Telekommunikation und vertikale Integration : das Beispiel des Bankwesens
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Zitiervorschau

Internationale Innovationsdynamik, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum in der EU

Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge Informationen über die Bände 1–112 sendet Ihnen auf Anfrage gerne der Verlag. Band 113: B. Wieland, Telekommunikation und vertikale Integration, 1995. ISBN 3-7908-0849-0 Band 114: D. Lucke, Monetäre Strategien zur Stabilisierung der Weltwirtschaft, 1995. ISBN 3-7908-0856-3 Band 115: F. Merz, DAX-Future-Arbitrage, 1995. ISBN 3-7908-0859-8 Band 116: T. Köpke, Die Optionsbewertung an der Deutschen Terminbörse, 1995. ISBN 3-7908-0870-9 Band 117: F. Heinemann, Rationalisierbare Erwartungen, 1995. ISBN 3-7908-0888-1 Band 118: J. Windsperger, Transaktionskostenansatz der Entstehung der Unternehmensorganisation, 1996. ISBN 3-7908-0891-1 Band 119: M. Carlberg, Deutsche Vereinigung. Kapitalbildung und Beschäftigung, 1996. ISBN 3-7908-0896-2 Band 120: U. Rolf, Fiskalpolitik in der Europäischen Währungsunion, 1996. ISBN 3-7908-0898-9 Band 121: M. Pfaffermayr, Direktinvestitionen im Ausland, 1996. ISBN 3-7908-0908-X Band 122: A. Lindner, Ausbildungsinvestitionen in einfachen gesamtwirtschaftlichen Modellen, 1996. ISBN 3-7908-0912-8 Band 123: H. Behrendt, Wirkungsanalyse von Technologie und Gründerzentren in Westdeutschland, 1996. ISBN 3-7908-0918-7 Band 124: R. Neck (Hrsg.) Wirtschaftswissenschaftliche Forschung für die neunziger Jahre, 1996. ISBN 3-7908-0919-5 Band 125: G. Bol, G. Nakhaeizadeh/ K.-H. Vollmer (Hrsg.) Finanzmarktanalyse und -prognose mit innovativen quantitativen Verfahren, 1996. ISBN 3-7908-0925-X Band 126: R. Eisenberger, Ein Kapitalmarktmodell unter Ambiguität, 1996. ISBN 3-7908-0937-3 Band 127: M. J. Thenrillat, Der Schweizer Aktienmarkt, 1996. ISBN 3-7908-0941-1 Band 128: T. Lauer, Die Dynamik von Konsumgütermärkten, 1996. ISBN 3-7908-0948-9 Band 129: M. Wendel, Spieler oder Spekulanten, 1996. ISBN 3-7908-0950-0 Band 130: R. Olliges, Abbildung von Diffusionsprozessen, 1996. ISBN 3-7908-0954-3 Band 131: B. Wilmes, Deutschland und Japan im globalen Wettbewerb, 1996. ISBN 3-7908-0961-6 Band 132: A. Sell, Finanzwirtschaftliche Aspekte der Inflation, 1997. ISBN 3-7908-0973-X Band 133: M. Streich, Internationale Werbeplanung, 1997. ISBN 3-7908-0980-2

Band 134: K. Edel, K.-A. Schäffer, W. Stier (Hrsg.) Analyse saisonaler Zeitreihen, 1997. ISBN 3-7908-0981-0 Band 135: B. Heer, Umwelt, Bevölkerungsdruck und Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern, 1997. ISBN 3-7908-0987-X Band 136: Th. Christiaans, Learning by Doing in offenen Volkswirtschaften, 1997. ISBN 3-7908-0990-X Band 137: A. Wagener, Internationaler Steuerwettbewerb mit Kapitalsteuern, 1997. ISBN 3-7908-0993-4 Band 138: P. Zweifel et al., Elektrizitätstarife und Stromverbrauch im Haushalt, 1997. ISBN 3-7908-0994-2 Band 139: M. Wildi, Schätzung, Diagnose und Prognose nicht-linearer SETAR-Modelle, 1997. ISBN 3-7908-1006-1 Band 140: M. Braun, Bid-Ask-Spreads von Aktienoptionen, 1997. ISBN 3-7908-1008-8 Band 141: M. Snelting, Übergangsgerechtigkeit beim Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen, 1997. ISBN 3-7908-1013-4 Band 142: Ph. C. Rother, Geldnachfragetheoretische Implikationen der Europäischen Währungsunion, 1997. ISBN 3-7908-1014-2 Band 143: E. Steurer, Ökonometrische Methoden und maschinelle Lernverfahren zur Wechselkursprognose, 1997. ISBN 3-7908-1016-9 Band 144: A. Groebel, Strukturelle Entwicklungsmuster in Markt- und Planwirtschaften, 1997. ISBN 3-7908-1017-7 Band 145: Th. Trauth, Innovation und Außenhandel, 1997. ISBN 3-7908-1019-3 Band 146: E. Lübke, Ersparnis und wirtschaftliche Entwicklung bei alternder Bevölkerung, 1997. ISBN 3-7908-1022-3 Band 147: F. Deser, Chaos und Ordnung im Unternehmen, 1997. ISBN 3-7908-1023-1 Band 148: J. Henkel, Standorte, Nachfrageexternalitäten und Preisankündigungen, 1997. ISBN 3-7908-1029-0 Band 149: R. Fenge, Effizienz der Alterssicherung, 1997. ISBN 3-7908-1036-3 Band 150: C. Graack, Telekommunikationswirtschaft in der Europäischen Union, 1997. ISBN 3-7908-1037-1 Band 151: C. Muth, Währungsdesintegration – Das Ende von Währungsunionen, 1997. ISBN 3-7908-1039-8 Band 152: H. Schmidt, Konvergenz wachsender Volkswirtschaften, 1997. ISBN 3-7908-1055-X Fortsetzung auf Seite 537

Andre Jungmittag

Internationale Innovationsdynamik, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum in der EU Mit 78 Abbildungen und 69 Tabellen

Physica-Verlag Ein Unternehmen von Springer

Reihenherausgeber Werner A. Müller Autor PD Dr. Andre Jungmittag Bergische Universität Wuppertal FB B Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik Gaußstraße 20 42119 Wuppertal E-mail: [email protected]

ISSN 1431-2034 ISBN 3-7908-1713-9 Physica-Verlag Heidelberg Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Physica-Verlag Heidelberg ein Unternehmen von Springer Science+Business Media GmbH springer.de © Physica-Verlag Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR Leipzig SPIN 11688150 88/3100 – 5 4 3 2 1 0 – Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier

Vorwort

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die positiven Auswirkungen von technischem Fortschritt und Innovationen auf das Wirtschaftswachstum allgemein anerkannt. Dennoch stellen die Mechanismen, die Innovationen in weitreichende ökonomische Eekte übersetzen, noch ein breites Terrain mit vielen oenen Forschungsfragen dar. So dürfte neben der allgemeinen Innovationsfähigkeit eines Landes auch seine technologische und wirtschaftliche Spezialisierung die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Zudem können technologisch und wirtschaftlich zurückliegende Länder durch die Imitation von Technologien anderer Länder aufholen. Es ist daher das Ziel dieser Studie, die Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik von Volkswirtschaften, ihren technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen sowie ihren Wirtschaftswachstums- und Produktivitätsentwicklungen theoretisch und empirisch zu untersuchen. Damit solch eine Analyse hinreichend Erklärungskraft erhält, beschränkt sie sich auf die relativ homogene Gruppe der EU15-Staaten. Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2005 als Habilitationsschrift vom Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Bergischen Universität Wuppertal angenommen. Für die Betreuung der Arbeit, die mit zahlreichen wertvollen Diskussionen und Anregungen verbunden war, bin ich Herrn Prof. Dr. Paul J.J. Welfens, Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik an der Bergischen Universität Wuppertal, zu großem Dank verpflichtet. Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Gerhard Arminger, Lehrstuhl für Wirtschaftsstatistik an der Bergischen Universität Wuppertal, und Herrn Prof. Dr. Hans Gerhard Strohe, Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie an der Universität Potsdam, für die Übernahme der weiteren Gutachten. Im Laufe der Erstellung der Arbeit erhielt ich von verschiedenen Seiten weitere Unterstützung. Teile des dritten Kapitels entstanden während eines Forschungsaufenthalts im Herbst 2001 am German-American Center for Visiting Scholars (GACVS) der Alexander von Humboldt Stiftung und am American Institute for Contemporary German Studies (AICGS)/The Johns Hopkins University in Washington D.C. Beiden Institutionen danke ich für die Bereitstellung einer anregenden und produktiven wissenschaftliche Umgebung. Teile des fünften Kapitels wurden während meines Aufenthalts als Gastwissenschaftler bei der DG II Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission im Herbst 2003 grundlegend erstellt und dort auch in einem Seminar präsentiert. Auch hier möchte ich mich für die stimulierende Forschungsatmosphäre erkenntlich zeigen und insbesondere

vi

Vorwort

Herrn Dr. Werner Röger und Herrn Prof. Dr. Klaus Wälde für ihre hilfreichen Hinweise und Kommentare danken. Weiterhin bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Jürgen Wolters, dessen hilfreiche Anregungen auf einem Workshop zu einer Sonderausgabe der Zeitschrift „International Economics and Economic Policy” im Februar 2004 zu einer weiteren Verbesserung dieses Teils der Arbeit führten. Zudem bedanke ich mich bei meinen Kollegen und Kolleginnen Frau DiplomVolkswirtin Dora Borbély, Herrn Diplom-Volkswirt Albrecht Kaumann, Herrn Diplom-Ökonom Martin Keim, Herrn Diplom-Volkswirt Christopher Schumann und Herrn Dr. Ralf Wiegert am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik/Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Potsdam sowie am Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik an der Bergischen Universität Wuppertal für ihre umfassende Unterstützung während der gesamten Habilitationsphase. Die angenehme Arbeitsatmosphäre an beiden Lehrstühlen hat sicher auch einen Beitrag zum Gelingen dieser Untersuchung geleistet. Vielfältigen Rückhalt habe ich durch meine Frau Gudrun Pohl erfahren. Ihr verdanke ich wertvolle Anregungen, großen Zuspruch und viel Verständnis während der ganzen Zeit. Nicht zuletzt hat sie als Nichtökonomin die Last auf sich genommen, die gesamte Arbeit Korrektur zu lesen. Wuppertal, im Januar 2006

Andre Jungmittag

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

1

2 Innovationsdynamik, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum: Theoretische Erklärungsansätze 9 2.1 Charakter des technischen Fortschritts im neoklassischen Wachstumsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.1 Das Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2.2 Die Berücksichtigung einer Zahlungsbilanzrestriktion . . . 23 2.2.3 Technologische Leistungsfähigkeit und die Modellierung der Entwicklung sektoraler Spezialisierungsmuster . . . . . . . 25 2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung . . . . . . . 34 2.3.1 Technologische Lücke und wirtschaftliche Aufholprozesse . 35 2.3.2 Technologische Lücke, Außenhandel und Produktzyklus . . 52 2.4 Evolutorische Ökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.4.1 Grundlagen der evolutorischen Ökonomik . . . . . . . . . . 67 2.4.2 Innovationen und Spezialisierung in evolutorischen Wachstumsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.4.3 Das Konzept der nationalen Innovationssysteme und langfristiges Wirtschaftswachstum . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt . 94 2.5.1 Learning-by-Doing als Triebkraft endogenen Wachstums . 95 2.5.1.1 Die geschlossene Volkswirtschaft . . . . . . . . . 95 2.5.1.2 Die oene Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . 104 2.5.2 FuE als Triebkraft endogenen Wachstums . . . . . . . . . 118 2.5.2.1 Die geschlossene Volkswirtschaft . . . . . . . . . 119 2.5.2.2 Die oene Volkswirtschaft . . . . . . . . . . . . . 152 2.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Anhang: Das neoklassische Wachstumsmodell mit exogenem technischen Fortschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3 Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz? 201 3.1 Nationale Innovationsfähigkeit: Begrisdefinition und Meßkonzept 202

viii

Inhaltsverzeichnis

3.2 Langfristige Trends des Innovationsoutputs . . . . . . . . . . . . . 3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Querschnittstests der Konvergenzhypothese . . . . . . . . 3.3.2 Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese 3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Tests auf -Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Tests auf -Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese 3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 216 219 225 235 235 240 249 270

4 Die Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen der EU-Staaten 273 4.1 Methodik und Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.1.1 Absolute Spezialisierungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.1.2 Relative Spezialisierungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . 279 4.1.3 Überprüfung auf - und -Spezialisierung . . . . . . . . . 282 4.1.4 Die Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen . . . . . . . 289 4.2.1 Technologische Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 289 4.2.2 Produktionsspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4.2.3 Exportspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4.2.4 Außenhandelsspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen . . . . . . 344 4.3.1 Technologische Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 345 4.3.2 Produktionsspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 4.3.3 Exportspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 4.3.4 Außenhandelsspezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 4.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 5 Der Beitrag von Innovationen und Spezialisierung zu Wirtschaftswachstum und Konvergenz in der EU 415 5.1 Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten in der EU? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 5.1.1 Ergebnisse bisheriger empirischer Studien . . . . . . . . . . 416 5.1.2 Ergebnisse der Tests auf - und -Konvergenz . . . . . . . 427 5.1.3 Ergebnisse der Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 5.2 Innovationen und technologische Spezialisierung als Triebkräfte von Wirtschaftswachstum und Konvergenz in der EU . . . . . . . 439 5.2.1 Methodik und Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 440 5.2.1.1 Das empirische Modell . . . . . . . . . . . . . . . 441 5.2.1.2 Dekomposition des Wirtschaftswachstums und der Konvergenzmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 5.2.1.3 Datengrundlage und „Pre-Testing” . . . . . . . . 445 5.2.2 Ergebnisse der empirischen Analyse . . . . . . . . . . . . . 453 5.2.2.1 Schätzergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

Inhaltsverzeichnis

5.2.2.2 Ergebnisse der Wachstumsdekompositionen . . . 5.2.2.3 Ergebnisse der Konvergenzdekompositionen . . . 5.3 Technologische Spezialisierung als Triebkraft der wirtschaftlichen Spezialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Theoretischer Ansatz und empirische Modellierung . . . . 5.3.2 Ergebnisse der empirischen Analyse . . . . . . . . . . . . . 5.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

ix

459 464 470 471 477 488

6 Schlußbetrachtung

491

Literaturverzeichnis

503

Tabellenverzeichnis

529

Abbildungsverzeichnis

533

1 Einführung

Die Frage, warum Länder sich auf die Produktion und den Export bestimmter Güter spezialisieren und andere Güter importieren, beschäftigte bereits Adam Smith und David Ricardo, die Begründer der klassischen Nationalökonomik. Dieses Interesse hat im Zeitablauf keineswegs an Bedeutung verloren, sondern ist vielmehr heute im Zeitalter der wirtschaftlichen und technologischen Globalisierung einerseits und der Herausbildung von hochgradig wirtschaftlich integrierten Regionen andererseits größer als je zuvor. In der öentlichen Debatte werden beide Phänomene häufig mit vielfältigen, sich teilweise widersprechenden Ängsten verbunden (Baldwin, 1999, S. 253-254). Befürchtet wird, daß wirtschaftliche Integration und zunehmend freier Handel zu industriellen Standortverschiebungen zwischen den Regionen und Staaten führen werde. In Europa sind Regierungen relativ reicher Staaten im Zuge der EU-Osterweiterung besorgt, daß Verlagerungen in Niedriglohnländer erfolgen, während ärmere Länder umgekehrt Verlagerungen bestimmter Industrien in hochindustrialisierte Staaten erwarten. Kleinere Länder in Europa befürchten aufgrund von Heimatmarkteekten Produktionsverlagerungen in größere, und Nichtmitgliedsländer der EU sehen wichtige Standorte der Industrieproduktion durch EU-Mitgliedsländer gefährdet. Ähnliche Befürchtungen existieren nach der Schaung der NAFTA auch in den USA mit Blick auf eine Abwanderung von Arbeitsplätzen nach Mexiko. Ein anderer Strang der politisch orientierten Debatten, der teilweise eng mit den vorgenannten Ängsten verknüpft ist, aber mehr auf den Außenhandel zielt, betrit die qualitative Ausgestaltung von Spezialisierungen. Hier herrschen — grob skizziert — zwei grundsätzliche Auassungen vor (Dollar/Wol, 1993, S. 14-15). Bei der einen Auassung wird der Außenhandel quasi als Krieg angesehen und bestimmte Märkte als Territorien erachtet, die erobert werden müßten. Dabei haben ausgewählte Exportgütergruppen, meistens mit einem hohen Technologiegehalt, eine strategische Bedeutung. Die andere Auassung beruht hingegen auf der Ansicht, daß Außenhandel grundsätzlich wechselseitig wohlfahrtsstiftend sei und es per se einen Nutzen der Spezialisierung gibt. Diese Sicht mißt den jeweiligen qualitativen Ausrichtungen der Spezialisierung einzelner Länder keine besondere Bedeutung bei, sofern überhaupt statische oder dynamische Skaleneffekte realisiert werden.1 Ähnlich wird in der wirtschaftspolitischen Fachdiskussion 1 So schlußfolgern Archibugi/Pianta (1992), S. 150: „There seems to be a specific advantage in a higher degree of specialization in technological fields, associated with the economies of

2

1. Einführung

— auch abgeleitet aus neueren theoretischen Modellen — des öfteren zwischen Ricardianischer und Smithianischer Spezialisierung unterschieden (Dowrick, 1997; Dalum/Laursen/Verspagen, 1999). Erstere stellt dann wiederum auf eine Spezialisierung auf spezifische Aktivitäten ab, die z. B. durch voneinander abweichende technologische Möglichkeiten unterschiedliche Wachstumsraten der Produktivität aufweisen. Länder, die sich auf solche Aktivitäten spezialisierten, könnten auch insgesamt ein höheres Wachstum aufweisen. Bei der Smithianischen Spezialisierung steht hingegen die Bedeutung des „Learning-by-Doing” oder steigender Skalenerträge im Mittelpunkt. Die Teilnahme am Außenhandel ermöglicht es dabei den Ländern, sich auf eine kleine Gruppe von Gütern zu spezialisieren und so steigende Skalenerträge auszunutzen. Die Spezialisierung von Volkswirtschaften kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Wie in der weiteren Darstellung noch ersichtlich wird, bezieht sich ein Großteil der theoretischen Erklärungsansätze unmittelbar auf die Spezialisierung in der Produktion eines Landes. Bei Einführung von Außenhandel spezialisieren sich die betrachteten Länder (oder Regionen) je nach Annahmenwahl und theoretischem Erklärungskonzept aus unterschiedlichen Gründen. Verknüpft damit ist dementsprechend auch eine Außenhandels- oder Exportspezialisierung.2 Zudem sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts die positiven Auswirkungen von technologischem Fortschritt und Innovationen auf das Wirtschaftswachstum allgemein anerkannt. Dennoch stellen die Mechanismen, die Innovationen in weitreichende ökonomische Eekte übersetzen, noch ein breites Terrain mit vielen oenen Forschungsfragen dar. In der Realität kann eine enorme Expansion des internationalen Handels mit Waren und Dienstleistungen sowie der Direktinvestitionen und, „Weltmärkte” antizipierend und sichernd, ein Anstieg der internationalen Patentanmeldungen und -erteilungen beobachtet werden. Wenn jedoch technologische Veränderungen eine treibende Kraft des wirtschaftlichen Wachstums sind, dann kann die Analyse ihrer strukturellen Dynamiken auch Erkenntnisse in bezug auf den ökonomischen und sektoralen Wandel liefern. So ist zu erwarten, daß der technische Wandel auf der Ebene des Außenhandels zu Veränderungen der Spezialisierungsmuster, zu Reduktionen der Handelskosten und damit zu höheren Handelsvolumina führt. Basierend auf diesen Beobachtungen auf der Erscheinungsebene stellt dann auch Helpman (1998) fest, daß inzwischen eine mehr technologieorientierte Handelstheorie benötigt werde, die strukturelle Dynamiken betone und auch Rückschlüsse auf den ökonomischen Wandel erlaube.3 Dabei interessieren insbesondere Veränderungen der technologischen Spescale and scope made possible at the national level. This advantage emerges regardless of the particular sectors in which individual countries concentrate their eorts; in other words, for advanced countries being specialized appears to be even more important than choosing the ‘right’ fields.” 2 Harrigan/Zakrajšek (2000) führen z. B. an, daß sich zwar der Kern der Theorie der komparativen Vorteile auf die Produktion bezieht, empirische Arbeiten aber meist Außenhandelsund nicht Produktionsdaten verwenden. 3 Ähnlich — wenn auch noch stärker in der traditionellen Außenhandelstheorie verhaftet — wird auch in Krugman/Obstfeld (1991), S. 83, vorgeschlagen, „ ... to return to the Ricardian idea that trade is largely driven by international dierences in technology rather than ressources”.

1. Einführung

3

zialisierung von Nationen und Regionen, die sich in den Außenhandelsmustern replizieren dürften. Es ist das Ziel dieser Studie, die Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik von Volkswirtschaften, ihren technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen und ihren Wirtschaftswachstums- und Produktivitätsentwicklungen theoretisch und empirisch zu untersuchen. Dabei steht die Dynamik der Industrie — wo der größte Teil der Patentanmeldungen und -erteilungen erfolgt — im Vordergrund. Damit eine solche Analyse sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht hinreichend Erklärungskraft erhält, sollte sie sich auf eine relativ homogene Gruppe von Ländern beschränken. Als eine solche Gruppe wurden die EU15-Staaten ausgewählt: • Erstens ist diese Gruppe von Ländern von beiden bereits eingangs angesprochenen Formen wirtschaftlicher Integration betroen, nämlich einerseits der Globalisierung, d. h. der weltweiten Liberalisierung von Handels-, Faktorund Technologieströmen, und andererseits der Regionalisierung, d. h. der zunehmenden Einbindung in einen regionalen Integrationsblock.4 • Zweitens spricht aus einer theoretischen Perspektive für eine solche Beschränkung, daß für Länder auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen und mit unterschiedlichen Formen bzw. Stärken der Integration verschiedene Ansätze zur Erklärung zumindest des Zusammenspiels von Spezialisierung und Wachstum Erklärungsgehalt haben. Eine Reihe von theoretischen Ansätzen stellt nämlich einerseits darauf ab, ob ein Land Innovator, Imitator oder bisher von der technologischen Entwicklung ausgeschlossen ist, und andererseits, wie stark ein Land entweder in die Weltwirtschaft integriert ist oder ob es einem regionalen Integrationsblock angehört. • Aus ähnlichen Gründen sollte es drittens auch aus empirischer Sicht vermieden werden, daß zu stark vereinfachende Modelle, die für eine große Gruppe von Ländern gelten sollen, für die ökonometrische Analyse herangezogen werden.5 Vielmehr sollte versucht werden, dem methodischen Anspruch in Juselius (1993), S. 619-620, möglichst nahe zu kommen: However, to be successful, each country’s data has to be seriously analyzed by accounting for institutional and country-specific features, and not, as is 4

Zu den Unterschieden zwischen globaler und regionaler Integration vgl. z. B. Walz (1997). Zu stark vereinfachende Modelle bergen die Gefahr eines Vorgehens in sich, das in Blaug (1980), S. 257 als „Kochbuch-Ökonometrie” bezeichnet wird: 5

... express a hypothesis in terms of a equation, estimate a variety of forms for that equation, select the best fit, discard the rest, and then adjust the theoretical argument to rationalize the hypothesis that is being tested ... Eine ähnliche Karikatur dieses Vorgehens findet sich auch in Pagan (1984), S. 103: ... a model is postulated, data gathered, a regression run, some t-statistics or simulation performance provided and another ’empirical regularity’ was forged.

4

1. Einführung often done, by forcing one simplified model onto several data sets as if just one data-generating process existed for all countries, originating from one theoretical explanation.

Dies dürfte für die hier zu untersuchende Fragestellung im Regelfall durch eine relativ homogene Gruppe von Ländern gewährleistet sein, während eine Analyse einzelner Länder oft nicht möglich ist oder sich auch nicht anbietet, weil eine Reihe von Fragen nur über eine Gruppe von Ländern untersucht werden kann (etwa ob eine Konvergenz der Innovationsfähigkeiten, der Pro-Kopf-Einkommen oder der Arbeitsproduktivitäten zu beobachten ist), oder weil für andere Teilaspekte nur so kurze Zeitreihen vorliegen, daß sich eine nichtgepoolte Untersuchung verbietet. Gleichwohl soll der verbleibenden Heterogenität zwischen den betrachteten EU-Ländern im ausreichenden Maße Rechnung getragen werden. Sowohl innerhalb des sich in den letzten Jahren rasant entwickelnden Hauptstrangs der Wachstumstheorie, der auf der neoklassischen Theorie aufbauenden, aber auch Teile der Schumpeterschen Ideen aufgreifenden „neuen” Wachstumstheorie, als auch in alternativen Ansätzen, wie z. B. den Wachstumsmodellen der evolutorischen Ökonomik, steht die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Innovationen und Wachstum meistens im Mittelpunkt des Interesses. Dabei wird stets auch die Frage nach den Spezialisierungen von Volkswirtschaften explizit — oder zumindest implizit — berührt. Obwohl sich inzwischen eine zunehmende wechselseitige Befruchtung zwischen den verschiedenen Theoriesträngen beobachten läßt, zeichnet sich aber noch kein einheitlicher Satz von Ergebnissen ab. Insofern liefert die Theorie wichtige Denkanstöße für die empirische Analyse der Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik, der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierung und der Wachstums- und Produktivitätsentwicklung von Volkswirtschaften, eine eindeutige Formulierung von Hypothesen und Gegenhypothesen erlaubt sie aber nicht. Dem Vorschlag von Leamer/Levinsohn (1995), S. 1341, folgend, lautet die Untersuchungsstrategie in dieser Hinsicht also: „Estimate, don’t test”. Deshalb wird für die Studie eine von der Theorie geleitete, empirisch orientierte Herangehensweise gewählt. Dabei läßt sich die übergeordnete Fragestellung für die empirische Analyse in die folgenden Teilaspekte untergliedern: 1. Wie hat sich in der Vergangenheit auf aggregierter Ebene die industrielle Innovationsdynamik in den EU-Ländern entwickelt? Da sich diese Analyse auf international vergleichbare Patenterteilungen stützt und entsprechend geeignete Daten durch das US-Patentamt (US Patent and Trademark O!ce USPTO) ab 1963 vorliegen, umfaßt der Beobachtungszeitraum die Jahre von 1963 bis 1998. Insbesondere interessiert hierbei die Frage, ob es innerhalb der EU im Zeitablauf zu einer Angleichung (Konvergenz) oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten kommt. Denn wenn der technische Fortschritt eine treibende Kraft des Wirtschaftswachstums ist, dann dürfte die Konvergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten auch die Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU vorantreiben.

1. Einführung

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2. Auf einer sektoral disaggregierten Ebene stellt sich die Frage, wie sich die technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen innerhalb der EU entwickeln. Ohne zunächst eine Wertung einzelner Sektoren (z. B. als High-, Medium- oder Low-Tech-Sektor) vorzunehmen, wird geprüft, ob der Spezialisierungsgrad der einzelnen Länder zugenommen hat — wie es in zahlreichen theoretischen Erklärungsansätzen geschlußfolgert wird — oder gleichblieb bzw. sich eventuell sogar reduzierte. Die Veränderung der Spezialisierungsgrade wird dabei sowohl als absolute Größe als auch jeweils bezogen auf die anderen EU-Staaten und — wo möglich — die Welt insgesamt betrachtet. Da es durch geeignete Konkordanzen möglich ist, die Patenterteilungen am USPTO den Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes nach der Klassifikation ISIC mit hinreichender Genauigkeit zuzuordnen, wird sich diese Analyse für alle drei Ebenen der Spezialisierung (technologische Spezialisierung, Außenhandels- und Produktionsspezialisierung) auf die Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes konzentrieren. In einem zweiten Schritt wird dann analysiert, wie sich im Zeitablauf die Spezialisierung der EU-Staaten in den besonders forschungs- und entwicklungsintensiven Sektoren verändert hat. Beide Teile dieser Analyse zusammengenommen sollen Auskunft darüber liefern, ob für die Länder der EU — wenn denn die Spezialisierung auf den verschiedenen Ebenen angestiegen sein sollte — eher ein Ricardianischer oder Smithianischer Spezialisierungsanstieg beobachtet werden kann. Neben den Auswirkungen auf das längerfristige Wirtschafts- und Produktivitätswachstum, die im folgenden weiter empirisch untersucht werden, können allein aus der Entwicklung der Spezialisierungsgrade bereits wirtschaftspolitische Implikationen abgeleitet werden. Mit einer zunehmenden Spezialisierung würden nämlich die einzelnen Länder der EU bzw. der Eurozone anfälliger für asymmetrische Schocks, auf die sie bei einem hohen Integrationsgrad zunehmend schwieriger reagieren können (OECD, 1999, S. 91-111). So stehen z. B. den Mitgliedern der Europäischen Währungsunion nicht mehr die Möglichkeiten einer nationalen Geldpolitik zur Verfügung. Im Umkehrschluß wird in OECD, 1999, S. 98, aber auch geschlußfolgert, daß „... a monetary union is less susceptible to asymmetric disturbances the more its regions are integrated with each other and diversified within themselves”. 3. Welche Auswirkungen haben die Innovationskraft der Volkswirtschaften und ihre technologischen Spezialisierungsgrade bzw. -muster auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen und der Arbeitsproduktivitäten? Allgemein war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und der Arbeitsproduktivitäten zumindest der zu Beginn des 21. Jahrhunderts hochindustrialisierten OECD-Länder gekennzeichnet. Die Frage ist, ob dieser Konvergenztrend innerhalb der EU, der gleichzeitig ja auch ein wesentliches Ziel der Integration ist, auch weiterhin anhält und in welcher Weise die nationalen Innovationsfähigkeiten und Spezialisierungen diesen Trend beeinflussen. Zudem ist bei dieser Analyse die Rolle der internationalen Wissensdiusion zu berücksichtigen.

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1. Einführung

4. Welche Beziehungen gibt es zwischen den technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen? Dabei interessiert erstens insbesondere, inwieweit die technologische Spezialisierung eine Triebkraft der wirtschaftlichen Spezialisierung ist, und zweitens, welche Auswirkungen von der Produktionsauf die Exportspezialisierung ausgehen. Nicht thematisiert wird in der Studie die von Kydland/Prescott (1982) aufgeworfene Frage, inwieweit technologische Schocks zyklische Wachstumsimpulse auslösen. Für die Frage der technologischen und ökonomischen Konvergenz nicht unerheblich ist im Einzelfall sicher auch die staatliche Innovationspolitik von EU-Ländern, die jedoch wegen der quantitativ geringen Dimensionierung nur indirekte bzw. unterstützende Konvergenzimpulse geben dürfte. Geleitet durch die übergeordnete Gesamtfragestellung und den sich ergebenen — gerade genannten — Teilaspekten ist die Arbeit wie folgt aufgebaut. Im Kapitel 2 wird ein Überblick über die Ansätze aus der wachstumstheoretischen Literatur gegeben, die einen Beitrag zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik, der technologischen sowie wirtschaftlichen Spezialisierung und der Wachstums- sowie Produktivitätsentwicklung von Volkswirtschaften leisten können. Dabei werden fünf Gruppen von Erklärungsansätzen unterschieden. Die erste Gruppe bilden die Einsektor- und Zweisektorenmodelle der neoklassischen Wachstumstheorie, bei denen der technische Fortschritt als exogen angenommen wird. Diese Modelle werden sowohl für den Fall geschlossener als auch — soweit dies sinnvoll ist — für den Fall oener Volkswirtschaften dargestellt und diskutiert. Die zweite Gruppe umfaßt die Modelle der postkeynesianischen Wachstumsökonomik, die sich als Gegenentwurf zur angebotsorientierten Neoklassik versteht. Grundlage für diese Modelle ist die Auassung, daß auch innerhalb langfristiger Wachstumsprozesse eines Landes oder einer Region nachfrageseitige Restriktionen eher greifen als angebotsseitige Beschränkungen. Dabei ist insbesondere als einzige langfristig autonome Nachfragekomponente die von außerhalb kommende Nachfrage, also die Exportnachfrage, relevant. Deshalb werden diese Ansätze auch als Theorie des exportbasierten Wachstums bezeichnet. Aufbauend auf den grundlegenden Beiträgen dieser Theorierichtungen können in dem Modell des exportbasierten Wachstums auch explizit unterschiedliche technologische Leistungsfähigkeiten und sektorale Spezialisierungen berücksichtigt werden, die auf durch eigene Anstrengungen generierten technologischen Vorteilen beruhen. In der dritten Gruppe sind jene Theorien versammelt, die unter dem Begri „Technologielücken-Ansätze” subsumiert werden können. Dabei ist zwischen solchen Ansätzen zu unterscheiden, die die Aufholchancen von weniger entwickelten Ländern in das Zentrum der Analyse rücken, und solchen, bei denen temporäre technologische Lücken und dadurch mögliche Monopolgewinne den Anlaß für einen Außenhandel bilden. Als Weiterentwicklung der letzteren Teilgruppe von Ansätzen wird auch die Produktzyklustheorie in die Betrachtung einbezogen. Im Rahmen der vierten Gruppe wird auf die für die hier untersuchte Fragestellung relevanten Ansätze der evolutorischen Ökonomik eingegangen: nämlich einerseits die evolutorischen Wachstumsmodelle und andererseits das Konzept der nationalen Innovationssysteme. Die letzte Gruppe von relevanten

1. Einführung

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theoretischen Ansätzen bilden die Modelle der „Neuen Wachstumstheorie”, bei denen der technische Fortschritt endogen generiert wird. Hier ist zwischen jenen Modellen zu dierenzieren, bei denen „Learning-by-Doing” die Triebkraft des endogenen Wachstums ist, und solchen, bei denen das endogene Wachstum auf industriellen Innovationen beruht, für deren Generierung kommerzielle Forschung und Entwicklung (FuE) als gewöhnliche Wirtschaftsaktivität betrieben wird, die den Einsatz von Ressourcen erfordert und auf Gewinnchancen reagiert (sog. FuEModelle). Eine Zusammenfassung der wesentlichen theoretischen Ergebnisse und von deren Implikationen für die nachfolgenden empirischen Analysen beschließen dieses Kapitel. Im Kapitel 3 erfolgt die empirische Analyse der Frage, ob es im Zeitablauf zu einer Angleichung (Konvergenz) oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten der 15 EU-Staaten kommt. Die Datenbasis für diese Untersuchung bilden die Patenterteilungen für die EU-Staaten am US-Patentamt (USPTO) im Zeitraum von 1963 bis 1998, wobei nicht nur die gesamten Erteilungen betrachtet werden, sondern auch zwischen den Patenten in FuE-intensiven Wirtschaftszweigen, bei denen nochmals zwischen Spitzentechnik und hochwertiger Technik unterschieden wird, sowie in den restlichen Wirtschaftszweigen dierenziert wird. Als Ausgangspunkt werden zunächst eine Definition des Konzepts der nationalen Innovationsfähigkeit und die Herleitung eines Meßkonzepts präsentiert. Daran schließt sich eine deskriptive Darstellung der langfristigen Trends der Innovationstätigkeiten in den EU-Ländern sowohl auf aggregierter Ebene als auch in den gerade genannten Teilbereichen an. Dann werden die verschiedenen Ansätze zur Konvergenzmessung (Querschnittstests auf - und -Konvergenz sowie Zeitreihen- und Panel-Einheitswurzeltests) insbesondere hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden Konvergenzbegrie und ihrer Aussagekraft diskutiert. Darauf aufbauend erfolgt die empirische Untersuchung zur Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten. Den Abschluß bilden die Schlußfolgerungen, die aus den empirischen Ergebnissen gezogen werden können. Im Kapitel 4 wird die Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen der EU-Länder empirisch analysiert. Unterschieden wird dabei — wie bereits angesprochen — einerseits zwischen einer Smithianischen und Ricardianischen Spezialisierung sowie andererseits zwischen technologischer Spezialisierung, Produktions-, Export- und Außenhandelsspezialisierung. Zunächst werden die verwendete Methodik und die Datengrundlage der empirischen Analyse diskutiert. Der herangezogene Methodenkatalog umfaßt dabei nicht nur die aus der Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmessung bekannten Maße, sondern es wird auch das Konzept der - und -Despezialisierung (oder -Spezialisierung) vorgestellt, das in Analogie zur aus der empirischen Wachstumsforschung bekannten und im vorherigen Kapitel dargestellten - und -Konvergenz (oder auch -Divergenz als Analogon zur Spezialisierung) vorgeschlagen wurde. Mittels dieses Konzepts kann bestimmt werden, ob und mit welcher Geschwindigkeit sich die Spezialisierungen der einzelnen Länder auf einen Durchschnitt zubewegen (Despezialisierung) oder sich von ihm entfernen. Anschließend werden die empirischen Ergebnisse für die Entwicklung der Smithianischen und Ricardianischen Spezialisierung dargestellt. Dabei werden den Ergebnissen der eigenen

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1. Einführung

Untersuchungen für die verschiedenen Bereiche (technologische Spezialisierung, Produktions-, Export- und Außenhandelsspezialisierung) jeweils die Ergebnisse anderer Untersuchungen, die ebenfalls die EU oder einzelne ihrer Mitgliedsländer betreen, vorangestellt. Den Abschluß des Kapitels bilden wiederum die Schlußfolgerungen, die aus den empirischen Ergebnissen gezogen werden können. Im Kapitel 5 wird der Einfluß von Innovationen, Wissensdiusion und Spezialisierung auf das Wirtschaftswachstum und die ökonomische Konvergenz der EULänder ökonometrisch untersucht. Dazu wird ein dreistufiges Vorgehen gewählt. In der ersten Stufe wird mittels Querschnittstests auf - und -Konvergenz sowie Zeitreihen- und Panel-Einheitswurzeltests überprüft, wie es überhaupt um die Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU bestellt ist. Anschließend wird in der zweiten Stufe ein empirisches Wachstumsmodell spezifiziert, das Innovationen, Technologiediusion und technologische Spezialisierung in einer erweiterten Funktion des technischen Fortschritts berücksichtigt, und in verschiedenen Versionen geschätzt. Die überlegenen Modelle, d. h. jene Modelle mit den angemessensten Indikatoren für die technologische Spezialisierung, werden dann verwendet, um die Eekte von Innovationen, Technologiediusion und technologischer Spezialisierung sowie der üblichen Produktionsfaktoren auf das langfristige Wachstum der EU-Staaten abzuschätzen. Weiterhin erlaubt es eine einfache Transformation des empirischen Wachstumsmodells, die partiellen Beiträge dieser Faktoren zur - und -Konvergenz der Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU zu berechnen. In der dritten Stufe wird untersucht, ob die technologische Spezialisierungen eine Triebkraft der wirtschaftlichen Spezialisierungen der EU-Länder sind. Dazu wird in einem ersten Schritt ein neoklassisch inspiriertes empirisches Modell hergeleitet und geschätzt, auf dessen Grundlage für die EU-Länder die Wertschöpfungsanteile des Verarbeitenden Gewerbes — unterschieden nach dem Bereich der FuE-intensiven Technik sowie dem Bereich der restlichen Technik — am Bruttoinlandsprodukt durch die technologischen Dierenzen und die relativen Faktorausstattungsunterschiede erklärt werden können. Im zweiten Schritt werden in einem mehr deskriptiven Ansatz die Auswirkungen der Produktions- auf die Exportspezialisierung betrachtet. Das Kapitel endet mit einer kurzen Zusammenfassung. Schließlich werden im Rahmen der Schlußbetrachtung im Kapitel 6 die wesentlichen Aussagen der Studie zusammengefaßt.

2 Innovationsdynamik, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum: Theoretische Erklärungsansätze

Grundlegende Einsichten über die Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik, der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierung sowie dem Wachstum von Volkswirtschaften sollte man von den verschiedenen Modellen der Wachstumstheorie erwarten können. Seit den fünfziger bis in die Mitte der achtziger Jahre war jedoch das neoklassische Einsektormodell in der Wachstumstheorie vorherrschend. In diesem Modell ist der technische Fortschritt zwar langfristig der einzige Faktor, der ein Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens gewährleisten kann; er wird aber nicht im Modell erklärt, sondern als exogen angenommen — er fällt quasi wie Manna vom Himmel. Dementsprechend wurde auch — zunächst weniger von Makroökonomen, sondern meist von Wirtschaftshistorikern und Vertretern der Industrie- und Innovationsökonomik — die Meinung vertreten, daß ein solcher Ansatz wenig zur Erklärung von Wachstums- und Entwicklungsprozessen beitrage, sondern daß dafür ein detailliertes Verständnis darüber erforderlich wäre, wie technologische Innovationen generiert würden und diundierten.1 Eine optimistischere Position bezüglich des Nutzens des neoklassischen Wachstumsmodells wird hingegen in Aghion/Howitt (1998), S. 11, vertreten. Da es zeige, daß ohne technischen Fortschritt aufgrund der abnehmenden Grenzerträge des Faktors Kapital das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens zum Stillstand komme, verdeutliche es gerade, daß zur Erhaltung dieses Wachstums eine kontinuierliche Zunahme des technologischen Wissens in der Gestalt von neuen Produkten, Prozessen und Märkten notwendig sei. Jenseits dieser Diskussion sprechen zwei weitere Gründe dafür, diese Darstellung der theoretischen Erklärungsansätze mit dem einfachen neoklassischen Wachstumsmodell zu beginnen. Erstens trit es doch — zumindest um seinen Konvergenzoptimismus hinsichtlich der Pro-KopfEinkommen rechtfertigen zu können — Annahmen bezüglich der weltweiten Verbreitung und Verfügbarkeit von Technologien und Wissen. Zweitens bilden Teile seiner grundsätzlichen Struktur und seiner Annahmen auch den Ausgangspunkt der neuen Wachstumstheorie.2 1 Vgl. Dosi/Freeman/Fabiani (1994). Dort wird auch ohne Quellenangabe Richard Nelson mit der Aussage zitiert, daß ein solcher neoklassischer Ansatz dem Versuch gleiche, einen Detektivroman ohne Detektiv, Mord und Mörder zu schreiben. 2 Außerdem kann man sich — wie es in Mankiw (1995), S. 295-296, formuliert wird — auf den konservativen Standpunkt stellen, daß man mit dem Standardmodell beginnen solle und dann, wenn Probleme auftreten, Modifikationen in Richtung auf einen höheren Erklärungsgehalt vornehmen könne.

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2. Theoretische Erklärungsansätze

Klar ist, daß das einfache neoklassische Wachstumsmodell als Einsektormodell keine Aussagen über die Zusammenhänge zwischen der Spezialisierung und dem Wachstum einer Volkswirtschaft erlaubt. Deshalb kann im nächsten Schritt geprüft werden, welche Einsichten hier eine Erweiterung des Modells auf zwei Sektoren liefert (s. Anhang zu diesem Kapitel). Sowohl für das neoklassische Einsektor- als auch das Zweisektorenmodell ergeben sich eine Reihe von interessanten Implikationen, wenn diese ursprünglich für geschlossene Volkswirtschaften konzipierten Modelle auf den Fall oener Volkswirtschaften ausgedehnt werden. Dann kann nämlich gezeigt werden, ob und in welchem Umfang bestimmte Integrationsschritte konvergenzfördernd sind. Trotz seiner tragenden Rolle bei der theoretischen und empirischen Wachstumsforschung des neoklassischen Hauptstrangs wurde insbesondere das Einsektormodell von Solow bereits recht frühzeitig von Vertretern anderer Denkschulen kritisiert: zum einen vor allem wegen seiner Angebotsorientierung und seines Konvergenzoptimismus, zum anderen wegen seiner als unrealistisch und zu eng angesehenen Annahmen bezüglich des Wirkens real existierender wirtschaftlicher Prozesse und Systeme. Besonders fundamental bezüglich des ersten Punktes war die Kritik der Vertreter der postkeynesianischen Wachstumsökonomik und darunter die von Nicholas Kaldor vorgebrachten Einwände und Gegenentwürfe, die in der Folge von anderen Autoren formalisiert und weiterentwickelt wurden. Diese Ansätze ermöglichen auch eine Erklärung des Zusammenspiels von technologischer sowie wirtschaftlicher Spezialisierung und dem Wirtschaftswachstum von Volkswirtschaften. Dagegen lieferte u. a. die zweite Kritik den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer eigenständigen evolutorischen Ökonomik. In Nelson/Winter (1982) wird für die theoretische ökonomische Analyse zwischen formalen und beschreibend-würdigenden Theorien unterschieden.3 Während die neoklassische und postkeynesianische Wachstumstheorie klar zu den formalen Theorien zu zählen sind, fehlt den Ansätzen zur technologischen Lücke und der auf den Ideen Schumpeters aufbauenden evolutorischen Ökonomik, obwohl inzwischen für beide Richtungen auch eine Reihe formaler Ansätze existiert, ein konsistenter Satz von Modellierungsmethoden. Sie sind mithin zumindest in ihren Anfängen der beschreibend-würdigenden, mehr verbal orientierten Theorie zuzurechnen. Gleichwohl liefern sie über die Zusammenhänge zwischen Innovationen, Spezialisierung und Wachstum eine Reihe von interessanten Einsichten. 3

In Nelson (1992), S. 4-5, wird diese Unterscheidung wie folgt erläutert: Appreciative theorizing tends to be close to empirical work and provides both guidance and interpretation. Mostly it is expressed verbally and is the analyst’s articulation of what he or she thinks really is going on. Appreciative theory generally will refer to observed empirical relationships, but go beyond them, and lay a causal interpretation on them. While appreciative theorizing tends to stay relatively close to the empirical substance, formal theorizing almost always proceeds at some intellectual distance from what is known empirically, and where it does appeal to data for support it generally appeals to “stylized facts”. If the hallmark of appreciative theory is story-telling that is close to the empirical nitty-gritty, the hallmark of formal theorizing is an abstract structure set up to enable one to explore, find and check, logical connections.

2. Theoretische Erklärungsansätze

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Innerhalb der Ansätze zur Technologielücke existieren zwei für die Fragestellung dieser Arbeit relevante Theoriestränge. Als Initiator des ersten, stark wirtschaftshistorisch orientierten Strangs, der die Aufholchancen von weniger entwickelten Ländern in den Mittelpunkt des Interesses stellt, wird heute gemeinhin Gerschenkron (1962) angesehen. Hingegen basiert der zweite, auf Posner (1961) und Burenstam-Linder (1961) zurückgehende Theoriestrang auf der Grundidee, daß die Realisierung von zeitweiligen Monopolgewinnen, die auf einer technologischen Führerschaft beruhen, einen Anlaß für Außenhandel liefert. Die außenhandelsorientierte Idee der technologischen Lücke wurde in Vernon (1966) und Hirsch (1967) zunächst ebenfalls mehr beschreibend zu einer Produktlebenszyklustheorie weiterentwickelt. Seit dem Ende der siebziger Jahre wurden diese Ansätze zunehmend auch analytisch formalisiert. Ausgangspunkt der Herausbildung einer eigenständigen evolutorischen Ökonomik war — wie bereits angesprochen — die Kritik an der starken Orientierung der Neoklassik auf wirtschaftliche Gleichgewichte, die sich aufgrund der Optimierungskalküle streng rational handelnder Akteure bei Knappheit einstellten. Stattdessen wird in dieser Theorierichtung eine stärkere Berücksichtigung von Prinzipien der biologischen Evolutionstheorie vorgeschlagen. Auf den beschreibendwürdigenden, stark mikroökonomisch orientierten Ansätzen aufbauend, wurden auch einige evolutorische Wachstumsmodelle entwickelt, die im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit von Bedeutung sind. Diese Modelle, die fast alle — mehr oder minder stark — auf Nelson/Winter (1982) aufbauen, abstrahieren allerdings von länderspezifischen systematischen Einflüssen, wie institutionellen und organisatorischen Spezifika, aber auch historischen Singularitäten, die in der mehr beschreibend-würdigenden evolutorischen Ökonomik einen zentralen Stellenwert bei der Erklärung von ökonomischen Entwicklungen einnehmen (vgl. Dosi/Fabiani/Aversi u. a., 1994, S. 226). Deshalb wird zudem das Konzept der nationalen Innovationssysteme vorgestellt, das stark mit der evolutorischen Ökonomik verwoben ist und in einem systemischen Ansatz diese Faktoren berücksichtigt, und es wird betrachtet, welchen Beitrag dieser Ansatz zur Erklärung der Spezialisierung und des langfristigen Wirtschaftswachstums leisten kann. Wesentliche Annahmen — die Exogenität des technischen Fortschritts sowie abnehmende Grenzerträge bei allen Produktionsfaktoren — und Schlußfolgerungen — vor allem der Konvergenzoptimismus — des neoklassischen Theoriegebäudes wurden seit der Mitte der achtziger Jahre auch innerhalb des Hauptstrangs der Ökonomik von den Vertretern der sog. neuen oder endogenen Wachstumstheorie in Frage gestellt. Unter den Ansätzen dieser neuen Theorierichtung interessieren in dem hier betrachteten Zusammenhang insbesondere jene, die eine explizite Modellierung — und damit Endogenisierung — des technischen Fortschritts vornehmen. Die erste Generation dieser Modelle unterstellte dabei einen durch die Faktoren Wissen oder Humankapital bedingten „Learning-by-Doing”-Mechanismus, der zu positiven Spillovers und damit unter bestimmten Konditionen zu nicht abnehmenden Grenzerträgen eines Faktors führt. Die beiden zentralen Ansätze hierzu finden sich in Romer (1986) und Lucas (1988). Während es sich bei dem Modell in Romer (1986) noch um ein Einsektormodell handelt, wird in Lucas (1988) auch auf den Mehrsektorenfall eingegangen, so daß hier nun Rückschlüsse

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2. Theoretische Erklärungsansätze Wissen als Input und Output in Produktionsprozessen: Arrow, Kennedy, Shell u. a.

Klassische Nationalökonomie: Smith, Ricardo, Marx u. a.

Theorie der „kreativen“ Zerstörung: Schumpeter Frühe formale Ansätze der Wachstumstheorie: Harrod, Domar

Industrieökonomik Marktformen und Innovationen: Scherer, Kamien/Schwartz

Neoklassische Wachstumstheorie: Solow, Oniki, Uzawa u. a. Postkeynesianische Wachstumstheorie: Kaldor, Thirlwall u. a. Theorien der Technologielücke und des Produktzykluses: Gerschenkron, Posner, Vernon u. a. Evolutorische Wachstumstheorie: Nelson, Winter u. a. Neue (neoklassische) Wachstumstheorie: Romer, Lucas u. a.

vormodern

1960

1970

1980

1990

2000

Abbildung 2.1: Entwicklung der Wachstumstheorie auf die Spezialisierung einer Volkswirtschaft und deren Auswirkungen gezogen werden können. In der zweiten Generation der Modelle der neuen Wachstumstheorie wird dann auch der Forschungs- und Entwicklungsprozeß explizit modelliert. Gleichzeitig handelt es sich dabei stets um Mehrsektorenmodelle. Zudem lassen sich diese Modelle, ursprünglich meist für geschlossene Volkswirtschaften entwickelt, relativ einfach auf den Fall oener Volkswirtschaften übertragen. Die Verbindungen zwischen den grundlegenden wachstumstheoretischen Ansätzen zur Analyse der Zusammenhänge zwischen Innovationen, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum sind zusammenfassend noch einmal in Abbildung 2.1 dargestellt.4 Außerdem sind in der Abbildung auch die Theorierichtungen (in gestrichelten Kästen) wiedergegeben, die Einfluß auf diese Wachstumstheorien hatten. Die folgende Darstellung und Diskussion der theoretischen Ansätze folgt im wesentlichen dieser Einordnung.

2.1

Charakter des technischen Fortschritts im neoklassischen Wachstumsmodell

Das Wachstumsmodell von Solow (1956) wurde als Gegenentwurf zu den keynesianisch geprägten Wachstumsmodellen (Harrod, 1939; Domar, 1946) konzipiert 4 Abbildung 2.1 stellt eine für die Fragestellung dieser Arbeit vorgenommene Weiterentwicklung und Synthese von Verspagen (1993), S. 15, und Bretschger, 1998, S. 8, dar.

2.1 Charakter des technischen Fortschritts im neoklassischen Wachstumsmodell

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und spielte bis in die Mitte der achtziger Jahre die zentrale Rolle in der theoretischen und empirischen Wachstumsforschung des neoklassischen Hauptstrangs der Ökonomik. Es basiert auf den üblichen neoklassischen Annahmen wie vollständigem Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten sowie konstanten Skalenerträgen in der aggregierten Produktionsfunktion. Letztere ist auch das Kernstück des Modells und kann als \ (w) = I (N(w)> D (w) · O(w)) >

(2.1)

geschrieben werden, so daß der Output \ eine Funktion der Inputfaktoren Kapital N und Arbeit O ist. Zudem ist D ein Produktivitäts- oder E!zienzparameter, der den aktuellen Stand des technischen Wissens widerspiegelt. Dieser Parameter beeinflußt entsprechend der getroenen Annahme eines Harrod-neutralen technischen Fortschritts nur den Faktor Arbeit, und er wächst mit einer konstanten Rate j; m. a. W. repräsentiert j den exogenen technischen Fortschritt. Analog zum neoklassischen Grundmodell (s. Anhang), bei dem der Pro-Kopf-Output | (| = \@O) und der Kapitalstock pro Kopf n (n = N@O) betrachtet werden, kann nun die Produktionsfunktion in Größen je E!zienzeinheit des Faktors Arbeit transformiert werden, also |D (w) = i (nD (w)) >

(2.2)

mit |D (w) = \ (w)@ (D(w) · O(w)) und nD (w) = N(w)@ (D(w) · O(w)). Ebenfalls in vollkommener Analogie zum Standardmodell kann unter Annahme einer Ersparnis V = v\ sowie einer konstanten Bevölkerungswachstumsrate q und Abschreibungsrate  die Veränderung des Kapitalstocks pro E!zienzeinheit des Faktors Arbeit als n˙ D = vi (nD (w))  (j + q + ) nD (w)

(2.3)

geschrieben werden.5 Mithin ist wiederum dann ein Gleichgewicht erreicht, wenn vi (nD (w)) = (j + q + ) nD (w)

(2.4)

gilt. In diesem Zustand stagniert der Output je E!zienzeinheit des Faktors Arbeit, der Pro-Kopf-Output wächst mit der Rate des technischen Fortschritts j und der gesamte Output der Volkswirtschaft weist die Wachstumsrate j + q auf. Bedingt durch die Konzentration auf die Bedeutung der Kapitalakkumulation nährt das neoklassische Wachstumsmodell einen ausgeprägten Konvergenzoptimismus. Werden z. B. mehrere strukturell gleiche geschlossene Volkswirtschaften betrachtet, d. h. Volkswirtschaften, die gleiche Werte für die Parameter j, q,  und v sowie die gleiche Produktionsfunktion aufweisen, die aber im Ausgangszustand aufgrund historischer Gegebenheiten über unterschiedliche Kapitalbestände je Effizienzeinheit des Faktors Arbeit nD (0) verfügen, so werden die Kapitalbestände und auch der Output je E!zienzeinheit des Faktors Arbeit der Volkswirtschaften 5

Allgemein wird im folgenden die Ableitung einer Variablen { nach der Zeit als {˙ geschrieben.

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2. Theoretische Erklärungsansätze

mit den niedrigeren nD (0)-Werten schneller wachsen als bei den Volkswirtschaften mit höheren nD (0)-Werten.6 Langfristig konvergieren damit die Kapitalbestände je E!zienzeinheit des Faktors Arbeit gegen nDW . Gleichzeitig wächst dann im Gleichgewichtszustand der Pro-Kopf-Output und auch der gesamte Output aller strukturell gleichen Volkswirtschaften mit der gleichen Wachstumsrate. Es kommt also bei einer solchen Konstellation zu einer absoluten Konvergenz des Niveaus des Outputs je E!zienzeinheit des Faktors Arbeit und auch zur absoluten Konvergenz der Wachstumsraten des Pro-Kopf- und Gesamtoutputs der Volkswirtschaften. Würde zusätzlich angenommen, daß die Volkswirtschaften im Ausgangszustand über den gleichen Bestand an technischem Wissen D(0) verfügen, dann käme es auch zu einer absoluten Konvergenz der Pro-Kopf-Outputs. Wenn Volkswirtschaften aber unterschiedliche Werte für die Parameter j, q,  und v aufweisen, erreichen sie auch unterschiedliche Gleichgewichtszustände. So führt z. B. — wie bereits gezeigt wurde — eine höhere Sparquote ceteris paribus zu einem höheren nDW oder umgekehrt ein höheres Bevölkerungswachstum zu einem W niedrigerem nD . Mithin kommt es dann nur zu einer bedingten Konvergenz, d. h. nur wenn der Einfluß der Parameter j, q,  und v kontrolliert wird, gilt weiterhin der inverse Zusammenhang zwischen der Konvergenzgeschwindigkeit und der Entfernung zum Gleichgewichtszustand. Das Solow-Modell ohne Restriktionen bezüglich der Werte für die Parameter j, q,  und v prognostiziert also nur, daß die Länder auf diesem inversen Zusammenhang basierend zu ihrem eigenen Gleichgewichtszustand konvergieren.7 Es stellt sich die Frage nach den Implikationen des Charakters des technischen Fortschritts, der im Solow-Modell unterstellt wird (zum Modell einer oenen Volkswirtschaft mit zwei Sektoren s. Anhang). Durch die Unterstellung eines neutralen Fortschritts, der als multiplikativer Faktor in die aggregierte Produktionsfunktion eingeht, ist der Stand des technischen Wissens auf nationaler Ebene ein freies Gut, das jedem Produzenten ohne Kosten zur Verfügung steht. In der Realität besteht das akkumulierte technische Wissen jedoch nicht nur aus wissenschaftlichen oder anderweitig kodifizierten und leicht zugänglichen Entdeckungen, sondern auch aus durch Eigentumsrechte oder Geheimhaltung geschütztem Wissen sowie erworbenen praktischen Fähigkeiten (tacit knowledge). Wissen hat damit sowohl einen „öentlichen” als auch einen „privaten” Charakter. Noch problematischer wird die Unterstellung, daß technisches Wissen ein freies Gut sei, wenn nicht mehr geschlossene, sondern oene Volkswirtschaften betrachtet werden. Dennoch hat die auf dem Solow-Modell aufbauende Forschung diese weltweite Verfügbarkeit von neuem technischen Wissen häufig als gegeben angenommen. 6 Vgl. hierzu Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 26. Dort wird auch darauf hingewiesen, daß diese Schlußfolgerung eindeutig ist, wenn eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion zugrunde  oder nD nur gelegt wird und im hier vorliegenden Fall mit technischem Fortschritt nD  nD  ist. geringfügig größer als nD 7 Vgl. auch Mankiw/Romer/Weil (1992), S. 422. Bernard/Jones (1996a) zeigen im Rahmen eines neoklassischen Wachstumsmodells, bei dem der technische Forschritt als Aufholprozeß modelliert wird, daß es nur dann zu einer Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten kommt, wenn es auch eine konvergierende Entwicklung der nationalen Innovationsfähigkeiten gibt.

2.1 Charakter des technischen Fortschritts im neoklassischen Wachstumsmodell

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Dies gilt von der Mitte der sechziger Jahre, als in Denison (1967), S. 282, ausgeführt wurde: „Because knowledge is an international commodity, I should expect the contribution of advances of knowledge ... to be about the same size in all the countries ...”8 , bis in die Mitte der neunziger Jahre, wenn in Mankiw (1995), S. 300-301, festgestellt wird: Knowledge, as opposed to capital, travels around the world fairly quickly. State-of-the-art textbooks are available in the poorest countries. Even when a firm has some monopoly power over an innovation, this lasts only a short time, after which the innovation becomes a worldwide public good. For understanding international experience, the best assumption may be that all countries have access to the same pool of knowledge, but dier by the degree to which they take advantage of this knowledge by investing in physical and human capital.

Wenn diese durch die beiden Zitate widergespiegelte Ansicht zutreen würde, dann müßten langfristig die Pro-Kopf-Einkommen aller Länder der Welt in ihrem Gleichgewichtszustand mit der gleichen Wachstumsrate j wachsen.9 In Mankiw (1995) wird sicher zurecht anerkannt, daß zur Nutzung des weltweit verfügbaren Wissens Investitionen in Human- und auch Sachkapital notwendig sind. Es wird aber gleichzeitig nur ein Teil des Wissens, nämlich jenes, das den Charakter eines öentlichen Gutes hat, gewürdigt — andere Arten des Wissens, wie z. B. tacit knowledge, die einen hochgradig lokalen Charakter haben und deren geographische Diusion bedingt durch Mobilitätsbarrieren für Humankapital und qualifizierte Arbeit begrenzt ist, werden hingegen ausgeblendet. Um die verschiedenen Arten von technischem Wissen voneinander abgrenzen zu können und ihren jeweiligen Charakteren gerecht zu werden, ist es hilfreich, die in Romer (1990), S. S73-S75 eingeführte Klassifikation heranzuziehen, die sich an der aus der Finanzwissenschaft schon lange bekannten Unterscheidung von ökonomischen Gütern nach zwei grundlegenden Attributen orientiert: dem Grad der Rivalität und dem Grad der Ausschließbarkeit. Sie ist zusammenfassend in Tabelle 2.1 veranschaulicht. Dabei hat der horizontal abgetragene Grad der Rivalität eine eindeutige physikalische Dimension10 . Bei in Humankapital gebundenem Wissen besteht Rivalität, weil ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft jeweils nur einem Unternehmen anbieten kann. Dagegen kann nichtgebundenes Wissen vielfach genutzt werden, ohne daß es zu einer Rivalität bei der Nutzung kommt. Der vertikale abgetragene Grad der Ausschließbarkeit hat sowohl eine physikalische als auch eine juristische Dimension. Es kommt aufgrund physikalischer Gründe zu einer teilweisen Nichtausschließbarkeit, wenn qualifizierte Arbeitnehmer das Unternehmen wechseln. Allerdings sind dabei dem Transfer von Wissen auch juristische Grenzen gesetzt. Die Ausschließbarkeit bei nichtgebundenem Wissen 8

Zitiert nach Fagerberg (1994), S. 1149. Diese Ansicht spiegelt sich auch in einer Reihe von auf dem neoklassischen Wachstumsmodell beruhenden empirischen Querschnittsuntersuchungen zur bedingten Konvergenz wider, in denen für j +  ein über alle Länder konstanter Wert von z. B. 0,05 angenommen wird. Vgl. als Ausgangspunkt für dieses Vorgehen Mankiw/Romer/Weil (1992), S. 413. 10 Vgl. zu den folgenden Erläuterungen auch Grupp (1998), S. 335-336. 9

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2. Theoretische Erklärungsansätze

Tabelle 2.1: Klassifikation des technischen Wissens Gebundenes Wissen Ungebundenes Wissen Ausschließbarkeit (Rivalität) (Keine Rivalität) Komplett Immobiles Humankapital Praktisch erworbenes und vertrauliches Wissen Teilweise Mobiles Humankapital Patentiertes Wissen, technische Designs Unmöglich Veröentlichtes Wissen, abgelaufene Patente Quelle: Grupp (1998), S. 336

erfolgt ebenfalls hochgradig über juristische Regeln. So wird geheimgehaltenes Wissen vielleicht auch im Panzerschrank aufbewahrt, vorrangig schützt aber das Verbot der Industriespionage. Genauso schützen geistige Eigentumsrechte, wie z. B. Patente, technisches Wissen. Gleichwohl leisten diese oft keine vollständige Ausschließbarkeit, weil z. B. ein Patent erworbenes technisches Wissen zwar vor der reinen Imitation schützt, dieses Wissen aber in der Patentschrift oengelegt werden muß. Dadurch können Konkurrenten zu Veränderungen des Wissens angeregt werden, die dem ursprünglichen Erfinder nicht eingefallen sind.11 Werden diese verschiedenen Arten von technischem Wissen berücksichtigt, so ist seine Gesamtheit sicherlich nicht frei auf der Welt verfügbar. Dann hat aber die Oenheit von Volkswirtschaften — und damit ihr Integrationsgrad — auch über die Möglichkeit des Technologietransfers durch den Außenhandel Einfluß auf ihre Konvergenzgeschwindigkeit. Unabhängig von den genauen Mechanismen, über die ein solcher Transfer erfolgt, ändern sich dadurch die Faktorpreise und damit auch das Pro-Kopf-Einkommen (vgl. Gleichung A50 im Anhang). Findet der Technologiefluß erwartungsgemäß von höher entwickelten zu weniger entwickelten Ländern statt, so führt der Außenhandel auch über diesen Kanal zu einer Angleichung der Faktorpreise. Denn die Faktorpreise der bisher weniger entwickelten Länder werden sich in Richtung der Faktorpreise der höher entwickelten Länder bewegen, weil die nun verbesserte Technologie bei gegebenen Faktorausstattungen in den weniger entwickelten Ländern eine Erhöhung der physischen Grenzproduktivitäten der Faktoren bedingt und damit auch — bei fixen Güterpreisen auf dem Weltmarkt — höhere Faktorpreise. Genauso wie bei dem zuvor angesprochenen durch den Außenhandel verursachten langfristigen Faktorpreisausgleich und seinem Einfluß auf das Pro-Kopf-Einkommen, können auch hier exogene Einflüsse, die die Faktorausstattungen unähnlicher werden lassen, den durch den Technologietransfer via Außenhandel erzeugten Konvergenzprozeß vermindern oder sogar umkehren.12 11

Vgl. Grupp (1998), S. 326-327. In Nelson (1990) wird deshalb patentiertes Wissen auch als „latent öentliches Gut” bezeichnet. Auf diese und andere Externalitäten im Innovationsprozeß, die auf den unterschiedlichen Typen von technischem Wissen beruhen, wird ausführlich in dem Abschnitt zur neuen Wachstumstheorie eingegangen. 12 Vgl. zu diesen Schlußfolgerungen Slaughter (1997), S. 196.

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

2.2

17

Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

Auch wenn das Einsektormodell von Solow in der Folgezeit bis in die Mitte der achtziger Jahre die tragenden Säule der theoretischen und empirischen Wachstumsforschung des neoklassischen Hauptstrangs der Wirtschaftswissenschaften darstellte, wurden von Vertretern anderer ökonomischer Denkschulen bereits frühzeitig seine reine Angebotsorientierung und sein Konvergenzoptimismus kritisiert. Besonders fundamental und bis heute noch in die ökonomische Fachdiskussion hineinreichend war die Kritik der Vertreter der postkeynesianischen Wachstumsökonomik und darunter insbesondere die von Nicholas Kaldor vorgebrachten Einwände und Gegenentwürfe. Die von ihm angestoßenen Gegenentwürfe, die in der Folge von anderen Autoren formalisiert und weiterentwickelt wurden, ermöglichen auch eine Erklärung des Zusammenspiels von technologischer sowie wirtschaftlicher Spezialisierung und dem Wirtschaftswachstum von Volkswirtschaften. Zum einen argumentiert Kaldor, daß auch innerhalb des langfristigen Wachstumsprozesses einer Region oder eines Landes nachfrageseitige Restriktionen eher greifen als angebotsseitige Beschränkungen. Dabei ist es im Sinne des „Supermultiplikators” von Hicks (1950) das Wachstum der autonomen Nachfrage, welches das Wachstum des Outputs bestimmt. Die einzige langfristig autonome Nachfragekomponente für eine Region oder ein Land ist die von außerhalb kommende Nachfrage, also die Exportnachfrage (Kaldor, 1970, S. 318; Kaldor, 1971, S. 503504).13 Genau genommen ist die Exportnachfrage durch einen exogenen Faktor — der Weltnachfrage nach den Produkten der Region oder des Landes, approximiert durch das Einkommen des Restes der Welt — und einen endogenen oder quasi-endogenen Faktor bestimmt, den Lohnstückkosten der Region oder des Landes in Relation zu den Lohnstückkosten der konkurrierenden Anbieter, die bei einer Aufschlagspreissetzung auch unmittelbar die relativen Preise und die Wettbewerbsfähigkeit einer Region oder eines Landes bestimmen.14 Dagegen hängen die anderen Nachfragekomponenten in sehr starkem Maße vom Einkommenswachstum selbst ab. Ferner werden die Exporte benötigt, um Importe zu ermöglichen. So weist Thirlwall (2000), S. 42 darauf hin, daß es zwar kurzfristig möglich sei, ein auf gesteigerten Konsum-, Investitions- oder Staatsausgaben basierendes Wachstum zu initiieren, da aber alle diese Nachfragekomponenten im gewissen Umfang Importe enthalten, ist das Wachstum durch die Exporterlöse restringiert, zumindest wenn das Zahlungsbilanzgleichgewicht langfristig auch ein Handelsbilanzgleichgewicht erfordert. Im Sinne des bereits angesprochenen „Supermultiplikators” haben Exporte mithin nicht nur einen direkten, sondern auch einen indirekten Eekt, indem sie einen stärkeren Anstieg aller anderen Nachfragekomponenten erlauben. Verbunden damit ist auch ein angebotsseitiges 13 Beide Aufsätze sind in Targetti/Thirlwall (1989) wiederabgedruckt, so daß sich die angegebenen Seitenzahlen auf diesen Wiederabdruck beziehen. 14 In Kaldor (1970), S. 317 wird die Aufschlagspreissetzung damit gerechtfertigt, daß bei industriell gefertigten Produkten — anders als bei landwirtschaftlichen Produkten, wo die Einkommen sich aufgrund der erzielbaren Preise ergeben — die Preise von den vertraglich vereinbarten Einkommen (also dem Lohnniveau) abhängen.

18

2. Theoretische Erklärungsansätze

Argument für das nachfrageorientierte exportbasierte Wachstum: durch Exporte ermöglichte Importe, im wesentlichen von Kapitalgütern, können die Produktivität steigern, wenn diese für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Güter nicht im Inland hergestellt werden können. Zum anderen betont Kaldor die Bedeutung einer bestimmten Variante des in Myrdal (1957) mehr allgemein eingeführten Konzepts der zirkulären oder kumulativen Verursachung.15 Generell besagt dieses Prinzip, daß sich zwei Faktoren gegenseitig verursachen und daß durch diese zirkuläre Verursachung ein nach oben oder unten gerichteter kumulativer Prozeß in Gang gesetzt wird.16 In Kaldor (1966) und (1970) wird Verdoorns Gesetz als Grund für eine kumulative Verursachung angesehen, bei der ein anfänglicher Unterschied zwischen den Wachstumsraten von Volkswirtschaften zu dauerhaften Unterschieden in den Wachstumsraten führen kann. Nach dem Gesetz von Verdoorn besteht — zumindest für das Verarbeitende Gewerbe — ein starker positiver Zusammenhang zwischen dem Wachstum des Outputs und der Produktivität, wobei die Kausalität vom Wachstum des Outputs zum Produktivitätswachstum geht. Dieser kausale Wirkungszusammenhang kann durch die mit dem Output-Wachstum einhergehenden statischen und dynamischen Skalenerträge erklärt werden.17 Statische Skalenerträge rühren daher, daß größere Produktionsmengen Möglichkeiten für eine weitere Arbeitsteilung erönen, während dynamische Skalenerträge mit den Wirkungen des Learning-by-Doing und inkrementaler Innovationen verbunden sind, die aufgrund der zunehmenden Erfahrung bei der Anwendung eines Produktionsprozesses entstehen (Kaldor, 1970, S. 316; Verspagen, 1993, S. 26). Da umgekehrt die erhöhte Produktivität sich auch wieder positiv auf das Output-Wachstum auswirkt, wird damit eine kumulative Verursachung in Bewegung gesetzt. Da Kaldor sein auf diesen beiden Elementen aufbauendes Wachstumsmodell nicht formal ausgearbeitet hat, haben Dixon/Thirlwall (1975) den Versuch un15

Vgl. zur allgemeinen Begründung des Prinzips der zirkulären bzw. kumulativen Kausalität Myrdal (1974), S. 25-34. Myrdal (1974) ist die deutsche Übersetzung des 1957 erschienenen Orginalbuches „Economic Theory and Under-developed Regions”. 16 Ein solcher nach unten gerichteter zirkulärer Prozeß wird auch als circulus vitiosus bezeichnet. In der englischsprachigen Literatur hat es sich eingebürgert, einen nach unten gerichteten zirklären Prozeß als vicious circle und einen oben gerichteter Prozeß als virtuous circle zu bezeichnen. 17 Die Grundidee des Gesetzes von Verdoorn und das dafür erforderliche Vorliegen von steigenden Skalenerträgen läßt sich auch einfach anhand einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion ohne technischen Fortschritt zeigen. Diese lautet in stetigen Wachstumsraten hingeschrieben: N˙ O˙ \˙ = + = \ N O Durch Umformung erhält man dann den Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Arbeits˙ produktivität |@| ˙ = \˙ @\  O@O und dem Output-Wachstum \˙ @\ sowie dem Wachstum der ˙ = N@N ˙ ˙ Kapitalintensität n@n  O@O als  +   1 \˙  n˙ |˙ = + = | + \ n Hier hat das Output-Wachstum einen positiven Einfluß auf das Arbeitsproduktivitätswachstum, wenn die Skalenerträge  +  A 1 sind.

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

19

ternommen, den Gang seiner Argumentation zu formalisieren. Dabei wird in diesem Beitrag noch keine Unterscheidung getroen, ob es sich bei den betrachteten geographischen Einheiten um Regionen oder Länder handelt, d. h. es wird davon ausgegangen, daß die handeltreibenden Partner Mitglieder eines gemeinsamen Währungsraums sind und keine Zahlungsbilanzrestriktion zu berücksichtigen ist.18 In den nachfolgenden Beiträgen — als Ausgangspunkt ist hier Thirlwall (1979) zu nennen — werden dann verschiedene Formen einer Zahlungsbilanzrestriktion einbezogen. Aufbauend auf diesen Beiträgen führen Fagerberg (1988), Meliciani (1998, 2001 und 2002) und Fiorillo (2001) in das Modell exportbasierten Wachstums explizit unterschiedliche technologische Leistungsfähigkeiten und sektorale Spezialisierungen von Ländern ein, die — implizit oder explizit — auf durch eigene Anstrengungen generierten technologischen Vorteilen beruhen. 2.2.1

Das Grundmodell

Das erste fundamentale Argument von Kaldor, daß das Wachstum der Exportnachfrage als einzige autonome Nachfragekomponente in einer oenen Volkswirtschaft auch das Wachstum des gesamten Outputs bestimmt, wird in Dixon/ Thirlwall (1975) durch einen einfachen linearen Zusammenhang formalisiert: ˆw> \ˆw =  [

(2.5)

ˆ w die diskrete wobei \ˆw die diskrete Wachstumsrate des gesamten Outputs \ und [ Wachstumsrate der Exporte [ zum Zeitpunkt w ist.19 Ferner ist  eine konstante Elastizität des Output-Wachstums in bezug auf das Exportwachstum. Bei der Modellierung der Exportnachfrage [ folgen die Autoren ebenfalls unmittelbar den Vorgaben Kaldors und nehmen an, daß 

[w = f[ Sw [ Siw[ \iw

(2.6)

ist, wobei Sw den inländischen Preis, Si w den ausländischen Preis und \i w das Einkommen des Restes der Welt, jeweils zum Zeitpunkt w, repräsentiert. Zudem ist [ die Preiselastizität,  [ die Kreuzpreiselastizität und  die Einkommenselastizität der Exportnachfrage. Ferner ist f[ eine Niveaukonstante. Unter Vernachlässigung der Wechseleekte ergibt sich dann die diskrete Wachstumsrate der Exporte näherungsweise als ˆ w =  [ Sˆw +  [ Sˆi w + \ˆi w = [

(2.7)

18 Betrachtet man nur den Handel zwischen den EWWU-Mitgliedsländern, der für jedes der Mitglieder einen beträchtlichen Anteil an seinem gesamten Außenhandel ausmacht, dann gewinnt dieses Modell seit der Einführung der Währungsunion auch für die Analyse der Wachstumsprozesse von Ländern wieder an Bedeutung. Auch die Bestrebungen der EU, insgesamt eine Regionalisierung voranzutreiben, rechtfertigen eine Betrachtung derartiger Modelle im europäischen Kontext. 19 Allgemein wird im folgenden die diskrete Wachstumsrate einer Variable {w als { ˆw geschrieben. In Dixon/Thirlwall (1975) wird vermutlich mit diskreten Wachstumsraten gearbeitet, um die dynamischen Eigenschaften des Modells relativ einfach mit einer Dierenzengleichung erster Ordnung zeigen zu können.

20

2. Theoretische Erklärungsansätze

Während die Preise der Konkurrenten außerhalb der Region oder des Landes und die Entwicklung des Einkommens des Restes der Welt als exogene Größen angesehen werden, wird der inländische Preis durch eine einfache Aufschlagskalkulation auf die Lohnstückkosten bestimmt: zw Sw =  w > (2.8) |w wobei analog zur Notation in den vorherigen Abschnitten z der Lohnsatz und | die Arbeitsproduktivität ist. Der Aufschlagsfaktor wird durch  abgebildet. Mithin ergibt sich die diskrete Veränderungsrate des inländischen Preises wiederum näherungsweise als Sˆw = z ˆw  |ˆw + ˆw =

(2.9)

Das zweite fundamentale Argument von Kaldor, nämlich das Wirken einer kumulativen Verursachung in der Form des Gesetzes von Verdoorn, findet seine formale Widerspiegelung darin, daß das Wachstum der Arbeitsproduktivität teilweise vom Wachstum des Outputs abhängt. Dabei wird auch für diese Wachstumsraten ein linearer Zusammenhang unterstellt, so daß |ˆw = |ˆdw + \ˆw

(2.10)

ist, mit |ˆd als autonomem Produktivitätswachstum und  als Verdoorn-Koe!zienten. Durch sukzessives Einsetzen der Gleichungen (2.7), (2.9) und (2.10) in (2.5) ergibt sich dann die Gleichgewichtswachstumsrate des Outputs: i h [ (z ˆw  |ˆdw + ˆw ) +  [ Sˆi w + \ˆi w = (2.11) \ˆw =  1 + [  Da die Preiselastizität der Exportnachfrage [ ? 0 ist, üben |ˆdw ,  [ , Sˆi w , , \ˆi w und  einen positiven Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate aus, während der Einfluß von z ˆw und ˆw negativ ist. Da [ selbst sowohl im Zähler als auch im Nenner der Gleichgewichtswachstumsrate auftaucht, ist der von der Preiselastizität ausgehende Eekt nicht eindeutig, sondern hängt vielmehr von den Werten der anderen Parameter ab. Die durch das Gesetz von Verdoorn eingeführte zirkuläre bzw. kumulative Verursachung ergibt sich mithin in diesem Modell durch die folgende Wirkungskette: je schneller der Output wächst, desto schneller nimmt auch die Arbeitsproduktivität zu, und umso geringer ist das Wachstum der Lohnstückkosten, was wiederum das Wachstum der Exporte und des Outputs beschleunigt (Thirlwall, 2000, S. 44). Diese Zirkularität bewirkt auch, das regionale oder nationale Dierenzen in den Wachstumsraten fortbestehen, wenn sie durch anfängliche Dierenzen bei den anderen Parametern des Modells verursacht sind. Nimmt man nun an, wie es in Dixon/Thirlwall (1975), S. 206 und Thirlwall (2000), S. 44 getan wird, daß eine Region oder ein Land einen Vorteil bei der Produktion von Gütern mit einer hohen Einkommenselastizität hat, so wird seine Wachstumsrate höher sein als die der anderen Regionen oder Länder. Damit

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

21

kommt unmittelbar die wirtschaftliche und technologische Spezialisierung eines Landes ins Spiel, denn insbesondere Güter mit einer hohen Technologie- und Wissensintensität weisen im Regelfall eine hohe Einkommenselastizität auf. Es wäre also nach diesem Modell die technologische Spezialisierung eines Landes in Hoch- und Spitzentechnologiefeldern und darauf aufbauend die Produktionsund Exportspezialisierung auf Hoch- und Spitzentechnologiegüter wachstumsförderlich. Hinzu kommt, daß eine Region oder ein Land mit einem anfänglichen Vorteil durch die Wirkungskette der kumulativen Verursachung auch über das erhöhte Produktivitätswachstum und die — bei unterstelltem ähnlichen Wachstum der Lohnsätze und der Aufschlagsfaktoren in den verschiedenen Regionen oder Ländern — daraus resultierenden Preiseekte einen Wettbewerbsvorteil bei Gütern mit hoher Einkommenselastizität erhält, der es den Konkurrenten erschwert, ähnliche Schwerpunkte zu setzen. Im Endeekt kann so aufgrund der unterschiedlichen Einkommenselastizitäten — wie in den Kern-Peripherie- oder Polarisationsmodellen z. B. von Mydral (1957) und auch Kaldor (1970) — zu einer Divergenz der Einkommen zwischen industrialisierten Kern- und weniger industrialisierten oder landwirtschaftlich geprägten Peripherieregionen kommen. Der Zusammenhang zwischen der Spezialisierung bzw. der Wirtschaftsstruktur einer Region oder eines Landes und seinen Wachstumsaussichten läßt sich auch in anderer Form indirekt ableiten, in dem die in Kaldor (1960), S. 276-277 eingeführte „Technical Progress Function” in leicht abgewandelter Form mit der Arbeitsproduktivitätsgleichung (2.10) verknüpft wird (vgl. dazu Dixon/Thirlwall, 1975, S. 209).20 Die leicht modifizierte Kaldorsche „Technical Progress Function” lautet: |ˆw = Dˆw + nˆw >

(2.12)

wobei Dˆ die Rate des ungebundenen technischen Fortschritts und nˆ — analog zur Schreibweise in den vorherigen Abschnitten — die diskrete Wachstumsrate des Kapitalstocks pro Beschäftigtem repräsentiert. Werden Dˆw und nˆw in Abhängigkeit von der Wachstumsrate des gesamten Outputs als Dˆw = 1 +  1 \ˆw und nˆw = 2 +  2 \ˆw

(2.13)

geschrieben, so erhält man |ˆw = (1 + 2 ) + ( 1 +  2 ) \ˆw =

(2.14)

Da gemäß Gleichung (2.10) die Arbeitsproduktivität |ˆw = |ˆdw +\ˆw ist, ergibt sich |ˆdw = 1 + 2 und  =  1 +  2 = 20

(2.15)

Kaldor veröentlichte den Originalbeitrag „A Model of Economic Growth” bereits 1957 im „Economic Journal”. Bei Kaldor (1960) handelt es sich um einen Wiederabdruck dieses Beitrags in einem Sammelband. In diesem Beitrag gehen die Investitionen im Verhältnis zum Kapitalstock als Argument in die „Technical Progress Function” ein, während in Dixon/Thirlwall (1975) das Wachstum des Kapitalstocks pro Beschäftigtem verwendet wird.

22

2. Theoretische Erklärungsansätze

Nun werden die autonome Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität durch die autonome Rate des ungebundenen technischen Fortschritts sowie der autonomen Wachstumsrate der Kapitalintensität und der Verdoorn-Koe!zient durch die wachstumsinduzierte Rate des technischen Fortschritts und der Kapitalakkumulation erklärt. Weil diese Determinanten für die einzelnen Wirtschaftszweige sehr unterschiedlich sein dürften, hängen oensichtlich das autonome Wachstum der Arbeitsproduktivität und der Verdoorn-Koe!zient in hohem Maße von der sektoralen Struktur einer Region oder eines Landes ab. Allerdings sind die beiden Argumente für einen engen Zusammenhang zwischen der Spezialisierung einer Volkswirtschaft und ihren Wachstumsaussichten nur indirekt aus dem Modell ableitbar. Eine direkte Modellierung des Einflusses unterschiedlicher Spezialisierungen und ihrer zeitlichen Verläufe erfolgt in den Weiterentwicklungen des Modells in Fagerberg (1988), Meliciani (1998, 2001 und 2002) und Fiorillo (2001), auf die im Abschnitt 2.2.3 eingegangen wird. Da es ein oensichtliches Ergebnis dieses Modells ist, daß die Wachstumsraten von Regionen und Ländern und mithin auch die Pro-Kopf-Einkommen dauerhaft unterschiedlich sein können, stellt sich abschließend die Frage, ob dem Modell auch eine Tendenz innewohnt, daß die Wachstumsraten im Zeitablauf divergieren. Dixon/Thirlwall (1975), S. 206-208 und Thirlwall (2000), S. 45-46 argumentieren, daß es eine notwendige Bedingung für die Divergenz der Wachstumsraten in einem Zwei-Länder- oder Zwei-Regionen-Modell ist, daß die Wachstumsrate eines Landes oder einer Region von ihrer Gleichgewichtswachstumsrate divergiert. Eine Möglichkeit, ein Modell dieser Art im Ungleichgewicht und die sich ergebenden Dynamiken zu analysieren, besteht darin, Zeitverzögerungen in das Modell einzufügen. Da das Modell zirkulär ist, reicht es aus, eine Zeitverzögerung von einer Periode in eine der Gleichungen einzufügen. Aufgrund naheliegender ökonomischer Plausibilitätsüberlegungen versehen Dixon/Thirlwall (1975), S. 207, die abhängigen Variablen für das Exportwachstum (Gleichung 2.7) jeweils mit einem Lag von einer Periode. Wird anschließend erneut die Wachstumsrate des Outputs bestimmt, so ergibt sich die Dierenzengleichung erster Ordnung i h \ˆw =  [ (z ˆw31 + |ˆdw31 + ˆw31 ) +  [ Sˆi w31 + \ˆi w31   [ \ˆw31 > (2.16) deren Lösung

\ˆw = \ˆ0 ( [ )w + 

i h [ (z ˆw31 + |ˆdw31 + ˆw31 ) +  [ Sˆi w31 + \ˆi w31 1 + [ 

(2.17)

ist, wobei \ˆ0 den Startwert repräsentiert. Ob eine Konvergenz zur oder eine Divergenz von der Gleichgewichtsrate stattfindet, hängt somit davon ab, ob |[ | kleiner oder größer als eins ist. Da  A 0,  [ ? 0 und  A 0 ist, ist ( [ ) A 0. Unter von Dixon/Thirlwall (1975), S. 208, als realistisch angenommenen Parameterkonstellationen (  1,  [  2 und   0> 5) dürfte es also zu keiner Divergenz kommen, vielmehr sind konstante Dierenzen zwischen den Wachstumsraten der Regionen oder Länder aufgrund der Dierenzen zwischen ihren Gleichgewichtswachstumsraten mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis des

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

23

Modells. Allerdings könnten die Wachstumsraten zwischen den Regionen oder Ländern divergieren, wenn sich ein anderer Parameter des Modells, der die Gleichgewichtswachstumsrate determiniert (z. B. die Einkommenselastizität der Exporte) fortlaufend zugunsten eines Landes verändert, während singuläre Änderungen dieser anderen Parameter die Wachstumsrate auch nur einmalig beeinflussen. 2.2.2

Die Berücksichtigung einer Zahlungsbilanzrestriktion

Wird die regionale Ebene verlassen und werden nur noch Länder betrachtet, die keinen gemeinsamen Währungsraum haben, so stellt nach der Auassung der Vertreter der Theorie des exportbasierten Wachstums die Zahlungsbilanz die Hauptrestriktion für das Nachfragewachstum und damit auch für die Wachstumsmöglichkeiten des Outputs dar (Thirlwall, 1979). Wird zunächst vom internationalen Kapitalverkehr abstrahiert, so läßt sich das Zahlungsbilanzgleichgewicht als Sw [w = Si w Pw hw

(2.18)

schreiben, wobei P die Importe des betrachteten Landes und h den Wechselkurs (inländische Währung zu ausländischer Währung) repräsentiert. Wiederum in diskreten Wachstumsraten ausgedrückt, lautet die Zahlungsbilanzrestriktion mithin näherungsweise: ˆ w = Sˆi w + P ˆ w + hˆw = Sˆw + [

(2.19)

Wird vereinfachend angenommen, daß für die Preiselastizität  [ und die Kreuzpreiselastizität  [ der Exportnachfrage  [ =  [ gilt, so beträgt nun unter Berücksichtigung des Wechselkurses die Wachstumsrate der Exporte ³ ´ ˆ w =  [ Sˆw  Sˆi w  hˆw + \ˆi w = [ (2.20) Analog ergibt sich die Wachstumsrate der Importe als ³ ´ ˆ w =  P Sˆi w + hˆw  Sˆw +  \ˆw > P

(2.21)

mit P ? 0 als der Preiselastizität und  A 0 als der Einkommenselastizität der Importnachfrage. Die Wachstumsrate des inländischen Outputs unter Berücksichtigung der Zahlungsbilanzrestriktion erhält man, indem die Gleichungen (2.20) und (2.21) in Gleichung (2.19) eingesetzt werden und diese nach \ˆw aufgelöst wird: ´ ³ (1 +  [ + P ) Sˆw  Sˆi w  hˆw + \ˆi w = (2.22) \ˆw =  Wird angenommen, daß sich die in einer gemeinsamen Währung ausgedrückten relativen Preise (langfristig) nicht ändern, d. h. Sˆw  Sˆi w  hˆw = 0, so reduziert sich die mit der Zahlungsbilanzrestriktion konsistente Wachstumsrate auf ˆw  [ = \ˆw = \ˆi w =  

(2.23)

24

2. Theoretische Erklärungsansätze

Dieser Ausdruck ist das dynamische Gegenstück zu der in Harrod (1933) abgeleiteten statischen Multiplikatorbeziehung \ = [@p, wobei p die marginale Importneigung ist (s. auch McCombie/Thirlwall, 1997). Es ist wiederum unmittelbar ersichtlich, daß es die strukturellen Charakteristika, die sich in den Einkommenselastizitäten widerspiegeln, sind, die zu unterschiedlichen Wachstumsraten führen. Ist ein Land im Hochtechnologiebereich spezialisiert — oder allgemeiner formuliert, weist es eine größere technologische Leistungsfähigkeit als seine Handelspartner auf — so wird es durch die daraus resultierenden höheren Einkommenselastizitäten seiner Exporte auch dauerhaft eine höhere Wachstumsrate realisieren.21 Formal kann dieser Zusammenhang wie folgt gezeigt werden. Haben die verschiedenen Sektoren p = 1> ===> P einer Volkswirtschaft unterschiedliche Einkommenselastizitäten der Exportnachfrage, so beträgt das Wachstum der Exˆ pw = p \ˆi w und die aggregierte Einkomportnachfrage der einzelnen Sektoren [ menselastizität ist dann ein gewichteter Durchschnitt der sektoralen Elastizitäten, also =

P X [p

p=1

[

p =

(2.24)

Mithin ist c. p. das Wachstum des Outputs umso größer, je höher der Anteil von Sektoren mit einer hohen Einkommenselastizität ist (Amable/Verspagen, 1995). Zudem folgt aus diesem Zusammenhang, daß, wenn die sektoralen Einkommenselastizitäten sowie die Wachstumsrate der ausländischen Nachfrage konstant bleiben und die Einkommenselastizität der Importe vereinfachend gleich 1 gesetzt wird, die Wachstumsrate eines Landes gegen die Wachstumsrate der Exporte des Sektors mit der höchsten Einkommenselastizität konvergiert. Da im ursprünglichen Ansatz von Kaldor (1970) und auch im Modell von Dixon/Thirlwall (1975) die durch Verdoorns Gesetz generierte kumulative Verursachung eine zentrale Rolle spielt, stellt sich die Frage, wie dieser Mechanismus auf die mit der Zahlungsbilanzrestriktion konsistente Wachstumsrate einwirkt. Unter Berücksichtigung der Aufschlagspreissetzungsgleichung (2.9) und der Verdoorns Gesetz widerspiegelnden Arbeitsproduktivitätsgleichung (2.10) ergibt sich die Wachstumsrate des Outputs als ´ ³ (1 +  [ + P ) z ˆw  |ˆdw + ˆw  Sˆi w  hˆw + \ˆi w = (2.25) \ˆw =  + (1 + [ +  P )  Da die auf Verdoorns Gesetz beruhende kumulative Verursachung über die Aufschlagspreisgleichung Eingang in die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate findet, entfällt dieser Wirkungskreislauf, wenn wiederum die Annahme getroen wird, 21 So wird in Kaldor (1981), S. 339-340, angeführt: „Basically in a growing world economy the growth of exports is mainly to be explained by the income elasticity of foreign countries for a country’s products; but it is a matter of innovative ability and adaptive capacity of its manufacturers whether this income elasticity will tend to be relatively large or small”. Der Beitrag, aus dem dieses Zitat entnommen wurde, ist in Targetti/Thirlwall (1989) wiederabgedruckt, so daß sich die angegebenen Seitenzahlen auf diesen Wiederabdruck beziehen.

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

25

daß (langfristig) Sˆw  Sˆi w  hˆw = 0 gilt. Ein alternativer Ansatz zur Erzeugung einer kumulativen Zirkularität über das Wechselspiel von sektoraler Spezialisierung und aggregiertem Wachstum, auf den im nächsten Unterabschnitt eingegangen wird, wird in Fiorillo (2001) vorgeschlagen. Zuvor sei aber noch kurz betrachtet, wie sich die mit der Zahlungsbilanzrestriktion konsistente Wachstumsrate des Outputs verändert, wenn internationale Kapitalbewegungen zugelassen werden.22 Die Zahlungsbilanzgleichung lautet dann: qhwwr Sgw [w + NLPw = Si w Pw hw >

(2.26)

qhwwr wobei NLPw A 0 die in inländischer Währung gemessenen Nettokapitalzuflüsse repräsentiert. In diskreten Wachstumsraten ausgedrückt lautet die Zahlungsbilanzrestriktion nun näherungsweise: ´ ³ qhwwr ˆ LPw ˆ w + (1  ) N ˆ w + hˆw >  Sˆw + [ = Sˆi w + P (2.27)

ˆ w )@(Sˆw + [ ˆw + N ˆ qhwwr ). Durch Einsetzen der Gleichungen für mit  = (Sˆw + [ LPw die Wachstumsraten der Export- und Importnachfrage (2.20) und (2.21) sowie Auflösen nach \ˆw ergibt sich: ´ ³ (1 + [ +  P ) Sˆw  Sˆi w  hˆw \ˆw =  ³ ´ ˆ ˆ qhwwr + Sˆw \i w + (1  ) N LPw > (2.28) +  und unter der Annahme, daß Sˆw  Sˆi w  hˆw = 0 ist: ´ ³ ˆ qhwwr + Sˆw \ˆi w + (1  ) N LPw = (2.29) \ˆw =  In der zuletzt angeführten Gleichung gibt der erste Term wieder den Wachstumseekt einer exogenen Änderung des ausländischen Einkommens an, während der zweite Term den Eekt des Wachstums der realen Nettokapitalzuflüsse erfaßt, das es ermöglicht, ein über die handelsbilanzkonsistente Wachstumsrate hinausgehendes Wachstum des Outputs zu finanzieren. 2.2.3

Technologische Leistungsfähigkeit und die Modellierung der Entwicklung sektoraler Spezialisierungsmuster

Das ursprüngliche Modell des exportbasierten Wachstums und seine Erweiterungen durch die Berücksichtigung von Zahlungsbilanzrestriktionen legt zwar unmittelbar nahe, daß die technologische Leistungsfähigkeit und die daraus resultierende sektorale Spezialisierung von Volkswirtschaften über die höheren Einkommenselastizitäten der Exportnachfrage zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum beiträgt, eine Modellierung bzw. Endogenisierung dieses Wirkungskanals 22

Vgl. zur folgenden Darstellung Thirlwall (2000), S. 56-57.

26

2. Theoretische Erklärungsansätze

wird aber nicht vorgenommen. Erste Bestrebungen, die technologische Leistungsfähigkeit (bzw. Wettbewerbsfähigkeit) explizit in das Modell aufzunehmen, finden sich in Fagerberg (1988) und darauf aufbauend in Meliciani (1998, 2001 und 2002), wo zusätzlich auch die technologische Spezialisierung von Volkswirtschaften berücksichtigt wird. Die Erweiterungen in beiden Beiträgen sind jedoch keine ausgereiften theoretischen Modelle im engeren Sinne, sondern mehr oder weniger eine formalisierte Argumentationshilfe, um die jeweiligen eigenen empirischen Analysen theoretisch zu unterlegen. Im folgenden werden die Argumente beider Autoren zusammenfassend aufgegrien und in das in der bisherigen Form vorgestellte Modell exportbasierten Wachstums integriert. So werden auch — anders als in Fagerberg (1988) und Meliciani (1998, 2001 und 2002) — die Export- und Importnachfragefunktionen nicht als Anteilswerte am gesamten ausländischen bzw. inländischen Einkommen formuliert, sondern die bisherige Betrachtung von Niveaugrößen wird beibehalten und das dann entstehende System wird explizit nach der Wachstumsrate des gesamten Outputs aufgelöst. In Fagerberg (1988), S. 359-360, wird argumentiert, daß eine Reduktion der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft auf den reinen Preiswettbewerb zu kurz greife, sondern daß daneben die technologische Wettbewerbsfähigkeit und die Lieferfähigkeit von großer Bedeutung seien. Zur Begründung der Relevanz der technologischen Wettbewerbs- bzw. Leistungsfähigkeit wird direkt auf Schumpeter (1943), S. 84, zurückgegrien, der entgegen dem damaligen Lehrbuchwissen folgerte, daß in der Realität oft nicht der Preiswettbewerb wichtig sei, sondern der Wettbewerb aufgrund neuer Produkte, Technologien, Angebotsquellen und Organisationstypen, also ein Wettbewerb, der einschneidende Kosten- und Qualitätsvorteile erfordere und nicht die Gewinnmargen oder die Outputs der bestehenden Unternehmen betree, sondern deren Grundlagen und Überleben. Die Bedeutung der Lieferfähigkeit wird damit gerechtfertigt, daß weder Preisvorteile noch eine hohe technologische Leistungsfähigkeit viel nützten, wenn ein Land Lieferengpässe habe. Umgekehrt könne eine hohe Lieferfähigkeit eine geringere Wettbewerbsfähigkeit kompensieren. Mit der Berücksichtigung der technologischen Wettbewerbsfähigkeit und der Lieferfähigkeit wird also das nachfrageorientierte Modell des exportbasierten Wachstums um eine angebotsseitige Argumentation ergänzt. Auf dieser Grundlage kann die Exportnachfragefunktion als [w = f[ Gw

µ

Ww Wi w

¶ [ µ

Sw Si w hw

¶[

\iw

(2.30)

geschrieben werden.23 Dabei repräsentiert G die Lieferfähigkeit und  A 0 die dazugehörige Elastizität. Zudem ist Ww bzw. Wi w das in- bzw. ausländische technologische Niveau und  [ A 0 die dazugehörige Elastizität. 23 In Fagerberg (1988), S. 359, wird bei der Schreibweise der Exporte als Anteilswert am gesamten ausländischen Einkommen auf die Berücksichtigung des ausländischen Einkommens auf der rechten Seite der Nachfragefunktion verzichtet, was eine Einkommenselastizität von eins impliziert. Hingegen wird in Meliciani (1998), S. 4, auch in der Anteilsgleichung das ausländische Einkommen aufgenommen, um von eins abweichende Einkommenselastizitäten der Exporte zu ermöglichen. Beide Autoren verzichten auf die Berücksichtigung des Wechselkurses.

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

Die diskrete Wachstumsrate beträgt nun wiederum näherungsweise: ³ ´ ³ ´ ˆ w = G ˆ w +  [ Wˆw  Wˆi w + [ Sˆw  Sˆi w  hˆw + \ˆi w = [

27

(2.31)

Für die Veränderung der Lieferfähigkeit wird zudem angenommen, daß sie 1) positiv von der Zunahme des frei verfügbaren Wissen  ˆ w , das von den technologisch führenden Ländern in die anderen Länder diundiert, 2) positiv von der Dierenz ˆw  N ˆ i w ) und 3) der Wachstumsraten der Kapitalstöcke im In- und Ausland (N 24 negativ vom Wachstum des ausländischen Einkommens abhängt. Für den unterstellten linearen Zusammenhang zwischen diesen Wachstumsraten ergibt sich somit: ´ ³ ˆ i w  f\ˆi w > ˆ w = dˆ ˆw  N w + e N (2.32) G

wobei die Konstanten d, e, f A 0 sind. Zusätzlich integriert Fagerberg (1988) noch die Grundidee des Ansatzes der technologischen Lücke in seine Erweiterung des Modells exportbasierten Wachstums, indem das Wachstum des frei diundierten Wissens durch eine logistische Funktion w (2.33)  ˆw = g  g W w

beschrieben wird, wobei g eine positive Konstante und w @Ww der relative Wissensbestand des Inlandes in bezug auf den Wissensbestand der technologisch führenden Länder Ww ist.25 Aufgrund der logistischen Funktion ist das Wachstum des Wissensbestandes umso höher je weiter das Land technologisch zurückliegt. Für die technologisch führenden Länder ist naturgemäß das Wachstum des frei diundierenden Wissens gleich null. Die letzte Annahme betrit die Kapitalakkumulation. Hier wird ein einfacher Akzelerator-Mechanismus unterstellt, so daß ˆ i w = \ˆw  \ˆi w ˆw  N N

(2.34)

ist. Unter Berücksichtigung dieser Annahmen ergibt sich die Wachstumsrate der Exporte als ³ ´ ˆ w = dg  dg w + e\ˆw +  [ Wˆw  Wˆi w [ Ww ³ ´ (2.35) +  [ Sˆw  Sˆi w  hˆw + (  e  f) \ˆi w =

Analog kann die Wachstumsrate der Importe als ³ ´ ˆ w = dg  dg w + e\ˆi w +  P Wˆi w  Wˆw P Ww ³ ´ +  P Sˆi w + hˆw  Sˆw + (  e  f) \ˆw

(2.36)

24 In Fagerberg (1988), S. 360, wird angenommen, daß neben den beiden anderen Argumenten nur das Wachstum des inländischen Kapitalstocks die Zunahme der Lieferfähigkeit determiniert, während Meliciani (1998), S. 7, die auch hier präferierte Wachstumsdierenz verwendet. 25 Auf die Technologielücken-Ansätze wird im nächsten Abschnitt ausführlich eingegangen.

