Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung : eine empirische Untersuchung 9783834999122, 3834999121 [PDF]


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Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung : eine empirische Untersuchung
 9783834999122, 3834999121 [PDF]

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Zitiervorschau

Alexander Nick Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Alexander Nick

Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung Eine empirische Untersuchung

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Steger

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität Berlin, 2008 D 83

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf Papier RePrint FSC, SW-COC-625 min. 17,5% Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1258-9

Für meine Eltern Barbara und Heinz Nick

Geleitwort

VII

Geleitwort In einem turbulenten Unternehmensumfeld ist die Fähigkeit, Unsicherheit zu handhaben, ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Strategische Frühaufklärung stellt für Unternehmen die Möglichkeit dar, diskontinuierliche Entwicklungen in einer zunehmend komplex-dynamischen Umwelt zu antizipieren. Auf diese Weise sollen latente Chancen und Gefahren identifiziert werden. Das in der Theorie seit langem diskutierte Konzept der strategischen Frühaufklärung stößt in der Praxis auf Defizite, sowohl in der Anwendung als auch bei der darauf folgenden Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse. Bei dieser doppelten Implementierungslücke setzt die Arbeit von Alexander Nick an. Sie erkundet damit Neuland, da es an empirischen Studien mangelt, die nach den Ursachen für die geringe Verbreitung fragen und somit die Implementierungsproblematik in der Praxis untersuchen. Dem Verfasser gelingt es, ein überzeugendes komplementäres Forschungsdesign aufzusetzen, mit dem wichtige empirische Ergebnisse generiert werden. Wohl überlegt wird ein qualitatives Vorgehen gewählt, bei dem einerseits Aktivitäten strategischer Frühaufklärung in zehn europäischen Großunternehmen betrachtet werden und andererseits mit Hilfe einer longitudinalen Studie ein konkretes Frühaufklärungsprojekt zum Thema Pervasive Computing über zwei Jahre in einem Technologiekonzern begleitet wird. Alexander Nick beantwortet die zentralen Fragen der Studie überzeugend. Er entwirft einen anschaulichen Analyserahmen und zeigt prozessuelle, strukturelle und kontextuelle Erfolgsfaktoren auf, die die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung beeinflussen. Die Ergebnisse der Fallstudie bieten eine Fundgrube sowohl für die Praxis als auch für die Wissenschaft, da es dem Verfasser gelingt, die Herausforderungen und Lösungsansätze gewinnbringend aufzubereiten. Die gute Balance zwischen Detailtiefe und aggregierter Analyse ist dabei besonders hervorzuheben. Die Ausführungen sind sehr gut lesbar, präzise formuliert und der rote Faden jederzeit erkennbar. Es ist bemerkenswert, dass die Erkenntnisse des Verfassers von vielen theoretischen Ausführungen zum Forschungsthema abweichen. So zeigen sich insbesondere diejenigen Vorschläge, die auf stark systematisierten und bürokratischen Prozessen beruhen als wenig Erfolg versprechend in der Praxis. Die Arbeit endet mit elf konkreten Handlungsempfehlungen. So kommt der Verfasser unter anderem zu der Erkenntnis, dass strategische Frühaufklärung insbesondere dann einen Wert bietet, wenn es als Einheit von Identifikation und Handlung verstanden wird und abgestufte Reaktionsstrategien berücksichtigt werden. Weiterhin entwickelt Herr Nick eine Typologie, in der drei grundsätzliche Ausgestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Zudem wird auf die erfolgskritische Bedeutung interner Kommunikationsprozesse, dem so genannten Issues Selling, eingegangen. Gerade an diesem Punkt ist das in der longitudinalen Fallstudie untersuchte Projekt am Ende gescheitert. Für Unternehmen, die sich die Frage stellen, wie sie Langfristdenken in ihre Strategie integrieren können, wird dieses Buch zur Pflicht, weil sie damit zum einen auf eine der bislang umfas-

VIII

Geleitwort

sendsten empirischen Studien zum Thema strategische Frühaufklärung zurück greifen können und zum anderen von den Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen der untersuchten Unternehmen lernen können. Ich wünsche dem Buch eine große Leserschaft und den Unternehmen die notwendige Portion Mut und Ausdauer, sich dem Thema strategischer Frühaufklärung in einer von Kurzfristigkeit geprägten Zeit anzunehmen. Meiner Erfahrung nach hat sich am Ende bislang immer gezeigt, dass Prävention wesentlich günstiger ist als Krisenmanagement und dass sich Investitionen in eine wohl überlegte strategische Frühaufklärung langfristig auszahlen. Prof. Dr. Ulrich Steger

Vorwort

IX

Vorwort „Strategy means choice.“ Diese wiederholte Aussage meines Doktorvaters hat mich entlang meines Promotionsweges geführt. Sie hat mir geholfen, zu priorisieren und Klarheit über Forschungsziele, Design und Erkenntnisse meiner Untersuchung zu erlangen. Die vorliegende Arbeit begleitete mich drei Jahre meines Lebens und eröffnete mir neue Einsichten und Horizonte. Ohne die Kooperation einer Vielzahl von Menschen wäre sie nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Steger, der mich sowohl in meiner Funktion als Research Associate am IMD Lausanne als auch als Doktorand an der TU Berlin stets konstruktiv unterstützt und mir wertvolle Hinweise für meine Arbeit gegeben hat. Des Weiteren danke ich Prof. Dr. Hans Georg Gemünden für die Zweitbegutachtung meiner Arbeit. Zudem gilt mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen am Forum for Corporate Sustainability Management am IMD Lausanne, Dr. Aileen Ionescu-Somers, Dr. Oliver Salzmann und Kay Richiger für die gute Zusammenarbeit. Im Laufe meiner Arbeit habe ich mich für einen Forschungsaufenthalt an die Universität St. Gallen zurück gezogen. Für die herzliche Aufnahme am Institut für Wirtschaft und Ökologie danke ich Prof. Dr. Wüstenhagen und seinem Team sehr. Um die Herausforderungen strategischer Frühaufklärung in der Praxis zu verstehen, habe ich im Laufe der vergangenen Jahre mit vielen Menschen Interviews geführt ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Da ich allen Gesprächsteilnehmern Vertraulichkeit zugesichert habe, kann ich an dieser Stelle leider keine Namen nennen. Dies fällt mir insbesondere für meinen Fachbetreuer in der (pseudonymisierten) Techno AG schwer. Ich habe die intensive Zusammenarbeit sehr geschätzt. Sein Engagement hinsichtlich des Themas als auch seine Wertschätzung mir gegenüber bedeuten mir viel. Schließlich möchte ich ganz besonders meiner Partnerin Christina Lauer danken, die mit mir gemeinsam diesen Weg gegangen ist und deren Liebe mir täglich Kraft zum Weitermachen am Projekt „Dissertation“ gegeben hat. Ein großer Dank gebührt ferner meinen Eltern Barbara und Heinz Nick für ihre Fürsorge und meine Erziehung. Sie haben mir mein Studium ermöglicht und somit das Fundament für diese Arbeit gelegt. Alexander Nick

Inhaltsübersicht

XI

Inhaltsübersicht

Tabellenverzeichnis ................................................................................................................XVII Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ XIX Abkürzungsverzeichnis............................................................................................................ XXI 1 Einleitung................................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung ................................................................................................................ 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit....................................................................................................... 8 1.3 Aufbau der Arbeit ........................................................................................................... 10 2 Grundlagen strategischer Frühaufklärung ....................................................................... 15 2.1 Hinführung zur strategischen Frühaufklärung ................................................................ 15 2.2 Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung ............................................ 39 2.3 Implementierung strategischer Frühaufklärung.............................................................. 63 2.4 Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse ........................................................ 94 3 Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung....................................... 97 3.1 Konzeption der Untersuchung ........................................................................................ 97 3.2 Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie ............................................................ 113 3.3 Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie........................................................... 148 3.4 Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse.................................... 181 4 Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung................. 187 5 Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs ......................... 201

Anhang...................................................................................................................................... 205 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 213

Inhaltsverzeichnis

XIII

Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis ................................................................................................................XVII Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ XIX Abkürzungsverzeichnis............................................................................................................ XXI 1 Einleitung................................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung ................................................................................................................ 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit....................................................................................................... 8 1.3 Aufbau der Arbeit ........................................................................................................... 10 2 Grundlagen strategischer Frühaufklärung ....................................................................... 15 2.1 Hinführung zur strategischen Frühaufklärung ................................................................ 15 2.1.1

Grundverständnis strategischer Frühaufklärung...................................................................15

2.1.1.1

Begriff der strategischen Frühaufklärung .....................................................................15

2.1.1.2

Bestimmungselemente strategischer Frühaufklärung ...................................................16

2.1.1.3

Begriff und Begriffsverständnis in der angelsächsischen Literatur ..............................22

2.1.2

Strategische Frühaufklärung im Kontext strategischen Managements ................................23

2.1.2.1

Strategieverständnis ......................................................................................................23

2.1.2.2

Entwicklung zum strategischen Management...............................................................25

2.1.2.3

Einordnung strategischer Frühaufklärung in das strategische Management.................25

2.1.2.4

Einbettung strategischer Frühaufklärung in die Subsysteme des strategischen Managements................................................................................................................28

2.1.3

Angrenzende Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung ............................................31

2.1.3.1

Angrenzung zur Zukunftsforschung .............................................................................32

2.1.3.2

Angrenzung zur Technologiefrühaufklärung und Technikfolgenabschätzung .............33

2.1.3.3

Angrenzung zum Issues Management ..........................................................................35

2.1.3.4

Angrenzung zur Competitive Intelligence ....................................................................38

2.2 Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung ............................................ 39 2.2.1

Leitgedanken strategischer Frühaufklärung .........................................................................39

2.2.1.1

Konzept der schwachen Signale ...................................................................................39

2.2.1.2

Diffusion neuer Erkenntnisse........................................................................................45

2.2.1.3

Stakeholderbetrachtung.................................................................................................49

XIV

Inhaltsverzeichnis

2.2.2

Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen................................................... 55

2.2.2.1

Operativer versus strategischer Führungsansatz........................................................... 56

2.2.2.2

Umfang der Aufklärungsfunktion ................................................................................ 58

2.2.2.3

Methodische Grundkonzepte der Frühaufklärung........................................................ 58

2.2.2.4

Weitere Unterscheidungsmerkmale.............................................................................. 61

2.3 Implementierung strategischer Frühaufklärung ..............................................................63 2.3.1

Anforderungen an die Implementierung.............................................................................. 63

2.3.1.1

Bedeutung der Unternehmenskultur............................................................................. 65

2.3.1.2

Bedeutung interner Kommunikation ............................................................................ 68

2.3.2

Gestaltung der Implementierung ......................................................................................... 71

2.3.2.1

Prozess der strategischen Frühaufklärung .................................................................... 72

2.3.2.2

Aufbauorganisatorische Anbindung strategischer Frühaufklärung .............................. 78

2.3.2.3

Aufgabenträger und Nutzer strategischer Frühaufklärung ........................................... 84

2.3.2.4

Instrumente strategischer Frühaufklärung .................................................................... 86

2.3.3

Implementierungsbarrieren.................................................................................................. 87

2.3.3.1

Ursachen für Implementierungsbarrieren..................................................................... 88

2.3.3.2

Ansätze zur Überwindung von Implementierungsbarrieren......................................... 92

2.4 Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse .........................................................94 3 Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung .......................................97 3.1 Konzeption der Untersuchung.........................................................................................97 3.1.1

Forschungsmethodik............................................................................................................ 97

3.1.1.1

Fallstudienmethode als Forschungsstrategie ................................................................ 97

3.1.1.2

Informationsinstrumente............................................................................................. 100

3.1.1.3

Auswertung der erhobenen Daten .............................................................................. 103

3.1.2

Design und Ablauf der Untersuchung................................................................................ 104

3.1.2.1

Empirie A: Multiple Forschungsfallstudie ................................................................. 105

3.1.2.2

Empirie B: Singuläre Forschungsfallstudie................................................................ 108

3.1.3

Gütekriterien qualitativer Forschung ................................................................................. 112

3.2 Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie.............................................................113 3.2.1

Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung........................................... 113

3.2.2

Analyse der strukturellen Faktoren.................................................................................... 116

Inhaltsverzeichnis

XV

3.2.2.1

Analyse des Faktors Zielsetzung.................................................................................116

3.2.2.2

Analyse des Faktors aufbauorganisatorische Anbindung ...........................................121

3.2.2.3

Analyse des Faktors Strategieanbindung ....................................................................125

3.2.2.4

Analyse des Faktors Aufgabenträger ..........................................................................128

3.2.3

Analyse der kontextuellen Faktoren...................................................................................132

3.2.3.1

Analyse des Faktors Top-Management Unterstützung ...............................................132

3.2.3.2

Analyse des Faktors Unternehmenskultur ..................................................................133

3.2.4

Analyse der prozessuellen Faktoren...................................................................................136

3.2.4.1

Analyse der Faktoren Erfassung und Bewertung........................................................136

3.2.4.2

Analyse der Faktoren Kommunikation und Handlung ...............................................141

3.2.4.3

Analyse der Faktoren interne und externe Stakeholderinteraktion .............................144

3.2.4.4

Analyse des Faktors Evaluation ..................................................................................147

3.3 Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie........................................................... 148 3.3.1

Beschreibung des Issues „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ ........148

3.3.2

Beschreibung des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“ ................................................153

3.3.2.1

Zielsetzung und Überblick über das Projekt ...............................................................153

3.3.2.2

Phase 1: Workshopreihe (März – Dezember 2005) ....................................................155

3.3.2.3

Phase 2: Weichenstellung (Januar – März 2006)........................................................162

3.3.2.4

Phase 3: RFID-Selbstverpflichtung (April 2006 – März 2007) ..................................163

3.3.3

Analyse des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“ .........................................................165

3.3.3.1

Strategische Frühaufklärung in der Techno AG .........................................................166

3.3.3.2

Analyse der strukturellen Faktoren .............................................................................171

3.3.3.3

Analyse der kontextuellen Faktoren ...........................................................................173

3.3.3.4

Analyse der prozessuellen Faktoren ...........................................................................173

3.3.4

Bewertung des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“.....................................................180

3.4 Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse.................................... 181 4 Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung................. 187 5 Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs ......................... 201

Anhang...................................................................................................................................... 205 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 213

Tabellenverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1: Typen von Umweltveränderungen...................................................................................... 19 Tabelle 2.2: Charakteristika schwacher Signale ..................................................................................... 41 Tabelle 2.3: States of Ignorance Under Discontinuity ............................................................................ 42 Tabelle 2.4: Alternative Response Strategies ......................................................................................... 43 Tabelle 2.5: Feasible Range of Response Strategies............................................................................... 44 Tabelle 2.6: Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen.................................................. 56 Tabelle 2.7: Unterschiede zwischen operativer und strategischer Frühaufklärung ................................ 57 Tabelle 2.8: Dimensionierung von Unternehmenskulturen .................................................................... 65 Tabelle 2.9: Kulturtypen in Bezug auf die zeitliche Orientierung .......................................................... 67 Tabelle 2.10: Möglichkeiten der aufbauorganisatorischen Anbindung strategischer Frühaufklärung ... 79 Tabelle 2.11: Beteiligte Stellen an der strategischen Frühaufklärung .................................................... 84 Tabelle 2.12: Mögliche personelle Widerstände gegen eine Frühaufklärung......................................... 90 Tabelle 2.13: Analyse von Ursachen für Implementierungsbarrieren .................................................... 91 Tabelle 2.14: Disaggregierte Forschungsfragen für die empirische Untersuchung ................................ 95 Tabelle 3.1: Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen der Informationsinstrumente ................ 101 Tabelle 3.2: Vorgehensweise bei der multiplen Fallstudie ................................................................... 106 Tabelle 3.3: Charakteristika der teilnehmenden Unternehmen............................................................. 107 Tabelle 3.4: Vorgehensweise bei der singulären Fallstudie.................................................................. 110 Tabelle 3.5: Sicherung qualitativer Gütekriterien in der empirischen Untersuchung........................... 113 Tabelle 3.6: Zielgruppen von Aktivitäten strategischer Frühaufklärung .............................................. 120 Tabelle 3.7: Beobachtungsbereiche und Hauptkategorien in Unternehmen C und F ........................... 121 Tabelle 3.8: Fallvergleich. Wechsel SFA von F&E zur Planung und umgekehrt ................................ 123 Tabelle 3.9: Fallvergleich von Organisationsmöglichkeiten SFA ........................................................ 124 Tabelle 3.10: Ansätze zur Strategieanbindung SFA ............................................................................. 125 Tabelle 3.11: Fallillustration Strategieanbindung in Unternehmen I.................................................... 127 Tabelle 3.12: Fallübergreifende Analyse. Erfahrungen und Erfolge mit SFA...................................... 134 Tabelle 3.13: Implizite und explizite Dimension strategischer Frühaufklärung................................... 135 Tabelle 3.14: Dialog als Kernelement zur Wahrnehmung von Issues in Unternehmen A und B......... 137 Tabelle 3.15: Illustration von Hemmnissen bei der Erkennung schwacher Signale............................. 139 Tabelle 3.16: Kommunikation der Erkenntnisse in Unternehmen F..................................................... 142 Tabelle 3.17: Prozess der SFA in Unternehmen E................................................................................ 144 Tabelle 3.18: Überblick über die Workshopreihe................................................................................. 155 Tabelle 3.19: Schwache Signale zum Issue Pervasive Computing....................................................... 156 Tabelle 3.20: Umfeldfaktoren ............................................................................................................... 156 Tabelle 3.21: Chancen- und Risikenanalyse zu Pervasive Computing................................................. 157

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.22: Geschäftschancen und -risiken für die Techno AG.........................................................158 Tabelle 3.23: Aufgaben aus der Absichtserklärung ..............................................................................161 Tabelle 3.24: Wertbeitrag des Projektes................................................................................................161 Tabelle 3.25: Protokollauszug – Vereinbarung weiteres Vorgehen bei Alpha .....................................164 Tabelle 3.26: Auszug aus der Präambel der RFID-Selbstverpflichtung ...............................................164 Tabelle 3.27: Erfolgsfaktoren bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung ........................170 Tabelle 3.28: Hemmnisse bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung...............................171 Tabelle 3.29: Einordnung der Handlungsoptionen in die abgestuften Reaktionsstrategien ..................174 Tabelle 4.1: Typologie strategischer Frühaufklärung ...........................................................................190 Tabelle 4.2: Determinanten der Wirksamkeit struktureller Faktoren....................................................196 Tabelle 4.3: Determinanten der Wirksamkeit kontextueller Faktoren ..................................................197 Tabelle 4.4: Determinanten der Wirksamkeit prozessueller Faktoren ..................................................199 Tabelle 5.1: Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung .......................203

Abbildungsverzeichnis

XIX

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1: Die Zeitschere im Management....................................................................................... 2 Abbildung 1.2: Doppelte Implementierungslücke der strategischen Frühaufklärung .............................. 6 Abbildung 1.3: Forschungsfragen, Aufbau und Erkenntnisinteresse der Arbeit .................................... 13 Abbildung 2.1: Bestimmungselemente strategischer Frühaufklärung .................................................... 17 Abbildung 2.2: Subsysteme des strategischen Managements................................................................. 27 Abbildung 2.3: Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung ............................................................ 31 Abbildung 2.4: Beispiele für Diffusionskurven...................................................................................... 47 Abbildung 2.5: Diffusionskurven für die Issues Ernährung und Klimawandel...................................... 48 Abbildung 2.6: Aufmerksamkeitswert eines Issues ................................................................................ 49 Abbildung 2.7: Mögliche Stakeholder eines Unternehmens................................................................... 50 Abbildung 2.8: Stakeholdertypologie ..................................................................................................... 52 Abbildung 2.9: Dimensionen strategischer Frühaufklärung ................................................................... 53 Abbildung 2.10: Dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Issue-Stakeholder-Analyse ............................. 54 Abbildung 2.11: Frühaufklärungskompetenz der drei Generationen im Vergleich................................ 60 Abbildung 2.12: Gestaltung des Issue Selling ........................................................................................ 70 Abbildung 2.13: Elemente für die Gestaltung der Implementierung ...................................................... 71 Abbildung 2.14: Prozess der strategischen Frühaufklärung ................................................................... 73 Abbildung 2.15: Mögliche Implementierungspfade bei der Einführung einer Frühaufklärung ............. 83 Abbildung 2.16: Filter-Modell der strategischen Frühaufklärung .......................................................... 88 Abbildung 3.1: Basistypen für Forschungsfallstudien .......................................................................... 100 Abbildung 3.2: Design der empirischen Untersuchung ........................................................................ 105 Abbildung 3.3: Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung..................................... 114 Abbildung 3.4: Ziele strategischer Frühaufklärung .............................................................................. 118 Abbildung 3.5: Strategieanbindung SFA in Unternehmen F ................................................................ 126 Abbildung 3.6: Dimensionen des Personaleinsatzes für strategische Frühaufklärung ......................... 129 Abbildung 3.7: Kombinationen zum Personaleinsatz SFA .................................................................. 130 Abbildung 3.8: Intensität der Aktivitäten zur Erfassung schwacher Signale........................................ 138 Abbildung 3.9: Entwicklungsstufen der technischen Kommunikation................................................. 150 Abbildung 3.10: Zeitlicher Ablauf des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“.................................. 154 Abbildung 3.11: Ansatz zur strategischen Frühaufklärung im Bereich Corporate Sustainability ........ 166 Abbildung 3.12: Bewertung der Stakeholder Salience ......................................................................... 175 Abbildung 3.13: Vergleich Stakeholder Rankings Innovation und Corporate Sustainability .............. 177 Abbildung 4.1: Wirkungskette strategischer Frühaufklärung............................................................... 188 Abbildung 4.2: Ansätze strategischer Frühaufklärung ......................................................................... 194

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis AK

Arbeitskreis

Anm. d. Verf.

Anmerkung des Verfassers

BEO

Business Environment Outlook

BilReG

Bilanzrechtsreformgesetz

BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

CEO

Chief Executive Officer

CoC

Code of Conduct

CRO

Chief Risk Officer

CSM

Corporate Sustainability Management

DCIF

Deutsches Competitive Intelligence Forum

DRS

Deutsche Rechnungslegungs Standards

EA

Early Awareness

EAA

Early Awareness Activities

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EMF

Elektromagnetisches Feld

FAS

Frühaufklärungssystem

GVP

Geschäftsverteilungsplan

HGB

Handelsgesetzbuch

ICT

Information and Communication Technology

ID

Internes Dokument

IKT

Informations- und Kommunikationstechnologie

IMD

International Institute for Management Development

IT

Informationstechnologie

NFC

Near Field Communication

NGO

Non Governmental Organization

OPEC

Organization of the Petroleum Exporting Countries

QDA

Qualitative Datenanalyse

RFID

Radio Frequency Identification

SBU

Strategic Business Unit

SCIP

Society of Competitive Intelligence Professionals

SFA

Strategische Frühaufklärung

T&I

Technologie und Innovation

XXI

XXII

Abkürzungsverzeichnis

TA

Technology Assessment

WWF

World Wide Fund For Nature

zfbf

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

Problemstellung

1 1.1

1

Einleitung Problemstellung

Im Herbst 1973 drosselte die Organisation der erdölexportierenden Länder OPEC bewusst die Ölfördermengen, um den Preis für Erdöl zu erhöhen. Als Folge stieg der Weltölpreis innerhalb eines Jahres um ca. 400 % von rund drei Dollar pro Barrel auf über zwölf Dollar.1 Dieses als erste Ölkrise in die Geschichte eingegangene Ereignis löste in den Industriestaaten starke Rezessionen aus. Interessanterweise wurde die Ölkrise in einem Szenario der OECD Paris und des Shell Konzerns bereits Mitte der sechziger Jahre aufgezeigt und in breitem Umfang an Unternehmensvorstände verteilt.2 Allerdings widmete man dem Szenario keine Aufmerksamkeit, so dass die Unternehmen von der Ölkrise regelrecht überrascht wurden. Retrospektiv gesehen kann der erste Ölschock als Geburtsstunde der strategischen Frühaufklärung betrachtet werden. Unternehmen sehen sich heutzutage in ihrem Umfeld ständigen Veränderungen ausgesetzt. Die Umfeldturbulenz ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Komplexität und Dynamik.3 Komplexität steht hierbei für die Vielfalt der relevanten Umfeldbereiche und das Ausmaß gegenseitiger Interdependenzen.4 Dynamik beschreibt die Geschwindigkeit der Veränderung.5 Dabei zeigte sich über die vergangenen Jahrzehnte, dass Wissenschaft und Praxis die Veränderungen als zunehmend intensiv wahrnehmen.6 BLEICHER hat dieses Phänomen anschaulich als Zeitschere definiert: Einerseits steigt bei wachsender Komplexität die benötigte Reaktionszeit, andererseits sinkt bei zunehmender Dynamik die erforderliche Reaktionszeit.7

1 2 3 4 5 6

7

Vgl. Sill (2007), S. 22. Vgl. Ansoff (1984), S. 329. Vgl. Liebl (2000), S. 10. Vgl. Ulrich / Fluri (1995), S. 46. Vgl. Liebl (2000), S. 10. Siehe dazu beispielsweise Choo (2002), S. 83; Hahn (1999), S. 28; Geschka (1999), S. 518; Courtney / Kirkland / Viguerie (1997); Burmeister / Neef (2005), S. 9; Bea / Haas (2005), S. 10; Graf (2004), S. 21. Die Diskussion um eine gestiegene Umweltturbulenz wird in der Literatur zum Teil kritisch hinterfragt, siehe dazu beispielsweise Mintzberg (1994). Ebenso weist Steger darauf hin, dass jede Zeit offenbar dazu neige, „die Einmaligkeit ihrer Konstellation hervorzuheben und vergangene Dekaden als durchschnittlich und gemächlich einzuschätzen.“ Steger (1996), S. 3. Vgl. Bleicher (2004), S. 45.

2

Einleitung

Anpassungszeit

Benötigte Reaktionszeit bei wachsender Komplexität

Erforderliche Reaktionszeit bei zunehmender Dynamik

1900

2000

Wachsende Komplexität und Dynamik

Abbildung 1.1: Die Zeitschere im Management Quelle: Bleicher (2004), S. 45

In einem zunehmend komplex-dynamischen Umfeld geraten Unternehmen in starkem Maße in Abhängigkeit von der Umwelt.8 Die mit der Zeitschere einhergehende Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen kann einerseits zu einer zunehmenden Gefahr für die Handlungsfähigkeit vieler Unternehmen führen.9 Andererseits können Unternehmen durch frühzeitiges Handeln Wettbewerbsvorteile generieren. Ein turbulentes Unternehmensumfeld kennzeichnet sich durch das Auftreten von strategischen Diskontinuitäten aus. Darunter werden schwer vorhersehbare Ereignisse verstanden, deren Eintritt ein Unternehmen zu einschneidenden Anpassungsmaßnahmen zwingt.10 Während in einem stabilen Umfeld Prognosen dem Unternehmen die Möglichkeit geben, auf Basis der Vergangenheit die Zukunft fortzuschreiben, spielen in einem komplexen Umfeld vielmehr systemische Zusammenhänge eine Rolle. STEGER beschreibt dies als „Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft“11. Dies bedeutet, dass sich Zukunft zunehmend weniger als Ergebnis linearer, aus der Vergangenheit bekannter Entwicklungen darstellt. Vielmehr betont STEGER, dass sich Wandel in komplexen Systemen, die aufeinander einwirken, vor allem diskontinuierlich vollziehe.12

8 9 10 11 12

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 10. Vgl. Lehmann / Ruf (1990), S. 3. Vgl. Ansoff (1976), S. 129. Steger (1999), S. 21. Vgl. Steger (2004), S. 30.

Problemstellung

3

Die These eines zunehmend komplex-dynamischen Unternehmensumfeldes wird in jüngerer Zeit insbesondere durch die Veränderungen, die mit fortschreitendem Globalisierungs- und Digitalisierungsprozess einhergehen, gestützt. Zu nennen sind hier insbesondere die folgenden Aspekte, die das Unternehmensumfeld prägen: x Durch den Globalisierungsprozess hervorgerufene Charakteristika wie Entgrenzung, Heterarchie, Faktormobilität, Legitimitätserosion und eine Vielfalt der Optionen stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen.13 Infolge gestiegener Markttransparenz wird der Wettbewerb intensiver.14 x Zu beobachten ist eine steigende Innovationsgeschwindigkeit und eine konstante Verkürzung von Technologielebenszyklen. Durch die wachsende Vernetzung verschiedener technischer Fachbereiche entstehen neue Disziplinen (wie bspw. Mechatronik und Biotechnologie).15 Die ansteigende technische Komplexität führt zu breiteren Auswirkungsketten neuer Technologien. x Durch den Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft wird Information zum Rohstoff. Immaterielles gewinnt gegenüber physischen Ressourcen an Bedeutung. Durch die wachsende Informationsflut steigt die Frage nach Orientierungswissen; Träger relevanten Wissens gewinnen an Marktwert.16 x Mit der rasanten Verbreitung des Internets entstehen neue Akteursformationen durch virtuelle Netzwerkstrukturen. Zudem verändern die neuen Kommunikationstechnologien die Erwartungshaltung an die Reaktionsgeschwindigkeit von Entscheidern.17 x Mit zunehmender Mediatisierung der Gesellschaft gewinnt Kommunikation an Bedeutung. Es wird von einem sog. Meinungsmarkt gesprochen, auf dem Unternehmen im Wettbewerb stehen. Vermögenswerte wie Vertrauen und Wissen stehen dabei im Mittelpunkt.18 x Es ist zunehmend das Entstehen von opportunistischen Allianzen zu beobachten. Um an Schlagkraft zu gewinnen, bilden sich Zweckpartnerschaften ohne signifikante Übereinstimmung von Motiven.19

13 14 15 16 17 18 19

Vgl. zu dein einzelnen sog. Wirkmuster der Globalisierung Steger (1999), S. 16ff. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 19 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Pleuss (2006), S. 11. Vgl. Bleicher (2005), S. 57ff. Vgl. McKee / Massimilian (2006), S. 45ff. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 19. So verbündeten sich beispielsweise beim EU Auto Oil Programm Umweltschützer und Vertreter der Autoindustrie gegen die Ölindustrie oder Vegetarier und Rinderzüchter schließen sich gegen die WTO-Politik zusammen. Vgl. Nick / Salzmann / Steger (2007).

4

Einleitung

Strategische Frühaufklärung als Ansatz zur Bewältigung von Diskontinuitäten Dem Unternehmen stehen zur Bewältigung von Diskontinuitäten in einem turbulenten Umfeld grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung:20 1. Das Unternehmen hat ein effektives ad-hoc Management etabliert, mit dessen Hilfe bereits eingetretene Überraschungen ex-post in den Griff bekommen werden können. Dieses Management muss einerseits in Form eines Krisenmanagements eingetretene Gefahren abwehren, andererseits Maßnahmen bei verpassten Chancen einleiten. 2. Das Unternehmen versucht, Umweltveränderungen frühzeitig zu identifizieren, um ihnen so „den Charakter des Unvorhergesehenen und Überraschenden zu nehmen“21. Diese Form präventiven und antizipativen Managements zielt darauf ab, einerseits bei potenziellen Gefahren rechtzeitig Vorsorge zu treffen und andererseits bei potentiellen Chancen Strategien zu ihrer Nutzung zu entwickeln. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der zweitgenannten Möglichkeit, Diskontinuitäten zu bewältigen.22 Ansätze zur Identifizierung und Handhabung zeitlich entfernter Chancen und Gefahren mit dem Ziel einer Reduzierung der Entscheidungs- und Handlungsunsicherheit werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur unter dem Konzept der strategischen Frühaufklärung diskutiert.23 Die Diskussion um strategische Frühaufklärung wird in der Literatur intensiv seit den siebziger Jahren geführt. 1976 veröffentlichte ANSOFF seinen Aufsatz „Managing Surprise and Discontinuity – Strategic Response to Weak Signals“24, mit dem er als Begründer „eines ganz neuartigen Planungskonzepts“25 angesehen wurde. ANSOFF argumentiert, dass sich Diskontinuitäten durch so genannte schwache Signale ankündigen und es somit für Unternehmen grundsätzlich möglich ist, auch Entwicklungen zu antizipieren, die nicht mit den Mitteln klassischer Prognoseverfahren zu berechnen sind. Aus diesen Gedanken heraus hat sich über die Jahre eine Vielzahl von Ansätzen entwickelt.26

20 21 22

23 24 25

26

Vgl. Ansoff (1975), S. 22; Bea / Haas (2005), S. 307. Steger / Winter (1996a), S. 608. Es ist jedoch explizit darauf hinzuweisen, dass sich die Ansätze nicht widersprechen. Beide Aktivitätsfelder sind in der Praxis zu verfolgen, da nicht alle Diskontinuitäten ex-ante erkannt werden können. Vgl. hierzu Bea / Haas (2005), S. 307. Das Verhältnis beider Ansätze wird in der Literatur folglich als komplementär beschrieben, siehe dazu Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 2; Baisch (2000), S. 31 und Zurlino (1995), S. 22. Eine differenzierte Begriffsbestimmung erfolgt in Kapitel 2.1.1 (S. 15ff.). Der Aufsatz erschien 1975 in der California Management Review (siehe Ansoff (1975)) und wurde 1976 in der zfbf gedruckt (siehe Ansoff (1976)). So die Bezeichnung der Schriftleitung der zfbf über Ansoff’s Aufsatz. Siehe Ansoff (1976), S. 129. Bis heute gilt Ansoff als wesentlicher Wegbereiter für die strategische Frühaufklärung, siehe z.B. Hammer (1992), S. 240; Fickert / Meyer (1999), S. 25. Kritisch zur Umsetzbarkeit des Ansatzes äußert sich hingegen Konrad (1991). Siehe dazu unter anderen Krystek / Müller-Stewens (1993); Liebl (1996); Krampe / Müller (1981); Wiedmann (1984).

Problemstellung

5

Steigende Bedeutung antizipativen Managements STEGER und WINTER haben in einer empirischen Studie aufzeigen können, dass etwa ¾ der von ihnen untersuchten Fälle durch Marktumbrüche gekennzeichnet waren, welche die Unternehmen frühzeitig durch den Einsatz einer strategischen Frühaufklärung hätten erkennen können.27 Die Ziele einer strategischen Frühaufklärung liegen für KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS darin, Vorteile des Ersteintretenden in einen Markt zu nutzen, Krisensituationen frühzeitig zu erkennen sowie sich frühzeitig auf neue technische Normen, gesetzliche Regelungen, Verbraucherbedürfnisse oder soziopolitische Veränderungen einzustellen.28 Trotz eines häufig nicht zu quantifizierenden Mehrwertes sprechen Manager29 einer wirksamen strategischen Frühaufklärung eine steigende Bedeutung zu. So brachten es die teilnehmenden Unternehmensvertreter einer Fachveranstaltung zu Frühaufklärung am Forum for Corporate Sustainability Management des IMD Lausanne auf folgende Formel: “Prevention is substantially cheaper than crisis management.”30 Die steigende Relevanz einer rechtzeitigen Auseinandersetzung mit Umfeldveränderungen und schwachen Signalen wird auch von Seiten der Versicherungswirtschaft und Politik erkannt: x In der Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft zeigt sich, dass in jüngerer Zeit der Fokus zunehmend auf sogenannte Emerging Risks gelegt wird.31 Dabei werden unbekannte Risiken im Zusammenhang mit neuen Technologien wie Gentechnik, Nanotechnologie oder Pervasive Computing ebenso thematisiert wie Berufskrankheiten (z.B. Silikose oder asbestbedingte Krankheiten), Auswirkungen von Epidemien, Finanzskandale oder Reputationsrisiken.32 x Auf Seiten der Politik erfolgen seit 2001 durch die EU-Kommission Schritte zur Erhöhung der Informationstransparenz von Unternehmen bezüglich nichtfinanzieller Leistungsindikatoren.33 So erfolgte in Deutschland Ende 2004 durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie. Dies führte zu einer Änderung des §315 HGB, Absatz 1: „[…] Ferner ist im Konzernlagebericht die voraussichtliche Ent27 28 29 30 31

32 33

Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 626f. Die Autoren haben insgesamt 51 Fälle untersucht. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 497. Im Interesse einer besseren Lesbarkeit des Textes wird in dieser Arbeit jeweils nur die männliche Form verwendet, womit jedoch stets auch die weibliche Form gemeint ist. Salzmann (2003), S. 1. Das Forum fand im April 2003 in Rüschlikon in der Schweiz statt. Unter Emerging Risks können nach Käslin alle „neuen oder bis anhin nicht bekannten Risiken verstanden werden, welche in Zukunft ein ungewisses, aber hohes Schadenpotenzial aufweisen könnten und deshalb für die Assekuranz von großer Bedeutung sind.“ Vgl. Käslin (2006a), S. 26. Vgl. Käslin (2006a), S. 27. Hier ist insbesondere die Empfehlung der EU-Kommission vom 30.05.2001 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und im Lagebericht des Unternehmens zu nennen (2001/453/EG). Auf Basis dieser Empfehlung wurde der Artikel 46 der vierten Bilanzrichtlinie 78/660/EWG geändert. Vgl. Hesse (2006), S. 5.

6

Einleitung

wicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben.“ Im DRS 15 des Deutschen Rechnungslegungs Standards Comittee e.V. wird in diesem Kontext ein Prognosebericht gefordert, dem zufolge als Prognosezeitraum für nicht quantitative Informationen mindestens zwei Geschäftsjahre zugrunde zu legen sind. Doppelte Implementierungslücke der strategischen Frühaufklärung Bei einer Betrachtung des Forschungsgegenstandes der strategischen Frühaufklärung ist zu konstatieren, dass der Ansatz zur Identifizierung zukünftiger Chancen und Gefahren in der Theorie hinreichend beschrieben ist. Jedoch zeigt sich in der Praxis eine doppelte Implementierungslücke: Zum einen werden seit langem bekannte Erkenntnisse der Wissenschaft zur Theorie der strategischen Frühaufklärung nicht umgesetzt. Unternehmen wenden den Ansatz nur sehr vereinzelnd an. Zum anderen ist festzustellen, dass auch bei vorhandener strategischer Frühaufklärung die gewonnenen Erkenntnisse nur selten umgesetzt werden und beispielsweise in veränderten Strategien münden. Doppelte Implementierungslücke der strategischen Frühaufklärung (SFA) • Primäre Implementierungslücke: Implementierung des Ansatzes der SFA Æ Es bestehen Implementierungsprobleme bei der Umsetzung und Nutzung des Ansatzes der SFA im Unternehmen

• Sekundäre Implementierungslücke: Implementierung der Erkenntnisse aus der SFA Æ Es bestehen Implementierungsprobleme bei der Umsetzung und Nutzung der Erkenntnisse aus der SFA

Abbildung 1.2: Doppelte Implementierungslücke der strategischen Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

In der Literatur wird bereits seit geraumer Zeit auf diese Umstände hingewiesen.34 LIEBL bezeichnet die fehlende Auseinandersetzung „mit der langen Durststrecke der Implementierung“35 als den „zentralen ‚blinden Fleck’ in der Forschung zur strategischen Frühaufklärung“36. MÜLLER-STEWENS weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich nicht um

34 35 36

Siehe dazu beispielsweise Konrad (1991), S. 4; Eggers / Eickhoff (1996), S. 48; Liebl (1996), S. 175; Klopp / Hartmann (1999), S. 119f. Liebl (1996), S. 175. Liebl (1996), S. 175.

Problemstellung

7

ein Methodenproblem, sondern um ein Mentalitätsproblem handele.37 Ähnlich führt KRYSTEK an: „Für die Zwecke, für die man sich eine Methodenunterstützung wünscht, findet man meist auch geeignete Instrumente. Viel problematischer ist der Mensch im Umgang mit den Methoden und dem System. Die Art der Implementierung bestimmt damit entscheidend den Erfolg einer strategischen Frühaufklärung.“38 BEA und HAAS plädieren für eine stärkere Betrachtung der verhaltensrelevanten Teilgebiete der Unternehmensführung wie Organisation und Kultur.39 Sie stellen die Frage nach der Schaffung geeigneter organisatorischer und kultureller Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt, um das Potenzial strategischer Frühaufklärung nutzen zu können.40 LOEW unterteilt die Implementierungsprobleme in drei Aspekte:41 x

Methodische Probleme bezüglich Auswahl und Handhabbarkeit von Methoden zur Frühaufklärung sowie deren Integration in bestehende Systeme des Unternehmens

x

Organisatorische Probleme im Rahmen der Gestaltung des Frühaufklärungsprozesses und seiner Schnittstellen sowie der Definition von klaren und eindeutigen Zuständigkeiten

x

Personelle Probleme hinsichtlich der notwendigen Qualifikation der Träger und Nutzer der Frühaufklärung

Betrachtet man die wenigen vorhandenen empirischen Studien, die in jüngerer Zeit zu diesem Thema entstanden sind, zeigt sich, dass sich an der Grundproblematik über die Jahre wenig geändert hat. So kommt eine im Jahr 2006 durchgeführte Delphi-Studie mit Fokus auf deutsche Unternehmen zum Ergebnis: „While the results of the Delphi study do not suggest that new methods are needed, implementation was described as the major concern.”42 GRUBER weist darauf hin, dass der Nutzen neben der Güte des gewählten Prognoseverfahrens ebenso von weiteren wichtigen Faktoren abhängt.43 Damit bezieht sich GRUBER explizit auf das Management beziehungsweise die Implementierung im Unternehmen. SCHWARZ führt an, dass Konzepte zur strategischen Frühaufklärung bislang noch nicht in vielen Unternehmen eingeführt worden sind.44 Insgesamt betrachtet zeigt sich hier eine Forschungslücke: Es mangelt an anwendungsorientierter, empirischer Forschung, die die Frage nach der Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis in den Mittelpunkt stellt. 37 38 39 40 41 42 43 44

Vgl. Müller-Stewens (1990). Ähnlich auch zu finden bei Bea / Haas (1994), S. 491. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 515. Vgl. Bea / Haas (1994), S. 490. Vgl. Bea / Haas (1994), S. 490. Vgl. Loew (2003), S. 45. Ähnlich auch zu finden bei Bea / Haas (2005), S. 310. Schwarz (2006), S. 63. An der Delphi-Studie beteiligten sich in der ersten Runde 84, in der zweiten Runde 64 Experten. Vgl. Gruber / Venter (2006), S. 959. Vgl. Schwarz (2005), S. 22.

8

1.2

Einleitung

Zielsetzung der Arbeit

Die Arbeit folgt einem Forschungsverständnis, das den anwendungsorientierten Wissenschaften zuzuordnen ist.45 Demzufolge steht das Forschungsregulativ der Nützlichkeit der Ergebnisse für die Praxis im Mittelpunkt. Anspruch der vorliegenden Arbeit ist, sich dem Fortschrittskriterium der anwendungsorientierten Wissenschaften zu stellen, welches auf die praktische Problemlösungskraft von Modellen und Regeln zielt. Die Erkenntnisse der Arbeit werden aufbauend auf einer Analyse der einschlägigen vorhandenen Literatur zum Thema empirisch gewonnen. Als Forschungsdesign wurde ein qualitatives Vorgehen gewählt. Es wurden zwei Untersuchungen durchgeführt, eine multiple und eine singuläre Forschungsfallstudie.46 Das Forschungsdesign spiegelt einen explorativen, hypothesengenerierenden Gang der Untersuchung wider.47 Dementsprechend wurden die drei zentralen Forschungsfragen weitgehend offen formuliert: (1) Wie setzen Unternehmen strategische Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis um? (2) Welche Faktoren beeinflussen wie die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung? (3) Wie lässt sich die doppelte Implementierungslücke reduzieren und somit die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung erhöhen? Die erste Forschungsfrage zielt auf eine differenzierte Betrachtung des Forschungsgegenstandes in der Praxis. Wie in der Problemstellung aufgezeigt, setzt sich die betriebswirtschaftliche Literatur seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts intensiv mit der Frage auseinander, wie Unternehmen latente Chancen und Gefahren identifizieren und handhaben können. Die Ziele strategischer Frühaufklärung sind hinreichend beschrieben und scheinen plausibel. Jedoch zeigt die doppelte Implementierungslücke deutlich, dass Theorie und Praxis auseinander fallen und der angestrebte Nutzen häufig nicht dem erreichten Nutzen entspricht. Die multiple Forschungsfallstudie soll anhand von Case Studies Aufschluss geben über mögliche, erfolgreiche und erfolglose Ansätze zur Umsetzung der Gedanken strategischer Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis. Die singuläre Forschungsfallstudie fokussiert sodann auf die nachfolgenden Aktivitäten, mit denen die Erkenntnisse aus der Frühaufklärung umgesetzt werden. Mit der zweiten Forschungsfrage wird die Aufmerksamkeit auf die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung gelegt. Dazu werden diejenigen Faktoren identifiziert und betrachtet, die in der Unternehmenspraxis entscheidenden Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg entsprechender Aktivitäten nehmen. Dem explorativen Vorgehen der Studie folgend wird mittels der empiri45 46 47

Demgegenüber sind theoretische Wissenschaften abzugrenzen. Siehe dazu Ulrich (1988), S. 177. Eine nähere Beschreibung zum empirischen Vorgehen erfolgt in Kapitel 3.1 (S. 97ff.). Im Gegensatz dazu stehen hypothesenüberprüfende Arbeiten.

Zielsetzung der Arbeit

9

schen Untersuchung ein Analyserahmen für die Bewertung von Aktivitäten strategischer Frühaufklärung entwickelt. Erfolgsfaktoren und Hemmnisse werden dabei herausgearbeitet. Schließlich sucht die dritte Forschungsfrage nach Möglichkeiten, die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung zu erhöhen. Aufbauend auf den Ergebnissen der empirischen Untersuchung ist es das Ziel, Handlungsempfehlungen zu formulieren, mit denen sowohl die primäre als auch die sekundäre Implementierungslücke reduziert werden können. Analyseebene und -einheiten der Untersuchung Aktivitäten strategischer Frühaufklärung materialisieren sich in Unternehmen in unterschiedlichster Form. Um einen offenen und ganzheitlichen Zugang zum Untersuchungsgegenstand zu gewährleisten, werden als Analyseebene der Arbeit die Stelle oder die Stellenmehrheiten gewählt, die mit der Aufgabe strategischer Frühaufklärung betraut sind. Eine Stelle ist die kleinste aufbauorganisatorische Einheit im Unternehmen, der bestimmte Aufgaben zugeordnet werden. In Stellenmehrheiten erfolgt eine Bündelung von Stellen nach verschiedenen Kriterien.48 Die betrachtete Organisationseinheit kann Teil der Primär- (als Abteilung, Stab, Unterstützungsstelle, Ausschuss) oder Sekundärorganisation (als Projektteam, Workshops) des Unternehmens sein.49 Die Untersuchung fokussiert auf die unternehmensinternen prozessuellen, strukturellen und kontextuellen Herausforderungen bei der Durchführung strategischer Frühaufklärung in Unternehmen. Analyseeinheiten der empirischen Untersuchung sind somit Strukturen, Prozesse und Kontextfaktoren. Der Fokus wird auf Frühaufklärungsaktivitäten in großen, multinationalen Unternehmen gelegt.50 Die empirische Untersuchung beschränkt sich dabei auf Unternehmen mit Hauptsitz in Europa, vor allem in den Niederlanden und in Deutschland. Eine weitere Einschränkung erfolgt hinsichtlich der Instrumente strategischer Frühaufklärung. Diese werden lediglich kurz skizziert; es erfolgt bewusst keine weitere Auseinandersetzung mit ihnen, da hierzu bereits umfassend geforscht wurde.

48 49

50

Vgl. Krüger (1994), S. 45. Unter Primärorganisation werden unbefristete Daueraufgaben, unter Sekundärorganisation befristete Spezialaufgaben zusammengefasst. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.2 (S. 78). Vgl. auch Krüger (1994), S. 41ff. Durch diese Eingrenzung soll nicht suggeriert werden, dass Frühaufklärung in kleinen und mittleren Unternehmen keine Bedeutung zugemessen würde. Der Kern des Ansatzes ist grundsätzlich von der Größe des Unternehmens unabhängig. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 8.

10

1.3

Einleitung

Aufbau der Arbeit

Zur Beantwortung der Forschungsfragen und zum Erreichen der Zielsetzung ist die Untersuchung wie folgt aufgebaut: Im Anschluss an dieses einleitende Kapitel werden in Kapitel 2 die für die Arbeit grundlegende Aspekte behandelt. Erkenntnisinteresse des Kapitels ist die Charakterisierung des Forschungsgegenstandes und die Analyse der in der Literatur genannten Implementierungsmöglichkeiten strategischer Frühaufklärung. Das Kapitel zeigt den wissenschaftlichen Stand der Diskussion auf und identifiziert disaggregierte Forschungsfragen, denen in der darauf folgenden empirischen Untersuchung nachgegangen wird. Auf diese Weise wird die Verbindung zwischen Theorie und Empirie sichergestellt. Die Hinführung zur strategischen Frühaufklärung (Kapitel 2.1) legt zunächst ein Grundverständnis, in dem der Begriff definiert wird und Bestimmungselemente herausgearbeitet werden (Kapitel 2.1.1). Zudem wird das Begriffsverständnis in der angelsächsischen Literatur aufgezeigt. Sodann lässt sich strategische Frühaufklärung in den Kontext des strategischen Managements setzen (Kapitel 2.1.2). Relevant hierfür ist zunächst, das in der Arbeit genutzte Strategieverständnis aufzuzeigen. Nach einer Beschreibung der Entwicklung zum strategischen Management erfolgt eine Einordnung strategischer Frühaufklärung in das strategische Management und vertiefend in die Subsysteme des strategischen Managements. Weiterhin werden angrenzende Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung in den Bereichen Zukunftsforschung, Technologiefrühaufklärung und Technikfolgenabschätzung, Issues Management und Competitive Intelligence skizziert (Kapitel 2.1.3). In Kapitel 2.2 wird die Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung aufgearbeitet. Dazu ist ein Verständnis der Leitgedanken des Ansatzes notwendig, worunter im vorliegenden Untersuchungskontext das Konzept der schwachen Signale, die Diffusion neuer Erkenntnisse und die Stakeholderbetrachtung zu fassen sind (Kapitel 2.2.1). Da sich über die vergangenen Jahrzehnte eine Vielzahl von Frühaufklärungsansätzen herausgebildet hat, werden wesentliche Unterscheidungsmerkmale aufgezeigt (Kapitel 2.2.2). Dabei ist zu differenzieren zwischen einem operativen und strategischen Führungsansatz, beim Umfang der Aufklärungsfunktion, bei den methodischen Grundkonzepten der Frühaufklärung. Schließlich werden weitere Unterscheidungsmerkmale zusammengefasst. In Kapitel 2.3 wird die Implementierung strategischer Frühaufklärung betrachtet. Als erstes geht es dabei um die Anforderungen an die Implementierung (Kapitel 2.3.1). Dazu wird die Bedeutung der Unternehmenskultur und der internen Kommunikation aufgezeigt. Daraufhin erfolgt eine Analyse der Gestaltungsmöglichkeiten der Implementierung (Kapitel 2.3.2). Betrachtet werden dabei der Prozess, die aufbauorganisatorische Anbindung, die Instrumente sowie die Aufgabenträger und Nutzer strategischer Frühaufklärung. Drittens bedarf es einer Auseinandersetzung mit den Implementierungsbarrieren (Kapitel 2.3.3). Hierzu werden Ursachen für Implementierungsbarrieren und Ansätze zu ihrer Überwindung genannt.

Aufbau der Arbeit

11

In Kapitel 2.4. folgt sodann eine Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse. Kapitel 3 befasst sich mit der empirischen Bestandsaufnahme. Erkenntnisinteresse des Kapitels ist die Identifikation und Analyse der prozessuellen, strukturellen und kontextuellen Faktoren, die die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung beeinflussen. Dazu wird zunächst die Konzeption der empirischen Untersuchung dargestellt (Kapitel 3.1). Es werden Gründe für die Wahl der Fallstudienmethode als Forschungsstrategie vorgestellt, die eingesetzten Informationsinstrumente beschrieben und Möglichkeiten zur Auswertung der erhobenen Daten genannt (Kapitel 3.1.1). Im Anschluss daran wird das Design und der Ablauf der Untersuchung vorgestellt (Kapitel 3.1.2). Die dual angelegte Empirie beinhaltet eine multiple und eine singuläre Forschungsfallstudie. Das Kapitel zur Konzeption der Untersuchung schließt mit einer Beschreibung der Gütekriterien qualitativer Forschung (Kapitel 3.1.3). Die Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie sind Gegenstand des Kapitels 3.2. Die Auswertung erfolgt entlang eines Analyserahmens für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung, der zunächst eingeführt wird (Kapitel 3.2.1). Als strukturelle Faktoren werden Zielsetzung, aufbauorganisatorische Anbindung, Strategieanbindung und Aufgabenträger analysiert (Kapitel 3.2.2). Bei der Analyse der kontextuellen Faktoren werden einerseits die TopManagement Unterstützung und andererseits die Unternehmenskultur betrachtet (Kapitel 3.2.3). Die Analyse endet mit den prozessuellen Faktoren (Kapitel 3.2.4). Als Phasen des Kernprozesses werden Erfassung, Bewertung, Kommunikation und Handlung identifiziert. Flankiert wird dieser Prozess durch eine interne und externe Stakeholderinteraktion. Als letzter Faktor ist die Frage nach einer Evaluation zu untersuchen. Die singuläre Forschungsfallstudie ergänzt die Erkenntnisse der multiplen Forschungsfallstudie durch die longitudinale Beobachtung eines Issue-spezifischen Frühaufklärungsprojektes. Darüber hinaus analysiert sie insbesondere Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Implementierung der Erkenntnisse aus der Frühaufklärung (Kapitel 3.3). Hierzu wird zunächst das Issue „Gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ beschrieben (Kapitel 3.3.1), danach das beobachtete Projekt „Wirkungen pervasiver IKT“ dargestellt (Kapitel 3.3.2). Nach einer Beschreibung der Zielsetzung und einem Überblick über das Projekt folgt eine Zusammenfassung über die drei Phasen (Workshopreihe, Weichenstellung und RFID-Selbstverpflichtung). Anschließend wird das Projekt analysiert (Kapitel 3.3.3). Dazu werden die verschiedenen Ansätze strategischer Frühaufklärung im betrachteten Unternehmen skizziert und das Projekt entlang des Analyserahmens aus der multiplen Forschungsfallstudie untersucht. Abschließend erfolgt eine Bewertung des Projektes (Kapitel 3.3.4). In Kapitel 3.4 erfolgt schließlich eine zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse. Aus den Erkenntnissen der Theorie (Kapitel 2) und der Empirie (Kapitel 3) werden in Kapitel 4 Handlungsempfehlungen erarbeitet. Die Empfehlungen orientieren sich an dem eingangs

12

Einleitung

aufgezeigten Forschungsregulativ der Nützlichkeit für die Praxis und dem Fortschrittskriterium der praktischen Problemlösungskraft von Modellen. Der Fokus liegt dabei auf den Aspekten, welche die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung erhöhen. Kapitel 5 enthält abschließend eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und zentralen Aussagen dieser Arbeit. Die eingangs gestellten Forschungsfragen werden vor dem Hintergrund der empirischen Erkenntnisse abschließend betrachtet. Zudem wird der weitere Forschungsbedarf in einem Ausblick aufgezeigt. Forschungsfragen, Aufbau und Erkenntnisinteresse der Arbeit werden zusammenfassend in Abbildung 1.3 dargestellt.

Aufbau der Arbeit

13

Forschungsfragen: (1) Wie setzen Unternehmen strategische Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis um? (2) Welche Faktoren beeinflussen wie die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung? (3) Wie lässt sich die doppelte Implementierungslücke reduzieren und somit die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung erhöhen?

Kap. 1

Einleitung

Kap. 2

Grundlagen strategischer Frühaufklärung Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

Implementierung strategischer Frühaufklärung

Erkenntnis- Charakterisierung des Forschungsgegenstandes und Analyse der in der Literatur interesse genannten Implementierungsmöglichkeiten strategischer Frühaufklärung.

Kap. 3

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung Konzeption der Untersuchung

Ergebnisse der multiplen Fallstudie

Ergebnisse der singulären Fallstudie

Erkenntnis- Identifikation und Analyse der prozessuellen, strukturellen und kontextuellen Faktoren, interesse die die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung beeinflussen.

Kap. 4

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

Erkenntnis- Handlungsleitende Empfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung auf interesse Basis der Erkenntnisse aus Empirie und Theorie.

Kap. 5

Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

Abbildung 1.3: Forschungsfragen, Aufbau und Erkenntnisinteresse der Arbeit Quelle: Eigene Darstellung

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

2

15

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Das folgende Kapitel zielt auf eine Charakterisierung des Forschungsgegenstandes und auf eine Analyse der in der Literatur genannten Implementierungsmöglichkeiten strategischer Frühaufklärung. Zu diesem Zweck beginnt das Kapitel mit einer Hinführung zur strategischen Frühaufklärung. Sodann erfolgt eine Betrachtung der Forschungsentwicklung zum Thema. Daraufhin wird die Implementierung strategischer Frühaufklärung aufgezeigt. Schließlich werden in einer Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse die für den weiteren Verlauf der Untersuchung relevanten Fragen angeführt. 2.1

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

In Kapitel 2.1 wird zunächst ein Grundverständnis strategischer Frühaufklärung vermittelt und der Forschungsgegenstand anschließend in den Kontext des strategischen Managements gestellt. Daraufhin werden angrenzende Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung skizziert. 2.1.1

Grundverständnis strategischer Frühaufklärung

Nachfolgend wird der Begriff der strategischen Frühaufklärung thematisiert, Bestimmungselemente charakterisiert und das Begriffsverständnis in der angelsächsischen Literatur aufgezeigt. 2.1.1.1 Begriff der strategischen Frühaufklärung Zu Beginn jeder wissenschaftlichen Arbeit ist es elementar, die in der Arbeit genutzten Hauptbegriffe zu definieren. Auf diese Weise wird eine begriffliche Präzisierung angestrebt, die es erlauben soll, „dass der ‚gemeinte Sinn’ der verwendeten Begriffe von allen erfasst und geteilt werden kann.“51 Die Forschung zur strategischen Frühaufklärung zeigt jedoch, dass sich keine einheitliche Definition herauskristallisiert hat. So nehmen KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS, die im deutschsprachigen Raum das Themengebiet seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wesentlich mitgestaltet haben, bewusst Abstand von einer „‚harten’ Definition […], da die Meinungen, was darunter zu verstehen ist, zu sehr auseinander gehen“52. Jedoch scheint es zweckmäßig für die vorliegende Arbeit eine Begriffsbestimmung anzubieten. Dazu werden kurz Kernaspekte strategischer Frühaufklärung verschiedener Autoren aufgezeigt. Danach werden Bestimmungselemente expliziert, die den Forschungsgegenstand abgrenzen. Die Überlegungen münden in einer Arbeitsdefinition für die vorliegende Untersuchung.

51 52

Schnell / Hill / Esser (2005), S. 50. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 2.

16

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Für BEA und HAAS zielt strategische Frühaufklärung auf „die rechtzeitige Erkennung, Verarbeitung und Bewältigung von Diskontinuitäten“53. LICHTENTHALER betont den Prozess einer strategischen Wissensgenerierung, der Handlung ermöglichen soll.54 ROLL hebt die Funktion der reflexiven und intuitiven Entscheidungsunterstützung hervor, mit der Entscheidungsträger befähigt werden sollen, Veränderungen möglichst frühzeitig zu antizipieren.55 KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS weisen auf den Erfolgsfaktor Zeit hin: „Zeitablauf vernichtet Handlungsmöglichkeiten, schränkt Aktionsspielräume zunehmend ein.“56 Für LIEBL geht es um „Instrumente, mit denen versucht wird, Umfeldwandel antizipativ zu handhaben“57. Nach MÜLLERSTEWENS und LECHNER unterstützt strategische Frühaufklärung Unternehmen darin, „sich möglichst rasch und flexibel an die sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen“.58 Damit soll eine Erhöhung der Fähigkeit zur Sensibilisierung gegenüber Umweltveränderungen einhergehen.59 2.1.1.2 Bestimmungselemente strategischer Frühaufklärung Auf Basis der in der Literatur vorliegenden Begriffsbestimmungen werden im Folgenden die relevanten Bestimmungselemente strategischer Frühaufklärung herausgearbeitet. Dazu bietet Abbildung 2.1 eine entsprechende Übersicht.

53 54 55 56 57 58 59

Bea / Haas (2005), S. 306. Dabei nutzen Bea und Haas den Begriff des Diskontinuitätenmanagements, der mit strategischer Frühaufklärung gleichgesetzt werden kann. Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 12. Vgl. Roll (2004), S. 47ff. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 497. Liebl (1996), S. 5. Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 206 Vgl. Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 207.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

17

Umfeldturbulenzen Diskontinuitäten

Komplexdynamisches Umfeld

Schwache Signale

Trends

Informationsgenerierung

Issues

Zugeschriebene Unternehmensrelevanz

Chancen

Gefahren

Willensbildung Entscheidung

Abgestufte Reaktionsstrategie

Handlung

Abbildung 2.1: Bestimmungselemente strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Die Abbildung skizziert einen Prozess, ausgehend von einem komplex-dynamischen Umfeld über eine Informationsgenerierung hin zu einer abgestuften Reaktionsstrategie. Dabei wird eine zunehmende Unternehmensrelevanz unterstellt. Unbewertete Ereignisse und Diskontinuitäten im Umfeld werden als wenig relevant erachtet. Im Verlauf des Informationsgenerierungsprozesses nimmt die Relevanz zu und kulminiert im Falle einer Handlung. Komplex-dynamisches Umfeld Zur Definition der Unternehmensumwelt ist eine Grenzziehung zwischen dem System Unternehmen und der Umwelt notwendig.60 Diese kann je nach Zweck unterschiedlich ausfallen und nicht eindeutig beantwortet werden. Sie hängt letztendlich von der eingenommenen Perspektive ab.61 In der Betriebswirtschaftslehre wird grundsätzlich zwischen einer aufgabenspezifischen (Mikroumwelt, transactional environment, task environment) und einer weiteren Um-

60 61

Die Begriffe Umfeld und Umwelt werden synonym verwendet, siehe dazu auch Berndt / Fantapié Altobelli / Schuster (1998). Vgl. Schreyögg (1993), S. 4232f. Der Frage der Grenzziehung wird in der betriebswirtschaftlich orientierten Systemtheorie nachgegangen. Vgl. hierzu beispielsweise Ulrich (1970), der für den deutschsprachigen Raum die Systemtheorie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive maßgeblich mitgestaltet hat.

18

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

welt (Makroumwelt, contextual environment, general environment) unterschieden.62 Dabei liegt im Allgemeinen die aufgabenspezifische Umwelt im Einflussbereich des Unternehmens und kennzeichnet sich durch direkte Geschäfts- und Vertragsbeziehungen.63 Eine Unterteilung der Mikroumwelt ist somit entsprechend des Wettbewerbsumfeldes in Kunden, Lieferanten und Konkurrenten möglich.64 Die weitere Umwelt liegt hingegen außerhalb des Kontroll- und direkten Einflussbereiches des Unternehmens.65 Sie lässt sich unterteilen in fünf Hauptsegmente: die makroökonomische, die sozio-kulturelle, die politisch-rechtliche, die technologische und die natürliche Umwelt.66 Für eine Personifizierung der Einflusskräfte bietet sich das Stakeholder-Konzept an.67 Als Stakeholder wird nach FREEMAN „any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the firm’s objectives”68 bezeichnet. Eine Betrachtung des Umfeldes kann grundsätzlich durch zwei Sichtweisen erfolgen: entweder durch eine inside-out Perspektive oder durch eine outside-in Perspektive.69 Die inside-out Perspektive setzt an der Mikroumwelt des Unternehmens an und öffnet den Blick auf die Umwelt unter Berücksichtigung bestehender oder geplanter Strategien, Produkte und Technologien. Die outside-in Perspektive versucht zunächst ein tief greifendes Verständnis von der weiteren Umwelt zu erhalten. Es erfolgt keine unternehmensspezifische Eingrenzung. Erst nach einer Bestandsaufnahme wird nach den möglichen Implikationen für das Unternehmen gefragt.70 Wie in der Problemstellung der Arbeit bereits erwähnt, agieren Unternehmen heutzutage in einer komplex-dynamischen Umwelt.71 BEA und HAAS unterscheiden zwei Typen von Umweltveränderungen, die in Tabelle 2.1 aufgezeigt werden: operative und strategische.

62 63 64

65 66

67 68 69 70 71

Siehe dazu beispielsweise Emery / Trist (1965); Berndt / Fantapié Altobelli / Schuster (1998), S. 45; Bea / Haas (2005), S. 88; Thommen / Achleitner (2001), S. 46; Welge / Al-Laham (1999), S. 183ff. Vgl. Winter / Steger (1998), S. 11. Siehe hierzu auch die Branchenstrukturanalyse nach Porter, der die Wettbewerbskräfte einer Branche untersucht. Die Analyse hat unter dem Stichwort „Porter’s five forces“ weite Verbreitung und Anwendung in der Unternehmenspraxis gefunden. Porter unterteilt dabei in die Verhandlungsstärke der Lieferanten, die Verhandlungsstärke der Abnehmer, der Intensität der Rivalität zwischen den Wettbewerbern, der Bedrohung durch neue Anbieter und der Bedrohung durch Ersatzprodukte. Vgl. Porter (1999). Vgl. Winter / Steger (1998), S. 11. Vgl. Steinmann / Schreyögg (1997), S. 159. Die Unterteilung von Steinmann und Schreyögg folgt damit weitestgehend der klassischen Konzeption von Farmer und Richmann (1965), die die Makroumwelt unterteilen in politisch-rechtliche, ökonomische, sozio-kulturelle und technologische Umweltfaktoren. Das Stakeholder-Konzept wurde 1963 am Stanford Research Institute entwickelt. Als strategischen Managementansatz wurde es insb. durch Freeman (1984) bekannt. Vgl. Freeman (1984). Vgl. Fahey / Narayanan (1986), S. 46ff. Vgl. zum vorhergehenden Liebl (1996), S. 11 und Liebl (2000), S. 93f. Die Zuweisung der Unternehmensumwelt erfolgt nach Mintzberg, der anhand der Kriterien Komplexität und Dynamik vier Umwelttypen klassifiziert: Einfach-statische Umwelt, einfach-dynamische Umwelt, komplexstatische Umwelt und komplex-dynamische Umwelt. Siehe Mintzberg (1979), S. 286.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

19

Typ der Umweltveränderung

Operativ

Strategisch

Grad der Vorhersehbarkeit

sehr hoch

nahezu unmöglich

Bedeutung für das Unternehmen

weniger bedeutend

existenziell

Bekanntheitsgrad der Umweltveränderung selbst

nicht neuartig, wiederholtes Auftreten

völlig neuartig, einmaliges Auftreten

Bekanntheitsgrad der Wirkungsweise auf das Unternehmen

bekannt

unbekannt

Bekanntheitsgrad des Reaktionsmusters des Unternehmens

bekannt, erprobt

unbekannt

Tabelle 2.1: Typen von Umweltveränderungen Quelle: In Anlehnung an Bea / Haas (2005), S. 278

Strategische Frühaufklärung zielt dabei auf die Identifikation und Handhabung strategischer Umweltveränderungen, die in allen zuvor genannten Umweltsegmenten der Mikro- als auch Makroumwelt auftreten können. Informationsgenerierung Zunächst sind Daten, Informationen und Wissen zu unterscheiden. Daten sind ungeordnete Fakten und Beobachtungen, die durch eine Kontextualisierung an Wert gewinnen und zu Informationen werden.72 Informationen können somit als zweckorientiert aufbereitete Daten beschrieben werden.73 Sie gelten als „‚Rohstoff’ eines jeden Entscheidungsprozesses“74 und stellen ein grundlegendes Element der Erhaltung und Weiterentwicklung von Unternehmen dar.75 Wissen ist schließlich der Information übergeordnet und kann nach LICHTENTHALER definiert werden als „die Gesamtheit der Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen“76. Dabei ist zu beachten, dass kein direkter Wissensprozess zwischen Menschen stattfinden kann, sondern ein Transfer auf Ebene der Information erfolgt. Dies resultiert daraus, dass Informationen durch den Empfänger auf Basis des Vorwissens bewertet werden und somit eine spezifische Bedeutung erlangen.77 Um dies zu

72 73 74 75 76 77

Vgl. Davis / Botkin (1994), S. 166. Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 3. Sepp (1996), S. 137. Vgl. Baisch (2000), S. 23. Lichtenthaler (2002), S. 3. Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 3. Siehe hierzu auch Choo, der diesen Zusammenhang wie folgt formuliert: „The transformation of data into information and then into knowledge requires human cognitive effort that results in the perception of structure and the attribution of meaning and significance.“ Choo (2002), S. 257.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

verdeutlichen soll von einer Informationsgenerierung anstelle einer Wissensgenerierung gesprochen werden. Die Informationsgenerierung basiert auf der Wahrnehmung schwacher Signale.78 Wesentliches Erkenntnisinteresse dabei ist, ob sich die schwachen Signale zu Trends und Issues verdichten könnten. Unter einem Issue soll nach KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS ein unternehmensrelevantes, zukünftiges Ereignis verstanden werden, welches noch unbewertet hinsichtlich seines Chancen- und Gefahrencharakters ist.79 Nach LIEBL zählt als Issue dabei alles, „was als Entwicklung im Umfeld einen signifikanten Einfluss auf den zukünftigen Erfolg ausübt – sowohl positiv als auch negativ.“80 Ein Trend kann einprägsam als Issue im „embryonalem Zustand“81 bezeichnet werden. Bei der Suche nach latenten Chancen und Gefahren, die in einem komplex-dynamischen Umfeld aus Diskontinuitäten entstehen, zeigt sich die Herausforderung strategischer Frühaufklärung: Das Erkenntnisinteresse ist a priori unklar, Prozess und Ergebnis sind nur begrenzt planund kontrollierbar.82 Daraus folgen besondere Anforderungen an die eingesetzten Instrumente. Traditionelle prognoseorientierte Instrumente können hierzu keinen Beitrag leisten. Sie beruhen auf dem Ansatz der Zeitstabilitätshypothese. Dabei werden gewonnene UrsacheWirkungs-Zusammenhänge aus vorhandenem Datenmaterial der Vergangenheit genutzt und man unterstellt eine Fortgeltung der Zusammenhänge in der Zukunft.83 Im Kontext strategischer Frühaufklärung werden vielmehr projektionsorientierte Instrumente benötigt, die explizit alternative Entwicklungen in der Zukunft einbeziehen und nicht vom Fortbestand bestimmter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ausgehen.84 Der Informationsgenerierungsprozess soll dazu führen, relevante Umfeldentwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Dies setzt ein zielführendes Filtern der Informationen voraus, da sich ein Unternehmen nur mit einer begrenzten Zahl an Issues gleichzeitig beschäftigen kann.85

78 79

80

81 82 83 84

85

Siehe hierzu die Ausführungen zum Konzept der schwachen Signale in Kap. 2.2.1.1 (S. 39). Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 31. Diskontinuitäten können sowohl den Charakter von Chancen als auch von Gefahren haben. Dies wird durch das Kompetenzprofil des Unternehmens bedingt. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 278. Liebl (2003), S. 66. Im angelsächsischen Raum wird unter Issue zumeist ein öffentliches Anliegen oder Problem bzw. eine politische oder soziale (Streit-)Frage verstanden. Im Deutschen wird der Begriff Issue in einem weiten Begriffsverständnis für brisante Themen verwandt. Siehe dazu auch Liebl (2003), S. 62. Liebl (2003), S. 63, zitiert nach Chase (1984). Vgl. Schäffer / Hoffmann (1999), S. 367, die in diesem Zusammenhang von der „Suche nach dem ‚unknown unknown’“ sprechen. Vgl. Bea / Haas (1994), S. 488. Vgl. Bea / Haas (1994), S. 488. Zum Teil werden in der Literatur projektionsorientierte Verfahren auch als „heuristische Prognosen“ oder als „qualitative Prognosen“ bezeichnet. Siehe Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 209 und Welge / Al-Laham (1999), S. 294. Vgl. Liebl (2003), S. 66f.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

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Entwicklung und Umsetzung abgestufter Reaktionsstrategien Strategische Frühaufklärung wird als eine Entscheidungsunterstützungsfunktion verstanden. Die Erkenntnisse aus dem Prozess der Informationsgenerierung führen zu einer Reaktionsstrategie, deren Wahl einer Entscheidung durch das Management bedarf. Die Entscheidung setzt eine Willensbildung voraus.86 Damit wirkt strategische Frühaufklärung auf die mentalen Modelle der Handlungsträger ein. Mentale Modelle sollen nach SENGE wie folgt verstanden werden: „Mental models are deeply ingrained assumptions, generalizations, or even pictures or images that influence how we understand the world and how we take action.”87 Als Ergebnis entsteht eine abgestufte Reaktionsstrategie.88 Das bedeutet, dass man in Abhängigkeit von den Erkenntnissen eine adäquate Antwort wählt, die möglicherweise in eine Handlung mündet. So könnte beispielsweise eine Maßnahme zur Anpassung an die sich verändernde Umwelt durchgeführt werden. Mit der expliziten Betrachtung der Entwicklung und Umsetzung abgestufter Reaktionsstrategien folgt diese Arbeit einem weiten Verständnis strategischer Frühaufklärung. Mit Hilfe dieser Darstellung sollen insbesondere die Herausforderungen aus der sekundären Implementierungslücke (siehe Abbildung 1.2, S. 6) berücksichtigt werden. Arbeitsdefinition strategischer Frühaufklärung Auf Grundlage der zuvor ausgeführten Überlegungen zu den Bestimmungselementen wird die folgende Definition als Arbeitsgrundlage für den weiteren Verlauf der Untersuchung genutzt: Strategische Frühaufklärung unterstützt Entscheidungsträger durch eine projektionsorientierte Informationsgenerierung darin, diskontinuierliche Umweltveränderungen mit strategischer Relevanz rechtzeitig zu identifizieren und zu verarbeiten, um so den Handlungsspielraum zu vergrößern und abgestufte Reaktionsstrategien zu initiieren.

