sollten auch mit lokalen Zulieferern am neuen Standort eine enge Zusammenarbeit pflegen, indem sie Hilfestellung bei der Etablierung von Prozessen leisten. Dies führt in einem ersten Schritt zu Produktivitätsverbesserungen der lokalen Zulieferer, von denen im Nachhinein auch die ausländischen Unternehmen profitieren. Japanische OEM übertragen ihre partnerschaftliche Vorgehensweise, die sie in den Triade-Märkten praktizieren, auch auf Entwicklungsländer. „Japanische Automobilhersteller gehen zum Teil sogar so weit, ihr technisches und betriebswirtschaftliches Wissen nicht nur an eigenen Produktionsstandorten in Niedriglohnländern zu nutzen: Durch ein spezielles Programm helfen die Automobilhersteller ihren Zulieferern, die optimierten und ausgereiften Produktionssysteme der Hersteller auf die Produktionsprozesse der Zulieferer zu übertragen. Die Unterstützung, die von der Betriebsmittelkonfiguration über die Produktionsplanung und -steuerung bis zur Produktentwicklung reichen kann, verbessert die Fähigkeiten der Zulieferer auch zum Wohle des Automobilherstellers. Die Hersteller profitieren von der hohen Qualität und den niedrigen Kosten der gelieferten Teile.“1012
Die partnerschaftliche Vorgehensweise stellt aber auch japanische OEM vor bis dahin nicht gekannte Herausforderungen. So sieht sich Toyota mit einem Konkurrenzmodell (Merrie 300) konfrontiert, das stark an ein eigenes Produkt erinnert. Zudem soll es die chinesische Unternehmensgruppe Geely auch bei den Urheberrechten der Motorentechnik nicht sehr genau genommen haben. Mit diesen Erfahrungen reiht sich Toyota in die Gruppe der amerikanischen und europäischen OEM ein, die mit ähnlichen Plagiaten ihrer eigenen Produktpalette konfrontiert sind (u. a. General Motors: Chevrolet Spark; Audi: A6; Seat: Toledo).1013
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302
Vgl. o. V. (2005e), S. 35. Meyer, T. (2006b), S. 62. Vgl. Behlmer, A./Kiefer, T. (2003), S. 42 ff. Siehe auch Abschnitt 5.5.5 für das Beispiel Chevrolet Spark/Chery QQ.
Während grundlegend eine partnerschaftlich ausgerichtete interorganisationale Zusammenarbeit zu befürworten ist, scheinen vor dem Hintergrund eines teilweise sehr viel geringer ausgeprägten Bewusstseins für die Achtung geistigen Eigentums in einigen Entwicklungsländern (und hier insbesondere in China)1014 parallel umfangreiche Sicherungsmaßnahmen notwendig.1015 Gatekeeper-Funktionen1016 kommt somit eine noch größere Bedeutung zu, als dies bereits originär bei interorganisationaler Zusammenarbeit der Fall ist. Neben den bereits angeführten Aspekten der fehlenden qualifizierten lokalen Zulieferer kommen interkulturelle und sprachliche Barrieren dazu, die den Prozess der Zulieferung mit bis dato unbekannten Lieferanten zeit- und ressourcenintensiver machen. Auch mangelndes Vertrauen auf beiden Seiten ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.1017 Für fast alle deutschen Automobilhersteller1018 gilt, dass sie für ihre außereuropäischen Produktionsstandorte insbesondere bei der SKD- und CKD-Montage1019 weniger Zulieferer in die Wertschöpfungskette integriert haben und damit die Standorte selbst eine geringere Wertschöpfungstiefe aufweisen als die deutschen Standorte. Somit erfolgt die Wertschöpfung für die ausländischen Standorte in Deutschland.1020 Davon profitiert vor allem die Zulieferindustrie an den bestehenden Standorten, weil es sich hauptsächlich um Vorprodukte für die automobile Endfertigung handelt. Den deutschen OEM gelingt es damit, auf die bewährten Wertschöpfungsstrukturen im heimischen Markt zurückzugreifen. Ein Aufbau der kompletten Wertschöpfungskette am ausländischen Standort entfällt. Kostenvorteile können trotz allem generiert werden, weil sich durch die Kumulation von Produktionsumfängen bei den Zulieferern hohe Skaleneffekte realisieren lassen, die zudem durch eine konstant hohe Qualität bestimmt sind. Diese Vorgehensweise lässt sich allerdings nur dann umsetzen, wenn local-content-Bestimmungen am ausländischen Standort durch den OEM und die dort ge-
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Vgl. Deckstein, D. et al. (2006), S. 70 – 72. Neben der Vor-Ort-Registrierung von Marken, Logos und Patenten stellen auch kurze Produktlebenszyklen einen gewissen Schutz vor Plagiaten dar. Daimler Chrysler nutzt Schutzmaßnahmen in der Verpackung. Die in China vertriebenen Mercedes Originalteile sind mit Hologrammen in der Verpackung versehen, die beim Öffnen zerstört werden. Vgl. Behlmer, A./Kiefer, T. (2003), S. 42. Siehe auch Abschnitt 5.5.5. zu den nachfolgenden Ausführungen der Risiken des Knowhow-Abflusses. Siehe Abschnitt 3.1.1. Vgl. Stolle, M. et al. (2006), S. 327 f. Dies bezieht sich nicht auf fusionierte Konzernmarken, bspw. Chrysler im DaimlerChrysler Konzern. SKD = Semi Knocked Dow Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 30. 303
nutzte Zulieferstruktur erfüllt werden. Nachteilig wirken sich in dieser Konstellation auch die hohen Logistikkosten aus, die gerade bei Leistungsumfängen mit geringer Wertdichte1021 anfallen. 5.5.4 Logistikkosten Logistikkosten determinieren sich aus der zu bewältigenden Distanz, den Frachtraten der jeweils in Frage kommenden Transportmodi (Land-, See-, Luftweg) und den Produkteigenschaften des zu transportierenden Gutes (Gewicht und Umfang bestimmen die Transportbehälter und nehmen Einfluss auf die Frachtraten). Des Weiteren treten Kosten der Kapitalbindung für eventuelle Zwischenlager, zumindest aber für den Transportzeitraum auf. Unterschiede in den Logistikkosten bei der Standortwahl sind insbesondere dann festzustellen, wenn ein Vergleich zum Status quo durchgeführt wird, d. h. die Kapazitätsausweitung an bestehenden Standorten in Relation zum Aufbau eines neuen, weit entfernten, Standortes betrachtet wird. Darüber hinaus sind gravierende Unterschiede zu erwarten, wenn sich die Standortbewertung auf geografisch sehr weit auseinander liegende potenzielle Standorte bezieht (bspw. Osteuropa und Zentralasien). Die Höhe der Frachtraten entwickelt sich nicht zwangsläufig nach unten. Zwar resultieren immer größere Ladungskapazitäten der Containerschiffe, höhere Geschwindigkeiten und Treibstoffeffizienzen sowie der wachsende Automatisierungsgrad dieser Industrie in sinkende Logistikkosten.1022 Die zyklische Anpassung nach Angebot und Nachfrage führt dagegen ebenso wie Ungleichgewichte in den weltweiten Handelsströmen zu tendenziellen Preisaufschlägen. Hinzu kommen steigende Rohstoffpreise für Erdöl und Erdgas, die ebenfalls die anfangs erwähnten Kostensenkungen (über)kompensieren können. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das dynamische Umfeld trotz aller Bewertungsschwierigkeiten über schwankende Logistikkosten im Zeitablauf abzubilden. Eine statische Fortschreibung heutiger Logistikkosten kann unter diesen Rahmenbedingungen eine ansonsten genaue Kalkulation ad absurdum führen. Kompliziert gestaltet sich die Abbildung und Bewertung aller Transportrelationen, wenn im Rahmen des Standortentscheidungsprozesses mehrere Standorte zu evaluieren sind, weil bereits ein Standort i. d. R. mehrere Transportrelationen aufweist. Werden zudem Sensitivitätsanalysen hinsichtlich der parallelen Nutzung zweier oder mehrerer Transportmodi durchgeführt und wird diese Analyse auf mehrere Standorte ausgedehnt, sind schnell die Verarbeitungskapazitäten für 1021
1022
304
Wertdichte bezieht sich auf den Wert gemessen in Geldeinheiten (€, US$ etc.) pro Masseeinheit (Kilogramm, Tonne etc.). Kraftstoffbehälter haben bspw. eine geringe Wertdichte, so dass für diesen Wertschöpfungsumfang eine lokale Produktion des Zulieferers nahe dem Standort des OEM anzustreben ist. Vgl. Meyer, T./Jacob, F. (2006), S. 171. Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 11.
die Standortentscheidung selbst für nur einen Standortfaktor (Logistikkosten) überschritten. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen müssen daher die potenziell zu bewertenden Standortoptionen genau geprüft werden, um keinen Erfolg versprechenden Standort aus Gründen der Komplexitätsreduzierung vorzeitig auszuschließen. Andererseits zwingt eben jene Komplexität zu einer sinnvollen Begrenzung der zu bewertenden Standortalternativen, die in der engeren Wahl sind (Short-List). Für die Standortauswahl sind konsistente Transportkostenannahmen zu treffen und während des Standortentscheidungsprozesses für alle zu bewertenden Standorte beizubehalten. Sondereinflüsse wie bspw. die unterschiedliche Abfertigungszeit in Häfen oder die zukünftige Maut-Erhebung auf Fernverkehrstraßen sind, soweit bekannt, zu berücksichtigen. Schwierig zu quantifizieren sind die Kosten, die durch höhere Gewalt auftreten können. Streiks, Havarien und Umweltkatastrophen (Wirbelstürme etc.) sind hierunter zu subsumieren. Theoretisch wäre die Auswertung statistischen Datenmaterials aus der Vergangenheit möglich. Ähnlich der Vorgehensweise bei den länderspezifischen Kapitalkostensätzen können so zusätzliche Kapitalkostenaufschläge errechnet werden, die die allgemeinen logistischen Risiken abbilden. Praktisch umzusetzen ist dies selbst von Großunternehmen vor dem Hintergrund der anfallenden Kosten kaum. So stellt die zunehmende Globalisierung nicht nur Chancen, sondern auch Risiken dar, die zudem nicht immer exakt bewertet werden können. Bewertungen und Entscheidungen sind gemäß des Prinzips der begrenzten Rationalität zu treffen. 5.5.5 Externe Faktoren Subventionen und Steuern Im Rahmen einer Standortentscheidung sind Subventionen als direkte und/oder indirekte Unterstützungsleistungen für das investierende Unternehmen zu verstehen. Subventionen werden situationsspezifisch auf regionaler bzw. lokaler Ebene gewährt und sind frei verhandelbar. Sie drücken sich in Form von Zusagen für die Entwicklung der Infrastruktur (Straßennetz, Anbindung an Flug-/ Seehäfen, Forschungseinrichtungen zur Ausbildung qualifizierten Personals etc.) oder vereinfachten/vergünstigten Kreditvergaben etc. aus. Auch direkte Subventionszahlungen sind vereinzelt üblich. Steuererlasse/ Steuernachlässe können ebenfalls hierunter subsumiert werden. Auch sie sind einzeln verhandelbar. Die steuerliche Optimierung ist bei der Erweiterung des bisherigen Standortnetzwerkes einer Unternehmung explizit zu beachten. Unternehmenssteuersätze unterscheiden sich deutlich in einzelnen Ländern. Je geringer der effektive Gewinnsteuersatz ausfällt, desto weniger wird der Cashflow belastet und der finanzielle Handlungsspielraum erweitert. Letztlich gilt: 305
„Der Einfluss von Steuern auf die internationale Standortwahl ist komplex, da sich je nach Wahl des Standorts für einen bestimmten Prozessschritt sowohl Implikationen für den Produktionsprozess selbst als auch für die steuerliche Bemessungsgrundlage und den Steuersatz für andere Prozesse in der Wertschöpfungskette ergeben können.“1023
Zölle und nicht tarifäre Hemmnisse Trotz des weltweiten Bedeutungsrückgangs von Zöllen stellen sie noch immer einen nicht zu vernachlässigenden Standortfaktor dar.1024 Im Gegensatz zu Subventionen und Steuern sind Zollsätze nicht frei verhandelbar, sondern nominal fixiert. Ausnahmen bilden lediglich Sonderwirtschaftszonen, die i. d. R. der Entwicklung strukturschwacher Regionen dienen, so dass das investierende Unternehmen zwar bei den Zollsätzen begünstigt wird, dafür aber bei anderen Standortfaktoren Unzulänglichkeiten hinnehmen muss (bspw. eine mangelhafte Infrastruktur). Verhandlungsspielraum bietet die Zuordnung zu den jeweiligen Zollkategorien. Auch die Werttaxierung des zu verzollenden Wertschöpfungsumfangs unterliegt subjektiven Einschätzungen. Gute Kontakte zu den Zollbehörden direkt bzw. zu Regierungsbehörden, denen die Zollbehörden unterstehen, bieten hier Optimierungspotenzial. Inländische Geschäftspartner können sich dabei als sehr hilfreich erweisen. Eine Konsultierung der Zollbehörden des jeweiligen Landes/der Region ist oftmals sinnvoll, teilweise erforderlich. Nicht tarifäre Handelshemmnisse drücken sich in Quotenbestimmungen oder der Begrenzung von ausländischem Eigentum aus. So erlaubten die USA in den 1980er Jahren nur die quotierte Einfuhr von japanischen Automobilen. Dies führte letztlich zum Aufbau der massiven Produktionsstandortpräsenz der japanischen OEM in Nordamerika und verbesserte langfristig deren Wettbewerbsposition.1025 Die Begrenzung ausländischen Eigentums ist in China zu beobachten.
1023 1024
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306
Meyer, T. (2006b), S. 79. Die aktuelle Brisanz des Themas zeigt der Streit der EU mit China um Zölle auf Autoteile, dem sich die USA, Japan, Kanada, Australien und Mexiko angeschlossen haben: „[…] Die EU und die USA wenden sich gegen die ihrer Ansicht nach überhöhten Zölle für Auto-Ersatzteile in China […] China verlangt den Zoll für ein vollständiges Auto, falls der Wert importierter Teile über 60 Prozent des Wertes eines gesamten Autos liegt […].“ www.automobilwoche.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20060510/ONLINEARC HIV/605100702&SearchID=73265049004210, Abruf: 10.05.2006. So stieg im Zeitraum Ende erstes Quartal 1987 bis Ende erstes Quartal 2005 die Zahl der in den USA von japanischen OEM gefertigten Fahrzeuge um 419 % von 617.000 auf 3,2 Millionen. Die Anzahl der amerikanischen Beschäftigten in japanischen Produktionsstätten verfünffachte sich von 11.000 auf 55.795. Vgl. Sapsford, J. (2005), S. 26.
Alle Automobilhersteller sind gezwungen, ein Joint Venture mit einem chinesischen Unternehmen einzugehen, um Produktionsstandorte im Markt aufbauen zu dürfen.1026 Problematisch ist die Vorgabe der Eigentumsbeschränkung insofern, als dass sich Entscheidungsprozesse verlangsamen, Abhängigkeiten ergeben und die sehr reale Gefahr des Know-how-Abflusses besteht.1027 Währungskurseffekte Währungskurseffekte lassen sich als bekannte Ereignisse mit nicht vorhersagbaren Eintrittswahrscheinlichkeiten charakterisieren.1028 Sie können zum einen durch so genanntes „Financial Hedging“ – also den Einsatz von Finanzderivaten zur Kursabsicherung – begrenzt werden. Nachteilig wirken sich derartige Derivate auf den kurzfristigen Cashflow des Unternehmens aus. Untersuchungen haben gezeigt, dass die ausschließliche Nutzung von Finanzderivaten langfristig kaum die Währungskurseinflüsse auf Gewinn und Cashflow verringern.1029 Zum anderen kann das so genannte „Natural Hedging“ (auch „Operational Hedging“) genutzt werden. Dabei wird versucht, die Kosten des Wertschöpfungsprozesses im Verhältnis der erzielten Umsätze in den jeweiligen Währungsräumen anfallen zu lassen (siehe Abbildung 5.5.5).1030 Für die Standortentscheidung bedeutet dieser Standortfaktor, dass auf der Ebene der globalen Regionen respektive der Länderebene eine Vorentscheidung getroffen wird.
1026 1027
1028
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Siehe dazu Tabelle 5.6.2. Zu den Nachteilen eines Joint Venture siehe auch Tabelle A 8 im Anhang. Die Vor- und Nachteile alternativer Markterschließungsstrategien werden ebenfalls dort dargestellt. Im Gegensatz dazu stehen unbekannte Ereignisse mit nicht vorhersagbarem Einfluss auf ein Unternehmen (bspw. Naturkatastrophen). Darüber hinaus sind bekannte Ereignisse mit vorhersagbaren Eintrittswahrscheinlichkeiten (bspw. Schadensfälle einzelner Pkw-Systeme/-Module wie Motor- oder Getriebeeinheiten) zu differenzieren. Vgl. Copeland, T. E./Joshi, Y. (1996), S. 66 ff. Vgl. Jacob, F./Meyer, T. (2006), S. 25 f. 307
ohne Natural Hedging
mit Natural Hedging
Umsatz
Umsatz
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Europa
Nordamerika
Asien/ Pazifik
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Kosten
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Asien/ Pazifik
Region
Kosten 100
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Europa
Nordamerika
Asien/ Pazifik
Region Europa
Nordamerika
Asien/ Pazifik
Region
Abb. 5.5.5: Vereinfachte Darstellung des Natural Hedging zum Ausgleich von Währungsrisiken
Weil sich Währungskurseinflüsse auch auf die Leistungsumfänge der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen beziehen, ist es sinnvoll, diese Ebenen ebenfalls in der Fremdwährungszone anzusiedeln. Für fokale Unternehmen wächst damit die Notwendigkeit, sich vor Ort von lokalen Zulieferern beliefern zu lassen. Alternativ können sie auch vor diesem Hintergrund versuchen, bestehende Zulieferer von einer Standortgründung in der Währungszone des eigenen neu gegründeten Standortes zu überzeugen. Damit wird für ausländische Zulieferer das Motiv des Following Customer gestärkt. Know-how-Abfluss Mit der zunehmenden Globalisierung der Geschäftsprozesse einerseits und den limitierten Möglichkeiten und teilweise fehlendem Willen von staatlichen Behörden, in Entwicklungsländern geistiges Eigentum zu schützen andererseits, sehen sich Unternehmen verstärkt der Gefahr eines massiven Know-how-Abflusses ausgesetzt. Patente und Markennamen unterliegen in diesen Ländern weitaus weniger Schutzrechten, als dies in entwickelten Industrieländern mit 308
einem nach demokratischen Maßstäben funktionierenden Rechtssystem der Fall ist.1031 Das heißt, dass somit selbst die nachträgliche Durchsetzung von Rechtsansprüchen bei nachzuweisenden Schutzrechtsverletzungen problematisch ist. Daneben ist insbesondere die bewusste Weitergabe und Wiederverwendung von Wissen ein nachhaltiges Problem für ausländische Unternehmen. Das Beispiel Chevrolet Spark/Chery QQ in China stellt ein Beispiel dar, dass selbst umfangreiche Produkte wie ein Automobil diesen Gefahren ausgesetzt sind.1032 Neben Umsatzverlusten wie im vorliegenden Fall treten auch Imageschäden im Zusammenhang mit der Schädigung des Markennamens bei Qualitätsproblemen auf. DaimlerChrysler sieht sich mit dem Smart ForTwo ebenfalls einer solche Situation gegenüber. Die chinesische Kopie sieht dem Original derart ähnlich, dass keinerlei Zweifel am offensichtlichen Kopieren des Designs bestehen kann.1033 DaimlerChrysler hat daraufhin den Produktionsstopp beim chinesischen Fahrzeughersteller Shandong Huoyon Electronmobile erwirkt.1034 Obwohl es sich nicht um die Kernmarke Mercedes handelt, dürfte doch auch beim Smart der Imageverlust durch die Kopie entsprechend groß sein. Schutz gewährt nur der restriktive Umgang mit vertraulichen und wettbewerbsrelevanten Informationen. Der Einsatz von Gatekeepern und die Aufteilung relevanten Produkt- und Prozess-Know-hows auf mehrere Personen/Standorte sind lediglich zwei konkrete Maßnahmen. Letztlich ist zu überlegen, ob know-how-intensive Wertschöpfungsumfänge, die zudem Wettbewerbsvorteile begründen, an Standorte mit hohem Know-how-Abflussrisiko ausgelagert werden. Vorteilhafte Standortfaktoren wie niedrige Lohnkosten relativieren sich im Zusammenhang mit derartigen Risiken.
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1033 1034
Vgl. Behlmer, A./Kiefer, T. (2003), S. 42 ff. Der Chevrolet Spark (in Europa als Daewoo Matiz bekannt) wurde von General Motors 2003 in China eingeführt. Der Joint Venture Partner Chery überraschte ein halbes Jahr vorher mit der Markteinführung eines nahezu identischen Kleinwagens, des Chery QQ. General Motors verklagte nach zähen, aber erfolglosen Verhandlungen daraufhin die Firma Chery. Mit einem Marktpreis unter dem des Chevrolet Spark gelang dem Chery QQ eine erfolgreiche Positionierung im Markt, während das Konkurrenzmodell im direkten Vergleich unter massiver Absatzschwäche leidet (Verhältnis der Verkäufe 4:1 in der ersten Jahreshälfte 2005). Vgl. www.businessweek.com/magazine/content/05_06/b3919010_mz001.htm, Abruf: 06.12.2006. Vgl. ebenfalls www.autoblog.com/2005/08/18/chery-qqtrumps-chevrolet-spark-in-sales/, Abruf: 06.12.2006. Siehe Abbildung A 7 im Anhang. Vgl. www.automotto.org/entry/chinese-smart-for-two-copycat-finally-halts-prod uction/, Abruf: 14.12.2006. 309
5.6 Internationale Standortentscheidungen in der Automobilindustrie Die in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigten Interdependenzen und die daraus resultierenden Abhängigkeiten innerhalb automobiler Wertschöpfungsketten führen dazu, dass die Internationalisierungsaktivitäten der OEM entweder die Zulieferung von Wertschöpfungsumfängen von bestehenden Lieferantenstandorten oder Zuliefer-Standorte in der Nähe des neuen OEM-Standortes erfordern.1035 „Als Bestandteil des Produktionsnetzwerkes sind dabei auch die Fertigungsschritte der Zulieferer zu sehen, die kritische Produkteigenschaften definieren. Sie sind folglich mit zu betrachten – zunächst unabhängig von der tatsächlichen örtlichen Flexibilität der bestehenden Zulieferer. Oftmals lässt sich diese Flexibilität noch schaffen, indem die Standortwahl mit dem Zulieferer abgestimmt oder auch neue Zulieferer am Zielstandort ausgebaut werden.“1036
Die mehrfach aufgezeigte Notwendigkeit zur unternehmensübergreifenden Standortplanung ist im sich nun anschließenden Schritt an den praktischen Gegebenheiten der deutschen Automobilindustrie (gemäß der in Abschnitt 1.4 vorgenommenen Abgrenzung der Arbeit) zu überprüfen. Es gilt zu untersuchen, ob in der Vergangenheit die drei deutschen OEM1037 Volkswagen, BMW und Daimler-Benz/DaimlerChrysler ihre vorgelagerten Zulieferebenen in den Standortentscheidungsprozess mit eingebunden oder diesen mehr oder weniger autonom durchgeführt haben. Außerdem gilt es zu überprüfen, wie sich die Vorgehensweise der OEM gegenüber ihren Zulieferern gestaltete – ob vertrauensvollkooperativ oder eher machtbasiert. Das grundlegende Problem der Recherche von Praxisfällen stellt sich dadurch, dass die Thematik einer interorganisationalen Standortentscheidung bisher nur in Ansätzen erforscht ist. Während bspw. für die Standortentscheidungen deutscher OEM in den USA und Mexiko (und in deren Gefolge auch ihre Zulieferer) vereinzelt Untersuchungen vorliegen, ist dies für kürzlich getroffene
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310
So erhöhten bspw. japanische Automobilhersteller im Zuge des Ausbaus ihrer Produktionsstätten in den USA die zugekauften Leistungsumfänge von vorgelagerten Wertschöpfungsebenen von 2,49 auf 45,24 Milliarden US$. Vgl. Sapsford, J. (2005), S. 26. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum Ende erstes Quartal 1987 bis Ende erstes Quartal 2005. Meyer, T. (2006c), S. 112 f. Porsche wird aus der Betrachtung ausgeschlossen, weil der OEM keine eigenen internationalen Standorte unterhält. Stattdessen nutzt Porsche bspw. die Produktionskapazitäten des eigenständigen finnischen Zulieferers Valmet Automotive Inc. für die Fertigung des Porsche Boxster.