28

2. Theoretische Erklärungsansätze

geschrieben werden, wobei nun aber die Elastizität der Lieferfähigkeit in bezug auf die Importnachfrage  ? 0 ist. Werden die Export- und Importfunktionen (2.35) und (2.36) der Einfachheit halber in die Zahlungsbilanzrestriktion ohne Berücksichtigung des Kapitalverkehrs (2.18) eingesetzt und wird diese Gleichung entsprechend aufgelöst, so beträgt die Wachstumsrate des Outputs: µ µ ¶¶ ³ ´ w ˆ ˆ (1 +  [ + P ) Sw  Si w  hˆ + (  ) dg  dg W  w \ˆw =   e   (e + f) ´ ³ ( [ +  P ) Wˆw  Wˆi w + (   (e + f)  e) \ˆi w + = (2.37)   e   (e + f) Diese Wachstumsrate hat einige interessante Implikationen. Der zweite Term im Zähler zeigt, daß die technologische Lücke stets einen positiven Einfluß auf das Wachstum des Outputs hat. Der dritte Term verdeutlicht, daß eine Zunahme der technologischen Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls unmittelbar wachstumsförderlich ist. Die im vierten Term zusammengefaßten Einflüsse des ausländischen Einkommens sind dierenziert zu betrachten. Die Einkommenselastizität der Exportnachfrage hat natürlich einen positiven Einfluß. Hingegen hat das ausländische Einkommen, vermittelt über die Elastizität der Lieferfähigkeit in bezug auf die Exporte, erstens über das dadurch induzierte Wachstum des ausländischen Kapitalstocks, und zweitens durch die aufgrund eines höheren ausländischen Einkommenswachstums möglichen Lieferengpässe, negative Auswirkungen auf das inländische Wachstum. Der vierte Einfluß des ausländischen Einkommens ist jedoch über das Zusammenspiel der Elastizität der Lieferfähigkeit in bezug auf die Importe und das Wachstum des ausländischen Kapitalstocks wieder positiv. Auch im Nenner der Wachstumsrate kann nun das Wirken verschiedener Einflußfaktoren beobachtet werden. Nach wie vor hat eine hohe inländische Einkommenselastizität in bezug auf die Importe einen negativen Einfluß. Hingegen wirkt der Wechseleekt aus der Elastizität der Lieferfähigkeit in bezug auf die Exporte und dem Koe!zienten der Dierenz der Wachstumsraten der Kapitalstöcke wachstumsförderlich. Schließlich verringert die mit den Koe!zienten der Dierenz der Wachstumsraten der Kapitalstöcke und des ausländischen Einkommens gewichtete Elastizität der Lieferfähigkeit in bezug auf die Importe das aggregierte Wachstum. Zusätzlich zu den bisherigen Erweiterungen des Modells exportbasierten Wachstums werden in Meliciani (1998), S. 5-7, zwei Möglichkeiten vorgeschlagen, wie die technologische Spezialisierung eines Landes sein Wirtschaftswachstum beeinflussen kann. Zum einen wird — analog zu den Überlegungen von Dixon/Thirlwall (1975), Kaldor (1981) und Thirlwall (2000) — angenommen, daß sie auf die Einkommenselastizitäten der Exporte und Importe so einwirkt, daß mit steigendem Einkommen die Exporte um so stärker und die Importe um so geringer wachsen werden, je größer der Anteil von Gütern mit hoher Einkommenselastizität an der Produktion ist. Dieser Anteil hängt wiederum unmittelbar von einer vorteilhaften Spezialisierung in Hochtechnologiefeldern bzw. in schnell wachsenden

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

29

Technologiefeldern ab. Mithin können die Einkommenselastizitäten der Exportund Importnachfrage dann als  = 0 + 1 V und  = 0  1V

(2.38)

geschrieben werden, wobei V ein Maß für die technologische Spezialisierung ist. Die Wachstumsrate des aggregierten Outputs ergibt sich dann als µ µ ¶¶ ³ ´ w (1 +  [ + P ) Sˆw  Sˆi w  hˆ + (  ) dg  dg W  w \ˆw = ( 0   1 V)  e   (e + f) ´ ³ ( [ +  P ) Wˆw  Wˆi w + ((0 + 1 V)   (e + f)  e) \ˆi w + = (2.39) (0   1 V)  e   (e + f) Eine vorteilhafte technologische Spezialisierung übt so sowohl über den Zähler als auch über den Nenner einen positiven Einfluß auf das Wachstum des Outputs aus, wobei die im Zähler abgebildete Wirkung mit dem Wachstum des ausländischen Einkommens verknüpft ist. Zum anderen wird vorgeschlagen, ein Maß für die technologische Spezialisierung unmittelbar als erklärende Variable in die Gleichungen für das Wachstum der Ex- und Importe aufzunehmen. Nimmt man bei diesem Vorgehen an, daß dieses Maß in die Gleichung für das Exportwachstum mit dem Koe!zienten j A 0 und in die Gleichung für das Importwachstum mit dem Koe!zienten k ? 0 eingeht, so beträgt die aggregierte Wachstumsrate: µ µ ¶¶ ³ ´ w ˆ ˆ (1 +  [ + P ) Sw  Si w  hˆ + (  ) dg  dg Ww \ˆw =   e   (e + f) ´ ³ ( [ +  P ) Wˆw  Wˆi w + (j + k) V + (   (e + f)  e) \ˆi w + = (2.40)   e   (e + f) In diesem Fall wirkt sich eine vorteilhafte technologische Spezialisierung nur über den Zähler positiv auf das gesamte Wirtschaftswachstum aus. Allerdings ist der positive Einfluß nun unabhängig vom Wachstum des ausländischen Einkommens. Zwar kann mittels der „formalisierten Argumentationshilfen” von Fagerberg (1988) und Meliciani (1998, 2001 und 2002) die technologische Leistungsfähigkeit und Spezialisierung von Ländern im Modell des exportbasierten Wachstums explizit berücksichtigt werden, eine Endogenisierung dieser Einflußfaktoren wird dadurch aber noch nicht erreicht. Diese ist jedoch wichtig, um eine Basis für die theoretische Analyse zu haben. Ein deutlicher Schritt hin zu solch einer Endogenisierung wird durch die in Fiorillo (2001) vorgeschlagene Variante des Modells erreicht, in der das Wachstum und die Spezialisierung einer Volkswirtschaft interdependent sind, wobei die sektorale Spezialisierung das Wirtschaftswachstum bestimmt, während dieses

30

2. Theoretische Erklärungsansätze

wiederum die Spezialisierung verändert. Die ursprüngliche Wirkungskette der kumulativen und zirkulären Verursachung zwischen Wachstum und Exporten wird dabei um einige Glieder erweitert. Durch das Wirtschaftswachstum erfolgt eine Reduktion der Lohnstückkosten und ein Anstieg der Gewinne. Die Gewinne können in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert werden, die einen technischen Fortschritt hervorbringen, der wiederum zu einer Erhöhung der Einkommenselastizitäten der Exporte führt. Natürlich sind auch und gerade diese neuen Glieder der Wirkungskette für die einzelnen Sektoren einer Volkswirtschaft unterschiedlich stark ausgeprägt. Allerdings muß für diese endogenisierende Modellierung der Interdependenzen zwischen sektoraler Spezialisierung und Wachstum der Preis „gezahlt” werden, daß das Modell nicht mehr eindeutig gelöst werden kann, sondern daß die Entwicklungspfade der sektoralen Spezialisierung und des gesamtwirtschaftlichen Outputwachstums „nur noch” durch Simulationen gezeigt werden können. Ausgangspunkt der Modellierung in Fiorillo (2001) ist die Annahme, daß das Gesetz von Verdoorn in unterschiedlicher Stärke auch für die einzelnen Sektoren p eines Landes gilt, so daß die auf die gesamte Volkswirtschaft bezogene Gleichung des Arbeitsproduktivitätswachstums (2.10) auf die einzelnen Sektoren angewandt als |ˆpw = |ˆdpw + p \ˆw

(2.41)

geschrieben werden kann. Auch für die einzelnen Sektoren hat also das gesamtwirtschaftliche Wachstum des Outputs eine positive Wirkung auf die jeweiligen Arbeitsproduktivitäten, weil dadurch z. B. eine höhere Spezialisierung und eine Freisetzung von Ressourcen für das Produktivitätswachstum ermöglicht wird (Fiorillo, 2001, S. 95). Durch die sektoral dierierenden Verdoorn-Koe!zienten p hat dabei aber die Ausweitung des gesamten Marktes unterschiedlich starke Auswirkungen auf die einzelnen Sektoren. Ebenfalls analog zum bisher unterstellten Verhalten erfolgt die Preissetzung auch auf der sektoralen Ebene durch eine Aufschlagskalkulation, so daß sich die Wachstumsraten der Güterpreise der einzelnen Sektoren als ˆw  |ˆpw + ˆpw = z ˆw  |ˆdpw  p \ˆw + ˆpw = Sˆpw = z

(2.42)

ergeben, wobei davon ausgegangen wird, daß das Wachstum der Löhne z ˆw sektoral nicht variiert. Unter der Annahme, daß (langfristig) Sˆw  Sˆi w ˆ hw = 0 ist, betragen die ausländischen Güterpreise analog: ˆi w  |ˆi dpw  i p \ˆi w + ˆi pw = Sˆpw  hˆw = z

(2.43)

Werden nun die beiden Preissetzungsgleichungen nach den Aufschlagsfaktoren ˆpw bzw. ˆi pw aufgelöst, der ausländische vom inländischen Aufschlagsfaktor subtrahiert und anschließend die Dierenz nach dem inländischen Aufschlagsfaktor aufgelöst, so erhält man ˆpw = ˆi pw + (z ˆi w  z ˆw ) + hˆw + (ˆ |dpw  |ˆi dpw ) ³ ´ + p \ˆw  \ˆi w + \ˆi w (p  i p ) =

(2.44)

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

31

Danach wächst der inländische Aufschlagsfaktor schneller als der ausländische, wenn sich die ihn beeinflussenden Faktoren (Löhne, autonome Produktivitätserhöhungen, Einkommen und Verdoorn-Koe!zienten) im Inland günstiger als im Ausland entwickeln und/oder wenn der Wechselkurs steigt. Zur Vereinfachung dieses Ausdrucks wird jedoch in Fiorillo (2001), S. 96, angenommen, daß a) das Wachstum der Löhne und der autonomen Produktivität im In- und Ausland gleich, b) der Wechselkurs konstant und c) das Wachstum des ausländischen Aufschlagsfaktors gleich null ist, so daß sich der inländische Aufschlagsfaktor auf ˆpw = p \ˆw  i p \ˆi w

(2.45)

reduziert. Annahmegemäß werden die steigenden Gewinnaufschläge nun dafür genutzt, neue Technologien zu entwickeln und einzusetzen, die wiederum die Einkommenselastizität der Exporte erhöhen. Ist j( pw ) eine Funktion des Niveaus der Gewinnaufschläge  pw , so soll sich die Einkommenselastizität der Exporte eines Sektors p explizit als pw+1 = pw (1 + j( pw ))

(2.46)

entwickeln. Dabei wird unterstellt, daß die Einkommenselastizität mit steigenden Gewinnaufschlägen wächst sowie daß es ein  Wp gibt, für das j( Wp ) = 0 ist und mithin die Veränderung der Einkommenselastizität gleich null ist. Ist  pw ?  Wp , so verringert sich die Einkommenselastizität:  Wp stellt also einen Normalwert für den Gewinnaufschlag dar, bei dem gerade ein technologischer Rückschritt verhindert werden kann. Ein hoher Normalwert für den Gewinnaufschlag in einem Sektor zeigt demnach an, daß dieser Sektor durch einen schnellen technischen Fortschritt gekennzeichnet ist und dementsprechend die Veralterungsgefahr hoch ist (Fiorillo, 2001, S. 97). Allerdings können die Veränderungen der Gewinnaufschläge nur innerhalb gewisser Grenzen erfolgen. Bei steigenden erwarteten Gewinnaufschlägen  huz p wird irgendwann eine obere Grenze  p erreicht, oberhalb derer neue Unternehmen in den Markt eintreten und die Gewinnaufschläge der eingesessenen Unternehmen reduzieren. Umgekehrt gibt es auch eine untere Grenze  p , unterhalb derer Unternehmen den Markt verlassen und die verbleibenden Unternehmen wieder in die Gewinnzone zurückkehren. Mithin entwickelt sich der Gewinnaufschlag gemäß der folgenden Gleichungen:  pw+1 =  pw (1 +  pw+1 ) , wenn  p   huz pw+1   p und W huz huz  pw+1 =  p , wenn  pw+1 ?  p oder  pw+1 A  p ist.

(2.47)

Abschließend wird in Fiorillo (2001), S. 98, für die Erwartungsbildung beschränkte Rationalität unterstellt, was darauf hinausläuft, daß der für die nächste Periode erwartete Gewinnaufschlag dem tatsächlichen Gewinnaufschlag in w+1 entspricht. Insgesamt besteht die reduzierte Form des Modells von Fiorillo (2001) aus drei Gruppen von Dierenzengleichungen, nämlich den Gleichungen für die Einkommenselastizitäten (2.46), für die Exporte, die aufgrund der Tatsache, daß die

32

2. Theoretische Erklärungsansätze

ˆ lw gleich lw \ˆi w ist, unter Verwendung Wachstumsrate der Exporte eines Sektors [ von (2.46) als ³ ´ [pw+1 = [pw 1 + pw (1 + j( pw )) \ˆi w (2.48)

geschrieben werden kann, und für die Gewinnaufschläge gemäß Gleichung (2.47) unter Berücksichtigung der Hypothese beschränkter Rationalität, wobei der erwartete Gewinnaufschlag eines Sektors sich dann unter Berücksichtigung von Gleichung (2.45) als 3 4 P [ P pw  (1 + j( )) pw pw E F p=1 [w E  huz (2.49) \ˆi w  i p \ˆi w F pw+1 =  pw C1 + p D 

ergibt. Fiorillo (2001) kann jedoch im Falle mehrerer Sektoren keine analytische Lösung für sein Modell anbieten, so daß er dessen Dynamiken durch Simulationen aufzuzeigen versucht. Hierzu unterstellt er zum einen eine logistische Funktion für die Wachstumsrate der Einkommenselastizität der Exporte j( pw ) und zum anderen unterscheidet er entsprechend der Taxonomie aus Pavitt (1984) vier Sektoren: einen wissenschaftsbasierten Sektor, zwei produktionsintensive Sektoren und einen anbieterdominierten Sektor. Die Parameterwerte werden in einem ersten Simulationsgang so gewählt, daß sie die typischen Eigenschaften der einzelnen Sektoren widerspiegeln. Dabei bestätigt sich, daß die Länder sich auf den Sektor mit der höchsten Einkommenselastizität spezialisieren. Welcher Sektor dies ist, variiert jedoch im Zeitablauf. Im hier betrachteten Fall ist es aufgrund der Parameterwahl für das Inland zunächst der erste produktionsintensive Sektor, im Zeitablauf wächst jedoch die Einkommenselastizität des wissenschaftsbasierten Sektors schneller, so daß sie die Einkommenselastizitäten aller anderen Sektoren überholt und das Inland sich vollkommen auf diesen Sektor spezialisiert. Die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate fällt dann natürlich mit der Wachstumsrate des wissenschaftsbasierten Sektors zusammen und ist deutlich höher als in der anfänglichen Phase (vgl. Fiorillo, 2001, S. 103-105). In einer zweiten Simulationsrunde sollen die Wirkungen einzelner Parametervariationen isoliert werden. Zu diesem Zweck wird zunächst eine Basissimulation durchgeführt, bei der für jeden der Sektoren der in- und ausländische VerdoornKoe!zient identisch ist und die Einkommenselastizitäten der ersten drei Sektoren gleich eins sind, während die Einkommenselastizität des anbieterdominierten Sektors marginal höher ist, weil das Modell sonst in einem instabilen Gleichgewicht verharren würde. In diesem Fall spezialisieren sich die Länder auf den wissenschaftsbasierten Sektor. Auf dieser Basissimulation aufbauend werden die Eekte der folgenden vier Parametervariationen betrachtet (vgl. Fiorillo, 2001, S. 106-111): 1. Unterschiedliche Spezialisierungen im Ausgangszeitpunkt: Es werden drei Länder unterschieden, bei denen anfänglich das erste im ersten produktionsintensiven, das zweite im anbieterdominierten und das dritte im wissenschaftsbasierten Sektor spezialisiert ist. Zwar erzielt nun im sich langfristig

2.2 Exportbasiertes Wachstum, Spezialisierung und kumulative Verursachung

33

einstellenden Gleichgewicht jedes Land eine höhere Wachstumsrate als in der Basissimulation, die Spezialisierungen ändern sich jedoch im Zeitablauf fundamental. Durch sein schnelles Wachstum stößt das im wissenschaftsbasierten Sektor spezialisierte dritte Land relativ schnell an die Grenzen des Wachstums seiner Gewinnaufschläge und fällt zurück. Gleichzeitig ändert sich seine Spezialisierung dadurch so, daß es letztlich vollkommen auf den anbieterdominierten Sektor spezialisiert ist und es die vergleichsweise niedrigste Wachstumsrate der drei Länder erzielt. Ihr zunächst relativ langsames Wachstum erlaubt es hingegen den anderen beiden Ländern sich zunehmend auf den wissenschaftsbasierten Sektor zu spezialisieren, wobei das anfänglich im anbieterdominierten Sektor spezialisierte zweite Land im langfristigen Gleichgewicht die höchste Wachstumsrate aufweist. 2. Unterschiedliche Werte und Rangfolgen der sektoralen Einkommenselastizitäten: Unterschieden wird diesmal zwischen zwei Ländern mit gleichen Exportanteilen in jedem Sektor, wobei anfänglich das erste Land im ersten produktionsintensiven und im anbieterdominierten Sektor über die höchsten Einkommenselastizitäten verfügt, während das zweite Land durch solch hohe anfängliche Einkommenselastizitäten in beiden produktionsintensiven Sektoren gekennzeichnet ist. Im Zeitablauf ändert nun das erste Land seine Spezialisierung früher als das zweite Land und engagiert sich zunehmend im anbieterdominierten Sektor. Damit ist es aber ähnlich wie in der Basissimulation auf ein relativ niedriges Wachstumsregime festgelegt. Hingegen kann sich das zweite Land zunehmend auf den wissenschaftsbasierten Sektor konzentrieren und insgesamt ein deutlich höheres Wachstum erzielen. Mithin führt diese Simulation zu dem in der evolutorischen Ökonomik viel diskutierten Fall des Lock-in, d. h., daß ein ursprünglich führendes Land im Zeitablauf auf ein niedriges Wachstumsregime festgelegt ist, weil es nicht in der Lage ist, seine Spezialisierung zu ändern und damit ein neues höheres Wachstumsregime zu erreichen. 3. Unterschiedliche Verdoorn-Koe!zienten: Nun werden wiederum drei Länder betrachtet. Dabei weist das erste Land in allen Sektoren einen niedrigeren Verdoorn-Koe!zienten als der Rest der Welt auf. Dieses Land gerät in eine nach unten gerichtete zirkuläre Kausalität („vicious circle”), die zu einem Fall der sektoralen Einkommenselastizitäten und des gesamtwirtschaftlichen Wachstums bis auf ein sehr niedriges, aber noch positives Niveau führt. Für die anderen beiden Länder wird angenommen, daß ihre Verdoorn-Koe!zienten jeweils höher als beim Rest der Welt sind, wobei die des zweiten Landes noch etwas höher als die des dritten Landes sind. Durch die höheren Verdoorn-Koe!zienten ist das Wachstum im zweiten Land zwar zunächst höher, die Gleichgewichtswachstumsrate wird jedoch auch schneller erreicht, so daß das dritte Land es relativ spät überholen kann und die höchste gleichgewichtige Wachstumsrate erreicht. 4. Veränderung des Abstandes zwischen der unteren und oberen Grenze für den Gewinnaufschlag: Zu diesem Zweck wird der Abstand zwischen der unteren

34

2. Theoretische Erklärungsansätze

und oberen Grenze für den Gewinnaufschlag im ersten produktionsintensiven Sektor vergrößert. Dadurch kann in diesem Sektor vermehrt in FuE investiert werden und das Land kann auf einen höheren Wachstumspfad wechseln. Natürlich sind Modellergebnisse, die auf Simulationen mit relativ willkürlich gewählten Parameterwerten beruhen, in gewissem Umfang immer dem Vorwurf ausgesetzt, daß man „nur die Ostereier findet, die man selber versteckt hat”, gleichwohl gelingt es mit dem Modell von Fiorillo zum einen, die Spezialisierung innerhalb des Modells des exportbasierten Wachstums zu endogenisieren und zum anderen spiegelt es wesentliche Erkenntnisse der evolutorischen Ökonomik wider.26 So zeigt das Modell, daß die Wachstumsregimes von Volkswirtschaften hochgradig zeit- und pfadabhängig sind. Wechsel zu einem neuen Wachstumsregime erfolgen dabei durch Strukturwandel und Veränderungen der Spezialisierungen. Ebenso wird das Phänomen des Lock-in in ein Regime mit niedrigem Wachstum aufgrund einer bestimmten — anfangs durchaus hohes Wachstum verheißenden — Wirtschaftsstruktur abgebildet, das es verhindert, daß ein Land eine erfolgreiche Veränderung seiner Spezialisierung und einen Wechsel zu einem Regime mit höherem langfristigem Wachstum vornehmen kann. Gleichzeitig wird das Ergebnis theoretischer Überlegungen und empirischer Studien im Rahmen des Konzepts nationaler Innovationssysteme bestätigt, daß Länder mit unterschiedlichen Spezialisierungen durchaus gleich oder ähnlich hohe Wachstumsraten erzielen können.27

2.3

Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

Ebenfalls jenseits des Hauptstranges der formal ausgearbeiteten neoklassischen Ökonomik wurden bereits seit Beginn der fünfziger Jahre zunächst mehr beschreibend würdigende Ansätze vorgeschlagen, bei denen Technologien nicht nur als frei verfügbare Güter angesehen werden, sondern gerade technologische Unterschiede zum einen der Grund für Einkommensdierenzen zwischen verschiedenen Ländern sind und zum anderen auch den Anlaß für einen Außenhandel bilden. Diese Theorien werden inzwischen unter dem Begri „Technologielücken-Ansätze” subsumiert. Als Initiator für den ersten, stark wirtschaftshistorisch orientierten Theoriestrang, der die Aufholchancen von weniger entwickelten Ländern in den Mittelpunkt des Interesses stellt, wird heute gemeinhin Gerschenkron (1962) angesehen.28 Hingegen basiert der zweite auf Posner (1961) und Burenstam-Linder 26 Auf die für diese Arbeit relevanten Ansätze der evolutorischen Ökonomik wird im Abschnitt 2.4 eingegangen. Dabei verdeutlicht das Modell von Fiorillo (2001), daß die Übergänge zwischen dem Modell exportbasierten Wachstums in der Tradition Kaldors und der evolutorischen Ökonomik fließend sind bzw. daß das erstere eine wesentliche Inspiration für die evolutorische ökonomische Theoriebildung war und ist. 27 Vgl. zu diesen Schlußfolgerungen auch Fiorillo, 2001, S. 111-112. Auf das Konzept der nationalen Innovationssysteme als einem Teilaspekt bzw. einer speziellen Ausprägung der evolutorischen Ökonomik wird ebenfalls im Abschnitt 2.4 eingegangen. 28 Alexander Gerschenkron veröentlichte den heute für diesen Theoriestrang als zentral geltenden Beitrag „Economic Backwardness in Historical Perspective” bereits 1952 in dem von

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

35

(1961) zurückgehende Theoriestrang auf der Grundidee, daß die Realisierung von zeitweiligen Monopolgewinnen, die auf einer technologischen Führerschaft beruhen, einen Anlaß für Außenhandel liefert. Die außenhandelsorientierte Idee der technologischen Lücke wurde in Vernon (1966) und Hirsch (1967) zunächst ebenfalls mehr beschreibend zu einer Produktzyklustheorie weiterentwickelt. Seit dem Ende der siebziger Jahre wurden diese Ansätze auch zunehmend analytisch formalisiert. Im folgenden wird dargestellt, in welcher Weise die Ansätze der technologischen Lücke und die Produktzyklustheorie die technologische und wirtschaftliche Spezialisierung von Volkswirtschaften erklären und welche Auswirkungen sich daraus für das Einkommen und Wirtschaftswachstum ergeben.

2.3.1

Technologische Lücke und wirtschaftliche Aufholprozesse

Auf der Grundlage der historischen Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Länder im 19. Jahrhundert bis hin zum Beginn des Ersten Weltkriegs wird in Gerschenkron (1962) versucht, die Grundelemente in den Industrialisierungsprozessen wirtschaftlich rückständiger Länder abzuleiten. Es wird geschlußfolgert, daß nach der Abschaung sehr grundlegender Hindernisse für eine wirtschaftliche Entwicklung (in historischer Sicht die Leibeigenschaft der Landbevölkerung oder die weitgehende Abwesenheit von politischer Einheit) eine „Reibung” zwischen dem tatsächlichen ökonomischen Entwicklungsstand und den der Industrialisierung entgegenstehenden Hindernissen auf der einen Seite und den vielversprechenden Aussichten eines solchen Industrialisierungsprozesses auf der anderen Seite besteht (Gerschenkron, 1962, S. 8). Dabei gibt es auch hier — ähnlich wie in der neoklassischen Wachstumstheorie — einen inversen Zusammenhang zwischen den Aufholchancen und dem Grad der Rückständigkeit, nun allerdings bezogen auf den technologischen Stand eines Landes.29 Je größer die „Reserve” an technologischen Innovationen ist, die ein wirtschaftlich rückständiges Land von den fortgeschrittenen Ländern übernehmen kann, desto vielversprechender ist der Industrialisierungsprozeß. Mithin existiert eine Chance der Rückständigkeit, B. Hoselitz herausgegebenen Band „The Progress of Underdeveloped Countries”. Ein Wiederabdruck dieses Beitrags findet sich dann in dem von Gerschenkron 1962 herausgegebenen Sammelband verschiedener seiner Essays, der insgesamt auch den Titel „Economic Backwardness in Historical Perspective” trägt. Zur Würdigung der Rolle von Alexander Gerschenkron s. auch Fagerberg (1994), S. 1155. 29 Betrachtet man allein die Produktivitätsentwicklung, so geht auch dieser Ansatz der technologischen Lücke von einer inversen Beziehung zwischen den Wachstumsraten der Produktivität und ihrem Ausgangsniveau aus (Abramovitz, 1986, S. 386). Auch wenn also die Begründungen für den inversen Zusammenhang bei beiden Theorien unterschiedlich sind, können sie auf der Erscheinungsebene nicht durch einfache Wachstumsregressionen, die in der empirischen Forschung häufig verwendet werden und die sog. -Konvergenz (d. h. den Umstand, daß zurückliegende Volkswirtschaften schneller wachsen als höherentwickelte) messen sollen, nicht diskriminiert werden (Welfens/Jungmittag, 2001, S. 89). Im folgenden wird aber noch diskutiert, daß nach diesem Ansatz der technologischen Lücke Länder nur dann einen erfolgreichen technologischen und damit auch wirtschaftlichen Aufholprozeß bewerkstelligen können, wenn sie die entsprechenden „sozialen Fähigkeiten” haben oder aufbauen (Abramovitz, 1986, S. 388). Dagegen beinhaltet die einfache neoklassische Wachstumstheorie — wie bereits gezeigt wurde — einen Konvergenzautomatismus.

36

2. Theoretische Erklärungsansätze

nicht zuletzt auch deshalb, weil zurückliegende Länder einerseits bei ihren Imitationsprozessen bewußt zwischen verschiedenen technologischen Möglichkeiten und deren Entwicklungspfaden wählen können und andererseits aufgrund ihres späten Einstiegs schnell Skalenerträge realisieren können bzw. bewußt solche Industrien auswählen können, in denen schnell steigende Skalenerträge zu erwarten sind.30 Wichtig ist die Auswahl von geeigneten Industrien auch deshalb, weil zwischen bestimmten Industrien Komplementaritäten und Unteilbarkeiten bestehen (Gerschenkron, 1962, S. 10-11). Diese Industrien können dann wechselseitig von den externen Eekten der anderen profitieren. Nur wenn solche Eekte ausgenutzt werden, kann der Industrialisierungsprozeß auf breiter Front voranschreiten. Allerdings ist der „Vorteil der Rückständigkeit” kein Selbstläufer, sondern in Gerschenkron (1962) wird an einer Reihe von historischen Beispielen aufgezeigt, daß diese Vorteile nur genutzt werden konnten, weil die aufholenden — d. h. sich industrialisierenden — Länder eine Reihe von institutionellen Instrumenten herausgebildet haben, zu denen es kaum oder gar keine Gegenstücke in den damals bereits industrialisierten Ländern gab.31 Ohkawa/Rosovsky (1973), S. 211-212, prägen im Rahmen ihrer Analyse des wirtschaftlichen Aufholprozesses Japans den Begri der „sozialen Fähigkeiten” zur Bezeichnung jener Faktoren, die die Fähigkeit eines Landes ausmachen, technologischen und organisatorischen Fortschritt entweder zu importieren oder selbst zu erreichen. Die Übernahme von ausländischen Technologien sei im Regelfall bei einem Aufholland nicht durch die Verfügbarkeit von brauchbaren Möglichkeiten begrenzt, sondern die Engpaßfaktoren seien die vorhandenen „sozialen Fähigkeiten”. Gleichzeitig gäbe es aber auch ein Wechselspiel zwischen dem durch den begonnenen Aufholprozeß erreichten höheren Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens und dem Ausbau der „sozialen Fähigkeiten”, und zwar ermögliche das Wachstum erstens die Verbesserung des Humankapitals, zweitens eine Ausweitung des Marktes und damit eine Verbesse30

So wird in Gerschenkron (1962), S. 9, in bezug auf die Auswahl von Technologien angeführt: The advantages inherent in the use of technologically superior equipment were not counteracted but reinforced by its labor-saving eect. This seems to explain the tendency on the part of backward countries to concentrate at a relatively early point of their industrialization on promotion of those branches of industrial activities in which recent technological progress had been particularly rapid; ...,

und in bezug auf die Realisierung von Skalenerträgen: To a considerable extent ..., utilization of modern techniques required, in nineteenth-century conditions, increases in the average size of plant. Stress on bigness in this sense can be found in the history of most countries on the European continent. (Gerschenkron, 1962, S. 10). 31 Vgl. Gerschenkron (1962), S. 7. Dort wird auch ausgeführt, daß sich das geistige Klima, also die Ideologie oder allgemeiner der „Geist”, in den bereits industrialisierten Ländern und den zurückliegenden Ländern, die den Industrialisierungsprozeß begonnen hätten, erheblich unterschieden habe. Bei der historischen Beschreibung verwendet Gerschenkron (1962), S. 1116, besondere Aufmerksamkeit auf die unterschiedliche Organisation des Finanzsektors in dem frühzeitig industrialisierten England und den Aufholern Deutschland, Frankreich und den Niederlanden.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

37

rung der Möglichkeiten, Skalenerträge auszunutzen, sowie drittens eine Erhöhung der (privaten) Sparquote. In Abramovitz (1986) wird zur Erklärung des Aufhol- und ggf. auch Überholprozesses der OECD-Länder gegenüber den USA ebenfalls auf den Begri der „sozialen Fähigkeiten” zurückgegrien.32 Diese Fähigkeiten werden in einem ersten Schritt mit der technologischen Kompetenz eines Landes, die durch die Qualität der Ausbildung approximiert werden kann, und der Eignung seiner politischen, kommerziellen, industriellen sowie finanziellen Institutionen identifiziert (Abramovitz, 1986, S. 388). Es wird aber auch darauf hingewiesen, daß sich zwar in Fallstudien zur Erklärung des Wachstums in Europa und Japan in der Nachkriegszeit zeigen lasse, daß diese Länder die Fähigkeiten aufgebaut hätten, die vorhandenen Best-Practice-Technologien zu absorbieren und zu nutzen, eine allgemeine Abschätzung der „sozialen Fähigkeiten” eines Landes aber sehr schwierig sei. Dafür sprächen drei Gründe (Abramovitz, 1986, S. 388-389): 1. Es gibt einen Trade-o zwischen der Spezialisierung und der Anpassungsfähigkeit eines Landes. So mögen Art und Stand der Ausbildung und die Ausgestaltung der relevanten Institutionen in einem Land es zwar erlauben, existierende Technologien vollständig zu nutzen, sie können aber weniger geeignet sein, sich an erforderliche Veränderungen anzupassen. 2. Der Begri der Anpassungsfähigkeit legt nahe, daß es ein Wechselspiel zwischen sozialen Fähigkeiten und technologischen Möglichkeiten gibt. Einerseits begrenzen jene Faktoren, die die sozialen Fähigkeiten ausmachen, die Auswahl von Technologien. Andererseits üben die technologischen Möglichkeiten aber auch Druck aus, um Ausbildung und Institutionen zu ändern und zu verbessern. 3. Soziale Fähigkeiten hängen von mehr als den Inhalten der Ausbildung und der Organisation von Unternehmen ab. Wichtig ist z. B. auch die Oenheit eines Landes für Wettbewerb, Unternehmensneugründungen sowie den Einund Verkauf von neuen Gütern und Dienstleistungen. Zusammenfassend wird in Abramovitz (1986), S. 389-390, geschlußfolgert, daß die Kombination von technologischer Lücke und sozialen Fähigkeiten das Potential eines rückständigen Landes für Produktivitätsfortschritte durch einen Aufholprozeß bestimme. Die Geschwindigkeit, mit der dieses Potential realisiert wird, hängt aber noch von anderen Faktoren ab, nämlich den Möglichkeiten der Wissensdiusion, der Rate des Strukturwandels, der Kapitalakkumulation und der Ausweitung der Nachfrage. Hinzu kommen Begrenzungen durch die erforderliche „technologische Kongruenz” zwischen den weltweit verfügbaren fortgeschrittenen Technologien und den Möglichkeiten eines aufholenden Landes. Nur wenn eine solche „technologische Kongruenz” gegeben ist oder im Laufe der Zeit entwickelt wird, kann ein zurückliegendes Land von den Entwicklungen an der technologischen Front profitieren (Abramovitz, 1995, S. 24-25). 32 In Cohen/Levinthal (1989) werden diese Fähigkeiten alternativ dazu als „absorptive Kapazitäten” bezeichnet.

38

2. Theoretische Erklärungsansätze

Insgesamt legt der Ansatz der technologischen Lücke in der Tradition Gerschenkrons nahe, daß der Aufholprozess eines Landes dadurch, daß es sich um einen reinen Prozeß der Imitation handelt, durch das technologische Niveau des technologischen Führers begrenzt ist. Aufgrund der inversen Beziehung zwischen dem Wachstumspotential und dem erreichten Niveau ist zudem zu erwarten, daß das Potential für schnelles Wachstum um so geringer wird, je mehr sich das technologische Niveau des Aufhollandes dem des führenden Landes annähert und letztlich gegebenenfalls mit ihm konvergiert. Dieser Prozeß wird auch in Gries/Jungblut (1997) mittels eines — neoklassisch geprägten — Wachstumsmodells für eine kleine oene rückständige Volkswirtschaft mit drei Sektoren, in das der Ansatz der technologischen Lücke integriert wird, abgebildet.33 Die drei Sektoren sind ein moderner Industriesektor, ein traditioneller Sektor und ein Forschungssektor. In allen Sektoren wird nur der Faktor Arbeit, der aber unterschiedlich qualifiziert ist, zur Herstellung des jeweiligen Output eingesetzt. Die Güterproduktion \Q im modernen Industriesektor basiert auf einer Cobb-Douglas-Funktion mit den Inputfaktoren unqualifizierte Arbeit OQ und qualifizierte Arbeit (als Humankapital bezeichnet) KQ , also \Q = j()KQ O13 Q >

(2.50)

wobei j() ein Produktivitätsindex ist, der von dem in der Volkswirtschaft vorhandenen Wissensbestand  abhängt. Im traditionellen Sektor wird die Gütermenge \R nur durch unqualifizierte Arbeit OR hergestellt, so daß diese Produktionsfunktion \R = k()OR

(2.51)

lautet, wobei k() der zu diesem Sektor gehörige Produktivitätsindex ist. Im Forschungssektor wird durch die Imitation ausländischer Technologien für die aufholende Volkswirtschaft neues Wissen bereitgestellt, das zu einer Erhöhung der Produktivitätsindizes führt. Für diesen Imitationsprozeß wird erstens angenommen, daß das Aufholland durch Außenhandel in den Besitz von in importierten Gütern P enthaltenen Technologien kommt. Zweitens muß nur Humankapital K eingesetzt werden, um die technologischen Eigenschaften des importierten Gutes zu enthüllen, d. h. das Aufholland muß einen Teil seiner Humankapitalressourcen für den Imitationsprozeß einsetzen. Drittens wird die Hypothese der „Chance der Rückständigkeit” von Gerschenkron aufgenommen, so daß die Wachstumsrate des Wissensbestandes im Aufholland positiv von der Größe der technologischen Lücke gegenüber dem Wissenbestand W des technologisch führenden Landes abhängt. Auf der Basis dieser Annahmen kann die Zunahme des technologischen Wissensbestandes des aufholenden Landes als ˙ = K P(1  @W )

(2.52)

33 Eine vereinfachte Zusammenfassung der Grundidee des Modells findet sich auch in Gries/Jungblut/Meyer (1996).

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

39

geschrieben werden.34 Ferner wird angenommen, daß der Anteil der Ressourcen, die im Forschungssektor eingesetzt werden, politisch festgelegt ist und einem konstanten Anteil  am Bruttosozialprodukt entspricht, so daß s ˙ =  (\Q + s\R + s ) ˙

(2.53)

gilt, wobei — jeweils bezogen auf den Preis des Gutes des modernen Industriesektors — s der Relativpreis für traditionelle Produkte und s der Relativpreis für imitierte Technologien ist. Bedingt durch die Annahme einer kleinen oenen Volkswirtschaft kann der Relativpreis s als gegeben angesehen werden. Zudem ist die Ausstattung des Aufhollandes mit Humankapital und unqualifizierter Arbeit im Zeitablauf konstant, d. h.: KQ + K = K OQ + OR = O=

(2.54)

Eine e!ziente Faktorallokation erfordert nun, daß zum einen die Grenzprodukte unqualifizierter Arbeit im modernen Industriesektor und im traditionellen Sektor und zum anderen die Grenzprodukte des Humankapitals im modernen Industrieund im Forschungssektor gleich sind, also (1  ) j () KQ O3 Q = sk () und 31 13 j () KQ OQ = s P(1  @W )=

(2.55)

Zur Abbildung der Nachfrageseite des Modells wird eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion X = FQ FR13

(2.56)

unterstellt, wobei FQ und FR die Konsummengen der Güter des modernen Industriesektors und des traditionellen Sektors repräsentieren. Unter Berücksichtigung der Budgetrestriktion FQ + FR = \Q + s\R beträgt dann die optimale Nachfrage nach dem modernen Industrieprodukt: FQ =  (\Q + s\R ) =

(2.57)

Aufgrund seiner Rückständigkeit wird für das betrachtete Aufholland weiterhin angenommen, daß es einen komparativen Vorteil bei der Produktion traditioneller Güter habe und mithin die Importe als P = FQ  \Q = s\R  (1  ) \Q

(2.58)

geschrieben werden können. Es sei aber nicht vollständig auf die Produktion eines Gutes spezialisiert, so daß OQ , OR , KQ und K stets positiv sind. In Gries/Jungblut (1997) wird damit implizit auch die Annahme getroen, daß 34 Durch die Wahl der Produktionsfunktionen ist der Forschungssektor humankapitalintensiver als der moderne Industriesektor.

40

2. Theoretische Erklärungsansätze

Technologien nur auf der Basis von importierten Gütern des modernen Industriesektors imitiert werden, dieses zusätzliche Wissen aber in beiden Produktionssektoren genutzt werden kann. Unter Verwendung der Gleichungen (2.50) bis (2.55) sowie (2.58) ergeben sich dann die optimalen Faktoreinsätze in den drei Sektoren als: OQ OR KQ K

µ

¶3 1 k()  1 = (1  (1  ) s K  O> j()  µ ¶3 1 1 1 k()   +  (1  ) 3   =  (1  ) (1  ) s K+ O> j()  µ ¶1 13 1  k()  3 = (1  ) K  (1  )  s  O und  j() µ ¶1 13 1  k()  3 = K + (1  )  s  O=  j() 1 ) 

3

1 

(2.59)

In Verbindung mit den Gleichungen (2.50) bis (2.52) bilden diese Gleichungen für die optimalen Faktoreinsätze die Grundlage, um den Übergangsprozeß zum Gleichgewichtszustand abzuleiten. Dabei werden alternativ zwei Annahmen für die Technologiediusion unterstellt. Zum einen wird davon ausgegangen, daß imitierte Technologien symmetrisch in beide Produktionssektoren diundieren, zum anderen wird eine asymmetrische Diusion angenommen. Der erste Fall ist analytisch relativ einfach zu handhaben. Bei einer symmetrischen Diusion neu imitierter Technologien sind die Produktivitätsindizes j () und k () lineare Funktionen von  (nämlich  und ), so daß ihr Quotient  ¯ ist. Die Zunahme des technischen Wissens im Aufholland ist eine Konstante  dann: ˙ = # (1  @W ) mit # = * und à 1 ! 13 1   3 ¯ O * = K + (1  )  s    ¶ ½ µ 1 1 31  +  (1  ) 3 ¯ O  (1  )  (1  ) s    K s  µ ¶ 13 1 1 (1  )  3 ¯O ·  s   (1  ) (1  ) K  ¯   ¶13 ) µ 1 1 31 1   ¯ K   = (1  )  (1  ) s3   O 

(2.60)

Wird nun die relative technologische Position als c = @W geschrieben, so ergibt sich durch Ableiten nach der Zeit und anschließendes Einsetzen von Gleichung (2.60) ihre Veränderung als ˙ W c˙ = #c (1  c)  W c> 

(2.61)

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

41

und, wenn eine konstante Wachstumsrate  W für den Wissensbestand des technologisch führenden Landes unterstellt wird, als c˙ = (#   W ) c  #c2 =

(2.62)

Die exakte Lösung dieser Dierentialgleichung unter Verwendung des Startwertes c0 ergibt den Entwicklungspfad der relativen technologischen Position: c= #+

µ

#  W ¶ = #   W 3(#3 W )w h c0

(2.63)

Grundsätzlich lassen sich nun zwei Entwicklungen unterscheiden. Ist #   W , so konvergiert c gegen null. Das Aufholland kann also die technologische Lücke nicht schließen und ein Divergenzprozeß setzt ein. Ist hingegen # A  W , so kommt es zu einem Aufholprozeß. Allerdings kann das zurückliegende Land die technologische Lücke allein im Rahmen dieses Aufholprozesses nicht vollständig schließen. Langfristig verbleibt eine finale Lücke von 1   W @#. In Gries/Jungblut (1997), S. 304, wird dementsprechend geschlußfolgert, daß diese finale Lücke nur geschlossen werden kann, wenn das imitierende zu einem innovativen Land wird. Im zweiten Fall einer asymmetrischen Technologiediusion sind die Parameter  sowie  und mithin auch der Quotient  nicht mehr konstant. Es wird angenommen, daß die sektorale Technologiediusion einer logistischen Funktion folgt, die von der relativen technologischen Position des Aufhollandes c abhängt. Dabei sei es für dieses Land in einer ersten Phase leichter, imitierte Technologien im traditionellen Sektor einzusetzen, und erst in einer zweiten Phase sei es in der Lage, diese modernen Technologien auf breiter Front im modernen Industriesektor zu implementieren.35 Durch diesen asymmetrischen Diusionsprozeß ist in der ersten Phase des Aufholprozesses auch das Produktivitätswachstum im traditionellen Sektor größer als im modernen Industriesektor und in der zweiten Phase umgekehrt. Mithin ist die Funktion  (c) eingipflig mit ½ A 0 wenn c relativ klein ist (Phase 1), 0  (c) = (2.64) ? 0 wenn c relativ groß ist (Phase 2). Da die sich für # ergebene Funktion # =  (c) * ( (c)) sowohl monoton als auch eingipflig sein kann, wobei der eingipflige Fall als der interessantere angesehen wird, und zudem nur schwer zu handhaben ist, verwenden Gries/Jungblut (1997) eine Approximation einer eingipfligen Funktion, die die gewünschten Ei¯ wobei # ¯ A 0 eine Konstante ist. genschaften aufweist: # (c) = c (1  c) + #, Analog zum Vorgehen in den Gleichungen (2.61) und (2.62) ergibt sich dann die Veränderung der relativen technologischen Position des Aufhollandes als c˙ = # (c) c  # (c) c2   W c>

(2.65)

35 Diese Annahme steht nur in eingeschränktem Umfang mit der Beobachtung von Gerschenkron (1962), S. 9, im Einklang, daß sich rückständige Länder in der Vergangenheit bereits in einem relativ frühen Stadium ihrer Industrialisierung auf die Förderung von Wirtschaftszweigen konzentrierten, in denen der technische Fortschritt besonders rasant war.

42

2. Theoretische Erklärungsansätze

und bei Verwendung der Approximation als ¯ 2 + (# ¯   W )c= c˙ = c4  2c3 + (1  #)c

(2.66)

Jedoch läßt sich diese Dierentialgleichung nicht explizit lösen. Es lassen sich aber einige Aussagen über den Entwicklungspfad von c machen. Genauso wie im Fall der symmetrischen Technologiediusion weist c im Falle eines Aufholprozesses einen s-förmigen Verlauf auf und konvergiert gegen eine konstante finale technologische Lücke. Es gibt also auf der aggregierten Ebene keine wesentlichen Unterschiede zwischen einer symmetrischen und einer asymmetrischen Technologiediusion. Allerdings ergeben sich nun einige interessante Implikationen für die strukturellen Anpassungsprozesse innerhalb des Aufhollandes. Da sowohl die Produktion als auch die Faktorallokation unmittelbar von der relativen technologischen Position des rückständigen Landes abhängen, besteht im Aufholprozeß ein permanenter Strukturanpassungsdruck. In der ersten Phase wird bei konstanten Weltmarktpreisen die Produktivität im traditionellen Sektor steigen und der komparative Vorteil dieses Sektors wird ausgebaut. Mit der verstärkten Spezialisierung auf Güter des traditionellen Sektors geht eine Zunahme der Beschäftigung unqualifizierter Arbeit in diesem Sektor und eine Abnahme der Beschäftigung dieses Typs von Arbeit im modernen Industriesektor einher. Gleichzeitig wandert Humankapital (qualifizierte Arbeit) vom modernen Industriesektor in den imitativen Forschungssektor, was den komparativen Vorteil des traditionellen Sektors weiter verstärkt. In der Konsequenz erhöht sich der Parameter # und der Aufholprozeß wird beschleunigt. In der zweiten Phase ergibt sich eine umgekehrte Entwicklung. Die relativen Produktivitätsgewinne des modernen Industriesektors verringern die komparativen Vorteile des Aufhollandes und führen zu einer Umschichtung von unqualifizierter Arbeit in diesen Sektor. Dies führt zu einer Reduktion der Außenhandels- und damit auch der Imitationsmöglichkeiten. Verstärkt wird diese Entwicklung noch dadurch, daß Humankapital vom Forschungs- in den modernen Industriesektor wandert. In der Konsequenz nimmt # ab und der Aufholprozeß verlangsamt sich. Insgesamt — d. h. über den gesamten Verlauf des Aufholprozesses betrachtet — gewinnt der moderne Industriesektor an Gewicht. Die Annahme, daß die Wachstumsrate des Wissensbestandes im Aufholland positiv von der Größe der technologischen Lücke gegenüber dem Wissensbestand W des technologischen führenden Landes abhänge, d. h. daß eine inverse Beziehung zwischen dem Wachstumspotential und dem erreichten Niveau des Wissensbestands bestehe, kann zurecht als realitätsfern angesehen werden, wenn technischer Fortschritt einen kumulativen Charakter hat. Dann ist nämlich die Wahrscheinlichkeit etwas Nützliches zu lernen in den Bereichen wesentlich größer, in denen bereits zuvor schon Wissen akkumuliert wurde.36 In Verspagen (1993) wird dieser kumulative Charakter als „technologische Distanz” in ein Modell der technologi36

Die Hypothese, daß technischer Fortschritt hochgradig kumulativ und damit auch pfadabhängig sei, ist ein zentrales Element der evolutorischen Ökonomik, auf die im Abschnitt 2.4 ausführlicher eingegangen wird.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

43

schen Lücke integriert, indem angenommen wird, daß Imitationen um so schwieriger sind, je größer der Abstand zwischen dem aktuellen Wissensstand des rückständigen Landes und der zu imitierenden Technologie ist. Gemeinsam mit dem Modell in Gries/Jungblut (1997) hat dieses Modell zum einen, daß Ressourcen eingesetzt werden müssen, um die sozialen Fähigkeiten bzw. absorptiven Kapazitäten zu entwickeln, ausländisches Wissen assimilieren zu können, und zum anderen, daß es sowohl zu einem Aufhol- als auch Rückfallprozeß kommen kann. Außer durch die andere Annahme bezüglich des Zusammenhangs zwischen dem Wissensbestand des rückständigen und des technologisch führenden Landes unterscheidet es sich von dem gerade vorgestellten Modell auch durch den gesamten Aufbau der ökonomischen Wirkungszusammenhänge, da in Verspagen (1993) stark auf den Ansatz des exportbasierten Wachstums nach Dixon/Thirlwall (1975) zurückgegrien wird. Dabei wird technologisches Wissen als einzige Determinante des Wachstums berücksichtigt, das sowohl einen direkten Eekt über den vorhandenen Wissensbestand  als auch einen indirekten Eekt über die Exporte, die wiederum das Wachstum begünstigen, auf das Outputwachstum j\ ausübt.37 Konkret wird angenommen, daß die Wachstumsraten des Outputs eines technologisch rückständigen Landes j\ und des technologisch führenden Landes j\ W sich als j\ = j + j[ und j\ W = jW + j[ W

(2.67) (2.68)

ergeben, wobei j bzw. jW die Wachstumsrate des Wissensbestandes des technologisch rückständigen bzw. führenden Landes repräsentiert und j[ bzw. j[ W die entsprechende Wachstumsrate der Exporte. Zudem sind  und  die dazugehörigen Elastizitäten. Die technologische Lücke J wird als Logarithmus des Kehrwertes der in dem Modell in Gries/Jungblut (1997) bereits verwendeten relativen technologischen Position des rückständigen Landes c modelliert, also µ W¶ µ ¶  1 = ln = (2.69) J = ln c  Das Wachstum der Exporte ist nun zum einen direkt von dieser technologischen Lücke und zum anderen — wie im Modell in Dixon/Thirlwall (1975) — vom Wachstum des Einkommens des Restes der Welt j\i abhängig, nämlich j[ = J + j\i und j[ W = J + j\i =

(2.70) (2.71)

Mithin profitiert das technologisch führende Land von der technologischen Lücke, während sie sich auf das Exportwachstum des rückständigen Landes negativ auswirkt. Wären die Wissensbestände in beiden Ländern gleich, so würden die Exporte jeweils mit der Veränderungsrate des Einkommens des Restes der Welt wachsen und die jeweiligen Marktanteile blieben konstant. 37

Zur folgenden Darstellung des Modells vgl. Verspagen (1993), S. 126-143.

44

2. Theoretische Erklärungsansätze

Bei der Festlegung der Veränderungsraten der Wissensbestände wird für beide Länder angenommen, daß sie zum einen durch eine exogene Wachstumsrate des Wissensbestandes  bzw.  W aufgrund eigener Forschungsanstrengungen und zum anderen durch dynamische Lerneekte auf der Basis des Gesetzes von Verdoorn determiniert sind.38 Zusätzlich kann das technologisch rückständige Land seinen Wissensbestand durch internationale technologische Spillovers steigern. Dabei muß allerdings zwischen den potentiellen Spillovers, die sich proportional zur gesamten technologischen Lücke J entwickeln und mithin dJ, 0  d  1, betragen, und den tatsächlichen Spillovers, die das Land aufgrund der von ihm aufgebauten absorptiven Kapazitäten realisieren kann, unterschieden werden. Um die Idee der „technologischen Distanz” bei den tatsächlichen Spillovers zu berücksichtigen, wird unterstellt, daß die Fähigkeit zur Assimilierung von ausländischem technischen Wissen mit der Größe der technologischen Lücke mit einer konstanten Rate 1@ abnimmt, so daß sie als h3J@ geschrieben werden kann. Während also die potentiellen Spillovers monoton mit J wachsen, weist die Funktion der tatsächlichen Spillovers dJh3J@ im Regelfall ein Maximum auf und ist nur in dem Sonderfall, daß  $ 4 strebt, monoton steigend.39 Dabei wird für die Interpretation unterstellt, daß die Abnahmerate 1@ nicht dauerhaft gegeben ist, sondern daß ihr Kehrwert  als Parameter für die tatsächliche Fähigkeit zur Assimilierung ausländischer Wissensspillovers eine Politikvariable ist, die z. B. durch Investitionen in Infrastruktur, Bildung usw. beeinflußt werden kann. Somit kann die Veränderungsrate des Wissensbestandes für das technologisch rückständige bzw. führende Land als j =  + j\ + dJh3J@ bzw. jW =  W + j\ W

(2.72) (2.73)

geschrieben werden, wobei  die Verdoorn-Lernrate ist, für die der Einfachheit halber unterstellt wird, daß sie in beiden Ländern gleich sei. Die Gleichungen für das Outputwachstum können nun gelöst werden, indem die Gleichungen (2.70) und (2.72) in Gleichung (2.67) und die Gleichungen (2.71) und (2.73) in Gleichung (2.68) eingesetzt werden, so daß man    d  J+ j\ + Jh3J@ und 1   1   1   i 1      W + J+ = j\ 1   1   1   i

j\ = j\ W

(2.74) (2.75)

erhält. Um zu gewährleisten, daß die durch den Verdoorn-Koe!zienten  und den Technologiekoe!zienten  verursachte kumulative Kausalität nicht so stark wird, daß das System „explodiert”, wird angenommen, daß  ? 1 sei.40 Die 38

Zur Wirkung des Gesetzes von Verdoorn vgl. Abschnitt 2.2.1. Der Fall, daß dJhJ@ monoton fällt, kann aufgrund des zugrunde liegenden Konzepts der „technologischen Distanz” ausgeschlossen werden. 40 Eine ähnliche Annahme wird auch im ursprünglichen Modell exportbasierten Wachstums getroen, um eine Konvergenz zu einer Gleichgewichtswachstumsrate zu gewährleisten (vgl. Abschnitt 2.2.1). 39

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

45

Wachstumsdierenz zwischen dem technologisch führenden und dem rückständigen Land ist dann j\ W  j\ =

 2 d ( W  ) + J Jh3J@ = 1   1   1  

(2.76)

Sie ist sowohl eine Funktion der Dierenz der exogenen Wachstumsraten der jeweiligen Wissensbestände aufgrund eigener Forschungsanstrengungen als auch der technologischen Lücke zwischen den beiden Ländern. Als letzter Schritt wird die Veränderung der technologischen Lücke bestimmt, indem Gleichung (2.69) nach der Zeit abgeleitet wird und anschließend die Gleichungen (2.72), (2.73) und (2.76) eingesetzt werden. Sie lautet: J˙ = jW  j =

1 2 d ( W  ) + J Jh3J@ = 1   1   1  

(2.77)

Bereits auf den ersten Blick ist ersichtlich, daß die technologische Lücke sich genau dann nicht verändert, wenn die realisierten Spillovers der Dierenz zwischen den exogenen Wachstumsraten der Wissensbestände aufgrund eigener Forschungsanstrengungen und den Verdoorn-Eekten entsprechen, also  W   + 2J = dJh3J@ =

(2.78)

Ausgehend von diesem Quasi-Gleichgewichtszustand läßt sich in einem Phasendiagramm die Dynamik der technologischen Lücke analysieren. Dazu werden die ˙ beiden Seiten der Gleichung (2.78) getrennt in einem JJ-Koordinatensystem abgetragen. Für die linke Seite ergibt sich eine Gerade mit dem Absolutglied  W   und einem Steigungskoe!zienten 2. Die Kurve für die rechte Seite startet bei J = 0 im Ursprung des Koordinatensystems, steigt dann an bis zu ihrem Maximum Jd@h bei J =  und strebt dann mit J $ 4 gegen null. Abhängig von den gewählten Parameterwerten hat die Gerade für die linke Seite entweder keinen, ein oder zwei Schnittpunkte mit der Kurve für die rechte Seite. Diese Möglichkeiten sind in Abbildung 2.2 dagestellt, wobei die Verschiebung der dJh3J@ -Kurve durch unterschiedliche Werte für 1@ mit 1@ 1 A 1@2 A 1@ 3 verursacht wird.41 Im ersten Fall ist die tatsächliche Fähigkeit zur Assimilierung ausländischen Wissens mit  1 so gering, daß die technologische Lücke beständig zunimmt. Im zweiten Fall existiert mit dem Tangentialpunkt von  W  +2J und dJh3J@2 ein Gleichgewicht, das allerdings nur zur linken Seite stabil ist. Befindet sich ein Land in diesem Gleichgewichtspunkt, so wird es bei einer Bewegung auf der Kurve der realisierten Spillovers nach links wieder in das Gleichgewicht zurückkehren, während die technologische Lücke bei einer marginalen Bewegung nach rechts dauerhaft wächst. Im dritten Fall gibt es für  3 zwei Gleichgewichtspunkte, wobei aber nur der linke stabil ist, weil hier eine Abweichung zu beiden Seiten stets wieder in das Gleichgewicht zurückführt. Beim rechten Gleichgewichtspunkt führt eine Bewegung nach rechts zu einer andauernden Vergrößerung der technologischen Lücke, während eine Bewegung nach links das rückständige Land in 41

Abbildung 2.2 orientiert sich an Verspagen (1993), S. 133.

46

2. Theoretische Erklärungsansätze G

E *  E  2J]O G

aGe  G / G 3 aGe  G / G 2

E*  E aGe  G / G 1

G

Abbildung 2.2: Dynamik der technologischen Lücke nach Verspagen (1993)

den linken Gleichgewichtspunkt führt. In Verspagen (1993), S. 133, wird dieser Umstand als Möglichkeit angesehen, eine Pfadabhängigkeit bzw. Hysteresis im Modell zu erfassen, weil das technologisch rückständige Land, abhängig davon, ob es links oder rechts vom rechten Gleichgewichtspunkt startet, entweder aufholen oder zurückfallen kann. Zusammengefaßt zeigt das Modell, daß die Entwicklung der technologischen Lücke zum einen von der tatsächlichen absorptiven Fähigkeit des rückständigen Landes und zum anderen von der anfänglichen Größe der Lücke abhängt. Technologisch aufholen können Länder mit einer hohen Absorptionsfähigkeit und einer anfänglich geringen technologischen Lücke, während Länder, die diese beiden Eigenschaften nicht aufweisen, stärker der Gefahr ausgesetzt sind, zurückzufallen. Zudem kann genauso wie beim Modell in Gries/Jungblut (1997) die technologische Lücke nicht allein durch Imitationen vollständig geschlossen werden. Beim Modell in Verspagen (1993) müßten dafür die exogenen Wachstumsraten der Wissensbestände aufgrund eigener Forschungsanstrengungen  W und  langfristig gleich sein. Aufgrund des positiven Steigungskoe!zienten in  W   + 2J muß sogar zuvor vorübergehend  A  W sein, damit ein kompletter technologischer Aufholprozeß stattfinden kann. In Verspagen (1993), S. 135-136, werden auch die aus dem Modell resultierenden Politikimplikationen dargestellt. Ein weit zurückliegendes Land muß für einen erfolgreichen Aufholprozeß zunächst eine „Vor-Aufholphase” durchlaufen, in der es seine tatsächlichen Fähigkeiten zur Assimilierung ausländischen technischen Wissens auf- und/oder ausbaut. Formal im Rahmen von Abbildung 2.2 gesprochen bedeutet dies, daß es  z. B. von 1 auf  3 erhöht und sich somit auf der oberen der drei Kurven bewegt. Damit dies gelingt, muß durch Politikmaßnahmen wie z. B. einerseits Investitionen in Bildung und Infrastruktur und andererseits die Schaung oder Förderung von Organisationen, die die Akteure bei dem Assimilierungsprozeß sind, und Institutionen, die die Spielregeln für die Akteure darstellen, ein für Imitationsprozesse dienliches nationales Innova-

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

47

tionssystem in dem zurückliegenden Land aufgebaut werden.42 Dabei spielt die Zeit gegen das zurückliegende Land, weil es auf der Kurve dJh3J@3 einen Punkt links vom rechten Gleichgewichtspunkt erreichen muß. Erst in der nachfolgenden Phase kann der eigentliche Aufholprozeß stattfinden, bei dem sich das Land auf der dritten Kurve in den linken Gleichgewichtspunkt bewegt und die allein durch die Assimilierung kleinstmögliche technologische Lücke erreicht. Will das Land anschließend die technologische Lücke vollkommen schließen, muß es in einer „Nach-Aufholphase” — wie bereits angesprochen — seine im Modell exogen gegebene Wachstumsrate des Wissensbestandes aufgrund eigener Forschungsanstrengungen soweit steigern, daß sie zeitweilig höher als die des führenden Landes ist. Wäre sie langfristig höher, würde es das führende Land überholen und dieses würde nun zum Aufholland. Aus ökonomischer Sicht interessiert natürlich auch die Frage, ob die Dierenz des Outputwachstums zwischen den beiden Ländern negativ sein kann, d. h. ob der Output des aufholenden Landes schneller wachsen kann als der des führenden Landes. Aufgrund der gegenläufigen Wirkungen des direkten Wachstumseekts des technologischen Wissens und des indirekten Eekts über die Exporte kann diese Frage nicht allgemeingültig beantwortet werden. Da der zweite Eekt positiv von der Größe der Technologielücke abhängt, kann die Dierenz des Outputwachstums positiv bleiben, obwohl das zurückliegende Land ein höheres Produktivitätswachstum erzielt. Modellimmanent hängt das Vorzeichen der Outputwachstumsdierenz von den Werten für die Parameter  (dem direkten Wissenseekt) und  (dem kombinierten Eekt aus dem Wirken des Gesetzes von Verdoorn und dem Zusammenhang zwischen Technologie und Wachstum) ab. Holt das Land ausgehend von einem Punkt links vom rechten Gleichgewichtspunkt auf, so wird die Wachstumsdierenz zunächst negativ werden, weil der direkte Wissenseekt den exportbasierten Eekt dominiert. Überschreitet das Land das Maximum der Kurve für  3 , so kann es sein, daß der exportbasierte Eekt wieder dominiert und die Wachstumsdierenz positiv ist. Da die Parameter  und  im Modell exogen vorgegeben sind, kann das aufholende Land die Wachstumsdierenz nur für den Politikparameter  beeinflussen, d. h. mit dem Ausbau der Fähigkeit zur Assimilierung ausländischen Wissens kann es nicht nur einen Aufholprozeß beim technologischen Wissen sondern — zumindest zeitweise — auch beim Wachstum initiieren. Zusammengefaßt zeigt das Modell, daß ein technologischer Aufholprozeß nicht automatisch einen Aufholprozeß beim Outputwachstum impliziert. Damit zweiterer zumindest zeitweilig stattfinden kann, darf der über den Außenhandel modellierte Niveaueekt der technologischen Lücke nicht zu stark sein. Abschließend wird in Verspagen (1993), S. 139-142, untersucht, wie sich die Modellaussagen ändern, wenn einzelne Parameter des Modells restringiert werden, wenn also die Anzahl der dynamischen Beziehungen reduziert wird. Konkret werden vier Restriktionen betrachtet: 42 Diese Schlußfolgerung wird nicht in Verspagen (1993) gezogen, ergibt sich aber unmittelbar aus den dort vorgestellten Überlegungen. Auf das Konzept der nationalen Innovationssysteme wird ausführlicher im Abschnitt 2.4.3 eingegangen.

48

2. Theoretische Erklärungsansätze

1. Unendliche Fähigkeit zur Assimilierung von Wissensspillovers ( $ 4): In diesem Fall ergibt sich für die Veränderung der technologischen Lücke und für die Dierenz des Outputwachstums: 1 ( W  ) + 1     j\ = ( W  ) + 1   J˙ =

j\ W

2  d J und 1   2  d J= 1  

(2.79) (2.80)

Damit es zu einem Aufholprozeß kommt, muß die Rückwirkung der technologischen Lücke auf die Wissensspillovers größer sein als auf den Außenhandel, also 2 ? d. Ist diese Situation gegeben, existiert für die ganze Spannweite von J ein stabiler Gleichgewichtspunkt, da nun die vormals eingipflige Funktion für die Wissensspillovers eine Gerade mit einer positiven Steigung und die Funktion für die Dierenz der exogenen Wachstumsraten der Wissensbestände eine waagerechte Linie ist. Unabhängig davon, wo das Land seinen Aufholprozeß startet, wird es stets den Schnittpunkt dieser beiden Funktionen erreichen. Damit ist bei dieser Parameterkonstellation ein Rückfall- oder Stagnationsprozeß ausgeschlossen. Gleichzeitig konvergiert dann auch die Wachstumsdierenz gegen eine Konstante. 2. Keine direkte Verbindung zwischen technologischem Wissen und Outputwachstum ( = 0): Nun erhält man:

j\ W

J˙ = ( W  ) + 2J  dJh3J@ und  j\ = 2J=

(2.81) (2.82)

Durch diese Annahme ändert sich die Dynamik der technologischen Lücke nicht wesentlich. Aber es können nun keine negativen Outputwachstumsdifferenzen zwischen dem technologisch führenden und dem zurückliegendem Land auftreten, d. h. unabhängig vom Stand des Aufholprozesses ist das Wachstum im zurückliegenden Land immer geringer. 3. Keine Verbindung zwischen Exporten und Outputwachstum ( = 0): Dann ist: 1 d ( W  )  Jh3J@ sowie 1   1    d ( W  )  Jh3J@ ,  j\ = 1   1   J˙ =

j\ W

(2.83) (2.84)

und nach Einsetzen von Gleichung (2.83) in Gleichung (2.84) ergibt sich: ˙ j\ W  j\ = J=

(2.85)

Die Dynamik der technologischen Lücke bleibt zwar im wesentlichen gleich, aber die Gerade für die Dierenz der exogenen Wachstumsraten der Wissensbestände ist jetzt eine horizontale Linie, weil der indirekte exportbasierte Eekt entfällt, und das Land wird immer dann aufholen, wenn seine

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

49

tatsächliche absorptiven Fähigkeit größer ist als diese Dierenz. Mithin ist beim Wegfall dieses indirekten Eekts ein Aufholen leichter möglich, weil — im Kontext von Abbildung 2.2 gesprochen — der rechte Schnittpunkt nun weiter rechts liegt. Gleichzeitig führt dieser Wegfall auch dazu, daß die Differenz des Outputwachstums mit einer Abnahme der technologischen Lücke negativ ist, d. h. der Output des technologisch aufholenden Landes wächst immer stärker als der Output des führenden Landes. 4. Wegfall des Verdoorn-Eekts ( = 0): Jetzt ergibt sich:

j\ W

J˙ =  W    dJh3J@ und  j\ =  ( W  ) + 2J  dJh3J@ =

(2.86) (2.87)

Wie im vorherigen Fall ist die Dierenz der exogenen Wachstumsraten der Wissensbestände nun eine horizontale Linie, so daß auch beim Wegfall des Verdoorn-Eekts ein Aufholen leichter möglich ist. Allerdings kann nun wieder die Wachstumsdierenz positiv sein, wenn der indirekte exportbasierte Eekt den direkten Wissenseekt dominiert. Mithin ändern die Restriktionen zwar einzelne Dynamiken, aber die Kernaussage des Modells hat weiterhin Bestand: Unter der Annahme, daß die „technologische Distanz” die Fähigkeit zur Assimilierung technologischer Spillovers wesentlich bestimmt, ist der anfängliche Umfang der technologischen Lücke und die tatsächliche Fähigkeit zur Assimilierung von Wissensspillovers dafür entscheidend, ob ein technologisch zurückliegendes Land aufholt oder zurückfällt. Allerdings führt nur der Fall, daß keine Verbindung zwischen Exporten und Outputwachstum besteht, dazu, daß im Falle eines Aufholprozesses sein Output zwingend schneller wächst als der des führenden Landes. Bei anderen Modellkonstellationen kann dies sein, muß es aber nicht. Sowohl im Modell von Gries/Jungblut (1997) als auch von Verspagen (1993) liegt das Hauptaugenmerk auf den Aufholchancen zurückliegender Länder. Dagegen wird in Krugman (1985) ein einfaches komparativ-statisches Modell vorgestellt, das auch die Auswirkungen einer Veränderung der technologischen Lücke auf das fortgeschrittenere (führende) Land einbezieht. In diesem Modell wird angenommen, daß die Länder nach ihrem technologischen Niveau und die Güter nach ihrer Technologieintensität geordnet werden können. Dabei hat ein Land auf einem höheren technologischen Niveau stets einen Produktivitätsvorteil bei den jeweils technologieintensiveren Gütern. Mithin ergibt sich ein Spezialisierungsmuster, bei dem jedes Land eine „Nische” auf der Skala der nach ihrer Technologieintensität geordneten Güter besetzt, die um so höher liegt, je höher das Land auf der Technologieleiter positioniert ist. Für den Fall von zwei Ländern wird das Modell durch die rudimentäre Berücksichtigung der Nachfrageseite geschlossen. Es wird gezeigt, daß von einer Vergrößerung der technologischen Lücke sowohl das technologisch führende als auch das zurückliegende Land profitiert, während bei einer Verringerung der technologischen Lücke das führende Land eine Verschlechterung seiner Realeinkommensposition erfahren kann. Dies geschieht dann, wenn die Verluste aufgrund der verschlechterten Terms of Trade gegenüber Gütern mit

50

2. Theoretische Erklärungsansätze

niedriger Technologieintensität größer sind als die Erträge aufgrund der gesunkenen Preise für Güter mit mittlerer Technologieintensität. Ist die technologische Lücke bereits klein, so schädigt eine weitere Reduktion auf jeden Fall das führende Land. Diese Asymmetrie der Wirkung von technischem Fortschritt in dem führenden Land (Vergrößerung der technologischen Lücke) und in dem zurückliegenden Land (Verringerung der Lücke bzw. Aufholprozeß) rührt daher, daß der technische Fortschritt gegenüber den technologieintensiven Gütern bzw. Sektoren verzerrt ist, die gleichzeitig die Exportsektoren des führenden Landes sind. Somit ist er in dem führenden Land gegenüber Gütern verzerrt, die das zurückliegende Land nicht herstellt, während er in dem zurückliegenden Land dazu führt, daß es mit (einigen) Exportgütern des führenden Landes konkurrieren kann (Krugman, 1985, S. 47). Choudhri/Hakura (2000) greifen auf das Modell aus Krugman (1985) zurück, geben aber die Annahme auf, daß jedes Land auf ein bestimmtes Segment der nach ihrer Technologieintensität geordneten Güter spezialisiert ist, also ein fortgeschrittenes Land sich in allen Sektoren stets auf einem höheren technologischen Niveau befindet. Vielmehr erlauben sie, daß die technologischen Lücken nicht nur über die Länder, sondern auch über die Sektoren variieren. Durch diese Verallgemeinerung kann einerseits unmittelbar der Zusammenhang zwischen Wachstum, Konvergenz und Spezialisierung hergestellt werden, andererseits gelten die abgeleiteten Implikationen damit für Länder auf beliebigen Entwicklungsstufen. Um dies zu zeigen, sei DWp (w) die totale Faktorproduktivität im Sektor p, die sich bei Verwendung der „Best-Practice”-Technologie ergibt und sie wachse mit einer konstanten Rate  p , so daß DWp (w) = h p w

(2.88)

ist. Dabei wird angenommen, daß Hochtechnologiesektoren höhere Wachstumsraten als Sektoren aufweisen, die einfache Technologien nutzen. Genauso wie in Krugman (1985) wird angenommen, daß es unterschiedlich lange Zeit dauert, bis sich die verschiedenen Länder die „Best-Practice”-Technologie angeeignet haben, so daß sich die totale Faktorproduktivität in dem Sektor p im Land q gemäß Dpq (w) = h p (w3Jpq )

(2.89)

entwickelt, wobei Jpq die sektorale technologische Lücke des Landes p ist, die wie zuvor bei den anderen Modellen der technologischen Lücke bei dem in diesem Sektor führenden Land gleich null ist, nun aber als Zeitverzögerung definiert wird. Zudem ist die Wachstumsrate von Dpq (w): ³ ´ (2.90) jDpq =  p 1  J˙ pq = Langfristig ist die Zeitverzögerung, mit der „Best-Practice”-Technologien absorbiert werden, zwar konstant, so daß dann die Wachstumsrate der totalen Faktorproduktivität in jedem Sektor der des jeweils technologisch führenden Landes entspricht; in der Übergangsphase kann jedoch die Verzögerung zu- oder abnehmen, und die totale Faktorproduktivität in einem Sektor p und einem Land q

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

51

kann langsamer oder schneller wachsen als die korrespondierende sektorale totale Faktorproduktivität in dem Land, das die „Best-Practice”-Technologie einsetzt. In Choudhri/Hakura (2000) wird nun angenommen, daß wirtschaftliche Oenheit die Assimilierung von Technologien erleichtere, und mithin die technologische Zeitverzögerung eine — der Einfachheit halber für alle Länder gleiche — Funktion der Oenheit ist, also Jpq = ip (ypq ) >

(2.91)

wobei ypq ein Index für die Oenheit des Landes q im Sektor p ist, und es sei 0 ip (ypq ) ? 0. Als Begründung dafür, daß wirtschaftliche Oenheit den Transfer von Technologien erleichtere, werden drei Standardargumente angeführt. Zwei beziehen sich auf den intrasektoralen Technologietransfer, der stark vom intrasektoralen Handel abhänge: Zum einen würden vermehrte Kontakte mit ausländischen Handelspartnern zu einer beschleunigten Transmission von technologischem Wissen beitragen, und zum anderen erleichtere die größere Verfügbarkeit von ausländischen Produkten die Imitation. Zusätzlich könne der Handel in einem Sektor über die sektoralen Verflechtungen Produktivitätsfortschritte in anderen Sektoren ermöglichen. Ferner gehen die Autoren davon aus, daß die technologischen Lücken in Sektoren, die einfache Technologien nutzen und mithin annahmegemäß auch geringe Wachstumsraten der totalen Faktorproduktivität aufweisen, bereits recht klein sind, so daß wirtschaftliche Oenheit wenig zu einer weiteren Verringerung beitragen kann. Dagegen würden bei technologieintensiveren Sektoren mit höheren Wachstumsraten zwei gegenläufige Kräfte wirken: Zum einen verfügten sie über ein größeres Potential für einen Technologietransfer über den Außenhandel, zum anderen dürfte es für zurückliegende Länder aber auch schwieriger sein, diese komplexeren Technologien zu assimilieren. Mithin kann a priori nicht eindeutig gesagt werden, wie sich die Oenheit auf das Wachstum eines Sektors am oberen Ende der Technologieskala auswirkt. Aufgrund der Annahmen zum Wachstum der sektoralen Faktorproduktivitäten lassen sich in diesem Modell auch Aussagen über die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten ableiten. Die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate der totalen Faktorproduktivität eines Landes q ist der gewichtete Durchschnitt der sektoralen Wachstumsraten: X jDq = vpq jDpq > (2.92) p

wobei vpq der Outputanteil des Sektors p im Land q ist. Durch Einsetzen der Gleichungen (2.90) und (2.91) erhält man: X X 0 jDq = vpq  p  vpq  q ip (ypq ) y˙ pq = (2.93) p

p

Der erste Term auf der rechten Seite dieser Gleichung gibt die langfristige gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate der totalen Faktorproduktivität wieder. Es ist ersichtlich, daß die Wachstumsraten zwischen den Ländern nicht konvergieren können, wenn die Länder unterschiedliche sektorale Outputanteile aufweisen.

52

2. Theoretische Erklärungsansätze

Vielmehr wird die totale Faktorproduktivität eines Land, das auf Sektoren spezialisiert ist, die einfache Technologien nutzen, langfristig stets langsamer wachsen als die totale Faktorproduktivität eines Landes, das auf Hochtechnologiesektoren spezialisiert ist. Der zweite Term erfaßt die transitorischen Dynamiken, die aus den Variationen der technologischen Zeitverzögerungen aufgrund der sich verändernden Oenheitsgrade der einzelnen Sektoren resultieren. Folgt man den Annahmen von Choudhri/Hakura (2000), so würde hiernach eine zunehmende Oenheit von Sektoren mit einer geringen Wachstumsrate der totalen Faktorproduktivität bei Verwendung der „Best-Practice”-Technologie nur geringe kurzfristige Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum haben.

2.3.2

Technologische Lücke, Außenhandel und Produktzyklus

Die im letzten Abschnitt vorgestellten Modelle stellten vor allem auf die Einkommens- und Wachstumswirkungen der technologischen Lücke in den zurückliegenden und führenden Ländern ab. Es gibt aber auch eine Gruppe von theoretischen Ansätzen, bei denen eine technologische Lücke der Anlaß für einen Außenhandel ist. So untersucht Posner (1961), ob und wie vorübergehende technologische Lücken in einzelnen Industriezweigen einen Handel von Gütern des Verarbeitenden Gewerbes zwischen entwickelten Ländern mit ansonsten sehr ähnlichen allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen erklären können. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, daß neue Produkte nicht gleichzeitig in allen Ländern auftauchen, sondern daß der Anlaß für ihre Einführung vielmehr häufig darin besteht, einem Unternehmen für eine bestimmte Zeit ein Quasi-Monopol zu sichern. In dieser Zeit gibt es einen Anlaß für einen Außenhandel, der unabhängig von den üblichen Gründen für einen komparativen Kostenvorteil ist, und er währt so lange, bis die Unternehmen in anderen Ländern diese Innovation imitiert haben. Das gleiche gilt natürlich auch für Prozeßinnovationen (vgl. Posner, 1961, S. 323-324). Da Posner (1961) mit seinem Ansatz temporärer technologischer Lücken zwischen entwickelten Ländern eine zusätzliche Erklärung für einen Außenhandel neben der Ricardo- und Heckscher-Ohlin-Begründung liefern will, behält er mit Ausnahme der Annahme, daß in den handeltreibenden Ländern vollständige Konkurrenz auf den Gütermärkten herrsche, die anderen fünf im Abschnitt 2.1.2.2 bereits aufgeführten Annahmen bei, durch die jeweils ein Anlaß für einen Außenhandel entsteht, wenn eine von ihnen aufgehoben wird. Zusätzlich führt er jedoch zwei weitere Annahmen ein. Erstens sind die temporären Wissensvorsprünge zwischen den Ländern industriespezifisch, d. h. für einen Industriezweig können vorübergehend große Unterschiede beim technischen Wissen bestehen, während die gesamtwirtschaftlichen Unterschiede bei den relativen Faktorausstattungen sehr klein sind (Posner, 1961, S. 325). Zweitens existieren alle Industriezweige in allen Ländern, auch wenn Dierenzen beim technischen Wissen zu Unterschieden bei den Produkten und Prozessen bei zwei (gleich bezeichneten) Industriezweigen in verschiedenen Ländern führen. Durch diese Annahme wird gewährleistet, daß die für eine Imitation notwendige Lernperiode endlich lang ist, denn gäbe es einen Industriezweig in einem Land nicht, so wäre bei einer ausländischen Innovation

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

53

die Lernperiode in diesem Land unendlich lang. Gleichzeitig wird dabei vorausgesetzt, daß Unternehmen eines Industriezweigs nicht den Output eines anderen produzieren können (Posner, 1961, S. 326). Durch den Rückgri auf die üblichen Annahmen der traditionellen Außenhandelstheorie wird in Posner (1961), S. 329, zwar auch die Möglichkeit statischer Skalenerträge ausgeschlossen, d. h. die Stückkosten sinken nicht mit der aktuellen Produktionsmenge, aber mit Blick auf die Quellen des technischen Fortschritts führt er das Konzept der dynamischen Skalenerträge ein, wonach Stückkosten senkender technischer Fortschritt dadurch entsteht, daß ein Unternehmen auf seine gesamten Erfahrungen in der Produktion zurückgreifen kann. Damit hat dieses Konzept eine große Ähnlichkeit mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit, das bereits bei der Diskussion der Modelle von Fiorillo (2001) und Verspagen (1993) angesprochen wurde, und das zentraler Bestandteil der evolutorischen Ökonomik ist, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Daneben kann einerseits ein Unternehmen auch ohne Rückgri auf seine bisherigen Erfahrungen Innovationen hervorbringen (zufälliger technischer Fortschritt) und andererseits kann der technische Fortschritt auch einfach im Zeitablauf anfallen und dabei alle Unternehmen gleich begünstigen. Je nach der Art des technischen Fortschritts können die sich aus der technologischen Lücke ergebenden komparativen Vorteile stabil oder instabil sein (Posner, 1961, S. 329-330). Führt nun vor dem Hintergrund dieser Annahmen ein Unternehmen in einem Land ein neues Produkt ein, dessen Nachfrage die Nachfrage für ein altes Produkt ersetzt, so sehen die Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges in einem anderen Land ihren inländischen Markt bedroht. Auf diese Bedrohung können sie mit Imitation reagieren oder sie müssen letztlich diesen Markt verlassen. Die Zeit, die im internationalen Kontext bis zur Einführung der Imitation verstreicht (die internationale Imitationsverzögerung) und die dem ausländischen Unternehmen eine Möglichkeit für Exporte bietet, setzt sich aus drei Komponenten zusammen: 1. der ausländischen Reaktionsverzögerung, d. h. der Zeit, die zwischen der erfolgreichen Einführung der Innovation durch ein Unternehmen im Ausland und der Wahrnehmung durch inländische Unternehmen vergeht, daß eine ausländische Konkurrenz für ihr Produkt entstanden ist (Veränderung des Wettbewerbs zwischen dem in- und ausländischen Wirtschaftszweig); 2. der inländischen Reaktionsverzögerung, d. h. der Zeit, die verstreicht, bis ein inländisches Unternehmen auf die Veränderung der Konkurrenzsituation innerhalb seines inländischen Wirtschaftszweigs reagiert; und 3. der Lernperiode, in der ein inländisches Unternehmen die neue ausländische Technologie imitiert. Als möglicher Gegeneekt ist eine Nachfrageverzögerung aufgrund der Separierung der nationalen Märkte zu berücksichtigen, die daraus resultiert, daß die inländische Nachfrageseite das angebotene ausländische Gut für einen gewissen Zeitraum nicht als perfektes Substitut für das inländische Produkt ansieht.43 Ist 43

Zu den einzelnen Verzögerungen und ihren Wirkungen vgl. Posner (1961), S. 332-333.

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2. Theoretische Erklärungsansätze

dieser Eekt ungefähr genauso groß wie die ausländische Reaktionsverzögerung, so reagieren die Unternehmen nur auf den tatsächlichen Umfang der ausländischen Konkurrenz. Ist er größer, so löst bereits eine potentielle ausländische Konkurrenz eine Reaktion aus. Sollte der Gegeneekt aber größer sein als die drei Komponenten der internationalen Imitationsverzögerung, kommt es zu keinem Außenhandel. Zur Ermittlung der Netto-Imitationsverzögerung ist deshalb die Nachfrageverzögerung von der internationalen Imitationsverzögerung abzuziehen. Sowohl die absolute Länge der Brutto-Imitations- und der Nachfrageverzögerung als auch ihr Verhältnis zueinander dürften je nach Wirtschaftszweig unterschiedlich sein (vgl. Posner, 1961, S. 334-335). So lange eine Imitation durch die inländischen Unternehmen eines Wirtschaftszweigs noch nicht erfolgt ist, kommt es zu einem einseitigen Handel, was bei unvollkommenen internationalen Kapitalmärkten zu einem Zahlungsbilanzproblem führt, das in Posner (1961), S. 334, annahmegemäß durch eine Währungsabwertung des Inlandes gelöst wird.44 Geht man nun einen Schritt weiter, so muß eine temporäre technologische Lücke kein einmaliges Ereignis sein, sondern es ist vorstellbar, daß das Ausland nach Ablauf der Netto-Imitationsverzögerung eine Innovation in einem anderen Wirtschaftszweig hervorbringt, so daß der gleiche Prozeß abermals in Gang gesetzt wird. Diese Entwicklung kann beliebig fortgeschrieben werden. Wahrscheinlicher als solch eine Konzentration der Innovationstätigkeit auf das Ausland ist aber, daß das Inland ebenfalls in bestimmten Wirtschaftszweigen Innovationen hervorbringt und mithin das Ausland zu Imitationen zwingt, so daß es zu einem zweiseitigen Handel kommt. Nimmt man den Ausnahmefall an, daß die Netto-Verzögerung in einem Wirtschaftszweig und die Bedeutung der Innovationen für alle Industriezweige und beide Länder gleich seien, so kann allein durch temporäre technologische Lücken ein ausgeglichener Handel dauerhaft bestehen. Im allgemeineren Fall unterschiedlicher Imitationsverzögerungen und unterschiedlicher Bedeutung der einzelnen Innovationen wird hingegen im Regelfall ein Land in einer bestimmten Periode dynamischer sein als das andere und bei dem Handel, der nur durch Innovationen verursacht ist, einen Netto-Überschuß realisieren. Das weniger dynamische Land muß dann über Abwertungen, durch die alle Güter des Inlandes für das Ausland billiger werden, eine Handelbarkeit seiner statischen Güter, d. h. der Güter, die in beiden Ländern produziert werden können, erreichen (Posner, 1961, S. 337).45 Abschließend wird in Posner (1961), S. 338-341, die Frage betrachtet, bei welcher Art von technischem Fortschritt erwartet werden kann, daß die komparativen Vorteile und damit auch die Handelsmuster stabil sind. Der wahrscheinlichste Kandidat hierfür ist ein technischer Fortschritt, der auf dynamischen Skalenerträgen beruht, denn er führt zu Anhäufungen von Innovationen entweder in einem Wirtschaftszweig oder in einem Technikfeld, das für mehrere Wirtschaftszwei44

Bei der Argumentation wird der Einfachheit halber vom Zwei-Länder-Fall (Inland und Ausland) ausgegangen. 45 Posner (1961), S. 337, beschreibt diese Situation metaphorisch als: „the dynamic tail wags the static dog”.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

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ge von Bedeutung ist. Es gibt dann gewissermaßen eine „Autokorrelation” der Innovationen. Aber auch zufällig generierte Innovationen können zu stabilen komparativen Vorteilen und Handelsmustern führen, wenn der durch sie entstandene zeitweilige Vorteil durch verstärkte Investitionen zu einem dauerhaften Vorteil ausgebaut werden kann. Insofern ist die erste Innovation in einem Wirtschaftszweig oder Technikfeld von Bedeutung, weil sie einen kumulativen Prozeß auslösen kann, bei dem über die Anhäufung von Investitionen die Fortschrittsrate erhöht wird, was wiederum zu einer Anhäufung von Innovationen führen kann. Dagegen kann ein allein von der Zeit abhängiger technischer Fortschritt, der alle Unternehmen gleich begünstigt, spontane Veränderungen etablierter Positionen auf den internationalen Märkten bewirken. Der Ansatz von Posner (1961) liefert also basierend auf dem Konzept temporärer technologischer Lücken eine Begründung für den Handel von unterschiedlichen Produkten, die in sehr ähnlichen Industrien hergestellt werden, der nicht durch den Heckscher-Ohlin-Ansatz erklärt werden kann. Noch einen Schritt weiter geht Burenstam-Linder (1961), der den Heckscher-Ohlin-Ansatz nur für die Analyse des Handels mit Rohstoen als geeignet ansieht (Burenstam-Linder, 1961, S. 8687). Beim Handel mit Gütern des Verarbeitenden Gewerbes sei hingegen die Menge der exportfähigen Güter grundsätzlich durch die inländische Nachfrage bestimmt: „It is a necessary, but not a su!cient, condition that a product be consumed (or invested) in the home country for this product to be a potential export product” (Burenstam-Linder, 1961, S. 87). Diese Nachfrage muß repräsentativ und auf das Produkt zu den geltenden Weltmarktpreisen bezogen sein. Als Begründung für seine Annahme führt Burenstam-Linder (1961), S. 88-89, zum einen an, daß Unternehmer auf die Gewinnmöglichkeiten reagieren, derer sie gewahr werden, und diese dürften mit großer Wahrscheinlichkeit auf inländischen Bedürfnissen beruhen. Erst wenn der inländische Absatz an seine Grenzen stößt und der Unternehmer dann weitere Gewinnmöglichkeiten im Ausland sieht, wird er auch für die ausländische Nachfrage produzieren. Exporte sind also in der Regel nicht der Beginn sondern das Ende einer Marktexpansion, bei dem ein Unternehmen das Netz seiner ökonomischen Aktivitäten über die nationalen Grenzen hinweg ausdehnt. Zum anderen sei eine inländische Nachfrage notwendig, wenn die Produktion eines Gutes auf einer Erfindung beruhe, weil solch eine Erfindung meistens das Ergebnis einer Anstrengung sei, um ein Problem zu lösen, das vom Erfinder in der eigenen Umgebung wahrgenommen werde. Damit sei die Ausbeutung der Erfindung auch in der ersten Phase an den Heimatmarkt gebunden. Zudem erfordere die Einführung eines neuen Produkts häufig einen engen Feedback-Prozeß zwischen Produzenten und Konsumenten, der sich am einfachsten auf dem vertrauten Inlandsmarkt bewerkstelligen lasse. Somit sei es insgesamt unwahrscheinlich, daß ein Unternehmen ein Gut mit einem komparativen Vorteil herstelle könne, wenn es keinen repräsentativen inländischen Markt dafür gibt. Umgekehrt ist die Menge der potentiellen Importgüter natürlich ebenfalls durch die inländische Nachfrage bestimmt, die aber nicht repräsentativ sein müsse. Mithin ist die Menge der potentiellen Exportgüter entweder mit der Menge der potentiellen Importgüter identisch oder — wahrscheinlicher — eine Teilmenge von

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2. Theoretische Erklärungsansätze

ihr (Burenstam-Linder, 1961, S. 91). Daraus ergibt sich auch, daß der Handel potentiell um so intensiver zwischen zwei Länder ist, je ähnlicher ihre Nachfragestrukturen sind (Burenstam-Linder, 1961, S. 94). Nimmt man die Ähnlichkeit der durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen als Indikator für die Ähnlichkeit der Nachfragestrukturen, so sind bei gleichen Pro-Kopf-Einkommen alle export- und importfähigen Güter eines Landes auch die export- und importfähigen Güter des anderen Landes. Dabei wird mit steigendem Einkommen die Nachfrage nach qualitativ hochwertigeren und dierenzierten Produkten zunehmen. Bei nicht zu großen Unterschieden der durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen wird es aufgrund der Streuung der Pro-Kopf-Einkommen immer noch eine Überschneidung der Nachfragestrukturen geben. So könnten Bezieher hoher Einkommen in dem ärmeren Land die gleichen Güter nachfragen wie Bezieher niedriger Einkommen in dem reicheren Land (Burenstam-Linder, 1961, S. 96). Diese Schnittmenge bildet das Volumen des potentiellen Außenhandels. Sie wird um so größer sein, je mehr Produktdierenzierungen und qualitative Unterschiede innerhalb einer Produktgruppe existieren. Damit aus dem potentiellen ein tatsächlicher Außenhandel wird, müssen die Handelspartner über komparative Vorteile bei der Produktion bestimmter Güter verfügen. Denn ohne sie kann der potentielle Außenhandel noch so groß sein, ohne daß es zu einem tatsächlichen Handel kommt (Burenstam-Linder, 1961, S. 101). Die Quellen für solche komparativen Vorteile zwischen Ländern mit ähnlichen Pro-Kopf-Einkommen sind nach Burenstam-Linder (1961), S. 102, die gleichen, die auch zu einem Handel innerhalb eines Landes führten. Eine erste Quelle sind die beinahe unendlichen Möglichkeiten für Produktdierenzierungen — seien sie real oder nur beworben — in Verbindung mit anscheinend unendlich vielen Eigenarten der einzelnen Nachfrager, so daß es zu einem Handel mit dem Wesen nach gleichen Produkten kommen kann. So fordert Burenstam-Linder (1961), S. 102, auch, daß das Konzept der monopolistischen Konkurrenz als eine handelschaende Kraft in die Außenhandelstheorie eingeführt werden solle. Tatsächlich geschah dies auch zwanzig Jahre später im Rahmen der neuen Außenhandelstheorie.46 Zudem könnten Vorteile bei der Verarbeitung von reichlich vorhandenen Rohstoen, technologische Überlegenheit, Managementfähigkeiten und Skalenerträge Gründe dafür sein, daß ein Unternehmen bei der Produktion eines identischen Produkts anderen Produzenten überlegen ist (Burenstam-Linder, 1961, S. 103). Auch bei Ländern mit unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen dürften ähnliche Quellen für komparative Vorteile wirken, nur ist die Anzahl der Güter kleiner, bei denen sich die Nachfrage überschneidet. Zudem ist zu erwarten, daß jedes Land die Güter aus der Schnittmenge der Nachfrage exportiert, die auf einem Qualitätsindex abgetragen näher an seiner sonstigen repräsentativen Nachfrage liegen, also das ärmere Land jene Produkte mit geringerer Qualität und das reichere Land die Güter mit höherer Qualität (Burenstam-Linder, 1961, S. 103-104). 46

Das Konzept der monopolistischen Konkurrenz ist auch bei den FuE-Modellen der neuen Wachstumstheorie, auf die im Abschnitt 2.5.2 eingegangen wird, ein wichtiges Modellierungswerkzeug.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

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Natürlich gibt es neben den handelschaenden auch eine Reihe von handelbremsenden Kräften, z. B. Distanzen, die verhindern, daß Unternehmen ihre Absatzchancen im Ausland wahrnehmen, Transportkosten und künstlich geschaene Handelshemmnisse, die dazu führen, daß das Handelspotential zwischen Ländern nicht ausgeschöpft wird. Abschließend folgert Burenstam-Linder (1961), S. 106, daß insgesamt bei seiner Erklärung des internationalen Handels mit Gütern des Verarbeitenden Gewerbes davon ausgegangen werden kann, daß die aufgrund der Produktdierenzierungen und sonstigen Quellen komparativer Vorteile entstehenden Spezialisierungen bzw. Handelsmuster im Zeitablauf relativ stabil sind, weil die zugrunde liegenden Quellen, wie z. B. technologische Überlegenheiten, sich nicht allzu schnell ändern. Sollten sie anfangs mehr zufällig entstanden sein, so werden sie sich einerseits durch realisierbare Skalenerträge und Werbung verfestigte Konsummuster stabilisieren. Andererseits werden durch die Arbeitsteilung Fähigkeiten in den Bereichen entwickelt und verstärkt, die für das jeweilige Land typisch geworden sind, d. h. ein anfängliches Handelsmuster wird auch das zukünftige Produktionsumfeld in einem Land beeinflussen. Hier wird also ebenfalls von einer Pfadabhängigkeit der Produktion ausgegangen. Allerdings sind mit steigenden Einkommen auch Veränderungen der Nachfragestrukturen zu erwarten, so daß sich von daher die Spezialisierungen und Handelsmuster im Zeitablauf graduell verschieben werden. Die Beiträge von Posner (1961) und Burenstam-Linder (1961) gelten heute als wesentliche Grundlagen bzw. Vorläufer des Produktlebenszyklusmodells, das in Vernon (1966) eingeführt wurde.47 In diesem Ansatz wird die Entscheidung, ob ausländische Märkte mit Exporten oder mit einer Produktion vor Ort versorgt werden, mit dem Lebenszyklus eines Produktes verknüpft.48 Nach Vernon (1966) durchläuft ein Produkt drei Stadien: die Einführungs-, die Reife- und die Standardisierungsphase. An diesen Phasen orientieren sich die Unternehmen auch bei ihren Standortentscheidungen. Begründet durch die wirtschaftliche Situation in den sechziger Jahren und gleichzeitig dem Ansatz von Burenstam-Linder (1961) folgend, daß Innovationen im wesentlichen nachfragegetrieben seien, wird davon ausgegangen, daß in den USA ein hoher Anreiz bestehe, neue Produkte zu entwickeln. Dieser Anreiz rührt zum einen daher, daß die USA über ein sehr hohes Pro-Kopf-Einkommen verfügten, zum anderen daher, daß die Arbeitskosten dort relativ hoch waren. Damit beschränkt sich die Produktzyklustheorie nach Vernon (1966) auf solche Produkte, die geeignet sind, die Bedürfnisse der Bezieher höherer Einkommen zu befriedigen oder den Arbeitseinsatz zu verringern: für diese Produkte wird erwartet, daß die FuE-Quote für ihre Entwicklung in den USA höher als in anderen Ländern ist (Vernon, 1966, S. 193). Allein die Tatsache, daß derartige Produkte in den USA entwickelt werden, impliziert aber noch nicht, daß sie auch dort hergestellt werden. Allerdings dürf47

Diese Einschätzung erfolgt auch in Krugman (1995), S. 350, und Wolfmayr-Schnitzer (1999), S. 5. In Vernon (1966) selbst wird Burenstam-Linder (1961) als wesentliche Inspiration und Posner (1961) als stimulierende Erklärung für einen intraindustriellen Handel zwischen entwickelten Volkswirtschaften angeführt, der nach Vernons Ansatz in der Reifephase eines neuen Produkts für die Exporte der USA nach Westeuropa relevant sei. 48 Zur folgenden Darstellung vgl. auch Jungmittag (1996), S. 50-52.

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2. Theoretische Erklärungsansätze

ten in der Einführungsphase eines Produktes Kostenminimierungsargumente, die einen anderen Standort nahelegen würden, von untergeordneter Bedeutung sein (Vernon, 1966, S. 194). Vielmehr sprächen bei einem noch nicht standardisierten Produkt drei Gründe dafür, das Inland als Produktionsstandort zu wählen: • Die Auswahl der Inputfaktoren ist noch nicht abschließend festgelegt, da sich die genaue Spezifikation des Produktes noch ändern kann, so daß eine Flexibilität bei der Standortwahl erhalten bleiben sollte. • Aufgrund der hohen Produktdierenzierung oder monopolistischen Stellung des innovativen Unternehmens im frühen Stadiums des Produktzyklus ist die Preiselastizität der Nachfrage sehr gering. • In der Anfangsphase besteht ein hoher Bedarf an schneller und eektiver Kommunikation mit den Konsumenten und Zulieferern.49 In der sich anschließenden Reifephase gewinnen aufgrund der fortschreitenden Standardisierung des Produkts und des möglichen Auftretens von Konkurrenten Kostenüberlegungen zunehmend an Bedeutung. Weiterhin kommt es zu einer Ausdehnung des Marktes, weil das Produkt nun auch im entwickelten Ausland — Vernon hat hier vor allem Westeuropa im Blick — nachgefragt wird. So lange die Grenzkosten der Produktion in den USA und die Transportkosten geringer als die Durchschnittskosten der Produktion im Ausland sind, wird das US-Unternehmen den ausländischen Markt mit Exporten versorgen (Vernon, 1966, S. 197). Mit dem Anstieg der ausländischen Nachfrage wächst jedoch der Anreiz, Direktinvestitionen in Westeuropa zu tätigen, da — wenn einerseits unterstellt wird, daß für ein international agierendes Unternehmen die Kapitalkosten an verschiedenen Standorten nicht wesentlich dierieren, und andererseits die Skalenerträge bereits ausgeschöpft sind — die niedrigeren Arbeitskosten in Westeuropa den Hauptunterschied zwischen den Standorten bilden (Vernon, 1966, S. 198).50 Nun kann es auch sinnvoll sein, die Märkte in Drittländern von diesem neuen Standort aus zu versorgen und, wenn der Unterschied zwischen den Arbeitskosten in den USA und Westeuropa so groß ist, daß er die Transportkosten kompensiert, den US-Markt von Westeuropa aus zu beliefern (Vernon, 1966, S. 198 und S. 200). Direktinvestitionen in Westeuropa können aber auch notwendig sein, um einer dort drohenden Konkurrenz unmittelbar entgegenwirken zu können (Vernon, 1966, S. 200). Für die abschließende Standardisierungsphase, in der das Produkt bereits eine hohe Standardisierung erreicht hat, folgert Vernon (1966), daß solche Produkte wesentlich über den Preis verkauft würden. Deshalb liege es nahe, große Teile der Produktion, für die aufgrund der erreichten Standardisierung keine besonders ausgebildeten Fachkräfte benötigt würden, in wenig entwickelte Länder zu 49

Vgl. Vernon (1966), S. 195. Auch hier greift Vernon (1966) unmittelbar auf die Argumentation in Burenstam-Linder (1961), S. 83 und S. 95, zurück. 50 Dieses Argument zeigt wiederum, daß der Ansatz von Vernon (1966) stark an die wirtschaftliche Situation in den sechziger Jahren gekoppelt ist, da inzwischen eine weitgehende Angleichung der Arbeitskosten zwischen den USA und den hochentwickelten Ländern Westeuropas stattgefunden hat. Allerdings sind hier auch Verallgemeinerungen vorstellbar, etwa mit Blick auf die Kern- und Peripherieländer der EU oder einige der EU-Beitrittskandidaten.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

59

verlagern, wo auch die Arbeitskosten entsprechend niedrig seien. Dies wird allerdings nur bei Produkten lohnend sein, deren wesentlicher Inputfaktor Arbeit ist (Vernon, 1966, S. 202-203). Aufbauend auf den gerade dargestellten Ansätzen unternimmt Hirsch (1967) den Versuch, den Produktlebenszyklusansatz mit der Faktorproportionentheorie nach Heckscher und Ohlin zu verbinden.51 Seine Grundidee ist dabei, daß auf relativen Faktorausstattungsunterschieden beruhende komparative Vorteile nicht statischer sondern dynamischer Natur sind, weil sie sich entlang des Produktlebenszyklus verändern. Auch in Hirsch (1967) werden drei Phasen im Produktlebenszyklus unterschieden, die inhaltlich den Phasen bei Vernon (1966) entsprechen, aber als frühe Phase, in der neue Produkte entwickelt werden, Wachstums- und Reifephase bezeichnet werden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit wird jetzt durch das Zusammenspiel zwischen dem Reifungsgrad verschiedener Produktgruppen, den verschiedenen Entwicklungsständen der Länder und den relativen Preisen für unterschiedliche Inputs, die durch die relativen Faktorausstattungsunterschiede bestimmt sind, geprägt (Hirsch, 1967, S. 34-35). Unterschieden werden zum einen drei Gruppen von Ländern, nämlich die weltweit am weitesten fortgeschrittenen Volkswirtschaften (z. B. die USA), kleinere entwickelte Länder (z. B. die Niederlande, Schweden und die Schweiz) sowie weniger entwickelte Länder, die aber zumindest die anfänglichen Stufen der Industrialisierung erreicht haben. Zum anderen wird zwischen fünf Inputfaktoren dierenziert: Kapital, unqualifizierte Arbeit, Management, wissenschaftliches und ingenieurmäßiges Know-how und positive externe Eekte, die auf Forward und Backward Linkages beruhen. Mit Blick auf die Relativpreise der einzelnen Inputfaktoren wird aufgrund einer beschreibenden Analyse angenommen, daß die weltweit führenden Länder beim Kapital, dem Management und den positiven externen Eekten die geringsten komparativen Kosten hätten, gefolgt von den kleineren entwickelten Länder und anschließend den weniger entwickelten Ländern. Umgekehrt wäre es bei der unqualifizierten Arbeit, während beim wissenschaftlichen und ingenieurmäßigen Know-how die kleineren entwickelten Länder die geringsten komparativen Kosten aufwiesen, gefolgt von den weltweit führenden Industrieländern und den weniger entwickelten Ländern.52 Da sich im Laufe des Lebenszyklus eines Produkts der relative Faktorbedarf ändert, verschieben sich auch die komparativen Vorteile der einzelnen Ländergruppen. Neue Produkte haben einen relativ hohen Bedarf an wissenschaftlichem und ingenieurmäßigem Know-how, einen mittleren Bedarf an Managementfähigkeiten und den vergleichsweise geringsten Bedarf an Kapital und unqualifizierter Arbeit. Produkte in der Wachstumsphase erfordern vergleichsweise viel Management und einen mittleren Einsatz der anderen vier Inputfaktoren. Hingegen muß zur Herstellung von ausgereiften Produkten relativ 51 Seev Hirschs starke Inspiration durch die Produktlebenszyklustheorie und ihrer Wurzeln in den Ansätzen zur technologischen Lücke wird auch schon formal dadurch ersichtlich, daß es sich bei dieser Arbeit um seine Dissertation an der Harvard Graduate School of Business Administration im Jahre 1965 (also ein Jahr bevor Raymond Vernon seinen Beitrag publizierte) handelt und Raymond Vernon der Vorsitzende des Prüfungsausschusses war. 52 Zur Begründung der unterstellten Verteilung der komparativen Kostenvorteile vgl. Hirsch (1967), S. 18-34.