86 87 88

Die Willensbildung ist Teil des Führungszyklus, der darüber hinaus idealtypisch über die Phasen der Willensdurchsetzung und Kontrolle besteht. Vgl. hierzu Weber / Schäffer (1999). Senge (1990), S. 9. Das Konzept einer abgestuften Antwortstrategie wurde in der Literatur als Erstes von Ansoff beschrieben. Siehe dazu die Ausführungen in Kap. 2.2.1.1. (S. 39ff.).

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.1.1.3 Begriff und Begriffsverständnis in der angelsächsischen Literatur Die angelsächsische Literatur ist ebenso von den Aufsätzen von ANSOFF geprägt wie der deutschsprachige Raum. Von daher beruhen die Konzepte auf den gleichen Ausgangsgedanken. In der englischsprachigen Literatur wird das Forschungsfeld strategischer Frühaufklärung unter den Begriffen Strategic Early Awareness, Strategic Issues Management, Environmental Scanning und Business Intelligence diskutiert. Strategic Early Awareness stellt dabei eine Weiterentwicklung des Begriffes Strategic Early Warning89 dar und wird vor allem in der Unternehmenspraxis genutzt.90 Der Nutzen soll dabei sein: „to facilitate the identification of externally relevant strategic issues and possible opportunities”91. Strategic Issues Management wird nach ANSOFF verstanden als „systematic procedure for early identification and fast response to important trends and events both inside and outside an enterprise“92. Der Begriff des Environmental Scanning wurde bereits in den sechziger Jahren von AGUILAR geprägt und findet bis heute Anwendung.93 Nach CHOO wird er wie folgt definiert: „Environmental scanning is the acquisition and use of information about events, trends, and relationships in an organization’s external environment, the knowledge of which would assist management in planning the organization’s future course of action.”94 Erkenntnisinteresse von Business Intelligence sind „processed information of interest to management about the present and future environment in which the business is operating”95. Die Begriffsdefinitionen zeigen bereits deutlich Überschneidungen der einzelnen Konzepte. Auf eine weiterführende Beschreibung und Differenzierung der Ansätze soll an dieser Stelle verzichtet werden.96 Ergänzend zur deutschsprachigen Literatur wird in dieser Arbeit Literatur zu den genannten vier englischen Begriffen hinzugezogen.

89

90 91 92 93 94 95 96

Der Begriff Early Warning findet auch heute noch Anwendung. Neben einer Betrachtung von Gefahren werden darunter zumeist ebenso Chancen subsumiert. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.2 (S. 58f.). Siehe beispielsweise Steger / Winter (1996b); Salzmann (2003); Tessun (1997); Gilad (2003); Schwarz (2005). Salzmann (2003), S. 2. Ansoff (1980), S. 135. Vgl. Aguilar (1967). Choo (2002), S. 84, in Anlehnung an Aguilar sowie Choo und Auster. Choo (2002), S. 91, zitiert nach Greene. Eine Übersicht über die englischsprachige Literatur und Abgrenzung der einzelnen Begriffe gibt Choo (2002).

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

2.1.2

23

Strategische Frühaufklärung im Kontext strategischen Managements

Strategische Frühaufklärung wird im Folgenden in vier Schritten in Kontext zum strategischen Management gesetzt: Als erstes wird das in der Arbeit genutzte Strategieverständnis vorgestellt. Zweitens wird die Entwicklung zum strategischen Management zusammengefasst und drittens die strategische Frühaufklärung in das strategische Management eingeordnet. Schließlich erfolgt viertens eine Einbettung strategischer Frühaufklärung in die Subsysteme des strategischen Managements. 2.1.2.1 Strategieverständnis In der Literatur liegt kein einheitliches Verständnis des Strategiebegriffs vor.97 In der Managementpraxis ist eine zunehmend inflatorische Nutzung des Begriffs zu beobachten. STAEHLE konstatiert diesbezüglich: „Da inzwischen alles strategisch gesehen wird, vom strategischen Marketing bis hin zum strategischen Personalmanagement, droht die ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffs verloren zu gehen.“98 Da auch in dieser Arbeit der Begriff der Strategie extensiv genutzt wird, ist eine kurze Begriffsklärung und -präzisierung notwendig. Der Begriff der Strategie geht in etymologischer Sicht auf eine militärische Herkunft zurück. In seiner ursprünglichen Bedeutung stammt er vom griechischen Wort strategós ab, worunter die Kunst der Heerführung verstanden wurde.99 In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Strategiebegriff an der Harvard Business School eingeführt und hat sich seitdem im Unternehmenskontext weit verbreitet.100 Nach dem Business Policy Konzept der Harvard Business School umfasst Unternehmensstrategie „die Festlegung der langfristigen Ziele einer Unternehmung, der Politiken und Richtlinien sowie die Mittel und Wege zur Erreichung der Ziele“101. Damit umfassen strategische Planungen im Unternehmen nicht mehr allein den operativen, monetären Erfolg der Unternehmensaktivitäten (z.B. Gewinn, Rentabilitäten). Stattdessen liegt ihnen ein Denken in langfristigen Erfolgspotenzialen zugrunde.102 Darunter sind „alle Voraussetzungen für den zukünftigen Unternehmenserfolg zu verstehen, die spätestens dann vorhanden sein müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht“103. Als Beispiele sind Geschäfte, Technologien, Humankapital oder Führungssysteme zu nennen. In der Literatur lassen sich zwei Strömungen aufzeigen, die auf unterschiedlichen Strategieverständnissen beruhen. Einerseits das sogenannte klassische Strategieverständnis, andererseits 97 98 99 100 101 102 103

Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 12. Staehle (1999), S. 601. Vgl. Staehle (1999), S. 601ff., der einen Überblick über die Entwicklung des Strategiebegriffs im Militär gibt und die Einführung im Wirtschaftskontext aufzeigt. Vgl. Staehle (1999), S. 603. Staehle (1999), S. 603. Vgl. Al-Laham (1997), S. 95. Rauscher (2004), S. 15.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

die sogenannte Schule um MINTZBERG.104 Das klassische Strategieverständnis betrachtet eine Strategie als Ergebnis formaler, rationaler Planungen. Von CHANDLER wurde eine Definition vorgeschlagen, die weitgehende Zustimmung gefunden hat.105 Demnach ist eine Strategie „the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and the allocation of resources necessary for carrying out these goals“106. BARNEY setzt die Elemente Unternehmenspolitik, Ziele, Strategien und Taktiken in ein hierarchisches Konstrukt.107 Er fasst diese Elemente als voneinander unterscheidbar auf.108 Eine Gegenposition zum klassischen Strategieverständnis nimmt die Schule um MINTZBERG ein.109 MINTZBERG stellt die Grundannahme in Frage, dass Strategien das Ergebnis formaler, rationaler Planungen seien. In empirischen Studien hat MINTZBERG verschiedene Grundmuster von Strategietypen identifiziert:110 x Geplante Strategien, die tatsächlich realisiert werden (welche nach MINTZBERG selten in der Praxis zu finden sind). x Geplante Strategien, die nicht realisiert werden (beispielsweise aufgrund unrealistischer Umweltannahmen). x Ungeplante Strategien, die realisiert werden (Strategien, die sich zufällig ergeben haben). Die vorliegende Arbeit folgt grundsätzlich dem klassischen Strategieverständnis. Damit kann eine Einbettung strategischer Frühaufklärung als intendierter Ansatz gewährleistet werden. Die Wahl des Konzeptrahmens für das strategische Management berücksichtigt jedoch – wie im nächsten Abschnitt aufgezeigt wird – explizit auch die Erkenntnisse emergenter Strategien nach MINTZBERG. Strategie wird in dieser Arbeit nach WELGE und AL-LAHAM als „die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise (Maßnahmenkombination) des Unternehmens und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele“111 definiert. Als strategische Frühaufklärung soll infolge dessen jene Art von Frühaufklärung verstanden werden, die auf die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise des Unternehmens einwirkt.112

104 105 106 107 108 109 110 111 112

Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 13ff., der beide Ansätze beschreibt und miteinander vergleicht. Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 13. Chandler (1962), S. 13. Vgl. Barney (1997), S. 11. Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 14. Vgl. Mintzberg (1978); Mintzberg / Lampel (1999); Mintzberg (1987a); Mintzberg (1987b); Mintzberg (1994). Vgl. Mintzberg (1978). Welge / Al-Laham (1999), S. 19. Vgl. zum Weg der Argumentation Roll (2004), S. 13.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

25

2.1.2.2 Entwicklung zum strategischen Management Die Zunahme der Komplexität und Dynamik der Unternehmensumwelt hat in den vergangenen Jahrzehnten zu sich verändernden Forschungsschwerpunkten und -ansätzen geführt. Nach ANSOFF lassen sich vier Entwicklungsphasen charakterisieren:113 x Phase der Planung x Phase der langfristigen Planung x Phase der strategischen Planung x Phase des strategischen Managements Forschungsschwerpunkte der Phase der Planung, die im Zeitraum von 1945 bis 1960 datiert wird, sind Finanzplanung und -steuerung, Budgetierung sowie Optimierung von Entscheidungen. Die Umweltsituation wird als deterministisch und begrenzt linear-dynamisch beschrieben. In der Phase der langfristigen Planung (1960 bis 1973) gewannen Langfristprognosen zur Extrapolation bisheriger Entwicklungen an Bedeutung. Eine bessere Steuerung und Kontrolle von Unternehmen sollte gewährleistet werden. Mit dem Ölschock im Jahr 1973 wurde jedoch deutlich, dass mit diesem Ansatz keine Diskontinuitäten erkannt werden konnten. So stand eine systematische Beschäftigung mit der Analyse zukünftiger Chancen und Gefahren in der darauf folgenden Phase der strategischen Planung (1973 bis 1980) im Mittelpunkt. Konzepte strategischer Frühaufklärung wurden eingeführt, um Unternehmen in einer zunehmend dynamisch-komplexen Umwelt lenken zu können.114 Mit der zunehmenden Globalisierung in den achtziger Jahren vergangenen Jahrhunderts setzte die Phase des strategischen Managements ein. Es zeigte sich, dass die erfolgreiche Umsetzung von Strategien wesentlich von weiteren Faktoren abhängt: Organisation, Unternehmenskultur und Information. Zudem gewinnen in jüngerer Zeit Ansätze des Wissensmanagements und des organisatorischen Lernens für das strategische Management an Bedeutung.115 2.1.2.3 Einordnung strategischer Frühaufklärung in das strategische Management Die Entwicklung zum strategischen Management zeigt, dass es sich hierbei um ein relativ junges Forschungsgebiet handelt, im dem kein zentrales Forschungsparadigma existiert.116 Strategisches Management wird in der Literatur folglich von verschiedenen Autoren unterschiedlich ausdifferenziert. Entsprechend wird auch strategische Frühaufklärung unterschiedlich eingeordnet. So unterteilen beispielsweise MÜLLER-STEWENS und LECHNER strategisches Management in ihrem General Management Navigator in die Felder der Initiierung, Positio-

113 114 115 116

Vgl. Ansoff (1984), S. 3ff. Eine Betrachtung der Forschungsentwicklung strategischer Frühaufklärung erfolgt in Kapitel 1.1 (S. 39). Vgl. zum vorhergehenden Bea / Haas (2005), S. 12ff. Vgl. Welge / Al-Laham (1999).

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

nierung, Wertschöpfung, Veränderung und Performance Messung.117 Das Feld der Positionierung beschäftigt sich dabei mit der Bestimmung des Verhältnisses gegenüber den Stakeholdern. Strategische Frühaufklärung wird dementsprechend als Teil der Umweltanalyse verstanden, mit dem Ziel der „Antizipation der Einflusskräfte der Umwelt“118. WELGE und AL-LAHAM hingegen schlagen einen vierphasigen Prozess für das strategische Management vor: strategische Zielplanung, strategische Analyse und Prognose, Strategieformulierung und -bewertung sowie Strategieimplementierung. Dabei ordnen sie die strategische Frühaufklärung in die Phase der strategischen Analyse und Prognose ein.119 Diese hat die Aufgaben der Umweltanalyse und der Unternehmensanalyse. Da sich nach WELGE und AL-LAHAM die Informationen der strategischen Analyse primär auf die Vergangenheit und die Gegenwart beziehen, sollen mit strategischer Frühaufklärung beide Aufgabenbereiche um eine zukunftsbezogene Betrachtung ergänzt werden.120 Die Autoren schränken dabei ein, dass sich strategische Frühaufklärung „in erster Linie auf das Umfeld der Unternehmung bezieht“121. Die vorliegende Arbeit nutzt den Ansatz von BEA und HAAS.122 Dieser erweist sich als zweckmäßig für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit.123 Die beiden Autoren unterteilen strategisches Management in die folgenden Subsysteme: strategische Planung, strategische Kontrolle, Information, Organisation, Unternehmenskultur und strategische Leistungspotenziale (siehe Abbildung 2.2).

117 118 119 120 121 122 123

Vgl. Müller-Stewens / Lechner (2005). Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 206. Welge / Al-Laham (1999), S. 289ff. Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 289. Welge / Al-Laham (1999), S. 302. Vgl. Bea / Haas (2005). Dies zeigt sich auch darin, dass nach den Herausgebern Bea, Friedl und Schweitzer der Ansatz von keiner bestimmten Schulrichtung geprägt ist, sondern „ein getreues Abbild der Wissenschaftsvielfalt in der Betriebswirtschaftslehre geboten wird“. Vgl. Bea / Haas (2005), Vorwort.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

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Organisation

Unternehmenskultur

Strategische Planung

Information

Information

Information

Strategische Kontrolle Information Strategische Leistungspotenziale

Abbildung 2.2: Subsysteme des strategischen Managements Quelle: Bea / Haas (2005), S. 1

Das Konzept zeigt besonders anschaulich die notwendige gegenseitige Abstimmung aller Führungssubsysteme und trägt dem Umstand Rechenschaft, dass allen Komponenten eine gleichberechtigte und eigenständige strategische Funktion zukommt. Deshalb betonen BEA und HAAS als Leitgedanken des strategischen Managements den „strategischen Fit“ zwischen und innerhalb der genannten Subsysteme einerseits und zwischen Unternehmen und Umwelt andererseits.124 Die Teilsysteme richten sich am Effektivitätskriterium aus. In diesem Ansatz spiegeln sich die Erkenntnisse der empirischen Untersuchungen von MINTZBERG wider, die zu einer Relativierung der strategischen Planung und zu einer Aufwertung der übrigen Subsysteme führen. So zeigt sich, dass geplante Strategien dann nicht umgesetzt werden, wenn die übrigen Subsysteme nicht mit der strategischen Planung zusammenwirken. Ungeplante Strategien entstehen wiederum dann, wenn aus den Subsystemen der Unternehmenskultur und der Organisation heraus Vorstellungen entwickelt werden, die vom Planungssystem nicht intendiert waren.125

124

125

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 16ff. Ähnlich weisen auch Welge und Al-Laham auf den Fit-Gedanken zwischen Unternehmen und Umwelt hin: „Ziel des strategischen Managements muß es daher sein, mit Hilfe einer geeigneten Strategie eine möglichst weitreichende Anpassung (‚FIT’) der Unternehmung an die Umwelt zu ermöglichen oder aber relevante Umweltsegmente im Sinne der unternehmerischen Zielsetzung zu beeinflussen.“ Welge / Al-Laham (1999), S. 183. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 19.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.1.2.4 Einbettung strategischer Frühaufklärung in die Subsysteme des strategischen Managements Nachfolgend wird aufgezeigt, wie BEA und HAAS strategische Frühaufklärung in ihrem Konzept einbetten und welche Wechselwirkungen im Sinne des strategischen Fits zu beachten sind. Dazu werden die einzelnen Subsysteme kurz aufgeführt und Verbindungen zur strategischen Frühaufklärung skizziert. BEA und HAAS ordnen strategische Frühaufklärung in das Subsystem der Information ein.126 Sie unterscheiden dabei ein Management externer Informationen und ein Management interner Informationen, wobei strategische Frühaufklärung Ersterem zugeordnet wird. Als Orientierungsrahmen konzipieren BEA und HAAS ein strategisches Informationsmanagement.127 Darunter ist „die Gesamtheit aller Aktivitäten der Informationsbedarfsanalyse, Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung sowie der dabei eingesetzten Instrumente zur Unterstützung des Strategischen Management“128 zu verstehen. Die beiden Subsysteme der strategischen Planung und der strategischen Kontrolle bilden die „Kernbausteine“ des strategischen Managements. Strategische Planung wird verstanden als „ein informationsverarbeitender Prozess zur Abstimmung von Anforderungen der Umwelt mit den Potenzialen des Unternehmens in der Absicht, mit Hilfe von Strategien den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern.“129 Eines der Kernelemente der strategischen Planung bildet die strategische Analyse, welche die Komponenten Umweltanalyse und Unternehmensanalyse umfasst.130 Wesentliche Aufgabe der Umweltanalyse ist, „aus der prinzipiell unüberschaubaren Fülle von Einflußfaktoren die wichtigsten herauszufiltern“ 131. Wichtig ist hierbei die Güte der verwendeten Informationen und somit insbesondere eine zuverlässige und frühzeitige Erfassung von Veränderungen der Unternehmensumwelt.132 Strategische Frühaufklärung liefert somit wichtige Informationen, die in die Umweltanalyse einfließen.133 Das Ver-

126 127

128 129 130

131 132 133

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 257ff. Auf die Eigenständigkeit eines Subsystems des Informationsmanagement weist auch Berndt hin. Für ihn fällt darunter „die systematische Planung, Gestaltung, Koordination und Kontrolle sämtlicher Informationsaktivitäten eines Unternehmens“. Vgl. Berndt / Fantapié Altobelli / Schuster (1998), S. 45. Bea / Haas (2005), S. 263. Bea / Haas (2005), S. 50. Vgl. Welge / Al-Laham (1999), S. 183; Bea / Haas (2005), S. 53. Dies entspricht dem klassischen „SWOTAnsatz“, bei dem einerseits eine Analyse der Unternehmensstärken und -schwächen (Strenghts and Weaknesses) und andererseits eine Analyse der Umweltchancen und -gefahren erfolgt (Opportunities and Threats). Beide Komponenten schaffen die informationellen Voraussetzungen für die Formulierung der Unternehmensstrategie. Welge / Al-Laham (1999), S. 183. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 257. Dabei ist zu beachten, dass strategische Planung häufig im Sinne einer Vorgehensweise aufgefasst wird, die, falls möglich, auf reflexiven und quantifizierbaren Elementen beruht. Jedoch kann auch nach diesem Verständnis strategische Frühaufklärung zumindest indirekt strategische Planung unterstützen. Vgl. Roll (2004), S. 50f.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

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hältnis von strategischer Frühaufklärung und strategischer Planung kann nach ROLL als ein komplementäres beschrieben werden.134 Strategische Kontrolle stellt einen „die Planung begleitenden kontinuierlichen Prozess dar“135. Dieser besteht aus der strategischen Prämissenkontrolle, der strategischen Planfortschrittskontrolle, der strategischen Überwachung und der Kontrolle der strategischen Potenziale.136 Strategische Kontrolle wird wie strategische Planung als informationsverarbeitender Prozess aufgefasst. Frühaufklärungsinformationen fließen dabei insbesondere in die strategische Überwachung ein. Die strategische Überwachung dient als Kompensationsfunktion sowohl gegenüber der grundsätzlichen Richtung der strategischen Planung als auch gegenüber der Prämissen- und Durchführungskontrolle. Dabei liegt ihre Aufgabe in einer „kontinuierlichen, ungerichteten Beobachtung der externen und internen Umwelt auf bisher vernachlässigte oder unvorhergesehene Ereignisse, die eine Bedrohung für die gewählte strategische Orientierung der Unternehmung bedeuten könnten“137. Nach HASSELBERG fungiert die strategische Überwachung in diesem Sinne als „‚strategisches Radar’, das die Umwelt gewissermaßen flächendeckend auf strategiegefährdende Informationen hin überwacht“138. Organisation beinhaltet drei Perspektiven: eine institutionelle, eine instrumentale und eine tätigkeitsorientierte.139 Die institutionelle Perspektive interpretiert Organisation als „kollektive, soziale und strukturierte Denk- und Handlungsmuster bzw. -systeme“140. Die instrumentale Perspektive betont die Gestaltungsparameter der Organisation wie Spezialisierung, Delegation und Koordination. Die tätigkeitsorientierte Perspektive schließlich fokussiert den Prozess, das heißt die Tätigkeit des Organisierens, durch die eine Struktur entsteht.141 An die Organisation werden durch Umweltveränderungen neue Anforderungen gestellt.142 Die gewählte Ausgestaltung der instrumentalen und tätigkeitsorientierten Perspektive der Organisation beeinflusst „die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung innerhalb der Unternehmung und so die Entwicklung und die Nutzung der Informationen“143. Aufgrund der zunehmenden Dynamik und Komplexität der Umwelt ist in jüngerer Zeit im strategischen Management eine Schwerpunktverlagerung zu Gunsten der Organisation zu beobachten.144 Innerhalb des Subsystems der Organisation rücken zunehmend neue Organisationsmodelle in das Interesse von 134 135 136

137 138 139 140 141 142 143 144

Vgl. Roll (2004), S. 51. Bea / Haas (2005), S. 223. In der Literatur finden sich unterschiedliche Kontrollkonzeptionen. Die ausgewählte geht auf Schreyögg / Steinmann (1985) zurück und wird von Bea / Haas (2005) um die Kontrolle der strategischen Potenziale ergänzt. Hasselberg (1989), S. 97. Hasselberg (1989), S. 97. Textliche Hervorhebungen des Originals entfernt. Vgl. Krüger (1994), S. 13; Zurlino (1995), S. 74. Bea / Haas (2005), S. 375. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 375. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 369. Bea / Haas (2005), S. 376. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 376.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Forschung und Praxis. Diesbezüglich spielt für die strategische Frühaufklärung der Ansatz der lernenden Organisation eine wichtige Rolle.145 Organisationales Lernen wird als „Prozess der Schaffung und stetigen Weiterentwicklung der organisationalen Wissensbasis“146 definiert. Strategische Frühaufklärung kann in diesem Kontext zur Generierung von Anpassungs- und Entwicklungsstrategien beitragen. Das Subsystem der Unternehmenskultur definieren BEA und HAAS „die Gesamtheit von im Laufe der Zeit in einer Unternehmung entstandenen und akzeptierten Werten und Normen, die über bestimmte Wahrnehmungs-, Denk-, und Verhaltensmuster das Entscheiden und Handeln der Mitglieder einer Unternehmung prägen“147. Nach SCHEIN können drei Ebenen der Unternehmenskultur unterschieden werden: (1) die Ebene der Symbole, die sich u.a. in Riten und Rituale, Mythen und Geschichten zeigen; (2) die Ebene des Normen- und Wertesystems, worunter u.a. Führungsgrundsätze und Verhaltensrichtlinien zu fassen sind und (3) die Ebene der Basisannahmen, welche die Grundlage für das Denken und Handeln darstellt.148 Die Unternehmenskultur wirkt direkt auf die Ausgestaltung strategischer Frühaufklärung. Zum einen beeinflusst das Normen- und Wertesystem des Unternehmens entscheidend die Umfeldsensibilität. So wird eine stark nach innen orientierte Unternehmenskultur tendenziell weniger Umweltveränderungen wahrnehmen als eine Kultur, die durch das Wissen um die Relevanz des Umfeldes und die Interaktionen mit diesem geprägt ist.149 Zum anderen hat die Unternehmenskultur auch einen „maßgeblichen Einfluss auf die Interpretation der wahrgenommenen Signale aus dem Umfeld“150. Damit wirkt die Unternehmenskultur einerseits bei der Entstehung von Orientierungswissen als Filter auf die Wahrnehmung, andererseits steuert sie als Wertesystem die Verarbeitung der Informationen.151 Die bislang betrachteten Subsysteme Planung, Kontrolle, Information, Organisation und Unternehmenskultur können als Führungspotenziale bezeichnet werden. Als weiteres Subsystem fassen BEA und HAAS die strategischen Leistungspotenzialen. Darunter fallen Beschaffung, Produktion und Absatz, Kapital, Personal und Technologie. Die Leistungspotenziale stellen die Grundlage für die Wertschöpfung des Unternehmens dar.152 Strategische Frühaufklärung wirkt als Führungsunterstützungsfunktion primär auf die Führungspotenziale des Unternehmens. Gleichwohl können die Instrumente strategischer Frühaufklärung grundsätzlich auch in den

145 146 147 148 149 150 151 152

Der Ansatz der lernenden Organisation wurde insbesondere durch Senge Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts populär. Vgl. Senge (1990). Bea / Haas (2005), S. 421. Bea / Haas (2005), S. 463. Vgl. Schein (1986), S. 14. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 490. Bea / Haas (2005), S. 490. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 490. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 505.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

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Leistungspotenzialen Anwendung finden.153 Für die Leistungspotenziale Technologie und Absatz wird dies nachfolgend noch verdeutlicht.154 2.1.3

Angrenzende Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung

Die Grundgedanken der strategischen Frühaufklärung finden sich in den benachbarten Forschungsrichtungen der Zukunftsforschung, der Technologiefrühaufklärung, des Issues Management und der Competitive Intelligence wieder. Für eine weitere Präzisierung des Forschungsgegenstandes der strategischen Frühaufklärung ist eine Abgrenzung notwendig, um die häufig synonym verwendeten Begriffe unterscheiden und bezüglich ihrer Forschungsherkunft und -ziele einordnen zu können. Gemeinsam ist allen nachfolgend aufgeführten Konzepten, dass es sich um Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung handelt. Für die Unterscheidung bieten sich somit zwei Differenzierungsdimensionen an. Erstes und primäres Differenzierungsmerkmal stellen die in die Analyse einbezogenen Beobachtungsbereiche der Unternehmensumwelt dar. Zweitens können die Konzepte hinsichtlich ihrer zeitlichen Perspektive betrachtet werden. Abbildung 2.3 zeigt die Ansätze differenziert nach den soeben genannten Dimensionen im Überblick. Umweltsegment Strategische Frühaufklärung

Makroumwelt

Politisch-rechtliche, sozio-kulturelle Umwelt

Issues Management

Technologiefrühaufklärung

Technologische Umwelt

Mikroumwelt

Zukunftsforschung

Competitive Intelligence

Kurzfristig

Mittelfristig

Langfristig Zeitliche Perspektive

Abbildung 2.3: Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung Quelle: Eigene Abbildung

153 154

Eine Übersicht über die Instrumente strategischer Frühaufklärung erfolgt in Kapitel 2.3.2.4 (S. 86ff.). Siehe dazu einerseits die Ausführungen zur Technologiefrühaufklärung in Kapitel 2.1.3.2 (S. 33ff.) und andererseits zur Competitive Intelligence in Kapitel 2.1.3.4 (S. 38ff.).

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Zudem wird strategische Frühaufklärung in die Abbildung eingeordnet. Wie in den vorangegangen Abschnitten aufgezeigt, charakterisiert sich strategische Frühaufklärung dadurch, dass explizite Einschränkungen hinsichtlich der Beobachtungsbereiche der Unternehmensumwelt nicht vorgesehen sind. Bezüglich der zeitlichen Perspektive wird von einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont ausgegangen. 2.1.3.1 Angrenzung zur Zukunftsforschung Strategische Frühaufklärung und unternehmensbezogene Zukunftsforschung zeigen Überschneidungen in ihren Grundgedanken und Methoden auf. Da die Begriffe in der Praxis teils synonym verwendet werden, erfolgt an dieser Stelle eine Einordnung und Abgrenzung. Zunächst lässt sich feststellen, dass Zukunftsforschung „keine klar umrissene wissenschaftliche Disziplin, sondern ein relativ junges und sich dynamisch weiterentwickelndes Mosaik von Tätigkeitsfeldern“155 ist. Als Definition bietet sich die Charakterisierung von KREIBICH an: „Zukunftsforschung ist die wissenschaftliche Befassung mit möglichen, wünschbaren und wahrscheinlichen Zukunftsentwicklungen und Gestaltungsoptionen sowie deren Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart“156. Damit wird betont, dass divergierende Wege in die Zukunft existieren, die mit Hilfe der Zukunftsforschung identifiziert und beschrieben werden sollen.157 Zukunftsforschung betrachtet langfristige Entwicklungen. So nennt STEINMÜLLER einen Zeithorizont von fünf bis zwanzig Jahren.158 KREIBICH bezeichnet diese Zeitspanne in Bezug auf Zukunftsforschung als mittelfristig und ergänzt sie um eine langfristige, die er auf ca. 20 bis 50 Jahren datiert.159 Zukunftsforschung ist sektor- und disziplinenübergreifend angelegt und folgt einer ganzheitlichen Herangehensweise. Der methodische Kern fokussiert folglich auf Instrumente, die ein systemisches Denken in komplexen Zusammenhängen unterstützen. Weiteres Charakteristikum ist eine Kombination explorativer und normativer Elemente.160 Die Szenariotechnik ist GRAF zufolge die verbreitetste und Erfolg versprechendste Methode der Zukunftsforschung, da bei ihr ein Denken in Alternativen im Mittelpunkt steht.161 Anwender von Zukunftsforschung sind häufig öffentliche Institutionen, die auf nationaler Ebene sogenannte Foresight-Prozesse initiieren.162 Diese Prozesse sind zumeist diskursiv aus-

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Ruff (2003), S. 40. Kreibich (2006), S. 3. Kreibich bietet einen guten Überblick über Grundlagen, Entwicklung, Themen, Methoden und Institutionalisierung der Zukunftsforschung. Vgl. Steinmüller (2004), S. 84. Vgl. Steinmüller (2004), S. 83. Vgl. Kreibich (2006). Vgl. Steinmüller (2004), S. 87f. Vgl. Graf (2004), S. 23. Foresight kann als Sammelbezeichnung für Zukunftsforschung und -gestaltung definiert werden. Vgl. Steinmüller (2004), S. 86.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

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gerichtet und binden Akteure aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft ein.163 In jüngerer Zeit folgt die Zukunftsforschung auch dem Zweck der Beratung von Unternehmen.164 Dabei wird als Kernaufgabe angesehen, Umfeldszenarien für Unternehmen zu entwickeln und so den „Möglichkeitsraum der Zukunft hinreichend differenziert sowie in praktikabler Grobkörnigkeit abzubilden“165. Für MÜLLER-STEWENS stellt strategische Frühaufklärung das Bindeglied zwischen Zukunftsforschung und strategischem Management dar.166 Dieser Auffassung wird in dieser Arbeit gefolgt. Strategische Frühaufklärung sucht als Managementkonzept nach Anbindungsmöglichkeiten an Unternehmensprozesse; Fragen der aufbauorganisatorischen Gestaltung werden ebenso behandelt wie unternehmenskulturelle Herausforderungen. Die Methoden der Zukunftsforschung können den Prozess der strategischen Frühaufklärung nach der Suche von schwachen Signalen und Diskontinuitäten unterstützen. Dabei nutzen die zuvor genannten Eigenschaften der Zukunftsforschung, einen ganzheitlichen, interdisziplinären und langfristigen Blick auf alternative Zukünfte aufzuzeigen. Beobachtungsbereich ist das Makroumfeld des Unternehmens. Zu konstatieren ist, dass Methoden der Zukunftsforschung häufig in der Technologiefrühaufklärung genutzt werden.167 2.1.3.2 Angrenzung zur Technologiefrühaufklärung und Technikfolgenabschätzung Angrenzung zur Technologiefrühaufklärung Über das Verhältnis von Technologiefrühaufklärung168 und strategischer Frühaufklärung herrscht in der Literatur weitgehend Einigung. Demnach wird Technologiefrühaufklärung als Ausdifferenzierung strategischer Frühaufklärung im Leistungspotenzial Technologie verstanden.169 LICHTENTHALER weist diesbezüglich darauf hin, dass die Forschung zur Technologiefrühaufklärung einen Spezialbereich der allgemeinen Forschung zur strategischen Frühaufklärung darstellt.170 Technologiefrühaufklärung hat nach BEA und HAAS insbesondere die Funktion, „eine Sensibilität für Technologieevolutionen zu entwickeln“171. Sie zielt auf „die 163 164

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Als Beispiel kann hier für Deutschland der vom BMBF initiierte Forschungsdialog FUTUR genannt werden. Dieser wurde von 2001 – 2005 durchgeführt. Unter dem Begriff „Corporate Foresight“ erscheinen in jüngerer Zeit zunehmend praxisnahe Publikationen, die eine große Überschneidung mit den Charakteristika strategischer Frühaufklärung aufweisen. Vgl. beispielsweise Gruber / Kolpatzik / Schönhut / Venter (2003); Burmeister / Neef (2005); Burmeister / Neef / Beyers (2004). Es liegt die Vermutung nahe, dass mit dem Anglizismus der etwas verstaubt und militärisch klingende Begriff der Frühaufklärung umgangen werden soll. Steinmüller (2004), S. 100. Vgl. Müller-Stewens (1990), S. 120. Vgl. beispielsweise Becker (2002); Steinmüller (2004); Gruber / Venter (2006). Die Diskussion zur Technologiefrühaufklärung erfolgt im deutschsprachigen Raum auch unter den Begriffen der Technologiefrüherkennung und der technologischen Prognose. Im englischsprachigen Raum werden die Begriffe Technology Intelligence, Technology Monitoring und Technology Forecasting genutzt. Vgl. hierzu die Ausführungen bei Lichtenthaler (2002), S. 15 und Pleuss (2006), S. 46. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 549 aus Sicht des strategischen Managements und Lichtenthaler (2002), S. 11 aus Sicht der Technologiefrühaufklärung. Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 14. Bea / Haas (2005), S. 549.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

rechtzeitige Bereitstellung relevanter Informationen über technologische Trends im Umfeld des Unternehmens, um dadurch potenzielle Chancen auszunutzen und potenzielle Gefährdungen abzuwehren“172. REGER nennt die folgenden drei Zielsetzungen von Technologiefrühaufklärung: Erweiterung der gegenwärtige Geschäfte durch technologische Verbesserungen, Generierung von neuem technologischen Wissen für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder und das Erkennen von technologischen Diskontinuitäten.173 Die zeitliche Perspektive liegt nach einer empirischen Studie von REGER ET AL. bei der Mehrheit der von ihnen befragten Unternehmen zwischen fünf und acht Jahren.174 Als konkrete Aufgaben der Technologiefrühaufklärung können nach PLEUSS die folgenden aufgeführt werden: „systematische Beobachtung des technologischen Umfeldes; Frühzeitiges, aktives und systematisches Identifizieren wettbewerbsrelevanter Technologiebereiche, Erkennen schwacher Signale für technologische Diskontinuitäten; Abschätzung der zukünftigen Technologieentwicklung, Bewertung von Technologietrends, Analyse ihrer Bedeutung; Transfer der Erkenntnisse, Integration der Informationen in strategisches F&E Management“175. Angrenzung zur Technikfolgenabschätzung Eine weitere Ausdifferenzierung erfährt strategische Frühaufklärung in Aktivitäten zur Technikfolgenabschätzung.176 Während Technologiefrühaufklärung den Beobachtungsfokus auf das technologische Umfeld legt, werden bei Technikfolgenabschätzung alle Segmente der globalen Umwelt einbezogen. Nach STAEHLE beinhaltet Technikfolgenabschätzung „die Analyse sekundärer und tertiärer Effekte (also nicht nur technischer und ökonomischer) von neuen Technologien und technologischen Entwicklungen auf alle Bereiche der Gesellschaft“177. Technikfolgenabschätzung wird primär als ein Instrument öffentlicher Institutionen verstanden und bezieht sich damit auf die staatliche Verantwortung, negative Technikfolgen für Gesellschaft und Umwelt rechtzeitig zu identifizieren und abzuwenden.178 Zur Nutzung und Verbreitung des Konzeptes in Unternehmen liegen bislang nur wenige empirische Studien vor.179 Zudem gibt es in der Literatur bislang kaum Beiträge, welche die Chancen und Hemmnisse einer betriebli-

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Lichtenthaler (2004), S. 56. Vgl. Reger (2006), S. 305. Vgl. Reger / Blind / Cuhls et al. (1998). Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass die Zeitperspektive stark branchenabhängig ist und für Unternehmen mit langem Produkt- und Technologielebenszyklus (z.B. Pharma, Luftfahrt, Energie) Zeiträume bis zu 30 Jahren festgestellt wurden. Pleuss (2006), S. 43f. In der Literatur werden die Begriffe Technikfolgenabschätzung, Produktfolgenabschätzung, Technikbewertung und Technologiefolgenabschätzung weitgehend synonym verwendet. In jüngerer Zeit kommt zudem der durch das BMBF geprägte Begriff der Innovations- und Technikanalyse hinzu. Vgl. Jischa (2005), S. 154. In der englischen Sprache ist der Begriff Technology Assessment weit verbreitet. Staehle (1999), S. 651. Vgl. Minx / Meyer (2001), S. 41. Für den deutschsprachigen Raum ist hier insbesondere die Untersuchung von Baron (2003) zu nennen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Studie vom BMBF in Auftrag gegeben wurde und somit nicht auf Initiative der Wirtschaft zurückzuführen ist.

Hinführung zur strategischen Frühaufklärung

35

chen Integration der Technikfolgenabschätzung differenziert betrachten.180 SCHÄFFER und HOFFMANN sprechen von einem Paradoxon der Technikfolgenabschätzung und bezeichnen damit „den eklatanten Widerspruch zwischen der strategischen Bedeutung von TA [Technology Assessment, Anm. d. Verf.] und der zum großen Teil nicht wahrgenommenen Relevanz in deutschen Unternehmen“181. Die strategische Relevanz führen die Autoren dabei unter anderen auf folgende Umweltveränderungen jüngerer Zeit zurück: Breitere Folgewirkungen neuer Technologien, wachsende Missbrauchsgefahr von Technologien, Irreversibilität einiger neuer Technologien und zunehmende Produktverantwortung.182 Da sich staatliche Handlungsfelder stark von unternehmerischen unterscheiden, betonen MINX und MEYER die Notwendigkeit einer sinngemäßen Übertragung des Konzeptes auf die Unternehmenslogik und eine Integration in bestehende Entscheidungsabläufe.183 Ziel von Technikfolgenabschätzung in Unternehmen ist die „Früherkennung von indirekten und zeitlich verzögerten auftretenden Folgen von Produkten und Produktionsprozessen, der Erweiterung des Blickfeldes um gesellschaftliche Aspekte der Produktwirkungen und der Bestimmung von Handlungsbedarf im Unternehmen als Folge der erkannten und erwarteten Wirkungen der Produkte und der Rückwirkungen aus der Gesellschaft auf das Unternehmen“184. Im Kontext strategischer Frühaufklärung zeigt sich die Relevanz von Technikfolgenabschätzung in Unternehmen. Gelingt es Unternehmen aus den zahlreichen zu untersuchenden Wechselwirkungen diejenigen zu identifizieren, die latente Chancen und Gefahren darstellen, wird der Nutzen erkennbar. Technikfolgenabschätzung kann daher mit dem Ansatz strategischer Frühaufklärung die notwendige Operationalisierung erfahren. 2.1.3.3 Angrenzung zum Issues Management Das Verhältnis von strategischer Frühaufklärung und Issues Management wird in der Literatur nicht eindeutig beschrieben. In der Praxis verwendet man beide Begriffe häufig synonym. Die nachfolgende Einordnung soll damit zu einer Klärung beitragen. Issues Management kann im Allgemeinen nach RÖTTGER wie folgt definiert werden: „Issues Management ist ein systematisches und strukturiertes Verfahren der Identifikation, Analyse und strategischen Beeinflussung von öffentlich relevanten Themen bzw. Erwartungen von Stakeholdern. Ziel ist die Früherkennung von möglichen Gefahren – aber auch Chancen – und die Einflussnahme auf die Entwicklung dieser Issues. Issues Management schafft damit die informatorischen Grundlagen für eine

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Siehe hierzu Albertshauser / Malanowski (2004); Minx / Meyer (1999); Minx / Meyer (2001); Schäffer / Hoffmann (1999). Das Begriffskonstrukt Technikfolgenabschätzung wird auf Unternehmensseite zudem zumeist negativ assoziiert. Jüngere Wortschöpfungen wie bspw. die Innovations- und Technikanalyse scheinen jedoch zu einer besseren Akzeptanz bislang wenig beizutragen. Schäffer / Hoffmann (1999), S. 364. Vgl. Schäffer / Hoffmann (1999), S. 363f. Vgl. Minx / Meyer (2001), S. 41. Minx / Meyer (2001), S. 44.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

proaktive Auseinandersetzung mit konflikthaltigen Sachverhalten und Chancen“185. Issues Management hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, was auf ein zunehmendes Agieren von Unternehmen im öffentlich-politischen Bereich zurückgeführt wird.186 Die sich verändernden Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu immer schnelleren, häufigeren und folgenreicheren Kommunikationsmustern.187 INGENHOFF zeigt auf, dass Unternehmenserfolg zunehmend von einer erfolgreichen Positionierung auf den sog. Meinungsmärkten abhängt.188 Aufgabe des Issues Management ist nach DYLLICK die Akzeptanzsicherung.189 Er führt an, dass Akzeptanz die „notwendige Vertrauensbasis der unternehmerischen Tätigkeit“190 bildet und diese genauso zu sichern und erhalten ist wie beispielsweise die Kapital- oder Wissensbasis des Unternehmens. Der Begriff des Issues kann nach LIEBL in diesem Kontext präzisiert werden.191 Als charakteristisch für ein Issue gelten demnach die folgenden Merkmale:192 x Ein Issue hat immer Bezug zu einem oder einer Gruppe von Ereignissen. x Zusammenhängende Vorgänge wie beispielsweise Berichte in den Medien werden Teil des Issues. x Ein Issue bezieht sich nicht bloß auf ein einzelnes Individuum, sondern mindestens auf ein ganzes Subsystem der Gesellschaft. Es ist zu beachten, dass zwei Strömungen im Issues Management zu differenzieren sind:193 x Issues Management als Instrument der Public Relations x Issues Management als Instrument der strategischen Planung Zum einen existiert ein kommunikationswissenschaftlich ausgerichtetes, PR-affines Verständnis von Issues Management. Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Unternehmenspraxis Issues Management zumeist auf den Kommunikationsbereich beschränkt.194 Ebenso wird in der betriebswissenschaftlichen Literatur das Konzept häufig verstanden als „professionelle kommunikative Bewältigung von Krisenereignissen“195. Unter dieser Betrachtung wird Issues

185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195

Röttger (2005), S. 139. Vgl. Ries / Wiedemann (2003), S. 15. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 15. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 15. Vgl. Dyllick (1990), S. 78. Dyllick (1990), S. 78. (Textliche Hervorhebungen des Originals entfernt). Siehe zur allgemeinen Begriffsbestimmung die Ausführungen zu den Bestimmungselementen strategischer Frühaufklärung in Kap. 2.1.1.2 (S. 16). Vgl. Liebl (1996), S. 8 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Röttger (2005), S. 140; Ingenhoff (2004), S. 18; Liebl (1996), S. 8ff. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 18 und die dort angeführte Literatur. Rüegg-Stürm (2002), S. 118.

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Management konnotiert einerseits mit kommunikativen Risiken, insbesondere Krisenprävention und andererseits mit kommunikativen Chancen, insbesondere Image-Optimierung.196 Zum anderen wird Issues Management als eine betriebswirtschaftliche, an der strategischen Unternehmensplanung ausgerichtete Aufgabe gesehen.197 So reflektiert HEATH wie folgt: „important writers on the topic emphasized that it was first and foremost a management strategy, not merely one devoted to communication or issue monitoring.”198 Dieser Ansatz ist in großen Teilen auf ANSOFF zurückzuführen, der den Begriff des Strategic Issues Management geprägt hat.199 Im Kontext zu den vorangegangenen Ausführungen zur strategischen Frühaufklärung (Kapitel 2.1.1 und Kapitel 2.1.2.4) folgt diese Arbeit dem zweiten Verständnis von Issues Management im Sinne eines Strategic Issues Management. Die Wirkung von Issues auf die Unternehmensstrategie steht dabei im Mittelpunkt. Dahinter steht die Annahme, dass das Erreichen der Unternehmensziele von den Interessen der Öffentlichkeit beeinflusst wird.200 RIES führt hierzu an, dass sich Unternehmen „in immer größerem Ausmaß gesellschaftlichen und politischen Bewertungen“201 stellen müssen. LIEBL weist auf die „vernachlässigte Schnittstelle von Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie“202 hin, die es stärker zu berücksichtigen gilt. Diesbezüglich postuliert LIEBL, dass Unternehmen in der Lage sein müssen, „die relevanten Themen frühzeitig zu erkennen und aktiv mitzugestalten“203. Er schließt daraus, dass „Themenführerschaft“204 zu einer zentralen Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen wird. Issues Management ist organisatorisch zumeist im Bereich der Unternehmenskommunikation verankert. Dies bedingt, „dass erst langfristig bedeutsame Entwicklungen, die heute noch nicht in der öffentlichen Diskussion bzw. in den Medien mit Unternehmensbezug erscheinen, nur teilweise beachtet werden können“205. Entsprechend fokussiert Issues Management in den meisten Fällen Themen, die kurz- oder mittelfristig Beeinflussungspotenzial für ein Unternehmen haben können.206 Strategic Issues Management versucht diesen Fokus zu erweitern und thematisiert neben Issues, die bereits kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert werden auch Entwicklungen und Trends, die Diskontinuitäten im Sinne der strategischen Frühaufklärung darstellen können. Damit können Frühaufklärungsaktivitäten an der Schnittstelle zu den Me196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206

Vgl. Röttger (2005), S. 143. Röttger (2005), S. 140. Vgl. dazu auch Ingenhoff (2004), S. 18 und die dort angeführte Literatur. Heath (2003), S. 8. Vgl. Ansoff (1980). Vgl. Ries / Wiedemann (2003), S. 15. Ries / Wiedemann (2003), S. 15. Liebl (2000), S. 8. Liebl (2000), S. 8. Liebl (2000), S. 8. Ruff (2003), S. 58. Vgl. Ruff (2003), S. 58.

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

dien und der allgemeinen Öffentlichkeit unter Strategic Issues Management subsumiert werden.207 Beobachtungsbereiche sind hierbei insbesondere das politisch-rechtliche und soziokulturelle Segment des Makroumfeldes. 2.1.3.4 Angrenzung zur Competitive Intelligence Auch das Konzept der Competitive Intelligence208 wird häufig in Zusammenhang mit strategischer Frühaufklärung gebracht. Eine Begriffsabgrenzung ist in diesem Fall jedoch gut möglich. Competitive Intelligence wird definiert als „analytical process that transforms disaggregated competitor, industry, and market data into actionable strategic knowledge about the competitor’s capabilities, intentions, performance, and position“209. Nach KUNZE dient Competitive Intelligence „der Antizipation sich verändernder Wettbewerbs- und Branchenstrukturen sowie der frühzeitigen Anpassung der Unternehmensstrategie an die daraus resultierenden Veränderungen der Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns“210. Competitive Intelligence hat damit einen eindeutig definierten Beobachtungsbereich: das Mikroumfeld des Unternehmens. Es entspricht damit in weiten Teilen dem Ansatz von PORTER zur Bestimmung der Wettbewerbsintensität einer Branche.211 Der Ansatz hat sich Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts im nordamerikanischen Raum als Bestandteil der Marktforschung entwickelt und weit verbreitet.212 Heutzutage wird insbesondere in der Unternehmenspraxis die Disziplin der Competitive Intelligence durch Berufsverbände gelebt und aktiv weiterentwickelt.213 Competitive Intelligence basiert auf den Leitgedanken strategischer Frühaufklärung, differenziert sich dann jedoch in spezifischen Instrumenten zur Erfüllung ihrer Ziele. Da fast ausschließlich eine Auseinandersetzung mit der aufgabenbezogenen Umwelt in einer kurz- bis mittelfristigen Zeitperspektive erfolgt, ist der Nutzen des Ansatzes leichter zu identifizieren als bei allgemeinen strategischen Frühaufklärungsaktivitäten.

207 208

209 210 211 212 213

Damit wird nicht dem breiteren Verständnis von Strategic Issues Management nach Ansoff gefolgt, das er in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt hat. Der Begriff der Competitive Intelligence kann in die deutsche Sprache mit Wettbewerbsaufklärung übersetzt werden, vgl. Kunze (2000), S. 63. Allerdings wird auch im Deutschen weitläufig der englische Begriff genutzt. Choo (2002), S. 86. Kunze (2000), S. 64. Vgl. Kunze (2000), S. 65. So wird Porter häufig als „geistiger Vater der modernen Competitive Intelligence“ gesehen. Vgl. Michaeli (2005), S. 34. Vgl. Lux / Peske (2002), S. 24. Siehe hierzu den Zusammenschluss von Competitive Intelligence Experten im amerikanischen Raum in der Society of Competitive Intelligence Professionals (SCIP) und im deutschsprachigen Raum im Deutschen Competitive Intelligence Forum (DCIF).

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

2.2

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Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

Der Wunsch, die Zukunft zu antizipieren, ist nicht neu und reicht weit in die Geschichte zurück. Zu nennen sind hier beispielsweise das Orakel im antiken Griechenland, der Runen-Kult der Germanen, die Auguren in Rom und die Handleser. Diese mythischen Formen der Kreation von Zukunftsvisionen sind zwar grundsätzlich vorstellbar, aber in ihrer Entstehung nicht transparent und nachvollziehbar.214 In der Literatur sieht man den Ursprung unternehmerischer Frühaufklärung häufig im militärischen Bereich.215 SIMON sieht dabei Übereinstimmung darin, dass der erzielbare Zeitvorsprung jeweils im Vordergrund steht. Jedoch sind zu enge Anlehnungen unzweckmäßig, da die Art der Bedrohung bei Unternehmen ex ante zumeist nicht bekannt ist.216 Als erste umfassende betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist die Arbeit „Scanning the Business Environment“ von AGUILAR aus dem Jahr 1967 zu nennen.217 Er forderte eine systematische und kontinuierliche Überwachung der relevanten Unternehmensumwelt und eine bewusstere Einbeziehung ihrer Entwicklungen in Entscheidungsprozesse.218 In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts bekam das Thema mit den Ölschocks, die die Anfälligkeit der Wirtschaft von externen Veränderungen deutlich gemacht haben, Aufwind und wird seitdem intensiv diskutiert.219 Im folgenden Kapitel zur Forschungsentwicklung werden zunächst das Konzept der schwachen Signale nach ANSOFF, die darauf aufbauende Theorie zur Diffusion neuer Erkenntnisse und die Stakeholderbetrachtung dargestellt. Die drei Ansätze verdeutlichen die Grundgedanken strategischer Frühaufklärung. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine Vielzahl von Ausprägungsformen zur Frühaufklärung heraus gebildet. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen werden sodann vorgestellt. 2.2.1

Leitgedanken strategischer Frühaufklärung

2.2.1.1 Konzept der schwachen Signale In der Einleitung wurde bereits auf den von ANSOFF veröffentlichten Aufsatz „Managing strategic surprise by response to weak signals“ hingewiesen, mit dem die Grundlage für die Entwicklung von strategischen Frühaufklärungsansätzen geschaffen wurde.220 Die Literatur ist sich einig darüber, dass mit ANSOFF’s Überlegungen der „entscheidende Impuls für die Durch214 215

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Vgl. Geschka (1999), S. 521. So wurden im militärischen Bereich versucht, Systeme zu entwickeln, mit denen Angriffe des Gegners so frühzeitig wahrgenommen werden können, dass Konteraktionen noch Erfolg versprechend sind. Vgl. Krampe / Müller (1981), S. 385. Vgl. Simon (1986), S. 14. Vgl. Aguilar (1967). Vgl. Krampe / Müller (1981), S. 385. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Entwicklung des strategischen Managements in Kap. 2.1.2.2 (S. 25ff.). Vgl. Ansoff (1975). Der Aufsatz wurde ein Jahr später in der Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung publiziert, wodurch die Diskussion im deutschsprachigen Raum angestoßen worden ist; siehe Ansoff (1976).

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Grundlagen strategischer Frühaufklärung

setzung einer antizipativen Frühwarnung“221 gegeben wurde. Die meisten der in der darauf folgenden Zeit entwickelnden Ansätze beziehen sich explizit auf ANSOFF.222 Weitgehend besteht zudem Einigkeit, dass das Konzept der schwachen Signale „bis heute die zentrale Arbeit und Grundlage für weiter gehende Forschungen“223 auf diesem Gebiet ist.224 LIEBL fasst die Errungenschaft von ANSOFF dahin gehend zusammen, dass dieser es verstanden hat, „die Relevanz von soft factors für den strategischen Bereich plausibel zu machen“225. Aufgrund dieser hohen Bedeutung wird im Folgenden das Konzept der schwachen Signale kurz vorgestellt. Auch die vorliegende Arbeit beruht auf den von ANSOFF aufgestellten Thesen und Überlegungen. Strategische Diskontinuitäten kündigen sich in vielen Fällen durch Vorläuferereignisse und meldungen an, so lautet die zentrale These von ANSOFF. Unter Diskontinuitäten versteht ANSOFF strategische Überraschungen, die er wie folgt charakterisiert: „sudden, urgent, unfamiliar changes in the firms’s perspective which threaten either a major profit reversal or loss of a major opportunity“226. Die Notwendigkeit, sich mit Diskontinuitäten auseinanderzusetzen, sieht ANSOFF in der gestiegenen Umweltdynamik einerseits und einer sich verschlechternden Unternehmensreagibilität andererseits.227 Die existierenden Instrumente in der strategischen Planung fokussierten zu der Zeit ausschließlich auf den Umgang mit wohl-strukturierten Informationen. ANSOFF versprach einen Zeitgewinn für Unternehmen, wenn diese sich mit schlechtstrukturierten Informationen auseinandersetzen: „the firm can have a longer time perspective, if it is willing to put up with increasing vagueness of content [...]“228. Dazu schlägt er graduell abgestufte Antwortstrategien vor, abhängig von der Vagheit der Informationen: „this implies that, early in the life of a threat, when the information is vague and its future course is unclear, the responses will be correspondingly unfocussed, aimed at increasing flexibility. As the information becomes more precise, so will the firm’s response, terminating eventually in a direct attack on the threat of the opportunity“229. Aus diesen Überlegungen her entsteht der vielzitierte und häufig genutzte Begriff der schwachen Signale, den ANSOFF aus Gesprächen mit Kollegen aus der Unternehmenspraxis gewonnen hat: „we might call this graduated response ‚amplification and response to weak signals’ in contrast to the conventional strategic planning which

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225 226 227 228 229

Lehmann / Ruf (1990), S. 5. Siehe Krampe / Müller (1981), S. 386 für eine Aufführung der Arbeiten, die in den Jahren nach Erscheinen des Aufsatzes von Ansoff erschienen sind. Bea / Haas (2005), S. 298. Einige Autoren haben das Konzept der schwachen Signale kritisch hinterfragt, siehe insbesondere Konrad (1991), dessen Ergebnisse jedoch wiederum kritisch betrachtet worden sind. Vgl. hierzu Sepp (1996), S. 143f. Die grundsätzlichen Schwächen des Ansatzes werden im Folgenden noch aufgeführt. Liebl (1996), S. 22. Ansoff (1975), S. 22. Vgl. Ansoff (1975), S. 133. Während die erste These weitgehend Zustimmung erfahren hat, wurde die zweite These kontrovers diskutiert. Siehe dazu Bea / Haas (2005), S. 301. Ansoff (1976), S. 133. (Textliche Hervorhebungen wie im Original). Ansoff (1976), S. 133.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

41

depends on the existence of ‚strong signals’“230. Den Begriff der schwachen Signale beschreibt ANSOFF in einem späteren Aufsatz etwas näher: „A development about which only partial information is available at the moment when response must be launched, if it is to be completed before the development impacts on the firm.“231 BEA und HAAS fassen die zentralen Erkenntnisse aus diesen Überlegungen wie folgt zusammen:232 1. Diskontinuitäten kündigen sich durch schwache Signale an. 2. Schwache Signale können erkannt und verarbeitet werden. 3. Angepasste strategische Reaktionen auf schwache Signale sind möglich und sinnvoll. In der Literatur hat sich keine eindeutige Definition für den Begriff der schwachen Signale herausgebildet. Jedoch ist es möglich, ihn nach SIMON durch die in Tabelle 2.2 aufgeführten Charakteristika zu umschreiben. x Es sind Informationen aus dem Unternehmensumfeld, deren Inhalt relativ unstrukturiert ist. x Sie stellen Hinweise auf Innovationen, Diskontinuitäten bzw. Bedürfnisse dar. x Sie beziehen sich auf vage, utopisch und unrealistisch klingende ‚Ideen’. x Sie betreffen besonders die schleichenden Veränderungen von stetigen Einflüssen. x Sie schlagen sich in ‚weichem’ Wissen und in intuitiven Urteilen nieder, z.B. in Meinungen und Stellungnahmen von sog. Schlüsselpersonen aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, in Meinungen und Stellungnahmen von Organisationen und Verbänden und in Tendenzen der Rechtsprechung und erkennbaren Initiativen zur Veränderung/Neugestaltung von Gesetzgebungen. x Sie sind in erster Linie qualitativer Natur und lassen anfänglich noch keine deterministische Aussagen über eine bestimmte Fortentwicklung, über Eintrittszeitpunkt der Diskontinuität sowie über kurz- und langfristige Konsequenzen zu. x Sie erlauben oft keine eindeutige Interpretation und implizieren unklare, schlecht-strukturierte Probleme. Tabelle 2.2: Charakteristika schwacher Signale Quelle: in Anlehnung an Simon (1986), S. 18f.

Seine konzeptionellen Überlegungen illustriert ANSOFF in Tabellen, von denen nachfolgend die für diese Arbeit wichtigsten drei kurz vorgestellt werden. Zunächst definiert ANSOFF fünf Ungewissheitsgrade (die er als „states of ignorance“ bezeichnet) in Abhängigkeit vom jeweils vorhandenen Informationsgehalt (Tabelle 2.3).

230 231 232

Ansoff (1976), S. 133. Ansoff (1984), S. 483. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 301 bzw. Bea / Haas (1994), S. 488.

42

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

States of Ignorance

(1) Sense of Threat/ Opportunity

(2) Source of Threat / Opportunity

(3) Threat / Opportunity concrete

(4) Response concrete

(5) Outcome concrete

Conviction that discontinuities are impending

YES

YES

YES

YES

YES

Area of organization is identified which is the source of discontinuity

NO

YES

YES

YES

YES

Characteristics of threat, nature of impact, general gravity of impact, timing of impact

NO

NO

YES

YES

YES

Response identified: timing, action, programs, budgets

NO

NO

NO

YES

YES

Profit impact and consequences of responses are computable

NO

NO

NO

NO

YES

Info Content

Tabelle 2.3: States of Ignorance Under Discontinuity Quelle: Ansoff (1976), S. 135

Dabei nimmt die Vagheit der Informationen von der Spalte (1) bis Spalte (5) stetig ab. In Spalte (1) ist lediglich bekannt, dass eine Diskontinuität bevorsteht, bei (2) ist zudem der Bereich identifiziert, der Quelle der Diskontinuität ist. In Spalte (3) erweitert sich das Bild um die Kenntnis der Charakteristika der Chance oder Gefahr. In einem vierten Schritt ist es bereits möglich, Reaktionen festzulegen und bei (5) schließlich sind die Konsequenzen der Reaktionen errechenbar. Weiter entwickelt ANSOFF abgestufte Reaktionsstrategien, die eine Handlung auch bei größerer Vagheit der Informationen erlauben sollen (Tabelle 2.4).

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

Response Direct response strategies

Flexibility

43

Awareness

Domain of response Relationship to environment

External action, e.g. External flexibility, e.g. x change competitive x balance of strategic strategy resources x share risks with other x diversification of risks firms x reduce commitment to threatened area

Environmental awareness, e.g. x monitoring of environment x threats and opportunities analysis

Internal configuration

Internal readiness, e.g. x adapt structures and systems x acquire skills x build facilities

self-awareness, e.g. x strenghts and weaknesses analysis x capacity audits x critical resource audits

Internal flexibility, e.g. x enhance managers future awareness x diversification of skills x responsiveness to unfamiliar problems

Tabelle 2.4: Alternative Response Strategies Quelle: in Anlehnung an Ansoff (1976), S. 137ff.

Dabei unterscheidet ANSOFF Strategien zur Erhöhung der Wahrnehmung („Awareness“), Strategien zur Steigerung der Flexibilität („Flexibility“) und Strategien der gezielten Reaktion auf Chancen und Gefahren („Direct response“). Diese Strategien können entweder nach innen oder nach außen gerichtet sein. So entstehen insgesamt sechs alternative Reaktionsstrategien. Wie in Tabelle 2.4 beispielhaft aufgeführt, sind diese Strategietypen für ihre Implementierung zu operationalisieren. Schließlich führt ANSOFF beide Überlegungen zusammen und schlägt für verschiedene Ungewissheitsgrade die aufgezeigten abgestuften strategischen Antworten vor (Tabelle 2.5).

44

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

State of Sense of Threat/ Ignorance Opportunity (1) Response Strategy

Source of Threat/ Opportunity (2)

Threat/ Opportunity Concrete (3)

Response Concrete (4)

Outcome Concrete (5)

Environmental Awareness Self Awareness Internal Flexibility External Flexibility Internal Readiness Direct Action

Tabelle 2.5: Feasible Range of Response Strategies Quelle: Ansoff (1976), S. 141

Bei der Auswahl der Reaktionsstrategie orientiert sich ANSOFF am Ungewissheitsgrad und damit an den zur Verfügung stehenden Informationen. Mit diesem Ansatz postulierte er zu seiner Zeit die Umkehr von der bis dahin gängigen Reihenfolge von Entscheidung und Informationsgewinnung. BEA und HAAS fassen dies wie folgt zusammen: ANSOFF „impliziert, daß strategische Entscheidungen (nur) in Abhängigkeit von den verfügbaren Informationen zu treffen sind. Der Informationsbedarf wird also nicht aus den Entscheidungen abgeleitet, sondern das Informationsangebot determiniert diese in Art und Umfang. Die Erfassung und Interpretation schwacher Signale sollen nun das Informationsangebot verbessern“233. Kritik am Konzept der schwachen Signale bezieht sich insbesondere darauf, dass ANSOFF sein Konzept ohne ausreichende Operationalisierung entworfen hat. So kritisiert LIEBL die zwar griffigen, aber dennoch vagen Metaphern der genutzten Kernbegriffe „Diskontinuität“ und „schwache Signale“.234 Ähnlich konstatieren dies BEA und HAAS und weisen darauf hin, dass entsprechend unpräzise auch die Handlungsanweisungen bezüglich der Wahrnehmung schwa-

233 234

Bea / Haas (1994), S. 488. Vgl. Liebl (1996), S. 22.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

45

cher Signale bleiben.235 Die beiden Autoren folgern, dass diese letztlich „nur von der jeweiligen Unternehmung selbst in ihrer spezifischen Umweltsituation zu konkretisieren“236 sind. GÖBEL sieht vor allem in der dem Konzept der schwachen Signale zugrunde liegenden Aufforderung nach einer zweckfreien und ungerichteten Suche Schwierigkeiten, die zu einer zu geringen Informationseffektivität führt.237 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist in der empirischen Untersuchung herauszustellen, wie das Konzept der schwachen Signale in der Praxis operationalisiert wird. 2.2.1.2 Diffusion neuer Erkenntnisse Eine Weiterentwicklung des Konzeptes der schwachen Signale und ein Ansatz zur Operationalisierung bieten Überlegungen aus der Diffusionsforschung, die im deutschsprachigen Raum Anfang der achtziger Jahre vergangenen Jahrhunderts in die Diskussion um strategische Frühaufklärung einbezogen wurden.238 Dazu haben KRAMPE und MÜLLER einen Vorschlag erarbeitet, der auch in der Unternehmenspraxis Anwendung gefunden hat.239 Der Ansatz wird auch heute noch von KRAMPE in der Beratung von Unternehmen genutzt.240 Gegenstand der Diffusionsforschung ist nach KRAMPE und MÜLLER „die Erkundung des Weges der Ausbreitung neuer Verhaltensformen“241. Als Diffusion bezeichnen STEGER und WINTER „den Prozeß der Ausbreitung von Innovationen im Sinne von Einstellungen, Ideen, Methoden, Objekten und Ereignissen unter potentiellen Übernahmeeinheiten innerhalb eines sozialen, kulturellen oder ökonomischen Systems“242. Ausgehend von einem bestimmten Subjekt, welches Träger einer neuen Erkenntnis ist, diffundiert diese durch die „Infektion“ weiterer Subjekte.243 Die Ausbreitung erfolgt dabei zunächst durch eine Übertragung auf diejenigen Personen, die für die Inhalte besonders empfänglich sind. Diese Personen stehen den zu der jeweiligen Zeit dominierenden Paradigmen kritisch gegenüber und lassen sich somit leicht von neuen Ideen „anstecken“.244 Ein Paradigmenwechsel übt im Allgemeinen tief greifende Wirkungen auf die gegenwärtige Gesellschaftsstruktur aus.245 Ziel für Unternehmen ist folglich, diejenigen Paradigmenwechsel, welche einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben können, rechtzeitig zu antizipieren. KRAMPE und MÜLLER zeigen auf, dass die Diffusionspro235 236 237 238 239

240 241 242 243 244 245

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 305. Bea / Haas (2005), S. 305. Vgl. Göbel (1995), S. 56. Vgl. Kirsch / Esser / Gabele (1979), S. 72ff. und die dort angeführte Literatur. Dies erfolgte am Battelle-Institut in Frankfurt am Main. Als Grundlage diente das Konzeptpapier „Frühwarnsystem für die strategische Unternehmensführung. Ein Radar zur Erkennung von technologischen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen im Umfeld der Unternehmen.“ Siehe Krampe (1980). Persönliches Gespräch mit Dr. Gerd Krampe am 6. Juli 2005 in Frankfurt am Main. Krampe / Müller (1981), S. 391. Steger / Winter (1996a), S. 610. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 610. Vgl. Hammer (1992), S. 210. Vgl. Krampe / Müller (1981), S. 390.

46

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

zesse nach bestimmten mathematischen Funktionen ablaufen.246 Der grundsätzliche Verlauf kann somit vorweggenommen werden. Zur Generierung einer Diffusionskurve werden die kumulierten absoluten Häufigkeiten verschiedener Variablen gegen die Zeit aufgetragen.247 Als mögliche Beobachtungsbereiche nennen KRAMPE und MÜLLER die folgenden:248 x Unternehmensrelevante Ereignisse bzw. Ereignishäufungen x Meinungen und Stellungnahmen von Schlüsselpersonen x Verlautbarungen wichtiger Institutionen und Organisationen x die Verbreitung von Meinungen, Ideen usw. in den Medien x Gesetzgebung und Rechtsprechung im In- und Ausland Typischerweise resultiert aus der Kumulation ein S-förmiger Kurvenverlauf. In Abbildung 2.4 werden exemplarisch einige Kurvenverläufe nach verschiedenen Variablen aufgezeigt.

