Internationalisierung im deutschen Lebensmittelhandel : Möglichkeiten und Grenzen der Globalisierung 9783835094147, 3835094149 [PDF]

Preliminary; Rahmenbedingungen im deutschen Handel; Motive der Internationalisierung; Voraussetzungen für die Internati

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Internationalisierung im deutschen Lebensmittelhandel : Möglichkeiten und Grenzen der Globalisierung
 9783835094147, 3835094149 [PDF]

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Zitiervorschau

Thomas Bogner, Nicole Brunner Internationalisierung im deutschen Lebensmittelhandel

WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

Thomas Bogner, Nicole Brunner

Internationalisierung im deutschen Lebensmittelhandel Möglichkeiten und Grenzen der Globalisierung

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage Juli 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Anita Wilke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0385-9

Vorwort Die Konsumausgaben in Deutschland erhöhen sich seit dem Jahr 1995 um ca. 20 Prozent, während der Umsatz des Einzelhandels auf dem damaligen Niveau stagniert. Die Ursachen dafür liegen in einem immer größeren Anteil anderer Sektoren an den gesamten Konsumausgaben. So wird immer mehr Geld für Wohnen, Energie, Reisen, Telekommunikation und Freizeit ausgegeben, während die Ausgabenanteile für Nahrungs- und Genussmittel oder auch für Textil und Bekleidung sinken. Zu diesen strukturellen Problemen kommen seit dem Jahr 2002 auch konjunkturelle hinzu. Sowohl die Terroranschläge vom September 2001 wie auch die Währungsumstellung sind dafür maßgebliche Parameter. Trotz einer Umsatzstagnation wurde die Verkaufsflächenkapazität in den letzten Jahren signifikant erhöht, was zu einem teilweise dramatischen Rückgang der Flächenproduktivität führte. So weist der deutsche Einzelhandel heute ein Flächenangebot aus, das fast doppelt so hoch ist wie in Großbritannien und nimmt damit international einen führenden Platz ein in Bezug auf das Angebot von Verkaufsfläche je Einwohner. Es ist nicht verwunderlich, dass die Umsatzrendite des Einzelhandels in Deutschland mit weniger als einem Prozent an viele andere Länder nicht heranreicht. Diese Überkapazitäten sind ein deutlicher Indikator dafür, dass der deutsche Einzelhandel nicht nur einen saturierten Markt darstellt, sondern die Sättigungsgrenze bereits vor längerer Zeit überschritten hat. Die Folge ist ein scharfer Verdrängungswettbewerb unter den anbietenden Handelsunternehmen, die – bei häufig austauschbaren Angeboten und Leistungen – den Preis zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor erkoren haben. Davon profitieren auf der Anbieterseite insbesondere die Kostenführer und natürlich die Verbraucher. Die Handlungsoptionen der Unternehmen im deutschen Einzelhandel sind vielschichtig. So können im Sinne einer Vertikalisierung Preisstrategien auf Basis uneingeschränkter Kostenführerschaft erarbeitet und implementiert werden. Dem gegenüber steht eine Strategie der Individualisierung, im Rahmen derer eine Differenzierung durch eine starke Zielgruppenfokussierung erfolgt. Eine dritte Möglichkeit ist die Strategie der Diversifizierung, indem neue Geschäfts-

VI

Vorwort

felder entwickelt und ausgebaut werden. Eine vierte Option ist die Internationalisierung, in deren Rahmen nationale Betreiberkonzepte länderübergreifend multipliziert werden. Die Internationalisierung zählt dabei seit Jahren zu den präferierten Strategien der in gesättigten Märkten operierenden Handelsunternehmen. So ist von den 200 größten Handelsunternehmen weltweit mehr als jedes zweite Unternehmen mit Standorten in verschiedenen Ländern aktiv und etwa 30 Prozent agieren sogar auf unterschiedlichen Kontinenten, also global. Im Rahmen dieser Internationalisierungsstrategien sind dabei unterschiedliche Konzepte zu beobachten. So setzen die Unternehmen einerseits auf wenig entwickelte Märkte mit fehlender Einzelhandelsstruktur und hohen Wachstumspotenzialen, andererseits sind jedoch auch hoch entwickelte Märkte mit weniger dynamischen Umsatzentwicklungen im Einzelhandel Ziel der Expansion. Unabhängig von der Komplexität der Betriebstypen ist dabei eine Anpassung an die Besonderheiten der internationalen Märkte notwendig. Zahlreiche Unternehmen mussten sich in der Vergangenheit bereits aus Märkten zurückziehen, weil sie versuchten, ein im Heimatmarkt erfolgreiches Betreiberkonzept ohne notwendige Modifikationen zu multiplizieren. Hinzu kommen spezielle Länderrisiken, die im politischen System oder in der Stabilität der Währung liegen können. Hier soll dieses Buch ansetzen. Es soll die Voraussetzungen aufzeigen, die für eine Strategie der Internationalisierung erfüllt sein müssen. Daneben soll es mögliche Vorgehensweisen einer solchen Auslandsexpansion darstellen. Nicht zuletzt sollen die Rahmenbedingungen und Konsumgewohnheiten in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten analysiert und vorgestellt werden. Als Untersuchungsgegenstand dient dabei der deutsche Lebensmitteleinzelhandel. Dieser dient als „Paradebeispiel“ für Überkapazitäten sowie Preis- und Margenverfall. Darüber hinaus sind in diesem Sektor in vielen Fällen sehr individuelle Anpassungen von Betriebstypen und Betreiberkonzepten notwendig. Wir danken an dieser Stelle unseren Lektorinnen Frau Wilke und Frau Dr. Schulz für ihre Unterstützung und ihre Geduld. Thomas Bogner und Nicole Brunner

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................ V Inhaltsverzeichnis .............................................................................................. VII Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... XIII Tabellenverzeichnis ........................................................................................ XVII

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel ............................ 1 1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick .................................................1 1.1.1 Abgrenzung des relevanten Marktes ..............................................3 1.1.2 Branchenentwicklungen .................................................................4 1.1.3 Konsumverhalten ...........................................................................8 1.1.3.1 Grundsätzliche Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten ....................................................8 1.1.3.2 Veränderungen des Konsumverhaltens im Zeitablauf ...21 1.1.3.3 Trends und Prognosen ...................................................24 1.1.4 Demographische Entwicklung .....................................................27 1.1.4.1 Bevölkerungsstruktur in Deutschland ...........................27 1.1.4.2 Altersgefüge der deutschen Bevölkerung ......................29 1.1.4.3 Ausländische Wohnbevölkerung ...................................30 1.1.4.4 Haushaltsstrukturen in Deutschland ..............................31 1.1.4.5 Bevölkerungsbewegungen in Deutschland....................33 1.1.4.6 Erwerbstätigkeit in Deutschland ...................................34 1.1.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen ................................................36 1.1.5.1 Rabattgesetz und Zusatzverordnung..............................36 1.1.5.2 Ladenöffnungszeiten .....................................................37 1.1.5.3 Baunutzungsverordnung................................................37 1.1.5.4 Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrecht ..............38 1.1.5.5 Steuer und Abgabenquote .............................................38 1.1.5.6 Beteiligungen ................................................................38 1.1.5.7 Gewinn und Dividendenbesteuerung ............................39 1.2 Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland .......................................40 1.2.1 Umsatzentwicklung......................................................................41 1.2.2 Umsatzstärkste Unternehmen ......................................................41

VIII

Inhaltsverzeichnis

1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6

Wertmäßige Marktanteile ............................................................42 Entwicklung der Vertriebsschienen .............................................44 Entwicklung der Handelsmarken .................................................45 Investitionen aus dem Ausland ....................................................48

1.3 Das Verhältnis zwischen Händlern und Lieferanten ..............................51 1.4 Stand der Internationalisierung in Unternehmen....................................52 1.4.1 Entwicklungstendenzen ...............................................................52 1.4.2 Strategiemuster bei der Standortwahl ..........................................55 1.4.3 Erfolgsanalyse bisheriger Internationalisierungsstrategien ..........55

2 Motive der Internationalisierung ........................................... 57 2.1 Begriff der Internationalisierung ............................................................57 2.2 Historische Entwicklung ........................................................................58 2.2.1 Das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen .............................58 2.2.2 Die Europäische Union und ihre Auswirkungen..........................59 2.2.3 NAFTA, ASEAN und MERCOSUR ...........................................61 2.3 Aktueller Stand der Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel .................................................................63 2.4 Fundamentale Triebkräfte der Internationalisierung ..............................70 2.4.1 Stagnierende nationale Märkte.....................................................72 2.4.2 Wettbewerbs- und Kostenvorteile ................................................75 2.4.3 Ressourcenorientierte Motive ......................................................76 2.4.4 Absatzorientierte Motive .............................................................80

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung .................... 85 3.1 Grundsätzliche Anforderungen an die internationale Marktforschung ...............................................................85 3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes ...................................................90 3.2.1 Kommunikation ...........................................................................91 3.2.1.1 Kulturspezifische Reizwahrnehmung ............................92 3.2.1.2 Impliziter Sprachgebrauch ............................................93 3.2.1.3 Expliziter Sprachgebrauch ............................................94

Inhaltsverzeichnis

IX

3.2.2 Divergente Ausprägungen von Kultur .........................................95 3.2.2.1 Grundannahmen ............................................................96 3.2.2.2 Werte .............................................................................96 3.2.2.3 Normen..........................................................................98 3.2.2.4 Einstellungen und Überzeugungen ................................98 3.2.2.5 Verhaltensweisen und Artefakte ...................................99 3.2.3 Transnationale Forschungsstudien kultureller Ideologien ...........99 3.2.3.1 Kulturdimensionen nach Hall (Kontextorientierung) ..100 3.2.3.2 Kulturdimensionen nach Hofstede ..............................101 3.2.3.3 Interkulturelle Marktforschung ...................................102 3.2.4 Bildung und Religion .................................................................103 3.3 Analyse des politisch-rechtlichen Umfeldes ........................................103 3.4 Analyse des ökonomisch-wirtschaftlichen Umfeldes ..........................105 3.5 Analyse des technologischen Umfeldes ...............................................106 3.5.1 Fortschritt durch technologische Innovationen ..........................106 3.5.1.1 Innovatorische Potenziale in Korrelation mit Innovationshemmnissen ..............................................107 3.5.1.2 Innovationsprozesse im Handel...................................108 3.5.1.3 (Produkt-) Lebenszyklen von technologischen Innovationen ................................................................109 3.5.2 Progressive Kommunikationsmedien ........................................110 3.5.3 Forschung und Entwicklung (Normen und Patente) ..................111 3.5.4 Qualitätsstandardisierungen .......................................................112 3.6 Analyse des marktspezifischen Umfeldes ............................................113 3.7 Anwendung unterschiedlicher Business-Modelle zur Internationalisierung ......................................................................114 3.7.1 Channel Retailer ........................................................................115 3.7.2 Content Retailer .........................................................................116 3.7.3 Global Discounter ......................................................................116 3.8 Standardisierung und Differenzierung der Kommunikation ................117 3.9 Internationalisierung des Controlling...................................................118

X

Inhaltsverzeichnis

4 Möglichkeiten des Markteintritts......................................... 125 4.1 Typologien der internationalen Unternehmenstätigkeit .......................125 4.1.1 Konzept der internationalen Unternehmenstätigkeit nach Bartlett/Goshal ...........................................................................125 4.1.2 Der EPRG-Konzept nach Perlmutter .........................................127 4.1.3 Das Triade-Modell nach Ohmae ................................................129 4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation zu Kapitaleinsatz und Managementleistung .....................................................................131 4.2.1 Internationalisierungsformen im Überblick ...............................133 4.2.2 Mergers & Acquisitions .............................................................134 4.2.3 Seed-Corn-Akquisition ..............................................................137 4.2.4 Filialgründung ............................................................................138 4.2.5 Joint Venture ..............................................................................139 4.2.6 Franchising.................................................................................141 4.3 Timing des Markteintritts.....................................................................142

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen .................................................. 145 5.1 Europa ..................................................................................................145 5.1.1 Frankreich ..................................................................................145 5.1.1.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................145 5.1.1.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................145 5.1.1.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................147 5.1.1.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................149 5.1.2 Italien .........................................................................................151 5.1.2.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................151 5.1.2.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................152 5.1.2.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................154 5.1.2.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................157 5.1.3 Spanien ......................................................................................160 5.1.3.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................160 5.1.3.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................160 5.1.3.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................161 5.1.3.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................162

Inhaltsverzeichnis

XI

5.1.4 Türkei .........................................................................................165 5.1.4.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................165 5.1.4.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................165 5.1.4.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................168 5.1.4.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................170 5.1.5 Polen ..........................................................................................172 5.1.5.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................172 5.1.5.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................174 5.1.5.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................176 5.1.5.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................177 5.1.6 Ungarn .......................................................................................180 5.1.6.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................180 5.1.6.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................181 5.1.6.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................182 5.1.6.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................183 5.1.7 Tschechische Republik ..............................................................185 5.1.7.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................185 5.1.7.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................186 5.1.7.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................187 5.1.7.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................188 5.1.8 Slowakei ....................................................................................191 5.1.8.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................191 5.1.8.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................192 5.1.8.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................193 5.1.8.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................194 5.1.9 Russische Föderation .................................................................197 5.1.9.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................197 5.1.9.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................200 5.1.9.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................202 5.1.9.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................203 5.1.10Schweiz ......................................................................................207 5.1.10.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................207 5.1.10.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................209 5.1.10.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................212 5.1.10.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................215 5.1.11Zypern ........................................................................................218 5.1.11.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................218 5.1.11.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................219 5.1.11.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................220 5.1.11.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................222

XII

Inhaltsverzeichnis

5.1.12Ukraine ......................................................................................222 5.1.12.1 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................222 5.1.12.2 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................223 5.1.12.3 Marktspezifisches Umfeld ...........................................224 5.1.13Portugal ......................................................................................226 5.1.13.1 Soziokulturelles Umfeld ..............................................226 5.1.13.2 Politisch-rechtliches Umfeld .......................................227 5.1.13.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .........................228 5.1.13.4 Marktspezifisches Umfeld ...........................................229 5.2 China ....................................................................................................230 5.2.1 Soziokulturelles Umfeld ............................................................230 5.2.2 Politisch-rechtliches Umfeld ......................................................231 5.2.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld .......................................235 5.2.4 Marktspezifisches Umfeld .........................................................238

6 Ausblick .................................................................................. 243 Literaturverzeichnis ................................................................... 245

Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1: Abb. 1-2: Abb. 1-3: Abb. 1-4: Abb. 1-5: Abb. 1-6: Abb. 1-7: Abb. 1-8: Abb. 1-9: Abb. 1-10: Abb. 1-11: Abb. 1-12: Abb. 1-13: Abb. 1-14: Abb. 1-15: Abb. 1-16: Abb. 1-17: Abb. 1-18: Abb. 1-19: Abb. 1-20: Abb. 1-21: Abb. 1-22: Abb. 1-23: Abb. 1-24: Abb. 1-25:

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts von 1992–2002 in % ..........1 Einzelhandelsumsatz vom BIP in Deutschland 1992–2002 in % ......2 Detailmodell der Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten .................8 Maslowsche Bedürfnishierarchie .....................................................10 Herzberg’s Motivations-Hygiene-Theorie .......................................11 Diffusionskurve ...............................................................................12 Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten.............15 Nutzungsdauer der Medien ..............................................................16 Entwicklung der Medienpublikationen in Deutschland 1975 bis 2004 ...................................................................................17 Sinus-Milieu-Modell ........................................................................18 Generisches Modell zur Segmentierung des Lebensmittelkäufers...19 „Euro socio Styles“ nach dem Centre de Communication Acancé (CCA) in Paris in Zusammenarbeit mit dem Europanel-Institut ......21 Anteil der Einzelhandelsumsätze i.e.S. an den privaten Konsumausgaben ...............................................................22 Erwerbstätige Frauen in Deutschland von 1995–2003 in 1.000 ......24 Bevölkerungszahlen in Deutschland im Jahr 2002 ..........................28 Bevölkerungszunahme (+) bzw. -abnahme (–) in Deutschland ......28 Bevölkerung nach Altersgruppen ....................................................29 Ausländische Bevölkerung in Deutschland in % .............................31 Entwicklung der Haushaltsgröße in Deutschland 1991–2003 in 1.000 ............................................................................................32 Flopquote der Produktinnovationen in Deutschland im Jahr 2002 ..32 Eheschließungen in Deutschland 1950–2002 ..................................33 Außenwanderungen in 1.000 ...........................................................34 Arbeitslose in Deutschland 1995–2003 ...........................................35 Steuer- und Gesamtabgabenbelastung im europäischen Vergleich 2002 in % ........................................................................39 Umsatzentwicklung im Deutschen Lebensmittelhandel 03/04 in % ..................................................................................................41

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1-26: Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in 2004 nach Gesamtumsätzen in Millionen Euro .................................................42 Abb. 1-27: Wachstumsraten in Prozent des LEH-Umsatzes 1998–2002 ...........43 Abb. 1-28: Anzahl und Anteile der Betriebsformen in Deutschland in % .........45 Abb. 1-29: Entwicklung der Anzahl internationalisierender Handelsunternehmen in ihren Stammländern ..................................53 Abb. 1-30: Umsatz und Filialzahlen führenden europäischer Discounter in 2003 ...........................................................................56 Abb. 2-1: Struktur der deutschen Exporte in % ...............................................60 Abb. 2-2: Struktur der deutschen Importe in % ...............................................60 Abb. 2-3: Länder-Ranking nach Höhe der Pro-Kopf-Ausgaben ......................64 Abb. 2-4: Marktanteil der größten drei Unternehmen in % .............................65 Abb. 2-5: Vertriebslinien der Top 30 internationalen Lebensmittelhändler – Anzahl Geschäfte 1997–2002 .......................................................67 Abb. 2-6: Einfluss der Unternehmensgröße auf VCQ......................................69 Abb. 2-7: Einfluss der Unternehmensgröße auf REV % ..................................69 Abb. 2-8: Marktkonzentration in Europa in Milliarden Euro ...........................73 Abb. 2-9: Weltweite Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel in % ..........74 Abb. 2-10: Strategische und operative Aufgaben des global sourcing...............79 Abb. 2-11: Rating der Marktattraktivität 2003 in % ..........................................83 Abb. 3-1: Äquivalenzbedingungen in der internationalen Marktforschung .....87 Abb. 3-2: Analysefelder der Unternehmens- und Umweltanalyse ...................89 Abb. 3-3: Issue Impact-Matrix .........................................................................90 Abb. 3-4: Verbundenheit zur Nationalkultur .................................................101 Abb. 3-5: Durch Arbeitskämpfe verlorene Arbeitstage je 1.000 Beschäftigte 1990–1999 ...................................................104 Abb. 3-6: Innovationsprozess im Handel .......................................................109 Abb. 3-7: Wissenschaftliche Publikationen pro 1 Million Einwohner im Durchschnitt 1994–1999...........................................................112 Abb. 3-8: S-O-R Modell des Käuferverhaltens ..............................................114 Abb. 3-9: Das Controlling-System in einer Unternehmung ...........................119 Abb. 3-10: Einbindung des Controllers in den Marktforschungsprozess .........120 Abb. 3-11: Controlling in einer multinationalen Unternehmung .....................122 Abb. 4-1: Regionale Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen .......131

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4-2: Abb. 4-3: Abb. 4-4: Abb. 5-1: Abb. 5-2: Abb. 5-3: Abb. 5-4: Abb. 5-5: Abb. 5-6: Abb. 5-7: Abb. 5-8: Abb. 5-9: Abb. 5-10: Abb. 5-11: Abb. 5-12: Abb. 5-13: Abb. 5-14: Abb. 5-15: Abb. 5-16: Abb. 5-17: Abb. 5-18: Abb. 5-19: Abb. 5-20: Abb. 5-21:

XV

(Klassisches) Klassifikationsschema für Internationalisierungsformen .........................................................132 Sprinkler-Modell............................................................................144 Wasserfall-Modell .........................................................................144 Arbeitslose in Frankreich 1990–2002 in Mio. ...............................147 Entwicklung der Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in Frankreich 2003–2005 in USD ..................................................148 Anteile am Lebensmitteleinzelhandelsumsatz in Frankreich .........149 Entwicklung der Vertriebsschienen in Frankreich 2000 versus 2004 in % ...................................................................150 Durchschnittliche Veränderung der Verbraucherpreise in Italien in %.................................................................................156 Einzelhandelsumsätze in Italien in % ............................................157 Entwicklung der Vertriebstypen in Italien 1998 bis 2003 in % .....159 Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in Spanien 2003–2005 in USD ........................................................................162 Anteile am Lebensmitteleinzelhandelsumsatz in Spanien in % .....163 Entwicklung der Vertriebsschienen in Spanien 2000 versus 2004 ....................................................................................164 Veränderung der privaten Konsumausgaben in der Türkei ...........170 Haushaltsausgaben in Polen 2000 bis 2003 in % ...........................173 Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in Polen von 2003 bis 2005 in Euro .............................................................178 Top-5-Lebensmittelhändler in Polen in 2004 ................................179 Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in Ungarn von 2003 bis 2005 in Euro .............................................................183 Top-5-Lebensmittelhändler in Ungarn in 2004..............................184 Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in der Tschechischen Republik in 2003 bis 2005 in Euro ........................189 Top-5-Lebensmittelhändler in der Tschechischen Republik in 2004 ...........................................................................................190 Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in der Slowakei von 2003 bis 2005 in Euro .............................................................195 Top-5-Lebensmittelhändler in der Slowakei in 2004 .....................196 Ausgabenstruktur nach Warengruppen in Russland in 2002 .........198

XVI

Abb. 5-22: Abb. 5-23: Abb. 5-24: Abb. 5-25: Abb. 5-26: Abb. 5-27: Abb. 5-28: Abb. 5-29: Abb. 5-30: Abb. 5-31: Abb. 5-32: Abb. 5-33: Abb. 5-34:

Abbildungsverzeichnis

Vertriebsformate in Russland ........................................................204 Umsatzentwicklung im Russischen Einzelhandel in Mrd. € ..........205 Schweizer Bevölkerung nach Muttersprache 1999 ........................208 Arbeitslosenentwicklung in der Schweiz 1990–2006 ....................212 Struktur der Schweizer Konsum- und Transferausgaben 1990 vs. 2001 .................................................................................213 Wirtschaftswachstum als Veränderung gegenüber dem Vorjahr im Vergleich D–CH (1995–2000) ............................214 Reale Veränderung der Detailhandelsumsätze zum Vorjahr .........217 Privater Verbrauch in Zypern ........................................................219 Entwicklung der Inflationsrate in Zypern ......................................221 Struktur des Einzelhandels in der Ukraine in 2001 ........................224 Veränderung der privaten Konsumausgaben in China...................237 Umsätze in Mio. € der führenden Supermarktgruppen in China 1996/2002........................................................................240 Entwicklung der Vertriebsformen in China in % ...........................241

Tabellenverzeichnis Tabelle 1-1: Sektoren im deutschen Handel ........................................................4 Tabelle 1-2: Einzelhandelsumsatz in Deutschland von 1992–2005 ....................5 Tabelle 1-3: Einzelhandel in Deutschland: Entwicklung der Anzahl an Geschäften nach Geschäftstypen von 2000 bis 2004. ...............6 Tabelle 1-4: Einzelhandel in Deutschland: Entwicklung des Umsatzes nach Geschäftstypen 2000–2004 (Mill. €). .....................................7 Tabelle 1-5: Zukunftschancen der Handelsbetriebsformen ...............................26 Tabelle 1-6: Überblick der steuerrechtlichen Änderungen 2004 .......................36 Tabelle 1-7: Die populärsten Marken in Deutschland .......................................47 Tabelle 1-8: Einzelplatzierung Deutschlands im Europäischen Vergleich........50 Tabelle 1-9: Vergleich der Entwicklung des relativen Anteils der Auslandsumsätze am Europaumsatz 1996/2001 ...........................54 Tabelle 2-1: Value Creation Quotient und Realized Economic Value ..............68 Tabelle 2-2: Internationalisierungsmotive .........................................................72 Tabelle 2-3: Konzept des Global Sourcing........................................................77 Tabelle 2-4: IGD-Marktindex-Berechnungskriterien ........................................81 Tabelle 3-1: Farbsymboliken im internationalen Marketing .............................93 Tabelle 3-2: Bevölkerungsentwicklung in den Industrieländern in Millionen .................................................................................106 Tabelle 3-3: Business-Modell .........................................................................115 Tabelle 3-4: Probleme von international tätigen Unternehmen in den Bereichen der Planung, Kontrolle und Information .............121 Tabelle 4-1: Die Typologie international tätiger Unternehmen nach Bartlett/Goshal....................................................................126 Tabelle 4-2: Vier Arten der Managementorientierung in multinationalen Unternehmen .....................................................128 Tabelle 4-3: Mergers & Acquisitions Vor- und Nachteile ..............................136 Tabelle 4-4: Seed-Corn-Akquisition Vor- und Nachteile ................................138 Tabelle 4-5: Filialgründung Vor- und Nachteile .............................................139 Tabelle 4-6: Joint Venture Vor- und Nachteile ...............................................141 Tabelle 4-7: Franchising Vor- und Nachteile ..................................................142

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5-1: Durchschnittliche monatliche Ausgaben der Haushalte in Italien ......................................................................................152 Tabelle 5-2: IMD – The World Competitiveness Scoreboard 2004 ................153 Tabelle 5-3: Korruptionsindex für 2003 ..........................................................167 Tabelle 5-4: Monatlicher Durchschnitt der Einnahmen, Ausgaben und der Ersparnisse in der Tschechischen Republik 2001 bis 2004.........186 Tabelle 5-5: Jährliches durchschnittliches Einkommen und Ausgaben in der Slowakei ...........................................................................192 Tabelle 5-6: Klassifizierung des russischen Konsumenten .............................199 Tabelle 5-7: Korruptionsindex für 2003 ..........................................................202 Tabelle 5-8: Besitzverhältnisse der Top 10-Retailer in Russland 2004 ...........206 Tabelle 5-9: Konsumentenprofil......................................................................232

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel 1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick Der deutsche Handel befindet sich seit mehreren Jahren in scharfem Wettbewerb und einer ständigen Transformation. Nach den Boomjahren der Wiedervereinigung von 1991–1993 begann ab Herbst 1993 ein lang anhaltender Abschwung, sowohl für die Fashion- und Schuhbranche als auch für den Lebensmittelhandel. Diese Tendenz hält dabei bis heute an. [Vgl. KPMG Studie, Trends im Handel (2005), S. 7.] Das Bruttoinlandprodukt verringerte sich im Jahr 2002 um 0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr und stagnierte 2003 auf dem Vorjahreswert. Obwohl die relevanten deutschen Forschungsinstitute einen Anstieg des Bruttoinlandproduktes von 1,5 Prozent für 2004 prognostizieren, bleibt Deutschland erneut unter der für eine signifikante Belebung des Arbeitsmarkts beschäfti3,5% 2,9%

3,0% 2,3%

2,5% 2,2%

2,0% 2,0%

2,0%

1,7% 1,4%

1,5% 1,0%

0,8%

0,5%

0,8% 0,2%

0,0% –0,5% –1,0% –1,5%

-1,1% 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Abb. 1-1:

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts von 1992–2002 in % Quelle: LZ Report 2003/2004, S. 1.

2

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

35% 30%

29,7%

28,9%

27,8%

25%

26,7% 26,5% 25,9% 25,6% 25,2% 24,9% 24,8%

24,1%

20% 15% 10% 5% 0% 1992

Abb. 1-2:

1993

1994

1995

1996

1997 1998** 1999** 2000** 2001** 2002*

Einzelhandelsumsatz vom BIP in Deutschland 1992–2002 in % * vorläufig, ** Veränderungsraten gemäß der repräsentativen monatlichen Erhebung im Einzelhandel, Stand Februar 2003 Quelle: LZ Report 2003/2004, S. 226.

gungsrelevanten „Schwelle“ von 2 Prozent. Eine Entlastung ist nur an den beiden Polen Teilzeitlohn- und Niedriglohn-Beschäftigungsverhältnisse sowie im Bereich der hoch qualifizierten Arbeitnehmer zu konstatieren. [Vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 8.] Der Bausektor sowie die Maschinenbaubranche leiden darunter, dass viele größere Investitionen in Standorte, Infrastruktur und neue Geschäftsbereiche aufgrund kritischer Antizipation der gesetzlichen Reformen im Jahr 2003 aufgeschoben wurden. Die Automobilhersteller tätigen ihre Investitionen überwiegend im Ausland, insbesondere in den USA und in der Volksrepublik China. Der Einzelhandel verzeichnet 2003 massive Einschnitte aufgrund der Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Die konsumfernen Investitionen unterbleiben im Gegenzug zu den konsumnahen Ausgaben, die ein relativ stabiles Wachstum erreichen konnten. Der Einzelhandelsumsatz verzeichnet seit dem Jahr 1992 einen Rückgang von 5,6 Prozentpunkten auf 24,1 Prozent im Jahr 2002.