Standortentscheidungen in Entwicklungsländern wie bspw. China nicht der Fall. So kann dort lediglich auf vereinzelte Praxisberichte von Automobilunternehmen Bezug genommen werden, um daraus abzuleiten, wie der Standortentscheidungsprozess im unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund ablief. Schwierig gestaltet es sich aus diesem Grunde, aus den wenigen dokumentierten Einzelfällen allgemein gültige Aussagen abzuleiten. So können im Folgenden nur Tendenzen des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses aufgezeigt werden. Selten finden sich hinsichtlich der Vorgehensweise eines OEM über den Aufbau der lokalen Zulieferstruktur bei eigenen neuen Werken klare Aussagen wie die von Dr. Klaus Richter, Leiter Einkauf der BMW Group: „Wir versuchen, nach Möglichkeit unsere bestehenden Zulieferer mitzunehmen. Am Anfang ist ein solcher Schritt für sie natürlich kaum wirtschaftlich, weil die Stückzahlen noch relativ niedrig sind. Wir müssen sie daher direkt oder indirekt unterstützen, um den Aufbau für sie attraktiv und möglich zu machen. Langfristig ergibt sich aber ein erheblich positiver Effekt.“1038
Nicht überraschend, gibt es so gut wie keine offiziellen Aussagen seitens der Zulieferer hinsichtlich des Geschäftsverhaltens der OEM in Bezug auf eventuelle Entscheidungsbeeinflussungen bei internationalen Standortentscheidungen. Dahinter stehen Befürchtungen, bestehende und potenzielle Geschäftsverbindungen könnten durch offene Kritik beeinträchtigt werden. Asymmetrische Machtbalancen und die latente Gefahr des Machteinsatzes1039 wirken in der operativen Praxis dahingehend, dass Beschwerden der Zulieferer über die Geschäftspraktiken der OEM nur anonym abgegeben werden. Die Ergebnisse anonymer Zuliefererbeschwerden werden bspw. im so genannten „Supplier Satisfaction Index SSI“1040 zusammengefasst. Danach ergibt sich im Jahr 2005 ein Ranking der Zufriedenheit seitens der Zulieferer mit ihren OEM, das BMW vor Porsche und DaimlerChrysler anführt. Mit deutlichem Abstand folgt Audi. Volkswagen und die amerikanisch geführten Konzerne Opel
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Stolle, M. et al. (2006), S. 344 f. Siehe Abschnitt 3.3.1 und 4.3. Vgl. www.faw-bamberg.de/html/ssi2005.htm, Abruf: 10.12.2006. Der SSI gibt die allgemeine Zufriedenheit der Zulieferer mit dem Geschäftsgebahren der OEM wieder. Diese Ergebnisse sind nicht auf standortspezifische Fragestellungen bezogen. 311
und Ford folgen auf den letzten Plätzen.1041 Vor diesem Hintergrund sind die wenigen vorliegenden Aussagen bezüglich der Standortentscheidungen von Zulieferern im Gefolge ihrer OEM einzuordnen. Zwar kommunizieren alle Automobilhersteller eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten. Von deren Seite wird dies indes nicht bei allen OEM als eine solche wahrgenommen.1042 Infolgedessen kann geschlussfolgert werden, dass grundsätzlich wenig vertrauensvoll und partnerschaftlich agierende OEM so auch bei unternehmensübergreifenden Aspekten von Standortentscheidungen vorgehen. Die Globalisierungsoffensive der deutschen Automobilhersteller war und ist eine Offensive zur Schaffung hochmoderner Produktionsanlagen in allen relevanten Teilen der Welt. Zumindest zu Beginn der 1990er Jahre waren es weniger Absatz- als Restrukturierungsgründe, die als Motiv für die Globalisierung angeführt werden müssen. Mit der Errichtung neuer internationaler Standorte stellten sich den OEM auch Probleme hinsichtlich der Beschaffungsstrukturen.1043 Im Gegensatz zu Daimler-Benz1044 und BMW, die zu Beginn der 1990er Jahre noch als fast rein deutsche Hersteller, aber zugleich als internationale Verkäufer charakterisiert werden können, war ein Teil der deutschen Zulieferindustrie bereits relativ stark internationalisiert. Dies betraf vor allem die großen Zulieferunternehmen wie Bosch, Hella, VDO und ZF. Von diesen Ausnahmen abgesehen, war dagegen der Großteil der deutschen Zulieferindustrie auf die Produktion in Deutschland, maximal auf Westeuropa, beschränkt.1045 Weil sie für einen großen Teil der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen verantwortlich zeichneten, waren die internationalen Standortentscheidungen der OEM für diese Unternehmen hinsichtlich des Following Customer von nachhaltiger Bedeutung. Aus heutiger Sicht kann dagegen festgehalten werden, dass ein sehr großer Teil der deutschen Automobilzulieferindustrie mit internationalen Standorten weltweit vertreten ist.
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Vgl. www.vdi-nachrichten.com/vdi_nachrichten/aktuelle_ausgabe/akt_ausg_de tail.asp?source=paging&cat=1 &id=29333&cp=2 , Abruf: 10.11.2006; www.automobilindustrie.de/news/ai_beitrag_2116228.html, Abruf: 10.11.2006. So ist bspw. der Volkswagen-Konzern aktuell für eine „schroffe Verhandlungskultur“ bekannt, wie der Geschäftsführer eines mittelständischen Zulieferers beklagt. Bezeichnenderweise möchte er seine Identität nicht bekannt geben. Vgl. Cardann, U. (2006), S. 16. Vgl. Kilper, H./Pries, L. (1999), S. 18. Die Diskussion bezieht sich auf die Unternehmenskonstellation vor der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler – die im Übrigen Teil der Globalisierungsoffensive von Daimler-Benz war. Deshalb wird hier von Daimler-Benz gesprochen wird. Vgl. Pries, L. (1999), S. 26.
Im Folgenden werden Standortentscheidungen zum einen auf dem nordamerikanischen Kontinent (USA und Mexiko) und zum anderen in China betrachtet, weil dort alle drei OEM mit Standorten vertreten sind. Die beiden Regionen wurden auch vor dem Hintergrund zweier unterschiedlich entwickelter Märkte gewählt. So sind insbesondere die USA als ein hoch industrialisiertes Land einzustufen (für Mexiko galt dies zum Zeitpunkt des Markteintritts von Volkswagen noch nicht), während China als industrielles Entwicklungsland eingestuft werden kann. Der Rückgriff auf Bedingungen wie z. B. eine entwickelte Infrastruktur, eine ausgeprägte Zulieferstruktur etc. unterscheidet sich deshalb maßgeblich. Es ist zu untersuchen, wie die OEM mit diesen unterschiedlichen Prämissen umgegangen sind. Darüber hinaus werden die Standortentscheidungen weiterer Automobilunternehmen bspw. in Mittel-/Osteuropa betrachtet, um das Bild der wenigen dokumentierten Praxisfälle zu verdichten. 5.6.1 Automobile Standortentscheidungen deutscher Unternehmen in Mexiko und in den USA Im Folgenden werden SOE von drei deutschen Automobilherstellern untersucht: Volkswagen BMW Mercedes-Benz
am Standort Puebla, Mexiko, am Standort Spartanburg, South Carolina, USA und am Standort Tuscaloosa, Alabama, USA.
Volkswagen Volkswagen war im Vergleich zu den anderen deutschen Automobilherstellern seit je her stark internationalisiert. Im Zuge des geopolitischen Umbruchs Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre verstärkte Volkswagen seine internationalen Aktivitäten nicht nur in den Regionen Mittel-/Osteuropa und Südostasien, sondern auch in Lateinamerika (Mexiko und Brasilien). Der OEM strukturierte das mexikanische Werk in Puebla grundlegend um und gestaltete es darüber hinaus zu einem „Leitwerk“ für ein völlig neues Produkt, den New Beetle.1046 Im Zusammenhang mit der Restrukturierung wurde eine nachhaltige Reorganisation der Hersteller-Zuliefer-Beziehungen vorgenommen. Mit den in Abschnitt 2.3 aufgezeigten Veränderungen, die Anfang der 1990er Jahre begannen, war eine wachsende interorganisationale Differenzierung der Wertschöpfung zu ver-
1046
Damit war zwar keine Standortneugründung verbunden, allerdings gestaltete sich die Neustrukturierung des bestehenden Standortes derart umfangreich und bezog zugleich die vorgelagerten Wertschöpfungsebenen massiv mit ein, dass es als repräsentatives Beispiel für den Untersuchungshintergrund der vorliegenden Arbeit dienen kann. 313
zeichnen. Daraus resultierend wurden ein zunehmender interorganisationaler Leistungsaustausch und eine stetig steigende Kommunikation notwendig. Räumliche Nähe war eine Grundvoraussetzung, um unter diesen Bedingungen eine Prozessoptimierung erreichen zu können. Mit der Reorganisation der Zulieferbeziehungen für das Werk Puebla verfolgte der Volkswagenkonzern drei Ziele:1047 (1) Erfüllung der local und regional content Anforderungen im Rahmen des 1994 in Kraft getretenen NAFTA-Abkommens1048 (2) Erzielung von Kostensenkungen durch günstigere Beschaffung auf den vorgelagerten Wertschöpfungsebenen (3) Konsolidierung des Standortes Puebla im Konzernverbund. Für die operative Umsetzung baute Volkswagen einen Industriepark direkt vor den eigenen Werktoren auf. Im Zeitraum 1992/1993 versuchte der OEM in einer ersten großen Kampagne, „[…] die großen und wichtigen Zulieferer mit mehr oder weniger starkem Druck dazu zu bewegen, eigenen Montage- oder sogar Produktionswerke in Mexiko und möglichst im Großraum Puebla anzusiedeln.“1049
Daraufhin erhöhte sich die Anzahl an Zulieferern mit eigenen Produktionsstandorten in Mexiko bereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Zwischen 1995 und 1997 erfolgte mit dem Modellwechsel auf die vierte „Golf“-Generation ein weitaus bedeutenderer Schritt in Richtung Regionalisierung und Restrukturierung der Zulieferstrukturen. Infolgedessen waren 1998 ca. 70 bis 80 direkte Zulieferer des Volkswagenkonzerns in der Region Puebla ansässig. Ein großer Teil dieser Unternehmen war deutschstämmig und zählte zu den bedeutenden und direkten Zulieferern in der deutschen Automobilindustrie.1050 Die in Mexiko angesiedelten Zulieferunternehmen unterstreichen mit ihrer Vorgehensweise die These, dass neue internationale Standorte, die im Gefolge eines OEM entstanden sind, als Brückenkopf für den Aufbau neuer Geschäftsbeziehungen zu weiteren Kunden genutzt werden. Dadurch sollen einseitige Abhängigkeiten vermieden und eine bessere Auslastung der bestehenden Kapazi-
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314
Vgl. Pries, L. (1999), S. 42. Das Abkommen schreibt vor, dass mindestens 60 % des Gesamtwertes eines Neuwagens in der NAFTA-Region produziert werden müssen, um von der Importsteuer ausgenommen zu werden. Pries, L. (1999), S. 43. Vgl. Pries, L. (1999), S. 43.
täten gewährleistet werden. Im speziellen Fall von BMW und Daimler-Benz in Mexiko profitieren die beiden Automobilhersteller von der „Vorarbeit“, die Volkswagen bei der Ansiedlung von Zulieferern geleistet hat. Beide OEM – BMW noch stärker als Daimler-Benz – hätten enorme Probleme gehabt, auf Grund der geringen Produktionsvolumina eigene deutsche Zulieferer zum Standortaufbau in Mexiko zu bewegen.1051 Letztlich profitieren beide Seiten – die Hersteller durch eine vorhandene, weitgehend qualifizierte und deutschstämmige Zulieferstruktur und die Zulieferer, die neben Volkswagen weitere Kunden gewinnen. Obwohl keine Aussagen über die Vorgehensweise von Volkswagen gegenüber den Lieferanten bei der zweiten Verlagerungswelle (1995 – 1997) vorliegen, kann mit Recht angenommen werden, dass wiederum „Druck“, d. h. der Einsatz von Macht ein entscheidender Aspekt war. Mit den Ansiedlungen der Zulieferer zeigt sich, dass diese Vorgehensweise aus Sicht des OEM erfolgreich war. Es sind dagegen keine Aussagen bekannt, inwiefern sich diese Standortentscheidungen auf die einzelnen Zulieferunternehmen, die sich dem Druck des OEM gebeugt haben, ausgewirkt haben. Positive Auswirkungen entstehen bspw. durch die Sicherung langfristiger Geschäftsbeziehungen, negative Auswirkungen durch die finanzielle Belastung des Standortaufbaus – bei einer ohnehin sehr geringen Eigenkapitaldecke speziell deutscher mittelständischer Unternehmen. Des Weiteren liegen keine Hinweise vor, wie Volkswagen mit den Lieferanten verfahren ist, die sich dem Aufbau eines mexikanischen Standortes verweigert haben. Trotz der aufgezeigten machtbasierten Verhaltensweise zeigten sich Tendenzen, die auch den langfristigen und kooperativen Charakter der Geschäftsbeziehungen betonen: „Die strategischen unternehmerischen Weichenstellungen über wichtige Produkte und Produktionsumfänge wurden und werden im Rahmen langfristig orientierter Geschäftsbeziehungen zwischen Hersteller und Zulieferer auf der Ebene der Konzern-Zentralen in Deutschland vorgenommen. […] Es handelt sich eben nicht nur um direkte, dezentral marktlich vermittelte Beziehungen, die allein oder fast ausschließlich von Kostengesichtspunkten strukturiert wären. […] Gewachsene Vertrauensbeziehungen auf Konzern- und lokaler Ebene, technologische Kompetenz, die Fähigkeit zu globaler Präsenz und andere ‚weiche’ Faktoren spielen nicht selten eine ausschlaggebende Rolle.“1052
1051 1052
Vgl. Carillo, J./Lopez, S. G. (1999), S. 105 – 111. Carillo, J./Lopez, S. G. (1999), S. 114 f. 315
BMW1053 Die BMW Group eröffnete offiziell ihren Produktionsstandort in Spartanburg, South Carolina, USA, 1992. Ein Jahr später begann der Fabrikbau, und 1994 lief das erste Fahrzeug vom Band. Die ursprüngliche Produktion umfasste Modelle der 3er Serie.1054 Bereits wenige Monate später wurde mit der Produktion eines völlig neuen Fahrzeugs (Roadster Z3) begonnen. BMW ging ein bis dahin in der automobilen Historie nicht gekanntes Doppelrisiko mit einem neuen Produkt in einem neuen Werk ein.1055 Die Gesamtinvestitionen inklusive der Kapazitätserweiterungen in den ersten fünf Jahren beliefen sich auf ca. 800 Millionen US Dollar.1056 Im Rahmen des Standortentscheidungsprozesses war es letztlich die Kombination aus niedrigen Arbeits-, Land- und Lebenshaltungskosten, einer entwickelten Infrastruktur und aggressiven Vergünstigungen, die BMW zur finalen Standortwahl von Spartanburg veranlassten.1057 Der Standortaufbau kennzeichnete sich neben der bereits erwähnten Einzigartigkeit eines neuen Produktes an einem neuen Standort u. a. auch durch ein komplett neues Produktions- und Beschaffungssystem. So wurde ein für die BMW Group bis dahin unvergleichlich hoher Wertschöpfungsanteil an externe Zulieferer vergeben. Dies resultierte nicht zuletzt aus dem strategischen Wechsel hin zum Modularkonzept, bei dem größere Wertschöpfungsumfänge bei den Zulieferern erstellt werden. Die Vergabe basierte auf langfristigen Verträgen (sieben bis acht Jahre). Zudem kennzeichneten sich die Hersteller-Zuliefer-Beziehungen durch das so genannte „open-book-pricing“. Im Gegensatz zur Beschaffungsstrategie der amerikanischen „big three“ GM, Ford und Chrysler setzte BMW auf Kooperation und Vertrauen sowie das Prinzip der gemeinsamen Vorteile aus Produkt- und Prozessverbesserungen. Die Vorgehensweise von BMW zur Etablierung der notwendigen vorgelagerten Beschaffungsebenen gründet stark auf dem Versuch, bestehende Zulieferer (insbesondere der ersten und zweiten Ebene) an den neuen Standort mitzunehmen: „Die BMW Group baut eine marktorientierte Lieferantenbasis typischerweise in drei Phasen auf. Im ersten Schritt geht es darum, parallel zum Aufbau der eigenen Produktion erst einmal eine gewisse Lieferantenbasis zu etablieren. Die lokale Beschaffung ist oftmals aus Zollgründen erforderlich, wenn die minimal 1053
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Vgl. nachfolgend Martin, S. B. (1999), S. 62 – 75 für die grundlegenden Aussagen. Es erfolgte die Montage von in Deutschland produzierten CKD Sätzen. Mit dem Modellauslauf wurde die CKD Produktion eingestellt. Vgl. Pries, L. (1999), S. 31. Die Kapazitätserweiterungen dienten u. a. dazu, dass zusätzlich mit dem BMW X5 (SUV) eine weitere Produktlinie in Spartanburg produziert werden konnte. Siehe die Ausführungen in Abschnitt 5.4 zum Standortentscheidungsprozess von BMW in den USA.
notwendige Wertschöpfung zur Erreichung des Status eines lokalen Fahrzeugherstellers nicht durch Montagen abgedeckt wird. […] Im ersten Schritt geht es deshalb für Lieferanten darum, erst einmal mit einer Dependance vertreten zu sein. Wir versuchen dabei in der Regel, unsere Kernzulieferer an einen neuen Standort mitzunehmen. […] Im zweiten Schritt entwickelt sich dann ein echter Zuliefermarkt, der die lokale Fertigung durch niedrige Transportkosten und Zollvorteile tatsächlich günstiger beliefert. […] Im dritten Schritt wird dann auf Basis der erreichten Produktivität und Qualität ein Stand erreicht, der es erlaubt, lokal beschaffte Teile zu exportieren und in anderen Werken zu verbauen.“1058
Hinsichtlich der Auswahl der den eigenen Zulieferern vorgelagerten Wertschöpfungsebenen überließ BMW seinen Lieferanten einen relativ großen Spielraum. Wichtig war dem OEM die geografische Nähe der Lieferanten zum eigenen Produktionsstandort. So weist BMW für den Produktionsstandort in South Carolina 187 Zulieferer aus, von denen allein 49 ihren Standort in South Carolina haben.1059 Der OEM begründet mit der eigenen Flexibilität gegenüber dem Endkunden (Autokäufer) die Notwendigkeit eines engen geografischen Radius bezüglich der Tier-1 und Tier-2 Zulieferer, die für die Konfektionierung und Montage vorgefertigter Systeme verantwortlich zeichnen.1060 BMW erkennt ferner die Notwendigkeit an, dass die eigenen Zulieferer weitere Kunden am neuen Standort gewinnen, um die Amortisation der Investitionen schneller zu erreichen: „Das BMW-Werk ist der Nukleus, der auch mittelständische Zulieferer dazu bewegt, im entsprechenden Land zu produzieren. Dadurch schaffen sich die Zulieferer eine Basis, von der aus sie den jeweiligen Markt besser erschließen können. Eine ganze Reihe von Zulieferern, die mit uns nach Spartanburg gegangen sind, beliefert jetzt auch die großen Drei in den USA, also Ford, GM und Chrysler.“1061
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die BMW Group eine eher kooperative Vorgehensweise bei der Motivation der Zulieferer verfolgt, dem OEM an den neuen ausländischen Standort zu folgen. Es werden langfristige Verträge ausgehandelt, die den Lieferanten eine sichere Planungsbasis ermöglichen. Direkte Unterstützungen bei der Ansiedlung sind üblich. Nach der Etablierung des eigenen Standortes haben die Zulieferer die Chance, im neu erschlossenen
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Stolle, M. et al. (2006), S. 344 f. Für die Supplier List des OEM vgl. www.bmwusfactory.com/media_center/media_info/Suppliers/Suppliers.pdf, Abruf: 18.11.2006. Vgl. Stolle, M. et al. (2006), S. 345. Stolle, M. et al. (2006), S. 346. 317
Markt neue Kunden zu akquirieren. Die BMW Group greift im Internationalisierungsprozess bevorzugt auf Zulieferer zurück, mit denen bereits langfristige partnerschaftliche und vertrauensvolle Geschäftsverbindungen existieren. Damit orientiert sich der OEM grundsätzlich eher in Richtung der japanischen Hersteller-Zulieferer-Beziehungen und weg von der preis- und machtbasierten Vorgehensweise der amerikanischen OEM. Im Ergebnis ist es eben diese in der Vergangenheit erarbeitete vertrauensvolle und für die Zukunft langfristig ausgerichtete Basis, die es den Zulieferern erleichtert, ihrem Kunden an einen neuen Standort zu folgen. Mercedes-Benz1062 Das Unternehmen Daimler-Benz1063 (bzw. die Marke Mercedes-Benz) entschied sich für einen US-basierten Produktionsstandort auf Grund des schnell wachsenden Marktsegmentes von SUV (Sport Utility Vehicle) in diesem Markt. Das erklärte Ziel war es, die entstehende „Premiumnische“ mit einem eigenen Angebot zu füllen. Alle vier zuletzt in der Auswahl befindlichen US-Bundesstaaten lagen im Südosten der USA. Kostensenkung war neben dem genannten Marktmotiv der entscheidende Gesichtspunkt bei der Standortwahl. 1993 erhielt der US-Standort Tuscaloosa, Alabama, den Zuschlag von Mercedes-Benz. Die erste Prototypenmontage begann 1995, während die offizielle Werkseröffnung auf das Jahr 1997 datiert. In diesem Jahr fand auch die Markteinführung der neuen Mercedes M-Klasse (SUV) statt. Die gesamten Investitionen seitens des OEM beliefen sich anfänglich auf ca. 535 Millionen US Dollar, wobei bereits 1998 eine Kapazitätserweiterung in Höhe von ca. 40 Millionen US Dollar vorgenommen wurde. Die sich daran anschließende Erweiterung des Werkes von 2001 bis 2005 summierte sich auf mehr als 600 Mio. US Dollar.1064 Mittlerweile wird nicht nur die Mercedes M-Klasse in der zweiten Generation in Tuscaloosa gefertigt, sondern auch die Mercedes R-Klasse und die Mercedes GL-Klasse.1065 Die Standortgründung von Mercedes-Benz war im Vergleich zu der von BMW auf Grund einer schwächeren regionalen Tradition hinsichtlich multinati-
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Vgl. nachfolgend Martin, S. B. (1999), S. 62 – 75 für die grundlegenden Aussagen. Seit der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler im Mai 1998 ist der offizielle Name unternehmensrechtlich DaimlerChrysler. Nachfolgende Ausführungen zum Produktionsstandort Tuscaloosa, USA, beziehen sich jedoch auf die Konstellation vor der Fusion, so dass hier von Daimler-Benz gesprochen wird. Vgl. ww.businessportal24.com/de/Top_Safety_Pick_Mercedes_Benz_79823.html, Abruf: 01.01.2007. Vgl. www.daimlerchrysler.com/dccom/0-5-7153-1-489089-1-0-0-0-0-0-3882-71 45-0-0-0-0-0-0-1.html, Abruf: 01.01.2007; www.daimlerchrysler.com/dccom/0-57153-1-569854-1-0-0-0-0-0-3882-7145-0-0-0-0-0-0-1.html, Abruf: 01.01.2007.