246

247 248

Krampe und Müller unterscheiden dabei ein exponentielles Modell, ein logistisches Modell und das Modell nach Pyatt, in dem ein additives Zusammenwirken des exponentiellen und logistischen Modells erfolgt. Vgl. ausführlich Krampe / Müller (1981), S. 392ff. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 611. Die entstehenden Diffusionskurven werden auch als strukturelle Trendlinien bezeichnet. Vgl. Krampe / Müller (1981), S. 395. Krampe / Müller (1981), S. 396

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

Kumulierte Zahl der Ereignisse

Auslösende Ereignisse (z.B. Tankerunfälle)

47

Verbreitungsmuster von Ideen in Medien

Kumulierte Zahl der Leser/Empfänger

Dissertationen Historische Analysen Allensbach FAZ

Kurzbegriffe, Slang, z.B. Ölpest

Der Spiegel Statistiken

Die ZEIT

Dokumentationen

Bild der Wissenschaft Fachzeitschriften

Bündel gleichartiger Ereignisse Isoliertes Einzelereignis Zeit

Manuskripte Science Fiction Zeit

Sozialpolitische Rechtsprechung (international)

Vorreiter von Ideen Kumulierte Zahl der Personen

Kumulierte Zahl der Länder breite Öffentlichkeit

Zambia

Politiker “Intelligenz” Unternehmensberater

Kanada USA

H.Stern R. Nader

Deutschland

Club of Rome Führende Experten Utopisten

Dänemark Schweden Zeit

Zeit

Abbildung 2.4: Beispiele für Diffusionskurven Quelle: Krampe / Müller (1981), S. 397249

Der Verdienst von KRAMPE und MÜLLER liegt nach KUNZE darin, aufbauend auf den Arbeiten von ANSOFF eine Sensibilisierung für qualitative Entwicklungen im deutschsprachigen Raum herbeigeführt zu haben.250 Kritisch sieht KUNZE den Ansatz dahin gehend, dass keine Auseinandersetzung mit Interpretationsprozessen der Umweltinformationen im Unternehmen intendiert ist: „Unternehmensexterne Informationen werden als objektiv interpretierbar aufgefaßt“251. STEGER und WINTER haben auf Basis empirischer Untersuchungen aufzeigen können, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Ereignisses von der zugeschriebenen individuellen Betrof249 250 251

Dabei definiert der Pfeil den ungefähren Beobachtungsbeginn für eine strategische Frühaufklärung. Vgl. Kunze (2000), S. 115. Kunze (2000), S. 115.

48

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

fenheit abhängt. So kommen die beiden Forscher zur Erkenntnis, dass eine „schnelle Diffusion und starke Marktreaktion immer dann zu erwarten ist, wenn sich die Betroffenheit auf Individuen und deren Gesundheit beschränkt“252. Hingegen breiten sich Diffusionsprozesse, welche die Umwelt insgesamt betreffen, wesentlich langsamer aus. In diesen Fällen bedarf es zunächst der Bildung von Anspruchsgruppen, die sich des Themas annehmen, damit es an Bedeutung gewinnt.253 In Abbildung 2.5 wird dies illustrativ an den Issues Ernährung und Klimawandel dargestellt.

illustrativ Diffusion

Issue „Ernährung“

Issue „Klimawandel“

t

Abbildung 2.5: Diffusionskurven für die Issues Ernährung und Klimawandel Quelle: Eigene Darstellung

Es lässt sich feststellen, dass die zeitliche Dynamik der Diffusionen mit denen von Issues vergleichbar ist.254 Der Lebenszyklus eines Issues wurde in der Literatur erstmals von DOWNS beschrieben.255 Das zentrale Beschreibungsmerkmal für ein Issue liegt dabei im Aufmerksamkeitswert, den es erzielt.256 Der Aufmerksamkeitswert eines Issue wird zum Teil als Issue Salience bezeichnet.257 Abbildung 2.6 zeigt den grundlegenden Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Aufmerksamkeit für ein Issue, sinkendem Handlungsspielraum und steigenden Kosten der Bewältigung im Zeitverlauf auf.

252 253 254 255 256 257

Steger / Winter (1996a), S. 625. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 625. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 45 und die dort angeführte Literatur. Ebenso zeigt der Ansatz der Produktlebenszyklen den gleichen grundsätzlichen Verlauf auf. Vgl. Downs (1972). Liebl (2003), S. 63. Vgl. Liebl (2000), S. 48.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

49

Handlungsspielraum Kosten der Bewältigung

Aufmerksamkeit

Zeit

Abbildung 2.6: Aufmerksamkeitswert eines Issues Quelle: In Anlehnung an Downs (1972)

Zur Aussagekraft von Lebenszykluskonzepten wird von LIEBL kritisch angemerkt: „gemeinhin wird erst im Nachhinein der Aufmerksamkeitsverlauf eines issue als Lebenszyklus rationalisiert; hochaggregierte Betrachtungen der Diffusionsforschung neigen dagegen ex ante zu erheblichen Prognosefehlern“258. Als Gründe für Abweichungen führt LIEBL an, dass zum einen einmal „gestorbene“ Issues jederzeit wieder aufleben können, zum anderen braucht ein Lebenszyklus nicht alle Phasen zu durchlaufen. Auf Basis dieser Analyse ist in der empirischen Untersuchung zu prüfen, inwieweit die Erkenntnisse der Diffusionsforschung in der Praxis genutzt werden. 2.2.1.3 Stakeholderbetrachtung In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann in der Forschung eine Annäherung der Konzepte des Stakeholder Managements und der strategischen Frühaufklärung.259 Wie in den Bestimmungselementen strategischer Frühaufklärung aufgezeigt (Kap. 2.1.1.2, S. 16ff.) wird der Stakeholder-Ansatz in dieser Arbeit zur Personifizierung der Einflusskräfte aus der Unternehmensumwelt genutzt. Das Stakeholder Management löst sich von einer ausschließlichen Betrachtung der rein marktmäßigen Beziehungen der Mikroumwelt und bezieht ebenso

258 259

Liebl (2003), S. 119. Vgl. Liebl (1996), S. 117 und die dort angegebene Literatur.

50

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Akteure der weiteren Umwelt mit ein, die wesentlichen Einfluss auf Unternehmen ausüben können. Abbildung 2.7 zeigt mögliche Stakeholder eines Unternehmens auf.

Mitarbeiter

Gewerkschaften

Eigentümer/ Investoren

Lieferanten

Nachbarn Kunden

Unternehmen Medien Wettbewerber Bürgerinitiativen Staat NGO‘s Wissenschaft

Abbildung 2.7: Mögliche Stakeholder eines Unternehmens Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Freeman (1984), S. 25

Zur Illustration, wie nicht-marktliche Stakeholder Einfluss auf Unternehmen ausüben können, ist eine Betrachtung ihrer Strategien hilfreich. DYLLICK hat diesbezüglich die folgenden fünf Ansätze identifiziert: Mobilisierung der öffentlichen Meinung, Mobilisierung politischen Drucks, Mobilisierung der Marktkräfte, Gesellschafteraktivismus und direkte Verhandlungen mit Unternehmen.260 Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung sind die Arbeiten von GÖBEL261, von MITCHELL, AGLE und WOOD262 und von LIEBL263, die im Folgenden kurz vorgestellt werden. GÖBEL setzt bei den Umsetzungsschwierigkeiten des Konzeptes der schwachen Signale an. Sie betont, dass eine generelle Forderung, die Umwelt ungerichtet und zweckfrei wahrzunehmen, nicht durchführbar ist. Gleichzeitig hält sie den Stakeholderansatz für geeignet, das Suchfeld der strategischen Frühaufklärung einerseits weit genug und andererseits gezielt genug abzustecken. Dabei schließt nach GÖBEL der Stakeholderansatz gut an das Konzept der schwachen Signale und der Diffusion neuer Erkenntnisse an. So entsprechen die Untersuchungseinheiten 260 261 262 263

Vgl. Dyllick (1988). Vgl. Göbel (1995). Vgl. Mitchell / Aigle / Wood (1997). Vgl. Liebl (1996).

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

51

(Personen und Gruppen) den Elementen der Diffusionstheorie. Zudem werden beim Stakeholderansatz auch die Einflussgrößen auf die Diffusionsträger nicht vernachlässigt.264 Der Stakeholderansatz ermöglicht nach GÖBEL eine Umweltabgrenzung, bei der die Verbindung zum Unternehmen nicht verloren geht, aber auch Signale aus der weiteren Umwelt empfangen werden, die zukünftige Entwicklungen vorauseilend anzeigen.265 Durch die Stakeholderperspektive wird das Unternehmen mit einer outside-in Perspektive betrachtet. „Wahrnehmungsverengungen vermeidet das Konzept […] dadurch, daß mit der Stakeholderperspektive fremde, neuartige und pluralistische Blickwinkel berücksichtigt werden“266. GÖBEL fordert sodann eine Absteckung des Suchfeldes „von innen nach außen“ (inside-out) und schlägt somit eine gerichtete Suche vor, die vom Unternehmen ausgehend nach Elementen sucht, die in einer „direkten oder indirekten, akuten oder potentiellen Beziehung“267 stehen. Damit stellt nach GÖBEL der Stakeholderansatz eine Kombination des inside-out und outside-in Ansatzes dar. GÖBEL unterscheidet die drei Untersuchungsfelder der akuten, emergenten und latenten Signale. Akute Signale stellen dabei für das Unternehmen messbare und akut relevante Kennzahlen und Indikatoren wie bspw. Liquidität oder Auftragsbestand dar. Emergente Signale sind nach den Stakeholdern zu strukturieren und umfassen deren relevante Verhaltensänderungen. Die zugrunde liegende Überlegung ist, dass das Stakeholderverhalten maßgeblich die Entwicklung der unternehmensinternen Kennzahlen und Indikatoren beeinflusst. Bei latenten Signalen wird schließlich nach den Einflüssen gefragt, von denen das Stakeholderverhalten möglicherweise abhängt. Diese Einflüsse wirken nur indirekt, nämlich über das Verhalten der Stakeholder, auf das Unternehmen. Einflüsse können aus vielen verschiedenen Bereichen kommen; die Kausalbeziehungen zwischen Einflussgrößen und Stakeholderverhalten sind vor allem hypothetischer Natur. Es ist nun nach solchen Entwicklungen Ausschau zu halten, die Relevanz für das Stakeholderverhalten haben und die damit indirekt auch Bedeutung für Unternehmen gewinnen können. Das Suchfeld der latenten Signale kann dabei nach den Segmenten der Makroumwelt unterteilt werden. GÖBEL zieht daraus folgendes Fazit: „Die Stakeholder nehmen nach dieser Sichtweise eine Art Mittlerrolle ein zwischen den globalen Entwicklungstrends und ihren akuten Auswirkungen im Unternehmen. Ihnen gilt daher die größte Aufmerksamkeit“268. MITCHELL, AGLE und WOOD haben den Begriff der Stakeholder Salience eingeführt. Sie bezeichnen damit „the degree to which managers give priority to competing stakeholder claims“269. Stakeholder Salience kann als komplementäres Element zum Aufmerksamkeitswert eines Issues gesehen werden und repräsentiert den Stellenwert für jeden identifizierbaren

264 265 266 267 268 269

Vgl. zum vorhergehenden Göbel (1995), S. 66. Vgl. Göbel (1995), S. 65. Göbel (1995), S. 65. Göbel (1995), S. 57. Göbel (1995), S. 58. Mitchell / Aigle / Wood (1997), S. 869.

52

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Stakeholder bzw. Stakeholderkoalition. Der Stellenwert wird dabei durch die wahrgenommene (a) Macht, (b) Legitimität und (c) Dringlichkeit bestimmt. Die Autoren entwickeln daraus die in Abbildung 2.8 aufgezeigte Typologie, in der je nach Vorliegen der genannten Merkmale acht verschiedene Stakeholdertypen unterschieden werden.270 POWER LEGITIMACY 1 Dormant Stakeholder

4 Dominant Stakeholder

5 Dangerous Stakeholder

7 Definite Stakeholder

3 Demanding Stakeholder

2 Discretionary Stakeholder

6 Dependent Stakeholder

8 NonStakeholder

URGENCY

Abbildung 2.8: Stakeholdertypologie Quelle: Mitchell / Aigle / Wood (1997), S. 874

Die Graphik verdeutlicht, dass nur der Stakeholder, der alle drei Merkmale aufzeigt, als „echter“ Stakeholder zu bewerten ist. Jedoch besitzen auch die anderen Typen von Stakeholdern, wie in der Abbildung aufgezeigt, einen nicht zu vernachlässigenden Stellenwert. Macht kann im Verhältnis von Stakeholdern und Unternehmen insbesondere durch drei Arten ausgeübt werden: (a) durch formale Macht (z.B. Regulierung durch staatliche Organe), (b) durch marktliche Beziehungen (z.B. Lieferantenwechsel von Kunden) oder (c) durch nichtmarktliche Verhandlungsmacht der Stakeholder (z.B. Kampagnen von NGOs). Als zweites Merkmal wird mit Legitimität ein normatives Element in die Analyse eingeführt. Es beeinflusst die Stakeholder Salience, da ein „öffentlich als legitim wahrgenommenes Interesse mehr Konsens und Unterstützung findet, also einen höheren Grad an Mobilisierbarkeit und Unan-

270

Für eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Stakeholdertypen siehe Mitchell / Aigle / Wood (1997), S. 874ff.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

53

fechtbarkeit verspricht“271. Das Merkmal der Dringlichkeit schließlich ergänzt das Modell um eine dynamische Variable. Es trifft zu, wenn ein Anliegen zeitsensitiv und zudem für den Stakeholder wichtig ist.272 LIEBL stellt fest, dass bei den herkömmlichen Stakeholderanalysen Defizite bestehen. Dabei fehlt insbesondere eine differenzierte Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Stakeholdern und Issues. Es stellen sich die Fragen, ob von den Stakeholdern die Issues ausgehen, ob Issues die Stakeholder betreffen oder ob die von einem Unternehmen gewählten Strategien ein Issue zwischen diesem und den Stakeholdern hervorrufen.273 LIEBL entwickelt sodann ein Konzept zur Integration von Issue Analyse und Stakeholder Analyse, welches in seinen Grundzügen nachfolgend kurz vorgestellt werden soll. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist die These, dass Issue Analyse und Stakeholder Analyse zwei Seiten derselben Medaille sind und sich wechselseitig ergänzen. Wie in Abbildung 2.9 aufgezeigt, werden damit eine Sachdimension und eine Akteursdimension angesprochen.

Strategische Frühaufklärung

Sachdimension

Issue Analyse

Akteursdimension

Stakeholder Analyse

Abbildung 2.9: Dimensionen strategischer Frühaufklärung Quelle: Liebl (1996), S. 117

Eine Gegenüberstellung stellt für LIEBL den wesentlichen gegenseitigen Verweisungszusammenhang dar: „issues werden von stakeholders gebündelt, stakeholders koalieren anläßlich von issues miteinander. Eine Art Koevolution von issues und stakeholders ist die natürliche Folge.“274 Als dritte Dimension wählt LIEBL die Entwicklung, worunter er die sich änderte Verhandlungsmacht der Stakeholder versteht. Hier bietet es sich an, die Stakeholder Salience 271 272 273 274

Liebl (2000), S. 91. Vgl. Mitchell / Aigle / Wood (1997), S. 867. Vgl. Liebl (1996), S. 114. Liebl (1996), S. 118.

54

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Entwicklung

zu wählen. Abbildung 2.10 stellt den von LIEBL entwickelten dreidimensionalen Bezugsrahmen zur Issue-Stakeholder-Analyse dar.

e su Is

s

Stakeholder

Abbildung 2.10: Dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Issue-Stakeholder-Analyse Quelle: Liebl (1996), S. 172

Die Betrachtung eines Issue über alle Stakeholdergruppen hinweg kann aufzeigen, ob mit einer kritischen Konstellation zu rechnen ist. Weiterhin kann eine Betrachtung über alle Issues hinweg erkennen lassen, ob bestimmte Stakeholder an Stakeholder Salience gewinnen oder verlieren. Der Bezugsrahmen zielt auf eine Bewertung der Stakeholder Salience einzelner Stakeholder zu identifizierten Issues. LIEBL nutzt verschiedene theoretische Ansätze275, die gemeinsam zur Erklärung beitragen sollen, wie sich Interessen durchsetzen und bezeichnet dies als „Durchsetzung von Deutungsmustern gegenüber konkurrierenden Deutungsmustern“276. Seine Überlegungen führen ihn zum folgenden Fazit: „Strategische Frühaufklärung hat demnach nicht zum Ziel herauszufinden, was ‚die Wahrheit’ ist oder aus wissenschaftlicher Sicht richtig wäre, sondern soll eruieren, was sich letzten Endes durchsetzen könnte – auf dem Markt der issues ebenso wie auf Konsumgütermärkten“277. Abschließend ist zu erwähnen, dass in den meisten Fällen das Issue den sinnvolleren Ausgangspunkt der Betrachtung darstellt. Bei einer Stakeholderuntersuchung werden nach LIEBL „häufig nur sehr unspezifische, ja klischeeverdächtige Einsichten erzielt“278.

275 276 277 278

So führt Liebl die Schema- und Frame-Theorie, die Resource Mobilization-Theorie, den Ansatz des Agenda Settings und das Garbage-Can-Modell an. Vgl. Liebl (1996). Liebl (1996), S. 173, textliche Hervorhebungen des Originals entfernt. Liebl (1996), S. 173. Liebl (2000), S. 87.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

55

Für die empirische Untersuchung stellt sich ausgehend von den vorgestellten Ansätzen die Frage, wie Unternehmen in der Praxis die Stakeholderperspektive in ihre strategische Frühaufklärung integrieren. 2.2.2

Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen

Viele Autoren versuchen, die wissenschaftliche Diskussion im deutschsprachigen Raum zum Forschungsgebiet Frühaufklärung seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu systematisieren.279 Damit unternehmen sie den Versuch, eine Struktur in die Entwicklung über die Zeit hinweg zu bekommen. Allerdings hat sich bis heute keine eindeutige Zuweisung herausstellen können. Für die vorliegende Arbeit erscheint es nicht zweckmäßig, weitere umfassende Analysen insbesondere über verschiedene Generationen von Frühaufklärung einerseits und Entwicklungsstufen andererseits anzufertigen.280 Jedoch ist es für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig, die verschiedenen Zielsetzungen, die hinter den Generationen und Entwicklungsstufen stehen, herauszuarbeiten. Dabei gibt die Einteilung in Generationen einen Überblick über die historische Weiterentwicklung bezüglich der grundsätzlichen Methode der Frühaufklärungsansätze. Die Entwicklungsstufen charakterisieren Frühaufklärung in Bezug auf ihre Funktion, die sich über die Zeit hinweg erweitert hat. Weiterhin ist es elementar den Führungsansatz der Frühaufklärung zu thematisieren. Hier erfolgt eine Einteilung in operative und strategische Frühaufklärung. Die genannten drei Unterscheidungsmerkmale sind für das grundlegende Verständnis notwendig. Darüber hinaus werden weitere Unterscheidungsmerkmale kurz aufgeführt, so dass insgesamt ein differenziertes Bild über den Untersuchungsgegenstand erfolgen kann. Tabelle 2.6 bietet einen entsprechenden Überblick.

279

280

Die Systematisierungsansätze gehen in den meisten Fällen entweder auf Klausmann oder auf Raffée/Wiedmann zurück, vgl. Klausmann (1982), S. 39; Klausmann (1983), S. 40ff.; Wiedmann (1984); Raffée / Wiedmann (1988). Entsprechende Übersichten, die in jüngerer Zeit erstellt worden sind, finden sich beispielsweise bei Roll (2004), S. 13ff.; Weigand / Buchner (2000), S. 9ff.; Sepp (1996).

56

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Unterscheidungsmerkmale Führungsansatz

Typen von Frühaufklärung (FA) x strategische FA x operative FA

Umfang der Aufklärungsfunktion

x Frühzeitige Ortung von Gefahren (Frühwarnung) x Frühzeitige Ortung von Chancen und Gefahren (Früherkennung) x Frühzeitige Ortung von Chancen und Gefahren sowie Initiierung von Maßnahmen (Frühaufklärung)

Methodisches Grundkonzept (Historische Entwicklungsstufe)

x kennzahlen-/hochrechnungsorientiert (1. Generation) x indikatororientiert (2. Generation) x erfolgspotenzialorientiert (3. Generation)

Beobachtungsbereich

x Mikroumfeld x Makroumfeld

Beobachtungsperspektive

x eigenorientiert (das eigene Unternehmen betreffend) x fremdorientiert (andere Unternehmen betreffend)

Beobachtungssphäre

x intern (Signale im Unternehmen aufspürend) x extern (Signale aus der Umwelt aufspürend)

Trägerschaft/Nutzung

x betriebliche FA x zwischenbetriebliche FA x überbetriebliche Frühaufklärung

Organisatorischer Bezugsbereich

x gesamtunternehmensbezogene FA x bereichsbezogene FA

Phänomenbereich

x mono-phänomenorientierte FA x multi-phänomenorientierte FA

EDV-Unterstützung

x voll computergestützte FA x teilweise computergestützte FA x nicht computergestützte FA

Tabelle 2.6: Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen Quelle: in Anlehnung an die Klassifikationsansätze nach Müller (1981), S. III, Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 23ff., Sepp (1996), S. 115ff. und Jossé (2004), S. 137

2.2.2.1 Operativer versus strategischer Führungsansatz Frühaufklärung kann in einem operativen und in einem strategischen Führungskontext erfolgen. Der zentrale Unterschied liegt dabei in den unterschiedlichen Bezugssystemen: Operative Frühaufklärung fokussiert auf liquiditäts- und ergebnisorientierte Steuerungsgrößen. Sie nimmt somit Bezug auf die eher kurzfristigen Erfolgsgrößen wie beispielsweise Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnung oder Budgets. Die Informationen sind überwiegend wohlstrukturiert, meist quantifizierbar und bieten geringen Interpretationsspielraum. Indikatoren

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

57

sind z. B. Aufwand, Ertrag, Einnahmen, Ausgaben und Auftragseingänge. Strategische Frühaufklärung nimmt Bezug auf die strategischen Führungs- und Leistungspotenziale.281 Informationen sind hier eher qualitativ, schlecht-strukturiert und häufig wertebeladen. Indikatoren sind z.B. Attraktivität und relative Wettbewerbsposition.282 In Tabelle 2.7 werden Unterschiede bezüglich Charakteristika der Informationen, Fähigkeiten der Beteiligten, Durchführung und Instrumente aufgezeigt. Operative Frühaufklärung Charakteristika der x wohl-strukturiert Informationen x eher quantitativ

Fähigkeiten der Beteiligten

Durchführung

Strategische Frühaufklärung x schlecht-strukturiert x eher qualitativ

x eher wertfrei

x eher wertebeladen, politisierend

x eher analytisch

x eher holistisch

x eher beweisend

x eher überzeugend

x eher erfahrungsgeleitet

x eher kreativ

x eher delegierbar

x nicht delegierbar

x eher in einer institutionalisierten Form x eher in informellen Arenen Instrumente

x Kausalanalysen

x Umgang mit Diskontinuitäten

Tabelle 2.7: Unterschiede zwischen operativer und strategischer Frühaufklärung Quelle: In Anlehnung an Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 12

KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS betonen, dass operative und strategische Frühaufklärung als „gleichwertige, sich ergänzende und überschneidende Ansätze“283 zu betrachten sind. Dabei dienen sie „gemeinschaftlich als informationelle Basis [...] für eine strategisch orientierte Unternehmensführung“284. Ebenso plädiert BAISCH für ein Zusammenspiel zwischen beiden Arten und führt an, dass zunehmend eine Integration von operativer und strategischer Dimension zu beachten sei.285 Die empirische Untersuchung in dieser Arbeit fokussiert sich auf Ansätze zur strategischen Frühaufklärung. Entsprechend beschränkt sich die Fallauswahl auf diesen Aspekt.

281

282 283 284 285

Siehe hierzu die Ausführungen zur Einbettung strategischer Frühaufklärung in die Subsysteme des strategischen Managements in Kap. 2.1.2.4 (S. 28). Zum vorherigen vgl. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 498; Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 10. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 500. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 500. Vgl. Baisch (2000), S. 17.

58

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.2.2.2 Umfang der Aufklärungsfunktion Die Funktion der Frühaufklärung kann in folgende drei Aspekte unterteilt werden:286 x Frühzeitige Ortung von Gefahren x Frühzeitige Ortung von Chancen und Gefahren x Frühzeitige Ortung von Chancen und Gefahren sowie Initiierung von Maßnahmen Dabei werden in der Literatur Ansätze zur frühzeitigen Ortung von Gefahren häufig als Frühwarnung, Ansätze zur frühzeitigen Ortung von Chancen und Gefahren häufig als Früherkennung und Ansätze zur frühzeitigen Ortung von Chancen und Gefahren sowie Initiierung von Maßnahmen häufig als Frühaufklärung bezeichnet. Jedoch hat sich diese Einteilung nicht konsequent durchgesetzt. Insbesondere nutzt die Praxis die Begriffe häufig synonym.287 Allerdings ist festzuhalten, dass trotz unterschiedlicher Bezeichnung Einigung darüber besteht, dass eine ausschließliche Betrachtung von Gefahren nicht zweckmäßig ist.288 Ein Vergleich mit der angelsächsischen Literatur zeigt, dass der Begriff „early warning“ weiter gefasst verstanden und ebenso die Ortung von Chancen als elementaren Bestandteil angesehen wird.289 Häufig wird auch allgemein von der Identifikation von Risiken gesprochen. Dabei impliziert der Begriff des Risikos immer zwei Aspekte: Einerseits eine mögliche Chance, andererseits eine mögliche Gefahr.290 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll untersucht werden, welchen Umfang die Aufklärungsfunktion in der Praxis einnimmt. 2.2.2.3 Methodische Grundkonzepte der Frühaufklärung Bezüglich der Einteilung nach Generationen werden in der Literatur die folgenden Ansätze genannt, die auf verschiedenen methodischen Grundkonzepten aufbauen: x Kennzahlen- und hochrechnungsorientierte Ansätze (1. Generation) x Indikatorenorientierte Ansätze (2. Generation) x Erfolgspotenzialorientierte Ansätze (3. Generation)

286 287 288 289 290

Diese Unterteilung folgt dem Ansatz von Raffée / Wiedmann (1988), die von drei Entwicklungsstufen sprechen. Dies stellte sich deutlich in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit heraus. Zimmermann (1991), S. 71 führt hierzu an, dass die praxisrelevanten Unterschiede zwischen den Begriffen relativ gering sind. So argumentieren Vertreter des Begriffes Frühwarnung, dass auch das Entgehen einer Chance eine Gefahr für das Unternehmen darstellen kann. Siehe beispielsweise Hammer (1992), S. 175. Vgl. Gilad (2003). In der Praxis wird jedoch selten der Begriff des Risikos differenziert und zumeist nur der Gefahrenaspekt darunter subsumiert.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

59

Kennzahlen- und hochrechnungsorientierte Ansätze bilden demnach die erste Generation, deren Entstehung seit Ende der sechziger Jahre beobachtet wird.291 Grundlage bildet die liquiditäts- und ergebnisorientierte Planungsrechnung. Als neues Element erfolgte eine zeitliche Vorkoppelung bei Abweichungsanalysen zwischen Soll- und Ist-Größen. Dabei wurden die Planungsgrößen mit den voraussichtlichen Ist-Größen zum Periodenende verglichen.292 Als Ergebnis folgen Planungsaktualisierungen aufgrund prognostizierter Abweichungen. In ihrer Aussagekraft für eine Frühaufklärung sind diese Ansätze nur sehr begrenzt nutzbar. Die verwendeten Daten beruhen auf abgeschlossenen Aktivitäten und sind somit vergangenheitsorientiert.293 Prognosemöglichkeiten sind folglich nur über einen kurzen Zeitraum in einem stabilen Umfeld möglich.294 Zudem spiegeln die erfassten Größen nur die Symptome und nicht die Ursachen von Veränderungen wider.295 Ansätze der ersten Generation basieren ausschließlich auf quantitativen Größen.296 Unter die zweite Generation fallen indikatorenorientierte Ansätze, die eine besondere Beachtung Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts erfahren haben. Die Schwächen der kennzahlen- und hochrechnungsorientierten Ansätze sollten überwunden werden: So definiert die zweite Generation zunächst Beobachtungsfelder. Daraufhin werden für die gewählten Felder geeignete vorlaufende Indikatoren identifiziert, die Hinweise für Zukunftsentwicklungen liefern sollen.297 Beispiel für ein Beobachtungsfeld der weiteren Umwelt ist Bevölkerung, mögliche Indikatoren hierzu sind Geburtenrate, Altersstruktur und Mobilität.298 Indikatorenorientierte Ansätze können sowohl qualitative als auch quantitative Größen verwenden. Die Praxis zeigt jedoch, dass qualitative Daten nur sehr selten genutzt werden.299 Größter Schwachpunkt der zweiten Generation ist die Gerichtetheit des Ansatzes: Es wird grundsätzlich nur in den zuvor definierten Beobachtungsfelder nach Veränderungen gesucht.300 Eine wesentlich konzeptionelle Weiterentwicklung zeigen die Ansätze der dritten Generation, die sich an Erfolgspotenzialen orientieren und wesentlich weniger quantitativ und vergangen-

291

292

293 294 295 296 297 298 299 300

Im Jahr 1967 führte General Electric einen an Kennzahlen orientierten Ansatz ein, der nach Roll (2004), S. 14 in den darauf folgenden Jahren in der Literatur beschrieben wird (u.a. von Aguilar (1967)). Für den deutschsprachigen Raum führt Simon (1986), S. 28 an, dass Müller-Merbach die Entstehung der Ansätze in das Jahr der Erdölkrise 1973 zurückführt. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 609; Bea / Haas (2005), S. 294. Für eine Beschreibung von Kontrollformen (Ist-, Wird-, und Soll-Größen als Kontroll- und Vergleichsgrößen) siehe beispielsweise Pfohl / Stölzle (1997), S. 76. Vgl. Lehmann / Ruf (1990), S. 6. Vgl. Roll (2004), S. 16. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 295, die als Beispiel anführen, dass ein diagnostizierter Rückgang des Auftragsbestandes keine Hinweise auf die Ursachen dieser Entwicklung gibt. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 295. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 297; Roll (2004), S. 16. Siehe dazu auch die Arbeiten des Instituts für Unternehmensplanung in Gießen, die u.a. in Lehmann / Ruf (1990), S. 7 beschrieben werden. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 297, die weitere Beobachtungsfelder und Indikatoren aufführen. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 296. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 295.

60

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

heitsorientiert sind.301 Der entscheidende Impuls zu ihrer Entwicklung erfolgte wie aufgezeigt durch ANSOFF und seinem Konzept der schwachen Signale. Die dritte Generation wird häufig als „strategisches Radar“ bezeichnet. Die Frühaufklärung fokussiert sich dabei auf den strategischen Bereich.302 Anspruch ist, Diskontinuitäten frühzeitig zu identifizieren und so die Schwächen von indikatorenorientierten Ansätze zu überwinden, die von bekannten Prozessstrukturen und Systemzusammenhängen ausgehen.303 Abbildung 2.11 illustriert zusammenfassend die angenommene Frühaufklärungskompetenz der drei Generationen. Ursachen

Symptome

Wirkungen

1. Generation

2. Generation

3. Generation

Zeit

Abbildung 2.11: Frühaufklärungskompetenz der drei Generationen im Vergleich Quelle: Bea / Haas (2005), S. 299

In der Literatur wird teilweise bereits von einer vierten Generation gesprochen, die wiederum auf Unzulänglichkeiten der bereits bestehenden Ansätze zurückgeht. Trotz der differenzierten Entwicklung der ersten drei Generationen hat man diese Ideen nur selten in die Praxis transferiert.304 So gab es in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts den Versuch, die bisherigen Ansätze besser miteinander zu verbinden. Im Mittelpunkt stand das Credo, Frühaufklärung für die Unternehmenspraxis zu entwickeln.305 Dies sollte durch Handlungsanleitungen für die Praxis geschehen, verbunden mit dem Ziel, „die gewonnenen Informationen in tatsächlichen

301 302 303 304 305

Vgl. Roll (2004), S. 17. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 609. Vgl. Lehmann / Ruf (1990), S. 8. Vgl. Zimmermann (1991), S. 77. So beispielsweise die Bezeichnung bei Zimmermann (1991), S. 77.

Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung

61

Aktionen münden zu lassen“306. Interessanterweise wurden diese Forderungen gemeinsam mit dem von GOMEZ307 entwickelten Ansatz einer ganzheitlich-vernetzten Vorgehensweise diskutiert. Einerseits vermag eine Frühaufklärung, die sich eines vernetzten Denkens bedient, die bisherigen Generationen besser zu vereinen und zwischen operativer und strategischer Ebene zu vermitteln. Andererseits erscheint es nicht evident, wie durch eine solche Vorgehensweise die Implementierungslücke geschlossen werden kann. Der Ansatz von GOMEZ, der insbesondere in einer Visualisierung von komplex-dynamischen Zusammenhängen besteht, scheint zwar geeignet, um Komplexität besser zu veranschaulichen. Zudem sollte ein Umdenken angeregt werden, anstelle von Ideallösungen situative Ansätze zur Lösung unternehmensspezifischer Probleme anzubieten.308 Die Beiträge, die in den folgenden Jahren dem Denkansatz der systemischen Betrachtung folgen, haben zu einer besseren Anwendbarkeit der Methoden der Frühaufklärung beigetragen. Allerdings konnte durch den Ansatz nicht die Implementierungsproblematik von Frühaufklärung gelöst werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es nicht gerechtfertigt scheint, von einer vierten Generation zu sprechen. Vielmehr stellen die Ansätze einer ganzheitlich-vernetzten Vorgehensweise eine vertiefende Betrachtung und Ausgestaltung der erfolgspotenzial, strategisch orientierten Frühaufklärung dar.309 Die empirische Untersuchung in der vorliegenden Arbeit betrachtet ausschließlich erfolgspotenzialorientierte Ansätze. 2.2.2.4 Weitere Unterscheidungsmerkmale Nachfolgend werden weitere Unterscheidungsmerkmale kurz angeführt. Beim Beobachtungsbereich wird unterschieden, welche Umfelder der Mikro- und Makroumwelt in die Betrachtung einzubeziehen sind. Vorstellbar ist hier, dass sich eine Frühaufklärung primär auf das Wettbewerbsumfeld fokussiert (wie die Ausführungen zur Competitive Intelligence in Kap. 2.1.3.4, S. 38ff. aufgezeigt haben) oder primär auf das Makroumfeld bzw. Teile des Makroumfeldes (wie beispielsweise Technologiefrühaufklärung, siehe Kap. 2.1.3.2, S. 33ff.). Bezüglich der Beobachtungsperspektive sind eine eigenorientierte und eine fremdorientierte Perspektive zu nennen. Erstere betrifft eine Frühaufklärung, die auf das eigene Unternehmen gerichtet ist, Letztere beschäftigt sich mit der Beobachtung und Beurteilung anderer Unternehmen.310 Weiterhin erfolgt in der Literatur eine Unterscheidung in eine interne und eine externe Beobachtungssphäre. Zu der bislang in dieser Arbeit aufgezeigten externen Sphäre, bei der die Unternehmensumwelt beobachtet wird, fügt man somit eine unternehmensinterne Perspektive

306 307 308 309 310

Roll (2004), S. 23. Vgl. Gomez (1983). Vgl. Gomez (1983), S. 3. Vgl. hierzu auch ähnlich die Argumentation bei Jossé (2004), S. 126. Zu nennen ist hier beispielsweise eine Beurteilung eines Unternehmens durch Banken. Vgl. Jossé (2004), S. 142.

62

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

hinzu.311 JOSSÉ nennt für Beispiele interner Signale ineffiziente Organisationsstrukturen, verfehlte Personalpolitik und Informationssystemfehler.312 Hinsichtlich des Merkmals der Trägerschaft und Nutzung können nach KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS drei Varianten unterschieden werden: Betriebliche Frühaufklärung wird nur von einem Unternehmen verantwortet und genutzt. Zwischenbetriebliche Frühaufklärung erfolgt in Kooperation zwischen verschiedenen Unternehmen, die beispielsweise in der gleichen Branche operieren. Überbetriebliche Frühaufklärung schließlich nutzt zudem die Ressourcen von externen Fachinstitutionen. Träger und Nutzer müssen also in diesem Fall nicht identisch sein.313 Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal stellt der organisatorische Bezugsbereich dar. Richtet sich die Frühaufklärung auf Chancen und Gefahren, die das Unternehmen insgesamt betreffen, wird von einer gesamtunternehmensbezogenen Frühaufklärung gesprochen. Davon ist eine bereichsbezogene Frühaufklärung abzugrenzen, bei der Frühaufklärungsaktivitäten schwerpunktmäßig für relevante Themen in funktionalen Unternehmensbereichen erfolgt.314 Eine Unterscheidung im Phänomenbereich führt zu mono-phänomenorientierten und multi-phänomenorientierten Ansätzen. Dabei fokussiert mono-phänomenorientierte Frühaufklärung auf ein bestimmtes Thema, während multiphänomenorientierte Frühaufklärung den Blick nicht von vornherein beschränkt. Schließlich beschreibt das Merkmal der EDV-Unterstützung, inwieweit Frühaufklärung durch Systeme zur Datenverarbeitung unterstützt wird.315 Im weiteren Verlauf ist in der empirischen Untersuchung zu prüfen, welche der genannten weiteren Unterscheidungsmerkmale in der Unternehmenspraxis auftreten.

311 312 313 314 315

Die Aufteilung in eine interne und externe Beobachtungssphäre erfolgt somit analog der Unterscheidung in Unternehmens- und Umweltanalyse, siehe dazu Kap. 2.1.2.4 (S. 28ff.). Vgl. Jossé (2004), S. 142. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 24 und Hammer (1992), S. 180ff. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 25 und Jossé (2004), S. 144. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 25.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

2.3

63

Implementierung strategischer Frühaufklärung

Im Folgenden werden zunächst die Anforderungen an die Implementierung thematisiert. Daraufhin wird die Gestaltung der Implementierung untersucht und im Anschluss daran Implementierungsbarrieren aufgeführt. 2.3.1

Anforderungen an die Implementierung

Implementierungsverständnis Die Implementierung beschäftigt sich mit der Gestaltung von Veränderungen. Dabei wird ein Ist-Zustand durch die Einführung eines bekannten Implementierungsobjektes in einen SollZustand überführt.316 Nach REIß umfasst der Implementierungsbegriff „alle Bemühungen um eine erfolgreiche Einpflanzung von neuen Konzepten jeder Art in alle Sektoren des jeweils umgebenden Kontextes“317. Damit soll in dieser Arbeit ein weites Implementierungsverständnis angenommen werden. Dieses bezieht neben der ausschließlichen Transformation eines fertigen Konzeptes in die Anwendung auch den Änderungsprozess selbst und so den Weg der Konzepterstellung mit ein.318 Eine solche Ausdehnung ist nach BAISCH „vor allem dann notwendig, wenn schon im Konzept Bedingungen beachtet werden sollen, die für die spätere Implementierung eine Rolle spielen werden“319. Erstaunlicherweise wurde erst im Jahr 2000 die erste Arbeit, die sich ausführlich mit der Implementierung von Frühaufklärung beschäftigt, veröffentlicht.320 Der Autor BAISCH untersucht darin die bis dato existierenden Vorschläge zur Implementierung und kommt zu dem Ergebnis: „Aussagen zur erfolgreichen Bewältigung der Implementierung von Früherkennungssystemen lassen sich nur zwischen den Zeilen […] finden.“321 Begriff des Frühaufklärungssystems Die Diskussion zur Implementierung strategischer Frühaufklärung folgt in der Literatur häufig der Vorstellung eines Frühaufklärungssystems.322 Die Verwendung dieses Begriffes beruht auf der systemorientierten Sichtweise von Unternehmen.323 Nach HAHN und KRYSTEK wird unter

316 317 318 319 320 321 322

323

Vgl. Zeyer (1996), S. 7. Reiß (1995), S. 292. Vgl. für eine ausführliche Gegenüberstellung einer Implementierung im engeren Sinne und im weiteren Sinne Baisch (2000), S. 118ff. Baisch (2000), S. 119. Vgl. Baisch (2000). Baisch (2000), S. 144. Vgl. beispielsweise die Darstellungen bei Hammer (1992), S. 243; Baisch (2000), S. 36ff.; Bea / Haas (1994); Horváth & Partner (2000); Ackermann / Ruf (1990); Albach (1979); Hoffmann (1998); Klausmann (1983); Knittelmeyer (2003); Niemeyer (2004); Romeike (2005); Schatz (2003); Geissler (1995) und Krampe (1980). Vgl. Ulrich (1970).

64

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

einem Frühaufklärungssystem eine spezielle Klasse eines Informationssystems verstanden.324 HAMMER definiert Frühaufklärungssysteme als „reale, komplexe und offene Systeme, die sich durch die Anzahl und Art der Subsysteme und Systemelemente bzw. durch die Art und die Intensität der Beziehungen zwischen den verschiedenen Subsystemen und Elementen, von anderen Systemen, beispielsweise Planungs- und Kontrollsystemen, grundlegend unterscheiden“325 Gegen die Benutzung des Begriffes des Frühaufklärungssystems können in der Literatur folgende Argumente gefunden werden:326 x Der Begriff ist irreführend, da der Eindruck entstehen kann, dass ein Frühaufklärungssystem ein klar abgrenzbares Subsystem des Managementsystems sei.327 x Die Notwendigkeit einer Frühaufklärung zieht sich durch alle Teilsysteme des strategischen Managements und ist somit nicht ohne weiteres als eigenständiges System zu identifizieren.328 x Aus der Evolution der Frühaufklärung lässt sich schließen, dass sich die organisatorische Implementierung von Frühaufklärung als ein eigenständiges System im Rahmen der Unternehmensplanung als nicht ideal erwiesen hat.329 Inwiefern der Begriff des strategischen Frühaufklärungssystems in der Praxis förderlich oder hemmend ist, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu eruieren sein. Konstituierende Gestaltungsmerkmale strategischer Frühaufklärung Neben den im nachfolgenden Kapitel 2.3.2 (S. 71ff.) aufgeführten Implementierungselementen des Prozesses, der aufbauorganisatorischen Anbindung, der Aufgabenträger und Nutzer sowie der Instrumente bedarf es der Festlegung konstituierender Gestaltungsmerkmale. Diese werden in der Literatur teils als Systemgestaltung bezeichnet.330 Sie betreffen insbesondere grundsätzliche Entscheidungen zum Einsatz der Frühaufklärung wie diese in Tabelle 2.6 (S. 56) bezüglich der Unterscheidungsmerkmale aufgeführt worden sind. Wesentlichen Einfluss auf die Implementierung strategischer Frühaufklärung nehmen einerseits die Unternehmenskultur und andererseits die interne Kommunikation. Die resultierenden Anforderungen an die Implementierung werden nachfolgend dargestellt.

324 325 326 327 328 329 330

Vgl. Hahn / Krystek (1979). Hammer (1992), S. 183. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Baisch (2000), S. 15. Vgl. Müller (1981), S. 7. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 9. Vgl. Liebl (1996), S. 6f. Vgl. Hammer (1992), S. 243ff.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

65

2.3.1.1 Bedeutung der Unternehmenskultur Wie in Kapitel 2.1.2.4 (S. 28ff.) aufgezeigt, wirkt die Unternehmenskultur direkt auf die Ausgestaltung strategischer Frühaufklärung. BEA und HAAS gehen davon aus, dass die Qualität einer bestimmten Unternehmenskultur für die erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung von elementarer Bedeutung ist.331 Unternehmenskulturen sind in der Praxis vielfältiger Natur und weisen unterschiedlichste Prägungen auf.332 Zur Charakterisierung von Unternehmenskulturen bieten sich Typologisierungen an, die auf für den jeweiligen Untersuchungszweck relevanten Merkmalen beruhen. Als eine der bekanntesten Typologien ist die von BLEICHER erarbeitete mehrdimensionale Unternehmenskulturtypologie zu nennen, die in Tabelle 2.8 zusammengefasst wird. Offenheit der Unternehmenskultur vernetzte, zukunftsorientierte Kultur x außen orientiert/offen

ļ

x änderungsfreundlich Differenziertheit der Unternehmenskultur Subkulturen x basisorientiert

x entwicklungsorientiert

ļ

x Akteursrolle

Einheitskultur x spitzenorientiert x einheitskulturell geprägt

ļ

x nutzenorientiert Kulturprägende Rolle der Mitarbeiter Individualkultur

x binnenorientiert/geschlossen x änderungsfeindlich

x subkulturell geprägt Kulturprägende Rolle der Führung Unternehmerische Führungskultur

Insulare, traditionsorientierte Kultur

Technokratie x instrumentell orientiert x kostenorientiert

ļ

x individuelles Rollenverständnis

Teamkultur x Mitgliedschaftsrolle x kollektives Rollenverständnis

Tabelle 2.8: Dimensionierung von Unternehmenskulturen Quelle: in Anlehnung an Bleicher (1999), S. 235

Von besonderer Relevanz für die strategische Frühaufklärung ist das Merkmal der Offenheit der Unternehmenskultur. BLEICHER zufolge sind insulare Kulturen mit Binnenorientierung dadurch gekennzeichnet, dass Umweltveränderungen eher spät erkannt werden und nur mühsam das organisatorische Gefüge durchdringen. Man beschäftigt sich überwiegend mit internen Abstimmungsproblemen. Diese „führt zum Abbau der geistigen Auseinandersetzung mit Zukunftsfragestellungen und zu eher reaktiven Verhaltensweisen“333. Offene Kulturen mit Außen331 332 333

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 490. Ähnlich äußern sich dazu Zimmermann (1991), S. 192; Baisch (2000) und Ansoff (1984). Vgl. Bleicher (1999), S. 233. Bleicher (1999), S. 236.

66

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

orientierung hingegen weisen eine in allen Bereichen und Stufen der Organisation hoch entwickelte Sensorik für das Erfassen von Umweltveränderungen auf. Denkbare Auswirkungen von Umweltveränderungen werden dabei „präsituativ aufgegriffen und in strategische Überlegungen eingebracht“334. Darüber hinaus wirkt die kulturprägende Rolle der Führung auf die Gestaltung der strategischen Frühaufklärung. Eine unternehmerische Führungskultur ermöglicht eher die Suche nach zukunftsorientierten Möglichkeiten und das „kreative Einbringen und Verfolgen neuer Entwicklungspfade“335 als eine technokratisch ausgeprägte Kultur. In Letzterer dominiert hingegen eine Angst vor Fehlern. SWEETMAN zeigte diesbezüglich in ihren empirischen Studien die Relevanz eines offenen Umgangs mit Unsicherheit seitens der Führungskräfte auf.336 Die Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter Abstand von der Organisation nehmen, sofern die Führung daran scheitert, Unsicherheit und strategische Umfeldveränderungen offen zu thematisieren: “It turns out that people working for managers who openly express uncertainty and who seek employee input in resolving ambiguous challenges are more satisfied with their jobs, more committed to and less cynical about their organizations, and more likely to identify with the companies they work for.”337 Eine spezifische Kulturtypologie zur Analyse strategischer Frühaufklärung hat ANSOFF entwickelt. In einer eindimensionalen Typologie nimmt er als Merkmal für die Unterscheidung die zeitliche Orientierung als grundlegende Denkhaltung der Mitarbeiter. In Tabelle 2.9 werden die fünf identifizierten Kulturtypen dargestellt.

334 335 336 337

Bleicher (1999), S. 236. Bleicher (1999), S. 239. Vgl. Sweetman (2001). Sweetman (2001), S. 7.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

Kulturtyp stabile Kulturen

67

Charakterisierung x vergangenheitsorientiert x zielen auf eine Sicherung des Status Quo

reaktive Kulturen

x gegenwartsorientiert x versuchen, wenn überhaupt, nur geringe Risiken einzugehen

kalkulierbare Kulturen338

x weiten ihre zeitliche Orientierung vorsichtig auch auf zukünftige Betrachtungen aus

explorative Kulturen

x innovationsorientiert

x sind bereit, berechenbare Risiken einzugehen x stärken ihre Ausrichtung auf die Zukunft x Risiko-Gewinn-Verhältnis wird jedoch nicht außer Acht gelassen kreative Kulturen

x versuchen zukünftige Entwicklungen zu antizipieren x durch Suche nach Chancen – unter Berücksichtigung der Risiken – ist man seiner Zeit voraus

Tabelle 2.9: Kulturtypen in Bezug auf die zeitliche Orientierung Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Ansoff (1979), S. 120

Die Typologie zeigt auf, dass die Grundlage für eine erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung vor allem in explorativen und kreativen Kulturen besteht. Stabile, reaktive und antizipative Kulturen werden sich eher auf Frühaufklärungsaktivitäten der 1. und 2. Generation (kennzahlen- und hochrechnungsorientierte sowie indikatorenorientierte Ansätze) beschränken.339 Dies liegt insbesondere an dem weitgehenden Beharren auf der Zeitstabilitätshypothese.340 In explorativen und kreativen Kulturen gibt es einen Nährboden dafür, eine zur strategischen Frühaufklärung notwendige Denkhaltung zu entwickeln. Diese Denkhaltung beinhaltet im Wesentlichen die Fähigkeit zur Antizipation, worunter „das Vermögen, sich immer wieder mit möglichen zukünftigen Herausforderungen konstruktiv auseinanderzusetzen und diese auf ihre Relevanz für das Unternehmen hin zu interpretieren“341 verstanden werden kann. Eine stark entwickelte Antizipationsfähigkeit ermöglicht es somit, zukünftige Entwicklungen mental vorwegzunehmen. Einheitlich wird in der Literatur auf die Notwendigkeit dieser antizipativen Denkhaltung als wesentliche Anforderung für eine erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung hingewiesen.342

338 339 340 341 342

Im Original wird dieser Kulturtyp als antizipative Kultur bezeichnet, wodurch jedoch etwas anderes suggeriert wird, als in der Beschreibung des Kulturtyps aufgeführt wird. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.3 (S. 58ff.). Vgl. zur Beschreibung der Kulturtypen nach Ansoff auch Baisch (2000), S. 198ff. Baisch (2000), S. 149. Vgl. Baisch (2000), S. 149; Zurlino (1995), S. 21ff.; Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 232; Bea / Haas (1994), S. 491.

68

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Bedingte Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur unterliegt nur bedingt der willentlichen Lenkung und Gestaltung durch das Management.343 Damit wird deutlich, dass die Kultur eines Unternehmens nicht funktionalistisch gesehen und als veränderbare Variable zielorientiert gesteuert werden kann. Vielmehr zeigt sich, dass ein Management der Kultur immer nur auf indirekte Weise geschehen kann. Die Unternehmensführung muss sich den kulturellen Wirkungen und Funktionen in ihrem Unternehmen bewusst sein und Ansatzpunkte für kulturelle Veränderungsprozesse finden, die eine Hebelwirkung entfalten.344 In Grenzen ist somit eine Veränderung dysfunktionaler Unternehmenskulturen im Sinne einer intentionalen Kulturpolitik möglich.345 Der Unternehmensführung wird dabei die wesentliche Rolle der Gestaltung von Rahmenbedingungen für eine kulturelle Evolution zugeschrieben.346 Ausgehend von den zuvor aufgeführten Überlegungen wird in der empirischen Untersuchung die Frage zu beantworten sein, welche Rolle die Unternehmenskultur bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung in der Praxis spielt und inwiefern diese von den Unternehmen gezielt verändert wird. 2.3.1.2 Bedeutung interner Kommunikation Eine weitere Anforderung an die Implementierung strategische Frühaufklärung ist die Berücksichtigung interner Kommunikationsprozesse. Aus der Forschung zum Strategic Issues Management ist bekannt, dass Issues keineswegs ausschließlich nach ihrer objektiven Wichtigkeit und Dringlichkeit zum Gegenstand von strategischen Entscheidungen werden.347 Vielmehr sind die nachfolgend vorgestellten Aspekte des Framing, Agenda Building und Issue Selling zu berücksichtigen, welche die unternehmensinterne Kommunikation wesentlich bestimmen. Einen Beitrag hierzu haben vor allem die Studien von DUTTON und ihrem Forschungsteam geliefert.348 Ihrer Ausgangsthese zufolge ist kein Issue per se strategischer Natur. Vielmehr wird ein Issue dann zu einem strategischen Issue, wenn das Top-Management der Überzeugung ist, dass es einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben kann.349 Dabei stellt der Platz auf der strategischen Agenda des Unternehmens den limitierenden Faktoren dar, um den entsprechende Konkurrenz herrscht.350 Die Agenda eines Unternehmens wird in diesem Zusammenhang verstanden als „kollektive Aufmerksamkeitszuwendung der Entscheidungsträger

343 344 345 346 347 348 349 350

Vgl. Bleicher (1999), S. 223. Vgl. Staehle (1999), S. 499. Vgl. Bleicher (1999), S. 223. Vgl. Bleicher (1999), S. 228ff. Vgl. Liebl (2000), S. 106. Vgl. Dutton / Ashford (1993); Dutton / Duncan (1987); Dutton / Ashford / O Neill et al. (1997). Vgl. Dutton / Ashford (1993), S. 397. Vgl. Liebl (2000), S. 108.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

69

zu strategischen Issues“351. Diesen Überlegungen folgend ist davon auszugehen, dass unternehmensintern Mobilisierungsprozesse stattfinden, die zum Ziel haben, das Top-Management von der Wichtigkeit eines Issues zu überzeugen.352 Unter Framing wird der Prozess des Bezeichnens und Kontextualisierens eines Issue verstanden. Es stellt ein wirksames Instrument zur Beeinflussung der Wahrnehmung eines Issue dar.353 Wird beispielsweise ein Issue als eine rein moralische Frage eingeordnet, löst es andere Interpretations- und Handlungsroutinen aus, als wenn das gleiche Issue als eine geschäftsrelevante Frage betrachtet wird. Auch spielt die Frage nach der Kategorisierung des Issue in Chance oder Gefahr eine entscheidende Rolle für die weitere Wahrnehmung.354 Wesentlichen Einfluss auf das Framing von Issues nimmt das mittlere Management ein. Darunter sollen diejenigen Manager verstanden werden, die in der Unternehmenshierarchie zwei bis drei Ebenen unter dem Vorstandsvorsitzenden angesiedelt sind.355 Zwei Aktivitäten spielen beim Framing durch das mittlere Management die zentrale Rolle:356 1. Der Prozess des Verkaufens von Issues an das Top-Management, das sog. Issue Selling 2. Das Bilden von Koalitionen zur Platzierung von Issues auf der Unternehmensagenda, das sog. Agenda Building Bei diesen Aktivitäten sind kognitive und mikropolitische Effekte zu berücksichtigen, die den Prozess wesentlich dominieren können.357 Kognitive Effekte treten deshalb auf, weil selbst faktisch klar definierte Issues in ihren Konsequenzen zumeist inhaltlich mehrdeutig und somit interpretationsfähig sind. Mikropolitische Effekte spielen dadurch eine Rolle, dass Individuen und Gruppen motiviert sind, Issues in bestimmter Weise zu interpretieren und für ihre persönlichen Interessen zu nutzen.358 Abbildung 2.12 stellt die Gestaltungsmöglichkeiten beim Issue Selling dar.

351 352 353 354 355 356 357 358

Ingenhoff (2004), S. 135. Vgl. Liebl (2000), S. 107. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 113. Vgl. Liebl (2000), S. 111. Vgl. Dutton / Ashford (1993), S. 398 und die dort angeführte Literatur. Vgl. Ingenhoff (2004), S. 30. Vgl. Liebl (2000), S. 106. Vgl. zum vorhergehenden Liebl (2000), S. 112.

70

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Issue Packaging - Issue content framing (e.g., implied responsibility) - Issue presentation (e.g., emotionality, novelty)

Top management devotes attention to seller‘s issue

- Issue appeals (e.g., onesided vs. two-sided Perceived Characteristics of Top Management (e.g., openness, supportiveness)

Initiation of Issue Selling

Substantive Issue Action

- Issue bundling

Selling Process

Characteristics of the Issue Seller (e.g., structural location, functional orientation)

- Breadth of involvement (e.g., solo or with others) - Choice of channel

Seller maintains or enhances credibility for future selling attempts

- Formal vs. informal tactics

Issue-Selling Form

Indicators of IssueSelling Success

Abbildung 2.12: Gestaltung des Issue Selling Quelle: Dutton / Ashford (1993), S. 405

Der Erfolg des Issue Selling hängt einerseits von der Art des richtigen „Verpackens“ (Issue Packaging) und andererseits von der Art der Weiterleitung (Selling Process) ab. Unter Issue Packaging fallen dabei folgende Faktoren des Framing: (a) die inhaltliche Einrahmung (z.B. als strategisch relevant, bedrohlich, dringend); (b) die Art der Präsentation (z.B. emotional, unterstützt durch Zahlen); (c) die Strukturierung der Behauptung (z.B. einseitige oder vielfältige Perspektiven aufzeigen) und (d) die Bündelung (z.B. Aufzeigen der Verknüpfungen zu anderen Issues).359 Bezüglich der Weiterleitung sind folgende Entscheidungen zu treffen: (a) Wie viele Personen sollen involviert werden? Wer kann für das Issue auf welcher Hierarchiestufe zur Unterstützung gewonnen werden?; (b) Auswahl der Kanäle (z.B. öffentliches oder privates Vortragen des Issue) und (c) die Taktik bei der Übermittlung (formelle Präsentation oder informelle Hinweise auf das Issue). Als Indikatoren für den Erfolg des Issue Selling sehen DUTTON und ASHFORD einerseits den Grad der Aufmerksamkeit, den das Top-Management dem Issue widmet und andererseits die bleibende oder steigende Glaubwürdigkeit der Issue Seller bei zukünftigen Framing-Aktivitäten. Die Ausführungen zeigen deutlich die in der Literatur angenommene hohe Bedeutung interner Kommunikationsprozesse bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung. Bei einer Betrachtung der vielfältigen Effekte kann der Eindruck entstehen, dass die strategische Agenda

359

Vgl. Dutton / Ashford (1993), S. 406ff.; Ingenhoff (2004), S. 138.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

71

wenig intentionalen Charakter besitzt. LIEBL kommt diesbezüglich zu folgendem Fazit: „die Agenda ist natürlich bei einer systematischen Diagnose von Issues nicht-emergent, aber gleichzeitig wegen vielfältig wirksamer Kontextfaktoren auch nicht-nicht-emergent.“360 Somit sind neben denen im folgenden Kapitel aufgeführten Gestaltungselementen stets die Aspekte des Framing, Agenda Building und Issue Selling zu berücksichtigen. Für die empirische Untersuchung stellt sich angesichts dessen die Frage, wie aktiv die Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung welche der aufgeführten Gestaltungsmöglichkeiten interner Kommunikation nutzen. 2.3.2

Gestaltung der Implementierung

In Bezug auf die Gestaltung der Implementierung werden nachfolgend die in Abbildung 2.13 dargestellten vier wesentlichen Elemente betrachtet.

Prozess

Aufbauorganisatorische Anbindung

Gestaltung der Implementierung

Aufgabenträger und Nutzer

Instrumente

Abbildung 2.13: Elemente für die Gestaltung der Implementierung Quelle: Eigene Darstellung

Der instrumentalen und tätigkeitsorientierten Perspektive der Organisation folgend wird zwischen einer Aufbau- und einer Ablauforganisation unterschieden.361 Die Aufbauorganisation beschäftigt sich mit der Regelung und Abgrenzung von Aufgaben, Kompetenzen und Unterstellungsverhältnissen. Die prozessorientierte Strukturierung des Unternehmens wird in der Ablauforganisation behandelt.362 Entsprechend werden für den Forschungsgegenstand der strategischen Frühaufklärung nachfolgend Prozess und aufbauorganisatorische Anbindung aufgezeigt. Zudem bedarf es einer Auseinandersetzung mit den Aufgabenträgern und Nutzern einerseits und den Instrumenten andererseits. Die vier Elemente bedingen einander und sind entsprechend abgestimmt zu gestalten. 360 361 362

Liebl (1996), S. 113. Vgl. hierzu die Ausführungen zum Organisationsbegriff in Kap. 2.1.2.4 (S. 28). Vgl. zum vorhergehenden Krüger (1994), S. 13.

72

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.3.2.1 Prozess der strategischen Frühaufklärung Im Folgenden wird ein Überblick über die Kernaufgaben gegeben, die der Informationsgenerierungsprozess der strategischen Frühaufklärung umfasst. Zur Strukturierung der Ablaufschritte findet sich in der Literatur eine Reihe von Prozessmodellen. Die verschiedenen Modelle zeigen dabei über die ersten Phasen weit reichende Übereinstimmungen und Überschneidungen auf.363 Eine Unterscheidung tritt dahin gehend auf, ob die Phase der Handlung respektive Implementierung noch Teil des Prozesses der strategischen Frühaufklärung ist. Einerseits wird in der Literatur für eine engere Perspektive ohne Handlung plädiert: So nennen BEA und HAAS Erkennung, Diagnose und Weitergabe als Kernaufgaben.364 LIEBL klassifiziert in die drei Phasen der Beschaffung, Diagnose und Maßnahmenformulierung.365 BAISCH systematisiert nach Wahrnehmung, Dokumentation, Diagnose und Weiterleitung.366 Andererseits vertreten einige Autoren eine weit gefasste Perspektive inklusive Handlung: KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS untergliedern in Identifikation, Erfassung, Dokumentation und Handhabung.367 HAMMER unterteilt in Erfassung, Analyse, Relevanzbeurteilung, Formulierung von Reaktionsstrategien und Implementierung und Kontrolle.368 In die gleichen Phasen unterteilen KRYSTEK und WALLDORF, deren Prozessmodell strategischer Frühaufklärung in Abbildung 2.14 dargestellt wird.

363

Vgl. dazu die vergleichenden Analysen über die in der Literatur aufgeführten Prozesselemente strategischer Frühaufklärung bei Sepp (1996), S. 208 und Baisch (2000), S. 39. 364 Vgl. Bea / Haas (2005), S. 306. 365 Liebl (2000), S. 70f. 366 Dabei orientiert Baisch die Kernaufgaben der Frühaufklärung an den Aktionsphasen eines Informationsprozesses, vgl. Baisch (2000), S. 38. 367 Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 174. 368 Vgl. Hammer (1992), S. 253.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

73

Ortung/Erfassung von schwachen Signalen • Scanning • Monitoring • Dokumentation

Analyse erfasster schwacher Signale • Feststellung/Analyse der Verhaltens-/Ausbreitungsmuster • Analyse der Ursachen • Projektion der Wirkungen (z.B. Szenarioeinsatz)

Beurteilung der Relevanz der analysierten schwachen Signale • • • •

Relevanzbeurteilung (Modelleinsatz) Rangordnungserstellung Darstellung des Diffusionsstadiums Signalisierung der Dringlichkeit

Formulierung von Reaktionsstrategien • Entwicklung von Reaktionsstrategien • Auswahl von Reaktionsstrategien

Implementierung und Kontrolle

Abbildung 2.14: Prozess der strategischen Frühaufklärung Quelle: In Anlehnung an Krystek / Walldorf (1997), S. 458

Wie in vielen Prozessmodellen erfolgt auch hier eine Darstellungsform, in der die einzelnen Prozessphasen sukzessive durchlaufen werden. SEPP sieht hierin Schwierigkeiten bei der Durchführung strategischer Frühaufklärung und betont die Notwendigkeit einer rekursiven Verknüpfung der Prozesselemente. Er argumentiert damit, dass komplex-dynamische Veränderungen nicht mit einem linearen Prozess erfasst und bewältigt werden können.369 Ähnlich weist LIEBL darauf hin, dass bei Managementprozessen die einzelnen Prozessphasen nur idealtypisch voneinander getrennt werden. In der Realität folgt man nach LIEBL vielmehr einem iterativen Vorgehen.370 Auch BAISCH kommt bei seinen Überlegungen zu den Abfolgeregelungen des Prozesses zu der Erkenntnis, dass eine vernetzte Betrachtung anstelle eines stringenten linearen Abarbeitens der Aufgaben unabdingbar ist.371

369 370 371

Vgl. Sepp (1996), S. 210, der der Argumentation von Fahey / Narayanan (1986) folgt. Diesen Sachverhalt kennzeichnet Liebl in seiner Prozessdarstellung durch zurück gerichtete Pfeile. Vgl. Liebl (2000), S. 70. Vgl. Baisch (2000), S. 112.

74

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

Anhand der Einteilung der Prozessphasen nach KRYSTEK und WALLDORF werden nachfolgend die Hauptaspekte in den einzelnen Schritten zusammengefasst. Erfassung schwacher Signale Als Basisaktivitäten bei der Wahrnehmung von schwachen Signalen nennt die Literatur übereinstimmend Scanning und Monitoring. Zudem fällt in die Phase der Erfassung die Dokumentation der identifizierten Signale. Scanning beschreibt den Vorgang der Suche nach schwachen Signalen. Dabei erfolgt ein „Abtasten und Rastern“372 des Unternehmensumfeldes. Für die Aktivität des Scanning wird häufig das Bild eines 360°-Radars gewählt. Damit soll illustriert werden, dass im Prinzip überall und zu jeder Zeit nach Umfeldveränderungen zu suchen ist. LIEBL beschreibt Scanning als einen „Umgang mit hohen ‚Rauschpegeln’“373 und weist darauf hin, dass für die notwendig breit angelegte Suche kaum Richtlinien existieren. Er führt die mangelnde methodische Unterstützung darauf zurück, „daß man eigentlich eine wissenschaftliche Vorgehensweise benötigt, die per Induktion Neues erkennt. Überspitzt gesagt, man sucht letzten Endes nach etwas, ohne vorher eine Vorstellung davon zu haben, was es sein könnte und wo man es findet.“374 Ähnlich betonen KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS: Scanning „setzt ein intuitives ‚Erfühlen’ voraus“375. Das Scanning kann gegebenenfalls auf einen bestimmten Themenbereich begrenzt werden oder unfokussiert ohne Eingrenzung erfolgen.376 Ziel des Scanning ist, schwache Signale wahrzunehmen und so zu einer Identifikation von Issues beizutragen. Als Beurteilungskriterien schlägt SEPP die grundsätzliche unternehmensbezogene Relevanz, die Bedeutung hinsichtlich potentieller Folgen, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts und den Grad der Dringlichkeit vor.377 Als zweite Stufe schließen sich sodann Monitoring-Aktivitäten für eine vertiefende Beobachtung des identifizierten Phänomens an.378 Die Zielsetzung liegt dabei in der Bestätigung oder Widerlegung eines zuvor identifizierten Issues. Scanning und Monitoring stellen unterschiedliche Anforderungen an die ausführenden Personen: Scanning erfordert insbesondere eine intui-

372 373 374 375 376

377 378

Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 175. Liebl (1996), S. 12. Liebl (1996), S. 12. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 176. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 176, die jedoch diese Merkmalsausprägungen als informale und formale Suche definieren. Diese Bezeichnung trägt jedoch nicht zu einer eindeutigen Begriffsabgrenzung bei, da Titel und Inhalt nicht miteinander korrespondieren. Die vorliegende Arbeit folgt bezüglich der informalen und formalen Suche dem Ansatz von Sepp (1996). Vgl. Sepp (1996), S. 263ff. Vgl. Baisch (2000), S. 40; Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 176.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

75

tive und ganzheitliche Herangehensweise; beim Monitoring hilft vor allem ein analytischer Zugang.379 Die Aktivitäten des Scanning und des Monitoring lassen sich weiter anhand der beiden Merkmale Formalisierungsgrad und Perspektive differenzieren. Bezüglich des Formalisierungsgrades kann nach SEPP eine informale und eine formale Suche unterschieden werden. Eine informale Suche charakterisiert sich durch eine begrenzte, unstrukturierte, aber aktive Suche. Eine formale Suche folgt hingegen einem systematischen Prozess, in dem Informationsquellen bewusst ausgewählt und Informationsinstrumente gezielt eingesetzt werden.380 Bei der zu wählenden Perspektive ist zwischen einer sog. gerichteten und einer ungerichteten Suche zu unterscheiden. Die gerichtete Suche beginnt dabei innerhalb der Domäne des Unternehmens und folgt einer inside-out-Perspektive; die ungerichtete Suche beginnt zunächst außerhalb der Domäne des Unternehmens und wird als outside-in-Ansatz charakterisiert.381 Eine outside-inHerangehensweise beginnt folglich mit einer Abtastung des Makroumfeldes, und zwar, ohne ex ante eine Verbindung zwischen Umwelt und Unternehmen herzustellen.382 Dabei ist anzumerken, dass eine generelle Offenheit gegenüber allen Umweltveränderungen nur durch eine ungerichtete Suche gegeben ist; durch jede Suche, die bei der internen Perspektive ansetzt, werden die Wahrnehmungsmöglichkeiten von vornherein eingeschränkt. Jedoch stehen einer ungerichteten Suche der hohe Aufwand und die geringe Informationseffektivität entgegen. Wie in Kapitel 2.2.1.3 (S. 49) aufgezeigt ist hier eine entsprechende Fokussierung mit Hilfe des Stakeholder-Ansatzes notwendig. Auf die Frage, wo die Suche nach schwachen Signalen begonnen werden kann, schlagen KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS ein strukturiertes zweistufiges Vorgehen vor.383 Zunächst ist nach der Diffusionstheorie davon auszugehen, dass die Verbreitung neuer Erkenntnisse bei bestimmten Subjekten beginnt. Als primäre Quelle kommen somit beispielsweise Trendsetter, Experten, Erfinder, Wissenschaftler und Politiker in Frage. Ein groß angelegtes Scannen nach diesen sog. Sendern erscheint jedoch ineffizient, so dass KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS als zweiten Beobachtungsbereich sekundäre Quellen nennen, in denen die Ideen der Sender erfasst werden. Darunter können u.a. Zeitschriften, Forschungsinstitute, Scanning-Dienste und Netzwerke fallen. Auch möglich ist eine Klassifizierung in formelle (z.B. OnlineDatenbanken, Zeitschriften, Newsletter) und informelle (Interviews, zufällige Kontakte, regelmäßige Treffen) Quellen. Hierbei können informelle Kontakte sowohl primäre Quellen als

379 380 381 382 383

Vgl. Liebl (1996), S. 12. Vgl. hierzu ausführlich Sepp (1996), S. 238ff. Vgl. Kap. 2.1.1.2 (S. 18) sowie Fahey / Narayanan (1986), S. 46ff.; Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 176; Liebl (1996), S. 11. Vgl. Göbel (1995), S. 57. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 179.