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

3

Der Rückgang der Einnahmen aus der Körperschaftssteuer von 23,6 Mrd. Euro(2000) auf –0,4 Mrd. Euro (2001) hat signifikante Defizite entstehen lassen. Zusätzlich führen Fehlbeträge im Renten- und Gesundheitssystem sowie die zurückhaltende Konsum- und Investitionsbereitschaft des Staates dazu, dass sich der Bundeshaushalt am Rande der „Verfassungsmäßigkeit“ befindet. [Vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 9.] 1.1.1

Abgrenzung des relevanten Marktes

Die Nahrungs- und Genussmittelbranche kann in mehrere Sektoren unterteilt werden. So gibt es zum einen das produzierende Gewerbe mit all seinen unterschiedlichen Warengruppen. [Vgl. dazu LZ-Report 2005/2006, (2005), S. VI ff.] Daneben ist der Bereich des Großhandels existent, der sich wiederum in die Unterbereiche Cash & Carry, Tabakwaren-Fachgroßhandel, Getränkefachgroßhandel sowie den Fruchtgroßhandel unterscheiden lässt. [Vgl. ebd. S. VII] Der vom Lebensmitteleinzelhandel separierte Sektor Einzelhandel setzt sich im weiteren Sinne zusammen aus dem Versandhandel, den Beratungs- und Serviceunternehmen, den Shopping-Centern und Franchise-Betrieben. Daneben sind hierunter zu subsumieren die Apotheken, Drogerien und Drogeriemärkte, der Parfümerie-Fachhandel sowie die Tankstellen. [Vgl. ebd.] Der Lebensmitteleinzelhandel kann nach AC Nielsen in die Absatzkanäle SBWarenhaus, große Verbrauchermärkte, kleine Verbrauchermärkte, Supermärkte, Discount-Märkte und sonstige Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte mit der Verkaufsfläche von unter 400 m2 eingeteilt werden. [Vgl. ebd. S. 291] Einen großen Sektor stellt auch der Nonfood-Handel dar, unter dem der Textilund Bekleidungseinzelhandel, der Handel mit Zeitungen, Zeitschriften und Büchern sowie der Do-it-yourself-Markt zusammengefasst sind. Ebenso in diesen Bereich fallen der Garten- und Zoofachhandel, der Handel mit Möbeln, Schneidwaren- und Haushaltswaren, Fahrrädern, Spielwaren sowie der Handel mit Elektro-Großgeräten und Konsumelektronik sowie die Informationstechnik und Telekommunikation. [Vgl. ebd. S. IX f.] Tabelle 1-1 zeigt die gesamten Sektoren nochmals im Überblick auf.

4

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Tabelle 1-1: Sektoren im deutschen Handel. Quelle: Eigene Darstellung nach LZ-Report 2005/2006, (2005), S. VI–XI. Großhandel

Einzelhandel ohne LEH

Lebensmitteleinzelhandel

Nonfood-Handel

Fruchtgroßhandel

Versandhandel

SB-Warenhäuser

Textil- und Bekleidungshandel

Getränkefachgroßhandel

Shopping-Center

Große Verbrauchermärkte

Zeitungen und Zeitschriften

TabakwarenFachgroßhandel

FranchiseWirtschaft

Kleine Verbrauchermärkte

Buchhandel

Cash & Carry

Apotheken

Supermärkte

Do-it-yourself-Märkte

Drogien und Drogeriemärkte

Discount-Märkte

Garten- und Zoofachhandel

Parfümeriefachhandel

Sonstige Märkte unter 400 m2

Möbelhandel

Tankstellen

Schneidwaren und Haushaltswaren Fahrradmarkt Fotomarkt Elektro-Großgeräte und Konsumelektronik Informationstechnik und Telekommunikation

1.1.2

Branchenentwicklungen

Die Einzelhandelsumsätze in Deutschland verringerten sich in den letzten fünf Jahren und erreichen heute (2005) mit 362 Mrd. Euro das Niveau des Jahres 1992. Allerdings betrugen zum damaligen Zeitpunkt die Anteile des Einzelhandels an den gesamten privaten Konsumausgaben 40,3 Prozent, während sich dieser Anteil heute auf lediglich 28,7 Prozent beläuft. Tabelle 1-2 zeigt die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze im Überblick.

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

5

Tabelle 1-2: Einzelhandelsumsatz in Deutschland von 1992-2005.* Quelle: Eigene Darstellung nach LZ-Report 2005/2006, (2005), S. 236 Jahr

Umsatz (Mrd. €)

Anteil an privaten Konsumausgaben (%)

1992

362

40,3

1993

366

39,2

1994

366

37,5

1995

370

36,0

1996

368

35,0

1997

363

33,6

1998

368

33,0

1999

369

31,9

2000

376

31,5

2001

381

30,8

2002

375

30,1

2003

371

29,6

2004

365

28,7

2005

362

n.a.

*ohne Kraftfahrzeuge, Brenn- und Kraftstoffe sowie Apothekenumsätze

Die Entwicklung von Anzahl und Umsatz nach Branchen und Geschäftstypen werden in den Tabellen 1-3 und 1-4 dargestellt. Es zeigt sich, dass die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel (ohne Aldi) im Betrachtungszeitraum einen kontinuierlichen Rückgang zu verzeichnen haben, während bei Aldi ein stetiges Wachstum zu konstatieren ist. Zu den Gewinnern in jüngster Zeit zählen auch die Drogeriemärkte, während neben dem LEH auch die Drogerien und Apotheken (umsatzmäßig) zu den großen Verlierern gehören (vgl. Tabellen 1-3 und 1-4).

6

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Tabelle 1-3: Einzelhandel in Deutschland: Entwicklung der Anzahl an Geschäften nach Geschäftstypen von 2000 bis 2004. Quelle: Eigene Darstellung nach LZ-Report 2005/2006, (2005), S. 237 Branche

2000

2001

2002

2003

2004

67.694

65.909

63.769

61.595

59.288

n.a.

n.a.

n.a.

75.844

73.842

3.494

3.679

3.769

3.895

4.038

13.610

13.180

12.580

12.000

11.500

9.820

9.800

9.700

9.650

9.730

12.372

13.093

13.881

14.249

14.554

5.900

5.700

5.400

5.100

4.700

Apotheken****

21.617

21.511

21.479

21.447

21.543

Kioske*****

44.000

43.880

43.850

43.720

43.440

Saisonkioske

4.090

4.130

4.200

4.250

4.300

15.981

15.722

15.623

15.405

15.070

n.a.

n.a.

n.a.

365

358

14.059

13.449

12.874

12.354

12.079

2.923

2.921

2.855

2.847

2.794

n.a.

n.a.

n.a.

531

525

Heimwerkergeschäfte

1.240

1.200

1.155

n.a.

n.a.

Tapeten-, Farben- und Lackgeschäfte

5.070

4.930

4.605

4.300

4.000

Hausrat- und Eisenwarengeschäfte

4.450

4.290

4.180

n.a.

n.a.

Lebensmitteleinzelhandel* Lebensmitteleinzelhandel** Aldi Bäckereien*** Getränkeabholmärkte Drogeriemärkte Drogerien

Straßentankstellen****** Autobahntankstellen****** Papier-, Büro- und Schreibwarengeschäfte Bau- und Heimwerkermärkte Gartencenter und Fachgeschäfte

*

inkl. Aldi

**

inkl. Aldi und inkl. Drogeriemärkte

***

ohne breites Lebensmittelsortiment

****

Umsätze inkl. freiverkäuflicher Sortimente

*****

umfasst Kioske und Imbisshallen

****** Shopumsätze (ohne Schmier- und Kraftstoffe)

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

7

Tabelle 1-4: Einzelhandel in Deutschland: Entwicklung des Umsatzes nach Geschäftstypen 2000–2004 (Mill. €). Quelle: Eigene Darstellung nach LZ-Report 2005/2006, (2005), S. 237 Branche

2000

2001

2002

2003

2004

114.376

117.160

119.810

121.650

121.350

n.a.

n.a.

n.a.

132.270

132.200

16.975

18.000

20.150

20.750

20.750

Bäckereien***

5.875

5.800

5.680

5.500

5.350

Getränkeabholmärkte

3.119

3.060

3.075

3.198

3.290

Lebensmitteleinzelhandel* Lebensmitteleinzelhandel** Aldi

Drogeriemärkte

9.065

9.980

10.630

10.620

10.850

Drogerien

1.738

1.700

1.580

1.540

1.450

31.700

34.410

36.450

38.000

37.000

Kioske*****

7.792

7.750

7.780

7.800

7.740

Saisonkioske

568

600

620

650

650

7.618

7.990

8.270

8.500

8.700

n.a.

n.a.

n.a.

750

770

6.918

6.740

6.805

6.795

6.780

16.208

16.125

16.050

16.500

16.700

Gartencenter und Fachgeschäfte

n.a.

n.a.

n.a.

1.200

1.175

Heimwerkergeschäfte

619

600

565

n.a.

n.a.

Tapeten-, Farben- und Lackgeschäfte

2.822

2.570

2.500

2.390

2.270

Hausrat- und Eisenwarengeschäfte

3.329

3.180

3.145

n.a.

n.a.

Apotheken****

Straßentankstellen****** Autobahntankstellen******* Papier-, Büro- und Schreibwarengeschäfte Bau- und Heimwerkermärkte

*

inkl. Aldi

**

inkl. Aldi und inkl. Drogeriemärkte

***

ohne breites Lebensmittelsortiment

****

Umsätze inkl. freiverkäuflicher Sortimente

*****

umfasst Kioske und Imbisshallen

****** Shopumsätze (ohne Schmier- und Kraftstoffe)

8

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

1.1.3

Konsumverhalten

1.1.3.1 Grundsätzliche Einflussfaktoren auf das Konsumentenverhalten Einer detaillierten Betrachtung möglicher Parameter des Konsumentenverhaltens gehen Überlegungen zum groben Ablauf eines Kaufentscheidungsprozesses voraus, die anhand des Werbewirkungskonzeptes AIDA vor Augen geführt werden können. Demzufolge bedarf es zunächst der Aufmerksamkeit (Attention) des potenziellen Käufers, um Produktinteresse (Interest) in einen konkreten Kaufwunsch (Desire) und bestenfalls in einen Kaufabschluss (Action) umwandeln zu können. [Vgl. Dehr/Biermann (1998), S. 173; vgl. Curry, J. (2000), S. 7; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 491.] Diese unternehmerisch nur bedingt beeinflussbaren Faktoren des heterogenen, interkulturellen Konsumentenverhaltens unterliegen vielfältigen Parametern, die sich neben der zielgruppenspezifischen soziokultu-

Kulturelle Faktoren

Soziale Faktoren – Bezugsgruppen

– Kulturkreis

– Familie – Subkultur

Persönliche Faktoren Psychologische Faktoren – Alter und Lebensabschnitt

– Motivation

– Beruf

– Wahrnehmung

– Wirtschaftliche Verhältnisse

– Lernen

– Lebensstil (Lifestyle)

– Rollen und Status

– Ansichten und Einstellungen

– Persönlichkeit und Selbstbild

– Soziale Schicht

Abb. 1-3:

Detailmodell der Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten Quelle: Kotler/Bliemel (1999), S. 309

Käufer

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

9

rellen Umwelt (Subkultur, Familie) auch auf individuelle Aspekte (Alter, Berufsleben, Persönlichkeitsbild) und psychologische Faktoren (Motivation, Wahrnehmung) zurückführen lassen. [Vgl. Thieme, W. (2000), S. 250; vgl. Mooij, M. (1998), S. 48.] Adoptionsprozess nach Rogers Ein analoges Ablaufschema wird von Rogers propagiert, dessen Adoptionsprozess sich in eine Wahrnehmungsphase des Produktes seitens des Verbrauchers (Knowledge), in eine Überzeugungsphase aufgrund einer positiven oder negativen Haltung gegenüber dem Produkt (Persuasion), einer Implementierungsphase in Form einer bewussten Kaufentscheidung (Decision) und unter Voraussetzung der Kundenzufriedenheit in einer Berücksichtigung bei zukünftigen Warenkäufen (Confirmation) untergliedern lässt. [Vgl. Villiger, A. (2000), S. 153.] Bedürfnishierarchie nach Maslow Unter Berufung auf die Maslowsche Bedürfnispyramide (s. Abb. 1-4) folgen die menschlichen Bedürfnisse prinzipiell einer hierarchischen Ordnung, deren Motivationswirkung sich bei weitgehender Befriedigung eines Bedürfnisses zugunsten einer höherrangigen Ebene verringert. Von den menschlichen Grundbedürfnissen der Physis, Sicherheit und sozialen Komponenten ausgehend komplettieren die Bedürfnisse nach Wertschätzung und Selbstverwirklichung die so genannte „hierarchy of needs“. [Vgl. Sacra, E. (1997), S. 218; vgl. Kotler/ Bliemel (1999), S. 326f; vgl. Paliwoda/Thomas (1998), S. 44; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 304.] Motivations-Hygiene-Theorie nach Herzberg Herzberg’s Motivations-Hygiene-Theorie greift die motivationsgeleitete Sichtweise des Konsumentenverhaltens auf, indem zwischen Dissatisfaktoren (Unzufriedenheit verursachende Faktoren) und Satisfaktoren (Befriedigung verursachende Faktoren) unterschieden wird (s. Abb. 1-5). Dabei umfassen die so genannten Hygienefaktoren die menschlichen Grundbedürfnisse gemäß der Maslowschen Bedürfnishierarchie inklusive dem sozialen Status, während die Moti-

10

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (z.B. Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit) Bedürfnis nach Wertschätzung (z.B. Selbstachtung, Annerkennung, Status) Soziale Bedürfnisse (z.B. Zugehörigkeitsgefühl, Liebe) Sicherheitsbedürfnisse (z.B. Geborgenheit und Schutz der Person) Physiologische Bedürfnisse (z.B. Hunger, Durst)

Abb. 1-4:

Maslowsche Bedürfnishierarchie Quelle: Kotler/Bliemel (1999), S. 327

vatoren das Entfaltungsbedürfnis zuzüglich der sozialen Anerkennung und dem beruflichen Aufstieg abdecken. [Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 327; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 304.] Den persönlichen und psychologischen Einflussfaktoren des Konsumentenverhaltens werden zudem Wahrnehmung, Lernen, Ansichten, Einstellungen und Emotionen zugeordnet, die in unterschiedlichen Ausprägungen kognitive Elemente, Werte und physiologische Änderungen beinhalten. Diese generellen Vorüberlegungen verdeutlichen, dass es einer differenzierteren Betrachtung bedarf, um den Konsumenten und seine Verhaltensweisen objektiv einschätzen zu können. [Vgl. Mooij, M. (1998), S. 148f; vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 325.]

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

11

Entfaltungsmöglichkeiten Arbeit (selbst)

Motivation

Verantwortung Leistungserfolg Aufstieg Annerkennung Status Interpersonelle Beziehung zu: – Vorgesetzten – Kollegen – Untergebenen Führungsstil

Hygienefaktoren

Unternehmenspolitik und -verwaltung Arbeitssicherheit Arbeitsbedingungen Gehalt Persönliche berufsbezogene Lebensbedingungen

Abb. 1-5:

Herzberg’s Motivations-Hygiene-Theorie Quelle: Dülfer, E. (2001), S. 304

Diffusionskurve einer Produktinnovation Die theoretische Basis für den graphischen (Umsatz-) Kurvenverlauf eines Produktes durch seine Lebenszyklusphasen wird durch die Diffusionstheorie verkörpert, die zur idealtypischen Erläuterung des Abnehmerverhaltens während einer Produktinnovation in einem sozialen System herangezogen werden kann. Die Kernaussage dieses Ablaufschemas beinhaltet eine zeitliche Differenz im Verlauf der individuellen Übernahme eines Produktes durch den Nachfrager, der so genannten Adaption, in Abhängigkeit des subjektiven Grades an Innovationsfreude.

12

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Early Adopters Early Majority 34,0 % Innovators 2,5% 13,5 %

Abb. 1-6:

Late Majority 34,0 %

Laggards 16,0 %

Diffusionskurve. Quelle: Villiger, A. (2000), S. 157

Auf die soziologische Ebene übertragen ergibt sich Rogers Diffusionskurve als Ergebnis der kumulierten individuellen Adoptionsentscheidungen im Zeitablauf. Während der Einführungsphase eines neuen Produktes werden die so genannten „Innovatoren“ aktiviert, denen zeitlich versetzt die vorsichtigeren „Frühadaptoren“ folgen. Nachdem bereits detaillierter Produktinformationen auch seitens anderer Konsumenten zur Verfügung stehen und aufgrund von Mengeneffekten eventuell bereits von Preissenkungen profitiert werden kann, schließt sich die „Frühe Mehrheit“, gefolgt von der „Späten Mehrheit“, an die bestehende Käuferschaft an. In der nachfolgenden Wachstumsphase führen die zunehmenden Kaufentscheide zugunsten des neuen Produktes zu einem starken Absatzwachstum, so dass der soziale Konformitätsdruck auch die traditioneller eingestellte Käuferschaft, die so genannten „Laggards“, erreicht. Sinkende Absatzzuwächse leiten schließlich zu der Reifephase über, die mit sinkenden Absatzvolumina in der Rückgangsphase mündet. [Vgl. Villiger/Wüstenhagen/Meyer (2000), S. 30; vgl. Villiger, A. (2000), S. 156f.] Ungewissheit als direkte Einflussgroße auf das Produktvertrauen Die Kernthese der Diffusionstheorie beruht auf einem Imitationseffekt, in dem die Innovatoren und frühe Adaptoren in der Art eines Meinungsführers fungieren und kraft ihrer positiven Erfahrungsberichte und Empfehlungen zugunsten des

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

13

Produktes weitere Konsumenten zum Kauf animieren. Analog zum DominoEffekt steigt somit die Wahrscheinlichkeit einer Kaufentscheidung mit der kumulierten individuellen Käuferschaft, so dass diese Erkenntnis unter dem Aspekt eines wettbewerbsfähigen, zeitgemäßen Sortimentes, der zielgruppenspezifischen Marktforschung zugrunde gelegt wird. In der praktischen Umsetzung kann dies bedeuten, dass sich so genannte Trendscouts in der Funktion von Akzeleratoren in einschlägigen Szenen bewegen, um bereits in einem frühen Stadium potenzielle Trends lokalisieren zu können. [Vgl. Villiger, A. (2000), S. 158; vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 118] Anhand der Diffusionstheorie zur idealtypischen Erläuterung des Abnehmerverhaltens kann die Tragweite des Kundenvertrauens in ein Produkt respektive den Erfahrungswerten der unmittelbaren Umwelt aufgezeigt werden. Für die Majorität der Konsumenten sind detaillierte Produktinformationen ein ausschlaggebendes Kriterium zugunsten einer Kaufentscheidung, so dass die Beseitigung von Ungewissheit ein erster Ansatzpunkt sein sollte, um Vertrauen sowohl in die Bedürfnisbefriedigung als auch in den Zusatznutzen eines Produktes hervorzurufen. Eine mangelnde Verständlichkeit der zugänglichen Informationen und eine Unsicherheit bezüglich Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen sind elementare Komponenten der Ungewissheit, die in Misstrauen als Gegenpol des Vertrauens resultieren können. [Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 241f.] Zielsetzung einer unternehmensspezifischen internationalen Marketingstrategie sollte es folglich sein, auf Misstrauen basierenden Vermeidungs-, Abwehr- und Verweigerungsstrategien entgegenzuwirken, indem relevante Informationen überzeugende Argumente für das Vertrauen der Konsumenten liefern. Eine enge Verbundenheit zwischen dem Terminus Vertrauen und dem menschlichen Glauben an Zuverlässigkeit, Integrität, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit wird durch die Bereitschaft eines Individuum offenbar, das sich willentlich über einen Informationsmangel in Erwartung eines kompensierenden Ergebnisses hinwegsetzt. Somit wird die Komplexität einer Kaufentscheidung durch eine antizipierte Vorleistung in Form einer impulsiven Kaufhandlung, die von dem usuellen Normverhalten abweicht, dezimiert. [Vgl. Krystek, U. (2002), S. 819f bzw. 823-825.]

14

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Reizwahrnehmung des Konsumenten Eine permanente Reizüberflutung hat in den westlich-industrialisierten Ländern zur Folge, dass etwa 90 Prozent aller kommunizierten Botschaften von ihren potenziellen Empfängern nicht wahrgenommen werden. Infolgedessen muss bei der Auswahl des adäquaten Kommunikationsträgers (TV-, Rundfunk-, Kino-, Plakat-, Printwerbung) die Nutzerstruktur und die Nutzungsfrequenz der spezifischen Zielgruppe bedacht und progressive, kommunikative Instrumente frühzeitig berücksichtigt werden. [Vgl. Unger, K.R. (2002), S. 463f bzw. 466.] Speziell im Konsumgüterbereich werden die Werbebotschaften aufgrund einer optimierten Wahrnehmung und Aufnahmebereitschaft (high involvement) bevorzugt direkt an den konsumierenden Adressaten gerichtet – insbesondere Kinder und Jugendliche eingeschlossen. Von dieser usuellen Vorgehensweise in hoch industrialisierten Ländern ausgehend ist bei stärker habituell orientierten Gesellschaften jedoch Vorsicht geboten, da in jenen Staaten das tradierte Rollenverständnis ebenfalls auf das Kaufverhalten übertragen und somit fest definierten Personengruppen vorbehalten bleiben könnte. [Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 496f.] Publizität von suggerierten Markenimages Sofern Massenmedien wahrgenommen werden, kann mitunter eine zielorientierte Beeinflussung des individuellen Konsumentenverhaltens dahingehend ausgeübt werden, dass einer Marke eine Transmitterfunktion zuteil wird. Ergo avanciert eine Kaufentscheidung des Konsumenten zu einer direkten Entscheidung pro oder contra eines über die Werbebotschaft kommunizierten respektive suggerierten Markenversprechens. Überdies fungiert die Ubiquität von Markenartikeln als eine weitere charakteristische Eigenschaft einer Markenführung, die zu einer symptomatischen Betrachtungsweise eines Produktes oder einer Dienstleistung sowie einer Präferenzbildung führt, die häufig mit einer höheren Zahlungsbereitschaft einhergeht. [Vgl. Esch/Langner/Braun (2000), S. 546f.] Ein konstitutives Markenwissen seitens der anvisierten Konsumenten bedarf eines Lernprozesses, der durch eine ausgewogene Frequentierung von ausgewählten Reizen in Anlehnung an das nachfolgende Ablaufschema zur Operationalisierung des Markenwissens positiv beeinflusst werden kann. Als Determinanten des Markenwissens treten die Markenbekanntheit sowie verbale respektive nonverbale Assoziationen und emotionale versus kognitiv geprägte Markenimages in Interaktion. Mittels

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

aktive Markenbekanntheit Markenbekanntheit passive Markenbekanntheit

Markenwissen

15

visuelle Markenanker verbale Markenanker verbaler Zugriff nonverbaler Zugriff emotional

Art der Markenassoziation kognitiv geprägt Stärke der Markenassoziationen Abgleich mit Wissensstruktur der Konkurrenz

verbal Repräsentation der Markenassoziation Markenimage

nonverbal Zahl der Markenassoziationen Einzigartikeit der Markenassoziation Relevanz der Markenassoziationen Richtung der Markenassoziation Zugriffsfähigkeit der Markenassoziationen

Abb. 1-7:

Produktbezogene Assoziationen Markenbezogene Assoziationen angenehm unangenehm

Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten Quelle: Esch/Langner/Braun (2000), S. 548

einer Differenzierung in aktive (freies Erinnerungsvermögen) und passive (gestützte Wiedererkennung) Markenbekanntheit kann präzisiert werden, inwiefern eine Marke bei der Kaufentscheidung berücksichtigt wird, inwieweit weitere Markenassoziationen vollzogen werden und welches Vertrauen vom Konsumenten in eine spezifische Marke gelegt wird. Eine klare Positionierung im relevanten Markt als essenzielle Prämisse zum Aufbau einer starken Marke setzt eine plausible, in sich stimmige Marketingstrategie voraus, die vom relevanten Adressaten subjektiv wahrgenommen wird und eine wettbewerbsorientierte Abgrenzung ermöglicht. [Vgl. Esch/Langner/Braun (2000), S. 546f] Die Planung eines internationalen Markenportfolios basiert auf den grundsätzlichen Vermarktungsstrategien (Dachmarke-, Einzelmarke-, Familienmarkenstrategie), die durch das Votum für eine präzise Marktbearbeitungsstrategie ergänzt wird. Sofern identische Güter auf verschiedenartigen Auslandsmärkten unter divergierenden Produkt- oder Markennamen vertrieben werden, kann diese Marketingstrategie unter dem Oberbegriff „multinationale Marke“ zusammengefasst

16

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

werden. In Relation gebracht erfolgt die globale Markenstrategie auf einer höheren Abstraktionsebene, deren charakteristische Eigenart auf einem international einheitlichen Markenkonzept beruht. Als Varianten lassen sich sowohl die Weltals auch die Regionalmarke eingliedern, wobei letztere eine standardisierte Marktbearbeitung gemäß fest definierter Ländergruppen vornimmt. Konträr verbirgt sich hinter einer internationalen Marktbearbeitungsstrategie über Handelsmarken prinzipiell die Intention ungeachtet einer niedrigen Markenbekanntheit auf globalen Märkten agieren zu können. Im Zentrum aller Internationalisierungsstrategien steht insbesondere die Standardisierung von Markenlogos, -farben und -formen, um durch positive Assoziationen auf Akzeptanz zu stoßen und sich gegenüber den nationalen bzw. internationalen Wettbewerbern behaupten zu können. [Vgl. Unger, K.R. (2002), S. 464f; vgl. Esch/Langner/Braun (2000), S. 555 bzw. 557, 564.] Einfluss der Medien auf den Prozess der Meinungsbildung Mit einem Anteil von 225 Minuten Nutzungsdauer pro Tag ist das Fernsehen in Deutschland das meistgenutzte Medium. Der Hörfunk liegt mit 196 Minuten Nutzungsdauer dicht dahinter (s. Abb. 1-8). 250 200

225 196

Gesamt: 549 Min./Tag

150 100

Abb. 1-8:

10

3

Zeitschriften***

Video*

24

Internet****

43 18

Tonträger*

Zeitung***

Hörfunk*

0

Fernsehen**

30

Bücher***

50

Nutzungsdauer der Medien *MA 2004 Radio, ** Gfk-PC#TV (2004), *** Massenkommunikation 2000, ****ARD-/ZDF-Online-Studie 2004. Quelle: www.BR-Online.de

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

17

1200

1089

1000

1060

903 842

839

800 658 565

600 410

394

400

393

381

223

200 56

29

24

26

1990

1999

2004

0 1975

Abb. 1-9:

Tageszeitungen

Wochenzeitungen

Publikumszeitungen

Fachzeitschriften

Entwicklung der Medienpublikationen in Deutschland 1975 bis 2004, bezogen auf die verkaufte Auflage für das 4. Quartal; 2004: 3. Quartal; ab 1991 inkl. neuer Bundesländer. Quelle: www.BR-Online.de

Abbildung 1-9 zeigt den Rückgang der Tageszeitungspublikationen seit 1975 auf. Verzeichneten die Tageszeitungen im Jahr 1975 eine Anzahl von 410 verschiedenen Publikationen, waren es im Jahr 2004 nur noch 381. Gegenteilig verlief die Entwicklung der Fachzeitschriften, die ihre Auflage seit 1975 um 402 neue Ausgaben erhöht haben. Konzept zur Käufertypologisierung Als Leitfaden für die Kundensegmentierung wird häufig das Sinus-Milieu-Modell heran gezogen. Wird dieses Modell jedoch als Universal-Leitfaden betrachtet, besteht das Risiko, Fehlentscheide zu treffen. Einige der in der Grafik beispielhaften Einordnungen können getroffen werden. Aufgrund der Vielzahl von Unterschiedlichkeiten der Einordnungen kann aber keine Handelsempfehlung zur permanenten

18

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Social position

Upper middle level Middle middle level Lower middle level Lower level

Liberal - intellectual

Conservative - technocratic

Modern bourgeois

Modern workers

Petty bourgeois

Traditional workers

Post-modern

Aspiring Hedonistic Traditionless workers

Traditional basic orientation

Materialist basic orientation

„Keep“

„Have“

VALUE CHAIN Hedonism/ pleasure

Postmaterialism “Being”

Postmodernism Have, be, enjoy

Value orientation

Upper level

Abb. 1-10: Sinus-Milieu-Modell Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Centre for Research in Lifelong Learning, 2003

und genauen Kundenansprache abgeleitet werden. Einfache und grundsätzliche Fragen können die Einschränkung der Treffsicherheit dieses Modells aufzeigen. So sind beispielsweise die Aldi-Parkplätze durch eine überproportionale Frequenz von so genannten „Oberklasse“-PKW’s gekennzeichnet. Es wäre schwierig, nun anhand des Sinus-Milieu-Modells „den“ oder „die“ Aldi-Kunden einzuordnen. Für eine größere Praxisorientierung und die damit verbundene Übertragbarkeit für den Lebensmittelhandel können generische Modelle heran gezogen werden, von denen ein Wesentliches im Folgenden aufgezeigt und diskutiert werden soll (siehe Abb. 1-11). Das Modell teilt die Käufergruppen ein in Convenience-Suchende, impulsive Erforscher, Social Shoppers und Pragmatiker. Der Convenience-Suchende bevorzugt dabei aus Bequemlichkeit Kaufstätten in der Nachbarschaft. Er erwartet Convenience-Gerichte sowie eine übersichtliche Regalführung und Waren-

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

19

Genießen den Lebensmitteleinkauf (emotionale Beziehung) Impulsive Erforscher (23 Prozent der Einkäufer)

Social Shoppers (24 Prozent der Einkäufer)

Hedonistisch veranlagt – Erwarten hohe Angebotsvariation – Keine hohe Preissensibilität – Keine Loyalität gegenüber Einkaufsstätte – Empfänglich für Impulse – Keine fixen Marken – Kein fixer Geschmack

– Einkauf auf Grund sozialer Erfahrung – Sozialer Aspekt – Bevorzugung von kleinen Convenience-Stores und Supermärkten – Häufig gleicher Einkaufsrhythmus (Tag, Zeit etc.) – Loyalität

außenorientiert

eigenorientiert Convenience-Sucher (25 Prozent der Einkäufer)

Pragmatiker (28 Prozent der Einkäufer)

– Unorganisiert

– Bezeichnet den Lebensmittelkauf als Routine

– Bevorzugt Einkaufsstätten in der Nähe – Entscheiden sich für die bequemste Variante – Geringe Einbindung in den Einkauf – Sehen Einkauf nicht als Pflicht in der Familie

– Lebt in großen Haushalten – Ist preissensibel – Hohe Marken- und Einkaufsstättenloyalität – Meist Großeinkauf

Verabscheuen den Lebensmitteleinkauf (emotionale Beziehung)

Abb. 1-11: Generisches Modell zur Segmentierung des Lebensmittelkäufers Quelle: KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 26

präsentation verbunden mit kurzen Wartezeiten an den Kassen. [Vgl. KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 27.] Häufig müssen Kundengruppen jedoch segmentübergreifend angesprochen werden und vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Kundensegmentierung schwierig. Durch Bildung der nachfolgend genannten drei Gruppen kann die Komplexität der Zielgruppenansprache jedoch signifikant verringert werden: Schnäppchenjäger Für die Gruppe der Schnäppchenjäger ist der Preis ein Hauptfaktor für den Kaufentscheid. Sie kauft überwiegend bei Discountern und zeichnet sich durch eine hohe Akzeptanz von Handelsmarken aus. Premium-Angebote werden hingegen kaum wahrgenommen. –

20

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Qualitätskäufer Die Gruppe der Qualitätskäufer wird angesprochen durch eine Differenzierung des Handelsunternehmens, die sich in einem hochwertigen Sortiment und etlichen Zusatzleistungen ausdrückt. Qualitätskäufer verfügen über ein deutlich höheres Einkommen als die Schnäppchenjäger. –

– Smart-Shopper Smart-Shopper suchen nach Markenprodukten zu einem subjektiv empfundenen günstigen Preis und zeichnen sich vor diesem Hintergrund durch eine starke Preis-Leistungs-Orientierung aus. Ein hochwertiges Ambiente und eine ansprechende Warenpräsentation lockt die Gruppe der Smart-Shopper in die Verkaufsstellen.