onaler Produktionsinvestitionen risikoreicher. Dies gilt auch für den Aspekt des erfolgreichen öffentlichen Ansiedlungsmanagements. Weit schwerwiegender war jedoch die Tatsache des völligen Fehlens einer etablierten automobilen Zuliefer-Infrastruktur und qualifizierter Arbeitskräfte für diese Industrie. Hinzu kam das relativ geringe Bildungsniveau des vergleichsweise armen Bundesstaates Alabama. Diese standortbedingten Nachteile wurden durch ein ca. 300 Millionen US-Dollar umfassendes Subventionspaket seitens des Bundesstaates nivelliert. Die Unterstützungsleistungen bezogen sich auf Steuererlasse, Verbesserungen bei der Infrastruktur, Qualifizierungshilfen für Arbeitskräfte und deren Auswahl bis hin zu Landüberlassungen. Die Subventionen waren damit signifikant höher als diejenigen, die BMW in Spartanburg gewährt wurden. Die durch die Höhe der Subventionen ausgelöste kontroverse Debatte in den USA ist mittlerweile beigelegt. Aus Sicht des Bundesstaates Alabama war die anfängliche Investition erfolgreich. Zwischenzeitlich haben mit Honda und Hyundai zwei weitere global agierende OEM Produktionsstandorte im Bundesstaat eröffnet.1066 Dementsprechend ist unterdessen die Infrastruktur der Zulieferunternehmen so gewachsen, dass alle beteiligten Unternehmen von dieser Entwicklung profitieren. Den Zulieferunternehmen wurden von Mercedes-Benz langfristige Verträge über einen Zeitraum von acht Jahren garantiert, die alle Produktvariationen einschlossen. Mercedes-Benz setzte ebenso wie BMW in Spartanburg auf Zulieferer, mit denen bereits langfristige Erfahrungen an deutschen Standorten gemacht wurden. Es war jedoch nicht allein die langfristige Zusammenarbeit, die zur Nominierung eines Lieferanten führte. Im Fall von ZF war das ausschlaggebende Entscheidungskriterium die Bereitschaft, einen Produktionsstandort in unmittelbarer Nähe des Mercedes-Benz Montagewerkes für die M-Klasse aufzubauen.1067 Darüber hinaus wurden diverse US-basierte Zulieferer nominiert. So stammten mehr als zwei Drittel der ca. 65 ausgewählten Zulieferer aus Nordamerika, vornehmlich aus den USA. Die Motoren und Getriebe kamen (ebenso wie bei BMW) aus den deutschen Konzernwerken.1068 Damit öffnete sich der OEM in Summe sehr viel stärker gegenüber neuen Lieferanten aus der
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Am neuen Huyndai-Standort in Alabama sind 31 Unternehmen als Top-Zulieferer definiert. Vgl. www.automobil-produktion.de/themen/09863/index.php, Abruf: 10.12.2006. Anhand dieser Zahl wird deutlich, dass es sich selbst bei den engsten und wichtigsten Zulieferern um eine erhebliche Anzahl an Unternehmen handelt, die ein OEM benötigt, um seine ihm vorgelagerte Wertschöpfungsstruktur aufzubauen. Vgl. Wildhage, H. J. (1997), S. 6. Vgl. www.motor-kompakt.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id =1625, Abruf: 01.01.2007. 319
(Groß-) Region des gewählten neuen Standortes. Während ein Teil der Hersteller-Zulieferer-Beziehungen kooperativ war, gründete sich der andere Teil auf marktlich orientierten Beziehungen, die dem angestrebten Ziel der Kostensenkung dienen sollten. Es kann festgehalten werden, dass Mercedes-Benz im Rahmen der Standortgründung in Tuscaloosa auf eine Mischung aus kooperativ-vertrauensbasierten und marktlich orientierten Hersteller-Zulieferer-Beziehungen setzte. Es liegen allerdings keine Aussagen darüber vor, mit welchen Mitteln der OEM seine langfristigen Wertschöpfungspartner motivierte, um ihm an den neuen Standort zu folgen. Anhand des dokumentierten Einzelfallbeispiels können zwar keine allgemein gültigen Aussagen über die Vorgehensweise abgeleitet werden, allerdings scheint die Bereitschaft zum Aufbau eines Zulieferstandortes am OEMStandort ein entscheidendes Kriterium der Lieferantennominierung gewesen zu sein. Es lässt sich zumindest der Einsatz latenter Macht vermuten. 5.6.2 Automobile Standortentscheidungen in China Die aktuelle Situation für Automobilunternehmen (OEM und Zulieferer) in China lässt sich wie folgt charakterisieren: „Für Automobilbauer und Zulieferer markierte das Jahr 2005 den Beginn einer neuen ‚Ära’, denn seit Januar 2005 entfallen in Folge des Beitritts Chinas zur WTO die ‚local content’-Bestimmungen. Im Jahr 2006 erreichen die Importzölle für Automobilhersteller und Zulieferer, die die Anbieter im chinesischen Markt viele Jahre geschützt haben, mit 25 bzw. 10 % ihren vorläufigen Tiefpunkt. Durch diese Liberalisierungsmaßnahmen verschärft sich der Wettbewerb erheblich, was im Zusammenhang mit wachsenden Überkapazitäten im Automobilbau zu harten Preiskämpfen führt. Der Kostendruck wird teilweise weitergereicht an Zulieferer, die ihrerseits auch eigene Preiskämpfe ausfechten. Die bisher auf Grund geringer Stückzahlen wenig effizienten Produktionen deutscher Automobilzulieferer stehen zunehmend im Wettbewerb mit ehrgeizigen und lernfähigen chinesischen Konkurrenten und nun auch mit verbilligten Importen.“1069
Als einer der wichtigsten Wachstumsmärkte ist es für Automobilhersteller und in ihrem Gefolge für Zulieferunternehmen unabdingbar, in China mit eigenen Produktionsstandorten vertreten zu sein. Die Markteintritte der einzelnen OEM erstrecken sich dabei über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Erfolge Volkswagens – des ersten produzierenden ausländi-
1069
320
Kasperk, G. et al. (2006), S. 1. Hinsichtlich der Überkapazitäten in China siehe auch Götz, A. (2005b), S. 46.
schen OEM in China – in den 1980er und 1990er Jahren und einer zunehmenden Liberalisierung des Marktes folgten alle bedeutenden OEM dem deutschen Unternehmen. Mittlerweile sind alle global operierenden Automobilhersteller mit Produktionsstandorten in China vertreten (siehe Tabelle 5.6.2). SOP 1984
ausländischer Investor Volkswagen
Kooperation JV mit SAIC
Standort Shanghai
1985
DaimlerChrysler
JV mit BAIC
Beijing
1988
Peugeot/PSA
JV mit Guang Zhou Auto Co.
1991
JV mit FAW
1992 1995 1999
Volkswagen/ Audi Citroen/PSA Suzuki General Motors
JV 1998 beendet (davor: Wuhan) Changchun
JV mit Dong Feng JV mit Chang An JV mit SAIT
Wuhan Chongqing Shanghai
2002
Honda
Guangzhou
Guangdong Beijing
1070
2003
BMW
JV mit Guang Zhou Auto Co. JV mit Dong Feng JV mit TAIC JV mit BAIC JV mit Dong Feng u. Yueda Automobile Group JV mit Changan Automobile Co. JV mit Yuejin Motor Group JV mit Brilliance
2005
Nissan DaimlerChrysler
JV mit Dong Feng JV mit BAIC
Toyota Hyundai Kia
Ford Fiat
Modelle Santana, Santana 2000, Passat, Golf, Polo Jeep Cherokee, Mitsubishi Pajero, Chrysler 300C
Audi A6, Audi 100, Audi 200, Jetta, Bora, Golf Fukang Alto, Cultus Buick (Regal, Century, GL8, Sail) Accord, Odyssey, Fit (Jazz in Deutschland)
Tianjin Beijing Yancheng
Vios, Corolla Sonata, Elantra Pride, Accord
Chongqing
Fiesta, Mondeo
Nanjing
Palio, Siena
Shenyang
3er BMW (seit 2005: 5er BMW) March, Sunny, Cefiro C-Klasse, E-Klasse 1071
Tabelle 5.6.2: Ausländische Automobilhersteller auf dem chinesischen Markt 1072
[Quelle: Diverse]
1070 1071 1072
SOP: Start of Production, Produktionsstart. Die Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vgl. Kasperk, G. et al. (2006), S. 35; Weider, M. (2004), S. 25 – 38; Haak, R. (2004), S. 22 – 24; Primer, B. (2003), S. 195; http://german.mofcom.gov.cn/aarticle/subject/touzichina/lanmudd/200611/200611 03671696.html, Abruf: 01.12.2006. 321
Die wichtigsten Spezifika zum Markteintritt der deutschen Marken Volkswagen/Audi, BMW und Daimler-Chrysler sowie der großen Zulieferer werden im Folgenden dargestellt. Hinsichtlich des Standortentscheidungsprozesses existieren in der Literatur so gut wie keine Informationen. Dies gilt ebenfalls für konkrete Hinweise auf die Einbindung der benötigten Zulieferindustrie vor Ort. Lediglich für den Volkswagenkonzern konnten Ansätze dahingehend gefunden werden, wie sich die Kommunikation mit den vorgelagerten Zulieferebenen bezüglich des Standortaufbaus ausgestaltet. Es lässt sich zudem erkennen, dass die Strategie des Following Customer für den Markteintritt der automobilen Zulieferer relevant ist. Allgemein lässt sich für die Standortwahl konstatieren, dass die frühzeitig im Markt engagierten ausländischen Unternehmen die großen Städte an der chinesischen Ostküste als Standorte wählten. Sich später ansiedelnde OEM nutzten das geringere Kostenniveau im Landesinneren. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die zu Beginn fehlende Infrastruktur im Inneren des Landes ein Knock-outKriterium darstellte. Darüber hinaus wird indirekt der konstitutive Charakter einer Standortentscheidung deutlich (insbesondere in der kapitalintensiven Automobilindustrie). Einmal getroffene Standortentscheidungen lassen sich nicht einfach revidieren, so dass es für Unternehmen mit Standorten an der Ostküste Chinas nicht ohne weiteres möglich ist, in das Landesinnere umzusiedeln, um dem nachhaltig steigenden Kostenniveau der Küstenmetropolen zu entgehen. Volkswagen/Audi1073 Volkswagen sichert sich mit dem frühzeitigen Markteintritt über ein Joint Venture mit der Firma Shanghai Auto Works (heute Shanghai Automotive Industry Co., SAIC) vorübergehend eine Monopolstellung als einziger ausländischer Automobilhersteller im chinesischen Pkw-Markt. Trotz hoher Produktionskosten konnte Volkswagen auf Grund hoher Importzölle und Preise (ca. 60 % über Weltmarktniveau) eine stabile Gewinnsituation verbuchen. Ein weiteres Joint Venture, an dem auch Audi beteiligt ist, wurde 1991 mit der First Automotive Works (FAW-VW) geschlossen. Das Joint Venture umfasste eine Gesamtinvestition über 439 Mio. € am Standort Changchun. Volkswagen konnte bei der Standortentscheidung beachtliche Vergünstigungen der Zentralregierung, der regionalen und lokalen Behörden sowie der Provinzregierungen verbuchen. Dies waren vor allem Steuervergünstigungen und die Sicherung des Rohstoff-, Material- und Devisenzugangs. Produktionsanlagen und Humanressourcen wurden durch die lokalen Kooperationspartner des Joint Ventures eingebracht. Die Zentralregierung half zudem beim Aufbau des unerlässlichen Lieferanten- und Dis-
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322
Vgl. nachfolgend Kasperk, G. et al. (2006), S. 39 – 42, S. 59 – 71; Weider, M. (2004), S. 29.
tributionsnetzwerkes. Das automobile Zuliefernetzwerk, das in und um Shanghai im Zuge des Volkswagenstandortes entstand, gilt bis heute als das dichteste in ganz China. Einen Einblick in die aktuelle Vorgehensweise Volkswagens gegenüber den eigenen Zulieferern wird nachfolgend beschrieben: „Nachdem sich China für Volkswagen innerhalb weniger Monate von der Cashcow zu einem Problemfall entwickelt hat, wird versucht, an der Kostenschraube zu drehen. Die Einkäufer vor Ort sollen möglichst alle Zulieferteile lokal beziehen. Sie fordern ihre Lieferanten massiv auf, sich vor Ort anzusiedeln oder ihrerseits zu lokalisieren.“1074
Die Aussage lässt den Schluss zu, dass kein partnerschaftlicher Standortaufbau betrieben wird. Diese Vorgehensweise zeigt am konkreten Beispiel der internationalen Standortentscheidung die machtbasierte Einflussnahme eines OEM, die bereits in Abschnitt 4.3 diskutiert wurde. Für die nachfolgend vorgestellten Unternehmen DaimlerChrysler und BMW und deren Standortpolitik gegenüber den Zulieferern lassen sich keine derart eindeutigen Aussagen in der praxisorientierten Literatur finden. DaimlerChrysler1075 Chrysler ist bereits seit 1983 durch ein Joint Venture mit der Beijing Automotive Industry Holding Company (BAIC) im chinesischen Markt vertreten. Mercedes als deutscher Teil des Konzerns ist dagegen erst seit 2003 mit einem gemeinsamen Produktionswerks Beijing Benz-DaimlerChrysler Automotive Ltd. (BBDC) in Peking im chinesischen Markt ansässig. BBDC, gegründet am 8. August 2005, ist ein Joint Venture der Beijing Automotive Industry Holding Co. Ltd und der DaimlerChrysler AG. BBDC ist aus der früheren Beijing Jeep Corporation, einem internationalen automobilen Joint Venture in China, hervorgegangen. Gefertigt werden sollen neben der Mercedes E-Klasse auch die CKlasse und der Chrysler 300C. Das neue BBDC-Werk umfasst eine Werksfläche von zwei Millionen Quadratmetern (Produktionsfläche: 210.000 Quadratmetern) und liegt im Beijing Development Area (BDA) im Südosten der Stadt. BBDC verfügt über Produktionskapazitäten für bis zu 25.000 Mercedes-Benz-Fahrzeuge und 80.000 Chrysler- und MMC-Fahrzeuge jährlich, die bei Bedarf noch weiter aufgestockt werden können.
1074 1075
O. V. (2005a), S. 35. Vgl. nachfolgend Weider, M. (2004), S. 37 f.; www.daimlerchrysler.com/dccom/0-5-7153-1-639076-1-0-0-0-0-0-3882-7145-00-0-0-0-0-1.html, Abruf: 01.01.2007. 323
BMW1076 Während BMW bereits 1994 mit einer Repräsentanz in China vertreten war, dauerte der Verhandlungsprozess mit dem Joint Venture Partner Brilliance China Automotive Holding bis 2003 an. Der Produktionsstandort in Shenyang begann im September 2003 mit der Produktion (3er BMW). Die Fertigungskapazitäten sollen mittelfristig auf 30.000 Einheiten ausgebaut werden und die 3er und 5er Reihe produzieren. Die langwierigen und äußerst schwierigen Verhandlungen führten zum späten Einstieg des OEM in den chinesischen Markt. BMW kommentiert dies jedoch dahingehend, dass sich das Premiumsegment erst spät entwickelte und infolgedessen reif für den Aufbau eines Produktionsstandortes war. Ende 2005 beschäftigte BMW Brilliance ausschließlich Zulieferer aus westlichen Industrienationen. Die Gründe für diese Geschäftspolitik sind klar ersichtlich – es ist die von BMW angestrebte Qualität, die dies veranlasst.1077 Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Zulieferer eine originäre Motivation haben müssen, um diese Standortentscheidung vorzunehmen. Werden die Aussagen der BMW Beschaffungsriege in Bezug auf den partnerschaftlichen Umgang mit den Zulieferern beim Standortaufbau für den Standort Spartanburg, USA,1078 auf den chinesischen Standort übertragen, liegt die Motivation in der langfristig ausgerichteten Zusammenarbeit von BMW mit den eigenen Lieferanten. Ausländische Zulieferer In den 1980er Jahren importierten die ausländischen OEM einen großen Teil des benötigten Leistungsumfangs, der auf den vorgelagerten Wertschöpfungsebenen erstellt wurde. Mit Beginn der 1990er Jahre begann der Markteintritt westlicher Zulieferunternehmen. Die Motivation für die Standortentscheidung lässt sich klar der Strategie des Following Customer zuordnen. Nachdem beispielsweise Delphi, Bosch und ZF Sachs ihren OEM folgten, sind aktuell fast alle der weltweiten Top-50-Zulieferer mit eigenen Standorten in China vertreten. Allein die Standortentscheidungen deutscher Zulieferer resultieren in ca. 100 Produktionsanlagen. Ebenso wie die OEM waren die Zulieferer am Anfang zum Eingehen eines Joint Ventures gezwungen, wollten sie in China produzieren. Seitens der ausländischen Zulieferer wurde neben Kapital vor allen Dingen Technologie transferiert. Die OEM sahen sich zudem local-content-Bestimmungen gegenüber, die sie zu umfangreichen Investitionen in lokal ansässige Zulieferunternehmen
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324
Vgl. nachfolgend Kasperk, G. et al. (2006), S. 40; Weider, M. (2004), S. 36 f. Vgl. o. V. (2005b), S. 31. Siehe die Ausführungen in Abschnitt 5.6.1.
zwangen. Bereits Ende der 1990er Jahre bezogen die meisten OEM 80 % oder mehr ihrer vorgelagerten Wertschöpfung von Unternehmen vor Ort.1079 Während sich die Produktqualität insbesondere bei „low-tech“-Produkten enorm verbessert hat und nahezu auf deutschem Niveau liegt, stellen die auf Grund des geringen Produktionsvolumens fehlenden Skaleneffekte und daraus resultierende Ineffizienzen ein für viele Zulieferer nachhaltiges Problem dar. Ohne die Aufhebung der historisch gewachsenen Abgrenzung einzelner Regionen ist ein Wechsel von regional beschränkter zu landesweiter Zulieferung nicht zu erwarten. Somit werden auch auf absehbare Zeit die benötigten Skaleneffekte nicht eintreten. In diesem Zusammenhang sind auch die oft als ausschlaggebender Standortfaktor angeführten Lohnkosten zu relativieren. So liegen die Gesamtkosten der Zulieferindustrie in China trotz eben jener geringen Personalkosten ca. 20 % über denen in Deutschland.1080 Steigende Umsätze und Gewinnmargen resultieren nicht aus effizienten Strukturen, sondern aus hohen Importzöllen und Importkontingenten. Die Wahl der Zulieferer bemisst sich sehr stark am Leistungsumfang. Einfache und arbeitsintensive Leistungsumfänge werden überwiegend von chinesischen Zulieferern produziert. Hier werden offensichtlich Lohnkostenvorteile realisiert. Technologisch hochwertige Leistungsumfänge werden dagegen weiterhin von ausländischen Zulieferern erstellt.1081 Diese Unterteilung drückt sich auch in den unterschiedlichen Kundensegmenten aus. Chinesische Zulieferer bedienen vor allem das Segment der Massenautomobile. Ausländische Zulieferer haben Wettbewerbsvorteile und die Marktführerschaft bei den OEM, die im Premiumsegment vertreten sind. Im Segment der Mittelklassewagen konkurrieren dagegen verstärkt in- und ausländische Zulieferunternehmen miteinander. 5.6.3 Automobile Standortentscheidungen in Mittel-/Osteuropa Auf Grund der geografischen Nähe ist die Region Mittel-/Osteuropa insbesondere für deutsche Automobilunternehmen von höchstem Interesse. Standorte dienen dort zum einen der Markterschließung. Zum anderen können Faktorkostenvorteile realisiert werden, ohne dass diese durch hohe Logistikkosten nivel-
1079
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Dies umfasst Wertschöpfungsumfänge sowohl lokaler chinesischer Zulieferer als auch lokal ansässiger ausländischer Zulieferer. Vgl. Bradsher, K. (2003), S. 8. Kernwertschöpfungsumfänge wie bspw. Motoren werden weiterhin importiert. Dies resultiert aus der Entscheidung der OEM, in diesen Bereichen einem Knowhow-Abfluss vorzubeugen und den fehlenden komparativen Lohnkostenvorteilen, weil die Wertschöpfungsumfänge wenig arbeits-, dafür jedoch sehr technologieintensiv sind. 325
liert werden, da die Distanz zu den traditionellen Standorten (in Deutschland) sehr viel geringer ausfällt, als dies beispielsweise bei asiatischen Standorten der Fall ist.1082 Dass die Standortwahl der Zulieferer sehr stark durch den Standort des OEM geprägt ist, zeigt das Beispiel der Slowakei. Die Zulieferunternehmen ballen sich insbesondere rund um die Standorte der OEM. Dabei folgen viele Lieferanten aus dem Heimatmarkt den OEM an die neuen Standorte. Während sich koreanische Zulieferer vorwiegend am KIA-Standort in Zilina ansiedeln, sind es französische Lieferanten wie Faurecia, Valeo, Sofitec Plastiques, Streit Groupe und VMA Infra Industrie am PSA-Standort.1083 Deutsche Zulieferer folgen wiederum deutschen OEM wie bspw. die Hella KGaA Hueck & Co. Der Spezialist für Front-Lightning Systeme begleitete Volkswagen zuerst nach Mexiko und danach nach Osteuropa und China. Der erste Standort in Osteuropa wurde bereits 1992 in der Tschechischen Republik eröffnet. Das Motiv war die Markterschließung, der Hauptkunde Škoda (und damit indirekt Volkswagen1084).1085 Hella ist auch ein klassisches Beispiel dafür, dass sich ein Zulieferer in einem Markt, in dem er sich etabliert hat, weitere Kunden erschließen kann. So beliefert Hella mittlerweile auch die KIA Motors Werke in der Slowakei.1086 Die Bedeutung der Zulieferstandorte für die Wertschöpfungsprozesse der OEM lässt sich des Weiteren daran erkennen, dass eine eigenständige Standortverlagerung der Zulieferer häufig zumindest der gewissen „Meldepflicht“ gegenüber dem OEM bedarf,1087 wenn nicht sogar dessen Zustimmung. Wird die enge interorganisationale Verknüpfung der Wertschöpfung zugrunde gelegt, ist das Interesse der Automobilhersteller verständlich, die wichtigen Zulieferer in nächster Nähe der eigenen Standorte zu wissen. Dies bestätigt auch die Aussage des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Hella KGaA Hueck & Co.: „Aufgrund der stetigen Globalisierung unserer Kunden und der zunehmenden Konsolidierung unter den Automobilherstellern ist ein globales Netzwerk für Hella eine zwingende Notwendigkeit. […] Die einfachste Lösung für den Fahr-
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Die infrastrukturelle Anbindung der neuen Standorte ist zwar grundsätzlich mit erhöhten Kosten verbunden. Diese halten sich aber für Großunternehmen in Grenzen. So hat bspw. die Audi AG einen täglichen Flugservice zwischen der Konzernzentrale in Ingolstadt und dem ungarischen Produktionsstandort in Györ eingerichtet. Vgl. o. V. (2005c), S. 28 f. Škoda wurde 1991 von Volkswagen übernommen. Vgl. Jacob, F. et al. (2006), S. 308. Vgl. o. V. (2005d), S. 26. Vgl. Stolle, M. et al. (2006), S. 345; Interview mit Dr. K. Richter, Leiter Einkauf BMW Group.