76

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

auch sekundäre Quellen darstellen. Den informellen Quellen wird in der Literatur besondere Bedeutung zugeschrieben.384 Nach der Wahrnehmung schwacher Signale bedarf es einer adäquaten Dokumentation. Diese soll eine anschließende Weiterverarbeitung, Auswertung und Nutzung gewährleisten.385 In der Literatur wird hierbei die Relevanz einer systematischen und strukturierten Ablage der Informationen hervorgehoben.386 KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS plädieren für eine „möglichst standardisierte Form“387 der Erfassung schwacher Signale. Sie schlagen diesbezüglich vor, insbesondere dezentral identifizierte schwache Signale durch das Ausfüllen eines „Trendmeldungsformulars“ zu dokumentieren.388 Zudem fordern sie eine systematisierte datenbankgestützte Ablage.389 Analyse erfasster schwacher Signale Nach der Erfassung der schwachen Signale erfolgt eine Analyse ihrer Ursachen und potenziellen Auswirkungen. Einige Autoren führen in diesem Schritt die Begriffe Trend und Issue ein, mit denen die identifizierten Phänomene bezeichnet werden.390 Mit Hilfe der Diffusionskurven versucht man, das Verhaltensmuster bestimmter Issues herauszufinden. Für eine Projektion der Ereignisauswirkungen bietet sich insbesondere der Einsatz der Szenario-Technik an.391 Es wird somit ein breiterer Kontext hergestellt; Entwicklungen in den verschiedenen Beobachtungsbereichen werden auf Zusammenhänge untersucht. LIEBL spricht dabei von einer „Generierung von Trendlandschaften“, die durch hinreichend weit abgegrenzte Analyseeinheiten ermöglichen soll, im Rahmen der folgenden Relevanzbeurteilung Systemzusammenhänge adäquat zu berücksichtigen.392 Relevanzbeurteilung der analysierten Issues Die Filterung der schwachen Signale in der Phase der Erkennung basiert vor allem auf subjektivem Charakter. An dieser Stelle nun bedarf es einer Beurteilung, die eine „intersubjektive, nachvollziehbare Einstufung der Relevanz frühaufklärender Informationen“393 ermöglicht. Ziel dabei ist die Prüfung, welche Issues relevante Implikationen auf die Unternehmensstrategie

384 385 386 387 388

389 390 391 392 393

Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 38 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Baisch (2000), S. 41. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 510. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 187. So umfasst ein solches Trendmeldungsformular u.a. die Kategorien Titel, Quelle, Autor, Zusammenfassung, Kommentar, Einfluss auf Branche, Einfluss auf das eigene Unternehmen, Dringlichkeit für eine Aktion, vorhandene Fähigkeit zur Aktion, Dokumentationsfelder und Stichworte. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 187. Vgl. beispielsweise Liebl (1996), S. 12ff.; Jossé (2004), S. 290; Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 194ff. Zur Begriffsbestimmung für Trend und Issue siehe Kapitel 2.1.1.2 (S. 16ff.). Vgl. Hammer (1992), S. 255ff. Vgl. zum vorhergehenden Liebl (1996), S. 12. Hammer (1992), S. 258.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

77

ausüben könnten. Erst in dieser Phase kann beurteilt werden, ob die Umfeldveränderung für das Unternehmen eine mögliche Chance oder Gefahr darstellt.394 Formulierung abgestufter Reaktionsstrategien HAMMER betont, dass dieser Prozessschritt erst dann relevant wird, wenn eine „echte“ Chance oder Gefahr festgestellt wurde. Jedoch ist dabei gemäß des Ansatzes der abgestuften Reaktionsstrategien zu berücksichtigen, dass neben einer konkreten, nach außen wirkenden Handlung noch fünf weitere Reaktionsstrategien existieren. Je nach Natur und Diffusionsstadium des Issues und somit in Abhängigkeit vom Stadium der Ignoranz können ebenso Strategien zur Flexibilitätssteigerung oder zur Bewusstseinserhöhung entwickelt werden.395 Dabei ist die zu formulierende Reaktionsstrategie in den größeren Kontext der strategischen Planung einzubetten, wozu spätestens an dieser Stelle eine mögliche „Isoliertheit“ des Frühaufklärungsprozesses aufgegeben werden muss.396 Es werden also zusätzliche Informationen berücksichtigt. Reaktionsstrategien werden in zwei Schritten formuliert: Zunächst sind alternative Reaktionsstrategien zu entwickeln. Daraufhin erfolgt eine Bewertung und Auswahl der Reaktionsstrategien. Implementierung und Kontrolle Im Prozess der Unternehmensplanung wird die Implementierung von Strategien als eine der schwierigsten Phasen angesehen.397 HAMMER nennt als zu erfüllende Hauptforderung die „Autorisierung“ der Reaktionsstrategien. Darunter versteht er „die Verbindlichmachung der Reaktion für die nachfolgenden Planungsstufen und für die Ebene des Handlungsvollzuges“398. In der Problemstellung der Arbeit wurde bereits auf die sekundäre Implementierungslücke hingewiesen. Diese zeigt sich darin, dass Unternehmen es häufig nicht schaffen, Erkenntnisse aus der Frühaufklärung in Aktionen umzusetzen. Dieser Aspekt betrifft somit unmittelbar die hier betrachtete Phase der Implementierung und Kontrolle. Bezüglich des Prozesses der strategischen Frühaufklärung geht die empirische Untersuchung (Kapitel 3) insbesondere folgenden Fragen nach: Zunächst soll geprüft werden, welche Ausprägungen des Scanning und des Monitoring in der Praxis Anwendung finden. Weiterhin soll aufgezeigt werden, in welcher Form die Dokumentation schwacher Signale stattfindet. Sodann stellt sich die Frage, wie die erfassten Signale analysiert und intern bewertet werden. Daraufhin ist mittels der empirischen Untersuchung zu bestimmen, ob und in welcher Form abgestufte Reaktionsstrategien in der Praxis formuliert werden. Schließlich ist eine Antwort auf die in 394 395 396 397 398

Vgl. Liebl (1996), S. 16. Siehe hierzu die Ausführungen zum Konzept der schwachen Signale in Kapitel 2.2.1.1 (S. 39). Vgl. Hammer (1992), S. 259. Vgl. Hammer (1992), S. 261. Hammer (1992), S. 262.

78

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

der Literatur kontrovers diskutierte Frage zu finden, inwieweit die Phase der Implementierung und Kontrolle als Teil der strategischen Frühaufklärung angesehen werden sollte. 2.3.2.2 Aufbauorganisatorische Anbindung strategischer Frühaufklärung Gestaltungsmöglichkeiten der aufbauorganisatorischen Anbindung strategischer Frühaufklärung werden in der Literatur entlang der folgenden drei Organisationsformen diskutiert: x zentrale vs. dezentrale Anbindung x Eingliederung in Primär- vs. Sekundärorganisation x additive vs. integrierte Einbindung Bezüglich der zentralen vs. dezentralen Anbindung besteht grundsätzlich die Möglichkeit, strategische Frühaufklärung entweder als bereichsübergreifende Aufgabe oder als bereichsbezogene Aufgabe festzulegen.399 Unter Primärorganisation werden alle dauerhaften Aufgaben subsumiert, die vorwiegend Routinecharakter aufweisen. Sie umfasst insbesondere die Bereichs- und Abteilungsstrukturen sowie dauerhaft eingerichtete Ausschüsse. Die Primärorganisation wird im Allgemeinen im Organigramm des Unternehmens abgebildet.400 Einheiten, die zur Bewältigung von komplexen Spezialaufgaben beitragen, bilden die Sekundärorganisation. Diese sind auf Zeit angelegt und umfassen bspw. Projektteams und Workshops.401 Die Sekundärorganisation ergänzt die Primärorganisation und schafft Querverbindungen zwischen Stellen, die primärorganisatorisch in keiner direkten Verbindung stehen.402 Schließlich ist zu entscheiden, ob für die Durchführung strategischer Frühaufklärung zusätzliche Stellen geschaffen werden müssen (additive Einbindung) oder ob die Ziele mittels einer Aufgabenerweiterung bei bereits existierenden Stellen (integrierte Einbindung) zu erreichen sind. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Aufgaben an externe Dienstleister zu delegieren. Tabelle 2.10 zeigt verschiedene, in der Literatur aufgeführte Möglichkeiten zur aufbauorganisatorischen Anbindung strategischer Frühaufklärung.

399 400 401 402

Vgl. zu den Ausprägungen bereichsbezogener und bereichsübergreifender Aufgaben Krüger (1994), S. 42. Vgl. Zurlino (1995), S. 76. Vgl. zum vorhergehenden Krüger (1994), S. 41ff. Vgl. Sepp (1996), S. 193.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

Form

Beschreibung

79

Vorteile

Nachteile

Primärorganisation, bereichsübergreifend Zentralabteilung (oder Stab) für SFA

eigenständige und zentrale klarer Auftrag, ausreiAbteilung oder Stab für SFA chend Zeit (additive Einbindung) Nutzung methodischer Spezialisierungsvorteile

bestehende Zentralabteilung (oder Stab)

Aufgabenerweiterung um SFA in Zentralabteilung oder Stab (integrative Einbindung)

organisatorische Entkopplung von der Linienarbeit Mitarbeiter häufig Führungsnachwuchs, dem es an Erfahrungswissen fehlt

schnelle Lösung kein zusätzlicher Ressourcenaufwand

SFA ist nur eine von vielen Aufgaben. insb. kann Wahrnehmung von Issues nur unzureichend abgedeckt werden

Nahe am Wertschöpfungsprozess

dezentral vorliegende Erkenntnisse einseitige Nähe zu funktionsbezogenen Informationsquellen

Primärorganisation, bereichsbezogen funktionelle Angliederung

Verankerung in einem bestehenden Funktionsbereich (additiv oder integrativ)

Sekundärorganisation, bereichsübergreifend dezentrales Beobachternetzwerk

Experten setzen sich mit spezifischen Entwicklungen in ihrem Funktionsbereich auseinander (integrativ)

Nahe am Wertschöpfungsprozess Breites Beobachtungsfeld

SFA steht in zeitlicher Konkurrenz zur Hauptaufgabe Dokumentation und Kommunikation finden nicht koordiniert statt

Frühaufklärungszirkel

Durchführung periodischer Treffen, hierarchie- und bereichsübergreifend zusammengesetzt (integrativ)

ganzheitliche Umfeldanalyse Förderung einer offenen Unternehmenskultur

SFA steht in zeitlicher Konkurrenz zur Hauptaufgabe Koordinationsaufgaben ungeklärt

zentrales SFA- Koordination und Lenkung Komitee des SFA-Prozesses

koordinierte Bewertung von Issues

zusätzliche Ressourcen zur Durchführung SFA notwendig

Tabelle 2.10: Möglichkeiten der aufbauorganisatorischen Anbindung strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung403

WINTER und STEGER zeigen für ökologische und gesundheitliche Issues auf, welche betrieblichen Funktionen in ihrer Untersuchung von 51 empirischen Fällen betroffen waren: Beschaffung, Produktentwicklung, Produktion, Marketing und die allgemeine Unternehmensführung.404 Basierend auf diesen Erkenntnissen plädieren die Autoren für eine zentrale, bereichsübergreifende strategische Frühaufklärung: „Für das Frühaufklärungssystem gilt es, Informationen aus all diesen Funktionsbereichen zu erfassen, da nur so das Selektionsrisiko

403 404

Vgl. Baisch (2000), S. 105ff.; Zurlino (1995), S. 95ff.; Sepp (1996), S. 188ff. Vgl. Steger / Winter (1996a), S. 623.

80

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

gegenüber gefährlichen Umfeldentwicklungen verringert werden kann.“405 Der gleichen Argumentation folgt LIEBL, indem er betont, dass Issues stets mehrere gesellschaftliche Subsysteme betreffen und sich deshalb vielfältige Angriffsflächen im Unternehmen ergeben. Eine Ansiedlung strategischer Frühaufklärung in einer zentralen Abteilung hilft somit, aus einer Vogelperspektive die Entwicklungen zu beobachten, den Aufwand zu reduzieren und zu koordinieren.406 Als weiteren Vorteil für eine zentrale Institutionalisierung strategischer Frühaufklärung ist die methodische Spezialisierung zu nennen, welche sich daraus ergibt.407 Gegen eine zentrale Anbindung sprechen insbesondere folgende Argumente: Es besteht die Gefahr, von den funktionalen Bereichen abgekoppelt zu agieren und einem permanenten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt zu sein.408 Weiterhin beruht ein effizientes Zusammenwirken von zentraler Einheit und funktionaler Einheit im Allgemeinen auf einem engen persönlichen Vertrauensverhältnis und ist somit personenabhängig. Bei einer Aufgabenerweiterung in einer zentralen Einheit kann zudem eine Konzentration auf strategische Frühaufklärung nicht gewährleistet sein, da das Aufgabenfeld von Zentralabteilungen und Stäben häufig sehr groß ist. Schließlich wird in der Literatur angeführt, dass insbesondere Stäbe häufig mit Führungsnachwuchs besetzt werden. Dies kann sich nachteilig auf die strategische Frühaufklärung auswirken, da für diese Aufgabe ein hohes Maß an Erfahrungswissen gefordert wird.409 Die Einrichtung einer eigenen Zentralabteilung für strategische Frühaufklärung kann ZURLINO zufolge in Deutschland nur in sehr wenigen, sehr großen Unternehmen beobachtet werden. Als Gründe nennt er zum einen die geringe Akzeptanz der Ergebnisse strategischer Frühaufklärung. Zum anderen erschweren die Eigeninteressen der funktionalen Bereiche die Nutzung des Wissens.410 Für eine Angliederung strategischer Frühaufklärung auf bereichsbezogener, funktioneller Ebene spricht die Nähe zum Wertschöpfungsprozess. Nachteilig wird in der Reinform einer bereichsbezogenen strategischen Frühaufklärung angesehen, dass keine Vernetzung stattfindet und bereichsübergreifende Issues schwer erkannt werden. Zudem ist zu beachten, dass eine bereichsbezogene Anbindung unterschiedliche Umfeldwahrnehmungen fördert, die durch unterschiedliche Zielsetzungen und Nutzung verschiedener Informationsquellen bedingt sind. Abhilfe könnten hier die Einrichtung adäquater organisatorischer Schnittstellen schaffen, die als sekundärorganisatorisches Element den Austausch und Abgleich von Umfeldwahrnehmun-

405 406 407 408 409 410

Steger / Winter (1996a), S. 624. Vgl. zum vorherigen Liebl (2000), S. 68. Vgl. Zurlino (1995), S. 92 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Liebl (2000), S. 69. Vgl. zum vorherigen Zurlino (1995), S. 93f. und die dort angegebene Literatur. Vgl. Zurlino (1995), S. 95. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu den Implementierungsbarrieren in Kap. 2.3.3 (S. 87ff.).

Implementierung strategischer Frühaufklärung

81

gen fördern.411 Darüber hinaus kann eine funktionale Gliederung im Falle einer zusätzlichen zentralen Frühaufklärung zu Doppelausstattungen mit Ressourcen führen.412 Als Angliederungsmöglichkeiten in die Sekundärorganisation eines Unternehmens sind wie in Tabelle 2.10 aufgeführt dezentrale Beobachternetzwerke, Frühaufklärungszirkel und zentrale Frühaufklärungskomitees zu nennen. Beim dezentralen Beobachternetzwerk erfolgt eine integrative Einbindung von Frühaufklärungsaufgaben, indem sich Mitarbeiter in den Funktionsbereichen auf die Wahrnehmung von Frühaufklärungsinformationen zu ihren jeweiligen Themen fokussieren.413 Damit zeigen sich als Vorteile die Nähe und das Verständnis zum Geschäft. Nachteilig hierbei ist, dass Dokumentation und Kommunikation nicht koordiniert stattfinden und es keine bereichsübergreifende Diagnose der Erkenntnisse gibt.414 Die hierarchie- und bereichsübergreifend zusammengesetzten Frühaufklärungszirkel treten für die Bewertung von Issues periodisch in einen Austausch. Dadurch sollen eine ganzheitliche Umfeldanalyse und eine offene Unternehmenskultur gefördert werden. Möglich ist hierbei auch die Unterstützung durch externe Dienstleister, die entweder besondere methodische Kompetenz oder inhaltliche Expertise einbringen. Als Nachteil ist zu nennen, dass ebenso wie beim Beobachternetzwerk die Aufgabe strategischer Frühaufklärung in Konkurrenz zur Hauptaufgabe der jeweiligen Stelle steht und somit womöglich vernachlässigt wird. Zudem bleiben Fragen des Projektmanagements offen (z.B.: Durch welche Stelle wird der Zirkel am Leben gehalten? Wie erfolgt die Koordination der Aktivitäten). Ein zentrales Frühaufklärungskomitee schließlich bietet die Möglichkeit einer koordinierten Lenkung und Bewertung. Jedoch sind zusätzliche Ressourcen zur Durchführung strategischer Frühaufklärung notwendig. In der Literatur ist eine große Übereinstimmung bezüglich der Empfehlungen für die aufbauorganisatorische Anbindung strategischer Frühaufklärung festzustellen. Es wird eine kombiniert zentral-dezentrale Organisationsform präferiert.415 Dezentral sollte dabei insbesondere die Aufgabe der Beobachtung und Wahrnehmung schwacher Signale erfolgen; zentral die Aufgaben der Sammlung und Bewertung sowie des grundsätzlichen Managements der Frühaufklärung. Eine dezentrale Wahrnehmung spielt SEPP zufolge folgende Vorteile aus:416 x Die Relevanz strategischer Veränderungen wird durch die einzelnen Unternehmensbereiche selbst festgestellt. Somit sind eine Nähe zum Geschehen und die notwendige Sensibilisierung für bereichsspezifische Informationen gegeben. 411 412 413

414 415 416

Vgl. Zurlino (1995), S. 92. Vgl. Baisch (2000), S. 106. Diese sekundärorganisatorische Lösung wird in der Literatur auch als „Spiegelorganisation“ bezeichnet. Erfolgt eine Zuordnung nicht nach funktionalen Fachthemen, sondern nach bereichsübergreifenden Issues wird von einer „Schattenorganisation“ gesprochen. Vgl. Baisch (2000), S. 107. Vgl. Baisch (2000), S. 107. Vgl. Hammer (1992), S. 249; Zurlino (1995), S. 97ff.; Sepp (1996), S. 190 und die dort angegebene Literatur sowie Lichtenthaler (2002), S. 47 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Sepp (1996), S. 190.

82

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

x Durch eine Dezentralisierung kann von einer frühzeitigeren Verfügbarkeit von Informationen ausgegangen werden, als dies zentrale Strukturen gewährleisten können. x Schließlich kann eine ganzheitliche Betrachtung des Umfeldes nur durch eine dezentrale Beobachtung erfolgen. Als Argumente für eine zentrale Sammlung und Bewertung sind zu nennen:417 x Zur tatsächlichen Nutzung der Erkenntnisse bedarf es einer Gesamtübersicht, durch die oftmals erst der strategische Charakter von Informationen deutlich wird. x Dezentral wahrgenommene Issues können zentral schnell verarbeitet, aus Gesamtunternehmenssicht beurteilt und ggf. an die Unternehmensführung weitergeleitet werden. Zur Umsetzung dieser Überlegungen schlägt SEPP für das zentrale Management der strategischen Frühaufklärung eine additive Stellenerweiterung auf hoher Hierarchieebene und für die dezentrale Umfeldbeobachtung eine integrative Aufgabenerweiterung bestehender Stellen über alle Hierarchieebenen vor.418 Angesichts dessen sind sekundärorganisatorische Strukturen zur Verbesserung der Koordination und Kommunikation zu schaffen. LIEBL nennt als kritischen Erfolgsfaktor hierzu die Vernetzungsfunktion: „Nicht so sehr die umfangreiche und lückenlose Akquisition von aktuellen Trendmeldungen liefert nämlich entscheidende Wettbewerbsvorteile und wahrnehmbare Erfolge, sondern die geschickte Mobilisierung und Zusammenführung der im Unternehmen bereits vorhandenen Informationen. Wenn es gelingt, Abteilungen und Bereiche miteinander ins Gespräch zu bringen, die sich bereits routinemäßig mit dem Umfeld und den relevanten ‚soft factors’ auseinandersetzen, aber dies bislang isoliert voneinander betrieben haben, führt dies erheblich weiter und wird von den Beteiligten als Mehrwert empfunden“419.

417 418 419

Vgl. Sepp (1996), S. 190. Vgl. Sepp (1996), S. 204. Liebl (2000), S. 70.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

83

Implementierungspfade bei der Einführung einer Frühaufklärung KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS zeigen mögliche Implementierungspfade bei der Einführung einer Frühaufklärung. Die verschiedenen Möglichkeiten werden in Abbildung 2.15 dargestellt. Planungsebene strategisch

A

C‘

A‘

C

operativ

B‘

A‘‘

D

Organisationseinheit

E

Zentrale (Holding)

E‘

A‘‘‘

Divisionen

B

Funktionalbereiche

Projekt

Abbildung 2.15: Mögliche Implementierungspfade bei der Einführung einer Frühaufklärung Quelle: In Anlehnung an Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 242

Pfad A geht dabei von einer zentralen strategischen Frühaufklärung aus, die sukzessive auf Divisionen und Funktionalbereiche ausgeweitet wird. Pfad B hingegen startet auf operativer Ebene in einem Funktionalbereich. In einem klar abgegrenzten Bereich wird der Ansatz getestet und bei Bewährung in der Zentrale ausgeweitet. Ebenso besteht die Möglichkeit des Pfades D, der es bei einer Implementierung auf Projektebene belässt. KRYSTEK und MÜLLERSTEWENS empfehlen, aus Machbarkeitsgründen dort mit der Implementierung zu beginnen, wo die größten Erfolgsaussichten bestehen.420 Vor diesem Hintergrund ist in der empirischen Untersuchung zu fragen, wie die aufbauorganisatorische Anbindung strategischer Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis erfolgt. Entsprechend den in diesem Kapitel ausgeführten theoretischen Erkenntnissen sind insbesondere die Präferenzen bezüglich der folgenden drei Aspekte zu eruieren: (a) zentrale oder dezentrale Anbindung; (b) Eingliederung in die Primär- oder in die Sekundärorganisation; (c) additive oder integrierte Einbindung von Stellen zur strategischen Frühaufklärung.

420

Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 241f.

84

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.3.2.3 Aufgabenträger und Nutzer strategischer Frühaufklärung HAMMER weist darauf hin, dass die Strukturierung der Aufgaben der strategischen Frühaufklärung und die Zuordnung von Teilaufgaben zu Aufgabenträgern insbesondere in großen Unternehmen als eine arbeitsteilige Aufgabe zu verstehen sein wird.421 Dabei ist grundsätzlich zwischen den Personen zu unterscheiden, die mit der Aufgabe der strategischen Frühaufklärung beauftragt werden und den Personen, welche die Ergebnisse nutzen. In Tabelle 2.11 werden die in der Literatur beschriebenen Beteiligten aufgeführt, ihre Aufgaben charakterisiert und die Anforderungen an die jeweilige Rolle genannt. Beteiligte Aufgabenträger

Aufgabe

Anforderungen

Unternehmensführung/Top-Management

x Auftrag für Implementierung geben

Fachpromotor

x Einbringen von Methodenkompetenz (insb. bei Einführung der SFA)

x Methodenexpertise zu SFA

x politische Rückendeckung

x hierarchisch hochgestellte und einflussreiche Person

Machtpromotor

x Bereitstellen der erforderlichen Ressourcen

x Interessenneutralität bzgl. identifizierter Themen

x Sensibilisieren der Unternehmensleitung für die Ergebnisse Systemmanager422

x Entwickeln und koordinieren der gesamten Frühaufklärungsaktivitäten

x Projektmanagement-, Fach- und Methodenkompetenz

x Sammeln, Verarbeiten, Evaluieren und Weiterleiten der Informationen

x starke Identifikation mit der Idee einer Frühaufklärung

Scanner und Monitorer

x „Sensoren“ des Systems

Projektpaten

x Eingreifen in kritischen Phasen zur Stützung der SFA

x Wahrnehmen der schwachen Signale

x Katalysatorenfunktion

x Fähigkeit zur Mitarbeiterführung

x intuitive Fähigkeiten für den Scanner und analytische für den Monitorer x glaubwürdige, erfahrene Person, die nicht direkt in die SFA involviert ist, z.B. Aufsichtsratsmitglied

Nutzer Informationsnutzer

x Anfordern von Informationen x Feedback nach Nutzung der Informationen

Tabelle 2.11: Beteiligte Stellen an der strategischen Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung423

421 422

Vgl. Hammer (1992), S. 249. Der Systemmanager wird teils auch als Projektmanager, Frühaufklärungszentrale oder Scanning Manager bezeichnet. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 251; Sepp (1996), S. 163; Baisch (2000), S. 100.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

85

Angestoßen wird die Implementierung einer strategischen Frühaufklärung durch die Unternehmensleitung.424 KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS weisen diesbezüglich darauf hin, dass die Einführung einer strategischen Frühaufklärung „aufgrund der vielfältigen ‚Abwehrmechanismen’“425 besonderer Aufmerksamkeit durch das Management bedarf. Für die Implementierung bietet sich die Nutzung eines Promotorengespanns bestehend aus einem Fachpromotor und einem Machtpromotor an.426 Dabei ist unter einem Fachpromotor diejenige Person zu verstehen, welche die strategische Frühaufklärung durch objektspezifisches Fachwissen aktiv und intensiv unterstützt und unter einem Machtpromotor diejenige Person, welche die strategische Frühaufklärung durch hierarchisches Potenzial aktiv und intensiv fördert.427 Die Rolle des Scanning-Managers wird in der Literatur als die erfolgskritischste gesehen. Diese Person plant, steuert, koordiniert und kontrolliert die Aktivitäten.428 Neben Fach-, Methoden und Projektmanagement-Kompetenzen soll sich der Scanning-Manager mit seiner Aufgabe stark identifizieren. In diesem Kontext wird davon gesprochen, dass er eine Art „Missionar“ darstellt und als „Besessener“ von dem Ansatz überzeugt sein soll.429 Nach KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS ist die Rolle der Scanner und Monitorer mit Freiwilligen zu besetzen, die Interesse an der Zukunft des Unternehmens zeigen und holistisches Denken aufzeigen. BAISCH weist auf die unterschiedlichen Fähigkeiten hin, die Scanner und Monitorer entsprechend den beiden Basisaktivitäten aufzeigen müssen.430 Gegebenenfalls kann der Einsatz von Projektpaten sinnvoll sein, die in kritischen Phasen der Frühaufklärung beiseite stehen und als Katalysator zur Weiterentwicklung beitragen.431 KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS betonen, dass alle Rollen „i.a. natürlich keine Fulltime-Positionen“432 sind, sondern in Personalunion wahrgenommen werden. Die Rolle der Informationsnutzer wird in der Literatur nur selten expliziert. Bei BAISCH ist zu finden, dass die Nutzer dahin gehend wichtig sind, als sie „Informationen […] fordern und über deren Eignung und erfolgreiche Nutzung ein Feedback an die mit der Früherkennung betrauten Personen […] geben“433. Als Zielgruppen wird insbesondere die Unternehmensleitung gesehen, weitere Gruppen werden kaum thematisiert.

423 424 425 426 427

428 429 430 431 432 433

Zusammenschau der Literatur. Vgl. hierzu Sepp (1996), S. 162ff.; Baisch (2000), S. 99ff.; Krystek / MüllerStewens (1993), S. 249ff. Vgl. Sepp (1996), S. 163. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 249. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 249. Vgl. Witte (1973), S. 16ff., der ein Promotoren-Modell für das Innovationsmanagement entwickelt hat, welches sich auf die strategische Frühaufklärung übertragen lässt. Unter einem Promotoren-Gespann versteht Witte diejenige Promotoren-Struktur, bei der Machtpromotor und Fachpromotor gemeinsam im Gespann agieren. Vgl. Sepp (1996), S. 164. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 251. Vgl. Baisch (2000), S. 99f. und die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.1 (S. 72ff.). Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 250. Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 252. Baisch (2000), S. 101.

86

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

In Kapitel 3 wird untersucht, wie die vorgestellte Strukturierung der Aufgaben in der Unternehmenspraxis geschieht und welche Rollen besetzt werden. 2.3.2.4 Instrumente strategischer Frühaufklärung In der Problemstellung dieser Arbeit wurde bereits aufgezeigt, dass die eingesetzten Instrumente bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung nicht das Problem darstellen.434 Dementsprechend erfolgt hierzu keine nähere Untersuchung. Jedoch erscheint eine kurze Einordnung bezüglich des Gesamtverständnisses als hilfreich. Der Begriff Instrument subsumiert in dieser Arbeit auch die benachbarten Begriffe Methode, Verfahren und Modell.435 Als gemeinsames Merkmal wird der Bezug zu den Zielen und zur Erfüllung der Aufgaben strategischer Frühaufklärung gesehen. Instrumente kennzeichnen sich durch eine Folge von Schritten zur Transformation eines Anfangs- in einen gewünschten Endzustand. Sie geben einerseits Auskunft darüber, wie die Aufgaben durchzuführen sind und andererseits darüber, womit die Aufgabenerledigung erfolgt. Durch Anwendung von Instrumenten werden Informationen gewonnen und verarbeitet.436 Wie bei den Ausführungen zu den Bestimmungselementen strategischer Frühaufklärung in Kapitel 2.1.1.2 (S. 16ff.) bereits verdeutlicht wurde, spielen für die strategische Frühaufklärung vor allem projektionsorientierte Instrumente eine Rolle. Diese kennzeichnen sich durch folgende Aspekte:437 x Sie sind primär qualitativ angelegt. x Sie kommen ohne ein strenges schematisches Prognosemodell aus. x Sie enthalten viele subjektive Elemente. x Sie nutzen oft die Erfahrung von Experten. KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS folgend zielen die Instrumente auf eine „erhöhte Sensibilisierung für Optionen, Zusammenhänge, Gefahren, Gelegenheiten, Potenzialveränderungen“438. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Bewusstseinserweiterung“. Dabei basieren die Instrumente auf einer formalisierten und systematisierten Vorgehensweise.

434 435 436 437 438

Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. 1.1 (S. 1ff.). Vgl. Pfohl / Stölzle (1997), S. 128, der die Unterschiede herausarbeitet. Siehe hierzu auch die Argumentation bei Baisch (2000), S. 75. Vgl. zum vorhergehenden Pfohl / Stölzle (1997), S. 128. Vgl. Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 209. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 514.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

87

Verbreitetes und bekanntestes Instrument der strategischen Frühaufklärung ist die Szenariotechnik.439 Der Grundgedanke besteht darin, mehrere mögliche Zukunftsbilder zu entwerfen und Wege aufzuzeigen, die zu diesen alternativen Zukünften führen könnten. Auch häufig angewendet wird das Instrument der Delphi-Befragung.440 Es handelt sich dabei um eine mehrstufig ablaufende Expertenbefragung. Mittels eines standardisierten Fragebogens werden Experten anonym befragt. Die Ergebnisse eines ersten Durchlaufs werden statistisch aufbereitet und in einer zweiten Runde an die Teilnehmer rückgekoppelt. Für eine Analyse relevanter Umwelteinflüsse bietet sich die Cross-Impact-Analyse an.441 Dabei stellt man wahrscheinliche Veränderungen von Umweltfaktoren potenziellen strategischen Aktionen gegenüber, um auf diese Weise relevante Einflüsse auf das Unternehmen zu identifizieren. Darüber hinaus spielen Instrumente zur Kreativitätsförderung bei der Interpretation und Nutzung von Zukunftswissen eine wichtige Rolle. Eingesetzt werden hierzu Kreativitätstechniken wie beispielsweise Brainstorming oder Synektik.442 Schließlich ist der Einsatz von kommunikationsfördernden Instrumenten entlang des Prozesses der strategischen Frühaufklärung zu nennen. Dazu erfolgen innovative Formen der Gruppenarbeit (zum Beispiel sog. Trendshops).443 Der Instrumenteneinsatz ist in der Literatur hinreichend beschrieben. An dieser Stelle sei auf die zusammenführenden Darstellungen bei RAUSCHER und BAISCH verwiesen.444 Beide Autoren ordnen die vielfältigen Instrumente den Kernaufgaben zu und gliedern sie somit entlang des Prozesses der strategischen Frühaufklärung. Die wichtigsten in der Praxis genutzten Instrumente werden in der empirischen Untersuchung in Kapitel 3 genannt. 2.3.3 Implementierungsbarrieren In der Problemstellung ist bereits deutlich auf die Implementierungsproblematik strategischer Frühaufklärung hingewiesen worden. Nachfolgend erfolgt zunächst eine Zusammenschau der in der Literatur genannten Ursachen für Implementierungsbarrieren. Daraufhin werden Ansätze zur Überwindung der Implementierungsbarriere resümiert.

439 440 441 442 443 444

Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Szenariotechnik insb. Geschka (1999) und für eine kurze Einführung insb. Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 209ff. und Bea / Haas (2005), S. 287. Vgl. Pfohl / Stölzle (1997), S. 161. Vgl. Lehmann / Ruf (1990), S. 15. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 515. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 514. Vgl. Rauscher (2004), S. 37ff. und Baisch (2000), S. 75ff. für die Instrumente strategischer Frühaufklärung. Michaeli (2005), S. 235ff. bietet eine umfassende Übersicht zu Instrumenten, die insbesondere in der Competitive Intelligence genutzt werden. Lichtenthaler (2002), S. 381ff. skizziert Instrumente für die Technologiefrühaufklärung und Kreibich (2006), S. 10ff. kategorisiert Instrumente der Zukunftsforschung.

88

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.3.3.1 Ursachen für Implementierungsbarrieren MÜLLER-STEWENS und LECHNER nennen zusammenfassend folgende Probleme, die sich beim Aufbau einer strategischen Frühaufklärung stellen:445 x ein früher Methoden-„Overkill“, der die Diskussion auf Nebenschauplätze lenkt x die Dominanz des Tagesgeschäfts, die ein unzureichendes Klima der Dringlichkeit schafft x der qualitative Nutzen einer Frühaufklärung, welcher sich quantitativ kaum nachweisen lässt, so dass sich der Legimitationsdruck auf ein solches Projekt erhöht x die Struktur vieler Planungsprozesse, die periodisch nach einem festen Schema abläuft, welches nur wenig Raum für spontan auftretende schwache Signale lässt x die oft nur punktuell etablierte Verankerung der Frühaufklärung, welche in vielen Fällen zum Privatthema einiger Weniger wird Auf die in der Problemstellung der Arbeit hingewiesenen personalen Ursachen als wesentliche Barrieren soll näher eingegangen werden. ANSOFF beschreibt in seinem sog. Filter-Modell (siehe Abbildung 2.16) drei Implementierungsbarrieren.

environment

surveillance filter

data

power filter

mentality filter

perception information action

Abbildung 2.16: Filter-Modell der strategischen Frühaufklärung Quelle: Ansoff (1984), S. 335

445

Müller-Stewens / Lechner (2005), S. 208f.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

89

Demnach stehen ein Wahrnehmungsfilter („surveillance filter“), ein Mentalitätsfilter („mentality filter“) und ein Machtfilter („power filter“) der Implementierung hemmend entgegen. Die eingesetzten Instrumente und der festgelegte Beobachtungsbereich stellen den Wahrnehmungsfilter dar, der beeinflusst, welche Daten aus dem Umfeld gesammelt werden.446 Die anschließende Weiterverarbeitung wird durch einen Mentalitätsfilter beeinflusst. Dieser Filter lässt sich anhand der Theorie der kognitiven Dissonanz erklären.447 Die Aufgabenträger lehnen Informationen oft ab, wenn sie diese nicht mit bisherigen Erfahrungen und darauf beruhenden Erfolgsmodellen in Einklang bringen können.448 Der Machtfilter schließlich entwickelt sich aus dem Bestreben, eine Machtposition zu erhalten. Folglich können Informationen zurückgehalten werden, die die gegenwärtige Position zu schwächen drohen.449 Mit seinem Filtermodell lenkte ANSOFF Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Aufmerksamkeit auf den Menschen als kritischen Erfolgsfaktor. Ähnlich betont MÜLLER-STEWENS, dass strategische Frühaufklärung vor dem Hintergrund des Dreiklangs von Dateninterpretation, politischen Interessen und persönlichen Weltanschauungen keineswegs mehr wertfrei ist.450 Auch SEPP kommt am Ende seiner Untersuchung zur Erkenntnis, dass das Problem in der erforderlichen subjektiven Bewertung liegt. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Aufgabenträger der strategischen Frühaufklärung.451 In Bezug auf die häufig empfohlenen kombinierten zentral-dezentralen Ansätze sieht LICHTENTHALER Defizite bei der Informationsbeschaffung, -bewertung und -kommunikation. Als Ursachen führt er Informationspathologien452, mangelnde Bereitschaft zur Wissensteilung, mangelnde Analysekompetenz der Spezialisten und unzureichende Nutzung der Ergebnisse durch den Nutzer an.453 Die empirische Untersuchung von ZURLINO kommt zum Ergebnis, dass eigene Abteilungen zur strategischen Frühaufklärung nur gering verbreitet sind. Als Ursache führt er Akzeptanzprobleme und somit ebenso psychologische Informationspathologien an: „Eigeninteressen von Sparten, Abteilungen oder Hierarchieebenen erschweren eine Nutzung des Wissens und der Annahmen aller Organisationsteilnehmer.“454 RIESER führt das Phänomen der Diskontierung als Barriere an: Dabei wird die Bedeutung zeitlich entfernter Probleme oder Möglichkeiten im Vergleich zur Bedeutung von anstehenden Ereignissen deutlich herabgesetzt.455 MÜLLER sieht als eine Hauptschwierigkeit für die Gestaltung von Anreizen die Langfristigkeit der Wirkungen von 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455

Vgl. Ansoff (1984), S. 328. Vgl. Staehle (1999), S. 247ff. Die Theorie beruht auf der Erkenntnis, dass der Mensch Unstimmigkeiten aufgrund der damit einhergehenden Unsicherheit zu vermeiden versucht. Vgl. Baisch (2000), S. 155. Vgl. Ansoff (1984), S. 333. Vgl. Müller-Stewens (1990), S. 237. Vgl. Sepp (1996), S. 345. Unter Informationspathologien werden vermeidbare Fehlerquellen bei der Informationsverarbeitung verstanden. Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 48 und die dort angegebene Literatur. Zurlino (1995), S. 95. Vgl. Rieser (1980), S. 119.

90

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

handlungsauslösenden Erkenntnissen der strategischen Frühaufklärung.456 Die personalen Ursachen für das Scheitern strategischer Frühaufklärung unterteilen KRYSTEK und MÜLLERSTEWENS in Fähigkeits-, Wissens- und Willensbarrieren. Tabelle 2.12 stellt die Barrieren unterteilt nach Unternehmensebene, Projektteamebene und Ebene des Projektteammitglieds dar. Wissensbarrieren

Willensbarrieren

Fähigkeitsbarrieren

Unternehmensebene

x dominierende Expertenkulturen x übertriebene Expertengläubigkeit x fehlende Fachkompetenz x fehlendes Allgemeinwissen

x x x x x

Interessenkollision Ressortegoismen Hard-Fact-Gläubigkeit Informationsüberladung Bevorzugung bestätigenden Wissens x Selbstüberschätzung

unzureichende(s) x Kommunikationserfahrung x Erfahrung mit schlechtstrukturierten Informationen x Klima der Dringlichkeit

Projektteamebene

unzureichendes x Prozesswissen x Methodenwissen x Projektmanagementwissen

x Zweifel an richtiger Rollenverteilung x fehlende politische Rückendeckung x schwieriger Erfolgsnachweis x Experten-Arroganz

unzureichende x Projekterfahrung x Überzeugungskraft x Erfüllung der Nutzenerwartungen x Teamfähigkeit

Ebene des Projektteammitglieds

unzureichendes x Prozesswissen x Methodenwissen x Projektmanagementwissen

x ungünstige AnreizBeitrags-Relation x unzureichende Identifikationspotenziale mit dem Projekt

unzureichende x Lernfähigkeit x Kommunikationsfähigkeit x Fähigkeit zum systemischen Denken

Tabelle 2.12: Mögliche personelle Widerstände gegen eine Frühaufklärung Quelle: Krystek / Müller-Stewens (1993), S. 269

Eine sehr differenzierte Analyse der Implementierungsbarrieren, die über die personalen Ursachen hinausgeht, ist bei BAISCH zu finden. Er unterscheidet metakonzeptionelle, instrumentelle, strukturelle und ressourcenbezogene Ursachen. Die Ausführungen von BAISCH werden in Tabelle 2.13 zusammengefasst und bieten eine gute Zusammenschau der in der Literatur vorliegenden Ursachen für Implementierungshürden. Mit dem Bezug auf BAISCH kann an dieser Stelle auf eine entsprechende Analyse verzichtet werden.

456

Vgl. Müller (1981), S. 264ff.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

91

Ursache Beschreibung metakonzeptionelle Ursachen SFA beruht auf einem x durch Verzicht auf SFA entsteht kein direkt wahrnehmbares Problem abstrakten Problem x SFA leistet nur einen indirekten Beitrag zum Unternehmenserfolg SFA geht mit Unsicherheit einher

x SFA liefert unvollständige und vage Informationen

die im Metakonzept verankerten Ziele sind nicht eindeutig bestimmt es fehlt an der für die SFA notwendigen Denkhaltung

x SFA arbeitet oft mit unscharfen Zielvorstellungen

kulturelle Defizite im Hinblick auf die SFA instrumentelle Ursachen Überfrachtung der SFA mit Methoden

x SFA steht dominierenden Hard-Facts Ansätzen gegenüber x mangelnder Realismus der gewünschten Ziele einer SFA x Antizipationsfähigkeit gilt als untypisch für unternehmerisches Denken x Vernachlässigung des Potenzials der menschlichen Intuition x fehlende zukunftsorientierte Unternehmenskultur x fehlendes offene Kommunikationsverhalten x fehlende Zurechenbarkeit des Nutzens zu den Methoden x Einengung offener Diskussion

Missachtung der Schnittstellen zu anderen Managementsystemen strukturelle Ursachen strukturelle Informationspathologien

x unzureichende Anbindung SFA an die Planung und Kontrolle

mangelnde Zuständigkeit für SFA-Aufgaben

x unzureichende Zielvereinbarungen bei Aufgabenträgern

x dysfunktionale Anbindung an vorhandene Anreizsysteme x Versickerung von Informationen in der Hierarchie x Änderung der Machtverteilung durch SFA-Informationen x tagesaktuelle Probleme dominieren SFA-Aufgaben

ressourcenbezogene Ursachen personale Ursachen und x Fähigkeits-, Wissens- und Willensbarrieren bei Aufgabenträgern psychologische Informatix Dissonanzreduzierende Informationsbeschaffung onspathologien informationstechnologische x Logik des Algorithmus beschränkt Neuartigkeit der Informationen Probleme und technologix Scheingenauigkeit von Ergebnissen verhindert kritisches Hinterfragen sche Informationspathologien finanzielle Bewertungsx fehlende Möglichkeiten einer exakten Erfolgszurechnung probleme des Nutzens x erhöhte Anforderungen, um SFA zu rechtfertigen Tabelle 2.13: Analyse von Ursachen für Implementierungsbarrieren Quelle: Eigene Darstellung457

Im empirischen Teil dieser Arbeit stellt sich aufbauend auf diese Analyse die Frage, welche dominierenden Barrieren, die einer erfolgreichen Implementierung entgegenstehen, in der Praxis wahrgenommen werden.

457

Zusammenfassung der Analyse von Baisch (2000), S. 146ff.

92

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

2.3.3.2 Ansätze zur Überwindung von Implementierungsbarrieren In der Literatur zur strategischen Frühaufklärung wird bereits seit Beginn der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf die Relevanz sog. flankierender Systeme hingewiesen.458 Diese sollen geschaffen werden, „um mit einem FAS [Frühaufklärungssystem, Anm. d. Verf.] wirkungsvoll arbeiten zu können“459. Die flankierenden Systeme gehen teils auf die zuvor genannten Ursachen für Implementierungsbarrieren ein. So wird zum Abbau von Informationspathologien ein Abstimmen von Organisationsstrukturen, Anreizsystem und Personalentwicklung gefordert, so dass eine kulturelle Transformation im Interesse strategischer Frühaufklärung gelingen kann.460 Auffällig ist, dass die Vorschläge zur Überwindung von Implementierungsbarrieren nicht sonderlich differenziert und handlungsorientiert sind. Sie beschränken sich vielmehr weitestgehend auf allgemeine Ratschläge. So empfiehlt beispielsweise WIEDMANN „ein hohes Maß an Geduld“461 und eine stufenweise Implementierung, die nicht mit dem Anspruch eines sofort funktionstüchtigen Systems versehen werden sollte. Zudem fordert er geeignete „Informationsbzw. Schulungs- und Überzeugungsprozesse, um die Mitarbeiter mit den Maximen sowie Methoden der Frühaufklärung vertraut zu machen und […] die notwendigen Verhaltensbereitschaften zu schaffen.“462 KRYSTEK und MÜLLER-STEWENS schlagen die Einrichtung von sog. Kommunikationsarenen vor, in denen Erkenntnisse strategischer Frühaufklärung hierarchie- und bereichsübergreifend in einem informellen Rahmen diskutiert werden können.463 Da der Erfolg strategischer Frühaufklärung erst langfristig beurteilt werden kann, wird in der Literatur auf eine Abkehr von pekuniären Anreizen hingewiesen.464 Stattdessen empfiehlt SEPP, dass die Bereitschaft zum Erbringen von Aufgaben strategischer Frühaufklärung zum Bestandteil der betrieblichen Anerkennung des Mitarbeiters führen sollte. Dabei „sollten auch andere, immaterielle Formen der Motivationssteigerung berücksichtigt werden“465. Die Anreize sollten sich dabei an den eingebrachten Leistungen und nicht an einem kurzfristigen Systemerfolg orientieren. Eine Konkretisierung dieser Anreize ist in der Literatur jedoch nicht zu finden. Die in Kapitel 2.3.2.3 (S. 84) genannten Anforderungen an die Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung bedürfen „einer starken Unterstützung durch Maßnahmen der Personalentwicklung“466. Dabei hat die Personalentwicklung einerseits die Fähigkeiten zur Durchführung von Frühaufklärung zu befördern, 458 459 460 461 462 463 464 465 466

Vgl. Wiedmann (1984), S. 95 und die dort angegebene Literatur. Wiedmann (1984), S. 95. Vgl. Trux / Müller / Kirsch (1984), S. 341. Wiedmann (1984), S. 101. Wiedmann (1984), S. 98. Vgl. Krystek / Müller-Stewens (1999), S. 514. Vgl. Müller (1981), S. 264ff. Vgl. Sepp (1996), S. 177. Sepp (1996), S. 178.

Implementierung strategischer Frühaufklärung

93

andererseits sollte sie nach SEPP auch eine Fundamentalkritik am System selbst erzeugen. Letzteres dient einer permanenten Weiterentwicklung der Frühaufklärung.467 Während die zuvor genannten Ansätze direkt beim Implementierungsobjekt der strategischen Frühaufklärung ansetzen, schlägt MÜLLER-STEWENS eine Erweiterung der Forschungsperspektive vor. Der Forscher muss demnach die Beobachterperspektive verlassen und „zum Teilnehmer beim Entwurf und der Erprobung eines Betriebsmodells“468 werden. Entsprechend der aufgezeigten Relevanz des Menschen fordert MÜLLER-STEWENS zudem eine Abkehr von einer mechanistischen Frühaufklärung. Vielmehr sei es notwendig, „den Menschen als Betroffenen, Benutzer und Teilnehmer im Lichte einer illusionslosen Betrachtung seiner handlungsleitenden Interessen und ‚Weltanschauungen’ in die wissenschaftliche Erörterung mit einzubeziehen“.469 Zudem sei es hilfreich, strategische Frühaufklärung im Kontext des Führungssystems des Unternehmens zu diskutieren. Schließlich empfiehlt MÜLLER-STEWENS, die Zukunftsforschung zur Erweiterung möglicher Erkenntnisperspektiven hinzu zu ziehen.470 Als bislang differenzierteste Auseinandersetzung mit Ansätzen zur Überwindung der Implementierungsbarrieren ist wiederum die Arbeit von BAISCH zu nennen. Er erarbeitet die folgenden drei Lösungsbeiträge: x Entwicklung eines Zielprofils für Frühaufklärungssysteme, das in handhabbarerer Form die Bestimmung von Zielinhalt, -träger, -termin und -objekt unterstützt: Eine solche Explizierung der Ziele strategischer Frühaufklärung dient laut BAISCH als Motor der Implementierung und steigern die Attraktivität des Implementierungsobjekts.471 x Identifikation relevanter Kontextfaktoren und Anpassung des Systems im Hinblick auf die Zielerfüllung: Die Beobachtung des Kontexts offenbart, an welcher Stelle und auf welche Weise ein geplanter Eingriff in das Unternehmen sinnvoll ist. BAISCH identifiziert die folgenden fünf relevanten Kontextfaktoren: Einfluss der Unternehmenskultur, Komplexität des Umfeldes, Geschichte des Unternehmens und zugemessene Wichtigkeit der Frühaufklärung.472 x Diagnose des Handlungsbedarfs, Bestimmung von Implementierungsstrategien und Durchsetzung der strategischen Frühaufklärung: BAISCH schlägt die Lern- und Kulturentwicklungsstrategie, ergänzt durch ein Kulturmanagement vor. Diese setzt bei einer Änderung

467 468 469 470 471 472

Vgl. Sepp (1996), S. 178f. Müller-Stewens (1990), S. 118. Müller-Stewens (1990), S. 118. Vgl. zum vorhergehenden Müller-Stewens (1990), S. 118f. Vgl. Baisch (2000), S. 161-178. Vgl. Baisch (2000), S. 179-215.

94

Grundlagen strategischer Frühaufklärung

von Einstellungen, Normen und Werthaltungen der Aufgabenträger an und soll ihre Denkhaltung im Sinne einer Frühaufklärung verändern.473 In Kapitel 3 wird eruiert, wie wirksam die hier vorgestellten Ansätze zur Überwindung der Implementierungsbarriere sein können. 2.4

Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die wesentlichen theoretischen Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand der strategischen Frühaufklärung dargestellt und analysiert. Das Kapitel 2 bildet damit die Grundlage für die empirische Untersuchung dieser Arbeit. In Kapitel 2.1.1 (S. 15ff.) wurde das Grundverständnis strategischer Frühaufklärung gelegt. Dazu war es zunächst notwendig, eine Arbeitsdefinition auf Grundlage der Bestimmungselemente des Forschungsgegenstandes abzuleiten: Strategische Frühaufklärung unterstützt Entscheidungsträger durch eine projektionsorientierte Informationsgenerierung, diskontinuierliche Umweltveränderungen mit strategischer Relevanz rechtzeitig zu identifizieren und zu verarbeiten, um so den Handlungsspielraum zu vergrößern und abgestufte Reaktionsstrategien zu initiieren. Anschließend wurde der Forschungsgegenstand in das strategische Management eingeordnet (Kapitel 2.1.2, S. 23ff.). Damit konnten die Schnittstellen strategischer Frühaufklärung zur strategischen Planung, strategischen Kontrolle, Information, Organisation, Unternehmenskultur sowie zu den Leistungspotenzialen bestimmt werden. Weiterhin war es notwendig, verwandte und häufig synonym verwendete Formen zukunftsorientierter Umfeldaufklärung zu untersuchen (Kapitel 2.1.3, S. 31ff.) und vom Forschungsgegenstand der strategischen Frühaufklärung abzugrenzen. Dabei wurden die Konzepte der Zukunftsforschung, der Technologiefrühaufklärung und Technikfolgenabschätzung, des Issues Management sowie der Competitive Intelligence betrachtet. Es konnte festgestellt werden, dass diese Konzepte Ausdifferenzierungen strategischer Frühaufklärung sind, die sich auf spezifische Umweltsegmente und bestimmte zeitliche Perspektiven fokussieren. Die Untersuchungen in Kapitel 2.2 (Forschungsentwicklung zur strategischen Frühaufklärung) und Kapitel 2.3 (Implementierung strategischer Frühaufklärung) führten zur Identifikation disaggregierter Forschungsfragen. Diesen in Tabelle 2.14 zusammen gefassten Fragen wird im folgenden Kapitel im Rahmen der empirischen Untersuchung nachgegangen. Sie unterstützen die Beantwortung der drei übergeordneten Forschungsfragen dieser Arbeit.

473

Vgl. Baisch (2000), S. 215-262.

Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse

Zu untersuchendes Merkmal Ziele SFA Leitgedanken SFA

95

Fragen x Welche Ziele verfolgen Unternehmen bei der Beschäftigung mit strategischer Frühaufklärung? x Wie wird das Konzept der schwachen Signale in der Praxis operationalisiert? x Inwieweit nutzen Unternehmen die Erkenntnisse der Diffusionsforschung? x Wie integrieren Unternehmen die Stakeholderperspektive in ihre SFA?

Unterscheidungsmerkmale

x Welchen Umfang nimmt die Aufklärungsfunktion ein? (Frühwarnung, Früherkennung oder Frühaufklärung) x Welche dominierenden Unterscheidungsmerkmale kennzeichnen Aktivitäten SFA? (in Bezug auf Beobachtungsbereich, -perspektive, -sphäre, Trägerschaft, organisatorischer Bezugsbereich, Phänomenbereich und EDVUnterstützung)

Begriff des Frühaufklärungssystems

x Inwieweit ist die Nutzung des Begriffes des strategischen Frühaufklärungssystems in der Praxis eher förderlich oder eher hemmend?

Unternehmenskultur

x Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung und inwiefern wird sie von den Unternehmen gezielt verändert?

Interne Kommunikation

x Wie aktiv nutzen die Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung die Gestaltungsmöglichkeiten interner Kommunikation?

Prozess der SFA

x Welche Ausprägungen des Scanning und des Monitoring finden in der Praxis Anwendung? x In welcher Form findet die Dokumentation schwacher Signale statt? x Wie werden die erfassten Signale analysiert und intern bewertet? x Werden abgestufte Reaktionsstrategien formuliert und wenn ja, in welcher Form? x Inwieweit sieht es die Praxis als sinnvoll an, die Phase der Implementierung und Kontrolle als Teil der SFA zu betrachten?

Aufbauorganisatorische Anbindung

x Wie erfolgt die aufbauorganisatorische Anbindung SFA? x Ist eine Präferenz für eine zentrale oder dezentrale Anbindung SFA zu erkennen? x Ist eine Präferenz für eine Eingliederung in die Primär- oder in die Sekundärorganisation zu erkennen? x Ist eine Präferenz für eine additive oder eine integrierte Einbindung von Stellen zur SFA zu erkennen?

Aufgabenträger und Nutzer

x Wie erfolgt die Strukturierung der Aufgaben SFA?

Instrumente

x Welche Instrumente werden genutzt?

Implementierungsbarrieren

x Welche dominierenden Barrieren werden in der Praxis wahrgenommen?

x Welche Rollen werden in der Praxis besetzt?

x Wie wirksam sind die in der Literatur vorgestellten Ansätze zur Überwindung der Implementierungsbarrieren?

Tabelle 2.14: Disaggregierte Forschungsfragen für die empirische Untersuchung Quelle: Eigene Darstellung

Konzeption der Untersuchung

3

97

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

In Kapitel 3 erfolgt die empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung. Erkenntnisinteresse dabei ist die Identifikation und Analyse von prozessuellen, strukturellen und kontextuellen Faktoren, die die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung beeinflussen. Das Kapitel beginnt mit einer Einführung in die Konzeption der Untersuchung. Daraufhin werden die Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie und anschließend die Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie vorgestellt. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse. 3.1

Konzeption der Untersuchung

In Kapitel 3.1 wird zunächst die genutzte Forschungsmethodik beschrieben. Sodann werden Design und Ablauf der Untersuchung dargestellt. Zur Qualitätssicherung werden abschließend Gütekriterien qualitativer Forschung charakterisiert. 3.1.1

Forschungsmethodik

3.1.1.1 Fallstudienmethode als Forschungsstrategie Das Ziel empirischer Forschung ist die „systematische Erfassung von Zusammenhängen“.474 Grundsätzlich kann zwischen qualitativer und quantitativer Forschung unterschieden werden.475 Dabei geht es qualitativer Forschung darum, Sinnzusammenhänge der sozialen Realität zu verstehen. Diese soll möglichst ganzheitlich und unter Berücksichtigung des Kontextes erfasst werden. Dies bedeutet, dass Daten durch offene Erhebungsverfahren wie z. B. leitfadengestützten Interviews und teilnehmenden Beobachtungen gewonnen und interpretativ ausgewertet werden. Die Auswertung zielt auf ein tief gehendes Verständnis von Einzelfällen und u. U. auch Typologisierungen ab. Im Gegensatz dazu geht es der quantitativen Forschung um numerisch erfassbare und statistisch repräsentative Daten, die mit standardisierten Instrumenten wie z. B. geschlossenen Fragebögen erhoben werden. Während qualitative Forschungsmethoden eher explorativ und Hypothesen generierend eingesetzt werden, zielt quantitativ ausgerichtete Forschung eher darauf ab, Hypothesen zu überprüfen.476 Für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit wird ein qualitativer Ansatz gewählt und zwar aus folgenden Gründen: In der Zielsetzung der Arbeit (Kap. 1.1, S. 8ff.) wurde bereits auf den explorativen, Hypothesen generierenden Charakter hingewiesen. Dieser Forschungs474 475

476

Vgl. Kromrey (2006), S. 52. Jedoch werden die beiden Forschungsmethodologien heute meistens nicht mehr als unvereinbar betrachtet. Zur Vereinbarkeit quantitativer und qualitativer Forschung siehe Cropley (2002), S. 50ff.; Kelle / Erzberger (2005), S. 299 und die dort genannte Literatur. Vgl. Bortz / Döring (2005), S. 295.

98

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

ansatz findet insbesondere für neue Problemfelder Anwendung, zu denen bislang nur wenig gesichertes Wissen existiert.477 Folglich wird der Forscher „den mit empirischen Daten zu beschreibenden Untersuchungsgegenstand vergleichsweise wenig vorstrukturieren können.“478 Diese Voraussetzungen sind für den Forschungsgegenstand der strategischen Frühaufklärung gegeben. Wie in der Problemstellung aufgezeigt, gibt es bislang nur wenige empirische Studien, welche die Implementierung erforscht haben. Die Arbeit ist der theoriebildenden Forschung zuzuordnen, die auf „die Beschreibung eines mehr oder weniger komplexen sozialen Sachverhalts oder Zusammenhangs“479 fokussiert. Der empirischen Untersuchung liegt die Fallstudienmethode als Forschungsansatz zu Grunde. Diese Arbeit orientiert sich insbesondere an den Ansätzen von YIN und EISENHARDT. Der Begriff der Fallstudie lässt sich in die folgenden drei Teilaspekte unterteilen: Fallbeispiel, Lehrfallstudie und Forschungsfallstudie.480 Das Fallbeispiel verdeutlicht einen Sachverhalt anhand eines Beispiels. Ihm liegt keine Methode zu Grunde. Die Lehrfallstudie zielt auf die Vermittlung von Wissen ab. Die Forschungsfallstudie schließlich „dient der wissenschaftlichen Forschung als Instrument der Erkenntnisgewinnung.“481 Dieser Begriff ist gleichbedeutend mit der englischen Bezeichnung case study research. YIN definiert eine Forschungsfallstudie wie folgt: „A case study is an emirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident.“482 Den Nutzen einer Forschungsfallstudie beschreibt YIN wie folgt: “The case study method allows investigators to retain the holistic and meaningful characteristics of real-life events – such as individual life cycles, organizational and managerial processes, neighborhood change, international relations, and the maturation of industries.”483 Das Instrument der Forschungsfallstudie ist in den Sozialwissenschaften weit verbreitet. Dennoch ist die Fallstudie wissenschaftsmethodologisch nicht unumstritten.484 Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass der Forschungsfallstudie häufig ein induktiver Charakter zugewiesen wird.485 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Forschungsfallstudie nicht den Schluss von einem Einzelfall auf die Gesamtheit zum Gegenstand hat, sondern vielmehr anhand von Fällen „Anhaltspunkte zur Gestaltung neuer Hypothesen und Theorien“486 zu Tage kommen. Die Methodik legt somit einen abduktiven Schluss nahe, den PEIRCE von der Deduk477 478 479 480

481 482 483 484 485 486

Vgl. Kromrey (2006), S. 71. Kromrey (2006), S. 71. Kromrey (2006), S. 115. Textliche Hervorhebungen des Originals entfernt. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 4. Santos et al. bieten eine Einordnung der Fallstudienmethode in das Instrumentarium der Wirtschaftswissenschaften an. Sie systematisieren die bestehende Literatur und zeigen die Anwendungsvoraussetzungen und -grenzen auf. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 4. Yin (2003), S. 13. Yin (2003), S. 2. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 1. Vgl. Cropley (2002), S. 25ff. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 6.

Konzeption der Untersuchung

99

tion und Induktion wie folgt abgegrenzt: „Deduction proves that something must be; Induction shows that something actually is operative; Abduction merely suggests that something may be.“487 Forschungsfallstudien tragen zur Theoriebildung bei, die in einem nächsten Schritt einer Verifizierung beziehungsweise Falsifizierung unterworfen werden kann.488 Singuläre und multiple Forschungsfallstudien Forschungsfallstudien lassen sich in singuläre und multiple Fallstudien einteilen. Der Schwerpunkt bei der singulären Forschungsfallstudie liegt auf der Darstellung der Besonderheiten eines Einzelfalls. Als Vorteil ist hier insbesondere die mögliche tiefere Durchdringung des Falls zu nennen. Die Triangulation489 aller verfügbaren Quellen spielt bei singulären Forschungsfallstudien eine besonders wichtige Rolle.490 Eine multiple Forschungsfallstudie hingegen basiert auf mehreren Fällen. Auf diesem Weg soll eine größere Menge an interpretationsfähigem Basismaterial gewonnen werden. Ihr Zweck liegt vor allem in einem ganzheitlichen Vergleich über mehrere Fälle hinweg.491 Als weiteres Unterscheidungsmerkmal führt YIN die Analyseeinheit (unit of analysis) ein. Er unterscheidet dabei zwischen einer holistischen und einer eingebetteten (embedded) Betrachtung. Im Falle einer eingebetteten Betrachtung werden innerhalb einer Fallstudie verschiedene Analyseeinheiten (bspw. Unternehmensbereiche) spezifiziert. Abbildung 3.1 zeigt in einer 2x2-Matrix die aus den Überlegungen resultierenden vier Basisdesigns für Forschungsfallstudien.

487 488 489

490 491

Peirce (1955), S. 171. Zu Abduktion, Deduktion und Induktion siehe auch Reichertz (2005). Vgl. Eisenhardt (1989), S. 53. Innerhalb der qualitativen Forschung soll mit Hilfe der Triangulation ein höheres Maß an Validität erreicht werden. So dient die Triangulation dazu, die Schwächen des jeweiligen Informationsinstrumentes oder der jeweiligen Forschungsmethode durch die Stärken der anderen auszugleichen. Vgl. Lamnek (2005), S. 158. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 5. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 5.

100

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

single-case designs

CONTEXT

multiple-case designs CONTEXT

CONTEXT

Case

Case

CONTEXT

CONTEXT

Case

Case

CONTEXT

CONTEXT

Case holistic (single-unit of analysis)

CONTEXT

Case

Case embedded (multiple units of analysis)

Embedded Unit of Analysis 1 Embedded Unit of Analysis 2

Embedded Unit of Analysis 1 Embedded Unit of Analysis 2

CONTEXT Case Embedded Unit of Analysis 1 Embedded Unit of Analysis 2

Case Embedded Unit of Analysis 1 Embedded Unit of Analysis 2

CONTEXT Case Embedded Unit of Analysis 1 Embedded Unit of Analysis 2

Abbildung 3.1: Basistypen für Forschungsfallstudien Quelle: Yin (2003), S. 40

Wie in Kapitel 3.1.2 (S. 104ff.) noch aufzuzeigen sein wird, nutzt die vorliegende Arbeit sowohl die singuläre als auch die multiple Forschungsfallstudie. Zudem erfolgt teilweise eine eingebettete Betrachtung, indem der Sachverhalt aus mehreren Bereichsperspektiven beleuchtet wird. 3.1.1.2 Informationsinstrumente Fallstudien müssen nicht auf ein einziges Instrument zur Informationsgewinnung begrenzt sein. Im Gegenteil: sie profitieren von der Kombination verschiedener Instrumente.492 Tabelle 3.1 stellt die in dieser Arbeit genutzten Informationsinstrumente vor und führt ihre jeweiligen Stärken und Schwächen auf.

492

Vgl. Yin (2003), S. 93.

Konzeption der Untersuchung

Informationsinstrument Interview

101

Stärken x geplante Fragen x Erfassung kausaler Beziehungen möglich x offene und geschlossene Fragen

Schwächen x ungeeignete Fragen x ungeeignete Fragenformulierung x Fehler bei der Protokollierung der Antworten x Interviewereinfluss

Beobachtung

x Kontextbezug

x hoher Zeitaufwand

x Darstellung von Interaktionen über Personen hinweg

x hohe Kosten x Einfluss auf das Verhalten x Manipulation der Beobachter möglich

Dokumentenanalyse

x ständige Verfügbarkeit

x einseitige Interpretation

x Daten unabhängig vom Zweck der Fallstudie

x einseitige Auswahl

x hohe Präzision x großer Umfang

x u.U. begrenzte Zugriffsmöglichkeiten x Datenschutz

Tabelle 3.1: Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen der Informationsinstrumente Quelle: In Anlehnung an Santos et. al (2003), S. 16

Interview Das Interview stellt in den Sozialwissenschaften eines der wichtigsten mündlichen Befragungsarten dar.493 Dabei lassen sich drei Arten von Standardisierung unterscheiden: Nicht strukturierte, teilstrukturierte und vollstrukturierte Interviews. Beim nicht strukturierten Interview verwendet der Forscher keinen Fragebogen und profitiert davon, dass er die Aussagen erhalten kann, die dem Interviewpartner von sich aus wichtig sind und deshalb artikuliert werden.494 Das vollstrukturierte Interview arbeitet mit einem Fragebogen, an dem sich der Forscher strikt orientiert. Es bietet die Möglichkeit einer einfachen Dokumentation und damit Vergleichbarkeit über mehrere Interviews hinweg.495 Das teilstrukturierte Interview wird auch als Leitfadengespräch bezeichnet. Als Grundlage wird ein Fragenkatalog benutzt, der alle forschungsrelevanten Themen umfasst. Abfolge und Auswahl der Fragen werden jedoch durch den jeweiligen Interviewablauf bestimmt. SCHNELL, HILL und ESSER führen hierzu an, dass auf diese Weise eine offene Gesprächsführung angestrebt wird, „damit der Bezugsrahmen des Befragten bei der Fragebeantwortung miterfaßt werden kann, um so einen Einblick in die Relevanzstrukturen und die Erfahrungshintergründe des Befragten zu erlangen“496. STIER zeigt die besondere Herausforderung dieses Typs von Interview auf: „Das Leitfadengespräch stellt wesentlich höhere Anforderungen an den Interviewer als das standardisierte Interview, da er 493 494 495 496

Vgl. Stier (1996), S. 186; Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 12. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 12. Vgl. Stier (1996), S. 186. Schnell / Hill / Esser (2005), S. 387.

102

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

die Interviewfragen erst im Gespräch formulieren kann, d. h. er muß während des Gesprächs Forschungsfragen ‚übersetzen’ in Interviewfragen“497. Leitfadengespräche werden häufig explorativ und zur Hypothesengewinnung eingesetzt.498 Sie wurden deshalb in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit angewendet. Werden die Interviews mit Menschen geführt, die über spezifisches Wissen über die zu rekonstruierenden Sachverhalte verfügen, so wird von Experteninterviews gesprochen.499 Beobachtung Das Informationsinstrument der Beobachtung ist soziale Handlungsform und wissenschaftliches Verfahren zugleich.500 Es lassen sich zwei Varianten unterscheiden: Die teilnehmende Beobachtung und die nicht teilnehmende Beobachtung.501 Während bei der teilnehmenden Beobachtung der Forscher direkt in das Geschehen eingebunden ist, bleibt er bei der nicht teilnehmenden Beobachtung im Hintergrund.502 Daraus folgt, dass er im ersten Fall den Verlauf der Ereignisse mit beeinflusst und womöglich manipuliert. Im zweiten Fall geschieht dies weniger, dafür bietet sich dem Forscher durch die fehlende Einbindung nur ein begrenzter Kontextbezug.503 Nach ATTESLANDER sind bei der Konzeption qualitativer Beobachtungsstudien vor allem folgende Aspekte zu klären: a) der Feldzugang, b) die Wahl der Teilnehmerrolle und c) das Verhältnis von Distanz und Teilnahme.504 Dokumentenanalyse Als drittes Informationsinstrument wird im empirischen Teil dieser Arbeit auf die Dokumentenanalyse zurückgegriffen. Bei Dokumenten handelt es sich „um niedergeschriebene Informationen aus dem mittelbaren und unmittelbaren Umfeld des Falls“505. Diese können unternehmensinterner und -externer Natur sein. Unternehmensinterne und meist vertrauliche Dokumente sind beispielsweise Briefe, E-Mails, Protokolle, Projektpläne oder Fortschrittsberichte. Externe Dokumente umfassen unter anderen Texte zur Unternehmensberichterstattung, Studien, Zeitungsartikel und andere Dokumente von Massenmedien.506 Bei der Auswertung von Dokumenten ist insbesondere auf die Herkunft und die damit einhergehende Intention des Erstellers zu achten. Entsprechend ist eine sorgfältige Abwägung notwendig, wie die jeweilige

497 498 499 500 501 502 503 504 505 506

Stier (1996), S. 190. Vgl. Stier (1996), S. 190. Vgl. Gläser (2004), S. 113.ff. Experten sind somit Personen, die selbst Teil des Handlungsfeldes sind, das den Forschungsgegenstand ausmacht, vgl. Meuser / Nagel (1991), S. 443. Vgl. Atteslander (2003), S. 105. Vgl. Yin (2003), S. 92ff. Vgl. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 11. Für eine weiterführende Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Beobachtung siehe Yin (2003), S. 95f. Vgl. Atteslander (2003), S. 85. Santos / Specht / Bingemer (2003), S. 13. Vgl. Yin (2003), S. 85f.

Konzeption der Untersuchung

103

Quelle zu bewerten ist.507 Sofern der Zugang zu unternehmensinternen Dokumenten problemlos möglich ist, leistet die Dokumentenanalyse einen wertvollen Beitrag zur Forschungsarbeit. Ebenso können externe Dokumente hilfreich bei der Triangulation der Forschungsergebnisse sein. 3.1.1.3 Auswertung der erhobenen Daten In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass eine systematische Auswertung qualitativer Daten möglich ist.508 Allerdings ist hierunter keine standardisierte Auswertung im Sinne einer automatisierten Datenverarbeitung zu verstehen. Eine Computerunterstützung bietet sich jedoch zur Verwaltung und Organisation der Daten an und wurde im vorliegenden Fall durch eine entsprechende Software genutzt.509 EISENHARDT beschreibt die Herausforderung bei der Auswertung der erhobenen Daten: „Analyzing data is the heart of building theory from case studies, but it is both the most difficult and the least codified part of the process.”510 Grundsätzlich ist bei der Auswertung darauf zu achten, dass sie sich auf das Wesentliche bezieht.511 Somit ist eine Reduktion der Daten – unter Berücksichtigung von Reliabilität und Validität – Voraussetzung für eine Handhabung und Ergebnisdarstellung. Aufgabe dabei ist, allgemeine Kategorien zu finden und einen allgemeinen Ergebnisrahmen zu entwickeln, in den die spezifischen Fälle integriert und mit dem einzelne Positionen aufgezeigt werden können.512 EISENHARDT schlägt dazu zwei Analysearten vor, die in dieser Arbeit genutzt werden: Die fallbezogene (within-case) Analyse und die fallübergreifende (cross-case) Analyse. Bei der fallbezogenen Analyse wird zunächst innerhalb eines Falls nach Auffälligkeiten und Mustern gesucht („process allows the unique patterns of each case to emerge“513). Der Forscher gewinnt zudem eine Vertrautheit mit den Daten. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt eine Generalisierung und Kategorienbildung über mehrere Fälle hinweg.514 Die fallübergreifende Analyse charakterisiert EISENHARDT wie folgt: “[…] the idea behind these cross-case searching tactics is to force investigators to go beyond initial impressions, especially through the use of structured and diverse lenses on the data”515. Dabei besteht eine Taktik darin, Kategorien zu bilden und Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppe mit Unterschieden aus anderen Gruppen herauszustellen. Als zweite Auswertungsstrategie bietet es 507 508

509 510 511 512 513 514 515

Vgl. Yin (2003), S. 86. Vgl. Cropley (2002), S. 117, der anführt, dass in der Literatur teils eine systematische Auswertung qualitativer Daten abgelehnt wird, da eine solche Auswertung Standardverfahren implizieren würde, die mit denjenigen des quantitativen Ansatzes zu vergleichen seien. Als Software wurde das Textanalysesystem MAXQDA2 genutzt. Die Software unterstützt die Strukturierung von Textinhalten und Kategorienbildung. Eisenhardt (1989), S. 539. Vgl. Cropley (2002), S. 122f. Vgl. Cropley (2002), S. 122. Eisenhardt (1989), S. 540. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Eisenhardt (1989), S. 541.