60

2. Theoretische Erklärungsansätze

viel Kapital und unqualifizierte Arbeit eingesetzt werden, während die anderen Inputs nur in relativ geringem Umfang benötigt werden. Bringt man die relativen Faktorausstattungen der einzelnen Ländergruppen und die relativen Faktorerfordernisse der Produkte in den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus in Einklang, so ergibt sich das folgende Bild. Die weltweit führenden Länder weisen einen komparativen Vorteil bei der Herstellung von Produkten in der Wachstumsphase auf, da sie relativ reichlich mit Managementfähigkeiten ausgestattet sind, die in dieser Phase relativ am meisten benötigt werden. Die weniger entwickelten Länder haben zumindest bei der unqualifizierten Arbeit einen komparativen Vorteil, die bei ausgereiften Produkten neben dem Kapital relativ am meisten eingesetzt wird. Mithin würden sich diese Länder auf diese Produkte spezialisieren, zumindest auf jene unter diesen, bei denen der Kapitalbedarf nicht zu hoch ist, weil damit auch die weltweit führenden Länder relativ am reichlichsten ausgestattet sind. Schließlich ist wissenschaftliches und ingenieurmäßiges Know-how der einzige Inputfaktor, der in den kleineren entwickelten Ländern relativ kostengünstig ist, so daß sich für sie ein Schwerpunkt bei den neuen Produkten ergeben würde, die mehr von diesem Know-how als von positiven externen Eekten abhängen. Dagegen haben die weltweit führenden Länder bei jenen neuen Produkten einen Wettbewerbsvorteil, die relativ stark auf positiven externen Eekten beruhen. Hirsch (1967), S. 39-40, weist zurecht darauf hin, daß diese Zuordnung von Produkten zu den unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus nicht für alle Produkte gelte, weil bei ihnen die Niveaus der Inputs variieren werden. Vielmehr handele es sich um eine Beschreibung der Richtung, in die sich die Inputnutzung verändern werde. Mithin sei es angemessener, dieses Produktzyklusmodell in einem wahrscheinlichkeitstheoretischen Sinne zu interpretieren, bei dem man bei einer angenommenen Zufallsverteilung der Inputs über das Universum aller Produkte erwarten könne, daß ein „Durchschnittsprodukt” oder eine große Stichprobe von Produkten die vom Modell unterstellten Eigenschaften aufweise. Mehr formal gesprochen bedeutet dies, daß man es mit drei Häufigkeitsverteilungen von Produkten entlang des Produktzyklus zu tun habe, die sich sukzessive überlappen und bei denen die erste die Outputanteile für die kleineren entwickelten Länder, die zweite für die weltweit führenden und die dritte für die weniger entwickelten Länder beschreibe.53 Obwohl der Produktzyklusansatz in empirischen und politikorientierten Analysen schnell und intensiv aufgegrien wurde, gab es bis zum Ende der siebziger Jahre kein theoretisches Modell, das diese Idee einer formalen Analyse zugänglich machte. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte gewesen sein, daß die Modellierung der Entwicklung neuer Produkte, die solch ein Ansatz erfordert, zu stark von den bis dato üblichen Modellierungsstrategien in der Außenwirtschaftstheorie abweicht.54 Als erster schlägt Krugman (1979) ein Modell vor, in dem die Han53

Natürlich gilt diese Verteilung des Outputs nur für Industrien, die handelsfähige Güter herstellen und besagt nichts über Güter, die nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind (vgl. Hirsch, 1967, S. 40). 54 Zu dieser Einschätzung vgl. Krugman (1979), S. 253-254.

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

61

delsmuster durch einen kontinuierlichen Prozeß von Innovationen und Technologietransfer (Imitationen) bestimmt werden. Dabei führt der innovative Norden neue Produkte ein, die er unmittelbar produzieren kann, während der imitierende Süden sie erst mit einer gewissen Zeitverzögerung herstellen kann. Diese Zeitverzögerung liefert den Anlaß für einen Außenhandel, bei dem der Norden neu entwickelte Produkte exportiert und die vorübergehenden Monopolrenten dafür sorgen, daß der Norden höhere Löhne aufweist. Gelingt dem Süden die Imitation, so wird das neue ein altes Produkt, und es wird vom Süden exportiert. Nicht betrachtet werden in dem Modell allerdings die Ursachen für die Innovationen und den Technologietransfer; ihre Raten werden vielmehr als exogen vorgegeben erachtet.55 Um alle anderen Anlässe für einen Außenhandel auszuschalten, wird in Krugman (1979) angenommen, daß es in jedem Land nur einen Produktionsfaktor — Arbeit — gibt, so daß eine Heckscher-Ohlin-Begründung entfällt, und daß für alle Güter die gleiche Kostenfunktion gilt, so daß eine Ricardo-Begründung nicht greift. Zudem geht er von der Annahme aus, daß die Konsumenten eine Vorliebe für eine hohe Produktvielfalt haben und greift zu deren Erfassung in der Nutzenfunktion auf das von Chamberlain (1962) entwickelte Konzept der monopolistischen Konkurrenz in der Formulierung von Dixit/Stiglitz (1977) zurück. Danach gehen alle — sowohl alte als auch neue — Güter symmetrisch in eine repräsentative Nutzenfunktion ein, die

X=

(

P X

p=1

)1 

(fp )

(2.94)

lautet, wobei fp die Konsummenge des Gutes p repräsentiert und P die Gesamtzahl der verfügbaren Güter ist. Dabei sind alle Güter paarweise gleich gut substituierbar. Zudem gibt es auch eine latente Nachfrage nach augenblicklich noch nicht produzierten Gütern, so daß die Nutzenfunktion bei {P zusätzlichen 55 Vgl. Krugman (1979), S. 254. In den zunächst nachfolgenden theoretischen Analysen, die den Produktzyklusansatz aufgreifen, wird die Innovationsrate ebenfalls entweder als exogen angenommen (Dollar, 1986; Dollar, 1987) oder als deterministische Funktion der Unternehmensausgaben für die Entwicklung neuer Produkte modelliert (Feenstra/Judd, 1982; Pugel, 1982; Spencer/Brander, 1983; Cheng, 1984; Jensen/Thursby, 1986; Jensen/Thursby, 1987). Dies ändert sich erst mit dem Beitrag von Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990), in dem ein Schumpetersches Modell des Produktlebenszyklus vorgeschlagen wird. Auf dieses Modell wird weiter unten noch eingegangen. Gleichwohl liefern einige der gerade angeführten Beiträge interessante Politikimplikationen. So gilt der Beitrag in Spencer/Brander (1983) verbunden mit Brander/Spencer (1985) als grundlegend für die Entwicklung der Theorie der strategischen Handelspolitik. Diese Autoren zeigen, daß beim Vorliegen von statischen Skalenerträgen durch gezielte staatliche Eingrie die inländische Wohlfahrt auf Kosten des Auslandes erhöht werden kann. Solche statischen Skalenerträge können z. B. auftreten, wenn bei der Entwicklung und Herstellung von technologieintensiven Produkten hohe Fixkosten anfallen. Diese bilden für potentielle Konkurrenten Markteintrittsbarrieren, die dazu führen können, daß nur eine kleine Zahl von Unternehmen am Markt bestehen können und somit ggf. Oligopolrenten durch einzelne Produzenten realisiert werden (vgl. Münt, 1996, S. 34).

62

2. Theoretische Erklärungsansätze

Gütern als X=

(p+{P X

)1 

(fp )

p=1

(2.95)

ergeben würde. Dadurch, daß sich der Nutzen mit der Anzahl der verfügbaren Güter erhöht, hat eine Innovation (ein neu entwickeltes Gut) bei der Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung einer Budgetbeschränkung die gleiche Wirkung wie eine traditionelle E!zienzsteigerung bei existierenden Gütern. Für die Produktionsseite wird angenommen, daß eine Einheit Arbeit benötigt wird, um eine Einheit eines beliebigen Gutes herzustellen. Bei vollständiger Konkurrenz ergibt sich dann SQ = zQ und SV = zV > wobei zQ sowie zV die Lohnsätze und SQ sowie SV die Preise für jedes im Norden bzw. Süden produzierte Gut sind. Solange im Norden zQ @zV A 1 ist, wird er sich auf die Produktion neuer Güter spezialisieren, erst wenn er so reichlich mit Arbeit ausgestattet wäre, daß zQ @zV = 1 ist, wäre er bei den alten Gütern wettbewerbsfähig. Für die weitere Darstellung wird aber angenommen, daß zQ @zV A 1 ist, so daß die Anzahl der Güter PQ und PV , die in jedem Land (Norden und Süden) produziert werden, der Anzahl der neuen und alten Produkte entspricht. Kommt es nun zu einem Technologietransfer, so verringert sich der Lohnunterschied zwischen dem Norden und Süden, wobei sich die Lage der Beschäftigten absolut gesehen verschlechtern kann, wenn es nicht zu weiteren Innovationen kommt und die Gesamtzahl der Güter P = PQ + PV gleichbleibt. Dies läßt sich auch algebraisch leicht zeigen. Wird die Nutzenfunktion unter Berücksichtigung der Budgetbeschränkung maximiert, so hängt die relative Güternachfrage nur von den Preisen ab, nämlich fQ = fV

µ

SQ SV

¶3

1 13

=

µ

zQ zV

¶3

1 13

>

(2.96)

und da die Arbeitsnachfrage in jedem Land der Güternachfrage für jedes Gut mal der Anzahl der Güter entspricht, kann die relative Arbeitsnachfrage als PQ fQ OQ = = OV PV fV

µ

PQ PV

¶µ

zQ zV

¶3

1 13

geschrieben werden. Umgeformt erhält man µ ¶13 µ ¶3(13) PQ OQ zQ = > zV PV OV

(2.97)

(2.98)

so daß die Relativlohnsätze eine Funktion der relativen Arbeitsausstattungen und des Verhältnisses von neuen zu alten Gütern sind. Durch Innovationen, die PQ

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

63

und damit auch die Gesamtzahl der Güter P erhöhen, steigt der Relativlohnsatz des Nordens, während sich bei einem Technologietransfer (Imitation) die absolute Position des Nordens verschlechtern kann. Im nächsten Schritt wird festgelegt, wie sich PQ und PV aufgrund von Innovationen und Imitationen verändern. Innovationen erhöhen die Gesamtzahl der Güter und Krugman (1979), S. 259, nimmt im Sinne einer Pfadabhängigkeit an, daß die Anzahl neuer Produkte positiv von der Anzahl bereits entwickelter Produkte abhängt, also P˙ = lP=

(2.99)

Der Grund für diese Annahme ist auch, daß sie gewährleistet, daß sich das Modell einem langfristigen Gleichgewichtspfad annähert. Dagegen hängt der Technologietransfer allein von der Zeit ab, also P˙ V = wPQ =

(2.100)

Der Kehrwert 1@w ist dann die durchschnittliche Imitationsverzögerung, d. h. die Zeit, die der Süden braucht, um ein neues Produkt herzustellen und es mithin zu einem alten Produkt wird. Die Dierenz zwischen (2.197) und (2.198) ergibt P˙ Q = lP  wPQ =

(2.101)

Zwar ist das Gleichungssystem (2.99) bis (2.101) nicht stabil, aber es läßt sich zeigen, daß die relativen Güterbestände PQ @PV bei gegebenen l und w gegen eine Konstante streben. Es sei  = PQ @P, dann ist P˙ Q P˙   = l  (l + w) P P und das System strebt gegen ein Gleichgewicht mit ˙ =

(2.102)

l = (2.103) l+w Die Güterzusammensetzung, die die relativen Löhne bestimmt, ist in diesem Gleichgewicht =

PQ l  = = = PV 1 w

(2.104)

Mithin tendiert die Weltwirtschaft zu einem gleitenden Gleichgewicht, in dem die relativen Löhne konstant sind und der Lohnsatz des Nordens über dem des Südens liegt. Dabei bleibt zwar die Struktur des Außenhandels in dem Sinne gleich, daß der Norden stets neue Güter exportiert und alte importiert, aber welche Güter das jeweils sind ändert sich kontinuierlich (vgl. Krugman, 1979, S. 260). Zudem ist mit Rückgri auf Gleichung (2.98) unmittelbar ersichtlich, daß Veränderungen der Innovations- und Imitationsraten sich auf die Einkommensverteilung zwischen dem Norden und Süden auswirken.56 Steigt durch Innovationen die 56

Außerdem läßt sich zeigen, daß Veränderungen der Innovations- und Imitationsraten auch E!zienzwirkungen haben, da sowohl Innovationen als auch Technologietransfer den Weltoutput erhöhen (vgl. Krugman, 1979, S. 260-261).

64

2. Theoretische Erklärungsansätze

Anzahl der neuen Produkte PQ , so nimmt der Lohnunterschied zwischen Norden und Süden zu. Jedoch profitieren beide Länder, weil auch insgesamt die Produktvielfalt P wächst. Anders sieht es bei einem Technologietransfer aus, bei dem PV in dem Maße steigt, wie PQ abnimmt. Hier gewinnt nur der Süden und die Einkommenssituation im Norden kann sich absolut verschlechtern. Der gleiche Mechanismus gilt auch für Veränderungen der Innovations- und Imitationsraten l und w. Da die Einkommen im Norden teilweise von den Monopolrenten für neu entwickelte Produkte abhängen und diese durch Technologietransfer beständig abgetragen werden, muß der Norden als Konsequenz permanent innovativ sein, um seine Position zu halten.57 Abschließend wird in Krugman (1979), S. 263-265, analysiert, wie sich die Modellaussagen ändern, wenn zusätzlich als zweiter Produktionsfaktor Kapital berücksichtigt wird, das im Gegensatz zur Arbeit international mobil ist. Dabei wird zum einen unterstellt, daß der Weltkapitalstock fix ist, und zum anderen, daß beide Gütergruppen (alte und neue Produkte) mit der gleichen Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen hergestellt werden. Da durch Innovationen der Relativpreis für neue Produkte steigt und mithin auch das Grenzprodukt des Kapitals im Norden, wird nun Kapital vom Süden in den Norden wandern bis sich die Grenzprodukte in beiden Ländern wieder angeglichen haben. Damit steigt der Output an neuen Gütern, während der Output alter Güter fällt. Im Falle des Technologietransfers wirkt der gleiche Mechanismus in die umgekehrte Richtung. Technischer Fortschritt, sei es durch Innovationen oder Imitationen, erhöht also immer dort das Grenzprodukt des Kapitals, wo er auftritt, und liefert damit einen Anreiz für ausländische Direktinvestitionen. Dadurch kommt es zwar zu einer Angleichung der Kapitaleinkommen, aber die Ungleichheit der Einkommen des immobilen Faktors Arbeit nimmt zwischen Norden und Süden zu. Nun können Innovationen auch dazu führen, daß sich die Situation der Beschäftigten im Süden absolut verschlechtert. Die Grundaussagen des Modells in Krugman (1979) ändern sich nicht, wenn die Innovationsrate endogenisiert wird. Dies zeigt sich in dem dynamischen allgemeinen Gleichgewichtsmodell von Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990), das die Produktlebenszyklushypothese mit der in Schumpeter (1942) formulierten Sichtweise von Produktinnovationen verbindet.58 Die Autoren modellieren FuEWettläufe als „Erfindungslotterien”, bei denen die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen von den eingesetzten FuE-Ressourcen abhängt, und jedesmal wenn ein neues Produkt entwickelt wurde, beginnt ein neuer FuE-Wettlauf zwischen den Unternehmen im Norden. Der Gewinner eines Wettlaufs erzielt jeweils einen Monopolgewinn für eine exogen gegebene Patentlaufzeit. Mithin müssen die Unternehmen im Norden entscheiden, wieviel Arbeit sie für FuE einsetzen, um ihre erwarteten 57 Metaphorisch gesprochen muß der Norden permanent laufen, um auf der Stelle zu bleiben (Krugman, 1979, S. 262). 58 Schumpeter (1942) betont in seinem Spätwerk die Bedeutung von monopolistischer Macht als Voraussetzung für technischen und ökonomischen Fortschritt, während er zuvor argumentiert hatte, daß Innovationsaktivitäten durch „kreative Zerstörung“ mit einem technologisch leicht zu bewerkstelligenden Marktzugang charakterisiert seien und daß dafür einzelnen Unternehmern und neuen Unternehmen eine große Bedeutung zukomme (Schumpeter, 1934).

2.3 Technologielücke, Produktzyklus und Spezialisierung

65

abdiskontierten Gewinne zu maximieren, und die Konsumenten maximieren ihren abdiskontierten lebenslänglichen Nutzen. Bei diesem Modell gibt es ein eindeutiges langfristiges Gleichgewicht, in dem die Anzahl der neuen Produkte, die Konsumausgaben und die Vermögen im Zeitablauf konstant sind. Zudem verdienen die Beschäftigten im Norden im Gleichgewicht höhere Löhne als jene im Süden, wenn der Süden einen hinreichend großen Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl hat. Die Zusammensetzung des Handels ändert sich aber wiederum kontinuierlich, weil jedes Produkt zunächst vom Norden und anschließend vom Süden exportiert wird (vgl. Segerstrom/Anant/Dinopoulos, 1990, S. 1078). Die Endogenisierung liefert jedoch auch zwei neue Ergebnisse für den Gleichgewichtszustand: • Wenn die Löhne im Norden und Süden gleich sind, erhöht eine Verlängerung der Patentlaufzeit (oder gleichbedeutend eine Verringerung der Rate des Technologietransfers) die Innovationsrate im Norden. Eine Verlängerung der Patentlaufzeit steigert nämlich den Ertrag eines gewonnenen FuEWettlaufs. • Sind aber die Löhne im Norden höher, so reduziert eine Verlängerung der Patentlaufzeit die Innovationsrate im Norden. Zwar erhöht auch hier die Verlängerung der Patentlaufzeit die Innovationserträge, aber die Löhne im Norden steigen so stark, daß sie diesen Eekt mehr als ausgleichen.59 Der Produktlebenszyklusansatz war und ist in der wissenschaftlichen Debatte jedoch nicht unumstritten. Zunächst einmal kann gefragt werden, ob er nicht ein Kind seiner Zeit ist. So räumt Vernon (1979) selbst ein, daß der Ansatz durch die Angleichung der Pro-Kopf-Einkommen und der Arbeitskosten in den USA, Westeuropa und Japan wesentlich an Erklärungsgehalt verloren habe. Dann hätte er aber weiterhin einen Erklärungswert für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zwischen einer nun größeren Gruppe von hoch entwickelten Ländern und anderen weniger entwickelten Ländern. In die gleiche Richtung gehend wurde zudem eingewendet, daß multinationale Unternehmen in der Lage seien, Produkte ohne größere Zeitverzögerungen zu entwickeln, ausreifen zulassen, zu standardisieren und zu dierenzieren, um sie den verschiedenen Bedürfnissen anpassen zu können (Buckley, 1981, S. 76). Es bestehe aufgrund der verstärkten Internationalisierung sogar die Notwendigkeit für ein multinationales Unternehmen, zur langfristigen Sicherung seiner Märkte neue Produkte und Prozesse in allen Teilmärkten gleichzeitig zu starten, um sich eine temporäre Monopolstellung zu sichern (Schulte-Mattler, 1988, S. 17). In diesem Fall erlaubt es die Produktlebenszyklustheorie im Grunde nur noch, die Beziehungen zwischen Innovationstätigkeit und Auslandsaktivitäten kleinerer Firmen zu erklären, „firms, that have not yet acquired a capacity for global scanning through a network of foreign manufacturing subsidiaries already in place” (Vernon, 1979, S. 265). Weiterhin wird eingewandt, daß aufgrund des Produktlebenszyklusansatzes viel zu schnelle Veränderungen der Spezialisierungsmuster von Ländern zu erwarten 59

Zu diesen Ergebnissen vgl. Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990), S. 1078.

66

2. Theoretische Erklärungsansätze

seien. So stellt Krugman (1995), S. 354, fest: „the dramatic picture of a world economy in which the industrial structure of each nation is constantly being reshu"ed is overdrawn, or at least operates far more slowly than the rhetoric of product cycle enthusiats would suggest”. Damit hätte eine Pfadabhängigkeit für die Entwicklung von Spezialisierungsmustern wiederum eine große Bedeutung. Diese ist ein zentrales Element der evolutorischen Ökonomik, auf deren Erklärungsbeiträge im folgenden Abschnitt eingegangen wird.

2.4

Evolutorische Ökonomik

Üblicherweise beginnt heute eine Einführung in die Grundlagen der Ökonomik mit dem Konzept der Knappheit und streng rational handelnder Akteure, die nur das Ziel verfolgen, unter den gegebenen Restriktionen ihren Nutzen zu maximieren. Dabei sind alle relevanten Informationen und das erforderliche Bewertungsschema gegeben. Verbunden damit ist eine starke Orientierung an wirtschaftlichen Gleichgewichten, die sich aufgrund der Optimierungskalküle einstellen. Obwohl dieses theoretische Konzept seinen Höhepunkt erst mit der formalisierten neoklassischen Theorie erreichte, wurde es bereits recht frühzeitig dahingehend kritisiert, daß es viel zu eng und wirklichkeitsfern sei, um das Wirken real existierender wirtschaftlicher Prozesse und Systeme beschreiben und erklären zu können. Bewußt oder unbewußt hätte sich die neoklassische Ökonomik bei ihrer Theoriebildung von einer einfachen mechanischen Physik dominieren lassen (Silverberg/Verspagen, 1998, S. 239). Als Alternative wird eine Sichtweise vorgeschlagen, die sich an den Prinzipien der biologischen Evolutionstheorie orientiert.60 Diese Theorierichtung wird heute allgemein als evolutorische Ökonomik bezeichnet. Im folgenden werden zunächst kurz die Grundlagen der evolutorischen Ökonomik dargestellt. Darauf aufbauend erfolgt einerseits eine Diskussion von evolutorischen Wachstumsmodellen, die im Zusammenhang mit dem Thema dieser Arbeit von Bedeutung sind. Diese Modelle abstrahieren allerdings von länderspezifischen systematischen Einflüssen, wie institutionellen und organisatorischen Spezifika, aber auch historischen Singularitäten, die in der mehr beschreibend-würdigenden evolutorischen Ökonomik einen zentralen Stellenwert bei der Erklärung von ökonomischen Entwicklungen einnehmen (vgl. Dosi/Fabiani/Aversi u. a., 1994, S. 226). Deshalb wird andererseits das Konzept der nationalen Innovationssysteme vorgestellt, das in einem systemischen Ansatz diese Faktoren berücksichtigt, und es 60

Umgekehrt wurde die von Darwin und Wallace in der Mitte des 19. Jahrhunderts begründete Evolutionsbiologie in ihrem Frühstadium von den Werken der klassischen Ökonomen Thomas Robert Malthus und Adam Smith beeinflußt (vgl. Erdmann, 1993, S. 17). Als Ausgangspunkt für die Aufnahme von Ideen der Biologie in die ökonomische Theorie wird häufig Alfred Marschall mit seinem 1891 erstmals erschienenem Werk „Principles of Economics” angeführt. In der fünften Auflage, die 1907 erschien, findet sich erstmals der explizite Hinweis auf eine ökonomische Biologie: „The Mecca of the economist lies in economic biology ... But biological conceptions are more complex than those of mechanics; ...” (zitiert nach Nelson, 1995, S. 48). Während die Arbeiten Marshalls jedoch weitgehend bei einer mechanischen Sichtweise stehen blieben, lieferte Thorstein Veblen wichtige frühe Bausteine für eine evolutorische Ökonomik.

2.4 Evolutorische Ökonomik

67

wird betrachtet, welchen Beitrag dieser Ansatz zur Erklärung des langfristigen Wirtschaftswachstums leisten kann. 2.4.1

Grundlagen der evolutorischen Ökonomik

Nach Cantner/Hanusch (1998), S. 273, steht bei der evolutorischen Ökonomik die wirtschaftliche Dynamik und die dabei auftretende Neuigkeit (also eine evolutorische Dynamik) im Mittelpunkt der Analyse, wobei die treibenden Kräfte beschränkt rationale Akteure sind, die weder über alle Informationen noch über unbeschränkte Fähigkeiten zur Problemlösung verfügen. Damit ist das Wirtschaftsgeschehen grundsätzlich in dem Sinne zeitabhängig, daß die zeitliche Abfolge von Ereignissen eine wichtige Rolle spielt, wobei nicht nur bewußte Entscheidungen, sondern auch historische Zufälligkeiten Einfluß haben (vgl. Erdmann, 1993, S. 23, und Krüger, 2000, S. 42). Zur Beschreibung dieser evolutorischen ökonomischen Prozesse kann auf das gleiche Konzept wie in der Evolutionsbiologie zurückgegrien werden: dem Variations-Selektionsprinzip. Im Rahmen der ökonomischen Evolution wird eine Vielzahl von verschiedenen Produkten und Prozessen hervorgebracht (Variation), und Selektionsprozesse sorgen dann für eine Reduktion der Vielfalt auf eine bestimmte Anzahl von Produkten und Prozessen, die längerfristig Bestand haben.61 Der Variationsmechanismus funktioniert wesentlich über eine bessere Anpassung an bestimmte Konsumentenbedürfnisse (höherer Nutzen) oder über eine höhere Effizienz der Produktionsprozesse. Mit Blick auf die Selektion ist über funktionierende Märkte organisierter Wettbewerb einer von verschiedenen möglichen Mechanismen, der im Idealfall alle ine!zienten Produkte und Prozesse aussortiert und so das Überleben der am besten angepassten Alternativen gewährleistet. Eine Formalisierung dieses evolutorischen Konzepts kann allgemein durch die in Fisher (1930) eingeführte sog. Replikatorgleichungen erfolgen.62 Es sei eine Population von P verschiedenen „Spezies” (Replikatoren) mit den dazugehörigen, möglicherweise häufigkeitsabhängigen Fitness-Funktionen ip (s) gegeben, wobei s der Vektor der relativen Häufigkeiten der verschiedenen Spezies ist. Dann kann die evolutorische Dynamik durch das folgende Dierentialgleichungssystem beschrieben werden: P X ¢ ¡ v˙ p = vp ip (s)  i¯ (s) , p = 1> ===> P, und i¯ (s) = vp ip (s) = (2.105) p=1

Danach wächst der relative Anteil der Spezies mit einer überdurchschnittlichen Fitness und der der Spezies mit unterdurchschnittlicher Fitness schrumpft, wodurch sich die durchschnittliche Fitness i¯ (s) erhöht. In den Modellen der evolu61

Auf die verschiedenen „beschreibend-würdigenden” evolutorischen Theorienansätze kann hier nicht näher eingegangen werden (vgl. hierzu Dosi/Pavitt/Soete, 1990; Witt, 1993 oder Hodgson, 1993), sondern es soll im folgenden vielmehr eine Konzentration auf die formalisierten Ansätze zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Innovationstätigkeit, Spezialisierung und Wirtschaftswachstum erfolgen. 62 Zu der folgenden allgemeinen Darstellung der Replikatorgleichungen vgl. Cantner/Hanusch (1998), S. 281-282 und Silverberg/Verspagen (1998), S. 241-243.

68

2. Theoretische Erklärungsansätze

torischen Ökonomik wird die Funktion ip als vom Marktwettbewerb oder von unterschiedlichen Profitraten getriebener Selektionsmechanismus interpretiert. Bei ersterem wird üblicherweise eine Produktwettbewerbsfähigkeit definiert, die sich durch verschiedene Merkmale wie Preis, Qualität etc. beschreiben läßt, während bei zweiterem angenommen wird, daß die Produktmerkmale über die verschiedenen Produzenten homogen sind, aber die Stückkosten dierieren, so daß unterschiedliche Profitraten realisiert werden können. Daraus folgend wäre ein Replikator p im ersten Fall ein bestimmtes Produkt unter P miteinander konkurrierenden Produkten und im zweiten Fall ein bestimmtes Unternehmen innerhalb eines Sektors. Geht man von einer konstanten Fitness-Funktion aus, so würden im Falle der produktbezogenen Sichtweise letztlich alle Unternehmen das am besten angepaßte Produkt herstellen, und im Falle der unternehmensbezogenen Sichtweise würde das Unternehmen mit den geringsten Stückkosten eine Monopolstellung erreichen. Allgemein bedeutet dies, daß die Spezies mit der höchsten Fitness alle anderen ersetzen wird, und die durchschnittliche Fitness steigt monoton bis zu diesem Zustand mit gi¯ = ydu(i)  0, gw

(2.106)

wobei ydu(i ) die häufigkeitsgewichtete Varianz der Populationsfitness ist. Die Annahme einer konstanten Fitness-Funktion ist jedoch recht unrealistisch, denn sie würde für die produktbezogene Sichtweise unterstellen, daß alle Unternehmen die Übernahme der Produktion des am besten angepaßten Gutes reibungslos bewerkstelligen könnten; und für die unternehmensbezogene Sichtweise, daß die Unternehmen nicht versuchen würden, bei Marktanteilsverlusten ihre Stückkosten zu reduzieren, d. h. ihre einmal eingeschlagenen Routinen zu verändern. Für den Fall häufigkeitsabhängiger Fitness-Funktionen, die sich z. B. ergeben, wenn Unternehmen bei bestimmten Anteilsverlusten ihre Stückkosten zu reduzieren trachten, sind multiple Gleichgewichte möglich, und es gibt keine Anteilswerte, die a priori maximiert werden können. Vielmehr beschreiben die Replikatorgleichungen nur die relativen Anteilsdynamiken. Die Haupttriebkraft, um neue Produkte und Prozesse zu generieren — und damit die Variantenvielfalt zu erhöhen — sind Innovationen und technischer Fortschritt.63 Angesichts des Selektionsdrucks wird durch Produkt- und Prozeßinnovationen versucht werden, sich an die wesentlichen Charakteristika der erfolgreichen Varianten anzupassen (vgl. Münt/Grupp, 1996). Dabei ist es für die ökonomischen Akteure sehr wichtig, schnell aus der Geschichte erfolgreicher, aber auch erfolgloser Varianten zu lernen, und dann bessere zu entwickeln, die sich entweder zu 63 So steht dann auch die Analyse des technischen Wandels und von Innovationsprozessen im Mittelpunkt der neueren evolutorischen Ökonomik. Anders als die neoklassische Wachstumsund Innovationstheorie, in der der technische Fortschritt nur ein exogenes Residuum oder ein durch Marktsignale gesteuertes Ergebnis unternehmerischer Optimierungskalküle ist, betrachtet die evolutorische Ökonomik ihn als endogenen, diskontinuierlichen und ungleichgewichtigen Prozeß, der durch den dynamischen Neuerungswettbewerb von Unternehmen getrieben wird (vgl. Keuter, 1994, S. 74).

2.4 Evolutorische Ökonomik

69

einem höheren Preis oder in größeren Mengen verkaufen lassen. M. a. W. kommt eine besondere Stärke von Unternehmen aus der Fähigkeit, Adaptionen zu lernen. Lernen und Adaptionen sind jedoch grundsätzlich pfadabhängige Prozesse, d. h. die Wahrscheinlichkeit, etwas Nützliches zu lernen, ist in den Bereichen wesentlich höher, in denen bereits in den Vorperioden Wissen akkumuliert wurde. Diese Pfadabhängigkeit kann — wie es bereits bei verschiedenen Modellen in den vorherigen Abschnitten ersichtlich war — nicht nur auf der Ebene einzelner Unternehmen, sondern auch von Industrien, Regionen und Ländern beobachtet werden. Sie erklärt nicht nur einen großen Teil der Innovationen, sondern auch der Spezialisierungen und ökonomischen Entwicklungen von Volkswirtschaften.64 Es stellt sich umgekehrt aber auch das Problem, daß die Pfadabhängigkeit mit einem Lock-in-Eekt verbunden sein kann, d. h. ein bestimmter Pfad kann nicht mehr verlassen werden, obwohl sich inzwischen ein anderer als überlegen erweist. Mithin sind pfadabhängige Prozesse hochgradig kumulativ und irreversibel.65 Dosi (1990), S. 222-223, hat fünf ‚stilisierte Fakten’ bezüglich der grundsätzlichen Eigenschaften von Innovationsprozessen herausgearbeitet, die berücksichtigt werden sollten, damit solche Prozesse mit einer adäquaten mikroökonomischen Fundierung Eingang in die ökonomische Theoriebildung finden könnten:66 64

Ein Paradebeispiel für einen pfadabhängigen Prozeß beruht auf dem von Schumpeter (1939) eingeführten Konzept der „radikalen Innovationen”, das später von verschiedenen Vertretern der evolutorischen Ökonomik verfeinert wurde (z. B. Freeman/Clark/Soete, 1982; Kleinknecht, 1987 und van Duijn, 1983) (vgl. Verspagen, 2003, S. 93). Nach Schumpeters Theorie der langen Wellen haben große technologische Innovationen eine unterbrechende Wirkung auf Wachstumspfade: sie werden in einem Prozeß kreativer Zerstörung eingeführt, der zu einer drastischen Veränderung des Kapitalstocks eines Landes führt (Verspagen, 1993, S. 14). Solch eine radikale Innovation kann einen wirtschaftlichen Aufschwung erzeugen, wenn sie einen „Spielmannszug” von nachfolgenden inkrementalen Innovationen hervorbringt. Dosi (1982) argumentiert, daß eine radikale Innovation zu einem neuen technologischen Paradigma führt, und daß die sich ergebenden Spielmannszug-Eekte eine neue technologische Trajektorie schaen. Jedoch hängen die Gesamteekte einer radikalen Innovation entscheidend von ihrer Durchdringungskraft ab (Freeman, 1991). Wenn eine neue Technologie nur die Produktionsstruktur eines Sektors berührt, wird das neue Paradigma nur einen begrenzten Einfluß auf die Gesamtwirtschaft haben. Verändert sie hingegen die Produktionsstruktur der meisten Sektoren, werden die makroökonomischen Eekte groß sein. Perez (1983) hat den Begri „techno-ökonomisches Paradigma” eingeführt, um zwischen durchdringenden und nicht durchdringenden technologischen Paradigmen zu dierenzieren. Bei dieser Sichtweise ergibt sich aus einem neuen technologischen Paradigma ein neues techno-ökonomisches Paradigma, wenn das technische Prinzip oder die damit verbundenen Produkte in einem Großteil der Wirtschaft genutzt werden können, und mithin die institutionellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den meisten ökonomischen Akteuren berührt werden (Verspagen, 1993, S. 59). Jedoch hat Freeman (1982) auch darauf hingewiesen, daß abnehmende marginale technologische Gelegenheiten letztlich zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen, wenn das neue technologische Paradigma in die gesamte Wirtschaft diundiert ist. 65 In Arthur (1989) findet sich eine Formalisierung des Konzepts pfadabhängiger Prozesse konkurrierender Technologien und des Lock-in-Eekts. 66 Die fehlende adäquate Mikrofundierung ist einer der wesentlichen Einwände der Vertreter der evolutorischen Ökonomik gegen die neoklassische Wachstumstheorie und mithin wesentlicher Anlaß für die Herausbildung dieser Theorierichtung (vgl. Nelson/Winter, 1982, S. 23-48 und S. 51-71)

70

2. Theoretische Erklärungsansätze

1. Innovationen beinhalten grundsätzlich ein hohes Maß an Unsicherheit, die nicht ein Informationsmangel über das Auftreten eines bekannten Ereignisses ist, sondern sie ist grundsätzlicher zurückzuführen auf a) die Existenz von techno-ökonomischen Problemen, für die Lösungen unbekannt sind, und b) die Unmöglichkeit, die Konsequenzen genau auf die jeweiligen Handlungen zurückzuführen. 2. Große technologische Möglichkeiten bauen zunehmend auf Fortschritten in der Wissenschaft auf. 3. Die Art der Suchaktivitäten, die zu Produkt- und Prozessinnovationen führen, hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts stark verändert. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Innovationsaktivitäten erweisen sich formale Organisationen (FuE-Einrichtungen von Unternehmen, staatliche Forschungseinrichtungen, Universitäten usw.) im Gegensatz zu einzelnen Erfindern als die dienlichere Umgebung für Innovationen. Außerdem erfolgen die formalen Forschungsaktivitäten des Unternehmenssektors zunehmend innerhalb mehr oder weniger integrierter Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. 4. Ein erheblicher Teil der Innovationen und Verbesserungen erfolgt durch „Learning-by-Doing” oder „Learning-by-Using”. 5. Da a) die Richtungen des technischen Wandels vom neuesten Stand der bereits verwendeten Technologien bestimmt werden, b) die Art der Technologie selbst die Reichweite bestimmt, innerhalb derer Produkte und Prozesse an veränderte ökonomische Bedingungen angepaßt werden können, und c) die Wahrscheinlichkeit eines technischen Fortschritts — wie bereits angesprochen wurde — u. a. eine Funktion des bereits erreichten technologischen Niveaus ist, ist technischer Fortschritt eine kumulative Aktivität. Die beiden letzten Punkte führen wiederum zu der bereits angesprochenen Pfadabhängigkeit von technologischen und ökonomischen Prozessen. Verspagen (1993), S. 65, leitet aus diesen ‚stilisierten Fakten’ zudem drei naheliegende Anforderungen an eine mikroökonomisch fundierte Theoriebildung ab: 1. Es kann nicht angenommen werden, daß Unternehmen ihre Gewinne — insbesondere intertemporal — maximieren können. Vielmehr ist das Unternehmensverhalten „gewinnsuchend”. 2. Es gibt kein Unternehmen, das als repräsentativ gelten kann, weil Unternehmen unterschiedlich auf sich verändernde ökonomische Bedingungen reagieren. 3. Die Innovationsfähigkeit hängt von unternehmensspezifischen Lernfähigkeiten ab. Damit diese Anforderungen zumindest teilweise in die evolutorische Theoriebildung integriert werden können, wird häufig das bereits in der Definition von

2.4 Evolutorische Ökonomik

71

Cantner/Hanusch (1998) enthaltene Konzept der beschränkten Rationalität und das voraus abgeleitete „Satisficing-Verhalten” zugrunde gelegt. Der Begri „satisfice” wurde von Simon (1955) geprägt, um ein Verhalten zu beschreiben, das auf das Erreichen von beschränkt formulierten Zielen orientiert ist. „Satisficing” ist danach ein Verhalten, bei dem die wirtschaftlichen Akteure nicht nach dem optimalen Wert einer Zielvariablen suchen, sondern einen Wert erreichen wollen, der ihnen unter den jeweiligen Bedingungen gemessen an ihrem Anspruchsniveau genügt (Keuter, 1994, S. 81). M. a. W. streben sie nach keiner optimalen, sondern „nur” nach einer hinreichend guten Lösung. Damit entfallen für die Modellbildung auch die in der Neoklassik üblichen Optimierungskalküle, sondern die wirtschaftlichen Akteure folgen bei ihrem Verhalten bestimmten, relativ starren Entscheidungsregeln oder -routinen (Nelson/Winter/Schuette, 1976, S. 91). Obwohl ein großer Teil der evolutorischen Ökonomik bisher „bechreibendwürdigender” Natur ist, gibt es inzwischen auch eine Reihe von formalen Ansätzen zur Analyse der Zusammenhänge zwischen technischem Fortschritt und Wirtschaftswachstum, die auf den gerade dargestellten Prinzipien aufbauen. Diese Prinzipien führen aber auch dazu, daß die meisten dieser Modelle nicht analytisch gelöst werden können, sondern die sich ergebenden Entwicklungspfade nur durch Simulationen ermittelt werden können.

2.4.2

Innovationen und Spezialisierung in evolutorischen Wachstumsmodellen

Im folgenden sollen jene formalen evolutorischen Wachstumsmodelle betrachtet werden, die das Zusammenspiel von Innovationen und Spezialisierung im Falle oener Volkswirtschaften analysieren. Dabei kann zwar grundsätzlich zwischen evolutorischen Mikro- und Makromodellen unterschieden werden, da aber ein wesentlicher Grundpfeiler der evolutorischen Ökonomik die verhaltenstheoretische Mikrofundierung ist, wird der Schwerpunkt auf die erstere Gruppe von Modellen gelegt, während auf die reinen Makromodelle nur kurz am Ende dieses Abschnitts eingegangen wird.67 Alle diese Modelle nehmen mehr oder weniger explizit Bezug auf die Pionierarbeit im Bereich der evolutorischen Wachstumsmodelle, dem Ansatz von Nelson/Winter (1982), Teil IV, so daß hier dieses Modell kurz einleitend vorgestellt werden soll.68 Die Annahmen im Modell von Nelson/Winter (1982) sind so gewählt, daß das gesamte Modell als Markow-Prozeß strukturiert ist, bei dem der Zustand jedes Unternehmens in jeder Zeitperiode durch zwei Zustandsvariablen beschrieben werden kann, nämlich der Produktionstechnik und der Unternehmensgröße. Der Produktionstechnik liegt eine limitationale Produktionsfunktion mit festen Arbeits- und Kapitalinputkoe!zienten (dO und dN ) zugrunde, mittels derer die Unternehmen ein homogenes Gut herstellen. Mithin kann in diesem Modell tech67

Diese Unterscheidung erfolgt in Silverberg/Verspagen (1998). Nelson/Winter (1982) wollen insgesamt eine „Evolutorische Theorie des ökonomischen Wandels” liefern, wobei beim im Teil IV vorgestellten Modell, auf das im folgenden eingegangen wird, stark auf Nelson/Winter/Schuette (1976) zurückgegrien wird. 68

72

2. Theoretische Erklärungsansätze

nischer Fortschritt nur in Form von Prozeßinnovationen auftreten.69 Die Unternehmensgröße ist durch die ganzzahlige Anzahl der Kapitaleinheiten i charakterisiert, die das Unternehmen einsetzt. Insgesamt gibt es eine endliche Zahl von Entscheidungsregeln, nach denen ein Unternehmen produziert (d. h. Kombinationen von dO und dN ) und eine endliche Zahl von Unternehmen, wobei einige von letzteren noch einen Kapitalstock von null haben und potentiell den Markt betreten werden. Da somit alle Unternehmen ihren gesamten Kapitalstock einsetzen und nach ihrer derzeitigen Entscheidungsregel produzieren, ergibt die Summe der Unternehmenszustände in einer bestimmten Periode den Industriezustand, der P einen bestimmten aggregierten Kapitalstock Ss=1 is , eine aggregierte ArbeitsP P dOs s nachfrage Ss=1 dNs is und einen bestimmten Output Ss=1 diNs beinhaltet, wobei S die Gesamtzahl der Unternehmen ist. Wenn angenommen wird, daß für alle Unternehmen die gleiche Arbeitsangebotskurve gilt und der Arbeitsmarkt in jeder Periode geräumt ist, gibt es für jeden Industriezustand einen entsprechenden Lohnsatz, der in Outputeinheiten ausgedrückt werden kann. Veränderungen der Produktionstechnik durch Prozeßinnovationen treten aufgrund der Suchaktivitäten der Unternehmen auf. Diese Suchaktivitäten finden in einem gegebenen und endlichen Pool von Technologien (d. h. Kombinationen von dO und dN ) statt, wobei einige der Technologien bekannt und andere noch unbekannt sind. Ob ein Unternehmen Suchaktivitäten startet, hängt von einer einfachen „Satisficing-Annahme” ab. Sie nehmen nur dann die Suche auf, wenn ihre Bruttoertragsrate unter 16 % fällt, wobei diese sich aus drei Komponenten zusammensetzt: der Abschreibungsrate von 4 %, der „erforderlichen Dividendenrate” und der „Zielrate des Nettoertrags”. Der Suchprozeß selbst kann entweder als lokale Suche oder als Imitation erfolgen, die sich gegenseitig ausschließen. Bei ersterer sucht das Unternehmen in der Nähe seiner bisher verwendeten Technologie nach inkrementalen Verbesserungen. Dabei wird die Distanz G zwischen zwei Technologien k und k0 als ¯ ¯ ¯ ¯ 0¯ 0¯ ¯ ¯ G (k> k0 ) = Z W O ¯log dkO  log dkO ¯ + Z W N ¯log dkN  log dkN ¯ , mit Z W O + Z W N = 1

(2.107)

gemessen, also als gewichteter Durchschnitt der absoluten Dierenzen der logarithmierten Inputkoe!zienten. Durch die Wahl unterschiedlicher Werte für die Gewichte Z W O und Z W N können in das Modell unterschiedliche Verzerrungen bezüglich der Entdeckung von kapital- und arbeitssparenden Technologien eingeführt werden. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit wiederum nimmt linear mit der Distanz zur gerade genutzten Technologie ab. Bei zweiterer, der Imitation, greift das Unternehmen auf Technologien zurück, die bereits von anderen Unternehmen genutzt werden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, daß es eine bestimmte Technologie findet, proportional zu dem Anteil des 69

Gerybadze (1982), S. 170-207 hat den Versuch unternommen, in das Nelson/Winter-Modell Produktinnovationen einzubeziehen, wobei er zunächst von zwei substitutiven Gütern und anschließend von P Gütern ausgeht. Allerdings lassen sich nur unter recht restriktiven Annahmen die qualitativ gleichen Ergebnisse herleiten wie im Originalmodell (vgl. hierzu Gerybadze, 1982, S. 202-207 sowie Grupp, 1997, S. 78).

2.4 Evolutorische Ökonomik

73

gesamten Industrieoutputs, der mit dieser Technologie hergestellt wird. Welche dieser beiden Suchstrategien ein Unternehmen wählt, ist ein Zufallsereignis mit gegebenen Wahrscheinlichkeiten. Wird eine neue Technologie gefunden, schließt sich an die eigentliche Suchphase eine Testphase an, bei der die Profitabilität der neuen Technologie abgeschätzt wird. Nach dieser wird ein Unternehmen eine neue Technologie nur dann übernehmen, wenn die erwartete Ertragsrate höher ist als die aktuelle. Dabei kommt es zu Erwartungsfehlern bezüglich der wahren Werte von dO und dN , weil diese von einer unabhängig normalverteilten Störgröße überlagert werden. Veränderungen der Unternehmensgröße erfolgen einerseits durch die bereits angeführten Abschreibungen und zum anderen durch die Bruttoinvestitionen in jeder Periode. Die Bruttoinvestitionen entsprechen den Bruttogewinnen, die sich wiederum als die um die Lohnzahlungen und die erforderlichen Dividenden verminderten Bruttoerträge ergeben. Diese können unter der Bedingung, daß der daraus resultierende Kapitalbestand nicht negativ ist, auch negativ sein. Eine weitere Quelle für Neuheiten ist der Markteintritt von Unternehmen, die sich bisher nicht in der Produktion engagieren („leere” Unternehmen mit einem Kapitalstock von null), aber Suchaktivitäten unternehmen. Wenn diese Unternehmen eine Produktionstechnik finden, die eine Ertragsrate über 16 % verspricht, treten sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % in den Markt ein und erhalten einen innerhalb bestimmter Grenzen zufällig ausgewählten Kapitalstock. Weil sich der Lohnsatz bei gegebenen Produktionstechnologien auf die Profitabilität jedes Unternehmens auswirkt, ist der Arbeitsmarkt der einzige Markt, über den die Unternehmen sich gegenseitig beeinflussen. Innerhalb des Modells ist er durch die Gleichung µ ¶ Ow zw = d + e f (2.108) (1  j)w gegeben, wobei w ein Periodenindex, Ow die gesamte in der Industrie eingesetzte Arbeit und d, e, f sowie j Konstanten sind. Ist j = 0, so sind die Arbeitsangebotsbedingungen im Zeitablauf konstant, und bei dem Modell insgesamt handelt es sich um einen Markow-Prozeß mit konstanten Übergangswahrscheinlichkeiten. Hingegen handelt es sich bei einem von null verschiedenen j um einen MarkowProzeß mit zeitabhängigen Übergangswahrscheinlichkeiten. Nelson/Winter/Schuette (1976) bzw. Nelson/Winter (1982) kalibrieren das Modell mit den Daten aus Solow (1957) für die USA von 1909 bis 1949. Insgesamt kommen sie zu dem Ergebnis, daß ihre simulierten Zeitreihen im Vergleich mit den Originalreihen von Solow recht plausibel sind, auch wenn sich aufgrund singulärer historischer Ereignisse natürlich bei einem Jahr-zu-Jahr-Vergleich stärkere Abweichungen zeigen (Nelson/Winter, 1982, S. 218-220). Das Modell ist aber in der Lage, auf der Grundlage einer mikroökonomischen Verhaltenstheorie die wesentlichen qualitativen Merkmale der makroökonomischen Entwicklung nachzuvollziehen.70 70 Silberberg/Verspagen (1998), S. 249, bewerten dies zwar auch als ein nützliches Ergebnis, wenden aber kritisch ein, daß eine evolutorische Theorie zum einen auch eigenständige neue

74

2. Theoretische Erklärungsansätze

Es liefert zudem einige interessante Ergebnisse, wenn in den Simulationen die vier Hauptparameter (die Leichtigkeit von Innovationen, die Bedeutung von Imitationen im Verhältnis zu lokaler Suche, die Kapitalkosten und die arbeitssparende Verzerrung der lokalen Suche) variiert werden (vgl. Nelson/Winter/Schuette, 1976, S. 111-114 bzw. Nelson/Winter, 1982, S. 230-232). So führt eine Abnahme der Leichtigkeit von Innovationen zu einem erhöhten technischen Fortschritt und einem erhöhten Kapitaleinsatz pro Beschäftigtem. Eine hohe Bedeutung von Imitationen bedingt einen höheren Kapitaleinsatz pro Beschäftigtem, wobei dieser Einfluß aber statistisch nur schwach gesichert ist, und vor allem eine niedrigere Konzentration. Höhere Kapitalkosten führen hingegen zu einem niedrigerem technischen Fortschritt und niedrigerem Kapitaleinsatz pro Beschäftigtem. Zudem bringen arbeitssparende Neuerungen eine Kapitalintensivierung mit sich. Aufbauend auf den Arbeiten von Nelson und Winter entwickeln Dosi/Fabiani/ Aversi u. a. (1994) ein evolutorisches Mehrländermodell, mit dem sie ausgehend von der Schumpeterschen Idee, daß technischer Wandel naturgemäß ein Ungleichgewichtsphänomen sei, auf einem hohen Abstraktionsniveau ohne die Einbeziehung länderspezifischer Institutionen und historischer Singularitäten zeigen wollen, daß 1. anfänglich gleiche Länder sich in über die Zeit persistenter Weise unterschiedlich entwickeln können, 2. unternehmensspezifische Schwankungen längerfristig landesweite Eekte determininieren, 3. evolutorische Mikrofundierungen und heterogenes Lernen ausreichen, um Kaldorsche ‚virtuous’ und ‚vicious’ Rückwirkungen in Gang zu halten, und 4. man für unterschiedliche Zeitphasen Aufhol- und Überholprozesse sowie Divergenz beobachten könne.71 In ihrem Modell besteht die Weltwirtschaft aus P Sektoren (1> ===> p> ===P ), Q Ländern (1> ===> q> ===Q ) und S Unternehmen (1> ===> s> ===S ) pro Land und Sektor. Es wird angenommen, daß jedes Unternehmen in allen Ländern, aber jeweils nur in einem Sektor aktiv ist. Ferner sind — analog zu Nelson/Winter (1982) — die innerhalb eines Sektors hergestellten Güter wiederum homogen, und die Produktivität kann durch Innovationen oder Imitation bereits vorhandener Techniken gesteigert werden, d. h. es gibt auch hier nur Prozeßinnovationen. Anders als bei Nelson/Winter (1982) hängt aber der Erfolg des Suchprozesses nun von den FuE-Ausgaben der Unternehmen und einer Zufallskomponente ab. Zudem ist jetzt Ergebnisse liefern und sich nicht nur an neoklassischen Ergebnissen messen sollte. Zum anderen stütze sich die empirische Validierung des Modells nur auf einen alten Datensatz, und seit den siebziger Jahren seien die damals als gesichert angenommenen stilisierten Fakten nicht mehr unangefochten. 71 Vgl. Dosi/Fabiani/Aversi u. a. (1994), S. 226. Eine nur leicht abgewandelte Darstellung des Modells findet sich in Dosi/Fabiani (1994). Zudem baut es auf einem Modell für eine geschlossene Volkswirtschaft auf, das in Chiaromonte/Dosi (1992) präsentiert wird.

2.4 Evolutorische Ökonomik

75

homogene Arbeit, die unbeschränkt zur Verfügung steht, der einzige Inputfaktor, der sowohl zur Produktion als auch zur Suche nach Innovationen und Imitationsmöglichkeiten eingesetzt wird. Die Produktion erfolgt hier ebenfalls auf der Basis einer limitationalen Produktionsfunktion, wobei die festen Inputkoe!zienten 1@ qs , mit  als Arbeitsproduktivität, unternehmensspezifisch sind.72 Sowohl die Suche nach Innovationen als auch nach Imitationsmöglichkeiten ist ein zweistufiger stochastischer Prozeß. In der ersten Stufe wird bestimmt, ob die Suche erfolgreich ist. Es seien LQqs bzw. LPqs binäre Variablen, die den Wert 1 annehmen, wenn eine Innovations- bzw. Imitationsmöglichkeit gefunden wird. Ihre Wahrscheinlichkeitsfunktionen sind gegeben durch ¡ ¢ LQ Z (LQqsw = 1) = 1  exp d1 Lqsw und ¡ ¢ LP Z (LPqsw = 1) = 1  exp d2q Lqsw , (2.109)

LQ LP wobei Lqsw bzw. Lqsw die Suchinvestitionen nach Innovations- bzw. Imitationsmöglichkeiten im Zeitraum w sind. Diese ergeben sich als Summe der aktuellen und LP zeitverzögerten FuE-Beschäftigtenzahlen (OLQ qs und Oqs ), die zur Suche eingesetzt werden, also LQ Lqsw =

2 X  =0

LP OLQ qs>w3 bzw. Lqsw =

2 X

73 OLP qs>w3 .

(2.110)

 =0

Die Tatsache, daß Imitationen möglich sind, zu ihrer Suche aber FuE-Beschäftigte eingesetzt werden müssen, impliziert gemäß der im Abschnitt 2.1.3 vorgestellten Klassifikation, daß technisches Wissen weder ein rein privates noch ein rein öffentliches Gut ist, sondern daß ein Ausschluß nur teilweise möglich ist. Stellt sich bei der Innovationssuche ein Erfolg ein, so erfolgt in der Folgeperiode eine prozentuale Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die aus einer PoissonVerteilung mit Mittelwert und Varianz  gezogen wird, so daß sich ¶ µ ¡ LQ ¢  LQ (2.111) H  qs>w+1 =  qsw 1 + 100

ergibt, wobei durch den Wert für  auch der Reichtum an ungenutzten technologischen Möglichkeiten approximiert wird. Die Menge der Techniken w , die grundsätzlich für Imitationen zur Verfügung stehen, ist die Vereinigungsmenge aller Arbeitsproduktivitäten,Sdie im In- und Ausland in einem bestimmten Sektor genutzt werden, also w = Q q=1  qw . Zudem ist die Distanz zwischen der von einem Unternehmen s verwendeten und einer beliebigen anderen Technik durch ½ max (0>    qs ) , falls  5 q (2.112) G ( qsw >  w ) =  max (0>    qs ) , sonst 72

Auf den Index für den Sektor wird — soweit keine Mißverständnisse auftreten können — verzichtet, weil jedes Unternehmen nur Güter eines Sektors herstellt. 73 Dosi/Fabiani/Aversi (1994) geben auch andere Bestimmungsgleichungen für die Suchinvestitionen an, bei denen nationale und internationale Spillovers berücksichtigt werden. Da diese aber nicht für die Simulationen verwendet werden, wird auf ihre Wiedergabe verzichtet.

76

2. Theoretische Erklärungsansätze

definiert, wobei  A 1 die Distanz für jene Techniken vergrößert, die von ausländischen Unternehmen eingesetzt werden. Ein Unternehmen wird natürlich nur innerhalb der Menge der Techniken suchen, die der eigenen überlegen sind. Mithin ist die für Imitationen relevante Menge von Techniken LP qsw = {alle  5 |G ( qsw >  w ) A 0} ,

(2.113)

und im Falle eines Imitationserfolges wird die imitierte Technik aus dieser Teilmenge mit einer Wahrscheinlichkeit gezogen, die proportional zu der Distanz zur bisher genutzten Technik ist, nämlich ¢ ¡ Z LP qsw =  =

[G (qsw >  w )]31 , für alle  5 LP P qsw . [G ( qsw > w )]31

(2.114)

MLP qsw

Der Formulierung dieser Wahrscheinlichkeitsfunktion liegt genauso wie beim Modell von Nelson/Winter (1982) die Vorstellung zugrunde, daß Lernen im hohen Maße lokal erfolgt und ein wichtiger Teil des Wissens gebunden ist („tacit knowledge”). So ist dann auch die Wahrscheinlichkeit eines unverzüglichen Aufschließens zur Best-Practice-Technologie umgekehrt proportional zum technologischen Rückstand eines Unternehmens. In der Produktion wird das Unternehmen natürlich unter den ihm zur Verfügung stehenden Techniken jene mit der höchstmöglichen Arbeitsproduktivität einsetzen, so daß die Arbeitsproduktivität in der Folgeperiode ¡ ¢ LP  qs>w+1 = max  qsw >  LQ (2.115) qsw >  qsw

ist. Das Verhalten der Unternehmen folgt wiederum festen Regeln. Sie investieren stets einen bestimmten Anteil ihres Vorperiodenumsatzes \qs>w31 in FuE, also I xHqsw = d3qs \qs>w31 ,

(2.116)

und die Anzahl der FuE-Beschäftigten ergibt sich als OIqswxH =

I xHqsw , zqw

(2.117)

wobei zq der Lohnsatz im Land q ist. Mittels einer zweiten Regel werden die gesamten FuE-Beschäftigten auf die Innovations- und Imitationsaktivitäten verteilt. Sie lautet: ¢ I xH ¡ LP I xH (2.118) OLQ qsw = 1  qs Oqsw und Oqsw = qs Oqsw .

Die Preissetzung jedes Unternehmens erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst wird mittels einer Aufschlagskalkulation auf der Grundlage des aktuellen und zeitverzögerten Lohnsatzes sowie der Arbeitsproduktivität des Unternehmens der gewünschte Preis s˜qs als s˜qsw =

d4s zqw + d5s zq>w31 (1 + p) , mit d4s + d5s = 1,  qsw

(2.119)

2.4 Evolutorische Ökonomik

77

bestimmt, wobei p den Aufschlagsfaktor repräsentiert und d4s sowie d5s Anpassungskoe!zienten sind. Anschließend wird die tatsächliche Preisveränderung jedes Unternehmens in seinem Heimatmarkt q als { ln sqsw = d6s (ln s˜qsw  ln sqs>w31 ) + d7s (ln v˜qs>w31  ln vqs>w31 ) + d8s { ln vqs>w31

(2.120)

berechnet, wobei v˜qs den gewünschten und vqs den tatsächlichen Marktanteil des Unternehmens s kennzeichnet. Zwischen diesen beiden Anteilen wird unterschieden, weil das einzelne Unternehmen einer Kreditrationierung unterliegen kann. Der tatsächliche Preis ist dann sqsw = sqs>w31 (1 + { ln sqsw ) .

(2.121)

Die Preissetzung auf den ausländischen Märkten erfolgt unter Berücksichtigung des Wechselkurses analog zu den Gleichungen (2.120) und (2.121). Werden nun alle Märkte, auf denen das Unternehmen agiert, mit n = 1> ===> Q indiziert, so ergibt sich über das Zusammenspiel von Preis und Wechselkurs hq die Wettben werbsfähigkeit Hqs auf einem dieser Märkte als n = Hqsw

1 hqw = snqsw

(2.122)

Ferner wird angenommen, daß die Beschäftigten ihre in der aktuellen Periode verdienten Löhne in der Folgeperiode konsumieren. Die Unternehmen investieren ihre Überschüsse in FuE und legen ihren Netto-Cash-flow zinsfrei an. Genauso können sie auch Vorschüsse bis zu einer Grenze beziehen, die proportional zu ihren laufenden Umsätzen und den vergangenen Cash-flows ist. Nach Dosi/Fabiani/Aversi u. a. (1994), S. 231, sind die Kredite auf diese Weise für die einzelnen Unternehmen rationiert und können ihr Wachstum beschränken. Es gibt aber keine aggregierte Höchstgrenze für Kredite. Ist Fqs der Netto-Cash-flow, so beläuft sich der kreditrationierte maximale Umsatz eines Unternehmens auf ! Ã w X ssw max (2.123) \qsw  (1 + d9s ) \qs>w31 + d10s Fqs = ss>w31  =0 Im vorletzten Schritt wird die Marktdynamik festgelegt. Die inländische Nachfrage Gq ergibt sich ex post als Summe der Löhne, die an die Beschäftigten gezahlt wurden, und sie verteilt sich auf alle P Sektoren gleich, also Gpq = (1@P)Gq . Dabei kann die Nachfrage als „Auftragsbestand” betrachtet werden, aufgrund dessen die Unternehmen ihre Produktionsentscheidungen fällen. Wieviel der Nachfrage auf ein bestimmtes Unternehmen entfällt, hängt von seiner Wettbewerbsfähigkeit ab, so daß sein Umsatz in der aktuellen Periode \qsw =

Q X n=1

vnqsw Gnp>w31 hqw

(2.124)

78

2. Theoretische Erklärungsansätze

beträgt, und die Veränderung der Marktanteile erfolgt gemäß Ã ! n Hqsw n {vqs>w+1 = d11  1 vnqsw , Hwn

(2.125)

wobei H n die durchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit in einem Markt n und der Koe!zient d11 eine Proxyvariable für die Selektionsfähigkeit des Marktes ist. Letzterer legt fest, mit welcher Geschwindigkeit Erfolge belohnt und Rückstände bestraft werden. Die durch diese Replikatorgleichung erzeugte Dynamik und die damit verbundene Marktselektion haben die Koexistenz von Unternehmen zur Folge, die durch unterschiedliche E!zienzniveaus und Verhaltensregeln gekennzeichnet sind. Unterschreiten die aufsummierten Marktanteile eines Unternehmens eine bestimmte Untergrenze, so scheidet es insgesamt aus und wird durch ein neues Unternehmen ersetzt, dessen anfängliche Produktivität dem Durchschnitt in dem Sektor und Land entspricht, in dem der Markteintritt stattfindet. Zudem ist die Anzahl der Beschäftigten, die von einem Unternehmen in der Produktion eingesetzt werden, gleich OKhuvw= = qsw

Q n 1 X \qsw ,  qsw n=1 snqsw

(2.126)

also der reale Output des Unternehmens geteilt durch seine Arbeitsproduktivität. Als letzter Schritt werden die volkswirtschaftlichen Größen und deren Dynamik definiert. Das Realeinkommen und die Exporte ergeben sich einfach als Summe der entsprechenden Mikrogrößen über die einzelnen Unternehmen eines Landes. Die Importe entsprechen natürlich der inländischen Nachfrage minus den inländischen Umsätzen der inländischen Unternehmen, und die Handelsbilanz Eq , die in diesem Modell mit der Zahlungsbilanz identisch ist, ist die Dierenz zwischen Ex- und Importen. Die Wechselkursveränderungen sind wiederum eine Funktion der auf das Einkommen normierten aktuellen und vergangenen kumulierten Handelsbilanzen. Es sei Vq = Eq @\q , und die Veränderung des Wechselkurses sei ¯! Ã ¯ w ¯X ¯ {hq>w+1 ¯ ¯ (2.127) = d12 Vqw exp d13 ¯ V ¯ , ¯  =0 qw ¯ hqw

dann ist

hq>w+1

µ ¶ {hq>w+1 = 1+ hqw . hqw

(2.128)

Veränderungen der Löhne werden durch Veränderungen der durchschnittlichen Arbeitsproduktivitäten  ¯ q (gewichtet mit dem realen Output jedes Unternehmens), des Konsumentenpreisindexes s¯q und der Gesamtbeschäftigung Oq gemäß der Gleichung {¯  qw {zq>w+1 {¯ sqw {Oqw = d14 + d15 + d16 zqw  ¯ q>w31 s¯q>w31 Oq>w31

(2.129)

2.4 Evolutorische Ökonomik

79

getrieben, wobei die Koe!zienten d14 , d15 und d16 jeweils in dem Intervall [0> 1] liegen. Nach Dosi/Fabiani/Aversi u. a. (1994), S. 233-234, ist ihr Modell zusammenfassend durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet: 1. Die Dynamik des Modells wird von endogen generierten, unternehmensspezifischen technologischen Schocks getrieben, aber diese üben ihren Einfluß auf die Einkommen über einen Keynesianischen Mechanismus der Nachfrageentwicklung aus. 2. Die Ausbreitung der Schocks erfolgt durch unvollständige Anpassungen auf den Produktmärkten und durch Imitationen. Mithin tritt die Diusion von Innovationen auch nie sofort ein, und die Diusionsgeschwindigkeit hängt sowohl von der Marktselektion zwischen heterogenen Unternehmen als auch, in ungekehrter Form, von der Aneigenbarkeit der Innovationen ab. Zudem kann die Kapitalmarktrationierung eine Obergrenze für die Expansion der erfolgreichsten Unternehmen bilden. 3. Es gibt auf der Unternehmensebene verschiedene Quellen der Persistenz. Erstens hängen die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Innovationen und Imitationen auch von den vergangenen Suchausgaben ab. Zweitens erhöhen sich durch einen Innovationserfolg die Mittel, die für die zukünftige Suche verwendet werden können. Drittens impliziert die Dynamik der unternehmensspezifischen Produktivitätsniveaus ein nicht verschwindendes Gedächtnis, so daß den Produktivitätszeitreihen der Unternehmen ein Random Walk mit Drift zugrunde liegt. 4. Imitationen und die Marktselektion führen zu nichtlinearen Interaktionsprozessen zwischen den Unternehmen. Außerdem erzeugen die Lohn- und Wechselkursanpassungen eine Art negativer Rückkopplungen, die die Fähigkeit der Unternehmen zur unbegrenzten Ausdehnung auf den Weltmärkten beschränken. 5. Weil die Produktivität eines neu entstehenden Unternehmens dem Durchschnitt in dem Sektor und Land entspricht, in dem der Markteintritt stattfindet, besteht eine Art länderspezifische Externalität, die zu unterschiedlichen nationalen Wissensbasen beiträgt. Die Entwicklungspfade dieses Modells können ebenfalls nur durch Simulationen ermittelt werden (vgl. Dosi/Fabiani/Aversi u. a., 1994, S. 235-239). Bei einem Simulationslauf über 500 Perioden für eine geschlossene Volkswirtschaft, die aus fünf Sektoren mit jeweils 100 Unternehmen besteht, zeigt sich, daß die Niveaus der Pro-Kopf-Einkommen nichtstationär sind, während ihre Wachstumsraten stationär sind. Außerdem weisen sie eine deutliche zyklische Komponente auf. Interessanter sind jedoch die Ergebnisse der Simulation für 55 Länder und jeweils zwei Sektoren. Dabei sind im Ausgangszustand alle Länder gleich und die Handelsbilanzen jeweils ausgeglichen. Zudem sind die Wechselkurse anfangs auf

80

2. Theoretische Erklärungsansätze

eins gesetzt und alle Länder weisen die gleichen Anpassungs- und Verhaltensparameter auf. In diesem Fall zeigt eine einfache Querschnittsregression zur Überprüfung der Konvergenzhypothese, bei der die Wachstumsraten der Pro-KopfEinkommen zwischen der 31. und 90. Periode auf das Ausgangseinkommen in der 30. Periode regressiert werden, daß bei einer einseitigen Fragestellung bei einem Signifikanzniveau von 5 % von einer Divergenz auszugehen ist. Bei einer Aufteilung der Stichprobe in die 25 Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen und jene 20 mit den niedrigsten Einkommen am Ende des Simulationszeitraums ergibt sich für erstere kein signifikanter Zusammenhang zwischen Wachstum und anfänglichem Einkommen, während er für letztere hoch signifikant positiv ist. Die Autoren schließen daraus, daß einige Länder dahin tendieren, sich in ‚vicious circles’ der Rückständigkeit zu verfangen. Bezüglich der Exportspezialisierungen der einzelnen Länder zeigt sich kein einheitliches Bild. Bei einigen Ländern kommt es als Ergebnis von Innovationen, Imitationen und Selektion zur Herausbildung von komparativen Vorteilen, so daß sie sich bei gleicher Ausgangsposition in beiden Sektoren allmählich komplett auf einem Sektor spezialisieren. Bei anderen Ländern sind hingegen die Entwicklungen der absoluten Vorteile bzw. Nachteile in beiden Sektoren sehr ähnlich, und mit zunehmenden technologischen Lücken verkleinern sich ihre sektoralen Exporte relativ gleichförmig. Silverberg/Verspagen (1995) entwickeln ebenfalls ein evolutorisches Mehrländermodell mit einer mikroökonomischen Fundierung, bei dem die Länder allerdings aus Vereinfachungsgründen nur über Technologie-Spillover und Verhaltensimitationen miteinander verbunden sind, d. h. es wird von den üblichen internationalen ökonomischen Faktoren wie Außenhandel, Faktorbewegungen und Wechselkursentwicklungen abstrahiert.74 Ziel ist es, bereits mit solch einem einfachen Ansatz langfristige Wachstumspfade und zyklische Schwankungen unterschiedlicher Länge zu erzeugen, die zu internationalen Aufhol- und Rückfallprozessen führen können. Den makroökonomischen Kern des Modells bildet ein Mechanismus, über den die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung und die Investitionen der Unternehmen miteinander verbunden werden. Die Entwicklung des Lohnsatzes zq in einem Land q wird durch eine lineare Phillips-Kurve z˙ q = e1 + e2 yq , zq

(2.130)

bestimmt, wobei y der Anteil der Beschäftigten an allen Erwerbspersonen ist. Es wird wiederum angenommen, daß es in jedem Land S Unternehmen gibt, die jeweils eine variable Anzahl t von Kapitaltypen zur Herstellung eines homogenen Gutes verwenden. Die Veränderung eines Unternehmenskapitalstocks vom Typ t (Nqst ) beruht auf der Akkumulation der Profite, nämlich N˙ qst = (1  e3qs ) uqst + e4 (uqst  uqs )  , Nqst

(2.131)

74 Das Modell baut auf einem Ansatz für geschlossene Volkswirtschaften auf, der in Silverberg/Verspagen (1994) und Silverberg/Verspagen (1994a) präsentiert wird.

2.4 Evolutorische Ökonomik

81

wobei u die Profitrate und  die exogene Rate der physischen Abschreibung ist, während technologische Veralterung eine endogene Komponente des Modells ist (Silberberg/Verspagen, 1995, S. 216). Der erste Term auf der rechten Seite der Gleichung zeigt an, daß die Akkumulation von Nqst zunächst einmal auf den Profiten beruht, die mit diesem Kapitaltyp erzielt werden, wobei aber ein bestimmter unternehmensspezifischer Anteil e3qs der Profite für FuE verwendet wird.75 Der zweite Term bringt zum Ausdruck, daß die Gewinne auch umverteilt werden können, so daß die profitableren Kapitalarten noch schneller und die weniger profitablen noch langsamer wachsen. Der Grad der Umverteilung wird durch den Parameter e4 beeinflußt. Auch bei diesem Modell wird eine limitationale Produktionstechnik mit konstantem Kapitalkoe!zienten dN und festen Arbeitsproduktivitäten  O bzw. Arbeitsinputkoe!zienten dO = 1@O unterstellt. Dabei wird nun allerdings angenommen, daß der Kapitalkoe!zient über die Unternehmen und die Zeit fix ist, während die Arbeitsproduktivitäten durch technischen Fortschritt beeinflußt werden. Die Profitrate des Kapitaltyps qst ist dann zq 1  dOqst zq  Oqst bzw. uqst = . dN dN

1 uqst =

(2.132)

Die Unternehmensentwicklungen werden im wesentlichen über den Anteil der Erwerbspersonen abgebildet, die jeweils an einem Kapitalstock Nqst beschäftigt sind. Weil angenommen wird, daß die Unternehmen stets mit voller Kapazität arbeiten, ist der Arbeitseinsatz an jedem Kapitalstock gleich Nqst @( Oqst dN ). Wird dieser durch die Erwerbspersonenzahl geteilt, die mit der Rate q wächst, so ergibt sich der jeweilige Beschäftigtenanteil yqst , und seine Wachstumsrate ist y˙ qst N˙ qst =  q = (1  e3qs ) uqst + e4 (uqst  uqs )  (q + ) . yqst Nqst

(2.133)

Von der FuE geht ebenfalls ein Beschäftigungseekt aus, wobei angenommen wird, daß das Verhältnis von FuE-Ausgaben und FuE-Beschäftigten einem Anteil g an der über die gesamte Wirtschaft aggregierten Arbeitsproduktivität entspricht. Den Beschäftigtenanteil yqs , der sich aus der Produktion ergibt, erhält man durch Summierung der yqst über s und t. Mithin ist der gesamte Beschäftigtenanteil µ  ¶¸ zq yqs . (2.134) yq = 1 + ge3 1  Oq Die Gleichungen (2.130) und (2.133) bilden den Selektionsmechanismus des Modells, wobei Gleichung (2.133) dafür sorgt, daß profitablere Unternehmen, also solche mit überdurchschnittlicher Arbeitsproduktivität, ihren Beschäftigungsanteil ausdehnen, während technologisch zurückliegende Unternehmen schrumpfen. 75 In FuE wird allerdings nur investiert, wenn das Unternehmen positive Gewinne aufweist. Ist uqs ? 0, wird e3qs auf null gesetzt (vgl. Silverberg/Verspagen, 1995, S. 216).

82

2. Theoretische Erklärungsansätze

Gleichung (2.130) gewährleistet zudem, daß langfristig die Löhne die Arbeitsproduktivität treiben. Wenn kontinuierlich neue Technologien eingeführt werden, führt dieser Mechanismus dazu, daß nach einer anfänglichen Phase der Marktpenetration und -diusion alle Technologien irgendwann nicht mehr in der Produktion eingesetzt werden. Zur systematischen Suche nach neuen Produktionsmöglichkeiten, d. h. nach neuen Kapitaltypen, setzen die Unternehmen FuE-Ressourcen ein, wobei das Ergebnis dieser Suche eine stochastische Komponente beinhaltet. Wird eine Innovationsmöglichkeit gefunden, steigt mit dem neu eingesetzten Kapitaltyp die Arbeitsproduktivität des Unternehmens gemäß  WOqsw = (1 + e5 ) WOqs>w31 ,

(2.135)

mit  WOs als unternehmensspezifischer Best-Practice-Arbeitsproduktivität und e5 als ihrem festen proportionalen Anstieg aufgrund einer Innovation. Der neue Kapitaltyp wird anfänglich mit einem kleinen Beschäftigtenanteil ausgestattet, der von den anderen Kapitaltypen des innovierenden Unternehmens abgezogen wird. Die Gesamtzahl der Technologien, die von einem bestimmten Unternehmen eingesetzt werden, kann natürlich im Zeitablauf variieren. Jede Technologie wird aufgrund des Anstiegs der Löhne im Zeitablauf irgendwann negative Profite hervorbringen, und Silverberg/Verspagen (1995), S. 217, nehmen an, daß diese Verluste durch eine entsprechende Abnahme des Kapitalstocks finanziert werden. Dabei liegt aufgrund des Umverteilungsterms in Gleichung (2.131) der Beginn der Abnahme für einzelne Kapitalstöcke schon vor dem Zeitpunkt, von dem an ihre Profite negativ werden. Fällt der Beschäftigungsanteil einer Technologie unter einen bestimmten Grenzwert, so wird der dazugehörige Kapitalstock komplett vernichtet. Die unternehmensspezifischen FuE-Aktivitäten Iqs sind in dem Modell als Verhältnis des gleitenden Durchschnitts der FuE-Investitionen des Unternehmens zu seinem gesamten physischen Kapitalstock definiert.76 Der exponentielle gleitende Durchschnitt I Hqs für die FuE-Investitionen mit einem Lag von  (bzw. mit einer Abschreibungsrate 1@ ) ergibt sich aufgrund der Dierentialgleichung ¦

I H qs =

e3qs uqs Nqs  I Hqs , 

(2.136)

und die unternehmensspezifischen FuE-Aktivitäten sind dann Iqs =

I Hqs = Nqs

(2.137)

Die Eintrittswahrscheinlichkeit, daß ein Unternehmen eine Innovation hervorbringt, ergibt sich aufgrund einer Poisson-Verteilung, deren Mittelwert und Va76 Silverberg/Verspagen (1995), S. 217 weisen zurecht darauf hin, daß es a priori eigentlich keinen Grund gibt, auszuschließen, daß die absolute Höhe der FuE-Aktivitäten direkt den Innovationserfolg beeinflusse. Ohne die Normalisierung auf die Unternehmensgröße würde es aber eine zu starke Rückkopplung zwischen der FuE und der Unternehmensgröße geben, und es würden sich unausweichlich Monopolsituationen einstellen. Damit auch kleinere Länder im Technologiewettlauf verblieben oder sogar vorrückten, müsse dieser Skaleneekt ausgeschlossen werden.

2.4 Evolutorische Ökonomik

83

rianz s in linearer Form von den FuE-Aktivitäten abhängt, also qs = e6 Iqs + min ,

(2.138)

wobei min die autonome Wahrscheinlichkeit ist, daß ein Unternehmen zufällig eine Innovation ohne formale FuE generiert, und e6 ist ein Steigungsparameter. Genauso wie bei den vorherigen Modellen wird auch hier zwischen eigentlichen Innovationen und Imitationen unterschieden (bei Silverberg/Verspagen, 1995, S. 217, Innovationen im engeren und weiteren Sinne). Die Möglichkeit von Imitationen wird durch einen Catching-up-Term im Modell berücksichtigt, der die eektiven FuE-Aktivitäten erhöht, die in die Innovationswahrscheinlichkeitsfunktion eingehen, nämlich à !! à  WO 0 , (2.139) Iqs = Iqs 1 + e7 ln  WOqs wobei  WO die Arbeitsproduktivität für die weltweite Best-Practice-Technologie ist. Mithin müssen rückständige Unternehmen für Imitationen auch FuE einsetzen, aber im geringeren Umfang als für eigene Innovationen (im engeren Sinne). Innerhalb des Modells ist dies die einzige Form von technologischen Spillovers. Analog zum Modell von Dosi/Fabiani/Aversi u. a. (1994) kommt es auch im Modell von Silverberg/Verspagen (1995) nur zu einem Markteintritt eines neuen Unternehmens, wenn ein alteingesessenes austritt, was — wie bereits angeführt wurde — der Fall ist, wenn sein Beschäftigtenanteil in der Produktion unter einen bestimmten Grenzwert fällt. Das neue Unternehmen erhält einen Beschäftigtenanteil, der doppelt so hoch ist wie dieser Grenzwert, wobei die Beschäftigten insgesamt proportional so umverteilt werden, daß die Gesamtbeschäftigtenzahl konstant bleibt. Gleichzeitig verfügt das neue Unternehmen anfänglich nur über eine Technologie, deren Arbeitsproduktivität aus einer Gleichverteilung innerhalb des Intervalls [(1  e8 )¯  Oqs > (1 + e8 )¯  Oqs ] gezogen wird, wobei  ¯ Oqs der ungewichtete Mittelwert der Arbeitsproduktivitäten in dem betreenden Land ist. Zudem werden die Werte für I und e3 aus Gleichverteilungen mit der Spannweite der in dem Land gerade vorkommenden Werte gezogen. Abschließend wird festgelegt, wie die Unternehmen ihren FuE-Strategie-Parameter ändern. Dies kann entweder durch Mutation oder Imitation erfolgen. Im Falle der Mutation ändert das Unternehmen mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit P in jeder Periode seinen Parameter e3qs um einen aus einer Normalverteilung gezogenen Wert % innerhalb des zulässigen Intervalls [0> 1], also P = Z (e3qsw = min (1> max (e3ps>w31 + %> 0))) , %  Q(0>  qs ).

(2.140)

Bei einer imitierenden Änderung wählt es mit einer Wahrscheinlichkeit Lqs die Strategie eines anderen Unternehmens, also Lqs = Z (e3qsw = e3qm>w31 ) , m(6= s) 5 (1> ===> QS ) ,

(2.141)

wobei diese Imitationswahrscheinlichkeit teilweise endogenisiert ist, um Satisficing-Verhalten widerzuspiegeln.77 Nur Unternehmen, die relativ zu den führen77 Die Gegenwahrscheinlichkeit, daß ein Unternehmen seinen FuE-Strategie-Parameter nicht ändert, ist dann natürlich 1  P  Lqs = Z (e3qsw = e3qs>w1 ).

84

2. Theoretische Erklärungsansätze

den Unternehmen unbefriedigende Profitraten aufweisen, werden die Möglichkeit wählen, die Strategie eines Wettbewerbers zu imitieren. Deshalb ist µ min ¶ jNqs  jN q Lqs =  1  max , (2.142) min jNq  jN q mit jNqs als der Wachstumsrate des physischen Kapitalstocks eines Unternehmin max mens, die durch min (uqs > (1  e3qs )uqs ) gegeben ist, und jN bzw. jN als der q q minimalen bzw. maximalen Wachstumsrate in dem jeweiligen Land. Zudem ist  die maximale Imitationswahrscheinlichkeit, die der Imitationswahrscheinlichkeit Lqs des am wenigsten profitablen Unternehmens entspricht. Umgekehrt wird das profitabelste Unternehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von null eine andere Strategie imitieren. Hat sich ein Unternehmen entschieden, ein anderes zu imitieren, ist die Wahrscheinlichkeit dafür, welches Unternehmen hierzu ausgewählt wird, im Prinzip proportional zu seinem Marktanteil. Allerdings werden die Marktanteile ausländischer Unternehmen zusätzlich mit einem Parameter e9 gewichtet, der zwischen null und eins liegt. Im ersteren Extremfall ist es ausgeschlossen, daß ausländische Unternehmen imitiert werden, während im zweiteren die Wahrscheinlichkeit genauso groß ist wie bei vergleichbaren inländischen Unternehmen. Auf diese Weise wird eine zweite, sehr einfache Verhaltensinteraktion zwischen den verschiedenen Ländern eingeführt (Silverberg/Verspagen, 1995, S. 219). Die Entwicklungspfade dieses Modells wurden für fünf Länder mit jeweils zehn Unternehmen simuliert. Alle Simulationen liefen jeweils über 5000 Perioden, wobei sich aber nach 1000 Perioden evolutorische Steady-States herausbildeten (vgl. Silverberg/Verspagen, 1995, S. 220-224). Betrachtet man deshalb die letzten 4000 Perioden, so zeigt sich, daß alle Unternehmen in allen Ländern — unabhängig von den zufällig ausgewählten Startwerten — zu sehr ähnlichen FuE-StrategieParametern e3qs streben, wenn ein Mindestmaß an Imitationsmöglichkeiten von ausländischen Strategien gegeben ist (0 ? e9  0> 05).78 Nur bei e9 = 0 nähern sich einige Unternehmen nicht diesem Wert. M. a. W. führt in diesem Modell ein Mindestmaß an Imitationsmöglichkeiten von ausländischen FuE-Strategien zu einer Konvergenz der FuE-Niveaus. Verbunden damit ist auch eine weitreichende Konvergenz der Arbeitsproduktivitäten. Für e9 A 0 befinden sich die entsprechenden Variationskoe!zienten stets in einem relativ engen Band nahe null, ohne aber null zu werden. Dagegen sind sie bei einer Reihe von Simulationsläufen recht hoch, wenn e9 = 0 gesetzt wird. Zudem ergeben sich dann sowohl bei den Variationskoe!zienten als auch bei der Distanz zu dem führenden Land auch in den letzten 1000 Perioden noch erhebliche zyklische Schwankungen. In abgemilderter Form finden sich diese Schwankungen allerdings auch, wenn e9 = 0> 01 vorgegeben wird. Dieser Eindruck wird durch eine Spektralanalyse bestätigt. Silverberg/Verspagen (1995), S. 222-223, schließen daraus, daß die Entwicklungen ihrer Zeitreihen keine klaren Muster im Sinne einer Konvergenz zu einem einzigen langfristigen Gleichgewichtswert zeigen, sondern sich auf sehr lange Sicht Phasen der Konvergenz und der Divergenz 78

In den Simulationen verwenden Silverberg/Verspagen (1995) 0,05 als höchsten Wert für e9 .

2.4 Evolutorische Ökonomik

85

ablösen. Dementsprechend könnten empirische Analysen, die aufgrund von Daten für relativ kurze Zeiträume (etwa der Nachkriegszeit) auf einen langfristigen Konvergenztrend schließen, auch einem Trugschluß unterliegen.79 Neben diesen, auf einer — mehr oder weniger ausgeprägten — verhaltenstheoretischen Mikrofundierung beruhenden evolutorischen Wachstumsmodellen gibt es noch einige Makromodelle, die auf solch eine Fundierung verzichten und stattdessen den Selektionsmechanismus auf der nationalen oder sektoralen Ebene ansiedeln. Zu nennen sind hier die Modelle von Conlisk (1989), Silverberg/Lehnert (1994) und Verspagen (1993), Kap. 7. Bei den beiden ersten Modellen handelt es sich allerdings um Modelle für geschlossene Volkswirtschaften, so daß hier nur auf das Modell von Verspagen (1993) eingegangen werden soll.80 Dieses Modell ist eine multisektorale Weiterentwicklung des bereits im Abschnitt 2.3.1 vorgestellten Modells der Technologielücke von Verspagen (1993), das stark auf dem Ansatz exportbasierten Wachstums von Dixon/Thirlwall (1975) aufbaut. Die Wirtschaftssektoren sind die kleinsten ökonomischen Einheiten, über die eine Heterogenität eingeführt wird, denn sie unterscheiden sich bezüglich der Produkte, die sie herstellen und die unterschiedliche Einkommenselastizitäten aufweisen, sowie bezüglich der Arbeitsproduktivitäten, die wiederum ein Indikator für die eingesetzte Technologie sind. Letzteres impliziert, daß es auch in diesem Modell nur Prozeßinnovationen gibt. Der technische Fortschritt ist dabei — wie zuvor bei Verspagens Modell der technologischen Lücke — als Kaldor-VerdoornProzeß spezifiziert, wonach ein höheres Outputwachstum zu einem stärkeren Anstieg der Arbeitsproduktivität führt. Dadurch wird die Bedeutung von „Learningby-Doing” und dynamischen Skalenerträgen modellmäßig abgebildet.81 Die Selektion erfolgt aufgrund einer Replikatorgleichung, bei der Veränderungen der sektoralen Importanteile von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Sektors abhängen. Diese wird durch den Preis und den Wechselkurs determiniert, und der Preis ergibt sich als Verhältnis von Lohnsatz zur Arbeitsproduktivität (Verspagen, 1993, S. 171-172 sowie S. 178).82 Gerechtfertigt wird dieser Mechanismus damit, daß die Konsumenten, wenn keine Qualitätsunterschiede zwischen den Produkten von verschiedenen Herstellern existieren, das 79

Um diese Hypothese zu untermauern, zeigen die Autoren für die Pro-Kopf-Einkommen von sechs europäischen Ländern relativ zu den USA, daß deren Entwicklungen zwischen 1870 und 1989 ebenfalls relativ starken zyklischen Schwankungen unterliegen, und daß nur die Nachkriegsphase bis zum Beginn der achtziger Jahre bei allen sechs Ländern von einer konvergenten Entwicklung geprägt war. Bestätigt wird dieser Befund dadurch, daß auch hier eine Spektralanalyse ein qualitativ ähnliches Ergebnis wie für die simulierten Daten liefert. 80 Das Modell von Silverberg/Lehnert (1994) ähnelt sehr stark dem ersten Teil des gerade vorgestellten Modells (Phillips-Kurve und Entwicklung der Beschäftigtenanteile) von Silverberg/Verspagen (1995) bzw. dessen Variante für eine geschlossene Volkswirtschaft von Silverberg/Verspagen (1994, 1994a), nur das nun keine Unternehmen betrachtet werden, sondern Technologien, die über unterschiedliche evolutorische Potentiale verfügen. 81 Vgl. Verspagen (1993), S. 178. Eine zusammenfassende Darstellung des Modells findet sich in Silberberg/Verspagen, 1998, S. 249-252. 82 Der Lohnsatz hängt wiederum vom Wachstum der Arbeitsproduktivität sowie der Arbeitslosenrate ab, und der Wechselkurs paßt sich langsam an, um die Kaufkraftparität tendenziell zu gewährleisten (vgl. Verspagen, 1993, S. 180-181).

86

2. Theoretische Erklärungsansätze

Produkt mit dem niedrigsten Preis präferieren und mithin eine Produzentengruppe (also der betrachtete Sektor in einem bestimmten Land) ihren Marktanteil ausbauen wird, wenn sie eine überdurchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit aufweist, während ihr Marktanteil schrumpfen wird, wenn die Wettbewerbsfähigkeit unterdurchschnittlich ist (vgl. auch Silverberg/Verspagen, 1998, S. 251). Dieses Modell wird für den Fall von drei Ländern mit jeweils zwei Sektoren simuliert, wobei das dritte Land als „Rest der Welt” stets eine Wachstumsrate aufweist, bei der Vollbeschäftigung gewährleistet ist, damit das Modell nicht unterdeterminiert ist, während bei den anderen beiden Ländern die Wachstumsraten über das Zahlungsbilanzgleichgewicht bestimmt sind. Insgesamt werden die Ergebnisse für neun Simulationsläufe über jeweils 98 Perioden präsentiert, während die davorliegenden zwei Perioden mit den Ausgangsdaten berechnet wurden. Grundsätzlich sind die Länder von den Ausgangsbedingungen her gleich. Jeder Sektor beansprucht die Hälfte der Arbeitsressourcen eines Landes und trägt damit zur Hälfte der Produktion und des Einkommens bei. Auch der Anteil am Konsum beträgt für jeden Sektor 0,5. Zudem starten alle drei Länder mit einer Wachstumsrate knapp über 2 %.83 Beim Simulationslauf 1 starten alle Länder mit den gleichen Parameterwerten und auch mit den gleichen „natürlichen” Konsumanteilen V W für die beiden Sektoren, d. h. den Konsumanteilen der Sektoren, die sich ergäben, wenn das Realeinkommen unendlich groß wäre.84 Unter diesen Bedingungen wachsen alle Länder gleich schnell. Zudem ändern sich die Marktanteile nicht, und es tritt keine Spezialisierung ein.85 Beim Simulationslauf 2 werden sog. nichtspezialisierungsinduzierte Skaleneekte dadurch erzeugt, daß für den ersten Sektor in jedem Land V W nur 0,2 ist. In diesem Fall sind die Einkommen in jedem Land zwar höher, weil der größere zweite Sektor höhere Wachstumsraten aufweist, aber es kommt zu keiner Spezialisierung und zu keinen Wachstumsunterschieden. Etwas anders sieht es aus, wenn im Simulationslauf 3 strukturinduzierte Skaleneekte eingeführt werden, die dadurch entstehen, daß Land 1 im Sektor 1 einen V W -Wert von 0,2 und Land 2 von 0,8 aufweist, während er beim Land 3 wiederum wie im ersten Lauf 0,5 beträgt. In diesem Fall spezialisieren sich die ersten beiden Länder auf den Sektor, in dem sie einen höheren V W -Wert aufweisen. Da aber die Lernraten in beiden Ländern gleich sind und zudem V W für den Rest der Welt 0,5 beträgt, führt dieses Spezialisierungsmuster nicht zu Wachstumsunterschieden. Gleichwohl ist das Wachstum in allen Ländern, auch im Rest der Welt, höher als beim Simulationslauf 1. Ein analoges Ergebnis stellt sich beim Simulationslauf 4 ein, wenn zwar wieder V W für alle Länder und Sektoren 0,5 beträgt, aber Land 1 83

Zu den im folgenden dargestellten Simulationsergebnissen vgl. Verspagen (1993), S. 182-

189. 84 Zur Erläuterung dieses Parameters vgl. Verspagen, 1993, S. 181-182. Er gibt an, zu welchen sektoralen Konsumanteilen die Länder langfristig tendieren. 85 Bei der hier betrachteten Spezialisierung handelt es sich um eine Outputspezialisierung. Zudem werden sowohl bei der Spezialisierung als auch bei den Wachstumsunterschieden stets nur die ersten beiden Länder miteinander verglichen (vgl. Verspagen, 1993, S. 183). Eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Arten von Spezialisierung findet sich im Kapitel 4.

2.4 Evolutorische Ökonomik

87

einen Lernvorteil im Sektor 1 und Land 2 im Sektor 2 hat. In diesem Fall handelt es sich mithin um technologieinduzierte Skaleneekte. Bei den weiteren fünf Simulationsläufen erfolgen die Parametervariationen weniger symmetrisch, so daß sich die Gegeneekte nicht gerade aufheben. So wird beim Simulationslauf 5 der Fall betrachtet, daß ein Land in beiden Sektoren einen Lernvorteil hat (technologieinduziertes ungleichmäßiges Wachstum). In diesem Fall tritt keine Spezialisierung auf, aber das technologisch fortgeschrittenere Land wächst über die ganze Simulationsperiode hinweg schneller als die beiden anderen. Beim Simulationslauf 6 wird ein sog. strukturinduziertes ungleichmäßiges Wachstum dadurch erzeugt, daß zwar die Lernraten über die Sektoren und Länder gleich sind, Land 1 sich aber langsamer an seinen langfristigen Konsumanteil V W im Sektor 1 anpaßt, wobei V W beim ersten Sektor für alle Länder auf 0,2 gesetzt ist. Während einer Übergangsperiode ist dann der tatsächliche Konsumanteil des Sektors 1 im Land 1 höher als in den anderen Ländern, was anfänglich zu einer kleineren negativen Wachstumsdierenz führt, weil sich das Land auf einen Sektor spezialisiert, der international an Bedeutung verliert. Dies führt jedoch umgekehrt zu einer zunehmenden Spezialisierung der anderen beiden Länder auf den zweiten Sektor, wo das Land 2 mit dem Rest der Welt (der ein großer Produzent ist) um seine Wettbewerbsposition kämpfen muß. Das Land 1 findet also eine „Nische”, um sich zu spezialisieren, und weist langfristig eine positive Wachstumsdierenz gegenüber dem Land 2 auf. Beim Simulationslauf 7 wird eine Mischung aus struktur- und technologieinduziertem ungleichmäßigen Wachstum generiert. Hier hat Land 1 einen Lernvorteil im Sektor 2 und Land 2 im Sektor 1, wobei zweiterer größer als ersterer ist. Da aber V W für den Sektor 1 in allen Ländern 0,2 beträgt, verliert der Sektor 1 für den Weltkonsum zunehmend an Bedeutung. Mithin wandelt sich der anfängliche Vorteil vom Land 2, das zunächst auch eine höhere Wachstumsrate aufweist, zunehmend zu einem Nachteil. Umgekehrt ist Land 1 in der Lage aufzuholen und ab einem relativ späten Zeitpunkt eine positive Wachstumsdierenz zu erreichen, die allerdings am Ende der Simulationsperiode wieder abnimmt. Verspagen (1993), S. 186, weist darauf hin, daß dieses Beispiel zeige, daß die nichtlineare Dynamik des Modells Ergebnisse erzeuge, die sich durch einfache Intuition nicht genau erschließen ließen. Bei den Simulationsläufen 8 und 9 wurden alle Parameterwerte so gewählt, daß es beinahe keine Symmetrien mehr gibt. Dieser Fall wird als gemischtes ungleichmäßiges Wachstum bezeichnet. Dabei werden beim Simulationslauf 8, genauso wie bei den vorherigen Simulationen, flexible Wechselkurse unterstellt, während beim Simulationslauf 9 fixe Wechselkurse angenommen werden. Unabhängig von dieser Annahme kommt es bei beiden Simulationsläufen zu einer vollständigen Spezialisierung des Landes 1 auf den Sektor 1 und des Landes 2 auf den Sektor 2. Dies rührt daher, daß die jeweils höheren Lernraten in den Sektoren, auf die sich die Länder spezialisieren, die gegenläufigen Eekte aufgrund der langfristigen Konsumanteile V W dominieren. Die Wachstumsraten der Länder entwickeln sich ungefähr bis zur 30. Periode gleich. Danach weist das Land 1 bis in das zweite Drittel des gesamten Simulationszeitraums eine zunehmende positive Wachstumsdierenz auf, die anschließend wieder abnimmt, wobei bei flexiblen Wechselkursen

88

2. Theoretische Erklärungsansätze

am Ende der Simulationsperiode wieder ein leichter Anstieg zu beobachten ist. Die ab der 30. Periode zunehmenden Wachstumsdierenzen können dadurch erklärt werden, daß durch die zunehmende Spezialisierung und die Lohndynamik die Situation auf den Arbeitsmärkten und die sektoralen Arbeitsproduktivitäten in den beiden Ländern immer unterschiedlicher werden. Durch eine Abwertung seiner Währung (gegenüber dem Land 1 und dem Rest der Welt) kann das Land 2 dann jedoch seine Wettbewerbsfähigkeit schrittweise wieder verbessern. Dabei sind die Wachstumsunterschiede bei flexiblen Wechselkursen zwischen der ca. 40. und der ca. 85. Periode wesentlich größer als bei fixen Wechselkursen. Umgekehrt sieht es jedoch bei der Arbeitslosigkeit aus. Hier können Preisunterschiede, also Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit, teilweise durch die Wechselkursentwicklung geglättet werden. Insgesamt zeigt das Modell, daß Unterschiede bei den Lernraten und den Anpassungen der Konsummuster zu einer Spezialisierung führen können. Eine so verursachte Spezialisierung erzeugt wiederum persistente nationale Wachstumsunterschiede, wobei diese aufgrund der nichtlinearen Struktur des Modells a priori nicht exakt abschätzbar sind (vgl. Verspagen, 1993, S. 190, und Silverberg/ Verspagen, 1998, S. 252). Nur für den Sonderfall einer stark ausgeprägten Symmetrie zwischen den Ländern bilden sich keine Wachstumsunterschiede heraus. Über alle hier betrachteten evolutorischen Wachstumsmodelle hinweg kann festgestellt werden, daß sie entweder mit relativ einfachen verhaltenstheoretischen Mikrofundierungen, die Lern- und Selektionsprozesse erzeugen, oder mit einem auf der Sektorebene wirkenden Selektionsmechanismus eine Reihe von Phänomenen reproduzieren können, die in der evolutorischen Ökonomik als stilisierte Fakten gelten und die Konvergenz und häufiger die Divergenz von Innovations- und Diusionsraten, Einkommensniveaus und -wachstumsraten sowie die endogene Entstehung von absoluten und komparativen Vorteilen betreen (Dosi/Fabiani/ Aversi u. a., 1994, S. 239-240).86 Allerdings verzichten diese Modelle notgedrungen, um eine Formalisierung zu ermöglichen, auf die Berücksichtigung von nationalen institutionellen und organisatorischen Besonderheiten, von denen erwartet werden kann, daß sie einen wichtigen Einfluß auf die nationalen Innovationsfähigkeiten und damit auch auf das langfristige Wirtschaftswachstum haben. Das Zusammenspiel dieser Faktoren steht im Mittelpunkt des Konzepts der nationalen Innovationssysteme. 2.4.3

Das Konzept der nationalen Innovationssysteme und langfristiges Wirtschaftswachstum

Eine wesentliche Einsicht der modernen Innovationstheorie besteht darin, daß Innovationen, verstanden als Neuheiten mit ökonomischem Wert, systematisch erzeugt werden.87 Die Schaung neuen Wissens und neuer Technologien erfolgt als ein interaktiver und kollektiver Prozeß, bei dem voneinander abhängige Akteure 86 Sieben stilisierten Fakten, die aus evolutorischer Sicht für die weltweite langfristige Wirtschaftsentwicklung gelten, werden in Dosi/Freeman/Fabiani (1994) vorgestellt. 87 Der folgende Abschnitt lehnt sich bei der Beschreibung des Konzepts nationaler Innovationssysteme stark an Jungmittag (2000), S. 7-12, an.