zeughersteller ist es, in allen Regionen Teile von einem einzigen Zulieferer zu beziehen, der auch lokal fertigt. Ohne Auslandsstandorte kann ein Zulieferer heute keine führende Rolle mehr übernehmen. Kunden erwarten die lokale Belieferung, egal ob in den USA, China oder Deutschland.“1088
Während sich das Following Customer-Verhalten der Zulieferer in der Praxis sehr gut nachvollziehen lässt, sind es nicht vielmehr als Randnotizen in Praxisberichten, die darauf schließen lassen, wie die Ansiedlung von Zulieferern an neuen OEM-Standorten durch die Letzteren betrieben wird. So setzt Volkswagen zur Ausweitung der eigenen Produktion auf „ansiedlungswillige Lieferanten“.1089 Für das KIA-Werk im slowakischen Zilina mit einer Jahreskapazität von 300.000 Fahrzeugen p. a. kein kleiner Produktionsstandort standen ca. ein Jahr vor Produktionsbeginn „[…] nur zwölf Zulieferer aus Korea fest, die sich im Dunstkreis des Werkes niederlassen wollen. Die restlichen Einkaufsentscheidungen sollen bis spätestens Anfang 2006 getroffen sein.“1090
Kia Motors Slovakia suchte zu diesem Zeitpunkt weitere Tier-1 Zulieferer, vornehmlich koreanische Unternehmen, die in die Errichtung von Werken in der Slowakei investieren.1091 Vor dem Hintergrund der Bedeutung einer Standortentscheidung und der damit verbunden Investitionen ist es verwunderlich, dass die OEM ihre vorgelagerten Zulieferebenen nicht stärker und frühzeitiger in den Planungsprozess mit einbeziehen, um von Anfang an eine möglichst reibungsfreie Wertschöpfung zu gewährleisten. Einzelne Beispiele legen offen, dass die Höhe der Investitionen oft nicht unerheblich ist. Volkswagen investiert bspw. am neuen Produktionsstandort nahe Pune, Indien, ca. 410 Millionen Euro,1092 Nissan ca. 200 Millionen Euro in St. Petersburg1093. Toyota investierte auch 200 Millionen Euro in den
1088
1089
1090 1091 1092
1093
Jacob, F. et al. (2006), S. 309; Interview mit Dr. R. Breidenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung Hella KGaA Hueck & Co. Vgl. o. V. (2005b), S. 31. In diesem Fall bezieht sich die Aussage auf Mexiko und nicht auf die in diesem Abschnitt thematisierten Standorte in Mittel- und Osteuropa. Vgl. o. V. (2005b), S. 32. Vgl. o. V. (2005d), S. 26. Vgl. www.automobil-produktion.de/news/13669/index.php, Meldung vom 29.11.2006, Abruf: 14.12.2006. Das Volkswagen-Werk umfasst eine Vollfertigung, d. h. inklusive Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei und Montage. Vgl. www.produktion.de/news/13/b9f6d5ab6ad.html, Meldung vom 14.06.2006, Abruf: 14.12.2006. 327
Bau eines Dieselmotorenwerkes in Polen.1094 Dagegen nimmt sich die Investition von zehn Millionen Euro des Zulieferers Hella in der Slowakei für eine neue Produktionshalle (in diesem Falle auch nur eine Standorterweiterung und keine Standortgründung) geradezu geringfügig aus. 5.7 Zusammenfassende Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses Im Rahmen der theoretischen Analyse1095 wurde herausgearbeitet, dass die wissenschaftliche Literatur eine Standortentscheidung als eine auf ein einzelnes Unternehmen beschränkte Problematik betrachtet. Unternehmen treffen demnach Standortentscheidungen autonom. Interorganisationale Aspekte, d. h. Netzwerkeffekte werden weitgehend ausgeblendet.1096 Eine Ausnahme stellt der Ansatz des Forschungsprojektes BESTAND dar. Der Fokus liegt in diesem Fall u. a. auf dem Aspekt der Standortentscheidungen von Zulieferern im Sog fokaler Unternehmen. Die Internationalisierungsstrategie des Following Customer wird explizit thematisiert. Die maßgebliche Bedeutung dieser Internationalisierungsstrategie wurde bereits bei der wissenschaftlichen Betrachtung internationaler Standortentscheidungen aus einer netzwerktheoretischen Perspektive hervorgehoben.1097 Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf einen erleichterten Standortaufbau für die folgenden Unternehmen, wenn diese auf das Wissen des Lead-Unternehmens bezüglich des Auslandsstandortes, dessen Internationalisierungserfahrungen und Ressourcen zugreifen können. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft des fokalen Unternehmens, seine Zulieferer an diesem Wissen und den Erfahrungen teilhaben zu lassen. Unter der Maßgabe der Schaffung von Transparenz hinsichtlich des Netzwerkbedarfs an neuen Standorten wird eine interorganisationale Sichtweise eingenommen. In diesem Zusammenhang werden erfolgskritische Standortfaktoren bezogen auf die jeweilige Internationalisierungsstrategie definiert. Im Falle der Strategie des Following Customer sind dies u. a.
1094 1095 1096
1097
328
Vgl. Götz, A. (2005a), S. 35. Siehe Abschnitt 5.1 – 5.3 und insbesondere Abschnitt 5.2.1.3. Dass es sich dabei um einen nicht zu vernachlässigenden Punkt handelt, zeigt der Blick in die Praxis. Allein die absolute Anzahl der benötigten Tier-1 Zulieferer offenbart die interorganisationale Reichweite und Bedeutung der Thematik. Siehe dazu die Beispiele in Abschnitt 5.6.1. Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.3.2.
{ die Bedeutung des Schlüsselkunden, { die Belastbarkeit der zugesagten Abnahmemenge bzw. der Abnahmeprognose, { Unterstützungsleistungen des Kunden während der Standortgründung (Gewährung standortspezifischer Aktiva), { die Kosten des Standortaufbaus und des daraus gebundenen Kapitals, { die langfristigen Auswirkungen (zum Beispiel die Gebundenheit) des „Folgens“. Damit werden genau jene Aspekte angesprochen, die es Zulieferunternehmen bei Nichtbeachtung schwer machen, ihren Kunden zu folgen. Im Gegensatz dazu hilft ein vertrauensbildender Prozess, eingespielte und partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen, die u. a. in kalkulierbare Qualität und Liefertreue resultieren. Damit werden am konkreten Beispiel des Standortentscheidungsprozesses die in Abschnitt 4.5 erarbeiteten Ergebnisse bestätigt. Des Weiteren zeigt sich die Notwendigkeit des Vorhandenseins bestimmter Netzwerkpartner an einem neuen Standort für das Lead-Unternehmen. Dazu bedarf es aus Sicht des OEM in einem ersten Schritt der Analyse aller Netzwerkbeziehungen an den bestehenden Standorten, die der Aufrechterhaltung der Wertschöpfungsprozesse dienen. Ihre Bewertung bildet die Grundlage für die Einschätzung des am neuen Standort notwendigen Netzwerkes. Im Falle eines fehlenden Netzwerkes am neu gegründeten Standort sind die Kosten für den Aufbau alternativer Netzwerkbeziehungen in die Standortentscheidung mit aufzunehmen. In letzter Konsequenz fehlt aber auch diesem hinsichtlich des Netzwerkaspektes sehr fortschrittlichen Ansatz die Einbeziehung wichtiger vorgelagerter Zulieferunternehmen in den konkreten Standortentscheidungsprozess. Weitere aktuelle Arbeiten wie der Ansatz von Meyer zur Optimierung globaler Produktionsnetzwerke setzen ihre Schwerpunkte in eine andere Richtung. Zwar wird auch hier dem Netzwerkeffekt und der Bedeutung der vorgelagerten Wertschöpfungsebenen Rechnung getragen, ohne jedoch diesen Aspekt tiefergehend zu verfolgen. Damit bleibt die Sichtweise des Standortentscheidungsprozesses wie bei vielen anderen Autoren auch auf einer intraorganisationalen Ebene. Auf Grund der betrachteten Praxisfälle kann Folgendes geschlussfolgert werden:1098 Automobile OEM nehmen, wenn überhaupt, nur selten eine nachhaltige interorganisationale Standortplanung vor. Sie agieren vielmehr gemäß der Prä-
1098
Siehe Abschnitt 5.6. 329
misse, wenn der OEM vor Ort ist, werden die Zulieferer auch folgen. Eine Verschärfung hin zu einem intraorganisational geprägten Standortentscheidungsprozess und der Ausblendung der Netzwerkpartner erfolgt insbesondere dann, wenn die OEM unter Zeitdruck handeln, bspw. durch eine sich verschärfende Wettbewerbssituation. Ein schnelles Vorgehen bei der Standortentscheidung ist dann auf Grund der externen Umweltfaktoren gefordert.1099 Vor diesem Hintergrund sehen sich die OEM gezwungen, den komplexen intraorganisationalen Standortentscheidungsprozess schnellstmöglich zu durchlaufen. Die Zeit, in diesem Zusammenhang ein kritischer Faktor, die betroffenen unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsstrukturen in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen, ist unter diesen Umständen limitiert. Ob letztlich das Following Customer freiwillig auf der Basis autonomer Unternehmensentscheidungen seitens der Zulieferer erfolgte bzw. in Zukunft erfolgen wird, steht auf Grund fehlender konkreter Aussagen der betroffenen Unternehmen offen im Raum. Es lassen sich jedoch Anhaltspunkt finden, die bis dato eine unterschiedliche Vorgehensweise der OEM gegenüber ihren Lieferanten offenbaren. So pflegt bspw. BMW tendenziell eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit und überträgt diese auch auf Situationen, bei denen Zulieferer zum Aufbau internationaler Standorte motiviert werden sollen. Volkswagen nutzt dagegen eher die bestehenden asymmetrischen Machtverhältnisse zu eigenen Gunsten aus. Druck scheint hier ein probates Mittel zur „Motivation“ der Zulieferer zu sein. Während Vereinbarungen wie langfristige Abnahmeverpflichtungen seitens des OEM den Zulieferern den Standortaufbau erleichtern, ist es andererseits die generelle Bereitschaft eines Zulieferers, die ihn für einen OEM als Partner an einem neuen Standort attraktiv macht. Diese gegenseitige Interessenverflechtung stellt im Folgenden die Ausgangsbasis für die Entwicklung eines interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses dar, von dem beide Seiten profitieren. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Standortentscheidungsprozess als Prozess in mehreren Phasen dargestellt. Standortentscheidungen in der Praxis zeugen von der Richtigkeit dieser Annahme. Bei einem Standortentscheidungsprozess handelt es sich i. d. R. zudem um einen langen, komplexen und durch soziale Einflüsse geprägten Entscheidungsprozess.1100 Es gelingt mithin nur unter Berücksichtigung von verhaltenswissenschaftlichen Annahmen, diesen Prozess realitätsnah abzubilden. Folgende grundlegende Aspekte sind zu beachten:
1099
1100
330
Siehe Abschnitt 2.3.1 für die fundamentale Einflussdeterminante „Wettbewerb“ in der Automobilindustrie und die sich daraus ergebenden Ursache-Wirkung-Beziehungen. Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.4.
{ Divergierende Ziele und Interesse sind normaler Bestandteil im Wirkungsgefüge eines jeden Unternehmens. { Entscheidungen werden unter Unsicherheit und mit begrenzter Rationalität getroffen. { Es wird nicht die Maximallösung, sondern eine zufriedenstellende Lösung gesucht. { Der Suchprozess wird so lange fortgesetzt, bis eine erste Lösungsmöglichkeit gefunden ist. Das Anspruchsniveau variiert je nach Stärke der Initialkräfte und bis dato erzielter (Miss)Erfolge. Überdies zeigt die theoretische Auseinandersetzung mit der Problematik internationaler Standortentscheidungen den Einfluss psychologischer Faktoren. Neben subjektiv wahrgenommenen Länderrisiken sind es auch kulturelle Affinitäten, die eine Standortentscheidung beeinflussen.1101 An dieser Stelle zeigt sich die Notwendigkeit für einen standardisierten Standortentscheidungsprozess, der derartig subjektiv geprägte Faktoren weitgehend isoliert und ausschließt – sowohl auf intra- als auch auf interorganisationaler Ebene. Die theoretische Analyse zeigt auch, dass die konventionellen Bewertungsverfahren bei einer interorganisationalen Herangehensweise auf Grund der differierenden unternehmensspezifischen Gegebenheiten schnell ihre Grenzen finden. Die Erwartungshaltung kann deshalb nicht darin liegen, einen allgemein gültigen Standortentscheidungsprozess mit vorgegebenen Standortbewertungsverfahren und zu bewertenden einheitlichen Standortfaktoren zu definieren. Stattdessen gilt es die Teilaspekte herauszuarbeiten, die tatsächlich als grundlegende Voraussetzungen und Handlungsleitlinien für einen interorganisationalen Standortentscheidungsprozess dienen können. Ein derartiger Ansatz wird in Kapitel 6 entwickelt.
1101
Siehe Abschnitt 5.3.1. 331
6 Internationale Standortentscheidungen in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken – ein theoretisches Erklärungsmodell Internationale Standortentscheidungen waren und sind für Unternehmen der deutschen Automobilindustrie im Rahmen der aktuellen Unternehmensführung wiederkehrend auf der Tagesordnung. Welche enorme Bedeutung einer funktionierenden unternehmensübergreifenden Wertschöpfungskette am neuen Standort zukommt, wurde durch die bisherigen Ausführungen deutlich herausgestellt. Standortentscheidungen sind folglich nicht mehr ausschließlich aus einer einzelunternehmerischen Perspektive zu evaluieren. Die interorganisationale Netzwerkperspektive gewinnt zunehmend und nachhaltig an Bedeutung. Es wurde ebenfalls herausgearbeitet, dass Aspekte der interorganisationalen Zusammenarbeit, die bspw. im Rahmen der Produktentwicklung und Produktion längst Teil standardisierter Prozesse sind, bis dato kaum Berücksichtigung bei internationalen Standortentscheidungen finden. Standortentscheidungen werden demnach in Bezug auf ihre komplexe interorganisationale Einbettung offensichtlich wenig nachhaltig getroffen. Auf diese Weise wird das Potenzial bestehender Beziehungen zwischen den Unternehmen bestenfalls nicht genutzt. Im ungünstigsten Fall werden mit dem Übergehen der Interessen der Wertschöpfungspartner bestehende Beziehungen irreparabel geschädigt. Über den Standortentscheidungsprozess hinaus kann sich dies auch sehr stark negativ auf die etablierte Zusammenarbeit auswirken. Wenn nun Standortentscheidungen zukünftig stärker im Unternehmensverbund zu treffen sind, bedarf es in diesem Zusammenhang der expliziten Berücksichtigung der in einem Wertschöpfungsnetzwerk zugrunde liegenden Beziehungen. Die Ausführungen in Kapitel 5 haben gezeigt, wie multidimensional internationale Standortentscheidungen bereits dann sind, wenn sie von einem Unternehmen allein, d. h. ohne Einbeziehung interorganisationaler Aspekte und Interessen getroffen werden. Vielleicht fehlt deshalb bis dato der Versuch, diesen Prozess auf eine interorganisationale Ebene zu übertragen. Das vorliegende Kapitel hat genau dieses Ansinnen zum Ziel. Basierend auf den bis dato in dieser Arbeit diskutierten Theorien wurden konzeptionelle Schlussfolgerungen im Sinne von Handlungsleitlinien bezüglich der Zusammenarbeit in interorganisationalen automobilen Wertschöpfungsnetzwerken (Abschnitt 4.5) und internationaler Standortentscheidungen (Abschnitt 5.7) abgeleitet. Aus diesen Schlussfolgerungen werden im weiteren Verlauf vorläufige Hypothesen generiert, die sich kurzfristig jedoch nicht überprüfen lassen, weil sie sich auf ein langfristiges Verhalten beziehen.1102 Kapitel 6 vereint die bisher gewonnenen Erkenntnisse in einem Erklärungsmodell. 1102
Siehe dazu auch Kapitel 7. 333
Abschnitt 6.1 zeigt auf formale Art und Weise die Ausgangslage, der sich sowohl der OEM als auch das zum Folgen an den neuen Standort aufgeforderte Zulieferunternehmen gegenüber sehen. In einem ersten Schritt geht die Betrachtung von einem bereits national existierenden Wertschöpfungsverbund zwischen OEM und Zulieferer aus, der im weiteren Verlauf durch den Aufbau eines gemeinsamen Standortes internationalisiert werden soll. Die bereits in Abschnitt 2.3 aufgestellte untersuchungsleitende These1103 unter weiterführender Berücksichtigung zweier elementarer Grundannahmen1104 bildet die Basis des Erklärungsmodells. Im Rahmen der sukzessiven Modellentwicklung wird das übergreifende Ziel der Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk verfolgt. In diesem Kontext werden Hypothesen abgeleitetet und jeweils detailliert diskutiert. Das Modell beschränkt sich aus Gründen der Überschaubarkeit auf das bereits in Abschnitt 5.3 ausführlich diskutierte Motiv des Following Customer. Es geht folglich explizit von der Konstellation aus, dass der OEM als erstes Unternehmen des Wertschöpfungsnetzwerkes den Aufbau eines neuen internationalen Standortes erwägt und seine Zulieferer auffordert, ihm an den neuen Standort zu folgen.1105 Abschnitt 6.3 setzt sich darüber hinaus mit den in dieser Arbeit als sehr bedeutend erachteten sowie nachhaltig und wiederkehrend betrachteten verhaltenswissenschaftlichen Aspekten im Rahmen der Entscheidungsfindung in Unternehmen auseinander. Die Diskussion zeigt einerseits Grenzen für die operative Umsetzung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses auf und warnt vor überzogenen Erwartungshaltungen. Andererseits werden Handlungsanweisungen herausgearbeitet, die helfen, den Entscheidungsprozess sowohl auf intra-, vor allem jedoch auf interorganisationaler Ebene zu optimieren.
1103
1104
1105
334
Internationale Standortentscheidungen fokaler Unternehmen sind zukünftig nicht mehr ausschließlich als autonome Unternehmensentscheidungen zu treffen, sondern auf Grund der komplexen und engen Wertschöpfungsverflechtungen mit den wichtigsten Wertschöpfungspartnern interorganisational abzustimmen und zu koordinieren. 1) Die ökonomische Handlungsmaxime des Einzelunternehmens bleibt trotz der Netzwerkeinbindung bestehen; siehe Abschnitt 4.1, Definition eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes. 2) Interorganisationales Vertrauen im Wertschöpfungsnetzwerk wird vorausgesetzt; siehe grundlegend Abschnitt 4.5. Siehe Tabelle 5.3.3.22 für weitere Internationalisierungsmotive, die aus der hier vorgenommen Betrachtung ausgeschlossen sind.
6.1 Formale Darstellung der Ausgangslage für das Erklärungsmodell In inhaltlicher Anlehnung an Kapitel 3 (insbesondere Abschnitt 3.1) sind nachfolgend die Wertschöpfungsbeziehungen eines fokalen Unternehmens (Automobilhersteller) mit zwei Zulieferunternehmen in einem ersten Schritt formal dargestellt (siehe Abbildung 6.1–1). Die Wertschöpfungsaktivitäten beschränken sich auf ein Land, sind also national ausgerichtet. Die Zuordnung der Knoten zu unterschiedlichen Unternehmen bedingt zwangsläufig eine räumliche Separierung der Knoten.1106 Damit werden der Aspekt der Standortverteilung von Wertschöpfungsknoten und die daraus resultierenden notwendigen Verbindungen (über Kanten1107) angesprochen. Die Unternehmen U1 und U2 sind annahmegemäß automobile Tier-1/Tier-2 Zulieferer mit komplexen Wertschöpfungsumfängen (A, B, C).