Eine Einteilung in die drei genannten Typologien ermöglicht es Einzelhandelsunternehmen, Handlungsempfehlungen zur Bestimmung von Sortiment, Einkaufsambiente und Marketingansprache abzugeben. [vgl. KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 28f.] Die Wissenschaft der Psychographie widmet sich der Kategorisierung von Konsumenten-Lifestyles und führt, von Aktivitäten, Interessen und Einstellungen der Probanden ausgehend, Panelbefragungen durch. [Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 320; Kaltwasser, D. (1999), S. 217. ] Infolgedessen wurde im Jahre 1990 eine gemeinschaftliche Europanelbefragung vom „Centre de Communication Avancé CCA“ in Paris sowie weiteren 15 europäischen Marktforschungsinstituten durchgeführt. Diese Studie der so genannten „Euro Socio Styles“ differenziert die europäischen Lebensstiltypen in 16 prägnante Persönlichkeitsbilder, die homogene, länderübergreifende Zielgruppen darstellen und gemäß der nachfolgenden Abbildung Achsen mit den Schlagworten „Güter“, „Beharrung“, „Werte“ und „Bewegung“ aufzeigen. [Vgl. Kaltwasser, D. (1999), S. 217f; Kotler/Bliemel (1999), S. 320f.]

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

21

Güter Streben nach materiellen Werten, konsum- und genussorientiert Aufbau einer besseren Zukunft, komfortorientiert

Dandy

Vigilant

Rocky Bewegung modern aufgeschlossen gegenüber Neuerungen und Abenteuern, modebewusst, beweglich, neugierig, antikonformistisch, individualistisch

Olvidados Romantic

Business Squadra

Prudent Defense

Protest Scout

Beharrung konservativ, Streben nach Sicherheit und Tradition, Gesetz und Ordnung, familienorientiert, häuslich

Moralist Gentry

Pioneer

Citizen

Strict

Werte Geistig orientiert, Streben nach immateriellen Werten, nach puritanischer Enthaltsamkeit und nach „dem tieferen Sinn“, stehen nicht unter gesellschaftlichem Zwang

Abb. 1-12: „Euro socio Styles“ nach dem Centre de Communication Acancé (CCA) in Paris in Zusammenarbeit mit dem Europanel-Institut Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaltwasser S. 217f; Kotler/ Bliemel (1999), S. 320f; Lingenfelder, M. (1996), S. 290.

1.1.3.2 Veränderungen des Konsumverhaltens im Zeitablauf Obwohl die Höhe der verfügbaren Einkommen und die Konsumausgaben der Bundesbürger unverändert ansteigen, profitiert der Einzelhandel davon nicht. Die Konsumausgaben verzeichnen seit 1992 eine jährliche Wachstumsrate von 2,3 Prozent. Dagegen weisen die Einzelhandelsumsätze im gleichen Betrachtungszeitraum eine Stagnation auf. Betrug der Anteil der im Einzelhandel getätigten Konsumausgaben 1991 noch 41,1 Prozent, so waren es 2002 nur noch 30,5 Prozent und für 2005 wird ein weiterer Rückgang von 2,7 Prozentpunkten auf 27,8 Prozent erwartet. [Vgl. KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 11.]

22

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

–13,3 % Punkte

45% 41,1% 40% 35% 30%

39,6%

38,5%

37,0% 36,0%

35,0%

33,6% 33,0%

32,0% 31,7%

31,1% 30,5% 27,8%

25% 20% 15% 10% 5% 0% 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2005

Abb. 1-13: Anteil der Einzelhandelsumsätze i.e.S.* an den privaten Konsumausgaben * ohne Kfz, Tankstellen und Apotheken Quelle: Eigene Darstellung nach KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 11

Die Gründe für den Rückgang liegen in einem immer größeren Anteil von Wohnen, Energie, Reisen, Telekommunikation, Freizeit, Unterhaltung und Kultur an den gesamten Konsumausgaben. Im Gegenzug sinken die Ausgabenanteile für Nahrungs- und Genussmittel. [vgl. KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 44.] Der Verbraucher wird auf Grund dieses Verhaltens häufig auch als so genannter „hybrider“ oder „multinationaler“ Käufer bezeichnet. Es hat nicht immer mit dem Zwang zum Sparen zu tun, dass zahlreiche Konsumenten ihre Grundbedürfnisse bei Billiganbietern wie Aldi, H&M und Ikea befriedigen. Durch den Einkauf bei diskontierenden Handelsunternehmen beweist der Konsument Cleverness. Grundbedürfnisse werden auf diese Art gestillt und andererseits wird für Dinge, die dem Konsumenten am Herzen liegen, viel Geld ausgegeben. Diese Denkhaltung vieler Konsumenten erklärt zum Teil auch die Gewinnsteigerung zahlreicher Luxusmarken wie z.B. Porsche oder Cartier. Es ist ein Verlust der Mitte zu konsta-

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

23

tieren. Dieser führt dazu, dass Unternehmen wie Karstadt oder Opel zum Teil erhebliche Einnahmeverluste zu verzeichnen haben. Konsumforscher versuchen vor diesem Hintergrund permanent, Zielgruppen zu ermitteln und zu clustern. So haben die Forscher von Sinus Socivision die Verbraucher in drei neue Klassen unterteilt [Vgl. www.manager-magazin.de/ unternehmen/artikel/ 0,2828,332818,00html, Januar.2005]: –

„Die Tugendhaften“ Die Tugendhaften geben ihr Geld für Notwendiges und Vernünftiges aus, wobei Sparen ein klarer Grundsatz ist. Von dieser Gruppe können keine wesentlichen Impulse auf den Konsum erwartet werden.



„Die Hungrigen“ Dieser Gruppe dient der Konsum generell zum ‚Mithalten‘ in der Gesellschaft. Wichtig ist der Produktbesitz, wobei nicht immer Originalmarken erworben werden, sondern häufig auf Markenimitatoren zurückgegriffen wird.



„Die Selektiven“ Die Selektiven stellen die so genannten neuen und bewussten Kunden dar. Diese Gruppe weist ein hohes Potenzial für einen erhöhten Konsum auf, welches aber häufig nicht wahrgenommen wird, da die Hersteller ihre Wünsche und Sehnsüchte nicht bedienen.

Für die Unternehmen wird es künftig von entscheidender Bedeutung sein, sich für eine Zielgruppe zu entscheiden, da ansonsten die Gefahr besteht, über alle Kundensegmente hinweg zu Anteile zu verlieren. [Vgl. www.manager-magazin. de/unternehmen/artikel/ 0,2828,332818,00html, Januar.2005] Neben kurzfristigen Maßnahmen, wie z.B. Kostensenkungsprogrammen, sind langfristige strukturelle Änderungen notwendig, um die Umsatzentwicklung an Konsumwachstum anpassen zu können. In diesem Zusammenhang dürfte ein veränderter Marktauftritt für einen Großteil der Unternehmungen unausweichlich sein. Neben flexibleren Denkhaltungen betrifft dies insbesondere strategische Elemente wie die Sortimentsgestaltung, die Modifizierung und Neuentwicklung von Betriebssystemen sowie die Reaktion auf veränderte Zielgruppen und Einkaufsgewohnheiten. [Vgl. KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 44.]

24

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

16.400 16.200

16.176

2002

2003

16.200 15.924

16.000 15.800 15.600 15.400 15.200

15.109

15.000 14.800 14.600 14.400 1995

2000

Abb. 1-14: Erwerbstätige Frauen in Deutschland von 1995-2003 in 1.000 Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch (2004), S. 68

Für den Lebensmittelhandel sollte dabei die Zielgruppe der Frauen nicht aus den Augen verloren werden. Die Anzahl der erwerbstätigen Frauen in Deutschland hat seit 1995 um knapp 8 Prozent auf 16.176 zugenommen (vgl. Abb. 1-14). 1.1.3.3 Trends und Prognosen Das Konsumverhalten wird auch künftig permanenten Änderungen unterworfen sein. Diese Entwicklungen werden auch den Handel nicht unbeeinflusst lassen. So wird der gleichzeitige Wunsch von Konsumenten nach einem Erlebniskonsum sowie gleichzeitig preisgünstiger Angebote verbunden mit einem Rundum-Service eine zentrale Herausforderung für den Handel darstellen. Darüber hinaus werden die signifikanten demographischen Veränderungen, die Zunahme des internationalen Wettbewerbs, die fortschreitende Konzentration

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

25

der Handelsunternehmen sowie die zunehmende Internationalisierung der Angebote (Made in Germany wird Made in xy) die Zukunft des Einzelhandels nachhaltig beeinflussen. Die Zukunft der Unternehmen im Einzelhandel wird künftig verstärkt durch die Verbraucher und dessen Erwartungen und Verhaltensweisen einerseits, durch die Trends der Globalisierung und des technischen Fortschritts andererseits beeinflusst werden. Diese Trends struktureller, technischer und verbraucherseitiger Art beinhalten jedoch auch beträchtliche Chancen für die Handelsunternehmen. So dürfte es beispielsweise künftig dank neuer Technologien keine zusätzlichen logistischen Probleme beim Übergang von Massen- zu Maßproduktion geben. In anderen Bereichen seit längerer Zeit geltende Trends wie „just in time“ oder „just for one customer“ werden in der Zukunft verstärkt auch für Konsumgüter gelten. Neben zahlreichen Vorteilen birgt der technische Fortschritt aber auch Risiken für den Handel, da der Konsument, neben der Möglichkeit der direkten Kommunikation, auch immer mehr den direkten Bezug beim Hersteller nutzt. [Vgl. Vossen, Reinhardt (2003), 2003, S. 204 ff.] Darüber hinaus werden die Konsumenten zunehmend informierter und individueller, wodurch ihre Ansprüche stetig ansteigen. Zu erklären ist dies in weiten Teilen durch die neuen Möglichkeiten des E-commerce sowie der größeren Vielfalt, Qualität und Kundenorientierung verbunden mit immer preisgünstigeren Angeboten. Vor diesem Szenario ist künftig mit einer Abnahme der Fachgeschäfte und Einzelunternehmen zu rechnen. [Vgl. Vossen, Reinhardt (2003), 2003, S. 213 ff.] Um die Konsumtrends auch künftig rechtzeitig zu erkennen und um rechtzeitig agieren zu können, erscheinen nachstehende strategische Handlungsempfehlungen für Unternehmen der Konsumgüterindustrie und des Handels sinnvoll [Vgl. dazu accenture, Konsumgüter 2010, S. 5.]:

26

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

Tabelle 1-5: Zukunftschancen der Handelsbetriebsformen Quelle: Eigene Darstellung nach Vossen, Reinhardt (2003), 2003, S. 213

Die Gewinner Internetanbieter

+90 %

Direktanbieter

+63 %

Große Filialisten

+57 %

Fachgeschäfte Einzelunternehmen

–39 %

Die Verlierer

Allgemeine Handlungsempfehlungen für die Zukunft 1) Konzentration auf Kernkompetenzen 2) Outsourcing von Nichtkerngeschäftsfeldern 3) Kooperationen mit Branchendienstleistern 4) Kooperationen zwischen Industrie und Handel 5) IT-Infrastruktur und Nutzung neuer Technologien (Smart Tags, CRM) Handlungsempfehlungen für die Zukunft im Lebensmitteleinzelhandel 1) Erschließung neuer Marktchancen durch Retail-Branding, Eigenmarken und Loyalitätsprogramme 2) Aufbau von Marketing- und Brand-Management-Kompetenzen 3) Keine Priorisierung einer Expansion in neue Geschäftsbereiche und Vertriebskanäle 4) Priorisierung einer Internationalisierung

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

27

Handlungsempfehlungen für die Zukunft in der Konsumgüterindustrie 1) Aufbau starker, globaler Marken und Verbesserung der Marketing-Effektivität. 2) Zunahme der Ausdehnung von Marken in anderen Branchen 3) Perspektivische Verbesserung der Position gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel durch direkten Zugang zum Kunden. 1.1.4

Demographische Entwicklung

Das Weltbevölkerungswachstum wird weiterhin zunehmen, allerdings langsamer als erwartet. Das Wachstum wird vor allem in den Entwicklungsländern stattfinden und somit das Pro-Kopf-Einkommen in den Industrieländern nur marginal erhöhen. Diese entwickelten Länder sehen sich zunehmend mit einer drastischen Veränderung der Altersstruktur konfrontiert. So wird für Deutschland künftig mit einem überproportional starken demografischen Wandel zu rechnen sein. Die Bevölkerungszahl in Deutschland wird bereits bis zum Jahr 2020 leicht aber stetig abnehmen. Für die Jahre 2020 bis 2040 ist ein Rückgang von einer Million Menschen jährlich zu erwarten. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung sowie der häufigeren Haushaltsgründung bei Jugendlichen werden die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte weiterhin zunehmen. [Vgl. Vossen, Reinhardt (2003), S. 25f.] 1.1.4.1 Bevölkerungsstruktur in Deutschland Gegenwärtig erstreckt sich Deutschland mit einer Gesamtbevölkerung von 82,537 Millionen Bürgern und eine durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 231 Einwohnern je km2 für das Jahr 2002 auf ein Territorium von 357.027 km2 Bodenfläche. Wie in Abbildung 1-15 erkennbar, weist Nordrhein-Westfalen mit 18,063 Millionen Einwohnern die höchste Bevölkerungsdichte auf. Seit 1980 hat sich die Bevölkerung in Deutschland von 78,397 Millionen um 4,135 Millionen auf 82,532 Millionen in 2003 erhöht. [Vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2004 S.27.] Dabei fällt auf, dass in Deutschland seit 1997 grundsätzlich eine Bevölkerungszunahme zu beobachten ist. Einzig im Jahr 1998 konnte eine Abnahme von 20.400 Personen festgestellt werden.

28

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

20

18,063

18 16 14 12

12,358 10,631

10

7,970

8

6,085

6 3,390

4

4,366

4,052 2,586

2

0,660

1,752

1,727

2,565 2,810 2,402 1,065 Thüringen

Schelswig-Holstein

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Saarland

Rheinland-Pfalz

Nordhein-Westfalen

Niedersachsen

MecklenburgVorpommern

Hessen

Hamburg

Bremen

Brandenburg

Berlin

Baden-Württemberg

Bayern

0

Abb. 1-15: Bevölkerungszahlen in Deutschland im Jahr 2002 in Millionen Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch (2004), S. 27 200

180,8

150 126,5 96,0

100

50

96,4

45,2

0 –20,4 –50

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Abb. 1-16: Bevölkerungszunahme (+) bzw. -abnahme (–)* in Deutschland in Tausend. *) Einschl. der auf der Berichtigung von Gemeindeergebnissen beruhenden Zu- bzw. Abnahme. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch (2004), S. 40

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

29

1.1.4.2 Altersgefüge der deutschen Bevölkerung Die Anzahl der über 65-Jährigen hat sich von 1950 bis 2002 um 7,76 Prozentpunkte auf 17,49 Prozent erhöht. Dagegen haben sich die Geburtenraten negativ entwickelt. Betrug 1950 der Anteil an Kindern unter 6 Jahren noch 7,85 Prozent, fiel diese Zahl im Jahr 2002 auf 5,6 Prozent. Im Zuge dieser Entwicklung wird die Förderung und Bildung von Familien zunehmend wichtiger. Möglich wäre dies beispielsweise durch die Förderung von Geburten durch eine familienfreundlichere Politik. Eine andere Möglichkeit könnte darin bestehen, dass die Rentner bzw. die Beitragsempfänger stärker finanziell eingebunden werden. Diese Einbindung wäre durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit sowie das Entrichten von Sozialbeiträgen durch die

100%

9,7

15,5

14,9

3,8

5,5

25,9

26,3

4,9 80%

28,6

17,5 6,9

27,3

60%

65 und mehr 60-65 40-60 21-40

24,9 40%

26,3

15-21

30,2

26,5

6-15 50 € nicht mehr steuerfrei

1.1.5.1 Rabattgesetz und Zusatzverordnung Eine Abschaffung des Rabattgesetzes könnte für eine Zunahme der Dynamik und Wettbewerbsintensität sorgen. Das immer noch bestehende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), welches besagt, dass Waren nicht bzw. anhaltend unter ihrem Einstandspreis verkauft werden dürfen, greift hier reglementierend ein. Ziel dieses Gesetzes ist es dabei, den arbeitsplatzintensiven Mittelstand in Deutschland vor Übergriffen von Großkonzernen zu schützen. Vor

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

37

diesem Hintergrund ist auch in den kommenden Jahren nicht von einer Abschaffung auszugehen [Vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 15.] 1.1.5.2 Ladenöffnungszeiten Durch die Verlängerung der bestehenden Ladenöffnungszeiten auf 20 Uhr wurden Impulse für eine Belebung des privaten Konsums erwartet. Studien bestätigen signifikante Umsatzzuwächse bei Filialen sowie bei Kauf- und Warenhäuser in innerstädtischen 1a-Lagen. Diese Entwicklung kann jedoch für 1b-Lagen sowie für Klein- und Mittelzentren nicht bestätigt werden. [Vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 15.] 1.1.5.3 Baunutzungsverordnung Die Ansiedlung von großflächigen Vertriebstypen ab 1.200 m2 Geschossfläche ist im § 11.3 BauNVO geregelt. Dieser regelt den Aufbau von Unternehmen im Einzelnen wie folgt: 1) Einkaufszentren, 2) großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Realisierung der Ziele der Raumordung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur geringfügig auswirken können, sowie 3) sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind, sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Da die Beweislast immer beim ansiedlungswilligen Unternehmen liegt und Planfeststellungsverfahren in Deutschland häufig mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden sind, birgt diese Regelung erheblichen Diskussionsbedarf. Diese Entwicklungen erleichtern den Auf- und Ausbau von diskontierenden Unternehmen, da sie nicht der Genehmigungspflicht unterliegen. [vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 16.]

38

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

1.1.5.4 Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrecht Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats werden u.a. im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Das in §102 BetrVG verankerte Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei Kündigungen erlangt dabei die größte praktische Bedeutung. Im Rahmen des Kündigungsschutzes ist für die ordentliche Kündigung von Arbeitsverhältnissen eine Kündigungsfrist einzuhalten. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die Gründe einer geplanten Kündigung informieren. Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs des Betriebsrats innerhalb einer Woche kann der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung auch nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Kündigungsschutzklage verlangen. Diese Klausel erweist sich für viele deutsche Einzelhändler und insbesondere für britische und US-amerikanische Einzelhändler nicht immer als Vorteil. [vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 16.] 1.1.5.5 Steuer und Abgabenquote Die reine Steuerquote in Deutschland liegt mit 21,7 Prozent am unteren Ende der EU-Steuerskala. Trotz dieser Tatsache liegt Deutschland im europäischen Vergleich bei der Steuer- und Abgabenquote im Mittelfeld (s. Abb. 1-24). Die durchschnittliche Abgabenquote der EU liegt bei 40,4 Prozent. Ob die relativ niedrige Abgabequote durch eine entsprechend höhere Staatsverschuldung dauerhaft gedeckt werden kann, erscheint fraglich. [Vgl. KPMG Studie, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 122.] 1.1.5.6 Beteiligungen Seit dem 01.01.2003 können Konzerne ihre Aktienpakete an fremde dritte Unternehmen veräußern, die wiederum ihre Beteiligungen steuerfrei desinvestieren können. Es sollen durch diese Reform die Beziehungsgeflechte deutscher Unternehmen gelöst und durch Neuallokationen des Kapitals neues Wachstum gebildet werden. Aufgrund der konjunkturschwachen Wirtschaftslage sowie der Volatilität der Kapitalmärkte konnten dabei noch keine signifikanten Änderungen beobachtet werden. [Vgl. KPMG Studie, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 123.]

1.1 Der deutsche Einzelhandel im Überblick

39

60

44,2 40

36,2 35,6

30

35,9

28 21,7 23

42,3

41,1

39,3

34,8

49,4 47,7

45,9

44,1

34

20

50,6

46,2

50

25,4 23,5 23,7 24,8

29,3 27,7 28,6

29,8 30,5

31,6

33,7

35,3

Abgabequote

Dänemark

Schweden

Finnland

Belgien

Luxemburg

Großbritannien

Österreich

Italien

Frankreich

Niederlande

Irland

Griechenland

Spanien

Deutschland

0

Portugal

10

Steuerquote

Abb. 1-24: Steuer- und Gesamtabgabenbelastung im europäischen Vergleich 2002 in % Quelle: Eigene Darstellung nach KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 121

1.1.5.7 Gewinn und Dividendenbesteuerung In Deutschland wird die Körperschaftssteuer nicht auf die Einkommenssteuer der Anteilseigner angerechnet. Unternehmen und Anteilseigner werden getrennt besteuert. Um einen Ausgleich zu dieser Reform der Doppelbesteuerung zu schaffen wurde die Körperschaftssteuer auf 25 Prozent gesenkt. Zudem sind die Gewinnausschüttungen an die Anteilseigner nur noch zur Hälfte zu versteuern. Dividenden können dank dem am 01.01.2004 ratifizierten Investmentgesetz nun auch durch das Halbeinkünfteverfahren begünstigt werden. [Vgl. KPMG Studie, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 123.]

40

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

1.2 Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland Obwohl die Ansprüche der Konsumenten an Komfort und Lebensqualität zunehmen, sinken die relativen Ausgaben für Lebensmittel kontinuierlich. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich das Konsumklima im Lebensmitteleinzelhandel mittel- und langfristig deutlich verschlechtern wird. [Vgl. accenture, KonsumGüter 2010: Handel-Macht-Marken, 2002, S. 7.] Es ist im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ein Preisdumping sowie ein Format- und Verdrängungswettbewerb zu beobachten. Convenience-Stores erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit bei den Konsumenten und stellen durch ihre an den Kundenbedürfnissen ausgerichteten Vertriebskonzepte die bekannten Gesetzmäßigkeiten immer mehr in Frage. Der Branchenumsatz im Lebensmitteleinzelhandel beträgt knapp über 200 Mrd. Euro, wovon etwa 70 Prozent auf Food- und 30 Prozent auf Non-Food-Produkte entfallen. Werden von den Umsätzen alle Kostenpositionen subtrahiert, verzeichnet die Lebensmittelbranche ein durchschnittlich betriebswirtschaftliches Ergebnis von –4,5 Prozent. Eine gegenteilige Entwicklung verzeichnen die Discounter Aldi und Lidl. Sie stoßen gezielt in branchenfremdes Terrain vor und sind führend im Vertrieb von Lebensmitteln und Konsumgütern. Das Discountgeschäft verzeichnete im Jahr 2002 einen Marktanteil von 36 Prozent mit Wachstumstendenzen in Richtung 40 Prozent. Zudem hat das Wettbewerbsklima zu einem Selektionsprozess geführt. Die Top-10-Lebensmittelhändler steigerten ihren Marktanteil beim Lebensmittelumsatz von 45 Prozent in 1990 auf gegenwärtig 84 Prozent (2002). MultiChannel-Retailer wie Rewe, Edeka und Spar sind gegenüber den Discountern mit Marktanteilsverlusten konfrontiert. [Vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 23.] Durch die Expansion in Großflächen und der erhöhten Wettbewerbsintensität ist im deutschen Lebensmittelhandel ein hoher Flächenüberhang zu beobachten. In der Folge ist die Ratio Quadratmeter Verkaufsfläche je Einwohner hier zu Lande fast doppelt so hoch ist wie in Großbritannien. Vor diesem Hintergrund ist in Großbritannien und Frankreich die Flächenrentabilität erkennbar höher. [vgl. Marktanalyse von KPMG und EHI, Status Quo und Perspektiven im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 25.]

1.2 Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland

1.2.1

41

Umsatzentwicklung

Die Tengelmann-Gruppe erreichte im Jahr 2004 mit einer Umsatzsteigerung von 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr die höchste Zunahme. Gegenteilig verhielt sich die Umsatzentwicklung bei der Spar AG, die gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um ganze 9 Prozent niederschreiben musste. Auch nicht erfreulich verlief die Entwicklung für Karstadt, die ein Umsatzrückgang von 6,6 Prozent verzeichnen musste. 10% 8,1%

8% 6%

4,2%

4% 2%

8,8%

1,4%

1,9%

2,1% –0,4%

0% –2% –4% –6%

–6,6%

–8%

Karstadt

LekkerlandTobacoland

TengelmannGruppe

Schwarz-Gruppe

ALDI-Gruppe

Edeka/AVAGruppe

Rewe-Gruppe

Metro-Gruppe

Spar AG

–9,0%

–10%

Abb. 1-25: Umsatzentwicklung im Deutschen Lebensmittelhandel 03/04 in % Quelle: M+M Eurodata, Top-Firmen 2005, S. 34

1.2.2

Umsatzstärkste Unternehmen

Wie in Abbildung 1-26 dargestellt belegte im Jahr 2004 die Metro-Group mit einem Umsatzanteil von 32.730 Millionen Euro den ersten Platz unter den größten Unternehmen in Deutschland. Am zweitstärksten war die Rewe-Gruppe, die einen Umsatzanteil von 30.971 Millionen Euro aufzeigen konnte.

42

35

1 Rahmenbedingungen im deutschen Handel

32,730

30,971

30

29,723 25,000

25

21,900

20

8,650

8,450

7,555

Lekkerland-Tobaccoland

Karstadt

10

Spar-Gruppe

13,792

15

5

Tengelmann-Gruppe

Schwarz-Gruppe

Aldi

Edeka/AVA-Gruppe

Rewe-Gruppe

Metro Group

0

Abb. 1-26: Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in 2004 nach Gesamtumsätzen in Millionen Euro (Prognose vom September 2004). Quelle: M+M Eurodata, Top-Firmen 2005, S. 3

1.2.3

Wertmäßige Marktanteile

Die Discounter in Deutschland verzeichnen ein sehr hohes Wachstum. Seit 1998 steigerten sie ihren Marktanteil von 31,3 Prozent um 6 Prozentpunkte auf 37,3 Prozent. Dabei sind die hohen Wachstumsraten der Discounter nicht nur auf deren Preispolitik zurück zu führen. Auch die Struktur der Unternehmen ist zu nennen, welche auf extremer Einfachheit, Effizienz und Geschwindigkeit basiert. Zudem sind Faktoren wie die Bequemlichkeit für den Kunden, Neuartigkeit der Produkte und das Bewusstsein des Kunden, auf ein exklusives Warenangebot zu stoßen, kennzeichnend für das Discountgeschäft. [Vgl. McKinsey&Company, Business Breakfast, Pressemitteilung]

1.2 Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland

43

100% 11,7

15,7

15,3

14,8

13,7

25,8

25,6

24,7

24,2

27,2

27,4

27,9

27,7

31,3

31,7

32,6

34,3

37,3

1998

1999

2000

2001

2002

80%

23,7

60% 27,3

40%

20%

0%

Discounter

Großfläche (>1.500 m2)

Supermärkte (400-1.499 m2)

Sonstiger LEH ( 6 vorhanden

< 3 vorhanden

Priorität Markteintritt

20

kein sofortiger Bedarf präsent zu sein

Markt verlangt sofortige Präsenz

Langfristige Wachstumsmöglichkeiten

20

dürftig/negativ

hervorragend/positiv

Strategische Bedeutung

10

keine strategische Bedeutung

sowohl geographisch als auch operativ wichtig



ausreichende Marktgröße,



positive Wachstumsentwicklung,



Steigender Pro-Kopf-Konsum im Einzelhandel,



niedrige lokale Wettbewerbsintensität,



niedriges Lohnniveau bei vergleichsweise hohem Ausbildungsniveau,



genügende Anzahl relevanter Standorte,



Vorhandensein einer guten Infrastruktur,



hoher Anteil an städtischer Bevölkerung.

82

2 Motive der Internationalisierung

Die Spezialisten von KPMG haben verschiedene Länder anhand des IGD-Länderrankings bewertet und in drei Kategorien eingeteilt (vgl. Abbildung 2-11). Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass – neben den genannten Ländern – auch Märkte wie Japan oder Ungarn nennenswerte Marktchancen bieten können. Daneben ist es für die Unternehmen ratsam, auch bei denjenigen Ländern, die in einer Priorität zusammengefasst sind, unterschiedliche Vorgehensweisen im Rahmen der Marktbearbeitung anzuwenden. So können kulturelle Unterschiede im Zielland große Unsicherheiten in der Einschätzung lokaler Kundenbedürfnisse hervorrufen. So werden beispielsweise in Indien Lebensmittel primär auf Wochenmärkten bzw. bei fahrenden Händlern und in Garagen gekauft. Insofern werden hier die sogenannten „Prefabricated Products“ wohl keinen geeigneten Nährboden finden. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 52.] Der geographischen Reihenfolge ist bei der Erschließung neuer Märkte eine zentrale Bedeutung beizumessen. So stellte eine Untersuchung von KPMG aus den Jahren 2002 und 2003 zur Performance der weltweiten Top-500-Retailer fest, dass eine hohe geographische Spreizung der Aktivitäten im Rahmen der Auslandsexpansion die Wahrscheinlichkeit einer unterdurchschnittlichen Performance signifikant erhöht. Je größer die Entfernung zum Heimatmarkt und die damit verbundenen unterschiedlichen Konsumpräferenzen zunehmen, umso mehr verringert sich die Möglichkeit einer Auslandsexpansion unter kontrollierten Bedingungen. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 55.]