104

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

sich an, Fallvergleiche durchzuführen und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei den gewählten Paaren zu suchen.516 MEUSER und NAGEL sehen als Ziel bei der Auswertung von Experteninterviews „Aussagen über Repräsentatives, über gemeinsam geteilte Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Wirklichkeitsstrukturen, Interpretationen und Deutungsmuster“517 herauszuarbeiten. Dazu sind „typische Äußerungen“518 zu dokumentieren. Der Forscher soll sich „an thematischen Einheiten, an inhaltlich zusammengehörigen, über die Texte verstreuten Passagen“519 orientieren. Die Auswertung der Daten erfolgt theoriengeleitet. Bei diesem Vorgehen werden vorab Sachverhalte festgelegt, die laut Literatur für den Untersuchungsgegenstand von besonderer Bedeutung sind. In der Auswertung wird sodann geprüft, ob und in welcher Form diese tatsächlich hervortreten.520 3.1.2

Design und Ablauf der Untersuchung

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden zwei komplementäre Untersuchungen durchgeführt: Eine singuläre und eine multiple Forschungsfallstudie. Das Design orientiert sich damit am Vorschlag von LEONARD-BARTON, welche die Synergien einer Verknüpfung herausgearbeitet hat. Das von ihr als „dual methodology“ bezeichnete Vorgehen soll dazu führen, dass die spezifischen Stärken genutzt und Schwächen in dem jeweils anderen Ansatz reduziert werden.521 Abbildung 3.2 zeigt das Design der Empirie im Überblick.

516 517 518 519 520 521

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Meuser / Nagel (1991), S. 452. Meuser / Nagel (1991), S. 452. Meuser / Nagel (1991), S. 453. Vgl. zum vorhergehenden Cropley (2002), S. 124. Diese vorstrukturierte Herangehensweise wird teils auch als empirische Datenauswertung bezeichnet, vgl. hierzu Kromrey (2006), S. 298. Vgl. Leonard-Barton (1990), S. 248.

Konzeption der Untersuchung

105

Zwei komplementäre Studien Empirie A Multiple Fallstudie (Experteninterviews. Vergleich über mehrere Unternehmen)

Kontext Kontext Kontext Fall Fall Fall

Kontext Kontext KontextFall Fall Fall

Empirie B Singuläre Fallstudie (Tiefere Durchdringung eines Falls)

Kontext Fall Analyseeinheit 1

Analyse- Analyseeinheit 2 einheit 3

Fokus:

• Experten in SFA • Erfolgsfaktoren und Hemmnisse von SFA • Lernerfahrungen aus der Praxis

Fokus:

• Manager verschiedener Bereiche • Anforderungen aus der Praxis • Begleitung eines konkreten Falls zur SFA

Untersuchungsobjekt:

• 10 große, multinationale Unternehmen • Einheiten zur SFA in a) Konzernentwicklung b) Innovation c) Risikomanagement • Unternehmen haben Erfahrungen mit SFA

Untersuchungsobjekt:

• Ein Unternehmen in der Technologiebranche • U. hat Erfahrung mit SFA • Beobachtung eines Issue-spezifischen Projektes zur SFA • Interviews in 8 Unternehmensbereichen

Instrumente:

• Semi-strukturierte Experteninterviews • Dokumentenanalyse Æ Triangulation der Ergebnisse

Instrumente:

• Longitudinale Beobachtung (2 Jahre) • Semi-strukturierte Interviews • Dokumentenanalyse Æ Triangulation der Ergebnisse

Triangulation • Analyse der Ergebnisse • Vergleich mit Erkenntnissen aus der Literatur

• Implikationen für die Gestaltung von SFA • Ableiten von Handlungsempfehlungen

Abbildung 3.2: Design der empirischen Untersuchung Quelle: Eigene Darstellung

Die multiple Fallstudie nutzt die Vorteile, eine fallübergreifende Analyse von Unternehmen zu generieren, um so wiederkehrende Muster offen zu legen. Die singuläre Fallstudie begleitet in einem Unternehmen ein konkretes Frühaufklärungsprojekt über einen zweijährigen Zeitraum und untersucht Anforderungen an strategische Frühaufklärung aus unterschiedlichen Bereichsperspektiven. Die Erkenntnisse aus beiden Untersuchungen werden abschließend trianguliert. Nachfolgend werden die beiden Untersuchungen näher beschrieben. 3.1.2.1 Empirie A: Multiple Forschungsfallstudie Die multiple Forschungsfallstudie untersucht Erfolgsfaktoren und Hemmnisse strategischer Frühaufklärung in zehn großen, multinationalen Unternehmen. Die Studie wurde im Rahmen der Tätigkeit des Verfassers als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forum for Corporate Sustainability Management des IMD Lausanne im Zeitraum von April bis Oktober 2006 durchgeführt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wurde als Working Paper am IMD Lausanne veröffentlicht.522 Tabelle 3.2 zeigt die Vorgehensweise bei der Fallstudie.

522

Vgl. Nick / Steger (2006).

106

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Phase Vorbereitung

Schritt Vorabgespräche Erhebungsinstrument Unternehmensauswahl Pretest

Durchführung

Experteninterviews

Interviewanalyse Dokumentenanalyse Auswertung und Validierung

Ausarbeitung Expertenfeedbacks Validierung der Ergebnisse

Beschreibung Gespräche mit Experten zur Identifizierung potenzieller Unternehmen Entwicklung des Interviewleitleitfadens Auswahl und Anschreiben der Unternehmen Pretest des Leitfadens und punktuelle Überarbeitung des Instruments Führen leitfadengestützter Experteninterviews (25 Experten in zehn Unternehmen, Dauer 60-90 Minuten, Erstellung Gedächtnisprotokoll innerhalb von 24 Stunden) Auswertung (within-case und cross-case) der Ergebnisse mittels QDA-Software Analyse interner und externer Unternehmensunterlagen zum Thema strategische Frühaufklärung Fallstudienaufbereitung (u.a. in Form eines Working Papers am IMD Lausanne) Feedback der Teilnehmer auf die genutzten Daten einerseits und die Erkenntnisse andererseits Diskussion mit Managern über den Nutzen der Erkenntnisse. Präsentation auf IMD/CSM-Forum am 09./10. November 2006

Tabelle 3.2: Vorgehensweise bei der multiplen Fallstudie Quelle: Eigene Darstellung

Die Konzeption der Studie musste dem Umstand genügen, dass Unternehmen zum Thema strategische Frühaufklärung selten Auskunft geben. Dies zeigt sich in den diesbezüglichen Erfahrungen der wenigen, zuvor durchgeführten empirischen Untersuchungen.523 Drei Aspekte haben hier weiter geholfen: Erstens konnte durch die Durchführung der Untersuchung als IMD-Studie Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei vielen Interviewpartnern aufgebaut werden. Zweitens wurde allen teilnehmenden Unternehmen Vertraulichkeit zugesichert (es wurde zudem kein Tonmitschnitt angefertigt). Drittens wurden den Teilnehmern als Anreiz die Ergebnisse der Studie zugesichert.524 Letzter Punkt war insofern von Bedeutung, als es nur wenig Austausch zwischen Unternehmen zu diesem Thema gibt. Die potenziellen Interviewteilnehmer erhielten zur Ansprache zwei Dokumente: Eine Kurzdarstellung über die Studie und einen Brief von Prof. Dr. Ulrich Steger mit der Bitte um Unterstützung des Forschungsprojektes.525 In die Studie wurden Unternehmen einbezogen, die bereits intensive Erfahrungen mit strategischer Frühaufklärung gemacht haben. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass konkrete Lernerfahrungen der Unternehmen zum Thema erfasst werden konnten. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte aufgrund von zwei Kriterien: 523 524 525

Vgl. Gruber / Venter (2006), S. 968; Schwarz (2005); Roll (2004). Den Teilnehmern der Studie wurde im Dezember 2006 das IMD Working Paper zugeschickt. Die Kurzdarstellung und der Brief sind den Anhängen 1 und 2 zu entnehmen.

Konzeption der Untersuchung

107

(1) Experteneinschätzungen (2) Sichtbarkeit der strategischen Frühaufklärungsaktivitäten Vorab wurden mit fünf Experten für strategische Frühaufklärung Informationsgespräche geführt, um einerseits das Thema zu konkretisieren und andererseits potenzielle Unternehmen für eine Teilnahme zu identifizieren. Zudem wurden die zuerst interviewten Unternehmensvertreter nach weiteren interessanten Beispielen gefragt. Nach den ersten Gesprächen stellte sich anhand dieses Schneeballsystems heraus, welche Unternehmen einen guten Ruf zu strategischer Frühaufklärung haben. Auf diese Weise konnte auch eine Validierung der bereits ausgewählten Unternehmen erfolgen. Das zweite genutzte Kriterium der Sichtbarkeit von Unternehmensaktivitäten ist insofern vorsichtig einzusetzen, da eine extensive externe Kommunikation nicht automatisch auch eine gut funktionierende Frühaufklärung umfassen muss. Jedoch lag der Fokus bei der Auswahl auf Publikationen in Fachzeitschriften. Dahinter steckt die Annahme, dass die Unternehmen, die in der Expertenszene zu Frühaufklärung kommunizieren, ihren Ansatz auch intern wohl überlegt haben. Insgesamt zeigte sich, dass sich mit beiden Kriterien eine große Übereinstimmung bei der Unternehmensauswahl einstellte. Die Fallauswahl beinhaltet zehn große multinationale Unternehmen aus verschiedenen Industrien mit Hauptsitz in Westeuropa und mit unterschiedlicher Nutzung strategischer Frühaufklärung. Eine Zusammenfassung der Charakteristika ist Tabelle 3.3 zu entnehmen. Nutzung der SFA

Industrie x F&E (A, C, G) x Konzernentwicklung (B, F, (G)526, I) x Risikomanagement (D, E, H) x Kommunikation (J)

Standort der Konzernzentrale

x Finnland (1) x Deutschland (4) x Niederlande (4)

x x x x x

Automobil (A) Energie (I) Konsumgüter (J) Bank (B) Versicherung / Rückversicherung (D, E, H) x Elektronik (C) x Informations- und Kommunikationstechnik (F, G)

x Schweiz (1) Tabelle 3.3: Charakteristika der teilnehmenden Unternehmen Quelle: Eigene Darstellung

Aufgrund der zugesicherten Vertraulichkeit werden die Unternehmen im Folgenden anonymisiert dargestellt. Eine Zuordnung der Unternehmen zu Branche und Nutzung der strategischen Frühaufklärung ist jedoch durch die in Tabelle 3.3 gegebenen Informationen möglich. Das 526

In Unternehmen G ist die strategische Frühaufklärung aus der Konzernentwicklung in die Forschung und Entwicklung gewechselt. Beide Dimensionen werden nachfolgend berücksichtigt.

108

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

gewählte Vorgehen einer branchenübergreifenden Studie basiert auf Erkenntnissen vorangegangener Studien. So kommt ZURLINO zum Ergebnis: „Früherkennung als Aufgabe stellt sich für alle Unternehmen gleichermaßen, unabhängig von branchen- und anderen Zughörigkeitsmerkmalen“527. Als Informationsinstrumente wurden Interviews und Dokumentenanalyse genutzt. Die Interviews wurden als leitfadengestützte Experteninterviews geführt. Der Fragebogen (siehe Anhang 3) bestand aus drei Teilen: Allgemeine Fragen zum Management strategischer Frühaufklärung, Fragen zur Identifikation von Themen und Fragen zur Handhabung identifizierter Themen. Auf Wunsch wurde den Gesprächspartnern der Fragebogen im Vorfeld der Interviews zugeschickt. Die ausgewählten Interviewpartner waren alle in ihren Unternehmen für das Thema strategische Frühaufklärung zuständig. Insgesamt wurden mit 25 Experten Interviews geführt.528 Die Gesprächsdauer lag dabei im Durchschnitt zwischen 60 bis 90 Minuten. Da aufgrund des sensiblen Themas auf einen Tonmitschnitt verzichtet werden musste, wurden zu allen Interviews Gedächtnisprotokolle innerhalb von 24 Stunden nach dem jeweiligen Gespräch angefertigt.529 Wörtliche Zitate wurden den Interviewpartnern zur Prüfung auf Richtigkeit zugeschickt.530 Die Gespräche wurden in fünf Unternehmen auf Englisch geführt, in den verbleibenden fünf Unternehmen auf Deutsch.531 3.1.2.2 Empirie B: Singuläre Forschungsfallstudie Der Fokus bei der singulären Forschungsfallstudie liegt auf der Begleitung eines Frühaufklärungsprojektes zu einem bestimmten Issue. Dabei stehen die Herausforderungen bei der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Frühaufklärung im Mittelpunkt (sekundäre Implementierungslücke, siehe Abbildung 1.2, S. 6). Untersuchungsobjekt war ein Unternehmen aus der Technologiebranche. Als Auswahlkriterien dienten insbesondere die folgenden drei: (1) Das Unternehmen hat bereits Erfahrungen mit einem systematischen Umgang mit strategischer Frühaufklärung. (2) Neben Scanning-Aktivitäten verfolgt das Unternehmen auch MonitoringAktivitäten. Die Aktivitäten strategischer Frühaufklärung konkretisieren sich somit in Issuespezifischen Projekten. (3) Ein Feldzugang zum Unternehmen kann ermöglicht werden. Aufgrund der Vertraulichkeit der Untersuchung wird der Technologiekonzern im Folgenden pseudonymisiert als Techno AG dargestellt. In Absprache mit dem Fallstudienunternehmen wurden der Name des Unternehmens, einzelner Divisionen und Geschäftseinheiten sowie Eigennamen von Personen entfremdet. Die Pseudonymisierung ermöglicht eine umfassende 527 528 529 530 531

Zurlino (1995), S. 107. Mit 23 Experten wurde persönlich gesprochen, zwei Interviews wurden telefonisch durchgeführt. Vgl. zu den Vor- und Nachteilen einer Tonbandaufzeichnung Gläser (2004), S. 152f. Dies erfolgte im Rahmen des IMD Working Papers und ermöglichte den Interviewteilnehmern eine Validierung ihrer Zitate im jeweils genutzten Kontext. Entsprechend werden nachfolgend sowohl Zitate in englischer Sprache als auch in deutscher Sprache aufgeführt.

Konzeption der Untersuchung

109

Auswertung und Publikation der Erkenntnisse. Für den Forschungskontext ist es zwar erforderlich, die Projekte ausreichend präzise darzustellen und das Unternehmen zu charakterisieren. Branchenexperten können somit das untersuchte Unternehmen womöglich identifizieren. Jedoch betont die Pseudonymisierung, dass es hierbei nicht um eine grundsätzliche Bewertung des spezifischen Unternehmens und seiner Manager gehen soll. Vielmehr ist es das Ziel, generelle Herausforderungen im Umgang mit strategischer Frühaufklärung herauszuarbeiten. Die Techno AG ist ein global tätiger Konzern mit multidivisionaler, dezentraler Struktur.532 Das Unternehmen ist börsennotiert und in über 50 Ländern präsent. Der Stammsitz liegt im deutschsprachigen Raum. Im Geschäftsjahr 2005 hat die Techno AG einen zweistelligen Milliardenumsatz erwirtschaftet. Die Techno AG ist als strategische Management-Holding aufgestellt und richtet sich auf seine Kunden in strategischen Geschäftsfeldern aus, die wiederum in Geschäftseinheiten gegliedert sind. Das Unternehmen bietet Technologielösungen im Geschäfts- und Privatkundenbereich an. Die für die Fallstudie relevanten Produkte und Dienste der Techno AG sind im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Vorgehensweise bei der singulären Forschungsfallstudie Die Vorgehensweise bei der singulären Forschungsfallstudie wird in Tabelle 3.4 aufgezeigt.

532

Zur Beschreibung aufbauorganisatorischer Grundmodelle siehe z.B. Krüger (1994), S. 95ff.

110

Phase Vorbereitung

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Schritt Sondierungsgespräche Erhebungsinstrument

Durchführung

Auswertung und Validierung

Beschreibung Sondierung, welches Unternehmen für die Fallstudie ausgewählt wird Festlegen der Informationsinstrumente und Entwicklung des Interviewleitfadens

Vorbereitung der Beobachtung

Absprache mit dem Projektleiter über Art und Ablauf der Beobachtung; Auswahl der Beobachtungsform

Pretest des Leitfadens

Pretest des Leitfadens und punktuelle Überarbeitung des Instruments

Beobachtung

Zweijährige Begleitung des internen Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“

Interviews

Leitfadengestützte Interviews (16 Interviews in acht Fachbereichen, Dauer 60-90 Minuten, Tonmitschnitt)

Dokumentenanalyse

Analyse interner und externer Unternehmensunterlagen im Kontext der Interviews und der Beobachtung, teils mittels QDA-Software Auswertung der Erkenntnisse aus der Beobachtung

Auswertung der Beobachtung Interviewanalyse Validierung der Ergebnisse

Auswertung der Ergebnisse mittels QDA-Software Diskussion mit Managern des Unternehmens über den Nutzen der Erkenntnisse

Tabelle 3.4: Vorgehensweise bei der singulären Fallstudie Quelle: Eigene Darstellung

Die zuvor genannten drei Auswahlkriterien trafen auf die Techno AG zu: In den vergangenen Jahren hat die Techno AG umfassende Analysen zur Einführung einer strategischen Frühaufklärung getroffen. Im Zeitraum der Datenerhebung waren insbesondere die Bereiche Innovation und Corporate Sustainability mit entsprechenden Aktivitäten beschäftigt (Kriterium 1). Neben allgemeinen Scanning-Tätigkeiten führte die Techno AG im Beobachtungszeitraum ein umfangreiches Frühaufklärungsprojekt durch. Der Fokus lag dabei auf einer Chancen- und Risikenbewertung zukünftiger Produkte und Dienste (Kriterium 2). Schließlich konnte ein einfacher und umfassender Feldzugang gewährleistet werden, der sich insbesondere in einer umfassenden Teilnahmebereitschaft des Projektleiters des Frühaufklärungsprojektes zeigte (Kriterium 3). Bei der Begleitung des Projektes wurden die Informationsinstrumente Beobachtung und Dokumentenanalyse genutzt. Der Beobachtungszeitraum ging von Sommer 2005 bis Sommer 2007. Das Instrument der Beobachtung wurde gewählt, um einen Kontextbezug des Forschers zum Untersuchungsgegenstand zu gewährleisten und somit die Eigenlogiken des betrachteten

Konzeption der Untersuchung

111

Systems besser zu verstehen. Das longitudinale Vorgehen unterstützt diesen Ansatz, da auf diese Weise Entscheidungen und ihre Auswirkungen über die Zeit hin analysiert werden können. Eingesetzt wurden sowohl teilnehmende als auch nicht teilnehmende Beobachtung. Eine Interaktion mit dem Projektteam fand während der Workshopreihe statt. Mit dem Projektleiter gab es einen kontinuierlichen Austausch. Dieser hat die Gespräche als Reflexionsfläche für seine eigenen Überlegungen genutzt und seine Erkenntnisse in den weiteren Projektverlauf eingebracht. Der Projektverlauf wurde vom Verfasser jedoch nicht direkt beeinflusst, da dieser die meiste Zeit im Hintergrund blieb und nicht Teil des Projektteams war. Dies entspricht der Vorgehensweise der nicht teilnehmenden Beobachtung. Für die Dokumentenanalyse wurden insbesondere folgende Unterlagen betrachtet: x Projektdokumente (u.a. Projektskizzen, Protokolle, Ergebnisdokumente) x Projektrelevante E-Mail Kommunikation des Projektleiters x Interne und externe Unternehmensinformationen (u.a. Organigramme, Geschäftsverteilungspläne, interne Unternehmensmitteilungen, Pressemitteilungen) x Externe Publikationen der Techno AG zum Thema x Relevante Publikationen von anderen Institutionen Zusätzlich zur Beobachtung und Dokumentenanalyse wurden zur vertiefenden Analyse Interviews mit 16 Managern aus den folgenden betrieblichen Funktionen geführt:533 Forschung und Entwicklung, Risikomanagement, Konzernrevision, Datenschutz, Recht, Corporate Sustainability, Kommunikation, Politische Interessenvertretung. Die Gespräche dauerten zwischen 60-90 Minuten und wurden wie in der multiplen Forschungsfallstudie als teilstrukturierte Interviews durchgeführt. Bis auf ein Interviewpartner haben alle einem Tonmitschnitt zugestimmt. Die Mitschnitte wurden transkribiert und mit Hilfe einer QDA-Textauswertung analysiert. Der Fragebogen (siehe Anhang 4) bestand aus drei Teilen: In einem ersten Abschnitt wurde der Bedarf an strategische Frühaufklärung abgefragt und bereits existierende Aktivitäten gesammelt. Im zweiten Teil erfolgte eine Priorisierung von relevanten Stakeholdergruppen für den jeweils befragten Bereich. Vorschläge bezüglich der Organisation strategischer Frühaufklärung wurden im dritten Teil gesammelt. Die Erkenntnisse aus der Projektbegleitung und den Interviews wurden ausgewertet und mit Managern der Techno AG diskutiert. Auf diese Weise wurden die Ergebnisse validiert.

533

Zur funktionellen Gliederung siehe Thommen / Achleitner (2001), S. 54.

112

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

3.1.3

Gütekriterien qualitativer Forschung

Zur Sicherung der Güte empirischer Forschung finden die allgemein anerkannten Kriterien der Reliabilität, Validität und Objektivität Anwendung. Reliabilität steht dabei für die Höhe der Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer Forscher, der die Untersuchung wiederholen würde, zu gleichen Ergebnisse käme.534 Praktische Bedeutung erlangt das Kriterium dahin gehend, dass sich nur aus reliablen Befunden Verallgemeinerungen ableiten lassen.535 Validität lässt sich in eine interne und externe Validität unterteilen. Die interne Validität ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundenen Zusammenhänge zwischen Variablen „echt“ sind und sich nicht aus der Wirkung konfundierender Variablen ergeben.536 Unter externer Validität wird das Ausmaß der Übertragbarkeit der Befunde auf neue Umgebungen verstanden. Mit dem Kriterium der Objektivität wird schließlich bewertet, inwieweit die Ergebnisse unabhängig vom Forschenden sind.537 Die genannten Gütekriterien benötigen für qualitative Forschung eine spezifische Auslegung. So nennt CROPLEY als Merkmale einer qualitativen Untersuchung, die den Gütekriterien entsprechen:538 x Konsistenz: die Argumentation ist schlüssig und zusammenhängend x Logik: die Argumentation ist nachvollziehbar x Nützlichkeit: die Befunde der Untersuchung lassen sich leicht auf das reale Leben übertragen und anwenden. MAYRING stellt sechs Kriterien auf, durch die Validität, Reliabilität und Objektivität abgesichert werden sollen.539 In Tabelle 3.5 werden die qualitativen Gütekriterien und die Ansätze ihrer Absicherung in vorliegender Untersuchung aufgeführt.

534 535 536 537 538 539

Vgl. Miles / Huberman (1994), S. 278. Vgl. Cropley (2002), S. 29. Vgl. Cropley (2002), S. 29. Unter konfundierenden Variablen werden Einflussquellen verstanden, die unbeabsichtigt die Wirkung mit bestimmen und so die intendierte Behandlung verfälschen. Vgl. Miles / Huberman (1994), S. 278. Cropley (2002), S. 36. Vgl. Mayring (1990), S. 96 und die dort genannte Literatur.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

Qualitatives Gütekriterium Verfahrensdokumentation

Argumentative Interpretationsabsicherung Regelgeleitetheit

Nähe zum Gegenstand

Kommunikative Validierung

Triangulation

113

Ansatz zur Sicherung des Kriteriums Aufzeigen des Vorgehens in beiden Studien; Nutzung und Veröffentlichung der Interviewleitfäden; Dokumentation der Protokolle und Ergebnisse der Softwareauswertung theoriegeleitetes Vorgehen; Schlüssigkeit der Argumentation; Begründung von Interpretationen; explizites Aufzeigen von Brüchen differenzierte Beschreibung des Forschungsverlaufs; schrittweises Vorgehen; Unterstützung der systematischen Auswertung durch Software unmittelbare Praxisnähe durch Angliederung ans IMD und Integration in Projekt der Techno AG; Forschung setzt an konkreten Problemen der Praxis an; Interessenübereinstimmung im Erkenntnisinteresse Freigabe der genutzten Zitate eingeholt; Diskussion der Ergebnisse mit ausgewählten Interviewpartnern; Publikation von Zwischenergebnissen; Vorstellung der Ergebnisse am IMD sowie vor Managern der Techno AG Nutzung verschiedener Informationsinstrumente (Interviews, Beobachtung, Dokumentenanalyse) und Methoden (singuläre und multiple Forschungsfallstudie)

Tabelle 3.5: Sicherung qualitativer Gütekriterien in der empirischen Untersuchung Quelle: Eigene Darstellung

3.2

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

Die Auswertung der Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie erfolgt entlang eines Analyserahmens für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung, der zunächst vorgestellt wird. Daran schließt sich eine Analyse der strukturellen, kontextuellen und prozessuellen Faktoren an. 3.2.1

Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung

Nachfolgend werden die Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie entlang drei Dimensionen diskutiert. Jede Dimension beinhaltet dabei mehrere Faktoren. Abbildung 3.3 zeigt den Analyserahmen im Überblick.

114

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Unternehmenskultur

Top-Management Unterstützung

Kontextuelle Faktoren

Zielsetzung Interaktion mit internen Stakeholdern Aufbauorganisatorische Anbindung Erfassung

Strategieanbindung

Aufgabenträger

Strukturelle Faktoren

Bewertung

Kommunikation

Handlung

Evaluation Interaktion mit externen Stakeholdern

Prozessuelle Faktoren

Abbildung 3.3: Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Der Analyserahmen bietet eine übersichtliche Bewertungsmöglichkeit für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung an. Er basiert auf den theoretischen Grundlagen aus Kapitel 2 und den in Tabelle 2.14 auf S. 95 zusammen gefassten Fragen, die in die Gestaltung des Interviewleitfadens eingegangen sind. Der Analyserahmen wurde im Verlauf der Interviews erstellt und sukzessive weiterentwickelt, was zum Teil auch in einer Anpassung der Leitfragen mündete. Hierin reflektiert sich das iterative Vorgehen gemäß EISENHARDT.540 Der Analyserahmen umfasst eine prozessuelle, eine strukturelle und eine kontextuelle Dimension. In der prozessuellen Dimension werden dabei diejenigen Faktoren betrachtet, die Relevanz auf die Wirksamkeit des Prozesses der strategischer Frühaufklärung nehmen. Entgegen der Prozessdarstellung aus Abbildung 2.14 (S. 73), wird jedoch auf Basis der empirischen Erkenntnisse eine andere Schwerpunktsetzung gewählt. So konnten als erfolgsrelevante Faktoren (a) Erfassung, (b) Bewertung, (c) Kommunikation und (d) Handlung identifiziert werden. Beim Faktor Erfassung ergibt sich somit keine Veränderung zur theoretischen Darstellung. Im Faktor Bewertung werden die Analyse erfasster schwacher Signale, die Relevanzbeurteilung 540

Vgl. Eisenhardt (1989).

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

115

und zum Teil die Formulierung von Reaktionsstrategien gebündelt. Neu aufgenommen wurde der Faktor Kommunikation. Damit wird auf die Bedeutung der internen Kommunikation hingewiesen, die den Erfolg strategischer Frühaufklärung wesentlich beeinflusst. Hier fließen die Erkenntnisse zu Framing, Agenda Building und Issue Selling aus Kapitel 2.3.1.2 (S. 68ff.) mit ein. Der jeweilige Faktor beeinflusst zudem die Auswahl der Reaktionsstrategie. Im Faktor Handlung findet sich die Implementierung und Kontrolle aus Abbildung 2.14 (S. 73) wieder. Die vier genannten Faktoren sind rekursiv miteinander verknüpft. Dadurch ist die Möglichkeit eines iterativen Vorgehens gegeben, auf die bereits in Kapitel 2 hingewiesen wurde. Dieser vierstufige Prozess wird durch zwei weitere Faktoren flankiert: (e) Interaktion mit internen Stakeholdern und (f) Interaktion mit externen Stakeholdern. Damit enthält diese Dimension zwei weitere Aspekte, welche für den Erfolg strategischer Frühaufklärung relevant sein können, in Prozessdarstellungen der bisherigen Literatur jedoch so nicht aufzufinden sind. Als letzter Faktor in der prozessuellen Dimension wird mit (g) eine Evaluation des Prozesses angeführt. Während die meisten Schaubilder zur strategischen Frühaufklärung sich auf den soeben angeführten Prozess beschränken, werden in Abbildung 3.3 in der strukturellen und kontextuellen Dimension weitere erfolgsrelevante Faktoren eingebunden. Damit wird das Modell zu einem ganzheitlichen, praxisnahen Analyseinstrument, mit dessen Hilfe Unternehmen ihre eigenen Aktivitäten einordnen und bewerten können. Aspekte, welche die grundsätzliche Struktur und den Aufbau betreffen, werden in den strukturellen Faktoren abgebildet. Diese Faktoren müssen wohldefiniert und reflektiert sein. Sie beinhalten (a) Zielsetzung, (b) aufbauorganisatorische Anbindung, (c) Strategieanbindung und (d) Aufgabenträger. Wie eingangs beschrieben, scheitern Ansätze zur strategischen Frühaufklärung in der Praxis trotz intensiver Gestaltung der strukturellen und prozessuellen Faktoren häufig. Diese Beobachtung mündet im Analyserahmen darin, dass in einer dritten Dimension kontextuelle Faktoren zusammengefasst werden. Hierunter fallen (a) Unternehmenskultur und (b) TopManagement Unterstützung. Beide Faktoren beeinflussen wesentlich die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung und stellen somit nicht zu vernachlässigende Einflussgrößen dar. Als Reihenfolge für die nachfolgende Analyse bietet es sich an, zunächst mit den strukturellen Faktoren zu beginnen, welche die Frühaufklärung konstituieren. Sodann wird die verstärkende bzw. hemmende Wirkung der kontextuellen Faktoren aufgezeigt. Abschließend erfolgt eine Analyse der prozessuellen Faktoren.

116

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

3.2.2

Analyse der strukturellen Faktoren

3.2.2.1 Analyse des Faktors Zielsetzung Durch die Interviews wurde deutlich, dass Aktivitäten strategischer Frühaufklärung eine wohl reflektierte und klar definierte Herangehensweise benötigen. Hierbei sind folgende Aspekte zu nennen: (a) Motive, (b) Ziele, (c) Zielgruppen bzw. Nutzer und (d) Beobachtungsbereiche. Die Erfahrungen der teilnehmenden Unternehmen zeigten auf, dass ohne eine bewusste Auseinandersetzung mit diesen Aspekten eine langfristige Implementierung erschwert wird. Motive strategischer Frühaufklärung Übereinstimmend wiesen alle Interviewpartner darauf hin, dass ständiger Wandel ein wesentliches Charakteristikum des Unternehmensumfeldes ist. So fasste ein Interviewpartner aus Unternehmen G dies wie folgt zusammen: Wir können sich schnell verändernde Nachfragemuster bei unseren Kunden beobachten. Unser Märkte lassen sich charakterisieren durch zunehmende Heterogenität. Technologien entwickeln sich rasant. Unser Wettbewerbsumfeld wird komplexer. Diskontinuitäten können einen wesentlichen Impact auf das gesamte Unternehmen haben. (Unternehmen G)

Weiterhin sahen alle Unternehmen einen steigenden Bedarf, sich auf eine zunehmend ungewisse Zukunft vorbereiten zu müssen. Genannt wurden unter anderen Faktoren wie systemische Risiken, neue Technologien und sich verändernde Wertvorstellungen, welche den Unternehmenserfolg zunehmend beeinflussen werden. Damit unterstützt die Empirie die Ausgangsthese dieser Arbeit, dass Unternehmen ihre Umwelt zunehmend komplexdynamischer wahrnehmen.541 Besonders hervorgehoben wurden die Auswirkungen, die durch die laufende Transition von einer Industrie- zur Wissensgesellschaft entstehen. Während die Industriegesellschaft durch Konsum charakterisiert werden kann, spielt Kontext in der Wissensgesellschaft eine wichtige Rolle: People don’t consume technology, they live with it, side by side. The future will be less about needs and the act of consumption and more about the co-existence of people and technology. People will ask themselves not what do I want but how can I best take advantage of this context to do what I want or need to do. (Unternehmen C)

Die Interviews haben übereinstimmend aufgezeigt, dass sich Unternehmen auf die frühzeitige Wahrnehmung schwacher Signale fokussieren. Dabei zeigte sich, dass die Interviewpartner schwache Signale sehr stark in Anlehnung an die von SIMON aufgeführten Charakteristika (siehe Tabelle 2.2, S. 41) verstehen. Motiv ist für viele Unternehmen zur Gruppe der sog. „First Movers“ zu gehören und Geschäftschancen zu realisieren.

541

Siehe hierzu die Ausführungen in der Problemstellung in Kapitel 1.1 (S. 1ff.).

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

117

Wandel findet kontinuierlich statt. Früherkennung ist eine relative Größe. Es geht uns darum, Handlungsoptionen offen zu halten. Früh heißt für uns dabei vor dem Wettbewerb und bevor wir überrascht werden. (Unternehmen D)

Die Intensität strategischer Frühaufklärung hängt dabei von der Branche ab. Dieser Zusammenhang scheint offensichtlich: In Industrien mit langen Produktlebenszyklen und hohen Anfangsinvestitionen sind die Auswirkungen von Fehlallokationen wesentlich größer. If we sold furniture, we would not spend our time developing sophisticated scenarios. Or take the example of Pepsi that prepares a market entry in a new country. They can test market acceptance for a certain time and if they don’t succeed they don’t lose too much money. If we build infrastructure in a new country and do not succeed doing business there, it is easy to lose billions of dollars. (Unternehmen I)

In den Interviews konnte die in der Problemstellung genannte Äußerung, dass Vorsorge wesentlich günstiger sei als Krisenmanagement, als ein wesentliches Motiv für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung bestätigt werden. Ziele strategischer Frühaufklärung Die Interviewpartner wiesen darauf hin, dass eine Beschäftigung mit der Zukunft von Kollegen häufig kritisch betrachtet und mit Wahrsagerei in Zusammenhang gebracht wird. In diesem Kontext betonte ein Befragter: „The aim is not to foresee the future, but rather to prepare for an uncertain future.“ Obwohl Frühaufklärungsaktivitäten mit unterschiedlichem Fokus (Konzernentwicklung, F&E, Risikomanagement) untersucht wurden, ergab sich ein einheitliches Bild bezüglich der übergeordneten Zielstellung: Identifizierung und Handhabung zukünftiger Geschäftschancen und -gefahren. Dabei wurde deutlich, dass alle untersuchten Unternehmen sowohl Chancen als auch Gefahren betrachten. Dies stellt eine Erweiterung des Blickfeldes dar, der bei einigen Unternehmen zunächst auf Gefahren beschränkt gewesen ist. Four years ago, we focused very much on a risk perspective. We are now addressing opportunities as well. (Unternehmen B)

Die befragten Unternehmen zielen mittels strategischer Frühaufklärung auf eine frühzeitige Wahrnehmung schwacher Signale, die relevante Umfeldveränderungen ankündigen. Dies soll zu einer besseren Antizipation von Geschäftschancen und -gefahren führen, wodurch Zeitgewinne realisiert und Wissens- in Wettbewerbsvorteile transformiert werden sollen. Our business depends upon anticipating discontinuities. We need to be aware of societal developments, for instance the debate about climate change and energy efficiency. This is a key competitive advantage. (Unternehmen I)

Die identifizierten Ziele können wie in Abbildung 3.4 aufgezeigt in vier Kategorien gruppiert und zur Illustration auf einem Kontinuum zwischen den Polen „wertsteigernd“ und „wertsichernd“ angeordnet werden.

118

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Ziele Identifizierung und Handhabung zukünftiger Geschäftschancen und -gefahren

Geschäftsentwicklung

Kommunikationsinstrument

Change Management

• Erschließen von Geschäftschancen

• Illustrieren einer Zukunftsvision

• Stärken der Innovationsfähigkeit

• Differenzieren von Wettbewerbern

• Reputationssteigerung

• In Frage stellen von Glaubenssätzen

• Stärken von Kundenbeziehungen

• Investieren in Stakeholderbeziehungen

• Erweitern von Perspektiven

„Wertsteigernd“

Risikomanagement • Minimieren von Geschäftsgefahren • Reduzieren von Verwertungs-, Haftungs- und Reputationsrisiken

„Wertsichernd“

Abbildung 3.4: Ziele strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Geschäftsentwicklung fällt eindeutig in den Fokus wertsteigernder Aktivitäten. Die Interviews haben aufgezeigt, dass eine Mehrheit der Unternehmen ihre strategische Frühaufklärung an diesem Ziel ausrichtet. Aktivitäten in Innovation und Planung können hierunter gefunden werden. Die Befragten nannten dafür vor allem folgende Argumente: die unternehmerische Einflusssphäre vergrößern, den Strategieprozess mit Trend- und Disruptionsinformationen versorgen, Leitlinien in sensitiven Geschäftsbereichen entwickeln und bereichsübergreifend Bewusstsein für relevante Entwicklungen schärfen. In einigen Unternehmen wurde strategische Frühaufklärung auch zur Stärkung von Kundenbeziehungen eingesetzt. Dazu wurden Erkenntnisse der Frühaufklärung mit ausgewählten Kunden diskutiert. Auf diese Weise erhoffen sich die Unternehmen, Mehrwert für Kunden zu generieren und sich von Wettbewerbern zu differenzieren. Darüber hinaus lassen sich auch die Aktivitäten von den Unternehmen, deren Kerngeschäft das Management von Risiko darstellt, unter die Kategorie Geschäftsentwicklung subsumieren. Proaktives, strategisches Risikomanagement ist als wertsicherndes Ziel zu nennen. Zur Reduzierung strategischer Überraschungen nutzen einige der untersuchten Unternehmen Frühaufklärung zur Identifizierung emergenter Gefahren. Wenn Unternehmen strategische Umweltveränderungen nicht beachten, gehen sie insbesondere Verwertungs-, Haftungs- und Reputationsrisiken ein. Beim Verwertungsrisiko geht es darum, Fehlinvestitionen zu reduzieren und Entwicklungskosten abzusichern. Eine wichtige Rolle spielt die Akzeptanz der Produkte und Dienstleistungen bei den potenziellen Käufern. Ebenso müssen zukünftige politische

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

119

Rahmenbedingungen abgeschätzt werden. Bei Haftungsrisiken stellt sich u.a. die Frage nach möglichen negativen Auswirkungen von Produkten auf Mensch und Umwelt. Schließlich ist bei Reputationsrisiken darauf hinzuwirken, die Angreifbarkeit zu reduzieren und daraus resultierende Imageschäden zu minimieren. Weiterhin konnte in den Interviews festgestellt werden, dass strategische Frühaufklärung als Kommunikationsinstrument eingesetzt wird. Die Unternehmen investieren in ein Engagement mit dem weiteren Stakeholderumfeld und zeigen eine langfristige Zukunftsperspektive auf. Unternehmen A und I setzen strategische Frühaufklärung stark mit diesem Ziel ein. Dazu stehen sie im Dialog mit Akteuren des Makroumfeldes und insbesondere mit dem politischen Umfeld: Durch unseren Standort [der Einheit für strategische Frühaufklärung, Anm. des Verf.] in Berlin sind wir auch bewusst ein Kommunikationselement in Wissenschaft und Politik. (Unternehmen A) We have a strong communication with external stakeholders, like the general public, governments and international institutions. The results of our early awareness activities that we share with the wider public often open the doors to those in power and help us to shape public debate on issues that are important to us. (Unternehmen I)

Als vierte Zielkategorie ist schließlich das Change Management zu nennen. In nahezu allen befragten Unternehmen sollten Aktivitäten strategischer Frühaufklärung zum organisatorischen Lernen beitragen. Häufig genannt wurde dabei der Anspruch, vorhandene Unternehmensdogmen zu hinterfragen und auf diesem Weg interne Strategiediskussionen zu initiieren: Early awareness means reinventing the company. (Unternehmen C)

Die Ergebnisse der Empirie bestätigen die Aussagen zu den in der Literatur genannten Zielen und vertiefen sie zugleich. Große Übereinstimmungen zeigen sich bei den Zielen der Geschäftsentwicklung und des Risikomanagements. Die Nutzung strategischer Frühaufklärung als Instrument zur Stärkung von Kundenbeziehungen stellt dabei einen neuen Aspekt dar. Ebenso wird der Einsatz als Kommunikationsinstrument in der untersuchten Literatur vernachlässigt. In Bezug auf Change Management lässt sich interessanterweise feststellen, dass einige Unternehmen strategische Frühaufklärung gezielt dazu einsetzen, ihre Unternehmenskultur zu hinterfragen und durch das Einwirken auf die Basisannahmen zu verändern.542 Damit zeigt sich ein wechselseitiges Verhältnis zwischen Unternehmenskultur und strategischer Frühaufklärung: Zur erfolgreichen Implementierung bedarf es einerseits einer entsprechend offenen Kultur, die – wie in Kapitel 2.3.1.1 (S. 65ff.) gezeigt – nur bedingt bewusst gestaltet werden kann. Andererseits können mittels Frühaufklärung kulturelle Veränderungsprozesse unterstützt werden.

542

Siehe hierzu die Ausführungen zu den Ebenen der Unternehmenskultur in Kapitel 2.1.2.4 (S. 28ff.).

120

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Zielgruppen strategischer Frühaufklärung Hinsichtlich der Zielgruppen bzw. Nutzer strategischer Frühaufklärung ergibt die empirische Untersuchung folgendes Bild: Während in der Literatur häufig die Unternehmensführung als alleinige Zielgruppe genannt wird, führen die Interviewpartner weitere auf. Dabei kommen alle diejenigen Stellen und Stellenmehrheiten im Unternehmen in Betracht, die Interesse an strategischen, systemischen, langfristigen und diskontinuierlichen Entwicklungen zeigen. Tabelle 3.6 stellt die Zielgruppen dar. Bereich

Zielgruppen / Nutzer

Management

Top-Management, Vorstand, CEO

Zentralbereiche

Konzernentwicklung, F&E, Marktforschung, Risikomanagement, Unternehmenskommunikation, Nachhaltigkeitsmanagement

betroffene funktionale Geschäftsbereiche

alle Einheiten, die durch externe Veränderungen am stärksten betroffen sind oder zu sensiblen Issues agieren

externe Stakeholder

wichtige Kunden, Industriepartner

Tabelle 3.6: Zielgruppen von Aktivitäten strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Wie bei der Analyse der prozessuellen Faktoren noch aufgezeigt wird, spielt die Zusammenarbeit der Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung mit den Zielgruppen eine wesentliche Rolle.543 Beobachtungsbereiche strategischer Frühaufklärung Es zeigt sich, dass in fast allen Unternehmen der Beobachtungsbereich nicht auf bestimmte Elemente des Mikro- und Makroumfeldes eingeschränkt ist, sondern vielmehr Offenheit besteht. Dementsprechend setzen die untersuchten Unternehmen auf ein breites Scanning des Umfeldes und führen für identifizierte Issues ein Monitoring durch. Unterschiede konnten dahin gehend festgestellt werden, wie Unternehmen die Suche nach schwachen Signalen konzipieren und damit das Konzept der schwachen Signale operationalisieren: Eher klassisch orientierte Ansätze unterscheiden die Leitkategorien Technologie, Kunde und Markt. Diese Ansätze folgen teils einem gerichteten Scanning und somit einer inside-out Perspektive.544 Einige Unternehmen haben für sich individuelle Leitkategorien definiert, die beispielsweise aus veränderten gesellschaftlichen Werthaltungen resultieren. Diese Kategorien unterstützen ein ungerichtetes Scanning (outside-in Perspektive). In Tabelle 3.7 werden die Ansätze aus den Unternehmen F und C miteinander verglichen. In Unternehmen F wird dabei ein vertrauter und 543 544

Siehe hierzu die Ausführungen zum Faktor Interaktion mit internen Stakeholdern in Kapitel 3.2.4.3 (S144ff.). Siehe hierzu die Unterscheidungsmerkmale beim Scanning und Monitoring in Kap. 2.3.2 (S. 71ff.).

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

121

häufig anzufindender Ansatz genutzt. Unternehmen C hingegen hat mit Hilfe von Konzepten aus der Zukunftsforschung für seine Geschäftsanforderungen spezifizierte Leitkategorien entwickelt. Diese sollen ein holistischeres Bild des Unternehmensumfeldes ermöglichen.

Leitkategorien

Zugrunde liegende Fragen

Ansatz in Unternehmen F (inside-out) 1. User trends 2. Technology trends 3. Business trends

Ansatz in Unternehmen C (outside-in) 1. Relationships: family, friends, community 2. Self development and personal growth 3. Participation and control 4. Balance and well being

x What would people buy?

x What would people value?

x What user, technological or business trends may impact our business?

x What deeper structural change and systems transformation can release the potential of the new technologies, improve quality of life and be sustaining economically?

x Do we observe an issue in all three dimensions that could indicate a disruption?

Tabelle 3.7: Beobachtungsbereiche und Hauptkategorien in Unternehmen C und F Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

3.2.2.2 Analyse des Faktors aufbauorganisatorische Anbindung Hinsichtlich der aufbauorganisatorischen Anbindung strategischer Frühaufklärung stellten sich die untersuchten Unternehmen insbesondere die Frage, wo im Unternehmen Aktivitäten strategischer Frühaufklärung verortet und koordiniert werden sollten. Zunächst kann aus den Daten der Empirie geschlossen werden, dass es keine Ideallösung für diese Frage gibt. So zeigte sich, dass viele Unternehmen eine enge Anbindung an die strategische Planung als äußerst hilfreich empfanden; jedoch wurden auch andere Anbindungsmöglichkeiten als erfolgreich beschrieben. Gleichwohl stellte sich heraus, dass die Unterstützung des Top-Managements bei jedweder Form der aufbauorganisatorischen Anbindung sicher zu stellen ist, wie im weiteren Verlauf der Analyse noch näher beschrieben wird. In den untersuchten Unternehmen hängt die Verortung strategischer Frühaufklärung von den jeweiligen Zielen und Zielgruppen ab. Aktivitäten, die zur strategischen Planung des Unternehmens beitragen sollen, werden in einem entsprechenden Zentralbereich für Konzernentwicklung verankert. Trägt die Frühaufklärung zum Subsystem der strategischen Kontrolle bei, so zeigt sich in der Praxis eine Integration in den zentralen Bereich des Risikomanagements. Sollen durch Frühaufklärungsaktivitäten primär bestimmte strategische Leistungspotenziale unterstützt werden, scheint eine Anbindung an die jeweilige Zentraleinheit am besten geeinigt. Dies ist insbesondere für das Technologiemanagement festzustellen, wo die Aktivitäten zur strategischen Frühaufklärung sodann im Zentralbereich für Innovation verankert werden. Die Empirie zeigt ein eindeutiges Ergebnis: Neun der befragten Unternehmen haben ihre strategischen Frühaufklärungsaktivitäten in einem Zentralbereich verortet. Dabei wurden in drei Un-

122

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

ternehmen mittels additiver Einbindung eigenständige Abteilungen eingerichtet, in sechs Unternehmen werden die Aufgaben durch integrative Einbindung erweitert. Das explizite Betreiben eines dezentralen Beobachternetzwerkes konnte nur in zwei Unternehmen festgestellt werden. Lediglich ein Unternehmen folgt einem sekundärorganisatorischen Ansatz und hat ein bereichsübergreifendes Komitee gegründet. Damit sollen Trends, die in mehreren Unternehmensbereichen auftreten, identifiziert, gegenseitiges Lernen gefördert und die Ergebnisse in die Bereiche kommuniziert werden. Zudem setzen die Unternehmen für Issue-spezifische Monitoringaktivitäten zum Teil Frühaufklärungszirkel ein.545 Unternehmensweite Aktivitäten, die darauf abzielen, bereichsübergreifend Nutzen zu erzielen, sind schwer zu betreiben und nur in Ausnahmefällen erfolgreich. Aufgrund der Komplexität großer multinationaler Konzerne sind gegebenenfalls mehrere Frühaufklärungssysteme zu betreiben. So zeigte sich, dass bei den untersuchten Unternehmen Divisionen und Tochterunternehmen zum Teil ihre eigenen Aktivitäten durchführen. Wenn sich ein Unternehmen für einen zentralisierten Ansatz entscheidet, ist es äußerst wichtig zu beachten, dass alle Geschäftseinheiten davon profitieren. Dies ist bei uns auch die größte Herausforderung. Da wir ein zentrales Komitee eingesetzt haben, erhalten die Geschäftseinheiten ca. 90 % an Issues, die für sie keine Relevanz haben. (Unternehmen D)

Zunächst scheint es auf jeden Fall sinnvoll, die Geschäftsbereiche zu identifizieren, die durch strategische Umweltveränderungen besonders betroffen sein werden. Des Weiteren weisen die Daten der Empirie deutlich darauf hin, dass eine möglichst hohe Verankerung in der Hierarchie angestrebt werden sollte. Dies zeigt sich besonders deutlich in folgender Aussage: Most companies have difficulties because their early awareness activities are not high enough in the hierarchy. If you only locate it within marketing research, it will not work. We do have a direct reporting line to our CEO. (Unternehmen I)

Zwei der befragten Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre strategische Frühaufklärung umstrukturiert (Unternehmen F und G). Während in Unternehmen F der Wechsel aus der Konzernforschung in die strategische Planung erfolgte, wechselte die strategische Frühaufklärung in Unternehmen G von der Konzernentwicklung in die Konzernforschung.

545

Siehe zum vorhergehenden die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.2 (S. 78ff.).

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

Wechsel der SFA Gründe

Unternehmen F Von F&E zur Konzernplanung

Unternehmen G Von Konzernplanung zur F&E

x personelle Veränderungen; Entscheidung des neuen Management

x Chefstratege konnte keinen konkreten Mehrwert der SFA erkennen

x Verbesserung des allgemeinen Geschäftsklimas x vernetzte, zukunftsorientierte Unternehmenskultur Wirkung

123

x bessere Strategieanbindung x zeitliche Perspektive auf 3-5 Jahren (zuvor 5-7 Jahre)

x bürokratische Strukturen (aufgesetzt mit Hilfe von Beratern und Wissenschaftlern) x keine Erfahrungen und Erfolgsgeschichten zu SFA im Untenehmen vorhanden x keine Vorstandsunterstützung x interne Wahrnehmung, dass konzernweite SFA gescheitert ist x Erzielung größeren Mehrwertes in F&E

Tabelle 3.8: Fallvergleich. Wechsel SFA von F&E zur Planung und umgekehrt Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Dieser Fallvergleich illustriert eine grundsätzliche Herausforderung bei der Institutionalisierung strategischer Frühaufklärung: Wird die Frühaufklärung auf Ebene einer funktionalen Zentraleinheit angesiedelt, ist es wahrscheinlich, dass ein Nutzen für die entsprechende Einheit geschaffen wird. Jedoch wird wenig Aufmerksamkeit des Vorstandes auf sich gezogen und Erkenntnisse werden kaum in die Strategieentwicklung einfließen. Andererseits vermag eine Frühaufklärung auf Konzernentwicklungsebene unternehmensweite Entscheidungen zu beeinflussen und Vorstandsentscheidungen zu unterstützen. Allerdings erfolgt dies zumeist auf Kosten der langfristigen Zeitperspektive, damit eine Anbindung an die strategische Planung praktikabel und der Nutzen der Frühaufklärung erkennbar wird. Die Gesprächspartner in Unternehmen G haben die Umstrukturierung der strategischen Frühaufklärung als einen Misserfolg für einen zentralen unternehmensweiten Ansatz bewertet. Das System ist mit externer Unterstützung (Unternehmensberatungen und Kooperation mit Universitäten) initiiert worden. Es wurden umfassende Konzepte entwickelt und ein Netzwerk an Informanten (Scannern) aufgebaut. In der Untersuchung zeigte sich, dass der Ansatz insbesondere aus folgenden Gründen gescheitert ist:

124

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

x Aufbau bürokratischer Prozesse (bspw. bezüglich der Dokumentation schwacher Signale) x hohe Erwartungshaltung der Unternehmensführung hinsichtlich schneller und sichtbarer Ergebnisse x binnenorientierte Unternehmenskultur x zu ambitioniertes Vorgehen bei der Beobachtungssphäre: Neben der üblichen externen Sphäre (Makro- und Mikroumfeld) war auch von Anfang an intendiert, unternehmensinterne Signale aufzuspüren In Tabelle 3.9 werden weitere Organisationsmöglichkeiten strategischer Frühaufklärung illustrativ aufgezeigt. Unternehmen I stellt ein Beispiel für ein Untenehmen dar, dem es gelungen ist, eine Langfristperspektive in die strategische Planung zu integrieren. Das Unternehmen entwickelt regelmäßig Szenarien und setzt diese konsequent auf verschiedenen Planungsebenen ein. Die strategische Frühaufklärung ist verankert in der Konzernentwicklung. Die ausführende Abteilung ist dabei für folgende Aufgaben verantwortlich: Scanning und Monitoring des Makroumfeldes Æ Competitive Intelligence Analysen Æ Abgleich mit Unternehmensstrategie Æ Integration der Erkenntnisse in den Planungsprozess. Unternehmen D hat ein strategisches Frühaufklärungskomitee in der Konzernentwicklung institutionalisiert. Ziel ist, relevante Trends zu identifizieren, zu gruppieren und zu bewerten. Das Komitee trifft sich vierteljährig. Es besteht aus 15 Mitgliedern verschiedener Unternehmensbereiche, z.B. Unternehmenskommunikation, Technologiemanagement, Marketing, Public Affairs. Das Unternehmen beauftragt ein renommiertes Forschungsinstitut damit, dreimal jährlich unternehmensbezogene Trendstudien zu verfassen. Unternehmen H verbindet implizite mit expliziten Elementen strategischer Frühaufklärung. Frühaufklärungsaktivitäten werden zunächst von jedem Underwriter wahrgenommen, gehen über in das Wissensmanagement und münden schließlich im integrierten Risikomanagement. Mit rechtlichen und umweltbezogenen Issues beschäftigen sich spezifische Abteilungen. Das integrierte Risikomanagement agiert als Verteiler und koordiniert die Aktivitäten. Es greift emergente Issues auf, bewertet die möglichen Wirkungen auf die Geschäftsbereiche und kommuniziert Erkenntnisse an die relevanten Stellen. Tabelle 3.9: Fallvergleich von Organisationsmöglichkeiten SFA Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Abschließend ist festzustellen, dass die vorrangig in der Literatur ausgesprochene Empfehlung einer kombiniert zentral-dezentralen Organisationsform wie zuvor aufgezeigt nur in zwei der untersuchten Unternehmen betrieben wird und somit ein Widerspruch zur Literatur gegeben ist. Dabei wirken die dezentral integrativ eingebundenen Mitarbeiter bei der Ausführung der Aufgabe der Erfassung schwacher Signal jedoch nur unterstützend. Eine vollständige Delegation wird nicht praktiziert.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

125

3.2.2.3 Analyse des Faktors Strategieanbindung Unter dem Faktor Strategieanbindung soll die Anbindung von Aktivitäten strategischer Frühaufklärung an die Unternehmensstrategie verstanden werden. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass die Unternehmen Schwierigkeiten haben, Frühaufklärungsaktivitäten mit der strategischen Planung zu verzahnen. Als Hauptursachen sind dabei die Charakteristika strategischer Umfeldveränderungen zu nennen. Identifizierte Issues sind entsprechend schlecht-strukturiert, qualitativ und äußerst schwer zu operationalisieren. Umso mehr erscheint es den befragten Unternehmen essenziell, sich um eine adäquate Strategieanbindung zu bemühen. In folgenden Bereichen haben die Unternehmen versucht, diese Hürde zu nehmen. Bereich Planung

Ansatz Integration SFA in den strategischen Planungsprozess des Unternehmens

Beispiele / Zitate x “We are testing our balanced scorecard against mega-trends and wildcards.” x “The latest findings of early awareness are integrated in the annual budget cycle.” x “All our investment proposals need to show how robust they are against the scenarios.”

Organisation

Unternehmensweite Anbindung SFA in den Strategieeinheiten Integration SFA in die Anreizsysteme Geschäftseinheiten Zielgruppenspezifische Aufbereitung der Ergebnisse

x “In all our business units, a strategic planning unit including early awareness exists.”

x “Our scenarios are operationalized into regional and country scenarios.” x “Relate issues to the key performance indicators of business units.” x “Die Erkenntnisse aus der Früherkennung werden den Bedürfnissen der Einheiten weltweit angepasst.”

Training

Aufnehmen des Themas SFA in Personalentwicklung

x “Strategie und Frühaufklärung sind wesentliche Elemente unserer Führungskräfteentwicklung.”

IT

Entwicklung von Datenbanken zur Unterstützung bei der Identifikation und Dokumentation schwacher Signale Verteilung und Nutzung der Ergebnisse durch IT-Netze

x “Our IT processes are enabling early awareness activities.”

Tabelle 3.10: Ansätze zur Strategieanbindung SFA Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Während die Mehrheit der Befragten die Relevanz einer engen Verknüpfung von Frühaufklärung und Unternehmensstrategie betonte, wies eine Minderheit darauf hin, dass eine gewisse Distanz auch von Wert sein kann: Wir [SFA-Einheit in F&E, Anm. des Verf.] sind ein komplementäres Element im Strategiebildungsprozess. Wir haben die Möglichkeit über das Tagesgeschäft hinauszuschauen und Zukunftsprozesse zu betrachten. Wir haben früher enger mit der Strategie zusammen gearbeitet. Das lag ins-

126

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung besondere daran, dass wir menschlich gut miteinander konnten. Heute ist das nicht mehr so, ist aber für uns auch nicht notwendig. In einem großen Unternehmen wird die Strategie ja nicht an einem einzigen Ort gemacht. (Unternehmen A)

Unternehmen F und I stellen Beispiele für Unternehmen dar, die ihren Angaben zufolge funktionierende Prozesse entwickelt haben, um langfristige Entwicklungen mit der kurz- und mittelfristigen Zukunft zu verzahnen. Abbildung 3.5 illustriert die Strategieanbindung strategischer Frühaufklärung in Unternehmen F. Die rollierende Planung für den Strategiezyklus (der für drei Jahre gültig ist) erfolgt von Januar bis März; jährlich erfolgt eine Anpassung. Die Strategieplanung nutzt dabei die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung. Jährlich zwischen Oktober und Dezember werden die Frühaufklärungserkenntnisse dem Top-Management präsentiert. Die Abbildung zeigt dabei, wie sich der Prozess aufbaut und Issues fokussiert werden. Die sog. Agenda 2013 präsentiert dabei ein Zukunftsbild des Unternehmens, das auf vielfältigen Annahmen beruht. Mit Hilfe der strategischen Frühaufklärung werden daraus Trends identifiziert, die sich nach Angabe von Unternehmen F in ca. 50% der Fälle realisieren. Die Ergebnisse fließen als Input in das sog. Business Environment Outlook (BEO), einem auf Prognosen basierenden Instrument, auf das der Strategiezyklus zurückgreift. Prognosen im BEO realisieren sich in ca. 95% der Fälle. Nähere Ausführungen zum BEO wurden aus Vertraulichkeitsgründen nicht getätigt.

Agenda 2013, F&E-Aktivitäten, „big picture“ Strategische Frühaufklärung BEO (Business Environment Outlook) Strategiezyklus Produkte

t +7J

5-7J

3-5J

3M – 3J

Heute

Abbildung 3.5: Strategieanbindung SFA in Unternehmen F Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Unternehmen I nutzt in großem Umfang die Szenariotechnik. Der Ansatz wird in Tabelle 3.11 beschrieben.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

127

Managemententscheidungen zu operationalen Themen weisen häufig einen Zeithorizont von bis zu zwei Jahren auf. Um die Brücke zur langfristigen Zukunft zu spannen, nutzt Unternehmen I die Szenariotechnik. Dazu werden zuerst drei Szenarien entwickelt. Zweitens werden mögliche und konsistente Pfade von heue in die alternativen Zukünfte entwickelt. Drittens definiert das Unternehmen Indikatoren, die darüber Auskunft geben sollen, ob ein bestimmter Pfad eingeschlagen worden ist. Daraufhin scannt das Unternehmen I das Umfeld nach schwachen Signalen und vergleicht diese mit den definierten Indikatoren, um herauszufinden, welchem Szenario man sich nähert. Dabei ist wichtig zu berücksichtigen, dass sich die Entwicklung

nie

vollständig

in

einem

Szenario

vollzieht.

Ein

übliches

Verhältnis

ist

nach

Unternehmensangaben 60/40. Diese Strategie ermöglicht dem Unternehmen sich besser auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten, da bereits über Reaktionen zu möglichen Ereignissen nachgedacht worden ist (z.B. Markteintritt oder Marktaustritt). Unternehmen I zufolge können so Zeitgewinne realisiert werden. Ein Vorstandsmitglied hat dies wie folgt formuliert: “Early awareness allows me to read the daily newspaper in a new way.” Tabelle 3.11: Fallillustration Strategieanbindung in Unternehmen I Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Kurzfristigkeit als Hemmnis für Strategieanbindung Neben der qualitativen Natur der Issues nehmen die Unternehmen übereinstimmend den Aspekt der Kurzfristigkeit als wesentliches Hemmnis für eine Strategieanbindung strategischer Frühaufklärung wahr. Als Treiber für diese Entwicklung wurden die folgenden Argumente genannt: 1. Der Kapitalmarkt und die vierteljährige Berichterstattung dominieren die Unternehmensstrategie. 2. Die wirtschaftliche Stagnation der vergangenen Jahre hat Unternehmen veranlasst, sich auf Kostensenkungen und Prozessoptimierung zu konzentrieren. 3. Die Geschwindigkeiten von Transaktionen nehmen mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu. 4. Insbesondere in Nicht-Eigentümer geführten Unternehmen steht das Principal-AgentProblem546 der Integration einer langfristigen Perspektive entgegen. Kurzfristige Anreize für Top-Manager konfligieren zumeist mit Aspekten strategischer Frühaufklärung. Die beiden zuletzt genannten Argumente werden durch nachfolgende Zitate verdeutlicht:

546

Unter dem Principal-Agent-Ansatz wird das Verhältnis zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer diskutiert. Zu Problemen kann es kommen, wenn der Auftragnehmer (z.B. Management) nicht im Sinne des Auftraggebers (z.B. Aktionär/Eigentümer) handelt. Vgl. Bea / Haas (2005), S. 384.

128

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung Ziele der Manager in börsennotierten Unternehmen sind kurzfristig orientiert. Dies macht einen enormen Unterschied zu eigentümergeführten Unternehmen. Die Ziele von Managern sind andere als im langfristigen Interesse des Unternehmens stehen. Angestellte Manager behindern eine langfristige Sicht. Deshalb versuchen wir oft, die Umsetzer zu gewinnen. Die sind oft unter Abteilungsleiterebene. (Unternehmen A) Who becomes in our current times the manager of a company? Twenty years ago, it was the strategists and long-term thinking people. This changed in the last five to ten years. Managers today are efficient and brutal; they focus on cost reduction, shareholder value and fulfill short- to mediumterm goals. This is also due to our new communications technologies. In times without e-mail, managers had more time. Today, our directors are working 7 days a week, 14 hours a day. They need to respond to issues from all over the world. If something happens in Nigeria, our CEO will be contacted and not the local executives. (Unternehmen I)

3.2.2.4 Analyse des Faktors Aufgabenträger Der vierte strukturelle Faktor, Aufgabenträger, wird entlang der folgenden vier Aspekte analysiert: (a) Personalbedarf und -auswahl, (b) Personaleinsatz, (c) Personalmotivation und (d) externe Unterstützung. Personalbedarf und -auswahl Die empirische Untersuchung hat aufgezeigt, dass verschiedene Ansätze, Personal zu allozieren, erfolgreich sein können. Auffallend ist dabei, dass in fast allen Unternehmen die gleichen Anforderungen an die mit strategischer Frühaufklärung betrauten Mitarbeiter gestellt werden: (1) Zunächst ist bei den auszuwählenden Mitarbeitern darauf zu achten, dass sie die Fähigkeit zum kreativ-intuitiven Denken aufweisen. Diese Fähigkeit ist im Umgang mit strategischen Umfeldveränderungen, die schlecht-strukturiert und qualitativer Natur sind, unerlässlich. (2) Da der Wertbeitrag strategischer Frühaufklärung nur schwer zuzuordnen ist, bedarf es zweitens der Auswahl von Leistungsträgern. Von ihnen wird die Ausführung einer Spezialaufgabe verlangt, für die es wenig Routine und vordefinierte Lösungswege gibt. (3) Eine heterogene Zusammenstellung des Frühaufklärungsteams soll schließlich dazu beitragen, sog. Blind Spots zu reduzieren. Die Risikoperzeption ist abhängig von den ausgewählten Mitarbeitern. Deshalb achten die Unternehmen auf eine hohe Diversität (z.B. bezüglich Ausbildung, Kultur, Alter, Geschlecht). Insbesondere in den Unternehmen E, F und I erfolgt die Personalauswahl nach diesem Ansatz. It is critical to engage the right people. They need to be recruited intelligently. We need the right mix, different ages and sparkling personalities. Teamwork is key. (Unternehmen I)

In der Literatur zur strategischen Frühaufklärung werden keine Aussagen über den Einfluss persönlicher Wertvorstellungen der Aufgabenträger auf die Ausführung der Aufgabe getroffen.547 Jedoch zeigen Untersuchungen im Bereich des Issues Managements auf, dass „das individuelle Wertesystem der Manager Einfluss auf das Monitoren, Interpretieren und Bewer547

Vgl. Lichtenthaler (2002), S. 47, der diese Aussage stützt.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

129

ten von Issues hat“548. Es wird dabei für heterogene Managementteams geworben, was mit den Ergebnissen der vorliegenden Forschungsfallstudie übereinstimmt. In Unternehmen F existieren ein wohldefinierter Personalauswahlprozess und eine Personalentwicklung für die Frühaufklärungsstellen. Die interviewten Personen merkten diesbezüglich an, dass auf diese Weise einerseits ein intensiver Lernprozess und andererseits gute Frühaufklärungsergebnisse erzielt werden können. The team is set up of four to six people with different backgrounds. The recruitment is like in a consultant company. Your analytical thinking and your creativity are assessed. People work within the team for two years: In the first year you learn how to do it, in the second year you leverage your experiences. In the first year somebody from the second year coaches you. (Unternehmen F)

Personaleinsatz Die empirischen Daten zeigen bezüglich des Personaleinsatzes Unterschiede in drei Dimensionen auf: (1) Einsatz von Personal aus der jeweiligen Branche vs. Einsatz von ForesightExperten549, (2) Zuweisung der Aufgabe für eine befristete, kurze Periode (durchschnittlich bis zu zwei bis drei Jahren) vs. Zuweisung der Aufgabe für eine unbefristete, lange Periode (mehr als drei Jahre) und (3) Ausführung der Aufgabe in Vollzeit, Teilzeit oder auf einer ad-hoc Basis.

Ad-hoc

ku rz fri st ig

Branchenexperten

Foresightexperten

La ng fri st ig

Teilzeit Vollzeit

Abbildung 3.6: Dimensionen des Personaleinsatzes für strategische Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

548 549

Ingenhoff (2004), S. 115. In Abgrenzung zum Branchenexperten bietet es sich hier an, den Begriff des Foresight-Experten zu nehmen. Darunter soll diejenige Person verstanden werden, die eine Methodikexpertise im Bereich Zukunftsforschung und -gestaltung aufweist.

130

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Die Interviews haben fünf dominierende Kombinationen ergeben: Personaleinsatz zur SFA

Foresight-Experten

Langfristig Vollzeit A, C

Branchenexperten

Kurzfristig Vollzeit

Langfristig

Kurzfristig Vollzeit

I

F Teilzeit

Ad-hoc

B, E, G, H

D, J

Abbildung 3.7: Kombinationen zum Personaleinsatz SFA Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Zunächst steht für ein Unternehmen die Entscheidung an, ob mit der Aufgabe Experten im Foresight-Bereich betraut oder ob Mitarbeiter mit Branchenexpertise ausgewählt werden sollen. Die empirischen Daten zeigen auf, dass beide Möglichkeiten in der Unternehmenspraxis genutzt werden: Most team members have an industry-specific background. We need people who understand the business. (Unternehmen B) Wir rekrutieren keine Mitarbeiter aus unserem Konzern. Wir wollen vielmehr vielfältigen externen Input erhalten. (Unternehmen A)

Zu den Entscheidungen, welchen Umfang der Arbeitszeit die Aufgabe einnimmt und für welche Zeitperiode diese übertragen wird, konnte folgendes festgestellt werden: Der Einsatz von Foresight-Experten geschieht in Vollzeitstellen. Unternehmen A und C setzen dies in eigenständigen Frühaufklärungsabteilungen um; die Mitarbeiter arbeiten dabei langfristig für das Thema. Unternehmen I operiert auch mit Vollzeitstellen, jedoch zeigte sich, dass die Mitarbeiter nur für eine kurzfristige Zeit die Stellen besetzen. Die Zeitdauer von einem bis zwei Jahren entspricht dabei der Dauer der Szenarioerstellung. Zum Teil werden für diesen Zweck Experten außerhalb des Unternehmens angeworben. Beim Personaleinsatz von Branchenexperten ergeben sich für die gewählte Stichprobe drei Varianten: Sofern der Einsatz für eine kurze Periode geplant ist, erfolgt eine Zuweisung der Frühaufklärungsaufgaben in Vollzeit (Unternehmen F). Bei langfristigem Einsatz werden die Aufgaben in Teilzeit (Unternehmen B, E, G,

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

131

H) oder bei Bedarf (Unternehmen D, J) bearbeitet. Einer der Befragten in Unternehmen F verdeutlichte, warum die Mitarbeiter nur für eine befristete Zeit eingesetzt werden: It is a lengthy and exhausting task. For instance, you have to travel quite a lot. It is not healthy if you do it too long. There is also the danger that you might want to push your own ideas so that you might not be open to new issues anymore. (Unternehmen F)

Unternehmen G hat die Schwächen der langfristigen Zuweisung von Aufgabenträgern zur strategischen Frühaufklärung erfahren. Eine interviewte Person schilderte diese wie folgt: Man darf es nicht zu lange machen. Ich habe es zehn Jahre lang gemacht. Irgendwann ist man nicht mehr offen. Man will sich immer weiter in die Zukunft entwickeln. Dann reichen fünf Jahre nicht mehr, dann zehn Jahre nicht mehr, dann 15 Jahre. Viele Leute, die lange dabei sind, sind sehr langfristig unterwegs, weil sie das inspiriert. Alles andere haben sie ja schon durchdacht. (Unternehmen G)

Personalmotivation Das Thema Personalmotivation ist vor allem für die Ansätze relevant, bei denen Frühaufklärung auf freiwilliger Basis als Zusatzaufgabe geschieht. Bei den vorhergehenden Ausführungen zum Personaleinsatz erfolgt die Personalmotivation über die gängigen Instrumente (u.a. Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen, Bewertungen). Die Frage nach der Anreizgestaltung stellt sich somit insbesondere bei den Mitarbeitern, die als Scanner verteilt über das Unternehmen nach schwachen Signalen Ausschau halten sollen. Wie bereits aufgezeigt, arbeiten zwei Unternehmen mit einem dezentralen Beobachternetzwerk. Dabei wurde ein entsprechendes internes Berichtswesen aufgebaut. Alle Mitarbeiter werden gebeten, in ihren Bereichen Umfeldveränderungen mitzuteilen. Aufgabe des Frühaufklärungsteams ist es, eine entsprechende Dokumentationsfunktion einzurichten und die eingehenden Informationen zu systematisieren. Als erfolgreich haben sich dabei die Ansätze herausgestellt, die äußerst geringe Hürden zur Teilnahme der Mitarbeiter aufzeigen. So ist hier beispielsweise eine telefonische Weitergabe von Informationen an die Frühaufklärungseinheit zu nennen. Dies setzt einen entsprechenden Bekanntheitsgrad der Einheit im Hause voraus. Auffällig ist, dass vor allem mit nicht-monetären Anreizen gearbeitet wird: Wir arbeiten mit nicht-finanziellen Anreizen, am Besten eignet sich Anerkennung. Da wir ein großes Unternehmen sind, möchte sich der einzelne Mitarbeiter aus der Menge hervorheben. Wenn jemand gute Ideen beiträgt, dann kann es einen Bericht mit Foto dazu in unserer Hauszeitschrift geben. Weiterhin bleiben wir in Kontakt mit der Person und geben Feedback, wie sich das Thema entwickelt. (Unternehmen E) We get about 500 ideas from our colleagues in the business units. They want their ideas to be developed; yet their bosses do not care, as the ideas do not link to their daily work. We collect them and if an idea has been prioritized, we ask if the nominee wants to do it. (Unternehmen F)

In einigen weiteren Unternehmen wird ebenso intern verteiltes Wissen zur Frühaufklärung hinzugezogen. Jedoch erfolgt dies weniger über ein institutionalisiertes Beobachternetzwerk als vielmehr über informelle Kontakte. Genutzt werden hierbei vor allem Mitarbeiter an ausländischen Standorten, die über Umfeldveränderungen vor Ort berichten.