2.4 Evolutorische Ökonomik

89

und Institutionen involviert sind. Die Prozesse, auf denen Innovationen beruhen, sind hochgradig komplex und umfassen nicht nur die Schaung, Diusion und Kombination von Wissenselementen, sondern auch deren Transformation in neue Produkte und Prozesse (Edquist/Hommen/Johnson u. a., 1998, S. 18). Damit ist das traditionelle lineare Innovationsmodell hinfällig, bei dem eine aufeinander aufbauende Transmission neuen Wissens von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung hin zur Entwicklung und Einführung neuer Produkte und Prozesse angenommen wurde. Vielmehr sind Innovationsprozesse durch vielfältige Feedback-Mechanismen und interaktive Beziehungen gekennzeichnet, in denen Wissenschaft, Technik, Lernprozesse, Produktion, Nachfrage, Organisationen, Institutionen und Politik zusammenwirken. Diese Sichtweise bildet die konzeptionelle Grundlage des Ansatzes der „Innovationssysteme”. Eine Variante dieses Ansatzes, das Konzept der nationalen Innovationssysteme, wurde fast gleichzeitig von Freeman (1988) und Nelson (1987) eingeführt. Während diese beiden Studien jedoch vom Charakter her hochgradig empirisch sind, liefert Lundvall (1992) eine theoretisch orientierte Fundierung dieses Konzepts. Sein Ziel ist es zu zeigen, daß es notwendig sei, eine Alternative zur ökonomischen Theorie in der neoklassischen Tradition zu schaen (Lundvall, 1992, S. 1).88 Der Zuschnitt des Ansatzes auf den Nationalstaat wird damit gerechtfertigt, daß auch in Zeiten einer zunehmenden Globalisierung nationale Systeme wegen des Charakters unterschiedlicher Typen von Wissen eine wichtige Rolle bei der Förderung und Kontrolle von Innovationen und Lernprozessen spielen. Wie im Abschnitt 2.1.3 bereits angeführt wurde, hat Wissen in vielen Fällen den Charakter eines quasi-öentlichen Gutes. Innovationen sind jedoch in vielen Fällen sehr komplex und erfordern die Einbeziehung von auf Erfahrungen beruhendem und nur in sehr geringem Umfang kodifiziertem Wissen (‚tacit’ knowledge).89 Unter diesen Umständen erleichtert die gemeinsame nationale Umgebung der Akteure aufgrund der geteilten Normen und des geteilten kulturellen Hintergrunds interaktives Lernen und Innovationsprozesse (Lundvall, 1992, S. 3-4). Es ist jedoch auch eine Reihe von alternativen Ansätzen vorgeschlagen worden, die entweder die beobachtbaren Regionalisierungstendenzen berücksichtigen und eine regionale Abgrenzung von Innovationssystemen favorisieren (z. B. Saxenian, 1994) oder den globalen Charakter bestimmter generischer Technologien (wie z. B. Pharmazeutika, Biotechnologie, Mikroelektronik, aber auch Luftfahrt) in den Vordergrund stellen und technologischen bzw. sektoralen Innovationssystemen eine größere Bedeutung beimessen (z. B. Carlsson, 1997).90 Da jedoch Re88

Ein historischer Überblick über das Konzept der nationalen Innovationssysteme wird in Edquist (1997) gegeben. 89 Vgl. hierzu die im Abschnitt 2.1.3 wiedergegebene — auf der Theorie öentlicher Güter beruhende — Wissensklassifikation. 90 Beim Ansatz der technologischen Innovationssysteme, der wesentlich durch Bo Carlsson beeinflußt wurde, stehen generische Technologien im Mittelpunkt des Interesses. Diese können, müssen aber nicht auf einen Sektor beschränkt sein. Dagegen wählen Breschi/Malerba (1997) sowie Malerba/Orsenigo (1990), (1993) und (1995) explizit sektorale Innovationssysteme als Ausgangspunkt. Bei diesem Ansatz wird angenommen, daß die verschiedenen Industriezweige unter unterschiedlichen technologischen Regimes arbeiten, die durch spezifische Kombinatio-

90

2. Theoretische Erklärungsansätze

gionalisierung und Globalisierung zwei Seiten der gleichen Münze sind, sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Ansätzen zur Abgrenzung von Innovationen nicht eindeutig. So kann sich der Begri „regional” auf eine Region innerhalb eines Staates, auf Gebiete in verschiedenen Staaten (wobei sie dann üblicherweise mit einer Technologie verbunden sind) oder auf supranationale Einheiten, wie etwa die EU, beziehen. In ähnlicher Weise stellen Carlsson/Stankiewicz, 1995, S. 49, für das Konzept der technologischen Innovationssysteme fest, daß diese Systeme oft durch die nationalstaatlichen Grenzen beschränkt sind oder daß sie als regionale oder lokale technologische Systeme angesehen werden können. Andere technologische Systeme sind wiederum international oder sogar global. Letztlich hängt die Festlegung von geographischen Grenzen von den technologischen und Markterfordernissen, den Fähigkeiten der verschiedenen Akteure und dem Grad der Abhängigkeit zwischen ihnen ab.91 Die Vertreter des Konzepts der nationalen Innovationen anerkennen jedoch auch die Herausforderungen, die sich mit der zunehmenden Globalisierung für die traditionell stärker nationenorientierten Innovationssysteme stellen. Diese machen es aber um so dringender, die Funktionsweise von diesen nationalen Systemen zu verstehen (Lundvall, 1992, S. 4). Gleichzeitig muß das Konzept aber so offen wie möglich gehalten werden, und es muß die Heterogenität der verschiedenen Innovationssysteme berücksichtigen, um diese Entwicklungen aufgreifen zu können. Für die meisten Anwendungen dürfte es ein sinnvoller Ausgangspunkt sein, das Argument von Gregersen/Johnson (1997) aufzugreifen, daß die Konzepte der territorial- und technologiebasierten Innovationssysteme mehr als Komplemente denn als Substitute betrachtet werden sollten. Grundsätzlich kann bei der Definition von Innovationssystemen eine enge oder weitere Sichtweise gewählt werden. Bei einer Definition im engeren Sinne umfaßt ein Innovationssystem jene Organisationen und Institutionen, die direkt an der Forschung und am Suchprozeß beteiligt sind (FuE-Abteilungen der Unternehmen, Forschungsinstitute und Universitäten) oder die direkten Einfluß auf diesen Prozeß haben (z. B. die Regelung der Forschungsförderung). Bei einer Definition im weiteren Sinne, die dem theoretisch begründeten Umstand Rechnung trägt, daß die Schaung von neuem Wissen ein interaktiver und kollektiver Prozeß ist, müssen alle Bereiche und Aspekte der ökonomischen und institutionellen Strukturen betrachtet werden, die nicht nur die Lern- sondern auch Such- und Forschungsprozesse direkt und indirekt betreen. Demgemäß sind Produktion, Marketing und das Finanzwesen Subsysteme, in denen Lernprozesse stattfinden (Lundvall, 1992, S. 12). Die Unterscheidung zwischen Organisationen und Institutionen haben alle Definitionen von Innovationssystemen gemeinsam. Organisationen sind die Akteure in den Innovationsprozessen. Sie sind bewußt geschaene, formale Strukturen mit einer expliziten Aufgabe (Edquist/Hommen/Johnson u. a., 1998, S. 18). Neben innovativen Unternehmen umfassen sie all jene Einrichtungen, mit denen diese nen der Aneignungsfähigkeiten, des Grades der Akkumulation technischen Wissens und der Eigenschaften der relevanten Wissensbasis charakterisiert sind. 91 Eine ähnliche Argumentation findet sich in Nelson/Rosenberg (1993), S. 5.

2.4 Evolutorische Ökonomik

91

Unternehmen interagieren, um Wissen, Informationen und andere Ressourcen zu gewinnen, entwickeln und auszutauschen. Es kann sich dabei um andere Unternehmen (Kunden, Zulieferer und auch Konkurrenten) sowie um andere Organisationen, wie Universitäten, Forschungsinstitute, Finanzagenturen, Schulen und Regierungseinrichtungen, handeln. Zudem gibt es Kontakte zwischen Unternehmen nicht nur über Märkte, sondern auch durch längerfristige Kooperationen, weil bei Innovationsprozessen oft enge Verbindungen zwischen den Produzenten und Nutzern von neuen Technologien notwendig sind. Fragen, die sich stellen, wenn Innovationssysteme analysiert werden, sind: • Wie ist es mit Blick auf Innovationen um die Leistungsfähigkeit von Unternehmen und anderen betroenen Organisationen bestellt? • Ist die Unterstützung durch öentliche Einrichtungen angemessen? • Funktionieren die Organisationen, die für die technische Unterstützung zuständig sind, adäquat? • Reagieren die Organisationen adäquat auf Strukturveränderungen, bzw. gruppieren sie sich erfolgreich neu, um solchen Herausforderungen gewachsen zu sein?92 Institutionen sind dagegen die Spielregeln, nach denen sich die Akteure verhalten müssen. Die Organisationen interagieren also innerhalb der institutionellen Struktur von Gesetzen, sozialen und kulturellen Regeln und Normen, Praktiken und Routinen sowie auch technischen Standards. Eine Reihe von Institutionen ist bewußt geschaen worden, während andere sich mehr oder weniger spontan über längere Zeiträume entwickelt haben. Zudem gehört der soziale und kulturelle Kontext auch zu den Institutionen, die das Verhalten der Unternehmen beeinflussen. Diese Umweltbedingungen werden oft als spezifisch für lokale, regionale oder nationale geographische Einheiten erachtet. Andererseits verändern sie sich aber auch unter neuen politischen Bedingungen, veränderten technologischen Situationen oder z. B. durch ökonomische Integrationsprozesse.93 Die zentrale Frage, die sich bei der Analyse von Innovationssystemen mit Blick auf die Institutionen (oder die institutionellen Strukturen) stellt, ist, ob sie angemessen ausgestaltet sind, um Innovationen zu fördern. In einer dynamischen Perspektive lautet die Frage, wie Institutionen verändert oder neu geschaen werden müssen, um Innovationen zu unterstützen. Insbesondere muß geprüft werden, ob die Anreize für Innovationen hinreichend stark sind. Dabei muß der Umstand beachtet werden, daß durch die Änderung oder Neuschaung von institutionellen Regeln Veränderungen des ganzen Innovationssystems ausgelöst werden kön92

Zu diesen Fragen vgl. Edquist/Hommen/Johnson u. a. (1998), S. 18-19. Die Frage, wie die europäische Integration sich auf die nationalen Innovationssysteme auswirken wird, wird in Gregerson/Johnson (1997) diskutiert. Unter Verwendung des Konzepts der „lernenden Wirtschaft” als analytischem Rahmen wird dort die Hypothese abgeleitet, daß die europäische Integration die nationalen Innovationssysteme nicht beseitigen und in der nahen Zukunft nur ein begrenztes europäisches Innovationssystem im engeren Sinne entstehen werde. 93

92

2. Theoretische Erklärungsansätze

Wissensinfrastruktur

Institutionelle Ausgestaltung

Produktionsstruktur

Konsumnachfragestruktur

Politik

Spezialisierung

Direktes u. indirektes Lernen

Innovationsperformance

Abbildung 2.3: Systemische Struktur von Innovationssystemen nen.94 Damit ergibt sich auch unmittelbar ein Anknüpfungspunkt für Politikmaßnahmen. Unter der großen Vielfalt an Institutionen können nämlich jene, die von öentlichen Einrichtungen eingeführt wurden, bewußt als Politikinstrumente genutzt werden, während andere Institutionen, die spontan über einen längeren Zeitraum entstanden sind, nicht direkt durch die Politikakteure beeinflußbar sind. Zentraler Bestandteil aller Analysen von Innovationssystemen ist die Betrachtung von interaktiven und kollektiven Lernprozessen, auf denen diese Systeme basieren. Dabei kann die Funktionsweise und E!zienz verschiedener Innovationssysteme nur angemessen eingeschätzt werden, wenn die Organisationen und Institutionen als ganzes betrachtet werden. Ein Überblick über diese Interaktionen und die Rückwirkungen auf die kollektiven Lernprozesse und Innovationsperformance wird in Abbildung 2.3 gegeben.95 In ihr sind die wesentlichen Elemente von Innovationssystemen nach Lundvall (1992), S. 13, wiedergegeben, 94 Eine detaillierte Diskussion der Natur und Wirkungsweise von Institutionen findet sich in Edquist (1997), S. 24-25, und Edquist/Hommen/Johnson u. a., 1998, S. 19. 95 Bei Abbildung 2.3 handelt es sich um eine Erweiterung der Abbildung in Gregerson/ Johnson (1997), S. 484.

2.4 Evolutorische Ökonomik

93

die sich aufgrund der theoretischen Definition dieses Konzept ergeben. Danach sind die Produktionsstruktur, die institutionelle Ausgestaltung und die Wissensinfrastruktur wichtige Elemente, in denen sich nationale historische Unterschiede und spezifische Charakteristika widerspiegeln. Unterschiedliche Spezialisierungen von Ländern können direkt von drei Elementen des Innovationssystems ausgehen und sich dann durch die Rückwirkungsmechanismen wechselseitig verstärken. Zunächst einmal können unterschiedliche Ausgestaltungen der Wissensinfrastruktur zu technologischen Spezialisierungen führen. Die Produktionsstruktur, und damit die Produktionsspezialisierung, wirkt sich wiederum direkt und indirekt auf die Innovationsperformance aus, weil die technologischen Möglichkeiten — oder auch Engpässe — je nach Sektor unterschiedlich sind. Zudem steht die Nachfragestruktur in einem Wechselspiel mit der Produktionsstruktur, und sie wirkt sich auf das Lernen der privaten und öentlichen Konsumenten aus, das notwendig ist, damit sich die aggregierte Nachfrage im Einklang mit den wachsenden Produktionskapazitäten entwickelt (vgl. Gregersen/Johnson, 1997a, S. 21). Der systemische Charakter von Innovationssystemen impliziert auch, daß Systeme mit sehr unterschiedlich ausgestalteten Institutionen und Organisationen zu ähnlichen Innovationserfolgen oder ähnlicher ökonomischer Wohlfahrt führen können. Umgekehrt bedeutet dies, daß die Übernahme einzelner Elemente erfolgreich funktionierender Innovationssysteme nicht zu Verbesserungen der Leistungsfähigkeit von weniger erfolgreich arbeitenden Systemen führen muß, weil die Fähigkeit zur Adaption bei der Konfiguration der letzteren fehlen kann. Eine e!ziente Innovationspolitik muß mithin das System als ganzes betrachten und nicht darauf zielen, einzelne Elemente zu optimieren. Insbesondere wenn — gemäß der angeführten Definition — Innovationssysteme im weiteren Sinne verstanden werden, kann Innovationspolitik nicht auf ein Ministerium beschränkt sein, sondern sie muß integraler Bestandteil zumindest der allgemeinen Wirtschaftspolitik, aber auch anderer Politikbereiche, wie der Bildungspolitik, sein. Insgesamt versucht das Konzept der nationalen Innovationssysteme die Quellen für Innovationen und ihre wechselseitigen Rückwirkungen zu identifizieren.96 Aussagen darüber, wie sich Innovationen in Wirtschaftswachstum umsetzen, macht es allerdings nicht. Dieser Prozeß wird mehr oder weniger als gegeben angesehen. Insofern ist dieses Konzept mehr den Innovations- als den Wachstumstheorien zuzuordnen. Dabei liefert es ein realistischeres Bild von Innovationsprozessen als formale Wachstumstheorien, die Innovationen und technischen Fortschritt meist nur in sehr einfacher und oft verkürzter Form erfassen. Insbesondere betont es die Bedeutung von Institutionen und Organisationen sowie deren historischen Wandel für den Innovationsprozeß. Deshalb sollte das Konzept der Innovationssysteme auch nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu wachstumstheoretischen Modellen angesehen werden. Wünschenswert wäre es, wenn eine umfassende Wachstumstheorie eine „Subtheorie” enthielte, um die Quellen und Prozesse detaillierter zu beschreiben, die zu Innovationen führen, und zudem erklären könnte, wie Innovationen zum Wachstum beitragen. Hierzu hat die neue Wachstumstheorie, auf die im folgenden Abschnitt eingegangen wird, durch unterschiedliche Formen 96

Zu der folgenden Einschätzung vgl. Gregerson/Johnson (1997a), S. 22.

94

2. Theoretische Erklärungsansätze

der Endogenisierung des technischen Fortschritts zwar schon wichtige Beiträge geleistet, als Theorie zur Beschreibung von technologischen und organisatorischen Innovationen ist sie aber — zumindest noch — wenig überzeugend.

2.5

Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

Vor allem der Konvergenzoptimismus des neoklassischen Wachstumsmodells, der zumindest in seiner absoluten Form im Widerspruch zur Entwicklung der weltweit beobachtbaren Pro-Kopf-Einkommen steht, führte seit der Mitte der achtziger Jahre auch innerhalb des neoklassisch orientierten Hauptstranges der Ökonomik zur Entwicklung von Modellen, in denen versucht wurde, den zentralen Konvergenzmechanismus — die abnehmende Grenzproduktivität des Faktors Kapital — außer Kraft zu setzen. Die erste Generation dieser Modelle, die inzwischen unter der Bezeichnung „Neue Wachstumstheorie” subsumiert werden, zielte dahin, den Kapitalbegri so zu erweitern, daß seine Grenzproduktivität nach unten beschränkt sein kann. So bleibt der Anreiz zur Kapitalakkumulation erhalten, weil der Ertrag zusätzlicher Investitionen nicht unter eine bestimmte positive Untergrenze fällt, und es kann eine positive Pro-Kopf-Wachstumsrate endogen — d. h. innerhalb des Modells und nicht durch den Rückgri auf einen exogenen technischen Fortschritt — erklärt werden (Krüger, 2000, S. 18). Ideale Kandidaten für solch eine Erweiterung waren Faktoren, die positive Spillovers aufweisen: technologisches Wissen, Humankapital und Infrastruktur. In dem hier betrachteten Zusammenhang interessieren insbesondere die ersten beiden Faktoren, da ihnen unmittelbar eine besondere Bedeutung für die Innovationsdynamik und/oder technologische Spezialisierung von Volkswirtschaften beigemessen wird.97 Das erste Modell, in dem technisches Wissen als akkumulierbarer Faktor eingeführt wird, der positive Spillovers aufweist, weil er allen Unternehmen einer Volkswirtschaft frei zur Verfügung steht, wird in Romer (1986) vorgestellt und gilt heute als Ausgangspunkt der neuen Wachstumstheorie. In diesem sowie den nachfolgenden Modellen der ersten Generation der neuen Wachstumstheorie werden die positiven Spillovers durch einen Learning-by-Doing-Mechanismus erzeugt, bei dem sich entweder der Produktionsfaktor „technisches Wissen” oder Humankapital nicht abnutzt. Dadurch daß die Lerneekte vollkommen unternehmensextern sind, kann in diesen Modellen die Annahme der vollständigen Konkurrenz — wie im neoklassischen Wachstumsmodell — beibehalten werden. Die zweite Generation von Modellen der neuen Wachstumstheorie stellt hingegen auf unternehmensinterne Skalenerträge ab, die über einen FuE-Sektor in die Modelle eingeführt werden, der neues Wissen bereitstellt. Für einen Teil dieses Wissens müssen die Unternehmen zahlen, während ein anderer Teil ohne angemessene Kompensation diundiert. Diese technologischen Spillovers als Ergebnis 97 Damit soll die Bedeutung einer ausreichenden Infrastruktur nicht verneint werden; ihr kommt aber eine wesentlich grundsätzlichere Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt zu. Deshalb würde die Berücksichtigung von Modellen, die auf die Infrastruktur abstellen, den Fokus dieser theoretischen Analyse verwässern.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

95

kommerzieller FuE tragen zu einem öentlichen Wissensbestand bei, der die Kosten für weitere kommerzielle Erfindungen reduziert. Im Unterschied zur ersten Gruppe geht es damit in dieser zweiten Gruppe von Modellen um bewußte industrielle Innovationen, da die Unternehmen einen Teil ihrer Ressourcen für FuE aufwenden, um neue Produkte zu erfinden, die alte Produkte teilweise ersetzen können. Die Produzenten dieser entweder horizontal dierenzierten zusätzlichen oder qualitativ verbesserten vertikal dierenzierten Produkte verdienen als Ertrag für ihre FuE-Ausgaben vorübergehend Monopolrenten. Diese Modelle werden deshalb teilweise auch als Schumpeterianische Modelle der neuen Wachstumstheorie bezeichnet (z. B. Romer, 1990; Grossman/Helpman, 1991 und Aghion/Howitt, 1998). Sie modellieren einen sich selbst tragenden Innovationsprozeß und dauerhaftes endogenes Wachstum dadurch, daß die FuE-Investitionen aufgrund der bereits angesprochenen Externalitäten in der Forschung nicht mit abnehmenden Grenzerträgen verbunden sind. 2.5.1

Learning-by-Doing als Triebkraft endogenen Wachstums

Aufbauend auf dem Modell von Romer (1986), das im folgenden zunächst einführend vorgestellt wird, wurden in der Literatur eine Reihe von Learning-byDoing-Modellen vorgeschlagen, die zwei oder mehrere Sektoren betrachten und teilweise auch den Fall oener Volkswirtschaften analysieren. Diese Ansätze werden anschließend, soweit sie für die Fragestellung dieser Arbeit relevant sind, diskutiert. 2.5.1.1

Die geschlossene Volkswirtschaft

Bei dem Modell in Romer (1986) entstehen die positiven Wissensspillovers als Nebenprodukt der privaten Investitionstätigkeit. Dazu wird auf die in Arrow (1962) verwendete Idee des „Learning-by-Doing” zurückgegrien: durch den Investitionsprozeß wird technologisches Wissen akkumuliert, das nicht nur dem investierenden Unternehmen, sondern allen Unternehmen einer Volkswirtschaft zur Verfügung steht. Ausgangspunkt ist wiederum eine neoklassische Produktionsfunktion, diesmal jedoch bezogen auf ein Unternehmen s: \s (w) = D(w) · I [Ns (w)> Os (w)] >

(2.143)

in der D die totale Faktorproduktivität repräsentiert. Wird nun die Idee des Learning-by-Doing auf die Investitionen in Realkapital angewendet, so ist der Wissensbestand oder — um dem Gedanken der Erweiterung des Kapitalbegris Rechnung zu tragen — der Wissenskapitalstock einer Volkswirtschaft (oder ggf. auch nur einer Branche, wenn das akkumulierte Wissen nur in einer Branche verwendbar ist) von sämtlichen in der Vergangenheit getätigten Nettoinvestitionen abhängig. Erfolgt zudem die Wissenserweiterung proportional zu den Nettoinvestitionen L, so ergibt sich der so akkumulierte Wissenskapitalstock  als (w) =

Zw 0

L(y)=

(2.144)

96

2. Theoretische Erklärungsansätze

Die Intensität, mit der die totale Faktorproduktivität vom Wissenskapitalstock abhängt, sei , so daß D(w) = (w)

(2.145)

ist. Für die aggregierte gesamtwirtschaftliche (oder sektorale) Produktionsfunktion sei zudem eine Cobb-Douglas-Funktion unterstellt: \ (w) = N(w) O(w)13 (w)

(2.146)

bzw. in Pro-Kopf-Schreibweise: |(w) = n(w) (w) =

(2.147)

Weiterhin soll der Wissensbestand in Einheiten der Kapitalintensität geschrieben werden, so daß er dann als Summe der in der Vergangenheit erfolgten Investitionen dem Kapitalstock entspricht: (w) = N(w)=

(2.148)

Dann beträgt die totale Faktorproduktivität in Pro-Kopf-Schreibweise: (w) = N(w) = n(w) O(w)

(2.149)

und das Pro-Kopf-Einkommen: |(w) = n(w) n(w) O(w) = n(w)+ O(w) =

(2.150)

Zudem ergibt sich die Veränderung des gesamten Pro-Kopf-Kapitalstocks als: n˙ = n(w)+ O(w)  n(w)  f(w)>

(2.151)

wobei f den Pro-Kopf-Konsum repräsentiert. Die aus der freien Verfügbarkeit des Wissens resultierenden positiven Spillovers führen dazu, daß sich der private und soziale Grenzertrag des Kapitals unterscheidet. Wird unterstellt, daß die einzelnen Unternehmen klein sind und somit das gesamte Wissenskapital nicht spürbar beeinflussen können, so berücksichtigen die Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen nur den Ertrag aus dem zusätzlichen privaten Kapital, während der Ertrag aufgrund des höheren Wissensbestandes vernachlässigt wird. Das private Grenzprodukt des Kapital ist somit: JS Nsuly= = n(w)31 n(w) O(w) = n(w)+31 O(w)

(2.152)

Bei einer gesamtwirtschaftlichen (oder sektoralen) Sichtweise kann hingegen der zusätzliche Ertrag des durch Learning-by-Doing entstandenen Wissenskapitals nicht außer acht gelassen werden. Das soziale Grenzprodukt des Kapitals ist also: JS Nvr}= = ( + )n(w)+31 O(w) =

(2.153)

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

97

Anders als beim einfachen Solow-Modell, bei dem der gesamte Wachstumsprozeß nur in der Produktionssphäre einer Volkswirtschaft festgelegt wurde, weil für die hier zugrunde liegende Fragestellung weder eine zinsabhängige Sparquote noch die Berücksichtigung von Konsumentenpräferenzen zusätzliche Erkenntnisse bieten können, wird zur Ermittlung der Wachstumsraten im Modell aus Romer (1986) unmittelbar eine mikroökonomische Fundierung in Form eines allgemeinen Gleichgewichtsmodells vorgenommen. Zu diesem Zweck wird ein repräsentativer Haushalt eingeführt, der über einen unendlichen Planungshorizont seinen Konsumpfad f (w)" w=0 so wählt, daß sein gesamter Nutzen X — diskontiert auf den Zeitpunkt w = 0 — mittels der Funktion Z" X(0) = h3w x (f (w)) gw mit  A 0, x0 (f (w)) A 0 und x00 (f (w)) ? 0 (2.154) 0

maximiert wird. Dabei gibt x (f (w)) den Nutzen des Konsums zum Zeitpunkt w an, der mit dem Gewicht h3w in den Gesamtnutzen eingeht. In diesem Gewicht repräsentiert  die Zeitpräferenzrate, also die Rate, mit der zukünftiger Nutzen diskontiert wird: m. a. W. je größer  ist, desto geringere Wertschätzung wird zukünftigem Konsum beigemessen. Insgesamt ist die Nutzenfunktion X (0) additiv bezüglich des Konsums im Zeitpunkt w. Als eine konkrete Ausgestaltung wird für den Nutzen zum Zeitpunkt w eine CES-Funktion, d. h. eine Funktion mit konstanten Substitutionselastizitäten, unterstellt, wobei hier die Elastizitäten der intertemporalen Substitution gemeint sind.98 Diese Nutzenfunktion für den Zeitpunkt w lautet: f (w)13  1 > (2.155) 1 wobei  31 die konstante intertemporale Substitutionselastizität und  die Elastizität des Grenznutzens ist. Für den Grenzfall, daß  gegen 1 strebt, reduziert sich die Nutzenfunktion auf x (f (w)) = ln f (w). Umgekehrt ist die Nutzenfunktion linear mit f(w)  1, wenn  = 0 ist. Bei der Maximierung des gesamten Nutzens muß u. a. als Restriktion die Veränderung des Pro-Kopf-Kapitalbestandes gemäß Gleichung (2.151) berücksichtigt werden. Zur Lösung dieses Problems der dynamischen Optimierung empfiehlt sich die optimale Kontrolltheorie.99 Wird zunächst für die Restriktion bezüglich der Veränderung des Kapitalbestandes allgemein unterstellt, daß n˙ = i (n (w))  n(w)  f(w) (2.156) x (f (w)) =

ist, so lautet das Optimierungsproblem: Z" f (w)13  1 gw $ max X(0) = h3w 1

(2.157)

0

98 Diese Funktion wird deshalb manchmal auch als CIES-Funktion bezeichnet (vgl. Bretschger, 1998, S. 70). 99 Anwendungsorientierte Darstellungen der dabei verwendeten Methoden finden sich z. B. in Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 498-510 und Aghion/Howitt (1998), S. 39-44. Als eine grundlegendere Darstellung vgl. Feichtinger/Hartl (1986).

98

2. Theoretische Erklärungsansätze

unter den Nebenbedingungen: n˙ = i (n (w))  n(w)  f(w)> n (0) = n0 A 0 ist gegeben £ ¤ 3¯ lim n(W ) · h u(w)w  0=

w f 

(2.165)

nach welcher der Pro-Kopf-Konsum und auch der Pro-Kopf-Kapitalstock so lange wächst, wie das Nettogrenzprodukt des Kapitals, also der Zinssatz, höher ist die Zeitpräferenzrate des Konsums .

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

99

Die Wachstumsraten des Modells aus Romer (1986) können jetzt einfach durch Einsetzen der Grenzprodukte des Kapitals ermittelt werden. Unter reinen Marktbedingungen stellt sich die Wachstumsrate jsuly= =

¢ 1¡ n(w)+31 O(w)     

(2.166)

ein, während die volkswirtschaftlich „optimale” Wachstumsrate höher ist, nämlich: jvr}= =

¢ 1¡ ( + ) n(w)+31 O(w)     = 

(2.167)

Für beide Wachstumsraten lassen sich drei Fälle unterscheiden: • Wenn  +  ? 1 ist, weist das Kapital insgesamt abnehmende Grenzerträge auf, d. h. die durch das Wissenskapital erzeugten positiven Spillover-Eekte sind zu gering, um den Rückgang der Produktivität des Realkapitals zu kompensieren, und es kommt wie im neoklassischen Modell zu einem Stillstand des Wachstums — wenn auch auf höherem Niveau. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Produktionsfunktion insgesamt steigende Skalenerträge aufweist.100 • Wenn  +  = 1 ist, ist das Grenzprodukt des Kapitals konstant, und es ergeben sich mithin die konstanten langfristigen Wachstumsraten jsuly= =

1 1 (O(w)    ) bzw. jvr}= = (O(w)    ) =  

(2.168)

• Wenn  +  A 1 ist, nehmen die Wachstumsraten im Zeitablauf beständig zu und tendieren somit gegen unendlich: das Modell „explodiert”. Weiterhin ist hervorzuheben, daß die Wachstumsraten in jedem Fall von der absoluten Größe eines Landes (oder einer Branche) abhängig sind, weil die absolute Bevölkerungszahl stets in die Wachstumsrate eingeht. Das Modell liefert aber wie die frühen keynesianischen Modelle von Harrod und Domar ein Wachstum „auf des Messers Schneide”, weil nur genau im mittleren Fall eine konstante endogene Wachstumsrate generiert werden kann. Bereits geringfügige Abweichungen davon führen dazu, daß das Wachstum entweder langfristig zum Stillstand kommt oder explodiert. Die aus dem Modell folgenden Konsequenzen für die Politik scheinen unmittelbar augenfällig zu sein: Mittels staatlicher Eingrie könnten die positiven externen Eekte internalisiert werden. Durch staatliche Subventionen, die die privaten Kapitalerträge erhöhen, könnten Investitionen und damit die Wissensakkumulation stimuliert werden — und zwar in dem Ausmaße bis ein Pareto-optimaler Zustand 100

Für die formale Herleitung, daß die Abwesenheit sinkender Grenzerträge für den Faktor Kapital und nicht steigende Skalenerträge die Voraussetzung für endogenes Wachstum sind, s. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 167-169.

100

2. Theoretische Erklärungsansätze

erreicht wäre, bei dem sich die privaten Kapitalerträge auf dem volkswirtschaftlich „optimalen” Niveau befänden. Dagegen sprechen jedoch zwei Argumente. Aus einer eher pragmatischen Sicht, die das Grundkonzept des Modells unberührt läßt, kann angeführt werden, daß die Finanzierung der Subventionen in der Regel nur bei einer Pauschalsteuer allokationsneutral wäre, in der Wirklichkeit vorherrschende Steuersysteme aber auf der Einkommensbesteuerung beruhen. Zudem stehen der e!zienten Subventionierung auch (fast) unlösbare Informationsprobleme hinsichtlich der Identifizierung und Messung des Umfangs und der regionalen sowie sektoralen Reichweite der Wissensspillovers entgegen.101 Eine zweite Sichtweise stellt das Konzept des nur durch die Kapitalakkumulation bedingten Learning-by-Doing grundsätzlich in Frage. So folgt Arnold (1997), S. 92, der in Dasgupta/Stiglitz (1988) bzw. Helpman (1994) vertretenden Auffassung, daß die in Romer (1986) gewählte Einführung des Learning-by-Doing als reine Externalität zur Erhaltung der Annahme der vollständigen Konkurrenz „nicht ernstzunehmen” bzw. „fehlleitend” sei.102 Dafür werden zwei Gründe angeführt. Zum einen ist die lokale und sektorale Reichweite von durch Lerneekte erworbenem Wissen stark begrenzt, die externen Eekte werden also nicht alle Unternehmen einer Volkswirtschaft (oder auch nur einer Branche) gleichermaßen begünstigen, sondern sie werden vor allem dort wirksam, wo sie anfallen.103 Die angebliche Ubiquität des Wissens erzeugt aber gerade die Ine!zienzen und impliziert damit die Politikmaßnahmen. Zum anderen widerspreche die im Modell generierte Möglichkeit, daß vorhandene Produkte immer kostengünstiger produziert werden können, dem Umstand, daß sich Lernmöglichkeiten in vorgegebenen Bereichen erschöpfen würden. Learning-by-Doing sei sicher in der Realität existierend, aber langfristig könne es nur wirksam sein, wenn mit neuen Produktfeldern auch neue Lernmöglichkeiten erönet würden. Die Kritik in Arnold (1997) ist sicher teilweise berechtigt. Dies gilt insbesondere für das zweite Argument, wenn die Lerneekte durch die vorangegangene Produktion bedingt und damit ohne Produktinnovationen tendenziell unbeschränkt wären (vgl. Young, 1991, S. 371). Allerdings verwendet Arrow (1962), auf dem Romer (1986) aufbaut, gerade deshalb die kumulierten Investitionen als Index für „Erfahrung”, um diesem Einwand zumindest teilweise entgegenzuwirken, denn: Each new machine produced and put into use is capable of changing the environment in which production takes place, so that learning is taking place with continually new stimuli. This at least makes plausible the possibility of continued learning in the sense, here, of a steady rate of growth in productivity. (Arrow, 1962, S. 157).

Das erste Argument ist hingegen wieder — obwohl es als grundsätzlicher Einwand vorgebracht wird — im gewissen Umfang pragmatischer Natur und zielt 101

Zu dieser eher pragmatische Argumentation vgl. Krüger (2000), S. 21. In Arnold (1997), S. 81 wird zudem die Kritik Romers an seinen frühen Arbeiten zitiert: „When I look back on my work on growth, my greatest satisfaction comes from having rejected the first round of external eects models that I tried” (Romer, 1994, S. 20). 103 Vgl. auch die Klassifikation des Wissens in Abschnitt 2.1. 102

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

101

eher auf die Unterscheidbarkeit verschiedener Wissenstypen und den sich daraus ergebenden Politikimplikationen. Die Tatsache, daß eine zu geringe Produktion von Wissen aufgrund seines teilweise öentlichen Charakters gegeben sein dürfte und dementsprechend auch politischer Handlungsbedarf besteht, kann nach allen Erkenntnissen der Innovationsforschung nicht in Frage gestellt werden. Richtig ist allerdings, daß es sich bei solchem zu wenig erzeugten Wissen in der Regel nicht um Lerneekte, sondern um bewußte FuE handelt. Um die Auswirkungen unterschiedlicher Spezialisierungen auf das Wachstum von Volkswirtschaften zu analysieren, ist das Modell in Romer (1986) als Einsektorenmodell allerdings erst mal nicht geeignet. Dazu müßte es zu einem Mehrsektorenmodell ausgeweitet werden, in dem ein (oder einige) Sektor(en) keine oder nur geringe externe Lerneekte und andere Sektoren starke Wissensspillovers aufweisen. Angesichts der zuvor angeführten Kritik stellt sich allerdings die Frage, ob dann die in Stolpe (1995), S. 18, vertretene Auassung, daß in diesem Fall durch eine geeignete Industriepolitik private Investitionen in den Sektoren mit den größten externen Lerneekten angeregt werden könnten, um insgesamt eine e!ziente Allokation der privaten Investitionen zu erreichen, wirklich eine tragende Politikoption ist. Ein einfaches Mehrsektorenmodell, bei dem die Humankapitalakkumulation auf Learning-by-Doing beruht, wird sowohl für den Fall der geschlossenen als auch — vielleicht etwas rudimentär — der oenen Volkswirtschaft in Lucas (1988), S. 27-35, vorgestellt. Es sei zunächst der Fall der geschlossenen Volkswirtschaft betrachtet, der dann leicht auf den Fall einer Vielzahl von kleinen oenen Ländern erweitert werden kann. Es seien f1 und f2 zwei Konsumgüter, die nur mit dem Faktor Arbeit hergestellt werden. Dabei wird eine Ricardianische Technologie unterstellt, für die die Produktionsfunktion als fp (w) = kp (w) xp (w) O (w) , p = 1> 2,

(2.169)

geschrieben werden kann. Dabei ist kp der Humankapitalbestand, der auf die Produktion des Gutes p spezialisiert ist, und xp ist der Anteil der Gesamtbeschäftigtenzahl O, der für die Herstellung dieses Gutes eingesetzt wird (mit xp  0 und x1 + x2 = 1). Um die Akkumulation von Humankapital durch Learning-by-Doing formal abzubilden, wird angenommen, daß sich der Humankapitalbestand in einem Wirtschaftszweig mit dem Anteil der Beschäftigten verändert, der dort eingesetzt wird, also k˙ p (w) = kp (w)  p xp (w) ,

(2.170)

wobei für die weitere Modellierung unterstellt wird, daß  1 A  2 ist, so daß Gut 1 das Gut mit den größeren Lernmöglichkeiten oder — vereinfacht gesprochen — das High-Tech-Gut ist. Zudem wird angenommen, daß die Humankapitaleekte vollkommen unternehmensextern sind, so daß Veränderungen des Humankapitalbestandes jeweils dem gesamten Sektor zugute kommen. In Lucas (1988), S. 28, wird zwar das Problem gesehen, daß bei dieser Formulierung Learning-by-Doing unbeschränkt ist, was — wie bereits angesprochen

102

2. Theoretische Erklärungsansätze

wurde — der Realität widerspricht, aber damit das Humankapital das Wachstum dauerhaft treiben kann, wird aushilfsweise argumentiert, daß man sich eine Situation vorstellen solle, in der ständig neue Güter eingeführt würden, bei denen Learning-by-Doing jeweils abnehmende Erträge habe, aber das Humankapital, das auf die alten Güter spezialisiert sei, vollständig auf die neuen Güter dieses Sektors „vererbt” würde. Die Nutzenmaximierung der Haushalte erfolgt auf der Basis einer CES-Nutzenfunktion ¤ 1 £ 3 3  X (f1 > f2 ) = 1 f3 , 1 + 2 f2

(2.171)

wobei p  0, 1 + 2 = 1,  A 1 und  = 1@ (1 + ) die Substitutionselastizität zwischen f1 und f2 ist. Wird Gut 1 als Numéraire verwendet, so ist der Relativpreis des Gutes 2 t bei Nutzenmaximierung unter Berücksichtigung einer Budgetbeschränkung gleich der Grenzrate der Substitution, also X2 (f1 > f2 ) 2 t= = X1 (f1 > f2 ) 1

µ

f2 f1

¶3(1+)

,

und das Konsumverhältnis ist µ ¶ 2 f2 = t 3 . f1 1

(2.172)

(2.173)

Analog ist t = k1 @k2 bei Gewinnmaximierung unter Berücksichtigung der Produktionsfunktion (2.169) und einer Absatzfunktion, und die gleichgewichtige Allokation der Arbeitskräfte ist µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶31 f2 x2 k2 2 k2 1  x1 2 k2 = = oder = . (2.174) f1 x1 k1 1 k1 x1 1 k1 Durch Einsetzen in (2.170) erhält man t˙ k˙ 1 k˙ 2 =  =  1 x1   2 (1  x1 ) t k1 k2  µ ¶ ¸ 2 t13   2 . = (1 + 2 ) 1 + 1

(2.175)

Die Lösung dieser Dierentialgleichung unter Verwendung der Startwerte k1 (0) und k2 (0) ergibt für jeden Zeitpunkt die Arbeitskräfteallokation (über Gleichung (2.174)) und somit auch die jeweiligen Entwicklungspfade von k1 (w) und k2 (w) über Gleichung (2.170). Für Gleichung (2.175) sind drei Fälle zu unterscheiden, nämlich  A 1,  ? 1 und als Grenzsituation  = 1, die in Abbildung 2.4 skizziert sind. Im ersten Fall ( A 1), der in Lucas (1988), S. 29-30, als der interessanteste angesehen wird, sind die Güter gute Substitute. Außer wenn t(0) = t W ist, wird sich das Land hier in einer Autarkiesituation langfristig auf eines der beiden Güter spezialisieren. Startet die Ökonomie links von t W ist t@t ˙ ? 0, so daß t gegen null tendiert,

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

103

q q für V ! 1

G1

D1G1  D 2G 2

0

G2

für V

q*

1

q

für V  1

Abbildung 2.4: Gleichgewichtssituationen im Mehrsektorenmodell von Lucas (1988)

˙ A 0 ist und t mithin gegen unwährend rechts von t W die Wachstumsrate t@t endlich strebt. Auf welches Gut sich das Land spezialisiert, hängt allein von der Ausgangssituation ab. Ist es anfänglich gut bei der Produktion des Gutes 1 mit den größeren Lernmöglichkeiten, d. h. t(0) A tW , so wird es bei der Produktion dieses Gutes immer besser werden und sich letztlich, weil die beiden Güter gut substituierbar sind, vollständig auf die Herstellung dieses Gutes spezialisieren. Im zweiten Fall ( ? 1) sind die beiden Güter schlecht substituierbar, und unabhängig vom Ausgangspunkt wird im Gleichgewicht immer t W erreicht. Dabei verteilen sich die Beschäftigten so auf die Produktion der beiden Güter, daß  1 x1 =  2 x2 ist. Schließlich verändert sich der Relativpreis t in der Grenzsituation  = 1 mit einer konstanten Rate, nämlich t@t ˙ = 1  1  2  2 . In diesem Fall wird die anfängliche Verteilung der Arbeitskräfte, die durch die Nachfragegewichte bestimmt ist, also xp = p , dauerhaft beibehalten. Genauso wie zuvor beim Modell von Romer (1986) sind auch bei diesem Ansatz die Gleichgewichtspfade nicht e!zient, weil die Lerneekte als unternehmensextern angenommen und somit von den wirtschaftlich Handelnden nicht in ihre Optimierungskalküle einbezogen werden. Wäre dies der Fall, würden sie mehr Arbeit in Richtung des Gutes mit den größeren Lernmöglichkeiten lenken und so sein höheres Wachstumspotential ausnutzen (Lucas, 1988, S. 31). Da es dafür jedoch keinen Anreiz gibt und mithin die gleichgewichtige Wachstumsrate un-

104

2. Theoretische Erklärungsansätze

ter der e!zienten liegt, ergibt sich hier als naheliegende Politikimplikation eine staatliche Subventionierung des High-Tech-Gutes.104 2.5.1.2

Die oene Volkswirtschaft

Lucas (1988) führt in sein Mehrsektorenmodell in einfacher Form Außenhandel ein, wobei davon ausgegangen wird, daß es keine Handelsbarrieren und eine Vielzahl von kleinen Ländern gibt, so daß die Preise in allen Ländern gegeben sind und den Weltmarktpreisen (1> s) entsprechen. In solch einer Situation maximieren jene Länder, für die k1 @k2 ? s gilt, den Wert ihrer Produktion, indem sie sich auf das Gut 2 spezialisieren. Umgekehrt spezialisieren sich die Länder mit k1 @k2 A s auf die Produktion des High-Tech-Guts 1. Mithin ist das Angebot von Gut 2 eine ansteigende und das Angebot von Gut 1 eine fallende Funktion von s, so daß das Verhältnis f2 @f1 der gesamten angebotenen Mengen zunimmt, wenn s steigt (Lucas, 1988, S. 31). Werden identische homothetische Präferenzen angenommen, ist zudem die relative Weltnachfrage genauso wie im Autarkiefall eine fallende Funktion des Preises, nämlich µ ¶ 2 f2 = s3 , (2.176) f1 1 so daß der gleichgewichtige relative Weltmarktpreis durch dieses statische Modell eindeutig bestimmt ist. Das Modell weist aber auch eine interessante Dynamik auf. Bei den Ländern, die auf die Produktion des Gutes 1 spezialisiert sind, ändert sich die Ausstattung mit k2 nicht, während k1 mit der Rate  1 wächst. Die umgekehrte Situation ergibt sich für die Länder, die auf die Produktion des Gutes 2 spezialisiert sind. Dadurch werden die anfänglichen komparativen Vorteile, die zur Spezialisierung der Länder geführt haben, im Zeitablauf noch verstärkt. Durch diesen Prozeß ändert sich natürlich auch der Gleichgewichtspreis s, so daß es möglich sein könnte, daß ein Land seine Spezialisierung wechselt.105 Dies könnte jedoch nur bei den Herstellern des Gutes 1 der Fall sein, weil dessen Angebot schneller wächst, so daß die Terms of Trade gegen dieses Gut wirken. Ob tatsächlich ein Wechsel stattfindet, hängt wiederum von Substitutionselastizität  ab. Ist sie niedrig, verschlechtern sich die Terms of Trade so schnell, daß die Grenzanbieter von Gut 1 zum Gut 2 wechseln. Diese Möglichkeit kann allerdings ausgeschlossen werden, wenn  1

2 1

(2.177)

ist. Wird angenommen, daß diese Ungleichheit gegeben ist, läßt sich, da kp und mithin auch fp mit der Rate  p wachsen, die Entwicklung der Preise unmittelbar 104 Lucas, 1988, S. 31, spricht von einer Industriepolitik, die dahin zielt, die Gewinner auszuwählen („picking winners”), weist aber darauf hin, daß dies zwar im Modell, aber nicht in der Realität leicht sei. 105 Zu der folgenden Argumentation vgl. Lucas (1988), S. 32.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

105

aus Gleichung (2.176) durch Ableitung nach w und Umformung als 1  2 s˙ = s 

(2.178)

herleiten. Gleichzeitig sind damit die Wachstumsraten des realen Outputs bestimmt. Der Output des Gutes 1, gemessen in Einheiten dieses Gutes, wächst natürlich mit der Rate  1 , während sich der Output des Gutes 2, ebenfalls in Einheiten des Gutes 1 gemessen, mit der Rate  2 + s@s ˙ =  2 + ( 1  2 ) @ verändert. Somit weisen die Länder im Gleichgewicht konstante, aber unterschiedliche Wachstumsraten auf. Das Land, das auf das High-Tech-Gut 1 spezialisiert ist, wird immer dann höhere Wachstumsraten aufweisen, wenn 1 A 2 +

1  2 

(2.179)

ist, was der Fall ist, wenn  A 1 ist, also wenn die beiden Güter sich gut substituieren lassen. Ist hingegen  ? 1, dominieren die Terms-of-Trade-Eekte die direkten Produktivitätseekte, so daß die Länder mit schnellem technischen Wandel das geringste Einkommenswachstum aufweisen würden (Lucas, 1988, S. 33). Zusammengefaßt zeigt das Modell, daß im Gleichgewicht die Produktionsstruktur durch die komparativen Vorteile bei der Humankapitalausstattung bestimmt wird. Dabei werden durch Learning-by-Doing die anfänglichen Vorteile weiter verstärkt. Es gibt also in bezug auf die Produktionsstruktur einen Lock-in-Eekt, der dafür sorgt, daß die Länder zwar stabile, aber unterschiedliche Wachstumsraten aufweisen (vgl. Lucas, 1988, S. 33). Allerdings weist Lucas, 1988, S. 34, auch darauf hin, daß zwei Kräfte diesem Mechanismus entgegenwirken: 1. Die Annahme homothetischer Präferenzen, die mit steigendem Einkommen eine gleichbleibende Zusammensetzung der Weltnachfrage impliziert, ist hochgradig unrealistisch. Vielmehr weichen die Einkommenselastizitäten bei vielen Gütern deutlich von eins ab, so daß mit steigendem Einkommen Veränderungen der Nachfragestruktur komparative Vorteile bei anderen Gütern schaen und somit die Produktionsstruktur und Wachstumsraten verändern. 2. Die Einführung von neuen Gütern und der Rückgang der Lernraten bei alten Gütern dürfte ebenfalls zu Veränderungen der Handelsmuster führen, die im Modell durch die Annahme der „Vererbung” ausgeblendet werden. Auf beide Punkte wird im folgenden noch eingegangen. Zuvor soll aber noch das Modell in Krugman (1987) vorgestellt werden. Lucas (1988), S. 27, und Lucas (1993), S. 259, weisen zwar darauf hin, daß die gerade vorgestellte Formulierung des Learning-by-Doing aus diesem Modell übernommen sei, aber das Modell von Krugman schließt auch internationale Lerneekte ein, die bisher ausgeklammert waren. Zudem geht dieses Modell ganz allgemein von einem Wissensbestand  aus, der bei nur einem Produktionsfaktor Arbeit zwar mit dem Humankapitalbestand identisch ist, aber etwas anders akkumuliert wird.

106

2. Theoretische Erklärungsansätze

Ausgangspunkt sind die Produktionsfunktionen — wiederum mit Arbeit als einzigem Inputfaktor und einer Ricardianischen Technologie — für die handelsfähigen Güter p = 1> ===> P in den beiden Ländern D und E: D E E E \pD (w) = DD p (w) Op und \p (w) = Dp (w) Op ,

(2.180)

wobei \p die Outputmenge des Gutes p und Dp die dazugehörige Arbeitsproduktivität ist. Letztere hängt vom Wissensbestand  ab, nämlich   D E E DD p (w) = p (w) und Dp (w) = p (w) , 0 ?  ? 1.

(2.181)

Dabei wird wiederum angenommen, daß die Lerneekte — Krugman (1987), S. 43, spricht von Lernkurven — vollkommen unternehmensextern sind und jeweils dem gesamten Sektor zugute kommen.106 Anders als bei Lucas (1988) wird aber erstens angenommen, daß der Wissensbestand von der gesamten vergangenen sektoralen Produktion abhängt, und zweitens, daß die Lerneekte nicht nur von der inländischen, sondern ebenfalls von der ausländischen Produktion ausgehen. M. a. W. machen die Wissensspillovers nicht an den nationalen Grenzen halt, sondern wirken auch international, wenn auch vielleicht in geringerem Ausmaße. Demnach akkumuliert sich der Wissensbestand gemäß D p (w) = E p (w)

=

Z

w

Z0 w 0

£ D ¤ \p (y) + \pE (y) gy und

¤ £ D \p (y) + \pE (y) gy, 0    1,

(2.182)

wobei  ein Maß für die Internationalisierung ist. Wäre  = 0, so gäbe es nur nationale Lerneekte, während bei  = 1 der Wissensbestand durch die kumulierte Weltproduktion definiert wäre.107 Krugman (1987), S. 44, nimmt für die weitere Analyse an, daß  irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegt. Zudem unterstellt er, daß 1) die Ausgaben dem Einkommen entsprechen, 2) ein konstanter Anteil (1  v) des Einkommens für nichthandelsfähige Güter ausgegeben wird, und 3) auf jedes handelsfähige Gut ein konstanter und gleicher Anteil (v@P) der Ausgaben entfällt. Die Analyse der internationalen Spezialisierung erfolgt dann in drei Schritten. Als erstes wird die Dynamik der relativen Produktivitätsveränderungen betrachtet, während die Ressourcenallokation in jedem Land als gegeben angesehen wird. Dann wird umgekehrt die Ressourcenallokation analysiert, während die relativen Produktivitäten als gegeben angesehen werden. Abschließend wird untersucht, wie diese beiden Faktoren zusammenwirken. 106 Genauso wie beim Modell von Romer (1986) und Lucas (1988) wird diese Annahme damit gerechtfertigt, daß so das Konzept des vollkommenen Wettbewerbs aufrechterhalten werden kann. 107 In Devereux (1997) wird dieser Weg der Modellierung nationaler und internationaler Lerneekte aufgegrien, um die Wirkungen unterschiedlicher Zollregimes auf den Außenhandel und das Wirtschaftswachstum zu analysieren.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

107

Da die Produktivitäten durch die Gleichungen (2.181) bestimmt sind, sind die relativen Produktivitäten  D ¸ DD p (w) p (w) = E , (2.183) DE p (w) p (w) so daß zur Analyse ihrer Dynamik die Veränderungen der Wissensbestände betrachtet werden können. Auf der Basis der Gleichungen (2.182) lauten diese D E D E ˙ D ˙E p = \p (w) + \p (w) und  p = \p (w) + \p (w) ,

(2.184)

so daß die relative Veränderung der Wissensbestände als ˙ D ˙ E \pD (w) + \pE (w) \pD (w) + \pE (w) p p  =  (2.185) D E D E p p p p geschrieben werden kann. Durch Nullsetzen und Substitution der Gleichungen (2.180) und (2.181) erhält man dann die Steady-State-Lösung für ein gegebenes E relatives Arbeitseinsatzverhältnis OD p @Op : 5 6 E p  D ¸31 1  9 : p OE D p 9 p : = D . (2.186) D 8 7 E p Op p 1 E p E Danach liegt der Steady-State-Wert für D p @p zwischen  und 1@, denn im ersten Fall wird die rechte Seite von Gleichung (2.186) null und im zweiten unendlich. Er hängt jedoch vom relativen Arbeitseinsatzverhältnis ab, wobei ein E D E höherer Wert für OD p @Op einen höheren Wert für p @p bedingt (vgl. Krugman, 1987, S. 45). Da die relativen Wissensbestände unmittelbar die relative Arbeitsproduktivität bestimmen, kann deren Gleichgewichtswert wiederum als Funktion des relativen Arbeitsverhältnisses geschrieben werden, nämlich µ D¶ DD Op p =i , (2.187) E Dp OE p

wobei die Funktion i (·) implizit durch Gleichung (2.186) definiert ist. Außerdem E folgt direkt, daß i (·) mit OD p @Op wächst, wobei i (0) =  und i (4) = 1@ ist. Zur Bestimmung der Allokation der Arbeitskräfte können die Industrien, die E handelbare Güter herstellen, nach ihren relativen Produktivitäten DD p (w) @Dp (w) geordnet werden, wobei für die Grenzindustrie gilt: zD (w) DD p (w) = , DE zE (w) p (w)

(2.188)

mit z(·) (w) als Lohnsatz im Zeitpunkt w. Ferner sei  (w) der Anteil der handelbaren Güter, deren Herstellung im Land D erfolgt, also die Anzahl der handelbaren Güter, bei denen das Land D einen komparativen Vorteil hat, relativ zur Gesamtzahl P der handelbaren Güter (Krugman, 1987, S. 46). Im linken Graphen der Abbildung 2.5 ist diese Gleichgewichtsbedingung als die fallende Kurve DD dargestellt.108 108

Abbildung 2.5 orientiert sich an Krugman (1987), S. 46 u. 47.

108

2. Theoretische Erklärungsansätze wA t wB t

wA t wB t

Kurzfristig B

H

§1· ¨G ¸ © ¹

H

§1· ¨G ¸ © ¹

A

GH

Langfristig B A

GH

A B

A B

V

V

V min

V max

V

Abbildung 2.5: Spezialisierung im Modell von Krugman (1987) Die zweite Gleichgewichtsbedingung ist das Zahlungsbilanzgleichgewicht, daß in Krugman (1987), S. 46 — Dornbusch/Fisher/Samuelson (1977) folgend — als ¯E  O zD (w) = (2.189) ¯D zE (w) 1O formuliert wird. Sie ist im linken Graphen der Abbildung 2.5 als die steigende Kurve EE dargestellt. Der Schnittpunkt der beiden Kurven DD und EE ergibt die kurzfristige Spezialisierung in  ¯. Ausgehend von ihr kann die weitere Entwicklung der Spezialisierung betrachtet werden. Ohne externe Schocks wird sich das Spezialisierungsmuster nicht mehr verändern, weil es durch Veränderungen der relativen Produktivität nur weiter verfestigt wird. Ausgehend von einem Gleichgewichtspunkt  ¯ im linken Graphen D produziert das Land D eine Gruppe von Gütern, für die OD p (w) = vO (w) @ (w) P E D und Op (w) = 0 gilt, und das Land E eine zweite Gruppe, für die Op (w) = 0 und E OE p (w) = vO (w) @ (1   (w)) P ist. Für die erste Gruppe steigt die Produktivität im Land D schneller, während sie für die zweite Gruppe im Land E rasanter wächst. Damit wird der links von  ¯ liegende Teil der Kurve DD steigen, während der rechts liegende fällt. Langfristig hat die Kurve DD dann eine Stufenform, wie sie im rechten Graphen der Abbildung 2.5 dargestellt ist. In diesem Modell wirken also anfängliche historische Gegebenheiten langfristig, indem sie den Marktanteil  ¯ über die relativen Lohnsätze bestimmen und diese dauerhaft erhalten bleiben. Solch ein Gleichgewicht wird immer zwischen  min und max liegen, die durch jene relativen Lohnsätze bestimmt sind, bei denen ein Land in einem Sektor wettbewerbsfähig ist, wenn es dort keine eigene Produktionserfahrung hat und vollkommen auf die internationale Wissensdiusion angewiesen ist. Dabei ist die Bandbreite möglicher Gleichgewichte um so kleiner, je größer  ist, also je stärker sich die Lerneekte international ausdehnen (vgl. Krugman, 1987, S. 47). Die Persistenz der Spezialisierungsmuster rührt sowohl im Modell von Lucas (1988) als auch im Modell von Krugman (1987) von den im Prinzip unbeschränkten Lernmöglichkeiten her. Da diese Annahme — wie bereits angesprochen — als

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

109

nicht sehr realistisch angesehen werden muß, wurde — auf den gerade dargestellten Modellen aufbauend — eine Reihe von Modellen vorgeschlagen, bei denen das Learning-by-Doing bei den einzelnen Gütern durch die Einführung neuer Produkte oder die Adaption neuer Technologien beschränkt ist. Ein Teil dieser Modelle wurde für den Fall geschlossener Volkswirtschaften entwickelt (Stokey, 1988; Young, 1993; Parente, 1994 und Jovanovic/Nyarko, 1996), ein anderer für den Fall oener Volkswirtschaften (Young, 1991; Brezis/Krugman/Tsiddon, 1993 und Goodfriend/McDermott, 1998). Spilimbergo (2000) zeigt zudem in einem Modell die Auswirkungen der Aufhebung der Annahme homothetischer Präferenzen auf die Außenhandelsgewinne zweier unterschiedlich entwickelter Länder im Dreigüterfall. Weil sie für die in dieser Arbeit untersuchte Fragestellung von größerer Bedeutung ist, wird im folgenden nur auf die letztere Gruppe von Modellen für oene Volkswirtschaften eingegangen.109 In Young (1991) wird ein Modell vorgestellt, bei dem endogenes Wachstum auch dann generiert wird, wenn das Learning-by-Doing zwar bei jedem Gut beschränkt ist, es aber Spillover-Eekte zwischen den Gütern gibt. Mithin wächst in dem Modell die sektorale Produktivität nicht nur als Funktion der Produktionsaktivitäten in dem jeweiligen Sektor, sondern ebenfalls durch die Spillovers aufgrund von Learning-by-Doing in anderen Sektoren (vgl. Young, 1991, S. 371). Der Einfachheit halber wird dabei von der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse abstrahiert. Vielmehr wird angenommen, daß es ein Kontinuum von Gütern gibt, die im Prinzip alle hergestellt werden können, von denen aber jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einige tatsächlich produziert werden. Zudem ist die Beschränkung der Lerneekte bei jedem dieser Güter exogen vorgegeben. Arbeit ist wiederum der einzige Produktionsfaktor und die Präferenzen sind symmetrisch und separabel in den Gütern, so daß — insgesamt unter den getroenen Annahmen — der Gleichgewichtsoutput der unter vollständiger Konkurrenz operierenden Unternehmen endogen durch die Entwicklung der Funktion der Arbeitsinputskoe!zienten für jedes Gut bestimmt ist. Da zu jedem Zeitpunkt die Lerneekte für eine Teilmenge der Güter ausgeschöpft sein werden, während sie bei anderen Gütern noch vorhanden sind, erfordert das unbeschränkte Wachstum eine ständige Veränderung des Warenkorbes, wobei sowohl die Mengen als auch die Varianten der konsumierten Güter ansteigen (vgl. Young, 1991, S. 373). Nachdem Young (1991) die Bedingungen für ein unbeschränktes Wachstum für die geschlossene Volkswirtschaft dargestellt hat, demonstriert er, daß bei einer durch nationale Grenzen beschränkten Wissensdiusion die Auswirkungen des Außenhandels auf den technischen Fortschritt und das Wirtschaftswachstum davon abhängen, ob statische komparative Vorteile dazu führen, daß sich ein Land auf Güter mit weitgehend ausgeschöpften Lernmöglichkeiten oder auf solche mit noch großen Lerneekten spezialisiert. Natürlich erhöht der Außenhandel die intertemporale Wohlfahrt der Konsumenten in den Ländern, in denen er den technischen Fortschritt und das Wachstum beschleunigt, aber auch die anderen 109

Die in den Modellen für geschlossene und oene Volkswirtschaften verwendeten Mechanismen, um das Learning-by-Doing bei den einzelnen Gütern zu beschränken, sind jedoch z. T. recht ähnlich.

110

2. Theoretische Erklärungsansätze

Länder können vom Außenhandel profitieren, weil die Konsumenten eine Verbesserung ihrer intertemporalen Wohlfahrt dadurch erfahren, daß der ausländische technische Fortschritt ihr Realeinkommen erhöhen kann. Zur formalen Herleitung dieses Ergebnisses verwendet Young (1991) eine spezifische funktionale Form seines allgemeinen Modells für die geschlossene Volkswirtschaft, die bedingt, daß sich die Lernmöglichkeiten bei den einzelnen, nach ihren Arbeitsproduktivitäten geordneten Gütern der Reihe nach erschöpfen.110 Im Zweiländerfall weist dann das weniger entwickelte Land eine geringere oder gleiche Rate des technischen Fortschritts wie im Autarkiezustand auf, während sie bei dem hoch entwickelten Land größer oder gleich ist. Ist der Arbeitskräftebestand des entwickelten Landes größer oder gleich der Erwerbsbevölkerung des weniger entwickelten Landes, so wächst die technologische Lücke zwischen den beiden Ländern ohne Grenzen. Jedoch selbst wenn die Erwerbsbevölkerung des weniger entwickelten Landes deutlich größer ist, führt eine anfänglich hinreichend große technologische Lücke dazu, daß dieses Land nicht aufholt. Mit Blick auf das Wirtschaftswachstum legt das Modell nahe, daß der Außenhandel das Wachstum des entwickelten Landes erhöht, während er das Wachstum des weniger entwickelten Landes senkt. Dies rührt daher, daß die Wissensdiusion zwischen den Sektoren national beschränkt ist. Anders sieht es — wie bereits angesprochen — bei den intertemporalen Wohlfahrtsgewinnen der Konsumenten aus. Dabei genießt das entwickelte Land sowohl die statischen Außenhandelsgewinne als auch eine beschleunigte Rate des technischen Fortschritts, so daß die Konsumenten dort — zumindest so lange das anfänglich entwickeltere Land seine führende Rolle behält — eindeutig eine Erhöhung ihres intertemporalen Nutzens erfahren. Bei dem weniger entwickelten Land wirken diese beiden Eekte jedoch in eine entgegengesetzte Richtung, so daß die Auswirkungen des Außenhandels auf den intertemporalen Nutzen seiner Konsumenten nicht eindeutig sind. Im allgemeinen ist es aber um so wahrscheinlicher, daß es eine Verbesserung der intertemporalen Wohlfahrt erlebt, je kleiner seine Erwerbsbevölkerung gegenüber der des entwickelten Landes ist (und umgekehrt). Mit einem etwas anderen Modellaufbau, bei dem fundamentale und inkrementale Innovationen, wobei letztere durch Learning-by-Doing erfolgen, miteinander verbunden werden, kommen hingegen Brezis/Krugman/Tsiddon (1993) zu dem Ergebnis, daß anfänglich zurückliegende Länder nicht nur zu führenden Ländern aufschließen, sondern diese sogar überholen können. Learning-by-Doing erfolgt am schnellsten in den Ländern mit bestehenden Vorteilen in technologisch fortgeschrittenen Sektoren. Von Zeit zu Zeit gibt es jedoch fundamentale Innovationen, die erfordern, daß Länder neu starten. Dabei mag eine neue Technologie zunächst nicht besser als die alte erscheinen, und von einem Land, das bei der alten Technologie führend ist, mag sie sogar als schlechter angesehen werden. Der Grund dafür ist, daß das führende Land ein Hochlohnland ist, neue Technologien aber zunächst weniger produktiv und damit weniger profitabel als die alten sind. Mithin erscheint die neue Technologie nur dem zurückliegenden und geringere Löhne aufweisenden Land als attraktiv (Brezis/Krugman/Tsiddon, 1993, S. 1212). 110

Zu der folgenden Zusammenfassung der Ergebnisse vgl. Young (1991), S. 401-402.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

111

Zur Modellierung des Learning-by-Doing verwenden Brezis/Krugman/Tsiddon (1993) im Prinzip den gleichen Ansatz wie in Krugman (1987), außer daß jetzt die externen Lerneekte nur innerhalb der nationalen Grenzen wirken und daß es einen Sektor gibt, bei dem diese Eekte nicht auftreten. Zusätzlich wird angenommen, daß jede neue Technologiegeneration besser als die davorliegende ist, wenn man mit ihr die gleiche Menge an Erfahrung gemacht hat. Deshalb kann es sein, daß das führende Land mit reichlicher Erfahrung bei der alten Technik eine höhere Produktivität bei Verwendung dieser Technologie aufweist als wenn es in einer frühen Phase die neue nutzen würde. Unter den weiteren Annahmen, daß beide Länder die gleiche Anzahl an Arbeitskräften haben und daß der Anteil der Weltausgaben für das Gut, bei dem Lerneffekte auftreten, über  = 0> 5 liegt, läßt sich dann zeigen, daß sich die beiden Länder immer dann vollständig spezialisieren werden, wenn @ (1  ) E kleiner ist als die relative Produktivität DD l @Dl (mit l als Index für die Technologiegeneration), wobei sich das anfänglich führende Land D vollständig auf die Güter mit Lerneekten und das zurückliegende Land E auf das Gut ohne diese Eekte spezialisiert. Im anderen Fall wird das zurückliegende Land auch einige Güter mit Lerneekten herstellen. Im Falle einer beiderseitigen vollständigen Spezialisierung wird das anfänglich führende Land innerhalb einer Technologiegeneration seinen Produktivitätsvorteil im Zeitablauf ausbauen, wobei aber die Zuwachsraten abnehmen. Kommt es in solch einer Situation im Zeitpunkt W2 zur Einführung einer neuen Technologie, mit der noch keine Erfahrungen gemacht wurden, dann hat das Land D keinen Anreiz diese Technologie zu nutzen, wenn D DD 2 (0) ? D1 (1 (W2 ))

(2.190)

ist. Dagegen ist es für das Land E profitabel, diese Technologie einzusetzen, wenn 1 DD 2 (0) A D  D1 (1 (W2 ))

(2.191)

ist (vgl. Brezis/Krugman/Tsiddon, 1993, S. 1216). In dem Fall kommt es unmittelbar zu einer Veränderung der Spezialisierungen, weil das zurückliegende Land nun auch das Gut mit Lerneekten herstellt. Vorausgesetzt, daß der Verlauf der Lernkurve bei der neuen Technologie — verglichen mit jener bei der alten Technologie — relativ steil ist, was bei einer ausgereiften älteren Technologie zu erwarten ist, steigt die Produktivität im Land E schneller als im Land D. Mithin wird die Produktion des Gutes ohne Lerneekte im Land E beständig fallen. So lange jeE doch DD 1 A D2 ist, bleibt das Land D auf das Gut mit Lerneekten spezialisiert. In dieser Übergangsphase wird aber nicht nur der Output im Land E zunehmen, sondern über die verbesserten Terms of Trade steigen auch die Reallöhne, während im Land D eine umgekehrte Entwicklung stattfindet. An einem bestimmten Punkt wird das zunächst zurückliegende Land E das Land D bei der Produktivität und den Löhnen (und damit bei den Pro-Kopf-Einkommen) überholen, und es kommt zu einer Umkehr der Spezialisierungsmuster in dem Sinne, daß das Land D beide Güter produziert, während das Land E nun ausschließlich auf das Gut

112

2. Theoretische Erklärungsansätze

D mit den Lerneekten spezialisiert ist. Für den Fall, daß DE 2 @D1 A @ (1  ) wird, entsteht sogar eine umgekehrte vollständige Spezialisierung beider Länder (vgl. Brezis/Krugman/Tsiddon, 1993, S. 1216).111 Natürlich kann man diesen Überholprozeß beliebig fortsetzen, so daß das Land D in der nächsten Runde wieder führend wird. Die bisher vorgestellten Learning-by-Doing-Modelle prognostizieren im wesentlichen eine wirtschaftliche Dierenz, die beim letzten Modell in Form von wellenförmigen wechselseitigen Überholprozessen vonstatten geht. Um eine größere Vielfalt an Konsequenzen für das Niveau und Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen zu erhalten, entwickeln Goodfriend/McDermott (1998) ein Modell, das auf drei Grundideen aufbaut:

1. einer Form von örtlich begrenzten ansteigenden Skalenerträgen, die eine räumlich konzentrierte Industrialisierung induzieren, als Grundlage für Divergenz; 2. der Möglichkeit, daß Wissen, das in führenden Ländern entwickelt wird, in zurückliegende Länder fließt, was ein Potential für Konvergenz schat, und 3. einer wichtigen Form der Verbundproduktion wie bei den Learning-byDoing-Modellen, die in diesem Fall dadurch erzeugt wird, daß die lokale Produktion bestimmter Güter die lokale Humankapitalakkumulation erhöht.112 Zur Berücksichtigung dieser drei Grundideen wird der folgende Modellaufbau gewählt. Es gibt zwei Länder D und E, die das gleiche nicht lagerfähige Endprodukt unter Verwendung von mit Humankapital ausgestatteter (eektiver) Arbeit und nicht lagerfähigen spezialisierten Zwischenprodukten herstellen. Die Zwischenprodukte auf einem Kontinuum mit der Spannweite P = P D +P E werden nur mit eektiver Arbeit produziert, wobei P D im Land D und P E im Land E gefertigt wird. Durch den Außenhandel nutzt aber jedes Land die volle Spannweite der spezialisierten Zwischenprodukte. Unter Verwendung einiger weiterer technischer Annahmen — u. a. von geringen Transportkosten, so daß Hersteller von Zwischenprodukten einen Anreiz haben, sich in dem Land mit der größten Nachfrage nach Zwischenprodukten niederzulassen — wird jedes Zwischenprodukt im Gleichgewichtszustand in gleichen fixen Mengen von einem Unternehmen hergestellt, und der Anteil der Zwischenproduktsunternehmen im Land D ist HD 1 2 H 1 PD = + , P 2 2

(2.192)

111 Jovanovic/Nyarko (1996) kommen bei ihrem Modell für eine geschlossene Volkswirtschaft bezogen auf unterschiedliche Unternehmen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Auch hier können Technologiewechsel das durch Learning-by-Doing erworbene Wissen entwerten und Überholprozesse ermöglichen. In ihrem Modell wachsen nur jene Unternehmen langfristig, die zu den neuen, besseren Technologien wechseln. Umgekehrt erfahren Unternehmen, die bei einer bestimmten Technologie soviel Erfahrung gesammelt haben, daß sie niemals wechseln, auch kein langfristiges Wachstum. 112 Zu diesen Grundideen vgl. Goodfriend/McDermott (1998), S. 1278.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

113

wobei H D @H der Anteil der eektiven Arbeit im Land D und  (0 ?  ? 1) die Produktionselastizität für die Zwischenprodukte ist. Nur wenn H D @H zwischen (1  ) @2 und (1 + ) @2 liegt, werden Zwischenprodukte in beiden Ländern hergestellt. Oberhalb dieses Bereichs ist P D @P = 1 und das Land D stellt alle Zwischenprodukte her, unterhalb ist P D @P = 0 und die gesamte Zwischenproduktproduktion findet im Land E statt. Die Individuen können einen Teil ihrer Zeit darauf verwenden zu lernen, wobei die Produktivität dieser Lernzeit bei einem repräsentativen Individuum von seiner Humankapitalausstattung, der weltweiten Spezialisierung und der Vertrautheit mit der ausländischen Volkswirtschaft abhängt. Dabei sorgt eine große Vertrautheit dafür, daß der Import von spezialisierten Zwischenprodukten kaum einen Nachteil beim Lernen darstellt. Außerdem wird hier zwischen intensiver Bevölkerung (Einwohner pro Stadt) und extensiver Bevölkerung (Anzahl der Städte) unterschieden, um die Konvergenz der nationalen Pro-Kopf-Einkommen von Ländern mit stark unterschiedlicher Bevölkerung erklären zu können. Anderenfalls würden nämlich bei diesem Modellaufbau die nationalen Pro-Kopf-Einkommen umgekehrt zur Bevölkerungszahl variieren (vgl. Goodfriend/McDermott, 1998, S. 1280). Insgesamt lassen sich dann drei Kanäle unterscheiden, die die nationalen Lernproduktivitäten beeinflussen: 1. Ein Anstieg der Anzahl der Städte in einem Land erhöht seine Lernproduktivität durch einen nationalen Skaleneekt, der die Spannweite der spezialisierten Zwischenprodukte vergrößert, die lokal verfügbar sind. 2. So lange ein Land einige Zwischenprodukte importiert, führt eine Zunahme der Vertrautheit zu einem Anstieg der Lernproduktivität. 3. Ein Anstieg von H D @H kann unterschiedliche Eekte auf die Lernproduktivität haben. Er kann im Land E die Lernproduktivität erhöhen, weil sich die Spannweite der Zwischenprodukte vergrößert, die über den Außenhandel verfügbar sind (Weltskaleneekt). Er führt aber auch dazu, daß einige Produzenten von Zwischenprodukten ihren Standort nach Land D verlegen, so daß die Lernproduktivität in Land E sinken kann (Umsiedlungseekt). Der Weltskaleneekt wird dominieren, wenn Land E hinreichend vertraut mit Land D ist, während bei einer Dominanz des Umsiedlungseekts die Lernproduktivität in Land E zurückgehen kann.113 Ein ausgeglichenes Wachstumsgleichgewicht stellt sich dann ein, wenn sich die D Lernproduktivitäten OS der beiden Länder in Abhängigkeit ¡ D ¢W vonW H @H links und rechts in einem Graphen abgetragen im Punkt H @H @OS schneiden. Das langfristige Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen | beider Länder beträgt dann |˙ = (2  ) OS W hWO + (1  ) q, |

(2.193)

wobei hWO der Anteil der Zeit ist, der im langfristigen Gleichgewicht auf das Lernen verwendet wird, und q ist das Bevölkerungswachstum in beiden Ländern. Somit 113

Zu diesen Eekten vgl. Goodfriend/McDermott (1998), S. 1281.

114

2. Theoretische Erklärungsansätze

variiert das Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen direkt mit der Lernproduktivität, und es kommt zu einer weltweiten Konvergenz der Wachstumsraten. Die Niveaus der Pro-Kopf-Einkommen können allerdings entlang dieses gleichgewichtigen Wachstumspfades stark auseinanderliegen. Für das Verhältnis der Pro-Kopf-Einkommen in den Ländern D und E ergibt sich nämlich µ D ¶W H D E E y  | H = D Dµ (2.194) µ D ¶W ¶, |E y  H 1 H wobei y die Anzahl der Städte und  ihre Bevölkerungszahl ist. Die Wirkungen der Veränderungen des Gleichgewichtszustandes hängen in diesem Modell davon ab, wie sich die wechselseitige Vertrautheit der Länder verändert. Erhöht sie sich z. B. in beiden Ländern im gleichen verschieben ¡ ¢Maße, W sich die Lernproduktivitätskurven so nach oben, daß H D @H bei einem höherem OS W gleichbleibt. Mithin würde die weltweite Wachstumsrate der Pro-KopfEinkommen steigen, während die Niveauunterschiede erhalten blieben. Wenn hingegen nur ein Land seine Vertrautheit mit erhöht, würde sich auch ¡ dem ¢anderen W das weltweite Wachstum erhöhen, aber H D @H würde sich so verändern, daß das Land mit der gestiegenen Vertrautheit einen relativen Anstieg seiner ProKopf-Einkommen erfahren würde. Wäre dieses Land das anfänglich zurückliegende, könnte es ggf. das anfänglich führende Land überholen. Also steht auch das anfänglich führende Land unter dem Druck, seine Vertrautheit mit dem Rest der Welt weiter zu erhöhen, wenn es seine Führungsposition erhalten will. Vollständige Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen ergibt ¡ sich¢Wnur im Grenzfall ¡ ¢der vollständigen gegenseitigen Vertrautheit, weil dann H D @H = y D @ yD + y E ist und mithin (2.292) bei gleicher Größe der Städte in beiden Ländern gleich 1 ist. Bezogen auf die reale Welt impliziert dies, daß in dem Ausmaß wie die Ländergröße eher von der Anzahl der Städte als von der durchschnittlichen Stadtgröße abhängt, das wechselseitige Vertrautwerden eine wichtige Triebkraft für eine Konvergenz der industrialisierten Länder ist (Goodfriend/McDermott, 1998, S. 1284). Abschließend soll innerhalb der Gruppe der Learning-by-Doing-Modelle noch auf den Ansatz von Spilimbergo (2000) eingegangen werden, in dem die bereits von Lucas (1988) kritisierte Annahme homothetischer Präferenzen für den Fall von drei verschiedenen Gütern mit unterschiedlichem Technologiegehalt aufgehoben wird.114 Auch hier handelt es sich um ein Ricardianisches Modell, in dem alle Güter nur mit einem Produktionsfaktor Arbeit und Technologien mit konstanten Skalenerträgen hergestellt werden. Konkret wird angenommen, daß es ein einfaches ausgereiftes Gut mit einem geringen Technologiegehalt, ein höherwertiges Gut und ein technologisch sehr anspruchvolles Gut gibt, wobei nur bei letzterem 114

Spilimbergo (2000), S. 133, weist darauf hin, daß zwar auch in Young (1991) von nichthomothetischen Präferenzen ausgegangen wird, aber dadurch, daß bei der spezifischen funktionalen Form seines allgemeinen Modells die Learning-by-Doing- und Spillovereekte bei allen technologisch fortgeschrittenen Produkten gleich seien, ergäben sich die gleichen Ergebnisse wie bei den anderen Modellen mit zwei Gütern.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

115

Learning-by-Doing in Abhängigkeit von der Anzahl der in diesem Sektor eingesetzten Arbeitskräfte möglich ist. Gleichzeitig wird das sehr anspruchsvolle Gut aufgrund der nichthomothetischen Präferenzen mit steigendem Realeinkommen relativ verstärkt nachgefragt, während die relative Nachfrage nach den beiden anderen Gütern zurückgeht. Auf der Produktionsseite hat im Zweiländerfall das fortgeschrittene Land bei dem höherwertigen und dem sehr anspruchsvollen Gut einen komparativen Kostenvorteil, während das zurückliegende Land bei dem einfachen Gut einen Vorteil hat. Bei der Wohlfahrtsanalyse ist dann zwischen der statischen und dynamischen Komponente zu unterscheiden, wobei erstere vom gegenwärtigen Stand der Technologie und zweitere von der Akkumulationsrate des technischen Fortschritts abhängt. Wird zunächst die Autarkiesituation betrachtet, so ergeben sich für die statische Komponente die Standardresultate, während die dynamische Komponente bei dem zurückliegenden Land größer als bei dem fortgeschrittenen Land sein kann, weil sie von der Anzahl der Arbeitskräfte abhängt, die in dem Sektor beschäftigt werden, der das anspruchsvolle Gut herstellt, d. h. auch wenn das zurückliegende Land einen kleineren Anteil seiner Arbeitskräfte zur Produktion dieses Gutes einsetzt, kann die Absolutzahl größer als in dem fortgeschrittenen Land sein (vgl. Spilimbergo, 2000, S. 137). Mit Aufnahme des Außenhandels wird das fortgeschrittene Land das einfache Gut und das zurückliegende Land die beiden anderen Güter importieren. Vergleicht man die Wohlfahrt bei Außenhandel mit der bei Autarkie, so ergeben sich die folgenden Veränderungen.115 Für das fortgeschrittene Land ist die statische Komponente bei Außenhandel immer größer als bei Autarkie, da der Preis des einfachen Gutes nun niedriger ist, während die Preise der beiden anderen Güter gleichbleiben. Dagegen hängt die Veränderung der dynamischen Komponente bei ihm davon ab, wie sich die Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut bei Außenhandel ändert: Fällt sie, wird sich auch die dynamische Komponente verringern. Maßgeblich für die Veränderung sind vier Faktoren: 1. Aufgrund der statischen Außenhandelsgewinne steigt das Realeinkommen, was zu einer Erhöhung der weltweiten Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut führt. 2. Durch die relative Verbilligung des einfachen Gutes (gegenüber den beiden anderen Gütern) in dem führenden Land, sinkt in diesem die Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut. 3. Umgekehrt verbilligen sich die beiden anderen Güter gegenüber dem einfachen Gut im zurückliegenden Land, so daß sich die Nachfrage jenes Landes nach dem anspruchsvollen Gut erhöht. 4. Da das Einkommen des zurückliegenden Landes relativ zu dem des fortgeschrittenen Land gering ist, verschiebt sich die weltweite Nachfrage in Richtung des einfachen Gutes, und es verringert sich die Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut. 115

Zu der folgenden Darstellung vgl. Spilimbergo (2000), S. 140-142.

116

2. Theoretische Erklärungsansätze

Der Gesamteekt hängt danach von der Stärke des Substitutions- und des Nichthomogenitätseekts genüber dem Einkommenseekt ab. Bei homothetischen Präferenzen hinge die Summe des Einkommens- und Substitutionseekts nur von den Präferenzen für das vom zurückliegenden Land produzierte einfache Gut ab. Je mehr die Konsumenten dieses Gut schätzten, desto größer wäre der Nutzen des Außenhandels und umso größer die Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut. Insgesamt wäre die Summe beider Eekte jedoch immer positiv. Dagegen wirkt der Nichthomogenitätseekt tendenziell in die entgegengesetzte Richtung. Die Nachfrage nach dem anspruchsvollen Gut wird danach nur ansteigen, wenn das zurückliegende Land klein ist und/oder die Präferenzen für das einfache Gut niedrig sind und/oder der Einkommensanteil, der für das mittlere, höherwertige Gut verwendet wird, mit steigendem Einkommen fällt. Insgesamt wäre die Wohlfahrt des fortgeschrittenen Landes bei Autarkie höher als bei Außenhandel, wenn die Dierenz zwischen der dynamischen Komponente bei Autarkie und bei Außenhandel größer wäre als die durch den Außenhandel bedingte Zunahme der statischen Komponente. Im allgemeinen sind jedoch die Gesamteffekte von Parameterveränderungen auf die Summe der statischen und dynamischen Komponente nicht eindeutig. So verbessert z. B. eine größere Bevölkerung des zurückliegenden Landes die Terms of Trade für das fortgeschrittene Land und mithin die statischen Außenhandelsgewinne, verringert aber gleichzeitig die dynamische Komponente. Für das zurückliegende Land ist die statische Komponente der Wohlfahrt bei Außenhandel ebenfalls immer größer als bei Autarkie, weil die Preise des höherwertigen und des anspruchsvollen Guts niedriger sind als bei Autarkie, während der Preis des einfachen Gutes gleichbleibt. Aber auch die Veränderung der dynamische Komponente ist als Summe des Einkommens-, Substitutions- und Nichthomogenitätseekts positiv. Dabei hängt die Summe des Einkommens- und Substitutionseekts von der Größe des Landes ab und kann positiv oder negativ sein. Alle drei Eekte sind negativ, wenn das zurückliegende Land hinreichend groß ist.116 Ein Anstieg der Präferenzen für das einfache Gut wiederum erhöht den Einkommens- und Substitutionseekt, während er den Nichthomogenitätseekt verringert. Zusammengefaßt zeigt das Modell von Spilimbergo (2000), daß sich die Wohlfahrt eines fortgeschrittenen Landes durch den Außenhandel verschlechtern kann, wenn die Nachfragestruktur des zurückliegenden Landes zugunsten des im führenden Land hergestellten Gutes ohne — oder mit nur geringem — Learning-byDoing-Potential verzerrt ist. Insgesamt sind dann auch die Auswirkungen des Außenhandels auf die Weltwohlfahrt nicht eindeutig, sondern hängen von den jeweiligen Parameterkonstellationen ab. Entscheidende Voraussetzung für die Generierung dieses Wirkungsmechanismus ist jedoch, daß das fortgeschrittene Land mindestens zwei Güter herstellt und exportiert — eins mit und eins ohne — oder mit nur geringem — Learning-by-Doing-Potential. 116

Dieses Ergebnis ähnelt dem von Young (1991) für die spezifische funktionale Form seines allgemeinen Modells.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

117

Insgesamt können auf der Grundlage der Learning-by-Doing-Modelle folgende Schlußfolgerungen bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Spezialisierung und dem Wirtschaftswachstum von Volkswirtschaften gezogen werden: • Das Ansatz von Romer (1986) ist als Einsektorenmodell erstmal nicht geeignet, die Auswirkungen qualitativ unterschiedlicher Spezialisierungen auf das Wirtschaftswachstum zu erklären. Da aber in ihm die langfristigen Wachstumsraten von der Absolutzahl der Arbeitskräfte abhängen, impliziert es, wenn es auf verschiedene Branchen bezogen wird, daß eine Spezialisierung — egal in welchem Bereich — wachstumsförderlich ist. So interpretiert legt es nahe, daß eine Smithianische Spezialisierung zum Wachstum beiträgt. • In den Modellen von Lucas (1988) und Krugman (1987) verfestigen sich im Regelfall durch den Außenhandel die historisch gegebenen Spezialisierungen. Dabei wird im Modell von Lucas immer das Land, das auf die Produktion des Gutes mit den größeren Lernmöglichkeiten spezialisiert ist, auch das höhere Wachstum aufweisen, wenn die Substitutionselastizität zwischen den beiden Gütern hoch ist. Anderenfalls dominieren die Terms-ofTrade-Eekte die direkten Produktivitätseekte, so daß das Land mit dem schnelleren technischen Wandel das geringere Wachstum erfährt. • Auch im Modell von Young (1991), in dem das Learning-by-Doing zwar bei jedem Gut beschränkt ist, es aber Spillover-Eekte zwischen den Gütern gibt, wächst das Land in der Regel schneller, das sich auf die Güter mit den größeren Lerneekten spezialisiert. Dies liegt zum einen daran, daß Young (1991) zur Ableitung dieses Ergebnisses eine spezielle funktionale Form seines allgemeinen Modells betrachtet, die den P-Güterfall im Grunde auf einen Zweigüterfall reduziert, und zum anderen daran, daß bei seinem Modell genauso wie beim Modell von Lucas (1988) die Learning-byDoing-Eekte durch die nationalen Grenzen beschränkt sind. • In den Modellen von Lucas (1988) und Young (1991) ist auch die qualitative Ausgestaltung der Spezialisierung von Bedeutung: Länder, die auf Güter mit größeren Lerneekten spezialisiert sind, erfahren in der Regel auch ein höheres Wachstum. Hier ist also eine Ricardianische Spezialisierung wachstumsförderlich. • Dagegen zeigen Brezis/Krugman/Tsiddon (1993) mit ihrem Modell, bei dem fundamentale und inkrementale Innovationen unterschieden werden, wobei letztere durch Learning-by-Doing erfolgen, und bei dem die Lernmöglichkeiten ebenfalls national beschränkt sind, daß es unter bestimmten Konstellationen zu sich wiederholenden, wechselseitigen Überholprozessen bei den Pro-Kopf-Einkommen und zu vollständigen Umkehrungen der Spezialisierungen kommen kann. • Während die bisher angeführten Modelle im wesentlichen eine wirtschaftliche Divergenz prognostizieren, die entweder durch eine auf Learning-byDoing-Eekten beruhende Smithianische oder Ricardianische Spezialisierung getrieben wird, werden in dem Modell von Goodfriend/McDermott

118

2. Theoretische Erklärungsansätze

(1998) zwei weitere, entweder Konvergenz oder Divergenz fördernde Effekte mit dem Vorliegen von lokalen Learning-by-Doing-Möglichkeiten verbunden. Dann ergibt sich zwar eine Konvergenz der Wachstumsraten der Pro-Kopf-Einkommen, ein Unterschied zwischen den Niveaus wird jedoch in der Regel langfristig bestehen bleiben. Nur wenn die Länder vollkommen miteinander vertraut sind, stellt sich auch bei ihnen eine vollständige Konvergenz ein.

• Im Gegensatz zu den anderen Modellen — mit der Ausnahme von Brezis/Krugman/Tsiddon (1993) — zeigt das Modell von Spilimbergo (2000), daß sich ein technologisch führendes Land durch die Aufnahme von Außenhandel schlechter stellen kann, wenn die Annahme homothetischer Präferenzen aufgegeben wird und gleichzeitig davon ausgegangen wird, daß das fortgeschrittene Land mindestens zwei Güter herstellt und exportiert — eins mit und eins ohne Learning-by-Doing-Potential. Nach diesem Ansatz wären also — obwohl nicht explizit modelliert — eine Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen oder langfristig auch Überholprozesse möglich.

2.5.2

FuE als Triebkraft endogenen Wachstums

Anders als bei den Learning-by-Doing-Modellen, bei denen Wissen quasi als Nebenprodukt der Produktion entsteht, beruht das endogene Wachstum bei den sog. FuE-Modellen auf vorsätzlichen industriellen Innovationen. Kommerzielle FuE ist mithin eine gewöhnliche Wirtschaftsaktivität, die den Einsatz von Ressourcen erfordert und auf Gewinnchancen reagiert. Ihre Erträge fallen in Form von Monopolrenten auf Märkten mit unvollständigem Wettbewerb an (Grossman/Helpman, 1991, S. 43). Dies ist der zweite Punkt, der diese Gruppe von Modellen von den zuvor vorgestellten Modellen mit Learning-by-Doing unterscheidet. Die Berücksichtigung der Einführung von neuen Produkten erfordert, daß die in den Modellen erfaßten Güter voneinander unterscheidbar sind (Bretschger, 1998, S. 119). Das geschieht durch die Betrachtung von dierenzierten Gütern, die per Annahme heterogen und mithin untereinander nicht perfekt substituierbar sind. Dadurch haben die einzelnen Unternehmen eine beschränkte Marktmacht, und sie können die Preise zunächst höher als die Grenzkosten setzen. Diese Extragewinne führen aber so lange zum Markteintritt neuer Unternehmen, bis im Gleichgewicht keine Nettogewinne mehr erzielt werden.117 Modelliert werden kann solch eine Situation mit dem Konzept der monopolistischen Konkurrenz nach Dixit/Stiglitz (1977).118 Ähnlich wie in den Learning-by-Doing-Modellen fallen aber auch bei der privaten FuE positive Spillovers in der Form an, daß das Allgemeinwissen vergrößert wird, was wiederum die Produktivität der FuE-Aktivitäten steigert (vgl. Bretschger, 1998, S. 123). 117

Vgl. hierzu Bretschger (1998), S. 120. Eine Reihe von Autoren weist darauf hin, daß erst mit diesem Ansatz die Möglichkeit zur Entwicklung der FuE-Modelle erönet wurde (vgl. z. B. Arnold, 1997, S. 122). 118

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt 2.5.2.1

119

Die geschlossene Volkswirtschaft

Auch die FuE-Modelle wurden zunächst für den Fall einer geschlossenen Volkswirtschaft entwickelt. Dabei wurde Anfang der neunziger Jahre beinahe zeitgleich eine Reihe von Ansätzen vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise dierenzierte Produkte einführen. Grundsätzlich kann hierbei zwischen horizontal und vertikal dierenzierten Produkten bzw. Innovationen unterschieden werden. Bei der horizontalen Dierenzierung wird die Produktvielfalt ausgedehnt. Dies kann entweder auf der Ebene der Zwischenprodukte oder der Konsumgüter geschehen. Dagegen werden bei der vertikalen Dierenzierung unterschiedliche Produktqualitäten betrachtet. Beide Typen der Produktdierenzierung werden im folgenden anhand der jeweiligen Pioniermodelle sowie einiger Erweiterungen, die für die hier untersuchte Fragestellung relevant sind, vorgestellt. Da diese Modelle jedoch nicht kritiklos blieben, weil sie implizieren, daß die Innovationstätigkeit einen Skaleneekt aufweist, wird zudem auf die Möglichkeit der Generierung eines semi-endogenen Wachstums eingegangen, das nicht auf solchen Eekten beruht. Horizontale Innovationen: Steigende Produktvielfalt

Das erste FuE-Modell der neuen Wachstumstheorie wird in Romer (1990) vorgestellt.119 In diesem Modell werden drei Sektoren berücksichtigt. Ein Sektor fertigt die Endprodukte unter Verwendung von Humankapital, unqualifizierter Arbeit und Zwischenprodukten in der Form von dierenzierten Kapitalgütern.120 Im zweiten Sektor werden die Zwischenprodukte auf der Basis von patentgeschützten Designs hergestellt, die im FuE-Sektor entwickelt werden. Der Output des letzteren hängt wiederum vom eingesetzten Humankapital, aber auch von der Anzahl der bisher entwickelten Designs ab.121 Die Herstellung der Endprodukte erfolgt gemäß der Produktionsfunktion

\ =

K\ O

Z

P

{ (p)133 gp, mit 0 ? , 0 ?  und  +  ? 1,

(2.195)

0

wobei K\ das im Endproduktsektor eingesetzte Humankapital und { (p) die Einsatzmenge des Zwischenprodukts p 5 [0> P] ist. Der technische Fortschritt erfolgt hier durch horizontale Innovationen, d. h. durch eine Zunahme der An119 Lehrbuchdarstellungen des Modells von Romer (1990) finden sich in Aghion/Howitt (1998), S. 37-39; Arnold (1997), S. 141-152; Bretschger (1998), S. 137-142 und Jones (1998), S. 88-113, wobei alle Autoren mit der Ausnahme von Bretschger (1998) aus Vereinfachungsgründen auf die Unterscheidung zwischen einfacher Arbeit und Humankapital verzichten. 120 Da in der folgenden Darstellung zwischen Humankapital und unqualifizierter Arbeit unterschieden wird, lehnt sich die Darstellung stark an den Originalbeitrag von Romer (1990) und an Bretschger (1998), S. 137-142 an. 121 Da das Humankapital im Gegensatz zum Modell von Lucas (1988) hier nicht akkumuliert wird, sondern als fester Gesamtbestand vorgegeben ist, sollte es als das verfügbare Volumen qualifizierter Arbeit innerhalb eines Landes interpretiert werden. Vgl. hierzu Romer (1990), S. S85 sowie Krüger (2000), S. 28.

120

2. Theoretische Erklärungsansätze

zahl dierenzierter Zwischenprodukte, die eine stärkere Spezialisierung und damit Produktivitätswachstum bedingt.122 Während auf dem Markt für Endprodukte vollkommener Wettbewerb gegeben ist, herrscht auf dem Markt für Zwischenprodukte monopolistische Konkurrenz, so daß jedes Zwischenprodukt dauerhaft nur von einem Hersteller produziert wird. Zur Fertigung der dierenzierten Zwischenprodukte müssen die Zwischenproduktunternehmen Designs aus dem Forschungssektor erwerben. Die Endprodukthersteller werden Zwischenprodukte gemäß ihrer Optimierungskalküle nachfragen. Dabei ist das Grenzprodukt des p-ten Zwischenprodukts gleich C\ = (1    ) K\ O { (p)33 . C{ (p)

(2.196)

Im Gleichgewicht ist dieses Grenzprodukt gleich dem Preis des p-ten Zwischenprodukts und alle Zwischenprodukte haben den gleichen Preis s ({). Zur Herstellung der Zwischenprodukte, also der dierenzierten Kapitalgüter, werden nur solche Kapitalgüter eingesetzt und zwar die Menge {. Dieser Kapitaleinsatz muß mit dem Marktzinssatz u verzinst werden. Mithin ist der Gewinn des p-ten Zwischenproduktherstellers:  (p) = s ({) { (p)  u{ (p) = (1    ) K\ O { (p)133  u{ (p) .

(2.197)

Da sich bei einer konstanten Substitutionselastizität zwischen zwei beliebigen Zwischenprodukten ! = 1@( + ), die der Preiselastizität der Nachfrage entspricht, wenn alle anderen Preise und die gesamten Konsumausgaben konstant sind, der optimale Preis als Grenzkosten mal einem konstanten Aufschlagsfaktor ergibt, kann so auch der Gewinn jedes Zwischenproduktherstellers berechnet werden.123 Bei Gewinnmaximierung ergeben sich die Grenzkosten JN eines belie122

Romer (1987) hat bereits für eine etwas einfachere Produktionsfunktion Z P { \ = O1 p gp, 0 ?  ? 1, 0

gezeigt, daß bei Vorliegen monopolistischer Konkurrenz im Zwischenproduktesektor und wenn die Zwischenprodukte nur mit dem Faktor Kapital hergestellt werden, allein durch die Spezialisierung steigende Skalenerträge entstehen. Dann ist nämlich der Gleichgewichtswert für die Anzahl der Zwischenprodukte P = [(2  )@2k] N, wobei k die Fixkosten für jedes Zwischenprodukt sind, und die aggregierte Produktionsfunktion lautet \ = eO1 P 1 N  , wobei e eine positive Konstante ist. Mithin ergibt sich µ ¶1 2 \ =e O1 N. 2k Diese Funktion weist konstante Grenzerträge für den Faktor Kapital und steigende Skalenerträge auf. Formal ähnelt sie der Produktionsfunktion im Learning-by-Doing-Modell von Romer (1986), ist aber durch die monopolistische Konkurrenz im Zwischenproduktesektor bedingt. Vgl. hierzu auch Aghion/Howitt (1998), S. 36. 123 Vgl. hierzu Bretschger (1998), S. 125-126.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

121

bigen Zwischenproduktherstellers mittels der Amoroso-Robinson-Bedingung als µ ¶ 1 JN = 1  s ({) = (1    ) s ({) , (2.198) |!|

so daß der Aufschlagsfaktor (1    )31 ist. Er ist positiv, da ! A 1 ist, wenn 0 ?  +  ? 1 ist. Mithin ist der Gewinn  (p) = (s{  JN) { (p) = ( + ) s ({) { (p) = ( + ) (1    ) K\ O { (p)133 .

(2.199)

Schließlich werden im FuE-Sektor mittels Humankapital bzw. qualifizierter Arbeit und des vorhandenen allgemeinen Wissensbestandes die Designs für neue Zwischenprodukte entwickelt. Diese neuen Designs werden durch Patente geschützt. Obwohl damit andere von deren direkter Nutzung ausgeschlossen werden, erhöht sich durch jedes neue Design auch der allgemeine Wissensbestand. Wird der Einfachheit halber angenommen, daß der allgemeine Wissensbestand  (w) proportional zur Anzahl der bisher entwickelten Zwischenprodukte ist, also  (w) = P (w), so kann die Produktionsfunktion für neue Designs bzw. die Wachstumsrate der Designs als P˙ = KP (2.200) P˙ = KP P bzw. P geschrieben werden. Dabei ist KP der Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor und  ein positiver E!zienzparameter. Da dieser Parameter konstant ist, würde bei konstantem Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor der Wissensbestand unbegrenzt exponentiell mit konstanter Rate zunehmen. Mithin würde sowohl die Produktivität im FuE-Sektor als auch im Endproduktsektor beständig steigen; bei letzterem, weil eine größere Auswahlmöglichkeit an dierenzierten Zwischenprodukten besteht. Der Einfluß neuer Zwischenprodukte auf die Produktivität ist also nicht nur vorübergehender sondern dauerhafter Natur (Krüger, 2000, S. 29). Hier liegt auch der Ansatzpunkt für die Ableitung der gleichgewichtigen Wachstumsrate. Das Wachstum der Designs und damit der Endproduktmenge hängt vom Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor ab. Da der gesamte Humankapitalbestand mit K = K\ + KP konstant ist, kann der Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor als Residualgröße nach der Festlegung des Humankapitaleinsatzes im Endproduktsektor bestimmt werden. Hierzu wird die Tatsache genutzt, daß im Gleichgewicht die Entlohnung des Humankapitals (bzw. der qualifizierten Arbeit) in beiden Sektoren gleich sein muß. Wenn alle Zwischenprodukte, wie angenommen, symmetrisch eingesetzt werden, ergibt sich das Grenzprodukt und damit die Entlohnung des Humankapitals (zK ) im Endproduktsektor als zK = K\31 O P{133 .

(2.201)

Dabei dienen die Endprodukte als Numéraire, so daß deren Preis gleich eins ist. Hingegen ist das Wertgrenzprodukt im FuE-Sektor zK = yP,

(2.202)

122

2. Theoretische Erklärungsansätze

wobei y der Wert bzw. Preis eines Design bzw. Patents ist. Er ergibt sich aus der sog. Arbitrage-Bedingung, daß der Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor nur dann lohnend ist, wenn der Gewinn aus einem Patent und der Wertzuwachs dieses Patents gleich der risikolosen Verzinsung des Patentwerts ist, also  (p) + y˙ = uy. Aufgrund des freien Marktzutritts zum FuE-Sektor gilt im Gleichgewicht y˙ = 0, so daß  (p) = uy

(2.203)

ist. Mithin reicht der Ertragsüberschuß gegenüber den Grenzkosten gerade aus, um die Zinskosten der anfänglichen Investitionen in ein Design zu decken (Romer, 1990, S. S87). Durch Substitution der Gewinngleichung (2.199) in Gleichung (2.203) erhält man den Wert eines Patents als y=

+ (1    ) K\ O { (p)133 = u

(2.204)

Durch Gleichsetzen von Gleichung (2.201) und (2.202) erhält man zudem K\31 O {133 = y.

(2.205)

Wird nun Gleichung (2.204) in diesen Ausdruck eingesetzt und dieser dann nach K\ aufgelöst, ergibt sich der Humankapitaleinsatz im Endproduktsektor als K\ =

1  u.  (1    ) ( + )

(2.206)

Unter Berücksichtigung der Wachstumsrate für Designs in Gleichung (2.200) folgt  P˙ = KP = K  u. P (1    ) ( + )

(2.207)

Im Gleichgewicht wachsen alle Größen wie im Solow-Modell mit der gleichen Rate ˙ ˙ ˙ j, also j = P@P = F@F = N@N = \˙ @\ .124 Ersetzt man zudem den Ausdruck mit den Technologieparametern  und  durch \, also \=

 , (1    ) ( + )

(2.208)

so kann diese Wachstumsrate vereinfacht als j = KP = K  \u

(2.209)

geschrieben werden. Geschlossen werden kann das Modell über die Konsumentenseite. Hier gilt die ˙ Ramsey-Regel j = F@F = (u  ) @, wobei  wiederum die Zeitpräferenzrate des Konsums und  die Elastizität des Grenznutzens ist, wenn — wie im 124

Vgl. Romer (1990), S. S92. Da es sich bei den Zwischenprodukten um dierenzierte KapiRP talgüter handelt, ergibt sich der gesamte Kapitalbestand als N = 0 {p gp = P {.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

123

Learning-by-Doing-Modell von Romer (1986) — eine Nutzenfunktion mit konstanten intertemporalen Substitutionselastizitäten 31 unterstellt wird.125 Wird sie nach u aufgelöst, also u = j  , und in Gleichung (2.209) eingesetzt, ergibt sich die Wachstumsrate j als j=

K  \ . 1 + \

(2.210)

Mithin hängt das Wirtschaftswachstum von der Angebotsseite her positiv von der Gesamtmenge an qualifizierter Arbeit (dem Gesamtbestand an Humankapital) K und deren Produktivität im FuE-Sektor  ab, während es von der Nachfrageseite her — wie üblich — negativ von  und  beeinflußt wird.126 Weil es im FuE-Sektor positive Spillover-Eekte dadurch gibt, daß der vorhandene Wissensbestand genutzt werden kann, ohne daß dafür Kompensationszahlungen geleistet werden müssen, ist der Humankapitaleinsatz im FuE-Sektor und damit die Anzahl der Innovationen geringer, als es aus sozialer Sicht optimal wäre. Zudem führt die monopolistische Preisbildung zu einem Auseinanderklaffen der Grenzprodukte der Produktionsfaktoren und ihrer Marktentlohnung (vgl. Krüger, 2000, S. 30). Beide Faktoren führen zu einer aus sozialer Sicht zu geringen Wachstumsrate. Romer (1990), S. S97-S98 sowie S100, zeigt, daß die sozial optimale Wachstumsrate jv =

K  X (1  X) + X

(2.211)

ist, wobei X = @ ( + ) ist. Mithin entspricht der Koe!zient \ in der sich rein privatwirtschaftlich ergebenden Wachstumsrate dem Koe!zienten X mal dem Aufschlagsfaktor (1    )31 im monopolistischen Zwischenproduktsektor. Zudem wird die Konstante 1 bei der privatwirtschaftlichen Lösung durch 1   ersetzt, worin sich die Wirkung einer Berücksichtigung der positiven SpilloverEekte im Forschungssektor widerspiegelt. Da mithin im Modell von Romer (1990) zwei Marktunvollkommenheiten vorliegen, werden auch zwei Politikinstrumente benötigt, um E!zienz zu erreichen. Erstens ermöglichen FuE-Subventionen, die externen Eekte im FuE-Sektor zu internalisieren. Zweitens können durch Produktionssubventionen im Zwischenproduktsektor die im unregulierten Monopolfall zu geringen Ausbringungsmengen korrigiert werden.127 Im Gegensatz zu Romer (1990) schlagen Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, ein Modell vor, bei dem die horizontale Produktdierenzierung auf der Ebene 125

Vgl. Gleichung (2.155) in Abschnitt 2.5.1.1. Romer (1990), S. S.92-S93, weist darauf hin, daß aus technischer Sicht die Wachstumsrate des aktuellen Nutzens (1  ) j kleiner sein muß als die Zeitpräferenzrate des Konsums , damit das Integral der Konsumentenpräferenzen endlich ist. Mithin muß für alle  5 [0> 1) gelten: (1  ) K@ (1 + ) ? . 127 Vgl. Arnold, 1997, S. S. 147-148. Arnold (1997), S. 148-152, zeigt, daß es für das Modell von Romer (1990) eine eindeutige Kombination dieser Subventionen gibt, die den optimalen Pfad als Marktgleichgewicht etablieren. 126

124

2. Theoretische Erklärungsansätze

der Konsumgüter erfolgt.128 In diesem Modell wird angenommen, daß die Konsumenten eine Vorliebe für eine hohe Vielfalt an Konsumgütern haben und daß Unternehmen, die unter den Bedingungen monopolistischer Konkurrenz operieren, diese nicht vollständig substituierbaren Produktvarianten zur Verfügung stellen. Die Spanne der verfügbaren Konsumgütervarianten wird wieder durch FuE ausgedehnt. Ausgangspunkt der Modellierung ist die intertemporale Nutzenfunktion eines repräsentativen Haushaltes, der seinen Nutzen über einen unendlichen Planungshorizont maximiert. Sie lautet Z " X (w) = h3( 3w) ln G ( ) g , (2.212) w

wobei G ( ) einen Konsumindex zum Zeitpunkt  repräsentiert. Er reflektiert die Vorliebe der Haushalte für Produktvielfalt, und sein natürlicher Logarithmus mißt den augenblicklichen Nutzen für einen bestimmten Zeitpunkt. Für G wird angenommen, daß eine konstante und gleiche Substitutionselastizität zwischen zwei beliebigen Konsumgütern vorliegt, nämlich G=

Z

P

0

¸ 1 { (p) gp , 0 ?  ? 1, 

(2.213)

wobei { (p) die Konsummenge des Gutes p bezeichnet und  = 1@ (1  ) A 1 die Substitutionselastizität zwischen zwei beliebigen Konsumgütern ist. Das Nutzenmaximierungsproblem des Haushalts beinhaltet nun zwei Aspekte. Zum einen muß er entscheiden, welchen Anteil seines Einkommens er für den Konsum verwendet und welchen er sparen will. Zum anderen muß er die Konsumausgaben auf die einzelnen dierenzierten Endprodukte verteilen. Auch formal läßt sich dieses Problem in zwei Stufen aufgliedern. Die Bestimmung der optimalen Nachfragemengen kann in der ersten Stufe (der statischen Komponente der Nutzenmaximierung) unter der Annahme erfolgen, daß der Haushalt einen gegebenen Betrag H für den Erwerb von Konsumgütern verwendet. Die LagrangeFunktion dieses Optimierungsproblems lautet L=

Z

0

P

¸ 1  Z { (p) gp +  H  

0

P

¸ s (p) { (p) gp ,

(2.214)

wobei  der Lagrange-Multiplikator ist. Mittels der Bedingungen erster Ordnung erhält man:  ¸ s (m) { (p) = , p 6= m und p> m 5 [0> P] , (2.215) { (m) s (p)

und eingesetzt in die Budgetrestriktion ergibt sich die Nachfragefunktion für die Produktvariante p als Hs (p)3 . (2.216) { (p) = R P s (p)13 gp 0 128

Das Modell von Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, läßt sich allerdings sehr leicht auch auf dierenzierte Zwischenprodukte übertragen und ist dann eine vereinfachte Version des Modells von Romer (1990) (vgl. z. B. Arnold, 1997, S. 122-134).