2.4 Fundamentale Triebkräfte der Internationalisierung

83

China 61

Indien

61 57

Ungarn

57

Irland

56

Malaysia

56

Türkei

56

USA

55

Australien

55

Argentinien

54

Japan

54

Vietnam

54

Rumänien

Priorität 2Märkte

Chile

Priorität 1Märkte

69

Russland

53

Bulgarien

52

Marokko

52

Südkorea

52

Ukraine

52

Großbritannien

52

Slowakei

52

Schweden

51

Philippinen

51

Polen

51

Brasilien

51

Indonesien

51

Ägypten

51

Deutschland Kanada

51

Priorität 3Märkte

53

Norwegen

51 50

Singapur

50

Spanien 0

30

60

Lebensmitteleinzelhandel pro Kopf in Euro

Abb. 2-11: Rating der Marktattraktivität 2003 in %. Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 52

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung 3.1 Grundsätzliche Anforderungen an die internationale Marktforschung Der Außenhandel unterliegt eigenen Gesetzmäßigkeiten, die national erfolgreiche Konzepte nicht pauschal auf ausländische Märkte adaptierbar machen. [Vgl. Kuhn, A. (2001a), S. 97f.] Demzufolge bedarf es für eine fundierte Entscheidungsfindung hinsichtlich der Chancen und Risiken bzw. Aktivitäten und Barrieren eines potenziellen Ländermarktes einer systematischen Sammlung und Aufbereitung von Informationen über Strukturen und Entwicklungen des Marktes. [Vgl. Becker, J. (2000a), S. 56; vgl. Weiber/Adler (2000), S. 341.] Durch die Interpretation der Daten kann eine erste Grobanalyse der Marktsegmente vorgenommen werden. Die Abgrenzung der strategischen Geschäftsfelder wird letztlich anhand einer Analyse der globalen Rahmenbedingungen des Umfeldes sowie einer Branchenanalyse unter Berücksichtigung von Kauffaktoren und Verwendungsverhalten der Konsumenten vorgenommen. [Vgl. Kreilkamp, E. (1987), S. 74; vgl. Meffert/Bolz (1998), S. 40f.] Einer aussagekräftigen Umfeldanalyse müssen aktuelle, relevante, valide und möglichst vollständige Daten zugrunde liegen, die jedoch auch einer zweckmäßigen Kosten-Nutzen-Relation standzuhalten haben. Die hierzu erforderlichen Marktforschungsaktivitäten sollten sich zunächst auf unternehmenseigene Quellen stützen und relevante Daten durch bereits für andere Projekte extern erhobene Daten abgedeckt werden. [Vgl. Curry, J. (2000), S. 86f; vgl. Mühlbacher/Dahringer/Leihs (1999), S. 257.] Durch diesen Rückgriff auf so genannte Sekundärforschungen können zunächst Kosten eingespart und weitergehende Informationen gegebenenfalls gezielt vervollständigt werden. [Vgl. Mülhbacher/Dahringer/Leihs (1999), S. 257; vgl. Berndt/ Altobelli/Sander (1999), S. 48f.] Die Aktualität der Daten ist insbesondere bei Sekundäranalysen zu überprüfen, da Trends und Strukturbrüche nur aufgrund von aktuellen Daten zu erkennen sind. Die Genauigkeit der Daten sollte auf die Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) überprüft werden. Untersuchungen aus verschiedenen Ländern können im Hinblick auf die Genauigkeit manchmal erheblich differieren. Im internationalen Zusammenhang

86

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

kommt der Vergleichbarkeit eine besondere Bedeutung zu, da die internationalen Untersuchungen meist vergleichenden Charakter haben. Die internationale Vergleichbarkeit von Untersuchungen wird häufig durch die Äquivalenz ausgedrückt. Laut Simmet-Blomberg [1998, S. 164] sollte jedoch bedacht werden, dass die Erfüllung der Äquivalenz dem Streben nach Entdeckung kultureller Unterschiede in der internationalen Marktforschung entgegensteht. Um die Vergleichbarkeit der untersuchenden Länder zu analysieren, ist eine länderspezifische Adaption verschiedener Elemente der internationalen Erhebung notwendig. Damit eine Gesamtäquivalenz erreicht werden kann, muss eine Gleichwertigkeit zwischen den einzelnen Komponenten des Untersuchungsdesigns erzielt werden. Die Gesamtäquivalenz der Erhebungsdaten in der internationalen Marktforschung muss durch mehrere Aspekte sichergestellt werden und ist somit eine komplexe Aufgabe mit zahlreichen Interdependenzen und Rückkoppelungswirkungen. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), s. 44 ff, Schröder/Block, 2004, S. 354 ff.] Bei zusätzlichem, auf konkrete Fragestellungen bezogenem, Informationsbedarf können entweder klar umrissene Einzelinformationen durch eine so genannte Omnibusbefragung oder originäre, problem- bzw. problemlösungsorientierte Primärdaten durch eine eigens in Auftrag gegebene Studie erhoben werden. [Vgl. Dehr/Biermann (1998), S. 28; vgl. Becker, J. (2000a), S. 58.] Des Weiteren unterscheidet die Marktforschung zwischen quantitativen – auf hohem, zahlenorientierten Abstraktionsniveau – und qualitativen Verfahren, deren Augenmerk der Kundenerwartung und -zufriedenheit gilt. [Vgl. Curry, J. (2000), S. 93f; vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 15 bzw. 28; vgl. Dehr/Biermann (1998) S. 29f.] Die letzten Ansatzpunkte einer fundierten Informationsbeschaffung können jedoch erst durch eine persönliche Einschätzung des potenziellen Ländermarktes vor Ort ermittelt werden. [Vgl. Niedermann/Dubacher (1999), S. 41.] Durch die Umfeldanalyse wird die Situation einer Volkswirtschaft unabhängig von der Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, beschrieben. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), s. 14.] Der Planungshorizont wird durch die überaus raschen Veränderungen der Umwelt verkürzt. Zudem hat sich die Informationsüberflutung anhand von neuer Medien erneut verstärkt, was eine Orientierung in der Umwelt immer schwieriger macht. [Vgl. Lombrisier, Abplanalp, 2004, S. 93] Die globalen Rahmenbedingungen können von Land zu Land sehr stark variie-

3.1 Grundsätzliche Anforderungen an die internationale Marktforschung

87

Äquivalenz der Untersuchungseinheiten

Äquivalenz der Untersuchungsmethoden – Erhebungsmethodische Äquivalenz – Befragungstaktische Äquivalenz – Übersetzungsäquivalenz – Messmethodische Äquivalenz

Äquivalenz der Untersuchungssachverhalte – Funktionale Äquivalenz – Konzeptionelle Äquivalenz – Kategoriale Äquivalenz

Abb. 3-1:

– Definitionsäquivalenz – Auswahläquivalenz

Äquivalenz der Untersuchungssituationen Äquivalenz der Erhebungsdaten in der internationalen Marktforschung

– Zeitliche Äquivalenz – Interaktionsäquivalenz

Äquivalenz der Untersuchungsdatenaufarbeitungen – Äquivalenz der Responseübersetzungen – Äquivalenz der Responsekategorisierung

Äquivalenzbedingungen in der internationalen Marktforschung Quelle: Eigene Darstellung nach Bauer, 1995, S. 52

ren. Der Handlungsspielraum im internationalen Marketing kann dadurch erheblich eingeschränkt werden und gegebenenfalls auch einen Markteintritt als nicht vorteilhaft erscheinen lassen. Insbesondere gilt dies für politisch und wirtschaftlich instabile Volkswirtschaften. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 14.] Eine etablierte Systematik zur gezielten Früherkennung von länderspezifischen Chancen und Risiken stützt sich auf so genannte „Country-Ratings“, die außerbetriebliche Informationsquellen zur gesamtwirtschaftlichen Analyse von ausländischen Handelsmärkten heranzieht. Die unter politischen und wirtschaftlichen Aspekten durchgeführten volkswirtschaftlichen Recherchen geben Aufschluss über landesspezifische Rahmenbedingungen und anhand einer wertenden Rangfolge (Ranking) der gewonnen Erkenntnisse werden Früherkennungsinformationen bezüglich auslandsmarktspezifischer Konstellationen evident. Als eines der namhaftesten „Country Ratings“ gilt der „Business Environment Risk

88

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Index“ (BERI), der auf Expertenbeurteilungen basierend das spezifische Landesrisiko in Form einer Indexzahl dokumentiert. Der Schwerpunkt dieses Ansatzes liegt bei der Risikobeurteilung von Auslandsinvestitionen, dessen relativ hohe Aussagekraft auf eine ausgewogene Kombination quantitativer und qualitativer Kriterien zurückzuführen ist. [Vgl. Krystek/Walldorf (2002), S. 652f bzw. 657.] Bei der Anwendung von „Country Ratings“, deren gesamtwirtschaftliche Betrachtungsebene symptomatisch ist, sollte jedoch der branchenunspezifische Aussagegehalt der hierdurch extrahierten Früherkennungsinformationen Berücksichtigung finden. [Vgl. Krystek/Walldorf (2002), S. 657.] Für eine individuellere Einschätzung der branchenspezifischen Potenziale kann eine Analyse der globalen Umwelt erste Ansatzpunkte liefern. [Vgl. Mühlbacher/Dahringer/Leihs (1999), S. 51.] Bezüglich den Analysefeldern der Unternehmens- und Umweltanalyse präzisiert Abbildung 3-2, dass die relevanten Parameter der MakroUmwelt interdependente Komponenten der soziokulturellen (gesellschaftliche Rahmenbedingungen), politisch-rechtlichen, ökonomisch-wirtschaftlichen und technologischen Umwelt repräsentieren, die in wechselseitigen Beziehungen stehen. [Vgl. Kutschker/Schmidt (2002), S. 796f; vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 270; vgl. Meffert/Kirchgeorg (1998), S. 83.] Die ständige zunehmende Dynamik und Komplexität der Entwicklung der globalen Umwelt, der technologische Wandel sowie die zunehmende Anzahl relevanter Gesetze auf EU- und internationaler Ebene erhöhen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen und systematischen Analyse der Umwelt. Der Prozess der Umweltanalyse sollte das Environmental Scanning, das Environmental Monitoring, das Environmental Forecasting und das Environmental Assessment beinhalten. [Vgl. Welge/Al-Laham, 2001, S. 189.] Beim Envrionmental Scanning wird dabei die Umwelt „abgetastet“ und sämtliche Segmente der globalen Umwelt werden systematisch auf eventuelle Trends oder Veränderungen abgesucht. Dieses System ist darauf ausgerichtet, frühe Indikatoren bzw. „schwache Signale“ der Umweltentwicklung aufzuzeigen. Beim Environmental Scanning unterscheiden Narayanan/Fahey [1987, S.152.] das außerplanmäßige Scanning, das periodische Scanning sowie das kontinuierliche Scanning, die sich im Zeitablauf ergänzen können. [siehe auch Welge/ Al-Laham, 2001, S. 189ff.] Das Environmental Monitoring baut auf den Ergebnissen des Umwelt Scannings auf und beinhaltet das Verfolgen und Interpretie-

3.1 Grundsätzliche Anforderungen an die internationale Marktforschung

89

Globale Umwelt (Analyse der Rahmenbedingungen)

Politische Rahmenbedingungen

Regulative Gruppen (Analyse regulativer Gruppen)

Ökologische Rahmenbedingungen

Branche (Branchenanalyse) Kapitalgeber

Verbände Unternehmen (Unternehmensanalyse)

Abnehmer (Marktanalyse)

Staatliche Institutionen Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Lieferanten (Lieferantenanalyse)

Wettbewerb (Wettbewerbsanalyse)

Arbeitnehmer

Gewerkschaften

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Technologische Rahmenbedingungen

Abb. 3-2:

Analysefelder der Unternehmens- und Umweltanalyse Quelle: Bogner, Kury, 2004, S. 22

ren von Umweltentwicklungen durch ein ständiges Aufzeichnen von Informationen zu den Trendbereichen. Der ganze Prozess ist hier viel fokussierter als in der ersten Scanning Phase und beinhaltet neben der Informationserhebung auch erste Bewertungsaktivitäten. Das Environmental Forecasting umfasst eine langfristig auf die Zukunft ausgerichtete strategische Planung. Anhand der Prognose wird der Entwurf eines Zukunftsbildes betreffend der Richtung, des Ausmaßes und der Geschwindigkeit der Veränderung der Umweltsegmente erstellt. Die letzte Phase des Scannings erfolgt durch das Environmental Assessement und beinhaltet die Einschätzung der Auswirkung der erhobenen Umweltentwicklung. Anhand der „Issue Impact-Matrix“ von Wilson (1983, S. 9-18) können die ermittelten strategischen Ereignisse auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens und auf die Auswirkungen auf die Unternehmung in eine hohe-, mittlere- und niedrige Priorität eingeordnet werden. [Vgl. auch Welge/Al-Laham, 2001, S. 189 ff.]

90

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Einfluss auf die Unternehmung

Abb. 3-3:

hoch mittel

mittel

gering

Hohe Priorität

Mittlere Priorität

gering

Wahrscheinlichkeit der Entwicklung

hoch

Geringe Priorität

Issue Impact-Matrix Quelle: Wilson, 1983, S. 9-18; Welge/Al-Laham, 2001, S. 192

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes Wissenschaftliche Studien zeigen immer wieder auf, dass jeder Mensch mehr oder minder unbewusst durch die ihn umgebende Gesellschaft wesentlich in seinen eigenen Überzeugungen, Wertvorstellungen und Normen geprägt wird. Da diese kulturellen Grundwerte nur einer geringen kognitiven Kontrolle unterliegen und unterschiedlichste Ausprägungen annehmen können, üben kulturbedingte Verhaltensweisen einen signifikanten Einfluss auf situationsspezifische Interpretationen aus. [Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 298f; vgl. Curry, J. (2000), S. 162.] Einem eindeutigen Verständnis des Kulturbegriffes stehen bereits uneinheitliche Begriffsdefinitionen gegenüber. [Vgl. Mooij, M. de (1998), S. 42.] So beinhaltet Kultur neben den tatsächlich beobachtbaren Ausprägungen von allgemein erkannten und anerkannten Wertvorstellungen bezüglich Sprache und Symbolen, der so genannten Artefakte, weitere vielschichtige Bedeutungsebenen. [Vgl. Apfelthaler, G. (1999a), S. 29.]

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

3.2.1

91

Kommunikation

Im internationalen Marketing stellt die Sprache häufig eine der größten Barrieren dar. Dies gilt vor allem für die Kommunikationspolitik, aber auch für die Beschriftung und Verpackung von Produkten. Problematisch ist die Sprachenvielfalt in einem einzelnen Land wie z.B. in der Schweiz [vgl. hierzu Bogner/Kury, 2004, S. 24 ff.] Sogar in Ländern mit der gleichen Sprache werden bestimmte Begriffe unterschiedlich aufgefasst. Damit Sprachbarrieren überwunden werden können, ist in den meisten Fällen eine lokale Unterstützung erforderlich. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 27f.] Seger zeigt an einem Beispiel die Ungenauigkeit von Übersetzungen auf: [Vgl. Seger (2002), S. 129] Danach wurde 1902 Goethes Gedicht „Wanderers Nachtlied“ ins Japanische, 1911 aus dem Japanischen ins Französische und kurz darauf zurück ins Deutsche übersetzt, mit der Annahme es handle sich um ein japanisches Gedicht: Original

Schlussendliche Übersetzung

Über allen Gipfel Ist Ruh In allen Wipfeln Spürest Du Kaum ein Hauch; Die Vöglein schweigen im Walde. Warte nur, balde

Ruhest du auch Stille ist im Pavillon aus Jade Krähen fliegen stumm Zu beschneiten Kirschbäumen Im Mondlicht Ich sitze und weine

Kommunikation als Bindeglied der durch ethnische Gruppierungen übermittelten generationsübergreifenden Einstellungen und Verhalten umfasst sowohl eine verbale als auch eine nonverbale Komponente. [Vgl. Doole/Lowe (1999), S. 79] Mittels einer Metapher, in der die Sprache als Spiegel der Kultur versinnbildlicht wird, kann aufgezeigt werden, inwiefern die verbale Kommunikation kulturell bedingte Denkmuster zu prägen vermag. Durch sprachliche Wendungen werden kulturelle Elemente unter paralleler Einflussnahme der Diktion determiniert, da die Ausdrucksfähigkeit von Gedanken, Einstellungen etc. autoritativ dem verfügbaren Wortschatz unterliegt. [Vgl. Müller-Merbach, H. (2002), S. 750; vgl. Blom/Meier (2002), S. 80; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 311] Diese Theorie, dass sprachliche Formulierungen nicht ausschließlich Ausdrucksmittel unserer Gedanken sind, sondern respektive Assoziationen und Reflexionen maßgeblich prägen und indoktrinieren, werden durch zahlreiche Linguisten einhellig vertreten. Wahrnehmungen, Sinneseindrücke und Perzeptionen bilden einen kaleido-

92

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

skopischen Strom von Impressionen und Eindrücken, die vom Intellekt verarbeitet, strukturiert und abgespeichert werden müssen. [Vgl. Lewis, R. (2000), S. 25.] In dieser Kontextebene dient die Sprache zur Verbalisierung eines inneren Monologs, der durch visuelle Aspekte komplettiert wird. Ferner orientiert sich diese verinnerlichte Denkstruktur an der individuellen Auffassungsgabe, die sich in Abhängigkeit des Wissenshorizontes komplexer und differenzierter moduliert. [Vgl. Lewis, R. (2000), S. 28.] 3.2.1.1 Kulturspezifische Reizwahrnehmung Zu der Sektion der nonverbalen Kommunikation gehören, neben der geläufigen Gestik und Mimik mit Elementen der Körpersprache wie Hand-, Armbewegungen und Blickkontakt sowie Stimmvolumen, Intonation und Sprechgeschwindigkeit, auch verborgene Signale wie die spezifische Wahrnehmung von Objekten und Gerüchen sowie ein differierendes Empfinden hinsichtlich der Bedeutsamkeit von zeitlichen Faktoren oder individuellen Raumbedürfnissen im verbalen Kommunikationsverlauf. [Vgl. Unger, K. R. (2002), S. 454f; vgl. Blom/Meier (2002), S. 83; vgl. Thieme, W. (2000), S. 64; vgl. Berndt/Altobelli/Sander (1999), S. 28.] Des Weiteren schließt die so genannte „silent language“ im Sinne einer interpersonalen Übermittlung von Botschaften ohne Benutzung der menschlichen Stimme, eine kulturspezifische Art des Schenkens sowie eine charakteristische Auslegung von Ritualen und (Status-) Symbolen mit ein. [Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 314; vgl. Unger, K. R. (2002), S. 456f; vgl. Thieme, W. (2000), S. 64.] Dem Terminus Symbol ist eine vielschichtige Bedeutungsebene inhärent, deren Abstufungen sich von eigentümlichen Einstellungen gegenüber Idolen, Mitmenschen, Tieren etc. bis hin zu abweichenden Bedeutungen und Interpretationen von farblichen Elementen erstrecken können. Anhand einer von Meffert/Bolz erstellten tabellarischen Übersicht der Farbsymboliken im internationalen Marketing können beispielsweise differierende symbolische Konnotationen aufgezeigt werden. Überdies unterliegt die nonverbale Kommunikation dem Einfluss von divergierenden Etiketten – dessen Kodex allgemein akzeptierte Benimmregeln für korrektes Verhalten zugrunde liegen – Vereinbarungen samt abweichender Beimessung bezüglich der Gewichtung sowie unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen und ethnischen Wertesystemen. [Vgl. Unger, K. R. (2002), S. 456f; vgl.

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

93

Tabelle 3-1: Farbsymboliken im internationalen Marketing Quelle: Meffert/Bolz (1998), S. 44 Land

Schweiz

Italien

Farbe Schwarz Pessimis- Depresmus, sion illegal

Frankreich

Österreich

Trauer Sorge, Trunkenheit, Eifersucht, Pessimismus

Portugal Dänemark

Schweden

Finnland

Trauer, Sorge, Hunger

Trauer, Sorge

Depression, Sorge

Sorge, Eifersucht

Unschuld, Reinheit

Güte

Unschuld, Sauberkeit

Liebe, Gefahr, Feuer

Ärger, Wut, Feuer

Ärger, Liebe, Leidenschaft, Feuer

Blauäugig, leichtgläubig, gefroren, kalt

Kälte, ohne Geld, unschuldig

Ohne Geld

(kein besonderer Ausdruck)

Weiß

Reinheit, Unschuld Friede, Reinheit, Unjung UnUnschuld schuld, schuld, Furcht, Reinheit erfolglos, Liebesaffäre

Rot

Ärger, Feuer

Blau

Gelb

Ärger, Hitze, Vergnügen, Schüchternheit

Ärger, Liebe, Leidenschaft, Feuer

Krieg, Blut, Leidenschaft, Feuer

Wut, Furcht Ärger, Romanze

Ärger, Furcht

Treue

Qualität Eifersucht, Schwierigkeit, Probleme zu lösen

Neid

Krankheit

Eifersucht

Verzweiflung, Plage

Ärger, Gefahr, Feuer

Ärger

Gefahr, Falschheit, Neid

Thieme, W. (2000), S. 64; vgl. Lewis, R. (2000), S. 165; vgl. Mooji, M. (1998), S. 45f.] 3.2.1.2 Impliziter Sprachgebrauch Einer These von Mehrabian zufolge ist der Gesamteinfluss einer Botschaft weitgehend auf den impliziten Sprachgebrauch, als Antonym für verbale Kommunikationsformen, zurückzuführen. Des Weiteren vertritt diese Theorie die Auffassung, dass die nonverbale Kommunikation einen nachhaltigen Einfluss auf das inhaltliche Verständnis einer Nachricht ausübt, weil der Empfang einer Nach-

94

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

richt lediglich zu 7 Prozent von der eigentlichen Wortwahl beeinflusst werden kann. Ergo ist die nonverbale Kommunikation für eine linguistische Mitteilung insofern unabdingbar, als sich die Aussagekraft der beabsichtigten Mitteilung wesentlich auf die Aussprache (38 Prozent) und nonverbale Attribute wie Gestik und Mimik (55 Prozent) stützt. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 82 bzw. 84.] Auf Grundlage dieser Theorie machen nonverbale Komponenten einer linguistischen Botschaft einen ausgewogenen und präzisen Gebrauch der gegebenen Kommunikationsmittel erforderlich, um eine Inkonsistenz zu vermeiden, die, durch kulturelle Eigenheiten der impliziten Sprache bedingt, zu Verwirrungen bis hin zu Missdeutungen und Missverständnissen bezüglich dem Botschaftsinhalt führen können. [Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 314; vgl. Blom/Meier (2002), S. 82 bzw. 84.] 3.2.1.3 Expliziter Sprachgebrauch Neben der Berücksichtigung von nonverbalen Kommunikationselementen müssen zudem die Grundprinzipien des expliziten Sprachgebrauchs bedacht werden, da die verschiedenartigen Sprachen voneinander abweichende Entwicklungsstufen durchlaufen haben. Einzelne Vokabeln sowie Assoziationsmodelle in Form von Fachausdrücken und Redewendungen zeichnen sich neben der schlichten Bezeichnungsebene auch durch weitergehende Denkmodelle aus, die zur Erfassung bestimmter Realitätsausschnitte auf der Kontextebene herangezogen werden können. [Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 310.] Von diesem gedanklichen Ansatz ausgehend sind regional variierende Übertragungsabweichungen und Kommunikationsbarrieren aufgrund vielfältiger sprachlicher Termini, denen in anderen Sprachkulturen keine äquivalente Bedeutung gegenüberstehen, nicht zuletzt auf zahlreiche ethnische Einflüsse innerhalb eines Landes zurückzuführen. [Vgl. Meissner, H. (1999), S. 363; vgl. Mooij, M. (1998), S. 52; vgl. Berndt/Altobelli/ Sander (1999), S. 27; vgl. Jaeger, A. (1998), S. 93.] Um die Problematik der so genannten „linguistic blancs“ Erfolg versprechend anzugehen, ist es international agierenden Handelsunternehmen zur Vermeidung von unerwünschten Assoziationen zu empfehlen, absatzrelevante Texte nur von Muttersprachlern des Ziellandes übertragen oder adaptieren zu lassen. [Vgl. Clavel/Schoenenberger (2000), S. 194 bzw. 200; vgl. Thieme, W. (2000), S. 199; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 494.] Bis dato zeigen die Ausführungen bezüglich verbaler und nonverbaler Kommunikationstechniken, dass die Sprache als Element der soziokulturellen Um-

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

95

welt reichlich Konfliktpotenzial für Handelsaktivitäten auf fremdartigen Märkten beinhaltet. [Vgl. Curry, J. (2000), S. 162; vgl. Plutschow-Willi, P. (1999), S. 117.] In Abhängigkeit des Ziellandes und der Produktsparte können mittels sprachlicher Elemente jedoch auch positive Agglomerationseffekte dahingehend ausgenutzt werden, dass beispielsweise die alleinige Angabe des Herkunftslandes eine absatzfördernde Wirkung hervorrufen kann. Grundvoraussetzung für eine derartige nationenbedingte Bewertung sind verbraucherspezifische Assoziationseffekte in Bezug auf kulturelle oder gesellschaftliche Gegebenheiten, denen kulturelle Anpassungsprozesse zugrunde liegen. [Vgl. Bruhn, M (2002), S. 425; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 499; vgl. Sacra, E. (1997), S. 54.] Ein gegenläufiges Szenario kann aus Unabhängigkeitstendenzen im Sinne einer „kulturellen Abgrenzung“ mit dem Appell zur Unterstützung heimischer Erzeugnisse deduziert werden und ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein zum Vorschein bringen. [Vgl. Bruhn, M. (2002), S. 425; vgl. Meffert/Bolz (1998), S. 43.] 3.2.2

Divergente Ausprägungen von Kultur

Zur effizienten Realisierung von interkulturellen Managementstrategien ist, neben fundamentalen Kenntnissen der sprachlichen Charakteristiken, deren Komplexität im vorangegangenen Passus herausgearbeitet worden ist, auch spezifisches Wissen um die landestypische Kultur erforderlich. Der Terminus Kultur ist mit einer abstrakten Begriffsdefinition behaftet, welche, gemessen an den sprachlichen Komponenten, eine noch komplexere Dimension zum Ausdruck bringt. Kultur wird gemeinhin als Gesamtheit der Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeugungen einer sozialen Einheit definiert, deren kollektiv geteilten, impliziten und expliziten Verhaltensweisen und -muster sowie Artefakten sich im Laufe der Zeit herausbilden, generationsübergreifend vermittelt und durch Medien beeinflusst werden. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 658; vgl. Blom/Meier (2002), S. 38; vgl. Meffert/ Bolz (1998), S. 44; vgl. Mühlbacher/Dahringer/Leihs (1999), S. 211: „...standards of beliefs, perception, evaluation, behaviour shared by the members of a social group.“; Rother (1991), S. 53.] Als soziale Systeme können soziale Interaktionen in einer nationalen Gesellschaft, ethnische Gruppierungen, gesellschaftlichen Schichten oder Organisationen bzw. Unternehmungen in Betracht gezogen werden, deren erlernte Verhaltensformen den intellektuellen Aspekt unserer Zivilisation figurieren. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 39; vgl. Dülfer, E. (2001),

96

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

S. 318; vgl. Lichtenberger, B. (1998), S. 292 bzw. 294.] Von dieser grundlegenden Definition des Kulturbegriffs ausgehend können zwei konkrete Ebenen zur Abgrenzung von materiellen und immateriellen Elementen einer Kultur deduziert werden. Für tiefer liegende, verborgene Komponenten steht die so genannte Concepta (Grundannahmen, Werte, Normen, Einstellungen und Überzeugungen), eine konträre Perspektive bildet die so genannte Percepta einer Kultur ab, die empirisch kontrollier- und nachvollziehbare Elemente der Concepta-Ebene aufgreift (Verhaltensweisen, Artefakte). [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 659 bzw. 738; vgl. Blom/Meier (2002), S. 43.] Ungeachtet dieser Differenzierung unterliegen die Concepta- und Percepta-Ebenen permanenten Interdependenzen im Sinne von handlungsbezogenen Einfluss- bzw. Restriktionsfaktoren, die eine kulturelle Anpassungsfähigkeit bedingen, um den spezifischen Anforderungen einer bestimmten sozialen Einheit im Zeitablauf gerecht zu werden. Demzufolge prägt Kultur die Identität einer ethnischen Gruppierung, während die Identität eines Individuums von der Persönlichkeit beeinflusst wird. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 659f.] 3.2.2.1 Grundannahmen Analog zu der definitorischen Kontroverse angesichts des Terminus Kultur herrscht in der einschlägigen Literatur ebenfalls keine völlige Konformität in Bezug auf die oben aufgeführten Expressionen. In diesem Kontext werden die gemeinhin latenten und kulturintern für selbstverständlich erachteten Grundannahmen der Concepta-Ebene auf der unteren Basis kultureller Verflechtungen angesiedelt, deren generellen Orientierungen sich auf Anschauungen gegenüber Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbildern begründen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 659 bzw. 672f; vgl. Blom/Meier (2002), S. 44; vgl. Engelhard, J. (1999), S. 333.] Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Assoziation von Kultur als der schweigenden Sprache („silent language“) insofern, als einer Kultur tief liegende Annahmen unbewusst zugrunde gelegt werden. [Vgl. Kutschker/ Schmid (2002), S. 659; vgl. Lichtenberger, B. (1998), S. 294.] 3.2.2.2 Werte Unabhängig von kulturell bedingten Einflussfaktoren wird das individuelle Konsumentenverhalten durch komplexe kognitive und aktivierende Prozesse (Emotionen, Gefühle und Einstellungen) auf der Basis von impliziten und expliziten