132

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Externe Unterstützung Hinsichtlich einer externen Unterstützung strategischer Frühaufklärung kommt die empirische Untersuchung zu einer deutlichen Übereinstimmung: Der größte Anteil der Aufgaben wird mit internen Ressourcen erledigt. Der Nutzen externer Unterstützung beispielsweise durch Beratungen und Forschungsinstituten wird als äußerst gering eingeschätzt. Die folgenden drei Zitate verdeutlichen die skeptische Einstellung der interviewten Personen: Früherkennung kann man nicht einkaufen. Es ist kein Gut, was markthandelbar ist. Das versuchen uns allerdings die Berater weismachen zu wollen. Von den drei Stufen Erkennen, Verbreiten und Tun kann jemand Externes lediglich Input für die erste Stufe geben. Eine Beratung hat doch überhaupt keine Ahnung über das Unternehmen. Und ich will nicht, dass eine Beratung bei uns lernt, wie Grundsätzliches verläuft und das Wissen dann woanders verkauft. Wir haben den extremen Vorteil, dass wir Teil des Konzerns sind und als intern wahrgenommen werden. (Unternehmen A) We started to work with an IT supported early awareness system, proposed by a venture between blue chip IT and media organizations. Much of our motivation was to get a better understanding of what was being said about our business in weblogs. We signed a one-year contract, but did not renew it as it was expensive and we did not get much news. We have been quite disappointed. (Unternehmen J) Wenn man mit einem großen Informationsprovider zusammen arbeitet, stellt sich die Frage, wie differenziert die Ergebnisse ausfallen. Vor allem wenn das Forschungsinstitut in Großbritannien sitzt und man Informationen aus fernen Teilen der Erde benötigt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass man Informationen erhält, die man auch im Economist finden kann. Die Anzahl für uns relevanter Issues im gelieferten Bericht ist zu gering. (Unternehmen D)

Insgesamt betrachtet zeigt die Analyse des Faktors Aufgabenträger ein abweichendes Bild von der einschlägigen Literatur. Dabei spielen Teamstrukturen die wesentliche Rolle. In diesen werden häufig die Rollen des Fachpromotors, des Systemmanagers, des Scanners und des Monitorers gebündelt. Die Theorie hingegen präferiert – wie in Kapitel 2.3.2.3 (S. 84ff.) aufgezeigt – meist einzelne Personen, die Frühaufklärung als zusätzliche Aufgabe wahrnehmen sollen. 3.2.3

Analyse der kontextuellen Faktoren

3.2.3.1 Analyse des Faktors Top-Management Unterstützung Als wesentlichen Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung nannten alle interviewten Unternehmen die Unterstützung des Top-Managements. Wichtigster Erfolgsfaktor ist die Unterstützung durch das Top-Management. Das Früherkennungssystem muss auf Top-Management Ebene angesiedelt sein. Der Wille vom Vorstand muss da sein. Sie müssen daran glauben, dass ein solches System eine langfristige Investition darstellt. (Unternehmen E) Without the support of the top management, it would be difficult to run such an exercise. We are a cost center and the value is not that clear. The top management needs to give you the mandate for this task. We have visionary people on the board who believe that this exercise is of value. (Unternehmen F)

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

133

Eine nähere Betrachtung dieses Faktors zeigt auf, dass einige der untersuchten Unternehmen vor einer sog. Henne-Ei-Herausforderung stehen: Auf der einen Seite bedarf es der Unterstützung des Top-Managements, um Frühaufklärungsaktivitäten zu initiieren und zu legitimieren. Auf der anderen Seite muss die strategische Frühaufklärung nachweisbare Ergebnisse liefern, damit das Top-Management einen Nutzen sieht und die Unterstützung nachfragt. Eine der interviewten Personen in Unternehmen F schlägt für dieses Problem folgende Lösung vor: To overcome the chicken-and-egg problem, you need to start at the top. The management needs to understand the need for foresight activities and then you need to recruit a high performing team that delivers good results. (Unternehmen F)

Inwieweit der Unternehmensvorstand strategische Frühaufklärung als relevantes Strategieelement ansieht, bestimmt die unternehmensweite Wahrnehmung strategischer Frühaufklärung. Als unser neuer Vorstandsvorsitzender antrat, hatte er drei Prioritäten und eine davon war Früherkennung. Es bildet sich auch in unseren Zielvereinbarungen ab, dass wir ruhig auch mal esoterisch anmutende Themen dem Vorstand präsentieren. Themen müssen nicht immer quantifizierbar sein, Experteneinschätzungen sind meistens besser und seriöser als ausgedachte Zahlen. (Unternehmen H) Es ist auch eine Kulturfrage, ein Signal das damit gegeben wird. Zum Beispiel haben wir keine monetären Zielvorgaben und müssen keinen Wertbeitrag erbringen. Dies ist bewusst so vom Vorstand beschlossen worden. Die sind überzeugt davon, dass unsere Arbeit für das ganze Unternehmen relevant ist. (Unternehmen A)

Unternehmen I gelingt es, Vorstandsmitglieder frühzeitig zu integrieren. Prozess und Ergebnisse können so auf die Bedürfnisse angepasst werden: Top management must be part of the process from the very first moment. The main target group of our work are our executive directors. We report directly to the CEO. Before we start with our scenarios, we normally conduct interviews with senior decision makers in order to get and understand their mental models. These will become part of the scenario development. (Unternehmen I)

In den Fällen, in denen der Vorstand nicht die primäre Zielgruppe darstellt, ist es notwendig, den Nutzen der strategischen Frühaufklärung an das Top-Management zu kommunizieren. Dies kann entweder durch die Aufgabenträger selbst geschehen. Als wirkungsvoller wird es jedoch bewertet, wenn die Nutzer den Wert der Frühaufklärung von sich aus äußern. Solange die Abteilungen sagen: „Das wollen wir haben“ und es an den Vorstand kommunizieren, sieht es gut für uns aus. (Unternehmen A)

3.2.3.2 Analyse des Faktors Unternehmenskultur Der zweite Kontextfaktor ist eine offene Unternehmenskultur, die es erlaubt, mentale Modelle zu hinterfragen und festgefahrene Wege zu verlassen. Die Interviewpartner haben eine für Frühaufklärungsaktivitäten fördernde Unternehmenskultur als eine beschrieben, die Wandel gegenüber offen ist, Fehler zulässt und bei unerwarteten Entwicklungen flexibel reagiert. Diese Aussagen bestätigen die Ausführungen in Kapitel 2.3.1.1 (S. 65ff.). Weiterhin ist es unerlässlich, im Unternehmen regelmäßig an die Notwendigkeit und Relevanz einer strategischen Frühaufklärung zu erinnern. Gute Sichtbarkeit und großer Bekanntheitsgrad sind entsprechend

134

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

ausschlaggebend. Aktivitäten werden mittels Intranet, Hauszeitschriften und Veranstaltungen an die Belegschaft kommuniziert. Ziel ist dabei, den Mitarbeitern den Wert strategischer Frühaufklärung für die eigene Aufgabenerfüllung zu vermitteln. Einige der interviewten Unternehmen wiesen darauf hin, dass ihr Unternehmen zunächst einen Kulturwandelprozess durchlaufen musste, bevor Aktivitäten strategischer Frühaufklärung wirksam werden konnten. We started philosophy trainings with our top 1800 managers. It was about reinventing yourself, about the fact that it is acceptable to make mistakes. We mirror society and we do business in society. The company allowed more to express one’s own feeling. We were striving for an alignment of private life to the professional one. (Unternehmen B) Es werden kontinuierlich Erinnerungssignale benötigt. Das Früherkennungssystem muss Teil der Unternehmenskultur werden. Es muss den Kollegen per Intranet zugänglich sein, man muss darüber in der Mitarbeiterzeitschrift lesen können. (Unternehmen E)

Damit bestätigt sich die Annahme aus der Literatur, dass Unternehmen durchaus gezielt versuchen, die Unternehmenskultur zu verändern, um damit die Potenziale strategischer Frühaufklärung auszuschöpfen. In den Unternehmen A, C, E und I werden die Gedanken strategischer Frühaufklärung bereits seit langer Zeit umgesetzt. Die Befragten wiesen deutlich darauf hin, dass der Wert strategischer Frühaufklärung über die Jahre zunimmt und dass der Ansatz zunehmend im Unternehmen, seinen Prozessen und der Kultur, integriert wird. Dies illustriert Tabelle 3.12. Unternehmen A hat eine eigene Abteilung für strategische Frühaufklärung vor ca. 20 Jahren eingeführt. Diese agiert als internes Beratungsorgan. Neben internen Kunden wird die Abteilung regelmäßig von anderen Unternehmen (aus anderen Branchen) angesprochen und um Rat gebeten, wie effektive Strukturen und Prozesse für Frühaufklärung aufgesetzt werden können. Unternehmen C hat seine Aktivitäten vor ca. zehn Jahren begonnen. Das Unternehmen war damals sehr technologiegetrieben und gut bei der Entwicklung von Technologielösungen. Jedoch war es schwierig, für die Produkte einen Markt zu finden. Inzwischen hat sich dies zu einer ganzheitlicheren Herangehensweise gewandelt. Strategische Frühaufklärung ist heute wesentliches Element des Technologiemanagements. Unternehmen E hat eine strategische Frühaufklärung vor ca. zehn bis zwölf Jahren eingeführt. Diese war zunächst auf einige Unternehmensbereiche beschränkt. Zurzeit steht die Expansion des Systems auf Konzernebene an. Dies impliziert eine Ausweitung auf alle Geschäftseinheiten und eine globale Implementierung. Unternehmen I hat seit mehr als 30 Jahren Erfahrungen mit strategischer Frühaufklärung gesammelt. Häufig bedient die Frühaufklärungseinheit auch Kunden aus dem öffentlichen Sektor. Die Mitarbeiter beraten internationale Institutionen und entwickeln gelegentlich Szenarien zu Issues wie Wasserknappheit, Armut und HIV/Aids. Tabelle 3.12: Fallübergreifende Analyse. Erfahrungen und Erfolge mit SFA Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

135

Selbstwahrnehmung strategischer Frühaufklärung Die Interviews haben gezeigt, dass strategische Frühaufklärung in den Unternehmen unterschiedlich verstanden und wahrgenommen wird. Während einige Befragte einen wohldefinierten Prozess als ein strategisches Frühaufklärungssystem beschrieben, erklärten andere Interviewpartner bereits allgemeinere Aktivitäten in ihren Bereichen als adäquaten Beitrag. Unser Fachbereich [Nachhaltigkeitsmanagement, Anm. des Verf.] ist schon immer tätig gewesen als Früherkennungssystem, indem wir Themen wie Klimawandel oder kritische Aspekte in der Supply-Chain thematisiert haben. (Unternehmen G) Man muss trennen zwischen Alltagsfrüherkennung und institutionalisierten Ansätzen. Viele von uns machen Früherkennung als Teil ihres Jobs. Es gibt nicht das eine Früherkennungssystem in einem so großen Konzern. (Unternehmen A)

Daraus folgt, dass zwischen einer impliziten und einer expliziten Dimension strategischer Frühaufklärung zu unterscheiden ist. Dimension Charakteristika

Vorteile

Herausforderungen

Implizite SFA

Explizite SFA

x SFA ist Teil der Alltagsaufgaben

x wohldefinierte Prozesse

x Komponente eines guten Managements

x strukturell eingebettet

x SFA als Selbstverständlichkeit

x Sichtbarkeit im Unternehmen

x Teil der Unternehmenskultur

x zugeteilte Ressourcen

x Beitrag zur langfristigen Ausrichtung des Unternehmens

x definierte Berichtswege

x Allgemeine Akzeptanz und Relevanz

x Kreieren einer offenen SFA-Kultur

x Interne Legitimität

x Motivation der Beteiligten

x Strategieanbindung Tabelle 3.13: Implizite und explizite Dimension strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Dieser Vergleich zeigt auf, dass sowohl strukturell-prozessuelle als auch kulturelle Aspekte essenziell sind. Einerseits ist es notwendig, eine adäquate aufbauorganisatorische Anbindung und Strategieanbindung zu gewährleisten, anderseits darf die Rolle des Menschen und die Relevanz menschlicher Interaktion nicht vernachlässigt werden. Wir sehen uns als lebendes und gelebtes Früherkennungssystem. Lebend heißt aus Menschen bestehend, die die Früherkennung machen und gelebt, da Ergebnisse im Unternehmen genutzt werden und weiter bearbeitet werden. In vielen Theoriebüchern wird Früherkennung als etwas Technisches beschrieben, was nur richtig im Unternehmen implementiert werden müsste und dann würde es von alleine laufen. Das funktioniert aber nicht: Die Autoren sind nie von der Uni weg gewesen und haben gesehen, wie es in der Praxis läuft. (Unternehmen A).

136

3.2.4

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Analyse der prozessuellen Faktoren

3.2.4.1 Analyse der Faktoren Erfassung und Bewertung Wie bereits erwähnt zielt die Untersuchung nicht auf eine Analyse der eingesetzten Instrumente. Entsprechend stehen bei den folgenden Ausführungen die Herausforderungen für ein erfolgreiches Management der Phasen Erfassung und Bewertung zukünftiger Chancen und Gefahren im Vordergrund. Erfassung Die Empirie kommt zu dem Ergebnis, dass wesentliche Herausforderung im Prozess der strategischen Frühaufklärung die Wahrnehmung neuer, und daher unbekannter Issues ist. Hier bestehen in der Praxis nur begrenzt Möglichkeiten, einen strukturierten Prozess aufzubauen. Die Herausforderung ist, dass wir nicht wissen, wonach wir suchen. Wir scannen unsere Umwelt. Das ganze ist nicht automatisierbar. Es gibt keine Struktur, die gewinnen wir erst über die Zeit hinweg. Wir versuchen durch Menschen rechtzeitig Veränderungen zu identifizieren. (Unternehmen A) We constantly create new methods for new problems. (Unternehmen C)

Dieses mit der Literatur übereinstimmende Dilemma wird in Tabelle 3.14 vertieft. Die Tabelle illustriert die Ansätze in den Unternehmen A und B, welche auf strukturierten Kommunikationsprozessen beruhen.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

137

In Unternehmen A existiert eine ausgereifte Frühaufklärung. Die Frühaufklärungseinheit ist seit zwei Jahrzehnten präsent und vereint extensives Wissen zu Instrumenten der Frühaufklärung und Zukunftsforschung. Eine Analyse der Imagebroschüre der Abteilung offenbart ein umfangreiches Portfolio von Instrumenten. Jedoch betonten die befragten Personen in Unternehmen A, dass Kommunikation der ausschlaggebende Erfolgsfaktor sei. Es gibt keinen wohldefinierten Prozess. Ich habe hier zwei Karteikästen von Visitenkarten neben mir. Networking ist für meine Arbeit am Wichtigsten. Ich treffe diese Menschen und tausche mich mit ihnen aus. Zudem lese ich. (Unternehmen A) Unternehmen A bezeichnet diese Herangehensweise als strukturierten Kommunikationsprozess. Die Mitarbeiter treten mit Stakeholdern in Dialog und erfassen die Erkenntnisse aus den Gesprächen. Die Befragten im Unternehmen A wiesen darauf hin, dass strategische Frühaufklärung vor allem eine Frage der Unternehmenskultur ist. Unternehmen B ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das sich zur Erfassung schwacher Signale hauptsächlich auf Dialoge verlässt. Es werden keine Szenarioanalysen oder andere Instrumente eingesetzt. Dies ist nach Aussage der Befragten zu zeit- und ressourcenintensiv. Unternehmen B steht in einem kontinuierlichen Austausch mit ca. zehn Nichtregierungsorganisationen (NGO’s). Davon werden mit zwei Organisationen enge Arbeitsbeziehungen aufrecht gehalten. Dieser Ansatz spiegelt sich in folgendem Zitat wider: We simply absorb what happens outside. We see our stakeholders as partners. We do active engagement. We never develop a policy in isolation. (Unternehmen B) Tabelle 3.14: Dialog als Kernelement zur Wahrnehmung von Issues in Unternehmen A und B Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Damit bestätigen sich die theoretischen Überlegungen von GÖBEL, die für eine Anwendung des Stakeholderansatzes und damit verbunden für einen direkten Dialog plädiert.550 Die Instrumente zur Erfassung schwacher Signale in der Praxis sind vielfältig und spiegeln gut das in der Literatur aufgezeigte Bild wider. Auffällig ist dabei, dass die meisten der untersuchten Unternehmen die Szenariotechnik nutzen. Auswertungen von Zeitschriften, Teilnahme an Think Tank-Veranstaltungen und Durchführung von Experteninterviews sind darüber hinaus häufig genannte Ansätze. Informelle Quellen spielen dabei die wesentliche Rolle, was mit den Annahmen in der Literatur einhergeht.551 Unterschiede zwischen den Unternehmen konnten in der Intensität ihrer Aktivitäten festgestellt werden. Das Kontinuum reicht dabei von ad-hoc stattfindenden und zeitlich befristeten Aktivitäten über einen periodisch wiederkehrenden Prozess (zumeist jährlich) bis hin zu einem kontinuierlichen Scanning und Monitoring, welches teils gerichtet, teils ungerichtet erfolgt.

550 551

Vgl. Göbel (1995), S. 66 und die Ausführungen in Kapitel 2.2.1.3 (S. 49ff.). Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.1 (S. 72ff.).

138

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Ad-hoc

Befristet

Periodisch

Kontinuierlich

Intensität der Aktivitäten

Abbildung 3.8: Intensität der Aktivitäten zur Erfassung schwacher Signale Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Die empirischen Daten weisen darauf hin, dass hinsichtlich des Projektionszeitraumes keine einheitliche Festlegung erfolgt. Viele beobachtete Issues liegen jenseits des strategischen Planungsprozesses, eine Mehrzahl von ihnen zwischen fünf und zehn Jahren in der Zukunft. Auffallend ist dabei, dass langfristige Veränderungen an Bedeutung gewinnen. Sie sind unter zunehmender Beobachtung der Unternehmen. Eines der teilnehmenden Unternehmen hat diesen Wandel in seinem Unternehmensclaim niedergeschrieben und setzt somit ein deutliches Signal: “Instead of just the next quarter, how about the next quarter of a century?” Zudem ist festzuhalten, dass die zeitliche Perspektive sehr stark vom Produktlebenszyklus der jeweiligen Branche abhängt. So wurde in der Automobilbranche der Lebenszyklus eines Autos bei fünf bis sieben Jahren gesehen. Entsprechend wird in der strategischen Frühaufklärung dieser Zeithorizont berücksichtigt, um mittel- bis langfristige Veränderungen zu identifizieren. In der Energiebranche wiesen die Interviewpartner darauf hin, dass die Zukunftsperspektive zum Teil bis zu 50 Jahre umfassen kann. In Tabelle 3.15 werden Hemmnisse illustriert, die bei der Erkennung schwacher Signale auftreten können.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

139

Hemmnis

Beispiel / Zitat

Formalisierungsgrad

„Wir wurden mal in den achtziger Jahren von [einem globalen Textilunternehmen] angefragt, ein Früherkennungssystem bei denen zu installieren. Die hatten vor, mit standardisierten Zetteln zu arbeiten, auf denen die Mitarbeiter in definierten Kategorien Auffälligkeiten eintragen sollten. Das ganze war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Es wäre eine große Bürokratie entstanden. Entweder die Mitarbeiter hätten gar nichts ausgefüllt, weil es so kompliziert war, andere hätten vielleicht all ihre Zeit in das Ausfüllen der Zettel gesteckt, weil sie sehr genau sind.“ (Unternehmen A)

Beobachtungsbereich

„Most risky is framing things too narrowly when dealing with early awareness. Take the example of a German company, in the late eighties. It developed three scenarios: One elaborated a potential German re-unification. It did not use this scenario, as it perceived the probability to be too low. Then, it happened.” (Unternehmen I) „The credibility of the system also includes failures. If we got 100% right, people would claim that our scope had been too narrow. On the other hand, if we look too broad into the future, we get too many mistakes. We need a good balance of success and failures to ensure a high credibility.” (Unternehmen F)

Erfolgsblindheit

„Es ist nicht hilfreich, wenn man das einzige Unternehmen ist, das zukünftige Risiken wahrnimmt. Hat man materielle Risiken identifiziert und berücksichtigt diese in den Versicherungsprämien, könnte der Kunde zu einem Wettbewerber gehen, der bislang noch nicht nach dem Risiko geschaut hat und dessen Prämien entsprechend niedriger liegen.“ (Unternehmen E) „Eine weitere Hürde ist jahrelanger Erfolg. Wenn man nie ein Problem hat, sieht man auch weniger einen Sinn in Foresight.“ (Unternehmen A)

zu frühe oder zu

„You should not be too early! You cannot make innovation in isolation. We will only be

späte Wahrneh-

successful and have a business impact if several parties figure out the same trends. There

mung

is the saying, “if you don’t have competitors, you don’t have a business case.” You need to know your competitors. Then the customer knows what you do. You must seek for the right time - not too early and not too late.” (Unternehmen F)

nichtlineare Entwicklung

„The time line is not a linear development to the future. While the picture of the longterm future is quite clear, the middle-term perspective is hard to foresee. Many ways lead to Rome! This challenges us.“ (Unternehmen F)

Übersetzung in Sprache

„Ein Grundproblem ist, dass der Mensch alles, was er erkennt, in Sprache übersetzt, um es handhabbar zu machen. Sprache spielt eine große Rolle. Wir sehen nur das, was einen Namen hat. Beispielsweise machen wir mit SMS das Phänomen greifbar, dass man Textnachrichten auf ein Mobilfunkgerät schicken kann.“ (Unternehmen A)

Tabelle 3.15: Illustration von Hemmnissen bei der Erkennung schwacher Signale Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Bei einer Betrachtung des Hemmnisses des Formalisierungsgrades ist die Arbeit mit den in der Literatur vorgeschlagenen Trendmeldungsformularen somit kritisch zu bewerten. Die Praktiker

140

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

betonten, dass dem Entstehen bürokratischer Abläufe entgegengewirkt werden muss. Die Suche nach dem Neuen kann leicht dazu führen, alle möglichen Umfeldveränderungen detailliert festhalten zu wollen. Nichtsdestotrotz spielt die intelligente Dokumentation eine wichtige Rolle. Dafür sind jedoch wie zuvor aufgezeigt vielmehr die Hauptaufgabenträger verantwortlich als diejenigen Mitarbeiter, welche lediglich eine Beobachtung weiterleiten. Der Einsatz von Datenbanken zur Dokumentation wurde von den Interviewteilnehmern nicht thematisiert und kann somit an dieser Stelle nicht näher vertieft werden. Dieser Umstand gibt jedoch insofern einen Hinweis darauf, als Datenbanken keine besonders wichtige Rolle zuteil werden. Beim in Tabelle 3.15 genannten Aspekt des jahrelangen Erfolgs als Hemmnis zeigt sich eine besondere Herausforderung. Hier wirkt der von ANSOFF beschriebene Mentalitätsfilter auf Ebene der strategischen Frühaufklärung. Die erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung zielt u.a. auf eine Reduzierung dieses Filters, birgt jedoch die Gefahr der Erfolgsblindheit. Dieses Phänomen wird von ANSOFF als „success breeds failure“552 bezeichnet. Bewertung Gewöhnlich führt die Phase der Erkennung zu einer großen Anzahl an wahrgenommenen schwachen Signalen. Die Herausforderung für Unternehmen besteht nun darin, diese auf intelligente Weise zu reduzieren. Vor 5-10 Jahren hatten wir noch zu wenige Informationen. Heute sind es viel zu viele. Es ist relevant, eine geeignete Aggregation und Analyse der Informationen zu finden. Das Modell muss handhabbar sein. Dafür bedarf es geeigneter Darstellungsformen. Wir müssen aufzeigen können, welche Informationen direkte Wechselwirkungen haben, welche Wirkungen verstärkt werden oder nivelliert werden. (Unternehmen G) You need to develop a system that supports key people to keep focused. We are reasonably pragmatic with our approach. We do not believe in technology miracles that support us in identifying issues. (Unternehmen J)

Die untersuchten Unternehmen haben spezifische Trichter zur Bewertung und Priorisierung der Informationen entwickelt. Aus Wettbewerbsgründen hat keines der teilnehmenden Unternehmen diesen Prozess offen gelegt. Ebenso wenig wurden die verwendeten Kriterien genannt. Allgemein konnte dabei folgendes beobachtet werden: Neben der Anwendung objektiver Kriterien (z.B. „Existiert ein adressierbarer Markt?“, „Erhalten wir Wettbewerbsvorteile?“, „Worin besteht das Geschäftsmodell?“) gehen darüber hinaus subjektive Kriterien wie beispielsweise „Unser Chefkonzernstratege schätzt dieses Issue als relevant ein“ in die Bewertung ein. Die priorisierten Issues werden üblicherweise mit vorhandenen Expertenmeinungen abgeglichen (ein Befragter nannte dies einen Abgleich mit der „wisdom of the crowd“). Daher spielt der Austausch mit sog. Peers eine wichtige Rolle.

552

Ansoff (1984), S. 329.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

141

Zudem stehen Unternehmen vor der Entscheidung, ob die Phasen der Erfassung und Bewertung getrennt voneinander behandelt werden sollen. Dies impliziert, dass die Bewertung von einer anderen Stelle erfolgt als die vorangegangene Erfassung. Eine solch unabhängige Bewertung kann sich positiv auf die Glaubwürdigkeit auswirken. Wir bekommen einen Haufen Sachen, da muss man priorisieren. Wir machen das über ein bereichsübergreifend zusammen gesetztes Komitee zweimal im Jahr. Wichtig ist dabei, dass das Research und die Bewertung getrennt voneinander erfolgt. (Unternehmen H)

Weiterführende Aspekte zur Analyse erfasster schwacher Signale, zur Relevanzbeurteilung wie auch zur Formulierung abgestufter Reaktionsstrategien konnten mittels der multiplen Forschungsfallstudie nicht erfasst werden. Durch das gewählte komplementäre Forschungsdesign ermöglicht die Auswertung der singulären Forschungsfallstudie hierzu jedoch weitere Einblicke. 3.2.4.2 Analyse der Faktoren Kommunikation und Handlung Kommunikation Im Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung wird Kommunikation als eigenständiger Faktor betrachtet. Dabei geht es einerseits um Strategien, wie Issues auf die Agenda des Top-Managements gelangen können. Dieser vor allem unternehmenspolitischen Aspekt wird vertieft in der singulären Forschungsfallstudie nachgegangen. Andererseits bedarf es geeigneter Maßnahmen, wie gewonnene Erkenntnisse an die Nutzer übermittelt werden können. Identifizierte Issues müssen an die Zielgruppen kommuniziert werden und dort in Handlungen münden. Die Interviews haben deutlich gemacht, dass eine adäquate Handhabung identifizierter Issues den Wert strategischer Frühaufklärung bestimmt: Wirklichen Mehrwert gibt es nur, wenn man nach der Identifizierung der Themen auch handelt. Trends hinschreiben kann jeder. Das Problem ist aber dann die Übersetzung für den internen Kunden: Wenn dieser Trend passiert, dann bedeutet das für Euch das, das und das. Erst dadurch erreicht man den Mehrwert. Für mich ist Frühaufklärung ein Change of Mindset, dass man das Denken der Leute verändert. (Unternehmen G)

Unternehmen tun sich schwer, die Geschäftsrelevanz identifizierter Issues aufzuzeigen. Es ist notwendig, aus den zunächst isoliert vorliegenden Informationsteilen ein aussagekräftiges Bild zu entwerfen. Insbesondere für die Phasen der Kommunikation und Handlung zeigt sich, dass die interviewten Unternehmen eine externe Unterstützung als nicht hilfreich empfinden. Die Aufgabe ist ihrer Meinung nach sehr unternehmensspezifisch und sensibel in ihrer Durchführung. Die befragten Unternehmen sind bemüht darum, geeignete Wege zur Kommunikation ihrer Ergebnisse zu finden. Häufig geschieht dies durch schriftliche Berichte oder durch Workshops. Dabei ist den Aufgabenträgern der Frühaufklärung sehr wohl bewusst, dass ihre Erkenntnisse

142

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

in Konkurrenz zur allgemeinen Informationsflut stehen, die Manager täglich zu bewältigen haben. Aus diesem Grund betonten einige der Befragten die Relevanz, innovative Formate zu entwickeln, die die Zielgruppen ansprechen. Beispielsweise ist es Unternehmen F gelungen, einen intern sehr angesehenen jährlichen Bericht zu lancieren, der systematisch im Unternehmen kommuniziert wird. In Unternehmen F werden die Erkenntnisse der strategischen Frühaufklärung an die oberen 1.000 Manager kommuniziert. Das Unternehmen hat einen jährlichen Prozess aufgesetzt. Von Januar bis September erfolgt dabei die Erkennung schwacher Signale und Bewertung von Trends und Issues. Von Oktober bis Dezember werden durch das Frühaufklärungsteam einige hundert Präsentationen durchgeführt. In Workshops werden interaktive Elemente und kreative Methoden eingesetzt, wie beispielsweise Rollenspiele. The research results are collected in a report. This report has been regularly published over the last few years and is perceived to be a valuable tool that provides insights and strategic input for different business units. The requirement for the report is that it needs to be general enough for the management on the one hand, but concrete enough to generate value on the other hand. The report presents key trends that are grouped into five themes for easy communication. Under each theme, you will find about four to five trends. Each trend is described on two pages. The pages are designed in a presentation format. (Unternehmen F) Tabelle 3.16: Kommunikation der Erkenntnisse in Unternehmen F Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

Unternehmen C verfolgt einen anderen Ansatz. Das Frühaufklärungsteam verfasst keine Berichte; es werden vielmehr visuell orientierte Lösungen angestrebt, z.B. groß angelegte MindMaps. Eine der befragten Personen betonte die Relevanz des Prozesses als Wertbeitrag an sich. Eine Beteiligung der Nutzer am Prozess ist demnach äußerst wichtig, wie auch nachfolgend noch bei der Analyse des Faktors Interaktion mit internen Stakeholdern aufgezeigt wird. Für die Unternehmen, die ein bereichsübergreifendes Frühaufklärungskomitee eingerichtet haben (wie in der untersuchten Stichprobe in Unternehmen D), ist die Phase der Kommunikation als besonders kritisch einzuschätzen, da es sich um eine angebotsorientierte Struktur handelt. Die Schwäche unseres Komitees liegt darin, dass es einen Angebotmechanismus nutzt. Wir wissen nicht, ob und wie die Geschäftseinheiten die Informationen nutzen. Wir verteilen lediglich die Erkenntnisse im Unternehmen. (Unternehmen D)

Ein weiterer angesprochener Aspekt ist, dass die Frühaufklärungseinheit sich auch über die Wirkung der kommunizierten Issues bewusst sein muss. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn die Erkenntnisse aus der Frühaufklärung als ungelöste Probleme wahrgenommen werden. The reason we do not communicate the results to all colleagues is the following: We do not want to create frustration. If you would only communicate the identified trends, disruptions and wild cards, the employees could get worried. The reaction must be communicated as well. They should believe in what we are doing. For all employees, we provide an overview presentation on the intranet. (Unternehmen F)

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

143

Handlung Grundsätzlich ist die Art der Handlung Issue-spezifisch und hängt von der ausgewählten Reaktionsstrategie ab. Die befragten Unternehmen wiesen darauf hin, dass üblicherweise die Nutzer diese Phase gestalten und verantworten. Die Aufgabenträger der strategischen Frühaufklärung haben nur beschränkte Möglichkeiten, sie zu beeinflussen. Dennoch betonten einige der Befragten, dass für eine wirksame Frühaufklärung die Phase der Handlung explizit berücksichtigt werden muss. Erkenntnisse aus der Frühaufklärung tragen zu den vier oben genannten Zielen bei. Aktionen variieren vom Initiieren von Taskforces über Unternehmensrichtlinien und Produktinnovationen bis hin zu kommunikativen Maßnahmen. Sofern es sich um emergente Issues wie Nanotechnologie oder Pervasive Computing553 handelt, haben die Interviews aufgezeigt, dass die Handlung häufig in einem tiefer gehenden Monitoring liegt. Weiterhin konnte beobachtet werden, dass sich die Unternehmen in multisektoralen Stakeholderdialogen engagieren mit dem Ziel, die Issues und ihre möglichen Wirkungen auf Unternehmen besser zu verstehen. Insgesamt schöpfen die Unternehmen die von ANSOFF dargestellten abgestuften Reaktionsstrategien aus.554 Die Untersuchung hat aufgezeigt, dass die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung wesentlich von ihrer Akzeptanz durch die Nutzer abhängt. Ein Befragter in Unternehmen I fasst dies wie folgt zusammen: Early awareness stops at a certain point and management responsibility starts. We can do the issue identification and issue assessment. A resulting action is the personal decision of the general management. We can only help to ensure that better decisions are taken. (Unternehmen I)

Zudem ist es wichtig die Grenzen strategischer Frühaufklärung hinsichtlich der Verantwortung des Managements zu verstehen. Folgendes Zitat beschreibt gut die allgemeine Meinung der interviewten Teilnehmer: Früherkennung ist Teil eines erfolgreichen Managements. Ein Früherkennungssystem ist eine Hilfseinheit für das allgemeine Management. Es kann nicht die Verantwortung für das Management übernommen werden. (Unternehmen D).

Tabelle 3.17 illustriert Aktivitäten und ihre Ergebnisse in den verschiedenen Prozessphasen wie sie in Unternehmen E (Fokus auf Emerging Risks) implementiert sind. In der Untersuchung stellte sich heraus, dass Unternehmen E bezüglich strategischer Frühaufklärung ein Vorbildcharakter zugesprochen wird. So bezogen sich einige Interviewpartner explizit auf das Unternehmen und seinen gut ausgearbeiteten Ansatz. Dennoch konnte weder Unternehmen E noch eine anderes der untersuchten Unternehmen den Wertbeitrag strategischer Frühaufklärung quantifizieren.

553 554

Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.3.1 (S. 148ff.). Siehe hierzu die Ausführungen in Tabelle 2.4 (S. 43).

144

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung Es ist nicht möglich, den Wertbeitrag des Früherkennungssystems in Zahlen auszudrücken. Deshalb ist es unerlässlich, dass man in der Lage ist, die Wertschöpfungskette der Früherkennung zu beschreiben und den Wert, den das System schafft zu illustrieren. (Unternehmen E)

Phase Beschreibung Wahrnehmung weiträumiges Scanning der Issues

Identifikation

systematischer Prozess; Vertiefende Analyse der „Emerging Risks Watch List“

Assessment

Analyse der zugrunde liegenden Risikostrukturen

Evaluation

Bewertung des von den Issues ausgehenden Risikos für das Unternehmen Abgleich mit vorhandenen Versicherungsverträgen 3 Optionen: A) Risikodialoge B) Risikomanagement (z.B. Herabsetzen des Risikoschutzes, Ausschluss aus Verträgen) C) Entwicklung neuer Produkte

Durchführen von Maßnahmen

Ergebnis Liste von Trends mit Kurzbeschreibung über mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen. Erstes Filtern der Trends anhand definierter Kriterien. Ergebnis ist die sog. „Emerging Risks Watch List“. Identifikation der Risiken, die für mehr als einen Geschäftsbereich relevant sein könnten. Ergebnis ist eine Issues Liste mit konzernweiter Bedeutung. Risikobericht (durchschnittlich 510 Seiten, in Ausnahmefällen 3040 Seiten Umfang). Der Bericht beinhaltet auch Handlungsempfehlungen. Portfolio-Analyse Identifikation der betroffenen Geschäftseinheiten Handlungsempfehlungen zum Umgang mit dem Risiko

Anmerkung Ziel ist die Sammlung schwacher Signale.

Das Verhältnis von Issues in den Phasen Wahrnehmung und Identifikation liegt bei ca. 10:1. Das zugrunde liegende Risiko ist ein elementares Risiko. Dies könnte ein technisches oder soziales Risiko sein. beschränkt sich auf einige wenige Risiken

Erstellen von Broschüren Durchführen von Expertenworkshops Änderungen in den Verträgen Entwicklung neuer Produkte

Tabelle 3.17: Prozess der SFA in Unternehmen E Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der multiplen Forschungsfallstudie

3.2.4.3 Analyse der Faktoren interne und externe Stakeholderinteraktion Wie im Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung in Abbildung 3.3 (S. 114) illustriert, werden die Prozessphasen Erkennung, Bewertung, Kommunikation und Handlung durch zwei weitere Faktoren flankiert: Interne und externe Stakeholderinteraktion. We work in close cooperation with our business units as well as with NGOs. (Unternehmen B)

Nachfolgend wird zunächst die interne Stakeholderinteraktion analysiert, anschließend folgt eine Betrachtung der Interaktion mit externen Stakeholdern.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

145

Interne Stakeholderinteraktion Die Interviews zeigen auf, dass die Interaktion mit internen Stakeholdern über den gesamten Frühaufklärungsprozess sorgfältig berücksichtigt werden muss. Um Akzeptanz herzustellen und die Nutzung der Erkenntnisse zu fördern, bedarf es der Einbeziehung der Zielgruppen insbesondere während der Phasen der Erkennung und Bewertung. Dies ist notwendig, damit die Nutzer die den Issues zugrunde liegenden Treiber und Wechselwirkungen verstehen. Eine solche Forderung ist wesentlich einfacher aufgestellt als umgesetzt. Die Befragten nannten diesen Aspekt als ein wesentliches Hemmnis bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung. Die Zielgruppen müssen vom Wertbeitrag der Frühaufklärung überzeugt sein. Reading analysis done by someone else may be interesting, but seldom leads to passionate involvement and action. (Unternehmen F)

In den Interviews wurde deutlich, dass die Unternehmen sich schwer damit tun, adäquate Wege zu initiieren, um ihre internen Zielgruppen zu involvieren. Die Erfahrung in den Unternehmen zeigt, dass nur mittels direkter Beteiligung die Ergebnisse wirksam genutzt werden und ein Wandel in den mentalen Modellen angeregt wird. Zudem sind Aktivitäten offenbar zum Scheitern verurteilt, wenn sie innerhalb des Unternehmens als „weltfremd“ wahrgenommen und die Aufgabenträger der Frühaufklärung als „Zukunftsgurus“ betrachtet werden. Eine wichtige Aufgabe liegt darin, die identifizierten schwachen Signale zu kontextualisieren. Ein Interviewpartner veranschaulichte diese Aufgabe durch das Bild eines Puzzles: Man sieht das gesamte Bild erst, nachdem die einzelnen Puzzleteile zusammengesetzt wurden. Werden nun einzelne Puzzleteile an die Zielgruppen weitergeleitet, besteht die Gefahr, diese Personen zu verlieren, da sie womöglich die Information nicht verstehen. Um diese Lücke zu schließen, betonen die Befragten die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Aufgabenträgern der Frühaufklärung und Zielgruppen. Darüber hinaus konnte eine weitere Herausforderung festgestellt werden: Unternehmen F hat die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter aus funktionalen Bereichen von Anfang an im Frühaufklärungsprozess beteiligt sein wollten. Was zunächst positiv ausschaut, ist jedoch sorgfältig zu prüfen. Die Frühaufklärungseinheit bemerkte, dass diese Mitarbeiter ihre eigene Agenda vorantreiben wollten: Sometimes our colleagues from functional business lines want to be involved from an early stage. This is not in our sense as it could lead to the point that we are driving their agendas. Our aim is to think wide and not to focus at the beginning of the process. (Unternehmen F)

Externe Stakeholderinteraktion Um das Unternehmensumfeld zu verstehen, hat die Bedeutung der Interaktion mit externen Stakeholdern in den befragten Unternehmen in den vergangenen Jahren zugenommen. Externe Stakeholderinteraktion tritt insbesondere in den Phasen der Identifikation und der Handlung auf. Es umfasst eine Reihe von Aktivitäten, beispielsweise gemeinsame Identifizierung von

146

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Issues, Lernplattformen und Bewusstseinsbildung. Die Unternehmen arbeiten dabei oft mit Kunden und Lieferanten zusammen. In jüngerer Zeit hat zudem die Kooperation mit Stakeholdern aus dem Makroumfeld (beispielsweise mit NGO’s oder politischen Akteuren) zugenommen. We have always had stakeholders but we never thought about them. About ten years ago, our company had a dilemma similar to Shell with Brent Spar. We then shifted our strategy. Nowadays, we are in constant dialogue. (Unternehmen B) Durch unsere Kooperation mit dem WWF konnten wir ein besseres Verständnis über Naturkatastrophen erhalten. Wir entwickeln Szenarien für die nächsten 50 Jahre. Unser Risikomanagement soll befähigt werden, die Prämien entsprechend anzupassen. Zurzeit sind wir jedoch noch nicht so weit. Das wird in ungefähr ein bis zwei Jahren möglich sein. (Unternehmen D) Our scenarios must be inclusive; we want input from people who think differently from those working in our company. (Unternehmen I)

Zudem wurde das in der Problemstellung aufgezeigte Phänomen zunehmender Zweckpartnerschaften in den Interviews bestätigt. Einige Unternehmen erkennen eine Veränderung in der Art der Stakeholderaktivitäten. Neuerdings treten zunehmend opportunistische Allianzen zwischen verschiedenen Stakeholdern auf. Diese vereinen ihre Kräfte für ein bestimmtes Issue und bewegen sich für ein anderes Issue wieder auseinander. Dieses vielschichtige und fragmentierte Stakeholderumfeld führt zu höherer Komplexität für die Unternehmen. Die Art der Kooperation kann formaler Natur (beispielsweise durch institutionalisierte Stakeholderdialoge) sein oder informaler Natur (beispielsweise durch sog. Networking555). Zudem haben die Interviews offenbart, dass die Grenzen von Kooperationen berücksichtigt werden müssen. Während eine Kooperation mit einer NGO auf der einen Seite hilfreich sein kann, wirkt sie andererseits möglicherweise hemmend, sofern die NGO die Unternehmenslogik nicht versteht. Overall, I am disappointed with NGOs. They do not understand the business logic. Of course, we could agree to disagree but most people within NGO’s are missing the fundamentals to understand our business. I learned more about sustainability from our clients, how to solve problems and engage proactively. (Unternehmen B)

Ein alternatives Vorgehen zur Integration externen Wissens und zur Erweiterung des Blickfeldes liegt darin, Mitglieder aus Stakeholderinstitutionen einzustellen. So rekrutiert Unternehmen I für seinen Szenarioprozess regelmäßig Personal mit gänzlich konträren mentalen Modellen. We also want to integrate people from NGO’s, charities or ethical businesses in order to enhance inclusiveness of the early awareness effort. We hired someone from an NGO once, who was very critical of our industry and big business in general. Over the following two years we gained a valuable outside perspective, whilst it also became clear to the person in question, that our managers are

555

Unter Networking soll die Zusammenarbeit von Gleichgesinnten verstanden werden, die gegenseitig von den Kompetenzen der anderen Netzwerkmitglieder profitieren wollen.

Ergebnisse der multiplen Forschungsfallstudie

147

normal human beings who go home and have a family, a far cry from previous perceptions. (Unternehmen I)

Darüber hinaus wurde deutlich, dass informeller Austausch zwischen Unternehmen ein wichtiger Faktor ist, der zu gegenseitigem Lernen führt. Einige der untersuchten Unternehmen engagieren sich in unternehmensübergreifenden Initiativen. Als Beispiel ist hier die branchenspezifische CRO Emerging Risk Initiative556 zu nennen, die von Unternehmen aus der Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen gegründet wurde. Ein Beispiel für eine branchenübergreifende Initiative ist das Corporate Foresight Network, welches im September 2006 sein sechstes jährliches Treffen in New York abhielt. Vertraulichkeit ist gar nicht bei allem gut. Bestimmte Probleme sind in vielen Unternehmen gleich. Ein Lernen voneinander ist wichtig. Beispielsweise tangiert Nanotechnologie jeden Industriebereich. Die Risiken werden oft verdrängt. Es muss darauf geachtet werden, dass nicht ähnlich der Gentechnik das Thema verdrängt wird und es dann zu Problemen kommt. (Unternehmen E)

3.2.4.4 Analyse des Faktors Evaluation In den vorigen Abschnitten wurden die mit dem Prozess der strategischen Frühaufklärung verbundenen Kernaufgaben analysiert. Darüber hinaus müssen sich die Unternehmen entscheiden, wann, was und wie eine Evaluation der Aktivitäten erfolgen soll. Die Interviews haben aufgezeigt, dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist. Im Allgemeinen bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder könnte man versuchen zu evaluieren, ob sich identifizierte Trends realisiert haben. Oder man könnte versuchen herauszufinden, welche Veränderungen durch die Frühaufklärungsaktivitäten im Unternehmen eingetreten sind. Während Letzteres zunächst geeigneter scheint, ist damit allerdings auch eine wesentlich diffizilere Operationalisierung verbunden. Es wird ein systemischer Ansatz verlangt und es müsste eine Ausblendung derjenigen vielfältigen Faktoren erfolgen, die ebenso das unternehmerische Handeln beeinflussen. Die Untersuchung zeigt, dass es den Unternehmen nicht gelingt, hierfür passende Instrumente zu entwickeln: We do not monitor how our early awareness report is used and what has been affected and changed through it. We only measure if the trends we described were realized. The other point is too difficult to handle, as there are more points that need to be taken into account. (Unternehmen F)

Die Unternehmen fokussieren sich dabei im Wesentlichen auf qualitative Evaluationsmethoden, beispielsweise durch relativ offene Fragebögen, welche die Zielgruppen ausfüllen sollen. Indikatoren sind unter anderem die interne Kundenzufriedenheit und die Nachfrage nach Unterstützung.

556

Die CRO Emerging Risk Initiative wurde durch das CRO Forum der Geneva Association im Dezember 2005 lanciert. Siehe http://www.croforum.org/emergingrisc.ecp.

148

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Wie bereits erwähnt, ist eine Quantifizierung des Wertbeitrages strategischer Frühaufklärung äußerst schwierig. Unternehmen I hat sich daher für folgenden interessanten Ansatz entschieden: We have a portfolio of strategic planning tools, including early awareness and scenario building. We find it very difficult to measure the outcomes of the individual parts in terms of scorecards, etc. That is especially true, since scenario building is in principle a process and not a product. Therefore we tend to look at the customer satisfaction of decision makers with respect to individual stages of the strategic planning process, and the quality and robustness of the end product, i.e. the resulting strategy. (Unternehmen I)

3.3

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

Die singuläre Forschungsfallstudie beschäftigt sich mit einem Issue-spezifischen Frühaufklärungsprojekt. Das betrachtete Issue „Gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ wird zuerst dargestellt. Anschließend erfolgt eine Beschreibung des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“, welche die Grundlage für die anschließende Analyse bietet. Das Kapitel schließt mit einer zusammenfassenden Bewertung des Projektes. 3.3.1

Beschreibung des Issues „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“

Der Begriff des Pervasive Computing557 charakterisiert eine Technologievision. Dabei geht es um die stetige Minituarisierung von Computerchips und -speichern hin zu einer alles durchdringenden Computertechnologie: Kleinste, untereinander vernetzte, kontextsensitive Systeme werden dieser Vision nach ständig im Alltag präsent sein.558 Pervasive Computing hat sich in jüngerer Zeit zu einem stark wachsenden Forschungsfeld entwickelt.559 Es wird durch die Weiterentwicklung und Verschmelzung verschiedener Fachgebiete ermöglicht. Dabei sind insbesondere die Mikroelektronik, die Informations-, Kommunikations- und Sensortechnologie und die Materialwissenschaften zu nennen.560 LANGHEINRICH und MATTERN zeigen die wesentlichen Techniktrends auf, die zu der Vision von Pervasive Computing nach heutigem Kenntnisstand führen sollen. Dabei nennen sie „kleinste und preiswerte Prozessoren mit integrierten Sensoren und drahtloser Kommunikationsfähigkeit, flexible Displays auf Polymerbasis, elektronisches Papier, Anheften von Informationen an Alltagsgegenstände, Fernidentifikation von Dingen, präzise Lokalisierung von Gegenständen, feinmaschige Überwachung durch Netze autonomer Funksensoren“561. Als treibende Kraft hinter Pervasive Computing wird dabei die

557

558 559 560 561

Häufig wird nahezu synonym auch der Begriff des „Ubiquitous Computing“ genutzt. Dieser Begriff ist auf Mark Weiser zurückzuführen, der als Wegbereiter zu diesem Thema gilt. Zur Unterscheidung der Begriffe siehe Langheinrich / Mattern (2003), S. 7 und Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 11. Im Folgenden wird der Begriff Pervasive Computing genutzt, der aus der Industrie heraus entstanden ist und somit im Kontext zur durchgeführten Industriefallstudie steht. Vgl. Coroama (2006), S. 106; Meier (2006a), S. 5. Vgl. Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 153. Vgl. Meier (2006a), S. 5. Langheinrich / Mattern (2003), S. 9. Die Autoren führen die genannten Aspekte weiter aus.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

149

kontinuierliche Effizienzsteigerung in der Mikroelektronik angesehen. LANGHEINRICH und MATTERN weisen diesbezüglich darauf hin, dass das bereits in den sechziger Jahren beschriebene Moore’sche Gesetz immer noch Gültigkeit besitzt.562 Dieses besagt, dass sich die Verarbeitungsleistung von Computern etwa alle 18 Monate verdoppelt.563 Begriffsbestimmung und Entwicklungsstufen Die Begriffsbestimmung folgt in dieser Arbeit den Stakeholder-Dialogen der Stiftung Risikodialog.564 Dabei haben Experten diverser gesellschaftlicher Interessengruppen den Begriff Pervasive Computing gemeinsam definiert: „Unter Pervasive Computing werden Systeme/Anwendungen verstanden, die durch unauffällig in Alltagsgegenstände und -objekte eingebettete Chips und/oder Sensoren x wahrnehmen und agieren können, d.h. kontextsensitiv und kontextaktiv sind, x Daten verarbeiten und sich vernetzen können, x adressier- und lokalisierbar sind, x erinnerungsfähig sind, d.h. ein ‚Gedächtnis’ haben.“565 Forscher im Umfeld von Pervasive Computing Technologien weisen nahezu einstimmig auf die gravierenden Veränderungen hin, die auftreten werden, wenn aus der Vision Realität wird: „So spektakulär auch das Auftauchen und die Verbreitung des Internets war, es handelt sich dabei erst um den Anfang einer Entwicklung hin zur vernetzten Gesellschaft.“566 Im Kern geht es um eine umfassende Informatisierung der Welt.567 Abbildung 3.9 zeigt die Entwicklungsstufen der technischen Kommunikation vom Aufkommen des Internets bis zum Pervasive Computing.

562 563

564

565 566 567

Vgl. Langheinrich / Mattern (2003), S. 8. Langheinrich und Mattern (2003) verdeutlichen das Gesetz an den Kosten für die Speicherung von einem Megabyte Daten. Ihren Recherchen zufolge ging der Preis in den letzten zwei Jahrzehnten von ca. 100 Euro auf einige Zehntel Cent zurück. Vgl. Langheinrich / Mattern (2003), S. 8. Es handelt sich dabei um ein informelles Beteiligungsverfahren in der Schweiz. Die Definition wurde im ersten Dialog zu Pervasive Computing 2005 erarbeitet und im zweiten Dialog 2006 bestätigt und weiter differenziert. Siehe hierzu Meier (2005) und Meier (2006a). Meier (2006a), S. 5. Bütschi / Köhler (2005), S. 100. Vgl. Coroama (2006), S. 106.

150

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

a)

Mensch

b)

Mensch

c)

Maschine

Internet

Internet

Internet

Maschine (z.B. wwwServer)

Maschine

Beliebiger Gegenstand

Beliebiger Gegenstand

d)

Mensch

Maschine

Maschine

Internet

Abbildung 3.9: Entwicklungsstufen der technischen Kommunikation Quelle: Hilty (2003), S. 67

Fall (a) der Abbildung beschreibt dabei die Kommunikation von Mensch zu Mensch über das Internet, die in den achtziger Jahren vergangenen Jahrhunderts mit dem Aufkommen von EMail entstanden ist. In den neunziger Jahren begann durch die Entwicklung des World Wide Web die Kommunikation von Mensch zu Maschine über das Internet, beispielsweise durch den Besuch von Online-Kaufhäusern. Dies wird in Fall (b) dargestellt. Die Fälle (c) und (d) zeigen die Kommunikation von Maschine zu Maschine, die nach MATTERN in der Zukunft die dominanten Kommunikationsformen darstellen werden.568 Ein Beispiel aus Endanwendersicht für Fall (c) ist eine automatische Online-Datensicherung, bei der jeweils zuletzt geänderte Dateien auf einem Server gesichert werden. Allgemein illustriert Fall (c), wie höherwertige Prozesse im Internet automatisch ausgeführt werden.569 Die Vision von Pervasive Computing findet sich im Fall (d) wieder, in dem in beliebigen Gegenständen eingebettete Prozessoren und Sensoren anderen befugten Einheiten z.B. ihren Aufenthaltsort oder ihre Sensorwerte mitteilen.570 LANGHEINRICH und MATTERN verdeutlichen dies u.a. am Beispiel eines intelligenten Rasen-

568 569 570

Vgl. Mattern (2003a), S. 3. Mattern (2003) nennt hierzu beispielsweise das „semantic web“ und Ontologien zur Klassifikation und Strukturierung von Daten im Web. Vgl. Mattern (2003b), S. 3

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

151

sprengers, der durch eine Vernetzung mit Feuchtigkeitssensoren im Boden und durch das Abrufen von Wetterprognosen aus dem Internet an Effizienz gewinnt.571 Chancen- und Risikenbetrachtung Unbestritten ist die Erwartung, dass das Innovationspotenzial von Pervasive Computing zu wirtschaftlichem Aufschwung führen wird.572 BIZER / SPIEKERMANN et al. führen an, dass „fast jedes Produkt das Potenzial einer ‚digitalen Aufrüstung’ berge“573. Anwendungen von Pervasive Computing werden in den unterschiedlichsten Bereichen möglich sein. COROAMA nennt beispielsweise Logistik, Medizin, Bergrettung, Katastrophenbekämpfung, Erziehung, Behindertenbetreuung, öffentlicher und privater Verkehr und Versicherungen.574 Mit dem Einsatz von Pervasive Computing Technologien wird es möglich werden, Produzenten, Verkäufer und Diensteanbieter mit präzisen Informationen über die Anwender zu versorgen. Ein zielgruppenund käufergenaues Eins-zu-Eins Marketing scheint nun machbar und dies unter anderem mit personenbezogenen Preisdifferenzierungen.575 Neben den erwarteten Chancen zeichnet sich deutlich eine Diskussion zu den einhergehenden Risiken ab. BIZER / SPIEKERMANN et al. weisen darauf hin: „Jedoch gibt es kaum einen technisch oder ökonomisch ausgerichteten Artikel, der neben den Chancen und Möglichkeiten der Technologie nicht auch auf die mit ihr einhergehenden sozialen Risiken zumindest hinweisen würde“576. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob der erstrebte Nutzen von Pervasive Computing Technologien auf Kosten informationeller und physischer Selbstbestimmung einhergeht.577 Führt Pervasive Computing somit zu mehr Unterstützung oder zu mehr Überwachung? MEIER führt an, dass die „Zukunftsbilder einer angenehmen, unauffälligen Technologieunterstützung im Alltag“578 Bildern „einer Kontroll- und Überwachungsgesellschaft“579 gegenüber stünden und schließt daraus: „Fallen überall Daten an, werden Privacy- sowie Verantwortlichkeits- und Haftpflichtfragen aufgeworfen. Vor allem die zunehmende Quantität und Qualität von personenbezogenen Daten lösen öffentliche Diskussionen aus. Waren und ihre Transportwege,

571 572 573 574

575 576 577 578 579

Vgl. Langheinrich / Mattern (2003), S. 9, die weitere Beispiele in verschiedenen Anwendungsbereichen illustrativ anführen. Vgl. dazu u.a. Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 154; Langheinrich / Mattern (2003), S. 11. Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 154. Coroama (2006), S. 106. Einen guten Einblick in Anwendungen von Pervasive Computing geben die Szenarien im Gesundheitswesen, im Einzelhandel und im öffentlichen Verkehr, die im Pervasive Computing Dialog II der Stiftung Risikodialog mit Experten partizipativ erstellt worden sind. Siehe hierzu Meier (2006a). Bei personenbezogenen Preisdifferenzierungen kann jedem Konsumenten ein individueller Preis genannt werden, siehe dazu Langheinrich / Mattern (2003), S. 11. Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 153. Vgl. Bizer / Spiekermann / Günther (2006), S. 153. Meier (2006b), S. 114. Meier (2006b), S. 114.

152

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Personen und ihre Verhaltensweisen werden immer besser rückverfolgbar“580. Ähnlich kommt MATTERN zu dem folgenden Fazit bezüglich der Risiken von Pervasive Computing: „Eine der wichtigsten Herausforderungen wird dabei sein, unsere sozialen Werte und Grundrechte wie den Schutz der Privatsphäre, die Meinungsvielfalt oder das selbstbestimmte Handeln nicht zu gefährden und so die menschliche Würde auch in einer Welt smarter Alltagsdinge zu erhalten“581. Als besonders problematisch wird angeführt, dass selbst dedizierte Lösungen „im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Bequemlichkeit auf der einen und Sicherheit und Datenschutz auf der anderen Seite in vielen Fällen den komplexen Herausforderungen smarter Umgebungen nicht gerecht werden“582 können. Die kritischen Aspekte finden sich auch in den Ergebnissen des zweiten Stakeholder-Dialogs zu Pervasive Computing der Stiftung Risikodialog wieder: Der Kompass zu einem verantwortungsvollen Einsatz von Pervasive Computing zeigt folgende drei Aspekte auf, mit denen sich Hersteller und Anwender auseinander setzen müssen, um Akzeptanz bei Endnutzern zu erlangen: (a) Transparenz und informationelle Selbstbestimmung, (b) Wahlfreiheit und Entscheidungshoheit, (c) Gesundheit und Umwelt. Zudem führt der Kompass an, dass weiterführende vertrauensbildende Maßnahmen der Industrie notwendig sein werden.583 Unauffällige Entwicklung von Pervasive Computing Besonderes Merkmal von Pervasive Computing ist die Tatsache, dass die Entwicklung unauffällig geschieht und „für Betroffenheit oder kollektive Aufgeregtheit“584 kaum geeignet erscheint. LANGHEINRICH und MATTERN beobachten dazu: „Die Integration von Informationsund Kommunikationstechnologie in Alltagsprozesse schreitet fast unmerklich in so kleinen Schritten voran, dass man sich oft erst bei Ausfall der entsprechenden Funktion bewusst wird, dass mechanische Prozesse inzwischen mit Informationstechnologie erweitert, wenn nicht sogar ganz durch sie ersetzt wurden“585. Im Gegensatz zu Großtechnologien (wie beispielsweise Atomtechnik, Weltraumtechnik) unterliegt Pervasive Computing einer andere Verbreitungslogik: Als quasi „unsichtbare“ und evolutionäre kleine Technik verbreitet sie sich mit schnellen Schritten, weniger Aufwand und ohne gesellschaftlichen Konsens.586 Kontroverse gesellschaftliche Debatten entzünden sich erst dann, wenn sich die Technologie in konkreten Anwendungen materialisiert, wie dies beispielsweise bei der Einführung der RFID-basierten Kundenkarte der Metro geschehen ist.587 Die Radiofrequenz-Identifikations-Technologie 580 581 582 583 584 585 586 587

Meier (2006b), S. 114. Mattern (2005), S. 29. Langheinrich (2005), S. 329. Vgl. zum vorherigen Stiftung Risiko-Dialog (2006). Für ausführliche Beschreibungen der gesellschaftlichen Chancen und Risiken siehe insbesondere Bizer / Spiekermann / Günther (2006) und Hilty (2003). Langheinrich / Mattern (2003), S. 7. Langheinrich / Mattern (2003), S. 7. Vgl. Mattern (2005), S. 10. Vgl. Thiesse (2005), S. 369.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

153

(RFID) ist „eine automatische Identifikationstechnologie, bei der eine Information, typischerweise eine Seriennummer, auf einem RFID-Transponder gespeichert wird, der einen Mikrochip besitzt und als elektronischer Datenspeicher dient“588. Mittels drahtloser Technologie kann die Seriennummer von einem Lesegerät ausgelesen werden. Es bedarf dazu keiner Sichtverbindung, was zum Vorteil hat, dass RFID-Transponder in Objekte eingebettet werden können. Der Einsatz von RFID erfolgt bereits seit geraumer Zeit zur Tieridentifikation, in Wegfahrsperren und zur Zugangskontrolle (bspw. bei Ski-Anlagen). Der Technik werden große Potenziale zugeschrieben, beispielsweise kann RFID zu Effizienzsteigerungen in Lieferketten und Logistikprozessen führen.589 3.3.2

Beschreibung des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“

3.3.2.1 Zielsetzung und Überblick über das Projekt Unter Leitung von Christian Schneider, Senior Manager im Fachbereich Corporate Sustainability der Techno AG wurde Ende 2004 das Projekt „Wirkungen pervasiver IKT“ lanciert. Der Schwerpunkt lag dabei auf den gesellschaftlichen Wirkungen von Pervasive Computing. Die Zielsetzung des Projektes wurde wie folgt definiert: „Voraussetzung für Vertrauen und Akzeptanz beim Kunden schaffen und künftige Geschäftspotenziale sichern.“590 Davon abgeleitet wurden folgende Aufgaben: „Die sozial-gesellschaftlichen, rechtlichen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen pervasiver Kommunikationstechnologien antizipieren und deren Wirkungen diskutieren, Konsequenzen für die Techno AG ableiten und präventive Handlungsoptionen für den Entwicklungsprozess im Konzern erarbeiten.“591 Eine Übersicht über den chronologischen Ablauf des Projektes zeigt Abbildung 3.10.

588 589 590 591

Lampe / Flörkemeier / Haller (2005), S. 70. Vgl. zum vorhergehenden Lampe / Flörkemeier / Haller (2005). ID-03.2005-Ziele der Workshopreihe (Internes Dokument). ID-03.2005-Ziele der Workshopreihe.

154

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

1. Workshop

2. Workshop

3. Workshop

Gemeinsames Committment

Workshopserie 15.03.05 Input

Wissenschaftliche Begleitung

12.05.05

05.12.05

Ausarbeitung Handlungsoptionen

Input

Dez. 06 10.01.06

Feedbackschleife

Wendepunkt Gespräch mit ZBL Innovation

Beratung durch wissenschaftlichen Beirat

Kontinuierlicher Austausch mit Politik, Verbraucherverbänden, Gewerkschaften, NGOs, etc.

Networking

Beobachtung EU-Konsultationsprozess zu RFID

Teilnahme Dialogprozess PvC

Vorbereitung

Workshop Techno AG mit Stiftung Risikodialog

Dialogphase

13.11.06 Ergebnistransfer Präsentation beim AK-RFID

Schwerpunkt Selbstverpflichtung RFID

2005

05.04.06

Treffen RFID 12.06.06

2006

Verabschiedung CoC Erarbeitung CoC

März 2007

2007

Abbildung 3.10: Zeitlicher Ablauf des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“ Quelle: Eigene Darstellung

Retrospektiv lässt sich das Projekt in drei Phasen unterteilen: Das Projekt wurde zunächst mit einer bereichsübergreifenden Workshopserie begonnen, die in einer gemeinsamen Vereinbarung zum weiteren Vorgehen mündete (Phase 1). Im Anschluss an die Workshopserie kam es zu einer bedeutenden Weichenstellung (Phase 2), die schließlich in der Entwicklung einer Selbstverpflichtung zu RFID in der strategischen Geschäftseinheit Alpha der Techno AG mündete (Phase 3). Darüber hinaus sind verschiedene phasenübergreifende Aktivitäten zu nennen: (a) eine wissenschaftliche Begleitung der Workshopserie, (b) der kontinuierliche Aufbau und die Pflege informeller Kontakte (Networking) und (c) die Teilnahme am Schweizer Dialogprozess der Stiftung Risikodialog zu Chancen und Risiken von Pervasive Computing.592

592

Siehe zum Dialogprozess die Ausführungen in Kapitel 3.3.1 (S. 148ff.).

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

155

3.3.2.2 Phase 1: Workshopreihe (März – Dezember 2005) Tabelle 3.18 gibt einen Überblick über Ziele und Schwerpunkte der drei im Jahr 2005 durchgeführten Workshops. Veranstaltung

Schwerpunkte

1. Workshop (15.03.2005)

Im ersten Teil geht es darum, einen Überblick über die wesentlichen erwartbaren Wirkungen künftiger IKT zu erhalten und mögliche Konsequenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz fachbereichsübergreifend zu diskutieren.

2. Workshop (12.05.2005)

Im zweiten Teil geht es darum, vor dem Hintergrund der diskutierten Wirkungen und gesellschaftlichen Akzeptanz die Konsequenzen für das Geschäft der Techno AG herauszuarbeiten und mögliche unternehmerische Handlungsoptionen abzuleiten. Die Handlungsoptionen werden dann in einem Zwischenschritt wissenschaftlich bewertet.

3. Workshop (05.12.2005)

Im dritten Teil werden die wissenschaftlichen Bewertungen vorgestellt, das Für und Wider unter fachlichen Gesichtspunkten diskutiert sowie die unternehmerische Machbarkeit der Optionen abgewogen. Am Ende steht eine Entscheidung darüber, welcher Weg der Vorsorge beschritten werden soll.

Tabelle 3.18: Überblick über die Workshopreihe Quelle: ID-03.2005-Ziele der Workshopserie

Es wurde besonders auf eine bereichsübergreifende Beteiligung am Projekt geachtet. An der Workshopreihe nahmen Vertreter folgender Einheiten auf Konzernebene teil: Corporate Riskmanagement, Konzerndatenschutz, Recht, Unternehmenskommunikation, Politische Interessenvertretung, Innovation sowie Corporate Sustainability als Initiator und Projektmanager. Der Prozess wurde wissenschaftlich begleitet. Dazu wurde mit drei Professoren renommierter Lehrstühle kooperiert. Diese brachten ihre Expertise zum Thema Pervasive Computing an den Schnittstellen zu (a) Recht, (b) Informatik und (c) gesellschaftlichen Wirkungen ein. Analyse erfasster schwacher Signale Im ersten Workshop wurden die Ergebnisse der Scanning- und Monitoring-Aktivitäten des Fachbereichs Corporate Sustainability präsentiert. Diese wurden ergänzt durch Impulsvorträge der drei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates. Ziel war, die Teilnehmer für das Issue zu sensibilisieren und auf einen gemeinsamen Kenntnisstand zu bringen. Tabelle 3.19 zeigt die schwachen Signale, die der Projektmanager Schneider zum Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ wahrgenommen hat.