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

125

Somit fragt der Haushalt alle verfügbaren Endprodukte symmetrisch nach, wobei die Nachfragemengen sowohl vom Preis der jeweiligen Variante als auch von den Preisen aller anderen Varianten abhängt. Aufgrund dieser Symmetrieeigenschaft kann der Preisindex für die Konsumgüter als Z

P

sG =

13

s (p) 0

1 ¸ 13 gp

(2.217)

geschrieben werden. Ausgehend von ihm und dem Umstand, daß G = H@sG ist, kann die intertemporale Komponente der Nutzenmaximierung durchgeführt werden. Dazu wird die intertemporale Nutzenfunktion (Gleichung 2.212) zu Z " h3( 3w) [ln H ( )  ln sG ( )] g (2.218) X (w) = w

umformuliert, d. h. der direkte Nutzen wird durch den indirekten ersetzt. Unter Berücksichtigung einer intertemporalen Budgetrestriktion wird der Nutzen dann maximiert, wenn gemäß der Ramsey-Regel die Wachstumsrate der Konsumausgaben gleich der Dierenz zwischen Zinssatz und Zeitpräferenzrate ist, also H˙ = u  . (2.219) H Zur Vereinfachung der Analyse unterstellen Grossman/Helpman (1991), S. 48, daß die Preise so normiert seien, daß H(w) = 1, für alle w,

(2.220)

und mithin u (w) = , für alle w,

(2.221)

gilt. Bezüglich des Verhaltens der Haushalte ist schließlich noch anzuführen, daß sie neben dem Konsum einen Teil ihres Einkommen auch dazu verwenden können, Wertpapiere zu erwerben, die von den Unternehmen herausgegeben werden, um ihre FuE-Investitionen zu finanzieren. Zudem bieten die Haushalte insgesamt in jeder Periode eine konstante Menge an homogener Arbeit O an. Die Produzentenseite ist im Modell von Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, sehr ähnlich zu der in Romer (1990) aufgebaut, aber dadurch etwas einfacher strukturiert, daß der gesonderte Endproduktsektor entfällt. Die Unternehmen engagieren sich in zwei Aktivitäten, nämlich der Entwicklung von neuen Designs (Patenten) und der Produktion der Produktvarianten, die auf diesen Designs basieren. Bei beiden Aktivitäten wird nur der Produktionsfaktor homogene Arbeit eingesetzt. Für die Produktion gilt wieder die Annahme der monopolistischen Konkurrenz, d. h. jede Variante des dierenzierten Produkts wird von einer atomistischen Unternehmung hergestellt, wobei genau eine Einheit Arbeit zur Herstellung einer Endprodukteinheit eingesetzt wird. Mithin beträgt der Gewinn eines Unternehmens, das die p-te Variante herstellt:  (p) = s (p) { (p)  z{ (p) =

(2.222)

126

2. Theoretische Erklärungsansätze

Dieser wird genauso wie im Modell von Romer (1990) maximiert, wenn der Preis den Grenzkosten mal einem konstanten Aufschlagsfaktor entspricht. Letzterer beträgt nun 31 , so daß s (p) = z@ ist. Da alle Unternehmen mit der gleichen Produktionstechnologie arbeiten und sich einer symmetrischen Nachfragefunktion gegenübersehen, setzen sie auch den gleichen Preis s=

z = 

(2.223)

Da H = 1 ist, beträgt der Gewinn für jede Produktvariante dann =

1 . P

(2.224)

Dieser Gewinn ist aber nur eine Komponente des Unternehmensertrags. Insgesamt muß für ein Kapitalmarktgleichgewicht wieder die Arbitragebedingung  + y˙ = uy

(2.225)

gelten. Die Forschungstechnologie wird unmittelbar aus Romer (1990) übernommen, wobei nun aber auch hier homogene Arbeit eingesetzt wird, d. h. die Produktionsfunktion für neue Designs lautet: P˙ = OP P,

(2.226)

und das Wertgrenzprodukt der FuE-Aktivitäten ist z = yP.

(2.227)

Daraus ergibt sich unmittelbar die dynamische Markteintrittsbedingung z  y, mit Gleichheit für P˙ A 0. P

(2.228)

Mithin bedingt der freie Zutritt zur FuE, daß die durch sie zu erwartenden Gewinne nichtpositiv sind (sonst würde Arbeit von den FuE-treibenden Unternehmen unbegrenzt nachgefragt werden und es könnte kein Arbeitsmarktgleichgewicht existieren) und daß die Gewinne nichtnegativ sind, damit überhaupt FuE betrieben wird (vgl. Arnold, 1997, S. 128, sowie Grossman/Helpman, 1991, S. 51 und S. 59). Als letzte Bedingung für ein allgemeines Gleichgewicht muß der Arbeitsmarkt geräumt sein, d. h. die gesamten von den Haushalten angebotenen Arbeitseinheiten O müssen auf die FuE-Aktivitäten und die Produktion verteilt sein. Werden P˙ neue Designs entwickelt, dann beträgt die gesamte Beschäftigung in der FuE ˙ OP = P@P. Da jede Variante zum Preis s verkauft wird und die Ausgaben H = 1 sind, verkauft jedes Unternehmen 1@Ps Einheiten. Aufgrund der Annahme zur Produktionstechnologie (eine Endprodukteinheit wird mit einer Arbeitseinheit hergestellt) ergibt sich die Identität zwischen aggregierter Güterproduktion

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

127

[ = P{ = 1@s und aggregierter Arbeitsnachfrage für die Produktion O[ . Mithin erfordert das Arbeitsmarktgleichgewicht, daß O = OP + O[ =

1 P˙ + P s

(2.229)

ist, wobei der Gleichgewichtspreis s

1 O

(2.230)

sein muß, damit der Arbeitseinsatz bei jeder Aktivität nichtnegativ ist. Unter Verwendung der Bedingung für den freien Marktzutritt (2.228), der Preisgleichung (2.223) und der Arbeitsmarktrestriktion (2.229) kann die Wachstumsrate für Designs als ;   A O  für y A A ? ˙ Py OP P = (2.231) A P  A = 0 für y  OP geschrieben werden. Durch Einsetzen der Zinsgleichung (2.221) und der Gewinngleichung (2.224) in die Arbitragebedingung (2.225) kann zudem die Veränderung des Wertes eines Designs in Abhängigkeit von seinem gegenwärtigen Wert und der Anzahl der verfügbaren Designs bestimmt werden, nämlich als y˙ = y 

1 . P

(2.232)

Beide Gleichungen (2.231 und 2.232) zusammen beschreiben die Gleichgewichtsdynamik des Modells. Zur einfacheren Analyse der Modelldynamik definieren Grossman/Helpman (1991), S. 59, eine neue Variable: Y = 1@Py als Kehrwert des gesamtwirtschaftlichen Werts der Designs. Mit ihr läßt sich Gleichung (2.231) als ; O A A O  Y für Y ? A ?  P˙ = (2.233) A P A O A = 0 für Y   ˙ schreiben. Zudem ergibt sich aus der Definition von Y , daß Y˙ @Y = P@P  y@y ˙ ist. In Verbindung mit Gleichung (2.232) erhält man P˙ Y˙ = (1  ) Y   . Y P

(2.234)

Mithin reduziert sich das System der Gleichgewichtsbeziehungen nun auf eine Dierentialgleichung (2.234) sowie eine Nebenbedingung (2.233), die zu jedem

128

2. Theoretische Erklärungsansätze

L

V

GL D

V

V

U 1 D

0

G

L 0

GL

M M

Abbildung 2.6: Langfristiges Gleichgewicht im Grossman/Helpman-Modell mit horizontalen Produktinnovationen Zeitpunkt die Ressourcenallokation festlegt. Mittels beider Gleichungen läßt sich ˙ in einem Y -P@P-Diagramm die Gleichgewichtsdynamik analysieren.129 Dieses Diagramm ist in Abbildung 2.6 wiedergegeben.130 Die OO-Kurve repräsentiert die Gleichung für die Ressourcenbeschränkung (2.233). Sie weist einen geknickten Verlauf auf und ist für positive Innovationsraten fallend, weil mit steigenden Innovationsraten mehr Arbeit im FuE-Bereich eingesetzt wird und mithin weniger Arbeit für die Produktion zur Verfügung steht. So sinkt dort der Output, was zu steigenden Preisen, Löhnen und in der Konsequenz zu einem höheren Wert eines repräsentativen Unternehmens führt. Umgekehrt sinkt natürlich der ˙ inverse Wert. Auf der Y Y -Linie liegen alle Kombinationen von Y und P@P, für ˙ die Y @Y = 0 ist, d. h. bei denen der Rückgang des Wertes eines Designs eines repräsentativen Unternehmens gerade der Wachstumsrate der Designs entspricht. Diese Linie weist einen steigenden Verlauf auf. Im langfristigen Gleichgewicht, das durch den Schnittpunkt der beiden Kurven in J beschrieben wird und das sofort ohne Anpassungsdynamik erreicht wird, wächst die Anzahl der Designs dauerhaft mit der konstanten Rate P˙ = (1  ) O  , P

(2.235)

129 Auf eine vollständige Analyse der Modelldynamik anhand des Y -P˙ @P -Diagramms wird an dieser Stelle verzichtet. Sie findet sich in Grossman/Helpman (1991), S. 60-62, aber z. B. auch in Arnold, 1997, S. 129-131, und Ruschinski, 1996, S. 102-104. 130 Vgl. Grossman/Helpman (1991), S. 60.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

129

und die Inverse der aggregierten Werte der Designs ist ebenfalls konstant mit Y = O + .

(2.236)

In einem weiteren Schritt kann nun das Wachstum des Outputs an dierenzierten Endprodukten sowie des Bruttoinlandproduktes im langfristigen Gleichgewicht bestimmt werden. Da die Allokation im Gleichgewichtszustand konstant ist, ist es auch [ = P{. Im symmetrischen Gleichgewicht läßt sich der Konsumindex G als Z P ¸ 1  G= { (p) gp 0

1

1

= [P{ ]  = {P  = [P

13 

(2.237)

schreiben. Mithin beträgt das Wachstum des Outputs an Endprodukten (des Konsumindexes): 1   P˙ G˙ = . (2.238) G  P Aufgrund der Modellannahme, daß H = 1 sei, erfolgt dieses Wachstum allein durch die langfristige Veränderung des Preisindexes, dessen Änderungsrate s˙G 1   P˙ (2.239) = sG  P ist (vgl. Ruschinski, 1996, S. 106). Das Bruttoinlandsprodukt \ ist in diesem Modell die Summe der Wertschöpfung durch die Endproduktherstellung und die FuE-Aktivitäten, also \ = sG G + ˙ so daß seine Wachstumsrate j = \˙ @\ ein gewichteter Durchschnitt der yP, Wachstumsraten dieser beiden Aktivitäten ist, wobei die Gewichte die jeweiligen ¨ P˙ = P@P ˙ Wertschöpfungsanteile sind. Da im langfristigen Gleichgewicht P@ ist, ergibt sich  ¸ ˙ 1 \˙ P = G + (1  G ) j= , (2.240) \  P

˙ Im langfristigen Gleichgewicht sind die Gewichte mit G = sG G@(sG G + yP). konstant und mithin wächst \ mit einer Rate, die proportional zur Innovationsrate ist (Grossman/Helpman, 1991, S. 63). Da Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, die Modellierung der FuE-Aktivitäten unverändert von Romer (1990) übernehmen, ist auch hier die Innovationsrate niedriger als es aus sozialer Sicht optimal wäre.131 Grossman/Helpman (1991), S. 70-71, zeigen, daß die sozial optimale Innovationsrate à ! 1 P˙ [(1  ) O  ] (2.241) = P 1 v

131

Indem sie die Vorliebe für Produktvielfalt von der Substitutionselastizität zwischen zwei beliebigen Konsumgütern lösen, zeigen de Groot/Nahuis (1998) allerdings, daß sich dieses Ergebnis des Modells von Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, nicht verallgemeinern läßt. Ist

130

2. Theoretische Erklärungsansätze

beträgt, wobei dieser Ausdruck natürlich nur gilt, wenn er zu einem nichtnega˙ tiven Wert für (P@P) v führt. Die sozial optimale Innovationsrate ist also um den Faktor 1@ (1  ) A 1 höher als die sich rein privatwirtschaftlich ergebende. Als Politikinstrument zur Angleichung der privatwirtschaftlichen an die sozial optimale Innovationsrate kommen in diesem Fall wieder FuE-Subventionen in Frage. Anders als im Modell von Romer (1990) bedarf es aber keiner Produktionssubventionen, weil es keinen zweiten produzierenden Sektor gibt, der Güter zu Grenzkosten anbietet. Preise, die wie im vorliegenden Modell durch eine Aufschlagskalkulation zustande kommen, führen ohne einen kompetitiven Sektor nur in dem Maße zu Verzerrungen bei den Entscheidungen der Haushalte, wie die Monopolgrade zwischen den Gütern variieren. Im hier vorliegenden Fall sind aber alle Aufschlagsfaktoren auf die Grenzkosten gleich und mithin spiegeln die relativen Preise die relativen Grenzkosten wider (Grossman/Helpman, 1991, S. 70). Grundsätzlich führen das Modell von Romer (1990) und Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, somit zu den gleichen Erkenntnissen. Der Grund dafür ist, daß letztlich das einzige Endprodukt der Nutzenstrom ist und sowohl die Mengen an Konsum- als auch Produzentengütern als Zwischenprodukte betrachtet werden können, die zur Herstellung dieses Endprodukts beitragen. Die im einzelnen etwas voneinander abweichenden Ergebnisse rühren nur von den unterschiedlichen Annahmen bezüglich der Kostenstruktur her.132 Abschließend soll im Rahmen dieser Modellgruppe noch kurz auf zwei Erweiterungen des Modells von Romer (1990) eingegangen werden. Young (1993a) präsentiert ein Modell, in dem neue Technologien in einem frühen Stadium ihres Lebenszyklus komplementär zu bereits vorhandenen Technologien sind, während sie im späteren Stadium Substitute bilden. Im ersten Fall kreieren sie durch die Erönung von neuen Anwendungen und Märkten Erträge für alte Technologien, und im zweiteren vernichten sie durch ältere Technologien entstehende Erträge durch eine Verschiebung der Produzenten- und Konsumentenausgaben zugunsten neuer Produkte und Inputs. Dem Ansatz liegt eine ähnliche zweistufige Produktionsstruktur wie dem Modell von Romer (1990) zugrunde. Anders als im letzteren Modell, bei dem für die Fertigung eines Endprodukts alle P Zwischenprodukte symmetrisch eingesetzt wurden, läßt es aber eine Heterogenität der Inputs und verschiedene Endprodukte zu. Die Erfindung neuer Zwischenprodukte erlaubt die Produktion neuer Endprodukte. Die Verteilung der Konsumausgaben auf diese vergrößerte Menge von Endprodukten — und damit auch auf die Zwischenprodukte — verringert die Gewinne, die jeder Besitzer eines Patents für ein Zwischenprodukt erhält. Zudem werden zur Herstellung eines Teils der bereits existierenden Endprodukte nun neue Zwischenprodukte verwendet, was für ein gegebenes Nachnämlich die Vorliebe für Produktvielfalt relativ zum Aufschlagsfaktor relativ klein, so ist die privatwirtschaftliche Innovationsrate größer als die sozial optimale. Dies liegt daran, daß im Modell von Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, drei Eekte wirken: der Konsumentenrenteneekt, der Gewinnzerstörungseekt und der Wissensspillovereekt, wobei die ersteren zwei sich im Originalmodell gerade aufheben. Dagegen übersteigt bei relativ kleiner Vorliebe für Produktverschiedenheit der Gewinnzerstörungseekt die Summe aus Konsumentenrenten- und Wissensspillovereekt. 132 Zu dieser Schlußfolgerung vgl. Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 236.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

131

fragemuster die Produzentennachfrage zuungunsten der alten Zwischenprodukte verschiebt. Durch diese Ausgabenverlagerungen sind die Erfindungen Substitute. Gleichzeitig schat die Produktion von neuen Endprodukten, die durch neue Zwischenprodukte ermöglicht werden, neue Einsatzbereiche für bereits vorhandene Zwischenprodukte. Auf diese Weise sind die Erfindungen Komplemente. Durch diesen Aufbau existieren drei langfristige Gleichgewichte: 1) komplette Stagnation, 2) ein Gleichgewicht mit niedrigem Wachstum, bei dem die Komplementarität zwischen den Erfindungen dominiert, und 3) ein Gleichgewicht mit hohem Wachstum, bei dem die Substitution überwiegt (Young, 1993a, S. 778-779). In Sørensen (1999) wird das Modell von Romer (1990) dahingehend erweitert, daß es einen Ausbildungssektor beinhaltet, in dem Humankapital akkumuliert wird. Dieses Humankapital wird wie im Originalmodell sowohl zur Endproduktherstellung als auch im FuE-Sektor eingesetzt. Als Ergebnis stellt sich heraus, daß es in einer Wirtschaft auf einer niedrigen Entwicklungsstufe nicht profitabel ist, FuE durchzuführen. Der Grund dafür ist, daß in dieser Situation die Ertragsrate der Investitionen höher ist, wenn das Lernen allein das Wachstum treibt als wenn beiden wachstumschaenden Aktivitäten nachgegangen wird. Dagegen treten sowohl Lernen als auch Innovationen auf, wenn das Humankapital einen bestimmten Schwellenwert überschritten hat. Dieser endogene Regimewechsel kann als ein Prozess der Ausreifung von Märkten angesehen werden. Eine Volkswirtschaft erwirbt die Fähigkeit zu Innovationen dadurch, daß die privaten Haushalte Humankapital akkumulieren. Mithin wächst die Marktgröße für eine einzelne Zwischenproduktvariante, weil die verfügbaren Produktionsfaktoren zunehmen. Anders formuliert: der Wachstumsprozeß verändert sich dahingehend, daß er von dem Zeitpunkt an, ab dem Innovationen profitabel werden, sowohl FuE als auch Lernprozesse einschließt. Die Humankapitalakkumulation trägt in dieser Übergangsphase vom Regimewechsel zum langfristigen Gleichgewicht noch zum Wirtschaftswachstum bei, während das langfristige Wachstum allein durch FuE getrieben wird und Ausbildung dann nur noch dazu dient, abgeschriebenes Humankapital zu ersetzen (Sørensen, 1999, S. 439). Vertikale Innovationen: Steigende Produktqualität

In den Grundmodellen mit horizontalen Innovationen sind die innovativen Produkte den älteren Varianten in keiner Weise überlegen, obwohl sie später erfunden wurden und die angewandte Wissenschaft vielleicht inzwischen deutliche Fortschritte gemacht hat. Diese vollständige Symmetrie zwischen alten und neuen Produkten verhindert jede Möglichkeit der Veralterung von Produkten.133 Dieser Aspekt wird in dem nun zu betrachtenden Modell der steigenden Produktqualität in den Mittelpunkt gestellt, so daß beide Modelle zusammen sowohl die vertikalen als auch die horizontalen Aspekte von Produktinnovationen erklären können. Auch innerhalb dieser Modellgruppe sind sowohl Ansätze vorgeschlagen worden, bei denen die vertikalen Innovationen auf der Ebene der Konsumgüterher133

Vgl. Grossman/Helpman (1991), S. 46. Etwas anders sieht es bei dem gerade skizzierten Modell von Young (1993a) aus, bei dem alte und neue Produkte entweder Komplemente oder Substitute sein können.

132

2. Theoretische Erklärungsansätze

stellung stattfinden, als auch solche, bei denen diese Dierenzierung auf der Zwischenproduktsebene angesiedelt ist. Im folgenden wird auf das Modell in Grossman/Helpman (1991), Kap. 4, fokussiert, bei dem Innovationen zu qualitativ verbesserten Konsumgütern führen, wobei dieser Ansatz relativ stark auf dem Modell von Aghion/Howitt (1992) aufbaut, bei dem die vertikale Dierenzierung bei den Zwischenprodukten zu finden ist.134 Qualität wird dort als eindimensionale Eigenschaft angesehen: Innovative Produkte sind besser als alte, weil sie relativ zu den Produktionskosten mehr „Produktdienste” liefern. Dabei kann jedes Produkt potentiell unbegrenzt oft verbessert werden, und jede Verbesserung führt zu einem diskreten Sprung auf ein neues Niveau an „Diensten”, die das Produkt leisten kann. Bildlich gesprochen steigt es auf der „Qualitätsleiter” eine Stufe höher.135 Die Wissensspillovers besitzen nun ebenfalls eine etwas andere Wirkungsweise. Bringt ein Innovator ein neues Produkt auf den Markt, so können die FuEBeschäftigten der anderen Unternehmen die Eigenschaften dieses Produkts analysieren, d. h. die Rivalen können mit dem Versuch beginnen, den neuen Stand der Technik zu verbessern, obwohl es ihnen selbst nicht gelungen ist, dieses Produkt zu entwickeln und herzustellen. Genauso wie zuvor tragen Innovationen also zum öentlichen Wissensbestand bei und erleichtern dadurch nachfolgende Erfindungen. Anders als zuvor sind die einzelnen Teile dieses Wissens jetzt aber an bestimmte Produktlinien gebunden, und es ist nicht mehr der gesamte Wissensbestand für jedes FuE-Vorhaben nützlich (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 85). Trotz dieser Unterschiede weist die formale Darstellung relativ große Ähnlichkeiten zu dem Modell mit horizontal dierenzierten Konsumgütern auf. Um dessen Wirkungsmechanismus auszuklammern, wird angenommen, daß es eine fixe Menge von verschiedenen Konsumgütern (Produktlinien) p gibt, die untereinander unvollständig substituierbar sind. Ihre Gesamtzahl ist auf eins normiert, so daß p 5 [0> 1] gilt. Jedes Gut kann potentiell in einer unbegrenzten Anzahl von Qualitäten hergestellt werden. So sei tm (p) die Qualität der m-ten Generation des Guts p, und jede neue Generation liefere -mal so viele Dienste wie die vorherige, wobei  A 1 sei. Es wird angenommen, daß  exogen, konstant und für alle Güter gleich sei.136 Ferner sei die niedrigste Qualitätsstufe eines Produkts als t0 (p) = 1 gegeben, so daß tm (p) = m ist.137 Die höchste Qualitätsstufe ist hingegen jeweils der aktuelle Stand der Technik. 134

Eine Lehrbuchdarstellung des letzteren Ansatzes findet sich in Aghion/Howitt (1998), Kap. 2. Zudem greifen Grossman/Helpman (1991), Kap. 4, auch auf die Arbeit von Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990) zurück, die bereits im Abschnitt 2.3.2 Technologische Lücke, Außenhandel und Produktzyklus gewürdigt wurde. 135 Zu diesen Definitionen vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 85. 136 In Grossman/Helpman (1991), Abschnitt 4.2, wird auch ein Modell vorgestellt, bei dem die Höhe der Produktverbesserung  analog zu Aghion/Howitt (1992), S. 341-344, endogenisiert wird. Dieser Ansatz bringt jedoch für die Fragestellung dieser Arbeit keine wesentlichen neuen Erkenntnisse, so daß auf seine Darstellung verzichtet wird. 137 Das bedeutet, daß ein Gut auf der niedrigsten Qualitätsstufe gerade eine „Produktdiensteinheit” liefert (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 87).

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

133

Als Ausgangspunkt sei zunächst wieder die Konsumentenseite betrachtet. Dabei ist die intertemporale Nutzenfunktion der Haushalte die gleiche wie zuvor beim Modell der horizontalen Produktdierenzierung (Gleichung 2.212). Es ändert sich nur ihr momentaner Nutzen, über den der Konsumgüterindex G definiert ist. Hier wird nun eine Cobb-Douglas-Funktion mit perfekter Substitution innerhalb der Produktlinien bei Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede unterstellt. Sie lautet # Z 1 "X ln G (w) = ln tm (p) {mw (p) gp, (2.242) 0

m

wobei {mw (p) die Konsummenge der Qualität m des Gutes (der Produktlinie) p in der Periode w bezeichnet. Da bei dieser Funktion die Substitutionselastizität zwischen zwei beliebigen Produktlinien gleich eins ist, maximieren die Haushalte ihren statischen Nutzen dadurch, daß sie ihre Ausgaben H(w) gleichmäßig auf die verschiedenen Produktlinien verteilen und jeweils innerhalb jeder Linie die Qualität ˜mw (p) kaufen, die den niedrigsten Preis pro Qualitätseinheit aufweist. Mithin lauten die Nachfragefunktionen ; ? H (w) für m = ˜mw (p) {mw (p) = , (2.243) s (p) = mw 0 sonst wobei smw (p) der Preis der Qualität m des Gutes p in der Periode w ist. Da sich die Haushalte dem gleichen intertemporalen Nutzenmaximierungsproblem wie bei der horizontalen Produktdierenzierung gegenübersehen, kann dessen Lösung wiederum gemäß der Ramsey-Regel durch die Gleichungen (2.219), (2.220) und (2.221) angegeben werden. Zudem gelten auch bei diesem Modell die weiteren Annahmen, daß die Haushalte neben dem Konsum einen Teil ihres Einkommens auch dazu verwenden können, Wertpapiere zu erwerben, die von den Unternehmen herausgegeben werden, um ihre FuE-Investitionen zu finanzieren, und daß sie insgesamt in jeder Periode eine konstante Menge an homogener Arbeit O anbieten. Auf der Produktionsseite gilt für alle Unternehmen unabhängig von der hergestellten Qualitätsstufe wieder die gleiche Produktionsfunktion, nach der eine Einheit eines Konsumguts mit einer Arbeitseinheit hergestellt wird. Mithin entsprechen die Grenzkosten jedes Produkts abermals dem Lohnsatz z. Anders als zuvor herrscht jetzt aber auf den Märkten für die einzelnen Produktlinien p oligopolistische Konkurrenz, deren Folgen vom Marktverhalten und der Marktstruktur abhängen. Bezüglich des Marktverhaltens unterstellen Grossman/Helpman (1991), S. 89, daß alle Unternehmen am Preiswettbewerb teilnehmen. Dagegen wären bei der Marktstruktur auf den ersten Blick mehrere Situationen möglich.138 Erstens wäre es vorstellbar, daß mehrere Unternehmen in der Lage wären, das gleiche Produkt mit dem aktuellen Stand der Technik herzustellen. Dann läge Bertrand-Wettbewerb zwischen Unternehmen vor, die die gleichen Kosten bei 138

Zu den verschiedenen vorstellbaren Situationen vgl. Grossman/Helpman (1991), S. 89-91.

134

2. Theoretische Erklärungsansätze

der Herstellung von perfekten Substituten aufwiesen, was zu einer Grenzkostenpreissetzung führen würde. Diese Situation kann jedoch nicht auftreten, wenn die Imitation mit Kosten verbunden ist, und wenn — wie von Grossman/Helpman (1991), Kap. 4 unterstellt wird — durch die Fähigkeit zur Fertigung einer laufenden Produktgeneration keine Vorteile bei der Entwicklung von künftigen Generationen entstehen. Ohne Aussichten auf einen Gewinn oder andere Vorteile würde kein Unternehmen Ressourcen auf die Imitation verwenden. Die Situation mehrerer Anbieter der gleichen Qualität eines Produkts kann natürlich auch dadurch ausgeschlossen werden, daß der Erfinder dieser Qualität ein unendlich lange währendes Patent erteilt bekommt. Zweitens kann es ein Unternehmen geben, das die auf dem aktuellen Stand der Technik basierende Produktvariante herstellt, und ein Unternehmen, das die auf der Qualitätsleiter eine Stufe tiefer angesiedelte Variante fertigt. Wiederum Bertrand-Wettbewerb unterstellt, wird das letztere Unternehmen den Preis bei z setzen. Dann ist die für das führende Unternehmen interessante Preisschwelle z. Setzt es seinen Preis oberhalb von z, so wird es seine gesamte Nachfrage verlieren, weil sein qualitätsadjustierter Preis oberhalb des Preises des Konkurrenten liegt, d. h. auch Nachfrager, die bereit sind, einen Zuschlag für das überlegene Produkt zu bezahlen, werden das ältere Produkt präferieren, weil sein PreisQualitätsverhältnis günstiger ist. Würde es umgekehrt den Preis unterhalb von z setzen, so würde die gesamte Nachfrage auf ihn entfallen. Allerdings wird es den Preis nicht deutlich unter z setzen wollen, weil es dann keine Grenzerträge erzielen würde. Danach ist es für das führende Unternehmen eine optimale Antwort auf die Grenzkostenpreissetzung des konkurrierenden Unternehmens, einen Preis marginal unterhalb von z (den Grenzpreis) zu wählen.139 In diesem Fall entfällt die gesamte Nachfrage auf das führende Unternehmen, und das eine Qualitätsstufe zurückliegende Unternehmen wird vom Markt verdrängt. Diese Argumentation gilt auch, wenn das führende Unternehmen einen n-fachen Vorsprung gegenüber seinem nächsten Rivalen hat. Er würde dann einen Preis marginal unterhalb von n z wählen, und die optimale Antwort des zurückliegenden Unternehmens ist ein Preis in Höhe von z. Mithin weist das technologisch führende Unternehmen stets den niedrigsten qualitätsadjustierten Preis auf, und es ist gerechtfertigt, diesen Preis als s˜(p) zu bezeichnen und die dazugehörige Qualität als t˜(p). Wie gleich noch gezeigt wird, betreibt das führende Unternehmen keine FuE, weil es für es nicht lohnend ist, noch einen weiteren Abstand zum nächstfolgenden Unternehmen zu erreichen. Die gesamte FuE wird somit von zurückliegenden Unternehmen durchgeführt, die sich bei einem Innovationserfolg genau eine Qualitätsstufe vor dem ehemals führenden Unternehmen bewegen. Daraus folgt unmittelbar, daß alle Produkte den gleichen Preis s˜(p) = s aufweisen, wobei s = z (2.244) ist. Bei diesem Preis verkauft das führende Unternehmen aufgrund der Nachfrage139

Umgekehrt ist es natürlich eine optimale Reaktion des technologisch zurückliegenden Unternehmens, den Preis auf z zu setzen, wenn das führende Unternehmen z wählt (BertrandNash-Gleichgewicht). Vgl. hierzu Grossman/Helpman (1991), S. 90-91.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

135

funktion (2.243) und der Tatsache, daß H(w) = 1 ist, pro Periode 1@z Einheiten und erzielt dabei einen Gewinn von  = 1  ,

(2.245)

wobei  = 1@ ist. Die FuE-Aktivitäten der Unternehmen werden — ähnlich wie in Segerstrom/ Anant/Dinopoulos (1990) — als Patentwettläufe in der Form von „Erfindungslotterien” modelliert.140 Anders als bei deren Ansatz, bei dem der Monopolgewinn für eine exogen gegebene Patentlaufzeit erzielt wird, fließt im Modell von Grossman/Helpman (1991), Kap. 4, solch ein Gewinn dem führenden Unternehmen während eines stochastischen Zeitintervalls zu, das so lange andauert, bis ein anderes Unternehmen eine weitere Qualitätsstufe erklimmt. Die FuE-Intensität, die ein Unternehmen während einer Periode der Länge gw realisiert, sei . Mit einer Wahrscheinlichkeit von gw gewinnt das Unternehmen den Wettlauf, während es ihn mit der Gegenwahrscheinlichkeit (1  gw) verliert, d. h. seine FuEAnstrengungen führen zu keinem Erfolg. Um eine FuE-Intensität  zu realisieren, muß das Unternehmen @ Arbeitseinheiten pro Periode einsetzen, wobei  wiederum ein positiver E!zienzparameter ist. Durch diese Annahmen besitzen die FuE-Aktivitäten folgende Eigenschaften: 1. Sie weisen konstante Skalenerträge auf, da die Erfolgswahrscheinlichkeit eines FuE-treibenden Unternehmens proportional zu dem dafür getätigten Ressourceneinsatz ist. 2. FuE ist ein gedächtnisloser Prozeß, weil die Unternehmen keinen Nutzen aus ihren kumulierten erfolglosen FuE-Anstrengungen ziehen können. 3. Newcomer können innovative Produkte entwickeln, ohne vorher alle Stufen auf der Qualitätsleiter genommen zu haben. Möglich ist dies wegen der unterstellten Wirkungsweise der Wissensspillovers: Bringt ein Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt, können die FuE-Beschäftigten der anderen Unternehmen dieses analysieren und so alle Eigenschaften kennenlernen, die vorhanden sein müssen, bevor die Entwicklung der nächsten Qualitätsstufe angegangen werden kann.141 Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, welche Produktlinie ein nichtführendes Unternehmen für seine FuE-Anstrengungen auswählen wird. Da die Gewinne aufgrund einer Innovation gemäß Gleichung (2.245) für alle p gleich sind, ist ein Unternehmen, wenn es erwartet, daß die Dauer des Gewinnstroms bei allen Produktlinien gleich ist, indierent bezüglich des Ziels seiner Innovationsanstrengungen. Deshalb werden in Grossman/Helpman (1991), Kap.4, nur symmetrische Gleichgewichte betrachtet, bei denen jede Produktlinie im gleichen Umfang Ziel einer Verbesserung ist. 140 141

Zu dem Ansatz von Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990) vgl. Abschnitt 2.3.2. Zu diesen Eigenschaften des FuE-Prozesses vgl. Grossman/Helpman (1991), S. 92.

136

2. Theoretische Erklärungsansätze

Zudem sei y wieder der Marktwert für ein führendes Unternehmen, das sich eine Qualitätsstufe vor seinem nächsten Rivalen befindet. Bildlich gesprochen kann ein Unternehmen für einen Preis von (zgw)@ (den Arbeitskosten in der FuEAbteilung) ein Lotterielos kaufen, das mit einer Wahrscheinlichkeit gw den Wert y erhält. Finanzieren kann ein Unternehmen dieses Unterfangen, indem es Wertpapiere ausgibt, für die keine Zahlung erfolgt, wenn die FuE-Anstrengungen fehlschlagen, während die Inhaber im Erfolgsfall einen Anspruch auf den entstehenden Gewinnstrom haben. Da die einzelnen FuE-Erfolge voneinander unabhängig sind, kann ein Anleger einen sicheren Ertrag erzielen, wenn er ein diversifiziertes Portfolio von Unternehmen hält, die den erwarteten Nettoertrag ihrer FuE maximieren, d. h. wenn Newcomer-Unternehmen ihre FuE-Intensität so wählen, daß ygw  (zgw)@ maximiert wird. Dann wird  immer null sein, wenn y ? z@ ist, und es würde unbegrenzt FuE betrieben, wenn y A z@ wäre. Positive, aber endliche FuE-Investitionen finden also nur statt, wenn y = z@ ist. Damit ergibt sich analog zu Gleichung (2.228) die dynamische Markteintrittsbedingung als z  y, mit Gleichheit für  A 0. 

(2.246)

Sie gilt sowohl, wenn  die FuE-Aktivitäten eines einzelnen Unternehmens repräsentiert, als auch wenn es den Umfang der aggregierten FuE-Anstrengungen bezeichnet (Grossman/Helpman, 1991, S. 93). Wie bereits angesprochen wird ein gerade führendes Unternehmen keine FuE betreiben. Würde solch ein Unternehmen FuE-Anstrengungen unternehmen, um einen zweistufigen Qualitätsvorteil gegenüber seinem nächsten Rivalen zu erreichen, würde es im Erfolgsfall so lange einen Gewinnstrom in Höhe von 1  2 realisieren, bis die nächste Innovation erfolgt. Als führendes Unternehmen ohne solch einen zweiten FuE-Erfolg erzielt es hingegen einen Gewinnstrom von 1  , so daß der zusätzliche Gewinn (1  2 )  (1  ) = (1  ) beträgt. Dieser zusätzliche Ertrag ist kleiner als der eines nichtführenden Unternehmens, das einen Innovationserfolg erzielt. Da das Angebot an nichtführenden Unternehmen, die in FuE investieren wollen, beim Gleichgewichtszinssatz vollkommen elastisch ist, ergeben sich im Gleichgewicht solche Kapitalkosten, daß für das führende Unternehmen FuE-Aktivitäten einen negativen erwarteten Gegenwartswert haben. Mit Blick auf den Kapitalmarkt erhalten die Inhaber von Wertpapieren eines führenden Unternehmens Dividenden in Höhe von gw innerhalb einer Periode der Länge gw. Zudem erzielen sie einen Kapitalgewinn ygw, ˙ wenn kein anderes Unternehmen innerhalb dieser Produktlinie innovativ ist, d. h. mit einer Wahrscheinlichkeit (1  gw). Hat hingegen ein anderes Unternehmen mit einer Wahrscheinlichkeit gw Erfolg mit seiner FuE, erleiden sie einen Kapitalverlust in Höhe von y. Summiert man diese einzelnen Komponenten auf, ergibt sich gw + (1  gw) ygw ˙  gwy = gw + ygw ˙  y˙ (gw)2  gwy,

(2.247)

und bei Vernachlässigung des Terms der Ordnung (gw)2 : ( + y˙  y) gw,

(2.248)

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

137

so daß die Arbitragebedingung in diesem Fall  + y˙  y = uy

(2.249)

lautet. Geschlossen wird das Modell wieder durch das Arbeitsmarktgleichgewicht. Da die FuE-Intensität sich auf  beläuft und die Anzahl der Industrien (Produktlinien) auf eins normiert ist, beträgt die gesamte Beschäftigung im FuE-Bereich @. Zudem werden in jeder Industrie 1@s = @z Outputeinheiten produziert. Da die Herstellung jeder Outputeinheit genau eine Arbeitseinheit erfordert, sind hier insgesamt auch @z Arbeitseinheiten notwendig. Mithin ist der Arbeitsmarkt geräumt, wenn   + =O (2.250)  z ist. Damit der Arbeitseinsatz im FuE-Bereich nichtnegativ ist, muß zudem  z (2.251) O sein. Die Bestimmung des langfristigen Gleichgewichts erfolgt nun sehr ähnlich wie beim Modell mit horizontalen Produktinnovationen. Aufgrund der Tatsache, daß u(w) =  ist, sowie der Gleichungen (2.245) und (2.249) kann die Entwicklung des Wertes eines repräsentativen Unternehmens durch die Dierentialgleichung y˙ 1 =+ y y

(2.252)

beschrieben werden. Wird diesmal zur einfacheren Analyse Y = 1@y definiert und mithin Y˙ @Y = y@y, ˙ so kann Gleichung (2.252) als Y˙ = (1  ) Y     Y

(2.253)

reformuliert werden. Dieser Ausdruck entspricht der Gleichung (2.234) mit dem ˙ einzigen Unterschied, daß  durch  und P@P durch  ersetzt wurden. Ebenfalls analog zu Gleichung (2.231) kann die Entwicklung der FuE-Intensität unter Verwendung der Bedingung für den freien Marktzutritt (2.246), des Arbeitsmarktgleichgewichts (2.250) sowie Gleichung (2.251) als ;   A für y A A ? O  y O = , (2.254) A  A = 0 für y  O geschrieben werden, sowie unter Verwendung von Y als ; O A A O  Y für Y ? A ?  . (2.255) = A A O A = 0 für Y  

138

2. Theoretische Erklärungsansätze

Mithin reduziert sich das System der Gleichgewichtsbeziehungen wiederum auf eine Dierentialgleichung (2.253) und eine Nebenbedingung (2.255), die gemeinsam die Innovationsrate und den inversen Unternehmenswert determinieren. Aufgrund der Analogie der Ergebnisse zum Fall mit horizontaler Produktdierenzierung kann die Analyse der Gleichgewichtsdynamik wiederum mit einem Diagramm wie in Abbildung 2.6 erfolgen, nur ist jetzt die Abzisse mit  zu bezeichnen und  muß durch  ersetzt werden. Genauso wie zuvor wird das langfristige Gleichgewicht sofort ohne Anpassungsdynamik erreicht. In ihm beträgt die Inverse des Unternehmenswerts abermals Y = O + ,

(2.256)

und die FuE-Intensität beträgt langfristig  = (1  ) O  .

(2.257)

Im dem dynamischen Gleichgewicht, das durch diese Gleichung beschrieben wird, realisiert jede Industrie gelegentliche Innovationen, die unabhängigen Poisson-Prozessen gehorchen. Während aber der Zeitpfad des technischen Fortschritts in jeder einzelnen Industrie ungleichmäßig und stochastisch ist, entwickelt er sich auf aggregierter Ebene gleichmäßig und nicht zufällig. Aufgrund des Gesetzes der großen Zahl wird in jeder Periode ein konstanter Anteil  aller Produkte verbessert. Deshalb wächst der Konsumindex G mit einer konstanten Rate (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 97). Diese kann bestimmt werden, indem die Gleichungen (2.243) und (2.244) sowie H(w) = 1 in die Gleichung für den momentanen Nutzen (2.242) eingesetzt werden. Man erhält dann Z 1 ln G (w) = ln t˜w (p) gp  ln z  ln . (2.258) 0

Da der Lohnsatz z entlang des Wachstumspfades mit z = @Y konstant ist, kann das Wachstum des Konsumindexes nur von Qualitätsverbesserungen herrühren, die dafür sorgen, daß das Integral auf der rechten Seite, d. h. der über die Produktlinien gebildete Durchschnitt der logarithmierten Qualitäten mit dem neuesten Stand der Technik, größer wird. Grossman/Helpman (1991), S. 97, berechnen dieses Integral wie folgt. Es sei i(m> w) die Wahrscheinlichkeit, daß ein bestimmtes Produkt innerhalb eines Zeitintervalls der Länge w genau m-mal verbessert wird. Bei einem Kontinuum von Produktlinien, bei denen die Innovationen dem gleichen Poisson-Prozeß gehorchen, impliziert das Gesetz der großen Zahl, daß i(m> w) auch der Anteil der Produktlinien ist, bei denen genau m Qualitätsverbesserungen erfolgen. Aufsummiert über alle möglichen Werte für m ergibt sich Z 1 " " X X ln t˜w (p) gp = i(m> w) ln m = mi (m> w) ln . (2.259) 0

m=0

m=0

Der Ausdruck auf der rechten Seite ist mithin das Produkt der erwarteten Anzahl der Qualitätsverbesserungen und der Höhe der Verbesserung ln . Aufgrund der

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

139

Eigenschaften der Poisson-Verteilung ist die erwartete Anzahl der Qualitätsverbesserungen gleich w, so daß ln G (w) = w ln   ln z  ln 

(2.260)

und G˙ =  ln  (2.261) G ist. Mithin sind das Innovationstempo und die Wachstumsrate des Konsumindexes um so höher, je größer das verfügbare Arbeitsvolumen O, die E!zienz im FuE-Bereich  und je geduldiger die Konsumenten sind. Zudem ist das Wachstum des Outputs um so höher, je größer die Schritte auf der „Qualitätsleiter” sind. Auch in diesem Modell mit vertikalen Produktinnovationen weicht die aus sozialer Sicht optimale Innovationsrate von der rein privatwirtschaftlich erzielten ab. Grossman/Helpman (1991), S. 103, zeigen, daß die sozial optimale Innovationsrate  v = O  (2.262) ln  beträgt, wobei dieser Ausdruck natürlich wiederum nur gilt, wenn er zu nichtnegativen Werten für v führt, anderenfalls sollte die gesamte Arbeit zur Produktion eingesetzt werden. Anders als zuvor beim Modell mit horizontalen Produktinnovationen kann die sozial optimale Innovationsrate nun sowohl größer als auch kleiner als die rein privatwirtschaftlich erzielte sein.142 Bildet man nämlich die Dierenz zwischen diesen beiden, so erhält man µ ¶   O +1 v   = . (2.263)   ln  Diese Dierenz ist immer dann positiv, wenn @ ln  kleiner als O@ + 1 ist. Dies wird der Fall sein, wenn die Schritte auf der Qualitätsleiter von mittlerer Größe sind. Ist hingegen  relativ klein oder relativ groß, so ist die privatwirtschaftlich erzielte Innovationsrate größer als die sozial optimale.143 Als Politikinstrument zur Angleichung der privatwirtschaftlichen an die sozial optimale Innovationsrate kommen in diesem Fall also in Abhängigkeit von der Größe von  entweder eine FuE-Subvention oder eine FuE-Steuer in Frage. Auch für die grundlegenden Modelle mit vertikalen Produktinnovationen ist eine Reihe von Erweiterungen in der Literatur vorgestellt worden. So schlagen Aghion/Howitt (1996) für ihr Modell mit vertikalen Innovationen auf der Zwischenproduktsebene vor, explizit zwischen Forschung und Entwicklung zu unterscheiden, weil sie verschiedene Arten von Wissen schaten. Forschung produziere 142

Die gleiche Schlußfolgerung ergibt sich auch im Modell von Aghion/Howitt (1992) mit vertikalen Innovationen auf der Zwischenproduktsebene (vgl. Aghion/Howitt, 1992, S. 339). 143 Die Ursache hierfür ist, daß auch in diesem Modell drei Eekte wirken: der Konsumentenrenteneekt, der Wissenspillovereekt und der Gewinnzerstörungseekt (vgl. hierzu auch die Fußnote 160). Ist  entweder relativ klein oder relativ groß, so dominiert der Gewinnzerstörungseekt die beiden anderen Eekte und die privaten Anreize für FuE sind im privatwirtschaftlichen Gleichgewicht zu groß. Vgl. hierzu Grossman/Helpman, 1991, S. 105-106.

140

2. Theoretische Erklärungsansätze

fundamentales Wissen, was für sich genommen nicht nützlich sein müsse, aber „Windows of Opportunity” öne, während es das Anliegen der Entwicklung sei, sekundäres Wissen zu generieren, das es erlaubt, diese Möglichkeiten zu nutzen (Aghion/Howitt, 1996, S. 50). Modellmäßig berücksichtigen sie diese Unterscheidung dadurch, daß durch jede Innovation, die auf Forschung beruht, eine mögliche Linie von neuen Produkten hervorgebracht wird, während jede Innovation, die auf Entwicklung beruht, aus einem umsetzbaren Plan zur Produktion eines dieser Güter besteht. Da sich jedoch auch bei der Entwicklung (oder allgemeiner: der angewandten Forschung) bahnbrechende Innovationen ergeben können, berücksichtigen sie noch einen weiteren Wissenstyp, nämlich Allgemeinwissen als gemeinsamer wissenschaftlicher, technologischer und kultureller Erbschaft, die allen zur Verfügung steht. Dieses Wissen, das sowohl durch Forschung als auch Entwicklung entsteht, ermöglicht in ihrem Modell genauso wie das fundamentale Wissen zukünftige Durchbrüche, d. h. potentielle neue Produktlinien. Die Wachstumsrate und die Bedeutung der Forschung relativ zur Entwicklung wird im langfristigen Gleichgewicht simultan durch zwei Beziehungen festgelegt. Eine Wachstumsgleichung beschreibt die Entwicklung des Allgemeinwissens im Zeitablauf und determiniert dadurch die langfristige Wachstumsrate als eine Funktion des Verhältnisses von Forschung und Entwicklung. Zudem ergibt sich aus dem Bemühen der qualifizierten Arbeitskräfte, sich an den gewinnträchtigsten Innovationsaktivitäten — entweder Forschung oder Entwicklung — zu beteiligen, eine Arbitragegleichung, die von der Wachstumsrate abhängt. Unterstellt man, daß die gesamte Menge an Ressourcen, die sowohl für Forschung als auch Entwicklung verfügbar ist, exogen gegeben ist, so ist bei diesem Modellaufbau die Wachstumsrate positiv mit dem Forschungsniveau und umgekehrt negativ mit dem Entwicklungsniveau korreliert. Gesteigert werden kann das Wachstum allerdings, wenn die Beschäftigten des Entwicklungsbereichs „anpassungsfähiger” werden, d. h. wenn sie verstärkt Produkte für neue Produktlinien auf Kosten von Produkten für alte Produktlinien entwickeln (vgl. Aghion/Howitt, 1996, S. 51). Da sich die neue Wachstumstheorie als Gegenentwurf zum neoklassischen Wachstumsmodell versteht, bei dem aufgrund der abnehmenden Grenzerträge des Faktors Kapital das Wachstum langfristig von der exogenen Rate des technischen Fortschritts abhängt, stellt sich natürlich die Frage, was passiert, wenn der Faktor Kapital explizit in einem FuE-Modell berücksichtigt wird. Erste Versuche dieses Unterfangens, die sich verbal in Romer (1990) oder formal ausgearbeitet in Grossman/Helpman (1991), Kap. 5, finden, kommen zu der gleichen Schlußfolgerung wie das neoklassische Modell: Langfristig ist nur der — nun endogene — technische Fortschritt für das Wachstum verantwortlich. Dies liegt daran, daß die Anreize, die die Rate des technischen Fortschritts und damit das langfristige Wachstum determinieren, unabhängig von der eingesetzten Menge an Kapital sind. Anders sieht es jedoch aus, wenn der technische Fortschritt nicht ohne die Akkumulation von Kapital, das im FuE-Bereich eingesetzt wird, aufrechterhalten werden kann. Dies wird in dem Modell von Howitt/Aghion (1998) angenommen.144 Sie erweitern ihr Grundmodell dahingehend, daß die langfristige Wachstumsrate zusätzlich 144

Eine Lehrbuchdarstellung dieses Ansatzes findet sich in Aghion/Howitt (1998), Kap. 3.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

141

durch einen Anreiz zur Kapitalakkumulation bestimmt wird, der als Subventionsrate auf das Halten von Kapital parametrisiert wird. Eine Erhöhung dieser Subventionsrate verstärkt über zwei Kanäle nicht nur den Anreiz zur Kapitalakkumulation, sondern auch für Innovationen (vgl. Howitt/Aghion, 1998, S. 112). Erstens führt ein Anstieg des Kapitalstocks über einen Skaleneekt zu verstärkter FuE. Er führt zu einem höheren Einkommen und damit zu einer Zunahme der Nachfrage nach innovativen Produkten, was wiederum die Innovationserträge erhöht. Zweitens verringert der Anstieg des Kapitalstocks langfristig die Kapitalkosten und damit auch die Kapitalkomponente bei den Kosten der FuE. Da Kapitalakkumulation und FuE in diesem Modell komplementär sind, ergibt sich aus ihm auch die Politikimplikation, daß zur Steigerung der Innovationstätigkeit FuE nicht direkt subventioniert werden muß, sondern eine Subvention auf die Kapitalakkumulation den gleichen Eekt hat (vgl. Howitt/Aghion, 1998, S. 113). Ein weiterer Ansatz zur Modifikation des Grundmodells der vertikalen Produktinnovationen bildet die Tragweite der Innovationen. So zeigen Aghion/Howitt (1992), S. 339-341, bzw. Aghion/Howitt (1998), S. 74-76, daß die Schlußfolgerungen ihres Grundmodells im wesentlichen ebenfalls gelten, wenn sie nichtdrastische Innovationen zulassen, d. h. solche Innovationen, bei denen auch der ehemalige Innovator weiterhin positive Gewinne erzielen kann. Zudem kann in diesem Fall ebenso die FuE sowie das Wachstum unter rein privatwirtschaftlichen Bedingungen sowohl höher als auch niedriger als das soziale Optimum sein. In Denicolò (2001) wird zusätzlich zur Annahme nichtdrastischer Innovationen unterstellt, daß der jeweils letzte Innovator einen Zugvorteil beim nächsten Innovationswettlauf hat, und gezeigt, daß unter diesen Bedingungen die Wachstumsrate höher ist als bei einem Modell, in dem ein Unternehmen stets ein anderes überholt. Kelly (2001) erweitert das Qualitätsleitermodell dahingehend, daß zum einen die Innovationskosten zufällig über jede Generation von Produkten variieren, um so unterschiedliche Schwierigkeitsgrade bei den Innovationen widerzuspiegeln, und zum anderen Wissensspillovers zwischen den Sektoren auftreten, d. h. daß der Innovationserfolg in einem Sektor teilweise von den Innovationsaktivitäten in benachbarten Sektoren abhängt. Beide Annahmen führen dazu, daß sich unterschiedlich starke Bindungen herausbilden, die dafür sorgen, daß das Modell im allgemeinen ein Schwellenverhalten aufweist. Oberhalb eines kritischen Werts der Bindungsformation gelingt fast alle Ökonomien die Entwicklung einer Menge von entwickelten Gütern, während unterhalb dieses kritischen Wertes der Fortschritt eventuell zum Stillstand kommt (vgl. Kelly, 2001, S. 40). Nach Kelly (2001) existiert dieses Schwellenverhalten nicht nur für das abgewandelte Modell von Grossman/Helpman (1991), Kap. 4, sondern allgemein für die Gruppe der Qualitätsleitermodelle. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß in den FuE-Modellen für geschlossene Volkswirtschaften die Verwendung von zwei verschiedenen industrieökonomischen Konzepten — horizontale und vertikale Produktinnovationen — zu den gleichen makroökonomischen Ergebnissen führt. Geschuldet ist dies vor allem der verwendeten Modellstruktur und den zugrunde gelegten Modellannahmen, die bei beiden Ansätzen zu identischen reduzierten Gleichungssystemen führen und eine Interpretation der Ergebnisse in ähnlichen Bahnen ermöglicht (vgl. Ru-

142

2. Theoretische Erklärungsansätze

schinski, 1996, S. 118). Eine entscheidende Rolle spielen dabei die positiven Wissensspillovers, die dafür sorgen, daß das Wachstum in beiden Fällen dauerhaft ist. Dies ist möglich, weil durch die Wissensspillovers im FuE-Bereich konstante Skalenerträge vorliegen. Charakteristisch für beide Modellvarianten ist, daß sich die Volkswirtschaft sofort und beständig im langfristigen Gleichgewicht befindet.145 Dabei kommt es zu einem stetigen Strukturwandel, d. h. Veränderungen der Spezialisierungen, der mit einer konstanten und friktionslosen Reallokation der Arbeitskräfte verbunden ist (vgl. Ruschinski, 1996, S. 119-120). Da im Modell mit horizontalen Produktinnovationen die Wachstumsrate des Konsums und auch des Bruttoinlandsprodukts von der Wachstumsrate der Designs abhängt, ist in diesem Fall eine möglichst hohe Diversifikation und damit verbunden eine möglichst hohe Smithianische Spezialisierung der einzelnen Unternehmen wachstumsförderlich. Etwas anders sieht es beim Modell mit vertikalen Produktinnovationen aus. Hier wächst eine Volkswirtschaft besonders schnell, wenn sie eine hohe FuE-Intensität und damit eine hohe Innovationsrate sowie gleichzeitig große Schritte auf der Qualitätsleiter aufweist. In diesem Fall ist also eindeutig eine Ricardianische Spezialisierung wachstumsförderlich. Allerdings können die Schritte auf der Qualitätsleiter auch zu groß sein, so daß die privatwirtschaftlich erzielte Innovationsrate höher ist als die sozial optimale. Wachstum ohne steigende Skalenerträge

Wie gerade noch einmal angesprochen, sind die nicht abnehmenden Skalenerträge im FuE-Bereich der zentrale Mechanismus, der ein dauerhaftes Wachstum generiert. Dabei nimmt mit einem höheren Einsatz von FuE-Beschäftigten die gleichgewichtige Wachstumsrate einer Volkswirtschaft proportional zu. Die Realitätsnähe dieses Skaleneekts kann allerdings mit einem einfachen Blick auf einige empirische Fakten in Frage gestellt werden. So zeigt Jones (1995 und 1995a), daß sowohl in den USA und als auch anderen hoch entwickelte Industriestaaten die Anzahl der FuE-Beschäftigten zwischen 1950 und 1990 bzw. 1965 und 1990 relativ beständig angestiegen ist, während das Wachstum der totalen Faktorproduktivität in den USA gleichblieb oder sogar leicht zurückging. Diese Beobachtung gilt auch, wenn man den Anteil der FuE-Beschäftigten an der gesamten Erwerbsbevölkerung zugrunde legt: Er ist ebenfalls — abgesehen von einem leichten Rückgang in der ersten Hälfte der siebziger Jahre — beständig angestiegen. Um die Skaleneekte zu eliminieren, schlägt Jones (1995a) vor, innerhalb der gerade vorgestellten Modelle von Romer (1990), Grossman/Helpman (1991) und auch Aghion/Howitt (1992) zwei Modifikationen vorzunehmen. Zum einen sei die Wachstumsrate des durch den Forschungsbereich generierten Wissensbestandes  jetzt durch O* ˙ = 13! , mit 0 ? *  1 und 0  !  1,  

(2.264)

145 Dies ist nicht der Fall, wenn zusätzlich die Kapitalakkumulation einbezogen wird, dann treten auch transitorische Eekte auf (vgl. Ruschinski, 1996, S.119).

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

143

gegeben, wobei O die Anzahl der im Forschungssektor eingesetzen Arbeitskräfte ist. Ferner repräsentiert * die Eekte einer Parallelforschung und ! die beschränkte Wirkung von Wissensspillovers.146 Zum anderen wird angenommen, daß die Anzahl der Arbeitskräfte nicht mehr dauerhaft konstant ist, sondern mit einer Rate q wächst. Als langfristige Wachstumsrate unter rein privatwirtschaftlichen Bedingungen erhält man dann: j=

|˙ ˙ f˙ *q n˙ = = = = ,  | f n 1!

(2.265)

mit |, f, n als Output, Konsum und Kapitalstock (jeweils in Pro-Kopf-Größen). Mithin hängt in diesem Modell die langfristige Wachstumsrate nur von Größen ab, die gängigerweise als exogen und mithin als unabhängig von üblichen Politikmaßnahmen (wie Subventionen auf FuE oder Kapitalakkumulation) angesehen werden. Da aber das Wachstum weiterhin durch die aufgrund der Gewinnkalküle der Unternehmen betriebene FuE entsteht, spricht Jones (1995a) von semiendogenem Wachstum. Wird die rein privatwirtschaftliche Lösung des Modells von Jones (1995a) mit der sozial optimalen verglichen, so ergibt sich in bezug auf die langfristige Wachstumsrate keine Änderung.147 Anders sieht es bei dem Anteil der Beschäftigten aus, die entlang des ausgeglichenen Wachstumspfades im FuE-Bereich eingesetzt wird. Durch die Berücksichtigung des Aufschlagsfaktors bei dem sozial optimalen Beschäftigungsanteil besteht bei der rein privatwirtschaftlichen Lösung klar eine Tendenz zur Unterinvestition. Mit Blick auf den Parameter !, der die Wirkung von Wissensspillovers erfaßt, kommt es bei positiven Werten (positive externe Effekte) im rein privatwirtschaftlichen Fall zu einer Unterinvestition, d. h. es wird zu wenig FuE unternommen, während bei negativen Werten (abnehmende Erträge der FuE) eine Überinvestition vorliegen kann. Parallelforschung, d. h. * ? 1, führt ebenfalls zu einer Überinvestition in FuE. Ob eine Steuer oder Subvention auf FuE eine angemessene Politikmaßnahme, hängt also vom Vorzeichen des Parameters ! und von der Größenordnung des Parameters * ab. Allerdings zeigt Jones (1995a), S. 771-773, mit einigen Proberechnungen, daß bei der rein privatwirtschaftlichen Lösung bei plausiblen Werten für den Aufschlagsfaktor eine Unterinvestition in FuE stattfindet und daß diese Eigenschaft des Modells relativ unempfindlich bezüglich der Parameter ! und * ist. Aufgrund dieses Vergleichs der rein privatwirtschaftlichen und der sozial optimalen Lösung kann zusammenfassend festgehalten werden, daß ein dauerhafter Anstieg des FuE-Anteils keine permanente Auswirkung auf die Wachstumsrate hat. Solch ein Anstieg hat jedoch einen Niveaueekt und steigert die Wachstumsrate während der Übergangsphase zu einem neuen langfristigen Gleichgewicht (vgl. Jones, 1995a, S. 773). Mithin beeinflussen Politikmaßnahmen wie 146 Für * = 1 und ! = 1 erhält man die bei den Modellen mit Skaleneekten zugrunde gelegte Gleichung für den FuE-Sektor, während sich mit ! = 0 ein Benchmark-Modell ohne Skaleneffekte ergibt, bei dem die Ankunftsrate für neue Ideen unabhängig vom bisher akkumulierten Wissensbestand ist (vgl. Jones, 1995a, S. 765). 147 Zum Vergleich zwischen der rein privatwirtschaftlichen und der sozial optimalen Lösung des Modells vgl. Jones (1995a), S. 770-773.

144

2. Theoretische Erklärungsansätze

FuE-Subventionen auch nur das Wachstum während solcher Übergangsphasen (vgl. Jones, 1995a, S. 779). Dies unterscheidet dieses Modell ebenfalls von den zuvor diskutierten Grundmodellen, in denen der langfristige Gleichgewichtszustand unmittelbar erreicht wird. Im Gefolge der durch Jones (1995 und 1995a) angeregten Diskussion wurde eine Reihe von weiteren Modellen vorgeschlagen, mittels derer aus theoretischer Sicht ein endogenes Wachstum ohne Skaleneekte generiert werden kann.148 Bei einer ersten Gruppe dieser Modelle ist das langfristige Pro-Kopf-Wachstum ebenfalls proportional zum Bevölkerungswachstum. So verwendet Kortum (1997) einen suchtheoretischen Ansatz der Erfindung, um die langfristige Entwicklung der Beschäftigung im FuE-Bereich, des Patentierverhaltens und des Wachstums der totalen Faktorproduktivität zu erklären. Nach seinem Ansatz entnehmen die FuE-Beschäftigten Stichproben aus Wahrscheinlichkeitsverteilungen für potentielle neue Produktionstechnologien. Dabei wird durch die vergangene Forschung eine technologische Grenze geschaen, die die besten Produktionstechnologien für jedes Gut repräsentiert, und technologische Durchbrüche führen dazu, daß diese Grenze immer weiter nach außen verschoben wird, d. h., daß weitere Innovationen zunehmend schwieriger werden. Dies bedingt, daß die Anzahl der Patente pro FuE-Beschäftigtem im Zeitablauf sinkt bzw. zur Aufrechterhaltung einer konstanten Anzahl an Patenten zunehmend mehr FuE-Beschäftigte eingesetzt werden müssen. Die Produktivität wiederum wird durch die Lage der technologischen Grenze (dem Wissensbestand) bestimmt, und es läßt sich dann zeigen, daß das Produktivitätswachstum proportional zum Wissensbestand ist, wenn die Pools an potentiellen neuen Produktionstechnologien, aus denen die FuE-Beschäftigten Stichproben entnehmen, Pareto-Verteilungen gehorchen.149 Das Wachstum der FuE-Beschäftigten wird hingegen durch den Anstieg des Wertes von patentierten Innovationen relativ zu den Löhnen getrieben, was wiederum durch ein Bevölkerungswachstum aufrechterhalten wird. In der Konsequenz wächst der Wissensbestand langfristig mit der Rate des Bevölkerungswachstums. Segerstrom (1998) schlägt ebenfalls ein Modell vor, in dem FuE immer schwieriger wird, weil die naheliegendsten Innovationen immer zuerst hervorgebracht werden, und Bevölkerungswachstum zugelassen ist. Anders als in Kortum (1997), wo die FuE-Beschäftigten ökonomieweit nach besseren Produktionstechnologien suchen, wird aber davon ausgegangen, daß die FuE-Aktivitäten industriespezifisch und auf die Verbesserung bestimmter Produkte gerichtet sind. Verbunden damit gibt es auch keine interindustriellen, sondern nur intraindustrielle Wissensspillovers. Modelliert wird der FuE-Prozeß durch Innovationswettläufe, an denen sich die Unternehmen in jedem Industriezweig beteiligen. Der Gewinner solch eines Wettlaufs wird jeweils der nächste einzige Produzent des um eine Qualitätsstufe verbesserten Produkts. Mithin erklimmt wie in Grossman/Helpman 148 Überblicke über die verschiedenen Ansätze finden sich in Dinopoulos/Thompson (1999) und Jones (1999). 149 Eine Pareto-Verteilung ist geeignet zur Beschreibung von Situationen, in denen eine kleine Anzahl von bewerteten Elementen in einer Menge sehr viel zu deren Gesamtwert beiträgt, während der überwiegende Teil der Elemente nur sehr wenig zum Gesamtwert beisteuert.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

145

(1991), Kap. 4, jeder Industriezweig seine Qualitätsleiter Stufe für Stufe. Entlang des langfristigen gleichgewichtigen Wachstumspfades steigt dann sowohl die aggregierte FuE-Beschäftigung als auch die FuE-Beschäftigtenzahl auf der Ebene der einzelnen Industrien im Zeitablauf. Hingegen fällt die Anzahl der Patente pro FuE-Beschäftigtem, während sich die pro Jahr erteilte Gesamtzahl an Patenten im Zeitablauf nicht verändert. Dabei wird die langfristige Wachstumsrate der Wirtschaftsrate nur durch drei Parameter determiniert: dem Innovationsumfang, der FuE-Schwierigkeit und wiederum dem Bevölkerungswachstum. Mit Blick auf die Politikimplikation führen die Modelle von Kortum (1997) und Segerstrom (1998) genauso wie das Modell von Jones (1995a) zu dem Ergebnis, daß Politikmaßnahmen keine langfristigen Wachstumseekte haben, was im Widerspruch zu den ursprünglichen FuE-Modellen steht (vgl. Jones, 1999, S. 141). Deshalb wird bei einer zweiten Gruppe von Modellen nach Alternativen zum Bevölkerungswachstum gesucht, um die Skaleneekte zu eliminieren und gleichzeitig einige der Schlußfolgerungen der ursprünglichen FuE-Modelle beibehalten zu können. So schlägt Young (1998) eine modifizierte Variante des „Qualitätsleiter”-Modells vor, bei dem ein endogener Grad an Produktvielfalt zugelassen wird. Zuwächse der Erträge, die den Unternehmen zur Verfügung stehen, können nun dadurch ausgeschöpft werden, daß Innovationsaktivitäten entweder zu einer Erhöhung der Produktvielfalt oder der Produktqualität führen. Wenn die Qualitätsverbesserung dieser wachsenden Zahl von Varianten einen steigenden FuE-Input erfordert, dann kann es sein, daß eine Zunahme der Marktgröße die Gleichgewichtsmenge an FuE erhöht, ohne daß die Wachstumsrate der Wirtschaft steigt. Verglichen mit den Grundformen der FuE-Modelle gibt es zwar in der vertikalen Dimension intertemporale Wissensspillovers, nicht aber in der horizontalen Dimension (Young, 1998, S. 53). Konkret nutzt er einen Ansatz, der auf Präferenzen nach Dixit/Stiglitz (1977) beruht, um zu zeigen, wie durch die Erhöhung der Produktvielfalt die gesamten Erträge, die mit einem größeren Markt verbunden sind, aufgesogen werden, so daß die Wachstumsrate der Produktqualität wie auch die langfristige Wachstumsrate der Wirtschaft vollständig unabhängig von der Größe der Wirtschaft sind (vgl. Young, 1998, S. 45-46). Es wird davon ausgegangen, daß keine Unsicherheit existiert und die Unternehmen zwei Perioden leben, in der ersten betreiben sie FuE, um die Produktqualität zu verbessern, in der zweiten produzieren sie. Dabei beruht die Endogenität des langfristigen Wachstums auf dem endogenen Umfang der Qualitätsverbesserungen (vgl. Dinopoulos/Thompson, 1998, S. 314). Es ergibt sich dann eine Wachstumsrate, die für jede beliebige Periode in eine langfristige Komponente, dem Anstieg der Produktqualität, der — wie gesagt — unabhängig von der Größe der Wirtschaft ist, und einer transitorischen Komponente, dem Wachstum der Produktvielfalt, das von Größenveränderungen beeinflußt wird, zerlegt werden kann (Young, 1998, S. 51-52). Als Konsequenz für die Politik ergibt sich daraus, daß jede Maßnahme, die nur das Gesamtvolumen an Erträgen verändert, das innovativen Unternehmen zur Verfügung steht, zwar das Einkommensniveau, nicht aber die langfristige Wachstumsrate beeinflußt. Es kann aber gezeigt werden, daß der auch bei diesem Modell vorhandene Unterschied zwischen der rein privatwirtschaftlichen und der sozial optimalen Lösung dadurch beseitigt

146

2. Theoretische Erklärungsansätze

werden kann, wenn eine abgestufte FuE-Subvention, die den Grad der Produktqualitätsverbesserungen erhöht, mit einer insgesamt proportionalen Steuer auf FuE kombiniert wird (vgl. Young, 1998, S. 59). Dinopoulos/Thompson (1998) bauen mit ihrem Modell auf dem Ansatz von Young (1998) auf und nehmen an, daß proportionale Qualitätsverbesserungen in zufälligen Zeitabständen durch FuE erreicht werden können, während neue Produktlinien durch die Zahlung von fixen Arbeitskosten eingeführt werden können. Genauso wie bei Young (1998) treten bei Qualitätsverbesserungen intertemporale Wissensspillovers auf , während bei der Generierung von neuen Produktlinien keine Spillovers auftreten, d. h. die Entwicklungskosten bleiben hier unabhängig von der Anzahl der bereits eingeführten Produktlinien gleich (vgl. Dinopoulos/ Thompson, 1998, S. 318). Anders als bei Young (1998) leben aber nun die Unternehmen unendlich lange, d. h. der willkürliche Marktaustritt von Unternehmen wird nicht mehr zugelassen, und nicht der Umfang einer Qualitätsverbesserung ist endogenisiert, sondern die erwartete Häufigkeit von Innovationen. Um Unsicherheit in das Modell einzuführen, werden optimale Kontrolltechniken für stochastische Sprungprozesse verwendet.150 In der Konsequenz ergibt sich wiederum ein ausgeglichenes Wachstumsgleichgewicht, bei dem sich die langfristige Wachstumsrate aus zwei additiven Komponenten zusammensetzt. Der erste Term erfaßt die Auswirkungen der Qualitätsverbesserungen, die nicht vom Bevölkerungswachstum abhängen und durch dauerhafte Politikveränderungen beeinflußt werden können. Der zweite Term spiegelt die Ausdehnung der Produktvielfalt wider, die proportional zum Bevölkerungswachstum erfolgt und nicht von Parametern abhängig ist, die durch die üblichen Politikmaßnahmen berührt werden. Konkret bedeutet dies, daß gleiche anteilsmäßige Subventionen auf qualitätsverbessernde FuE und auf die Entwicklungskosten von neuen Produktlinien keinen Einfluß auf die langfristige Wachstumsrate der Qualität haben, während ungleiche Subventionen dauerhafte Wachstumseekte aufweisen. Der Grund hierfür ist, daß Subventionen auf qualitätsverbesserende FuE die langfristige Wachstumsrate der Qualität erhöhen, während Subventionen auf neue Produktlinien den gegenteiligen Eekt haben (vgl. Dinopoulos/Thompson, 1998, S. 322-323). Aghion/Howitt (1998), Kap. 12, und Howitt (1999) greifen ebenfalls die Grundidee von Young (1998) auf und führen sowohl Bevölkerungswachstum als auch das gleichzeitige Auftreten von vertikalen und horizontalen Innovationen in das Grundmodell von Aghion/Howitt (1992) ein. Zudem verallgemeinern sie dieses Modell ebenfalls dahingehend, daß eine Akkumulation von Kapital erfolgt, das zur Produktion von Zwischenprodukten eingesetzt wird.151 Dabei bleiben die Implikationen des Grundmodells — mit Ausnahme der Skaleneekte — für das Wachstum erhalten. Es ergibt sich ein langfristiges Steady-State-Gleichgewicht mit einer konstanten Wachstumsrate des Pro-Kopf-Outputs, obwohl sowohl die Bevölkerung als auch die FuE-Inputs beständig wachsen. Diese langfristige Wachstums150

Zu diesen Annahmen sowie für eine Zusammenfassung der Ergebnisse vgl. Dinopoulos/ Thompson, 1998, S. 314. 151 Dieses Kapital wird dahingehend interpretiert, daß es sowohl Humankapital als auch physisches Kapital einschließt (vgl. Howitt, 1999, S. 726).

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

147

rate wird durch die gleichen Kräfte determiniert wie im ursprünglichen Modell von Aghion/Howitt (1992), und sie kann durch eine Subvention auf FuE gesteigert werden (vgl. Howitt, 1999, S. 716). Konkret gibt es in diesem Modell keine Skalenerträge, weil das Grenzprodukt der FuE für horizontale Innovationen schneller abnimmt als das Grenzprodukt der FuE bei vertikalen Innovationen. Das Wachstum kann dann langfristig durch Veränderungen der institutionellen, technologischen und Politikparameter erhöht werden, die unmittelbar die Anreize zur Durchführung von FuE steigern. Das Bevölkerungswachstum hat in diesem Modell zwar einen positiven Einfluß auf die Steady-State-Rate des technischen Fortschritts, ist aber nicht die einzige Determinante.152 Auch in Peretto (1998), S. 304, wird argumentiert, daß die in Jones (1995 und 1995a) vorgebrachte empirische Evidenz nicht generell zu einer Ablehnung der Modelle mit endogenem Wachstum, das auf ansteigenden Erträgen beruhe, führen müsse, sondern daß nur jene Modelle verworfen werden müßten, die das Wachstum ausschließlich an das aggregierte FuE-Volumen knüpften, das ein Land unternehme. Vielmehr müßten Variablen eingeführt werden, deren Dynamik den Anstieg des aggregierten FuE-Einsatzes ausgleiche, so daß auch bei solch einem Anstieg das Wirtschaftswachstum gleichbliebe oder sogar fallen könne. In seinem Modell geschieht dies durch die Berücksichtigung von Markteintritten und einer wachsenden Zahl von Unternehmen.153 Gleichzeitig weist er darauf hin, daß die in den ursprünglichen Modellen generierten Skalenerträge das Ergebnis einer grundsätzlicheren Schwäche dieses Modellierungsansatzes wären. Dadurch, daß sie von einem abstrakten aggregierten FuE-Sektor ausgingen, der Innovationen hervorbringe, die für das gesamte Produktionsvolumen einer Volkswirtschaft genutzt werden könnten, während tatsächlich der überwiegende Anteil von FuE in einzelnen Unternehmen stattfände, ignorierten sie die Rolle der Marktstruktur und die endogene Festlegung der Anzahl und Größe der Unternehmen, die FuE durchführten. Peretto (1998) geht davon aus, daß die Unternehmen einer Wirtschaft dierenzierte Konsumgüter verkaufen. Da sie am Markt untereinander im Wettbewerb stehen, richten sie FuE-Einheiten ein und akkumulieren geschütztes Wissen, um Kosten reduzieren, Preise senken und ihre Umsätze ausdehnen zu können. Unter dieser Annahme sind die steigenden Erträge der Innovationen unternehmensintern, weil dort das geschützte Wissen auf nichtrivalisierende Weise eingesetzt wird. Weil aber jedes Unternehmen FuE durchführt, trägt es auch zum Bestand an öentlichem Wissen bei und reduziert so die zukünftigen FuE-Kosten aller Unternehmen. Wiederum ermöglichen es also die intertemporalen Wissensspillovers, daß die Wirtschaft im Steady-State wächst. Ohne Bevölkerungswachstum 152

Zu diesen Schlußfolgerungen vgl. Howitt, 1999, S. 728. Das Modell von Peretto (1998) basiert auf einem Theoriestrang, der sich zunächst relativ unabhängig von den anderen Beiträgen zum Wachstum ohne Skaleneekte entwickelte. In diesem Strang wurde versucht, verschiedene Sachverhalte bezüglich der Marktstruktur in die Theorie des endogenen technischen Fortschritts zu integrieren (s. z. B. Smulders/van de Klundert, 1995). Dabei stellte sich heraus, daß die endogene Anzahl von Unternehmen, die diese Modelle kennzeichnet, zu einer Eliminierung der Skaleneekte führt, während das endogene Wachstum erhalten bleibt (vgl. Peretto, 1998, S. 285). 153

148

2. Theoretische Erklärungsansätze

ist der Steady-State dann erreicht, wenn keine Markteintritte mehr stattfinden, und die Wirtschaft weist langfristig eine stabile Industriestruktur mit einer konstanten Anzahl an Unternehmen und einer konstanten Wachstumsrate auf. In der Übergangsphase treten jedoch neue Unternehmen in den Markt ein und erweitern die Produktvielfalt. Mithin existieren keine Skaleneekte, weil sich durch die Markteintritte die FuE-Ressourcen auf mehr Unternehmen verteilen und den positiven Eekt der Wirtschaftsgröße auf die FuE-Erträge aufheben. Veränderungen der Bevölkerungszahl haben jedoch nur vorübergehende Auswirkungen auf das Produktivitätswachstum. Mit wachsender Bevölkerung hören die Markteintritte niemals auf und die Wirtschaft erreicht einen Steady-State mit einer konstanten Markteintrittsrate und einer konstanten Wachstumsrate.154 Das Modell liefert mit Blick auf demographische Veränderungen einige interessante Ergebnisse: 1. Als Reaktion auf einen dauerhaften Anstieg der Bevölkerungszahl weist die Wirtschaft zwar aufgrund größerer Unternehmen, eines schnelleren Produktivitätswachstums und gestiegener Markteintritte vorübergehend ein höheres Wachstum des Konsum auf, kehrt aber schließlich in den ursprünglichen Steady-State zurück (Peretto, 1998, S. 297). 2. Als Reaktion auf einen dauerhaften Anstieg des Bevölkerungswachstums erlebt die Wirtschaft einen Rückgang beim Produktivitätswachstum und einen Anstieg der Markteintritte. Je nachdem ob der Gesamteekt des Anstiegs der Markteintritte und des Bevölkerungswachstums das langsamere Produktivitätswachstum gerade aufhebt oder nicht, kommt es anfänglich zu einem schnelleren oder langsameren Wachstum des Konsums. Dann beschleunigt sich dieses aufgrund der gewachsenen Unternehmensgröße, der zusätzlichen Markteintritte und des erhöhten Produktivitätswachstums. Schließlich konvergiert die Wirtschaft zu einem dynamischen langfristigen Wachstumspfad, auf dem das Produktivitätswachstum wieder sein ursprüngliches Niveau erreicht, die Unternehmen größer sind und mehr Markteintritte erfolgen. Die Konsequenz ist ein beschleunigtes Wachstum des Konsums (Peretto, 1998, S. 298). 3. Als Reaktion auf eine demographische Übergangsphase, in der sich das Bevölkerungswachstum anfänglich beschleunigt und anschließend so verlangsamt, daß eine Wachstumsrate unterhalb der ursprünglichen erreicht wird, realisiert die Wirtschaft anfänglich eine Periode schnelleren (möglicherweise sich beschleunigenden) Wachstums des Konsums aufgrund größerer Unternehmen, eines schnelleren Produktivitätswachstums und gestiegener Markteintritte. Dem folgt ein Rückgang des Konsumwachstums bis eine Konvergenz zu einem Steady-State stattfindet, bei dem das Produktivitätswachstum wieder sein ursprüngliches Niveau erreicht, während die Unternehmensgröße und das Konsumwachstum aufgrund der geringeren Markteintritte kleiner ist (Peretto, 1998, S. 299). 154

Bezüglich dieser Modellausgestaltung vgl. Peretto, 1998, S. 284.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

149

Abschließend analysiert Peretto, 1998, S. 299-303, die Wirkungen von Subventionen auf FuE und Unternehmenseinkommenssteuern.155 Dabei kristallisieren sich fünf Ergebnisse heraus: 1. Bei einer FuE-Subvention, die alteingesessenen Unternehmen gewährt wird, konvergiert die Wirtschaft zu einem Steady-State mit größeren Unternehmen, unveränderten Markteintritten sowie schnellerem Produktivitäts- und Konsumwachstum (Peretto, 1998, S. 300). 2. Werden die FuE-Subventionen den in den Markt eintretenden Unternehmen gewährt, so konvergiert die Wirtschaft zu einem Steady-State mit kleineren Unternehmen, unveränderten Markteintritten sowie langsamerem Produktivitäts- und Konsumwachstum (Peretto, 1998, S. 302). 3. Als Reaktion auf eine FuE-Subvention, die beiden Unternehmenstypen gewährt wird, konvergiert die Wirtschaft zu einem Steady-State mit kleineren Unternehmen, unveränderten Markteintritten sowie unverändertem Produktivitäts- und Konsumwachstum (Peretto, 1998, S. 302). 4. Bei einer Steuer, die auf die um die FuE-Ausgaben verminderten Unternehmenseinkünfte angewendet wird, ergibt sich qualitativ das gleiche Ergebnis wie bei einer FuE-Subvention für alteingesessene Unternehmen (Peretto, 1998, S. 302). 5. Dagegen konvergiert die Wirtschaft bei einer Steuer, die auf die nicht um die FuE-Ausgaben verminderten Unternehmenseinkünfte angewendet wird, zu einem Steady-State mit größeren Unternehmen, unveränderten Markteintritten sowie unverändertem Produktivitäts- und Konsumwachstum (Peretto, 1998, S. 303). Grundsätzlich sind auch diese Wirkungen der Annahme geschuldet, daß zusätzliche Erträge aufgrund der Ausdehnung des Marktvolumens durch Markteintritte aufgebraucht werden und nicht zu einem höheren Wirtschaftswachstum führen. Einen Schritt weiter bei der mikroökonomischen Fundierung von endogenen Wachstumsmodellen ohne Skaleneekte gehen Peretto/Smulders (2002). Dies gilt insbesondere für die Spillover-Funktion. Sie modellieren — wie es grundsätzlich auch in den anderen elaborierten Modellen mit endogenem Wachstum ohne Skaleneekte geschieht — Wissensakkumulation und -spillovers als zweidimensionalen Prozeß, indem sie der intensiven Dimension, in der FuE zu einem verbesserten Verständnis von existierenden Problemen führt, eine extensive hinzufügen, weil FuE häufig auch die Formulierung von neuen Problemen und neue Forschungsrichtungen bedingt. In der ersten Dimension findet wie in den Grundmodellen der neuen Wachstumstheorie die Ausweitung des öentlichen Wissensbestandes statt und es fallen Wissensspillovers an. Dagegen führt die Akkumulation in der 155

Dabei berücksichtigt er nur die Eekte, die auf den Unternehmensentscheidungen beruhen, und nicht die Wirkungen, die von der Verwendung der Staatseinnahmen auf die Spartätigkeit, die Produktivität und andere Variablen ausgehen (vgl. Peretto, 1998, S. 299-300).

150

2. Theoretische Erklärungsansätze

zweiten Dimension zu einer stärkeren Spezialisierung (Dierenzierung) der FuEAktivitäten der Unternehmen und zu einer Abschwächung der Wissensspillovers (Peretto/Smulders, 2002, S. 604). Technologien sind also erst einmal unternehmensspezifisch, weil Unternehmen jeweils ein eigenes Wissen über Produkte und Prozesse besitzen, das sie durch ihre FuE-Aktivitäten angehäuft haben. Ein Teil dieses Wissens erzeugt zwar auch in diesem Modell Spillovers und trägt damit zum öentlichen Wissensbestand bei, der zur Verbesserung bestehender oder zur Generierung neuer Technologien genutzt werden kann; das Ausmaß, in dem andere Unternehmen dieses öffentliche Wissen nutzen können, hängt aber von der technologischen Distanz zwischen dem Entwickler und dem Nutzer dieses Wissens ab. Peretto/Smulders (2002) nehmen dabei an, daß diese technologische Distanz mit der Größe einer Wirtschaft zunimmt und Unternehmen in sog. Spillovers-Netzwerken agieren, die durch die technologische Verwandtschaft oder Nähe ihrer FuE-Aktivitäten determiniert sind. Modellmäßig hängt damit die Stärke der Spillovers, von denen jedes Unternehmen profitieren kann, von zwei Variablen ab: dem Wissensbestand eines typischen Unternehmens innerhalb des Netzwerks und der Anzahl der Unternehmen, die Teil dieses Netzwerks sind (Peretto/Smulders, 2002, S. 611). Mit der Zunahme der Größe einer Wirtschaft kommt es zum Markteintritt neuer Unternehmen, und damit diese sich auf dem Markt behaupten können, zu neuen Forschungsrichtungen. Grundsätzlich sind mit solchen Markteintritten zwei Eekte bezüglich der Wissensspillovers verbunden. Der Wissensexpansionseekt ist proportional zur Anzahl der Unternehmen, weil mit zusätzlichen Unternehmen mehr Wissensquellen verfügbar sind, d. h. ein neues Unternehmen erhöht die durchschnittlichen Spillovers innerhalb eines Netzwerkes. Dagegen wirkt der Wissensdierentiationseekt, der bedingt, daß die Aufteilung der Technologie in Problemklassen feiner wird und es schwieriger wird, das Wissen anderer Unternehmen aufzunehmen, weil es unwahrscheinlicher wird, daß zwei beliebige Unternehmen in demselben Netzwerk operieren (vgl. Peretto/Smulders, 2002, S. 612-613). M. a. W. steigt die durchschnittliche technologische Distanz. Zudem müssen durch Markteintritte die verfügbaren Ressourcen auf eine größere Anzahl von Unternehmen verteilt werden. Aufgrund des Zusammenwirkens dieser drei Kräfte können die Skaleneekte anfänglich sowohl positiv als auch negativ sein: 1. Eine größere Anzahl von Unternehmen führt zu kleineren Unternehmensgrößen, weil die Arbeitskräfte auf mehr Unternehmen verteilt werden müssen. Da Wissen aber unternehmensspezifisch ist und die FuE-Erträge von der Unternehmensgröße abhängen, vermindern Markteintritte den Marktgrößeneekt durch die Begrenzung der Möglichkeiten der Unternehmen, die FuE-Kosten auf eine große Gütermenge zu verteilen. Dadurch fallen die FuE-Anstrengungen pro Unternehmen. 2. Durch Markteintritte wird der aggregierte Bestand an öentlichem Wissen erweitert, weil die neuen Unternehmen neue Produktlinien hervorbringen, die der Wirtschaft neue Wissensquellen erönen. Dadurch steigen wiederum die FuE-Erträge, und der Marktgrößeneekt wird verstärkt.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

151

3. Das Auftreten von neuen Problemklassen führt — wie gerade angesprochen — zu einer stärkeren Spezialisierung (Dierenzierung) der FuE und begrenzt damit das Ausmaß, mit dem ein größerer aggregierter Wissensbestand Spillovers generiert, von denen die einzelnen Unternehmen profitieren können.156 Als Konsequenz kann in diesem Modell die Verteilung der Ressourcen auf mehr Unternehmen nie vollständig durch stärkere Wissensspillovers aufgehoben werden: Ein Anstieg der Anzahl der Unternehmen um { % verkleinert auch die Unternehmensgröße um { %, aber die Wissensspillovers steigen um weniger als { %. Markteintritte schwächen also den Marktgrößeneekt ab oder kehren ihn sogar um.157 Unabhängig davon, ob der Größeneekt anfänglich positiv oder negativ ist, geht er asymptotisch gegen null, wenn die Wirtschaft sehr groß wird. In diesem Grenzfall werden die Spillovers nicht durch Markteintritte beeinflußt, weil es unwahrscheinlich ist, daß diese neuen Unternehmen Wissen mit einem alteingesessenen Unternehmen austauschen: Der Ressourcenverteilungseekt hebt dann gerade den Marktgrößeneekt auf (vgl. Smulders/Peretto, 2002, S. 617). Ein anderer Versuch der mikroökonomischen Fundierung wird in Zeira (2003) unternommen, indem Patentwettläufe in ein endogenes Wachstumsmodell eingeführt werden. Dies geschieht durch zwei Annahmen: 1) FuE ist stets auf eine bestimmte Innovation gerichtet, und 2) erfordern Innovationen nicht nur einen Arbeitseinsatz, sondern auch Wartezeit um heranzureifen, d. h. die Grenzkosten von Innovationen steigen. Als Ergebnis dieser beiden Annahmen treten Patentwettläufe endogen innerhalb des Modells auf, die die positiven Auswirkungen der Skaleneekte auf das Wachstum deutlich reduzieren. Eine größere Wirtschaft erhöht zwar auch in diesem Modell die Anreize zu innovieren, aber die meisten neuen Unternehmen drängen in existierende Patentwettläufe, von denen hohe Erträge erwartet werden, und nur wenige suchen nach zusätzlichen Innovationen (Zeira, 2003, S. 25). In der Konsequenz ist die wettbewerblich organisierte FuE Pareto-ine!zient, weil zuviel Parallelforschung stattfindet. Zudem wird zuviel FuE für Innovationen mit hohen Erträgen (oder anders formuliert: mit geringem Risiko) durchgeführt und umgekehrt zu wenig FuE für Innovationen mit geringen Erträgen (Zeira, 2003, S. 1). Zeira, 2003, S. 26, stellt selbst fest, daß sein Beitrag kurz vor dem Angebot von Politikempfehlungen endet, weil die praktischen Probleme der Formulierung einer optimalen Politik sehr schwierig seien. Solch eine Politik müßte so ausgestaltet sein, daß sie nur jene Innovatoren unterstützte, die sich abseits der großen Patentwettläufe bewegten und Strategien mit geringeren Erfolgsaussichten ausprobierten. In der praktischen Politik wäre es jedoch schwierig, diese Unternehmen oder FuE-Einheiten zu identifizieren. Zusammengefaßt zeigt dieser Überblick, daß es möglich ist, alternative FuEModelle endogenen Wachstums ohne Skaleneekte zu generieren, die im höheren 156

Zu dem Wirken dieser Kräfte vgl. Peretto/Smulders, 2002, S. 616. Vgl. Peretto/Smulders (2002), S. 616-617. Dort wird auch darauf hingewiesen, daß dieser Mechanismus bei den Modellen mit horizontalen Produktinnovationen von Romer (1990) und Grossman/Helpman (1991), Kap. 3, nicht wirken kann, weil dort die Markteintrittsrate der Innovationsrate entspricht. Mithin hebt der Ressourcenverteilungseekt gerade den Wissensexpansionseekt auf, so daß nur der Marktgrößeneekt wirkt. 157

152

2. Theoretische Erklärungsansätze

Maß mit der empirischen Evidenz im Einklang stehen als die ursprünglichen FuEModelle für geschlossene Volkswirtschaften und gleichzeitig über eine angemessene mikroökonomische Fundierung verfügen, für die im wesentlichen auf bekannte Ansätze aus der Industrieökonomik, aber auch der beschreibenden evolutorischen Ökonomik zurückgegrien wird. Außerdem führt ein Teil dieser Modelle ebenfalls zu Politikimplikationen, die Einfluß auf die langfristige Wachstumsrate haben, so daß die Wachstumsrate der Bevölkerung nicht die einzige langfristige Wachstumsdeterminante ist (vgl. auch Krüger, 2000, S. 31). Durch die unterschiedliche mikroökonomische Fundierung des Spillovermechanismus führen die Modelle teilweise jedoch mit Blick auf die Spezialisierung von Volkswirtschaften — verstanden im üblichen Sinne als Konzentration auf wenige Bereiche und nicht wie bei den FuE-Modellen der neuen Wachstumstheorie als starke Dierenzierung — zu recht unterschiedlichen Aussagen. Vergleicht man beispielsweise die Modelle von Peretto/Smulders (2002) und Zeira (2003), so impliziert ersteres, daß eine Spezialisierung auf wenige Bereiche wachstumsförderlich ist, weil die technologischen Distanzen dann geringer sind, während das Modell von Zeira (2003) zu einem umgekehrten Schluß führt, da so die Gefahr von Parallelforschung im Rahmen von Patentwettläufen zunimmt. Obwohl beide Gruppen von Modellen eine Reihe von Einsichten bezüglich der Determinanten der Pro-Kopf-Einkommens- und auch der Wachstumsdierenzen zwischen verschiedenen Ländern liefern, vernachlässigen sie doch als Ansätze für geschlossene Volkswirtschaften alle Beziehungen über internationale Märkte und die Einflüsse der internationalen Wissensdiusion. Der Einfluß dieser Faktoren wird im nächsten Abschnitt berücksichtigt. 2.5.2.2

Die oene Volkswirtschaft

Die gerade dargestellten Grundmodelle der neuen Wachstumstheorie für geschlossene Volkswirtschaften lassen sich relativ leicht auf den Fall oener Volkswirtschaften erweitern. So diskutieren Rivera-Batiz/Romer (1991) anhand einer Reihe von „Gedankenexperimenten” die Implikationen des Modells von Romer (1990), wenn sowohl Außenhandel als auch eine freie Wissensdiusion zugelassen werden. Dagegen ist die Übertragung der Modelle von Grossman/Helpman (1991) für geschlossene Volkswirtschaften auf den Fall oener Volkswirtschaften in Grossman/Helpman (1991), Kap. 7., etwas aufwendiger, weil hier im Rahmen eines Ansatzes mit drei Sektoren, zwei Ländern und zwei Faktoren eine explizite Kombination des Heckscher-Ohlin-Modells mit den Modellen des endogenen Wachstums durch gewinnsuchende FuE vorgenommen wird (vgl. Barba Navaretti/Tarr, 2000, S. 5). Konkret wird folgender Weg gewählt: • Es gibt zwei Endprodukte: ein High-Tech-Gut und ein traditionelles Gut. • Das High-Tech-Gut wird im Fall der horizontalen Innovationen nur durch den Einsatz dierenzierter Zwischenprodukte hergestellt, während es im Fall der vertikalen Innovationen unmittelbar als Kontinuum von Gütern zu interpretieren ist, die jeweils in unterschiedlicher Qualität hergestellt werden können.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

153

• Das traditionelle Gut wird mit konstanten Skalenerträgen unter den Bedingungen vollständiger Konkurrenz mittels einfacher Arbeit und Humankapital (qualifizierter Arbeit) hergestellt. • Für die Erfindung neuer Designs für dierenzierte Produkte wird sowohl einfache Arbeit als auch Humankapital eingesetzt, und der Wissensbestand wirkt kostensenkend.158 Zur Analyse der Wirkungen einer Önung der Volkswirtschaften sollen die Modelle an dieser Stelle nicht detailliert dargestellt werden, sondern nach Bretschger (1997), S. 226-230, Bretschger (1998), S. 150 und Bretschger (2002), S. 69 können grundsätzlich drei Kanäle unterschieden werden, über die eine Integration die langfristige Wachstumsrate beeinflussen kann: 1. Skaleneekte, 2. Faktorreallokationseekte und 3. Faktorhandelseekte. Diese Eekte werden im folgenden der Reihe nach diskutiert. Skaleneekte

Die auf Skaleneekten beruhenden Integrationswirkungen lassen sich am einfachsten anhand der Analyse in Rivera-Batiz/Romer (1991) nachvollziehen. Um andere Eekte weitgehend auszuschalten, wird von zwei vollkommen identischen Ländern ausgegangen und als Benchmark wird eine Situation gewählt, in der sich die beiden Länder zu einem einzigen Land zusammenschließen. In dem Fall betragen die Faktorbestände dieses vereinigten Landes 2K sowie 2O, und die Wachstumsrate ergibt sich jetzt verglichen mit dem ursprünglichen Zustand einer geschlossenen Wirtschaft (Gleichung 2.210) als j=

2K  \ . 1 + \

(2.266)

Mit dieser Benchmark kann nun zum einen der Eekt eines Integrationsschrittes verglichen werden, der nur den Handel mit Gütern umfaßt, und zum anderen die Wirkung einer weitergehenden Integration, die auch den Fluß von Wissen in Form von Ideen über geeignete Informations- und Kommunikationsnetzwerke einschließt. Der Handel mit Gütern kann natürlich nur mit dierenzierten Kapitalgütern erfolgen, weil beide Länder ein einziges gleiches Konsumgut herstellen (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 543). Es sei zunächst die Situation betrachtet, daß es nur zu einem Güterhandel kommt. Aufgrund der Möglichkeit der Erzielung von Monopolerträgen werden 158 Zur Beschreibung dieses Modellierungsansatzes vgl. Grossman/Helpman (1991), Kap. 7 und 8, sowie als knappe Zusammenfassung Bretschger (1998), S. 150-151.

154

2. Theoretische Erklärungsansätze

sich die FuE-Beschäftigten in den beiden Ländern nach der Aufnahme des Außenhandels auf die Entwicklung unterschiedlicher Designs spezialisieren und Doppelforschung vermeiden, so daß der weltweite Bestand an Designs schließlich doppelt so groß ist wie der jedes einzelnen Landes im Autarkiezustand. Zur Produktion können jetzt sowohl inländische als auch ausländische Zwischenprodukte eingesetzt werden, die Menge {¯, mit der jedes Zwischenprodukt in der Produktion eingesetzt wird, bleibt jedoch letztlich die gleiche wie im Autarkiezustand. Was sich jedoch ändert, ist das Grenzprodukt und damit die Entlohnung des Humankapitals im Endproduktsektor (Gleichung 2.201), das auf zK = K\31 O 2P {¯133

(2.267)

ansteigt. Parallel steigt auch die Entlohnung des Humankapitals im FuE-Sektor (2.202) auf zK = 2yP,

(2.268)

weil sich durch den doppelt so großen Markt für neu entwickelte Zwischenprodukte der Wert bzw. Preis eines Designs bzw. Patents (y) verdoppelt (vgl. RiveraBatiz/Romer, 1991, S. 543-544). Die beiden Eekte auf die Entlohnung des Faktors Humankapital in den verschiedenen Verwendungsrichtungen gleichen sich also gerade aus, und es kommt zu keiner Veränderung der Aufteilung des Humankapitals auf die beiden Sektoren.159 Mithin ändert sich auch die langfristige Wachstumsrate in beiden Ländern nicht. Dagegen geht von der Aufnahme des Außenhandels sehr wohl ein Niveaueffekt auf den Output \ aus. Betrachtet man zunächst den Fall, daß die beiden Länder bereits im Autarkiezustand keine Überschneidung bei den Designs für die dierenzierten Kapitalgüter aufweisen, so wird jedes der beiden Länder nach der Erönung des Außenhandels die Hälfte seiner Kapitalgüter gegen die Hälfte der Kapitalgüter des anderen Landes austauschen. Es produziert dann mit 2P verschiedenen Kapitalgütern, die jeweils in der Menge {¯@2 eingesetzt werden. Aufgrund des durch die Produktionsfunktion (2.195) beschriebenen Zusammenhangs ergibt sich der Output jetzt als ³ {¯ ´133 \ = K  O 2P = 2+ K  O P {¯133 . (2.269) 2

Er ist also um den Faktor 2+ höher als im Autarkiezustand. Im Zeitablauf steigt der Einsatz der Zwischenprodukte natürlich wieder auf {¯, weil das Niveau von { durch den Zinssatz u und die Wachstumsrate j determiniert wird, und diese beiden Größen ändern sich nicht (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 544). Das gleiche geschieht mit einer deutlichen Zeitverzögerung auch, wenn es vor der Aufnahme des Außenhandels eine komplette Überschneidung bei den Designs der dierenzierten Kapitalgüter gibt, weil die beiden Länder sich dann mit beginnendem Güterhandel — wie bereits erwähnt — auf die Entwicklung unterschiedlicher Designs spezialisieren werden, bis es schließlich keine Überlappung 159 Anderenfalls läge ein Faktorreallokationseekt vor, dessen Zustandekommen und Auswirkungen im nächsten Abschnitt betrachtet werden.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

155

mehr gibt. Aber nach diesem transitorischen Eekt wird die langfristige Wachstumsrate die gleiche wie vor der Aufnahme des Außenhandels sein. Als zweites sei die Situation betrachtet, daß es zwischen den beiden identischen Ländern sowohl zu einem Außenhandel als auch zu einem freien Fluß der Ideen über geeignete Informations- und Kommunikationsnetzwerke kommt. Damit letzterer nicht ausgenutzt werden kann, nehmen Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 545, an, daß ein in einem Land erteiltes Patent in dem jeweils anderen Land vollkommen respektiert wird. Zudem kommt es ja bereits allein durch den Güterhandel zu einer vollständigen Spezialisierung bei den dierenzierten Kapitalgütern, so daß jetzt jedes Land von Spillovers aus einem doppelt so großen Wissensbestand profitiert. Mithin erhöht sich die Wachstumsrate der Designs im Vergleich zu Glei˙ chung (2.200) auf P@P = 2KP . Selbst wenn es nicht zu Faktorreallokationen kommt, die zu erwarten sind, weil sich die Produktivität des Humankapitals im FuE-Sektor bei unveränderter Produktivität im Endproduktsektor erhöht, d. h. die Aufteilung des Humankapitals auf die beiden möglichen Verwendungsrichtungen FuE und Produktion der Endprodukte bliebe gleich, verdoppelt sich also die Wachstumsrate der Designs. Verglichen mit der Situation im Autarkiezustand entspricht dieser Eekt einer Verdopplung des E!zienzparameters , und es ergibt sich die gleiche langfristige Wachstumsrate wie bei einer vollständigen Integration (vgl. Gleichung 2.266). Der Güterhandel und der freie Wissensfluß reichen also aus, um die gleiche Situation wie bei einer vollständigen Integration zu erreichen, bei der zusätzlich eine Migration der Faktoren zulässig ist (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 546). Bretschger, 2002, S. 70, weist darauf hin, daß für den Fall, daß die Integration den Wettbewerb fördere und diese Wettbewerbseekte die E!zienz in der Wissensakkumulation steigerten, ein weiterer Skaleneekt zum Tragen komme, der zu einem höheren  führt. Für diesen Eekt spricht eine Reihe von industrieökonomischen Argumenten, die in Blind/Jungmittag (2004) zusammenfassend dargestellt sind. Dort findet sich ebenfalls eine mikroökonometrische Analyse für den bundesdeutschen Dienstleistungssektor, die zeigt, daß ausländische Konkurrenz in der Form von Importen und Direktinvestitionen innovationsförderlich ist.160 Um die möglichen Konstellationen vollständig zu betrachten, kann abschließend noch gefragt werden, welche Eekte von einem freien Wissensfluß ohne Güterhandel ausgehen. Da die FuE-Bereiche der beiden Länder dann keinen Anreiz haben, sich auf unterschiedliche Designs zu spezialisieren, hängen die Wirkungen von der Ausgangslage ab. Besitzen beide Länder anfänglich das gleiche Wissen, so üben die nun möglichen Informationsflüsse natürlich keinen Eekt auf die Produktion 160 Zu ähnlichen Ergebnissen für das bundesdeutsche Verarbeitende Gewerbe kommen Bertschek (1995) und Zimmermann (1987). Die Ergebnisse weiterer Studien für andere Länder sind ebenfalls in Blind/Jungmittag (2004) zusammengestellt. Zudem zeigen Baldwin/Forslid (2000), daß in einem endogenen Wachstumsmodell, das auf Tobins t-Ansatz beruht und unvollständigen Wettbewerb im innovativen Sektor unterstellt, eine Handelsliberalisierung über einen wettbewerbsförderlichen Eekt die Marktstruktur und den gleichgewichtigen Aufschlagsfaktor verändert. Sie reduziert letzteren und senkt so die Kapitalersatzkosten. Der daraus resultierende anfängliche Anstieg von t führt zu schnellerem Wachstum, wobei t das Verhältnis des Marktwerts des Kapitals zu den Ersatzkosten ist.