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

97

Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmustern gesteuert. [Vgl. Meffert/Bolz (1998), S. 44; vgl. Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (2000c).] Unter Zugrundelegung dieses Bezugsrahmens können Werte als zeitlich relativ stabile Indikatoren definiert werden, die den Konsumenten moralische und instrumentelle Handlungsmuster vorgeben und auf repetitive soziale Handlungen zurückzuführen sind. [Vgl. Doole/Lowe (1999), S. 80; vgl. Apfelthaler, G. (1999a), S. 21f.] Diese auf hohem Abstraktionsniveau befindlichen Orientierungspunkte, die nicht-gegenstandbezogenen Aspekten unterliegen, können die Auswahl von (Unternehmens-) Zielen und Methoden beeinflussen, indem eine Relation zwischen einer Gegebenheit und den Grundsätzen eines wertenden Menschen erstellt wird. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 673; vgl. Wieland, J. (2002), S. 796; vgl. Blom/Meier (2002), S. 43.] In der unternehmerischen Praxis wird das Wertesystem in Leistungs-, Organisations- und moralische Werte kategorisiert, die auf Unternehmensebene unter anderem in Werte der Kundenfreundlichkeit, Qualität und Kundentreue heruntergebrochen werden können. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 43; vgl. Wieland, J. (2002), S. 796.] Wertvorstellungen eines zu einer sozialen Einheit zugehörigen Individuums unterliegen gleichermaßen kulturell bedingten Komponenten als auch subjektiv festgelegten Präferenzen, die durch die individuelle Wahrnehmung eines objektiv gegebenen Sachverhaltes determiniert werden. [Vgl. Klöti/Bisang (1999), S. 40; vgl. Dülfer, E. (1999), S. 318.] Parallel bedingt die zunehmende Pluralität der zeitgenössischen Gesellschaftsformen einen kulturellen Entwicklungsprozess, der die gesellschaftliche Bedeutung von kulturellen Regelungen untergräbt und in kulturellen Anpassungsprozessen resultiert. [Vgl. Bittner, A. (2002), S. 767.] Der potenziellen Absatzmarkt sollte keineswegs mit gefestigten Erwartungen, Stereotypen oder Vorurteilen begegnet werden, sondern der dringlichen Erfordernis von „interkultureller Sensibilität“ gewahr werden und im Sinne von „kultureller Kompetenz“ Berücksichtigung finden. [Vgl. Bittner, A. (2002), S. 775; vgl. Berndt/Streich/Scheck (1999), S. 6; vgl. Apfelthaler, G. (1999a), S. 22f bzw. 57; vgl. Mooij, M. (1998), S. 49; vgl. Lingenfelder, M. (1996), S. 289.] Neben konkretem, erlernbarem Wissen über Mentalitätsunterschiede, divergierenden Wertvorstellungen und Handelsbräuchen ist ein internationales Bewusstsein im Sinne einer interkulturellen Grundhaltung und Akzeptanz der Andersartigkeit unabdingbar, um mitunter folgenschwere Fehleinschätzungen

98

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

des spezifischen Kauf- und Verwendungsverhaltens zu vermeiden. [Vgl. Bittner, A. (2002), S. 775; vgl. Eppinger, H. (2002), S. 43.] 3.2.2.3 Normen Eine stärkere Konkretisierung und ein größerer Interaktionsbezug grenzt ethische Normen (values) als eine weitere Komponente der Concepta-Ebene von der zuvor erläuterten, abstrakt gehaltenen Perspektive der Werte ab. Standardisierte Verhaltensmuster, deren vorwiegend ungeschriebene Verhaltensregeln bestimmte Handlungsabläufe für verbindlich erklären, geben typische Attribute von Normen wieder. Der praktische Transfer zur ethnischen Perspektive einer Unternehmenskultur wird anhand rechtlicher, organisatorischer und moralischer Regeln vollzogen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 673; vgl. Blom/Meier (2002), S. 43; vgl. Wieland, J. (2002), S. 796; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 318; vgl. Meissner, H. (1999), S. 359.] Berührungspunkte zwischen den Werte- und Normensystemen (Sitten, Traditionen) einer jeden Kultur sind institutionalisierte objektivierte Leitlinien, die einschränkende Wirkungen auf die Aufnahmebereitschaft von im unmittelbaren Lebensumfeld vorhandenen Reizen ausüben. [Vgl. Doole/ Lowe (1999), S. 80; vgl. Apfelthaler, G. (1999a), S. 21f.] 3.2.2.4 Einstellungen und Überzeugungen Eine durch Affektionen und Emotionen hervorgerufene psychologische Bereitschaft zur befürwortenden oder ablehnenden Bewertung von konkreten Situationen, spezifischen Handlungen und Interaktionen mit bestimmten Personen ist dem Terminus Einstellungen („attitudes“) inhärent. Zusätzliche Beurteilungskomponenten zeichnen Werthaltungen in der Bedeutung einer subjektiven, wertenden Einschätzung des Erreichens von gesetzten Zielen oder des Einhaltens bestimmter Verhaltensweisen aus und stellen somit einen Spezialfall von Einstellungen dar. [Vgl. Klöti/Bisang (1999), S. 39f; vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 673.] Intersubjektiv nicht nachprüfbare Auffassungen oder Überzeugungen, die in ihrer individuellen Sichtweise bereits an persönliche Glaubensansätze (beliefs) heranreichen, determinieren die Concepta-Ebene. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 673; Dülfer, E. (2001), S. 318.]

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

99

3.2.2.5 Verhaltensweisen und Artefakte Die zuvor angeführten Werte- und Normensysteme als Repräsentanten der ethischen Perspektive einer Unternehmenskultur werden durch das Symbolsystem der Percepta-Ebene ergänzt. [Vgl. Wieland, J. (2002), S. 796; Kutschker/Schmid (2002), S. 674; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 231.] Diese beinhaltet neben materiellen, objektorientierten Symbolen wie die corporate identity – dem äußeren Erscheinungsbild und Auftritt einer Unternehmung – auch interaktionale (Traditionen, Rituale, Zeremonien) und sprachliche Komponenten. [Vgl. Kutschker/ Schmid (2002), S. 674.] Auf den Grundannahmen, Werten und Normen der Concepta-Ebene aufbauend, verkörpern Artefakte als explizite Kulturträger des Symbolsystems die direkt wahrnehmbaren Aspekte einer Kultur. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 41 bzw. 45; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 231.] Eine metaphorische Illustration des Kulturbegriffs kann durch den figurativen Charakter einer Zwiebelstruktur manifestiert werden, welche sich analog zur Concepta Konzeption in ein System von Symbolen (Kodizes), Helden, Ritualen im Sinne von zyklisch wiederkehrenden, kollektiven Aktivitäten (Institutionen) sowie in Werthaltungen und Grundannahmen der Percepta-Ebene aufgliedern lässt. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 39f bzw. 42f.] Abschließend kann festgehalten werden, dass allen Erklärungsansätzen eine systematische Methodik zur Interpretation von Objekten, Ereignissen und Myriaden von Denk-, Fühl- und Handlungsmustern gemein ist. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 38; vgl. Paliwoda/Thomas (1998), S. 44.] Die einer Kultur gemeinhin zugeschriebenen Funktionalitäten werden gewissermaßen „en passant“ verwirklicht und beinhalten Komponenten zur Orientierung, Sinn- und Identitätsfindung, Motivation, sowie Koordination bzw. Integration. Zudem wird der Kultur, neben Ordnungs- und Komplexitätshandhabungsfunktionen zur Erleichterung des Zusammenlebens von Individuen, eine Legitimationsfunktion zugewiesen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 660f.] 3.2.3

Transnationale Forschungsstudien kultureller Ideologien

Auf europäischer Ebene liegen der Integration transnationale Kulturentwicklungen zugrunde, deren eigentliche Triebkräfte nicht auf nationale Einzelprozesse, sondern auf mannigfaltige Facetten europäischer Kulturgeschichte zurückzuführen sind. So wurden grundlegende philosophische Ideologien durch „alte Grie-

100

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

chen“ wie Sokrates, Aristoteles und Sartre sowie Philosophen wie Kant und Camus geprägt, während sich die europäische Ethik im Wesentlichen auf die christliche Religion begründet. Des Weiteren steht die europäische Musik unter dem Einfluss von Vivaldi, Bach oder Verdi, während die Malerei wesentliche Impulse aus den Kunstwerken von da Vinci, Rembrandt, Picasso, Miro oder Dali zieht. [Vgl. Müller-Merbach, H. (2002), S. 752f.] Anhand dieser exemplarischen Auflistung von bedeutenden Persönlichkeiten der europäischen Kulturgeschichte kann aufgezeigt werden, dass bestimmte Gruppen von Menschen aufgrund kollektiver kultureller Wurzeln auf gewisse Reize ihrer Umwelt grundsätzlich ähnlich reagieren und Parallelen im Denken, Fühlen und Handeln aufweisen. [Vgl. Bittner, A. (2002), S. 765] 3.2.3.1 Kulturdimensionen nach Hall (Kontextorientierung) Der Transfer von transnationalen Kulturentwicklungen hin zu einer wirtschaftsorientierten Perspektive zeigt auf, dass Unternehmungs-, Branchen- und Landeskulturen, insbesondere im Stammland einer international agierenden Handelsunternehmung, starken Einfluss auf die Unternehmensethik ausüben. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 662.] Aus dem hohen wirtschaftlichen Interesse heraus wurden verschiedenartige Kulturstudien entwickelt, die erste Ansätze zur Charakterisierung signifikanter Kulturdimensionen bieten. Die von Hall konzipierte Schematik zur Klassifizierung von vier Kulturdimensionen beinhaltet die Kommunikation als zentrales Kulturmerkmal unter Berücksichtigung von Kontext, Raum, Zeit und Informationsgeschwindigkeit. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 694f; vgl. Jaeger, A. (1998), S. 93.] Konträre Informationsbedürfnisse, um eine gesendete Botschaft profund zu übermitteln, liegen beispielsweise der Systematik der Kontextorientierung zugrunde, die eine primäre Unterscheidung in so genannte high- bzw. low-context-Kulturen vornimmt. Eine implizite Kommunikationsform, in der wesentliche Komponenten der originären Botschaft nicht ausdrücklich verbal kommuniziert, sondern vielmehr ein Verständnis der nonverbalen kommunikativen Mittel und Kenntnisse bezüglich des Kontextes innerhalb der (sozialen) Umwelt vorausgesetzt werden, zeichnen eine so genannte high-context-Kultur aus. Hingegen führt eine deutliche, direkte und explizite Art der Kommunikation zu einem hohen Ausmaß an unmittelbaren Informationen, die wenig Interpretationsspielraum toleriert. Diese

3.2 Analyse des sozikulturellen Umfeldes

101

Japanese

High

Arabs Latin Americans Italians/Spanish

Context

French English North Americans Scandinavians Germans

Low

Swiss

Explicit

Abb. 3-4:

Messages

Implicit

Verbundenheit zur Nationalkultur Quelle: Doole/Lowe (1999), S. 99; Kutschker/Schmid (2002), S. 696

charakteristische Ausprägung der low-context-Kultur kommt auch durch breite Anwendung von technologischen Entwicklungen wie das Internet und Email als typische Kommunikationsinstrumente zum Ausdruck. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 695; vgl. Blom/Meier (2002), S. 64f.] Wie aus dem schematischen Überblick in Abb. 3-4 hervorgeht, werden Japaner, Araber und Lateinamerikaner gemeinhin als repräsentative Vertreter der high-context-Kulturen gesehen, hingegen zeichnen sich insbesondere die Deutschschweizer durch eine low-contextKultur aus, die beispielsweise gesteigerten Wert auf schriftlich fixierte Vertragsvereinbarungen legt. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 696; vgl. Apfelthaler, G. (1999a), S. 47; vgl. Mühlbacher/Dahring-er/Leihs (1999), S. 185; vgl. Doole/Lowe (1999), S. 98f.] 3.2.3.2 Kulturdimensionen nach Hofstede Eine weitere Studie unter dem Aspekt der Kulturforschung wurde durch Hofstede publiziert, der Begriffspaare wie Individualismus – Kollektivismus und Maskulinität – Femininität als Kriterien zur Abgrenzung von Kulturdimensionen

102

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

heranzieht. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 707-709; vgl. Meissner, H. (1999), S. 360; vgl. Hasenstab, M. (1999), S. 104.] In Analogie zu den Kulturmerkmalen nach Hall erfolgt eine simplifizierende Abstrahierung der Prämissen durch die Gleichsetzung von Kulturen und Ländern. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 717.] Von diesem Faktum abgesehen beinhaltet diese Theorie gleichermaßen fundamentale Ansatzpunkte zur primären Einordnung eines fremden Ländermarktes. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 739.] Während der Terminus Kollektivismus von starken, geschlossenen Gesellschaftsbeziehungen ausgeht, in der bedingungslose Loyalität als moralisches Selbstverständnis empfunden wird, beinhaltet der konträre Ausdruck des Individualismus eine lockere gesellschaftliche Bindung, die in der Erwartung resultiert, für die unmittelbare Familie selbst zu sorgen. Des Weiteren gelten herausfordernde Aufgaben, die zum einen große Freiräume bei der Arbeitsgestaltung einräumen und zum anderen genügend Zeit für Privat- und Familienleben gewähren, als typische Attribute. [Vgl. Kutschker/ Schmid (2002), S. 707f.] Arbeitsatmosphären, die sich durch ein angenehmes, freundliches Klima auszeichnen und in denen sich die Rollen der Geschlechter überschneiden, werden femininen Gesellschaftstypen zugeordnet. Hingegen sind starke Diskrepanzen zwischen den Rollenverteilungen mit einer minimalen Mitbestimmung der Frau sowie dominanten Werte wie Ehrgeiz, Selbstdisziplin, Härte und Karriereorientierung kennzeichnende Aspekte von maskulin-orientierten Gesellschaften. Der höhere Stellenwert von beruflicher Arbeit gegenüber Freizeit wird zudem deutlich, indem hohe Verdienstmöglichkeiten, Anerkennung und Optionen zum beruflichen Aufstieg im Vordergrund stehen. [Vgl. Kutschker/ Schmid (2002), S. 709f; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 375.] 3.2.3.3 Interkulturelle Marktforschung Als Fazit der Kulturdimensionen nach Hall und Hofstede kann nunmehr festgehalten werden, dass eine derartige Einordnung von Ländern in so genannte „Kulturcluster“ bzw. in kulturverwandte Länder lediglich als ein primärer Ansatzpunkt gelten kann. [Vgl. Blom/Meier (2002), S. 56; vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 739.] Auf die Basisinformationen der traditionellen, quantitativ ausgerichteten Marktforschung zurückgreifend, bedarf es zudem umfangreicher, interkulturell ausgerichteter Marktforschungsuntersuchungen, die durch Aspekte des Verstehens von Lebenszusammenhängen und der Interpretation von Beziehungsmodellen ergänzt werden. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse bezüglich des

3.3 Analyse des politisch-rechtlichen Umfeldes

103

kulturell geprägten Wertesystems ermöglichen eine Analyse der Verbrauchsund Konsumgewohnheiten sowie des Spar- und Investitionsverhaltens von sozialen Einheiten. [Vgl. Meissner, H. (1999), S. 355 bzw. 359.] Fernerhin gehen maßgebliche Impulse einer interkulturellen Kommunikation zunehmend von Subkulturen im Sinne von sozialen Identitäten aus, die eine kleine kulturelle Einheit innerhalb einer Gesellschaft repräsentieren, deren Erfahrungswerte und Werthaltungen in ihren spezifischen Ausprägungen interdependent mit sozialen Einheiten sind. [Vgl. Thieme. W. (2000), S. 63; vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 303.] 3.2.4

Bildung und Religion

Die Konsumgewohnheiten hängen häufig mit dem Bildungsniveau zusammen. Das Bildungsniveau bestimmt, welche Medien von den Verbrauchern gekauft bzw. genutzt werden. Auch hängt die Nachfrage nach bestimmten Angeboten, wie beispielsweise die Nachfrage nach Medien zu klassischer Musik, nach Büchern, Theater- und Museumsbesuchen stark mit dem Bildungsniveau zusammen. Auch sind Länder, die eine hohe Analphabetenquote verzeichnen, für Kampagnen in Printmedien ungeeignet. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 30.] In vielen Ländern werden die Konsumenten durch die Religion stark geprägt. Dies kann zu erheblichen Marketing-Entscheidungskonsequenzen führen. So müssen beispielsweise für den Export in islamische Länder tierische Fette durch pflanzliche Fette ersetzt werden. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 28.]

3.3 Analyse des politisch-rechtlichen Umfeldes Das politisch-rechtliche Umfeld wird durch die politische Lage und durch die politische Stabilität eines Landes bestimmt. Dazu gehören insbesondere politische Konflikte, Souveränitätsbestrebungen, die Rolle des Militärs, politische Interventionen, das Wirtschaftssystem und die Wirtschaftsordnung sowie tarifäre und nicht tarifäre Handelshemmnisse. Diese politischen Faktoren können ein erhebliches Auslandrisiko darstellen, da sie zu einem wirtschaftlich instabilen Klima führen. Eine Expansion in einzelne Länder wird somit unattraktiv oder gar verboten. Markteintrittsbarrieren werden aber auch durch protektionistische Maßnahmen erstellt. Als Beispiel dafür kann man Importkontrollen und Einfuhr-

104

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Schweiz

2

Japan

3

Österreich

4 12

Deutschland

22

Niederlande Großbritannien

29

Portugal

40

USA

41 50

Schweden

65

Neuseeland

77

Frankreich

81

Norwegen

119

Irland

123

Australien

158

Italien Finnland

168

Dänemark

170 219

Kanada

300

Griechenland

324

Spanien

0

Abb. 3-5:

50

100

150

200

250

300

350

Durch Arbeitskämpfe verlorene Arbeitstage je 1.000 Beschäftigte 1990– 1999. Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft (2001), S. 73; Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 24

zölle nennen, die zum Schutz der heimischen Wirtschaft erstellt wurden. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 23.] Wie bereits erwähnt sind durch die Zollunionen und Handelsabkommen in vielen Teilen der Welt Liberalisierungstendenzen zu beobachten. Ein anderer notwendiger Faktor für die Entscheidung von Direktinvestitionen ist die Neigung eines Landes zu Arbeitskämpfen und Streiks. Abbildung 3-5 zeigt die verlorenen Arbeitstage je 1.000 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt 1990–1999 im europäischen Vergleich auf.

3.4 Analyse des ökonomisch-wirtschaftlichen Umfeldes

105

Auch entscheidend für einen Markteintritt sind die steuerlichen Aspekte eines Landes. Ein europäischer Vergleich der Variation der Steuerbeiträge bildet die Abbildung 1-24 in Abschnitt 1.1.5.5 ab. Durch nichttarifäre Handelshemmnisse wie Subventionen, Ausgleichszölle, restriktive Devisenbestimmungen und Mindestpreisfestsetzungen kann eine Expansion des Weiteren gehemmt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich durch das Rechtssystem, das Heimat- und Gastlandrecht sowie das internationale Wirtschaftsrecht. Durch das Rechtssystem wird die allgemeine Rechtsordnung eines Staates beschrieben, wobei grundsätzlich zwischen Common Law und Code Law unterschieden werden kann. Das Common Law basiert auf Tradition und Praktiken der Vergangenheit und ist für den angelsächsischen Raum kennzeichnend. Das Code Law beruht auf umfassenden Katalogen von Rechtsvorschriften und ist für Länder wie Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich typisch. In gewissen Ländern, wie z.B. verschiedenen islamistischen Staaten, wird das Rechtsystem sehr stark durch die Religion geprägt. Die Unterschiede in den verschiedenen Rechtssystemen können für das Marketing wesentliche Folgen haben. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 26f.]

3.4 Analyse des ökonomisch-wirtschaftlichen Umfeldes Die ökonomischen Faktoren dienen dazu, Größe und die Eigenschaften von verschiedenen Auslandsmärkten zu erfassen. Anhand der Größe eines Marktes kann auf das Marktpotenzial und Marktvolumen geschlossen werden. Zu den ökonomischen Faktoren gehören die Bevölkerungsentwicklung, das Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf, das Pro-Kopf-Einkommen und die Einkommensverteilung, die Inflationsquote, die Kaufkraft, die Zinsentwicklung sowie die Arbeitslosenquote. Für die Absatzchancen ist in erster Linie die Bevölkerungsentwicklung von Bedeutung. Weltweit ist dabei ein deutliches Wachstum der Bevölkerung zu verzeichnen. Jedoch beschränkt sich dieses Wachstum auf die Entwicklungsländer. Die Industrieländer hingegen können kaum noch Zuwächse verzeichnen. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 16] Detaillierte Informationen sowie Tabellenvergleiche zu den Punkten Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf, Pro-Kopf-Einkommen und die Einkommensverteilung, Inflationsquote, Kaufkraft, Zinsentwicklung sowie die Arbeitslosenquote finden sich in den Länderanalysen in Kapitel 5 des Buches.

106

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Tabelle 3-2: Bevölkerungsentwicklung in den Industrieländern in Millionen Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft, 2004, S. 125 1970

1990

2003

Deutschland

78,07

79,75

82,52

Frankreich

50,77

56,74

60,18

Italien

53,82

56,72

58,00

Spanien

33,78

38,85

40,22

Schweiz United Kingdom USA

6,81

6,71

7,41

55,63

57,56

60,09

205,05

250,13

290,34

3.5 Analyse des technologischen Umfeldes 3.5.1

Fortschritt durch technologische Innovationen

Als Ausgangsbasis für Innovationen umfasst Technologie das theoretische Wissen über naturwissenschaftliche und technische Wirkungszusammenhänge, welche beispielsweise in einer Rationalisierungstechnologie resultieren können, deren Fokus auf interne Kosteneinsparungen gerichtet ist. Der Terminus Innovation ist auf den lateinischen Begriff „novus“ zurückzuführen, dessen fundamentalen Komponenten sich mittels Assoziationen aus dem Faktor „Zeit“ und den Elementen der „Neuheit“ respektive „Veränderung“ formieren lassen. Von dieser grundlegenden Definition ausgehend kennzeichnen der Neuigkeitsgrad, die gesteigerte Komplexität einer Neuheit, der damit verbundene Unsicherheits-/Risikofaktor und der implizierte Konfliktgehalt dominante, charakteristische Merkmale einer technologischen Innovation. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 33, 37, 39 bzw. 45f.] Aus der Perspektive eines Handelsunternehmens beruht eine technologische Innovation auf dem Einsatz oder der Anwendung einer Technologie, die mit der Zielsetzung der Profilierung und Rationalisierung entwickelt und/ oder eingeführt wird. Aufgrund von verkürzten Technologie- und Produktlebenszyklen ist die Umsetzung von Innovationen zeitlich determiniert, indes gehören Branchen-, Regionen- oder Anwendungstransfers gleichermaßen dem innovativen Komplex an. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 36, 45f.] Prinzipiell können verschiedenartige Innovationskategorien spezifiziert werden, die sich auf die Ebene des Leistungsangebotes (Produktinnovation), auf

3.5 Analyse des technologischen Umfeldes

107

Prozesse innerhalb der Leistungserstellung (Prozessinnovation) und in Veränderungen im Humanbereich (Sozialinnovation) dezimieren lassen. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 49f.] 3.5.1.1 Innovatorische Potenziale in Korrelation mit Innovationshemmnissen In einer mit mobilen Ressourcen (Arbeit, Kapital, Rohstoffe) ausgestatteten „ortlosen“ Welt erlangt eine hohe Innovationsorientierung strategische Vorteile, die sich insbesondere in zeitlichen Dimensionen lokalisieren lassen. [Vgl. Meffert, H. (1998), S. 127; vgl. Kalt, G. (1997), S. 119] Das vom Kunden wahrgenommene Profil eines Handelsunternehmens wird durch die Substituierbarkeit von Produkten, Sortimenten und Betriebstypen determiniert, so dass zielgruppenspezifische Informationen und Produktpräsentationen eine gezielte Ansprache und eine bessere Befriedigung spezifischer Kundenbedürfnisse ermöglichen. Eine fundamentale Verhaltensbereitschaft der involvierten Individuen bezüglich einer adäquaten Nutzung der verfügbaren Innovationspotenziale sowie eine – personale und situative Faktoren betreffende – positive Einstellung gegenüber einer aufgabenkonformen Anwendung sind elementare Einflussgrößen zur Akzeptanz einer Innovation. Einstellungen und Verhaltensdispositionen als zentrale Kennzeichen für innovatorische Akzeptanz werden insbesondere durch technologisches Know-how, fundierte Kenntnisse über den Nutzen und die Bedürfnisbefriedigung der Neuerung sowie durch das Bewusstsein des Umfeldes bedingt. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 81 bzw. 84.] Auf dieser Basis können ferner Zukunftsrisiken für technologische Innovationen minimiert werden, indem eine Förderung von riskanten Technologien unterbunden und Fehlinvestitionen aufgrund von fehlendem Support vermieden werden können. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 6.] Innovatorische Potenziale können überdies durch Transparenz und Effizienzsteigerungen in den Geschäftsprozessen realisiert werden, während der verschärfte Verdrängungswettbewerb, die Popularisation neuer technologischer Entwicklungen, modifizierte Trends im Kaufverhalten und zunehmender Kostendruck als parallele Innovationshemmnisse fungieren. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 1f, 4, 85.] Essenzielle Prämissen, um Innovationshemmnisse in eine zukunftsträchtige Neuerung umzuwandeln, sind an den Kundenbedürfnissen ausgerichtete, marktorientierte Innovationen (Marktfit), die auf adäquaten technologischen Analysen basieren (Technologiefit), das betroffene Umfeld auf die tech-

108

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

nologische Innovation vorbereiten und involvieren (Umfeldfit) sowie die Profilierung im Wettbewerbsumfeld mit dem anvisierten Unternehmensprofil assimilieren (Profilierungsfit). [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 105, 139.] Supplementär offerieren spezifische, interdependente Kulturkompetenzen (Risiko-, Motivations-, Umsetzungskompetenz) innovationsfördernde Auswirkungen, die stark mit dem Informationsfluss und der Partizipation der Organisationsmitglieder in Einklang stehen. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 343, 352f.] Jedwede Störfaktoren in einem Innovationsprozess können den Erfolg einer Neuerung durch ihre charakteristischen Eigenarten maßgeblich dahingehend beeinflussen, dass die Kräftefelder in organisatorischen, konzeptionellen, technologischen, wirtschaftlichen, personellen und kulturellen Dimensionen interdependente Triebkräfte offenbaren. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 53.] 3.5.1.2 Innovationsprozesse im Handel Der Innovationsprozess durchläuft grundsätzlich die Phase der Ideengenerierung (Inventionsphase), das Stadium der Akzeptanz einer Idee und deren Weiterentwicklung (Innovationsphase) sowie die Entwicklungsstufe der Ideenrealisierung (Diffusionsphase), die primär auf die Marktdurchdringung zielt und den Markterfolg einer Innovation impliziert. Aus einem industriellen Blickwinkel heraus beinhaltet die Inventionsphase überwiegend Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Hingegen wird auf der Handelsebene zusehends auf die Optionen der Marktforschung zurückgegriffen, um Kundenbedürfnisse frühzeitig erkennen und befriedigen zu können. Die Wahl des Standortes wird verkörpert durch die Selektion des Personals, neue Technologien, zusätzliche Dienstleistungen, die individuelle Marktbearbeitung und Werbung, das ausgewählte Sortiment, die Preispolitik und das spezielle Ladenlayout so genannte Profilierungsinstrumente des Handels. Des Weiteren können Database Marketing, Telefonmarketing, Direkt Marketing und die Befähigung zur multimedialen, interaktiven Kommunikation zwischen Anbieter und Nutzer mittels Dialogmarketing als innovative Marketinginstrumente eingestuft werden. [Vgl. Unger, K. R. (2002), S. 466; vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 3, 51f. bzw. 141]

3.5 Analyse des technologischen Umfeldes

Inventionsphase (Ideenfindung)

– Marktforschung – Trendforschung – Technologiebeobachtung – Technologieanalyse – Benchmarking – Konzeptentwicklung

Abb. 3-6:

109

Innovationsphase (Realisierung)

– Mitarbeiterschulung – Informationssystementwicklung – Technologieentwicklung – Rahmenbedingungen gestalten

Diffusionsphase (Verbreitung)

– – – –

Marktforschung Panel Marktbeobachtung Innovationscontrolling

Innovationsprozess im Handel Quelle: Büchner, M.-G. (1999), S. 52

3.5.1.3 (Produkt-) Lebenszyklen von technologischen Innovationen Das vorangegangene Jahrzehnt stand im Zeichen des kommunikativen Progresses und machte deutlich, dass hohe Produktinnovationsraten mit verkürzten (technologischen) Produktlebenszyklen einhergehen und der technologische Fortschritt Stadien durchläuft, die ähnlich einem (Produkt-) Lebenszyklus aufgebaut sind. [Vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 66.] Aufgrund seines idealtypischen, S-förmigen Umsatzverlaufs figuriert der Produktlebenszyklus als Basismodell für Anbieter-, Nachfrage- und Branchenzyklen. Diesem Konzept zur Analyse und Visualisierung evolutiver Prozesse liegt die Grundthese zugrunde, dass Neuerungen während ihres Innovationsprozesses differierende „idealtypische“ Lebensphasen durchlaufen. Ferner unterliegt diese Theorie dem Axiom einer zeitlich determinierten Gesetzmäßigkeit, die eine Systematisierung in ein charakteristisches Phasenmodell ermöglicht. [Vgl. Villiger, A. (2000), S. 127; vgl. Villiger/Wüstenhagen/Meyer (2000), S. 13.] Im Anfangsstadium werden so genannte Schrittmachertechnologien entwickelt, die nach der Beseitigung von Entwicklungsunsicherheiten vergleichsweise geringer Forschungsaufwendungen bedürfen, um große Entwicklungsschübe wie eine höhere Leistungsfähigkeit zu erreichen. [Vgl. Hünerberg, R.