WKAU1,L1
WKBU1,L1
KA-EU1-U3,L1-L1
KB-EU1-U3,L1-L1
WKCU2,L1 KC-EU2-U3,L1-L1
WKEU3,L1
KD-EU3-U3,L1-L1 WKDU3,L1
Legende WK: Wertschöpfungsknoten
K: Kante
L1: Land
A/B/C/D/E: Wertschöpfungsaktivität
U1/U2/U3: Unternehmen, mit U3 als fokalem Unternehmen
Abb. 6.1–1: Interorganisationales Wertschöpfungsnetzwerk mit nationaler Ausrichtung
1106
1107
Es ist zu beachten, dass mit der entsprechenden Definition der Distanz zwei Knoten immer räumlich voneinander getrennt sind. So ist selbst der Zulieferer, der seine Wertschöpfungsumfänge auf dem Werksgelände des OEM erstellt und per JIT/JIS der Endmontage des OEM zuliefert, als räumlich getrennter Knoten zu betrachten, obwohl die Distanz unter realen Bedingungen bereits minimiert ist. Aus Gründen der Übersichtlichkeit zeigen die Kanten den Fluss von Gütern/ Dienstleistungen, Informationen und sozialen Beziehungen nur in eine Richtung. 335
Obige Abbildung zeigt vier Wertschöpfungsknoten (WKA – WKD), deren Wertschöpfungsumfänge Eingang finden in den Wertschöpfungsknoten WKE. Dabei stammen die Knoten A und B vom Unternehmen U1, Knoten C vom Unternehmen U2 und Knoten D vom Unternehmen U3, das auch für die Wertschöpfungsaktivität E (symbolisiert durch WKE) verantwortlich zeichnet und als fokales Unternehmen agiert. Alle Unternehmen sind in Land L1 angesiedelt. Die Kanten (K) sind annahmegemäß entsprechend den netzwerkspezifischen Belangen ausgelegt, um eine optimale Wertschöpfungskette im Unternehmensnetzwerk abbilden zu können. Neben den Gütern und Dienstleistungen fließen über die Kanten auch formale Informationen (Informationsnetz) und informelle Informationen wie Macht/Einfluss, Sympathie/Verständnis/Vertrauen (soziales Netz). Annahmegemäß entschließt sich das fokale Unternehmen U3 seine Wertschöpfungsumfänge D und E zusätzlich an einem internationalen Standort zu produzieren (siehe Abbildung 6.1–2). Aufbau eines neuen Standortes des fokalen Unternehmens U3 in Land L2; „Following Customer“ der Unternehmen U1 und U2 in Land L2 mit eigenem neuen Standort (Duplizierung der jeweils originären Wertschöpfungsaktivitäten) KC-C‘U2-U2,L1-L2 KB-B‘U1-U1,L1-L2 KA-A‘U1-U1,L1-L2
WKAU1,L1
WKBU1,L1
WKCU2,L1
WKA‘U1,L2
WKB‘U1,L2
WKC‘U2,L2
KA-EU1-U3,L1-L1
KB-EU1-U3,L1-L1
KC-EU2-U3,L1-L1
KA‘-E‘U1-U3,L2-L2
KB‘-E‘U1-U3,L2-L2
KC‘-E‘U2-U3,L2-L2
KE-E‘U3-U3,L1-L2
WKE‘U3,L2
WKEU3,L1
KD-EU3-U3,L1-L1
KD‘-E‘U3-U3,L2-L2 KD-D‘U3-U3,L1-L2
WKDU3,L1
WKD‘U3,L2
Legende WK: Wertschöpfungsknoten
K: Kante
Landesgrenze zw. L1 u. L2
L1/L2: Land
U1/U2/U3: Unternehmen, mit U3 als fokalem Unternehmen A/A‘/B/B‘/C/C‘/D/D‘/E/E‘: Wertschöpfungsaktivität
Abb. 6.1–2: Interorganisationales Wertschöpfungsnetzwerk mit internationaler Ausrichtung
336
Die Wertschöpfungsknoten D’ und E’ sind der Einfachheit halber perfekte Duplikate von D und E. Damit ergibt sich für Unternehmen U3 die zusätzliche Koordination der Wertschöpfungsknoten D’ und E’. Dies geschieht direkt zwischen den jeweiligen Wertschöpfungsknoten D und D’ durch die Kante KD-D’U3-U3, L1-L2 respektive E und E’ durch KE-E’U3-U3, L1-L2. Die Entscheidung, dass ein neuer Standort gegründet werden soll, ist im hier diskutierten Beispiel bereits im fokalen Unternehmen U3 getroffen worden. Die diese Entscheidung auslösenden Initialkräfte und Motive sind für die folgende Analyse sekundär und werden deshalb vernachlässigt. Das fokale Unternehmen U3 kann annahmegemäß den geplanten Wertschöpfungsumfang E’ nur dann erstellen, wenn auch die Wertschöpfungsumfänge der Unternehmen U1 und U2 vorliegen (und D’ von U3 selbst). Vier Optionen stehen Unternehmen U3 hinsichtlich des Bezugs der benötigten vorgelagerten Wertschöpfungsumfänge zur Auswahl1108: { Zukauf von bisherigen Zulieferern (U1 und U2), die weiterhin am bestehenden Standort (beide in Land L1) produzieren, { Insourcing der bisher zugelieferten Wertschöpfungsumfänge (A, B, C) und eigene Produktion vor Ort am neuen Standort (in L2), { Aufbau neuer lokaler Zulieferer (U4 – Un) am neuen Standort (in L2), { gemeinsamer neuer Standortaufbau des fokalen Unternehmens U3 mit den bisherigen Zulieferunternehmen U1 und U2. In den vorangegangenen Kapiteln wurde aus Sicht des fokalen Unternehmens die Notwendigkeit zur Vor-Ort-Präsenz wichtiger Zulieferer aus verschiedenen Gründen (local-content-Bestimmungen, Logistik-Aspekte etc.) aufgezeigt sowie die nachhaltige interorganisationale Ausdifferenzierung der automobilen Wertschöpfungskette dargelegt.1109 Vor diesem Hintergrund werden die Optionen eins und zwei nicht weiter verfolgt. Weil es sich annahmegemäß bei den Wertschöpfungsumfängen A, B und C um technologisch hochwertige Leistungen handelt, ist Option drei kritisch zu betrachten. Es sei an dieser Stelle vor allem auf die Probleme des Know-how-Schutzes und der geforderten Qualität hingewiesen.1110 Auch diese Option wird nicht weiter thematisiert.
1108
1109 1110
Die Wertschöpfungsumfänge können miteinander kombiniert werden. Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden darauf verzichtet. Siehe insbesondere Abschnitte 2.3, Abschnitt 5.3.3 und Abschnitt 5.6. Siehe Abschnitt 5.6.2. 337
Im Folgenden liegt der Fokus somit auf dem gemeinsamen Standortaufbau des fokalen Unternehmens U3 (automobiler OEM) und seinen wichtigen Tier-1 und Tier-2 Zulieferern U1 und U2 (Option vier). Die Standortentscheidung des fokalen Unternehmens U3 hat in einer vereinfachten Betrachtung keine Konsequenzen für die bestehenden Wertschöpfungsknoten A, B und C der Unternehmen U1 und U2 und die verbindenden Kanten zu Unternehmen U3 in Land L1.1111 Der von Unternehmen U3 neu geschaffene Wertschöpfungsknoten E’ am ausländischen Standort zieht gemäß Option vier die Notwendigkeit des Standortaufbaus der Unternehmen U1 und U2 mit den Wertschöpfungsknoten A’, B’ und C’ nach sich.1112 Dies führt zu einem zusätzlichen Fluss auf der Ebene des Güter-/Dienstleistungs-, des Informationsund des Sozialnetzes. Der Fluss erfolgt sowohl intraorganisational zwischen den Wertschöpfungsknoten eines Unternehmens zwischen den Ländern L1 und L2 (symbolisiert durch Kante KA-A’U1-U1, L1-L2 etc.) als auch interorganisational zwischen den Unternehmen U1/U2 und U3 in Land L2 (symbolisiert durch Kante KA’-E’U1-U3, L2-L2 etc.). Gemäß der in Abschnitt 3.1 erarbeiteten Grundlagen gilt: Um das interorganisationale Güter- und Dienstleistungsnetz zu optimieren, bedarf es der vorgelagerten Optimierung des Informationsnetzes, das wiederum auf einem optimalen sozialen Netz basiert. Vertrauen und interpersonelle Kommunikation dienen als Basis und als Absicherung im Rahmen des Beziehungsnetzwerkes. Im Folgenden liegt der Analysefokus daher auf den Hersteller-Zulieferer-Beziehungen, im Speziellen auf einem vertrauensbasierten Verhältnis. Die Auswirkungen eines machtbasierten Verhältnisses werden im Anschluss daran aufgezeigt. Für diese Analyse wird davon ausgegangen, dass sich die Art des grundlegenden Verhältnisses zwischen OEM und Zulieferern (vertrauensbasiert) auch in der Zusammenarbeit hinsichtlich des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses widerspiegelt. Das heißt konkret: Ein grundsätzlich vertrauensvoll agierender OEM wird bei der Motivation seiner Zulieferer im Hinblick auf das Folgen zum eigenen neuen Standort ebenfalls auf Vertrauen und nicht auf Machtmittel zurückgreifen.
1111
1112
338
In der Realität ergeben sich selbstverständlich auch für die Wertschöpfungsknoten A, B und C Implikationen durch die neu hinzugekommenen Knoten D’ und E’. Beispielhaft sei hier auf zusätzliche Koordinationsaufgaben zwischen A’ und E’ etc. verwiesen, die Kapazitäten ebenfalls bei A etc. binden. Dies schränkt die Koordinationskapazitäten zwischen A und E ein und hat somit Auswirkungen. Diese werden jedoch vernachlässigt, um die Komplexität der Darstellung auf das Wesentliche und Notwendige zu beschränken. Dies gilt auch für D’. Weil jedoch keine direkten Verbindungen zwischen A, B, C und D respektive A’, B’, C’ und D’ bestehen, wird dieser Umfang nicht weiter betrachtet.
6.2 Erklärungsmodell für einen interorganisationalen Standortentscheidungsprozess An dieser Stelle wird die formale Netzwerkebene verlassen. Die sozialen Beziehungen und der Informationsfluss stehen fortan im Mittelpunkt der Betrachtung. In Anlehnung an die im Vorfeld gewonnenen Erkenntnisse1113 wird nachfolgend ein Hypothesenkonstrukt entwickelt und zu einem Modell verdichtet. Ziel ist es, die Optimierung der interorganisationalen Standortentscheidungsfindung zwischen einem Automobilhersteller und seinen wichtigsten Zulieferern zu erklären. Als Basis dieses Erklärungsmodells fungiert die in Abschnitt 2.3 aufgestellte untersuchungsleitende These: Untersuchungsleitende These: Internationale Standortentscheidungen fokaler Unternehmen sind zukünftig nicht mehr ausschließlich als autonome Unternehmensentscheidungen zu treffen, sondern auf Grund der komplexen und engen Wertschöpfungsverflechtungen mit den wichtigsten Wertschöpfungspartnern interorganisational abzustimmen und zu koordinieren. Die Optimierung der interorganisationalen Wertschöpfung an einem neuen Standort erfordert i. d. R. die weitgehende Vor-Ort-Präsenz der wichtigsten Zulieferunternehmen1114. Aus Leitlinie VII1115 folgt, dass der OEM die Forderung1116 an eben jene für den Wertschöpfungsprozess wichtigen Zulieferunternehmen stellt, ihm an den neuen Standort zu folgen. Diese Ausgangskonstellation impliziert damit gleichzeitig das Internationalisierungsmotiv des Zulieferers1117 – Following Customer.
1113
1114
1115
1116
1117
Siehe grundlegend Abschnitt 4.5 und Abschnitt 5.7. Der jeweilige Bezug auf die einzelnen Erkenntnisse wird im Rahmen der nachfolgenden Modellentwicklung aufgezeigt. Annahme: Zumindest Tier-1 Zulieferer und ein Teil der Tier-2 Zulieferer. Sie sind im Gegensatz zu den Zulieferern einfacher Wertschöpfungsumfänge nicht ohne nachhaltige Probleme substituierbar. Siehe Abschnitt 4.5. Leitlinie VII besagt: Kurzfristige Wechsel der Geschäftsbeziehungen wirken destabilisierend und sind zu vermeiden. Wertschöpfungsbeziehungen mit Geschäftspartnern, die ihre Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit bereits bewiesen haben, sind prädestiniert fortzuführen und kontinuierlich zu verbessern. Obwohl von Forderung gesprochen wird, bedeutet dies nicht gleichzeitig den Einsatz von Macht, weil eine vertrauensvolle Hersteller-Zulieferer-Basis unterstellt ist. Siehe auch die nachfolgende zweite Grundannahme. Im Folgenden wird nur noch von einem OEM und einem Zulieferer gesprochen. 339
Der Standortentscheidungsprozess des OEM und des Zulieferers findet weiterhin auf der jeweiligen intraorganisationalen Ebene statt, wird nun aber mit der bis dato fehlenden Einbeziehung der Netzwerkebene um die interorganisationale Komponente erweitert. Die Betrachtung basiert auf zwei Grundannahmen: (1) Jedes Unternehmen, das am Wertschöpfungsnetzwerk partizipiert, agiert trotz der Netzwerk(ein)bindung als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen. Es orientiert sich an einzelunternehmerischen ökonomischen Handlungsmaximen. Diese Annahme geht mit der in dieser Arbeit gelegten Definition eines automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes konform.1118 Vor diesem Hintergrund muss sich die Standortinvestition für den Zulieferer unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten realisieren lassen. Der Zulieferer bestimmt zudem autonom die in die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließenden Kriterien (Standortfaktoren) und die dafür notwendigen Bewertungsverfahren. (2) Es liegen vertrauensvolle Hersteller-Zulieferer-Beziehungen vor. Diese Annahme basiert auf der bereits oben erwähnten Tatsache, dass der OEM insbesondere die Tier-1/Tier-2 Zulieferer zum gemeinsamen Standortaufbau auffordern wird, mit denen bereits eine längerfristige Zusammenarbeit an bestehenden Standorten existiert. Demnach kann zumindest ein interorganisationales Grundvertrauen unterstellt werden, in den meisten Fällen sogar eine Vertrauensausprägung, die darüber hinausgeht.1119
1118 1119
340
Siehe Abschnitt 4.1. Siehe Abschnitt 4.5, Handlungsleitlinie 6, erster Teil: Zur Etablierung von Vertrauen sind langfristig orientierte Wertschöpfungsbeziehungen anzustreben. Die Schlussfolgerung erfolgt demnach retrograd an dieser Stelle. Weil die Beziehungen annahmegemäß bereits langfristig existieren, ist zumindest von einem interorganisationalen (Grund)Vertrauen auszugehen.
Mit dieser Ausgangslage ist die Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses zwischen OEM und Zulieferer im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk anzustreben. Die bisher dargelegten Rahmenbedingungen fasst Abbildung 6.2–1 zusammen.
Ziel
Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
interorganisationales Vertrauen im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
ökonomische Handlungsmaxime der Einzelunternehmung
Notwendigkeit zur interorganisationalen Zusammenarbeit bei internationalen Standortentscheidungen im automobilen WSNW
Grundannahmen
untersuchungsleitende These
Abb. 6.2–1: Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 1
Es gilt die Frage zu beantworten, wie sich die einzelnen Phasen des Standortentscheidungsprozesses in den jeweiligen Unternehmen gestalten und welche Interdependenzen zwischen ihnen auftreten.1120 Die Analyse erfolgt zum einen aus den jeweiligen operativen Perspektiven des OEM und des Zulieferers, zum anderen aus einer übergeordneten interorganisationalen Netzwerkperspektive. Realistischerweise hat der OEM bereits unternehmensintern die Option einer Standortneugründung geprüft und deren Notwendigkeit festgestellt, bevor er mit der konkreten Aufforderung zum Folgen an den Zulieferer herantritt. Der Standortentscheidungsprozess des Zulieferers wird somit erst dann gestartet, wenn sich der OEM bereits in Phase zwei bzw. Phase drei befindet (siehe Abbildung 6.2–2).1121 Die seitens des OEM für die Standortneugründung relevanten Initialkräfte (Wettbewerbsdruck, Erschließung neuer Märkte etc.) werden an dieser
1120
1121
Für die Diskussion der einzelnen Phasen des Standortentscheidungsprozesses (1. Initiierung/Anstoß, 2. Suche, 3. Bewertung, 4. Entscheidung) siehe Abschnitt 5.4. Die zweite Phase der Suche und die dritte Phase der Bewertung sind inhaltlich eng gekoppelt. 341
Stelle nicht weiter thematisiert. Vielmehr ist die Tatsache, dass der OEM einen neuen Standort aufbauen will, der entscheidende Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen. Wie oben dargelegt, hat für den OEM zumindest die (zweite) Phase des Suchprozesses nach einem geeigneten Standort bereits begonnen. Je nach den Motiven sind damit bereits erste Vorauswahlen auf der Ebene von Kontinenten/ globalen Regionen, von Ländern und sehr wahrscheinlich auch auf der Ebene von lokalen Regionen getroffen worden.1122 Der OEM startet zu diesem Zeitpunkt die (dritte) Phase der Bewertung. Damit verbunden ist das Sammeln von Informationen bezüglich der relevanten Standortfaktoren, um die verbliebenen Standorte einer detaillierten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu unterziehen. Standortentscheidungsprozess des OEM Phase Phase 11 Initiierung/Anstoß Initiierung/Anstoß
Phase Phase22 Suche Suche
Phase Phase33 Bewertung Bewertung
Phase Phase 44 Entscheidung Entscheidung
Wettbewerbsdruck, Wettbewerbsdruck, Erschließung Erschließungneuer neuer Märkte Märkteetc. etc.
Vorauswahl Vorauswahl (Kontinent/glo(Kontinent/globale baleRegion, Region, Land, Land,lokale lokale Region) Region)
detaillierte detaillierte WirtschaftlichWirtschaftlichkeitsberechnung keitsberechnung für füreine einebegrenzbegrenzte teAnzahl Anzahl von von SO SO („Short-List“) („Short-List“)
Auswahl Auswahl des des finalen finalen SO SOauf auf Basis der Basis derErgebErgebnisse nisseder derBewerBewertungsphase tungsphase
Anreizsystem Informationsbereitstellung
Standortentscheidungsprozess des Zulieferers
Phase Phase11 Initiierung/ Initiierung/ Anstoß Anstoß Forderung Forderung des des OEM, OEM,an anden den neuen neuenSO SOzu zu folgen folgen OEM OEMdetermideterminiert niert
Phase Phase22 Suche Suche
Phase Phase 33 Bewertung Bewertung
Phase Phase44 Entscheidung Entscheidung
BeschränBeschränkung kungauf auf „Short-List“ „Short-List“ des des OEM OEM
detaillierte detaillierte WirtschaftlichWirtschaftlichkeitsberechnung keitsberechnung der derSO SOder der „Short-List“ „Short-List“
Auswahl Auswahldes des finalen finalenSO SOauf auf Basis Basisder derErgebErgebnisse nisse der derBewerBewertungsphase tungsphase
OEM OEMdetermideterminiert niert
autonome autonome Bewertung Bewertung
autonome autonome Entscheidung Entscheidung
Abb. 6.2–2: Zeitlich versetzte Abfolge der SO-Entscheidungsprozesse von OEM und Zulieferer
Für den Standortentscheidungsprozess des Zulieferers hat der fortgeschrittene Status des Standortentscheidungsprozesses des OEM weitreichende Auswirkungen. Bereits für die erste Phase der Initiierung kann konstatiert werden: Die Forderung des OEM an den Zulieferer, ihm an den neuen Standort zu folgen, ist als
1122
342
Siehe Abbildung 5.4.
ausschlaggebende Initialkraft zu benennen. Der Zulieferer muss zu diesem frühen Zeitpunkt eine bewusste Entscheidung hinsichtlich seiner grundsätzlichen Bereitschaft, dem OEM zu folgen treffen. Existiert diese Bereitschaft aus welchen Gründen auch immer nicht, bricht der Zulieferer den Standortentscheidungsprozess bereits in der ersten Phase ab. Dabei gilt: Hypothese H2:
Je größer die Bedeutung des OEM als Schlüsselkunde für den Zulieferer ist, desto nachhaltiger wirkt die Forderung des OEM als Initialkraft beim Zulieferer bezüglich des gemeinsamen Standortaufbaus und desto offener wird sich der Zulieferer gegenüber der Forderung des OEM zeigen.1123
Im wahrscheinlicheren Fall des weiter voranschreitenden Standortentscheidungsprozesses dient das im Rahmen einer gemeinsamen Historie der beiden Unternehmen (durch die bisherige interorganisationale Wertschöpfung) gewonnene Vertrauen als Basis für die Ausweitung der Zusammenarbeit an einem neuen Standort. Das Vertrauen wirkt als Begrenzung der (Verhaltens) Unsicherheit, die zwar für das Projekt des Standortaufbaus grundlegend, aber eben nur eingeschränkt gegeben ist. Beide Seiten können auf Grund ihrer Erfahrungen hinsichtlich des geschäftlichen Umgangs miteinander einschätzen, wie verlässlich der Partner ist bzw. wie er in bestimmten Situationen (re)agiert. Diese Verlässlichkeit wird auf die zukünftig zu erweiternde Geschäftstätigkeit am neuen Standort projiziert. Positive Erfahrungen bewirken deshalb, dass die Forderung des OEM zum gemeinsamen Standortaufbau nachhaltiger wirkt und der Zulieferer auf sie offener reagiert, als dies ohne bereits existierendes Vertrauen der Fall wäre. Darauf aufbauend lässt sich folgende Hypothese ableiten: Hypothese H3:
Je stärker das bereits existierende interorganisationale Vertrauen ist, desto nachhaltiger wirkt die Forderung des OEM als Initialkraft beim Zulieferer bezüglich des gemeinsamen Standortaufbaus und desto offener wird sich der Zulieferer gegenüber der Forderung des OEM zeigen.
Die grundsätzliche (und frühe) Einbindung des Zulieferers in den Standortentscheidungsprozess ist als Vertrauensbeweis des OEM zu werten. Die frühe Einbindung kann in diesem Sinne als Vertrauensvorschuss für das Projekt „gemeinsamer Standortaufbau“ verstanden werden. Der OEM signalisiert damit die Bedeutung, Zukunftsausrichtung und Nachhaltigkeit der interorganisationalen 1123
Siehe dazu auch Abbildung 6.2–3 und die sich daran anschließende Diskussion dieses Standortfaktors. 343
Zusammenarbeit. Der Zulieferer sieht sich im (positiv zu verstehenden) „Zugzwang“, diesen Vertrauensvorschuss zu erfüllen. Eine grundlegend positive Basis wird auf diese Weise für das Projekt geschaffen. Für die zweite Phase des Standortentscheidungsprozesses gilt: Die Suche des Zulieferers beschränkt sich grundsätzlich auf die bereits eingegrenzte Standortauswahl des OEM, d. h. maximal auf die Ebene lokaler Regionen („LongList“).Je nach Anforderungen des OEM, der Güte der Hersteller-Zulieferer-Beziehung sowie den gewährten Geschäftsbedingungen (Anreize) für die Zusammenarbeit am neuen Standort sieht sich der Zulieferer auch nur mit einer Standortwahl im Rahmen der „Short-List“ konfrontiert.1124 Im Extremfall zu minimierender Distanzen fordert der OEM einen Zulieferstandort in direkter Nachbarschaft des eigenen Standortes. In dieser Konstellation begrenzt sich die Bewertung auf diesen einen Standort. Die zu treffende Entscheidung bezieht sich dann auf die beiden Möglichkeiten für oder gegen einen Standortaufbau.1125 Die Einflussmöglichkeiten des Zulieferers sind in dieser Phase ganz offensichtlich stark limitiert. Im Gegensatz dazu ist die dritte Phase vom Zulieferer wiederum sehr viel aktiver gestalt- und beeinflussbar. Ihm obliegt die Auswahl des Verfahrens zur Standortbewertung und der seiner Meinung nach relevanten Standortfaktoren. Mit den gegenüber dem Zulieferer offerierten Anreizen kann der OEM gezielt das Ergebnis der Standortbewertung beeinflussen. Das Anreizsystem, das dem OEM zur Verfügung steht, ist vielfältig. Das mögliche Maßnahmenspektrum umfasst u. a.:
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Zwar kann der Zulieferer theoretisch auch eine andere lokale Region innerhalb des vom OEM vorbestimmten Landes wählen, allerdings wird damit die angestrebte enge räumliche Vernetzung der Wertschöpfungspartner konterkariert. So ist es bspw. wenig realistisch, den Fall zu betrachten, dass BMW seinen neuen Produktionsstandort in Spartanburg, South Carolina, USA plant, der aufgeforderte Zulieferer dagegen seinen Suchprozess auf Standorte in Kalifornien oder Michigan fokussiert. Gewichtet der Zulieferer bspw. landesspezifische Risiken höher als der OEM, kann dies dazu führen, dass er für seinen Standort ein Nachbarland mit signifikant geringeren Landesrisiken auswählt. Allerdings darf realistischerweise dem OEM die Kompetenz unterstellt werden, nicht bewusst landesspezifische Risiken als zu gering zu gewichten. Weil für ihn der Standortaufbau ebenfalls eine erhebliche Investition bedeutet, wird die Bewertung nicht übermäßig risikofreudig erfolgen. Inhaltliche Verwerfungen zwischen den beiden Parteien sollten somit von vornherein auf Grund vorhandener Fachkompetenz weitgehend ausgeschlossen sein. Hingegen fällt die Entscheidung in einem normalen Standortprozess zwischen mehreren potenziellen Standorten und als weiterer Alternative der Ablehnung der Standortinvestition.
{ die Gewährung klar quantifizierbarer Kostenvorteile (bspw. standortspezifische Aktiva wie die vergünstigte oder kostenfreie Ansiedlung auf dem vom OEM erworbenen Land), { die Gewährung von (schwer quantifizierbarer) Hilfestellung beim Standortaufbau (Weitergabe standortspezifischen Wissens: Kontakte/ Umgang mit Behörden vor Ort etc.), { die Zusage für die Fortführung bzw. Ausweitung der bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen an anderen Standorten, { langfristig garantierte Geschäftsbeziehungen am neuen Standort mit vertraglich fixierten Abnahmemengen sowie { die (kostenfreie) Weitergabe von Informationen bezüglich der Ausprägung von relevanten Standortfaktoren.1126 Letztlich ist es die Summe aller dem Zulieferer offerierten Anreize, die die Attraktivität des Standortaufbaus für diesen ausmacht. Vor diesem Hintergrund kann folgende Hypothese formuliert werden: Hypothese H4:
Je attraktiver das durch den OEM offerierte Anreizsystem bzgl. des Standortaufbaus ist, desto eher wird der Zulieferer bereit sein, an den neuen Standort zu folgen.