156

2. Theoretische Erklärungsansätze

aus. Geht man hingegen davon aus, daß Erfindungen einem Zufallsprozeß mit einer großen Varianz gehorchen, so kann erwartet werden, daß die Erfindungen in den beiden Ländern voneinander unabhängig sind. In diesem Fall würde bereits der alleinige Fluß von Ideen die Wachstumsraten in einem gewissen Ausmaß erhöhen, da den FuE-Bereichen jeweils ein größerer Wissensbestand zur Verfügung stünde (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 546-547). Allerdings zeigen Rivera-Batiz/Romer (1991) auch, daß die Schlußfolgerung, daß der Fluß von Ideen entscheidend dafür sei, daß von der ökonomischen Integration ein Wachstumseekt ausginge, allgemein nicht zulässig ist, sondern darauf beruht, daß die Forschung wissensgetrieben ist. Alternativ nehmen sie deshalb an, daß die Erfindung von neuen Designs allein von der Faktorausstattung des FuE-Sektors abhängt. Konkret wird unterstellt, daß für neue Designs die gleiche Produktionsfunktion wie für den Output des Endprodukts (vgl. Gleichung 2.195) gilt, allerdings multipliziert mit einem konstanten Skalierungsfaktor E, also Z P { (p)133 gp, mit 0 ? , 0 ?  und  +  ? 1. (2.270) P˙ = EK\ O 0

Nun ist der Preis eines Designs allein technologisch als y = 1@E determiniert, wobei die Endprodukte wiederum als Numéraire dienen (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 536-537). Als langfristige gleichgewichtige Wachstumsrate erhält man j=

KK  O   , 

(2.271)

wobei K = E + ( + )+ (1    )233 ist.161 Auch in diesem Modell gibt es einen Skaleneekt, der bei der Analyse von Außenhandelswirkungen relevant ist. So würden bei einer vollständigen Integration von wiederum zwei identischen Ländern die Faktorbestände auch auf 2K und 2O ansteigen und die Wachstumsrate entsprechend zunehmen. Kommt es unter diesen Bedingungen zu einem Außenhandel mit dierenzierten Kapitalgütern, so kann ein größerer Markt mit dem konstanten Preis für Designs nur in Einklang gebracht werden, indem der Zinssatz steigt. Dadurch reduziert sich die Nachfrage nach Kapitalgütern, was wiederum die Gewinne der unter monopolistischer Konkurrenz operierenden Anbieter dieser Güter senkt. Es kann gezeigt werden, daß es erforderlich ist, daß der Zinssatz um dem Faktor 2+ ansteigt.162 Dieser Faktor ergibt sich auch, wenn der Zinssatz unter Autarkie auf den Fall einer vollständigen Integration angewendet wird.163 Mithin ergibt sich in einem Modell, bei dem die Erfindung neuer Designs nur von der Ausstattung der FuE-Einrichtungen abhängt und keine Wissensspillovers existieren, allein durch den Außenhandel mit Zwischenprodukten der gleiche Wachstumseekt wie bei einer vollständigen Integration. 161

Vgl. Rivera-Batiz/Romer (1991), S. 539-540, sowie zur Herleitung S. 552-553. Vgl. Rivera-Batiz/Romer (1991), S. 548, sowie zur Herleitung S. 553-554. 163 Im Autarkiezustand beträgt der Zinssatz bei einem Gleichgewicht auf der Angebotsseite u = K  O und bei einer Verdopplung von K und O durch die vollständige Integration erhält man u = (2K) (2O) = 2+ K  O (vgl. Rivera-Batiz/Romer, 1991, S. 539, S. 548, sowie zur Herleitung des Zinssatzes bei Autarkie abermals S. 552-553) 162

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

157

Blickt man abschließend noch auf die Modelle, die ein endogenes Wachstum ohne Skaleneekte erklären, so kann hier natürlich kein Einfluß des durch die Integration gewachsenen Marktes auf das langfristige Wachstum erwartet werden, weil die Größe eines Landes bereits im Autarkiezustand keine Rolle spielt. Allerdings könnte auch in diesen Modellen die E!zienz der FuE zunehmen, und die Wissensakkumulation würde sich vorübergehend so lange erhöhen, bis das neue Gleichgewicht erreicht ist (vgl. Bretschger, 2002, S. 71-72). Dieser Befund gilt nicht nur für das einfache Modell von Jones (1995a), sondern auch für die elaborierteren Modelle. So zeigen Dinopoulos/Thompson (1999), S. 179, daß das Modell von Kortum (1997) für den Fall eines weltweit freien Wissensflusses für alle Länder die gleiche Wachstumsrate implizieren würde und daß es weiterhin keine Skaleneekte gäbe. Auch wenn von einer unvollständigen Technologiediffusion ausgegangen wird, wie dies in Eaton/Kortum (1999) geschieht, kommt es zwischen den Ländern zwar zu Unterschieden bei den Produktivitätsniveaus, aber sie wachsen weiterhin im Steady-State mit der gleichen Rate. Faktorreallokationseekte

Wie im vorherigen Abschnitt angesprochen, dürften bereits im Modell von RiveraBatiz/Romer (1991) beim Vorliegen einer internationalen Wissensdiusion Faktorreallokationseekte auftreten, weil sich die Produktivität des Humankapitals im FuE-Sektor bei unveränderter Produktivität im Endproduktsektor erhöht. Eingehender lassen sich die auf diesen Eekten beruhenden Integrationswirkungen aber anhand der Modellansätze von Grossman/Helpman (1991) für oene Volkswirtschaften diskutieren. Dabei sei zunächst die Situation betrachtet, daß eine vollständige internationale Wissensdiusion gegeben ist (Grossman/Helpman, 1991, Kap. 7). Ausgangspunkt ist das Modell mit horizontalen Innovationen auf der Ebene der Zwischenprodukte, die ohne den Einsatz der beiden Produktionsfaktoren unqualifizierte Arbeit und Humankapital zu High-Tech-Endprodukten zusammengefügt werden können, so daß die Herstellung von Zwischenprodukten und des High-Tech-Endproduktes modellmäßig in einem Sektor abgebildet werden kann.164 Nimmt man hier an, daß die drei möglichen Aktivitäten Herstellung des traditionellen Gutes, die gesamte Fertigung des High-Tech-Gutes sowie die FuE eindeutig nach ihren Faktorintensitäten geordnet werden können, so kommt es bei jedem Steady-State, bei dem die Länder nicht vollständig spezialisiert sind, zu einem Faktorpreisausgleich. Dies ist der Fall , wenn die Faktorausstattungen der Länder nicht zu unterschiedlich sind, so daß durch den Außenhandel die Situation einer vollständigen Integration reproduziert werden kann. Naheliegenderweise kann dabei davon ausgegangen werden, daß die FuE am humankapitalintensivsten ist, gefolgt von der Herstellung der dierenzierten Zwischenprodukte und schließlich des traditionellen Gutes. In solch einem Gleichgewicht führen die beiden Länder neue Zwischenprodukte mit der gleichen langfristigen Wachstumsrate ein, aber das Land mit der relativ reichlichen Humankapitalausstattung führt im Steady-State — bezogen auf den 164

Für den Fall horizontaler Innovationen vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 183-192.

158

2. Theoretische Erklärungsansätze

relativen Output des traditionellen Gutes — relativ mehr FuE durch als das Land mit der relativ reichlichen Ausstattung an unqualifizierter Arbeit.165 Dadurch produziert es auch eine größere Vielfalt an Zwischenprodukten und, da der Output pro Zwischenproduktvariante in beiden Ländern gleich ist, auch eine größere relative Gesamtmenge an Zwischenprodukteinheiten. Das langfristige Handelsmuster ergibt sich unmittelbar aus diesem Spezialisierungsmuster bei der Produktion. Zunächst einmal ergibt sich auf jeden Fall ein intraindustrieller Handel mit unterschiedlichen Zwischenprodukten. Dagegen hängt die Form des interindustriellen Handels davon ab, wie die FuE finanziert wird. Kann sie nur durch inländisches Sparen finanziert werden, weil Vermögenstitel nicht international gehandelt werden, so wird das relativ humankapitalreiche Land traditionelle Güter importieren und Nettoexporteur von High-Tech-Produkten sein. Das Umgekehrte gilt natürlich für das relativ reichlich mit unqualifizierter Arbeit ausgestattete Land. Werden die Vermögenstitel hingegen international gehandelt, kann ein Defizit in der Handelsbilanz durch einen Überschuß in der Dienstleistungsbilanz ausgeglichen werden, und eines der beiden Länder kann Nettoimporteur sowohl von dierenzierten Produkten als auch des traditionellen Gutes sein. Letztlich muß sich jedoch, wenn das langfristige Handelsungleichgewicht nicht so groß ist, daß eines der beiden Länder Nettoimporteur in beiden Sektoren wird, das Handelsmuster im Steady-State wieder dem Heckscher-Ohlin-Muster anpassen (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 188). Aus dem sich ergebenden Spezialisierungsmuster können unmittelbar Rückschlüsse auf die relativen Wachstumsraten der beiden Länder gezogen werden, wobei die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate des Outputs ein gewichteter Durchschnitt des Produktivitätswachstums in den beiden Sektoren ist. Da das Modell zu einer für beide Länder gleichen Wachstumsrate der Produktivität im HighTech-Sektor führt, dieser Sektor aber in dem relativ humankapitalreichen Land einen größeren Anteil am gesamten Output hat, wächst der reale Output dort schneller als in dem Land, das relativ reichlich mit unqualifizierter Arbeit ausgestattet ist. Hingegen nimmt der reale Konsum in beiden Ländern langfristig mit der gleichen Rate zu, weil der langfristige Zinssatz gleich und in jedem Land über den Außenhandel die gesamte Menge an innovativen Produkten verfügbar ist. Sind jedoch die Faktorausstattungen der beiden Länder so unterschiedlich, daß es zu keinem Faktorpreisausgleich kommt, kann allein durch den Außenhandel die Situation einer vollständigen Integration nicht reproduziert werden. Dann wird zumindest eines der beiden Länder langfristig entweder bei der Entwicklung von neuen Produkten oder bei der Herstellung des traditionellen Gutes nicht wettbewerbsfähig sein. Auf jeden Fall wird aber bei den dann möglichen Konstellationen die Wachstumsrate des Outputs in dem relativ humankapitalreichen Land höher sein als in dem Land, das relativ reichlich über unqualifizierte Arbeit verfügt. 165

Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung kommen auch Brecher/Choudhri/Schembri (1996) mit einem Modell, in dem es einfache Arbeit gibt. Sie zeigen für ihr Modell ebenfalls, daß für den Fall, daß die internationale Wissensdiusion langsamer ist als die nationale, zwar zwischen zwei Ländern ungleicher Größe eine Wissenslücke entsteht, diese aber im Steady-State konstant bleibt, weil das sektorale Produktivitätswachstum in beiden Ländern gleich ist.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

159

Wird anstelle der horizontalen von vertikalen Innovationen in der Form eines internationalen Qualitätswettbewerbs ausgegangen, so ist das High-Tech-Produkt als ein Kontinuum von Gütern zu interpretieren, die in jeweils unterschiedlichen Qualitäten hergestellt werden können.166 Für den Fall des Faktorpreisausgleichs und einer unvollständigen Spezialisierung ergibt sich dann formal das gleiche Ergebnis wie zuvor. Das relativ reichlich mit Humankapital ausgestattete Land spezialisiert sich relativ auf die FuE, und aufgrund seiner relativ größeren Zahl von Innovationserfolgen übernimmt es in einer relativ größeren Anzahl von HighTech-Industrien die Führungsposition (wiederum bezogen auf seinen Output bei dem traditionellen Gut). Bei einem ausgeglichenen Handel wird also das relativ humankapitalreiche Land das traditionelle Gut importieren und eine größere Menge an High-Tech-Gütern exportieren als importieren. Bei einer unausgeglichenen Handelsbilanz könnte ein Land langfristige beide Güter importieren, aber auf jeden Fall wäre das Handelsmuster zugunsten der Importe des traditionellen Gutes durch das relativ humankapitalreiche Land verzerrt (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 196). Damit weist dieses Land im langfristigen Gleichgewicht stets ein höheres Wachstum beim qualitätsadjustierten Output und Bruttoinlandsprodukt auf. Zudem sind auch in einer Situation, bei der es zu keinem Faktorpreisausgleich kommt, die sich dann ergebenden Konstellationen formal und qualitativ die gleichen wie zuvor beim Modell mit horizontalen Innovationen. Als Konsequenz folgt für beide Grundmodelle von Grossman/Helpman (1991), daß in einem Zweiländermodell bei vollständiger internationaler Wissensdiusion die langfristigen Spezialisierungs- und Handelsmuster gemäß der HeckscherOhlin-Theorie nur durch die relativen Faktorausstattungen bestimmt werden. Dynamische komparative Vorteile führen zu einer intersektoralen Faktorreallokation und bestimmen letztlich die langfristigen Wachstumsraten, während die Ländergröße keine Rolle spielt.167 Anders sieht es aus, wenn die Wissensdiusion national begrenzt ist (Grossman/Helpman, 1991, Kap. 8). In diesem Fall sind die Größenvorteile im FuEBereich auf die einzelnen Länder beschränkt, und wenn ein Land in diesem Bereich einen Produktivitätsvorsprung aufweist, wird es diesen beständig ausbauen. Mithin erzielt es einen immer höheren Weltmarktanteil bei den High-TechGütern, entweder in der Form von dierenzierten Zwischenprodukten oder von Endprodukten in unterschiedlicher Qualität. Langfristig wird sich über einen Anpassungsprozeß, in dessen Verlauf sich eine immer stärkere Arbeitsteilung ergibt, dieses Land vollständig auf die FuE und die Produktion von dierenzierten Gütern spezialisieren, während sich das Land mit einem anfänglichen Produktivitätsrückstand im FuE-Bereich auf die Herstellung des traditionellen Gutes be166

Für den Fall vertikaler Innovationen vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 192-196. Chong/Zanforlin (2001) ändern das Modell von Grossman/Helpman (1991) dahingehend ab, daß Innovationen, die im High-Tech-Bereich kreiert werden, von dem Sektor, der das traditionelle Produkt herstellt, assimiliert bzw. adaptiert werden können, was auch in diesem Sektor zu nichtabnehmenden Erträgen führt. Innerhalb des Heckscher-Ohlin-Rahmens zeigen sie dann, daß Technologiediusioneekte es einem Land, daß eine relativ geringe Humankapitalausstattung aufweist, ermöglichen, durch seinen Low-Tech-Sektor von nicht abnehmenden Wachstumsraten zu profitieren. 167

160

2. Theoretische Erklärungsansätze

schränkt. Somit werden durch den Außenhandel der anfängliche Vorsprung des einen Landes und der Rückstand des anderen Landes immer weiter verstärkt. Es kommt zu einer Divergenz der Niveaus (vgl. Bretschger, 1998, S. 157, und Bretschger, 2002, S. 74). Eine Ausnahme von dieser Entwicklung kann sich nur ergeben, wenn das Land mit dem kleineren Wissensbestand deutlich größer ist als sein Handelspartner, d. h., wenn es über wesentlich mehr Arbeit verfügt. Wendet es gleichzeitig einen relativ kleinen Teil seines Budgets für das traditionelle Gut auf, kann es einen moderaten Nachteil beim Wissensbestand überwinden. Obwohl es einen wesentlichen Teil seiner Ressourcen zur Herstellung des traditionellen Gutes einsetzt, müßte es in hohem Maße in FuE investieren. Das kleinere Land würde sich hingegen stark (oder möglicherweise vollständig) auf die Produktion bereits existierender HighTech-Varianten konzentrieren. Darunter würde in diesem Land die FuE leiden, was sich negativ auf die Wachstumsrate auswirkt. Umgekehrt würde sich in dem größeren Land die Innovationsdynamik erhöhen. Es wäre in der Lage, die technologische Lücke zu schließen und letztlich den Weltmarkt für High-Tech-Güter zu erobern (vgl. Grossman/Helpman, 1991, S. 228, sowie Bretschger, 1998, S. 158). Ein Zustand mit rein nationaler Wissensdiusion erönet aber auch Politikoptionen, die dauerhafte Wirkung haben. Gelingt es der Regierung eines anfänglich zurückliegenden Landes, die FuE-Investitionen vorübergehend zu erhöhen, so kann es seinen Produktivitätsrückstand in der FuE abbauen oder das führende Land sogar überholen. Wäre letzteres der Fall, so würde sich die internationale Spezialisierung umkehren. Es existiert also in diesem Modell in dem Sinne „Hysteresis”, daß eine vorübergehende Maßnahme zur Steigerung der FuE dauerhafte Auswirkungen hat (vgl. Grossman/Helpman, 1991, 229-233, sowie Bretschger, 1998, S. 157-158).168 Abschließend soll noch einmal zu der Situation mit vollständiger internationaler Wissensdiusion zurückgekehrt werden, und es soll gleichzeitig angenommen werden, daß ein Teil der Länder nicht in der Lage ist, neue innovative Produkte zu entwickeln. Diese Länder könnten unter den weiteren Annahmen, daß sie niedrigere Produktionskosten aufweisen und daß der Patentschutz für die führenden Länder nicht weltweit wirksam ist, mit einem gewissen Ressourceneinsatz innovative Produkte nach einer Weile imitieren und billiger anbieten. Bei solch einer Konstellation können die Grundmodelle für oene Volkswirtschaften zu Produktzyklusmodellen ausgebaut werden, bei denen genauso wie bei den bereits im Abschnitt 2.3.2 dargestellten Modellen dieses Typs ohne endogenem Wachstum nur bestimmte Länder (der „Norden”) innovative Produkte hervorbringen, die nach einer gewissen Zeit von anderen, weniger entwickelten Ländern (dem „Süden”) imitiert werden. In diesem Fall wandert — innerhalb der Modelle — meist 168

Bretschger (1998), S. 158, weist noch einmal ausdrücklich darauf hin, daß dies nur für den Extemfall der rein nationalen Wissensdiusion gilt. Sobald es zu einer spürbaren internationalen Wissensdiusion käme, hätten die zurückliegenden Länder auch ohne spezielle Förderung bessere Chancen, FuE zu betreiben und dierenzierte Güter zu produzieren. Eine relativ kritische Position mit Blick auf mögliche Politikoptionen, die dem Ziel dienen sollen, die komparativen Vorteile zu verändern, wird auch in Aghion/Howitt (1998), S. 393, eingenommen.

2.5 Neue Wachstumstheorie mit endogenem technischen Fortschritt

161

die gesamte Fertigung dieser Güter in den Süden, da dort — wie gesagt — die Produktionskosten annahmegemäß niedriger sind (vgl. Bretschger, 1998, S. 158).169 Faktorhandelseekte

Aufgrund der Diskussion der Faktorreallokationseekte kann unmittelbar aufgezeigt werden, wann ein Faktorhandel attraktiv sein kann. Sind die Faktorausstattungen der Länder nicht zu unterschiedlich und gibt es eine internationale Wissensdiusion, kann allein durch einen Außenhandel ein Faktorpreisausgleich erreicht und die Situation einer vollständigen Integration reproduziert werden. Es gibt dann — genauso wie in der klassischen Außenhandelstheorie — keinen Anlaß für einen Faktorhandel. Anders sieht es aus, wenn entweder die beiden Länder so unterschiedlich sind, daß es zu keinem Faktorpreisausgleich kommt, oder wenn die Wissensdiusion national begrenzt ist und es zu einer vollständigen Spezialisierung kommt, bei der im Regelfall ein Faktorpreisausgleich ebenfalls nicht möglich ist. Bei diesen Konstellationen würde bei zulässiger Faktormobilität jeweils der Faktor — entweder unqualifizierte Arbeit oder Humankapital — in das Land wandern, in dem er das höhere Grenzprodukt aufweist. Für das Humankapital wird dies das Land mit dem größeren Wissensbestand sein, so daß sich durch die Faktormobilität die internationalen Wachstumsunterschiede noch verstärken können (vgl. Bretschger, 2002, S. 76). Die weiteren Wirkungen einer Zuwanderung von unqualifizierter Arbeit und Humankapital hängen hingegen auch von der Substitutionselastizität dieser beiden Faktoren ab, weil sie für die sektorale Umverteilung der Ressourcen im Anschluß an die Migration entscheidend ist. Bei einer hohen Substitutionselastizität wird durch die Zuwanderung unqualifizierter Arbeit Humankapital in der Produktion des traditionellen Gutes freigesetzt und steht mithin der Forschung zur Verfügung, während bei einer geringen Elastizität bei der gleichen Zuwanderung die Herstellung des traditionellen Gutes so stark ausgedehnt wird, daß der Humankapitaleinsatz in den anderen Sektoren reduziert wird. Im ersten Fall ergeben sich wachstumsförderliche, im zweiten Fall wachstumsreduzierende Eekte (vgl. Bretschger, 1998, S. 159). Zusammenfassende Schlußfolgerungen

Nach Bretschger (2002), S. 77-78, lassen sich aus der Literatur zum Zusammenhang von Integration und endogenem, durch FuE getriebenem Wachstum trotz der Verschiedenheit der Ansätze und Ergebnisse einige allgemeine Schlußfolgerungen ziehen: 1. Wenn der angenommene Wachstumsprozeß auf Skaleneekten beruht und sich diese durch die Integration vergrößern, verbessern sich durch eine Intensivierung des Handels die Voraussetzungen für ein langfristiges Wachstum. 169

Solche Nord-Süd-Modelle mit z. T. unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Gewinner und Verlierer des Integrationsprozesses finden sich z. B. in Segerstrom/Anant/Dinopoulos (1990) (vgl. Abschnitt 2.3.2); Grossman/Helpman (1991), Kap. 11 und 12; Grossman/Helpman (1991a); Detragaiche (1998); Currie/Levine/Pearlman u. a. (1999); Martin/Ottaviano (1999); Peretto (1999); Acemoglu/Zilibotti (2001) und Chui/Levine/Pearlman (2001).

162

2. Theoretische Erklärungsansätze

2. Sind die Skaleneekte nicht oder nur schwach vorhanden, gibt es ebenfalls eine positive Wirkung der Integration, allerdings nur bis zum Erreichen eines neuen Gleichgewichts. 3. Aufgrund der Faktorreallokationseekte sind auch Situationen möglich, in denen Integration das Wachstum der Länder senkt. Die dynamischen Wirkungen einer ungünstigen Faktorreallokation sind allerdings weniger groß, wenn davon ausgegangen wird, daß alle Sektoren in unterschiedlicher Weise zu den Skaleneekten beitragen. Zudem können auch hier die nicht unerheblichen statischen Vorteile einer Integration erwartet werden. 4. Durch den Faktorhandel werden bestehende Wachstumsunterschiede in den meisten Fällen verstärkt. Auch mit Blick auf die Entwicklung der Spezialisierungen ergeben sich einige allgemeine Implikationen: 1. Bereits im Modell von Rivera-Batiz/Romer (1991) kommt es durch die Önung der Volkswirtschaften zu einer stärkeren (vollkommenen) Spezialisierung der betrachteten Länder, weil auf der internationalen Ebene Doppelforschung vermieden wird. 2. Im Modell von Grossman/Helpman (1991) erfolgt die Spezialisierung bei einer internationalen Wissensdiusion gemäß der komparativen Vorteile bei den Faktorausstattungen. Dagegen wird bei einer rein nationalen Wissensdiusion der anfängliche Produktivitätsvorsprung eines Landes aufgrund seines Größenvorteils im FuE-Bereich durch den Außenhandel i. d. R. weiter ausgebaut, während das andere Land zurückfällt. 3. Mithin kann aus theoretischer Sicht im Zuge der zunehmenden Integration von Volkswirtschaften — insbesondere wenn sie relativ ähnliche Faktorausstattungen aufweisen — auf eine zunehmende Spezialisierung in komplementären Feldern wissenschaftlichen und technologischen Know-hows geschlossen werden. Aus empirischer Sicht sollte also ein Anstieg der technologischen Spezialisierung sowie der Produktions- und Außenhandelsspezialisierung erwartet werden. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung innerhalb Europas (vgl. Grupp/Jungmittag, 1999, S. 556).

2.6

Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Kapitel wurden die wesentlichen Stränge der wachstumstheoretischen Literatur dargestellt und diskutiert, die einen Beitrag zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen der Innovationsdynamik, der technologischen sowie wirtschaftlichen Spezialisierung und der Wachstums- sowie Produktivitätsentwicklung von Volkswirtschaften leisten können. In Hinblick auf die folgenden empirischen Untersuchungen für die EU-Länder ergibt sich auf der Basis der betrachteten ökonomischen Modelle eine Reihe von theoretisch begründbaren Erwartungen und Implikationen für die Vorgehensweise.

2.6 Zusammenfassung und Ausblick

163

Mit Blick auf die Innovationsdynamik kommen alle Modelle trotz ihrer unterschiedlichen theoretischen Fundierungen und konkreten Ausgestaltungen — mehr oder weniger explizit — zu dem Ergebnis, daß der technische Fortschritt und Innovationen wichtige treibende Kräfte des wirtschaftlichen Wachstums sind. Mithin sollte die Analyse der langfristigen Innovationsdynamik bzw. der Innovationsfähigkeit der EU-Staaten am Anfang der empirischen Untersuchungen stehen. Sie kann auch Erkenntnisse in bezug auf die wirtschaftlichen Wachstums- und Konvergenzperspektiven liefern. Hinsichtlich des letzteren Punkts interessiert insbesondere die Frage, ob es innerhalb der EU im Zeitablauf zu einer Angleichung (Konvergenz) oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten kommt, d. h. ob technologische Lücken dauerhaft sind oder ob sie sich im Zeitablauf verringern oder sogar schließen. Eine konvergierende Entwicklung der nationalen Innovationsfähigkeiten innerhalb der EU dürfte auch die Angleichung der Pro-KopfEinkommen und Arbeitsproduktivitäten vorantreiben. In Tabelle 2.2 wird ein zusammenfassender holzschnittartiger Überblick über die Aussagen der einzelnen Theorierichtungen bezüglich der Konvergenz der Innovationsfähigkeiten und deren Implikationen für die wirtschaftliche Konvergenz gegeben. Natürlich kann aus dem neoklassischen Wachstumsmodell keine Aussage über eine mögliche Konvergenz der Innovationsfähigkeiten abgeleitet werden, weil in ihm die Rate des technischen Fortschritts exogen vorgegeben ist. Aber nur wenn dieser Parameter — neben der Sparquote und der Rate des Bevölkerungswachstums sowie der Abschreibungen — für alle betrachteten Länder gleich ist, kann es zu einer absoluten Konvergenz kommen, anderenfalls gibt es nur eine bedingte Konvergenz zu eigenen Wachstumspfaden. Die unter dem Begri „exportbasiertes Wachstum” subsumierten Ansätze beschäftigen sich in ihrer ursprünglichen Form nicht mit den nationalen Innovationsfähigkeiten im engeren Sinne. Diese Frage wird erst in den erweiterten Ansätzen aufgegrien, aber nicht in Richtung auf eine Divergenz oder Konvergenz diskutiert oder modelliert. Nichtsdestotrotz sind in diesen Modellen — implizit oder explizit — Unterschiede in den Innovationsfähigkeiten mitverantwortlich dafür, daß dauerhafte Dierenzen bei den Wachstumsraten vorherrschen. Bei der ersten Gruppe der „Technologielücken-Ansätze”, bei der die Aufholchancen von weniger entwickelten Ländern im Mittelpunkt des Interesses stehen, ist die Frage der Konvergenz der Innovationsfähigkeiten kein Untersuchungsgegenstand. Aber allein durch Wissensdiusion und Imitation sind Aufholprozesse bis zu einem gewissen Grad möglich. In einigen Ansätzen wird dabei vorausgesetzt, daß die aufholenden Länder gewisse Assimilierungs- bzw. Adaptionsfähigkeiten aufweisen können. Bei der zweiten Gruppe von Ansätzen, die sich mit durch technologische Lücken generiertem Außenhandel beschäftigen, kommt es zu keiner Konvergenz der Innovationsfähigkeiten, wenn die Innovationen pfadabhängig oder — bildlich gesprochen — autokorreliert sind. Andererseits kann es aber auch sein, daß die Innovationen über mehrere Länder in verschiedenen Sektoren hervorgebracht werden, so daß keine Konzentration der Innovationstätigkeit erfolgt. Die Frage, ob es zu einer Konvergenz oder Divergenz der Pro-Kopf-Einkommen oder Arbeitsproduktivitäten kommt, wird dabei nicht betrachtet. Bei der auf der zweiten Gruppe von Technologielücken-Ansätzen aufbauenden Produktzyklustheorie

164

2. Theoretische Erklärungsansätze

Tabelle 2.2: Theoretische Aussagen zur Konvergenz der Innovationsfähigkeiten Theorie Neoklassische Wachstumstheorie - Einsektormodell - Zweisektorenmodell (geschlossene Volksw.) - Zweisektorenmodell (oene Volksw.) Exportbasiertes Wachstum Technologische Lücke und Aufholprozesse Technologische Lücke und Außenhandel

Produktzyklustheorie

Evolutorische Ökonomik Learning-by-Doing als Triebkraft endogenen Wachstums FuE als Triebkraft endogenen Wachstums - geschlossene Volksw. - mit Skaleneekten - ohne Skaleneekte - oene Volksw.

Konvergenz der Innovationsfähigkeit

Wirtschaftliche Konvergenz

? ?

Entweder absolute oder bedingte Konvergenz Konvergenz oder Divergenz Dauerhafte Dierenz der Wachstumsraten Aufholprozesse bis zu einem gewissen Grad möglich ?

? ? nicht Untersuchungsgegenstand nein, wenn „Autokorrelation” der Innovationen; aber Innovationen können in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Sektoren auftreten nein

Aufholprozesse bis zu einem gewissen Grad möglich ja/nein ja/nein Häufig langfristiges Abwechseln von Phasen der Konvergenz und Divergenz nein nein (Ausnahmen möglich)

nein ?/nein nein/?

nein ?/nein nein/bedingte Konv.

kommt es hingegen eindeutig zu keiner Angleichung der Innovationsfähigkeiten, weil ein Land stets das innovierende und das andere Land das imitierende ist. Gleichwohl sind wiederum durch Imitationen zu einem gewissen Grad wirtschaftliche Aufholprozesse möglich. Bei den Wachstumsmodellen der evolutorischen Ökonomik kann es sowohl zu einer Konvergenz der FuE- bzw. Innovationsaktivitäten und damit verbunden zu einer weitreichenden Konvergenz der Arbeitsproduktivitäten kommen als auch zu divergenten Entwicklungen. Relativ allgemein kann deshalb auf der Basis dieser

2.6 Zusammenfassung und Ausblick

165

Modelle geschlußfolgert werden, daß sich langfristig Phasen der Divergenz und Konvergenz abwechseln. Eindeutiger sieht es bei den meisten Modellen der neuen Wachstumstheorie aus. Bei den Modellen, bei denen Learning-by-Doing die Triebkraft des endogenen Wachstums ist, kommt es weder zu einer Konvergenz der Innovationsfähigkeiten noch der Pro-Kopf-Einkommen: Die Wachstumsraten der einzelnen Volkswirtschaften variieren im Regelfall mit der Größe des Landes bzw. seines Humankapitalbestandes. Nur wenn es neben inkrementalen auch fundamentale Innovationen oder aber einen anderen konvergenzförderlichen Mechanismus gibt, können auch Überholprozesse oder eine Konvergenz der Wachstumsraten auftreten. Die Befunde für die Modelle, bei denen FuE die Triebkraft des endogenen Wachstums ist, sind ebenfalls recht eindeutig, wenn Skaleneekte vorliegen. Hier kommt es ebenfalls zu keiner Konvergenz der Innovationsfähigkeiten, und die Länder weisen mithin langfristig unterschiedliche Wachstumsraten auf. Bei den einfachen Modellen ohne Skaleneekte muß dies nicht unbedingt so sein, während bei den elaborierteren Modellen dieses Typs wieder divergierende Entwicklungen dominieren. Allerdings zeigen einige der Modelle ohne Skaleneffekte auch, wenn sie auf den Fall oener Volkswirtschaften übertragen werden, daß die betrachteten Länder selbst bei einer unvollständigen internationalen Wissensdiusion langfristig gleiche Wachstumsraten aufweisen. Zur Erklärung der aus theoretischer Sicht häufig zu erwartenden Niveau- und Wachstumsunterschiede bei den Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten reicht aber eine Analyse der Entwicklung der Innovationsfähigkeiten auf der aggregierten Ebene nicht aus. Verbunden damit sind unterschiedliche technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen. Deshalb muß innerhalb der gesamten empirischen Untersuchung der Analyse der Entwicklung der Spezialisierungen der einzelnen EU-Staaten ein zentraler Stellenwert zukommen. Dabei ist im Regelfall davon auszugehen, daß die technologische Spezialisierung die Produktionsspezialisierung und diese wiederum die Außenhandelsspezialisierung treibt. Zudem ist, wie bereits in der Einleitung angesprochen, zwischen einer Smithianischen und einer Ricardianischen Spezialisierung zu unterscheiden. Die Aussagen der einzelnen Theorieansätze in bezug auf die Relevanz und Veränderungsrichtung der Spezialisierungen sind in Tabelle 2.3 wiedergegeben. Innerhalb des Einsektormodells der neoklassischen Wachstumstheorie hat die Spezialisierung naturgemäß keine Bedeutung. Aber auch beim Zweisektorenmodell für eine geschlossene Volkswirtschaft kommt ihr keine entscheidende Rolle für die Konvergenz zu. Für den Fall der oenen Volkswirtschaft ist es hingegen durchaus relevant, wie stark ein Land auf die Herstellung des Investitions- oder Konsumgutes spezialisiert ist. Aufgrund der Vielzahl möglicher Anpassungspfade und der insgesamt recht unübersichtlichen Struktur des Modells lassen sich aber kaum eindeutige Aussagen über die Richtung der Veränderungen machen. Aus Sicht der Theorieansätze zum exportbasierten Wachstum trägt hingegen die technologische Leistungsfähigkeit und die daraus resultierende Ricardianische Spezialisierung über die höheren Einkommenselastizitäten der Exportnachfrage zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei. Während bei den Grundmodellen dieser Theorierichtung eine Modellierung bzw. Endogenisierung dieses Wirkungskanals noch nicht vorgenommen wird, sind es vor allem Vertreter der evolutorischen

166

2. Theoretische Erklärungsansätze

Tabelle 2.3: Theoretische Aussagen zu der Relevanz und den Veränderungsrichtungen der Spezialisierung Theorie Neoklassische Wachstumstheorie - Einsektormodell - Zweisektorenm. (geschl. Volksw.) (oene Volksw.) Exportbasiertes Wachstum Technol. Lücke u. Aufholprozesse Technol. Lücke u. Außenhandel Produktzyklustheorie Evolutorische Ökonomik Learning-by-Doing als Triebkraft endogenen Wachstums FuE als Triebkraft endog. Wachstums - geschl. Volksw. - m. Skaleneekten - o. Skaleneekte - oene Volksw.

Relevanz Smithianisch Ricardianisch

Veränderungsrichtung Smithianisch Ricardianisch

nein

nein

nein nein nein

nein ja ja

%& %&

nein

ja

%&

nein

ja

$

nein

ja

$

ja

ja

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ja

ja

$

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ja nein/ja ja

ja nein/ja ja

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Neo-Schumpeterschen Ökonomik, die zunächst nur mehr oder weniger formalisierte Argumentationshilfen für ihre eigenen empirischen Untersuchungen und schließlich auch ein Modell vorlegen, in dem das Wachstum und die Spezialisierung einer Volkswirtschaft interdependent sind. Dabei können sowohl Pfade einer erfolgreichen Ricardianischen Spezialisierung und hohen Wachstums als auch das Phänomen eines Lock-in in ein Regime mit niedrigem Wachstum aufgrund einer bestimmten — anfänglich durchaus hohes Wachstum verheißenden — Wirtschaftsstruktur abgebildet werden. Insgesamt liefert dieser Theoriestrang vor allem nachfrageseitige Argumente für die Bedeutung der Ricardianischen Spezialisierung. Bei den Ansätzen zur technologischen Lücke, die die Aufholmöglichkeiten von anfänglich weniger entwickelten Ländern betrachten, kommt es im Sinne von Gerschenkron (1962) entscheidend mit darauf an, daß die zurückliegenden Länder einerseits bei ihren Imitationsprozessen bewußt zwischen verschiedenen technologischen Möglichkeiten und deren Entwicklungspfaden wählen und andererseits aufgrund ihres späten Einstiegs schnell Skalenerträge realisieren können bzw. be-

2.6 Zusammenfassung und Ausblick

167

wußt solche Industrien auswählen können, in denen schnell steigende Skalenerträge zu erwarten sind. Also spielt auch hier die Ricardianische Spezialisierung eine Rolle, es werden allerdings keine eindeutigen Aussagen gemacht, in welche Richtung sich diese im Rahmen eines Aufholprozesses verändern. Hier sind gerade auch bei den formalen Modellen verschiedene Entwicklungspfade möglich. Für die Gruppe von theoretischen Ansätzen, bei denen eine technologische Lücke den Anlaß für einen Außenhandel bildet, kann modellimmanent ebenfalls kaum eine Aussage über die Entwicklungsrichtung der Spezialisierung gemacht werden. Allerdings mutmaßt Posner (1961), S. 338-341, daß sowohl bei sektoral „autokorrelierten” als auch bei zufällig generierten Innovationen die komparativen Vorteile und die Handelsmuster mittelfristig relativ stabil sein dürften. Ähnlich argumentiert auch Burenstam-Linder (1961), S. 106, daß insgesamt bei seiner Erklärung des internationalen Handels mit Gütern des Verarbeitenden Gewerbes davon ausgegangen werden kann, daß die aufgrund der Produktdierenzierungen und sonstigen Quellen komparativer Vorteile entstehenden Spezialisierungen bzw. Handelsmuster im Zeitablauf relativ stabil sind, weil die zugrunde liegenden Quellen, wie z. B. technologische Überlegenheiten, sich nicht allzu schnell ändern. Dagegen ist die Beurteilung der Entwicklung der Spezialisierungsmuster bei den Produktzyklusmodellen zwiegespalten. Auf der einen Seite sind die technologisch führenden Länder natürlich immer auf die innovativen Produkte und die andere Gruppe von Ländern durch den Technologietransfer auf bereits ältere Produkte spezialisiert, andererseits ändern sich dadurch, daß alle neuen Produkte irgendwann imitiert werden können, die Spezialisierungsmuster im engeren Sinne relativ schnell. Inwieweit dies als realistisch angesehen werden kann, ist letztlich eine empirische Frage. Die evolutorische Ökonomik ist der erste der betrachteten Theorieansätze, der sowohl einer Smithianischen als auch einer Ricardianischen Spezialisierung Bedeutung beimißt. Da im Rahmen des Variations-Selektionsprozesses sowohl die Anzahl der verfügbaren Varianten als auch die Pfadabhängigkeit des Lernens und der Adaption eine zentrale Rolle spielen, kommt hier auch der Smithianischen Spezialisierung eine wichtige Bedeutung zu. Gleichzeitig führt der Selektionsdruck auch dazu, daß der Versuch unternommen wird, sich durch Produkt- und Prozeßinnovationen an die wesentlichen Charakteristika der erfolgreichen Varianten anzupassen. Insofern ist die Ricardianische Spezialisierung relevant. Während über die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierung keine eindeutige Aussage gemacht werden kann, kann bei der Ricardianischen Spezialisierung bei den erfolgreichen Innovatoren ein Anstieg erwartet werden. Dies zeigen teilweise auch die formalen evolutorischen Wachstumsmodelle. Innerhalb der Gruppe der Modelle der neuen Wachstumstheorie, bei denen Learning-by-Doing die Triebkraft des endogenen Wachstums ist, ist je nach Ansatz auch entweder eine Smithianische oder eine Ricardianische Spezialisierung relevant. Auf die Bedeutung der ersteren für das Wirtschaftswachstum kann allerdings nur beim Modell von Romer (1986) geschlossen werden, wenn es auf verschiedene Branchen bezogen wird. Bei den Zweisektorenmodellen ist hingegen stets eine Ricardianische Spezialisierung für die Wachstumsunterschiede verantwortlich, weil im Regelfall das Land, das auf die Produktion des Gutes mit den

168

2. Theoretische Erklärungsansätze

größeren Lernmöglichkeiten spezialisiert ist, ebenfalls das höhere Wachstum aufweist. Zudem kommt es hier bei der Mehrzahl der Modelle zu einer Zunahme der Spezialisierung. Auch wenn FuE die Triebkraft des endogenen Wachstums ist, können bei den Modellen mit Skaleneekten beide Arten der Spezialisierung relevant sein. Bei den Modellen mit horizontalen Produktinnovationen ist eine möglichst hohe Diversifikation und damit verbunden eine möglichst hohe Smithianische Spezialisierung der einzelnen Unternehmen wachstumsförderlich. Anders sieht es bei den Modellen mit vertikalen Produktinnovationen aus. Hier wächst eine Volkswirtschaft besonders schnell, wenn sie eine hohe FuE-Intensität und damit eine hohe Innovationsrate sowie gleichzeitig angemessen große Schritte auf der Qualitätsleiter aufweist. In diesem Fall ist also eindeutig eine Ricardianische Spezialisierung wachstumsförderlich. Liegen keine Skaleneekte vor, so fallen die Schlußfolgerungen bezüglich der Relevanz der Spezialisierung je nach Modell recht unterschiedlich aus. In all diesen Modellen können zudem keine eindeutigen Aussagen zu den Veränderungen der Spezialisierungen gemacht werden. Bei den FuE-Modellen für oene Volkswirtschaften ist vor allem die Ricardianische Spezialisierung relevant und wachstumsförderlich. Hier kann mit einer zunehmenden Integration ein Anstieg erwartet werden. Zudem kann aus theoretischer Sicht auch innerhalb des FuE-intensiven Bereichs auf eine wachsende Spezialisierung in komplementären Feldern wissenschaftlichen und technologischen Know-hows geschlossen werden, weil auf der internationalen Ebene Doppelforschung vermieden wird. Ferner zeigen verschiedene theoretische Modelle, die in diesem Kapitel betrachtet wurden, daß technologisch zurückliegende Länder durch die Imitation von Technologien anderer Länder aufholen können. Wissensdiusion und Technologietransfer wirken also i. d. R. konvergenzförderlich, während starke Ricardianische Spezialisierungen die Divergenz vorantreiben. Mithin sollte bei einer empirischen Analyse der Auswirkungen der Innovationsdynamik und der Spezialisierung auf das Wirtschaftswachstum und die Konvergenz innerhalb der EU die Wissensdiffusion ebenfalls als Wachstumsdeterminante einbezogen werden. Zusammenfassend kann — mit Blick auf die sehr unterschiedliche Ausgestaltung der betrachteten theoretischen Ansätze und auch angesichts der nicht abgeschlossenen Debatte um die Bedeutung der Skaleneekte als Motor des endogenen Wachstums — für die empirische Untersuchung geschlußfolgert werden, daß bei der Abschätzung der Auswirkungen von Innovationen, Wissensdiusion und Spezialisierung auf das Wirtschaftswachstum und die Konvergenz der EU-Länder keine all zu enge funktionelle Form vorgegeben werden sollte. Anders formuliert: die verschiedenen theoretischen Ansätze sind in ihrer Gesamtheit (noch) nicht soweit entwickelt, daß lauter wohlspezifizierte Modelle gegeneinander getestet werden können. Mit den Worten von Leamer/Levinsohn (1995), S. 1341, geht es in solch einer Situation darum, unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der ökonomischen Theorie zu schätzen und nicht zu testen.

Anhang: Das neoklassische Wachstumsmodell

169

Anhang: Das neoklassische Wachstumsmodell mit exogenem technischen Fortschritt Das neoklassische Wachstumsmodell wurde wesentlich in Solow (1956) als Gegenentwurf zu den keynesianisch geprägten Wachstumsmodellen (Harrod, 1939; Domar, 1946) eingeführt, die noch stark in der damals vorherrschenden Ansicht verhaftet waren, daß die Marktkräfte allein kein Wachstum bei Vollbeschäftigung gewährleisten könnten.170 So basiert es auch auf den üblichen neoklassischen Annahmen wie vollständigem Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten sowie konstanten Skalenerträgen in der aggregierten Produktionsfunktion. Im folgenden soll zunächst das grundlegende Einsektormodell vorgestellt und gewürdigt werden. Da ein Einsektormodell natürlich — wie bereits einleitend erwähnt wurde — keine Aussagen über Spezialisierungsmuster innerhalb einer Volkswirtschaft erlaubt, werden anschließend die Versuche vorgestellt, den Ansatz von Solow auf den Zweisektorenfall zu übertragen. Für beide Modelle wird jeweils unmittelbar geprüft, ob und in welcher Weise eine Önung der Volkswirtschaften — d. h. eine Integration in die Weltwirtschaft — in diesen Modellwelten ermöglicht werden kann und welche Auswirkungen sie hat. Das Einsektormodell Die geschlossene Volkswirtschaft

Um die Bedeutung des technischen Fortschritts im Modell von Solow herausarbeiten zu können, soll zunächst von einem Modell ohne technischen Fortschritt und den sich daraus ergebenden Konsequenzen ausgegangen werden.171 Kernstück dieses Modells ist eine aggregierte Produktionsfunktion \ (w) = I (N(w)> O(w)) >

(A1)

so daß der Output \ eine Funktion der Inputfaktoren Kapital N und Arbeit O ist. Zudem sind die einzelnen Variablen in Abhängigkeit von der Zeit w geschrieben. Dabei wird davon ausgegangen, daß der Arbeitsinput O der Bevölkerung entspreche, die mit einer konstanten exponentiellen Rate q wachse. Also stellt jedes Mitglied der Bevölkerung eine Einheit Arbeit pro Zeiteinheit zur Verfügung, und es herrscht dauerhafte Vollbeschäftigung. Zudem wird angenommen, daß die Funktion konstante Skalenerträge aufweise, so daß sie auch in Pro-KopfSchreibweise als |(w) = i (n(w)) >

(A2)

mit |(w) = \ (w)@O(w) und n(w) = N(w)@O(w) formuliert werden kann. Die entscheidende Eigenschaft dieser Produktionsfunktion ist nun, daß sie abnehmende 170 Vgl. Fagerberg (1994), S. 1148. Ein ähnliches Modell, das jedoch in der Folgezeit weniger beachtet wurde, wurde in Swan (1956) vorgeschlagen. Deshalb wird das einfache neoklassische Wachstumsmodell gelegentlich auch Solow-Swan-Modell genannt. 171 Darstellungen des Solow-Modells finden sich in Lehrbüchern zur Wachstumstheorie. Vgl. z. B. Aghion/Howitt (1998), S. 11-17; Barro/Sala-i-Martin (1995), S. 14-38 und Bretschger (1998), S. 27-52.

170

Theoretische Erklärungsansätze

n  G k (t ) sf (k (t ))

n  G k (t ) sf (k (t ))

k*

k1

k2

k

Abbildung 2.7: Investitionen, Bevölkerungswachstum, Abschreibungen und stationärer Zustand im Solow-Modell Erträge bei der Akkumulation des Faktors Kapital (oder gleichbedeutend abnehmende Grenzerträge des Faktors Kapital) aufweist. Diese Anforderung wird durch die sog. Inada-Bedingungen i 0 (n(w)) A 0> i 00 (n(w)) ? 0> lim i 0 (n(w)) = 0> lim i 0 (n(w)) = 4 n p = F> L= 0 gnp [ip (np )]2

(A27)

Aufgrund der ersten beiden Inada-Bedingungen ist dieser Ausdruck stets größer als null. Sein Kehrwert 0 [ip (np )]2 gnp ($) = A 0> p = F> L= 00 (n ) g$ ip (nl )ip p 184

(A28)

Dieses Intervall der zulässigen Werte für $ wird bereits in Uzawa (1961), S. 42 vorgestellt.

Anhang: Das neoklassische Wachstumsmodell

179

zeigt dann unmittelbar den Einfluß des Lohn-Zinssatz-Verhältnisses auf die Kapitalbestände der beiden Sektoren. Werden nun die Gleichungen (A21) bis (A24) in Gleichung (A25) eingesetzt, so ist $ eindeutig durch die sich ergebende Gleichung n+$ =

(nF ($) + $) (nL ($) + $) v(nF ($) + $) + (1  v)(nL ($) + $)

(A29)

bestimmt. Dies kann dadurch gezeigt werden, daß die rechte Seite von Gleichung (A29), die als eine Funktion von $ aufgefaßt werden kann, die als j($) bezeichnet werden soll, nach $ abgeleitet wird. Diese Ableitung lautet: j 0 ($) =

v(nF ($) + $)2 (1 + nL0 ($)) + (1  v)(nL ($) + $)2 (1 + nF0 ($)) > (A30) (v(nF ($) + $) + (1  v)(nL ($) + $))2

und sie ist stets größer als eins. Der Nachweis hierfür kann relativ einfach in zwei Schritten erfolgen. Nach Gleichung (A28) sind nL0 ($) und nF0 ($) stets größer null, mithin sind die Ausdrücke 1 + nL0 ($) und 1 + nF0 ($) größer als eins. Ersetzt man diese beiden Ausdrücke aus Gleichung (A30) durch eins und setzt den verbleibenden Term gleich 1 + {, so erhält man: 1+{=

v(nF ($) + $)2 + (1  v)(nL ($) + $)2 > (v(nF ($) + $) + (1  v)(nL ($) + $))2

(A31)

und aufgelöst nach {: {=

(v  v2 ) (nF ($)  nL ($))2  0= (vnF ($) + nL ($) + $  vnL ($))2

(A32)

Mithin ist Gleichung (A31)  1 und j0 ($) A 1. Da zudem j($) A 0 ist, ist Gleichung (A29) für jeden gegebenen Pro-Kopf-Gesamtkapitalbestand n A 0 eindeutig lösbar. Dabei wächst das Lohn-Zinssatz-Verhältnis $ mit n. Zur Bestimmung des kurzfristigen Gleichgewichtszustandes muß nun aber eine relativ drastische Annahme getroen werden, weil nur so die Stabilität eines Gleichgewichts gewährleistet werden kann. Es muß unterstellt werden, daß der Pro-Kopf-Kapitalbestand im Konsumgütersektor stets größer ist als im Investitionsgütersektor, also nF ($) A nL ($), für alle $ A 0.185 Dies impliziert dann auch: nF ($) A n A nL ($). Wird diese Annahme zugrunde gelegt, kann der Einfluß des Lohn-Zinssatz-Verhältnisses auf den Angebotspreis für neues Kapital, das ProKopf-Einkommen der gesamten Volkswirtschaft und der Pro-Kopf-Output des Investitionsgütersektors sowie auch umgekehrt der Einfluß der Sparquote auf das Lohn-Zinssatz-Verhältnis eindeutig hergeleitet werden. Der Einfluß des Lohn-Zinssatz-Verhältnisses $ auf den Angebotspreis für neues Kapital läßt sich auf der Grundlage von Gleichung (A24) bestimmen. Wird sie 185

Diese Annahme wurde auch bereits in der ersten Variante des Modells in Uzawa (1961) getroen. In Solow (1961) wird zwar darauf hingewiesen, daß es paradox erscheine, daß eine wichtige Eigenschaft des Gleichgewichtspfades von so einer willkürlichen Annahme bezüglich der Technologie abhänge, aber dort wird dann auch nur gezeigt, daß die Annahme beim Sonderfall von linear homogenen Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen nicht benötigt wird.

180

Theoretische Erklärungsansätze

logarithmiert und dann nach $ abgeleitet, so ergibt sich: i 00 (nF ($)) · nF0 ($) iL00 (nL ($)) · nL0 ($) g ln s 1 gs = = F 0  = g$ s g$ iF (nF ($)) iL0 (nL ($))

(A33)

Durch Einsetzen der Gleichungen (A28) und (A23) erhält man: 1 gs i 0 (nL ($)) iF0 (nF ($)) 1 1 = L  =  A 0= s g$ iL (nL ($)) iF (nF ($)) nL ($) + $ nF ($) + $

(A34)

Mithin ist gs@g$ für jeden beliebigen Wert von $ positiv, d. h. eine Erhöhung von $ führt zu einer Erhöhung des Angebotspreises für neues Kapital. Wird also der Faktor Arbeit relativ teuerer als der Faktor Kapital, so steigt der Preis für Investitionsgüter, bei deren Produktion relativ mehr Arbeit als bei der Herstellung von Konsumgütern eingesetzt wird. Zur Ermittlung des Einflusses von $ auf das Pro-Kopf-Einkommen innerhalb der Volkswirtschaft kann auf Gleichung (A22) zurückgegrien werden. Durch Einsetzen der Gleichungen für den Pro-Kopf-Output der beiden produzierenden Sektoren (A21) sowie der Preisgleichung (A24) erhält man: | = iF (nF ($))

n  nL iL (nL ($)) nF  n + iF0 (nF ($)) 0 > nF  nL iL (nL ($)) nF  nL

(A35)

und unter Verwendung von (A23): | = iF0 (nF ($)) (n + $)=

(A36)

Die Ableitung der logarithmierten Gleichung ergibt dann unter Berücksichtigung von Gleichung (A28): 1 1 1 g| =  = | g$ (n + $) nF ($) + $

(A37)

Auch hier existiert stets ein positiver Zusammenhang zwischen dem Lohn-Zinssatz-Verhältnis und dem Pro-Kopf-Einkommen, wenn die Annahme nF ($) A n A nL ($) zutrit. Ein analoges Ergebnis stellt sich auch für den Einfluß von $ auf den ProKopf-Output des Investitionsgütersektors ein. Die Ableitung des logarithmierten zweiten Terms in (A21) und Einsetzen der umgeformten Gleichung (A23) ergibt nämlich: µ ¶ 1 1 g|L 1 = + n0 |L g$ nL ($) + $ nF ($)  nL ($) L ¶ µ 1 1  nF0 = + (A38) nF ($)  n nF ($)  nL ($) Auch dieser Ausdruck ist positiv, so daß mit einer Zunahme von $ auch der Pro-Kopf-Output des Investitionsgütersektors wächst. Im Rahmen der Analyse eines kurzfristigen Gleichgewichtszustandes interessiert natürlich auch, wie das Lohn-Zinssatz-Verhältnis auf eine Änderung der

Anhang: Das neoklassische Wachstumsmodell

181

Sparquote reagiert, was dann wiederum Änderungen des Pro-Kopf-Einkommens, des sektoralen Pro-Kopf-Outputs und des relativen Preises für Investitionsgüter impliziert. Zur Ermittlung dieses Einflusses kann auf Gleichung (A29) zurückgegrien werden. Wird sie nach $ aufgelöst und anschließend nach v abgeleitet, so erhält man: (nL ($)  nF ($)) (n  nF ($)) (n  nL ($)) g$ = = gv (v (nF ($)  nL ($)) + (n  nF ($)))2

(A39)

Die Ausdrücke in den beiden ersten Klammern des Zählers sind jeweils negativ, so daß ihr Produkt positiv ist. Der Ausdruck in der dritten Klammer des Zählers ist auch positiv. Mithin ist der Zähler insgesamt positiv. Da der Nenner ebenfalls stets positiv ist, ist es der gesamte Ausdruck auch. Also steigt mit einer Zunahme der Sparquote auch das kurzfristig gleichgewichtige Lohn-Zinssatz-Verhältnis $, und damit auch — wie zuvor dargestellt — die von $ positiv beeinflußten Größen. Auf der Basis der Eigenschaften des kurzfristigen Gleichgewichts kann nun der langfristige Gleichgewichtszustand bestimmt und analysiert werden. Die Grundlage dafür bildet die aus dem einfachen neoklassischen Modell bereits bekannte Gleichung für die Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Pro-Kopf-Kapitalstocks. Die Wachstumsrate dieses Kapitalstocks beträgt im Zweisektorenmodell: |L n˙ =  (q + ) = n n

(A40)

Das gesamtwirtschaftliche Pro-Kopf-Einkommen kann als | = (zO + uN)@O = z + un

(A41)

und unter Verwendung von Gleichung (A16) auch als | = u(n + $) = siL0 (nL ($)) (n + $)

(A42)

geschrieben werden, so daß nach Gleichung (A25) der Pro-Kopf-Output des Investitionsgütersektors | |L = v = viL0 (nL ($)) (n + $) s

(A43)

beträgt. Unter der Annahme, daß sich die Volkswirtschaft in einem kurzfristigen Gleichgewicht befindet, kann dieser Ausdruck in Gleichung (A40) eingesetzt werden, so daß man nun für die Wachstumsrate des Pro-Kopf-Kapitalstocks n+$ n˙ = viL0 (nL ($))  (q + ) n n

(A44)

erhält, wobei die rechte Seite dieser Dierentialgleichung eine stetige Funktion von $ ist. Analog zum Einsektormodell ist dann ein langfristiger Gleichgewichtszustand erreicht, wenn viL0 (nLW ($W ))

nW + $W = (q + ) nW

(A45)

182

Theoretische Erklärungsansätze

gilt, also wenn die Produktion des Investitionsgütersektors gerade dem durch das Bevölkerungswachstum und den Verschleiß zusätzlich benötigten Kapital entspricht. Dabei ist $ W das gleichgewichtige Lohn-Zinssatz-Verhältnis für nW und nLW das optimale Faktoreinsatzverhältnis (NL @OL ) im Investitionsgütersektor. Unter der Bedingung, daß der Konsumgütersektor kapitalintensiver produziert als der Investitionsgütersektor und mithin die gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität zwischen diesen beiden Intensitäten liegt, existiert immer ein langfristiges Gleichgewicht mit einem eindeutig bestimmten n W . Um dies zu zeigen, sei ! ($) = viL0 (nL ($))

n ($) + $ > n ($)

(A46)

wobei n ($) Gleichung (A29) n ($) + $ =

(nF ($) + $) (nL ($) + $) , v(nF ($) + $) + (1  v)(nL ($) + $)

(A47)

bei der nun auch n in Abhängigkeit von $ hingeschrieben ist, genüge. Durch Logarithmieren und Dierenzieren von Gleichung (A46) sowie anschließendem Einsetzen der Gleichungen (A28) und (A23) ergibt sich: 1 g! ($) 1 1 = + ! ($) g$ nL ($) + $ n ($) + $ µ ¶ 1 1  + n0 ($) = n ($) + $ n ($)

(A48)

Aufgrund der Annahmen bezüglich der Kapitalintensitäten der Sektoren und da durch die ersten beiden Inada-Bedingungen gewährleistet ist, daß nl0 ($) A 0 ist, und somit auch n0 ($) A 0 ist, kann g! ($) @g$ nur größer null sein. Mithin existiert für jede beliebige Kombination von q und  nur ein $ W und ein dazugehöriger Pro-Kopf-Kapitalbestand n W = n($ W ), die einen eindeutigen und stabilen langfristigen Gleichgewichtszustand ! ($) = q +  gewährleisten. Damit ist der Gleichgewichtszustand genauso wie im Einsektormodell auch wieder unabhängig davon, aus welcher Richtung die Annäherung an die gleichgewichtige Kapitalintensität stattfindet. Wird die Annahme bezüglich der Kapitalintensitäten der Sektoren aber nicht erfüllt, so ist die gleichgewichtige gesamtwirtschaftliche Kapitalintensität nicht mehr eindeutig bestimmbar. Vielmehr können mehrere Gleichgewichtswerte für n existieren. Eine gegebene Kapitalintensität n(w) wird aber auch dann immer zu einem der Gleichgewichtswerte konvergieren. Damit dies gewährleistet ist, muß nur lim ! ($) = 4>

$w+n  ln |m>w+n | =w ) = 0=

nw+n  ln |q>w+n | =w ) = 0, für alle q 6= 1=

n = n ===> Q für einen fixierten Zeitraum von 0 bis W als jq = (ln |qW  ln |q0 ) @W gebildet und die Regressionsgleichung jq =  +  ln |q0 + %q

(3.7)

mittels des Kleinste-Quadrate-Verfahrens geschätzt. Auf eine Konvergenz der interessierenden Größe wird dann geschlossen, wenn der Wert des Regressionskoe!zienten  signifikant kleiner als Null ist. Analog wird zur Messung bedingter Konvergenz auf eine Regressionsgleichung jq =  +  ln |q0 +  0 xq + %q

(3.8)

zurückgegrien, wobei xq ein Vektor von Kontrollvariablen ist, von denen angenommen wird, daß sie für das Erreichen unterschiedlicher Gleichgewichtszustände verantwortlich sind, und  den Vektor der dazugehörigen Regressionskoe!zienten repräsentiert, die signifikant von Null verschieden sind. Barro/Salai-Martin (1991) zeigen, daß bei einer Herleitung der Testgleichung über das neoklassische Wachstumsmodell der Koe!zient  = (1  h3W )@W ist, wobei  die jährliche Konvergenzrate ist. Dagegen demonstrieren Bernard/Jones (1996b), daß bei Zugrundelegung eines einfachen Modells technologischen Aufholens  = (1  (1  )W )@W ist. Der Bezug dieses Konvergenzmeßkonzepts zur ersten Konvergenzdefinition ist schon intuitiv augenfällig, er läßt sich aber auch explizit zeigen.21 Wird die Möglichkeit einer bedingten Konvergenz aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt, so ergibt die Dierenz der Regressionsgleichung (3.7) für zwei beliebige Länder l und m: jl  jm =  (ln |l0  ln |m0 ) + %l  %m = 20

(3.9)

Ausführliche Diskussionen dieses Phänomens finden sich in Quah (1993; 1996; 1996a; 1996b; 1997; 1999). Dort wird als Alternative vorgeschlagen, nicht nur die zweiten Momente der Verteilung der interessierenden Größe, sondern ihre gesamten Dynamiken in die Analyse einzubeziehen. 21 Zur folgenden Darstellung vgl. Bernard/Durlauf (1996), S. 167.

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

221

Wenn ln |l0 A ln |m0 und  ? 0 ist, ist der Erwartungswert E(jl  jm ) ? 0, somit wächst — unter der Prämisse, daß jl und jm die langfristigen Wachstumsraten adäquat messen — die interessierende Größe in Land m im Durchschnitt stärker als im Land l, das Land m holt also auf.22 Dies entspricht genau der ersten Konvergenzdefinition für den univariaten Fall. Im multivariaten Fall von Q Ländern muß diese erste Definition aber nicht mehr für alle Länder erfüllt sein. Um dies zu zeigen, sei der Kleinste-QuadrateSchätzer von  betrachtet. Er lautet: ¢ Q ¡ X ln |q0  ln |0 (jq  j) ˆ = , (3.10) Q ¡ ¢2 P q=1 ln |q0  ln |0 q=1

PQ

PQ mit ln |0 = q=1 ln |q0 @Q sowie j = q=1 jq @Q, und kann auch durch die Summierung des Produkts von zwei Faktoren ¡ ¢2 ln |q0  ln |0 !q = Q und (3.11) ¢2 P¡ ln |q0  ln |0 q=1

als

(jq  j) ¢ #q = ¡ ln |q0  ln |0 ˆ =

Q X

!q #q

(3.12)

(3.13)

q=1

dargestellt werden. Der geschätzte -Koe!zient ist also ein gewichteter Durchschnitt der Verhältnisse der Abweichungen der Wachstumsraten von ihrem Stichprobenmittelwert zu den Abweichungen der Anfangsniveaus zu ihrem Stichprobenmittelwert und für eine -Konvergenz muß der gewichtete Durchschnitt der Länder mit einem überdurchschnittlichen Ausgangsniveau eine unterdurchschnittliche Wachstumsrate aufweisen. Die Tatsache, daß es sich bei dem Schätzwert von  um einen gewichteten Durchschnitt handelt, bedeutet aber auch, daß sich bei einem negativen ˆ die Unterschiede zwischen einigen Paaren von Ländern — aber nicht unbedingt allen Paaren — verringert haben. Es kann also aufgrund dieses Tests nicht entschieden werden, ob alle Länder konvergieren, sich Konvergenzclubs bilden oder nur einige Länder konvergieren und andere nicht. Für den Fall, daß tatsächlich nur eine bedingte -Konvergenz im Sinne der Gleichung (3.8) vorliegt, aber auf eine absolute -Konvergenz getestet wird, liegt das in der Ökonometrie allgemein bekannte Problem ausgelassener Variablen vor (vgl. z. B. Harvey, 1994, S. 150). Können z. B. in dem wahren Modell die unterschiedlichen Gleichgewichtszustände durch eine einzige Kontrollvariable erfaßt 22

Unter welchen restriktiven Annahmen jq das Wachstum einer interessierenden Größe adäquat mißt und alternative Meßkonzepte dazu werden im weiteren Verlauf dieses Abschnitts noch dargestellt.

222

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

werden und wird diese Variable fälschlicherweise ausgelassen, so beträgt der Erwartungswert des verzerrten Schätzers ˜ für das wahre : Q ¡ ¢ P ln |q0  ln |0 ({q  {) ³ ´ ln | >{ E ˜ =  +  q=1 Q =  +  2 q0 q > ¢2 P¡  ln |q0 ln |q0  ln |0

(3.14)

q=1

wobei  ln |q0 >{q die Kovarianz von ln |q0 und {q und  2ln |q0 die Varianz von ln |q0 repräsentiert. Wenn der Ausgangszustand und die Kontrollvariable nicht orthogonal sind, kann es, je nachdem welches Vorzeichen und welche Größenordnung der zweite Ausdruck auf der rechten Seite der Gleichung aufweist, sein, daß der irrtümlich geschätzte Koe!zient ˜ ein negatives Vorzeichen besitzt, also auf Konvergenz geschlossen wird, obwohl der wahre Koe!zient   0 ist. In der Praxis ist zudem nicht davon auszugehen, daß es unbedingt gelingt, für alle Einflüsse, die permanente Dierenzen zwischen den Ländern bei der interessierenden Variable generieren, durch geeignete Variablen zu kontrollieren, so daß sich das Problem der ausgelassenen Variablen auch beim Einbezug einiger Kontrollvariablen stellen kann.23 Mithin folgt aus der Verknüpfung des Konzepts der absoluten -Konvergenz mit der ersten Konvergenzdefinition die überprüfbare Hypothese, daß die Mittelwerte der stochastischen Prozesse, die den Wachstumsraten zugrunde liegen, für im Ausgangszeitpunkt auf niedrigem und hohem Niveau befindliche Länder unterschiedlich sein müssen. Die so gemessene -Konvergenz widerspricht aber der zweiten Konvergenzdefinition, weil diese impliziert, daß die Mittelwerte der langfristigen Wachstumsraten gleich sind (Bernard/Durlauf, 1996, S. 169-170; Evans, 1996, S. 1030; Evans/Karras, 1996, S. 252; Evans, 1998, S. 296). Die bisherigen Argumente einbeziehend, zeigen auch Evans (1996) und Evans/ Karras (1996) für ihre Konvergenzdefinition (Gleichung 3.4), daß sie im allgemeinen nicht mit dem Ansatz zur -Konvergenzmessung vereinbar ist. Danach erlaubt der in einer Querschnittsregression ermittelte Schätzer für  nur dann zulässige Schlußfolgerungen bezüglich einer Konvergenz gemäß ihrer Definition, wenn erstens die interessierende Größe für alle betrachteten Länder eine identische autoregressive Struktur erster Ordnung aufweist, zweitens für alle dauerhaften Dierenzen dieser Größe zwischen den Ländern perfekt kontrolliert wird und drittens die Schocks, die auf die Größe einwirken, kontemporär unkorreliert sind. Es sei jedoch hochgradig unrealistisch anzunehmen, daß diese Bedingungen für reale 23 In Analogie zum allgemeinem Problem der ausgelassenen Variablen zeigen Bernard/Durlauf (1996), S. 168, für ein wahres Modell

jq =  +  (ln |q0  q ) + %q > in dem die Dierenzen zwischen verschiedenen Gleichgewichtszuständen q unmittelbar berücksichtigt sind, daß der fälschlichweise geschätzte Koe!zient à ! ³ ´ ln |q0 >q ln |q0  q >ln |q0 ˜ =  E  = 1  2ln |q0  2ln |q0 immer dann ein falsches Vorzeichen aufweist, wenn  ln |q0 >q ln |q0 negativ ist.

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

223

Datensätze als erfüllt gelten könnten (Evans/Karras, 1996, S. 253; Evans, 1997, S. 220). Da hingegen bei zeitreihenanalytischen Tests der Konvergenzhypothese die ersten beiden Bedingungen nicht erfüllt sein müssen, schlagen diese Autoren für Untersuchungen zu ihrer Konvergenzdefinition genauso wie Bernhard/Durlauf (1995; 1996) für Analysen auf der Basis ihrer zweiten Konvergenzdefinition vor, solche Verfahren zu verwenden. Bevor jedoch die zeitreihenanalytischen Verfahren vorgestellt und gewürdigt werden, muß noch auf zwei weitere, immanente Probleme der Querschnittstests hingewiesen werden. Das erste Problem ist mehr praktischer Natur und beruht auf der häufig vorzufindenden Art der Bestimmung der Wachstumsraten, das zweite ist grundsätzlicherer Natur und betrit das Verhältnis von - und -Konvergenz. Das erste Problem besteht in der Ausschöpfung der für empirische Untersuchungen zur Verfügung stehenden Stichprobeninformationen. Die Verwendung von durchschnittlichen Wachstumsraten stellt nämlich im allgemeinen eine Vergeudung von verfügbaren Zeitreiheninformationen dar (Bohl, 1998, S. 85). Implizit wird dabei unterstellt, daß die einzelnen Länder im Zeitablauf vollkommen stabile Wachstumspfade aufweisen, die nicht von Schocks beeinflußt sind. Zudem kann bei durchschnittlichen Wachstumsraten keine Unterscheidung zwischen dem langfristigen Trendwachstum und kurzfristigen Wachstumsschwankungen erfolgen, die bei einer langfristigen Wachstumsbetrachtung irrelevant sind. In Verspagen (1991) wird deshalb vorgeschlagen, die langfristigen Wachstumsraten !q durch folgende Trendschätzungen ln |qw =  q + !q w +

(3.15) ˆ zu bestimmen und die ermittelten Schätzwerte !q anschließend in der Querschnittsregression zur Ermittlung der -Konvergenz zu verwenden.24 Alle Zeitreiheninformationen werden bei einem solchen Vorgehen jedoch nur dann ausgeschöpft, wenn ln |w tatsächlich durch einen trendstationären Prozeß generiert wird. Das zweite Problem betrit die Kompatibilität der Tests auf - und -Konvergenz. Ein negativer Steigungskoe!zient in der Testgleichung auf -Konvergenz bedeutet nämlich nicht unbedingt, daß die Streuung der interessierenden Größe über den Querschnitt der betrachteten Länder abnimmt. Zwar verringert ein negatives  die Streuung der interessierenden Größe; neue Schocks, die durch die Störvariable der Regressionsgleichung erfaßt werden, erhöhen sie jedoch wiederum (Barro/Sala-i-Martin, 1991, S. 112). Mithin ist die durch einen negativen Steigungskoe!zienten diagnostizierte Mittelwertumkehr nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine -Konvergenz. Diese hängt auch vom linearen Bestimmtheitsmaß U2 der Schätzgleichung ab, d. h. von der relativen Bedeutung der zufälligen Störgrößen (Lichtenberg, 1994, S. 576). Dies kann leicht an einer vereinfachten Gleichung zur Ermittlung der -Konvergenz gezeigt werden, bei der auf eine Gewichtung von ln |qW  ln |q0 mit W q

24 In Verspagen (1991) geht es explizit um die Untersuchung von Aufholprozessen in der Tradition der Technologielücken-Ansätze, so daß er nicht das absolute Niveau einer Variable verwendet, sondern ihre relative Position gegenüber einem führenden Land. Jedoch läßt sich dieses Vorgehen auch auf den Fall der -Konvergenz anwenden.

224

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

verzichtet wird. Sie lautet ln |qW  ln |q0 = W +  W ln |q0 + xq

(3.16)

und kann alternativ als ln |qW = W + (1 +  W ) ln |q0 + xq = W +  ln |q0 + xq

(3.17)

geschrieben werden, wobei im Falle einer -Konvergenz 1   W  0 und somit 0    1 gilt. Aber auch wenn  hoch signifikant größer als Null und kleiner als Eins ist und mithin die Nullhypothese, daß keine Mittelwertumkehr vorliege, abgelehnt werden muß, wird in vielen Fällen keine -Konvergenz vorliegen, denn dafür muß der Ausdruck à !2 ln |q0 >ln |qW  2ln |q0  2ln |qW 2 = = ? 1 oder äquivalent µ ¶2 U2  2ln |q0 ln |q0 >ln |qW  ln |q0  ln |qW  ln |qW  = ?1 (3.18) U  ln |q0 sein (Lichtenberg, 1994, S. 577). Eine empirische Überprüfung dieser Hypothese kann allerdings — wie bereits angesprochen — nicht, wie in Lichtenberg (1994) vorgeschlagen, mit einem F-Test auf Varianzengleichheit erfolgen, weil die beiden Varianzen voneinander abhängig sind und als Konsequenz die Wahrscheinlichkeit, einen -Fehler (Fehler zweiter Art) zu begehen, sehr groß ist, d. h. die Nullhypothese der Nichtkonvergenz nicht abzulehnen, obwohl sie nicht zutrit. Auf dieses Problem wird in Carree/Klomp (1997) hingewiesen, und als Alternative wird dort eine Teststatistik vorgeschlagen, die diese Abhängigkeit der Varianzen durch die Aufnahme von  ˆ berücksichtigt. Sie lautet s ¡ 2 ¢ Q ln |q0 @ 2ln |qW  1 p W = (3.19) 2 1 ˆ2

und gehorcht asymptotisch einer Standardnormalverteilung. Ohne diesen formalen Zusammenhang zwischen der - und -Konvergenz zu würdigen, sondern auf ihre — bereits zitierte — allgemeinere Feststellung aufbauend, wird in Barro/Sala-i-Martin (1991), S. 112-113, gefolgert, daß die beiden Konzepte zur Untersuchung unterschiedlicher Fragestellungen geeignet seien. Wenn es darum ginge, zu untersuchen, mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Umfang sich die interessierende Größe in einem bestimmten Land an den Durchschnitt eines Querschnitts von Ländern angenähert habe, dann sei die Konvergenz ein geeignetes Konzept. Wenn hingegen ermittelt werden soll, wie sich die Verteilung der interessierenden Größe über die Länder in der Vergangenheit entwickelt habe oder sich wahrscheinlich in der Zukunft entwickeln werde, dann sei die -Konvergenz ein geeignetes Meßkonzept.

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

3.3.2

225

Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese

Für empirische Überprüfungen der uni- und multivariaten Variante der zweiten Konvergenzdefinition von Bernard/Durlauf (1995; 1996) — die Gleichungen (3.2) und (3.3) — sowie der handhabbaren Version der Definition von Evans (1996) und Evans/Karras (1996) — die Gleichung (3.6) — liegt die Verwendung von zeitreihenanalytischen Verfahren unmittelbar nahe, denn diese Definitionen implizieren, daß den Dierenzen ln |l>w+n  ln |m>w+n bzw. ln |q>w+n  ln |w+n ein stationärer Prozeß zugrunde liegt. Im Fall der absoluten Konvergenz hat dieser stationäre Prozeß einen Mittelwert von Null, während sein Mittelwert bei einer bedingten Konvergenz von Null verschieden ist. Die Überprüfung der Frage, ob einer Zeitreihe ein stationärer, trendstationärer oder nichtstationärer datengenerierender Prozeß zugrunde liegt, kann mittels verschiedener Einheitswurzeltests erfolgen.25 Besitzt ein nichtstationärer Prozeß eine Einheitswurzel, so wird er als integriert von der Ordnung 1, oder kurz I(1), bezeichnet, weil eine einfache Dierenzenbildung erforderlich ist, um einen stationären Prozeß zu erhalten. Allgemein gilt, daß ein Prozeß integriert von der Ordnung g, oder kurz I(g), heißt, wenn eine g-fache Dierenzenbildung vorgenommen werden muß, um zu einem stationären Prozeß zu gelangen. Ein weitverbreiteter Einheitswurzeltest ist der erweiterte Dickey-Fuller-Test (ADF-Test) (vgl. Dickey/Fuller, 1979). Im Gegensatz zum einfachen Dickey-Fuller-Test, dessen Anwendung nur zulässig ist, wenn einer Zeitreihe ein AR(1)-Prozeß zugrunde liegt, so daß die Fehlerterme in der dann anzuwendenden Testgleichung unkorreliert sind, kann der ADF-Test angewendet werden, wenn die Zeitreihe einem AR-Prozeß bekannter höherer Ordnung bzw. einem MA- oder ARMA-Prozeß, der hinreichend genau durch einen AR(s)-Prozeß approximiert werden kann, folgt.26 Auch aus ökonomischer Sicht spricht einiges dafür, daß den Dierenzen der Innovationsfähigkeiten ein AR-Prozeß höherer Ordnung zugrunde liegen kann. Ein Teil des Aufholprozesses bei den Innovationsfähigkeiten ist das Ergebnis eines Diusionsprozesses, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Dabei ist — wie die theoretischen Ansätze nahelegen — die Geschwindigkeit, mit der neues Wissen erworben und absorbiert, d. h. in Innovationen umgesetzt wird, abhängig von dem bestehenden Wissen in dem jeweiligen Land. Mithin kann vor allem bei weit zurückliegenden Ländern erwartet werden, daß die Generierung von Innovationen längere Zeiträume in Anspruch nimmt.27 Werden die Dierenzen zwischen den logarithmierten Niveaus der interessierenden Größe für zwei beliebige Länder (Bernard/Durlauf-Definition) bzw. zwischen den logarithmierten Niveaus der interessierenden Größe in einem Land und dem Mittelwert der logarithmierten Niveaus aller betrachteten Länder (Evans/Karras25

Für eine ausführliche Diskussion der Stationaritätseigenschaften von Zeitreihen vgl. Jungmittag (1996), S. 244-250 sowie die dort angegebene Literatur. 26 Vgl. Said/Dickey (1984). Die Bedingung für eine solche Approximation eines unbekannten ARMA-Prozesses ist, daß der Wert für s, der bei der Schätzung verwendet wird, nicht schneller als mit der Rate W 1@3 gegenüber dem Stichprobenumfang W wächst (vgl. auch Holden/Perman, 1994, S. 61-62). 27 Zu dieser Argumentation in bezug auf die Untersuchung von Dierenzen in der totalen Faktorproduktivität vgl. Pascual, 2000, S. 5.

226

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz? (lm)

(PZ )

Definition) vereinfachend als gqw bzw. gqw geschrieben, so lautet die allgemeinste Testgleichung des ADF-Tests bei der Berücksichtigung eines Absolutglieds und einer deterministischen Trendvariable w für einen AR(s)-Prozeß: (·)

(·)

{gqw =  q +  q w + q gq>w31 + ql

s31 X

(·)

{gqw3l + yqw =

(3.20)

l=1

Die Entscheidung darüber, ob eine deterministische Trendvariable und welche Anzahl von Zeitverzögerungen in die Testgleichung aufgenommen werden soll, kann anhand des Akaike-Informationskriteriums (AIC) oder des Schwarz-Bayesschen Kriteriums (SBC) erfolgen. Auf der Grundlage der Kleinste-Quadrate-Schätzung der adäquaten Testgleichung kann dann die Nullhypothese, daß q = 0 und mithin (·) gqw nichtstationär sei, gegen die einseitige Alternativhypothese, daß q ? 0 und (·) mithin gqw stationär sei, getestet werden. Da jedoch bei Gültigkeit der Nullhypo(·) (·) these gqw und mithin auch gq>w31 integriert von der Ordnung 1 sind, ist das naheliegend scheinende Vorgehen, einen gewöhnlichen w-Test für diese Überprüfung zu verwenden, nicht möglich. Der KQ-Schätzwert für q ist dann zwar superkonsistent, da aber die Standardannahmen der asymptotischen Theorie nicht erfüllt sind, ist die w-Testgröße nicht asymptotisch standardnormalverteilt.28 Die für die Koe!zienten q ermittelten w-Werte können jedoch für den Einheitswurzeltest herangezogen werden, wenn eine geeignete Verteilung zugrunde gelegt wird. In Dickey/Fuller (1979) wurden die entsprechenden Grenzverteilungen für die KQw-Testgrößen für die Nullhypothese, daß q = 0 sei, abgeleitet. Ferner wurden per Computersimulationen die dazugehörigen kritischen Werte ermittelt.29 Eine Variante des ADF-Testes stellt der in Phillips/Perron (1988) vorgeschlagene semiparametrische Einheitswurzeltest dar. Der Test ist semiparametrisch, weil in ihm neben einer parametrischen Testgleichung, die nur einen AR(1)-Prozeß für die zu testende Zeitreihe erfaßt und also — wiederum in der allgemeinsten Form — (·)

(·)

{gqw =  q +  q w + q gq>w31 + zqw

(3.21)

lautet, ein nichtparametrischer Ansatz herangezogen wird, um für Autokorrelation höherer Ordnung in den Residuen zq zu kontrollieren.30 Dies erfolgt durch eine Korrektur der w-Testgröße , bei der ein Schätzer des Spektrums von zq an der Nullfrequenz verwendet wird, der robust gegenüber Heteroskedastizität und Autokorrelation unbekannter Form bzw. Ordnung ist. Gängigerweise wird dazu der heteroskedastizitäts- und autokorrelationskonsistente Schätzer von Newey/West (1987) benutzt, nämlich ¶ t µ W X m 1 X 2 ' = 0 + 2  m mit  m = 1 z ˆqw z ˆq>w3m > (3.22) t+1 W w=m+1 m=1 28

Vgl. Hansen (1991), S. 345, und zur Superkonsistenz vgl. Hansen (1991), S. 347. Vgl. z. B. Fuller (1976), S. 373, und für neue Simulationen, die auch Werte für kleine Stichproben ermitteln, vgl. MacKinnon (1991). Die letzteren Werte werden inzwischen von allen gängigen Ökonometrie-Software-Programmen verwendet. 30 Wie beim ADF-Test muß auch beim Test von Phillips/Perron (1988) vor der Durchführung des eigentlichen Testes entschieden werden, ob die Aufnahme nur einer Konstanten oder einer Konstanten und eines Trends adäquat ist. 29

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

227

wobei t die Anzahl der Autokorrelationsperioden ist, die berücksichtigt werden sollen. Zur automatischen Wahl der Bandweite kann dabei die von Newey/West (1994) vorgeschlagene datenbasierte Methode verwendet werden. Die korrigierte w-Testgröße von Phillips/Perron (1988) ergibt sich dann als 1@2

wS S =

ˆ ˆq  0 wˆq ('2   0 ) W   > ' 2$ˆ  zq

(3.23)

wobei wˆq und  ˆ ˆq der w-Wert und der Standardfehler von q sind und  ˆ zq den Standardfehler der Testgleichung repräsentiert. Diese Testgröße folgt derselben asymptotischen Verteilung wie die ADF-w-Statistik. Auf der Basis der Testergebnisse können nun die folgenden Schlußfolgerungen bezüglich der Konvergenz einer interessierenden Größe zwischen zwei Ländern bzw. bei einem Land gegenüber dem Mittelwert der betrachteten Länder abgeleitet werden: (·)

1. Enthalten die Dierenzen gqw eine Einheitswurzel, d. h. ist q = 0, so divergiert die interessierende Größe eines Landes im Zeitablauf gegenüber einem anderen Land, das als Vergleichsgröße verwendet wird, oder gegenüber dem Mittelwert bei den betrachteten Ländern. 2. Sind die Dierenzen stationär, d. h. q ? 0, so können zunächst einmal die beiden Fälle unterschieden werden, die mit der zweiten Konvergenzdefinition von Bernard/Durlauf (1995; 1996) und der Konvergenzdefinition von Evans (1996) und Evans/Karras (1996) vereinbar sind, nämlich zusätzlich sind (a)  q = 0 und  q = 0: in diesem Fall ist eine absolute Konvergenz eingetreten, oder (b)  q 6= 0 und  q = 0: in diesem Fall ist eine bedingte Konvergenz zu beobachten und die langfristige Dierenz bei einem Land gegenüber einem anderen Land bzw. dem Mittelwert beträgt  q @q . Eine Reihe von empirischen Untersuchungen beschränkt sich auch auf diese beiden Fälle und klammert das Vorhandensein eines deterministischen Trends in der Testgleichung a priori aus.31 Dies kann jedoch zu Fehlschlüssen führen, wenn den beobachteten Daten ein trendstationärer Prozeß zugrunde liegt, d. h. zusätzlich zu q ? 0 sind (c)  q 6= 0 und  q 6= 0: in diesem Fall legen die Daten nämlich je nach dem Vorzeichen des zur Trendvariablen gehörigen Koe!zienten einen 31 Vgl. z. B. Aubyn (1999), Bernard/Durlauf (1995), Bernard/Jones (1996), Bohl (1998), Evans (1998), Evans/Karras (1996) und Pascual (2000).

228

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Aufhol- und ggf. Überholprozeß bzw. einen Rückfallprozeß nahe.32 Allgemein impliziert diese Parameterkonstellation, daß die interessierende Größe in dem betreenden Land zu einer eigenen langfristigen Wachstumsrate konvergiert, die sich um  q @q von der langfristigen Wachstumsrate des Mittelwerts oder des anfänglich führenden Landes unterscheidet. Ist q bei der Betrachtung der Dierenzen der inter(lm) essierenden Größe zwischen zwei Ländern gqw = ln |l>w+n  ln |m>w+n , wobei im Ausgangszeitraum ln |l>w+n ? ln |m>w+n ist, größer als Null, so verringert sich — bei einem hinreichend langen Betrachtungshorizont — zunächst der Abstand zwischen den beiden Ländern beständig bis auf Null und wächst anschließend mit der gleichen langfristig kon(lm) stanten Veränderungsrate {gqw =  q @q , d. h. es kommt zunächst zu einem Aufholprozeß, der in einen Überholprozeß übergeht. Hingegen fällt das anfänglich zurückliegende Land bei  q ? 0 mit der gleichen langfristig konstanten Veränderungsrate kontinuierlich weiter zurück. Werden als Bezugsgrößen für die Dierenzenbildung die jeweiligen Mittelwerte über die betrachteten Länder verwendet, so können — zumindest theoretisch — vier Fälle unterschieden werden. Liegt ein Land im Ausgangszeitpunkt oberhalb des Mittelwertes, so nähert es sich bei  q ? 0 zunächst dem Mittelwert an und unterschreitet ihn je nach der Höhe der Veränderungsrate noch im Beobachtungszeitraum oder erwartungsgemäß in der Zukunft. Hingegen entfernt es sich bei  q A 0 kontinuierlich von der mittleren Entwicklung der interessierenden Größe. Liegt ein Land im Ausgangszeitpunkt unterhalb des Mittelwerts, so ergibt sich eine spiegelbildliche Aussage. Bei  q A 0 nähert sich ein anfänglich zurückliegendes Land dem Mittelwert und überschreitet ihn ggf. innerhalb des Beobachtungsraums. Bei  q ? 0 fällt es dagegen gegenüber dem Mittelwert der interessierenden Größe beständig weiter zurück. Bei einem von Null verschiedenen Trendkoeffizienten kann somit keine Konvergenz im Sinne der gerade erwähnten Definitionen auftreten, er kann aber mit einem adäquaten Vorzeichen mit der ersten Definition von Bernard/Durlauf (1996) bzw. dem Konzept der -Konvergenz vereinbar sein, die Konvergenz als Aufholprozeß verstehen, aber gleichzeitig nur für einen fixierten Zeitraum gelten. Obwohl mit der Berücksichtigung eines deterministischen Trends ein gewisser — temporärer — Brückenschlag zwischen den verschiedenen Konvergenzdefinitionen bzw. zwischen den Zeitreihen- und Querschnittstests hergestellt werden kann, muß noch einmal auf die grundsätzlichen Unterschiede hingewiesen werden. Die beiden Konzepte gehen nämlich von unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich der 32 Dieser Fall wird auch in Oxley/Greasley (1995; 1999); Camarero/Esteve/Tamarit (2000) und Lim/McAleer (2000) einbezogen. Allerdings interpretieren diese Autoren einen trendstationären Prozeß für die Dierenzen nur als Aufholprozeß, bei dem zwar eine Verringerung des Abstandes stattfindet, er aber noch nicht beseitigt ist. In Galli (1997) wird zwar ein deterministischer Trend in die Testgleichungen einbezogen, aber seine Signifikanz und sein Aussagegehalt wird nicht betrachtet.

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

229

statistischen Eigenschaften des Datenmaterials aus (Bohl, 1998, S. 87). Bei den Querschnittstests wird angenommen, daß die Daten sich im Übergang zu ihrer Grenzverteilung befinden und unter Konvergenz wird verstanden, daß sich die anfänglichen Unterschiede zwischen den Ländern innerhalb eines fixierten Zeitraums verringern. Bei den Zeitreihentests wird hingegen die Annahme geprüft, ob den Daten ein zeitinvarianter Prozeß zugrunde liegt und sie mithin bereits nahe ihrer Grenzverteilung sind. Konvergenz bedeutet dann, daß die Ausgangsbedingungen keine statistisch signifikante Auswirkung auf die Erwartungswerte der Dierenzen zwischen den interessierenden Ländern haben. Mithin haben Zeitreihentests auch nur eine sehr geringe Macht, wenn sie bei Ländern im Übergangszustand angewendet werden, weil sie dann dazu neigen, die Nullhypothese der Nichtkonvergenz irrtümlich nicht abzulehnen. Die Angemessenheit eines Meßkonzept hängt also auch davon ab, ob die Daten eher durch Übergangsdynamiken oder durch Gleichgewichtszustände geprägt sind.33 Jedoch auch aus der Sicht der ökonometrischen Theorie wirft die Verwendung von Einheitswurzeltests für einzelne Zeitreihen ein Problem auf. Sowohl für den DF- und ADF-Test als auch für den Phillips-Perron-Test gilt es als gesichert, daß sie in endlichen Stichproben für den Fall, daß q nahe null ist, bezüglich der Alternativhypothese KD : q ? 0 eine relativ geringe Macht haben, d. h. die Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zweiter Art (-Fehler) zu begehen und die Nullhypothese nicht abzulehnen, obwohl sie nicht zutrit, ist relativ hoch. Eine Möglichkeit, die Robustheit der Ergebnisse der Einheitswurzeltests zu überprüfen, besteht darin, einen alternativen Test zu verwenden. Solch ein Test ist der Stationaritätstest von Kwiatkowski/Phillips/Schmidt/Shin (1992) (KPSSTest), mit dem die Nullhypothese der Niveau- bzw. Trendstationarität gegen die Alternative einer Einheitswurzel bzw. gegen fraktional integrierte Alternativen analysiert wird.34 Der Test basiert im Falle der Niveaustationarität auf der Regressionsgleichung (·)

gqw =  q + xqw

(3.24)

und im Falle der Trendstationarität auf (·)

gqw =  q +  q w + xqw =

(3.25)

Die LM-Teststatistik lautet

OP = 33

W P

Vw w=1 > W 2$

(3.26)

Vgl. zu diesen Überlegungen Bernard/Durlauf (1996), S. 171. Die Tatsache, daß der KPSS-Test als Alternativhypothese nicht nur eine Einheitswurzel annehmen muß, geht auf Lee/Schmidt (1996) zurück. Sie zeigen, daß dieser Test auch gegen stationäre Prozesse mit langem Gedächtnis, wie I(g)-Prozesse mit g 5 (1@2> 1@2), g 6= 0, konsistent ist. Solche Prozesse heißen fraktional integriert. Allgemeiner formuliert ist der KPSSTest mithin auch geeignet, zwischen stationären Prozessen mit kurzem und langem Gedächtnis zu unterscheiden. Von der Möglichkeit einer fraktionalen Integration sollte insbesondere dann ausgegangen werden, wenn sowohl bei den Einheitswurzeltests als auch beim KPSS-Test die Nullhypothese abgelehnt gelehnt werden muß. 34

230

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

P wobei es sich bei Vw = wu=1 xˆu um die Partialsummen der Residuen handelt und $ ein Schätzer des Spektrums der Residuen an der Nullfrequenz ist. Verwendet wird wiederum der Schätzer von Newey/West (1987) und die Wahl der Bandweite erfolgt mit dem datenbasierten Verfahren von Newey/West (1994). Die asymptotischen kritischen Werte dieser Statistik sind in Kwiatkowski/Phillips/Schmidt/ Shin (1992), S. 166, wiedergegeben. Liegen die interessierenden Zeitreihen für mehrere Querschnittseinheiten vor, so kann die Macht der Einheitswurzeltests dadurch erhöht werden, daß sie in geeigneter modifizierter Form auf die Paneldaten angewendet werden. Einige der ersten Arbeiten auf diesem Gebiet finden sich in Breitung (1992), S. 129-137, Breitung/Mayer (1994), Levin/Lin (1992; 1993) und Quah (1994). Diese Ansätze modifizieren die univariaten DF- und ADF-Tests zwar so, daß sie für Paneldaten genutzt werden können, weisen aber zwei Eigenschaften auf, die für praktische Anwendungen problematisch sind. Zum einen werden — mit Ausnahme von Levin/Lin (1993) — identische dynamische Strukturen für alle Querschnittseinheiten unterstellt und mithin wird eine mögliche Art von Heterogenität der Zeitreihen vernachlässigt. Zum anderen wird auch die zweite mögliche Form der Heterogenität der Zeitreihen ausgeklammert, indem angenommen wird, daß  für die q Querschnittseinheiten gleich sei. Dies impliziert den Test einer Nullhypothese K0 : q = 0 für alle q gegen die Alternativhypothese KD : q ? 0 für alle q. In Maddala (1999), S. 439, und Maddala/Wu (1999), S. 635, wird zurecht darauf hingewiesen, daß bei einer solchen Hypothesenwahl die Nullhypothese zwar im Regelfall Sinn mache, die Alternativhypothese aber so streng sei, daß sie kaum bei irgendeiner empirischen Anwendung gelten könne. Als Beispiel führen sie Tests der Konvergenzhypothese an, bei denen die Nullhypothese, daß keine Konvergenz vorliege und mithin  = 0 sei, — wie auch in diesem Abschnitt geschehen — formuliert werden könne, die Alternativhypothese aber, daß alle Länder mit der gleichen Rate konvergierten, wenn die Nullhypothese abgelehnt würde, kaum sinnvoll wäre.35 Diese Kritik aufgreifend sind in jüngerer Zeit zwei Testverfahren für Paneldaten vorgeschlagen worden, die sehr flexibel in bezug auf die dynamische Spezifikation für die einzelnen Querschnittseinheiten sind und eine rigide Formulierung der Alternativhypothese vermeiden (Im/Pesaran/Shin, 1997 und 2003; Maddala/Wu, 1999).36 Beide Testverfahren basieren auf separaten Einheitswurzeltests für die 35 Eine Anwendung des Ansatzes in Levin/Lin (1992) mit einigen Modifikationen wird in Bernard/Jones (1996) zur Konvergenzanalyse für die totalen Faktorproduktivitäten in den verschiedenen Wirtschaftssektoren der OECD-Länder verwendet. Evans/Karras (1996) und Evans (1998) verwenden zur Konvergenzanalyse der Pro-Kopf-Einkommen der US-Bundesstaaten und einer Gruppe von 54 Ländern eine modifizierte Form des Ansatzes von Levin/Lin (1993), während Bohl (1998) den Originalansatz benutzt, um die Pro-Kopf-Einkommen der elf westdeutschen Bundesländer auf Konvergenz zu überprüfen. Gaulier/Hurlin/Jean-Pierre (1999) wiederum modifizieren den Ansatz aus Evans/Karras (1996) und schlagen eine geschachtelte Testprozedur vor, um verschiedene Konvergenzprozesse zu charakterisieren, und wenden diesen Ansatz auf drei Gruppen von Ländern (EU, OECD und 86 Länder weltweit) an. 36 In der theoretischen und angewandten ökonometrischen Literatur sind natürlich noch eine Reihe weiterer Einheitswurzeltests für Paneldaten vorgeschlagen worden, die jedoch in den meisten Fällen die zuvor erwähnte rigide Hypothesenwahl und Annahmensetzung beibehal-

3.3 Ansätze zur Konvergenzmessung

231

betrachteten Q Zeitreihen und die gemeinsame Testgröße für den Querschnitt wird aus deren Ergebnissen hergeleitet. Der in Im/Pesaran/Shin (1997; 2003) vorgeschlagene Test (im folgenden IPSTest genannt) beruht auf einer Durchschnittsbildung für die w-Werte der ADFTests für die einzelnen Zeitreihen. Er wird deshalb in der englischsprachigen Literatur auch als w-bar Test bezeichnet.37 Dabei wird in der allgemeinsten Form ausgehend von Q Testgeleichungen {|qw =  q +  q w + q |q>w31 + ql

s31 X

{|qw3l + yqw ,

l=1

für alle q = 1> 2> ===> Q

(3.27)

die Nullhypothese auf Einheitswurzeln in allen Q Zeitreihen des Querschnitts K0 : q = 0 für alle q

(3.28)

gegen die Alternativhypothese KD : q ? 0, q = 1> 2> ===> Q1 , q = 0, q = Q1 + 1> Q1 + 2> ===> Q

(3.29)

getestet. Mithin kann  für die einzelnen Zeitreihen variieren und es ist möglich, daß auch unter der Alternativhypothese einzelne Zeitreihen eine Einheitswurzel aufweisen. Unter der Annahme, daß Q und W hinreichend groß sind, ist die ten. So schlägt O’Connell (1998) eine restringierte SUR-Schätzung eines Systems von ADFGleichungen vor, um die kontemporäre Korrelation zwischen den Querschnittseinheiten zu berücksichtigen. Eine Nichtberücksichtigung dieser Korrelationen kann nämlich bei allen Einheitswurzeltests für Paneldaten zu Verzerrungen führen (auf diesen Punkt wird noch ausführlich bei der Vorstellung der hier verwendeten Tests eingegangen). Die dafür erforderlichen kritischen Werte müssen mittels Simulationen ermittelt werden. Hadri (2000) entwickelt auf Residuen von Hilfsregressionen basierende LM-Tests zur Überprüfung der Nullhypothese, daß alle Zeitreihen des Querschnitts um eine Niveaugröße oder einen linearen Trend stationär sind, gegen die Alternativhypothese einer Einheitswurzel in den Paneldaten. Seine Testgröße ist asymptotisch standardnormalverteilt. Harris/Tzavalis (1999) stellen aufbauend auf Levin/Lin (1992; 1993) Tests vor, bei denen die Anzahl der Zeitreihenbeobachtungen W fix ist. Solch eine Annahme dürfte aber wohl nur für Mikrodaten geeignet sein, während sie bei Makrodaten, wie sie in der folgenden Untersuchung verwendet werden, kaum gerechtfertigt werden kann. Taylor/Sarno (1998) verwenden neben multivariaten Einheitswurzeltests, die durch SUR-Schätzungen die kontemporären Korrelationen zwischen den Querschnittseinheiten berücksichtigen, eine Variante des Likelihood-Ratio-Ansatzes von Johansen (1988; 1991), um auf Einheitswurzeln zu testen. Zwar erlaubt diese Prozedur querschnittsspezifische Autokorrelationskoe!zienten und eine Berücksichtigung von kontemporären Querschnittskorrelationen, sie erfordert aber die komplette Spezifikation von VAR-Modellen, so daß ihre Anwendung nur auf sehr kleine Querschnitte beschränkt ist, weil sonst nicht genügend Freiheitsgrade für die Schätzung zur Verfügung stehen. Ihre Testgröße ist asymptotisch "2 (1)-verteilt. Für endliche Stichproben empfehlen sie jedoch eine Ermittlung der kritischen Werte durch Simulationen. Pascual (2000) nutzt den multivariaten Ansatz aus Taylor/Sarno (1998), um auf eine Konvergenz der totalen Faktorproduktivitäten für verschiedene Wirtschaftszweige in 13 OECD-Ländern zu testen. In einem zweiten Schritt legt er mit einem in Breuer/NcNown/Wallace (1999) vorgestellten Ansatz die Anzahl der konvergierenden Länder fest. 37 Alternativ wird in Im/Pesaran/Shin (1997; 2003) auch ein analog aufgebauter OP -bar Test vorgeschlagen.

232

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Konsistenz dieses Tests dann gewährleistet, wenn bei Gültigkeit der Alternativhypothese der Anteil der stationären Zeitreihen größer als null ist, nämlich dann, wenn limQ 5 und für eine Einheit zq = 0> 000001 ist. In solch einem Fall wird der "2 -Wert sehr hoch sein, und die Nullhypothese, daß alle Zeitreihen nichtstationär seien, muß deutlich abgelehnt werden. Zwar widerspricht dieses Ergebnis nicht der Alternativhypothese, daß ein Teil der betrachteten Zeitreihen stationär sei, zusammenfassende Schlußfolgerungen für alle zehn Zeitreihen können aus ihm aber nicht gezogen werden, weil die Ablehnung der Nullhypothese nur durch eine Zeitreihe verursacht ist. Als Schlußfolgerung ergibt sich daraus, daß Einheitswurzeltests für Paneldaten wenig aussagekräftig sind, wenn einzelne Ausreißer vorliegen. In diesem Fall kommen die relevanten Informationen von den einzelnen Einheitswurzeltests.