110

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

(1994), S. 66f.] Sofern sich diese so genannten Schlüsseltechnologien gegenüber bereits etablierten Konkurrenz-Technologien behaupten können, entwickeln sich Basistechnologien, deren Wettbewerbsvorteile und Entwicklungspotenziale aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks und den daraus resultierenden Nachahmerprodukten rasch ausgeschöpft werden. [Vgl. Weber, P. (1997), S. 55.] Infolgedessen werden Unternehmen, im Hinblick auf eine ökonomische Kosten-NutzenRelation und im Bestreben einer kurzen Amortisationsdauer der Forschungs- und Entwicklungskosten, angehalten, zusätzliche Absatzpotenziale jenseits der traditionellen Marktgrenzen anzuvisieren. Folglich können zeitliche Restriktionen durch eine geographische Expansion der Innovationen bedingt kompensiert werden, indem neue Märkte in das Einzugsgebiet aufgenommen werden. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 181; vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 287; vgl. Meffert, H. (1998), S. 204; vgl. Ravara/Rütschi/Rybach (2001), S. 9.] Neben kürzeren (Produkt-) Lebenszyklen von technologischen Innovationen weisen qualitativ hochwertige Produkte gleichermaßen eine technologische Reife auf, die längere Wiederkaufszyklen und demzufolge eine geographische Ausdehnung des Absatzgebietes bedingen. Eine Standardisierung und Normierung von Technologien fungiert überdies als Triebkraft hinsichtlich einer global orientierten Unternehmenstätigkeit. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 181.] 3.5.2

Progressive Kommunikationsmedien

Der technische Fortschritt von Informations- und Kommunikationstechnologien forciert global orientierte Unternehmenstätigkeiten, deren Geschäftsprozesse mit Unterstützung von interaktiven Medien wie dem Internet weitgehend autonom von örtlichen oder zeitlichen Prämissen flexibel abgewickelt werden können. Obgleich bis dato lediglich ein Bruchteil der denkbaren technologischen Innovationspotenziale erforscht worden ist, figuriert die Entwicklung des Internets ein Meilenstein in der frühen Phase dieses Informationszeitalters, dessen mannigfaltige Anwendungsvariationen zu optimierten Prozessen innerhalb der Wertschöpfungskette (Beschaffung, Distribution, Verkauf) geführt haben. Im Hinblick auf die Zielgruppe des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce) wird gemeinhin zwischen Business-to-Business (B2B) und Business-to-Consumer (B2C) differenziert, wobei Unsicherheiten bezüglich der geltenden Rechtsprechung bei Transaktionen mittels E-Commerce als starke

3.5 Analyse des technologischen Umfeldes

111

Hemmfaktoren zu klassifizieren sind. [Vgl. zu E-Commerce bzw. Online-Marketing Bogner (2006)] 3.5.3

Forschung und Entwicklung (Normen und Patente)

Anhand statistischer Kennzahlen bezüglich nationaler Patentanmeldungen der inländischen Bevölkerung können primäre Anhaltspunkte über das disponible Innovationspotenzial einer Volkswirtschaft gegeben werden. Sofern die zur Verfügung stehenden innovativen Energien auf zukunftsträchtige technologische Innovationen konzentriert werden, können Patente zu einem individuellen, zum Markteintritt befähigenden Vorteil führen, der in einer zeitlich determinierten Überlegenheit in Bezug auf lokale Wettbewerber resultiert. Neben der zukunftsorientierten Relevanz intensiver Forschungs- und Entwicklungsprozesse einer industrialisierten Volkswirtschaft implizieren diese angesichts maßgeblicher Beschäftigungs- und Innovationseffekte gleichermaßen eine gesamtwirtschaftliche Tragweite. [Vgl. Berger, R. (2002), S. 29; vgl. Kutschker, M. (1999), S. 291.] Auf der Handelsebene sind stetige, außerordentliche Neuerungen erforderlich, um fehlende Schutzrechte für Innovationen (z.B. Patente) zugunsten eines temporären Wettbewerbsvorteils ausgleichen zu können. [Vgl. Büchner, M.-G. (1999), S. 139.] Neue Produkte bzw. Produktionsmethoden können von anerkannten Stellen als allgemeine Richtlinien, so genannte Normen, festgelegt werden, die jedoch ein erhöhtes Wettbewerbsrisiko durch Imitationen implizieren. [Vgl. Wiemer, F. (2001), S. 26] Gemäß einer Studie des Fraunhofer ISI üben Normen einen wesentlichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum aus, da diese einheitlichen Standards im internationalen Warenverkehr weniger Schnittstellen- und Kompatibilitätsprobleme verursachen. [Vgl. Fraunhofer ISI (2000b).] Zur Einschätzung des technologischen Standes eines Marktes kann die Kennzahl der Forschungsproduktivität herangezogen werden, die sich aus den Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Verhältnis zu den internationalen Patentanmeldungen errechnet. [Vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 68f.] Wie Bogner/Kury feststellten, rangiert z.B. die Schweizer Eidgenossenschaft im Rating von forschungsrelevanten Indikatoren auf Spitzenpositionen. Neben durchschnittlich 2.078 wissenschaftliche Publikationen pro 1 Million Einwohner, hohen technologischen Potenzialen und 3.000 Patentanmeldungen pro Jahr zeichnet sich die Schweizer

112

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Anzahl wissenschaftlicher Publikationen pro 1 Mio. Einwohner

2.500

2.325 2.078

2.000

1.530 1.500

1.000

879 759

500

0 Schweden

Abb. 3-7:

Schweiz

USA

Deutschland

Japan

Wissenschaftliche Publikationen pro 1 Million Einwohner im Durchschnitt 1994–1999 Quelle: Schweizerischer Wissenschafts- und Technologierat (2000)

Innovationskraft zudem durch die meisten Patentanmeldungen in Relation zur Einwohnerzahl aus. 3.5.4

Qualitätsstandardisierungen

Neue Kommunikationsmedien haben die Transparenz der (Konsumenten-) Märkte dahingehend gefördert, dass sich die gestiegene Nachfragemacht seitens der Verbraucher zunehmend durch individuell geprägtes Qualitätsbewusstsein und subjektiv bewerteter Bedürfnisbefriedigung auszeichnet. [Vgl. Vollert, K. (1999). S. 184; vgl. Meffert, H. (1998), S. 11.] Mittels Zertifizierungen können Nachweise für Qualitätsmanagement bzw. Normen zur Qualitätssicherung geleistet werden, die durch eine automatisierte, permanente Optimierung sowohl den Anforderungen der Handelsunternehmen als auch der Konsumenten gerecht werden sollen. So können auf der Basis einer hohen Produktqualität in Verbindung mit Kundenzufriedenheit hohe Marktanteile erreicht werden. [Vgl. Niedermann/Dubacher (1999), S. 59; vgl. Curry, J. (2000), S. 78.] Neue Technologien

3.6 Analyse des marktspezifischen Umfeldes

113

ziehen auf der originären Produktebene Kostenersparnisse nach sich respektive führen Entwicklungen im Kommunikationssektor zu einer größeren Transparenz von so genannten objektiven Qualitätsbestandteilen („hard facts") wie beispielsweise Preise und Konditionen. [Vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 159f.] Eine Sensibilisierung der Abnehmer wird zudem durch ein gestiegenes Verbraucherbewusstsein und gesetzliche Verbraucherschutzregelungen lanciert. [Vgl. ebenda.] Auf europäischer Ebene konnten sich Zertifizierungen durch die European Foundation for Quality Management (EFQM) etablieren. Darüber hinaus bieten sowohl Ökoaudits als auch die international anerkannte und in der Schweiz ansässige International Organization for Standardization (ISO) ökologische Standards an. [Vgl. Curry, J. (2000), S. 76f; vgl. Brussels Representative Office (1999); vgl. Integrationsbüro EDA/EVD (1999).]

3.6 Analyse des marktspezifischen Umfeldes Die eingehende Darstellung der soziokulturellen Umwelt als ein Strukturelement der globalen Umwelt hat bereits das enge Wechselspiel von kulturellen und kaufverhaltensbezogenen Determinanten aufgezeigt. [Vgl. Meffert, H. (1998), S. 270.] Von den Ansatzpunkten der exogenen Umfeldstimuli ausgehend soll der Blick nun in Anlehnung an das Stimulus-Organismus-Reaktions-Modell (S-O-R Modell) persönlichen und psychologischen Faktoren des Konsumentenverhaltens als Bestandteile der so genannten „Black Box“ des Käufers zugewendet werden. Wie in der nachfolgenden Grafik modellhaft skizziert resultiert aus den exogenen produkt, -situations-, umweltbezogenen und demographischen Einflussfaktoren (Stimuli) sowie den im Konsumenten endogen ablaufenden kognitiven und affektiven Prozessen (Organismus) eine „Response“ in Form einer Kaufentscheidung. Auf der Basis einer Prozessanalyse des individuellen Involvements kann dieses Ablaufschema in vier grundsätzliche Verhaltenstypen unterschieden werden: rationales, habituelles, impulsives und sozial abhängiges Verhalten. [Vgl. Kotler/Bliemel (1999), S. 308 bzw. 334ff.]

114

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Exogene Stimuli

„Black box“ des Käufers

Marketingstimuli

Umfeldstimuli

Faktoren aus dem Hintergrund des Käufers

Prozess der Kaufentscheidung

– Produkt – Preis – Distribution – Kommunikation

– konjunkturelle – technologische – politische – kulturelle

– kulturelle – soziale – persönliche – psychologische

– Problemerkennung – Informationsbewertung – Entscheidung Verhalten nach dem Kauf

Abb. 3-8:

Kaufentscheidungen – Produktwahl – Markenwahl – Kaufstättenwahl – Kaufzeitpunkt – Kaufmenge

S-O-R Modell des Käuferverhaltens Quelle: Kotler/Bliemel (1999), S. 308

3.7 Anwendung unterschiedlicher Business-Modelle zur Internationalisierung Für die Entscheidung eines langfristigen Geschäftsmodells sind Kenntnisse über lokale Gegebenheiten von Relevanz, um in den Zielmärkten einen langfristigen Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Basierend auf der Typologie von Porter können dabei die zwei generellen Handlungsoptionen, Produktführerschaft und Preisführerschaft, durch ein drittes Kriterium die Serviceführerschaft erweitert werden. Durch die Fokussierung auf einige wenige Kernkompetenzen hat das Einzelhandelsunternehmen damit die Möglichkeit, sich gegenüber den Kunden und Lieferanten klar zu positionieren. Zudem können die Unternehmensprozesse effizienter gestaltet, gesteuert und kontrolliert werden. Die Ressourcenallokation kann dank der Bündelung der Aktivitäten bedingt verbessert werden. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 76.]

3.7 Anwendung unterschiedlicher Business-Modelle zur Internationalisierung

115

Tabelle 3-3: Business-Modell Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 76 Geschäftsmodell Channel Retailer

Content Retailer

Global Discounter

Nutzenstrategie

Kundenpartnerschaft

Produktführerschaft

Preisführerschaft

Strategischer Wettbewerbsvorteil

Auswahl an Marken, Service, Ladenlayout

Eigenmarken, Rationalität, Vertrauen

Preis-LeistungsVerhältnis

Operative Kernprozesse

Beziehungspflege Industrie, Sortiment, Service-/Dienstleistung

Marktforschung, Produktentwicklung, „Kult-Kommunikation“

Optimierte Einkaufs-, Logistikund Verkaufsprozesse

Geschäftsstruktur

Hohe Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter

Flexible und dezentrale Netzwerkstruktur

Standardisierte und vereinfachte Abläufe

Managementsysteme

Leistungsmix auf Kundenbedürfnisse ausrichten

Aufbau und Pflege von einzigartigen Sortimentsangeboten

Zuverlässige, schnelle Transaktionen nach vorgegebenen Leistungsmaßstäben

Markteintritt

Mergers & Acquisition

Organisatorisches Wachstum

Organisatorisches Wachstum

Praxisbeispiele

Auchan

Tesco

Wal-Mart

3.7.1

Channel Retailer

Die Nutzenstrategie der Channel Retailer ist auf eine Kundenpartnerschaft ausgerichtet. Der Mitarbeiter wird dabei als strategischer Erfolgsfaktor angesehen und auch dementsprechend ausgebildet und gefördert. Grundvoraussetzung für dieses Modell ist ein international standardisiertes Betriebsformenkonzept sowie eine etablierte Store Brand. Diese Channel Strategie ist insbesondere für die Expansion in Volkswirtschaften mit einem erhöhten oder stark ansteigenden ProKopf-Konsum zu empfehlen. Durch eine enge technologiegestützte Kooperationen mit der Industrie verfügt diese Form zudem über einen potenziellen Wettbewerbsvorteil. Durch innovative Produkt- und Serviceideen kann zusätzlich an Profil gewonnen werden. Für dieses Geschäftsmodell sind Investitionen in Ver-

116

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

kaufsflächen mit flankierender Logistikkompetenz notwendig. Ein langfristig angelegtes Finanzierungskonzept ist aufgrund der hohen Artikelanzahl und dem daraus folgenden geringerem Warenumschlag Grundvoraussetzung. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 77.] 3.7.2

Content Retailer

Der Content Retailer profiliert sich durch ein einzigartiges Produktangebot und die Herausstellung von Handelsmarken. Die ausgeprägte Innovationsorientierung wird durch ein handelsgetriebenes Category Management unterstützt. Die Content Retailer zeichnen sich durch einen delegativen Führungsstil aus und legen Wert auf einen geringen organisatorischen Formalisierungsgrad. Dank der Delegation kann das lokale Management landesspezifische Marktausprägungen besser berücksichtigen und das Profil vor Ort entscheidend beeinflussen. Die Content Retailer verfügen über eine hohe Anzahl von Handelsmarken. Somit ist das Sortiment nicht einfach multiplizierbar, da die Handelsmarken eventuell zuerst den lokalen Kundenpräferenzen angepasst werden müssen. Im Vergleich ist die Expansionsgeschwindigkeit dadurch eher niedrig, jedoch kann durch eine hohe Wettbewerbsintensität die notwendige Bekanntheit und Etablierung der Handelsmarken stattfinden. Der zur Expansion notwendig Free-Cash-Flow der Unternehmen ist meist niedriger als bei Channel Retailern, da die Profitabilität durch den erhöhten Anteil an Private-Label-Produkten und das geringere Investment in die Verkaufsfläche begründet ist. Der reduzierte Kapitalverbrauch führt dazu, dass der Content Retailer den Anteil der Fremdkapitalfinanzierung über den öffentlichen Kapitalmarkt gering halten kann und somit bei zentralen Entscheidungen unabhängig bleibt. Den Erfolgsfaktor dieses Geschäftsmodells bilden das frühzeitige Erkennen von Trends sowie die schnelle Umsetzung in Produkte. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 77.] 3.7.3

Global Discounter

Der Global Retailer verfolgt die Strategie der Kostenführerschaft. Durch effiziente und formalisierte Einkaufs-, Logistik- und Verkaufsprozesse sowie überschaubare und standardisierte Sortimente ist es dem Discounter möglich, die Skaleneffekte über eine aggressive Preisstellung dem Kunden weiterzugeben.

3.8 Standardisierung und Differenzierung der Kommunikation

117

Bei dem Geschäftsmodell Discount sind die Unternehmensprozesse, Sortimente und das Store-Design länderübergreifend standardisiert. Das Sortiment wird von Eigenmarken dominiert. Die Kunden schätzen bei dieser Betriebsform besonders die hohe Produktqualität und die hohe Preiswürdigkeit der Privat-Label-Produkte. Der Marketinganteil wird durch regelmäßige Werbung und Sonderaktionen hoch gehalten. Trotz der vorgeschriebenen Standardisierung ist eine gewisse Flexibilität auch für diese Geschäftsmodell von Vorteil. Neue Expansionen werden überwiegend durch den Unternehmensgewinn finanziert, was eine Beschränkung auf wenige Produkte, das Beibehalten einheitlicher Sortimente, überdurchschnittlich hohe Umlaufsgeschwindigkeiten und lange Zahlungsziele voraus setzt. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 78.]

3.8 Standardisierung und Differenzierung der Kommunikation Die Marktsättigung führt auch im Lebensmitteleinzelhandel dazu, dass ein nennenswertes Anbieterwachstum häufig nur noch über den Eintritt in bisher unbearbeitete Märkte möglich ist. Eine zentrale Problemstellung in der Entscheidungsfindung bei der Internationalisierung stellt die Frage dar, ob der neu zu erschließende Markt in der gleichen Art und Weise wie die bisher besetzen Märkte bearbeitet werden soll (Standardisierung) oder ob eine Marktbearbeitung die die lokalen Gegebenheiten zu berücksichtigen ist (Differenzierung). Nur wenn die Bedürfnisse der Nachfrager in den einzelnen Märkten ähnlich sind, d.h. wenn die Einkaufsmotive der Konsumenten ähnlich ausgeprägt sind, sollte eine standardisierte Ausrichtung der Marktbearbeitung gewählt werden. Für eine standardisierte Marktbearbeitung spricht die Prognose von Levitt (1983), die besagt, dass sich die Konsumentenbedürfnisse international aneinander annähern werden. Er begründet dies durch die Vorstellung des rational handelnden Konsumenten, der standardisierte Produkte zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis bevorzugt. Die zunehmende Mobilität der Bevölkerung und der weltweite Einfluss der Medien forciert diese Entwicklung. [Vgl. Mirow, M. (2002b), S. 739.] Demgegenüber steht die Marktbearbeitung durch die Differenzierung. Die Vertreter dieser Ausrichtung beziehen sich auf zahlreiche Publikationen, in denen nationale Unterschiede im Konsumentenverhalten aufgezeigt wurden. Zudem spricht der zunehmende Wunsch der Konsumenten nach individualisierten Kun-

118

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

denlösungen für eine differenzierte Ausrichtung. [Vgl. Zentes (2004), S. 55.] Wiederum andere Auffassungen gehen von einer optimalen Marktbearbeitung durch die Mischstrategie aus. [Vgl. Weinberg (1993), Müller/Kronmeier (1995)] Eine Unterscheidung kann dabei zwischen den Marketinginstrumenten mit hohem (z.B. Markenname) und solchen mit niedrigem (z.B. persönlicher Verkauf) Standardisierungspotenzial vorgenommen werden. Für die internationale Kommunikationspolitik vorgeschlagen wird eine standardisierte Verwendung übergeordneter, kulturübergreifender anwendbarer Leitmotive, die durch kulturspezifische Inhalte ergänzt werden. [Vgl. Weinberg/Purper (2004), S. 136f.]

3.9 Internationalisierung des Controlling Eine Internationalisierungsstrategie sollte laut Lingenfelder [2001, S. 692] durch ein internationales Controllingsystem begleitet werden. Im Controlling sind die zielorientierte Koordination der Planung und Kontrolle sowie die Information als Teilaufgabe der Führung enthalten. Die Unternehmensführung kann durch das Controlling und die damit verbundene Steuerung der Aufgaben das Unternehmen zielgerichtet den Umweltveränderungen anpassen. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 225.] Eine zentrale Aufgabe des Controllings beinhaltet die kritische Prüfung der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in dem in Betracht gezogenen Auslandsmarkt. [Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 375] Die Koordination des Controllings beinhaltet folgende zwei zentrale Elemente: –

den Entwurf, die Weiterentwicklung und Implementierung von Planungs- und Kontrollsystemen sowie Informationsversorgungssystemen,



die laufenden Abstimmungen innerhalb des bestehenden Systems, die Beseitigung von Störungen und die Sicherstellung der erforderlichen Informationsversorgung.

Der Planungsprozess im internationalen Marketing umfasst eine Vielzahl aufeinander folgender Phasen, die sich zu folgenden Stufen zusammenfassen lassen: [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 86 ff.] –

Situationsanalyse und Situationsprognose,



strategische internationale Marketingplanung,



taktische operative Marketingplanung.

3.9 Internationalisierung des Controlling

119

Informationen

Führungssystem

Planungsund Kontrollsystem

Controllingsystem

Informationsversorgungssystem

Informationen

Anführungssystem Güter Geld

Abb. 3-9:

Das Controlling-System in einer Unternehmung Quelle: Horvàth 1998, S. 111; Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 226

Nach der Planung folgen die Stufen der Realisation und der Kontrolle der Auslandsaktivitäten. In der Kontrollphase wird überprüft, ob bzw. wie die taktisch-operativen Zielvorgaben erfüllt worden sind. Diese ergebnisorientierte Marketingkontrolle kann im internationalen Marketing durch einen Soll-Ist-Vergleich anhand des länderspezifischen Umsatzes, Marktanteils, Gewinns oder des Images bewertet werden. Nach dem Soll-Ist-Vergleich werden Ursachenanalysen sowie die Planung von Anpassungsmaßnahmen für die Folgeperiode vorgenommen. Darüberhinaus sind in der Kontrollphase auch so genannte Marketing-Audits durchzuführen, durch die das Marketing-Planungssystem selbst kontrolliert wird. Das Unternehmensleitbild, die Planungsprämissen und die Organisation der Planung werden bei diesem Schritt überprüft. Zur Kontrolle, ob eine länderspezifische MarketingStrategie für ein bestimmtes Produkt mit den entsprechenden Marketingstrate-

120

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Definitionsphase

Erhebungsphase

Controller

Designphase

Auswertungsphase

Kommunikationsphase

Abb. 3-10: Einbindung des Controllers in den Marktforschungsprozess Quelle: Scherm/Pietsch (2004), S. 382

gien für andere Länder im Einklang steht, können zusätzlich auch länderspezifische Audits zu Marketing-Strategien und -Politiken vorgenommen werden. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 225f.] Für die Informationsgewinnung über den Auslandsmarkt ist es wichtig, dass der Informationsfluss zwischen dem Handelscontrolling und der Marktforschung intensiviert wird. Abbildung 3-10 zeigt die Einbindung des Controllers in verschiedene Phasen des idealtypischen Marktforschungsprozess auf. [Vgl. Scherm/ Pietsch (2004), S. 382.] Um eine zu enge Fokussierung auf quantifizierende Methoden zu vermeiden, ist eine autonome Ausführung von ausgewählten qualitativen Interviews durch die Controller in diesem Fall denkbar. Die Entwicklung eines Internationalisierungskonzepts erfordert von dem Controller eine vertiefte Kenntnis der verfügbaren Marktforschungsdaten sowie des Entstehungszusammenhangs. [Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 383.] Aufgrund der Komplexität von internationalen Marketing-Entscheidungen ist es wichtig, dass die Kontrollaktivitäten sowohl in der inländischen wie auch in der ausländischen Zentrale durchgeführt werden. Anhand Tabelle 3-4 werden die

3.9 Internationalisierung des Controlling

121

Tabelle 3-4: Probleme von international tätigen Unternehmen im den Bereichen der Planung, Kontrolle und Information Quelle: Ziener 1985, S. 121; Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 227 Planungs- und kontrollsystembezogene Probleme

Informationssystem bezogene Probleme

– strategische Planung nur auf die Zentrale beschränkt

– Beschaffung externer Daten in Entwicklungsländern

– zu geringe Unterstützung der strategischen Planung durch das Top-Management

– Datenunsicherheit – Umweltanalyse ist nicht systematisch

– kurzfristige Planungsträgerperspektive

– lückenhafte Nutzung externer Informationsquellen

– ungeeignete Kontrollmaßstäbe für Tochtergesellschaften

– geringfügiger Einsatz von Prognosetechniken

– fehlende Anpassung der Kontrollsysteme an ausländische Tochtergesellschaften

– unzureichende Kommunikation der strategischen Unternehmensziele

– Inkonsistenz zwischen Planungsvorhaben und Kontrollmaßstäben – ungenügende Integration von operativer und strategischer Planung – Überforderung der Tochtergesellschaften – kulturell bedingte Planungswiderstände – Koordinationsprobleme der Planungsund Kontroll-Aktivitäten – höherer Zeitaufwand und damit verbunden die Einhaltung der Zeitpläne

– Auffassungsunterschiede zwischen den Parteien – Informationsüberlastung – geringer Einbezug von schriftlichen Berichten – mangelnde Rechtzeitigkeit der Berichte – Berichte sind häufig vergangenheitsorientiert ausgerichtet – zu hohes Übergewicht des Zahlenwerkes in Berichten

Probleme in einem multinationalen Unternehmen in den Bereichen Planung, Kontrolle und Informationsversorgung aufgezeigt. Damit diese Probleme überwunden werden können, sind interaktive, faire und realisierbare Systeme erforderlich, die sowohl vom inländischen wie auch dem ausländischen Management akzeptiert werden müssen. Zudem sollten alle inund ausländischen Kontrollaktivitäten zu einem internationalen Kontrollsystem zusammengefasst werden. In den Niederlassungen sind ergebnisorientierte Kontrollen nötig, da die jeweilige Ergebnisverantwortung und -beeinflussung von

122

3 Voraussetzungen für die Internationalisierung

Unternehmensleitung

Vorstand/Präsident

Zentrale

Zentralabteilungen

Recht/ Steuern

Personal

Marketing

Finanzen

ZentralControlling

StammHaus Divisionen

Produktdivision Produkt A

Produktdivision Produkt B

Produktdivision Produkt C

DC

Produktdivision Produkt D

DC

Europa TGC Tochtergesellschaften

Inland

Ausland

TGC

TGC

Nordamerika

TGC

Abb. 3-11: Controlling in einer multinationalen Unternehmung DC = Divisions-Controlling TGC = Tochtergesellschafts-Controlling --= funktionale Weisungsbefugnisse Quelle: Ziener 1985, S. 183; Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 229

großer Bedeutung ist. In der inländischen Zentrale sind in erster Linie Audits durchzuführen. Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen sind durch zusätzliche ergebnisorientierte Kontrollen der Niederlassungen im internationalen Vergleich zu überprüfen. [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 227f.] In Abbildung 3-11 wird die organisatorische Einbindung des internationalen Marketing-Controllings nochmals im Überblick dargestellt. Die Einbindung des Controllings in ein multinationales Unternehmen lässt sich abschließend anhand folgender zentraler Punkte charakterisieren [Vgl. Berndt, Altobelli, Sander (2003), S. 228.]:

3.9 Internationalisierung des Controlling

123



Vorhandensein einer zentralen Controllingabteilung, wobei der Leiter Mitglied der Konzernführung ist,



simultane Existenz dezentraler Controllingabteilungen, deren Leiter im obersten Führungsorgan der Managementebene vertreten ist,



die Controller verfügen über beschränkte funktionale Weisungsrechte gegenüber den Linieninstanzen,



funktional sind die dezentralen Controller der jeweils höheren Controllingebene unterstellt. Disziplinarisch sind sie aber der Leistungsinstanz der jeweiligen Managementebene zugeordnet.

4 Möglichkeiten des Markteintritts 4.1 Typologien der internationalen Unternehmenstätigkeit Um internationale Unternehmungen zu typologisieren, werden in der einschlägigen Literatur differierende Konzepte angeführt. Varietäten optionaler Strategien bilden den fundamentalen Ansatzpunkt der nachfolgenden Thesen, um grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten in ihren Grundzügen zu spezifizieren. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die strategische Ausrichtung eines international agierenden Unternehmens nicht uneingeschränkt mit einem Grundtyp gleichgesetzt werden kann. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 285 bzw. 291.] 4.1.1

Konzept der internationalen Unternehmenstätigkeit nach Bartlett/Goshal

Dem strategischen Konzept nach Bartlett und Goshal liegt eine Differenzierung der Unternehmenstätigkeit in eine internationale, multinationale, globale respektive transnationale Strategie zugrunde, deren Kerngedanken aus der Darstellung in Tabelle 4-1 hervorgehen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 282.] Charakteristikum der internationalen Unternehmung ist die Übertragung heimischer Strategien und Technologien auf andere Märkte mit lokalen Anpassungen. Infolgedessen ist in dieser elementaren Vorgehensweise das klassische Modell des Produktlebenszyklus implementiert, das eine stufenweise Einführung von neuen Produkten vorsieht. Über eine vergleichsweise hohe Autonomie verfügen ausländische Niederlassungen oder Tochtergesellschaften bei so genannten multinationalen Unternehmungen. Bei diesem Typus richtet sich der primäre Fokus auf Differenzierung der Leistungen unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten. Hingegen zeichnen sich globale Unternehmungen durch ihre starke Konzentration auf exportorientierte Wettbewerbspositionen aus, deren markanter Akzent durch den Aufbau von Kostenvorteilen gesetzt wird. Gleichzeitig wird bei einer entschiedenen Ausrichtung dieses Modells das Wagnis einer mangelnden Anpassung an die lokalen Erfordernisse zugunsten von Effizienzvorteilen in Kauf genommen. Abschließend wird dieser theoretische Ansatz nach Bartlett/

126

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Tabelle 4-1: Die Typologie international tätiger Unternehmen nach Bartlett/Goshal Quelle: Kutschker/Schmid (2002), S. 284 Strategische Orientierung der Unternehmung Typen der internat. Unternehmung

Internationale Unternehmung

Multinationale Globale UnUnternehternehmung mung

Transnationale Unternehmung

Primärer Fokus des Unternehmungstyps

Übertragung heimischer Technologie auf andere Märkte mit lokalen Anpassungen

Differenzierung der Leistungen entsprechend der Erfordernisse lokaler Märkte

Kostengünstige exportorientierte Wettbewerbsposition

Differenzierung, Standardisierung und Übertragung

Schlüsselfähigkeiten

Fähigkeit zur Innovation und zum Wissenstransfer

Fähigkeit zur Responsiveness gegenüber lokalen Unterschieden

Fähigkeit zur Integration weltweiter Aktivitäten

Fähigkeit zu Responsiveness, Innovation und Integration

Entwicklung und Diffusion von Wissen

Erwerb von Wissen in der Zentrale und Transfer in Auslandniederlassungen

Erwerb und Sicherung von Wissen in jeder Einheit

Erwerb und Sicherung von Wissen in der Zentrale

Gemeinsame Entwicklung und Nutzung von Wissen

Rolle der Auslandsniederlassungen

Anpassung und Anwendung von Kompetenzen der Zentrale

Erkennen und Nutzen lokaler Marktchancen

Umsetzung von Strategien der Zentrale

Differenzierte Beiträge der nat. Einheiten zu integrierten weltweiten Aktivitäten

Konfiguration von Werten und Fähigkeiten

Kernkompetenzen zentralisiert, andere Kompetenzen dezentralisiert

Dezentralisiert und im nationalen Rahmen unabhängig

Zentralisiert und weltmarktorientiert

Weitgestreut, interdependent und spezialisiert

Ghoshal durch die Typologie der transnationalen Unternehmung ergänzt. Anhand von Differenzierung, Standardisierung und Übertragung werden eine weitgehende Optimierung von globaler Effizienz, lokaler Anpassungsfähigkeit und weltweiter Lernfähigkeit angestrebt. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 282 bzw. 284.]