In der letzten Phase des Standortentscheidungsprozesses wird der Zulieferer seine Standortentscheidung autonom auf der Basis der Ergebnisse einer detaillierten Wirtschaftlichkeitsrechnung (unter Einbeziehung der für ihn relevanten Standortfaktoren) treffen. Nachfolgende Abbildung 6.2–3 fasst die bis dato gewonnenen Erkenntnisse als ein Zwischenergebnis zusammen.
1126
Eine detaillierte Diskussion der einzelnen Anreizmechanismen schließt sich an. 345
Ziel
Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
Je größer die Bedeutung des OEM als Schlüsselkunde für den Zulieferer und je stärker das bereits existierende interorganisationale Vertrauen ist, desto nachhaltiger wirkt die Forderung des OEM als Initialkraft beim Zulieferer bzgl. des gemeinsamen SO-Aufbaus
interorganisationales Vertrauen im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
Je attraktiver das durch den OEM angebotene Anreizsystem für den SO-Aufbau ist, desto eher wird der Zulieferer bereit sein, an den neuen Standort zu folgen
ökonomische Handlungsmaxime der Einzelunternehmung
Notwendigkeit zur interorganisationalen Zusammenarbeit bei internationalen Standortentscheidungen im automobilen WSNW
Grundannahmen
untersuchungsleitende These
Abb. 6.2–3: Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 2
Die bisherige Analyse offenbart zum einen die Bedeutung der ersten Phase im Standortentscheidungsprozess des Zulieferers, die aus der exogenen Initialkraft (Forderung des OEM ggü. dem Zulieferer, an den neuen Standort zu folgen) resultiert. Zum anderen ist es die dritte Phase, die von großer Bedeutung für den Zulieferer – und damit auch für den gesamten interorganisationalen Standortentscheidungsprozess – ist. So wie in Phase eins ist auch in Phase drei die Beeinflussungsmöglichkeit durch den OEM deutlich gegeben. Das in diesem Kontext bereits aufgezeigte Maßnahmenspektrum (das Anreizsystem des OEM) wird im Folgenden erneut für eine detaillierte Diskussion der einzelnen Anreizmechanismen aufgenommen.
346
Wie in Abschnitt 5.3.3.2 dargelegt, erachtet ein Zulieferer mit dem Motiv Following Customer bestimmte Standortfaktoren als besonders erfolgskritisch.1127 Um den Zulieferer möglichst nachhaltig zum Standortaufbau zu motivieren, muss der OEM zumindest einen Teil dieser Standortfaktoren positiv für den Zulieferer gestalten. Es gilt folglich zu überprüfen, inwieweit die potenziellen Anreizmaßnahmen des OEM einige der für den Zulieferer besonders relevanten Standortfaktoren positiv beeinflussen können (siehe Abbildung 6.2–4). vom Zulieferer als erfolgskritisch erachtete Standortfaktoren beim Motiv „Following Customer“
Handlungsmöglichkeiten des OEM im Rahmen des Anreizsystems ggü. dem Zulieferer
Bedeutung des Schlüsselkunden
Belastbarkeit der zugesagten Abnahmemengen/ Abnahmeprognose
langfristig garantierte Geschäftsbeziehungen u. vertragl. fixierte Abnahmemengen
Kosten des SO-Aufbaus und des darin gebundenen Kapitals
Gewährung von Kostenvorteilen im Falle einer SO-Gründung
Unterstützungsleistungen des Kunden während der SO-Gründung
Gewährung von Hilfestellung während des SOE-Prozesses/ der Gründungsphase
Informationsweitergabe bzgl. relevanter Standortfaktorausprägungen
langfristige Auswirkungen des „Folgens“ (Gebundenheit etc.)
Fortführung/Ausweitung d. Geschäftsbeziehungen an bestehenden SO
Abb. 6.2–4: Erfolgskritische Standortfaktoren des Zulieferers beim Following Customer und ihre Beeinflussung durch Anreizmechanismen seitens des OEM
1127
Für die vollständige Auflistung der erfolgskritischen Standortfaktoren des Motivs Following Customer siehe Tabelle 5.3.3.2–2. 347
Der Standortfaktor „Bedeutung des Schlüsselkunden“ nimmt eine etwas exponierte Stellung im Vergleich zu anderen vom Zulieferer als erfolgskritisch erachteten Standortfaktoren ein. Diese Sonderstellung begründet sich wie folgt: In der vorliegenden Betrachtung wird von bereits langfristig bestehenden Hersteller-Zulieferer-Beziehungen ausgegangen. Die Bedeutung des OEM als Schlüsselkunde misst der Zulieferer insofern anhand der gemeinsamen Wertschöpfungsaktivitäten der Gegenwart (und der Vergangenheit).1128 Darüber hinaus spielt der Zukunftsbezug, d. h. die potenziellen Wertschöpfungsumfänge am neuen Standort eine gravierende Rolle. Der Zulieferer wird ebenfalls evaluieren, inwiefern das Geschäftsverhältnis am neuen Standort die bestehende Bedeutung des Schlüsselkunden verstärkt. Mit langfristig garantierten Geschäftsbeziehungen und der vertraglichen Festlegung der ausgehandelten Abnahmemengen kann der OEM seine Bedeutung als Schlüsselkunde stärken und so auf diesen Standortfaktor Einfluss nehmen. Es ist jedoch festzuhalten, dass mit dieser Handlungsalternative (Anreiz) der OEM stärker auf die positive Beeinflussung des Standortfaktors „Belastbarkeit der zugesagten Abnahmemengen/Abnahmeprognosen“ zielt.1129 Dem Standortfaktor „Bedeutung des Schlüsselkunden“ ist vielmehr eine grundlegende Bedeutung im interorganisationalen Standortentscheidungsprozess beizumessen. Aus diesem Grund fließt er bereits im Rahmen der Hypothese H2 in die Basis des Modells ein. Im Unterschied dazu finden nicht die weiteren angeführten Standortfaktoren, sondern die ihnen zugeordneten Anreizmechanismen Eingang in das Erklärungsmodell. Die Optimierung des interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerkes erfordert zum einen die Präsenz des Zulieferers vor Ort, zum anderen darf sie weder dem Zulieferer noch dem OEM zu viele Zugeständnisse abverlangen. Das bedeutet, die gewährten Anreize müssen aus Sicht des Zulieferers hoch genug und aus Sicht des OEM noch so angemessen ausfallen, dass sich die Standortgründung für beide Unternehmen vor einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund positiv realisieren lässt. Im Folgenden werden deshalb die weiteren vom Zulieferer als erfolgskritisch erachteten Standortfaktoren und die ihnen zugeordneten Anreizmöglichkeiten des OEM dahingehend analysiert. Dabei liegt der Fokus ausgewogen auf den Implikationen für alle beteiligten Parteien, so dass ein gesamtheitliches Bild entworfen werden kann. Schlussfolgerungen sind danach nicht nur vor einem einzelunternehmerischen Hintergrund zu ziehen, sondern umfassen auch die Sichtweise des automobilen Wertschöpfungsnetzwerkes.
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Messen lässt sich die Bedeutung bspw. am Umsatzanteil mit dem OEM im Verhältnis zum Gesamtumsatz. Aus diesem Grund ist die Verbindung zwischen dem Standortfaktor „Bedeutung des Schlüsselkunden“ und dem Anreiz „langfristig garantierte Geschäftsbeziehungen und vertraglich fixierte Abnahmemengen“ in Abbildung 6.2–3 gestrichelt dargestellt.
Die Bedeutung hinsichtlich verlässlicher Abnahmemengen/-prognosen für den Zulieferer lässt sich wie folgt erklären: Langfristige und vertraglich fixierte Abnahmeverpflichtungen des OEM garantieren die notwendigen Einnahmen, damit sich die standortspezifischen Investitionen amortisieren können. Es kann jedoch nicht immer (wie im Fall von BMW in Spartanburg) davon ausgegangen werden, dass erstens langfristige Abnahmeverpflichtungen seitens des OEM eingegangen und zweitens diese zudem vertraglich fixiert werden, obwohl die mit einem Standortaufbau verbundenen hohen Investitionen eine vertragliche Regelung der langfristigen Abnahmeverpflichtung gewissermaßen als Selbstverständlichkeit erscheinen lassen. Die Abnahmeverpflichtung, bspw. über einen kompletten Lebenszyklus, ist eine Maßnahme seitens des OEM, um die Standortbewertung des Zulieferers auf eine gesicherte Basis zu stellen. Zudem wird das bereits vorhandene interorganisationale Vertrauen verstärkt. Der Vertrauensvorschuss bzw. der Verzicht auf Machtmissbrauch gehen vom mächtigeren Partner, d. h. dem OEM aus. Mit dieser Vorgehensweise wird Leitlinie VI der interorganisationalen Wertschöpfungsoptimierung Rechnung getragen.1130 Der OEM gewinnt durch diese Maßnahme ebenso wie der Zulieferer einen verlässlichen Wertschöpfungspartner. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen beide Unternehmen von einer langfristigen Ausrichtung der Wertschöpfungstätigkeit profitieren. Die Belastbarkeit der seitens des OEM zugesagten Abnahmemengen und der langfristigen Geschäftsbeziehungen für den neuen Standort erhöht sich mit deren vertraglicher Fixierung enorm. Trotz des historisch gewachsenen interorganisationalen Vertrauens kann mit vertraglichen Regelungen die Verhaltenssicherheit auf beiden Seiten erhöht werden. Die vertragliche Ausgestaltung hat sich an den in den Leitlinien I – V zusammengefassten Aspekten zu orientieren. Dies bedeutet, die Verträge (institutionales Netz) müssen die Optimierung des sozialen Netzes und des Informationsnetzes unterstützen, um so die Optimierung des Güter- und Dienstleistungsnetzes zu gewährleisten (Leitlinie I). Umfassende vertragliche Regelungen auch zu anfänglich höheren Kosten dienen der nachträglichen Minimierung von Unklarheiten in der operativen Wertschöpfung am neuen Standort (Leitlinie II). Neben operativen Aspekten regeln die Verträge auch die grundlegende strategische Ausrichtung des interorganisationalen Wertschöpfungsnetzwerkes (Leitlinie III). Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Fehlverhalten sowie die gerechte Chancen- und Risikoverteilung sind ebenfalls vertraglich zu regeln (Leitlinie IV). Darüber hinaus sind Opportunismusneigung, Informationsasymmetrien und einseitige Abhängigkeiten durch die vertraglichen Regelungen zu vermeiden bzw. weitgehend zu begrenzen (Leitlinie V).
1130
Siehe Abschnitt 4.5. 349
Die Diskussion verdeutlicht die Notwendigkeit, die Regelung der Wertschöpfungsaktivitäten am neuen Standort über den Abschluss von Verträgen vorzunehmen. Dieser Fakt wird nicht zuletzt durch die Tatsache verstärkt, dass insbesondere für deutsche Unternehmen in Relation zu anderen Kulturen vertragliche Vereinbarungen eine besonders große Bedeutung haben.1131 Auch eine explizite transaktionskostentheoretische Betrachtung verdeutlicht die Notwendigkeit für vertragliche Regelungen.1132 Auf diese Weise entstehen zwar höhere Vereinbarungskosten, allerdings können die Abwicklungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten im Nachhinein reduziert werden. Es kann folgende Hypothese bezüglich der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehungen und ihrer vertraglichen Regelung aufgestellt werden: Hypothese H5:
Je langfristiger die durch den OEM angebotene Zusammenarbeit am neuen Standort ausgerichtet/vertraglich fixiert ist, desto größer wird die Bereitschaft des Zulieferers sein, dem OEM zu folgen.
Zwei weitere vom Zulieferer als erfolgskritisch erachtete Standortfaktoren sind die Kosten des Standortaufbaus und des darin gebundenen Kapitals sowie die Unterstützungsleistungen des Kunden (OEM) während der Standortgründung. Dem OEM stehen dahingehend die { Gewährung von Kostenvorteilen während der Gründungsphase sowie { Gewährung von Hilfestellungen während des Standortentscheidungsprozesses und während der Gründungsphase als Maßnahmen zur Verfügung. Die Gewährung von Kostenvorteilen beim Standortaufbau und darüber hinaus wirkt sich direkt als Kostenreduzierung in der Wirtschaftlichkeitsrechnung des Zulieferers aus. Aus Sicht des Wertschöpfungsnetzwerkes bedeuten die Vergünstigungen für den Zulieferer im besten Fall gleichzeitig keine Verschlechterung der Kostensituation des OEM. Derartige Kostenvorteile lassen sich durch Landübertragungen, Subventionszahlungen, Steuernachlässe durch staatliche Behörden etc. erzielen.1133 Sie stellen frei 1131 1132
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Siehe Abschnitt 4.3.2, die Untersuchung von Sako. Implizit sind die transaktionskostentheoretischen Erkenntnisse in den in Abschnitt 4.5 entwickelten Leitlinien verankert. Siehe Abschnitt 5.5 und die dort detailliert vorgestellten einzelnen Standortfaktoren. Während bspw. die Faktorkosten (Arbeit, Kapital, Material) keine realistische Möglichkeit zur Gewährung von Kostenvorteilen bieten (der OEM wird nicht einen Teil der anfallenden Materialkosten des Zulieferers bezuschussen), ist dies hingegen – wie zu zeigen sein wird – bei Landübertragungen etc. der Fall.
verhandelbare Aspekte zwischen den sich ansiedelnden Unternehmen und den staatlichen Behörden dar. Durch eine gemeinsame und abgestimmte Vorgehensweise zwischen OEM und Zulieferer können die angesprochenen Kosteneinsparungen nachhaltig erzielt werden. Dafür ist es notwendig, dass der OEM den Zulieferer rechtzeitig in seine Planungen mit einbezieht. Die Gewährung der Kostenvorteile erfolgt demnach nicht unternehmensbilateral auf Kosten des OEM und zu Gunsten des Zulieferers. Es handelt sich in diesem Fall vielmehr um Vergünstigungen des Staates, die beiden Unternehmen dem OEM und dem Zulieferer zu Gute kommen. Der OEM handelt die Vergünstigungen nur auf Grund seiner mächtigeren Position mit dem Staat aus – und zwar nicht ausschließlich für sich selbst, sondern ebenfalls für den Zulieferer. Die konkrete Ausgestaltung wird im Folgenden erläutert. In Abschnitt 5.6 wurde an Praxisbeispielen gezeigt, dass insbesondere die kostengünstige bzw. kostenfreie Bereitstellung von Land durch staatliche Behörden als Subvention zur Ansiedlung des OEM üblich ist. Im Regelfall verhandelt der OEM mit den Behörden die Landüberlassung in der Größenordnung, die er selbst benötigt. Der etwas später folgende Zulieferer sieht sich daraufhin in diesem Punkt nicht mehr verhandlungsbereiten Behörden gegenüber. Die Behörden wissen, dass die Entscheidung des Zulieferers, seinem OEM zu folgen, nicht unmittelbar an die vergünstigte Landüberlassung gekoppelt ist. Weil die Ansiedlung zumeist in wenig entwickelten Gebieten erfolgt, kann davon ausgegangen werden, dass die Größe der vom OEM originär ausgehandelten Fläche eine untergeordnete Rolle spielt. Verhandelt der OEM von vornherein eine größere Fläche, als er für seine eigenen Wertschöpfungsaktivitäten benötigt, kann er einen Teil des Landes zu einem späteren Zeitpunkt dem Zulieferer kostenfrei zur Verfügung stellen.1134 So können also durch die gemeinsame Abschätzung der benötigten Standortfläche und die konzertierte Verhandlung über deren vergünstigte Überlassung im Wertschöpfungsverbund Optimierungen erzielt werden. Für zu verhandelnde Subventionszahlungen und Steuerer- bzw. -nachlässe kann obige Vorgehensweise ebenfalls verfolgt werden. Zwar ist es schwieriger als bei Landüberlassungen, diese Aspekte unternehmensübergreifend zu verhandeln. Dem OEM als fokalem Unternehmen des sich potenziell ansiedelnden Wertschöpfungsnetzwerkes ist auf Grund der Verhandlungsmacht gegenüber den staatlichen Behörden allerdings schon die Möglichkeit geboten, auf Subventionszahlungen/Steuervergünstigungen für die beteiligten Netzwerkpartner hinzuwirken. Unter diesen Voraussetzungen fällt dem Zulieferer die nachgelagerte Verhandlung darüber mit dem Staat leichter.
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Dies unterstellt, dass der OEM in der Lage (vom Staat an den OEM überlassenes Land darf an Zulieferer zur Nutzung übertragen werden) und Willens ist, entsprechende Vorteile zu gewähren. 351
Sowohl Landüberlassungen als auch Subventionszahlungen und Steuervergünstigungen wirken sich je nach gewährter Höhe positiv auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Standortbewertung aus, da sie die Kosten der beteiligten Wertschöpfungspartner erheblich reduzieren können. Da die Vergünstigungen seitens der staatlichen Behörden gewährt werden, entstehen dem OEM dadurch keine finanziellen Nachteile. Voraussetzung für die erfolgreiche Aushandlung ist die vorgelagerte interorganisationale Abstimmung zwischen den Wertschöpfungspartnern. Diese basiert wiederum auf einer offenen Kommunikation und dem Austausch von Informationen (in diesem Beispielfall bzgl. der benötigten Standortfläche). Vor dem dargelegten Hintergrund zu gewährender Kostenvorteilen kann folgende Hypothese formuliert werden: Hypothese H6:
Je umfangreicher die durch den OEM gewährten Kostenvorteile während der Gründungsphase sind, desto größer ist die Bereitschaft des Zulieferers, dem OEM zu folgen.
Als weiterer erfolgskritischer Standortfaktor für den Zulieferer wurden die Unterstützungsleistungen des OEM während der Gründungsphase angeführt. Unterstützungsleistungen bzw. Hilfestellungen lassen sich nur schwer quantifizieren, so dass sie nicht zwangsläufig ihren Niederschlag in der Wirtschaftlichkeitsrechnung des Zulieferers finden. Allerdings beeinflussen Hilfestellungen die grundlegende Haltung des Zulieferers hinsichtlich der Standortentscheidung positiv und sind vor diesem Hintergrund in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen.1135 Weniger für große Tier-1 Zulieferer mit ausgeprägten eigenen Internationalisierungserfahrungen, vielmehr jedoch für kleinere Tier-2 Zulieferer ohne diesen Erfahrungsschatz kann die Sicherheit, dass der OEM in den entscheidenden Anfangsphasen hilft, von ausschlaggebender Bedeutung sein. Konkrete Hilfestellungen können vor allem im Bereich der Kontaktvermittlung gegeben werden. Es kann sich dabei um Kontakte zu örtlichen Behörden oder weiteren Netzwerkpartnern handeln, der OEM dient als „Türöffner“ und/ oder als Referenz. Die Hilfestellung muss sich nicht zwangsläufig auf den neuen Standort beziehen, wie das Beispiel „Begegnung von Wechselkursrisiken“ verdeutlicht. Hinsichtlich der Wechselkurseffekte ist es dem OEM ohne weiteres möglich, kleine Tier-2 Zulieferer mit geringen Auslandserfahrungen zu unterstützen.1136 Eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit entsteht in diesem 1135
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Der umgekehrte Zusammenhang gilt für unterlassene Hilfestellungen. Sie wirken negativ auf die grundlegende Haltung des Zulieferers hinsichtlich der Standortentscheidung. Es kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die großen Tier-1 Zulieferer mit ihren ausgeprägten Auslandserfahrungen das Wissen um Finanzderivate etc. besitzen.
Fall wie erwähnt weniger am neuen Standort als vielmehr zwischen den Konzernzentralen im Heimatland Deutschland. Mögliche Unterstützungsleistungen seitens des OEM reichen dabei vom Hinweis auf bestehende Wechselkursrisiken, über die zur Verfügung Stellung spezifischen Know-hows bis hin zu Kontaktvermittlungen zu entsprechenden Kreditinstituten. Auch aus der Netzwerkperspektive ist die Hilfestellung vor einem transaktionskostentheoretischen Hintergrund zu befürworten. Der OEM findet auf Grund seiner starken Verhandlungsposition schnell Zugang zu den wichtigen Partnern vor Ort, ohne dass ihm dabei große Kosten entstehen.1137 Diese Kontakte nutzt der OEM, um dem nachfolgenden Zulieferer ebenfalls einen erleichterten Zugang zu verschaffen. Kosten entstehen dem OEM, wenn überhaupt, nur in marginalem Umfang, während sie für den Zulieferer vollständig entfallen.1138 Die auftretenden positiven Effekte sind offensichtlich: Für den Zulieferer kann diese Hilfestellung ausschlaggebend sein, sich für einen Standortaufbau zu entscheiden, wovon letztlich der OEM und das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk profitieren. Hypothese H7:
Je umfangreicher die durch den OEM geleistete Hilfestellung während des Standortentscheidungsprozesses und beim Standortaufbau ist, desto größer ist die Bereitschaft des Zulieferers, dem OEM zu folgen.
Unterstützungsleistungen des Kunden (OEM) während der Standortgründung drücken sich auch in der Informationsbereitstellung bzgl. der in Abschnitt 5.5 diskutierten Standortfaktoren aus. Sie finden Eingang in die Wirtschaftlichkeitsrechnung zur Standortbewertung. Aus einer transaktionskostentheoretischen Perspektive heraus handelt es sich hierbei vor allem um Anbahnungskosten, d. h. Kosten der Informationssuche und -beschaffung. Mit der gezielten Informationsweitergabe unterstützt der OEM die Bewertungsphase des Zulieferers. So wie für die Forderung des OEM zum Folgen an den neuen Standort die Negierung von Machtanwendung und die Fortführung der bisherigen vertrauensvollen Beziehungen unterstellt wurde, wird für die Informationsweitergabe angenommen, dass der OEM die Standortfaktorausprägungen nicht beschönigt, um auf diese Weise einen positiven Standortentscheid des Zulieferers zu bewirken. Vor dem skizzierten Hintergrund kann folgende Hypothese aufgestellt werden:
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Es ist davon auszugehen, dass die staatlichen regionalen und lokalen Behörden aktiv den OEM unterstützen, d. h. auf ihn zugehen werden, weshalb ihm in diesem Zusammenhang kaum Kosten entstehen. Aus einer transaktionskostentheoretischen Perspektive heraus handelt es sich hierbei in erster Linie um Vereinbarungskosten. 353
Hypothese H8:
Je offener und gezielter die Informationspolitik des OEM ausgerichtet ist, desto leichter fällt dem Zulieferer eine fundierte Standortentscheidung.