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

235

Diesen Einwand einbeziehend, wird bei dem auf Zeitreihen und Paneldaten basierenden Teil der empirischen Untersuchung zur Konvergenz der Innovationstätigkeit die folgende Teststrategie angewendet. Zunächst werden sowohl ADF- als auch Phillips-Perron-Tests für jedes der 15 EU-Länder in den fünf verschiedenen Technikabgrenzungen durchgeführt. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob die einzelnen Testgleichungen eine signifikante Konstante und einen signifikanten Trend enthalten, weil dies entscheidend für die Art der Konvergenz ist. Anschließend werden für jede Technikabgrenzung im ersten Schritt für alle 15 Länder die ADF-Tests in einem IPS-Test und die ADF- und Phillips-Perron-Tests in einem MW-Test zusammengefaßt. In einem zweiten Schritt werden dann abermals für jede Technikabgrenzung IPS- und MW-Tests für die Untergruppen der Testgleichungen ohne (oder mit nicht signifikanter) Konstante durchgeführt (bei Stationarität: absolute Zeitreihenkonvergenz), mit Konstante (bei Stationarität: bedingte Zeitreihenkonvergenz) und mit Konstante und Trend (bei Stationarität: Konvergenz als Auf- und Überholprozeß bzw. als Rückfallprozeß, d. h. Konvergenz zu einer eigenen langfristigen Wachstumsrate) durchgeführt. Dabei werden alle Tests einmal bezogen auf den Mittelwert ln |w und einmal bezogen auf das anfänglich führende Land in der jeweiligen Technikabgrenzung durchgeführt.

3.4

Ergebnisse der empirischen Analyse

Aufbauend auf den verschiedenen Konvergenzdefinitionen wird im folgenden ökonometrisch analysiert, ob für die US-Patenterteilungen der fünfzehn Staaten der EU im Zeitraum von 1963 bis 1998 eine Konvergenz oder Divergenz beobachtet werden kann. Neben der Gesamtzahl der erteilten Patente wird dabei wieder zwischen den Patenten im Bereich der FuE-intensiven Technik und der restlichen Technik unterschieden. Bei der FuE-intensiven Technik erfolgt zudem wiederum nach der zuvor angeführten Hochtechnologieliste eine Dierenzierung zwischen der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik. Zur Anwendung kommt die ganze Bandbreite der Testverfahren, die im vorherigen Abschnitt dargestellt und diskutiert wurde. So ist eine Vergleichbarkeit gewährleistet und es können die — möglicherweise — unterschiedlichen Ergebnisse der verschiedenen Testverfahren gegeneinander abgewogen werden. 3.4.1

Tests auf -Konvergenz

Als Ausgangspunkt der Analyse wurden zunächst für die US-Patenterteilungen der EU-Länder pro einer Million Einwohner für jeden Jahrgang die Standardabweichung und der Variationskoe!zient berechnet. Für die Standardabweichungen läßt sich dabei trendmäßig ein Anstieg feststellen (vgl. Abbildung 3.6). Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Befund in Patel/Pavitt (1994), S. 763, wo für 16 OECD-Staaten (zwölf EU-Staaten ohne Griechenland, Luxemburg und Österreich sowie Japan, Kanada, Norwegen und die Schweiz) bei den Pro-Kopf-USPatenterteilungen eine Zunahme der Standardabweichungen von 35,05 im Zeitraum 1963 bis 1968 auf 53,58 im Zeitraum von 1986 bis 1990 attestiert wurde. Unterstellt man eine Vergleichbarkeit der verwendeten Daten, so scheinen je-

236

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

45 Standardabweichung

40 35 30 y = 0,333x + 22,825 R2 = 0,4016

25 20 15 10 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1993

1998

1,05 Variationskoeffizient

1 0,95 0,9 0,85 0,8 0,75

y = -0,0087x + 1,0068 R2 = 0,9082

0,7 0,65 0,6 1963

1968

1973

1978

1983

1988

Abbildung 3.6: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner doch die 15 EU-Länder eine homogenere Gruppe zu sein, denn für sie lagen die Standardabweichungen im gesamten Beobachtungszeitraum wesentlich niedriger. Ähnlich wie bei den in Patel/Pavitt (1994) betrachteten 16 OECD-Ländern kann zudem auch für die EU-Länder nicht von einem gleichförmigen Trend bei den Standardabweichungen ausgegangen werden, sondern für den Zeitraum von 1963 bis 1974 kann eine starke Zunahme beobachtet werden, bevor ein erstes Plateau erreicht wird. Nach dem dann folgenden Rückgang pendeln sich die Standardabweichungen ab der Mitte der achtziger bis zum Beginn der neunziger Jahre auf einem zweiten, etwas höher liegenden Niveau ein. Für den Rest der neunziger Jahre kann für die EU-Länder zunächst wieder eine Abnahme der absoluten Streuung festgestellt werden, die am aktuellen Rand aber wieder zunimmt. Jedoch ist — wie bereits im vorigen Abschnitt angesprochen — ein intertemporaler Vergleich von absoluten Streuungsmaßen nur wenig aussagekräftig, wenn der Mittelwert der betrachteten Größe im Zeitablauf ansteigt (oder allgemein schwankt). Dies ist jedoch bei den US-Patenterteilungen der EU-Länder der Fall, so daß ein relatives Streuungsmaß wie der Variationskoe!zient zur Überprüfung auf -Konvergenz geeigneter ist.43 Abbildung 3.6 zeigt, daß der Variationskoe!43 Diese Kritik an dem Vorgehen in Patel/Pavitt (1994) findet sich auch in Verspagen (1996), S. 898.

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

237

Standardabweichung

35 30 25 y = 0,2558x + 17,616 R2 = 0,3989

20 15 10 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1993

1998

Variationskoeffizient

1,2 1,1 1 0,9 0,8 y = -0,0093x + 1,0344 R2 = 0,9141

0,7 0,6 1963

1968

1973

1978

1983

1988

Abbildung 3.7: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im gesamten FuE-intensiven Bereich zient für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 ohne allzu große Schwankungen beständig abnimmt. Das lineare Bestimmtheitsmaß von 0,908 belegt dabei die hohe Signifikanz des negativen Trends. Dieser Befund spricht dafür, daß innerhalb der EU langfristig eine Angleichung der Innovationstätigkeiten, soweit sie sich in internationalen Patenterteilungen ausdrücken, festzustellen ist. Allerdings gibt diese Berechnung der -Konvergenz keine Auskunft darüber, ob alle EU-Länder an dieser Annäherung der Innovationstätigkeit partizipieren. Wenn die Konvergenz nämlich durch einen Aufholprozeß der Länder bedingt ist, die im Ausgangszeitpunkt nur relativ wenige US-Patente pro einer Million Einwohner erteilt bekamen, dann müßten diese in den nachfolgenden Jahren deutlich höhere Wachstumsraten bei den Patenterteilungen aufweisen. Es wird also interessant sein, dieses Ergebnis mit den Ergebnissen der Tests auf -Konvergenz und der Zeitreihen- und Paneldatentests auf Konvergenz zu vergleichen. Werden die gesamten US-Patenterteilungen in verschiedene Bereiche mit unterschiedlicher FuE-Intensität unterteilt, so unterscheiden sich die Verläufe der Standardabweichungen und Variationskoe!zienten im FuE-intensiven Bereich nur wenig von der Entwicklung dieser Kenngrößen bei den gesamten Patenterteilungen (vgl. Abbildung 3.7). Der Anstieg der Standardabweichungen fällt trendmäßig geringfügig stärker aus. Im Gegenzug ist — bedingt durch den insgesamt stärke-

238

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

14 Standardabweichung

12 10 y = 0,1385x + 2,5337 R2 = 0,5857

8 6 4 2 0 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1988

1993

1998

1,3 Variationskoeffizient

1,2 1,1 1 0,9 y = -0,0094x + 1,1433 R2 = 0,7077

0,8 0,7 0,6 1963

1968

1973

1978

1983

Abbildung 3.8: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der Spitzentechnik ren Anstieg der Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich — der Rückgang der Variationskoe!zienten trendmäßig ebenfalls etwas ausgeprägter. Deutlichere Unterschiede ergeben sich, wenn die US-Patenterteilungen im FuEintensiven Bereich wiederum in die Erteilungen im Bereich der Spitzentechnik und im Bereich der hochwertigen Technik unterteilt werden. Bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik sind die Schwankungen um den trendmäßigen Anstieg der Standardabweichungen wesentlich geringer ausgeprägt (vgl. Abbildung 3.8). Nur am aktuellen Rand kann eine starke Abweichung vom Trend festgestellt werden. Dagegen fallen die Schwankungen um den trendmäßigen Rückgang der Variationskoe!zienten nun deutlich stärker aus. Das lineare Bestimmtheitsmaß liegt nun „nur noch” bei 0,708. Anders sieht es bei den Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik aus (vgl. Abbildung 3.9). Hier finden sich sehr starke Schwankungen um den trendmäßigen Anstieg der Standardabweichungen. Dabei ist nach einem starken Anstieg der Streuung von 1963 bis zur Mitte der siebziger Jahre ein wellenförmiges Verharren um das erreichte Niveau zu beobachten. Relativ geringfügig sind hingegen die Schwankungen um den trendmäßigen Fall der Variationskoe!zienten. Dies belegt auch das hohe U2 von 0,872. Wesentlich abgeschwächter verläuft die trendmäßige Entwicklung der Standardabweichungen und Variationskoe!zienten bei den US-Patenterteilungen im

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

239

24

Standardabweichung

22 20 18 y = 0,1551x + 15,252 R2 = 0,2468

16 14 12 10 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1993

1998

Variationskoeffizient

1,2 1,1 1 0,9 0,8 y = -0,0086x + 1,0345 R2 = 0,8719

0,7 0,6 1963

1968

1973

1978

1983

1988

Abbildung 3.9: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der hochwertigen Technik verbleibenden Bereich der restlichen Technik (vgl. Abbildung 3.10). Der Anstieg der Standardabweichungen ist hier bei weitem nicht so ausgeprägt und es kann auch nur ein moderater Rückgang der Variationskoe!zienten festgestellt werden, der im Grunde erst ab dem Ende der achtziger Jahre einsetzt. Dies spiegelt sich auch in dem deutlich größerem Steigungskoe!zienten von 0,0064 und dem niedrigen lineare Bestimmtheitsmaß von 0,333 wider. Werden die Variationskoe!zienten als Grundlage für einen Schluß auf -Konvergenz verwendet, so legen die Ergebnisse zusammenfassend nahe, daß bei den gesamten US-Patenterteilungen der EU-Länder pro einer Million Einwohner von einer insgesamt konvergenten Entwicklung ausgegangen werden kann, die im wesentlichen von den Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich getrieben wird. Dies belegt auch eine Überprüfung der Steigungskoe!zienten für die Trendschätzungen der Entwicklung der Variationskoe!zienten. Nur für den Bereich der restlichen Technik kann die Alternativhypothese, daß der Steigungskoe!zient größer als bei den Patenterteilungen im Bereich der gesamten Technik oder bei den Unterbereichen FuE-intensive Technik, Spitzentechnik und hochwertige Technik sei, mit Signifikanzniveaus von 0,072, 0,037, 0,052 und 0,089 abgelehnt werden. Bei den anderen Kombinationen ist von einer Gleichheit der Steigungskoe!zienten auszugehen. Mithin leisten die Patenterteilungen im Bereich der restlichen Tech-

240

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

14 Standardabweichung

12 10 8 y = 0,114x + 5,6892 R2 = 0,3107

6 4 2 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1,3 Variationskoeffizient

1,2 1,1 y = -0,0064x + 1,0024 2 R = 0,3331

1 0,9 0,8 0,7 0,6 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

Abbildung 3.10: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der restlichen Technik nik einen deutlich geringeren Beitrag zur Konvergenz der Innovationstätigkeit als die Erteilungen im FuE-intensiven Bereich. 3.4.2

Tests auf -Konvergenz

Im nächsten Schritt der Analyse wurden die US-Patenterteilungen der EU-Länder den üblichen Tests auf absolute -Konvergenz unterzogen. Weil die Patenterteilungen in diese Berechnungen als logarithmierte Größen eingehen und für einige Jahre bei einigen Ländern — insbesondere wenn die Unterteilung der Patente nach den Technikfeldern vorgenommen wird — keine Patenterteilungen vorliegen, mußten die Originaldaten in geeigneter Form transformiert werden. Analog zum Vorgehen in Eaton/Kortum (1996), S. 265, wurde deshalb für alle Länder und Jahre zu der absoluten Anzahl der Patenterteilungen eins addiert, bevor sie durch die Bevölkerungszahl dividiert und dann logarithmiert wurden. Als durch das logarithmierte Ausgangsniveau der Pro-Kopf-Patenterteilungen im Jahre 1963 zu erklärende Wachstumsraten wurden zum einen die durchschnittliche Wachstumsrate und zum anderen die Trendwachstumsrate von 1963 bis 1998 verwendet.44 44 Die Dierenz zwischen zwei logarithmierten Größen entspricht bei relativ kleinen Dierenzen näherungsweise der Wachstumsrate. Genau genommen ist sie der Logarithmus des Wachs-

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse Durchschnittswachstum 1963 - 1998

0,1

241

FI y = -0,005x + 0,0519

IE

0,08

2

R = 0,1153 t=-1,179 (0,259)

0,06

ES

BE DK

AT

0,04

IT

FR

PT 0,02

SE

LU NL DE UK

GR

0 -2

-1

0

1

2

3

4

5

ln(P 1963)

Trendwachstum 1963 - 1998

0,1 FI

y = -0,0042x + 0,0372

0,08

2

R = 0,0736 t=-0,944 (0,363)

IE 0,06 ES

0,04

LU

IT AT

0,02 0

BE

GR

PT

DK NL DE SE

FR

UK -0,02 -2

-1

0

1

2

3

4

5

ln(P 1963)

Anmerkung:

Zur Berechnung der t-Werte wurden Whites heteroskastizitätskonsistente Schätzer der Varianz-Kovarianzmatrix verwendet. Signifikanzniveaus in Klammern.

Abbildung 3.11: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner Aus Abbildung 3.11 ist ersichtlich, daß die Schätzwerte für die -Koe!zienten zwar ein negatives Vorzeichen aufweisen, jedoch kann die Nullhypothese, daß  = 0 ist, auf den üblichen Signifikanzniveaus nicht abgelehnt werden. Mithin ist davon auszugehen, daß bei einer Gesamtschau über alle 15 EU-Länder keine Konvergenz der Innovationstätigkeit vorliegt. Bereits die graphische Inspektion hatte aber schon gezeigt, daß die drei südeuropäischen Länder Griechenland, Portugal und Spanien bei den US-Patenterteilungen pro einer Million Einwohner kaum eine oder gar keine Wachstumsdynamik aufweisen. Deshalb wurden die Konvergenzgleichungen unter Aussparungen dieser Länder erneut geschätzt. Wird die durchschnittliche Wachstumsrate als zu erklärende Variable verwendet, so ergibt sich nun (heteroskedastizitätskonsistente w-Werte in Klammern): jˆq =

0> 093  0> 019 ln s0 > U2 = 0> 743= (7> 717) (5> 127)

tumsfaktors, und die so gebildete durchschnittliche Wachstumsrate ist mithin der Logarithmus des geometrischen Mittels.

242

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Analog ergibt sich bei der Schätzung für die Trendwachstumsraten: b ˆq = !

0> 080  0> 019 ln s0 > U2 = 0> 645= (5> 608) (4> 248)

In beiden Fällen ist nun der -Koe!zient hoch signifikant kleiner als null. Klammert man für einen Moment das Problem der ausgelassenen Variablen aus, so kann für die verbleibenden EU-Länder von einer absoluten -Konvergenz bei der Innovationstätigkeit ausgegangen werden.45 Allerdings erfolgt diese Konvergenz bei Zugrundelegung beider Formeln (neoklassisches Modell oder Modell technologischen Aufholens) mit einer Rate von ca. 3,1 % pro Jahr — was etwas über der bedingten Konvergenzrate von 2 % liegt, die in zahlreichen Querschnittsuntersuchungen für die Pro-Kopf-Einkommen in verschiedenen Stichproben gefunden wurde — nur recht langsam.46 Bei einer Unterteilung der US-Patente in die verschiedenen Technikbereiche kann bei der Einbeziehung aller Länder auch für die Erteilungen im FuE-intensiven Bereich kaum von einer -Konvergenz ausgegangen werden (vgl. Abbildung 3.12). Ein Test der Nullhypothese, daß  = 0 sei, gegen die Alternativhypothese, daß  ? 0 sei, würde erst bei einem Signifikanzniveau von 0,087 bei den durchschnittlichen Wachstumsraten und von 0,105 bei den Trendwachstumsraten zur Ablehnung der Nullhypothese führen. Das Bild ändert sich allerdings wiederum, wenn die drei südeuropäischen Länder aus der Stichprobe entfernt werden. Die erneuten Schätzungen ergeben dann für die durchschnittliche Wachstumsraten jˆq =

0> 091  0> 019 ln s0 > U2 = 0> 823> (13> 247) (9> 536)

und für die Trendwachstumsraten b ˆq = !

0> 070  0> 018 ln s0 > U2 = 0> 711= (6> 625) (5> 176)

Für die verbleibenden Ländern kann also im Bereich der FuE-intensiven Technik ebenfalls von einer -Konvergenz der Patenterteilungen ausgegangen werden. Allerdings liegt auch in diesem Fall die Konvergenzgeschwindigkeit mit 3,1 % bzw. 2,8 % pro Jahre recht niedrig. Sehr deutlich fällt das Ergebnis, daß keine absolute -Konvergenz für alle 15 EU-Staaten vorliegt, für die US-Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik aus (vgl. Abbildung 3.13). Erst ab einem Signifikanzniveau von 0,156 bei den durchschnittlichen Wachstumsraten bzw. von 0,141 bei den Trendwachstumsraten könnte die Nullhypothese, daß  = 0 sei, zugunsten der Alternativhypothese, daß  ? 0 sei, abgelehnt werden. Auch dieses Ergebnis wird stark durch die drei 45 Eine Dierenzierung zwischen absoluter und bedingter Konvergenz kann im nächsten Untersuchungsschritt mit den Zeitreihen- und Paneldatentests vorgenommen werden, weil dann die Absolutglieder die länderspezifischen Unterschiede erfassen. 46 Vgl. z. B. Barro/Sala-i-Martin (1991) und Sala-i-Martin (1996).

Durchschnittswachstum 1963 - 1998

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

243

0,12

IE

y = -0,0072x + 0,0582

0,1

FI

2

R = 0,2008 t=-1,437 (0,174)

0,08 0,06

LU

ES

BE DK

0,04

PT 0,02

IT AT FR

NL

GR

DE UK

SE

0 -2

-1

0

1

2

3

4

ln(P 1963)

0,1 Trendwachstum 1963 - 1998

FI 0,08

y = -0,006x + 0,0393 R2 = 0,1438 t=-1,322 (0,209)

IE

0,06 LU

0,04

ES

0,02

IT

AT

GR

DE SE

NL

PT

0

DK

BE FR

UK

-0,02 -2

-1

0

1

2

3

4

ln(P 1963)

Anmerkung:

Zur Berechnung der t-Werte wurden Whites heteroskastizitätskonsistente Schätzer der Varianz-Kovarianzmatrix verwendet. Signifikanzniveaus in Klammern.

Abbildung 3.12: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im gesamten FuE-intensiven Bereich südeuropäischen Länder verursacht, wie die getrennten Schätzungen für die restlichen zwölf EU-Länder zeigen. Dann ergibt sich nämlich für die durchschnittlichen Wachstumsraten die Regressionsgleichung jˆq =

0> 073  0> 022 ln s0 > U2 = 0> 614> (8> 949) (3> 679)

und für die Trendwachstumsraten die Gleichung b ˆq = !

0> 061  0> 025 ln s0 > U2 = 0> 646= (6> 384) (3> 689)

Insbesondere die Schätzung für die Trendwachstumsraten legt nun eine etwas höhere Konvergenzgeschwindigkeit von 5,8 % bzw. 5,9 % gegenüber der Geschwindigkeit für alle Patenterteilungen und die Patenterteilungen im gesamten FuE-intensiven Bereich nahe. Allerdings sind diese Unterschiede auf den üblichen Niveaus statistisch nicht signifikant.

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz? Durchschnittswachstum 1963 - 1998

244

0,14

FI 0,12

y = -0,0057x + 0,0546

0,1

R = 0,0729 t=-1,052 (0,312)

2

IE

0,08

BE

ES

FR

IT

0,06

DK SE

0,04

AT

PT

0,02

DE UK LU

GR

0 -3

-2,5

-2

-1,5

NL

-1

-0,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

ln(P 1963)

Trendwachstum 1963 - 1998

0,14 FI

0,12

y = -0,0069x + 0,0403 2

0,1

R = 0,092 t=-1,124 (0,282)

IE

0,08 0,06

IT

ES

BE

0,04

FR

DK DE

AT

0,02

GR

0

UK

PT

LU

-0,02 -3

-2,5

-2

NL SE

-1,5

-1

-0,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

ln(P 1963)

Anmerkung:

Zur Berechnung der t-Werte wurden Whites heteroskastizitätskonsistente Schätzer der Varianz-Kovarianzmatrix verwendet. Signifikanzniveaus in Klammern.

Abbildung 3.13: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der Spitzentechnik Das Ergebnis für die US-Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik ähnelt sehr dem für die gesamte FuE-intensive Technik (vgl. Abbildung 3.14). Auch hier kann nur bei einem Signifikanzniveau von 9 % bzw. 11 % von einer absoluten -Konvergenz bei den Innovationstätigkeiten für alle EU-Staaten ausgegangen werden. Nachdem Griechenland, Portugal und Spanien aus der Stichprobe entfernt wurden, besteht jedoch wiederum Evidenz für eine -Konvergenz, denn nun ergeben die Schätzgleichungen für das durchschnittliche Wachstum jˆq =

0> 080  0> 018 ln s0 > U2 = 0> 814> (13> 249) (8> 680)

und für das Trendwachstum b ˆq = !

0> 060  0> 016 ln s0 > U2 = 0> 608= (4> 782) (3> 541)

Die Konvergenzraten sind dabei mit 2,8 % (durchschnittliches Wachstum) bzw. 2,3% (Trendwachstum) erwartungsgemäß geringfügig niedriger als bei den ge-

Durchschnittswachstum 1963 - 1998

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse 0,1

245

IE y = -0,0066x + 0,0502

FI

0,08

2

R = 0,1939 t=-1,422 (0,179)

0,06

LU ES

AT

0,04

PT

0,02

BE

IT

GR

DK

FR

DE

NL

SE

UK 0 -1,5

-1

-0,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

ln(P 1963)

Trendwachstum 1963 - 1998

0,1 y = -0,0052x + 0,0322

FI

0,08

2

0,06

R = 0,1123 t=-1,292 (0,219)

IE LU

0,04

IT

ES

AT DK

0,02 PT

0

BE FR

GR

DE

NL

SE

UK -0,02 -1,5

-1

-0,5

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

ln(P 1963)

Anmerkung:

Zur Berechnung der t-Werte wurden Whites heteroskastizitätskonsistente Schätzer der Varianz-Kovarianzmatrix verwendet. Signifikanzniveaus in Klammern.

Abbildung 3.14: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der hochwertigen Technik samten Patenterteilungen und bei Patenterteilungen im gesamten FuE-intensiven Bereich. Etwas zwiegespalten sind Testergebnisse für die US-Patente im Bereich der restlichen Technik (vgl. Abbildung 3.15). Während sie bei der Verwendung der durchschnittlichen Wachstumsraten nahelegen, daß zumindest bei einem Signifikanzniveau von 0,066 von einer -Konvergenz ausgegangen werden kann, würde bei Verwendung der Trendwachstumsraten erst ab einem Signifikanzniveau von 0,222 auf solch eine Konvergenz geschlossen werden. Dieser Unterschied rührt im wesentlichen daher, daß die Trendwachstumsraten aufgrund der teilweise hohen Volatilität bei den Patenterteilungen in der restlichen Technik bei einer Reihe von Ländern deutlich niedriger ausfallen. Selbst wenn die drei südeuropäischen Länder nicht in die Schätzungen einbezogen werden, spiegelt sich dieser Umstand noch in den Ergebnissen wider. Für die durchschnittlichen Wachstumsraten erhält man nun: jˆq =

0> 059  0> 018 ln s0 > U2 = 0> 658> (6> 721) (3> 792)

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz? Durchschnittswachstum 1963 - 1998

246

0,1 y = -0,0057x + 0,0394 0,08

2

FI BE

ES

0,06

R = 0,1529 t=-1,608 (0,132)

IE

0,04

PT

AT IT

DK SE

FR

0,02

DE

NL

UK

GR 0 -3

-2

-1

0

1

LU

2

3

ln(P 1963)

Trendwachstum 1963 - 1998

0,1 y = -0,0025x + 0,0285

0,08

2

FI

R = 0,0357 t=-0,792 (0,443) LU

0,06 0,04

IE BE IT

ES

AT

PT

0,02

FR GR

0

DK NL DE UK

SE

-0,02 -3

-2

-1

0

1

2

3

ln(P 1963)

Anmerkung:

Zur Berechnung der t-Werte wurden Whites heteroskastizitätskonsistente Schätzer der Varianz-Kovarianzmatrix verwendet. Signifikanzniveaus in Klammern.

Abbildung 3.15: Test auf -Konvergenz für die am USPTO erteilten Patente pro einer Million Einwohner im Bereich der restlichen Technik während sich für die Trendwachstumsraten b ˆ q = 0> 045  0> 012 ln s0 > U2 = 0> 290 ! (4> 301) (1> 566)

ergibt. Während die erste Schätzung eine sehr ähnliche Konvergenzgeschwindigkeit für die US-Patente im Bereich der restlichen Technik wie bei den gesamten US-Patenterteilungen der zwölf verbleibenden EU-Länder liefert, fällt sie bei der zweiten Schätzung mit ca. 1,5 % niedriger aus. Allerdings ist der Unterschied statistisch nicht signifikant. Als Zwischenergebnis der Überprüfung auf -Konvergenz kann mithin festgehalten werden, daß wenig dafür spricht, daß für alle 15 EU-Staaten eine absolute -Konvergenz der Innovationstätigkeit vorliegt. Werden jedoch die drei südeuropäischen Länder aus der Stichprobe entfernt, so kann im Regelfall auf eine solche Konvergenz geschlossen werden. Allerdings sind auch dann die ermittelten Konvergenzgeschwindigkeiten, die um 2 % liegen, sehr gering. Die sog. Halbwertzeit, d. h. die Zeit, in der die Hälfte der Weges zum langfristigen Gleichgewicht zurückgelegt wird, beträgt bei dieser Konvergenzgeschwindigkeit ca. 35 Jahre. Jenseits

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

247

statistischer Signifikanz kann zudem gemutmaßt werden, daß ähnlich wie bei der -Konvergenz der Konvergenzprozeß vor allem durch die Patenterteilungen im Bereich der FuE-intensiven Technik — und hier verstärkt von den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik — getrieben wird. Legt man — bei aller gebotenen Vorsicht — die Punktschätzwerte für das Trendwachstum zugrunde, so implizieren sie bei den US-Patenten im Bereich der Spitzentechnik eine Halbwertzeit von 28 Jahre und bei den Patenten im Bereich der restlichen Technik von 58 Jahren. Allerdings wurde im vorherigen Abschnitt auch gezeigt, daß der in den Querschnittsregressionen geschätzte -Koe!zient ein gewichteter Durchschnitt der Verhältnisse der Abweichungen der Wachstumsraten von ihrem Stichprobenmittelwert zu den Abweichungen der Ausgangsniveaus zu ihrem Mittelwert ist. Mithin müssen sich bei einem negativen -Koe!zienten die Unterschiede zwischen einigen, aber nicht allen Ländern verringert haben. Ferner wurde dort darauf hingewiesen, daß sich bei einer Verknüpfung des Konzepts der -Konvergenz jedoch mit der ersten Konvergenzdefinition die überprüfbare Hypothese ergibt, daß die Mittelwerte der stochastischen Prozesse, die den Wachstumsraten zugrunde liegen, für im Ausgangszeitpunkt auf niedrigem und hohem Niveau befindliche Länder unterschiedlich sein müssen. Deshalb werden in Tabelle 3.3 die durchschnittlichen und Trendwachstumsraten der am USPTO erteilten Pro-Kopf-Patente der EU-Länder wiedergegeben und jeweils mit der Wachstumsrate des im Ausgangszeitpunkt führenden Landes verglichen. Bei allen Patenterteilungen sowie bei den Erteilungen im Bereich der FuE-intensiven Technik und der hochwertigen Technik war Schweden 1963 das führende Land. Bei der Spitzentechnik standen die Niederlande im Ausgangszeitpunkt an der Spitze. Bei der restlichen Technik war eigentlich Luxemburg in 1963 führend, da dieses sehr kleine Land aber starke Schwankungen bei den Patenterteilungen aufweist, wurde der Vergleich hier auf das in der damaligen Rangfolge zweite Land Schweden bezogen. Zum Vergleich der durchschnittlichen Wachstumsraten wurden w-Tests auf Gleichheit der Mittelwerte durchgeführt. Allerdings sind die Streuungen für diese Wachstumsraten so groß, daß die Nullhypothese gleicher durchschnittlicher Wachstumsraten in keinem Fall abgelehnt werden kann. Anders sieht es bei den Trendwachstumsraten aus. Hier wurde jeweils mittels eines "2 -Testes (Wald-Testes) überprüft, ob die Trendkoe!zienten in den Schätzungen zur Bestimmung des Trendwachstums gleich sind. Bei den gesamten USPatenterteilungen pro Kopf sowie bei den Erteilungen im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik sowie in der Untergruppe der hochwertigen Technik ergeben sich dabei drei identische Gruppen. In der ersten Gruppe finden sich zehn der 15 EU-Länder, bei denen das Trendwachstum signifikant größer ist als bei dem führenden Land Schweden. Diese Länder holen also gegenüber dem 1963 führenden Land auf, überholen es aber nicht, denn auch in 1998 hat Schweden in diesen Technikbereichen noch die Spitzenposition inne (vgl. Tabelle 3.2). Die Nullhypothese eines gleichen Trendwachstums wie Schweden kann für Griechenland, die Niederlande und Portugal nicht abgelehnt werden. Bei diesen Ländern bleibt der Abstand zu dem führenden Land erhalten. Dagegen muß für Groß-

248

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.3: Durchschnitts- und Trendwachstum 1963 bis 1998 der am USPTO erteilten Patente in den verschiedenen Technikbereichen Land FI

IE

ES

BE

DK

IT

AT

FR

NL

SE

LU

DE

PT

UK

GR 1)

Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

jq

!q

jq

!q

jq

!q

jq

!q

jq

!q

0,095 1) (0,20)

0,088 2) (0,00)

0,096

0,091

0,129

0,126

0,083

0,081

0,077

0,074

(0,18)

(0,00)

(0,27)

(0,00)

(0,24)

(0,00)

(0,45)

(0,00)

0,085

0,069

0,110

0,077

0,086

0,092

0,095

0,059

0,045

0,042

(0,51)

(0,00)

(0,27)

(0,00)

(0,72)

(0,00)

(0,36)

(0,00)

(0,86)

(0,00)

0,057

0,037

0,054

0,037

0,076

0,056

0,047

0,033

0,062

0,033

(0,57)

(0,00)

(0,57)

(0,00)

(0,64)

(0,00)

(0,60)

(0,00)

(0,62)

(0,00)

0,057

0,026

0,055

0,023

0,078

0,043

0,048

0,018

0,066

0,037

(0,49)

(0,00)

(0,55)

(0,01)

(0,53)

(0,00)

(0,55)

(0,01)

(0,41)

(0,00)

0,045

0,026

0,047

0,027

0,060

0,045

0,043

0,023

0,038

0,019

(0,73)

(0,00)

(0,71)

(0,00)

(0,75)

(0,00)

(0,68)

(0,00)

(0,84)

(0,04)

0,040

0,033

0,041

0,033

0,071

0,053

0,034

0,028

0,037

0,032

(0,75)

(0,00)

(0,75)

(0,00)

(0,46)

(0,00)

(0,75)

(0,00)

(0,79)

(0,00)

0,039

0,029

0,039

0,027

0,041

0,029

0,038

0,027

0,037

0,030

(0,77)

(0,00)

(0,80)

(0,00)

(0,95)

(0,46)

(0,70)

(0,00)

(0,83)

(0,00)

0,036

0,020

0,038

0,020

0,059

0,039

0,030

0,013

0,028

0,020

(0,84)

(0,01)

(0,81)

(0,01)

(0,60)

(0,00)

(0,83)

(0,05)

(0,95)

(0,01)

0,030

0,015

0,031

0,015

0,038

0,026

0,026

0,009

0,022

0,014

(0,98)

(0,14)

(0,97)

(0,18)

(–)

(–)

(0,93)

(0,36)

(0,94)

(0,18)

0,029

0,009

0,029

0,009

0,048

0,024

0,022

0,005

0,026

0,007

(–)

(–)

(–)

(–)

(0,84)

(0,78)

(–)

(–)

(–)

(–)

0,028

0,049

0,063

0,054

0,012

0,001

0,061

0,057

0,012

0,047

(0,99)

(0,00)

(0,73)

(0,00)

(0,82)

(0,00)

(0,71)

(0,00)

(0,86)

(0,00)

0,028

0,018

0,028

0,017

0,041

0,027

0,025

0,015

0,027

0,019

(0,98)

(0,06)

(0,97)

(0,08)

(0,95)

(0,70)

(0,95)

(0,03)

(0,97)

(0,03)

0,028

0,006

0,028

0,002

0,028

-0,001

0,020

0,001

0,036

0,025

(0,99)

(0,77)

(0,99)

(0,54)

(0,93)

(0,00)

(0,99)

(0,72)

(0,93)

(0,03)

0,016

-0,002

0,017

-0,002

0,033

0,016

0,010

-0,008

0,011

-0,004

(0,73)

(0,01)

(0,75)

(0,01)

(0,92)

(0,02)

0,74

(0,00)

(0,71)

(0,04)

0,015

0,010

0,024

0,013

0,005

0,012

0,025

0,007

0,000

0,003

(0,90)

(0,86)

(0,97)

(0,76)

(0,80)

(0,11)

(0,98)

(0,83)

(0,85)

(0,69)

Signifikanzniveaus der t-Tests auf Gleichheit des Durchschnittswachstums des jeweiligen Landes und des 1963 führenden Landes in Klammern

2)

Signifikanzniveaus der Wald-Tests auf Gleichheit des Trendkoe!zienten des jeweiligen Landes und des 1963 führenden Landes in Klammern

britannien davon ausgegangen werden, daß seine Trendwachstumsrate signifikant kleiner als die Schweden ist, so daß es gegenüber diesem Land zurückfällt. Im Bereich der restlichen Technik ist die Gruppenaufteilung sehr ähnlich, nur gehört nun Portugal auch zu den aufholenden Ländern. Bei der Spitzentechnik ist hingegen die Gruppe der aufholenden Länder kleiner. Hier weisen sieben EU-Länder (Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien und Spanien) ein signi-

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

249

fikant höheres Trendwachstum als die Niederlande auf. Bei vier Ländern kann die Nullhypothese gleichen Trendwachstums mit den Niederlanden nicht abgelehnt werden (Deutschland, Griechenland, Österreich und Schweden). Großbritannien, Luxemburg und Portugal fallen hingegen bei den Pro-Kopf-Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik gegenüber den Niederlanden zurück. Schon diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß für die EU-Staaten nicht von einem einheitlichen Konvergenzverhalten bezüglich der Innovationsfähigkeit ausgegangen werden kann. Eine genauere Überprüfung der individuellen Konvergenzverhalten erfolgt im folgenden Unterabschnitt mit den Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese.

3.4.3

Zeitreihen- und Paneldatentests der Konvergenzhypothese

Die Einheitswurzeltests für die Zeitreihen der Patenterteilungen am USPTO erlauben es, das Konvergenzverhalten der nationalen Innovationstätigkeiten detailliert zu untersuchen. Im folgenden werden die Ergebnisse dieser Tests dargestellt, die jeweils für den Zeitraum von 1967 bis 1998 durchgeführt wurden, während die davor liegenden Beobachtungen für die Dierenzenbildung und potentielle Zeitverzögerungen zur Erfassung der in den Zeitreihen vorhandenen Autokorrelation genutzt wurden. Die zusätzlich verwendeten Paneldatentests auf Einheitswurzeln runden diese Analyse ab und können in einigen Fällen die Schwächen der Zeitreihentests ausgleichen. In vielen Fällen fallen jedoch bereits die Zeitreihentests so eindeutig aus, daß die Paneldatentests diese Ergebnisse nur bestätigen können. Als erstes wurden die Tests — genauso wie bei den anderen Konvergenzüberprüfungen — wieder für alle US-Patenterteilungen der EU-Länder durchgeführt. In Tabelle 3.4 sind die Ergebnisse dieser Überprüfungen wiedergegeben. In der ersten Gruppe sind die Länder versammelt, deren Testgleichungen im Falle des PhillipsPerron-Tests weder eine Konstante noch einen Trend und im Falle der ADF-Tests eine nichtsignifikante Konstante und keinen Trend enthalten. Eigentlich wäre es vorzuziehen gewesen, auch die ADF-Tests ohne Konstante durchzuführen, jedoch sind die simulierten Erwartungswerte und Varianzen der Testgrößen des IPSTests in Im/Pesaran/Shin (1997) nur für die Fälle mit einer Konstanten tabelliert. Zu dieser ersten Gruppe gehören Belgien und Deutschland, für die sowohl die Zeitreihen- als auch die Paneldatentests auf den üblichen Signifikanzniveaus zeigen, daß die Nullhypothese einer Einheitswurzel nicht abgelehnt werden kann. Für die zweite Gruppe von Ländern, bei denen die Testgleichungen eine signifikante Konstante enthalten, belegen der MW- und der IPS-Test überwältigend, daß zumindest bei einigen von ihnen eine bedingte Konvergenz der Innovationstätigkeit stattfindet (Fall 2: keine Einheitswurzel, d. h. q ? 0, und die Konstante  q 6= 0). Zudem fallen die Einheitswurzeltests für die einzelnen Zeitreihen so eindeutig aus, daß für Österreich, Dänemark, Italien und Portugal von solch einer bedingten Konvergenz ausgegangen werden muß, während Spanien und Luxemburg nicht gegen den Mittelwert konvergieren. In der dritten Gruppe befinden sich jene Länder mit Testgleichungen, die sowohl eine signifikante Konstante als auch einen signifikanten Trend enthalten. Diese Länder wachsen langfristig mit einer anderen Rate als der Mittelwert. Sie

250

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.4: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente bezogen auf den Mittelwert der 15 EU-Länder Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend BE DE

0,086 -1,335

0,703 0,165

2 2

-1,617 -0,697

0,462 0,834

1,906 0,587

0,753 0,722

0 0

Paneldatentests für Gruppe 1 MW-Test IPS-Test

4,312

AT DK ES IT LU PT

-3,306 -3,520 -1,812 -3,002 -2,035 -4,547

0,365

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,023 0,014 0,368 0,045 0,271 0,001

2 1 3 0 2 1

-3,379 -3,581 -1,789 -3,002 -2,150 -4,530

0,019 0,012 0,379 0,045 0,228 0,001

41,543 -4,262

0,000 0,000

0 0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

40,728

FI FR GR IE NL SE UK

-4,146 -3,812 -6,303 -4,226 -3,986 -2,398 -2,784

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,014 0,029 0,000 0,011 0,020 0,374 0,213

1 3 3 3 3 1 2

-4,156 -3,899 -6,337 -2,104 -3,199 2,302 -2,885

0,013 0,024 0,000 0,524 0,103 0,421 0,180

46,892 -4,367

0,000 0,000

90,341 -5,441

0,000 0,000

0 0 0 1 3 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

57,184

0,000

Paneldatentests für alle 15 EU-Staaten MW-Test IPS-Test

102,224

0,000

holen bei der Innovationstätigkeit entweder auf oder fallen zurück. Langfristig konvergieren sie zu einem eigenen Wachstumspfad. Auch hier können die Ergebnisse der Paneldatentests, die zeigen, daß zumindest einige Länder zu ihrem eigenen Wachstumspfad konvergieren, durch die weitgehend eindeutigen Zeitreihentestergebnisse näher eingegrenzt werden. Zu ihrem eigenen Wachstumspfad konvergieren Finnland, Frankreich und Griechenland. Eine solche Konvergenz liegt hingegen nicht für Schweden und Großbritannien vor. Keine eindeutigen Ergebnisse ergeben sich für Irland und die Niederlande. Hier legen zwar die PhillipsPerron-Testgrößen nahe, daß eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad stattfindet, die ADF-Tests, für die eine größere Anzahl an Zeitverzögerungen gewählt wurde, erlauben es aber eindeutig nicht, die Nullhypothese der Nichtkonver-

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

251

Tabelle 3.5: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente bezogen auf das 1963 führende Land Schweden Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE FR IT LU

-1,599 -0,426 -1,020 -1,317

0,102 0,522 0,270 0,170

1 0 1 1

-1,335 -1,402 -1,326 -2,089

0,601 0,569 0,605 0,285

5,658 -0,027

0,685 0,489

0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 1 MW-Test IPS-Test

12,028

AT GR NL PT UK

-2,311 -5,678 -1,858 -4,645 -2,038

0,150

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,175 0,000 0,347 0,001 0,270

0 3 1 0 1

-2,311 -5,612 -1,739 -4,645 -2,029

0,175 0,000 0,403 0,001 0,274

41,849 -4,383

0,000 0,000

0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

42,458

BE DK ES FI IE

-1,865 -3,439 -1,968 -2,984 -2,681

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,649 0,064 0,596 0,152 0,202

2 2 2 3 1

-1,826 -3,476 -1,942 -3,091 -2,790

0,669 0,059 0,610 0,125 0,211

14,710 -1,219

0,143 0,111

0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

13,940

0,176

Paneldatentests für 14 EU-Staaten (bezogen auf Schweden) MW-Test IPS-Test

68,426

0,000

62,217 -3,392

0,000 0,000

genz abzulehnen. Da anzunehmen ist, daß die nichtparametrische Korrektur des Phillips-Perron-Tests in diesen Fällen die vorhandene Autokorrelationsstruktur nur sehr unvollständig erfaßt, sollten die Ergebnisse der ADF-Tests mit Zeitverzögerungen von einem bzw. drei Jahren als aussagekräftiger angesehen werden. Zudem belegen der MW- und IPS-Test über alle 15 EU-Länder, daß — wie bei diesen Einzelergebnissen nicht anders zu erwarten — die US-Patenterteilungen einiger EU-Länder keine Einheitswurzel enthalten. Alternativ wurde für die gesamten US-Patenterteilungen ebenfalls überprüft, ob die einzelnen Länder mit dem zum Ausgangszeitpunkt 1963 führenden Land Schweden konvergieren (vgl. Tabelle 3.5). Werden als erstes die Länder betrachtet, die potentielle Kandidaten für eine absolute Konvergenz sind, d. h. die keine bzw. eine nichtsignifikante Konstante und keinen Trend enthalten, so kann sowohl

252

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

aufgrund des MW- als auch aufgrund des IPS-Tests die Nullhypothese einer Nichtkonvergenz nicht abgelehnt werden. Für Frankreich, Italien und Luxemburg wird dieses Ergebnis auch durch die Zeitreihentests bestätigt. Etwas anders sieht es im Falle Deutschlands aus. Beim Phillips-Perron-Test kann die Alternativhypothese einer absoluten Konvergenz zumindest auf einem Signifikanzniveau von 10 % nicht abgelehnt werden. Der Umstand, daß der MW-Test trotzdem die Alternativhypothese, daß zumindest eins der vier Länder bei der Innovationstätigkeit konvergiert, ablehnt, dürfte an der hohen Ablehnungswahrscheinlichkeit des Zeitreihentests für Frankreich liegen. Hier greift die bereits zitierte Mahnung zur Vorsicht aus Maddala (1999), S. 442, bei Paneldatentests, die auf Durchschnittsbildungen beruhen und bei denen einzelne Ausreißer ein besonderes Gewicht erlangen können. Diese Gefahr ist natürlich bei einer kleinen Zahl von Querschnitten besonders hoch und hier sollte den einzelnen Zeitreihen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zwar lehnt auch der ADF-Test die Alternativhypothese für Deutschland ab, das niedrige Signifikanzniveau ist aber vor allem der Tatsache geschuldet, daß die Testgleichung eine nichtsignifikante Konstante enthält, die die kritischen Werte in diesem Fall ungerechtfertigt in die Höhe drückt. Zudem ist davon auszugehen, daß — da beide Testgleichungen keine Zeitverzögerungen enthalten — die in diesem Fall günstigere Phillips-Perron-Teststatistik verbleibende Reste von Autokorrelation und ggf. auch Heteroskedastizität herausfiltert. Deshalb kann man davon ausgehen, daß zwischen Deutschland und Schweden eine absolute Konvergenz bei den gesamten Patenterteilungen stattfindet. Für die anderen beiden Gruppen fallen die Ergebnisse hingegen sehr deutlich aus. In der zweiten Gruppe kann nur für Griechenland und Portugal von einer bedingten Konvergenz der Innovationstätigkeit mit dem 1963 führenden Land Schweden ausgegangen werden. Allerdings wird noch gezeigt, daß die Niveauunterschiede zu Schweden langfristig sehr beachtlich bleiben. Zusätzlich konvergiert in der dritten Gruppe nur Dänemark auf einem vertretbaren Signifikanzniveau zu einem eigenen Wachstumspfad. Größtenteils sind diese Ergebnisse der Nichtkonvergenz gegenüber Schweden bzw. der Konvergenz zu einem eigenen, von Schweden abweichenden Wachstumspfad mit den vorherigen, auf den Mittelwert bezogenen Ergebnissen stimmig, weil dort Schweden nicht gegen den Mittelwert konvergiert. Bei einer isolierten Überprüfung der US-Patenterteilungen im Bereich der FuEintensiven Technik bezogen auf den Mittelwert ergeben sich einige Veränderungen gegenüber den gesamten US-Patenterteilungen (vgl. Tabelle 3.6). Irland und Luxemburg sind nun nicht mehr bei den nichtkonvergierenden Ländern zu finden, sondern im Falle Luxemburgs muß nun von einer bedingten Konvergenz ausgegangen werden, während Irland bei den Patenterteilungen in diesem Bereich gegen einen eigenen, vom Mittelwert abweichenden Wachstumspfad konvergiert. Umgekehrt verhält es sich bei Finnland. Hier sind zwar die Ergebnisse der beiden Tests widersprüchlich, da aber bei signifikanten Zeitverzögerungen der ADF-Test vorzuziehen ist, kann die Nullhypothese einer Nichtkonvergenz nicht mehr abgelehnt werden. Zudem tauschen Griechenland und Portugal die Gruppen. Interessant sind auch die drei Veränderungen, die sich ergeben, wenn die USPatenterteilungen im Bereich der FuE-intensiven Technik bezogen auf das 1963

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

253

Tabelle 3.6: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der FuE-intensiven Technik bezogen auf den Mittelwert der 15 EULänder Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE

-1,346

AT BE DK ES GR IT LU

-3,271 -1,896 -3,042 -1,889 -4,353 -3,018 -2,633

0,162

3

-0,783

0,810

0

-3,260 -1,944 -3,026 -1,968 -4,289 -3,052 -2,692

0,026 0,309 0,043 0,299 0,002 0,041 0,086

0 0 0 0 0 0 0

42,134 -4,063

0,000 0,000

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,025 0,330 0,042 0,333 0,002 0,044 0,097

3 3 1 1 3 3 1

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

41,862

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend FI FR IE NL PT SE UK

-4,846 -4,287 -4,923 -3,556 -5,840 -2,448 -2,908

0,002 0,010 0,002 0,050 0,000 0,350 0,174

3 2 2 2 1 2 3

-2,862 -4,305 -4,864 -3,028 -5,841 -2,411 -2,925

0,187 0,009 0,002 0,141 0,000 0,367 0,169

51,440 -4,997

0,000 0,000

93,673 -5,941

0,000 0,000

2 0 0 3 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

62,439

0,000

Paneldatentests für alle 15 EU-Staaten MW-Test IPS-Test

102,478

0,000

führende Land Schweden betrachtet werden (vgl. Tabelle 3.7). Für Deutschland kann nun die Nullhypothese einer Nichtkonvergenz bei einem Signifikanzniveau jenseits von 10 % nicht mehr abgelehnt werden. Dagegen ist nun für Finnland und Irland auf einem hohen Signifikanzniveau der Schluß zulässig, daß sie jeweils gegen einen eigenen Wachstumspfad konvergieren. Ein deutlich von den bisherigen Ergebnissen abweichendes Bild ergibt sich bei den Tests für die US-Patenterteilungen bezogen auf den Mittelwert im Bereich der Spitzentechnik (vgl. Tabelle 3.8). In der ersten Gruppe kann für Italien auf hohem Signifikanzniveau davon ausgegangen werden, daß eine absolute Konvergenz gegenüber dem Mittelwert vorliegt, während für Deutschland die Nullhypothese der Nichtkonvergenz auf den üblichen Signifikanzniveaus nicht abgelehnt werden kann. In der zweiten Gruppe implizieren die Testergebnisse eine bedingte Konvergenz im Falle von Belgien und Dänemark. Hingegen kann die Nullhypothese einer

254

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.7: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der FuE-intensiven Technik bezogen auf das 1963 führende Land Schweden Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE FR IT

-1,449 -0,406 -0,920

0,135 0,530 0,310

1 1 4

-1,376 -1,570 -1,503

0,581 0,486 0,519

3,840 0,083

0,698 0,533

0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 1 MW-Test IPS-Test

7,619

AT GR LU NL PT UK

-2,395 -4,430 -2,505 -2,022 -5,679 -2,267

0,267

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,151 0,001 0,124 0,276 0,000 0,188

2 2 1 2 1 2

-2,004 -4,400 -2,601 -1,835 -5,676 -2,276

0,284 0,001 0,103 0,358 0,000 0,185

45,481 -4,413

0,000 0,000

1 0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

46,990

BE DK ES FI IE

-2,251 -3,504 -2,158 -3,741 -3,207

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,447 0,056 0,496 0,034 0,101

1 0 1 1 0

-2,369 -3,504 -2,142 -3,745 -3,207

0,388 0,056 0,504 0,034 0,101

20,410 -2,211

0,026 0,014

0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

20,150

0,028

Paneldatentests für 14 EU-Staaten (bezogen auf Schweden) MW-Test IPS-Test

74,759

0,000

69,732 -4,185

0,000 0,000

Nichtkonvergenz der Innovationstätigkeit in diesem Bereich für Schweden nicht abgelehnt werden. Eine erstaunlich große Zahl — zehn von 15 — der EU-Länder findet sich nun in der dritten Gruppe. Von ihnen konvergieren sieben zu einem eigenen Wachstumspfad, während die Alternativhypothese für Frankreich und die Niederlande nicht angenommen werden kann. Bei den widersprüchlichen Ergebnissen für Irland wird wiederum dem ADF-Test mit Zeitverzögerungen mehr Aussagekraft beigemessen, so daß auch hier die Nullhypothese einer Nichtkonvergenz nicht abgelehnt werden kann. Bei den US-Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik waren die Niederlande im Ausgangszeitpunkt 1963 das führende Land, so daß sie nun alternativ als Bezugsgröße verwendet wurden (vgl. Tabelle 3.9). Bei diesen Tests findet sich

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

255

Tabelle 3.8: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der Spitzentechnik bezogen auf den Mittelwert der 15 EU-Länder Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE IT

-1,467 -2,439

0,131 0,016

1 3

-0,719 -2,820

0,828 0,067

5,792 -0,387

0,215 0,349

0 0

Paneldatentests für Gruppe 1 MW-Test IPS-Test

12,290

BE DK SE

-3,808 -4,123 -1,978

0,015

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,007 0,003 0,295

2 3 1

-3,771 -4,010 -1,962

0,007 0,004 0,301

23,192 -3,357

0,001 0,000

0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

24,011

AT ES FI FR GR IE LU NL PT UK

-5,312 -4,466 -3,588 -2,035 -7,109 -6,120 -4,553 -3,092 -5,606 -3,731

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,001 0,006 0,047 0,561 0,000 0,000 0,005 0,125 0,000 0,035

3 1 2 2 5 4 3 2 4 0

-5,286 -4,448 -3,625 -1,364 -6,575 -1,757 -4,472 -3,117 -5,516 -3,041

0,001 0,007 0,043 0,852 0,000 0,702 0,006 0,120 0,000 0,137

86,547 -6,629

0,000 0,000

115,531 -7,014

0,000 0,000

0 0 0 1 0 2 0 0 0 2

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

109,674

0,000

Paneldatentests für alle 15 EU-Staaten MW-Test IPS-Test

145,975

0,000

in der ersten Gruppe der Kandidaten für eine absolute Konvergenz nur Schweden, für das die Nullhypothese der Nichtkonvergenz aber nicht abgelehnt werden kann. In der zweiten Gruppe kann bei drei Ländern, Deutschland, Griechenland und Österreich, von einer bedingten Konvergenz ausgegangen werden, während im Falle Großbritanniens der im Fall ohne Zeitverzögerungen aussagekräftigere Phillips-Perron-Test gerade eine Nichtkonvergenz impliziert. In der wiederum recht großen dritten Gruppe — neun von 14 EU-Staaten — kann bei sieben Ländern aufgrund der Testergebnisse davon ausgegangen werden, daß sie bei den Patenterteilungen in der Spitzentechnik zu einem eigenen, gegenüber den Nie-

256

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.9: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der Spitzentechnik bezogen auf das 1963 führende Land: die Niederlande Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend SE

-1,438

AT DE GR UK

-5,933 -3,370 -5,338 -2,575

0,138

2

-1,624

0,459

0

-5,944 -3,299 -5,324 -2,695

0,000 0,023 0,000 0,086

0 0 0 0

52,240 -6,280

0,000 0,000

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,000 0,020 0,000 0,109

3 3 2 1

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

52,046

BE DK ES FI FR IE IT LU PT

-3,346 -3,450 -4,049 -2,880 -4,485 -5,464 -4,308 -5,085 -5,142

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,077 0,063 0,017 0,182 0,006 0,001 0,009 0,001 0,001

2 3 2 2 2 4 3 1 1

-3,369 -3,403 -4,056 -2,916 -4,492 -1,594 -4,375 -5,082 -5,147

0,074 0,069 0,017 0,171 0,006 0,773 0,008 0,001 0,001

69,530 -5,973

0,000 0,000

0 0 0 0 0 2 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

83,795

0,000

Paneldatentests für 14 EU-Staaten (bezogen auf die Niederlande) MW-Test IPS-Test

139,809

0,000

123,326 -8,201

0,000 0,000

derlande unterschiedlichen Wachstumspfad konvergieren.47 Hingegen weisen im Falle Finnlands beide Tests auf eine Nichtkonvergenz hin, und bei Irland ist es wiederum der ADF-Test mit zwei Zeitverzögerungen, der eine Nichtkonvergenz nahelegt. Die Ergebnisse für die US-Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik unterscheiden sich deutlich von den Ergebnissen für den Bereich der Spit47 Am Beispiel Belgiens und Dänemarks läßt sich hier das Problem der relativ geringen Macht der Einheitswurzeltests für Zeitreihen aufzeigen. Für die beiden Länder kann erst bei Signifikanzniveaus von 7,4 % bzw. 6,9 % die Alternativhypothese der Stationarität nicht abgelehnt werden. Wendet man jedoch den MW-Test an, so kann auf einem Signifikanzniveau von 3,2 % die Alternativhypothese, daß für mindestens eines der beiden Länder die US-Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik bezogen auf das 1963 führende Land stationär sind, nicht abgelehnt werden. Auch dieses Ergebnis spricht dafür, bei der Wahl der Signifikanzniveaus zur Ablehnung der Nullhypothese bei den Zeitreihentests relativ großzügig zu sein (z. B.  = 0> 1).

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

257

Tabelle 3.10: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der hochwertigen Technik bezogen auf den Mittelwert der 15 EU-Länder Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE

-1,215

AT BE DK ES FI GR IT LU PT

-3,894 -2,288 -2,582 -2,200 – -3,702 -2,768 -2,879 -5,742

0,201

2

-1,379

0,580

0

-4,003 -2,291 -2,690 -2,123 -3,001 -3,780 -2,736 -2,883 -5,746

0,004 0,181 0,087 0,237 0,046 0,007 0,079 0,058 0,000

0 0 0 0 3 0 0 0 0

69,258 -5,803

0,000 0,000

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,006 0,182 0,107 0,210 – 0,009 0,074 0,059 0,000

1 3 4 3 1 2 1 1

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

62,049

FI FR IE NL SE UK

-4,206 -4,404 -5,251 -3,286 -3,120 -3,063

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,012 0,007 0,001 0,087 0,119 0,132

3 1 5 1 0 2

– -4,396 -5,260 -3,226 -3,120 -3,109

– 0,007 0,001 0,097 0,119 0,121

37,054 -4,442

0,000 0,000

107,401 -7,001

0,000 0,000

0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

46,003

0,000

Paneldatentests für alle 15 EU-Staaten MW-Test IPS-Test

111,264

0,000

zentechnik (vgl. Tabelle 3.10). Bezogen auf den Mittelwert befindet sich in der ersten Gruppe nur Deutschland, das aber keine absolute Konvergenz aufweist. Die Mehrheit der EU-Länder tummelt sich nun in der zweiten Gruppe der Kandidaten für eine bedingte Konvergenz. Bei sieben der neun hier versammelten Länder kann die Alternativhypothese, daß die entsprechenden Patenterteilungen stationär seien, maximal bei einem Signifikanzniveau von 8,7 % nicht abgelehnt werden. Nur im Falle Belgiens und Spaniens ist davon auszugehen, daß keine bedingte Konvergenz vorliegt. Bei Finnland führen der Phillips-Perron- und der ADF-Test zwar zu grundsätzlich verschiedenen Ergebnissen, allerdings dürfte im Falle von signifikanten Zeitverzögerungen der ADF-Test, der eine bedingte Konvergenz nahelegt, aussagekräftiger sein. Zudem implizieren die Testergebnisse für Frankreich, Irland und die Niederlande, daß diese Länder langfristig zu einem

258

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.11: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der hochwertigen Technik bezogen auf das 1963 führende Land Schweden Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE

-1,571

FR GR LU NL PT UK

-1,902 -3,848 -2,708 -2,335 -5,704 -2,555

0,108

0

-1,920

0,319

0

-1,851 -3,847 -2,734 -2,226 -5,705 -2,582

0,350 0,006 0,079 0,202 0,000 0,107

0 0 0 0 0 0

45,146 -4,501

0,000 0,000

Gruppe 2: Konstante, kein Trend 0,327 0,006 0,084 0,168 0,000 0,113

1 0 1 2 0 1

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

45,416

AT BE DK ES FI IE IT

-3,897 -2,190 -2,951 -2,166 -4,004 -4,136 -2,512

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,024 0,479 0,161 0,491 0,019 0,014 0,321

1 2 4 2 0 3 0

-3,968 -2,245 -3,049 -2,159 -4,004 -4,166 -2,512

0,020 0,450 0,135 0,495 0,019 0,013 0,321

33,721 -3,139

0,002 0,001

0 0 0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

32,800

0,003

Paneldatentests für 14 EU-Staaten (bezogen auf Schweden) MW-Test IPS-Test

82,673

0,000

81,150 -5,311

0,000 0,000

eigenen Wachstumspfad konvergieren, der sich von dem Wachstumspfad des Mittelwertes unterscheidet.48 Das Bild ändert sich etwas, wenn die Patenterteilungen in diesem Bereich auf die entsprechenden Zahlen für das 1963 führende Land Schweden bezogen werden (vgl. Tabelle 3.11). In der ersten Gruppe findet sich zwar wiederum nur Deutschland, für das auch in diesem Fall keine absolute Konvergenz diagnostiziert werden kann, bei den anderen Gruppen sind jedoch deutliche Verschiebungen festzustellen. Bei den sechs Ländern in der zweiten Gruppe ist nur für Griechenland, Luxemburg und Portugal von einer bedingten Konvergenz der Innovationstätigkeit im Bereich der hochwertigen Technik auszugehen. Auch unter den sieben 48

In diesem Fall belegt ein MW-Test für die Niederlande, Schweden und Großbritannien, daß bei  = 0> 04 für mindestens eines der Länder die US-Patenterteilungen in diesem Technikbereich stationär sind.

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

259

Tabelle 3.12: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der restlichen Technik bezogen auf den Mittelwert der 15 EU-Länder Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

-6,924 -1,861 -1,865 -1,998 -2,970 -2,105 -5,479

0,000 0,346 0,344 0,286 0,049 0,244 0,000

0 1 0 1 0 0 0

60,877 -5,310

0,000 0,000

Gruppe 2: Konstante, kein Trend AT BE DE ES IT LU PT

-6,947 -2,863 -1,861 -3,819 -3,004 -2,035 -5,516

0,000 0,061 0,345 0,007 0,045 0,271 0,000

1 2 3 3 3 2 2

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

71,895

DK FI FR GR IE NL SE UK

-4,645 -5,877 -3,306 -5,555 -5,118 -4,139 -3,307 -4,295

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,004 0,000 0,083 0,000 0,001 0,014 0,083 0,010

1 6 3 3 0 1 3 1

-4,666 -5,805 -3,362 -5,538 -5,118 -4,095 -3,328 -4,274

0,004 0,000 0,075 0,000 0,001 0,015 0,080 0,010

84,838 -8,006

0,000 0,000

145,716 -8,834

0,000 0,000

0 0 0 0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

84,960

0,000

Paneldatentests für alle 15 EU-Staaten MW-Test IPS-Test

156,885

0,000

Ländern in der dritten Gruppe sind nur drei, nämlich Österreich, Finnland und Irland, die gegen einen eigenen langfristigen Wachstumspfad konvergieren, der von dem Schwedens abweicht. Für die verbleibenden US-Patenterteilungen im Bereich der restlichen Technologien lassen sich bezogen auf den Mittelwert nur zwei Gruppen ausmachen, weil die erste Gruppe der Kandidaten für eine absolute Konvergenz entfällt (vgl. Tabelle 3.12). Auf eine bedingte Konvergenz kann aufgrund der Testergebnisse für Italien, Österreich und Portugal geschlossen werden. Zu einem eigenen Wachstumspfad konvergieren hingegen acht EU-Staaten und für vier Länder, Belgien, Deutschland, Luxemburg und Spanien, muß die Annahme jeglicher Art von Konvergenz abgelehnt werden. Die Anzahl der nichtkonvergierenden Länder nimmt deutlich zu, wenn die Patenterteilungen in diesem Bereich auf die Erteilungen Schwedens bezogen werden (vgl. Tabelle 3.13). Nun muß für sieben von 14 Ländern die Alternativhypothese einer Konvergenz abgelehnt werden:

260

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.13: Einheitswurzeltests für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der restlichen Technik bezogen auf Schweden Land

PP-Statistik

Sig.-niv.

Bandw.

ADF-Statistik

Sig.-niv.

Lags

Gruppe 1: Keine bzw. nichtsignifikante Konstante, kein Trend DE FR IT LU

-0,942 -0,516 -1,144 -2,009

0,301 0,485 0,225 0,044

0 2 2 1

-1,651 -1,660 -1,262 -2,018

0,446 0,441 0,635 0,278

6,721 -0,274

0,567 0,392

0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 1 MW-Test IPS-Test

13,072

0,109

Gruppe 2: Konstante, kein Trend GR NL UK

-6,182 -2,377 -1,785

0,000 0,156 0,381

2 1 2

-6,196 -2,297 -1,898

0,000 0,179 0,329

28,388 -3,778

0,000 0,000

0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 2 MW-Test IPS-Test

28,209

AT BE DK ES FI IE PT

-4,389 -2,280 -3,929 -2,452 -5,477 -4,601 -4,907

0,000

Gruppe 3: Konstante und Trend 0,008 0,432 0,022 0,348 0,000 0,005 0,002

2 1 3 0 3 2 2

-4,304 -2,429 -3,906 -2,452 -5,359 -4,571 -4,902

0,009 0,359 0,023 0,348 0,001 0,005 0,002

58,592 -5,787

0,000 0,000

0 0 0 0 0 0 0

Paneldatentests für Gruppe 3 MW-Test IPS-Test

59,540

0,000

Paneldatentests für 14 EU-Staaten (bezogen auf Schweden) MW-Test IPS-Test

100,821

0,000

93,702 -5,911

0,000 0,000

bei drei Ländern aus der ersten Gruppe (Deutschland, Frankreich und Italien) und jeweils zwei Ländern aus der zweiten und dritten Gruppe (die Niederlande und Großbritannien bzw. Belgien und Spanien). Für Luxemburg muß von einer absoluten Konvergenz gegenüber Schweden ausgegangen werden, was nicht erstaunt, weil Luxemburg eigentlich 1963 das führende Land war und seitdem, wenn auch mit starken Schwankungen, in dieser Technikgruppe mit Schweden auf gleichem Niveau blieb. Griechenland ist das einzige Land, für das bei den USPatenterteilungen im Bereich der restlichen Technik eine bedingte Konvergenz gegenüber Schweden diagnostiziert werden kann. Zu einem eigenen Wachstumspfad, der von dem Schwedens abweicht, konvergieren Dänemark, Finnland, Irland, Österreich und Portugal.

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

261

Tabelle 3.14: Stationaritätstests für die am USPTO erteilten Patente bezogen auf den Mittelwert der 15 EU-Länder Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

KPSS1)

Land

0,286

AT (4)

0,266

BE (3)

0,254

AT (2)

0,245

AT (3)

0,103

BE (4)

0,170

BE (4)

0,233

DK (3)

0,235

BE (4)

0,218

ES (4)

0,238

DK (2)

0,195

DK (2)

0,135

DK (1)

0,140

PT (2)

0,223

GR (3)

0,237

GR (3)

0,218

PT (1)

0,296

Land

KPSS

Land

KPSS

Land

KPSS

Land

KPSS

Gruppe 1: Konstante, kein Trend AT (3)

2)

Gruppe 2: Konstante und Trend DE (4)

0,174**

DE (4)

0,175**

AT (3)

0,094

DE (4)

0,174**

BE (4)

0,138*

ES (4)

0,135*

ES (4)

0,114

DE (4)

0,175**

ES (4)

0,120*

DE (4)

0,144**

FI (2)

0,192**

FI (3)

0,175**

ES (1)

0,102

FI (3)

0,221***

DK (1)

0,190**

FR (2)

0,053

FR (2)

0,063

FI (3)

0,096

FR (1)

0,058

FI (6)

0,116

GR (3)

0,142*

IE (3)

0,136*

FR (4)

0,172**

IE (4)

0,090

FR (0)

0,121*

IE (3)

0,137*

IT (1)

0,085

GR (6)

0,108

IT (1)

0,062

GR (3)

0,093

IT (1)

0,066

LU (4)

0,147**

IE (4)

0,121*

LU (3)

0,152**

IE (0)

0,091

LU (4)

0,169**

NL (2)

0,088

IT (3)

0,181**

NL (2)

0,063

IT (3)

0,131*

NL (3)

0,095

PT (2)

0,098

LU (3)

0,167**

SE (3)

0,121*

LU (4)

0,177**

PT (2)

0,097

SE (3)

0,086

NL (4)

0,157**

UK (3)

0,107

NL (0)

0,108

SE (3)

0,107

UK (3)

0,097

PT (4)

0,105

SE (3)

0,152**

UK (3)

0,128*

SE (3)

0,119

UK (2)

0,162**

UK (2)

0,079

1)

Die kritischen Werte betragen bei der Nullhypothese der Niveaustationarität (Konstante) 0,739 (1 %), 0,463 (5 %) und 0,347 (10 %); bei der Nullhypothese der Trendstationarität (Konstante und Trend) 0,216 (1 %), 0,146 (5 %) und 0,119 (10 %). 2) Bandweite in Klammern. * Signifikant bei  = 0> 10; ** signifikant bei  = 0> 05; *** signifikant bei  = 0> 01.

Um die Robustheit der Ergebnisse der Einheitswurzeltests zu überprüfen, wurde als alternativer Stationaritätstest der KPSS-Test verwendet. Die Ergebnisse dieser Tests für die auf den Mittelwert bezogenen Patenterteilungen sind in Tabelle 3.14 wiedergegeben. Innerhalb der ersten Gruppe von Testgleichungen, die eine Konstante aber keinen Trend enthalten, kann in keinem Fall die Nullhypothese der Stationarität abgelehnt werden. Gleichzeitig ist in all diesen Fällen die Konstante signifikant von null verschieden, so daß jeweils von einer bedingten Konvergenz zu einem eigenen langfristigen Gleichgewichtsniveau auszugehen ist. Für die gesamte Technik ist genauso wie bei den Einheitswurzeltests für Dänemark und Österreich sowie zusätzlich für Belgien von solch einer bedingten Konvergenz auszugehen. Für Italien und Portugal, bei denen zuvor die Einheitswurzeltests ebenfalls den Schluß auf eine bedingte Konvergenz nahelegten, kann nun von einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad (Konstante und signifikanter Trend) ausgegangen werden. Auf diese dritte Art der Konvergenz kann ebenfalls für Frankreich (analog zu den Einheitswurzeltests) sowie die Nie-

262

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

derlande und Schweden geschlossen werden. Interessant sind die Ergebnisse für Finnland und Griechenland. Hier muß aufgrund der KPSS-Tests die Nullhypothese der Stationarität abgelehnt werden, während bei den Einheitswurzeltests die Nullhypothese der Nichtstationarität verworfen werden muß. Mit der gebotenen Vorsicht kann man annehmen, daß den Zeitreihen für diese beiden Länder fraktional integrierte Prozesse zugrunde liegen. Für die Patenterteilungen im Bereich der FuE-intensiven Technik besteht aufgrund aller Tests Einigkeit darüber, daß für Dänemark, Griechenland und Österreich eine bedingte Konvergenz vorliegt. Zusätzlich erlaubt der KPSS-Test für Belgien den Schluß auf diese Art von Konvergenz. Die Einheitswurzeltests gehen zudem für Italien und Luxemburg von bedingter Konvergenz zu einem eigenen Gleichgewichtsniveau aus, während die KPSS-Tests im ersteren Fall auf eine Konvergenz zu einem eigenen langfristigen Wachstumspfad und in zweiterem Fall auf eine Nichtkonvergenz hinweisen. Auf eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad kann bei den KPSS-Tests ebenfalls für Frankreich und Portugal (wie bei den Einheitswurzeltests) sowie Großbritannien, die Niederlande, Schweden und Spanien geschlossen werden. Dagegen wird diese Hypothese bei Irland abgelehnt, während sie aufgrund der Einheitswurzeltests nicht verworfen werden kann, so daß dieser Zeitreihe möglicherweise wiederum ein fraktional integrierter Prozeß zugrunde liegt. Für den Bereich der Spitzentechnik ergibt sich eine relativ breite Übereinstimmung zwischen den Einheitswurzel- und Stationaritätstests. Auf der Grundlage beider Testansätze kann für Belgien und Dänemark von einer bedingten Konvergenz der Patenterteilungen in diesem Bereich ausgegangen werden. Dagegen lehnt der KPSS-Test für Italien die Nullhypothese der Trendstationarität ab, während die Einheitswurzeltests eine absolute Konvergenz diagnostiziert hatten. Zudem legen beide Testansätze für Finnland, Griechenland, Österreich, Portugal und Spanien eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad nahe. Zusätzlich zeigen die KPSS-Tests noch anders als die Einheitswurzeltests für Großbritannien und Schweden solch eine Konvergenz an, während sie die Annahme dieser Hypothese für Luxemburg nicht zulassen. Für den Bereich der hochwertigen Technik erlauben die KPSS-Tests für fünf der sieben Länder, bei denen die Einheitswurzeltests auf einen bedingte Konvergenz hindeuteten, ebenfalls diesen Schluß. Nur für Italien und Luxemburg implizieren sie entweder eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad oder keine Konvergenz. Zudem zeigen sie zusätzlich zu den bei den Einheitswurzeltests ermittelten Ländern noch für Großbritannien eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad an. Relativ deutlich unterscheiden sich die Ergebnisse beider Testansätze für die Patenterteilungen im Bereich der restlichen Technik. Dies gilt insbesondere für die Ablehnung der Nullhypothese der Trendstationarität, die für acht Länder abgelehnt wird, während die Einheitswurzeltests nur für vier Länder eine Nichtkonvergenz nahelegen. Auf eine bedingte Konvergenz kann für drei Länder geschlossen werden, nämlich für Österreich, Portugal und Spanien, wobei die Einheitswurzeltests für die ersteren zwei Länder zu dem gleichen Ergebnis führten. Umgekehrt zu den Ablehnungen der Konvergenzhypothese sieht es bei den Schlüssen auf eine

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

263

Tabelle 3.15: Stationaritätstests für die am USPTO erteilten Patente bezogen auf das 1963 führende Land Gesamt Land

FuE-intensiv

Spitzentechnik

KPSS1)

Land

0,148

GR (3)

0,109

AT (3)

0,279

0,118

PT (1)

0,106

DE (4)

0,206

GR (2)

0,326

SE (4)

0,146

KPSS

Land

KPSS

Hochwertig Land

Rest

KPSS

Land

KPSS

GR (2)

0,122

GR (2)

0,100

PT (0)

0,122

0,137*

Gruppe 1: Konstante, kein Trend GR (3)

2)

PT (1)

Gruppe 2: Konstante und Trend AT (3)

0,107

AT (3)

0,142*

BE (3)

0,182**

AT (2)

0,132*

AT (3)

BE (4)

0,162**

BE (4)

0,163**

DK (3)

0,187**

BE (4)

0,166**

BE (4)

0,153**

DE (3)

0,122*

DE (4)

0,135*

ES (3)

0,149**

DE (3)

0,124*

DE (4)

0,089

DK (4)

0,179**

DK (3)

0,174**

FI (3)

0,118

DK (2)

0,192**

DK (4)

0,184**

ES (4)

0,137*

ES (4)

0,112

FR (2)

0,077

ES (4)

0,131*

ES (4)

0,170**

FI (0)

0,109

FI (0)

0,142*

IE (4)

0,149**

FI (1)

0,138*

FI (3)

0,106

FR (3)

0,098

FR (3)

0,076

IT (8)

0,131*

FR (3)

0,112

FR (4)

0,128*

IE (4)

0,119*

IE (3)

0,120*

LU (1)

0,123*

IE (1)

0,119

IE (2)

0,125*

IT (3)

0,091

IT (3)

0,075

PT (1)

0,135*

IT (3)

0,094

IT (4)

0,141*

LU (4)

0,168**

LU (3)

0,161**

UK (3)

0,183**

LU (3)

0,145*

LU (2)

0,179**

NL (3)

0,095

NL (3)

0,087

NL (2)

0,107

NL (3)

0,100

UK (4)

0,135*

UK (4)

0,113

UK (4)

0,150**

PT (2)

0,133*

UK (4)

0,159**

1)

Die kritischen Werte betragen bei der Nullhypothese der Niveaustationarität (Konstante) 0,739 (1 %), 0,463 (5 %) und 0,347 (10 %); bei der Nullhypothese der Trendstationarität (Konstante und Trend) 0,216 (1 %), 0,146 (5 %) und 0,119 (10 %). 2) Bandweite in Klammern. * Signifikant bei  = 0> 10; ** signifikant bei  = 0> 05; *** signifikant bei  = 0> 01.

Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad aus. Dieser Konvergenzart können nach den KPSS-Tests nur vier der acht Länder zugeordnet werden, die mittels der Einheitswurzeltests ermittelt wurden, nämlich Finnland, Griechenland, Irland und die Niederlande. Auch bei den auf das 1963 führende Land bezogenen Stationaritätstests kann die Nullhypothese in allen Fällen, in denen sie Niveaustationarität unterstellt, nicht abgelehnt werden. Allerdings kann von dieser Hypothese nur bei recht wenigen Ländern ausgegangen werden. Für die Technikfelder, in denen Schweden 1963 das führende Land war, wird sie für Griechenland und Portugal (gesamte Technik, FuE-intensive Technik und hochwertige Technik) sowie nur Griechenland beibehalten. Im Bereich der Spitzentechnik, in dem die Niederlande 1963 das führende Land waren, kann sie für Deutschland, Griechenland, Österreich und Schweden nicht abgelehnt werden. Da die Konstante in all diesen Fällen signifikant von Null verschieden ist, ist stets von einer bedingten Konvergenz gegenüber dem anfänglich führenden Land auszugehen.

264

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Lautet die Nullhypothese, daß die Zeitreihen trendstationär seien und mithin von einer Konvergenz zu einem eigenen, von dem des führenden Landes abweichenden Wachstumspfad auszugehen sei, so kann diese Annahme für den Bereich der gesamten und auch der FuE-intensiven Technik für fünf der zwölf verbleibenden EU-Länder nicht abgelehnt werden. Dabei muß nur für Frankreich, Italien und die Niederlande die Nullhypothese in beiden Fällen nicht verworfen werden. Zudem kann für diese drei Länder — neben Irland — die Nullhypothese auch für den Bereich der hochwertigen Technik beibehalten werden. Für den Bereich der Spitzentechnik kann die Nullhypothese nur für zwei EU-Staaten — Finnland und Frankreich — nicht abgelehnt werden, wobei für Finnland zusätzlich auch bei der gesamten sowie der restlichen Technik von einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad auszugehen ist. Für den Bereich der restlichen Technik gilt dies wiederum auch für die Niederlande sowie Deutschland. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse der Zeitreihen- und Paneldatentests, daß bei den US-Patenterteilungen das Konvergenzverhalten sowohl der einzelnen EU-Länder und auch in den verschiedenen Technikbereichen recht unterschiedlich ist. Um bei der Vielzahl von Einzelergebnissen ein Fazit herauskondensieren zu können, sind die wesentlichen Ergebnisse zur Konvergenz bezogen auf den Mittelwert in den Tabelle 3.16 und 3.17 zusammengefaßt. Gleichzeitig werden in dieser Tabelle auch die langfristigen Niveauunterschiede im Falle einer bedingten Konvergenz und die langfristigen Wachstumsunterschiede im Falle einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad als Punktschätzwerte quantifiziert. Als erstes zeigt sich auf der Grundlage der Einheitswurzeltests, daß bei einer feineren Unterteilung der Technikbereiche die Anzahl der Länder, die eine absolute oder bedingte Konvergenz bzw. eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad aufweisen, ansteigt, nämlich von sieben Ländern bei der gesamten Technik bis zu elf Ländern bei der restlichen Technik. Dabei ist Deutschland das einzige Land, das in keinem Fall irgendeine Art von Konvergenz aufweist. Dagegen zeigen die Stationaritätstests (KPSS-Tests) für die Bereiche der FuE-intensiven sowie der hochwertigen Technik mit elf bzw. zehn Ländern relativ häufig eine bedingte Konvergenz oder eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad an, während sie bei der restlichen Technik nur für sieben Länder diesen Schluß zulassen. Zweitens ist eine absolute Konvergenz die absolute Ausnahme. Nur für Italien kann bei den Einheitswurzeltests für den Bereich der Spitzentechnik eine solche Konvergenz gegenüber dem Mittelwert festgestellt werden. Weil bei diesem Teil der Untersuchung im Falle der bedingten Konvergenz die Bezugsgröße der Mittelwert der logarithmierten US-Patenterteilungen ist, geben die langfristigen Koe!zienten  q @q bei den Einheitswurzeltests näherungsweise an, um wieviel Prozent der langfristige Gleichgewichtspfad eines Landes, der die gleiche Wachstumsrate wie ein hypothetisches EU-Durchschnittsland aufweist, oberhalb oder unterhalb dieses Durchschnitts liegt. Die gleiche Interpretation gilt für die Konstante bei den KPSS-Tests, wenn die Nullhypothese der Niveaustationarität nicht abgelehnt werden kann. So liegt auf der Basis beider Testansätze für Dänemark und Österreich eine bedingte Konvergenz vor, bei der ein Niveau erreicht wird, das ca. 60 % bzw. 70 % über dem hypothetischen EU-Durchschnitt liegt. Zudem erlauben die Einheitswurzeltests für Italien und Portugal den Schluß, daß das

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

265

Tabelle 3.16: Art und Umfang der Konvergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten innerhalb der EU bezogen auf den Mittelwert (auf der Grundlage der ADF- und PP-Tests) Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

Keine Konvergenz Land BE DE ES IE LU NL SE UK

Land BE DE ES FI NL SE UK

Land DE FR IE NL SE UK

Land BE DE ES SE UK

Land BE DE ES LU

Absolute oder bedingte Konvergenz Land AT DK IT PT

- q @q 1) 0,709 0,608 -0,145 -3,576

Land FI FR GR

- q @q 2) 0,055 -0,008 -0,021

Land AT DK GR IT LU

- q @q 0,644 0,606 -2,912 -0,098 0,706

Land BE DK IT

- q @q 0,350 0,377 0

Land AT DK FI GR IT LU PT

- q @q 0,705 0,644 1,611 -2,916 -0,102 0,880 -3,425

Land AT IT PT

- q @q 0,818 -0,398 -3,206

Land DK FI FR GR IE NL SE UK

- q @q -0,009 0,044 -0,006 -0,024 0,017 -0,012 -0,023 -0,031

Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad

1) 2)

Land FR IE PT

- q @q -0,009 0,032 -0,022

Land AT ES FI GR LU PT

- q @q -0,009 0,025 0,091 -0,029 -0,037 -0,045

Land FR IE NL

- q @q -0,010 0,018 -0,012

Langfristiger Niveauunterschied zwischen den logarithmierten Patenten und ihrem Mittelwert Langfristige Wachstumsdierenz gegenüber der Entwicklung des Mittelwerts

Niveau des langfristigen Wachstumspfads sich ca. 15 % bzw. 350 % unterhalb des EU-Durchschnitts bewegt, während der KPSS-Test für Belgien einen Gleichgewichtspfad ergibt, der 48 % über dem EU-Durchschnittsniveau liegt. Die kleinste Anzahl von Ländern mit einer bedingten Konvergenz gegenüber dem Mittelwert finden sich im Bereich der Spitzentechnik (Belgien und Dänemark oberhalb des Mittelwerts) und der restlichen Technik (Österreich oberhalb des Mittelwerts, Italien und Portugal (Einheitswurzeltests) bzw. Portugal und Spanien (KPSS-Tests) unterhalb des Mittelwerts). Umgekehrt ist hier bei den Einheitswurzeltests die

266

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.17: Art und Umfang der Konvergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten innerhalb der EU bezogen auf den Mittelwert (auf der Grundlage der KPSS-Tests) Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

Keine Konvergenz Land DE ES FI GR IE LU UK

Land DE FI IE LU

Land DE FR IE IT LU NL

Land DE ES FI LU SE

Land BE DE DK FR IT LU SE UK

Absolute oder bedingte Konvergenz Land AT BE DK

Konst. 1) 0,710 0,480 0,605

Land FR IT NL PT SE

Trend 2) -0,008 0,006 -0,011 -0,019 -0,020

Land AT BE DK GR

Konst. 0,647 0,490 0,599 -2,907

Land BE DK

Konst. 0,345 0,372

Land AT BE DK GR PT

Konst. 0,705 0,504 0,632 -2,910 -3,425

Land AT ES PT

Konst. 0,819 -1,842 -3,204

Land FI GR IE NL

Trend 0,044 -0,024 0,017 -0,012

Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad

1) 2)

Land ES FR IT NL PT SE UK

Trend 0,011 -0,009 0,005 -0,011 -0,021 -0,020 -0,028

Land AT ES FI GR PT SE UK

Trend -0,009 0,024 0,091 -0,030 -0,045 -0,014 -0,022

Land FR IE IT NL UK

Trend -0,010 0,018 0,007 -0,013 -0,030

Langfristiger Niveauunterschied zwischen den logarithmierten Patenten und ihrem Mittelwert Langfristige Wachstumsdierenz gegenüber der Entwicklung des Mittelwerts

Anzahl der Länder, die zu einem eigenen Wachstumspfad konvergieren, am größten: sechs Länder im Bereich der Spitzentechnik und acht Länder im Bereich der restlichen Technik. Hingegen finden sich bei den KPSS-Tests mit jeweils sieben Ländern die meisten Fälle einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad im Bereich der FuE-intensiven Technik sowie der Spitzentechnik. Dabei sind in allen Technikbereichen im Falle einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad die langfristigen Wachstumsunterschiede gegenüber dem Mittelwert, die bei den Einheitswurzeltests durch den langfristigen Koe!zienten  q @q und bei den KPSS-Tests durch den Trendkoe!zienten repräsentiert werden, beachtlich. Auf der Basis der Einheitswurzeltests holt Finnland im Falle der gesamten Technik — unterhalb des Mittelwertes startend — zunächst auf und

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

267

überholt dann mit einer langfristigen Wachstumsrate, die um 5,5 Prozentpunkte höher liegt als die des Durchschnitts. Dagegen muß hier auf der Grundlage der KPSS-Tests von keiner Konvergenz ausgegangen werden. Frankreich — oberhalb des Mittelwertes startend — weist eine um 0,8 Prozentpunkte geringere Wachstumsrate als der Mittelwert auf, so daß es sich langsam dem Mittelwert annähert und irgendwann dahinter zurückfallen wird. Anders bei Griechenland, das unterhalb des Mittelwertes startet und bei dem die Einheitswurzeltests implizieren, daß es mit einer langfristigen Wachstumsrate, die um 2,1 Prozentpunkte niedriger ist als die des Durchschnitts, kontinuierlich zurückfällt. Die Trendkoe!zienten der KPSS-Tests zeigen zudem für die Niederlande, Portugal und Schweden Wachstumsraten an, die zwischen 1,1 und 2,0 Prozentpunkte niedriger sind als die des EU-Durchschnitts. Dabei fällt Portugal — unterhalb des Durchschnitts startend — kontinuierlich zurück, während sich die Niederlande und Schweden von oben dem Durchschnitt nähern. Ein ähnliches Bild ergibt sich aufgrund der Einheitswurzeltests für Frankreich, Irland und Portugal im Bereich der FuE-intensiven Technik. Dagegen muß auf der Basis der KPSS-Tests einerseits für Irland die Hypothese einer Konvergenz abgelehnt werden, und andererseits kann auch für Großbritannien, Italien, die Niederlande, Schweden und Spanien von einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad ausgegangen werden, wobei jeweils eine Bewegung in Richtung Mittelwert stattfindet. Im Bereich der Spitzentechnik ist die Streuung der Abweichungen von der durchschnittlichen Wachstumsrate wesentlich größer. Finnlands Patenterteilungen in diesem Bereich wachsen um 9,1 Prozentpunkte schneller als die des Durchschnitts, Spaniens immerhin um ca. 2,5 Prozentpunkte. Zurückfallen hingegen Österreich (-0,9 Prozentpunkte), Griechenland (ca. -3 Prozentpunkte), Luxemburg (-3,7 Prozentpunkte bei den Einheitswurzeltests) und Portugal (-4,5 Prozentpunkte). Zudem zeigen die KPSS-Tests für Schweden (mit -1,4 Prozentpunkten) und Großbritannien (mit -2,2 Prozentpunkten) eine Annäherung an den hypothetischen EU-Durchschnitt an. Im Bereich der hochwertigen Technik fallen die Unterschiede gegenüber dem langfristigen Wachstumspfad mit Werten zwischen 1,8 Prozentpunkten (Irland) und -1,2 Prozentpunkten (die Niederlande) für die Länderschnittmenge beider Testansätze moderat aus. Zusätzlich ergeben sich bei den KPSS-Tests für Italien mit 0,7 Prozentpunkten eine langsame und für Großbritannien mit -3,0 Prozentpunkten eine recht schnelle Annäherung an den EU-Durchschnitt. Für den Bereich der restlichen Technik zeigt sich, daß sich auch eine Reihe von hochentwickelten Ländern hier auf den Mittelwert zubewegt und mithin gegebenenfalls langfristig zurückfällt (z. B. die Niederlande, Dänemark und Schweden — letztere nur bei den Einheitswurzeltests). Langfristige Wachstumsraten oberhalb des Mittelwerts weisen in diesem Bereich nur Finnland und Irland auf. Generell — über alle Technikbereiche betrachtet — sind dies neben Italien (in bescheidenem Umfang) und Spanien die beiden einzigen Länder, die in einigen Bereichen langfristig Wachstumsraten oberhalb der Wachstumsrate des Durchschnitts realisieren können. Werden die US-Patenterteilungen der einzelnen EU-Länder auf die Erteilungen des 1963 jeweils führenden Landes bezogen, so ist die Tendenz zur Konvergenz jeglicher Art noch etwas geringer ausgeprägt (Tabelle 3.18 und 3.19). Die einzige

268

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Tabelle 3.18: Art und Umfang der Konvergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten innerhalb der EU bezogen auf das 1963 jeweils führende Land (auf der Grundlage der ADF- und PP-Tests) Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

Keine Konvergenz Land AT BE ES FI FR IE IT LU NL UK

Land AT BE DE ES FR IT LU NL UK

Land FI IE SE UK

Land BE DE DK ES FR IT NL UK

Land BE DE ES FR IT NL UK

Absolute oder bedingte Konvergenz  q @q 1)

Land DE GR PT

h

Land DK

 q @q 0,020

1 0,011 0,006

Land GR PT

h q @q 0,011 0,006

Land AT DE GR

h q @q 0,260 0,888 0,016

Land GR LU PT

h q @q 0,011 0,502 0,007

Land GR LU

h q @q 0,015 1

Land AT DK FI IE PT

 q @q 0,022 0,014 0,066 0,040 0,032

Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad

1) 2)

2)

Land DK FI IE

 q @q 0,021 0,076 0,050

Land BE DK ES FR IT LU PT

 q @q 0,021 0,023 0,040 0,007 0,021 -0,023 -0,031

Land AT FI IE

 q @q 0,019 0,071 0,038

Langfristiger Niveauunterschied gegenüber dem 1963 führenden Land (=1) Langfristige Wachstumsdierenz gegenüber der Entwicklung in dem 1963 führenden Land

Ausnahme bilden die Einheitswurzeltests für die Spitzentechnik, in der die Niederlande anstelle von Schweden 1963 das führende Land waren, die bei relativ vielen Ländern eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad diagnostizieren, die einen Aufholprozeß gegenüber den Niederlande einschließt. Im Bereich der gesamten Technik kann auf der Grundlage der Einheitswurzeltests nur für Deutschland eine absolute Konvergenz gegenüber dem 1963 führenden Land Schweden festgestellt werden. Für Griechenland und Portugal wurde bei beiden Testansätzen eine bedingte Konvergenz diagnostiziert. Allerdings erreichen sie langfristig nur 1,1 % bzw. 0,6 % der Pro-Kopf-Patenterteilungen Schwedens. Dänemark konvergiert als einziges Land bei den Einheitswurzeltests über alle Technikbereiche zu einem eigenen Wachstumspfad, der langfristig um

3.4 Ergebnisse der empirischen Analyse

269

Tabelle 3.19: Art und Umfang der Konvergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten innerhalb der EU bezogen auf das 1963 führende Land (auf der Grundlage der KPSS-Tests) Gesamt

FuE-intensiv

Spitzentechnik

Hochwertig

Rest

Keine Konvergenz Land BE DE DK ES IE LU UK

Land AT BE DE DK FI IE LU

Land GR PT

hNrqvw= 1)

Land AT FI FR IT NL

Trend 2) 0,018 0,075 0,012 0,026 0,009

0,011 0,006

Land BE DK ES IE IT LU PT UK

Land AT BE DE DK ES FI LU UK

Land AT BE DK ES FR IE IT LU PT UK

Absolute oder bedingte Konvergenz Land hNrqvw= Land hNrqvw= Land hNrqvw= GR PT

0,011 0,006

AT DE GR SE

0,260 0,894 0,016 0,803

GR PT

0,011 0,007

Land GR

hNrqvw=

Land DE FI NL

Trend 0,013 0,066 0,011

0,015

Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad

1) 2)

Land ES FR IT NL UK

Trend 0,031 0,011 0,025 0,008 -0,009

Land FI FR

Trend 0,105 0,008

Land FR IE IT NL

Trend 0,010 0,038 0,026 0,007

Langfristiger Niveauunterschied gegenüber dem 1963 führenden Land (=1) Langfristige Wachstumsdierenz gegenüber der Entwicklung in dem 1963 führenden Land

2 Prozentpunkte höher liegt als der Schwedens, während bei den KPSS-Tests die Stationaritätshypothese stets abgelehnt wird. Bei einer Konzentration auf die FuE-intensiven Technikbereiche kann zwar weiterhin für Griechenland und Portugal eine bedingte Konvergenz mit den gleichen Niveauunterschieden festgestellt werden, für Deutschland muß nun aber von einer Nichtkonvergenz ausgegangen werden. Zudem zählen nun bei den Einheitswurzeltests neben Dänemark auch Finnland und Irland zu den Ländern, die gegen eigene Wachstumspfade konvergieren, die bei diesen beiden Ländern langfristig um 7,6 bzw. 5,0 Prozentpunkte höher liegen als der Schwedens. Hingegen konvergieren auf der Grundlage der KPSS-Tests fünf andere Länder gegen einen eigenen Wachstumspfad, wobei Frankreich, Italien, die Niederlande und Spanien gegenüber Schweden aufholen und Großbritannien zurückfällt.

270

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

Für Finnland kann im Bereich der Spitzentechnik (nun bezogen auf die Niederlande) nur bei den KPSS-Tests eine Konvergenz zu einem Wachstumspfad festgestellt werden, der langfristig ca. 10 Prozentpunkte über dem der Niederlande liegt. Beide Testansätze diagnostizieren solch eine Konvergenz ebenfalls für Frankreich, wobei hier die langfristige Wachstumsrate nur um 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte höher ist. Nur auf der Basis der Einheitswurzeltests holen zudem Belgien, Dänemark, Italien und Spanien auf, während Luxemburg und Portugal zurückfallen, weil ihre langfristigen Wachstumspfade um 2,3 bzw. 3,1 Prozentpunkte niedriger liegen als derjenige der Niederlande. Eine bedingte Konvergenz liegt im Falle Deutschlands, Österreichs und Griechenlands vor, die langfristig ca. 89 %, 26,0 % und 1,6 % des Pro-Kopf-Niveaus der Niederlande bei den US-Patenterteilungen in diesem Technikbereich erreichen. Zudem zeigt der KPSS-Test für Schweden an, daß es langfristig gegen 80 % des Pro-Kopf-Niveaus der Niederlande konvergiert. Bei den US-Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik kann für jeweils acht EU-Länder die Nullhypothese einer Nichtkonvergenz nicht abgelehnt werden. Von einer bedingten Konvergenz kann bei Luxemburg (nur auf der Basis der Einheitswurzeltests), Griechenland und Portugal ausgegangen werden, die langfristig 50 %, 1,1 % und 0,7 % der Pro-Kopf-Patenterteilungen Schwedens erreichen. In der Gruppe der Länder, die gegen einen eigenen Wachstumspfad konvergieren, gesellt sich auf der Grundlage der Einheitswurzeltests zu Finnland und Irland auch Österreich, wobei ihr langfristiges Wachstum um 7,1, 3,8 und 1,9 Prozentpunkte von dem Schwedens abweicht. Dagegen kann bei den KPSSTests außer für Irland auch für Frankreich, Italien und die Niederlande von einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad ausgegangen werden. Im Bereich der restlichen Technik findet sich der dritte Fall einer absoluten Konvergenz. Hier konvergiert — wie bereits angesprochen — auf der Grundlage der Einheitswurzeltests Luxemburg mit Schweden. Für Griechenland liegt bei beiden Testansätzen eine bedingte Konvergenz vor, bei der es langfristig 1,5 % des Pro-Kopf-Niveaus Schwedens erreicht. Zudem kann auf der Basis der Einheitswurzeltests gefolgert werden, daß weitere fünf EU-Länder in diesem residualen Technikbereich zu einem eigenen, von dem Pfad Schwedens abweichenden Wachstumspfad konvergieren, wobei die langfristigen Wachstumsunterschiede zwischen 1,4 (Dänemark) und 6,6 Prozentpunkten (Finnland) liegen. Dabei holt in diesem Bereich auch Portugal gegenüber dem 1963 führenden Land auf. Hingegen sind es auf der Grundlage der KPSS-Tests Deutschland und die Niederlande, die neben Irland zu einem eigenen, über dem Schwedens liegenden Wachstumspfad konvergieren.

3.5

Zusammenfassung

Im Rahmen der empirischen Analyse der Frage, ob es innerhalb der EU zu einer Konvergenz der Innovationsfähigkeit bzw. -tätigkeit kommt, wurde die verfügbare Bandbreite an verschiedenen Konvergenzmeßverfahren angewendet, denen zum Teil verschiedene Konvergenzkonzepte zugrunde liegen, so daß eine unmittelbare Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht immer gegeben ist. Bei der Messung der sog. -Konvergenz führt die Verwendung eines absoluten Streuungsmaßes, der Standardabweichung, und eines relativen Streuungsmaßes,

3.5 Zusammenfassung

271

dem Variationskoe!zienten, unabhängig von der Abgrenzung der Technikbereiche stets zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Standardabweichung mißt stets eine Zunahme der Streuung, d. h. eine Divergenz der Innovationstätigkeit, während der Variationskoe!zient eine Verringerung der relativen Streuung anzeigt. Da sich in der Literatur inzwischen die Einsicht durchgesetzt hat, daß bei wachsenden Größen solch ein relatives Streuungsmaß für einen intertemporalen Vergleich geeigneter ist, kann nach dem Konzept der -Konvergenz insgesamt von einer konvergierenden Entwicklung der Patenterteilungen der EU-Länder pro einer Million Einwohner ausgegangen werden. Dies gilt sowohl für die gesamte Technik als auch für die unterschiedlich abgegrenzten einzelnen Technikbereiche. Allerdings zeigt die genauere Inspektion der Trendverläufe der Variationskoe!zienten, daß die Patenterteilungen im Bereich der restlichen Technik einen deutlich geringeren Beitrag zur Konvergenz der gesamten Innovationstätigkeit leisten als die Erteilungen im FuE-intensiven Bereich. Die einfachen Querschnittsregressionen über alle 15 EU-Länder belegen in allen Fällen, daß für die Gesamtzahl der EU-Länder nicht von einer absoluten -Konvergenz ausgegangen werden kann. M. a. W. steigen die Patenterteilungen in den anfänglich zurückliegenden Ländern im Durchschnitt nicht stärker als bei den im Ausgangszeitpunkt bereits recht innovativen Ländern. Dieses Ergebnis gilt unabhängig von der jeweiligen Abgrenzung der Technikbereiche. Es ändert sich jedoch, wenn die drei südeuropäischen Länder Griechenland, Portugal und Spanien aus der Stichprobe entfernt werden. Dann kann im Regelfall auf eine -Konvergenz geschlossen werden, allerdings sind die sich ergebenden Konvergenzgeschwindigkeiten, die zwischen 2 % (restliche Technik) und 5 % (Spitzentechnik) liegen, relativ gering. Weitgehend jenseits statistischer Signifikanz — mit Ausnahme des nichtsignifikanten -Koe!zienten beim Trendwachstum der Patenterteilungen in der restlichen Technik — kann wiederum ähnlich wie bei der -Konvergenz gemutmaßt werden, daß dieser Konvergenzprozeß bei den verbleibenden zwölf EU-Ländern vor allem durch die Patenterteilungen im Bereich der FuE-intensiven Technik — und hier verstärkt von den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik — getrieben wird. Berücksichtigt man allerdings, daß der in den Querschnittsregressionen geschätzte -Koe!zient ein gewichteter Durchschnitt ist, der mithin nichts darüber aussagt, zwischen welchen Ländern sich die Unterschiede verringert haben, und greift unmittelbar auf die sich aus der ersten Konvergenzdefinition ergebende Hypothese zurück, daß die Mittelwerte der stochastischen Prozesse, die den Wachstumsraten zugrunde liegen, für im Ausgangsniveau auf niedrigem und hohem Niveau befindliche Länder unterschiedlich sein müssen, so ergibt sich ein dierenzierteres Bild. Für einen solchen Vergleich weisen jedoch nur die Trendwachstumsraten die nötige Trennschärfe auf. Im Falle der gesamten Technik und der FuE-intensiven Technikbereiche sind diese Wachstumsraten bei Griechenland, den Niederlande und Portugal nicht von der langfristigen Wachstumsrate des 1963 führenden Landes Schweden verschieden. Diese Länder holen also nicht auf. Deutschland ist in diesen beiden Bereichen grenzwertig, bei einer einseitigen Fragestellung sind jedoch seine Wachstumsraten bei Signifikanzniveaus von 3 % bzw. 4 % größer als die Schwedens. Hingegen sind die langfristigen Wachstums-

272

3. Innovationsdynamik in der EU: Konvergenz oder Divergenz?

raten Großbritanniens hier wie auch bei allen anderen Technikbereichen kleiner als die des 1963 führenden Landes, so daß dieses Land nach diesen Ergebnissen überall zurückfällt. Im Bereich der Spitzentechnik sind die Trendwachstumsraten Deutschlands, Griechenlands, Österreichs und Schwedens nicht von der des 1963 führenden Landes, den Niederlande, signifikant verschieden. Zudem fällt neben Großbritannien auch Portugal in diesem Bereich zurück. Im Bereich der hochwertigen Technik findet sich beinahe die gleiche Konstellation wie bei der gesamten und der FuE-intensiven Technik, nur daß sich hier die Trendwachstumsrate Deutschlands eindeutig von der Schwedens unterscheidet. Im Bereich der restlichen Technik holt zudem auch Portugal auf. Im Falle Deutschlands und der Niederlande bzw. Schwedens sind die geringen Wachstumsdierenzen gegenüber dem 1963 jeweils führenden Land sicher nicht problematisch, weil diese Länder im betrachteten Zeitraum insgesamt sehr innovativ sind und sich beinahe gleichauf mit dem jeweils führenden Land bewegen. Dagegen gelingt es Griechenland und Portugal nicht, ihr sehr niedriges Niveau zu verlassen und die anfänglich recht starke Position Großbritanniens wird durch Rückfallprozesse in allen Technikbereichen erodiert. Die Ergebnisse der Zeitreihen- und der Paneldatentests zeigen zunächst einmal, daß es sowohl für die gesamte Technik als auch für die einzelnen Technikbereiche innerhalb der EU konvergierende Entwicklungen gibt. Diese Hypothese kann in keinem Fall von den Paneldatentests über alle EU-Länder abgelehnt werden. Allerdings zeigt eine genauere Inspektion der einzelnen Ergebnisse, daß das Konvergenzverhalten der einzelnen EU-Länder und auch das Konvergenzverhalten in den einzelnen Technikbereichen recht unterschiedlich ist. Eine absolute Konvergenz ist dabei die Ausnahme. Wenn eine Konvergenz vorliegt, so handelt es sich in den meisten Fällen um eine bedingte Konvergenz zu einem vom Mittelwert oder vom 1963 führenden Land abweichenden Niveauwert oder um eine Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad. Eine solche bedingte Konvergenz der Innovationstätigkeit dürfte ein wesentliches Hemmnis für das Erreichen einer absoluten Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen oder Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU sein und das Vorliegen einer Nichtkonvergenz oder auch einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad dürfte selbst einer bedingten Konvergenz im Wege stehen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, daß die bestehenden Unterschiede bei der Innovationsfähigkeit und -tätigkeit eine wesentliche Ursache für die Unterschiede der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten sowie auch der Wachstumsunterschiede innerhalb der EU sind. Eine weitere ökonometrische Analyse dieser möglichen Determinanten für die Entwicklung der Einkommen und Arbeitsproduktivitäten sowie auch des Einflusses unterschiedlicher Spezialisierungen erfolgt im fünften Kapitel.