4.1 Typologien der internationalen Unternehmenstätigkeit

127

Neben den aufgeworfenen Strategien als dominantes Entscheidungskriterium unterliegen die unternehmensindividuellen Ausprägungen jedoch vielmehr den Anforderungen und Spezifikationen der zugehörigen Branche. [Vgl. Kutschker/ Schmid (2002), S. 285 bzw. 291.] Abgesehen vom Branchenkriterium betonen die Begründer dieses Ansatzes auch das so genannte „administrative heritage“ einer Unternehmung als Korrelation zwischen der Unternehmungsgeschichte einerseits und der durch die Landeskultur mitgeprägten Unternehmungskultur andererseits. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 287.] 4.1.2

Der EPRG-Konzept nach Perlmutter

Ein zweiter Ansatz zur Typologisierung von multinationalen Unternehmungen geht von der Orientierung des Managements aus, das durch individuelle Werte, Einstellungen, Erfahrungen, Gewohnheiten und Vorurteile beeinflussbar ist. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 271.] Als Charakteristikum einer spezifischen Unternehmenskultur kann die Bearbeitungsmethode einzelner Ländermärkte anhand des so genannten EPRG-Konzepts nach Perlmutter aufgezeigt werden, dessen fundamentale Kriterien in Hinblick auf die unternehmensspezifische Managementorientierungen aus der Übersicht in Tabelle 4-2 entnommen werden können. Bei der ethnozentrischen Orientierung, auch als „home country attitude“ oder Stammland-Orientierung bezeichnet, agieren primär inlandsorientierte Organisationen, die weitgehend unveränderte Produkte auf ausländischen Märkten anbieten. [Vgl. Backhaus/Büschken/Voeth (1998), S. 121f.] Diese Unternehmensstrategie basiert auf der Übertragung von Managementtechniken seitens der Muttergesellschaft und wird oftmals in der Anfangsphase eines Internationalisierungsprozesses angewandt. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 272 bzw. S. 280; vgl. Bleicher, K. (2002), S. 868.] Hingegen ermöglicht eine polyzentrische Orientierung multinationalen Unternehmungen eine länderspezifische Bearbeitung der Auslandsmärkte unter Berücksichtigung von (kulturellen) Differenzen, so dass eine marktnahe Ausrichtung an die lokalen Bedürfnisse gewährleistet werden kann. [Vgl. Meffert/Bolz (1998), S. 25f; vgl. Bleicher, K. (2002), S. 868.] Aspekte wie die Betonung der nationalen Eigenständigkeit und eine gewisse Autonomie in den Entscheidungskompetenzen der mit den lokalen Gegebenheiten vertrauten Partnerunterneh-

128

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Tabelle 4-2: Vier Arten der Managementorientierung in multinationalen Unternehmen Quelle: Berndt/Altobelli/Sander (1999), S. 13 Unternehmensspezifische Kriterien

Orientierung Ethnozentrisch

Polyzentrisch

Regiozentrisch

Geozentrisch

Komplexität der Organisation

Komplex im Heimatland einfach bei den Tochterunternehmen

Variabel und unabhängig

Stark interdependent auf regionaler Basis

Zunehmend komplett stark interdependent auf weltweiter Basis

Autorität, Entscheidungsfindung

Hoch beim Stammsitz

Relativ gering beim Stammsitz

Hoch bei den regionalen Stammsitzen und /oder enge Zusammenarbeit zwischen den Tochtergesellschaften

Weltweite Zusammenarbeit des Stammsitzes mit den Tochtergesellschaften

Kommunikation, Informationsfluss

Große Anzahl von Anweisungen, Befehlen, Ratschlägen an Tochterunternehmen

Wenig zu und vom Stammsitz, wenig unter den Tochtergesellschaften

Wenig von und zu dem Stammsitz, kann aber hoch sein zwischen regionalen Firmensitzen und zwischen den Ländern

Zwischen Stammsitz und Tochtergesellschaften und Tochtergesellschaften weltweit

Belohnungen/ Bestrafungen, Anreize

Hoch beim Stammsitz; gering bei den Tochterunternehmen

Große Unterscheide; hohe oder niedrige Prämien für die Leistung der Tochterunternehmen

Prämien für den Beitrag zur Erreichung regionaler Ziele

Prämien für internationale und lokale Manager für die Erreichung lokaler und weltweiter Ziele

Geographische Identifikationen

Nationalität der Eigentümer

Nationalität des Gastlandes

Regionales Unternehmen

Weltweites Unternehmen, aber keine Identifikation mit nationalen Interessen

Rekrutierung und Stellenbesetzung

Personen des Heimatlandes ausgebildet für Schlüsselpositionen in der ganzen Welt

Personen der lokalen Nationalität ausgebildet für Schlüsselpositionen im eigenen Land

Regionale Personen ausgebildet für Schlüsselpositionen überall in der Region

Die besten Personen aus der ganzen Welt ausgebildet für Schlüsselpositionen in der ganzen Welt

mungen charakterisieren die auch als Gastland- bzw. „home country“ Orientierung bezeichnete Unternehmensstrategie. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 272; vgl. Blom/Meier (2002), S. 107; vgl. Weber/Festing (1999), S. 436.]

4.1 Typologien der internationalen Unternehmenstätigkeit

129

Als Weiterentwicklung der polyzentrischen Orientierung hat die regiozentrische Führungskonzeption die Bildung gemeinsamer Märkte wie Freihandelszonen, Wirtschafts- und Währungsunionen (EU) zum Ziel. Darüber hinaus werden von relativ homogenen Ländergruppen ausgehend regionaltypische Managementtechniken angewendet. [Vgl. Berndt/Altobelli/Sander (1999), S. 12; vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 273 bzw. 281.] Als vierte Dimension liegt der geozentrischen Führungsphilosophie oder dem Synonym verwendeten Terminus „world oriented orientation“ unternehmensspezifische Managementtechniken zugrunde, die unter anderem auf einer gemeinschaftlichen Entscheidungsgrundlage aller betroffenen Einheiten beruhen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 272f bzw. 281; vgl. Berndt/Altobelli/Sander (1999), S. 12.] In einer abschließenden Beurteilung kann der nach Perlmutter benannte EPRG-Mix lediglich als ein idealtypisches Konzept eingestuft werden. Diese These kann, wie eingangs erwähnt, durch verschiedenartige, zeitgleiche Einstellungen und Orientierungen innerhalb einer Unternehmung belegt werden, die zudem simultan in unterschiedlichen Ausprägungen verwirklicht werden können bzw. sind Veränderungen der Führungskonzeption im Zeitablauf zu berücksichtigen. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 275f.] Grundsätzlich kann jedoch festgehalten werden, dass sich europäische Unternehmungen – zumindest in der Vergangenheit – im Regelfall von einer ethnozentrischen Führungsphilosophie ausgehend zu einem globalen Unternehmen weiterentwickelt haben. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 276; vgl. Mühlbacher/Dahringer/Leihs (1999), S. 42; vgl. Berndt/Altobelli/Sander (1999), S. 12.] 4.1.3

Das Triade-Modell nach Ohmae

Das in der Mitte der 80er Jahre entwickelte Triade-Modell von Ohmae zeichnet sich durch eine starke Wettbewerbsposition der Unternehmen in den Triaderegionen USA, Europa und Japan aus. In diesen Ländern wird das Triade-Unternehmen als lokales Unternehmen betrachtet und übernimmt in dieser Region eine „Insider“-Stellung. Bei der Formulierung von Unternehmenszielen, Strategien und Maßnahmen müssen alle möglichen Auswirkungen auf die Triade-Regionen berücksichtigt werden. Das Triade-Denken ist durch die zunehmende kapitalintensive Produktion, die dynamische Entwicklung neuer Technologien und die Homogenisierung der Nachfrage zunehmend erforderlich geworden.

130

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Laut Ohmae kann durch den Einsatz neuer Technologien in den Bereichen Entwicklung/Design und Produktion eine beträchtliche Senkung des Lohnkostenanteils bewirkt werden. Zudem vertritt er die Theorie, dass die Produktionsverlagerung in Billigländer aus Kostengesichtspunkten immer mehr an Bedeutung verlieren wird, da aufgrund der schlechten Verkehrsinfrastruktur und höherer Versicherungsprämien dieser Länder höhere Transportkosten anfallen als in den Triade-Länder. In vielen Billigländern sind zudem die für eine kapitalintensivere Produktion benötigten hoch qualifizierten Arbeitskräfte nicht vorhanden. Weiter sagt Ohmae aus, dass sich die Kaufkraft in den Triade-Ländern zunehmend angleicht, was zu einer Homogenisierung der Märkte führt. Gegenteilig argumentiert Perlitz, [2004, S. 128] der von erheblichen lokalen Divergenztendenzen spricht. In Zukunft wird durch die Entwicklung zu einer Multiple-OptionSociety eine individuelle Bedürfnisbefriedigung notwendig sein. Anhand von Europa werden trotz des gemeinsamen Marktes die verschiedenen Bedürfnisund Nachfragestrukturen klar ersichtlich. Ohmae geht des Weiteren von einer Angleichung des Ausbildungsniveaus, einer hoch entwickelten Infrastruktur und der Fortsetzung der Wohlstandsgesellschaft in den Triade-Ländern aus. Für die Unternehmensorganisation unterscheidet er zwischen dem multinationalen (ethnozentrisch), dem multilokalen (polyzentrisch) und dem multiregionalen (regiozentrisch)Unternehmen. Hierbei können Ähnlichkeiten mit dem Konzept von Perlmutter festgestellt werden. Für das Triade-Unternehmen ist laut Ohmae in erster Linie eine multiregionale Organisationsstruktur empfehlenswert. Ohmae beschränkt die internationale Unternehmenstätigkeit nicht nur auf die Triade-Länder, sondern schlägt einen engen Kontakt der Triade-Unternehmen mit den südlich von ihm gelegenen Entwicklungsländern vor. Die vorgeschlagenen Verantwortungsbereiche der einzelnen drei Regionen werden anhand der Grafik in Abb. 4-1 erkennbar. [Vgl. Ohmae, (1985), Perlitz (2004), S. 122ff.] Das Triade-Modell von Ohmae konzentriert sich hauptsächlich auf die Kostenführerschaft. Die Strategiealternative der Qualitätsführerschaft wird vernachlässigt. Darüberhinaus bezieht sich das Modell zudem auf Großunternehmen und ist für kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund mangelnder Ressourcen nicht realisierbar. Des Weiteren werden die möglichen Marktchancen in Osteuropa und Asien außer Betracht gelassen. [Vgl. Perlitz (2004), S. 127f.]

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

131

LA

U E AF

Abb. 4-1:

J AS

Regionale Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen AF: Afrika AS: Asien E: Europa J: Japan LA: Lateinamerika U: USA Quelle: Perlitz (2004), S. 127

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation zu Kapitaleinsatz und Managementleistung Durch die Darstellung der vorangegangenen Führungskonzeptionen konnte ein primärer Einblick in mögliche Unternehmensphilosophien im Außenhandel gewährt werden, der nunmehr durch potenzielle Internationalisierungsformen ergänzt wird. Das nachfolgende klassische Klassifikationsschema für differierende Internationalisierungsarten visualisiert die Korrelation zwischen dem Kapitaleinsatz und der Managementleistung unter Berücksichtigung der Führungsorientierung im Stamm- respektive im Gastland. [Vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 123.] Sofern der Markt in den Mittelpunkt der Außenhandelstätigkeit tritt und der Betrachtungshorizont Kapitaleinsatz versus Managementleistung im Gastland eine sehr enge Verbindung zum Stammland aufweist, erfolgt der Handel von

132

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Kapitaleinsatz

Im Gastland

Tochtergesellschaft Produktionsbetrieb Auslandsniederlassung Joint Venture

Lizenzvergabe Im Stammland

Export Im Stammland

Abb. 4-2:

Im Gastland

Management Leistung

Franchising

(Klassisches) Klassifikationsschema für Internationalisierungsformen Quelle: Hünerberg, R. (1994), S. 123

Gütern und Dienstleistungen tendenziell mittels Export- bzw. Importrelationen. [Vgl. Eden, H. (2002), S. 45; vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 123; vgl. Weiber/ Adler (2000), S. 354.] Unter Export wird gemeinhin der gewerbsmäßige, grenzüberschreitende Absatz der im eigenen Wirtschaftsgebiet produzierten Güter und Dienstleistungen verstanden, um standort-, branchen- und/oder unternehmensbedingte Wettbewerbsvorteile auch auf ausländische Handelsmärkte übertragen zu können. Im Gegenzug bezeichnet Import den Bezug von materiellen und immateriellen Gütern. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 430; vgl. Zentes/Swoboda (2000), S. 17; vgl. Dülfer, E. (2001), S. 172; vgl. Hünerberg, R. (1994), S. 123; vgl. Weiber/Adler (2000), S. 354.] Allerdings sei an dieser Stelle auch darauf verwiesen, dass einer Studie des Fraunhofer Instituts Systemtechnik und Innovationsforschung zufolge Marktpräsenz in Form von eigenen Vertriebswegen oder Kooperationsformen und damit verbundene Serviceleistungen vor Ort sowie Kenntnisse über spezifische Er-

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

133

fordernisse die Exportquoten entscheidend beeinflussen können. [Vgl. Fraunhofer ISI (2000a); vgl. Eden, H. (2002), S. 43.] Konzentrieren sich die Unternehmensaktivitäten neben der Marktorientierung zudem darauf, bestehende Geschäftsprozesse in den Ländermarkt zu integrieren, unternehmensspezifische Fähigkeiten und Wettbewerbsvorteile zu vermarkten sowie Optionen zur erleichterten Kontrolle des Marktgeschehens über Ländergrenzen hinweg auszunutzen, bieten sich Direktinvestitionen in Form von Tochter- oder Partnergesellschaften an. [Vgl. Kutschker, M. (1999), S. 291.] Eine Betrachtung der deutschen Direktinvestitionen verdeutlicht die Konnotation dieser Form des internationalen Handels. Gemäß einer Auswertung der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1998 wurden rund 170 Mrd. Euro von ausländischen Unternehmungen in Deutschland investiert während über 316 Mrd. Euro an deutschen Direktinvestitionen im Ausland verbucht werden konnten. [Vgl. Kutschker/Schmid (2002), S. 121.] Als weitere Internationalisierungsformen haben sich ferner Lizenzverträge und Joint Ventures etabliert, auf die an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. [Vgl. Eden, H. (2002), S. 45.] Schlussendlich gilt es, von den Grundorientierungen des internationalen Marketings ausgehend, auch potenzielle Risiken der Internationalisierung auf rationaler Ebene einzuschätzen. Dies beinhaltet zum einen die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Entwicklungen, die nicht zwangsläufig den individuellen Präferenzen entsprechen und zum anderen Eventualitäten, aufgrund dessen bestimmte Größen von den Erwartungen abweichen könnten. [Vgl. Spremann/Böhmer/Herbeck (2002), S. 572.] Derartige Wagnisse können beispielsweise in Währungsoder Wechselkursrisiken resultieren bzw. durch uneinheitliche steuer(recht)liche Vorschriften bedingt sein. [Vgl. Kutschker/Schmidt (2002), S. 278; vgl. Spremann/Böhmer/Herbeck (2002), S. 571.] 4.2.1

Internationalisierungsformen im Überblick

Die Expansion eines Handelsunternehmens beinhaltet die grundsätzliche Frage, in welcher Form oder auf welcher Grundlage der Markteintritt erfolgen soll. [Vgl. Barth (1996), S.151] Die Entscheidung über die Ausgestaltung hängt von vielen verschiedenen Kriterien ab: [Vgl. Lingenfelder (1998), S. 159; MüllerHagedorn (1998), S. 234.]

134

4 Möglichkeiten des Markteintritts



die Höhe der Ressourcen und die entsprechend anfallenden Kosten,



Ausmaß der Planung und Kontrolle,



Risikoverteilung,



Dimension der Kooperation mit anderen Unternehmen.

Zudem bestehen starke Interdependenzen zwischen der Wahl der Markteintrittsform, der Beschaffenheit des Zielmarktes und der Art des jeweiligen Handelsunternehmens. [Vgl. Mattmüller/Tunder (2004), S. 407f.] Hinsichtlich der Methodik erfolgt der Eintritt in neue Märkte in Abhängigkeit von der Geographie einem speziellen Muster. Grundsätzlich kann jedoch festgestellt werden, dass der Kollaborationsgrad zwischen lokaler und zentraler Organisationseinheit loser ist, je weiter der Zielmarkt vom Heimatland entfernt ist. Gegenteilig verhalten sich US-amerikanische Unternehmen, die das lokale Management durch ihr eigenes ersetzen. Das Risiko, die neuen Zielgruppen mit dem bewährten Leistungsangebot nicht anzusprechen, wird somit signifikant erhöht. Durch die Analyse der Stärken und Schwächen der Partner und die Untersuchung der Chancen und Risiken der einzelnen Markteintrittsstrategien kann dieses Risiko verringert werden. Im Folgenden sollen verschiedene Markteintrittsformen genauer analysiert werden. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 58.] 4.2.2

Mergers & Acquisitions

Bei einer Akquisition erwirbt ein Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an einem fremden Unternehmen. Der Begriff Mergers deutet auf die Verschmelzung oder Fusion hin und bedeutet die Auflösung der rechtlichen Selbstständigkeit mindestens eines der beteiligten Unternehmen. Der Begriff Acquisitions beinhaltet eigentlich jede Form von Beteiligung eines Unternehmens an einem anderen. Die beteiligten Firmen verlieren dabei nicht notwendigerweise ihre rechtliche Selbstständigkeit. Wirtschaftlich gehören die Unternhemen zu einer Einheit und sind z.B. in einem Konzern eingebunden. Jedes Unternehmen firmiert aber weiterhin unter dem eigenen Namen. [Vgl. Liebmann, Zentes (2001), S. 242.] Durch Mergers & Acquisitions erhoffen sich Unternehmen schnellstmöglich einen signifikanten Marktanteil zu gewinnen oder sich zumindest die Unterneh-

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

135

mensressourcen der akquirierten Unternehmung zu sichern. Die für eine Akquisition ausschlaggebenden Kriterien sind die Umsatzgröße und deren Verlauf, die Größe und Dichte des Unternehmens, das für die Akquisition in Betracht gezogen wird sowie der zu erwartende Integrationsaufwand. Der Integrationsaufwand wird häufig unterschätzt, obwohl in manchen Fällen neue Produkte, Logos und Marken kreiert werden müssen. Bei den Angebotportfolios müssen häufig geeignete Absatzkanalstrukturen und gegebenenfalls arrondierende Vertriebsapparate etabliert werden. Zudem müssen eine neue Preislagenstruktur und ein neuer Angebotsmix bestimmt werden. Da diese Änderungen unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit stattfinden, müssen sie schnell abgeschlossen werden, damit sie den gewünschten Nutzen für das akquirierende Unternehmen bringen. Eine andere Hürde, die es zu überwinden gilt, ist eine mögliche differierende Organisationsstruktur der akquirierten Unternehmung. Linienorganisationen lassen sich z.B. nur schwer in eine Matrixorganisation integrieren. Eine unterschiedliche Organisationsstruktur betrifft dabei insbesondere die Bereiche Einkauf, Marketing oder Vertrieb. Gewisse Unternehmen steuern ihre Budgets zentral, andere dezentral und wieder andere ziehen das Outsourcing vor. Dies kann hinsichtlich der IT und Logistik zu einem erheblichen Mehraufwand führen und die originäre Stärke eines Unternehmens auf einem fremden Markt in eine latente Schwäche umwandeln. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 58ff.] Eine Akquisition kann grundsätzlich in die horizontale, die vertikale und die konglomerate (laterale) Akquisition unterteilt werden. Die horizontale Akquisition ist durch die Akquisition von Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges bzw. der gleichen Handelsstufe gekennzeichnet. Die vertikale Akquisition findet ihre Anwendung durch Unternehmen, die sich aufeinander folgender Wertschöpfungsstufen miteinander verbinden. Zur konglomeraten Akquisition gehören die nicht verbundenen Zusammenschlüsse, d.h. jene Formen, bei denen die Verknüpfung der Unternehmen in keinerlei leistungswirtschaftlicher Verbindung untereinander steht. [Vgl. Liebmann, Zentes (2001), S. 240ff.] Einen sehr wichtigen Faktor bei einer Akquisition stellt der faire Umgang mit den Mitarbeitern dar. Häufig verlassen die Leistungsträger das Unternehmen und es verbleiben dann nur die Mitarbeiter, welche Subfunktionen ausführen. Es erscheint sinnvoll, im Vorfeld eine Cultural Due Dilligence durchzuführen und

136

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Tabelle 4-3: Mergers & Acquisitions Vor- und Nachteile Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 64 +



– schneller Markteintritt

– Reduzierung von Shareholder Value

– kritisch lokale Masse

– Post-Merger Integration

– Synergien

– höheres initiales Investment

– fallweise einzige Option

– Übernahme von Schwächen des Partners

somit die betroffenen Personengruppen gezielt mit individuellen Paketen zu versorgen. Die bereits generell wichtige interne wie externe Transparenz gewinnt mit zunehmender geographischer Entfernung vom Heimatmarkt immer mehr an Bedeutung. Durch eine offene Berichterstattung gegenüber den prozessbeteiligten Parteien kann das Selbstvertrauen und das Involvement der Mitarbeiter gestärkt werden. Das Risiko, den Shareholder Value durch eine größere Akquisition zu mindern, erscheint im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels signifikant höher als in anderen Branchen (mit Ausnahme der Telekommunikation). Hauptsächlich ist die eine Folge der Schnittstellenproblematik Zulieferer, Dienstleister, Arbeitsmarkt, Kunde und Makler. Unabhängig von der Unternehmensgröße oder dem Erfolg im Heimatmarkt bleibt der Einzelhandel ein „People Business“. Zur Auswahl des Akquisitionsobjektes bedarf es deshalb größter Sorgfalt und höchstmöglicher Präzision, um die prognostizierten Synergien vollumfänglich und dem Zeitplan entsprechend realisieren zu können. Eine Akquisition ist dann als attraktiv zu betrachten, wenn der Akquisitionsprämie Synergien in mindestens gleicher Höhe gegenüber stehen. Dies ist im Lebensmittelhandel nicht immer der Fall. Gründe dafür können sein, dass im Vorfeld von Transaktionen zu schnell entschieden wird und zu wenig Sorgfalt hinsichtlich der Auswahl des Akquisitionsobjekts gegeben ist. Dies ist insofern von elementarer Bedeutung, als es im Lebensmitteleinzelhandel auf den Zustand, die Größe, den Zuschnitt, die Lage und eventuell den Investitionsstau innerhalb eines Filialsystems ankommt. Mit steigender Größe des Akquisitionsobjektes steigt der Komplexitätsgrad der Post-Merger-Integration überproportional. Als Konsequenz daraus folgt die Distanzierung von dem im Vorfeld prognostizierten Synergieoptimum. In diesem

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

137

Zusammenhang haben Minderheitsbeteiligungen bis zu einem Anteil von 25 Prozent die vergleichsweise beste Performance. Durch das steigende finanzielle Engagement bis hin zur Übernahme erhöht sich das Risiko einer schlechten Performance, da die überproportional höhere Summe an Einzelrisiken erwiesenermaßen auf das zu bergende Synergiepotenzial drückt. Laut einer Untersuchung von KPMG sind die Synergien, die im Vorfeld als vergleichsweise „leicht realisierbar“ definiert worden sind, auch tatsächlich realisiert worden, wohingegen abstrakter umschriebene Synergiepotenziale wie Outsourcing sich eher schwer realisieren lassen. Auf der Kostenseite werden häufig Synergien durch Einsparungen beim Personal (Erfolgsquote >70 Prozent), im Einkauf (>60 Prozent), beim Kundendienst und in der Supply Chain realisiert. Durch die Gewinnung neuer Kunden, die Erschließung neuer Marktsegmente und durch Bündelungseffekte im Marketing entstehen in über 45 Prozent der Fälle Umsatzzuwächse. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 60ff.] 4.2.3

Seed-Corn-Akquisition

Die Seed-Corn-Akquisition umfasst die Akquisition einzelner Unternehmensteile sowie die komplette Übernahme kleinerer Unternehmen. Durch eine solche Akquisition soll das Wachstum dynamisiert und somit eine lokale Präsenz erhöht werden. Zudem erhoffen sich Unternehmen dadurch für lokal ansässige Produzenten eine Key-Account-relevante Größe zu erlangen. Die Seed-Corn-Akquisition wird häufig gewählt, wenn mit limitiertem Kapital- und Human-RessourceEinsatz in neue Märkte expandiert werden soll. Je größer dabei die geographische Entfernung zwischen Konzernzentrale und Zielmarkt ist, desto geringer ist der Kooperationsgrad zwischen den beteiligten Einheiten. Als Beispiel für die Wahl dieser Unternehmensform kann Tesco heran gezogen werden. Das britische Einzelhandelsunternehmen konnte die höchste Steigerung beim Shareholder Value verzeichnen und genießt aus der Sicht des Kapitalmarktes das größte Vertrauen der Investoren. Zur Bewertung der Expansionsfähigkeit eines Unternehmens ist die Summe an getätigten Expansionen entscheidend. Wenn einzelne Akquisitionen nicht eine erhebliche strategische Reichweite verzeichnen, üben sie normalerweise keinen signifikanten Einfluss auf den Aktienkurs und das Rating durch den Kapital-

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4 Möglichkeiten des Markteintritts

Tabelle 4-4: Seed-Corn-Akquisition Vor- und Nachteile Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 64 +



– geringeres Risiko beim Markteintritt

– Akquisitionsprämie

– geringeres Investment

– geringe Markteintrittsgeschwindigkeit

– vorhandene Ressourcen

– Warum verkauft der Partner?

– Sprungbrett

– Markenintegration

markt aus. Erneut kann Tesco als Beispiel herangezogen werden, dessen wenig erfolgreiche Performance beispielsweise in Taiwan keinen nachvollziehbaren Einfluss auf den Aktienkurs hatte. Seed-Corn-Akquisitionen versprechen nur dann Erfolg, wenn das Beteiligungsobjekt ein etablierter „local player“ mit einer entsprechenden Markenstärke ist. Zudem entscheiden bestehende Lieferanten- und Kundenbeziehungen über das Gelingen oder das Scheitern eines solchen Vorhabens. Eine Expansion in der Form einer Seed-Corn-Akquisition ist für den Kapitalmarkt berechenbarer als eine größere Akquisition und bringt somit oft Vorteile sowohl für den Erwerber als auch das Akquisitionsobjekt. Durch diese Form gewinnt das Management des erwerbenden Unternehmens nachhaltig an Erfahrung und Kenntnis der kritischen Erfolgsfaktoren für den Auslandsmarkt. Zudem weiß das Management des potenziellen Übernahmekandidaten, was es künftig zu erwarten hat. Die Kooperationsbereitschaft durch das lokale Management ist besonders wichtig, da dadurch die Wahrscheinlichkeit der richtigen Einschätzung der Schlüsselrisiken erhöht wird. Je mehr Transparenz die beiden Unternehmen aufweisen, desto höher wird die Kooperation zwischen beiden sein. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 64ff.] 4.2.4

Filialgründung

Bei dieser Form der Auslandsmarkterschließung eröffnet das Unternehmen im Ausland eigene Filialen. Die Gründung erfolgt meist durch Testfilialen, in denen unterschiedliche Filialkonzepte und Sortimentsstrukturen auf Marktgängigkeit und Kundenakzeptanz getestet werden. Die erfolgsversprechendste Kombination aus Sortiment und Einkaufsstättenkonzept wird dann für die Auslandexpansion

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

139

Tabelle 4-5: Filialgründung Vor- und Nachteile Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 64 +



– globale Marke

– Suche nach geeigneten Ladenlokalen

– multiplizierbares Konzept

– geringe Markteintrittsgeschwindigkeit

– einheitliche Qualität

– Suche nach geeignetem Personal

– Aktienmarkt honoriert organisches Wachstum

– hohe Wettbewerbsintensität notwendig

standardisiert und multipliziert. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 66] Bei der Filialgründung können dabei die Filialisierungsstrategien in eine Monotypenfilialisierung, einer Multitypenfilialisierung und einer Multifilialstrategie unterteilt werden. Zu den wichtigsten Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Umsetzung erfüllt sein müssen, gehören die Vertriebskonzeption sowie ausreichende Management- und Finanzressourcen. Beim Aufbau von Filialen werden finanzielle Ressourcen durch die Schaffung einer komplexen Infrastruktur gebunden. Die damit verbundenen Risiken sind insbesondere bei einem internationalen Engagement sehr hoch. [Vgl. Liebmann/Zentes (2001), S. 229ff.] 4.2.5

Joint Venture

Ein Joint Venture stellt eine Gemeinschaftsunternehmung dar. Das Kapital wird zum Teil von inländischen Partnern und zum Teil von Partnern des Gastlandes eingebracht. Das gemeinschaftliche Unternehmen wird unter der Teilung von Kontrolle, Risiko und Gewinn geführt. [Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 466f.] Durch die Form des Joint Ventures gehen zwei oftmals sehr unterschiedliche Unternehmen auf Projektbasis eine lose oder feste Kooperation ein. Die Ressourcen und die Aufgabenverteilung werden vertraglich fixiert und die entscheidenden Gremien besetzt. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Expansionsmethode des Joint Venture, muss ein möglicher Partner mit Hilfe von Beurteilungskriterien identifiziert werden. Eine sorgfältige Partnerwahl ist ein entscheidender Schlüsselfaktor bei der zukünftigen Auslandsmarkterschließung, da diese Verbindung ein langfristiges Engagement erfordert. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere deutsche Unternehmen bei der Wahl der lokalen Joint Venture

140

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Partner auf bereits bestehende Geschäftskontakte zurückgreifen. Wenn ein solches Beziehungsgeflecht nicht vorhanden ist, kann sich die Partnersuche in Abhängigkeit von der Distanz zum Heimatmarkt sowie etwaigen Mentalitätsunterschieden schwierig gestalten. Aufgrund häufig total verschiedener Interessenslagen beider Parteien ist eine Abklärung der Motivation des ausländischen Investmentpartners von grundlegender Bedeutung. Zudem sollte die Wirtschaftlichkeit des Partners überprüft werden und es ist ein umfassendes Bild durch Gespräche mit dem Management und der Belegschaft vor Ort notwendig. Sinnvoll erscheinen zudem eine Überprüfung der Umsätze der vergangenen fünf Jahre, eine Prüfung der Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Bilanzanalyse auf Basis testierter Jahresabschlüsse. Darüber hinaus ist eine Tax-DueDilligence-Prüfung (Prüfung, ob verdeckte steuerliche Verbindlichkeiten oder gegebenenfalls Steuernachforderungen existieren) empfehlenswert. Die Praxis zeigt, dass bei einer Finanzierung eine Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital von etwa 30 Prozent angemessen ist. Die Finanzierungsstruktur ist jedoch abhängig von den spezifischen Gegebenheiten wie z.B. Branche, Anlageintensität, steuerliche Aspekte, rechtliche Rahmenbedingungen, der Finanzkraft des lokalen Partners etc. Eine hohe Eigenkapitalausstattung sichert aber in jedem Fall die Liquidität und ist die Voraussetzung für die Bewältigung von möglichen künftigen Krisen. Beim Joint Venture kann hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse in die Mehrheits- und Minderheitsbeteiligung sowie die Paritätenbeteiligung (50 zu 50) unterschieden werden. Welche Beteiligungsstruktur gewählt wird, hängt von der gewünschten bzw. benötigten Kontrollmöglichkeit, den gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie dem angestrebten finanziellen Engagement ab. Innerhalb der technisch sensiblen Bereiche kann beispielsweise der Schutz des ProduktionsKnow-hows Gegenstand der Beteiligungsverhandlung sein. Der ausdrückliche Wunsch eines ausländischen Partners für eine Mehrheitsbeteiligung birgt dann Schwierigkeiten in sich, wenn diesem die nötigen finanziellen Mittel fehlen. Basierend auf einer solchen Unterkapitalisierung kann häufig ein Scheitern beobachtet werden. Tabelle 4-6 gibt einen kurzen Überblick über die Vor- und Nachteile von Joint Ventures. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 66ff.]