Der OEM hat annahmegemäß bereits einen großen Teil des Standortentscheidungsprozesses durchlaufen. Die Informationen bezüglich der Ausprägungen der Standortfaktoren liegen somit dem OEM als Vorreiter im Standortentscheidungsprozess bereits auf Grund eigener Recherchen vor. Die dadurch entstandenen Kosten sind als „sunk cost“ zu verstehen, da sie in jedem möglichen Szenario „verloren“ sind.1139 Es gilt zu erklären, welche Implikationen sich aus dem interorganisationalen Informationsaustausch für die Beteiligten ergeben, wenn der OEM die bereits beschafften Informationen an seinen Zulieferer kostenfrei weiterreicht.1140 Dies erfolgt durch die detaillierte Betrachtung folgender bereits in Abschnitt 5.5 vorgestellten Standortfaktoren: { Marktfaktoren { Faktorkosten Arbeit, Kapital, Material { Faktoren, die die Produktivität beeinflussen: qualifiziertes Personal, Verhältnis Arbeit zu Kapital { Zölle { Know-how-Abfluss { Logistikkosten.1141 Die Marktfaktoren (Absatzpotenzial etc.) werden durch den OEM auf der Ebene der globalen Regionen bzw. Länder für das Endprodukt Automobil eingeschätzt. Diese Einschätzung determiniert die Auswahl des Landes für den neuen Standort. Für den Zulieferer bestimmen sich die Marktfaktoren vor allem aus den mit dem OEM verhandelten Konditionen. 1139
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Mögliche Szenarien sind: 1) Der OEM und damit auch sein Zulieferer entscheiden sich gegen den Standort. 2) Der OEM entscheidet sich für den Standort, der Zulieferer dagegen. 3) Sowohl OEM als auch Zulieferer entscheiden sich für den Standort. Denkbar ist auch die Konstellation, dass der OEM dem Zulieferer gegen Zahlung eines bestimmten (fairen) Betrages die Informationen überlässt. Somit werden die Kosten auf mehrere Beteiligte aufgeteilt. Die weiteren in Abschnitt 5.5 vorgestellten Standortfaktoren Subventionen/Steuern und Währungseffekte wurden bereits zuvor im Rahmen der Gewährung von Kostenvorteilen und Hilfestellungen betrachtet.
In einer langfristigen Perspektive ist der potenzielle Absatz an eventuell weitere OEM zu berücksichtigen.1142 Die für den Zulieferer relevanten Informationen beziehen sich demnach auf die Belastbarkeit der zugesagten Abnahmemenge bzw. der Abnahmeprognose.1143 In diesem Zusammenhang sind Marktrisiken des OEM nicht an den Zulieferer weiterzugeben.1144 Darüber hinaus spielen Faktoren zur Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf Regionen- bzw. Landesebene eine wichtige Rolle. Die hierzu gesammelten Daten sind auch für den Zulieferer von Interesse, weil die prognostizierte grundlegende volkswirtschaftliche Entwicklung die Basis für den Erfolg des Zulieferers darstellt, was sich wiederum positiv auf den unternehmerischen Erfolg des OEM respektive des gesamten Wertschöpfungsnetzwerkes auswirkt. Die Kosten für den Faktor Arbeit können i. d. R. gut quantifiziert werden. Sie fließen als wichtiger Kostenbestandteil in die detaillierte Wirtschaftlichkeitsrechnung des OEM ein. Hierzu ist die Sammlung von Informationen bezüglich der direkten und indirekten landes- bzw. regionspezifischen Arbeitskosten für die benötigten Mitarbeiter notwendig. Auf eine Unterteilung nach den jeweiligen Mitarbeitergruppen (Arbeiter, Angestellte, Führungskräfte etc.) ist zu achten. Sie bilden die Basis für die Bewertung des Faktors Arbeit. Die hierfür anfallenden Kosten der Informationsbeschaffung stellen, wie bereits erwähnt, „sunk cost“ für den OEM dar.1145 Prüft der Zulieferer nun die potenziellen Standorte hinsichtlich der Arbeitskosten, fallen für ihn wiederum die Kosten für Beschaffung eben jener Informationen an. Die Vermeidung doppelter Transaktionskosten kann durch die kostenfreie Bereitstellung der Daten durch den OEM erreicht werden. Die Vorteile für den Zulieferer sind offensichtlich. Er spart sich die anfallenden Kosten der Informationsbeschaffung. Auch aus Sicht des OEM sprechen keine Argumente gegen eine Informationsüberlassung. Die Standortinformationen sind lediglich im sehr stark eingegrenzten Kontext der speziellen Standortentscheidung nützlich. Selbst wenn sich der Zulieferer zum Ende seines Standortentscheidungsprozesses gegen den Standortaufbau entscheidet, entstehen dem OEM durch die Informati-
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Siehe Abschnitt 5.6.1, speziell die Ausführungen zum Beispiel BMW in den USA. Hierbei handelt es sich um einen erfolgskritischen Standortfaktor aus Sicht des Zulieferers, dessen Internationalisierungsmotiv das des Following Customer ist. Siehe Abschnitt 3.4.3, speziell den Exkurs zu Vertragstypen in der Automobilindustrie sowie Abschnitt 4.4. Informationsbeschaffungskosten beziehen sich in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich auf direkte Kosten, wenn bspw. ein Gutachten mit entsprechendem Datenmaterial gekauft wird. Auch die Kapazitätsbindung der Mitarbeiter, die mit der Informationsbeschaffung beauftragt sind, resultiert in Kosten. 355
onsweitergabe an sich keine Nachteile.1146 Diese Form der interorganisationalen Zusammenarbeit ist als ein Zeichen von Vertrauen zu werten, dass der mächtigere Partner aussendet.1147 So gelingt auch die Unterstützung eines zügigen Bewertungsprozesses beim Zulieferer, was im Interesse des OEM liegt. Die Informationsüberlassung muss nicht immer einen Kostencharakter besitzen. So bedeutet bspw. die Weitergabe von Erfahrungen des OEM, wie viele Expatriates für bestimmte Wertschöpfungsumfänge benötigt werden, einen enormen Gewinn1148 für den Zulieferer.1149 Er kann sich auf diese Informationen stützen und seine Personalplanung von Beginn an daran ausrichten. Auf diese Weise können eventuell später auftretende Qualitätsprobleme wegen einer zu geringen Anzahl von Expatriates vor Ort eingeschränkt oder vermieden werden.1150 Auf Grund der interdependenten Wertschöpfungsbeziehungen würden diese Probleme nicht nur den Zulieferer, sondern auch den OEM schädigen. Auch in dieser Konstellation ist es im Interesse des OEM das vorhandene Wissen zu teilen. Ein offensichtlicher Nachteil entsteht dem OEM durch die Informationsweitergabe nicht.
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356
Denkbar wäre das folgende theoretische Szenario: Dem OEM liegen die „besseren“ Informationen (fundierter, detaillierter) vor, weil er mehr Ressourcen (Zeit, Geld) in ihre Beschaffung investieren konnte. Der OEM gibt diese Informationen bewusst nicht weiter, weil er vermutet, der Zulieferer würde sich auf dieser Basis gegen einen Standortaufbau entscheiden. Nun hofft der OEM, dass die vom Zulieferer selbst beschafften („schlechteren“) Daten einen positiven Standortentscheid herbeiführen. Der Zulieferer trifft somit eine Standortentscheidung auf Basis fehlender oder falscher Informationen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Geschäftsmodell des Zulieferers am neuen Standort versagen, weil die Rahmenbedingungen (ausgedrückt durch die Standortfaktoren) nicht stimmen. Einer vertrauensbasierten interorganisationalen Zusammenarbeit entspricht diese Vorgehensweise nicht. Zudem leidet langfristig das Wertschöpfungsnetzwerk, wenn der Zulieferer in ernsthafte Schwierigkeiten gerät. Vor diesem Hintergrund ist es besser, dem Zulieferer von Anfang an die Informationen zur Verfügung zu stellen und schlimmstenfalls eine Entscheidung gegen den Standort zu akzeptieren. Siehe Abschnitt 4.5, Handlungsempfehlung VI, zweiter Teil: Die Gewährung des […] Vertrauensvorschusses und der Verzicht auf Machtmissbrauch müssen vom mächtigeren Partner ausgehen. Gewinn ist an dieser Stelle im übertragenen und nicht im ökonomischen Sinne zu verstehen. Die hier angesprochenen Erfahrungen des OEM sind an anderen vergleichbaren Auslandsstandorten gesammelt worden und lassen sich auf den neu zu errichtenden Standort übertragen. Siehe Abschnitt 5.5.2.
Die hier aufgezeigten Zusammenhänge gelten auch für die Überlassung weiterer Standortinformationen (Materialpreise, landesspezifische Kapitalkostensätze,1151 Wissen um Zollvorschriften etc.). Aus einer interorganisationalen Netzwerkperspektive heraus können darüber hinaus durch einen engen Informationsaustausch im Rahmen der Standortplanung zusätzliche Synergien gewonnen werden. Eine zwischen OEM und Zulieferer abgestimmte Rekrutierung und Qualifizierung von Personal vor Ort hilft bspw., diese grundlegenden Start-upProbleme gemeinsam anzugehen und anfallende Kosten zu teilen (gemeinsame Trainings- und Rekrutierungsräume und -prozesse etc.). Durch ein konzertiertes Vorgehen kann zumindest teilweise vermieden werden, dass beide Unternehmen als Konkurrenten am Arbeitsmarkt für die wenigen qualifizierten Mitarbeiter auftreten.1152 Der Erkenntnisaustausch bezüglich des optimalen Verhältnisses von Arbeit zu Kapital lässt ebenfalls beide Unternehmen langfristig profitieren. Die Kooperation beim Schutz geistigen Eigentums ist vor allem in asiatischen Ländern als hilfreich anzusehen. Gemeinsame Schutzvorkehrungen und regelmäßige Informations- und Erfahrungsaustausche helfen den Unternehmen, gegen dieses Problem vorzugehen. Die Logistikkosten stellen ein weiteres Feld dar, auf dem eine interorganisational abgestimmte Vorgehensweise zwischen OEM und Zulieferer Vorteile bringen kann. Während es aus Komplexitätsgründen nicht unbedingt möglich ist, gemeinsam Wertschöpfungsumfänge zu transportieren, können jedoch Kontakte zu Zollbehörden, (Flug-)Hafenpersonal, Logistikdienstlern etc. genutzt werden. Dass der OEM auf Grund seiner Vorreiterrolle in der Anfangsphase eher den Zulieferer davon profitieren lassen kann, ist sehr wahrscheinlich. Mit dem Aufbau eines eigenen Beziehungsnetzes kann im Laufe der Zeit jedoch auch der OEM von den Kontakten des Zulieferers profitieren. Des Weiteren hilft es den Unternehmen, wenn sie sich in der Bewertungsphase über die Transportrelationen austauschen und in ihren jeweiligen (intraorganisationalen) Wirtschaftlichkeitsberechnungen von konsistenten Transportkostenannahmen ausgehen. Als letzter vom Zulieferer als erfolgskritisch erachteter Standortfaktor werden die langfristigen Auswirkungen des „Folgens“ an den neuen Standort evaluiert. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass sich der Zulieferer bei positivem Be-
1151
1152
Informationen bzgl. des Rechtssystems des Landes, der Wirtschaftspolitik, Korruption etc.; siehe Tabelle 5.5.2–3. Es darf an dieser Stelle nicht die Realität verkannt werden, dass bei extremem Mangel an qualifiziertem Personal kein Unternehmen zu Gunsten des Netzwerkpartners freiwillig auf die Rekrutierung sehr guter Mitarbeiter verzichten wird. Letztlich handelt es sich hier jedoch um einen praxisorientierten Vorschlag zur Vorgehensweise, um den Wettbewerb um Personal und die damit verbundenen Lohnspiralen zumindest annähernd einzudämmen. 357
scheid auf Grund des konstitutiven Charakters einer Standortentscheidung langfristig und nachhaltig an den OEM bindet. Dies ist im hier unterstellten Wertschöpfungsnetzwerk positiv einzuordnen, da bereits bestehende langfristige und erfolgreiche interorganisationale Beziehungen an einem neuen geografischen Standort ausgebaut werden. Die interdependenten Abhängigkeiten verstärken sich zwangsläufig in dieser Konstellation, was wiederum positiv zu werten ist. Sollten Vorbehalte seitens des Zulieferers hinsichtlich einer noch engeren Bindung an den OEM bestehen, kann letzterer jedoch mit Zusagen für die Fortführung beziehungsweise Ausweitung der bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen an anderen Standorten positiv auf den erfolgskritischen Standortentscheidungsfaktor einwirken. Mit der so erreichten Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses und dem Ergebnis der auf Basis einer fundierten Bewertung getroffenen Entscheidung des Folgens des Zulieferers ist ein erster, gleichwohl sehr bedeutender Schritt getan, das Wertschöpfungsnetzwerk am neuen Standort zu optimieren. Die sich daraus ergebenden positiven Rückkopplungen auf die ökonomischen Handlungsmaximen des OEM und des Zulieferers sind dabei ebenso wichtig wie die Stärkung des bereits vorhandenen Vertrauens. Die Basis für bestehende und zukünftige Aktivitäten im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund wird gefestigt. Abbildung 6.2–5 zeigt das vollständige Modell mit seinen Grundannahmen, Ursache-Wirkung-Beziehungen und Rückkopplungseffekten.
358
Ziel
Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
Rückkopplungen
Langfristigkeit u. vertragl. Fixierung der Zusammenarbeit erhöhen die Bereitschaft des Zulieferers zu folgen
umfangreiche gewährleistete Hilfestellung d. OEM erhöht die Bereitschaft des Zulieferers zu folgen
seitens des OEM gewährte Kostenvorteile erhöhen die Bereitschaft des Zulieferers zu folgen
eine offene u. zielgerichtete Informationspolitik seitens des OEM erleichtert eine fundierte SOE des Zulieferers
Je größer die Bedeutung des OEM als Schlüsselkunde für den Zulieferer und je stärker das bereits existierende interorganisationale Vertrauen ist, desto nachhaltiger wirkt die Forderung des OEM als Initialkraft beim Zulieferer bzgl. des gemeinsamen SO-Aufbaus
Je attraktiver das durch den OEM angebotene Anreizsystem für den SO-Aufbau ist, desto eher wird der Zulieferer bereit sein an den neuen Standort zu folgen
- interorganisationales Vertrauen im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk
- ökonomische Handlungsmaxime der Einzelunternehmung
Notwendigkeit zur interorganisationalen Zusammenarbeit bei internationalen Standortentscheidungen im automobilen WSNW
Rückkopplungen
Grundannahmen
untersuchungsleitende These
Abb. 6.2–5: Modell zur Optimierung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk – Schritt 3
6.3 Erweiterung des Erklärungsmodells um verhaltenswissenschaftliche Aspekte In Abschnitt 5.1.4 wurde im Zusammenhang mit der Betrachtung verhaltenswissenschaftlicher Aspekte eine Reihe von Problemen angeführt, die sich bei der intraorganisationalen Entscheidungsfindung auftun. Auf Grund individueller Verhaltensweisen kann demnach bereits für den Standortentscheidungsprozess auf einzelunternehmerischer Ebene davon ausgegangen werden, dass { es auf Grund divergierender Zielsetzungen der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen nicht zu einer einheitlichen Zielsystembildung kommen kann,
359
{ die Lösung von Zielkonflikten durch die Aufteilung von Entscheidungsproblemen erfolgt, die dann an unterschiedliche Instanzen delegiert werden, { die einzelnen Ziele nicht zeitgleich, sondern nacheinander abgearbeitet werden, { risikoärmere Projekte präferiert werden, um Unsicherheit zu vermeiden, was auch zur Kooperation mit Externen (z. B. Lieferanten) führt, { neue Ansätze der Problemlösung erst dann eingesetzt werden, wenn sich konventionelle Verfahren nicht länger bewähren. Wie wirken sich nun die individuellen Verhaltensweisen in einem bei weitem komplexeren interorganisationalen Standortentscheidungsprozess aus? Die Schwierigkeit verschärft sich durch eine hohe Anzahl der in den Entscheidungsprozess einzubeziehenden Partner. In der konkreten Ausgestaltung des interorganisationalen Standortentscheidungsprozesses beläuft sich für den OEM die Zahl der zu koordinierenden engen Tier-1/Tier-2 Zulieferer sehr schnell auf mehr als 30 Unternehmen. Naturgemäß gestaltet sich die Entscheidungsfindung mit steigender Anzahl von Beteiligten immer schwieriger. Das erklärte Ziel ist es, trotz der individuellen Verhaltensweisen und der hohen Anzahl der Beteiligten einen möglichst effektiven und effizienten interorganisationalen Standortentscheidungsprozess zu implementieren. Dazu bedarf es konkreter Maßnahmen, mit denen auftretende negative Auswirkungen individuellen Verhaltens kompensiert bzw. weitgehend eliminiert werden können. Hinsichtlich der oben genannten Aspekte kann konstatiert werden: Unter der Prämisse einer bereits im intraorganisationalen Umfeld fehlenden einheitlichen Zielsystembildung ist es unrealistisch, diese bei einem interorganisationalen Standortentscheidungsprozess zu erwarten. Dies hat zur Folge, dass { kein allgemeingültiges unternehmensübergreifendes Zielsystem vorab implementiert werden kann, { die inhaltliche Entscheidungsfindung (nicht jedoch der Entscheidungsprozess an sich) der jeweiligen spezifischen Situation anzupassen ist, { existierende zwischenmenschliche Beziehungen grundsätzlich zu akzeptieren und ihre speziellen Konstellationen zu berücksichtigen sind. Ein standardisierter Standortentscheidungsprozess ist soweit sinnvoll realisierbar explizit anzustreben. Durch die Standardisierung gewinnen die beteiligten Unternehmen Planungssicherheit und sind in der Lage, die faktisch sehr 360
hohe Komplexität des interorganisationalen Entscheidungsprozesses zu begrenzen. Die angestrebte Effektivität und Effizienz sind so zu erreichen. Bezüglich der Aufteilung von Entscheidungsproblemen und deren Delegation an unterschiedliche Instanzen wird die folgende Vorgehensweise vorgeschlagen: Es sind bereits mit Beginn des Standortentscheidungsprozesses die zuständigen Entscheidungsinstanzen und deren Vertreter sowie ihr jeweiliger Zuständigkeitsbereich von jedem der beteiligten Unternehmen zu benennen. Sie sind für alle Beteiligten klar intra- und interorganisational zu kommunizieren. Auf diese Weise werden praxistypische „Endlos-Abstimmungsschleifen“ durch wechselnde Ansprechpartner bzw. das fehlende Wissen um die zuständigen Ansprechpartner vermieden. Die Entscheidungsträger sind so auszuwählen, dass sie in der Unternehmenshierarchie sehr weit oben angesiedelt sind und per se über ein hohes Durchsetzungspotenzial verfügen (so genanntes Top Management Supporting/Sponsoring). Dieses Durchsetzungsvermögen wird darüber hinaus durch die Übertragung der Projektentscheidungsgewalt gestärkt. Durch die Ernennung fester Ansprechpartner wird die Voraussetzung für eine persönliche Vertrauensbildung geschaffen, die aus der andauernden persönlichen Kommunikation resultiert. Das persönliche Vertrauen dient dann in schwierigen intra- und interorganisationalen Verhandlungssituationen als zusätzlicher Puffer im Sinne einer allgemein zufrieden stellenden Lösungsfindung. Gleichzeitig kommt den ernannten Schnittstellenkoordinatoren eine GatekeeperFunktion zu. Sie zeichnen dafür verantwortlich, welche Informationen ausgetauscht werden und welche im eigenen Unternehmen verbleiben.1153 Die schrittweise Abarbeitung von Zielen ist dann unkritisch, wenn dadurch keine Zeitverzögerungen im gesamten Standortentscheidungsprozess entstehen. Zeitverzögerungen von vornherein zu negieren, wäre allerdings sehr realitätsfern. Deshalb sollten sie von Beginn an eingeplant werden, was nicht bedeutet, dass sie vorbehaltlos zu akzeptieren sind. Die klare Benennung von Verantwortlichen und deren Zuständigkeiten sowie die Festlegung von Meilensteinen helfen auch an dieser Stelle. Bestimmten Personen werden in einem klar definierten Prozess Arbeitsumfänge übertragen, die sie zu verantworten haben. Die anschließende Verdichtung der Einzelaspekte und deren Verantwortung gegenüber der nächst höheren Instanz obliegt den ernannten Entscheidungsträgern der jeweiligen Ebenen. Auch die Koordination der einzelnen Prozessschritte gehört dazu. Auf diese Weise gelingt es, einzelne Aspekte des genau definierten Entscheidungsprozesses eben nicht schrittweise, sondern parallel abzuarbeiten und die Ressource Zeit zu minimieren. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund mehrerer gleichzeitig ablaufender intraorganisationaler Entscheidungsprozesse, 1153
Siehe Abschnitt 4.5, Leitlinie IX: Trotz vertrauensvoller Beziehungen ist im interorganisationalen Informationsaustausch ein sorgfältiger Umgang mit sensiblen Informationen geboten, der durch Gatekeeper realisiert werden kann. 361
die in einen interorganisationalen Standortentscheidungsprozess münden, von Bedeutung.1154 Die Tendenz zur Unsicherheitsreduzierung und die damit verbundene Präferenz zu risikoärmeren Projekten begünstigen grundlegend den interorganisationalen Standortaufbau. Schließlich ist die Forderung des OEM an seine Zulieferer, ihm an den neuen Standort zu folgen, von der Vorstellung geprägt, eine möglichst reibungsfrei funktionierende Wertschöpfungskette am neuen Standort zu installieren. Allerdings darf die Unsicherheitsreduzierung nicht die rationale Entscheidungsfindung beeinträchtigen. Gewährleistet werden kann dies durch die Quantifizierung der Ausprägungen von unternehmensindividuell festzulegenden Standortfaktoren.1155 Zu beachten ist hier jedoch, dass diese Festlegung nicht uneingeschränkt für alle Standortfaktoren gelten kann, da es sich ansonsten um ein einheitliches Zielsystem handeln würde. Dies ist, wie bereits diskutiert, realistisch nicht umsetzbar. Zudem widerspricht es der ersten Grundannahme des in Abschnitt 6.2 erarbeiteten Modells.1156 Die Kriterien können also lediglich Orientierungsrichtlinien darstellen. Nicht zuletzt bedarf es der grundlegenden Offenheit gegenüber neuen, d. h. bis dato noch nicht benutzten Verfahren im Rahmen der Entscheidungsfindung. Dabei ist es durchaus sinnvoll, in einem ersten Schritt auf bestehende funktionierende Verfahren der Entscheidungsfindung zurückzugreifen. Allerdings sollte beim Versagen derartiger Verfahren unproblematisch zu neuen Methoden gewechselt werden können.1157 Das erfordert vorab und auch während des Entscheidungsprozesses die Protektion durch die obersten Entscheidungsträger der jeweiligen Unternehmen. Nur so kann zu einem späteren Zeitpunkt vermieden werden, dass über die Anwendung eines neuen Verfahrens diskutiert wird und dabei der eigentliche Standortentscheidungsprozess aus dem Fokus gerät.
1154 1155
1156
1157
362
Siehe Abbildung 6.2–2. Beispielhaft sei hier auf die in Abschnitt 5.5.2 angeführten landessspezifischen Kapitalkostensätze verwiesen. So kann von vornherein festgelegt werden, dass nur Länder in Betracht gezogen werden, die bspw. ein Risikopremium von < 5 Prozentpunkten aufweisen; siehe Tabelle 5.5.2–3 für die detaillierte Zusammensetzung des Risikopremiums und konkrete landesspezifische Ausprägungen. Der Zulieferer bestimmt autonom die in die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließenden Kriterien (Standortfaktoren) und das dafür notwendige Bewertungsverfahren. Auch die Ausprägung der Standortfaktoren obliegt jedem Einzelunternehmen und wird nicht unternehmensübergreifend vorgegeben. Wurden Standortentscheidungen bisher von einem Unternehmen bspw. mit der Kapitalwertmethode berechnet, ist es sinnvoll, dieses Verfahren auch im aktuellen Standortentscheidungsprozess anzuwenden. Entsteht die Notwendigkeit bspw. auch die dynamische Amortisationszeit mit einzubeziehen, ist dieses neue, bis dato nicht angewandte, Verfahren unproblematisch anzuwenden.