156

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

x Googelt man nach „Pervasive Computing“ erhält man 343.000 Treffer. x Inzwischen hat der Begriff in die Presse Einzug gehalten, wie jüngst bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit dem Titel „Always on“. Sie stellt die Frage nach der Selbstbestimmung in einer alles durchdringenden Welt in der Dinge miteinander reden, wenn sogar die Ausschalter verschwinden. x Nehmen wir nur den heutigen Tag: Um 10:30 findet auf der CeBit Hannover eine themennahe Veranstaltung statt: „Datenschutzrechtliche Aspekte von RFID“. x Im März 2005 veröffentlichte die Stiftung Risiko-Dialog St. Gallen ein Bericht über den Stakeholder-Dialog zu Pervasive Computing. x Im September 2004 fand in London ein von Corerating initiierter Stakeholder-Dialog „RFIDTechnology-impacts on society and environment“ statt. Ziel war: “Stakeholder Consultation and BT´s link with such technology.” x RAND-Studie „Living Tomorrow“. Im Kapitel 7 wird auf die Herausforderungen eingegangen. Tabelle 3.19: Schwache Signale zum Issue Pervasive Computing Quelle: ID-15.03.2005-Vortrag Schneider

Zudem wurde eine Umfeldanalyse durchgeführt. Die identifizierten Stakeholder werden in Tabelle 3.20 aufgelistet. x EU-Kommission: Launch eines RFID-Dialoges (Roadmap “Towards an RFID Policy in Europe”) x Bundesverband Verbraucherzentrale: Verbraucherschutzrichtlinien für einen verantwortlichen Umgang mit der elektronischen Warnmarkierungstechnologie x Trans Atlantic Consumer Dialog (TACD): Resolution on Radio Frequency-Identification (RFID) x US Office of the Federal Environmental Executive (OFEE): Warnung vor Umweltbelastung x Forum RFID [Industrieinitiative, Anm. d. Verf.] x BITKOM (Kompetenznetz zukunftsfähiges IKT Business) x Future Store Initiative der Metro Group x WebBlogs zu RFID und Pervasive Computing x Foebud e.V. [kritische NGO, Anm. d. Verf.] x EPC Global (Elektronischer Produktcode) x Erhöhte Sensibilisierung in den Medien (Die Zeit, Spiegel etc,.) x Stiftung Risiko-Dialog, St. Gallen (Dialog zu einer Selbstverpflichtung in Schweizer IKT-Wirtschaft) Tabelle 3.20: Umfeldfaktoren Quelle: ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 2

Weiterhin wurde eine Chancen- und Risikenanalyse durchgeführt, deren Ergebnisse differenziert nach (a) sozial-gesellschaftlichen, (b) ökologischen und (c) ökonomischen Faktoren in Tabelle 3.21 zusammengefasst sind.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

157

Chancen sozialgesellschaftlich

Risiken

x Verbesserte medizinische Versorgung (Lebensqualität chronisch Kranker)

x Beschäftigungsabbau

x Kostenstabilisierung öffentlicher Verwaltung

x informationelle Selbstbestimmtheit (Privacy)

x Erschließung neuer oder genauerer staatlicher Einnahmequellen x Vereinfachung x Zeitgewinne x Verbesserung der Erreichbarkeit x Verbesserung der Mensch-MaschineInteraktion

x Stress (Missbrauch, Aufmerksamkeit)

x Kontrollverlust x Einschränkung der Entscheidungsautonomie x Ohnmachtsempfinden x Verlust von Unterscheidungsfähigkeit x Verlust der Widerständigkeit

x eingeschränkte Rückzugsräume x Verbrechens- und Terrorismusbekämpx Verletzung sozialer Grenzerwartung fung

ökologisch

x Frühwarnsysteme (Umweltbeobachtung) x Hohes Dematerialisierungs-Potenzial x Verbesserte Umweltsysteme (z.B. Logistik) x Umweltentlastende Verkehrslenkung

ökonomisch

x Effizienz und Kostensenkung x Verbesserte Servicedifferenzierung x Zielgenauere Kundenansprache (Kundenprofile)

x Elektroschrott x Exposition durch elektromagnetische Felder x Steigerung Energieverbrauchs (Endkunde) x Reboundeffekte x Diskriminierung durch Service, Preis- und Produktdifferenzierung x Konsumentenprofile x Kontrahierungszwänge

x Neue Geschäftsmodelle

x Fehlende Markttransparenz

x Qualitätssicherung

x Zuordenbarkeit von Produktverantwortung Zunehmende Kurzlebigkeit von Gütern

x Warenrückverfolgbarkeit x Flexibilitätssteigerung x Effizientere Produktion und Logistik x Verbesserte und schnellere Produktund Leistungsanpassung

x Wettbewerbsbeschränkende Produktkennzeichnung x Deaktivierung von Tags

x Echtzeitökonomie Tabelle 3.21: Chancen- und Risikenanalyse zu Pervasive Computing Quelle: ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 4

Für die Projektteilnehmenden stand im ersten Workshop der Aspekt „Vertrauen des Kunden in die Techno AG“ im Vordergrund. Zudem erfolgte eine allgemeine Diskussion zum Thema „Sicherheit“ und „irrationale Ängste“ der Kunden. Wir werden nichts verkaufen, wenn uns der Kunde nicht vertraut. Kunden nutzen beim ECommerce keine Kreditkarten, weil dieser Bezahlungsweg oder das Internet nicht als sicher gilt. (ID-15.03.2005-Ergebnis 1. Workshop).

158

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Relevanzbeurteilung und Entwicklung von Reaktionsstrategien Aus den Erkenntnissen des Scanning und Monitoring und der Analyse der schwachen Signale folgte eine Beurteilung der Relevanz des Issues Pervasive Computing für die Techno AG. Tabelle 3.22 gibt eine Übersicht über die identifizierten Geschäftschancen und -risiken. Geschäftschancen x Entwicklung künftige IKT für Techno AG von wirtschaftlicher Bedeutung (Connecting trillions of objects and linking them to information and applications will open up a new category of ICTServices and thus provide for Techno AG growth potential.)

Geschäftsrisiken x Sinkende Kundenakzeptanz (Vertrauen) x Reputationsgefahren (gläserner Bürger) x Emotional geführter öffentlicher Dialog x Privacy (informationelle Selbstbestimmung)

x RFID-Lösungen (Logistik, Zugang, Warenkennzeichnung)

x Umwelteinbringung durch Elektroschrott (Transponder auf Produktpackungen: Silizium, Kupfer, Blei, Silber)

x Internet der Dinge

x Rechts- und Versicherungsrisiken (Haftung)

x Tracking & Tracing

x Emissionen, elektromagnetische Felder (z.B. bei NFC)

x IPbased Services

x Applikationen die auf Near-Field-Communication x Fehl-Entwicklungs- und Investitionskosten (NFC) beruhen x Ratings (z.B. Core Rating) x Public Private Partnerships (z.B. eGovernement) x Konsumentenboycotts (Gillette, Benneton etc) x Social Innovations

x Zweifelhafte Awards (z.B. für Swisscom)

Tabelle 3.22: Geschäftschancen und -risiken für die Techno AG Quelle: ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 2

Im zweiten Workshop entwickelten die Teilnehmer in drei Kleingruppen Handlungsoptionen, die entsprechend der Zielsetzung des Projektes „zur Sicherung von Geschäftspotenzialen und zur Schaffung von Akzeptanz und Vertrauen beim Kunden“593 beitragen sollten. Ergebnis waren drei zunächst voneinander unabhängige Reaktionsstrategien:594 x Option A: Proaktives Management Grundannahme in Option A ist, dass eine strikte Ausrichtung am Markt erforderlich sei, um profitables Wachstum zu gewährleisten. Option A setzte auf ein Bündel verschiedener Maßnahmen, mit denen ein proaktives Handeln gezeigt werden sollte. Darunter fielen (a) eine freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft, (b) die Integration von Kunden in den Entwicklungsprozess neuer Produkte und Dienste, (c) die Entwicklung eines Leitsatzes zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und (d) ein vertrauensbildendes Kommunikationskonzept.

593 594

ID-09.2005-Handlungsoptionen, S. 3. Vgl. ID-09.2005-Handlungsoptionen.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

159

x Option B: Leitsatz orientiertes Lenkungsgremium In Option B wurde vorgeschlagen, ein „auf ethischen Leitsätzen beruhendes Lenkungsgremium“595 einzusetzen. Das Gremium sollte die Aufgabe wahrnehmen, in Entwicklung befindliche Produkte, Dienste und Modelle zu bewerten. Die Einrichtung eines Vetorechts sollte die Position des Lenkungsgremiums stärken. x Option C: Systematisierter Chancen- und Risikodialog Als dritte Option wurde ein systematischer Dialogprozess als kontinuierliche Managementaufgabe vorgeschlagen. Die Techno AG sollte dazu mit Stakeholdern („Nutznießern und Betroffenen“) in moderierte Dialoge treten. Fortlaufend sollte der externe und interne Sachverstand über die komplexen Wechselwirkungen von Pervasive Computing erweitert und Geschäftschancen und -risiken identifiziert werden. Die Ergebnisse sollten „[…]‚begin of pipe’ in den Entwicklungsprozess von Produkten, Diensten und Geschäftsmodellen“596 einfließen. Bewertung der Reaktionsstrategien Die entwickelten Handlungsoptionen wurden in Gesprächen mit dem wissenschaftlichen Beirat reflektiert und durch diesen bewertet. Im Kern kamen die beteiligten Professoren zu folgender Einschätzung: „Die intelligente Zusammenführung der Vorzüge alle drei Optionen zu einem integrierten Managementsystem könnte ein gangbarer Ansatz sein.“597 Empfehlungen wurden bezüglich der folgenden Aspekte ausgesprochen: x Präzisierung der unternehmensinternen Adressaten: Die Entwicklungs- und Innovationsbereiche der Techno AG sind als Hauptadressat in den Prozess zu integrieren. Entscheidungsträger im Konzern sind für das Vorhaben zu gewinnen. x Entwicklung von Anreizen zur Gewinnung der Adressaten: Ein frühzeitiges Einbinden der technischen Entwickler ist fundamental. Es muss deutlich werden, dass der Innovationsprozess nicht behindert werden soll. Eine entsprechende Gestaltung des Anreizsystems ist anzustreben. x Entwicklung eines Leitsatzes: Ein zu entwickelnder Leitsatz soll eine identitätsstiftende Wirkung entfachen und den Beteiligten Orientierung geben. Dabei ist auf eine alltagspraktikable Ausgestaltung zu achten.

595 596 597

ID-09.2005-Handlungsoptionen, S. 8. ID-09.2005-Handlungsoptionen, S. 12. ID-09.2005-Bewertung Handlungsoptionen, S.1.

160

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

x Präzisierung der Aufgaben des Lenkungsgremiums: Das zu bildende Gremium sollte für die Steuerung und den Wissenstransfer verantwortlich sein. Wichtig ist dazu, dass das Gremium die verschiedenen konzerninternen Interessen gleichberechtigt widerspiegelt und eine Brücke zwischen internem und externem Dialog bildet. x Integration der Aspekte in den Innovationsprozess: Eine die gesellschaftlichen und ökologischen Wechselwirkungen berücksichtigende Technikgestaltung sollte in das Alltagsgeschäft der Techno AG implementiert werden. x Aufbau zielgruppenspezifischer Dialogprozesse: Dialogische Kommunikationsformen sind bevorzugt einzusetzen. Zielgruppen der Kommunikation sind (a) Wissensträger (z.B. Universitäten), (b) Meinungsträger (z.B. Journalisten), (c) Meinungsbildner (z.B. NGOs), und (d) Kunden. x Anstreben einer Selbstregulierung: Eine freiwillige Selbstkontrolle auf Branchenebene ist positiv zu werten. Sie kann Fehlinvestitionen aufgrund fehlender Standards verhindern und Vertrauen in die Technik schaffen. Mechanismen für den Umgang mit schwarzen Schafen sind zu etablieren. Auswahl der Reaktionsstrategie Nach dem dritten Workshop konnte Ende 2005 eine Vereinbarung für das weitere Vorgehen getroffen werden. Unter dem Titel „Absichtserklärung zur Entwicklung eines Verfahrens für eine nachhaltige Produkt-, Dienst- und Technikgestaltung pervasiver Kommunikation“598 wurden die wesentlichen Ergebnisse der Workshopserie festgehalten. Projektleiter Schneider beschrieb die Vereinbarung als „Meilenstein, der den Willen der beteiligten Konzerneinheiten markiert, das Vorhaben voranzutreiben“599 und als „Arbeitsgrundlage für die kommende Zeit, die die Aufgaben konkretisiert und in Arbeitsschritte zerlegt“600. Das zu entwickelnde Verfahren zielte auf eine Minimierung von Risiken (insb. Investitions- und Haftungsrisiken). Darüber hinaus sollten Entwicklungskosten abgesichert, die Angreifbarkeit reduziert und Imageschäden vermieden werden. Das Verfahren sollte im Innovations- und Entwicklungsprozess ansetzen, sich an den Prinzipien der Vorsorge orientieren und für alle Beteiligten einfach und handhabbar sein. Darüber hinaus wurde die Anforderung ausgesprochen, dass der Regelbetrieb des Verfahrens den Innovations- und Entwicklungsprozess nicht hemmen dürfe und sich in die bestehenden Prozesse einfügen müsse.601

598 599 600 601

ID-12.2005-Absichtserklärung. ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 5. ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 5. Vgl. zum Vorhergehenden ID-12.2005-Absichtserklärung.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

161

Es wurde vereinbart, die Arbeit im Jahr 2006 als sog. „Joint Project“ bereichsübergreifend fortzusetzen. Die beteiligten Einheiten sollten dabei ihre Kompetenzen aufgabenbezogen einbringen. Es wurde betont, dass das Projekt ergebnisoffen angelegt wird. Tabelle 3.23 zeigt die vereinbarten Aufgaben auf. 1. Einen Leitsatz bzw. Grundsätze nachhaltiger Produkt-, Dienst- und Technikgestaltung entwickeln. 2. Soziale, gesellschaftliche, rechtliche, ökonomische und ökologische Bewertungskriterien neuer Produkte, Dienste und Technologien erstellen. 3. Den Adressatenkreis im Bereich Innovation und Entwicklung konkretisieren. 4. Motivationsstrukturen für diesen Adressatenkreis zur Umsetzung des Leitsatzes und die Anwendung der Bewertungskriterien entwerfen. 5. Einen Prozess zur kontinuierlichen Evaluierung zukünftiger Produkte und Dienste sozialer, gesellschaftlicher, rechtlicher, ökonomischer und ökologischer Wechselwirkungen anhand der Bewertungskriterien erarbeiten. 6. Die Anwender des Evaluierungsprozesses festlegen und die benötigten Ressourcen ermitteln. 7. Den Transfers neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sicherstellen. 8. Ein Kommunikationskonzept und die Rahmenbedingungen der internen und externen Kommunikation vorbereiten (Dialog mit Kunden und Stakeholdern). 9. Je nach Verlauf des Projektes Chancen und Risiken einer Regulierung oder freiwilligen Selbstkontrolle der Wirtschaft ausloten. 10. Eine Vorstandsvorlage zur Einführung und Umsetzung des Verfahrens vorbereiten. Tabelle 3.23: Aufgaben aus der Absichtserklärung Quelle: ID-12.2005-Absichtserklärung

Als zu erzielenden Wertbeitrag des Verfahrens wurden die in Tabelle 3.24 angeführten Punkte gesehen. x x x x x x x x x

Absicherung von Entwicklungskosten; Minimierung möglicher Risiken (z.B. Investitions- und Haftungsrisiken) ; Reduzierung der Angreifbarkeit und daraus resultierende Imageschäden; Voraussetzung für Akzeptanz und Vertrauen beim Kunden schaffen; Flankierung [der strategischen Programme]602 […]; Realisierung der Unternehmensvision […]; Beitrag zur Steigerung des Konzernwertes durch nachhaltiges Wirtschaften (Code of Conduct); Beitrag zur Umsetzung der Konzern-Nachhaltigkeitsstrategie; Nachweis gegenüber nachhaltigkeitsorientierten Ratern

Tabelle 3.24: Wertbeitrag des Projektes Quelle: ID-12.2005-Ergebnisreferenz, S. 6

Das Ziel, in den Innovationsprozess Bewertungskriterien zu integrieren, die Bezug auf die gesellschaftlichen Wirkungen neuer Technologien nehmen, war für die Techno AG grundlegend neu: 602

Der Originaltext wurde aus Vertraulichkeitsgründen geändert.

162

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung Wir berücksichtigen solche Aspekte [nicht-marktliche Veränderungen, Anm. d. Verf.] nicht in Entwicklungsprojekten. Dafür müsste die Betrachtungsmatrix klarer definiert sein. Bis auf das wir versuchen, den Google Grundsatz „Don’t be evil“ als Standard mitzunehmen, haben wir keine wirklichen Boxen, die man abhaken müsste. Wonach wir schauen: Passt es in die Strategie, glauben wir selbst daran und ist das Budget vorhanden. (I-05)

3.3.2.3 Phase 2: Weichenstellung (Januar – März 2006) Nach Verabschiedung der Absichtserklärung folgte im Januar 2006 ein Gespräch mit Herrn Manfred Zweck, Leiter des Innovationsbereichs der Techno AG. Diesem Bereich wurde durch das vereinbarte weitere Vorgehen eine Schlüsselrolle zuteil. Das durch Corporate Sustainability initiierte Treffen sollte somit dazu dienen, die Führung des Innovationsbereiches stärker für das Projekt zu gewinnen und die Aufgabenteilung zu besprechen. Jedoch zeigte sich, dass der Bereichsleiter Innovation nicht zu einer Kooperation bereit war. Das geführte Gespräch stellte einen wesentlichen Wendepunkt für den weiteren Verlauf des Projektes dar. Der Innovationsbereich sah sich nach Angaben des Leiters Manfred Zweck nicht befähigt, die Absichtserklärung mit umzusetzen und somit das Projekt weiterzuführen. Auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten anzusetzen, war seiner Meinung nach zielführender, da in diesem Fall das Verfahren an einer konkreten Technologie angewandt werden könnte. Im Falle eines potenziellen Erfolges zeigte sich der Innovationsbereich offen, das Verfahren auch auf zentraler Ebene in der Forschung und Entwicklung zu eruieren. Herr Manfred Zweck hat sich - obwohl im August 2005 anders verabredet - dann Anfang 2006 (nach dem Workshop-Prozess) mit seinem Team aus der Mitverantwortung für eine nachhaltige Technikgestaltung ziehen wollen, jedoch angeregt die SBU´s [Strategic Business Units, Anm. d. Verf.] hierfür zu gewinnen und einzubinden. Wenn diese dann mitziehen würden, hätte er auch kein Problem damit, mögliche Kriterien nachhaltiger Technikgestaltung dann ggf. in den „Gate-Prozess“ bei T&I zu integrieren. (ID-10.05.2006-Mail)

Eine weitere Unterstützung des Projektes durch den Innovationsbereich erfolgte nicht. Der Bereich Corporate Sustainability änderte daraufhin seine Strategie, was sich in den Jahreszielen von Projektleiter Christian Schneider widerspiegelte:603 x Kontinuierliche Sensibilisierung des Innovationsbereichs für das Issue „Gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“. x Einführung des Verfahrens für eine nachhaltige Produkt-, Dienst- und Technikgestaltung an einer bestimmten Technologie in einer strategischen Geschäftseinheit. Es wurde sodann die strategische Geschäftseinheit Alpha im Konzern der Techno AG ausgewählt und eine Fokussierung auf die RFID-Technologie vorgenommen. Die auf Geschäftskunden ausgerichtete Einheit Alpha bot sich an, da diese bereits Geschäftsmodelle mit RFIDTechnologie entwickelte. 603

ID-Gespräch 23.02.2006.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

163

Im Rahmen der Weiterentwicklung des Themenfeldes „Pervasive IKT“ in Richtung nachhaltige Technikgestaltung liegt der Schwerpunkt nun bei der RFID-Technologie. […] Die RFIDTechnologie ist zur Zeit am weitesten entwickelt und wird bei Alpha u.a. durch ein CompetenceCenter RFID vorangetrieben. In Alpha (und dort in den verschiedenen Industrie Lines […]) werden zahlreiche Businessmodelle und Piloten entwickelt. (ID-Mail-06.04.2007)

3.3.2.4 Phase 3: RFID-Selbstverpflichtung (April 2006 – März 2007) In der strategischen Geschäftseinheit Alpha wurden von Projektleiter Schneider zunächst die relevanten Ansprechpartner identifiziert. Ein sekundärorganisatorischer Arbeitskreis zu RFID (AK RFID) nahm als Bezugspunkt die wesentliche Rolle ein. Der AK RFID setzte sich funktionsübergreifend mit Alpha Mitarbeitern aus dem Business Development, Innovationsmanagement, Account Management und Marketing zusammen. Im April 2006 stellte Christian Schneider die Ergebnisse der Workshopreihe dem Arbeitskreis vor und warb in der darauf folgenden Zeit für sein Vorhaben.604 In einer internen Mail an seine Teamkollegen beschrieb der Projektleiter das neu justierte Ziel und die für ihn daraus resultierende Strategie wie folgt: Ziel: Zu einer - wie auch immer gearteten Selbstverpflichtung (o.Ä.) zu kommen, die den verantwortungsvollen Umgang bei der Entwicklung von RFID-Lösungen gegenüber Öffentlichkeit, Politik, Abnehmer und deren Endkunden zu verargumentieren hilft. Meine Strategie: Alle zu RFID bei Alpha zusammenbringen (das scheint dort sehr wichtig zu sein). Und so eine Plattform bieten, sich gegenseitig das notwendige Wissen zu vermitteln: vor allem die Außensicht (Politik, Wissenschaft, Stakeholder) nach innen bringen und diskutieren lassen, ob Handlungsbedarf für eine Selbstverpflichtung aus Sicht von Alpha existiert. Ich will Alpha nicht mit unseren "Weisheiten" treiben, sondern erreichen, dass sie Notwendigkeiten für sich selbst erkennen. (Mail Schneider 02.06.2006)

Als Argumente, die die Relevanz des Projektes unterstreichen sollten, wurden Stakeholderaktivitäten von (a) Politik, (b) Finanzmarkt, (c) Wettbewerbern und (d) der Schweizer IKTBranche aufgeführt: Die Europäische Kommission führt aktuell eine Stakeholder orientierte Konsultation zum Thema RFID durch. Ziel ist eine Kommissionsmitteilung, die den Regulationsbedarf skizzieren soll. Auch Investoren beginnen damit, ICT-Unternehmen nach der ethischen Entwicklung und Nutzung von Technologie zu befragen. Deren Ziel ist, das Investitionsrisiko für Anleger zu minimieren. British Telecom kommuniziert den Aufbau eines Managementprozesses zu Privacy and Pervasive Computing, um die Wettbewerbsposition zu verbessern. Und auch die Schweizer ICT-Branche entwickelt derzeit einen Code of Conduct zu Pervasive Computing. Ziel dessen ist es, zu einer gesellschaftlich verträglichen Technologieentwicklung und -einführung beizutragen. Diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass ethische, sozial-gesellschaftliche, datenschutzrechtliche und ökologische Aspekte sowie Standardisierungsfragen von RFID als relevant für das künftige Business zu betrachten sind. Es gilt deshalb, mögliche Risiken in Chancen zu wandeln. (ID-19.05.2006-Mail)

Dem Fachbereich Corporate Sustainability gelang es, das Business Development bei Alpha für das Projekt zu gewinnen. Im Mai 2006 einigten sich Alpha und Corporate Sustainability auf ein gemeinsames Vorgehen. Tabelle 3.25 zeigt die diesbezüglich relevanten Auszüge des Protokolls zur Vereinbarung der weiteren Schritte.

604

Am 05.04.2006 hielt Christian Schneider einen Vortrag auf einer Sitzung des AK RFID.

164

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

x Bedarf für Response gegenüber Stakeholder erkannt. (Investoren: Investitionsschutz; Endkunden: Technik-Transparenz und Nutzen; Politik: Vermeidung drohender Regulierung; Verbraucherorganisationen: Nachweis unseres Engagements; Kunden: Vertriebsargumente; Markt: Verbesserte Wettbewerbspositionierung). x Zur Sicherung der künftigen Wettbewerbsfähigkeit und Marktpotenziale proaktiv vorgehen. x Vor allem kommunikative und strategische Bündelung notwendig. x Hierfür Entwicklung eines Code of Conduct/ Leitlinien/Freiwillige Selbstverpflichtung (CoC) als kommunikative Klammer nach innen und zur Verargumentierung nach außen (was kann, was leistet Technik, Selbstverpflichtungen, Nutzen/Mehrwert für Kunde, Standardisierung). x Management Attention herstellen. (Bottom-up Ansatz; Verargumentierung Stakeholderanforderungen, Aktivitäten Wettbewerber) x Aufbauend auf CoC Dialog- und Kommunikationsmaßnahmen initiieren (1. Gemeinsame Projekte mit Großkunden, z.B Retail, für deren Endkunden, mit dem Ziel, Transparenz über Technologie herzustellen und Selbstverpflichtung (CoC) zu kommunizieren. 2. Ggf. gemeinsame Workshops mit Lieferanten, die in diesem Technologiefeld nicht als Wettbewerber zu Alpha auftreten). Tabelle 3.25: Protokollauszug – Vereinbarung weiteres Vorgehen bei Alpha Quelle: ID-Protokoll-04.05.2006

In der zweiten Jahreshälfte 2006 entwickelte Alpha mit Unterstützung des Fachbereichs Corporate Sustainability eine Selbstverpflichtung zu RFID. Diese wurde im März 2007 verabschiedet. Die Erkenntnisse des Dialogprozesses der Stiftung Risikodialog wurden dabei integriert.605 Die Inhalte der Selbstverpflichtung orientierten sich an den Themen des Kompasses zu einem verantwortungsvollen Einsatz von Pervasive Computing.606 Tabelle 3.26 zeigt einen Auszug aus der Präambel der Selbstverpflichtung. Wesentliches Ziel dieser Selbstverpflichtung ist es, Alphas Selbstverständnis hinsichtlich der Nutzung von RFID darzustellen und zu verdeutlichen, dass insbesondere der Schutz und die Sicherung personenbezogener Daten ein maßgebliches Anliegen des Unternehmens ist. Die Mitarbeiter von Alpha sind sich bewusst, dass der Erfolg nicht nur von der globalen Vernetzung von Informationsflüssen, sondern vor allem auch vom vertrauensvollen und sicheren Umgang mit personenbezogenen Daten abhängt. Dies gilt im Zusammenhang mit RFID genauso wie für alle anderen Geschäftsbereiche. Tabelle 3.26: Auszug aus der Präambel der RFID-Selbstverpflichtung Quelle: ID-Selbstverpflichtung, S. 1

Anfang 2007 zog Projektleiter Christian Schneider eine Bilanz. Das ursprüngliche Ziel bewertete er als zu ambitioniert und unrealistisch. Positiv sah er den im Unternehmen angestoßenen Lernprozess, der zu einer Sensibilisierung beigetragen hat: Pervasive Computing ist eine Technologievision. Um das Thema für Unternehmen nutzbar zu machen, muss es an einer Technologieplattform greifbar gemacht werden. Zu einer Vision eine Selbstverpflichtung zu machen, war im Nachhinein etwas Quatsch. Wir sind nicht gescheitert mit unserem Projekt, wir haben vielmehr eine Transformation durchgemacht und das Ziel neu definiert. Der erste Ansatz war dabei notwendig, um eine Evolution zu ermöglichen. Es hat andere sensibilisiert. Erst im Laufe des Prozesses konnten wir das Projekt erden. (Gespräch 6.02.2007) 605 606

Dies geschah auf einem Workshop der Techno AG am 13.11.2006, bei dem die Ergebnisse des Dialogprozesses durch die Stiftung Risikodialog der Geschäftseinheit Alpha vorgestellt und diskutiert wurden. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.3.1 (S. 148 ff.).

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

165

Das gewählte partizipative „Bottom-Up“-Vorgehen bewertete Schneider als ungeeignet: Für die Zukunft lerne ich, dass ein partizipativer Bottom-Up Prozess innerhalb des Unternehmens nicht erfolgsversprechend ist. Ich würde vielmehr versuchen, möglichst schnell ein belastbares Dokument des Managements zu generieren, mit dem ich dann Kollegen aus anderen Bereichen ansprechen kann. Dieses Basisdokument wirkt dann quasi als Gesetz, mit dem ich die Leute erziehen kann. (Gespräch 6.02.2007)

Bezüglich der Entwicklung der RFID-Selbstverpflichtung sah Schneider seine Aufgabe als Initiator und Prozessbegleiter: Wir konnten zwar Input zu dem Code of Conduct geben, aber die Laufgeschwindigkeit und die konkrete Ausgestaltung liegt bei der Geschäftseinheit. (Gespräch 6.02.2007)

Bei einer Betrachtung der Wirkung, die durch die verabschiedete Selbstverpflichtung eintreten könnte, hielt sich Schneider bedeckt: Der Code of Conduct ist erstmal nur ein Papiertiger. Daraus folgen dann aber weitere Schritte. Von außen werden Leute jetzt anfragen: Wie geht das konkret? Wie befähigt Ihr Eure Kunden? Der Code ist eine Art Grundgesetz für uns. Er muss jetzt mit etwas hinterlegt werden. Wichtig ist die Verbandskommunikation. Darüber erreichen wir auch unsere Geschäftskunden, die mit Endkunden im Kontakt sind. (ID-Telefonat mit Schneider am 9.3.2007)

Es ist festzustellen, dass die RFID-Selbstverpflichtung zwar intern verabschiedet wurde; eine Kommunikation dazu erfolgte jedoch bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes im Juni 2007 nicht. Ebenso wenig wurde bis zu diesem Zeitpunkt auf Kunden und Partner zugegangen, um an einer branchenweiten Selbstkontrolle zu arbeiten. Inwieweit das Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ nach Verabschiedung der Selbstverpflichtung durch den Bereich Corporate Sustainability weiter behandelt wurde, war ebenfalls offen. 3.3.3

Analyse des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“

Die Analyse des Projektes erfolgt in zwei Schritten. Erstens werden diejenigen Bereiche betrachtet, die sich in der Techno AG mit dem Thema strategische Frühaufklärung beschäftigen. Zudem werden für die Techno AG spezifische Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung aufgeführt. Zweitens erfolgt eine Analyse des Projektes entlang der strukturellen, kontextuellen und prozessuellen Faktoren. Damit orientiert sich die Untersuchung am Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung, der in der multiplen Forschungsfallstudie entwickelt wurde.607 Der Schwerpunkt bei der singulären Forschungsfallstudie liegt bei den Herausforderungen, die mit der Umsetzung der Erkenntnisse aus der strategischen Frühaufklärung einhergehen. Damit widmet sich die Fallstudie explizit der in Abbildung 1.2 (S. 6) aufgezeigten sekundären Implementierungslücke.

607

Siehe hierzu Abbildung 3.3 in Kapitel 3.2.1 (S. 114).

166

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

3.3.3.1 Strategische Frühaufklärung in der Techno AG Die Techno AG hat sich in den vergangenen Jahren systematisch mit der Implementierung einer strategischen Frühaufklärung beschäftigt. Ein zunächst zentral orientierter Ansatz in der Konzernentwicklung wurde jedoch schnell zugunsten einer thematischen Ausrichtung abgelöst. Folgende Zentraleinheiten auf Konzernebene beschäftigten sich im Beobachtungszeitraum der Untersuchung mit Aufgaben strategischer Frühaufklärung: x Corporate Sustainability x Innovation x Konzernentwicklung x Unternehmenskommunikation Corporate Sustainability als Initiator des Projektes Der Fachbereich Corporate Sustainability ist auf Konzernebene in einem Vorstandsbereich angesiedelt und fokussiert sich im Kontext strategischer Frühaufklärung auf das Makroumfeld des Unternehmens. Dabei nimmt der Bereich eine ausgeprägte outside-in Perspektive ein. Abbildung 3.11 skizziert den vom Fachbereich gewählten Ansatz zur strategischen Frühaufklärung.

Strategische Früherkennung

Gesellschaftliche

Gesellschaftliche

Chancen

Risiken

Business Chancen

Business Risiken

Neue Handlungsoption für nachhaltiges Wirtschaften

Soziale Belange und Umweltbelange entlang der Wertschöpfungskette wertsteigernd und risikominimierend in die Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern integriert.

Wettbewerbsvorteile

Abbildung 3.11: Ansatz zur strategischen Frühaufklärung im Bereich Corporate Sustainability Quelle: ID-04.2006-Präsentation-Businesspartner, S. 7

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

167

Auf das Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ ist der Fachbereich durch Scanning-Aktivitäten basierend auf einer informalen Suche gestoßen.608 Im Zuge eines kontinuierlichen Monitorings verdichteten sich die Signale. Ich habe den Begriff zunächst aufgenommen, dann im Internet recherchiert und gemerkt, dass es da sehr viele Treffer gab. Erst nach und nach ist mir die Bedeutung für unser Unternehmen bewusst geworden. (I-13)

Die Initiative zum Projekt „Wirkungen pervasiver IKT“ wurde begründet mit dem Verweis, die Konzern-Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. In dieser wird Bezug genommen auf die Aufgabe, die Folgenabschätzung des Handelns der Techno AG zu systematisieren und in Entscheidungen einzubeziehen.609 Das Projekt kann somit in den Bereich der Technikfolgenabschätzung eingeordnet werden. Wie in Kapitel 2.1.3.2 (S. 33ff.) beschrieben, werden hierunter strategische Frühaufklärungsaktivitäten, die sich mit indirekten und zeitlich verzögerten auftretenden Folgen von Produkten und Produktionsprozessen beschäftigen, klassifiziert. Der Blick richtet sich bei diesem Vorhaben auf Künftiges und auf die unternehmensinterne Implementierung des Vorsorgeprinzips. (ID-11.2004-Letter of Intend)

Eine weitere Legitimation für die Initiierung des Projektes findet sich im Geschäftsverteilungsplan der Techno AG. Für die Konzerneinheit Corporate Sustainability wird die frühaufklärungsrelevante Aufgabe wie folgt beschrieben: Aktuelle und zukünftige Entwicklungen, Trends, Chancen, Risiken und Anforderungen von Stakeholdern zur Nachhaltigkeit von Unternehmen […] analysieren, bewerten (Scouting) und in den Konzern einbringen. (GVP, Konzerneinheit Corporate Sustainability)

Innovation als verantwortlicher Bereich für Technologiefrühaufklärung Durch die Dezentralisierung der strategischen Frühaufklärung wurde dem Innovationsbereich eine tragende Rolle zuteil. Gemäß des Geschäftsverteilungsplanes war der Bereich zuständig für die „Innovations-Frühaufklärung […] in den Bereichen Markt, Technologie und Kunden“610. Dies umfasste die folgenden Aufgaben:611 x Frühaufklärung über Innovationen [in den für die Techno AG relevanten Märkten]612 methodisch aufbauen und betreiben x systematische, zukunftsgerichtete Umfeldanalyse (Kunde, Markt, Wettbewerb und Technologie) durchführen

608 609 610 611 612

Siehe hierzu die Ausführungen zum Formalisierungsgrad beim Scanning in Kapitel 2.3.2.1 (S. 72ff.). Vgl. ID-03.11.2004-Mail. ID-GVP-Innovation. Vgl. ID-GVP-Innovation. Der Text wurde aus Vertraulichkeitsgründen geändert.

168

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

x langfristige Trends hinsichtlich Kundenbedürfnissen und -verhalten, Markttrends sowie Technologieentwicklungen systematisch analysieren, bewerten und entsprechend Innovationsleitlinien für den Konzern definieren x langfristig auftretende Chancen und Risiken systematisch identifizieren, bewerten und strategische Handlungsoptionen ableiten Das Issue Pervasive Computing wurde im Jahr 2004 vom Zentralbereich Innovation der Techno AG als Technologie mit disruptivem Potenzial identifiziert. Dabei wurde Pervasive Computing definiert als „Dienste, die auf der flexiblen Interaktion verschiedener Endgeräte im Umfeld des Nutzers basieren“613. Den Aufgaben des Innovationsbereiches folgend setzt sich dieser mit „disruptiven Technologien auseinander, bewertet sie und richtet Empfehlungen an den Vorstand und wichtige Entscheider im Konzern.614 Competitive Intelligence in der Konzernentwicklung Das Betreiben strategischer Frühaufklärung war – als eine von vier Aufgabenbereichen – offiziell im Geschäftsverteilungsplan der Konzernentwicklung verankert.615 Die Operationalisierung der Aufgabe zeigte jedoch, dass eine Beschränkung auf das Mikroumfeld angestrebt wurde und sich die strategische Frühaufklärung somit auf Competitive Intelligence-Aktivitäten fokussierte:616 Entwicklung strategischer Handelsoptionen (War Gaming) des Konzerns für den Konzernvorstand durch die Definition und Ausgestaltung strategischer Wettbewerbsszenarien. (ID-GVP- Konzernentwicklung)

Issues Management in der Unternehmenskommunikation Im Bereich der Unternehmenskommunikation wurde ein Issues Management betrieben, welches als Instrument der Public Relations eingesetzt wurde.617 [Unternehmenskommunikation] ist zuständig für Krisenkommunikation und hat über das Instrument des Issues Management die Aufgabe, kommunikative Chancen und Risiken des Konzerns frühzeitig zu erkennen und zu steigern bzw. zu vermindern. (ID-Intranet-UK, Zugriff vom 30.08.2006) Wir beschäftigen uns mit kommunikativ relevanten Einwirkungen auf das Unternehmen von außen, um Probleme zu erkennen und mit Mitteln der Kommunikation zu reagieren. Dass die Mittel der Kommunikation das Problem nicht lösen, sondern nur kommunikativ eine Problemlösung begleiten können, ist klar. (I-07)

613 614 615 616 617

ID-2004-Technologien. ID-Intranet-Innovation2, Zugriff vom 30.08.2006. Vgl. ID-GVP-Konzernentwicklung. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1.3.4 (S. 38ff.). Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1.3.3 (S. 35ff.).

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

169

Interne Wahrnehmung von Erfolgsfaktoren und Hemmnissen bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung Die in acht Bereichen der Techno AG geführten Interviews haben Erfolgsfaktoren und Hemmnisse bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung aufgezeigt. In Tabelle 3.27 werden zunächst die genannten Erfolgsfaktoren aufgeführt. Diese Zusammenfassung bietet eine Übersicht über die intern wahrgenommenen grundsätzlichen Erfolgsfaktoren bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung. Die Gliederung dieser Faktoren orientiert sich dabei am in der multiplen Forschungsfallstudie entwickelten Analyserahmen für Aktivitäten strategische Frühaufklärung. Darüber hinaus konnten Faktoren identifiziert werden, die bei der Einführung von Frühaufklärungsaktivitäten eine Rolle spielen.

170

Erfolgsfaktor Einführende Faktoren Konzernbeschluss zur Einführung

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Beschreibung / Zitate x „Zur Einführung sollte es einen Beschluss des Konzernvorstandes geben, um das klare Commitment der obersten Leitung einzuholen.“

Offizielle Einführung

x „Eine offizielle Einführung wie zum Beispiel bei einer neuen Gehaltssoftware ist notwendig. Das ganze über den Vorstand in die einzelnen Bereiche hinein schieben. Es reicht nicht wenn Corporate Sustainability ‚under Cover’-mäßig eine Einführung versuchen würde.“

Klares Signal der beteiligten Bereiche

x „Von Anfang an ein klares Commitment aus unterschiedlichen Bereichen des Konzerns. Sonst bleibt es bei einem Papiertiger, der in einer Schublade bleibt, aber keine wirkliche Wirkung entfaltet.“

Kontextuelle Faktoren Unterstützung durch das Top-Management Unternehmenskultur

Strukturelle Faktoren Einbindung der Divisionen Strategieanbindung

x „Ein Früherkennungssystem, dass eine Relevanz im Unternehmen erhalten soll, muss ausstrahlen, dass es vom Top-Management gewollt und unterstützt ist und dass die Ergebnisse wahrgenommen werden.“ x „Warum nicht über Frühaufklärung Alleinstellungsmerkmale erzielen wollen? Wir können versuchen, uns positiv abzusetzen. Nicht nur defensiv, sondern auch proaktiv Chancen aufgreifen. Dafür ist eine entsprechende Unternehmenskultur notwendig.“ x „Wie binde ich die Divisionen an? Es reicht nicht, dass die Zentrale etwas aufbaut. Alle müssen an einem Strang ziehen.“ x „Abgleichen mit den Steuerungsinstrumenten des Unternehmens (z.B. Balanced Scorecard). Darin muss zur Verfeinerung die Frühaufklärung angedockt sein.“ x „Frühaufklärungsziele setzen und entsprechende Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern treffen.“

Demonstration des Business Case

x „An Beispielen den monetären Nutzen aufzeigen. Wo hätten wir Kosten sparen können?“

Prozessuelle Faktoren Glaubwürdigkeit in den genutzten Methoden herstellen

x „Wenn die Sache nicht nur dem Bauchgefühl, entspringt, sondern diese Intuition auch analytisch begründbar ist, wird das System glaubwürdig sein.“

Nutzerfreundlichkeit

x „Muss so einfach sein, als würde ich bei Google etwas suchen.“

Bereichsübergreifender Austausch

x „Gute Mischung aus Offenheit und Vertraulichkeit: offener Austausch mit relevanten Bereichen bei gleichzeitigem vertraulichen Umgang mit den Issues“

Tabelle 3.27: Erfolgsfaktoren bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der singulären Forschungsfallstudie

Unter Hemmnissen sollen Faktoren verstanden werden, die bei Vorhanden sein die Implementierung strategischer Frühaufklärung behindern, bei Nicht-Vorhanden sein aber nicht automatisch zu einer erfolgreichen Implementierung führen. In Tabelle 3.28 werden die mittels der Interviews identifizierten Hemmnisse zusammen gefasst.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

Hemmnis Kurzfristorientierung

171

Beschreibung / Zitat x Ausrichtung der Unternehmensstrategie an Quartalszyklen x „Langfristperspektive interessiert nicht“

Bereichsegoismen

x „Manche Bereiche suchen sich Themen, um Arbeit zu haben.“ x „Man wird nicht eine Logik aufbauen können, bei denen alle Bereiche an einem Strang ziehen.“

kontinuierliche Umstrukturierungen

x „Wenn man mal eine Arbeit anfängt, weiß man nicht, wann die nächste Umstrukturierung erfolgt, also plant man nicht langfristig.“ x „Die Mitarbeiter, die heute mit am Tisch sitzen, haben morgen andere Aufgaben.“ x „Man lernt, wenn man länger als ein Jahr plane, ist das Blödsinn, weil es dann neue Organisationsstrukturen gibt und dann muss man seine guten Ideen neuen Leuten erklären.“ x „Die Planung beträgt ein Jahr – maximal. Und alle anderen im Konzern, die da sagen sie hätten längere Planungszeiträume, denen glaube ich nicht so richtig.“

Systemgläubigkeit

x „Wir denken, wenn die Prozesse da sind, dann funktionieren sie ohne Kopf! Das ist eine mechanistische Einstellung.“

SFA als Überbringer von Risiken

x „Es ist zurzeit einfach nicht gewünscht, Risiken transparent zu machen und offen zu formulieren. Man will sich nicht an der Vermarktung neuer Produkte hemmen lassen, in dem vielleicht Risiken überbetont oder stark betont werden.“

Aufbau losgelöster Strukturen Kosten

x Fehlende Anbindung an bestehende Prozesse und Entscheidungswege x „Kosten sind eine große Barriere, auch im Sinne von personellen Ressourcen“

Tabelle 3.28: Hemmnisse bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der singulären Forschungsfallstudie

3.3.3.2 Analyse der strukturellen Faktoren Die zu Beginn des Projektes in Phase 1 gesetzte Zielsetzung konnte nicht erfüllt werden. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass kein strategischer Fit zwischen der sehr ambitionierten Zielsetzung und den weiteren Faktoren existierte. Mit Anpassung der Zielsetzung in Phase 2 wurden die Chancen einer Zielerreichung größer. Erst in Kooperation mit Alpha wurde in Phase 3 eine Zielsetzung gewählt, die unter Konstanthaltung der anderen Faktoren erfüllbar war. Somit wurde im Verlauf des Projektes die Zielsetzung kontinuierlich neu justiert und herabgesetzt. Die aufbauorganisatorische Anbindung erfolgte in Form eines sekundärorganisatorischen Frühaufklärungszirkels.618 Als schwierig erwies sich die Verankerung auf Ebene eines Fachbereichs, der mit anderen Fachbereichen konkurrierte, da es zu einer Überschneidung bei der

618

Siehe hierzu die Ausführungen in Tabelle 2.10 in Kapitel 2.3.2.2 (S. 79).

172

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Zuständigkeit der Themen kam. Eine Aufhängung auf höherer Ebene, beispielsweise als Stabsstelle beim Vorstandsvorsitzenden hätte eine bessere Steuerung ermöglichen können. Allerdings ist bei einer solchen Konstellation fraglich, ob eine ähnliche Sensibilität für die gesellschaftlichen Wirkungen von Pervasive Computing bestanden hätte. In den teilnehmenden Bereichen wurde das Projekt von den jeweiligen Fachreferenten betreut. Eine Einbindung der jeweiligen Führung der Bereiche erfolgte dabei nur in wenigen Fällen. Damit blieb das Vorhaben auf einer Fachebene und das Management wurde nicht sensibilisiert. Eine Eruierung, inwiefern das Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ auch für die Frühaufklärungsaktivitäten in der Konzernentwicklung und in der Unternehmenskommunikation von Relevanz sein könnte, erfolgte nicht. Bezüglich des Faktors der Strategieanbindung ist zu konstatieren, dass sich die fehlende Einbindung der Konzernentwicklung als hemmend für das Projekt ausgewirkt hat. Diese zeigte keine Affinität für das nicht-marktliche Umfeld und Entwicklungen, die jenseits des Strategiezyklus liegen. Die dominante Logik in der Techno AG bezog sich auf kurzfristige Planungszeiträume. Verschärft wurde dieser Aspekte durch kontinuierliche Umstrukturierungen im Konzern. Belastend kommt bei der Strategieanbindung das zurück liegende Scheitern der konzernweiten strategischen Frühaufklärung hinzu. Dieses äußerte sich in einer abwehrenden Haltung gegenüber langfristigen Veränderungen, deren Folgen zum Zeitpunkt der Betrachtung noch nicht quantitativ abgeschätzt werden können. Schließlich existierten keine Ansätze, mit denen zeitlich entfernte Chancen und Gefahren an die kurz- und mittelfristige Zukunft angebunden werden können, um so die Materialität dieser Issues aufzuzeigen. Hinsichtlich des strukturellen Faktors Aufgabenträger ist das Projekt wie folgt zu beurteilen: Die wichtige Rolle des Machtpromotors wurde im Projekt nicht besetzt. Ebenso fehlte ein Projektpate, der in kritischen Phasen aufgrund seiner Glaubwürdigkeit zur Stützung der Frühaufklärung hätte eingreifen können. Projektleiter Schneider versuchte vergeblich, ein Vorstandsmitglied für das Vorhaben zu gewinnen, welches an wichtigen Sitzungen (z. B. 3. Workshop am 5.12.2005, Workshop mit Alpha und Stiftung Risikodialog am 13.11.2006) hätte teilnehmen sollen. Die Auswahl der Fachpromotoren ist als zu einseitig zu bewerten. Neben wissenschaftlicher Fachexpertise wäre das Hinzuziehen von Methodenkompetenz zur strategischen Frühaufklärung wichtig gewesen. So wäre eine Person, die bereits aus Praxisperspektive Erfahrungen bei der Implementierung entsprechender Projekte gesammelt hat, ein wichtiger Fachpromotor gewesen. Die interdisziplinäre Zusammensetzung des wissenschaftlichen Beirats ist positiv zu werten, da damit die für das Vorhaben relevanten Aspekte gut abgebildet wurden. Das gewählte Vorgehen der ausschließlichen Bewertung der Handlungsoptionen durch die Professoren ist kritisch zu sehen. Es offenbart eine hohe „Professorengläubigkeit“, die im Unternehmenskontext schnell zu Ablehnung führen kann.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

173

3.3.3.3 Analyse der kontextuellen Faktoren Eine wesentliche Barriere für das Vorhaben stellte die fehlende Top-Management Unterstützung dar. Diese war durch den Auftrag zur strategischen Frühaufklärung im Geschäftsverteilungsplan und durch die Nachhaltigkeitsstrategie zwar formell vorhanden, aber es erfolgte keine Unterstützung durch einen Entscheidungsträger auf Vorstandsebene. Das gewählte „Bottom-Up“-Vorgehen zielte zunächst auf eine Ausarbeitung des Verfahrens zur Technikgestaltung. Erst in einem zweiten Schritt sollte der Vorstand adressiert werden. Viel versprechender scheint der umgekehrte Ansatz: Nach Abschließen der Workshopserie direkt eine Vorstandsvorlage zu erstellen und zu versuchen, den Vorstand für das Issue zu sensibilisieren. Ein solches Vorgehen spiegelt sowohl die Lernerfahrungen des Projektleiters Christian Schneider als auch die Ergebnisse der Interviews wider. In Bezug auf die Unternehmenskultur lässt sich erkennen, dass sich diese in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Ausgehend von einer stark technologieorientierten Organisation erfolgte eine integrierte Betrachtung von Geschäftsmodell, Nutzerverhalten und Technik.619 Interviewpartner bewerteten diese Entwicklung als einen „Riesenschritt“. Eine weitergehende Betrachtung nicht-marktlicher Faktoren erfolgte jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht. Die laufenden Umstrukturierungen in der Techno AG wirkten zusammen mit der dominierenden Kurzfristorientierung prägend auf die Unternehmenskultur. Eine Einordnung in die Kulturtypologie nach ANSOFF, die als Merkmal die zeitliche Orientierung beinhaltet, ist im Bereich der reaktiven bis hin zur kalkulierbaren Kultur zu sehen. Für eine wirksame strategische Frühaufklärung hingegen ist eine stärkere Ausrichtung auf die Zukunft notwendig, wie dies in explorativen und kreativen Kulturen der Fall ist.620 In Bezug auf die kulturprägende Rolle der Führung ist festzuhalten, dass eher eine technokratische als eine unternehmerische Führungskultur vorherrschte. Auf Führungsebene erfolgte keine offene Thematisierung mit strategischen Umfeldveränderungen. In der geringen Motivation seitens der Mitarbeiter, das Projekt voranzutreiben, bestätigen sich somit die Studien von SWEETMAN.621 3.3.3.4 Analyse der prozessuellen Faktoren Erfassung und Bewertung Die gesetzten Ziele des Projektes spiegeln im Wesentlichen die einzelnen Prozessphasen strategischer Frühaufklärung wider: Im Zuge des Scanning wurden schwache Signale identifiziert, die in Bezug auf gesellschaftlichen Wirkungen von Pervasive Computing beruhen (Phase der Erfassung von schwachen Signalen). Die „wesentlichsten erwartbaren Wirkungen künftiger 619 620 621

Vgl. I-05. Vgl. zum vorhergehenden die Ausprägungen von Unternehmenskulturen in Tabelle 2.9 in Kapitel 2.3.1.1 (S. 67). Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3.1.1 (S. 67ff.).

174

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

IKT“622 sollten durch das Projekt identifiziert und analysiert werden (Phase der Analyse erfasster schwacher Signale). Anschließend sollte der „Einfluss auf das Geschäft der Techno AG“623 untersucht werden (Phase der Relevanzbeurteilung). Unternehmerische Handlungsoptionen sollten sodann aufgezeigt werden, eine Machbarkeitsanalyse der Optionen angefertigt und Empfehlungen für eine zu wählende Handlungsoption gegeben werden (Phase der Formulierung von Reaktionsstrategien). Für eine Bewertung der gewählten Reaktionsstrategie bietet sich der Ansatz von ANSOFF an.624 Dazu ist zunächst zu klären, welcher Ungewissheitsgrad dem untersuchten Issue zuzuschreiben ist.625 Der Systematik von ANSOFF folgend setzte das Projekt beim dritten Grad an: Es bestand erstens die Überzeugung, dass eine Diskontinuität bevorstand (wahrgenommene schwache Signale; Grad 1) und zweitens wurde das Gebiet, das Quelle der Diskontinuität ist, identifiziert (Zurechenbarkeit über auslösende Technologien; Grad 2). Die Charakteristika der Gefahr oder Chance, d.h. die Art, Schwere und Zeitraum der Auswirkungen wurden in der Workshopserie thematisiert (Grad 3). Eine abschließende gemeinsame Bewertung über die konkrete Chance oder Gefahr konnte dabei nicht erzielt werden. Die vorgeschlagenen Handlungsoptionen sollten auf den vierten Ungewissheitsgrad zielen. Die erarbeiteten Optionen lassen sich wie in Tabelle 3.29 aufgezeigt in die von ANSOFF vorgeschlagenen abgestuften Reaktionsstrategien einordnen.626 Direkte Reaktion

Flexibilität

Aufmerksamkeit

Beziehung zur Umwelt

Externe Aktion Alphas Option A: Proaktives Management

Externe Flexibilität

Beobachtung der Umwelt

Interne Struktur

Interne Bereitschaft Alphas Option B: Lenkungsgremium

Interne Flexibilität Alphas Option C: Systematisierter Chancenund Risikendialog

Selbstbeobachtung

Tabelle 3.29: Einordnung der Handlungsoptionen in die abgestuften Reaktionsstrategien Quelle: Eigene Zuordnung, basierend auf Ansoff (1976), S. 137ff.

Die Maßnahmen in den Optionen A und B setzen dabei auf eine direkte Reaktion. Folgt man jedoch dem Ansatz von ANSOFF, sich bei der Auswahl der Reaktionsstrategie am Ungewissheitsgrad zu orientieren, so würden Strategien zur externen Aktion und internen Bereitschaft nicht zu wählen seien. Option B fehlt die Information des vierten, Option A die Informationen

622 623 624 625 626

ID-04.2006-Präsentation-Businesspartner. ID-04.2006-Präsentation-Businesspartner. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.1.1 (S. 39ff.). Siehe hierzu Tabelle 2.3 (S. 42). Siehe hierzu Tabelle 2.4 (S. 43).

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

175

des vierten und fünften Ungewissheitsgrades.627 Demgegenüber stellt Option C eine gangbare Alternative dar, nicht zuletzt aus dem Motiv heraus, dass durch die interne Flexibilitätserhöhung der Innovationsbereich und das Top-Management für das Issue weiter sensibilisiert werden könnten. Die Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats ist folglich kritisch zu werten. Der Vorschlag, die drei Optionen in ein „integriertes Managementsystem“ zusammen zu führen, steht dem Ansatz von ANSOFF entgegen, abgestufte Reaktionsstrategien zu entwickeln. Die Orientierung am Ungewissheitsgrad führt zu einer Priorisierung der Optionen und zu einer Handlungsanleitung, die im vorliegenden Fall geeigneter scheint. Bewertung der Stakeholder Salience Für eine Stakeholderanalyse bietet sich die Bestimmung der Stakeholder Salience nach MITCHELL, AGLE und WOOD an.628 In Abbildung 3.12 erfolgt eine entsprechende Betrachtung für das Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“. Dabei wurde die Perspektive der Techno AG eingenommen. Macht Politik 1 Schlafender Stakeholder

Legitimität

Finanzmarkt 4 Dominanter Stakeholder

Geschäftskunden

Verbraucherschutz 2 Potenzieller Stakeholder

Endkunden

5 Gefährlicher Stakeholder

7 Eindeutiger Stakeholder

Gewerkschaften

6 Abhängiger Stakeholder NGOs

3 Ansprüche geltend machender Stakeholder

Mitarbeiter 8 NichtStakeholder

Dringlichkeit

Abbildung 3.12: Bewertung der Stakeholder Salience Quelle: Eigene Zuordnung, Ansatz basierend auf Mitchell / Aigle / Wood (1997), S. 874

627 628

Siehe hierzu die Ausführungen zur Auswahl von Reaktionsstrategien in Tabelle 2.5 (S. 44). Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.1.3 (S. 49ff.).

176

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Die Analyse der Stakeholder weist auf eine geringe Stakeholder Salience hin: Alle betrachteten Stakeholdergruppen können jeweils nur ein Merkmal aufweisen. Die über Macht verfügenden Stakeholder Politik, Finanzmarkt, Geschäftskunden und Endkunden zeigen zum Zeitpunkt der Untersuchung weder einen legitimen noch einen drängenden Anspruch zum Issue. Damit gelten sie als schlafende Stakeholder. Gewerkschaften und Verbraucherschutz wirken als potenzielle Stakeholder: Gewerkschaften treten mit Konferenzen zum Issue in die Öffentlichkeit629; Verbraucherschutzverbände fordern Richtlinien für einen verantwortlichen Umgang mit RFID. Die Aktivitäten der NGOs als Ansprüche geltend machender Stakeholder schließlich werden lediglich durch das Merkmal der Dringlichkeit wahrgenommen.630 Mit ihren Aktionen weisen sie auf die Zeitsensitivität des Issue hin. Die Wichtigkeit ihres Anliegens entspringt dem Merkmal des Ausgeliefertseins.631 Für die NGO’s stehen wichtige Güter wie informationelle Selbstbestimmung auf dem Spiel. Allerdings waren die NGO’s bislang nicht erfolgreich, ihr Anliegen in die breitere Öffentlichkeit zu transportieren, so dass ihnen noch nicht das Merkmal der Legitimität zugesprochen werden kann. Ebenfalls ist es ihnen noch nicht gelungen, Kooperationen mit anderen Stakeholdern zu initiieren und so nicht-marktliche Verhandlungsmacht auszuüben. Als Nicht-Stakeholder zum Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ sind die Mitarbeiter zu nennen. Von diesem Stakeholder konnten keine schwachen Signale wahrgenommen werden. In Phase 3 des Projektes gewann der Stakeholder Politik (hier sind insbesondere die Aktivitäten der EU-Kommission zu nennen) an Bedeutung. Durch den EU-Konsultationsprozess zu RFID im Jahr 2006 zeigte sich eine gewisse Dringlichkeit für das Issue. In der Geschäftseinheit Alpha wurde diese Entwicklung genau beobachtet. Sie stellte einen wesentlichen Treiber für die Verabschiedung der RFID-Selbstverpflichtung dar. Divergierende Interessen zwischen Innovation und Corporate Sustainability Als wesentliches Hemmnis im Projektverlauf bei der Interaktion mit den internen Stakeholdern sind die divergierenden Interessen der Bereiche Corporate Sustainability und Innovation zu nennen. Beide Einheiten folgten ihrer jeweiligen Logik und ihren Zielen. Eine gegenseitige Annäherung konnte nicht erreicht werden. Abbildung 3.13 zeigt die im Kontext der Interviews identifizierten Stakeholder-Rankings der Interviewpartner aus den beiden Bereichen.

629 630 631

So hat beispielsweise die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit ver.di und DGB die Konferenz „Das Internet der Dinge. RFID und allgegenwärtige Informationsverarbeitung“ am 12.12.2006 organisiert. Für Deutschland ist als NGO zum Issue Pervasive Computing vor allem der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (Foebud e.V.) mit der „Stop-RFID“-Kampagne zu nennen. Vgl. Liebl (2000), S. 91f.

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

177

Kunden

Kunden „nehmen 80% der Zeit in Anspruch.“

Lieferanten

Lieferanten Entwicklungspartner

Peers/Wettbewerber Politik

Finanzmarkt

Medien

Politik

Medien

„Einflussfaktoren, die aber nicht die zentrale Rolle spielen.“

Finanzmarkt Mitarbeiter

Mitarbeiter NGOs NGOs Gewerkschaften

„NGOs können ihr Weltbild völlig auf den Kopf stellen.“

„Haben wir nichts mit zu tun.“

Stakeholder-Ranking I-11 Konzernebene, Innovation

Stakeholder-Ranking I-05 Konzernebene, Innovation 1. Ebene, Hauptquelle des täglichen Geschäfts

NGOs

Finanzmarkt

„Treten immer gemeinsam auf.“

Kunden

Medien Lieferanten Politik

Wirtschaftsverbände

2. Ebene, Hauptquelle von Früherkennung

„Sind wichtig, aber nicht förderlich.“

Gewerkschaften „Sind zu sehr mit hausbackenen Themen beschäftigt.“

Lieferanten

Sichtweise des marktlichen Umfeldes beeinflusst unsere Themen

Wettbewerber

NGOs

Politik Wichtig, weil meinungsund wertebildend

Medien

Finanzmarkt

Mitarbeiter

„sind für uns out of Scope.“

Gewerkschaften

Kunden „Spielen keine Rolle. Nutzen ihre Macht nicht.“

Durch Zusammenspiel der Gruppen können strat. Überraschungen entstehen

Mitarbeiter Gewerkschaften

Stakeholder-Ranking I-01 Konzernebene, Corporate Sustainability

Stakeholder-Ranking I-13 Konzernebene, Corporate Sustainability

Abbildung 3.13: Vergleich Stakeholder Rankings Innovation und Corporate Sustainability Quelle: Eigene Darstellung. Ergebnis der singulären Forschungsfallstudie

Die Rankings illustrieren die Wichtigkeit verschiedener Stakeholder in Bezug auf die Aufgabenerfüllung der Interviewpartner. Sie zeigen deutlich die gegensätzlichen mentalen Modelle632 der befragten Manager auf. Besonders auffällig ist ein Vergleich der Rankings aus den Interviews 5 und 11 mit dem Ranking aus Interview 1: NGOs und ihre Anliegen spielten im Innovationsbereich keine Rolle, waren jedoch für den Fachbereichsleiter Corporate Sustainability der wesentliche Stakeholder. Dem hingegen bietet das vom Projektleiter Christian Schneider erstellte Ranking (I-13) eine differenziertere Betrachtung. So sah er Finanzmarkt, Kunden und Lieferanten als „Hauptquelle des täglichen Geschäfts“. NGOs, Politik und Medien bildeten für Schneider die „Hauptquelle von Früherkennung“. Insbesondere durch Koalitionsbildung dieser drei Stakeholdergruppen hätten ihm zufolge strategische Umfeldveränderungen entstehen können.

632

Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1.1.2 (S. 16ff.).

178

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Der am Prozess beteiligte Manager aus dem Innovationsbereich erläuterte die ablehnende Haltung des geplanten Vorgehens wie folgt: Es ist schwierig, auf einer grundsätzlichen Ebene die Dinge zu regeln. Es kann über viele Ausnahmen argumentiert werden. Wir haben es mit einem Parameterraum zu tun, der beinahe unendlich ist. Sobald man im Produktmanagement in den Produktentwicklungsprozess eintritt, ist es sinnvoll auf diesem Detaillevel anzusetzen. Beispielsweise könnte sich die Frage stellen, wie mit einer Datenschutzrichtlinie umgegangen wird. Im F&E Bereich sind solche Fragen beliebig offen. (I-11)

Zudem führte er an, dass die eingesetzten Ressourcen in Bezug zum potenziellen Mehrwert gesehen werden müssten. Hierbei erfolgte das Urteil, dass die benötigten Ressourcen zu hoch seien. Unterschiedliche Ansichten zwischen Konzernforschung und Innovationsstrategie Auffällig ist, dass in der Konzernforschung auf Entwicklerebene weitaus größere Offenheit herrschte als auf Strategieebene. So betonte ein Interviewpartner der Forschung, dass wenige, wohlüberlegte Kriterien durchaus mit in den Innovationsprozess einfließen und im Genehmigungsprozess neuer Projekte berücksichtigt werden könnten. Grundsätzlich bin ich da sehr offen. Der Innovationsprozess gilt ja für die gesamte T&I, deshalb ist der auch zentral verortet. Wenn man es schafft, nur wenige Kriterien dann eben drin zu haben und die einfach beantwortbar zu haben, dann bin ich der erste, der mit dabei ist. Denn gerade, wenn man in die Zukunft schaut und so wie wir die Dienste dann auch sehen, ist es auch sehr wichtig, die gesellschaftlichen Auswirkungen des Einsatzes von solchen Sachen zu betrachten. (I-05)

Der Interviewpartner befürwortete diesbezüglich eine Zusammenarbeit mit Corporate Sustainability: Wir haben kein Regelwerk. Aber ich könnte mir vorstellen, dass dies in Zusammenarbeit mit Herrn Schneider kommt, insofern, dass wir diese Häkchen im Genehmigungsprozess mitbetrachten. Wo wir RFID mit drin haben, sind wir der Gefahr schon gewahr und versuchen dann über Akzeptanztest zu arbeiten. (I-05)

Dieser Ansatzpunkt, die Forschung in das Vorhaben einzubinden, wurde jedoch vom Bereich Corporate Sustainability nicht weiter verfolgt. Dadurch wurde eine wichtige Chance nicht genutzt, Kooperationspartner für das Projekt zu gewinnen. Die Konzernforschung stellte die primäre Zielgruppe dar. Ein mögliches Ergebnis der Frühaufklärung hätten beispielsweise Szenarien sein können, die nach Aussage des Interviewpartners in der Konzernentwicklung ein nützliches Instrument darstellten. Versuchtes Framing des Issue Projektleiter Christian Schneider war sich der Bedeutung des Framing für die interne Kommunikation durchaus bewusst. So versuchte er, das untersuchte Issue als geschäftsrelevante Frage zu kontextualisieren. Auch wenn die Diskussion eine gewisse Nähe zu einem moralischen Issue aufweist, ist es Schneider gelungen, die mittelbaren geschäftsrelevanten Chancen und Gefahren aufzuzeigen. Da sich das Issue jedoch auf die gesellschaftlichen Wirkungen fokus-

Ergebnisse der singulären Forschungsfallstudie

179

sierte und es sehr schnell in Zusammenhang mit Aspekten wie bspw. Überwachungsgesellschaft, Kontrollverlust oder Datenschutz in Verbindung gebracht wird, dominierten die Risikoaspekte bei der internen Wahrnehmung. Unterstützung für sein Vorhaben erhielt Schneider entsprechend aus den Bereichen Risikomanagement und Konzerndatenschutz. Es ist nicht gelungen, aufzuzeigen, welche konkreten Chancen im Sinne des Business Development durch Adressieren des Issue genutzt werden können. Für den Innovationsbereich stellte die Berücksichtigung des Issue somit ausschließlich einen zusätzlichen Aufwand im Innovationsprozess dar. Die in der Literatur für wichtig empfundene Rolle des mittleren Managements wurde in der vorliegenden Fallstudie nicht für das Issue Selling genutzt. Es gab keinen entsprechenden Vertreter aus den das Vorhaben unterstützenden Bereichen. Die Diskussion fand ausschließlich auf Ebene des unteren Managements statt. Da ein partizipativer Bottom-Up Prozess gewählt wurde, wurden die Möglichkeiten der Weiterleitung (Selling Process) nicht vollkommen ausgeschöpft. Insgesamt gesehen lässt sich somit feststellen, dass das Agenda Building fehlgeschlagen ist und das Top-Management sich des Issues nicht angenommen hat. Mehrwert durch bereichsübergreifende Zusammenarbeit Die bereichsübergreifende Arbeit entlang des Prozesses der strategischen Frühaufklärung wurde von der Mehrheit der beteiligten Parteien als sehr positiv wahrgenommen. Sie empfanden die ganzheitliche Betrachtung des Issues aus unterschiedlichen Perspektiven als hilfreich. Das Relevante ist ja gerade die ganzheitliche Betrachtung eines Themas aus unterschiedlichen Perspektiven. Nur so kann ein stimmiges Bild entstehen. Das passiert sonst sehr selten. Jeder Bereich betrachtet ein Thema aus seinem Blickwinkel. (I-13) Der Runde Tisch, den wir mit den verschiedenen Bereichen hatten, sehe ich als beispielgebend für den Konzern für künftige Entwicklungen. Wir sind zu diversifiziert, als dass ein Fachbereich alle Aspekte unter sich vereinigen könnte. (I-02)

Damit bestätigen sich die Annahmen von LIEBL, der als kritischen Erfolgsfaktor die Vernetzungsfunktion zwischen Bereichen aufführt.633 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Interaktion mit internen Stakeholdern differenziert zu bewerten ist. Einerseits ist die bereichsübergreifende Ausrichtung des Projektes positiv zu sehen. Die Erwartungen und Kenntnisse der beteiligten Bereiche flossen so in die Absichtserklärung ein. Andererseits konnten keine guten Arbeitsverhältnisse mit dem Innovationsbereich etabliert werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da der Innovationsbereich über die teilnehmende Rolle im Prozess hinaus auch primäre Zielgruppe gewesen ist. Folglich wäre eine gute Zusammenarbeit essentiell für ein erfolgreiches Projekt gewesen.

633

Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3.2.2 (S. 78ff.).

180

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

Ausgeprägte Interaktion mit externen Stakeholdern Die Interaktion mit externen Stakeholdern ist als positiv zu bewerten. Es ist dem Projektleiter gelungen, eine Vielzahl von Interessen zu berücksichtigen und in die Issue-Analyse zu integrieren. Die Beteiligung am Schweizer Pervasive Computing Dialog war ein strategischer sinnvoller Schritt. Hierbei ist jedoch festzustellen, dass die personelle Entsendung auf Mitarbeiter des Corporate Sustainability Bereich beschränkt blieb. Für eine Sensibilisierung des Innovationsbereiches wäre eine entsprechende Besetzung sinnvoll gewesen. 3.3.4

Bewertung des Projektes „Wirkungen pervasiver IKT“

Bei einem Vergleich der ursprünglichen Zielsetzung mit den erreichten Ergebnissen ist das Projekt „Wirkungen pervasiver IKT“ als gescheitert zu beurteilen. Vor dem Hintergrund der erfolgten Analyse der strukturellen, kontextuellen und prozessuellen Faktoren sind als Ursachen des Misserfolgs zwei wesentliche Gründe zu nennen: 1. Fehlender strategischer Fit zwischen Zielsetzung, gewählter Reaktionsstrategie und Unternehmensstrategie: Die eingangs definierte Zielsetzung war zu ambitioniert. Es gab keinen strategischen Fit zwischen der gewählten Reaktionsstrategie und der Unternehmensstrategie. Darüber hinaus wäre ein Ausschöpfen der abgestuften Reaktionsstrategien zur Erhöhung der Aufmerksamkeit und Flexibilität ein notwendiger Zwischenschritt vor der Anvisierung von Strategien der direkten Antwort gewesen. Eine differenzierte Betrachtung des Stakeholderumfeldes und insbesondere der Stakeholder Salience hätte hier zu einer besseren Lageeinschätzung führen können. 2. Partizipativer „Bottom-Up“-Ansatz als strukturelle Barriere: Der gewählte partizipative „Bottom-Up“-Ansatz führte zu fundamentalen Willensbarrieren634 (u.a. Interessenkollision, fehlende politische Rückendeckung) beim beteiligten Innovationsbereich. Dieser empfand das Projekt als Eingreifen in seinen Kompetenzbereich und verweigerte die Kooperation. Ein „Top-Down“-Ansatz hätte die Legitimation erhöhen und zu einer besseren Anreiz-Beitrags-Relation beitragen können. Zudem stellten die gegensätzlichen Eigenlogiken der beiden primär beteiligten Bereiche Innovation und Corporate Sustainability eine Barriere dar. Im Innovationsbereich wurde das in der Workshopreihe identifizierte Issue „gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ gar nicht als Issue wahrgenommen. So stellte das vorgeschlagene Vorgehen, ein Verfahren zur Technikgestaltung zu entwickeln, ein Hemmnis für den Innovationsbereich dar. Selbst das Framing durch den Projektleiter konnte die Wahrnehmung des Issues im Innovationsbereich nicht verändern.

634

Siehe hierzu die Ausführungen in Tabelle 2.12 (S. 90).

Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse

181

Als positiv ist zu werten, dass es dem Projektleiter Christian Schneider gelang, eine Sensibilisierung der Geschäftseinheit Alpha für das Issue herbeizuführen. Inwiefern jedoch diese Sensibilisierung auch zu einer erhöhten Flexibilität und zu Zeitgewinnen führen kann und somit letztlich in Wettbewerbsvorteilen münden wird, kann zum Zeitpunkt des Untersuchungsabschlusses noch nicht bewertet werden. Hier wird sich zeigen müssen, welche weiteren Schritte zur Erhöhung der Aufmerksamkeit gewählt werden und wie kontinuierlich das Monitoring für das Issue „Gesellschaftliche Wirkungen von Pervasive Computing“ weiterhin betrieben wird. Sobald die Medien das Issue verstärkt aufgreifen, wird sich auch die Relevanz für Alpha erhöhen. Deshalb scheint es besonders wichtig, das nicht-marktliche Stakeholderumfeld weiterhin intensiv zu beobachten. Ferner ist durch das Projekt deutlich geworden, dass primärorganisatorische Strukturen in der Techno AG dominieren. Die Rückmeldungen aus den am Prozess beteiligten Bereichen zeigten deutlich den Wunsch nach Formaten, die den Austausch zwischen den Bereichen fördern. Im Vergleich zu bisherigen Studien ist das Scheitern des Projektes nicht verwunderlich. Wie in Kapitel 2.1.3.2 (S. 33ff.) aufgezeigt, ist eine Implementierung von Vorhaben im Bereich der Technikfolgenabschätzung in Unternehmen praktisch nicht vorhanden. In diesem Kontext ist es bereits positiv zu werten, dass mit der RFID-Selbstverpflichtung trotz der vielfältigen hemmenden Faktoren ein konkretes Ergebnis erzielt werden konnte. 3.4

Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse

Im Folgenden werden die empirischen Erkenntnisse aus der multiplen und der singulären Forschungsfallstudie zusammenfassend entlang den in Tabelle 2.14, S. 95 aufgeführten disaggregierten Forschungsfragen diskutiert. Differenzierte Analyse der Zielsetzung strategischer Frühaufklärung Als übergeordnetes Ziel strategischer Frühaufklärung nannten die Interviewpartner die Identifizierung und Handhabung zukünftiger Geschäftschancen und -gefahren. Die Zielsetzung ließ sich in die Aspekte Geschäftsentwicklung, Kommunikationsinstrument, Change Management und Risikomanagement unterteilen. Dabei bestätigten sich die in der Literatur genannten Ziele. Sie konnten darüber hinaus weiter differenziert werden. Weiterhin zeigte sich in der Betrachtung der Motive, dass der Übergang von der Industrie- in die Wissensgesellschaft eine erhebliche Rolle für die zunehmende Beschäftigung mit strategischer Frühaufklärung spielt. So wird angenommen, dass ein Verständnis des Kontextes von Produkten wie auch Unternehmen großen Einfluss auf den zukünftigen Unternehmenserfolg nehmen wird. Unterschiedliche empirische Relevanz der Leitgedanken strategischer Frühaufklärung Die in Kapitel 2.2.1 (S. 39ff.) betrachteten Leitgedanken strategischer Frühaufklärung werden in der Praxis unterschiedlich stark genutzt. Dabei ist zunächst festzustellen, dass das Konzept

182

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

der schwachen Signale von ANSOFF die wesentliche Rolle spielt. Die untersuchten Ansätze zur strategischen Frühaufklärung bauen allesamt auf seinen Überlegungen auf, wie in der empirischen Untersuchung deutlich wurde. Interessanterweise wurden aber nicht die von ANSOFF vorgeschlagenen Instrumente zur Formulierung abgestufter Reaktionsstrategien genutzt. Da die untersuchten Unternehmen der multiplen Fallstudie ihre Bewertungsstrategien jedoch nicht expliziert hatten, ist diese Aussage auf die singuläre Fallstudie zu beschränken. Die Analyse des Projektes zeigt, dass mithilfe der Instrumente von ANSOFF wertvolle Erkenntnisse hätten gewonnen werden können. Diffusionskurven schienen in der Unternehmenspraxis keine wesentliche Rolle zu spielen. Es ist daher zu folgern, dass ihr Nutzen insbesondere bei ex post Betrachtungen liegt. Anhand einer rückblickenden Analyse können dann grundsätzliche Überlegungen getroffen werden, wie der Vergleich der Issues Ernährung und Klimawandel in Abbildung 2.5 (S. 48) gezeigt hat. Die Diffusionskurven würden somit helfen, Aufgabenträger und Nutzer für Ausbreitungsverläufe anstehender Issues zu sensibilisieren. Zum Einsatz bei der Erfassung von Issues tragen sie nach den Ergebnissen der Empirie aber kaum bei. Die Rolle externer Stakeholder im Prozess der Frühaufklärung wurde von den Interviewpartnern als zunehmend wichtig betrachtet. Von daher scheint es gerechtfertigt, die Stakeholderbetrachtung als dritten Leitgedanken strategischer Frühaufklärung in Kapitel 2 aufgeführt zu haben. Im Sinne der von GÖBEL gezeigten Klassifizierung beobachten die Unternehmen durchaus emergente und latente Signale. Dementsprechend bestätigt sich die Mittlerrolle der Stakeholder. Ebenso erwies sich die Verknüpfung von Issue- und Stakeholderanalyse für die Unternehmenspraxis als angemessen, um die Koevolution von Issues und Stakeholdern zu erfassen. Die Betrachtung der Stakeholder Salience nach MITCHELL, AGLE und WOOD ließ sich in der Analyse der singulären Forschungsfallstudie sinnvoll einsetzen. Die Einordnung spiegelt die vorhandene Situation gut wider und bietet somit eine geeignete Bewertung. Dieser Schritt wurde jedoch nicht von der Techno AG vorgenommen, so dass eine Einschätzung zur Verhandlungsmacht der Stakeholder fehlte.

Große Übereinstimmung bei den genutzten Frühaufklärungsansätzen Hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale von Frühaufklärungsansätzen ist folgendes festzustellen: In die Stichprobe einbezogen wurden strategische Ansätze (gem. Kapitel 2.2.2.1, S. 56ff.) mit einem am Erfolgspotenzial orientierten Grundkonzept (gem. Kapitel 2.2.2.3, S. 58ff.). Diese beiden Merkmale waren somit von Anfang an gesetzt. Für die weiteren Merkmale aus Tabelle 2.6 (S. 56) ergibt sich folgendes Bild: Der Umfang der Aufklärungsfunktion (siehe Kapitel 2.2.2.2, S. 58ff.) lag bei allen untersuchten Unternehmen in der frühzeitigen Ortung von Chancen und Gefahren. Das Initiieren von Maßnahmen wurde dabei als wesentlicher Teil der Frühaufklärung verstanden. Der Beobachtungsbereich umfasste bei allen Unternehmen sowohl das Mikro- als auch das Makroumfeld. Weiterhin führten alle Unternehmen eine eigenorientierte Frühaufklärung durch, die externe Signale wahrnehmen soll. Die Trägerschaft

Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse

183

war dabei betrieblicher Natur. Teils wurde hier auf den Mehrwert von unternehmensübergreifenden Initiativen hingewiesen. So werden in der CRO Emerging Risks Initiative die Identifikation und Priorisierung von Issues sowie das Erstellen von Industrieszenarien gemeinsam betrieben.635 Beim organisatorischen Bezugsbereich zeigen sich Unterschiede: in vielen Unternehmen erfolgte eine zentralbereichsbezogene Frühaufklärung, da nur auf dieser Weise ein entsprechender Mehrwert generiert werden kann. Gesamtunternehmensbezogene Frühaufklärungen konnten auch festgestellt werden. Diese bedürfen für ihre dauerhafte Implementierung jedoch einer starken Unterstützung durch das Top-Management und treten nur in explorativen und kreativen Kulturen auf. Die untersuchten Aktivitäten beziehen sich auf multiphänomenorientierte Frühaufklärung. Von vornherein nur auf ein bestimmtes Issue zu setzen, scheint nicht zielführend. Schließlich ist festzuhalten, dass eine EDV-Unterstützung in der Untersuchung keine wesentliche Rolle gespielt hat. In diesem Punkt schließt sich die Untersuchung der Feststellung von ZWEIMÜLLER an: „They [databases, Anm. d. Verf.] can be used for collecting the information, but filtering and evaluation is not possible without human intuition, empathy, creativity and analytical thinking.”636 Empirische Erkenntnisse zur Implementierung strategischer Frühaufklärung Bezüglich der untersuchten Merkmale zur Implementierung aus den Kapiteln 2.3.1 (Anforderungen an die Implementierung) und 2.3.2 (Gestaltung der Implementierung) lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: Die Nutzung des Begriffes des Frühaufklärungssystems wird in der Praxis kontrovers gesehen. Zum Teil nutzten einige der Befragten explizit den Systembegriff und stellten damit in den Vordergrund, dass Frühaufklärung einem wohldefinierten Prozess folgt. Andererseits vertraten viele Interviewpartner die Auffassung, dass der Begriff des Frühaufklärungssystems irreführend sei, da damit die formelle Komponente überbewertet und die ebenso notwendige kulturelle und informelle Dimension zu wenig berücksichtigt werde. Die Gefahr, bürokratische Strukturen aufzubauen, wird dabei im direkten Zusammenhang mit der Zuordnung des Ansatzes als Frühaufklärungssystem gesehen. Dem Faktor der Unternehmenskultur wird für eine erfolgreiche Implementierung eine hohe Priorität eingeräumt. Trotz der nur mittelbaren Beeinflussung, sehen die Interviewpartner die Relevanz, eine für die Frühaufklärung entsprechende offene und antizipative Kultur zu etablieren. Dies geschieht mittels gezielten Kulturwandelprozessen, in denen insbesondere die Führungskräfte sensibilisiert werden. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass die interne Kommunikation den Erfolg strategischer Frühaufklärung wesentlich mitbestimmt. Insbesondere in der singulären Forschungsfallstudie

635 636

Vgl. Käslin (2006b), S. 38. Zweimüller / Lauterwasser (2002), S. 23.

184

Empirische Bestandsaufnahme strategischer Frühaufklärung

wurde deutlich, wie wichtig Framing und Issues Selling sind, da auf der Agenda des TopManagements nur wenige Issues Platz finden. Beim Prozess der strategischen Frühaufklärung wurde offensichtlich, dass die Aktivitäten des Scanning und Monitoring in den Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt sind. Es werden sowohl gerichtete als auch ungerichtete Ansätze verfolgt. In Zusammenhang mit einer zunehmenden Berücksichtigung externer Stakeholder wächst der Anteil des ungerichteten Scanning und Monitoring. Die Interviewpartner schreiben dem Makroumfeld eine zunehmende Bedeutung zu, was eine intensive outside-in Perspektive der Frühaufklärung notwendig werden lässt. Bei der Frage der Dokumentation schwacher Signale spielen handhabbare Ansätze die wesentliche Rolle. Die Erfahrungen der Unternehmen zeigen, dass hier in der Vergangenheit durch den Aufbau bürokratischer Dokumentationssysteme häufig Datenfriedhöfe entstanden sind. Zur Analyse und Bewertung erfasster Signale haben sich nur bedingt neue Erkenntnisse ergeben, da aus Wettbewerbsgründen hierzu nur wenig mitgeteilt wurde. Die Studie ergab allerdings, dass neben objektiven Kriterien die subjektive Einschätzung der Führungskräfte und das richtige Verkaufen der Issues eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Das Vorgehen, abgestufte Reaktionsstrategien explizit aufzuzeigen und zu verfolgen, konnte in der empirischen Untersuchung nur zu einem geringen Teil beobachtet werden. Eine stärkere Ausrichtung entlang der sechs von ANSOFF aufgezeigten Strategietypen würde zu einer verbesserten Reaktion führen. Schließlich erachtet es die Mehrheit der Interviewpartner als notwendig, die Phase der Implementierung und Kontrolle als Teil der strategischen Frühaufklärung zu betrachten, selbst wenn die Aufgabenträger diese Phase nur sehr bedingt mitgestalten können. Als Argument führten die Befragten an, dass sich der Wert strategischer Frühaufklärung erst mit einer nachfolgenden Handlung erschließt. Zur aufbauorganisatorischen Anbindung lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Praxis eindeutig zentrale Ansätze mit Eingliederung in die Primärorganisation bevorzugt. Zudem zeigt sich, dass eine integrative Einbindung häufiger auftritt als eine additive Stellenerweiterung. Hinsichtlich der Aufgabenträger und Nutzer ist zu konstatieren, dass dieser Faktor in der Literatur nicht hinreichend bearbeitet ist. Die Beschreibung der Rollen trifft zwar grundsätzlich zu, in der Praxis stellen sich jedoch weitergehende Fragen bezüglich Personalbedarf und -auswahl, Personaleinsatz, Personalmotivation und externe Unterstützung. Zudem spielen bei den untersuchten Unternehmen Teamstrukturen eine wesentliche Rolle, worauf in der Literatur kaum eingegangen wird. Bei der Betrachtung der eingesetzten Instrumente konnte eine Übereinstimmung mit der Literatur festgestellt werden. Auffällig ist jedoch, dass informelle Kommunikation als wesentliche Quelle neuer Informationen genannt und der Nutzen des Networking von vielen Interviewpartnern höher angesehen wurde als der durch die formalen Instrumente erzielte Wert.

Zusammenfassende Diskussion der empirischen Erkenntnisse

185

Bestätigung der in der Literatur aufgeführten Implementierungsbarrieren Die empirische Untersuchung bestätigt zu großen Teilen die in der Literatur aufgeführten Implementierungsbarrieren. Auch bestätigt hat sich die These, dass personale Ursachen die wesentliche Barriere darstellen. Die von ANSOFF aufgezeigten Mentalitäts- und Machtfilter sind hier besonders zu erwähnen (vgl. Abbildung 2.16, S. 88). Da die untersuchten Unternehmen Erfahrungen im Umgang mit Frühaufklärung aufwiesen, konnten Strategien identifiziert werden, mit denen der Implementierungsproblematik begegnet wird. Diese Ansätze werden für die Erarbeitung der in Kapitel 4 folgenden Handlungsempfehlungen genutzt. Bei der Konzeption der empirischen Untersuchung wurden die Erkenntnisse zur Überwindung der Implementierungsbarrieren aus Kapitel 2.3.3.2 (S. 92ff.) berücksichtigt. Insbesondere wurde die von MÜLLER-STEWENS empfohlene Erweiterung der Forschungsperspektive vorgenommen. Durch die Begleitung des Frühaufklärungsprojektes in der Techno AG konnten so wichtige Einsichten gewonnen werden. In das Design der multiplen Forschungsfallstudie ging die Erkenntnis ein, strategische Frühaufklärung im Kontext des strategischen Managements unter expliziter Berücksichtigung aller Subsysteme zu betrachten. Auf diese Weise war es möglich, neben dem eigentlichen Prozess der Frühaufklärung auch weitere erfolgswirksame Faktoren einzubeziehen.

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

4

187

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

Auf Basis der Erkenntnisse aus Theorie und Empirie werden in Kapitel 4 handlungsleitende Empfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung aufgezeigt. Analyserahmen strategischer Frühaufklärung Der in der empirischen Untersuchung entwickelte Analyserahmen strategischer Frühaufklärung (siehe Abbildung 3.3, S. 114) hat sich als zweckmäßig für eine differenzierte Betrachtung erwiesen. Der Analyserahmen vereint die prozessuelle, strukturelle und kontextuelle Dimensionen in einem ganzheitlichen Modell und bietet so der Unternehmenspraxis eine handhabbare Orientierungshilfe. Auf die Relevanz des strategischen Fits zwischen und innerhalb der Subsysteme des strategischen Managements wurde bereits eingegangen. Die singuläre Forschungsfallstudie ergab nun, dass ein strategischer Fit auch zwischen und innerhalb der prozessuellen, strukturellen und kontextuellen Dimension gegeben sein muss, um ein Projekt zur strategischen Frühaufklärung erfolgreich durchzuführen. Es bedarf einer Harmonisierung der einzelnen Faktoren, um das gesetzte Ziel zu erreichen. In Bezug auf das Projekt der Techno AG lässt sich diesbezüglich folgendes konstatieren: Die aufbauorganisatorische Anbindung im Fachbereich Corporate Sustainability hätte durchaus zum Erfolg führen können, sofern insbesondere die Faktoren Interaktion mit internen Stakeholdern und die Top-Management Unterstützung ausgeprägt vorhanden gewesen wären. Eine höchstmögliche hierarchische Anbindung ist zwar anzustreben; die Unternehmenspraxis lehrte jedoch, dass dies keineswegs immer erreicht werden kann. Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen: Handlungsempfehlung 1: Der Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung stellt das grundlegende Referenzmodell bei der Implementierung dar. Handlungsempfehlung 2: Als Leitgedanke für die Konzeption der Faktoren ist auf einen strategischen Fit zwischen und innerhalb der strukturellen, kontextuellen und prozessuellen Dimension zu achten. Nutzen und Wirkungskette strategischer Frühaufklärung Sowohl Theorie als auch Empirie zeigen die Schwierigkeit auf, den Nutzen strategischer Frühaufklärung zu bestimmen. Insbesondere besteht Einigkeit darüber, dass eine quantitative Nutzenerfassung nicht möglich ist. So konstatiert BAISCH: „Aufgrund des abstrakten Charakters der Aufgabe ist es bereits schwer, den Nutzen einer Früherkennung qualitativ zu bewerten. Es

188

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

ist jedoch bisher unmöglich, den Nutzen finanziell darzustellen, denn es lassen sich keine Möglichkeiten der exakten Erfolgszurechnung finden.“637 Ähnlich formuliert ROLL: „Die Fallstudien zeigen, dass die Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen schwer möglich ist. Eine quantitative Messung des Nutzens kann kaum erfolgen. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass strategische Frühaufklärung in der für sinnvoll erachteten Form nicht unmittelbar in Handlungen mit kurz- oder mittelfristigem Ergebnis resultiert. Der Nutzen bezüglich der Generierung und Veränderung mentaler und interner Modelle ist nicht quantifizierbar.“638 Auf Grundlage der Erkenntnisse aus der empirischen Untersuchung steht an dieser Stelle der Vorschlag, eine differenzierte Betrachtung der Wirkungskette strategischer Frühaufklärung in den Mittelpunkt zu stellen. Eine solche Betrachtung kann sowohl die Konzeption von Frühaufklärungsaktivitäten als auch die spätere Evaluierung unterstützen. Die Beschreibung von Wirkungen erfolgt dabei in Anlehnung an die Erkenntnisse der Wirkungsforschung in der Entwicklungszusammenarbeit und den Verwaltungswissenschaften. Beide Disziplinen beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit mit der Frage, wie die Zuordnungslücke zwischen erbrachter Leistung und eigentlicher Wirkung eines Vorhabens geschlossen werden kann.639 Hier zeigen sich ähnliche Problemstellungen wie bei der strategischen Frühaufklärung. Abbildung 4.1 stellt die Wirkungskette strategischer Frühaufklärung dar, deren Hauptelemente kurz beschrieben werden. Wirksamkeit Effizienz Ziele • Welche Ziele werden gesetzt?

Input • Welche Ressourcen werden zur Verfügung gestellt?

Prozess • Was für Aktivitäten werden durchgeführt? • Wie sieht der Prozess der SFA aus?

Output • Zu welchem Output führen die Aktivitäten? • Was sind die direkten Resultate?

Nutzung • Wie werden die Leistungen genutzt? • Von welchen Zielgruppen?

Nutzen • Welcher direkte Nutzen entsteht für die Nutzer? • Welcher indirekte Nutzen entsteht für die Nutzer und für das Unternehmen?

Abbildung 4.1: Wirkungskette strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Ziele werden in der Literatur als wünschenswerte zukünftige Situationen, Zustände oder Entwicklungen definiert.640 Sie sollen als Ergebnis von Entscheidungen und entsprechenden Handlungen eintreten.641 Aus den Zielen leiten sich Aktivitäten zur Zielverwirklichung ab. Sie stellen den Prozess der Transformation von Input zu Output dar. Der Output erfolgt in Form von 637 638 639 640 641

Baisch (2000), S. 157. Roll (2004), S. 257. Vgl. GTZ (2004); Budäus / Buchholtz K. (1997); Budäus (1998). Vgl. beispielsweise Thommen / Achleitner (2001), S. 99. Vgl. Bea / Friedl / Schweitzer (2004), S. 316.

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

189

Leistungen, die bestimmten Gruppen zur Nutzung übergeben werden. Dies führt zu einem Nutzen. Unter Nutzen ist hier die Bewertung eines Ergebnisses durch die Zielgruppen zu verstehen. Ein Ziel kann somit auch als angestrebter Nutzen verstanden werden. Das Verhältnis zwischen erreichtem Nutzen und Zielen charakterisiert die Wirksamkeit, womit ein unmittelbarer Anschluss an die Forschungsfragen der Arbeit ermöglicht wird. Durch die Einführung der Wirkungskette wird der Fokus strategischer Frühaufklärung von einer häufig dominierenden Zielbetrachtung hin zu einer Betrachtung entlang der einzelnen Wirkungselemente und schließlich der Wirksamkeit gelenkt. Mit Hilfe dieser differenzierten Darstellung kann es gelingen, Aktivitäten strategischer Frühaufklärung transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten. Um dies zu leisten, müssen in einem ersten Schritt die Ziele betrachtet werden. Zu klären ist dabei, zu welchen der in der Empirie identifizierten Zieldimensionen die Frühaufklärung beitragen soll (Geschäftsentwicklung, Kommunikationsinstrument, Change Management oder Risikomanagement). Als Input sind daraufhin die Ressourcen der Frühaufklärung festzulegen, bei denen insbesondere finanzielle und personale Ressourcen eine Rolle spielen. Unter Prozess wird sodann die eigentliche Frühaufklärung verstanden, die im Analyserahmen die Phasen der Erkennung und Bewertung umfasst. Die folgenden drei Elemente Output, Nutzung und Nutzen sind für die Betrachtung am wichtigsten, da sie häufig nicht explizit voneinander unterschieden werden: Als Output strategischer Frühaufklärung sind die direkten Ergebnisse zu nennen. Darunter fallen einerseits die Erkenntnisse der Frühaufklärung (z.B. in Form von Szenarien, Chancen-/Risikoanalysen, Bewertungen, Handlungsoptionen) und andererseits die Formate, die zur Kommunikation genutzt werden (z.B. Präsentationen, Workshops, Rollenspiele, Datenbanken). Eine Evaluation folgt häufig bereits an dieser Stelle. So lässt sich das Effizienzverhältnis zwischen Output und Input beschreiben oder über die Zeit hin prüfen, wie hoch der Anteil eingetretener Entwicklungen ist. Diese Form von Evaluation ist mit Sicherheit hilfreich, da sie in ihrer Durchführung praktikabel erscheint. Jedoch ist sie nicht ausreichend, da durch sie keineswegs die Frage der Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung adressiert wird. Dementsprechend ist in einem nächsten Schritt die Nutzung des Outputs zu betrachten. Es geht um eine Klärung, ob und wie die erbrachten Leistungen von den Zielgruppen genutzt werden. Damit stellt sich die Herausforderung, zu prüfen, inwieweit die Erkenntnisse Einfluss auf die Willensbildung im Entscheidungsprozess nehmen. Dies mag einfach sein im Falle einer Strategieentwicklung, die explizit Bezug auf die Ergebnisse der strategischen Frühaufklärung nimmt. Wird jedoch mittels Frühaufklärung auf die mentalen Modelle der Manager eingewirkt, ist eine direkte Zurechnung wesentlich schwieriger. Schließlich ist der Nutzen zu bewerten. Hierbei bietet es sich an, zwischen einem direkten und einem indirekten Nutzen zu unterscheiden. Der direkte aus der Nutzung der Leistungen erzielte Nutzen für die Zielgruppen stellt dabei die wesentliche Komponente dar. Hier ist zu prüfen, inwieweit die eingangs formulierten Ziele in der Wahrnehmung der Zielgruppen erfüllt wurden. Unter indirekten Nutzen fallen

190

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

mittelbare Wirkungen, die schwer zu messen sind. Zu nennen sind hier beispielsweise Erhöhung der Antizipationsfähigkeit, Flexibilitätssteigerung oder der Beitrag zum organisatorischen Lernen. Als Handlungsempfehlung ergibt sich aus diesen Überlegungen: Handlungsempfehlung 3: Eine differenzierte Betrachtung der Wirkungskette strategischer Frühaufklärung unterstützt die Konzeption und Evaluierung der Aktivitäten. Typologie strategischer Frühaufklärung Aus der Gesamtschau der untersuchten Unternehmen deuten sich drei typische Muster der Ausgestaltung strategischer Frühaufklärung an. Diese werden nachfolgend in einer Typologie beschrieben. Mit Hilfe von Typenbildung soll die Komplexität durch Verdichtung der als wesentlich erscheinenden Merkmale reduziert werden, die häufig auch in „typischen“ Kombinationen auftreten. In dieser Reduktion besteht gleichzeitig sowohl Wert als auch Gefahr der Methode.642 Als unterscheidbare Merkmale bieten sich die folgenden an: (a) aufbauorganisatorische Anbindung, (b) Expertise der Aufgabenträger, (c) Projektionszeitraum, (d) Nutzer. Tabelle 4.1 zeigt die auf diesen Merkmalen aufbauende Typologie auf. Typ Typ 1: Strategie folgt SFA

Ausprägungen der Merkmale x x x x

SFA beeinflusst Unternehmensstrategie vorrangig Industrieexperten mittelfristige Zukunft dominiert in Konzernentwicklung und Risikomanagement

Typ 2: SFA am “Fuzzy Front End”

x x x x

eigene Abteilung vorrangig Foresight-Experten langfristige Zukunft dominiert im Innovationsmanagement

Typ 3: SFA unterstützt Entscheidungen

x x x x

Netzwerkstruktur / Komitee Kooperation mit Externen mittel- bis langfristige Zukunft allgemeine Strategieunterstützung

Tabelle 4.1: Typologie strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Der erste Typ „Strategie folgt SFA“ ist in seiner Reinform nur in wenigen Unternehmen zu beobachten. In der Stichprobe der untersuchten Unternehmen zeigte er sich am deutlichsten in den Unternehmen F und H. Den Unternehmen ist eine konsistente Anbindung der Erkenntnisse strategischer Frühaufklärung an die strategische Planung gelungen. Dafür ist es unabdingbar, dass vorrangig Branchenexperten als Aufgabenträger eingesetzt werden. Die enge Anbindung 642

Vgl. Bea / Haas (2005), S. 468.

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

191

an die Konzernentwicklung ist nur bei einer mittelfristigen zeitlichen Perspektive erfolgreich. Langfristige Entwicklungen finden keine Berücksichtigung. Mit der Bezeichnung des zweiten Typs als „SFA am ‚Fuzzy Front End’“ wird die Aufmerksamkeit auf die frühen Phasen des Innovationsmanagements gelenkt.643 Diese Form strategischer Frühaufklärung dominiert in Innovationsabteilungen. Als Beispiele aus der Untersuchung sind hier vorrangig die Unternehmen A und C zu nennen. In eigenen Abteilungen arbeiten insbesondere Foresight-Experten mit dem Ziel, Umfeldveränderungen in der langfristigen Zukunft zu erkennen. Schließlich konnte mit dem dritten Typ „SFA unterstützt Entscheidungen“ eine weitere Ausprägung strategischer Frühaufklärung in der Praxis identifiziert werden. Der Nutzen dieses Typs besteht meist in einer allgemeinen Strategieunterstützung. Eine Anbindung erfolgt dabei über sekundärorganisatorische Strukturen. Aufgrund geringer personaler Ressourcen bietet sich eine Kooperation mit externen Partnern an. Die zeitliche Perspektive ist hierbei sowohl auf mittelals auch langfristige Entwicklungen gerichtet. Unternehmen D aus der vorliegenden Untersuchung repräsentiert diesen Typ von Frühaufklärung. Zudem lässt sich das Projekt der Techno AG hierunter sehr gut einordnen. Strategische Frühaufklärung als Einheit von Identifikation und Handlung In der Arbeitsdefinition und in den Bestimmungselementen strategischer Frühaufklärung (Kapitel 2.1.1.2, S. 16ff.) wurde betont, dass zur strategischen Frühaufklärung sowohl die Identifikation latenter Chancen und Gefahren als auch das Initiieren abgestufter Reaktionsstrategien gehört. Diese ganzheitliche Betrachtung wird in der Literatur – wie in Kapitel 2.3.2.1 (S. 72ff) untersucht – zum Teil als kritisch angesehen. Als Argument wird angeführt, dass die Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung keinen Einfluss auf die nachfolgende Handlung hätten, da diese jenseits ihres Kompetenzbereichs läge. So schreibt beispielsweise BAISCH: „Früherkennung beinhaltet nicht die Reaktion selbst.“644 Sowohl die singuläre als auch die multiple Forschungsfallstudie kommen hier zu einem eindeutigen Ergebnis: Eine erweiterte Betrachtung ist demnach elementar; der Wert strategischer Frühaufklärung liegt im Wert der Handlung. Strategische Frühaufklärung wird sich somit an der Qualität der getroffenen Entscheidung und anschließenden Handlung messen lassen müssen. Die Handlung selbst mag zwar nicht mehr direkt von den Aufgabenträgern strategischer Frühaufklärung zu verantworten sein, die Aktivitäten müssen aber genau darauf hinarbeiten. Die Mehrzahl der Interviewpartner der multiplen Forschungsfallstudie sieht diesen Aspekt als einen wesentlichen Erfolgsfaktor, wohl wissend, dass damit eine hohe Anforderung an die Frühaufklärung gestellt wird, der bislang nur vereinzelnd nachgekommen wird. Auch in der singulären Forschungsfallstudie konnte aufgezeigt werden, wie wichtig eine solch erweiterte Betrachtung ist: Während die 643 644

Unter Fuzzy Front End werden in der Literatur zum Innovationsmanagement die Vorphasen der Entwicklung bezeichnet. Vgl. Herstatt / Verworn (2003), S. 8. Baisch (2000), S. 148.

192

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

Erarbeitung der Handlungsoptionen noch ohne Probleme erfolgte und sich alle beteiligten Bereiche auf die Absichtserklärung einigen konnten, traten die Probleme erst bei der Umsetzung auf. Bei diesen Überlegungen ist jedoch explizit zu berücksichtigen, dass eine Handlung nicht ausschließlich eine direkte Reaktion darstellen muss. Eine Rückbesinnung auf die abgestuften Reaktionsstrategien von ANSOFF eröffnet die Möglichkeit, nach den zur Verfügung stehenden Informationen zu handeln. So stellen Strategien zur Erhöhung der Wahrnehmung und Flexibilität Optionen dar, die auch als Handlung einzuordnen sind. Als Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung sind festzuhalten: Handlungsempfehlung 4: Strategische Frühaufklärung ist als Einheit von Identifikation und Handlung zu betrachten. Handlungsempfehlung 5: Das Ausschöpfen der abgestuften Reaktionsstrategien ermöglicht eine situativ angemessene Handlung. Steigende Bedeutung des Makroumfeldes In der empirischen Untersuchung wurde deutlich, dass dem Makroumfeld eine steigende Bedeutung zugemessen wird. Jedoch stehen Unternehmen bei der Gestaltung der externen Stakeholderinteraktion vor neuen Herausforderungen. Bei einer Betrachtung der unternehmerischen Zielfunktion wird deutlich, dass Unternehmen insbesondere deshalb so erfolgreich sind, weil sie sich auf ökonomische Aspekte fokussieren. Die Berücksichtigung von gesellschaftlichen Wertkategorien führt dagegen zu einer komplexeren Zielfunktion. Allerdings zeigt sich mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, dass Unternehmen hierauf reagieren müssen.645 So hängt beispielsweise die Durchsetzbarkeit von Produkten am Markt heute häufig mehr von der gesellschaftlichen Akzeptanz als der technischen Realisierbarkeit ab.646 Eine wirksame strategische Frühaufklärung muss deshalb den gesellschaftlichen Pluralismus berücksichtigen und Orientierungswissen liefern. Dafür bedarf es einer Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Werten, Interessen und Wahrnehmungen, die zu Konflikten führen können. Unternehmen beginnen, darauf zu reagieren und richten ihre Frühaufklärungsaktivitäten von eher technik- und marktzentrierten Dialogen auf ein Denken in Kontexten hin aus. Dabei wird es nicht darauf ankommen, konsensuale Lösungen zu suchen. Vielmehr bedarf es einer Entscheidungsunterstützung für Manager, die u.a. Antworten auf folgende Fragen bietet: Welche Issues sind zu priorisieren? Mit welchen Stakeholdern sind Allianzen zu bilden? Um Veränderungen aus dem nicht-marktlichen Umfeld wahrnehmen zu können, steigt die Bedeutung des ungerichteten Scannings. Eine fundierte Stakeholderanalyse zu identifizierten Issues ist dabei elementar. In den kommenden Jahren ist 645 646

Vgl. Steger (2003), S. 8ff. Vgl. Minx / Meyer (2001).

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

193

eine Verfeinerung der Instrumente, die einem outside-in Ansatz folgen, zu erwarten. Als Handlungsempfehlungen ergeben sich daraus: Handlungsempfehlung 6: Zur vertiefenden Analyse von Issues ist eine Stakeholderanalyse durchzuführen. Handlungsempfehlung 7: Zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Veränderungen ist die Frühaufklärung auf ein Denken in Kontexten hin auszurichten. Auszubalancierende Spannungen Die empirischen Daten bestätigen die in der Literatur aufgeführten Spannungen, welche beim Betreiben einer strategischen Frühaufklärung auftreten. Hierbei sind insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen: x langfristige Perspektive vs. dominierende Kurzfristigkeit x extensives Scannen des Umfeldes vs. konkreter Mehrwert für die Zielgruppen x aufzusetzende Prozesse vs. unterstützende Unternehmenskultur Der erste Aspekt ist eine grundsätzliche Herausforderung für Unternehmen. Sowohl die singuläre als auch die multiple Forschungsfallstudie haben offenbart, dass die in Unternehmen herrschende Kurzfristorientierung eine wesentliche Barriere für die Implementierung strategischer Frühaufklärung darstellt. Davon sind insbesondere börsennotierte Unternehmen betroffen. Bei eigentümergeführten Unternehmen steht das Principal-Agent-Problem weniger im Vordergrund, so dass eher eine Langfristperspektive eingenommen werden kann. Die Überwindung dieser Barriere hängt zum größten Teil vom Commitment des Top-Managements ab: Nur wenn strategische Frühaufklärung als sinnvolle Investition in die Zukunftssicherung des Unternehmens verstanden wird, ist die Grundlage für eine erfolgreiche Implementierung gegeben. Ohne diesen Faktor wird Frühaufklärung keine große Bedeutung erlangen können. Eine Betrachtung des zweiten Aspektes führt zu einer Kosten-Nutzen Abwägung. Ein Scannen des Umfeldes kann beliebig intensiv ausgeführt werden. Den Interviews zufolge muss strategische Frühaufklärung zielorientiert durchgeführt werden. Insbesondere sind die Leitkategorien und die zugrunde liegenden Fragen vorab präzise zu definieren. Auf diese Weise können auch outside-in Ansätze erfolgreich integriert werden. Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass eine Zusammenarbeit mit den Zielgruppen erfolgskritisch ist. Eine frühzeitige Einbindung, womöglich schon mit Beginn der Erfassung schwacher Signale, steigert die Erfolgswahrscheinlichkeit. Mit diesen Überlegungen verknüpft ist folgende Beobachtung: Je weiter das Beobachtungsfeld, desto höher die Anforderungen an die strategische Frühaufklärung. Dies ergibt sich daraus, dass mit Vergrößerung des Beobachtungsfeldes zunehmend Issues wahrgenommen werden, die mehrere funktionale Bereiche betreffen. Dieser Umstand kann leicht zu Konflikten zwischen den Bereichen führen. Folglich bedarf es einer höheren Aufhängung im Unterneh-

194

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

men und stärkerer Top-Management Unterstützung. Aufgrund dieser Hemmnisse sind in der Unternehmenspraxis die in Kapitel 2.1.3 (S. 31ff.) genannten Ansätze entstanden, die sich auf bestimmte Beobachtungsbereiche fokussieren. Sie bieten Mehrwert für die Arbeit in den jeweiligen Bereichen, vernachlässigen aber die systemischen Wechselwirkungen.

Technokratischer Ansatz

Ganzheitlicher Ansatz

Ad-hoc Ansatz

Intuitiver Ansatz

gering

Grad der Systematisierung

hoch

Der dritte Aspekt schließlich thematisiert das Spannungsfeld zwischen Prozessen und Kultur. In Abbildung 4.2 werden die vier möglichen Grundtypen aufgezeigt.

binnenorientiert

offen/unterstützend

Art der Unternehmenskultur

Abbildung 4.2: Ansätze strategischer Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Diejenigen Unternehmen, welche einerseits kaum Strukturen und Prozesse für die strategische Frühaufklärung aufsetzen und andererseits ihre Unternehmenskultur binnenorientiert ausrichten, folgen einem Ad-hoc-Ansatz, der nicht erfolgsversprechend ist. Ebenso problematisch erscheint es, wenn entweder nur auf eine hohe Systematisierung der Strukturen und Prozesse oder andererseits nur auf kulturelle Aspekte geachtet wird. In der Untersuchung wurde sehr deutlich, dass insbesondere technokratische Ansätze weit verbreitet sind. So bedurfte es in den Unternehmen B und C einer Kulturentwicklung, um zu einem ganzheitlichen Ansatz zu gelangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kulturentwicklung keine kurzfristige Maßnahme sein kann. In den untersuchten Unternehmen dauerte dieser Prozess viele Jahre. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass der Begriff des Frühaufklärungssystems limitierend wirken kann. Er suggerierte bei vielen Interviewpartnern ein stark strukturiertes Vorgehen, bei dem sich das Unternehmen auf die institutionalisierten Prozesse verlassen könne. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass der Mensch und seine Intuition die wesentliche Rolle bei der strategischen Frühaufklärung spielen. Prozesse und Strukturen sind insofern notwendige, aber keine hinreichenden Faktoren. Diese Ergebnisse stimmen mit der empirischen Untersuchung von ROLL

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

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überein: „Daher kann der Begriff ‚Frühaufklärungssystem’ generell in seiner Angemessenheit in Frage gestellt werden. Strategische Frühaufklärung funktioniert gerade nicht in einer starren, systematisierten Form“647. Diese Überlegungen führen zu folgenden Handlungsempfehlungen: Handlungsempfehlung 8: Um der Kurzfristigkeit als größter Barriere strategischer Frühaufklärung entgegenzuwirken, ist eine Top-Management-Unterstützung unerlässlich. Handlungsempfehlung 9: Je weiter das Beobachtungsfeld gefasst wird, desto höher muss die strategische Frühaufklärung im Unternehmen angesiedelt sein und desto mehr TopManagement-Unterstützung wird benötigt. Handlungsempfehlung 10: Eine wirksame strategische Frühaufklärung bedarf sowohl institutionalisierter Strukturen und Prozesse als auch einer unterstützenden, offenen Unternehmenskultur. Determinanten der Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung Wichtigstes zu berücksichtigendes Kriterium bei der Implementierung strategischer Frühaufklärung ist die Frage nach der Wirksamkeit. Wie anhand der Überlegungen zur Wirkungskette deutlich wurde, ist keine direkte Erfolgsmessung möglich. Aus den Erkenntnissen der empirischen Untersuchung lässt sich jedoch eine gute Orientierung gewinnen, um eine strategische Frühaufklärung erfolgreich zu implementieren: Die nachfolgend aufgeführten Determinanten nehmen Einfluss auf die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung. Sie wurden mittels der fallübergreifenden Analyse identifiziert. Für die einzelnen Konstrukte werden des Weiteren Indikatoren angegeben. Diese sollen praktische Hinweise für die Implementierung liefern. Daraus ergibt sich folgende Handlungsempfehlung: Handlungsempfehlung 11: Eine Orientierung an den Determinanten der Wirksamkeit ermöglicht eine erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung Determinanten der Wirksamkeit struktureller Faktoren Für den Faktor Zielsetzung ergeben sich vier Determinanten: Unabdingbar ist eine unternehmensinterne Reflexion über die Motive, aus denen heraus Frühaufklärung betrieben wird bzw. werden soll. Da Frühaufklärung verschiedenen Zielsetzungen folgen kann, bedarf es des Weiteren einer klarer Ziele. Zudem ist eine Differenzierung der Zielgruppen notwendig, um spezifischen Nutzen zu gewährleisten. Eine weitere Determinante stellt die Definition des Beobachtungsbereiches dar, um das Suchfeld auf die Zielsetzung abzustimmen. Für den Faktor aufbauorganisatorische Anbindung sind zwei komplementäre Determinanten zu nennen. Da verschiedene Anbindungsmöglichkeiten in der Praxis erfolgreich sein können, ist als erste 647

Roll (2004), S. 257.

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Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

Determinante eine situative organisatorische Einbindung zu nennen. Dabei wirkt sich als zweite Determinante die Hierarchieebene der Anbindung auf die Wirksamkeit aus. Die Anbindung strategischer Frühaufklärung an die Unternehmensstrategie und die Operationalisierung der Ergebnisse stellen die für den Faktor Strategieanbindung relevanten Determinanten dar. Die Wirksamkeit des Faktors Aufgabenträger hängt von den Determinanten Leistungsfähigkeit der Aufgabenträger, situative Gestaltung des Personaleinsatzes und Qualität unternehmensinterner Beiträge ab. In Tabelle 4.2 werden die genannten Wirksamkeitsdeterminanten der strukturellen Faktoren zusammen gefasst und anhand möglicher Indikatoren veranschaulicht. Faktor Zielsetzung

Determinanten der Wirksamkeit Reflexion der Motive

Indikatoren x vorhandenes Bewusstsein über komplex-dynamisches Umfeld x Wunsch, die Zukunft zu gestalten x Überzeugung, dass Vorsorge günstiger ist als Krisenmanagement

Klare Ziele

x gemeinsames Verständnis über Konzept und Umfang x Einbettung SFA in das strategische Management x Herausstellen des geplanten Wertbeitrages

Differenzierung der Zielgruppen

x Fähigkeit, die Bedarfe der Zielgruppen zu verstehen x Intensität der Arbeitsbeziehungen zu den Zielgruppen x zielgruppenorientierte Ergebnisse

Definition der Beobachtungsbereiche

x auf die Beobachtungsbereiche abgestimmte Scanning-Aktivitäten

Aufbauorganisatorische Anbindung

situative organisatorische Einbindung

x Konsistenz zu Zielen und Zielgruppen

Hierarchieebene der Anbindung

x Anbindung auf sehr hoher Hierarchieebene

Strategieanbindung

Anbindung SFA an die Unternehmensstrategie

x Priorität SFA in der strategischen Planung

Operationalisierung der Ergebnisse SFA

x Fähigkeit, die Ergebnisse in die funktionalen Bereiche zu transferieren

Leistungsfähigkeit der Aufgabenträger

x Gestaltung der Personalauswahl

x Konsistenz zwischen Ansatz, Leitkategorien und -fragen x Sichtbarkeit der gewählten Implementierung x Zuweisung an Ressourcen x direkte Berichterstattung zum Top-Management x Integration SFA in Instrumente der strategischen Planung (z.B. Balanced Score-Card) x SFA ist Teil der Führungskräfteentwicklung

Aufgabenträger

x Anbindung der Issues an Kernindikatoren der funktionalen Bereiche x Berücksichtigung der Risikoperzeptionstheorie x internes Ansehen der SFA-Stellen

Situative Gestaltung des Personaleinsatz

x reflektierte Allokation in Bezug auf Dauer, Aufgaben und Hintergrund x Regeln über den Einsatz externer Berater x vorhandenes, aktives Promotorengespann

Qualität unternehmensinterner Beiträge

x Anreizsetzung zur Motivation von Mitarbeitern aller Bereiche x Einfachheit beizutragen x Sichtbarkeit der SFA im Unternehmen

Tabelle 4.2: Determinanten der Wirksamkeit struktureller Faktoren Quelle: Eigene Darstellung

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

197

Determinanten der Wirksamkeit kontextueller Faktoren Zum Faktor Top-Management Unterstützung lassen sich zwei Determinanten der Wirksamkeit als Ergebnis der empirischen Untersuchung identifizieren. Einerseits ist die Priorität, welche die strategische Frühaufklärung im Vorstand genießt, zu nennen. Andererseits ist die Vorstandsunterstützung bei Frühaufklärungsvorhaben besonders relevant. Für den Faktor der Unternehmenskultur bilden sich vier Determinanten heraus. Die Offenheit der Unternehmenskultur stellt dabei die Basis für eine erfolgreiche Implementierung dar. Weiterhin ist die bisherige Erfahrung im Unternehmen mit Frühaufklärung ein wichtiger Aspekt. Ebenfalls von Relevanz ist die Frage nach der Güte von Kooperationen zwischen den Abteilungen. Schließlich ist als vierte Determinante die Berücksichtigung und Balance von Strukturen respektive Prozessen und kulturellen Aspekten anzuführen. Tabelle 4.3 führt die Überlegungen weiter aus. Faktor TopManagement Unterstützung

Determinanten der Wirksamkeit Priorität SFA im Vorstand

Indikatoren x SFA wird hohe Priorität im Vorstand eingeräumt x Visionärer Führungsstil („Tone at the top“) x Relevanz einer langfristigen Perspektive x SFA Teil von Vorstandsklausuren

Unterstützung von SFA-Aktivitäten

x Vorstand unterstützt SFA-Vorhaben als Machtpromotor oder Projektpate x Unternehmensweite Kommunikation über Relevanz SFA x Anreizstruktur unterstützt langfristiges Denken

Unternehmenskultur

Offenheit der Unternehmenskultur

x Reflexionsorientierung x Umgang mit Fehlern und Misserfolg x allgemeiner Umgang mit Veränderungen

Erfahrungen mit SFA

x Zeitraum, seitdem SFA betrieben wird x Beratungsanfragen von Peers zu SFA x Akzeptanz im Unternehmen

Güte von Kooperationen zwischen Abteilungen

x Umfang bereichsübergreifender Teamarbeit

Berücksichtigung von Prozess und Kultur

x Balance zwischen unterstützenden Prozessen und fördernder Unternehmenskultur

x Durchlässigkeit und Transparenz von Informationen x Stärke der Anreize, sich für Unternehmensziele einzusetzen

x interne Wahrnehmung der SFA

Tabelle 4.3: Determinanten der Wirksamkeit kontextueller Faktoren Quelle: Eigene Darstellung

Determinanten der Wirksamkeit prozessueller Faktoren Für die Faktoren Erfassung und Bewertung bieten sich auf Grundlage der empirischen Untersuchung folgende Determinanten der Wirksamkeit an: Die Fähigkeit, neue Issues wahrzunehmen, bildet dabei den zentralen Erfolgsfaktor für den Prozess der strategischen Frühaufklärung. Ferner ist auf eine Effektivität der eingesetzten Instrumente zu achten, auf einen konsistenten Priorisierungsprozess und auf eine Akzeptanz des Bewertungsverfahrens. Bei den Faktoren Kommunikation und Handlung ist den Untersuchungsergebnissen zufolge eine ziel-

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Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

gruppenspezifische Kommunikation der Ergebnisse ebenso wichtig wie die Gestaltung des Agenda Building. Zudem ist auf ein situatives Handhaben identifizierter Issues zu achten. Eine erfolgreiche Interaktion mit internen und externen Stakeholdern bedingen eine Involvierung der Zielgruppen entlang des Prozesses sowie ein Austausch mit externen Stakeholdern und mit Peers. Schließlich ist für den Faktor Evaluation die Identifikation von Hilfskonstrukten zur Erfolgsmessung ausschlaggebend. In Tabelle 4.4 werden die Wirksamkeitsdeterminanten der prozessuellen Faktoren zusammen gefasst.

Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung

Faktor

Determinanten der Wirksamkeit

Erfassung und Bewertung

Fähigkeit, neue Issues wahrzunehmen

Indikatoren x Fähigkeit, neue Instrumente zu erfinden und zu nutzen x Stärke der Beziehungen zu externen Netzwerken x Dialogfähigkeiten

Effektivität der eingesetzten Instrumente

x Transparenz in den Annahmen

konsistenter Priorisierungsprozess

x Transparenz über die Priorisierungskriterien

x Nachvollziehbarkeit des Prozesses x unternehmensinterne Akzeptanz der Instrumente x Handhabbarkeit des Modells x Aufzeigbarkeit der Wechselwirkungen

Akzeptanz des Bewertungsverfahrens

x erprobtes und akzeptiertes Bewertungsverfahren x replizierbares, Issue-unabhängiges Bewertungsverfahren x Einsatz von Stakeholder Analysen (z.B. Stakeholder Salience) x Unabhängigkeit zwischen Erfassung und Bewertung

Kommunikation und Handlung

zielgruppenspezifische Kommunikation der Erkenntnisse

x innovative Formate zur Kommunikation der Erkenntnisse x Fähigkeit, die Relevanz des Issues für das Unternehmen aufzuzeigen x Fähigkeit, die Informationen zu kontextualisieren x Nachfrage seitens der Zielgruppen nach SFA-Wissen

Gestaltung des Agenda Building

x Fähigkeit zum Framing x Unternehmenspolitische Sensibilität x internes Netzwerk von SFA-Promotoren

situatives Handhaben identifizierter Issues

x Orientierung am Ungewissheitsgrad x Ausschöpfen der abgestuften Reaktionsstrategien x Rückmeldungen über ausgeführte Handlung an das SFA-Team

Interaktion mit internen und externen Stakeholdern

Involvierung der Zielgruppen entlang des Prozesses

x Anzahl der Interaktionen x Fähigkeit, die Eigenlogik, Denkweise und Probleme der Zielgruppe zu verstehen x Engagement der Zielgruppen während SFA-Prozess

Austausch mit externen Stakeholdern

x Anzahl der Partnerschaften x Reputation der Kooperationsprojekte x Glaubwürdigkeit des Unternehmens, gesellschaftliche Probleme zu lösen

Austausch mit Peers

x Engagement in branchen- und branchenübergreifenden Initiativen x Offenheit, Wissen zu teilen

Evaluation der Aktivitäten

Identifikation von Hilfskonstrukten zur Erfolgsmessung

x Aufzeigen der SFA-Wertschöpfungskette x Entwicklung passender Instrumente (z.B. Fragebogen) x Definition von Kernindikatoren

Tabelle 4.4: Determinanten der Wirksamkeit prozessueller Faktoren Quelle: Eigene Darstellung

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Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

5

201

Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

In einem turbulenten Unternehmensumfeld ist die Fähigkeit, Unsicherheit zu handhaben, ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Strategische Frühaufklärung stellt für Unternehmen die Möglichkeit dar, diskontinuierliche Entwicklungen in einer zunehmend komplex-dynamischen Umwelt zu antizipieren. Auf diese Weise sollen latente Chancen und Gefahren identifiziert werden. Der Bedarf, strategische Umfeldveränderungen frühzeitig zu erkennen und situativ angemessen darauf zu reagieren, ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Die fortschreitende Globalisierung, der Übergang vom Industrie- ins Wissenszeitalter, die rasante Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien, die konstante Verkürzung von Technologielebenszyklen, die Mediatisierung der Gesellschaft und der zunehmende Einfluss nicht-marktlicher Stakeholder auf Unternehmen sind nur einige der Faktoren, die Ursachen für Brüche und Überraschungen darstellen und Unternehmenserfolg wesentlich beeinflussen können. Jedoch zeigt sich trotz umfangreicher theoretischer Ausführungen zum Forschungsgegenstand der strategischen Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis eine doppelte Implementierungslücke. Es bestehen einerseits Implementierungsprobleme bei der Umsetzung und Nutzung des Ansatzes im Unternehmen und andererseits bestehen Implementierungsprobleme bei der Umsetzung und Nutzung der Erkenntnisse aus der strategischen Frühaufklärung. Empirische Studien, die nach den Ursachen fragen und die Implementierungsproblematik in der Praxis erkunden, sind bislang nur vereinzelnd vorhanden gewesen. An diesem Forschungsdefizit setzte die vorliegende Arbeit mit ihrem dualen, komplementären Forschungsdesign an. Zum einen wurden mittels einer qualitativen Forschungsfallstudie in zehn multinationalen Unternehmen Erfolgsfaktoren, Hemmnisse und Lernerfahrungen analysiert. Zum anderen wurde ein Issue-spezifisches Frühaufklärungsprojekt in einem Technologiekonzern über zwei Jahre begleitet. Die Untersuchung stellte dabei die Frage nach der Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung in den Mittelpunkt. Indem sie die Aufmerksamkeit auf diesen umsetzungskritischen Aspekt lenkte, behandelte sie eine äußerst praxisrelevante Fragestellung. Damit folgte die Studie dem Forschungsregulativ der anwendungsorientierten Wissenschaften. Folgende forschungsleitenden Fragen waren Ausgangspunkt der Untersuchung: (1) Wie setzen Unternehmen strategische Frühaufklärung in der Unternehmenspraxis um? (2) Welche Faktoren beeinflussen wie die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung? (3) Wie lässt sich die doppelte Implementierungslücke reduzieren und somit die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung erhöhen? Voraussetzung zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage war eine Charakterisierung des Forschungsgegenstandes und eine Analyse der in der Literatur genannten Implementierungsmöglichkeiten und -schwierigkeiten. Es wurde deutlich, dass strategische Frühaufklärung

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Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

Entscheidungsträger durch eine projektionsorientierte Informationsgenerierung dabei unterstützt, diskontinuierliche Umweltveränderungen mit strategischer Relevanz rechtzeitig zu identifizieren und zu verarbeiten. Dies zielt darauf ab, den Handlungsspielraum zu vergrößern und abgestufte Reaktionsstrategien zu initiieren. Die Betrachtung des Forschungsgegenstandes erfolgte im Kontext des strategischen Managements, wodurch eine ganzheitliche Analyse gewährleistet werden konnte. Somit wurde der Einfluss deutlich, den die Subsysteme der Organisation und der Unternehmenskultur auf die Implementierung strategischer Frühaufklärung ausüben. Die erste Forschungsfrage führte zu der Erkenntnis, dass die Implementierung strategischer Frühaufklärung zum Teil stark von den Empfehlungen der Literatur abweicht. Insbesondere diejenigen Vorschläge, welche auf stark systematisierten – im Sinne von bürokratischen – Prozessen beruhen, zeigten in der Praxis keinen Erfolg. Sie wirkten vielmehr hemmend und kreativitätstötend. Ebenso schien eine technische Unterstützung nur gering nützlich. Weiterhin offenbarte die empirische Untersuchung, dass eine Beschäftigung mit strategischer Frühaufklärung im Unternehmen viele Widerstände hervorruft. Frühaufklärung sucht nach bereichsübergreifenden, langfristigen und schwer fassbaren Phänomenen, worauf die traditionelle Unternehmenslogik wenig ausgerichtet ist. Dies bedeutet, dass strategische Frühaufklärung branchen- und unternehmensspezifisch umgesetzt werden muss. Trotz der Individualitäten zeigten sich unternehmensübergreifende Erfolgsfaktoren und Hemmnisse, denen in der Untersuchung vertiefend nachgegangen wurde. So konnten in einer Typologie drei grundsätzliche Ausgestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Mit der zweiten Forschungsfrage wurde die Frage der Implementierung vertieft. Dazu wurde ein Analyserahmen erstellt, der differenziert nach drei Dimensionen 13 Faktoren betrachtet, welche die Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung beeinflussen. Neben prozessuellen Faktoren wurde dabei die Relevanz struktureller und kontextueller Faktoren für die Implementierung herausgearbeitet. Zu jedem Faktor ließen sich Determinanten der Wirksamkeit identifizieren. Sie zeigen entlang des Analyserahmens auf, welche Ansätze Voraussetzung für eine erfolgreiche Frühaufklärung darstellen. Dabei ist der Gedanke des strategischen Fits auch zwischen und innerhalb der betrachteten Dimensionen herzustellen. Die Gestaltung der Faktoren muss aufeinander abgestimmt sein und harmonisieren. Damit werden hohe Forderungen an eine erfolgreiche Implementierung gestellt. Aber nur so kann es gelingen, die Implementierungsbarrieren zu überwinden. Hohe Branchen- wie auch Methodenexpertise ist Voraussetzung für die mit der Frühaufklärung betrauten Aufgabenträger. Zudem ist eine TopManagement Unterstützung elementar. Ferner gilt es, die Logik interner, unternehmenspolitischer Kommunikationsprozesse zu berücksichtigen. Strategische Frühaufklärung ist ein Instrument der Entscheidungsunterstützung. Es kann nicht selbst für daraus folgende Umsetzungen verantwortlich gemacht werden, muss sich aber an der Phase der Aktion messen lassen, um Wirksamkeit zu entfalten. Mit dieser Betrachtung werden die Anreize für die Beteiligten neu gesetzt: man hat erst dann Erfolg, wenn die Ergebnisse der Frühaufklärung genutzt wer-

Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

203

den. Damit zeigte sich, dass bisherige theoretische Ansätze, die auf die Aufgaben der Wahrnehmung, Dokumentation, Diagnose und Weiterleitung fokussieren, zu eng gefasst sind. Die Beantwortung der dritten Forschungsfrage schließlich führte zu 11 Handlungsempfehlungen, die in Tabelle 5.1 zusammengefasst werden. Nr.

Handlungsempfehlung

HE 1

Der Analyserahmen für Aktivitäten strategischer Frühaufklärung stellt das grundlegende Referenzmodell bei der Implementierung dar.

HE 2

Als Leitgedanke für die Konzeption der Faktoren ist auf einen strategischen Fit zwischen und innerhalb der strukturellen, kontextuellen und prozessuellen Dimension zu achten.

HE 3

Eine differenzierte Betrachtung der Wirkungskette strategischer Frühaufklärung unterstützt die Konzeption und Evaluierung der Aktivitäten.

HE 4

Strategische Frühaufklärung ist als Einheit von Identifikation und Handlung zu betrachten.

HE 5

Das Ausschöpfen der abgestuften Reaktionsstrategien ermöglicht eine situativ angemessene Handlung.

HE 6

Zur vertiefenden Analyse von Issues ist eine Stakeholderanalyse durchzuführen.

HE 7

Zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Veränderungen ist die Frühaufklärung auf ein Denken in Kontexten hin auszurichten.

HE 8 HE 9

Um der Kurzfristigkeit als größter Barriere strategischer Frühaufklärung entgegenzuwirken, ist eine Top-Management-Unterstützung unerlässlich. Je weiter das Beobachtungsfeld gefasst wird, desto höher muss die strategische Frühaufklärung im Unternehmen aufgehängt sein und desto mehr Top-Management-Unterstützung wird benötigt.

HE 10

Eine wirksame strategische Frühaufklärung bedarf sowohl institutionalisierter Strukturen und Prozesse als auch einer unterstützenden, offenen Unternehmenskultur.

HE 11

Eine Orientierung an den Determinanten der Wirksamkeit ermöglicht eine erfolgreiche Implementierung strategischer Frühaufklärung.

Tabelle 5.1: Handlungsempfehlungen für eine wirksame strategische Frühaufklärung Quelle: Eigene Darstellung

Diese Handlungsempfehlungen bieten Unternehmen sowohl bei Einführung als auch bei Prüfung bestehender Aktivitäten hilfreiche Unterstützung darin, strategische Frühaufklärung wirksam zu gestalten. Dennoch ist es wichtig, auf die Grenzen hinzuweisen. Neben den zahlreichen internen Barrieren, die eine Beschäftigung mit diesem Thema mit sich bringt, muss deutlich gesagt werden, dass eine strategische Frühaufklärung nicht alle Diskontinuitäten erkennen wird. So bedarf es neben diesem präventiven Ansatz weiterhin eines guten Krisenmanagements. Weiterer Forschungsbedarf Für die zukünftige Forschung zur strategischen Frühaufklärung ergeben sich aus der vorliegenden Arbeit insbesondere zwei Empfehlungen. Zum einen bietet es sich an, auf Basis der Handlungsempfehlungen Thesen zur Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung zu formulieren, die in einer weiteren, quantitativ angelegten empirischen Untersuchung verifiziert oder

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Zusammenfassung und Darstellung des weiteren Forschungsbedarfs

falsifiziert werden können. Die vorliegende Arbeit hat mit dem gewählten qualitativen, Hypothesen generierenden Charakter die notwendige Grundlage für eine quantitative Untersuchung gelegt. Mit einer quantitativen Untersuchung kann die Stichprobe erweitert werden und es wird möglich, neben einer Befragung der Aufgabenträger strategischer Frühaufklärung auch die Zielgruppen verstärkt zu involvieren. Ein solches Forschungsdesign würde eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Implementierungslücke unterstützen. Zum anderen zeigt sich weiterer Forschungsbedarf bei der Frage nach dem Nutzen strategischer Frühaufklärung. In der Arbeit wurde deutlich, dass eine Quantifizierung des Nutzens nicht möglich ist. Jedoch zeigte sich, dass die Wirkungskette strategischer Frühaufklärung ein geeignetes Instrument zur Evaluierung darstellen kann. Damit wird die Aufmerksamkeit auf eine differenzierte Betrachtung des Wertschöpfungsprozesses gelenkt. Ein empirisches Forschungsdesign könnte sich an den einzelnen Elementen der Wirkungskette orientieren und fragen, welchen Wert die Frühaufklärung entlang der Kette generiert. Eine solche Explizierung der Aktivitäten fördert die Transparenz und Nachvollziehbarkeit, wodurch sich eine höhere Glaubwürdigkeit und Akzeptanz im Unternehmen für strategische Frühaufklärung einstellen kann.

Insgesamt deuteten sich durchaus Möglichkeiten an, dem Dilemma der doppelten Implementierungslücke entgegenzuwirken und Ansätze für eine wirksame strategische Frühaufklärung zu entwickeln. Unternehmen, die vorausschauend handeln und langfristig erfolgreich sein wollen, bietet diese Arbeit somit eine umfassende Grundlage, sich mit der Thematik strategischer Frühaufklärung zu befassen und von den Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen der untersuchten Fälle für die Gestaltung eigener Aktivitäten zu profitieren.

Anhang

205

Anhang

Anhang 1: Kurzdarstellung der multiplen Forschungsfallstudie ...................................... 206 Anhang 2: Anschreiben zur multiplen Forschungsfallstudie ............................................. 207 Anhang 3: Interviewleitfaden für die multiple Forschungsfallstudie................................ 208 Anhang 4: Interviewleitfaden für die singuläre Forschungsfallstudie .............................. 211

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Anhang

Anhang 1: Kurzdarstellung der multiplen Forschungsfallstudie

IMD Research: Effectiveness of Strategic Early Awareness The Forum for Corporate Sustainability Management (CSM) at IMD Lausanne has recently launched an empirical project that will lead to a new understanding of Strategic Early Awareness. Background

As the business environment becomes evermore fragmented and volatile, the need for management to generate and use consolidated knowledge about future developments and societal changes increases. Companies have been engaged in “predicting and managing” the future in different ways for a long time. Nevertheless, companies still struggle with the institutionalisation of early awareness systems within corporate management processes. The business case for addressing future issues is hard to make as the focus in companies is mainly placed on day-to-day management and the fulfilment of short to medium term goals.

Aim of the study

The aim of this study is to assess the effectiveness of early awareness and to identify success factors and barriers. Therefore, strategic approaches to identify future opportunities and threats that derive from a changing business environment will be analysed. A special focus will be placed on the handling of identified critical issues within the functional business units. Furthermore, the research aims to recognize the limitations of Early Awareness and will provide recommendations how to overcome them.

Methodology and The study focuses on systems currently in place in corporations. The research will participation close a gap in research as there is no comparison of the effectiveness of early awareness systems. In depth face-to-face interviews will be conducted in ten multinational companies across Europe. The interview sample consists of companies that show wide experiences with Strategic Early Awareness. A cross-industry selection of participants will lead to multifaceted impressions. Strict confidentiality will be preserved for all companies involved. Participating companies will receive direct feedback on the outcome of the research. Further information

For further information please contact: Alexander Nick Researcher/PhD Candidate Forum for Corporate Sustainability Management IMD Lausanne [email protected] Tel.: XXXXXX

Anhang

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Anhang 2: Anschreiben zur multiplen Forschungsfallstudie

XXXX XXXX XXXX 13 June 2006 IMD Research: Effectiveness of Strategic Early Awareness Activities Dear Mr. XXX, IMD, as one of the world's leading providers of executive development, has developed a strong and clear focus on working in partnership with businesses. The Forum for Corporate Sustainability Management (CSM) is a sustainability research initiative within IMD with a membership of global companies that help to establish relevant research directions (please refer to www.imd.ch/csm for further information). CSM has recently launched an empirical project that will lead to a new understanding of Strategic Early Awareness. As the business environment becomes evermore fragmented and volatile, the need for management to generate and use consolidated knowledge about future developments and societal changes increases. The aim of this study is to identify success factors and barriers of strategic early awareness. The study focuses on systems currently in place in corporations. This research will close a gap in research as so far there is no comparison of the effectiveness of early awareness systems. In depth interviews will be conducted in ten companies across Europe. We would like to invite you to participate in this important research initiative as XXX has proven experiences with early awareness activities. Confidentiality will be preserved and you will receive direct feedback on the outcome of the research. I request a face-to-face interview with you, which will take about one hour. The study and the interview will be conducted by Alexander Nick, researcher at IMD. Thank you very much in advance. Yours sincerely,

Ulrich Steger Director, Forum for CSM

CSM Forum for Corporate Sustainability Management IMD INTERNATIONAL INSTITUTE FOR MANAGEMENT DEVELOPMENT Chemin de Bellerive 23, P.O. Box 915, CH-1001 Lausanne, Switzerland E-mail: [email protected]

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Anhang

Anhang 3: Interviewleitfaden für die multiple Forschungsfallstudie

Interview Guidelines Empirical study „Effectiveness of Strategic Early Awareness Activities (EAA): Success Factors and Barriers “ Aim of the study Assessment of effectiveness of Strategic Early Awareness Activities Identification of success factors and barriers of Early Awareness Activities Basic Framework Selection of companies: Experiences with EAA Introduction A) Scope and general management of the EAA B) Detection of issues C) Handling of issues Closure of interview

Opener Briefly emphasize the need for and relevance of this study. An empirical study about the effectiveness of EAA that are used in corporations has never been carried out and so far only theoretical elaborations are available. Establish common basis: Companies are engaged in “managing and predicting the future” in different ways. I am interested in x strategic approaches to identify future opportunities and threats that derive from a changing business environment x systematic and institutionalised instruments to identify critical issues x the resulting activities after the identification of an opportunity or threat

Anhang

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Questions Please introduce yourself (background, position, role regarding EAA, ...)

Questions

Comments

A. Scope and general management of EAA A.1. What are the goals of your EAA?

x e.g. minimising risks, avoiding surprises, gaining time, exploiting opportunities x focus more on risks or on opportunities?

A.2. When did you introduce EAA? A.3. What modules do your EAA include?

x e.g. identification, assessment, actions, evaluation

A.4. Where are the EAA located within your company?

x e.g. central corporate strategy department, innovation, risk management, decentralised within business units, ad-hoc teams,

A.5. Which business environments do you observe?

x e.g. customers, technology, mega-issues, competitors, industry trends

A.6. What is the time perspective? A.7. What are the “products” of your EAA?

x e.g. newsletter, management recommendations, scenarios, analyses, forecasts

A.8. How do you link your EAA to the corporate planning processes?

x e.g. to the 3-5 years planning, to the balanced scorecard

A.9. How do you ensure top-management support? A.10. What are the overall success factors when dealing with early awareness? A.11. What stumbling blocks do you face?

Questions

Comments

B. Detection of issues B.1. Could you please describe the process to identify issues? B.2. What methods do you use?

x e.g. forecasting, scenario methods, quantitative methods

B.3. How do you prioritise identified issues? What criteria do you use? B.4. Please elaborate on the resources you use.

x whom and how x e.g. human resources, external knowledge / consultants, trend scouts

B.5. What problems do you face while identifying critical issues? B.6. What have been your key learning points in this phase?

210

Anhang

Questions

Comments

C. Handling of issues C.1. How do you handle identified issues?

x What do you do with identified issues?

C.2. How do you operationalise your results into the affected business units?

x specified: from those business units that need to act in order to maximise identified opportunities / to minimise identified threats x optional: How do you manage to get buy-in from affected business units?

C.3. What problems do you face while processing identified issues? C.4. What have been your key learning points in this phase? Closure Is there anything else you would like to mention? Can you recommend other companies dealing with EAA? Do you have any questions to me?

Anhang

211

Anhang 4: Interviewleitfaden für die singuläre Forschungsfallstudie

Frage

Zu beachten / Anmerkungen

A. Bedarfsidentifikation A.1. Inwieweit ist Ihnen das Thema strategische Frühaufklärung bereits geläufig?

Nachfrage: Was ist Ihr Verständnis von Frühaufklärung?

A.2. Sind Sie bereits im Konzern mit Frühaufklärung beschäftigt gewesen?

Falls ja, bitte erläutern Sie näher.

A.3. Gibt es bereits Managementsysteme oder Instrumente, die Sie bei der Identifikation von zeitlich entfernten Chancen und Gefahren unterstützen? Falls ja: Bitte beschreiben Sie diese Systeme? Was ist deren Grundlage (prognosebasiert, indikatorenbasiert, erfolgspotenzialorientiert)?

Wie wirkungsvoll arbeiten sie? Was können sie besonders gut? Was können sie nicht? Bei welchen Aufgaben unterstützen diese Sie?

A.4.1 Falls noch keine praktischen Erfahrungen mit SFA: Nachfrage: Wann wäre ein solches System für Was würden Sie sich von einem institutionalisierten System zur Sie hilfreich? Frühaufklärung von zeitlich entfernten Chancen und Gefahren wünschen? A.4.2 Falls bereits praktische Erfahrungen mit SFA vorliegen: Worin liegt für Sie der Wert von strategischer Frühaufklärung?

Nachfrage: Berichten Sie bitte von Ihren Erfahrungen mit strategischer Früherkennung.

A.5. Zu welchen Themensegmenten würden Sie sich mittels Früherkennung bessere Informationen wünschen? A.6. Strategische Frühaufklärung kann in verschiedenen Umfeldern eingesetzt werden. In welchen Bereichen sehen Sie den größten Bedarf für Ihre Arbeit?

technologisches, ökonomisches, politisches, gesellschaftliches, ökologisches, rechtliches Umfeld

A.8. Sehen Sie einen Bedarf in Ihrem Bereich zu einer systematischen Identifizierung zukünftiger Chancen und Gefahren, die sich aus nicht-marktlichen Veränderungen ergeben? A.9. Was erhoffen Sie sich von dem zur Zeit laufenden internen Projekt „Wirkungen pervasiver IKT“ Welchen konkreten Nutzen wünschen Sie sich für Ihre Arbeit?

Frage

Zu beachten / Anmerkungen

B. Stakeholderbeziehungen B.1. Bitte bewerten Sie die Stakeholdergruppen hinsichtlich ihrer Relevanz für Ihre Arbeit?

B.2. Nach Legen des Musters: Berücksichtigen Sie die Anliegen von Stakeholdergruppen? Falls ja, von welchen Gruppen und inwiefern? Falls nein, was sind Gründe, dies nicht zu tun? B.3. Wie wichtig ist für Ihre Arbeit die Kenntnis über das nicht-marktliche Umfeld (NGOs, Politik, Gewerkschaften, Medien)? B.4. Welche Stakeholder spielen für Sie eine Rolle bei der Planung zukünftiger Aktivitäten?

Kärtchen mit Stakeholdern vorbereiten (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Gewerkschaften, Politik, Medien, Nichtregierungsorganisationen, Finanzmarkt) Kartenmuster legen lassen (Ranking/Rating)

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Anhang

Frage

Zu beachten / Anmerkungen

C. Organisation der Früherkennung C.1. Was sind Ihrer Meinung nach die kritischen Erfolgsfaktoren bei der Einführung einer SFA? C.2. Was sind Ihrer Meinung die größten Hemmnisse bei der Einführung einer SFA in Ihrem Bereich? C.3. Organisatorische Aufhängung: Wo sollte ein solcher Ansatz aufgehängt sein?

Nachfragen: Wer sollte welche Aufgabe übernehmen?

C.4. Wie könnten relevante Informationen gewonnen werden? C.5. Wie müssten Informationen aufbereitet sein, damit diese für Sie nützlich sind? C.6. Wie sollten diese Informationen genutzt werden und Mehrwert kreieren?

z. B. regelmäßige Bereitstellung über Intranet in einer Datenbank; Austausch in eingerichteten Foren

Literaturverzeichnis

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Literaturverzeichnis

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