4.2 Internationalisierungsformen in Korrelation

141

Tabelle 4-6: Joint Venture Vor- und Nachteile Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 64 +



– Profitieren von gegenseitigen Stärken

– duale Kontrolle

– Burden Sharing

– Konsensentscheidungen

– Investment gering

– Preisgebung von Intellectual Property

– lose Kooperationsform

– Erfolgsmessung

4.2.6

Franchising

Das Franchising stellt eine straffe und zugleich aggressive Wachstumsstrategie dar und ist durch eine starke Steuerung der Systemzentrale gekennzeichnet. Der Begriff Franchising wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich eingeschätzt. Laut einer Definition des Deutschen Franchise-Verbandes „…ist Franchising ein vertikal-kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständiger Unternehmen auf der Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Das System tritt am Markt einheitlich auf und wird geprägt durch das arbeitsteilige Leistungsprogramm der Systempartner sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung eines systemkonformen Verhaltens.“ [Liebmann, Zentes (2001), S. 233.] Im Leistungsprogramm des Franchisegebers, dem so genannten Franchisepaket, ist ein Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept enthalten, die Gewährung von Schutzrechten, die Ausbildung des Franchisenehmers und die Verpflichtung des Franchisegebers, den Franchisenehmer aktiv und laufend zu unterstützen. [Vgl. Liebmann, Zentes (2001), S. 233] Durch das Franchising erwirbt der Franchisenehmer vom Franchisegeber das Recht zur Markennutzung und zahlt dafür eine Franchisegebühr. Obwohl die Stores selbstständig geführt werden, ist eine enge Abstimmung zwischen dem Franchisegeber und dem Franchisenehmer vorhanden. Durch die Globalisierung gewinnt das Franchising immer mehr an Bedeutung. Für die Entwicklung globaler Marken durch Netzwerke mit Franchising-Partnern wird jedoch eine gewisse Homogenität der Märkte vorausgesetzt. Anhand Tabelle 4-7 werden die Vor- und Nachteile des Franchisings ersichtlich.

142

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Tabelle 4-7: Franchising Vor- und Nachteile Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 68 +



– globale Markenführung

– kein direkter Kundenkontakt

– Risikotransfer auf Franchisenehmer

– Suche nach Franchisenehmern

– Multiplizierbares Geschäftsmodell

– geringe operative Kontrolle

– geringes Investment

– geringe Sanktionsgewalt

Bei einer internationalen Betrachtung des Franchisings wird häufig zwischen dem direkten und dem indirekten Auslandsfranchising unterschieden. Beim direkten Auslandsfranchising sind dabei die Franchisenehmer im Ausland direkt mit dem Franchisegeber im Inland vertraglich verbunden. Beim indirekten Franchising wird eine Institution in Land der Franchisenehmer eingeschaltet, die zwischen dem Franchisegeber und -nehmer Verträge abschließt. Welche dieser zwei Formen empfehlenswert ist, hängt von den zu bearbeitenden Ländermärkten ab. Handelt es sich beim Zielmarkt um einen benachbarten Auslandsmarkt mit ähnlichem Profil, so ist das direkte Franchising zu präferieren. Bei einem globalen Engagement hingegen wird eher die Form des indirekten Auslandsfranchisings vorzuziehen sein. [Vgl. Liebmann, Zentes (2001), S. 240f.]

4.3 Timing des Markteintritts Neben der Bestimmung der Markteintrittsform bildet die Festlegung des Markteintrittszeitpunkts eine bedeutende Entscheidung bei der Erschließung von Auslandsmärkten. Zum Timing im engeren Sinne gehören die Planung und die Realisation des passenden Markteintrittszeitpunkts, wodurch zusätzliche Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Wird der Faktor Zeit als eine strategische Ressource beachtet, ist in der Literatur häufig von einer Pionier- und Folgestrategie die Rede. Durch eine „First-to-Market“-Strategie erlangt dabei ein Pionier Chancen durch die frühe Entwicklung eines marktspezifischen Know-how und einem damit verbundenen frühzeitigen Aufbau der eigenen Marktposition. Zudem kann ein Pionierunternehmen damit Markteintrittsbarrieren für einen etwaigen Folger aufbauen. Diese Strategie ist jedoch mit nicht unerheblichen Risiken verbunden.

4.3 Timing des Markteintritts

143

Die Kosten der Markterschließung sind teilweise sehr hoch und es herrscht eine große Ungewissheit betreffend der Realisierbarkeit und Akzeptanz eines Handelskonzepts im Auslandsmarkt. Der so genannte „Folger“ erschließt den Markt nach dem Pionier. Er hat somit ein vergleichsweise geringes Markteintrittsrisiko und die Möglichkeit der imitativen Innovation, z.B. für die Wahl der gewählten Betriebsform. Ein möglicher Nachteil für Unternehmen in der Position des Folgers ergibt sich durch die aufgebauten Markteintrittsbarrieren des Pioniers. Auch dynamische Aspekte des Timings haben eine hohe Bedeutung, da es sich dabei um die ländermäßige Abfolge von Markteintritten handelt. Insbesondere stehen hier die Bedingungen im Vordergrund, unter denen die Erschließung von Drittländern aus einem Gastland heraus erfolgt. Darüber hinaus ist die im Zeitablauf vorgenommene Änderung oder Erweiterung des Leistungsangebots sowie die Variation der institutionellen Arrangements bei der Expansion innerhalb der Auslandsmärkte von Bedeutung. Dabei kann grundsätzlich zwischen einem simultanen Markteintritt (Wasserfallstrategie) und einem sequenziellen Markteintritt (Sprinklerstrategie) in Auslandsmärkte unterschieden werden. [Vgl. Mattmüller/Tunder (2004), S. 411ff.] Bei der Sprinklerstrategie (Diversifikationsstrategie) werden simultan und innerhalb kurzer Zeit möglichst viele Märkte erschlossen. [Vgl. Perlitz (2004), S. 124.] Aufgrund der raschen Markterschließung sind die Informationsaktivitäten dabei eingeschränkt und die Marktbearbeitungsintensität erfolgt auf niedrigem Niveau. Eventuelle Fehlinvestitionen werden im Voraus einkalkuliert. Dementsprechend können erschlossene, aber erfolgslose Märkte relativ problemlos wieder aufgegeben werden. Aufgrund der raschen Markterschließung ist in der Markteintrittsphase eine weitgehend standardisierte Marktbearbeitung notwendig. [Vgl. Mattmüller/Tunder (2004), S. 411ff.; vgl. Perlitz (2004), S. 124; vgl. Meier/Roehr (2004), S. 104.] Bei der Wasserfallstrategie (Konzentrationsstrategie) werden dagegen ausländische Märkte langsamer und durch ein sequenzielles Vorgehen erschlossen. Es stehen in der Regel mehr Mittel für ein weitergehendes Engagement im Auslandsmarkt zur Verfügung. Der Nachteil dieser Strategie liegt in der Vernachlässigung derjenigen Märkte, die aufgrund zwischenzeitlicher Markterschließungsaktivitäten der Konkurrenz nur noch schwer erschlossen und bearbeitet werden können. [Vgl. Mattmüller/Tunder (2004), S. 411ff.; vgl. Perlitz (2004), S. 124; vgl. Meier/Roehr (2004), S. 104.]

144

4 Möglichkeiten des Markteintritts

Europa Kernländer: Italien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich

Süd-Ost-Asien Japan, Südkorea Singapur, Hongkong

Nordamerika USA, Kanada

1-2 Jahre

Abb. 4-3:

Sprinkler-Modell. Quelle: Perlitz (2004), S. 125 Einstieg

Stammland

Deutschland

ZentralEuropäische Länder

Schweiz Österreich Niederlande Europäische Peripherie

Italien Spanien Europäische Länder mit schwieriger Großbritannien Wettbewerbsstruktur Frankreich Überseeische Länder

1-9 Jahre

Abb. 4-4:

Wasserfall-Modell. Quelle: Perlitz (2004), S. 125

USA Japan

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen 5.1 Europa 5.1.1

Frankreich

5.1.1.1 Soziokulturelles Umfeld In Frankreich wird auf die Erhaltung der eigenen Kultur hoher Wert gelegt. Die eigene Kultur und die Sprache in Filmen und der Musik werden dabei durch Quoten in der Medienpolitik gefördert. Mit Nachdruck verfolgt das Land in der Europäischen Union, der UNESCO und der WTO seine Konzeption der Verteidigung der kulturellen Vielfalt (diversité culturelle). „Kultur ist keine Ware, die schrankenlos frei gehandelt werden kann.“ [Auswärtiges Amt, Frankreich, Kulturpolitik] Die landesweite Pflege und der Erhalt des reichen materiellen kulturellen Erbes werden als Aufgabe von nationalem Rang angesehen. [Vgl. Auswärtiges Amt, Frankreich, Kulturpolitik] In Frankreich gehören 82 Prozent dem römisch-katholischen Glauben an, 4–5 Mio. gehören zu den Moslems, circa 0,8 Mio. zu den Protestanten und 0,7 Mio. zu den Juden. [Vgl. Auswärtiges Amt, Frankreich auf einen Blick] 5.1.1.2 Politisch-rechtliches Umfeld Frankreich ist ein laizistischer Einheitsstaat, bestehend aus 22 Regionen, 95 Départements, vier überseeischen Départements, zwei überseeischen Gebietskörperschaften und vier überseeischen Territorien mit beschränkter Selbstverwaltung. Das Land verfügt über eine parlamentarische Präsidialdemokratie mit zwei Kammern (Nationalversammlung: 557 Abgeordnete und der Senat: 346 Senatoren). Durch die Verfassungsänderung, die am 17.03.2003 verabschiedet wurde, wurden die Regionen gestärkt und die Flexibilität bei der Übertragung von Kompetenzen auf Gebietskörperschaften wurde festgeschrieben. Frankreichs Organisation ist laut Artikel 1 der Verfassung dezentral. [Vgl. Auswärtiges Amt, Frankreich, Innenpolitik]

146

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen

Das Gesetz zum „Verbot des Tragens auffälliger religiöser Symbole“ in öffentlichen Schulen, das durch die Nationalversammlung verabschiedet wurde, warf nicht nur in Frankreich große Diskussionen auf. Der Gegenstand des neuen Gesetzes erlaubt künftig den Unterrichts- oder Schulausschluss von kopftuchtragenden Schülerinnen. Der Gesetzestext schließt das Tragen aller ostensiblen religiösen Symbole ein. [Vgl. Internetbeitrag, www.trend.infopartisan.net] Die Regierung in Frankreich verfolgt eine sozial geprägte marktwirtschaftliche Politik, deren Leitlinie eine sozial abgefederte Modernisierung von Frankreich ist. Ziel ist es, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, den Staatshaushalt zu konsolidieren und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Im Jahr 2003 wurde die gesetzlich fixierte 35-Stunden-Woche leicht flexibilisiert, um damit besser den wirtschaftlichen Bedürfnissen nachzukommen. Ein Ende der politischen Diskussion über den dadurch entstehenden Standortnachteil ist nicht in Sicht. [Vgl. Auswärtiges Amt, Frankreich, Innenpolitik] Die Einkommenssteuersätze wurden in 2004 erneut leicht gesenkt. Bei Schenkungen und Konsumentenkrediten wurden ebenfalls steuerliche Erleichterungen eingeräumt. Zudem wurden Anfang 2005 die bisher verhältnismäßig hohen Erbschaftssteuern bei Familienimmobilien verringert. [Vgl. Auswärtiges Amt, Frankreich, Innenpolitik] Das im Jahr 1996 in Kraft getretene „Galland-Gesetz“ sollte verhindern, dass die Super- und Hypermärkte die Preise von kleinen innerstädtischen Läden unterbieten und so den innerstädtischen Handel ruinös bekämpfen. Das Gesetz verbietet es den großen Einzelhändlern, ihre Verkaufspreise unter dem auf der Einkaufsrechnung angesetzten Produktpreis zu verkaufen. [Vgl. Wüpper, 2004] Das „Raffarin-Gesetz“ von 1996 schränkt das Wachstum von Hypermärkten auf dem Land zugunsten der kleinen Supermärkte ein. [Vgl. www.weltpolitik. net] Finanzminister Nicolas Sarkozy leitete einige Schritte ein, um die Konsumausgaben in Frankreich anzukurbeln. So gab der Minister im Mai 2004 bekannt, dass die Konsumentenkredite besser unterstützt werden. Zudem sah er eine Reform des Galland-Gesetzes vor. Im Juni 2004 erreichte er ein Abkommen mit den Händlern und Herstellern, die Retailpreise noch im gleichen Jahr um 2 Prozent zu senken. [M+M Planet Retail, 2005]

5.1 Europa

147

5.1.1.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld In Frankreich leben gegenwärtig 61,1 Mio. Menschen, wobei 4,5 Mio. davon der ausländischen Bevölkerung angehören. Die Einwohner Frankreichs haben einen Anteil von 16 Prozent an der gesamten Bevölkerung der Europäischen Union. Das Land erstreckt sich über ein Gebiet von 552.000 km2, was eine Bevölkerungsdichte von 110 Einwohnern pro km2 bedeutet. In Paris leben mehr als 11 Mio. Einwohner und damit fast ein Fünftel der gesamten Bevölkerung des Landes. Die Hauptstadt Paris stellt somit auch das wichtigste wirtschaftliche Zentrum Frankreichs dar. [Vgl. Auswärtiges Amt (2004), Frankreich auf einen Blick; vgl. M+M Planet Retail, 2005] Bis zum Jahr 2000 konnte in Frankreich ein dynamisches Wirtschaftswachstum von 3 Prozent verzeichnet werden. Dieses Wachstum verlangsamte sich in den Jahren 2001 bis 2003 spürbar, so dass in 2003 nur noch eine Wachstumsrate von 0,5 Prozent erreicht werden konnte. Im ersten Halbjahr 2004 konnte aber bereits wieder ein Wachstum von 2,5 Prozent festgestellt werden. 3,5 3,075

3,110

2,887

3

2,994 2,844 2,517

2,5

2,324

2,198

2,438

2

1,5

1

0,5

0 1990

Abb. 5-1:

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

Arbeitslose in Frankreich 1990–2002 in Mio. * vorläufige Zahl Quelle: Annuaire Statistique de la France, 2004, S. 94

2002*

148

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen

300 267,341 238,372

250 211,437 200

150

100

50

0 2003

Abb. 5-2:

2004

2005

Entwicklung der Lebensmitteleinzelhandelsumsätze in Frankreich 2003– 2005 in Mrd. USD. Lebensmitteleinzelhandelsumsätze beinhalten: Essen, Getränke, Tabakwaren, Pharmazieprodukte und tägliche Non-Food-Haushaltsprodukte. Quelle: M+M Planet Retail, 2006

Die Inflationsrate lag Mitte Juli 2004 mit ca. 2,4 Prozent leicht über den Vorjahreswert von 2,2 Prozent. Die Erholung der konjunkturellen Lage ist dabei vor allem auf den Anstieg der privaten Binnennachfrage zurückzuführen. Weitere Impulse gehen von den Unternehmen aus, die vermehrt produktivitätssteigernde Ersatzinvestitionen vorgenommen haben. [Vgl. Auswärtiges Amt (2004), Frankreich, Wirtschaft] Die Arbeitslosigkeit in Frankreich konnte seit 1997 jährlich gemindert werden, um im Jahr 2002 wieder einen leichten Zuwachs zu verzeichnen. Nach 2,32 Mio. Arbeitslosen im Jahr 2001 betrug die Zahl ein Jahr später 2,44 Mio. Mit Konsumausgaben von ca. 1.099.388 Mio. USD in 2004 ist Frankreich der drittgrößte Konsumgütermarkt in der Europäischen Union. Durch die Einführung der 35-Stunden-Woche hatten die französischen Konsumenten mehr Zeit für

5.1 Europa

149

Freizeitaktivitäten und Hobbies, wovon Produkte wie Videospiele, Sportartikel etc. profitieren konnten. Der Lebensmitteleinzelhandelsumsatz in Frankreich beläuft sich auf etwa 55 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes. In Europa verzeichnet Frankreich damit den zweithöchsten Ausgabenanteil bei Lebensmitteln. Ein Grund dafür ist, dass die französischen Nachfrager gutes Essen schätzen und genießen. Darüberhinaus ist der Non-Food-Anteil in den im Lebensmitteleinzelhandel dominierenden Hypermärkten sehr hoch. [Vgl. M+M Planet Retail, 2005] 5.1.1.4 Marktspezifisches Umfeld Der Lebensmitteleinzelhandel in Frankreich wird durch ein paar wenige große Unternehmen dominiert und weist eine hohe Konzentration auf. Die Top-5Händler erreichen dabei fast 75 Prozent Marktanteil. [Vgl. M+M Planet Retail, 2005] Der französische Lebensmitteleinzelhandel ist grundsätzlich in zwei große Bereiche zu unterteilen, dem Teil „Grande Distribution“ (Hypermärkte, SuperCarrefour; 22,30% Andere ; 28,30%

Leclerc; 13,50%

Auchan; 10,20%

Casino; 12,20%

Abb. 5-3:

ITM (Intermarché); 13,50%

Anteile am Lebensmitteleinzelhandelsumsatz in Frankreich Quelle: M+M Planet Retail, 2005

150

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen

60

54 51

50

2000 2004

40 30

26

24

20

15 11

10 4

4

4

4

2

2

Abb. 5-4:

e rv ic se Fo od

A fo nde od re -F N or o n m at e H yp er m är kt e

t is co un D

S N upe ac r hb m ä ar rk sl te äd & en

C s t onv or e es n i en

ce -

0

Entwicklung der Vertriebsschienen in Frankreich 2000 versus 2004 in % Quelle: M+M Planet Retail, 2005

märkte und Discountgeschäfte) sowie dem Bereich „Commerce de Proximité“ (Nachbarsgeschäfte). Mit 40 Prozent stellen die Hypermärkte und Superstores die dominierende Betriebsform dar. Die Supermärkte und Nachbarsgeschäfte erreichen etwa 30 Prozent Marktanteil. Die Discountgeschäfte in Frankreich entwickelten sich seit dem Jahr 2000 positiv, wohingegen bei Supermärkten und Nachbarsläden ein Rückgang zu konstatieren ist. [Vgl. M+M Planet Retail, 2005] Innerhalb des Discountgeschäfts bestreiten die 5 Top-Unternehmen rund 95 Prozent des nationalen Geschäfts. Die deutschen Discounter Aldi und Lidl haben daran mit 35 respektive 19 Prozent einen maßgeblichen Anteil. Die französischen Händler reagieren auf die Marktstärke der deutschen Handelsunternehmen mit der Bildung von eigenen Discountgeschäften. Die Hyper- und Supermärkte haben aufgrund dieser Entwicklung zahlreiche Eigenmarken eingeführt. [Vgl. M+M Planet Retail, 2005]

5.1 Europa

151

Der französische Markt bietet auch gegenwärtig gute Möglichkeiten für Lebensmitteleinzelhändler. Unterstützt von einem moderaten, aber kontinuierlichen Wirtschaftswachstum sollte sich der Anteil des Lebensmitteleinzelhandels auch in der Zukunft bei 55 Prozent des gesamten Einzelhandels bewegen. [Vgl. M+M Planet Retail, 2005] 5.1.2

Italien

5.1.2.1 Soziokulturelles Umfeld Die Menschen in Italien gehören überwiegend der römisch-katholischen Religion an. Andere vertretene Religionszugehörigkeiten sind Moslems (über 1 Mio.), Buddhisten (120.000), Protestanten (50.000) und Juden (40.000). Neben der Landessprache wird in Südtirol auch Deutsch und Ladinisch, im Aostatal Französisch und in Friaul Slowenisch gesprochen. Italien verfügt über 3 staatliche Fernseh- und Rundfunkkanäle, 5 große private Fernsehsender und ca. 700 kleine und mittelgroße private Fernsehsender. [Vgl. Auswärtiges Amt (2004), Italien auf einen Blick] In Italien werden Lebensmittel vorwiegend auf Wochenmärkten sowie direkt ab Erzeuger verkauft. Die Lebensmittelqualität ist für die Konsumenten dabei von hoher Bedeutung. Vor diesem Hintergrund sind italienische Konsumenten auch bereit, höhere Preise für Lebensmittel zu bezahlen. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 219.] Im europäischen Vergleich sind die Nachfrager in Italien gesundheitsbewusst und haben höhere Ansprüche hinsichtlich Informationen über das Essen, der Qualität sowie der Präsentation von Lebensmitteln. [Vgl. M+M Planet Retail] Die Bedeutung einer gesunden, kalorienarmen Ernährung in Italien nimmt stetig zu. Interessanterweise wird daneben für die kommenden Jahre auch ein Boom im Bereich der Tiefkühlkost erwartet. Das Marktvolumen betrug im Jahr 2005 1,95 Mrd. Euro, was einer Zunahme von 43 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 entspricht. Die monatlichen Konsumausgaben weisen bei unterschiedlichen Haushaltsstrukturen bedeutsame Unterschiede auf. So gibt beispielsweise ein Rentner über 65 Jahre 1.123 Euro monatlich aus, wohingegen Ehepaare mit zwei Kindern Konsumausgaben von 2.863 Euro zu verzeichnen haben. Den höchsten Anteil an

152

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen

Tabelle 5-1: Durchschnittliche monatliche Ausgaben der Haushalte in Italien Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 220 Lebens- Kleidung Wohnung mittel

Verkehr

Freizeit

andere

Singles unter 35 Jahren

13,2%

7,5%

33,2%

19,5%

7,2%

19,4%

Singles 35–64 Jahre

16,0%

5,8%

37,3%

17,7%

6,4%

16,8%

Ehepaar mit einem Kind

17,8%

6,8%

32,5%

18,9%

6,7%

17,3%

Ehepaar mit 2 Kindern

18,4%

7,8%

30,2%

20,0%

7,9%

15,7%

Ehepaar mit 3 oder mehr Kindern

21,2%

8,2%

28,2%

19,1%

8,1%

15,2%

Allein Erziehende mit Kindern

19,3%

6,6%

34,0%

17,0%

7,4%

15,7%

den gesamten Konsumausgaben verzeichnen gegenwärtig die Aufwendungen für Nahrungsmittel und Getränke gefolgt von Ausgaben für Bekleidung und Schuhe. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 219f.] Laut einem Bericht des ISAE (Instituto di studi e analasi economiche) vom Mai 2004 verringert sich das Verbrauchervertrauen in die Zukunft. Dies bedeutet, dass die Mehrzahl der italienischen Verbraucher der Zukunft pessimistisch gegenüber steht. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 221] 5.1.2.2 Politisch-rechtliches Umfeld Italien ist eine zentralstaatliche parlamentarische Demokratie, die durch einen vom Parlament und von Vertretern der Regionen für 7 Jahre gewählten Staatspräsidenten geführt wird. Die Mitglieder der Abgeordnetenkammer und des Senats, aus denen das Parlament besteht, werden durch allgemeine Wahlen bestimmt. Die Gewaltenteilung ist konstitutionell gesichert. [Vgl. Auswärtiges Amt (2004), Italien, Innenpolitik]

5.1 Europa

153

Tabelle 5-2: IMD- The World Competitiveness Scoreboard 2004 Quelle: Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 211 Rang 2004

Rang 2003

Land

1. 2. 3. 4. 21. 23. 35. 50. 51. 56.

1. 4. 6. 7. 20. 25. 37. 54. 41. 53.

USA Singapur Kanada Australien Deutschland Japan Südkorea Russland Italien Mexiko

Punkte Gesamt 100.000 89.008 86.626 86.046 73.345 71.915 62.201 52.140 50.307 43.293

Diskussionsbedarf werfen die Reformvorhaben auf dem Gebiet des Gesundheits- und Rentenwesen auf. So müssen Erwerbstätige in Italien durch die neue Rentenreform künftig 40 Jahre lang arbeiten, damit sie den vollen Rentenanspruch erwerben können. Dies ist gegenwärtig bereits nach 35 Jahren Arbeitszeit möglich. Durch diese Reform erhofft man sich hohe Einsparungen, wodurch das hohe Haushaltsdefizit gemindert werden soll. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 211] Im Rahmen der Handelsgesetzgebung ist für eine Internationalisierung insbesondere das Raumplanungsgesetz von Interesse. Dabei dürfen Läden mit einer Geschäftsfläche unter 250 m2 ohne behördliche Genehmigung in Städten ab 10.000 Einwohner errichtet werden, respektive 150 m2 bei weniger als 10.000 Einwohnern. Andernfalls ist eine behördliche Genehmigung notwendig, die sich häufig über einen sehr langen Zeitraum erstreckt. Im Jahr 2001 wurde ein Gesetz verabschiedet, welches Verkäufe unter Einstandspreis auf drei jährliche Verkaufsaktionen beschränkt oder insgesamt 50 unterschiedliche Artikel, die im Rahmen von zehn Verkaufstagen abverkauft werden dürfen. Bei dem durch das IMD erstellten World Competitiveness Scoreboard im Jahr 2004 verzeichnet Italien eine lediglich unterdurchschnittliche Performance und fällt im Vergleich zum Vorjahr um zehn Ranglistenplätze auf den 51. Platz zurück (s. Tabelle 5-2). [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 212]

154

5 Konsumverhalten und Wettbewerbsstrukturen in unterschiedlichen Regionen

Die Kapitalgesellschaften in Italien unterliegen einer Regionalsteuer (imposta regionale sulle attività produttive, IRAP) sowie im Falle einer Gewinnausschüttung der IRPEG-Steuer (imposta sul reddito delle persone giuridiche). Der Steuersatz der IRPEG liegt bei 35 Prozent. In Verbindung mit einer als „Dual Income Tax“ bezeichneten Steuer kann der IRPEG-Satz auf 27 Prozent gesenkt werden. Der IRAP-Satz ist von jedem Gesellschafter zu entrichten und beträgt pauschal 4,25 Prozent. Ist der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine natürliche Person, muss zusätzlich die Einkommenssteuer (IRPEF, imposta sul reddito delle persone fisiche) entrichtet werden. Bei börsennotierten Unternehmen werden zusätzlich 12,5 Prozent der ausgeschütteten Gewinne in Form von Abschlagszahlungen abgezogen. Dagegen beträgt die Abschlagszahlung bei nicht börsenorientierten Unternehmen lediglich 10 Prozent. Personengesellschaften versteuern die ausgeschütteten Gewinne auf die Gesellschafter, welche mit dem IRPEF nach dem Prinzip der Transparenz verrechnet werden. Im Jahr 2003 lag der Einstiegssteuersatz bei 18 Prozent für Einkommen bis 10.329 Euro und reicht bis zu 44 Prozent für Einkommen über 69.722 Euro. Der Mehrwertsteuersatz (IVA, imposta sul valore aggiunto) beträgt gegenwärtig 20 Prozent. Für gewisse Produkte und Dienstleistungen gibt es jedoch Ermäßigungen. Dazu kommt mit der ICI (imposta comunicale sugli imobili) eine kommunale Steuer, die in zwei halbjährlichen Raten zu zahlen ist. Der Steuersatz wird von der betreffenden Gemeinde festgelegt. [Vgl. Marktanalyse KPMG, Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel (2004), S. 221ff.] 5.1.2.3 Ökonomisch-wirtschaftliches Umfeld In Italien leben 60 Mio. Einwohner, die sich auf 22 Mio. Haushalte verteilen. Im europäischen Vergleich verzeichnet das Land mit durchschnittlich 200 Einwohnern je km2 eine geringe Bevölkerungsdichte. Die dichteste Besiedelung weisen die Städte auf, in denen 70 Prozent der Bevölkerung leben. Dabei leben in den drei Ballungszentren Rom, Mailand und Neapel 18,7 Prozent der Bevölkerung. Innerhalb der EU hat Italien die niedrigste Geburtenrate und damit ein marginales Bevölkerungswachstum. Prognosen bis zum Jahr 2050 gehen von einem Rückgang der Bevölkerungszahl um 8 Mio. auf 52 Mio. Einwohner aus. Ähnlich wie Deutschland kämpft damit auch Italien erheblich mit dem Problem der Überalterung.

5.1 Europa

155

Mit 14,4 Prozent junger Menschen (