7 Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Versuch unternommen, sich der komplexen und in der wissenschaftlichen Diskussion bis dato nur in Ansätzen thematisierten Problemstellung internationaler Standortentscheidungen im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund zu nähern. Die Motivation für eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik entsprang vor allem aus der Beobachtung, dass Standortentscheidungen in der automobilen Praxis noch immer weitgehend als einzelunternehmerische Entscheidung gehandhabt werden. Der Netzwerkperspektive, die ansonsten bei Unternehmen der Automobilindustrie ausgeprägt vorzufinden ist, wird in diesem Kontext häufig nicht die notwendige Beachtung geschenkt. Zudem zeigt die Praxis eine zum Teil machtbasierte Vorgehensweise einiger OEM gegenüber ihren Zulieferunternehmen. Dies so die anfängliche Vermutung ist weder der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit im Allgemeinen noch der komplexen Standortentscheidung im Wertschöpfungsverbund mit allen sich daraus ableitenden Implikationen förderlich. Vor diesem Hintergrund galt es, methodisch in einem ersten Schritt die aktuell wirksamen fundamentalen Einflussdeterminanten der Automobilindustrie herauszuarbeiten und die daraus resultierenden Kausalzusammenhänge aufzuzeigen. Im Ergebnis wurde die untersuchungsleitende These postuliert, dass die Leistungserstellung im interorganisationalen Wertschöpfungsverbund notwendige (jedoch nicht hinreichende) Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg in der Automobilindustrie ist. Es existieren jedoch unterschiedliche Vorgehensweisen und Ausprägungen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die stark durch die dem Wertschöpfungsnetzwerk als fokalem Unternehmen vorstehenden OEM geprägt sind. Mit diesen praktischen Erfahrungen galt es, im nächsten Schritt eine wissenschaftliche Aufarbeitung der interorganisationalen Zusammenarbeit im Wertschöpfungsnetzwerk vorzunehmen. Die erarbeiteten Ergebnisse im Sinne einer deskriptiv-theoretischen Basis wurden an den Gegebenheiten der automobilen Praxis gespiegelt. Dabei wurde deutlich, dass unternehmensübergreifendes Vertrauen und damit einhergehend der Verzicht auf Machtmissbrauch überaus wichtige Parameter darstellen. Druck bzw. Machteinsatz bilden nicht die Basis, auf der Zulieferunternehmen den Ausbau ihrer Geschäftsbeziehungen an neuen internationalen Standorten anstreben. Langfristig orientierte und vertrauensvolle Wertschöpfungspartnerschaften bilden eine sehr viel stabilere Basis. Allerdings ist Vertrauen in diesem Zusammenhang nicht mit verklärtem Blick als Allheilmittel zu verstehen. Es ersetzt weder ein gewisses Maß an Kontrolle, noch hebt es den Wettbewerb zwischen den Unternehmen vollständig auf, wie das Beispiel Toyota eindrucksvoll demonstriert. Sehr wohl vermag Vertrauen dagegen die Transaktionskosten deutlich zu senken. In einem weiteren Schritt wurden die so gewonnen Erkenntnisse 363
auf die Thematik internationaler Standortentscheidungen im unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsverbund appliziert. Die Bedeutung interorganisationaler Wertschöpfung und internationaler Standortentscheidungen determiniert sich aus den interdependenten wirtschaftlichen Verflechtungen in der Automobilindustrie. Die insbesondere in den letzten ca. 15 Jahren aufgebaute Kompetenz macht die Tier-1/Tier-2 Zulieferer zu wertvollen Partnern für die OEM. Die fehlende Präsenz eines oder mehrerer Partner an neuen Standorten kann schwerwiegende Störungen der interorganisationalen Wertschöpfungskette hervorrufen. In unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken der Automobilindustrie ist jedwede ökonomische Aktivität keineswegs mehr isoliert zu betrachten, da sie Auswirkungen auf vielen anderen Wertschöpfungsstufen hervorruft. Vor diesem Hintergrund ist es im gemeinsamen Interesse der beteiligten Wertschöpfungspartner, neben der operativen auch ihre strategische Unternehmenspolitik aufeinander abzustimmen und stärker als bisher zu vernetzen. Dies bezieht sich explizit auch auf den vielfältigen und komplexen Standortentscheidungsprozess, der auf seine gesamthafte, das heißt interorganisationale Wirkung hin betrachtet werden muss. Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeiten als ein weit reichendes und bedeutsames Unternehmensziel muss ungeachtet der interdependenten interorganisationalen Vernetzung der autonomen Entscheidungshoheit eines jeden Unternehmens unterliegen. Aus einer unternehmensübergreifenden Netzwerkperspektive ist es demnach nicht erstrebenswert, wenn Automobilhersteller ihre internationale Präsenz ausweiten und auf Grund existierender Abhängigkeiten ihre Zulieferer dazu drängen, ihnen zu folgen. Dieser in der Vergangenheit vielfach beschrittene Weg mag kurzfristig eine Lösung – insbesondere für den agierenden OEM, weniger für den reagierenden Zulieferer – darstellen. Mittel- bis langfristig bietet dies keine solide Basis für eine erfolgreiche interorganisationale Zusammenarbeit.1158 Die Substitution bestehender zuverlässiger und erprobter Hersteller-ZulieferBeziehungen durch den Aufbau neuer Lieferanten offeriert auf Grund des häufig fehlenden technologischen Know-hows sowie der geforderten Qualität und Lieferzuverlässigkeit lediglich einen begrenzten Lösungsraum. Um dem latenten Risiko fehlender vorgelagerter Wertschöpfungsebenen zu begegnen, bedarf es zukünftig einer abgestimmten unternehmensübergreifenden, d. h. netzwerkorientierten Standortstrategie.
1158
364
Beispielhaft sei die unterschiedliche Kapitalausstattung der beteiligten Unternehmen angeführt. Während für einen OEM der Aufbau eines Standortes finanziell unproblematisch durchführbar ist, kann der Zwang ebenfalls am neuen Standort zu investieren, für einen finanzschwachen Zulieferer Existenz gefährdende Auswirkungen nach sich ziehen.
Dies erfordert nicht zuletzt die Gestaltung neuer Rahmenbedingungen in der Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen, die der Optimierung des unternehmensübergreifenden Standortentscheidungsprozess dienen. Mit dem erarbeiteten Erklärungsmodell wurde eine theoretische Basis für den interorganisationalen Standortentscheidungsprozess geschaffen. Die einzelnen aufeinander aufbauenden Aspekte des Modells fügen sich zur Optimierung des Standortentscheidungsprozesses zusammen. Die Analyse verdeutlicht darüber hinaus, dass es keinen allgemeingültigen Prozess, keinen „One-Best-Way“ gibt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der ökonomische Determinismus eines rationalen Prinzips des Wirtschaftens nach dem Grenznutzenprinzip basierend auf dem neoklassischen und neoliberalen Wirtschaftsmodell keine Allgemeingültigkeit besitzt. Wertschöpfungsbeziehungen d. h. der interorganisationale Austausch von Informationen, Gütern und Leistungen sind immer in ein komplexes Geflecht sozialer Institutionen mit einem ebenso komplexen Regelwerk eingebettet, die ihrerseits das soziale Netz der handelnden Akteure beeinflussen. Der Historizität der beteiligten Unternehmen und Unternehmensvertreter kommt dabei ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu. Gelingt es Unternehmen, durch interorganisationale Wertschöpfungsaktivitäten eine gemeinsame Historie aufzubauen, bildet das sich dabei entwickelnde Vertrauen eine belastbare Basis für zukünftige gemeinsame Projekte. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Automobilhersteller insbesondere ihre langjährigen Partnerunternehmen der Zulieferindustrie auffordern, ihnen an einen neuen Produktionsstandort zu folgen. Da mit einer Standortentscheidung insbesondere im internationalen Kontext eine konstitutive Entscheidung mit nachhaltigen Auswirkungen getroffen wird, ist der Fokus der beteiligten Unternehmen auf die langfristigen Implikationen zu richten. Durch die Beteiligung mehrerer Unternehmen ist über die einzelunternehmerischen Belange hinaus besonders die Netzwerkperspektive zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit zur Einbindung der wichtigen Tier-1/Tier-2 Zulieferunternehmen ist ein unabdingbares Faktum, dem sich kein noch so mächtiger OEM entziehen kann. Interessanterweise sind Automobilhersteller wie Toyota, BMW und Porsche, die einen vergleichsweise vertrauensvollen Umgang mit ihren Zulieferunternehmen pflegen, hinsichtlich des Geschäftserfolges als Benchmark der Industrie anzusehen. An dieser Stelle soll zwar nicht der monokausale Zusammenhang postuliert werden, dass dies einzig und allein auf die Ausgestaltung der Hersteller-Zuliefer-Beziehungen zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die in der Automobilindustrie gegebenen engen Verflechtungen zwischen den OEM und ihren wichtigen Tier-1/Tier-2 Zulieferern ist ein gewisser Kausalzusammenhang jedoch nicht zu verleugnen. Während es den Anschein hat, dass einige Unternehmen den Wettbewerb noch immer lediglich auf horizontaler Ebene definieren (OEM vs. OEM), sehen sich die genannten Unternehmen vielmehr als Bestandteil des gesamten Wert365
schöpfungsnetzwerkes. Somit setzt sich die Erkenntnis durch, dass nicht mehr Einzelunternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsketten im Wettbewerb miteinander stehen. Dem OEM, dem als fokalem Unternehmen nach wie vor die Steuerung des Netzwerkes obliegt, bietet sich damit die Chance, die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig zu optimieren und bestmöglich wettbewerbsfähig auszurichten – auch über die Errichtung neuer Standorte. Mit dem in dieser Arbeit entwickelten Erklärungsmodell lassen sich Austauschgefüge und Wirkungszusammenhänge der Praxis in abstrahierter Form darstellen. Die Erwartungshaltung hinsichtlich eines reibungslos funktionierenden Standortentscheidungsprozesses mit einem durch den OEM vorgegebenen Zielsystem, das zudem vollständig und uneingeschränkt von allen Tier-1 und Tier-2 Zulieferern akzeptiert wird, ist jedoch als realitätsfern einzuordnen. Den in Abschnitt 6.3 abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen wird vornehmlich ein hoher heuristischer Wert zugeordnet. Der Anspruch eines ganzheitlichen differenzierten Erkenntnisgewinns der hier behandelten komplexen Thematik kann somit nicht vollständig erfüllt werden. Lösungsmöglichkeiten sind vor diesem Hintergrund begrenzt. Zukünftiger Forschungsbedarf kann deshalb bspw. in der Suche nach Mechanismen, Modellen und Institutionen gesehen werden, die insbesondere einen Anreiz-Beitragsausgleich zwischen OEM und Zulieferunternehmen ermöglichen und eine allseits akzeptierte Aufwands- und Nutzenverteilung zwischen den Wertschöpfungspartnern erlauben. Des Weiteren sollten sie die trotz des zugrunde liegenden Vertrauens bestehende gegenseitige Verhaltensunsicherheit entscheidend senken sowie Transaktionskosten begrenzen. Intertemporäre Zusammenhänge sind dabei stets zu berücksichtigen. Die in dieser Arbeit als vorläufig aufgestellte Hypothesen sind, wie bereits erwähnt, kurzfristig nicht zu überprüfen, da sie sich auf langfristige Verhaltensaspekte beziehen. Eine Momentaufnahme ist vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll. Die Hypothesen können bspw. im Rahmen einer breit angelegten Industrieforschungsstudie in der Zukunft getestet werden. Im Rahmen von Längsschnittuntersuchungen über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren gilt es fortlaufend zu überprüfen, welche Unternehmen an welchen neuen Standorten Produktionsstätten eröffnet haben und welche Unternehmen in diesem Zusammenhang gefolgt sind. Während die vorliegende Arbeit explizit die Beziehungen zwischen den OEM und den Tier-1/Tier-2 Zulieferebenen untersucht, besteht zukünftiger Forschungsbedarf auch für die Ebenen Tier-2/Tier-3 Zulieferer untereinander. Diese Ausrichtung bedingt sich aus den momentan in der automobilen Praxis anstehenden Entwicklungen. So erwarten Experten in naher Zukunft bspw. eine sehr starke Konsolidierung auf den genannten Zulieferebenen in Europa, ähnlich den Verhältnissen, wie sie in Nordamerika bereits eingetreten sind. In diesem Zusammenhang wird der Zusammenschluss im Netzwerk als eine Möglichkeit zur 366
Überlebenssicherung propagiert.1159 Eine wissenschaftliche Analyse dahingehend schafft eine fundierte Diskussionsbasis, die im weiteren Verlauf auch der Erarbeitung von Handlungsleitlinien für die strategische Ausrichtung der genannten Netzwerkebenen dienen kann. Weiterer Forschungsbedarf besteht dahingehend, ob bzw. inwieweit die hier gewonnen Erkenntnisse auf andere Industrien übertragen werden können. Sicherlich spielt die durch die Branche respektive Industrie determinierte Ausgestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes und ihre spezifischen Ursache-Wirkungs-Beziehungen dabei eine entscheidende Bedeutung. Ungleich schwieriger, wenn auch nicht vollkommen unmöglich, dürfte sich die empirische Überprüfung der hier erarbeiteten Hypothesen gestalten. Da insbesondere die Thematik Macht bei den Unternehmen der Automobilindustrie keine offene Ansprache findet, sind valide empirische Ergebnisse im Rahmen einer Unternehmensbefragung m. E. kaum zu gewinnen. Ein Vergleich zwischen der Gruppe der Best-Practice-Netzwerke und der Gruppe der Netzwerke, die weniger auf Vertrauen als vielmehr auf Druck basieren, ist vor diesem Hintergrund schwer möglich. Es liegt in der Hand aller an der automobilen Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen, die interorganisationale Zusammenarbeit weiter zu optimieren und sie auf bis dato davon nicht tangierte Aspekte wie internationale Standortentscheidungen im Wertschöpfungsverbund auszudehnen. Der erste und zugleich so wichtige Schritt obliegt dem jeweiligen OEM – als Netzwerkleader auf dem Weg zu neuen Standorten.
1159
Vgl. Götz, A. (2006), S. 18 ff. 367
8 Anhang
Funktionstüchtigkeit
Funktionstüchtigkeit
Funktionstüchtigkeit
Funktionstüchtigkeit
Funktionstüchtigkeit
Fahrleistungen
Fahrleistungen
Fahrleistungen
Fahrleistungen
Fahrleistungen
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Komfort
Komfort
Komfort
Komfort
Sicherheit
Sicherheit
Sicherheit
Design
Design
Design
Verbrauchssparsamkeit Umweltverträglichkeit
Verbrauchssparsamkeit
Umweltverträglichkeit
Systemfähigkeit (Telematik)
Individualität
vor dem 1. Weltkrieg
zwischen den Weltkriegen
50er/60er Jahre
70er/80er/90er Jahre
Zukunft
A 1: Zunehmende Anforderungen an das Automobil im Zeitablauf [Quelle: Diez, W. (2006), S. 191]
369
A 2: Produktproliferation bei ausgewählten Automobilherstellern
[Quelle: Diez, W. (2006), S. 142]
370 1990
Polo • Limousine • Coupe Golf • Limousine • Cabriolet Jetta • Limousine Corrado Passat • Limousine • Coupe
1990
Audi 80/90 • Limousine Audi 100/200 • Limousine • Avant Audi Quattro
2006
Fox Polo • Limousine • Cross Polo Golf • Limousine • Variant • Golf Plus Jetta Caddy Touran New Beatle • Limousine • Cabriolet Eos Sharan Passat • Limousine • Variant Touareg Phaeton
2006
Audi A3 • Limousine • Avant Audi A4 • Limousine • Avant • Cabriolet Audi A6 • Limousine • Avant • Allroad quattro Audi A8 Audi TT • Coupe • Roadster Audi Q7
1990
3er-Reihe • Limousine • Touring • Cabriolet 5er-Reihe • Limousine 7er-Reihe 8er-Reihe
1990
190 • Limousine W124 • Limousine • T-Modell • Coupe S-Klasse • Limousine • Coupe SL G-Modell
2006
1er-Reihe 3er-Reihe • Limousine • Touring • Coupe • Cabriolet 5er-Reihe • Limousine • Touring 6er-Reihe • Coupe • Cabriolet 7er-Reihe Z4 • Roadster • Coupe X3 X5
2006
A-Klasse • Limousine • Coupe B-Klasse C-Klasse • Limousine • T-Modell • Sportcoupé CLK-Klasse • Coupé • Cabriolet E-Klasse • Limousine • T-Modell CLS-Klasse S-Klasse CL-Klasse Viano SLK SL SLR R-Klasse M-Klasse G-Klasse GL-Klasse
Abarth Alfa Romeo Alpine AMC Aston-Martin BLMC BMW Chrysler Citroen Daimler-Benz de Tomaso Fiat Ford Fuji H.I. GM Honda Innocenti Isuzu Lamborghini Lotus Maserati Mazda Mitsubishi Nissan Peugeot Porsche Prince Renault Rolls-Royce Saab Seat Simca/Chrysler Suzuki Toyota Volvo VW
Alfa Romeo AMC Aston-Martin BL BMW Chrysler Daimler-Benz de Tomaso Fiat Ford Fuji H.I. GM Honda Isuzu Lamborghini Lotus Mazda Mitsubishi Nissan Peugeot/Citroen Porsche Renault Rolls-Royce Saab Seat Suzuki Talbot/Matra Toyota Volvo VW
BMW Chrysler Daewoo Daimler-Benz Fiat Ford GM Honda Hyundai Isuzu Mitsubishi Nissan Peugeot/Citroen Porsche Renault Rolls-Royce Rover Suzuki Toyota Volvo VW
BMW Group DaimlerChrysler Fiat-Gruppe Ford-Gruppe GM-Gruppe Honda Hyundai/Kia Mitsubishi Peugeot/Citroen Porsche Renault/Nissan Toyota VW-Konzern
1970
1980
1990
2005
A 3: Konsolidierung der Weltautomobilindustrie am Beispiel der OEM [Quelle: Diez, W. (2006), S. 24]
371
1992 Konzern
MA in %
2005
kum. (%)
Konzern
MA in %
Volkswagen
29,4
Volkswagen
30,8
GM/Opel
17,1
DaimlerChrysler
12,1
GM/Opel
11,2
Ford
9,6
Daimler-Benz
6,5
Ford*
10,9
BMW
6,2
BMW
8,7
Renault
5,1
RenaultNissan
6,6
PSA Peugeot/ Citroen
4,5
PSA Peugeot/ Citroen
5,7
Fiat
3,9
Toyota**
4,3
Nissan
3,5
Hyundai/Kia
3,0
Mazda
2,7
Fiat
2,2
56,1
88,5
*) inkl. Mazda **) inkl. Daihatsu
A 4: Angebotskonzentration auf dem deutschen Automobilmarkt [Quelle: Diez, W. (2006), S. 24 / Kraftfahrtbundesamt (KBA)]
372
kum. (%)
54,1
95,5
1
4
6
5
3
8 7
9 2 ? 1 Brennstoffzelle 2 Dieselmotoren 3 Hybrid 4 Motoren, Transporter, Minivans 5 Motoren, Hybrid, Produktion Cayenne/Panamera 6 Porsche hält 29,9 % an VW 7 Motoren 8 Nissan hält 15 % an Renault, Renault hält 44 % an Nissan 9 Kleinwagen ? aktuelle Sondierungen
A 5: Ausgewählte Partnerschaften von Automobilkonzernen (Stand August 2006) [Quelle: managermagazin 8/2006, S. 22; eigene Aktualisierungen]
373
Regional unterschiedliche Präferenzen am Beispiel von Fahrzeugtypen
100 %
2
6
11
5 5 80 %
14 45
49
17 12 8
60 % 7
33
6
21
3
40 %
5 20 23
20 %
38 25
30 14
1 Nordamerika
Westeuropa
Japan
China
Kleinwagen/Utility
Mittelklasse
Oberklasse
MPV
SUV/Pick-up
Van
Erklärungen: Marktanteile der Fahrzeuge unter 6 Tonnen, Jahr: 2003 MPV: Multi Purpose Vehicle; z. B. Opel Zafira, VW Touran
SUV: Sport Utility Vehicle; z. B. Audi Q7, Toyota Landcruiser
A 6: Regional unterschiedliche Präferenzen am Beispiel von Fahrzeugtypen [Quelle: Meyer, T. (2006b), S. 47]
374
Smart ForTwo Original
City Spirit chinesische Kopie
A 7: Smart ForTwo und City Spirit – deutsches Original und chinesische Kopie [Quelle: www.edmunds.com/media/news/column/letterstoeditors/05.january/smart.fortwo.500. jpg, Abruf: 14.12.2006 www.automotto.org/entry/chinese-smart-for-two-copycat-finally-halts-production/, Abruf: 14.12.2006]
375
Form des Markteintritts Repräsentanz
Lizenzvereinbarung
Franchising
Joint Venture
Vorteile
Nachteile
+ Marktbeobachtung und Erwerb von lokaler Erfahrung
– relativ geringer Grad der Vernetzung mit lokalen Stellen
+ Darstellung der Marke
– geringere Förderung durch Gastland
+ Förderung des Exports
– keine Produktanpassung
+ vergleichsweise geringes Investitionsvolumen
– Wechselkurse
+ gesicherter Eintritt bei geringem Risiko
– hoher Kontrollaufwand insbesondere in Bezug auf Intellectual Property
+ Markteintritt und Vertriebskanäle ausländischer Partner
– autonome Geschäftspolitik des Lizenznehmers
+ Umgehung von Markteintrittsbarrieren
– keine eigenen Lernprozesse
+ umfangreiche Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des Franchise-Gebers
– aufwendige Steuerungs- und Kontrollsysteme
+ weltweit einheitlicher Auftritt ohne großes Investitionsvolumen
– Unabhängigkeitsstreben erfolgreicher Franchise-Nehmer
+ Alternative bei Exportbeschränkungen
– Abhängigkeit bei Entscheidungen, verlangsamter Entscheidungsprozess
1160
oder Verbot von WFOE
+ beschleunigter Markteintritt
– staatliche Einflussnahme möglich
+ Marktkenntnisse und Netzwerke lokaler Partner
– hoher Koordinationsaufwand
+ reduzierter Kapitalbedarf
– Abfluss von Know-how
+ Lernen von Partnern
– Erfolgsmessung und Profitabilität – geringere Integration in das Unternehmen als bei WFOE
Tochtergesellschaft
Akquisition
+ eigenständige, unmittelbare Präsenz
– volles Länderrisiko
+ Unabhängigkeit von Dritten
– hoher Ressourceneinsatz
+ Integration in eigene Strategie
– kostspielige Akquisitionen oder aufwendige Neugründungen
+ Einfluss und Kontrolle
– Personalsuche
+ einheitlicher Auftritt, Standardisierung
– schlechte Reversibilität
+ Schutz von sensiblem Know-how
– aufwendige Vernetzung mit lokalen Institutionen
+ schneller Markteintritt
– Selektion geeigneter Akquisitionskandidaten
+ schnelle Marktpenetration
– hoher Kapitaleinsatz und hohes Risiko
+ Zugang zu knappen Ressourcen
– Vorteile nur nutzbar, wenn Integration gelingt
+ Zugang zu Markt-Know-how
A 8: Vorteile und Nachteile unterschiedlicher Markteintrittsstrategien [Quelle: In Anlehnung an Kasperk, G. et al. (2006), S. 98 – 115]
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