4 Die Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen der EU-Staaten

Nachdem im Rahmen des zweiten Kapitels die verschiedenen theoretischen Schlußfolgerungen bezüglich der Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen von Volkswirtschaften im Wachstumsprozeß und bei einer zunehmenden Integration herausgearbeitet wurden, erfolgt in diesem Kapitel die empirische Analyse des zeitlichen Verlaufs der Spezialisierungsmuster der EUStaaten. Dabei interessiert insbesondere die Frage, ob für die einzelnen Länder eine zu- oder abnehmende Spezialisierung beobachtet werden kann, da die theoretischen Modelle je nach den in ihnen isoliert abgebildeten oder besonders betonten ökonomischen Wirkungszusammenhängen beide Möglichkeiten zulassen. Gleichzeitig sind mit dem Grad und der Richtung der Veränderung der Spezialisierungen auch wichtige wirtschaftspolitische Implikationen verbunden. Die empirische Analyse der Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen erfordert als erstes einige genauere, eingrenzende Definitionen. Da sich die Analyse aufgrund der Anforderungen an die Daten — internationale Vergleichbarkeit auf einem relativ niedrigem Aggregationsniveau über einen relativ langen Zeitraum und weitgehende Kompatibilität der sektoralen Abgrenzung für die verschiedenen Indikatoren — auf das Verarbeitende Gewerbe beschränkt, wird unter Spezialisierung die Verteilung der Anteile einer interessierenden Größe der einzelnen Industriezweige an der interessierenden Größe für das gesamte Verarbeitende Gewerbe eines Landes verstanden.1 Werden Kenngrößen unmittelbar aus der Verteilung dieser Anteile ermittelt, so handelt es sich um absolute Spezialisierungsmaße. Wird hingegen zur Berechnung von Kenngrößen eine Normierung auf eine bzw. der Vergleich mit einer Basisgröße vorgenommen, so ergeben sich relative Spezialisierungsmaße. Diese Basisgrößen sind im Regelfall die Anteile der interessierenden Größe der entsprechenden Industriezweige an der interessierenden Größe für die gesamte EU. Soweit es die Daten erlauben und es für die Analyse sinnvoll ist, können dies aber die Anteile für weitergefaßte Ländergruppen (entweder die Welt oder die Welt ohne USA) sein. Desweiteren müssen die Begrie technologische und wirtschaftliche Spezialisierung operationalisiert werden. Bei der technologischen Spezialisierung eines Landes wird der Fokus genauso wie im vorherigen Kapitel auf den Innovationsoutput in Form der Patenterteilungen am USPTO gerichtet, wobei nun deren sektora1 Vgl. zu dieser Definition auch Aiginger (1999), S. 14, Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999), S. 33, und Mancusi (2001), S. 596.

274

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

le Verteilung betrachtet wird.2 Die wirtschaftliche Spezialisierung kann zunächst einmal als Produktionsspezialisierung gemessen werden, wobei die reale Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftszweige zugrunde gelegt wird. Sie kann sich ferner auf die Exporte bzw. die Exporte und Importe beziehen. Im ersten dieser beiden Fälle soll sie als Exportspezialisierung, im zweiten Fall als Außenhandelsspezialisierung bezeichnet werden. Dabei wird bei der Exportspezialisierung nur auf den Auslandsmarkt geblickt, während bei der Außenhandelsspezialisierung über das Verhältnis von Exporten zu Importen auch die Konkurrenz auf dem Inlandsmarkt einbezogen wird. Für eine adäquate Überprüfung von Hypothesen bezüglich der Entwicklung der Spezialisierungen ist zudem — wie es in der Einleitung der Arbeit bereits erwähnt wurde — die aus den neueren theoretischen Modellen abgeleitete und in der wirtschaftspolitischen Fachdiskussion öfters anzutreende Unterscheidung zwischen Ricardianischer und Smithianischer Spezialisierung zu berücksichtigen. Bei der ersten Form der Spezialisierung wird auf die Bedeutung sog. strategischer (FuEintensiver) Sektoren abgestellt, die ein höheres Produktivitätswachstum aufweisen und bei einer entsprechenden Spezialisierung auch insgesamt ein höheres Wachstum ermöglichen, während bei der zweiten Form Spezialisierung aufgrund eines „Learning-by-Doing” oder steigender Skalenerträge per se von Vorteil ist. Die Veränderung der Ricardianischen Spezialisierung kann über die zeitliche Entwicklung der absoluten oder relativen Anteile der FuE-intensiven Industriezweige an der interessierenden Größe gemessen werden. Zur Beurteilung der zeitlichen Entwicklung der Smithianischen Spezialisierung müssen hingegen die absoluten oder relativen Anteile aller Industriezweige zu geeigneten Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaßen zusammengefaßt oder durch andere statistische Verfahren ausgewertet werden. Im einzelnen ist das Kapitel wie folgt aufgebaut. Zunächst wird die verwendete Methodik und die Datengrundlage der empirischen Analyse diskutiert. Der herangezogene Methodenkatalog umfaßt dabei nicht nur die aus der Konzentrationsbzw. Heterogenitätsmessung bekannten Maße, sondern es wird auch das Konzept der - und -Despezialisierung (oder -Spezialisierung) vorgestellt, das in Analogie zur aus der empirischen Wachstumsforschung bekannten und im vorherigen Kapitel dargestellten - und -Konvergenz (oder -Divergenz als Analogon zur Spezialisierung) vorgeschlagen wurde.3 Mittels dieses Konzepts kann bestimmt werden, ob und mit welcher Geschwindigkeit sich die Spezialisierungen der einzelnen Länder auf einen Durchschnitt zubewegen (Despezialisierung) oder sich von ihm entfernen. Anschließend werden die empirischen Ergebnisse für die Entwicklung der Smithianischen und Ricardianischen Spezialisierung dargestellt. Dabei werden den Ergebnissen der eigenen Untersuchungen für die verschiedenen Be2 Eine ausführliche Diskussion der Vor- und Nachteile der Verwendung von Patentdaten als Innovationsindikatoren sowie insbesondere der Nutzung von US-Patenterteilungen für die Analyse der Innovationstätigkeit der EU-Länder findet sich im dritten Kapitel dieser Arbeit. Zu den dort aufgeführten Argumenten kommt nun noch hinzu, daß sie der einzige Indikator für innovative Aktivitäten sind, der in geeigneter sektoraler Untergliederung über einen langen Zeitraum für alle EU-Länder zur Verfügung steht. 3 Vgl. z. B. Jungmittag/Grupp/Hullmann (1998) und Grupp/Jungmittag (1999).

4.1 Methodik und Datengrundlage

275

reiche (technologische Spezialisierung, Produktions-, Export- und Außenhandelsspezialisierung) jeweils die Ergebnisse anderer Untersuchungen, die ebenfalls die EU oder einzelne ihrer Mitgliedsländer betreen, vorangestellt.4 Den Abschluß des Kapitels bilden wiederum die Schlußfolgerungen, die aus den empirischen Ergebnissen gezogen werden können.

4.1

Methodik und Datengrundlage

In der deskriptiven Statistik existiert eine Reihe von Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaßen, die zur Messung des Grades der Spezialisierung einer Volkswirtschaft geeignet sind.5 Bezogen auf die hier untersuchte Fragestellung sollen deshalb die aus diesem Teilbereich der Statistik verwendeten Maße auch als Spezialisierungsmaße bezeichnet werden. In Analogie zur üblichen Taxonomie in der Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmessung sollen dann ebenfalls absolute und relative Spezialisierungsmaße unterschieden werden. 4.1.1

Absolute Spezialisierungsmaße

Erfolgt eine Beschränkung auf jene Maßgrößen, die alle Anteilswerte als Informationsgrundlage verwenden, so ist ein erster — in der Anwendung weit verbreiteter — Kandidat aus dem Bereich der Messung der absoluten Konzentration der Herfindahl-Index.6 Er ergibt sich als Kq =

P X

v2pq >

(4.1)

p=1

wobei vpq der Anteilswert der interessierenden Größe des Wirtschaftszweigs p, p = 1> ===> P , am gesamten Umfang der interessierenden Größe im Land q, 4 Nicht eingegangen wird dabei auf die Messung der Konzentration der einzelnen Wirtschaftszweige in den Ländern oder Regionen der EU. Diese Fragestellung ist zwar eng mit der Entwicklung der Spezialisierungsgrade verbunden, verfolgt aber eine andere Blickrichtung. Während es bei der Frage der Spezialisierung darum geht, wie stark sich ein Land in den verschiedenen Wirtschaftszweigen engagiert, geht es bei der Konzentration darum, wie viele Länder sich wie intensiv in einem Wirtschaftszweig engagieren. Diese Fragestellung wird vor allem in den angewandten Arbeiten zur „neuen” ökonomischen Geographie analysiert. 5 Darstellungen der verschiedenen Konzentrationsmaße finden sich in den Lehrbüchern zur Statistik. Vgl. z. B. Bamberg/Baur (2001), S. 24-29, und Bohley (1996), S. 173-203. Ein Überblick über verschiedene Heterogenitätsmaße, an der sich die folgende Darstellung teilweise orientiert, wird zudem in Franzmann/Wagner (1999) gegeben. Je nach der untersuchten Fragestellung (z. B. Einkommensverteilungen) wird in der Literatur anstatt von Konzentrationsmessung auch von Ungleichheitsmessung gesprochen. 6 In der Praxis ebenfalls beliebte Maßzahlen, die nur die Informationen der j größten Anteilswerte verwenden, wobei j kleiner als die Gesamtzahl der Anteilswerte ist, sind die sog. Konzentrationsraten. So miß t z. B. das Statistische Bundesamt die Unternehmenskonzentration in den einzelnen Wirtschaftszweigen alternativ mittels des Anteils der sechs, zehn, 25 und 100 größten Unternehmen am gesamten Umsatz und an der gesamten Beschäftigung des jeweiligen Wirtschaftszweiges.

276

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

q = 1> ===> Q , ist.7 Für den Fall minimaler Konzentration, bei dem die Einheiten der interessierenden Größe auf alle Industriezweige gleichverteilt sind, nimmt Kq den Wert 1@P an. Bei maximaler Konzentration, d. h. alle Einheiten der interessierenden Größe befinden sich in einem Wirtschaftszweig, ist Kq = 1. Häufig wird der Herfindahl-Index auch in standardisierter Form Kqvw

=

P X

v2pq @(1@P)

(4.2)

p=1

verwendet, so daß dann gilt: 1  Kqvw  P. Das Komplement zum Herfindahl-Index ist in der Heterogenitätsmessung der Diversity-Index Gq = 1 

P X

v2pq

(4.3)

p=1

bzw. in standardisierter Form ! Ã P X v2pq @(1  1@P)> Gqvw = 1 

(4.4)

p=1

bei dem die Grenzen in nichtstandardisierter Form durch 0 (minimale Heterogenität) und 11@P (maximale Heterogenität) gegeben sind. Für die standardisierten Werte gilt: 0  Gqvw  1. Der nichtstandardisierte Diversity-Index gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der zwei zufällig ausgewählte Einheiten der interessierenden Größe aus einer Stichprobe zu verschiedenen Wirtschaftszweigen gehören. Da die Wirtschaftszweige zur Untersuchung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierung unterschiedlich abgegrenzt sind und somit die Gesamtzahl P nicht identisch ist, wird der standardisierte Diversity-Index als erstes absolutes Spezialisierungsmaß herangezogen werden, weil er auch bei unterschiedlichem P einen unmittelbaren Vergleich der Spezialisierungsgrade erlaubt.8 Grundsätzlich werden beim Herfindahl- und Diversity-Index die Wirtschaftszweige, in denen die interessierende Größe stark vertreten ist, durch die Aufsummierung der quadrierten Anteilswerte stärker berücksichtigt, so daß sie bei einem Vergleich der gleichen Stichprobe in verschiedenen Zeiträumen empfindlicher auf Veränderungen in stark besetzten Wirtschaftszweigen reagieren. 7 Der Herfindahl-Index ist mit dem aus den Absolutzahlen der interessierenden Größe berechneten Variationskoe!zienten Y direkt über die Beziehung ¢ 1 ¡ 2 Y +1 K= P verknüpft. 8 Eine Begründung wird weiter unten in diesem Abschnitt bei der Diskussion der verwendeten Daten gegeben. Sachlich vergrößert sich durch die unterschiedliche Klassifikation nicht die Anzahl der Möglichkeiten, auf die sich die verschiedenen Aktivitäten erstrecken können, so daß die in Grupp (1990), S. 222-223, und Grupp (1997), S. 234-236, vorgebrachte Forderung, daß ein z. B. in der empirischen Wissenschafts- und Innovationsforschung verwendetes Konzentrationsmaß die Anzahl der Möglichkeiten (und ggf. deren Veränderung) berücksichtigen solle, in denen sich ein Akteur engagieren kann, nicht greift.

4.1 Methodik und Datengrundlage

277

Deshalb wird noch ein zweites absolutes Heterogenitätsmaß verwendet, bei dem eine gegenteilige Gewichtung vorgenommen wird. Es handelt sich dabei um das in Shannon/Weaver (1959) vorgeschlagene Entropie-Maß, bei dem die einzelnen Anteilswerte mit ihrem Logarithmus gewichtet werden.9 Merkmalsausprägungen mit einem kleinen Anteilswert weisen dabei einen hohen Logarithmuswert auf, wodurch dem Umstand Rechnung getragen wird, daß die Unsicherheit größer ist, in einem schwach besetzten Wirtschaftszweig einer Einheit der interessierenden Größe zu begegnen. Bei einem Vergleich der Verteilungen einer Stichprobe in verschiedenen Zeiträumen reagiert es somit empfindlicher auf Veränderungen in schwach besetzten Feldern. Die Formel für dieses Entropie-Maß lautet: Hq = 

P X

vpq ln vpq >

(4.5)

p=1

wobei es idealtypisch den Wert Null annähme, wenn sich alle Einheiten der interessierenden Größe in einem Wirtschaftszweig befänden und seinen Maximalwert von ln P bei einer Gleichverteilung der Einheiten über alle Wirtschaftszweige erreicht.10 In Coulter (1989) wird vorgeschlagen, dieses Entropie-Maß ebenfalls zu standardisieren und zudem den Logarithmus auf der Basis 2 zu verwenden, da er den Auswahlprozeß zwischen richtigen und falschen Informationen zur Vorhersage des Eintritt eines Ereignisses besser berücksichtigt.11 Das standardisierte Entropie-Maß läßt sich mithin als Hqvw =

Ã



P X

p=1

!

vpq log2 vpq @ (log2 P)

(4.6)

schreiben und es erreicht bei einer Gleichverteilung der Patente auf die Technikfelder den Maximalwert 1. 9 In der wirtschaftswissenschaftlichen Statistik firmiert das Entropie-Maß auch unter der Bezeichnung Ungleichgewichtsmaß von Theil. Vgl. für den Ursprung dieser Bezeichnung Theil (1967), S. 24. 10 Eine ausführliche Diskussion des Entropie-Maßes zur Beschreibung von Konzentrationsprozessen im Innovationsgeschehen findet sich in Grupp (1990) und Grupp (1997), S. 231-236. Dort wird die hier gewählte Richtung der Entropie-Messung als „Subfield”- bzw. „Sachgebiets”Entropie bezeichnet, weil sie untersucht, in wie vielen Teilgebieten sich eine Institution wie intensiv engagiert. Umgekehrt läßt sich auch eine institutionelle Entropie angeben, die betrachtet, wie viele Institutionen sich wie intensiv in einem Sachgebiet engagieren. Mit solch einem Maß könnte z. B. die Konzentration einer bestimmten technologischen oder wirtschaftlichen Aktivität über verschiedene Länder hinweg analysiert werden. 11 Der Vorschlag, den Logarithmus auf der Basis 2 zu verwenden, wird auch bereits in Shannon/Weaver (1959) gemacht. Um den Sinn dieser Basiswahl für den Logarithmus zu verdeutlichen, sei der Einfachheit halber einmal angenommen, die Klassifikation der Wirtschaftszweige würde 32 Felder umfassen. Dann werden fünf Informationen benötigt, um herauszufinden, in welchem Wirtschaftszweig sich eine bestimmte Einheit der interessierenden Größe befindet. Auf jede Frage hin wird schrittweise durch die Angabe ,richtig’ oder ,falsch’ die Hälfte aller Möglichkeiten ausgeschlossen, bis mit der fünften Frage nur noch ein bestimmter Wirtschaftszweig als richtige Lösung übrigbleibt. Dieser Informationsbedarf ist der Logarithmus von 32 auf der Basis 2.

278

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Grundsätzlich eignet sich das standardisierte Entropie-Maß als zweites absolutes Spezialisierungsmaß. Ein Problem ergibt sich nur bei der Analyse der technologischen Spezialisierung, weil kleine und/oder technologisch zurückliegende Länder nicht für alle Wirtschaftszweige Patente erteilt bekommen, so daß eine Reihe von Null-Beobachtungen vorliegt, für die der Logarithmus nicht gebildet werden kann. Eine Möglichkeit wäre es, bei diesen Ländern für die Bestimmung der Anzahl der Wirtschaftszweige P nur jene zu verwenden, in denen tatsächlich Patenterteilungen vorliegen. Dieses Vorgehen erscheint jedoch etwas willkürlich und dem ursprünglichen Konzept des Entropie-Maßes zu widersprechen, in dem P die Anzahl der Möglichkeiten ist, unter denen ein Akteur wählen kann.12 Diese Problematik sei an zwei Bespielen verdeutlicht. Angenommen, bei einer Klassifikation mit 40 Wirtschaftszweigen habe ein kleines oder analog ein zurückliegendes Land in einem Jahr zehn Patente erteilt bekommen, die in fünf Wirtschaftszweigen genutzt werden können, und im nächsten Jahr wieder zehn Patente, die aber in fünf anderen Wirtschaftszweigen genutzt werden können. Hat es dann immer noch nur fünf Möglichkeiten, Patente erteilt zu bekommen oder nun - im Sinne einer Pfadabhängigkeit - zehn, von denen es fünf nicht nutzt? Dann ließe sich das Entropie-Maß aber nicht berechnen. Ähnlich verhält es sich mit einem relativ patentstarken Land, das fast immer in allen Wirtschaftszweigen Patente erteilt bekommt, in einigen wenigen Jahren aber nur in 39 Feldern. Es ist wohl kaum davon auszugehen, daß in diesen Jahren die Zahl seiner Möglichkeiten vorübergehend abgenommen hat. Aus diesem Grund wird das Entropie-Maß nur für solche Länder verwandt, die für alle Wirtschaftszweige Werte größer Null aufweisen. Absolute Spezialisierungsmaße verdichten in einfacher Form alle für die Verteilung der Anteilswerte einer interessierenden Größe für ein Land zur Verfügung stehenden Informationen und sind damit zwar sehr anschaulich, weisen aber den Nachteil auf, daß sie stets messen, wie sehr diese Verteilung von einer Gleichverteilung abweicht. Sie würden damit auch für jedes betrachtete Land einen Anstieg der Spezialisierung anzeigen, wenn sich z. B. durch Veränderungen des Patentierverhaltens, der Präferenzen der Konsumenten oder durch technologische Schocks, die alle Länder gleich beträfen, die Verteilungen der Anteilswerte allgemein verändert hätten. Zudem unterstellt eine Reihe von Theorien, daß sich alle Länder — z. B. durch Integrationsschritte wie einem freien Außenhandel — zunehmend gegenüber ihren Handelspartnern spezialisieren würden.13 Deshalb sollten zur Analyse der Entwicklung der Spezialisierungen stets auch relative Spezialisierungsmaße herangezogen werden. 12 Solch ein Vorgehen wäre sicher gerechtfertigt, wenn es um die etwas andere Frage ginge, wie „unordentlich” oder „unübersichtlich” eine Wissensverteilung ist und ob diese „Unübersichtlichkeit” im Zeitablauf zu- oder abnimmt, die sich mit dem Konzept der nichtstandardisierten Entropie am geeignetesten untersuchen läßt. Der Autor dankt Hariolf Grupp vom FraunhoferInstitut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe für diesen Hinweis. 13 Zu dieser Kritik vgl. auch Amiti (1999), S. 575.

4.1 Methodik und Datengrundlage

4.1.2

279

Relative Spezialisierungsmaße

Ein relatives Spezialisierungsmaß, das keine Verzerrungen durch stärkere Gewichtungen bei kleinen oder großen Industriezweigen aufweist, ist das ebenfalls in der Konzentrationsmessung beheimatete Dissimilaritätsmaß nach Duncan/Duncan (1955; 1955a), bei dem unmittelbar ein Vergleich der absoluten Distanzen zwischen zwei Verteilungen erfolgt. Das Maß Glvvq =

P 1X |vpq  vp | 2 p=1

(4.7)

gibt dann bei Unabhängigkeit von zwei Gruppen von Anteilswerten an, welcher Anteil der interessierenden Größe einer Gruppe in andere Wirtschaftszweige wechseln müßte, um die Verteilung der anderen Gruppe zu reproduzieren. Da jedoch im hier vorliegenden Fall vp der Anteilswert der interessierenden Größe des Wirtschaftszweiges p in einem Länderaggregat ist, im Regelfall der EU, bei den Patenterteilungen aber auch die Welt oder die Welt ohne die USA, in das das einzelne betrachtete Land eingeht, gilt diese Interpretation nur bei kleinen Ländern näherungsweise. Wenn die Spezialisierungsmuster des betrachteten Landes und des Länderaggregats vollkommen verschieden sind, erreicht das Dissimilaritätsmaß seinen Maximalwert von 1. Im Falle der Unabhängigkeit der beiden Gruppen der Anteilswerte müßten sich dann 100 % der Einheiten der interessierenden Größe in andere Wirtschaftszweige bewegen, um das Spezialisierungsmuster der jeweils anderen Gruppe zu erreichen. Umgekehrt beträgt der Minimalwert bei zwei gleichen Spezialisierungsmustern Null. In Archibugi/Pianta (1992; 1992a) wird eine alternative Maßgröße vorgeschlagen, die als "2 -Maß bezeichnet wird. Sie lautet "2q =

P X (vpq  vp )2

p=1

vp

(4.8)

und nimmt Werte zwischen Null und 4 an, wobei der Wert Null jedoch nur erreicht wird, wenn ein Land des Länderaggregats alle Aktivitäten auf sich vereint. Dieses Maß weist aber wieder die unangenehme Eigenschaft auf, daß Wirtschaftszweige mit hohen Anteilswerten besonders stark gewichtet werden.14 Auf seine Verwendung wird deshalb bei der folgenden Analyse verzichtet. Das Dissimilaritätsmaß, das als erstes relatives Spezialisierungsmaß herangezogen wird, hat zudem den Vorteil, daß es in abgewandelter Form auch zur Messung der Außenhandelsspezialisierung verwendet werden kann. Dieses abgewandelte Maß ist der Michaely-Index, der als P ¯ 1 X ¯¯ [ ¯ PLq = vpq  vP pq 2 p=1

(4.9)

P geschrieben werden kann, wobei v[ pq (vpq ) der Anteilswert der Exporte (Importe) des Wirtschaftszweig p an den gesamten Exporten (Importen) des Landes 14

Vgl. zu dieser Kritik auch Laursen (1998), S. 8.

280

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

q ist.15 Dieser Index kann auch als Maß für die interindustrielle Spezialisierung interpretiert werden, weil er anzeigt, inwieweit die Außenhandelsstruktur eines Landes unabhängig vom aggregierten Handelsbilanzsaldo durch die Koexistenz von klar definierten Export- und Importindustrien charakterisiert ist (Amable, 2000, S. 416). In Laursen (1998a), S. 7, wird jedoch zurecht darauf hingewiesen, daß für eine aussagekräftige Interpretation des Michaely-Indexes im Vergleich zu einer relativen Maßgröße, die nur die Exporte berücksichtigt, die Art und der Umfang des intraindustriellen Handels von Bedeutung ist. Ein Vorteil des Michaely-Indexes ist es, daß bei der Bestimmung der komparativen Vorteile eines Landes mögliche Verzerrungen durch Reexporte beseitigt werden. Andererseits können die komparativen Vorteile einzelner Sektoren, die in den Index eingehen, unterbewertet werden, wenn der intraindustrielle Handel dadurch zustande kommt, daß Unternehmen aus anderen Sektoren aufgrund ihrer starken Stellung Ausrüstungen, die diese Sektoren herstellen, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland erwerben. Der Wertebereich dieses Indexes liegt wiederum zwischen Null bei vollkommener Gleichheit der Export- und Importstruktur und Eins, wenn es keinen Industriezweig gibt, der sowohl Güter exportiert als auch importiert. Ein konkreter Wert gibt nun den Anteil der Exporte an, der in andere Wirtschaftszweige umgeschichtet werden müßte, um die Importstruktur zu reproduzieren (und umgekehrt). Ein anderer, häufig gewählter Ausgangspunkt bei empirischen Untersuchungen zu Spezialisierungsmustern ist die Berechnung von sog. „Revealed Comparative Advantage (UFD)” Indizes nach Balassa (1965; 1966; 1977), die jeweils den relativen Anteil der interessierenden Größe als vpq U(·)Dpq = (4.10) vp messen, wobei (·) die jeweils interessierende Größe (Patente S , Wertschöpfung \ oder Exporte [) kennzeichnet. Dabei ist ein Land q in einem Wirtschaftszweig p negativ spezialisiert, wenn der Wert des Indexes im Intervall 0  U(·)Dpq ? 1 liegt, und es ist positiv spezialisiert, wenn U(·)Dpq A 1 ist. Der Maximalwert ³ ´ PP PQ p=1 q=1 (·)pq @ (·)pq wird dann erreicht, wenn ein Land nur Einheiten der interessierenden Größe im Wirtschaftszweig p aufweist, während dieser Wirtschaftszweig in allen anderen Ländern unbesetzt ist. In Analogie zum ursprünglichen Balassa-UFD-Index läßt sich ein (Netto-) Außenhandels-UFD definieren, der UFDpq =

([pq @Pqp ) v[ pq = P ([q @Pq ) vpq

(4.11)

lautet.16 Ist 0  UFDpq ? 1, so hat das Land q in dem Wirtschaftszweig p einen komparativen Nachteil, während es bei 1 ? UFDpq  4 in diesem Wirtschaftszweig einen komparativen Vorteil aufweist. Bezüglich der Interpretation 15 In der ursprünglichen Fassung des Michaely-Indexes erfolgt keine Multiplikation mit 21 (vgl. Michaely, 1962, S. 88). 16 Beim Vergleich der Bezeichnungen in Balassa (1965; 1966; 1977) mit denen in der aktuellen Literatur kann es leicht zu einer gewissen Begriskonfusion kommen. Balassa verwendet die

4.1 Methodik und Datengrundlage

281

des UFD im Vergleich zum U[D gelten wieder die gleichen Überlegungen wie beim Michaely-Index gegenüber dem Dissimilaritätsmaß, das nur die Exporte berücksichtigt. Aufgrund des asymmetrischen Wertebereichs für eine negative und positive Spezialisierung sind der Verdichtung der relativen Anteile über die Wirtschaftszweige zu einer einzigen aussagekräftigen Maßgröße relativ enge Grenzen gesetzt. So konzentriert sich die Literatur, die sich mit der Untersuchung der Entwicklung von Spezialisierungsmustern beschäftigt, auch darauf, auf der Basis der asymmetrischen Balassa-Indizes Standort- bzw. Länder-Gini-Koe!zienten zu berechnen (Amiti, 1998; 1999; Aiginger/Boeheim/Gugler u. a., 1999; Mancusi, 2000; 2001).17 Anders als beim üblichen Gini-Koe!zienten, bei dem die untersuchte Verteilung wie bei den absoluten Spezialisierungsmaßen einer Gleichverteilung gegenübergestellt wird, wird beim Länder-Gini-Koe!zienten die Verteilung der Anteilswerte der interessierenden Größe des Landes q mit der Verteilung der Anteilswerte dieser Größe für ein Länderaggregat verglichen. Zu diesem Zweck werden die U (·) D-Indizes für die einzelnen Wirtschaftszweige aufsteigend geordnet. Dann läßt sich eine Lorenzkurve konstruieren, indem in einem Koordinatensystem die schrittweise kumulierten Zähler auf der Ordinate gegen die schrittweise kumulierten Nenner auf der Abzisse eingetragen werden. Der Länder-Gini-Koe!zient entspricht dann dem Verhältnis der Fläche zwischen der Hauptdiagonalen und der Lorenzkurve zur Fläche des Dreiecks unter der Hauptdiagonalen bzw. gleichbedeutend zweimal der Fläche zwischen der Hauptdiagonalen und der Lorenzkurve. Er läßt sich für die aufsteigend geordneten U (·) D über die Formel # "P X (4.12) (Vp31 + Vp ) vpq  1 JNq = p=1

berechnen, wobei Vp die kumulierten Anteile der interessierenden Größe bis zum Wirtschaftszweig p für ein Länderaggregat bezeichnet und V0 = 0 ist. Der Wertebereich für diesen Koe!zienten ist: 0  JNq ? 1, wobei er den Wert Null annimmt, wenn das Spezialisierungsmuster des Landes q dem des Länderaggregats entspricht. Mit steigender relativer Spezialisierung nimmt der Länder-GiniKoe!zient zu und würde, wenn die interessierende Größe in dem Land nur in einem Wirtschaftszweig auftreten würde, seinen Maximalwert von VP31 erreichen. Eine Berechnung von Länder-Gini-Koe!zienten für die (Netto-) AußenhandelsUFD kann analog erfolgen. Die Länder-Gini-Koe!zienten sind das zweite relative Spezialisierungsmaß, das zur Analyse der Entwicklung der Spezialisierungen herangezogen wird. Bezeichnung allein für einen die Ausfuhrseite beschreibenden Index, der heute gemeinhin als UZ D (relativer (Welt-) Handelsanteil) bezeichnet wird, während die Bezeichnung UFD sich für die Größe zur Messung der Auß enhandelsspezialisierung unter Einbeziehung der Importe eingebürgert hat. Vgl. Grupp (1997), S. 213, und Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999), S. 71. 17 Abweichend von der hier herangezogenen Terminologie wird in Krugman (1991) ein ähnlich konstruierter Gini-Koe!zient, der die Konzentration eines Wirtschaftszweiges auf verschiedene Standorte (Regionen oder Länder) mißt, als „locational Gini coe!cient” bezeichnet. In der Terminologie von Amiti (1998; 1999) und Mancusi (2000; 2001) ist dies ein Industrie-GiniKoe!zient.

282

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Grundsätzlich besitzt der Länder-Gini-Koe!zient die gleichen Grenzen der Aussagekraft wie der einfache Gini-Koe!zient.18 Erstens gibt es Veränderungen der Spezialisierung, die der Gini-Koe!zient nicht anzeigt, weil sie sich rechnerisch kompensieren. Dies betrit insbesondere Verschiebungen von einem Ende der Verteilung zum anderen. Es gibt also mehrere Verläufe der Lorenzkurve, die den selben Gini-Koe!zienten aufweisen. Zweitens hat umgekehrt die Verschiebung von Einheiten der interessierenden Größe von großen zu kleinen Wirtschaftszweigen einen wesentlich größeren Einfluß auf den Gini-Koe!zienten, wenn sich die Industrien in der Mitte anstatt an einem der beiden Enden der Verteilung befinden. Das bedeutet, daß Verschiebungen zwischen Wirtschaftszweigen, die sich am nächsten am Durchschnitt des Länderaggregats befinden, das höchste Gewicht in dem Länder-Gini-Koe!zienten erhalten (Amiti, 1999, S. 577). Drittens führt die Berücksichtigung von Wirtschaftszweigen mit Nullwerten bei den Anteilen zu einem Ansteigen des Gini-Koe!zienten. Dies gilt insbesondere für die Patenterteilungen. Aufgrund der Diskussion der Bedeutung von Nullwerten im Zusammenhang mit dem Entropie-Maß wird in diesem Fall aber die Berücksichtigung von Wirtschaftszweigen mit Nullwerten als inhaltlich gerechtfertigt angesehen. Ein anderer Weg, die U (·) D und UFD zu einer einzigen Maßgröße zu verdichten, besteht darin, den Index durch geeignete Transformationen zu symmetrisieren und anschließend seine Standardabweichung zu berechnen.19 Ein aussagekräftiger Vergleich der Entwicklung der Standardabweichungen der U (·) D und UFD läßt sich jedoch auch unmittelbar innerhalb des Konzepts zur Überprüfung auf - und -(De-)Spezialisierung herleiten. 4.1.3

Überprüfung auf - und -Spezialisierung

Das im folgenden vorgestellte Testkonzept läßt sich sowohl auf die relativen Anteilswerte der interessierenden Größen als auch im Falle der Außenhandelsspezialisierung auf die UFD anwenden. Zur Vereinfachung der Schreibweise wird bei der Darstellung jedoch nur auf die U (·) D eingegangen, die Anwendung auf die RCA erfolgt vollkommen analog. Den Ausgangspunkt bildet eine symmetrische Version des relativen Anteilswerts der interessierenden Größe, die UV (·) Dpq = 100 · tanh ln (U (·) Dpq )

(4.13)

lautet. Der Logarithmus wird verwendet, um eine symmetrische Version des Indexes zu erhalten und durch den hyperbolischen Tangens sowie die Multiplikation mit 100 wird er auf Werte zwischen 100 und +100 beschränkt.20 Das auf diesem Indikator aufbauende, nachfolgend verwendete Testverfahren ähnelt sehr 18

Zu den Grenzen der Aussagekraft des Gini-Koe!zienten vgl. Bohley (1996), S. 185-187. Vgl. zu diesem Vorgehen Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999). Amendola/Guerrieri/Padoan (1992), S. 178-179, verwenden in ihrer Analyse die Varianzen der asymmetrischen US D und U[D, was zu einer Ungleichgewichtung der Veränderungen der Spezialisierungen auf den beiden Seiten des Neutralitätspunktes von eins führt und damit einen Vergleich der Varianzen im Zeitablauf und zwischen den Ländern wenig aussagekräftig werden läßt. 20 Zur Methodik vgl. z. B. Grupp (1997), S. 212. In der Literatur wird auch alternativ vorgeschlagen, die U(·)D durch die Transformation 100 · [(U (·) D  1) @ (U (·) D + 1)] zu symmetrisieren und auf Werte zwischen 100 und +100 zu binden (vgl. z. B. Dalum/Villumsen, 1996, S. 7; 19

4.1 Methodik und Datengrundlage

283

dem Verfahren zur Messung von -Konvergenz in empirischen Untersuchungen zur Wachstumstheorie, das im dritten Kapitel vorgestellt wurde. Veränderungen der Spezialisierungsmuster werden danach mittels der Regressionsgleichung 1 0 UV (·) Dwpq = q +  q · UV (·) Dwpq + xpq

(4.14)

 2qw1 @ 2qw0 ? 1

(4.15)

überprüft.21 Die hochgestellten Indizes w0 und w1 bezeichnen dabei die Anfangsund Endperiode des Untersuchungszeitraums. Die Koe!zienten  und  sind Regressionsparameter und x repräsentiert den Störterm. Für den Fall, daß  q = 1 ist, hat sich das Spezialisierungsmuster eines Landes zwischen den beiden betrachteten Perioden nicht verändert. Dagegen ist die Spezialisierung in den Wirtschaftszweigen, in denen ein Land ohnehin schon spezialisiert war, gestiegen und in den Wirtschaftszweigen, in denen es gering spezialisiert war, gesunken, wenn  q A 1 ist. M. a. W. wird die ursprüngliche Spezialisierung ausgebaut. Ist hingegen 0 ?  q ? 1, so bewegt sich das Spezialisierungsmuster auf den Durchschnitt zu, d. h. auf die Spezialisierung, die über alle Länder hinweg beobachtet werden kann. Die ursprünglich niedrigen U (·) D steigen dann im Zeitverlauf und die ursprünglich hohen U (·) Ds fallen. In dem Fall, daß  q  0 ist, hat sich das Spezialisierungsmuster eines Landes entweder fundamental geändert (umgekehrt), so daß  q ? 0 wäre, oder es ist ein Zufallsprodukt ( q = 0). Dieses Ergebnis würde gegen die insbesondere in der evolutorischen Ökonomik vertretene Hypothese der kumulativen Kausalität und Pfadabhängigkeit sprechen. Mithin kann der Fall, daß  q A 1 ist, als -Spezialisierung und der Fall, daß 0 ?  q ? 1 eintritt, als -Despezialisierung bezeichnet werden.22 Die Testgleichung (4.14) kann für 1 ? +100 mittels des Kleinsten-Quadrate-Verfahrens geschätzt 100 ? UV (·) Dwpq 1 werden, während wenn UV (·) Dwpq für einzelne Beobachtungspunkte den Wert 100 oder +100 annimmt, wegen der beidseitigen Zensierung der abhängigen Variable eine Schätzung mit dem Tobit-Verfahren erfolgt.23 Die Hypothese der -Despezialisierung kann - analog zur Hypothese der Konvergenz - auch als „Mittelwertumkehr-Hypothese“ bezeichnet werden. Jedoch ist -Despezialisierung nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für -Despezialisierung, die als

Dalum/Laursen/Villumsen, 1996, S. 8-9, und Dalum/Laursen/Villumsen, 1998, S. 427). Diese Transformation Transformation in hohem Maße, die alternativ ³ ´i h³ähnelt der hier´ vorgenommenen 2 2 auch als 100 · (U (·) D)  1 @ (U (·) D) + 1 geschrieben werden kann. 21 Zur Anwendung dieses Verfahrens auf technologische Spezialisierungen vgl. z. B. Pavitt (1988), Cantwell (1989), Amendola/Guerrieri/Padoan (1992), wobei diese Autoren allerdings asymmetrische US D heranziehen, Jungmittag/Hullmann/Grupp (1998), Grupp/Jungmittag (1999) und Laursen (1998; 2000). Zur Analyse von Veränderungen der Exportspezialisierung wurde das Verfahren z. B. in Amendola/Guerrieri/Padoan (1992) (wiederum mit asymmetrischen U[D), Dalum/Villumsen (1996) und Dalum/Laursen/Villumsen (1996; 1998) und Laursen (1998; 2000) verwendet. 22 Zum Zusammenhang zwischen dieser Schätzung in den Niveaugrößen und der Schätzung mit den ersten Dierenzen als abhängiger Variable, wie sie in den meisten empirischen Arbeiten zur -Konvergenz vorgenommen wird, vgl. die Gleichungen (3.16) und (3.17) im dritten Kapitel. 23 Liegt bei der Anwendung des Tobit-Verfahrens keine Zensierung der abhängigen Variable vor, fällt es mit dem KQ-Verfahren zusammen.

284

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

geschrieben werden kann, wobei 2q die Varianz der U (·) D-Werte eines Landes q bezeichnet.24 Ein -Koe!zient, der signifikant kleiner als 1 ist, bedeutet nicht immer, daß sich die Streuung der U (·) D innerhalb eines Landes tatsächlich reduziert hat. Zwar verringert sich zunächst für 0 ?  q ? 1 die Streuung, aber neue Schocks, die durch den Störterm erfaßt werden, können sie wieder ansteigen lassen.25 Damit hängt der Grad der -Despezialisierung auch vom Bestimmtheitsmaß Uq2 der Gleichung (4.14) ab, d. h. von der relativen Bedeutung zufälliger Störungen (Lichtenberg, 1994). - und -Despezialisierung treten also nur gleichzeitig auf, wenn 0 ?  q ? 1 und µ ¶2  qw0 >w1  2qw1  2qw0  2q   qw1 = = ? 1 oder äquivalent q = ?1 (4.16) µ ¶ 2 2 2 Uq  qw0 Uq  qw0 qw0 >w1  qw0  qw1

ist. Umgekehrt findet eine -Spezialisierung statt, wenn  2q @Uq2 bzw.  q @Uq größer als eins ist. Werden die Schlußfolgerungen bezüglich der Konvergenz in Barro/Sala-i-Martin (1991) auf die Despezialisierung übertragen, so sind die Konzepte der - und -Despezialisierung zur Untersuchung von zwei verschiedenen Forschungsgegenständen geeignet. Lautet die Fragestellung, wie schnell und in welchem Umfang sich das Spezialisierungsmuster eines Landes in Richtung auf die durchschnittliche Spezialisierung bewegt, so ist die -Despezialisierung das geeignete Konzept. Soll hingegen die Verteilung der U (·) D im Zeitablauf bestimmt werden, so ist die -Despezialisierung das geeignetere Konzept. Zur Überprüfung auf -Despezialisierung wird in der Literatur häufig ein FTest auf Varianzengleichheit herangezogen. Allerdings gilt hier der gleiche Einwand wie im Kapitel 3 bei der Überprüfung auf -Konvergenz. Da die beiden Varianzen der U (·) D voneinander abhängig sind, ist die Wahrscheinlichkeit, einen -Fehler (Fehler zweiter Art) zu begehen, sehr groß, d. h. die Nullhypothese einer unveränderten Spezialisierung nicht abzulehnen, obwohl sie nicht zutrit. Als Alternative kann aber auch hier die Teststatistik aus Carree /Klomp (1997) verwendet werden, die die Abhängigkeit der Varianzen durch die Aufnahme von ˆ q berücksichtigt und s ¡ 2 ¢ P qwr @ 2qw1  1 q Wq = (4.17) 2 2 1  ˆ q

lautet. Sie gehorcht asymptotisch einer Standardnormalverteilung. Diese Teststatistik hat im Rahmen der Analyse der Entwicklung der Spezialisierungen allerdings den Nachteil, daß sie es nicht erlaubt, auf -Spezialisierung zu testen, wenn ˆ q  1 ist.26

24 Die hier angestellten Überlegungen erfolgen in vollkommener Analogie zur Darstellung des Zusammenhangs zwischen - und -Konvergenz im dritten Kapitel (vgl. Gleichung (3.18) und die dazugehörigen Erläuterungen). 25 Für den Fall der - und -Konvergenz vgl. Barro/Sala-i-Martin (1991). 26 Bei ihren auf Konvergenzuntersuchungen bezogenen Simulationsstudien gehen Carree/ Klomp (1997) davon aus, daß bei  A 1 keine -Konvergenz vorliegt.

4.1 Methodik und Datengrundlage

4.1.4

285

Die Datenbasis

Zur Analyse der Veränderungen der technologischen Spezialisierungen Smithianischer Art werden die Patenterteilungen am USPTO in einer Untergliederung in 41 Wirtschaftszweige (Produktgruppen) nach dem US-SIC-System verwendet, die für den Zeitraum 1963 bis 1998 für die 15 EU-Länder zur Verfügung stehen. In dieser Zählung hat das USPTO (O!ce for Patent and Trademark Information - Technology Assessment and Forecast (TAF) Program) nach einer dort erarbeiteten Konkordanz ein Patent fraktioniert bis zu sieben Produktgruppen bzw. Industrien zugewiesen, in denen es zur Anwendung kommen kann. Die 41 Wirtschaftszweige sind in Tabelle 4.1 wiedergegeben.27 Zur Analyse der Produktions-, Export- und Außenhandelsspezialisierungen Smithianischer Art wird die OECD-STAN Datenbasis in der Unterteilung der Wirtschaftszweige nach Dreistellern der ISIC2 herangezogen, die entsprechende Daten für 13 der 15 Länder (ohne Irland und Luxemburg) enthält. Die 27 Wirtschaftszweige nach dieser Systematik sind in Tabelle 4.2 aufgeführt.28 Grundsätzlich ist es zwar möglich, eine Konkordanz zwischen den 41 Wirtschaftszweigen nach dem US-SIC-System und den Dreistellern der ISIC2 zu erstellen, jedoch könnten dann aufgrund der unterschiedlichen Abgrenzung der Residualgruppen „Alle anderen SIC” in der Zählung des USPTO und „Andere Produkte des Verarbeitenden Gewerbes” in der ISIC2 die Patente nur 17 der 27 Wirtschaftszweige nach den Dreistellern der ISIC2 zugeordnet werden.29 Deshalb erscheint es befriedigender und dem Gegenstand angemessener, für die Analyse der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierung Smithianischer Art zwei verschiedene Abgrenzungen der Wirtschaftszweige zu verwenden. Die Entwicklung der Produktionsspezialisierungen wird mittels der VGR-kompatiblen realen Wertschöpfung in Preisen von 1990 untersucht, die den Beitrag jedes Wirtschaftszweiges zum nationalen Bruttoinlandsprodukt darstellt. Zur Aggregation eines Wirtschaftszweiges und auch des gesamten Verarbeitenden Gewerbes über die Länder der EU wurden diese Werte in Kaufkraftparitäten-US-$ (KKP-US-$) von 1990 umgerechnet, die auf der Basis der jeweiligen Bruttoinlandsprodukte von der OECD ermittelt werden. Zwar wäre es wünschenswert, für die einzelnen Wirtschaftszweige individuelle KKP-US-$-Kurse zu verwenden, jedoch stehen diese nicht zur Verfügung, so daß hier dem bei derartigen empi27 Die Produktgruppe „Lenkraketen und Raumfahrzeuge” (USPTO-Reihennummer 47) wird in der Analyse der Entwicklung der Smithianischen Spezialisierung ausgespart, weil eine Orientierung auf diesen Bereich nicht wirtschaftlich, sondern größtenteils politisch bedingt ist und nur in sehr wenigen EU-Ländern erfolgt. Die Einbeziehung würde also zu ökonomisch nicht begründbaren Ausreißern führen. Bei der Analyse der Ricardianischen Spezialisierung ist er allerdings in der aggregierten Größe „Spitzentechnik” enthalten, übt aber dort kaum einen Einfluß auf die absoluten und relativen Anteile aus. 28 Für elf der EU-Länder sind die Daten der realen Bruttowertschöpfung in einer DreistellerGliederung von 28 Wirtschaftszweigen verfügbar, für Frankreich und Portugal sind jedoch die Wirtschaftszweige Ölra!nerie und Öl- und Kohleprodukte zusammengefaßt. Diese Zusammenfassung wurde für diese Analyse sowohl auf alle Länder als auch auf die Ex- und Importe übertragen. 29 Als Beispiel für solch eine Konkordanz s. Verspagen (1993), S. 233.

286

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.1: Sektorale Gliederung der Patenterteilungen am USPTO Nr.

SIC (USPTOReihennummer

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41

1 2 6 7 8 9 11 12 13 14 15 16 17 19 20 21 23 24 25 26 27 29 30 31 32 35 36 38 39 40 42 43 46 49 50 51 52 53 54 55 56

Sektor Nahrungsmittel Textilien Industrielle anorganische Chemie Industrielle organische Chemie Kunststoe Agrarchemie Kosmetika etc. Farben, Lacke etc. Andere chemische Produkte Pharmazeutik Erdöl- u. Erdgasgewinnung und Ra!nerien Gummi- u. andere Plastikprodukte Stein-, Ton-, Glasprodukte Eisen und Stahl Nichteisenmetalle Metallprodukte Maschinen und Turbinen Landwirtschaftsmaschinen Bau-, Bergbaumaschinen u. ä. Metallbearbeitungsmaschinen Büro-, Rechen- u. Zählmaschinen Spezielle Industriemaschinen Allgemeine Industriemaschinen Kühl- u. Dienstleistungsmaschinen Andere nichtelektrische Maschinen Elektrische Übertragungs- u. Verteilungsausrüstung Elektrische industrielle Geräte Haushaltsgeräte Beleuchtung u. Kabel Andere elektrische Maschinen Radio und Fernsehen, ohne Kommunikation Elektronische Komp., Zubehör u. Kommunikationsausrüstung Autos u. andere Motorfahrzeuge Schibau Schienenfahrzeuge Motor- und Fahrräder Andere Transportgeräte Waen Flugzeugbau Technische und wissenschaftliche Instrumente Alle anderen SIC

rischen Untersuchungen allgemein üblichen Vorgehen gefolgt wird. Der Untersuchungszeitraum umfaßt aufgrund der Verfügbarkeit der Daten im Regelfall die

4.1 Methodik und Datengrundlage

287

Tabelle 4.2: Sektorale Gliederung nach ISIC2 Dreistellern in der OECD-STAN Datenbasis ISIC-2 311/312 313 314 321 322 323 324 331 332 341 342 351 352 353/354 355 356 361 362 369 371 372 381 382 383 384 385 390

Bezeichnung Lebensmittel Getränke Tabak Textilien Konfektionsbekleidung Leder und Lederprodukte Schuhwerk Holzprodukte Möbel und Einbaumöbel Papierprodukte Druckerzeugnisse Industrielle Chemikalien Andere Chemikalien Ölra!nerie/Öl- und Kohleprodukte Gummiprodukte Plastikprodukte n.a.k. Ton- und Porzellanwaren Glasprodukte Nichtmetallische Produkte n.a.k. Eisen und Stahl Nichteisenmetalle Metallprodukte Nichtelektrische Maschinen Elektrische Maschinen Transportausrüstung Technische und wissenschaftliche Instrumente Andere Produkte des Verarbeitenden Gewerbes

Jahre 1970 bis 1997, nur für Österreich beschränkt er sich auf den Zeit von 1975 bis 1997 und für Spanien von 1978 bis 1997. Eine Einbeziehung aktuellerer Daten über 1997 hinaus ist leider nicht möglich, weil die OECD gerade eine neue STAN Datenbasis mit einer veränderten Klassifikation erstellt, für die die Daten erst für einige wenige Länder für einen kürzeren Zeitraum erhältlich sind. Die Export- und Importdaten zur Analyse der Entwicklung der Export- und Außenhandelsspezialisierung liegen nur als nominale Größen vor und es sind auch keine — zumindest näherungsweise — geeigneten Preisindizes verfügbar, so daß hier notgedrungen auf eine Preisbereinigung verzichtet werden muß.30 Die Daten, die originär der OECD Außenhandelsstatistik nach Gütergruppen entstammen, wur30

Dies ist jedoch der Regelfall bei den Untersuchungen zur Entwicklung der Export- und Außenhandelsspezialisierungen. Vgl. dazu die Zusammenstellung empirischer Untersuchungen im Abschnitt 4.2.3.

288

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

den von der OECD von der Gütergruppenklassifikation Standard International Trade Classification (SITC) je nach den betrachteten Jahren in den Revisionen 1, 2 und 3 in die Wirtschaftszweigklassifikation ISIC2 konvertiert. Diese Umgruppierung ist notgedrungen in einigen Fällen ungenau, weil eine Reihe von Gütern nach SITC in zwei oder mehreren Wirtschaftszweigen nach ISIC2 produziert werden können. Als Konsequenz dieses Vorgehens unterscheiden sich die Summen über die einzelnen Wirtschaftszweige auch etwas von den Ex- und Importen für das gesamte Verarbeitende Gewerbe. Zur Berechnung konsistenter Anteilswerte wurden deshalb die Summen über die Wirtschaftszweige verwendet. Ferner wurde für die Aggregation über die EU-Länder wieder eine Umrechnung der Originalgrößen in KKP-US-$ von 1990 vorgenommen. Die Daten stehen für alle 13 EU-Länder von 1970 bis 1996 zur Verfügung. Die Grundlage der Betrachtung der Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen Ricardianischer Art bildet die bereits im Kapitel 3 verwendete Hochtechnologieliste und die dazugehörige Konkordanz zwischen der ISIC2- und der SIC-Systematik (vgl. Tabelle 3.1). Auf der Ebene der ISIC2 stellt sie eine Kombination von Drei- und Vierstellern dar. Sowohl für die Analyse der technologischen Spezialisierungen als auch der Export- und Außenhandelsspezialisierungen Ricardianischer Art stehen dabei die gleichen Daten wie bei der Analyse der Smithianischen Spezialisierungen zur Verfügung. Weil jedoch auf der Vierstellerebene die reale Bruttowertschöpfung in der OECD-STAN Datenbasis nur rudimentär ausgewiesen wird, ergeben sich für die Untersuchung der Ricardianischen Produktionsspezialisierungen einige neue Datenverfügbarkeitsprobleme. Diese Probleme stellen sich noch nicht für die Spezialisierungen auf die gesamte Gruppe der FuE-intensiven Wirtschaftszweige, da bei einer gemeinsamen Betrachtung von Spitzentechnik und hochwertiger Technik stets eine schlüssige Zusammenfassung zu Dreistellern erfolgen kann. Anders sieht es bei einer Unterscheidung zwischen diesen beiden Unterbereichen aus. Hier muß hilfsweise auf die ebenfalls unvollständigen Angaben zur nominalen Wertschöpfung zurückgegrien werden. Diese Daten liegen für neun EU-Länder für unterschiedliche Zeitfenster vor. Klammert man Spanien aus, weil die Daten hier nur von 1978 bis 1992 verfügbar sind, so ergibt sich für die verbleibenden acht Länder — Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und Großbritannien — eine Überlappung der verfügbaren Daten im Zeitraum von 1979 bis 1994, die als Grundlage für die Berechnung der Ricardianischen Produktionsspezialisierungen dienen können. Um abschätzen zu können, welche Auswirkung die Verwendung von nominalen Wertschöpfungsdaten auf die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen hat, werden zudem die Spezialisierungen auf den gesamten FuE-intensiven Bereich zusätzlich auf der Basis dieser nominalen Größen berechnet und mit den Ergebnissen auf der Grundlage der realen Größen verglichen.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

4.2

289

Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung der technologischen und wirtschaftlichen Smithianischen Spezialisierungen mittels der vorgestellten Indizes und Verfahren einer genauen Inspektion unterzogen. Dabei werden für jeden Teilbereich, dem jeweils ein Unterabschnitt gewidmet ist, zunächst kurz die Ergebnisse anderer Untersuchungen referiert, bevor die eigenen empirischen Befunde dargestellt werden.

4.2.1

Technologische Spezialisierung

Wird — um nahe des aktuellen Rands eine bessere Vergleichbarkeit mit den eigenen Analysen zu ermöglichen — bei den bisherigen Untersuchungen zur Entwicklung der technologischen Spezialisierungen eine Beschränkung auf jene Studien vorgenommen, die seit dem Beginn der neunziger Jahre vorgelegt wurden, so ist ihre Anzahl gut überschaubar. Amendola/Guerrieri/Padoan (1992) verwenden auf der Basis der US-Patenterteilungen in 38 Wirtschaftszweigen nach SIC zum einen das Konzept der Despezialisierung (allerdings bezogen auf asymmetrische relative Anteilswerte) und zum anderen stellen sie eine rein deskriptive Analyse der -Despezialisierung vor. In ihrer Ländergruppe sind u. a. sechs EU-Staaten enthalten. Im Rahmen der -Despezialisierungsanalyse über ihren gesamten Untersuchungszeitraum finden sie bei drei EU-Ländern (Frankreich, Großbritannien und Italien) zwischen den Perioden von 1967 bis 1973 und 1981 bis 1987 eine Abnahme der Spezialisierung, während bei den drei anderen betrachteten EU-Ländern (Deutschland, die Niederlande und Schweden) der Grad der Spezialisierung unverändert bleibt. Dieser Befund ist jedoch nur für Deutschland und Frankreich im Zeitablauf stabil, denn bei einer Aufspaltung des Untersuchungszeitraums ergeben sich für die anderen Länder jeweils unterschiedliche Befunde. Im ersten Teilzeitraum zwischen 1967 bis 1973 und 1974 bis 1980 wird für Großbritannien, Italien und Schweden eine Abnahme der Spezialisierung angezeigt und für die Niederlande ein Gleichbleiben. Für den zweiten Teilzeitraum zwischen 1974 bis 1980 und 1981 bis 1987 ergibt sich hingegen ein spiegelbildliches Resultat. Archibugi/Pianta (1992; 1992a) nutzen das von ihnen vorgeschlagene "2 -Maß für einen deskriptiven Vergleich des Grades der technologischen Spezialisierung in den beiden Teilperioden von 1975 bis 1981 und 1982 bis 1988. Auf der Grundlage der erteilten US-Patente in 41 Wirtschaftszweigen nach SIC zeigt sich für die zwölf von ihnen berücksichtigten EU-Länder das folgende Bild. Eine Abnahme der Smithianischen Spezialisierung wird für Griechenland, Irland, Frankreich und die Niederlande attestiert, während für Belgien, Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Italien, Portugal und Spanien eine Zunahme festgestellt wird. Nur im Falle Schwedens bleibt der Grad der Spezialisierung gleich. Anders als die beiden gerade angeführten Untersuchungen ziehen Jungmittag/ Grupp/Hullmann (1998) und Grupp/Jungmittag (1999) für ihre Überprüfungen auf - und -Despezialisierung die nach 42 FuE-intensiven Gütergruppen (nach

290

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

SITC III) und einer Residualgruppe klassifizierten Patentanmeldungen am Europäischen Patentamt heran. Dabei berücksichtigen sie u. a. sechs patentstarke EU-Länder. Ihre Tests auf -Despezialisierung ergeben, daß bei einer Gegenüberstellung der Jahre 1989/1990 und 1994/1995 nur für Deutschland von einer unveränderten Spezialisierung ausgegangen werden kann, während die Spezialisierung im Falle Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande und Schwedens signifikant abnimmt. Die Überprüfung auf -Despezialisierung zeigt hingegen für alle sechs betrachteten EU-Länder einen unveränderten Spezialisierungsgrad. Laursen (1998; 2000) wiederum verwendet die nach 19 Wirtschaftszweigen (ISIC2 Zwei- bis Viersteller) klassifizierten US-Patenterteilungen, um sowohl auf -Despezialisierung zu testen als auch einen deskriptiven Vergleich der "2 -Maße nach Archibugi/Pianta (1992; 1992a) vorzunehmen. Dabei bezieht er u. a. 13 EU-Länder ein. Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, daß die beiden Meßverfahren sehr unterschiedliche Schlußfolgerungen bezüglich der Veränderungen der Spezialisierungen nahelegen. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Zeiträume 1971 bis 1973 und 1989 bis 1991 kann nach dem Konzept der -Despezialisierung von einer Abnahme der Spezialisierung bei Belgien und Dänemark ausgegangen werden, während sie für Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden unverändert ist. Im Falle Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Großbritanniens, Italiens, Portugals und Spaniens sind die Veränderungen ein Zufallsprodukt, d. h. es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Spezialisierungen in den beiden Zeiträumen. Dagegen ergibt sich bei einer deskriptiven Gegenüberstellung der "2 -Maße für diese beiden Zeiträume bei Finnland, Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien eine Abnahme und bei Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich und Schweden eine Zunahme der technologischen Smithianischen Spezialisierung. Bei kleineren, relativ patentschwachen Ländern können die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Verfahren nicht erstaunen, weil der Test auf -Despezialisierung eine zufallsbedingte Veränderung der Spezialisierung anzeigen wird, wenn bei solch einem Land die gleiche Zahl von erteilten Patenten in den beiden Teilperioden auf unterschiedliche Wirtschaftszweige entfallen, während die absoluten oder relativen Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße eine unveränderte Spezialisierung oder auch — je nach ihrer besonderen Gewichtung von kleinen und großen Wirtschaftszweigen — eine Zuoder Abnahme signalisieren. Zudem sind auch die in Laursen (1998; 2000) dargestellten Befunde im Zeitablauf nicht stabil, da sich bei einer Aufspaltung des gesamten Untersuchungszeitraums für die zwei Teilperioden 1971 bis 1973 versus 1980 bis 1982 und 1980 bis 1982 versus 1989 bis 1991 bei beiden Meßverfahren deutlich unterschiedliche Ergebnisse einstellen. Mancusi (2000; 2001) nutzt für die Berechnung von Länder-Gini-Koe!zienten die Patentanmeldungen am Europäischen Patentamt im Zeitraum von 1980/1982 bis 1996. Allerdings bleibt es unklar, ob sie dabei die International Patent Classification (IPC) auf Dreistellerebene (118 Gruppen) oder die FhG-ISI TechnikfelderKlassifikation (30 Felder) zugrunde legt. Für die elf einbezogenen EU-Länder kann aufgrund der beschreibenden Darstellung bei Deutschland von einer Zunahme der

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

291

Spezialisierung, bei Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Österreich, Schweden und Spanien von einer Abnahme sowie bei Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien von einem unveränderten Spezialisierungsgrad ausgegegangen werden. Zudem ermittelt sie in einer Querschnittsregression für sieben EULänder sowie Japan, die USA und die Schweiz einen negativen Zusammenhang zwischen der Veränderung der Länder-Gini-Koe!zienten und ihrem Anfangswert in 1980/1982, so daß im Durchschnitt von einer Abnahme der Gini-Koe!zienten auszugehen ist. Vor dem Hintergrund der bisherigen empirischen Untersuchungen werden nun die Ergebnisse der eigenen Analysen vorgestellt. Den Ausgangspunkt bildete dabei die Berechnung der ausgewählten absoluten Heterogenitätsmaße. In Abbildung 4.1 ist die Entwicklung der standardisierten Diversity für die Patenterteilungen am USPTO dargestellt. Aus der ersten Graphik ist ersichtlich, daß nach diesem Maß die absolute Spezialisierung bei den gesamten Patenterteilungen (sowohl einschließlich der als auch ohne die Patenterteilungen für die USA) seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre stärker zugenommen hat als bei den Patenterteilungen für die EU-Länder. Die nächsten drei Graphiken geben die Entwicklung der absoluten technologischen Spezialisierungsgrade der einzelnen EU-Länder wieder. In der zweiten Graphik sind jene Länder versammelt, die am Endpunkt 1998 eine relativ geringe absolute Spezialisierung aufweisen: Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und nach anfänglich stark schwankenden Spezialisierungsgraden inzwischen auch Belgien. In der dritten Graphik sind die Länder zu finden, die am Ende des Beobachtungszeitraums absolut etwas stärker spezialisiert sind. Auällig sind hier zum einen Großbritannien, die Niederlande und Schweden, die seit der Mitte der achtziger Jahre eine Zunahme der absoluten Spezialisierung zu verzeichnen haben, und zum anderen Finnland, dessen technologische Spezialisierung zunächst bis zum Beginn der neunziger Jahre stark abnimmt und anschließend wieder leicht ansteigt. Dänemark hingegen bewegt sich bis zum Ende der siebziger Jahre auf gleichem Niveau, bevor es in den achtziger Jahren ein niedrigeres Niveau durchläuft und schließlich im Laufe der neuziger Jahre allmählich zu seinem Ausgangsniveau zurückkehrt. Der letzten Graphik sind jene Länder zugeordnet, die sich durch sehr instabile absolute Spezialisierungsgrade auszeichnen, die im Regelfall durch die geringe Gesamtzahl an Patenterteilungen bedingt sind. Wie bereits angesprochen, wurde die standardisierte Entropie nur für eine sehr begrenzte Anzahl von Ländern berechnet, bei denen keine Nullbeobachtungen bei den Patenterteilungen für einzelne Wirtschaftszweige vorliegen. Die erste Graphik in Abbildung 4.2 zeigt die Entwicklung dieses Maßes für die gesamten Patenterteilungen (mit und ohne USA) sowie für das Aggregat der EU-Länder. Analog zur standardisierten Diversity läßt auch die Entwicklung des Entropie-Maßes bei den gesamten US-Patenterteilungen seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre auf einen Anstieg der Spezialisierung schließen, während der Spezialisierungsgrad der EU-Länder nur vom Ende der siebziger Jahre bis zur Mitte der achtziger Jahre vorübergehend abnimmt, insgesamt aber auf ungefähr gleichem Niveau verbleibt. Für die drei großen EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien sieht die Entwicklung etwas anders aus, wie die zweite Graphik in Abbildung 4.2

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten 1.00

1.00

0.97

0.97

Standardisierte Diversity

Standardisierte Diversity

292

0.94 0.91 0.88 Total EU

0.94 0.91 0.88

Ohne USA

DE IT

0.85 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

FR

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1.00

1.00

0.97

0.80

Standardisierte Diversity

Standardisierte Diversity

AT BE

0.85

0.94 0.91 0.88 UK NL

SE FI

0.60 0.40 0.20 ES PT

DK

GR LU

IE

0.00

0.85 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.1: Entwicklung der standardisierten Diversity für die Patenterteilungen am USPTO verdeutlicht. Alle drei verzeichnen vom Beginn der siebziger Jahre bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre eine Abnahme der absoluten Spezialisierung. Anschließend weisen jedoch Frankreich und vor allem Großbritannien einen Anstieg auf, der die vorherige Abnahme deutlich übersteigt. Hingegen verbleibt der Spezialisierungsgrad Deutschlands ungefähr auf dem erreichten Niveau. Um die trendmäßige Entwicklung abschätzen zu können, wurden im nächsten Schritt die logarithmierten absoluten Heterogenitätsmaße auf einen Zeittrend regressiert, so daß die ermittelten Steigungskoe!zienten die langfristigen Veränderungsraten dieser Maße angeben. Diese Regressionen wurden sowohl für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 als auch für den Teilzeitraum von 1970 bis 1998 durchgeführt, um eine bessere Vergleichbarkeit mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Spezialisierungen zu ermöglichen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4.3 wiedergegeben. Zunächst einmal bestätigen die Steigungskoe!zienten für die Länderaggregate die bereits aus den ersten beiden Abbildungen ersichtlichen Befunde. Für die Gesamtzahl der erteilten US-Patente sowie für die an das Ausland erteilten USPatente kann trendmäßig eine Zunahme der Spezialisierung festgestellt werden, die sich bei einer Aussparung der Beobachtungen von 1963 bis 1969 noch erhöht. Dagegen kann für die US-Patenterteilungen des EU-Länderaggregats keine trendmäßige Veränderung des Spezialisierungsgrads festgestellt werden.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

293

Standardisierte Entropie

0.90 0.88 0.86 0.84 Total Total (ohne USA) EU15

0.82 0.80 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1973

1978

1983

1988

1993

1998

Standardisierte Entropie

0.90 0.88 0.86 0.84 DE FR UK

0.82 0.80 1963

1968

Abbildung 4.2: Entwicklung der standardisierten Entropie für die Patenterteilungen am USPTO Bei den einzelnen EU-Ländern läßt sich für die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Schweden eine trendmäßige Zunahme der absoluten Spezialisierung beobachten, die sich ebenfalls bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums verstärkt. Bei Österreich, Dänemark und Griechenland kann von einem langfristig gleichbleibenden absoluten Spezialisierungsgrad ausgegangen werden, während bei den verbleibenden acht EU-Staaten langfristig abnehmende absolute Spezialisierungsgrade vorliegen. Allerdings findet man hier durchweg bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums auf die Jahre von 1970 bis 1998 eine Verringerung dieser Abnahme und in der Mehrzahl der Fälle ist der Trend dann bei einem Signifikanzniveau von 5 % nicht mehr statistisch von Null verschieden (Italien, Finnland, Irland, Portugal und Luxemburg). Zudem zeigt sich in den Fällen, in denen die standardisierte Entropie-Maße über alle 41 Wirtschaftszweige berechnet werden können, daß sie stets in die gleiche Richtung deuten wie die standardisierten Diversity-Maße, die Werte der Steigungskoe!zienten jedoch je nach Richtung des Trends deutlich niedriger oder höher ausfallen. Die unterschiedliche Entwicklung der absoluten Spezialisierungsgrade bei den Länderaggregaten läßt erwarten, daß sich zumindest für einige EU-Staaten bei

294

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.3: Trendveränderungsraten der absoluten Spezialisierungsmaße für die Patenterteilungen am USPTO Land

Total Ohne USA EU NL UK FR SE AT DK IT DE BE FI ES GR IE PT LU

Trendkoe!zient (× 100) Standardisierte Diversity Standardisierte Entropie 1963-1998 1970-1998 1963-1998 1970-1998 -0,056 -0,079 -0,123 -0,200 (-7.052)* (-7,605) (-4,769) (-5,961) -0,065 -0,095 -0,134 -0,215 (-6,376) (-6,997) (-4,639) (-5,572) 0,000 -0,005 0,017 0,009 (0,255) (-0,886) (1,111) (-0,441) -0,051 -0,071 (-3,830) (-3,793) -0,035 -0,059 -0,081 -0,170 (-4,533) (—6,037) (-2,920) (-4,962) -0,0286 -0,033 -0,042 -0,067 (-6,267) (-4,898) (-2,404) (-2,637) -0,027 -0,044 (-3,324) (-3,875) 0,014 0,018 (1,504) (1,412) 0,022 0,001 (1,727) (-0,083) 0,025 0,008 (3,106) (0,904) 0,029 0,023 0,095 0,060 (7,838) (4,642) (6,726) (3,240) 0,091 0,096 (3,434) (2,733) 0,128 0,022 (4,364) (0,904) 0,169 0,113 (5,492) (3,946) 0,249 -0,026 (1,146) (-0,115) 0,452 0,072 (2,753) (0,828) 0,739 0,667 (2,481) (1,646) 0,772 0,267 (4,301) (1,559)

* t-Werte in Klammern

den relativen Spezialisierungsmaßen je nach der verwendeten Bezugsgröße (gesamte US-Patenterteilungen, US-Patenterteilungen an das Ausland oder an die

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

295

EU-Staaten) recht unterschiedliche Ergebnisse einstellen. In den Abbildungen 4.3 und 4.4 sind die Entwicklungen des ersten relativen Spezialisierungsmaßes, dem Dissimilaritätsmaß, wiedergegeben. Dabei sind die einzelnen Graphiken in zunehmender Folge nach der Höhe des Dissimilaritätsmaßes bezogen auf die USPatenterteilungen an die EU-Staaten im Jahr 1998 geordnet. So ist in 1998 Frankreich das Land mit dem niedrigsten relativen Spezialisierungsgrad gegenüber der Gesamtzahl der US-Patenterteilungen der EU-Länder, gefolgt von den anderen großen EU-Staaten Deutschland, Italien und Großbritannien sowie dann von den kleinen, aber relativ patentstarken Ländern Schweden, Belgien, die Niederlande und Österreich. Bei Deutschland und in leicht abgemilderter Form auch bei Italien fällt insbesondere das Auseinanderklaen der jeweils auf die gesamten Patenterteilungen und die Patenterteilungen der EU bezogenen Dissimilaritätsmaße auf, das sich seit der Mitte der achtziger Jahre noch verstärkt. Hervorzuheben ist bei den beiden Ländern auch der Verlauf des auf die gesamten an das Ausland erteilten Patente bezogenen Dissimilaritätsmaßes. Es entwickelt sich zunächst bis zum Beginn der achtziger Jahre auf sehr ähnlichem Niveau wie das auf die EU bezogene relative Spezialisierungsmaß, anschließend aber nahezu identisch wie das auf die gesamten US-Patente bezogene Maß. Das deutet darauf hin, daß seit dem Beginn der achtziger Jahre zunehmend andere, vor allem südostasiatische Länder Patente am US-Patentamt erteilt bekommen haben, deren Spezialisierungsstruktur eher jener der USA als der Europas entspricht. Verbunden damit ist, daß bei beiden Ländern seit der Mitte der achtziger Jahre der Spezialisierungsgrad bezogen auf die EU näherungsweise gleichgeblieben ist, während er sich gegenüber den anderen beiden Bezugsgrößen deutlich erhöht hat. Eine Erhöhung der relativen Spezialisierung seit der Mitte der achtziger Jahre ist für Großbritannien bei allen drei Dissimilaritätsmaßen festzustellen, wenn auch bei dem auf die US-Patenterteilungen an das Ausland bezogenen Dissimilaritätsmaß weniger ausgeprägt. Bei dem auf die gesamten Patenterteilungen bezogenen Maß handelt es sich zudem lediglich um eine Rückkehr auf das ursprünglich in der Mitte der sechziger Jahre beobachtete Niveau. Bei den vier kleineren, relativ patentstarken EU-Ländern ist die Entwicklung uneinheitlich und auch im Zeitablauf variierend. Allerdings sind am aktuellen Rand nur die Niederlande bezogen auf die Patenterteilungen an EU-Länder und die gesamten Patenterteilungen stärker spezialisiert als bezogen auf die USPatenterteilungen an das gesamte Ausland. Die ersten drei Graphiken in Abbildung 4.4 geben die Entwicklung der Länder wieder, die entweder moderat aufgeholt (Spanien und im stärkeren Ausmaß Irland) oder von einem niedrigen Pro-Kopf-Patentaufkommen zu den führenden Ländern aufgeschlossen haben (Finnland). In allen drei Fällen zeigt sich eine drastische Abnahme des Grades der Spezialisierung. Dagegen ist bei Dänemark am aktuellen Rand von einer Zunahme der Spezialisierung auszugehen. Die Dissimilaritätsmaße für die bei den Pro-Kopf-Erteilungen nicht aufholenden Länder zeigen wegen der sehr geringen Absolutzahlen eine große Spannweite. Ähnliches gilt in abgeschwächter Form für Luxemburg, wobei hier eine Niveauveränderung in der ersten Hälfte der siebziger Jahre zu beobachten ist.

296

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Frankreich

Deutschland

0,40

0,40

0,35 Total EU

0,35

Ohne USA

0,30 Dissimilarität

Dissimilarität

0,30 0,25 0,20 0,15

0,20 0,15 0,10

0,05

0,05 0,00

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Italien

Großbritannien 0,40

0,35

0,35

0,30

0,30 Dissimilarität

Dissimilarität

0,40

0,25 0,20 0,15 0,10 0,05

0,20 0,15

Ohne USA

0,05 0,00 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 Belgien 0,40

0,35

0,35

0,30

0,30 Dissimilarität

Dissimilarität

Schweden 0,40

0,25 0,20 0,15 0,10

0,25 0,20 0,15 0,10

Total EU

Ohne USA

0,05

0,00

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Niederlande

Österreich 0,40

0,35

0,35

0,30

0,30 Dissimilarität

Dissimilarität

Total EU

0,00 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,25 0,20 0,15 0,10 0,05

Ohne USA

0,25

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,40

Total EU

0,10 Total EU

0,00

0,05

Ohne USA

0,25

0,10

0,00

Total EU

0,25 0,20 0,15 0,10

Total EU

Ohne USA

0,00

0,05

Total EU

Ohne USA

0,00 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.3: Entwicklung der Dissimilaritätsmaße für die Patenterteilungen am USPTO Genauere Auskünfte bezüglich der langfristigen Veränderungen der Dissimilaritätsmaße geben wiederum die Trendwachstumsraten (Tabelle 4.4). Bezogen auf

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

1,00

Spanien

Finnland 1,00

Total EU

Total EU

Ohne USA

0,60 0,40 0,20

0,60 0,40 0,20

0,00

0,00

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Irland

Dänemark 1,00

1,00

0,80 Dissimilarität

Dissimilarität

0,80 0,60 0,40

Total EU

Ohne USA

0,60 0,40

0,00

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Griechenland 1,00

1,00

0,80

0,80 Dissimilarität

Dissimilarität

Total EU

0,20

Ohne USA

0,00

0,60 0,40 0,20

Ohne USA

0,80 Dissimilarität

Dissimilarität

0,80

0,20

297

0,60 0,40 0,20

Total EU

Ohne USA

0,00

Portugal

Total EU

Ohne USA

0,00 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Luxemburg 1,00

Dissimilarität

0,80 0,60 0,40 0,20

Total EU

Ohne USA

0,00 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.4: Entwicklung der Dissimilaritätsmaße für die Patenterteilungen am USPTO (Fortsetzung) die Spezialisierung gegenüber der EU und den gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 hat bei drei Ländern die technologische Spezialisierung zuge-

298

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

nommen (Großbritannien, Deutschland und Frankreich), wobei die Zunahme bei Großbritannien mit trendmäßig ca. 2 % pro Jahr am deutlichsten ausfällt. Bei weiteren vier Ländern (den Niederlanden, Dänemark, Griechenland und Portugal) ist der Grad der Spezialisierung über den gesamten Beobachtungszeitraum näherungsweise gleich geblieben. Bei den restlichen acht EU-Ländern zeigt sich eine Abnahme, die bei Italien, Spanien, Irland und Finnland am stärksten ist. Bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums auf die Jahre 1970 bis 1998 zeigt sich bei den Ländern mit einer Zunahme des Spezialisierungsgrads über den gesamten Beobachtungszeitraum eine Verstärkung des positiven Trends. Zudem weist auch Dänemark für diesen Teilzeitraum eine Zunahme des Spezialisierungsgrads auf. Hingegen führt die Verkürzung des Schätzzeitraums bei den Ländern mit einem negativen Trend generell dazu, daß sich dieser Trend abschwächt oder bei Belgien, Österreich und Luxemburg sogar statistisch insignifikant wird. Bei diesen drei Ländern ist also davon auszugehen, daß die Abnahme des Spezialisierungsgrades auf die sechziger Jahre beschränkt ist. Die einzige Ausnahme von dieser allgemeinen Entwicklung ist Schweden, wo der negative Trend für den Teilzeitraum von 1970 bis 1998 höher als beim Gesamtzeitraum ausfällt. Das Bild ändert sich, wenn als Bezugsgröße die gesamten an das Ausland erteilten US-Patente verwendet werden. Nun kann bei sieben EU-Staaten (Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Dänemark, Belgien, Österreich und Italien) über den gesamten Beobachtungszeitraum ein positiver Trend festgestellt werden, der sich in allen Fällen bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums noch verstärkt. Bei drei Ländern (Griechenland, Portugal und Schweden) ergibt sich sowohl für den gesamten als auch für den verkürzten Schätzzeitraum bei einem Signifikanzniveau von 5 % kein von Null verschiedener Trend. Bei den verbleibenden fünf Ländern mit einem signifikant negativen Trendkoe!zienten für den gesamten Beobachtungszeitraum zeigt sich bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums ein uneinheitliches Bild. Im Falle Luxemburgs und Spaniens kann dann nicht mehr von einer trendmäßigen Veränderung des Spezialisierungsgrades ausgegangen werden. Bei Finnland nimmt der negative Trend leicht ab, während er bei den Niederlanden und Irland näherungsweise gleich bleibt. Dienen die gesamten Patenterteilungen am USPTO als Bezugsgröße für die Berechnung der Dissimilaritätsmaße, ändert sich der Befund abermals. Nun dominieren über den gesamten Beobachtungszeitraum jene Länder, die keine trendmäßige Veränderung des Spezialisierungsgrades aufweisen. Von diesen acht Ländern zeigen vier (Großbritannien, Frankreich, Österreich und Italien) bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums einen signifikanten positiven Trend, während bei den anderen vier (den Niederlanden, Griechenland, Belgien und Schweden) der Trend weiterhin nicht signifikant von Null verschieden ist. Bei fünf Ländern besitzt die Entwicklung der Dissimilaritätsmaße einen negativen Trend, der jedoch im Falle Portugals, Luxemburgs und Spaniens nicht mehr signifikant von null verschieden ist, wenn der Schätzzeitraum verkürzt wird, während er bei Finnland nur leicht abnimmt und bei Irland nahezu unverändert bleibt. Nur zwei Länder (Deutschland und Dänemark) weisen über den gesamten Beobachtungszeitraum eine Zunahme des Spezialisierungsgrades auf, die sich bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums noch verstärkt.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

299

Tabelle 4.4: Trendveränderungsraten der Dissimilaritätsmaße für die Patenterteilungen am USPTO Land Trendkoe!zient (× 100) UK DE FR NL DK GR BE AT PT SE LU IT ES IE FI

EU 1963-1998 1970-1998 1,969 3,089 (7,090)* (12,436) 0,795 1,838 (2,852) (7,811) 0,569 1,508 (2,350) (6,286) -0,001 0,166 (-0,006) (0,726) -0,049 0,624 (-0,213) (2,185) -0,085 0,302 (-0,236) (0,631) -0,453 -0,220 (-2,451) (-1,084) -0,517 -0,142 (-2,553) (-0,584) -0,522 -0,513 (-1,806) (-1,172) -0,543 -0,752 (-2,759) (-2,710) -0,996 -0,274 (-3,558) (-0,743) -1,477 -0,553 (-5,785) (-2,002) -1,925 -1,522 (-8,516) (-5,030) -2,524 -2,390 (-7,351) (-4,951) -2,811 -2,159 (-12,963) (-7,933)

Ohne 1963-1998 1,293 (4,461) 3,559 (12,694) 1,197 (4,048) -0,713 (-3,831) 0,743 (2,972) -0,047 (-0,134) 0,510 (2,425) 0,410 (1,963) -0,456 (-1,591) 0,041 (0,208) -0,759 (-2,817) 0,759 (2,806) -0,810 (-3,738) -3,135 (-9,118) -2,582 (-9,891)

USA 1970-1998 2,392 (7,964) 4,553 (21,893) 2,525 (10,728) -0,812 (-3,382) 1,623 (5,697) 0,332 (0,720) 1,037 (4,914) 1,007 (4,759) -0,461 (-1,068) -0,186 (-0,659) -0,037 (-0,099) 1,887 (7,975) -0,133 (-0,552) -3,256 (-6,695) -2,032 (-5,546)

Total 1963-1998 1970-1998 0,045 1,138 (0,155) (3,675) 1,111 2,091 (4,158) (8,100) -0,024 0,883 (-0,082) (2,730) -0,364 0,070 (-1,930) (0,293) 0,630 1,312 (2,714) (4,622) -0,119 0,294 (-0,334) (0,617) -0,354 0,183 (-1,746) (0,911) 0,364 0,822 (1,660) (3,213) -0,605 -0,614 (-2,178) (-1,462) 0,037 -0,379 (0,189) (-1,376) -0,810 -0,054 (-2,883) (-0,148) -0,372 0,540 (-1,489) (2,028) -0,974 -0,395 (-4,600) (-1,525) -3,307 -3,495 (-8,989) (-6,648) -2,635 -2,069 (-10,665) (-6,165)

* t-Werte in Klammern

Die auf der Basis der Dissimilaritätsmaße ermittelten Befunde werden durch die Länder- bzw. Standort-Gini-Koe!zienten weitgehend bestätigt. So ändert sich die Reihenfolge der nach ihrem Spezialisierungsgrad in 1998 geordneten Länder nicht. Für die großen und auch kleineren patentstarken Länder, die in Abbildung 4.5 versammelt sind, sind zudem die Verläufe dieses Spezialisierungsmaßes nahezu identisch mit der Entwicklung der Dissimilaritätsmaße. Bei den kleineren, aufholenden Ländern lassen sich leichte Unterschiede in den Verläufen erkennen, so sind insbesondere bei Irland die Extremwerte weniger ausgeprägt (Abbildung

300

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.5: Trendveränderungsraten der Standort-Gini-Koe!zienten für die Patenterteilungen am USPTO Land Trendkoe!zient (× 100) UK DE FR GR DK NL BE PT AT SE LU IT ES IE FI

EU 1963-1998 1970-1998 1,898 2,963 (7,644) (15,130) 0,794 1,964 (2,741) (8,711) 0,514 1,534 (2,097) (6,751) 0,054 0,289 (0,245) (0,974) -0,033 0,680 (-0,180) (2,689) -0,070 0,059 (-0,478) (0,313) -0,329 -0,173 (-1,954) (-0,974) -0,331 -0,306 (-1,780) (-1,092) -0,500 -0,110 (-2,645) (-0,515) -0,589 -0,723 (-3,122) (-2,721) -0,592 -0,163 (-3,592) (-0,741) -1,541 -0,658 (-6,210) (-2,400) -1,864 -1,515 (-9,644) (-5,594) -1,885 -1,927 (-7,463) (—5,370) -2,615 -2,087 (-14,721) (-9,222)

Ohne 1963-1998 1,461 (5,384) 3,376 (11,339) 1,104 (4,010) 0,076 (0,354) 0,794 (3,348) -0,830 (-4,921) 0,509 (2,778) -0,250 (-1,376) 0,334 (1,753) 0,006 (0,030) -0,449 (-2,742) 0,470 (1,761) -0,887 (-4,833) -2,358 (-9,056) -2,434 (-12,398)

USA 1970-1998 2,594 (10,832) 4,539 (24,765) 2,393 (11,756) 0,294 (1,009) 1,681 (6,419) -0,924 (-4,146) 0,885 (5,179) -0,213 (-0,780) 0,909 (5,146) -0,143 (-0,531) 0,004 (0,017) 1,581 (6,727) -0,285 (-1,334) -2,606 (-7,146) -2,029 (-7,317)

Total 1963-1998 1970-1998 -0,014 0,930 (-0,057) (3,642) 1,194 2,154 (4,746) (9,008) -0,131 0,817 (-0,454) (2,485) 0,024 0,278 (0,108) (0,923) 0,677 1,445 (2,800) (5,214) -0,560 -0,270 (-3,337) (-1,286) -0,197 0,321 (-1,138) (1,893) -0,337 -0,337 (-1,948) (-1,283) 0,188 0,599 (1,002) (2,967) 0,011 -0,240 (0,068) (-0,977) -0,456 -0,015 (-2,791) (-0,071) -0,384 0,527 (-1,656) (2,292) -1,108 -0,651 (-6,354) (-3,008) -2,513 -2,783 (-8,856) (-6,954) -2,408 -2,008 (-13,059) (-7,894)

* t-Werte in Klammern

4.6). Ähnliches gilt für die beiden nicht aufholenden südeuropäischen Länder Griechenland und Portugal sowie Luxemburg, bei denen die Gini-Koe!zienten weniger extrem schwanken als die Dissimilaritätsmaße. Diese große Ähnlichkeit schlägt sich auch bei den Schätzungen der Trendwachstumsraten nieder. In bezug auf die technologische Spezialisierung innerhalb der EU zeigen sich über den gesamten Beobachtungszeitraum keine grundsätzlichen Änderungen gegenüber den Schätzungen für die Dissimilaritätsmaße, allerdings verlaufen die Trends nun — mit der Ausnahme Schwedens — stets etwas flacher.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Frankreich

Deutschland

0,5

0,5 Total EU

Ohne USA

Total EU

0,4 Gini-Koeffizient

Gini-Koeffizient

0,4 0,3 0,2 0,1

0,3 0,2

0,0

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 Großbritannien

0,5

0,5

0,4

0,4 Gini-Koeffizient

Gini-Koeffizient

Italien

0,3 0,2 0,1 0,0

Total EU

0,3 0,2

Ohne USA 0,0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Schweden

Belgien 0,5

0,4

0,4 Gini-Koeffizient

0,5

0,3 0,2 0,1 0,0

Total EU

0,3 0,2 0,1

Ohne USA

Total EU

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Niederlande

Österreich 0,5

0,4

0,4 Gini-Koeffizient

0,5

0,3 0,2

0,0

Ohne USA

0,0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,1

Ohne USA

0,1 Total EU

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Gini-Koeffizient

Ohne USA

0,1

0,0

Gini-Koeffizient

301

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,3 0,2 0,1 0,0

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.5: Entwicklung der Standort-Gini-Koe!zienten für die Patenterteilungen am USPTO Bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums werden ebenfalls die durch die Dissimilaritätsmaße erzielten Befunde bestätigt, allerdings ist nun keine allgemeine

302

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Finnland 1,0

0,8

0,8 Gini-Koeffizient

Gini-Koeffizient

Spanien 1,0

0,6 0,4 0,2

Total EU

0,6 0,4 0,2

Ohne USA

0,0

0,0

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Dänemark 1,0

0,8

0,8 Gini-Koeffizient

Gini-Koeffizient

Irland

0,6 0,4

Total EU

0,0

0,6 0,4 0,2

Ohne USA

0,0

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,8

0,8

0,6 0,4

0,0

Ohne USA

Portugal 1,0

Gini-Koeffizient

Gini-Koeffizient

Griechenland

Total EU

Total EU

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1,0

0,2

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1,0

0,2

Total EU

Ohne USA

0,6 0,4 0,2 0,0

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Luxemburg 1,0

Gini-Koeffizient

0,8 0,6 0,4 0,2 0,0

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.6: Entwicklung der Standort-Gini-Koe!zienten für die Patenterteilungen am USPTO (Fortsetzung) Abschwächung des Trends zu beobachten. Bei den auf die gesamten an das Ausland erteilten US-Patente bezogenen Länder-Gini-Koe!zienten ergeben sich zwei

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

303

Änderungen. Für Österreich und Italien kann nun nicht mehr von einem positiven Trend ausgegangen werden, sondern die Steigungskoe!zienten sind nicht signifikant von Null verschieden. Hingegen zeigen sich bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums keine Veränderungen bei der Zuordnung der Länder zu den drei grundsätzlich möglichen Entwicklungen der Spezialisierungsgrade. Werden die auf die gesamten US-Patenterteilungen bezogenen Gini-Koe!zienten betrachtet, so ergeben sich ebenfalls zwei Änderungen gegenüber den Dissimilaritätsmaßen. Die Niederlande und Portugal, bei denen zuvor bei einem Signifikanzniveau von 5 % gerade noch von unveränderten Spezialisierungsgraden ausgegegangen werden mußte, zeigen jetzt deutlich einen negativen Trend. Zudem kann bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums nun bei Spanien eine signifikante Abnahme des Spezialisierungsgrades beobachtet werden, auf die die Entwicklung der Dissimilaritätsmaße nicht schließen ließ. Werden die auf der Basis der absoluten und relativen Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße ermittelten Ergebnisse zusammengefaßt, so ergeben sich die folgenden Schlußfolgerungen. Die für die standardisierten Diversity-Maße geschätzten Trends zeigen sowohl für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 als auch für den verkürzten Schätzzeitraum von 1970 bis 1998, daß eine Zunahme der absoluten technologischen Spezialisierung mit vier Fällen deutlich in der Minderheit ist. Bezüglich eines gleichbleibenden oder eines abnehmenden Spezialisierungsgrades zeigt sich für die beiden Schätzzeiträume eine Umkehr der Länder. Für den gesamten Beobachtungszeitraum weisen nur drei Länder einen gleichbleibenden, aber acht Länder einen abnehmenden Spezialisierungsgrad auf, während dies bei dem verkürzten Schätzzeitraum umgekehrt ist. Dieses Ergebnis impliziert, daß eine Reduktion des absoluten Spezialisierungsgrades Smithianischer Art bei fünf der 15 EU-Länder ein Phänomen der sechziger Jahre war, nämlich bei den drei technologisch aufholenden Ländern Finnland, Irland und Italien, aber auch bei Luxemburg und Portugal. Allerdings ist diese Interpretation bei den beiden zuletzt genannten Ländern wegen der kleinen Absolutzahl von Patenterteilungen mit großen Vorbehalten zu betrachten. Bei den auf die EU-Länder bezogenen relativen Konzentrationsmaßen nimmt über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg betrachtet sogar nur bei drei Ländern die technologische Spezialisierung zu, während es bei dem verkürzten Schätzzeitraum wiederum vier sind. Diese Länder sind aber nur teilweise mit denen identisch, bei denen auch der absolute Spezialisierungsgrad wächst. Zudem sind bei diesen Spezialisierungsmaßen bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums die Verschiebungen zwischen den Ländern, die keine Veränderung oder eine Abnahme des Spezialisierungsgrads aufweisen, nicht so ausgeprägt. Von keiner Veränderung muß über den gesamten Beobachtungszeitraum bei vier Ländern und beim verkürzten Schätzzeitraum bei sechs Ländern ausgegangen werden, während es acht bzw. fünf Länder mit signifikanten negativen Trends sind. Die Zahl der Länder mit einer zunehmenden relativen technologischen Spezialisierung steigt teilweise etwas, wenn als Bezugsgrößen für die relativen Konzentrationsmaße die umfassenderen Länderaggregate verwendet werden. Werden alle an das Ausland erteilten US-Patente als Bezugsgröße verwendet, so erlauben — über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet — die Dissimilaritätsma-

304

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

ße bei sieben Ländern den Schluß auf eine Zunahme des Spezialisierungsgrads, während es bei den Standort-Gini-Koe!zienten nur fünf Länder sind. Bei beiden Maßen kann bezogen auf dieses Länderaggregat für fünf Länder von einer Abnahme des Spezialisierungsgrades ausgegangen werden. Ebenfalls gleich sind die Schlußfolgerungen für beide Maße, wenn der Schätzzeitraum verkürzt wird, bei sieben Ländern liegt ein zunehmender, bei fünf Ländern ein gleichbleibender und bei drei Ländern ein abnehmender Spezialisierungsgrad vor. Werden die relativen Konzentrationsmaße auf die gesamten am USPTO erteilten Patente bezogen, so daß ein gewisser „home bias” für die USA in Kauf genommen wird, zeigen sich deutliche Verschiebungen bei den Entwicklungsrichtungen der Spezialisierungsgrade, wenn der Schätzzeitraum verkürzt wird. Sind es über den gesamten Beobachtungszeitraum bei den Dissimilaritätsmaßen nur zwei und bei den Standort-Gini-Koe!zienten nur drei Länder, bei denen die Spezialisierungsgrade zunehmen, so weisen für den Zeitraum von 1970 bis 1998 jeweils sechs Länder einen positiven Trend auf. Zudem lassen beide Maße für den gesamten Untersuchungszeitraum auf acht Länder mit gleichbleibenden Spezialisierungsmustern schließen, während die Dissimilaritätsmaße bei fünf und die Standort-GiniKoe!zienten bei vier Ländern auf abnehmende Spezialisierungsgrade hindeuten. Beim verkürzten Schätzzeitraum kann bei den Dissimilaritätsmaßen von sieben Ländern mit gleichbleibendem und zwei Ländern mit abnehmendem Spezialisierungsgrad ausgegangen werden, während es bei den Standort-Gini-Koe!zienten sechs und drei Länder sind. Insgesamt ergibt sich aus diesen Ergebnissen keine eindeutige Schlußfolgerung bezüglich der Entwicklung der Grade der technologischen Smithianischen Spezialisierung. Allenfalls würde ein einfaches Auszählen der Ergebnisse, wie es in Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999) für die wirtschaftliche Spezialisierung vorgenommen wird, auf eine Dominanz gleichbleibender oder abnehmender Spezialisierungsgrade hindeuten, die bei dem absoluten Maß der standardisierten Diversity sowie bei den auf die EU-Länder bezogenen relativen Spezialisierungsmaße besonders deutlich ausfällt. Es wird also interessant sein, diese Ergebnisse denen der Tests auf -Despezialisierung gegenüberzustellen, weil diese Tests die Möglichkeit einer zufälligen Veränderung oder einer Umkehr der Spezialisierungsmuster berücksichtigen und mithin auch qualitative Aussagen bezüglich der Veränderung der Spezialisierungsmuster erlauben. Die Ergebnisse der Tests auf - und -Despezialisierung bezogen auf die Patenterteilungen der EU-Länder am USPTO sind in Tabelle 4.6 wiedergegeben. Im ersten Block finden sich die Ergebnisse der Tests über den gesamten Beobachtungszeitraum, bei denen zum einen die symmetrischen relativen Patentanteile (RSPA) für die Jahre 1996 bis 1998 auf jene für die Jahre 1963 bis 1965 regressiert und zum anderen die Varianzen der RSPA für diese beiden Zeiträume miteinander verglichen wurden. Dabei ergibt die Überprüfung der in den Regressionsschätzungen ermittelten Steigungskoe!zienten ˆ q , daß sie für neun EU-Länder bei einem Signifikanzniveau von 5 % bzw. 1 % signifikant größer als null und gleichzeitig signifikant kleiner als eins sind. Mithin liegt bei diesen Ländern eine Abnahme des Grades der technologischen Spezialisierung vor. Nur für Portugal kann die

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

305

Nullhypothese, daß  = 1 sei, nicht abgelehnt werden, so daß von einem unveränderten Spezialisierungsgrad auszugehen ist. Tabelle 4.6: Tests auf - und -Despezialisierung bezogen auf die Patenterteilungen der EU-Länder Land

ˆ  q

z-Wert1)

z-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

Uq2

qw1 qw0

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,474 0,437 0,459 0,390 0,074 0,188 0,376 0,072 0,238 0,227 0,503 0,733 0,703 0,378 -0,015

3,884** 3,149** 1,887* 2,540** 0,537 1,765* 3,006** 0,305 1,411 1,853* 1,277 8,005** 2,267* 3,117** -0,067

1963-1965 vs. 1996-1998 -4,315** 0,274 -4,060** 0,195 -2,220* 0,126 -3,967** 0,151 – 0,007 -7,629** 0,069 -4,994** 0,116 – -0,017 – 0,024 -6,317** 0,086 – 0,040 -2,922** 0,607 -0,957 -0,004 -5,124** 0,195 – 0,000

0,857 0,988 1,293 0,907 0,778 0,651 1,102 1,087 1,005 0,775 1,119 0,906 1,196 0,855 1,215

1,315 0,087 -1,448 0,750 2,094* 4,432** -0,610 -0,493 -0,033 2,186* -0,746 1,027 -1,355 1,272 -1,033

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,527 0,356 0,546 0,502 0,167 0,307 0,465 0,542 0,014 0,420 0,114 0,681 0,791 0,648 0,464

5,134** 2,177* 7,092** 3,065** 0,889 2,390** 5,645** 2,449** 0,057 3,684** 0,247 7,150** 1,249 8,025** 4,766**

1963-1965 vs. 1972-1974 -4,614** 0,441 -3,939** 0,118 -5,890** 0,490 -3,044** 0,184 – 0,027 -5,398** 0,078 -6,491** 0,423 -2,072* -0,060 – -0,013 -5,078** 0,328 – -0,008 -3,348** 0,537 – 0,020 -4,355** 0,518 -5,511** 0,445

0,766 0,983 0,781 0,932 0,931 0,846 0,715 1,054 1,224 0,734 1,065 0,905 1,162 0,899 0,695

2,653** 0,120 2,444** 0,560 0,499 1,336 3,458** -0,380 -1,065 3,020** -0,381 0,966 -1,357 0,998 3,868**

AT BE DE

0,494 0,819 0,848

2,843** 7,801** 10,196**

1975-1977 vs. 1984-1986 -2,907** 0,233 1,017 -0,122 -1,723* 0,468 1,179 -1,566 -1,830* 0,662 1,042 -0,477 Fortsetzung auf der nächsten Seite

306

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  z-Wert1) z-Wert1) q

Land

DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,540 0,482 0,602 0,759 0,130 0,352 0,708 0,568 0,883 0,979 0,840 0,764

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 3,033** 2,347** 6,126** 5,074** 0,314 1,594 8,041** 1,898* 16,597** 1,170 8,360** 6,872**

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 -2,587** -2,524** -4,055** -1,613 – – -3,312** -1,443 -2,208* – -1,597 -2,122*

Uq2

0,221 0,134 0,483 0,423 -0,019 0,062 0,526 0,054 0,851 0,024 0,662 0,517

 qw1  qw0

1,056 1,114 0,837 1,167 1,071 0,841 0,976 1,052 0,941 0,814 1,034 1,062

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD :  2qw0 A  2qw1 -0,393 -0,710 1,714* -1,307 -0,414 1,416 0,226 -0,375 0,882 7,997** -0,382 -0,562

1987-1989 vs. 1996-1998 AT 0,878 9,814** -1,363 0,584 1,140 -1,542 BE 0,583 5,101** -3,656** 0,410 0,909 0,828 DE 1,253 14,517** 2,934** 0,688 1,511 – DK 0,921 8,093** -0,693 0,535 1,180 -2,316* ES 0,512 3,844** -3,662** 0,291 0,922 0,657 FI 0,565 4,378** -3,365** 0,363 0,867 1,282 FR 0,820 6,107** -1,342 0,353 1,381 -2,661** GR -0,175 -0,695 – 0,007 0,993 0,046 IE 0,857 6,104** -1,020 0,432 0,991 0,113 IT 0,619 5,147** -3,171** 0,351 1,046 -0,351 LU 1,167 4,576** 0,656 0,305 1,003 – NL 0,883 12,780** -1,699* 0,800 0,969 0,443 PT 0,191 0,429 – -0,015 1,022 -0,139 SE 0,670 6,121** -3,017** 0,439 1,008 -0,068 UK 0,931 6,668** -0,494 0,563 1,241 -3,076** 1) Zur Berechnung der z-Werte wurden Huber/White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

Bei den anderen fünf Ländern (Spanien, Griechenland, Irland, Luxemburg und Großbritannien) sind hingegen die Steigungskoe!zienten nicht signifikant von Null verschieden. Hier ist — zumindest über diesen langen Zeitraum betrachtet — die Veränderung der Spezialisierungsmuster ein Zufallsprodukt, oder anders formuliert: Die Spezialisierungsmuster in den Jahren 1963 bis 1965 leisten keinen Beitrag zur Erklärung der Spezialisierungsmuster in den Jahren 1996 bis 1998. Allerdings kann im Falle Spaniens auf einen signifikanten Rückgang der Streuung der RSPA geschlossen werden, wie der t-Test nach Carree/Klomp (1997) belegt. Weiterhin ist aufgrund dieser Tests für Finnland und Italien von einer -Despezialisierung auszugehen. Eine -Despezialisierung tritt also wesentlich seltener als eine -Despezialisierung auf, was darauf schließen läßt, daß systematische Verringerungen der Streuungen der RSPA häufig durch Zufallseinflüsse kompensiert werden.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

307

In den weiteren drei Blöcken der Tabelle 4.6 sind die Testergebnisse dargestellt, die sich ergeben, wenn der gesamte Beobachtungszeitraum in drei gleich lange, sich nicht überlappende Teilperioden aufgespaltet wird. Für die erste Teilperiode, bei der die RSPA der Jahre 1963 bis 1965 denen der Jahre 1972 bis 1974 gegenübergestellt werden, ähneln die Ergebnisse der Tests auf -Despezialisierung in hohem Maße denen für die gesamte Beobachtungsperiode. Die einzige Änderung besteht darin, daß für diesen begrenzten Zeitraum auch bei Großbritannien von einer systematischen Abnahme der technologischen Spezialisierung auszugehen ist. Etwas anders sieht es bei den Tests auf -Despezialisierung aus. Auf sie kann bei fünf Ländern (Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien) geschlossen werden, bei denen auch eine -Despezialisierung vorliegt. Dagegen zeigt sich in der zweiten Teilperiode, in der die RSPA der Jahre 1975 bis 1977 und 1984 bis 1987 verglichen werden, bereits bei einigen Ländern eine Persistenz der Spezialisierungsmuster. Für Frankreich, Luxemburg und Schweden sind nämlich die Steigungskoe!zienten  q nicht signifikant von eins verschieden, so daß bei diesen Ländern in diesem Zeitraum von weitgehend gleichbleibenden Spezialisierungsmustern auszugehen ist. Bei neun EU-Ländern kann weiterhin auf eine -Despezialisierung geschlossen werden und bei drei Ländern (Griechenland, Irland und Portugal) sind die Veränderungen der Spezialisierung in dieser Teilperiode zufällig. Zudem zeigen die t-Tests nach Carree/Klomp (1997) nur bei Finnland und Portugal eine -Despezialisierung an. Persistente oder zunehmende Spezialisierungsgrade treten in der letzten Teilperiode, in der die Jahre 1987 bis 1989 und 1996 bis 1998 betrachtet werden, verstärkt auf. Im Falle Deutschlands kann die Alternativhypothese, daß  A 1 sei, nicht abgelehnt werden, so daß nach diesem Testkonzept von einer zunehmenden Spezialisierung auszugehen ist. Weil der Schätzwert des -Koe!zienten größer als eins ist, kann zwar keine formale Überprüfung auf Varianzengleichheit durchgeführt werden, jedoch spricht der Augenschein dafür, daß die Varianz der RSPA ebenfalls deutlich zugenommen hat. Im Falle Österreichs, Dänemarks, Frankreichs, Irlands, Luxemburgs und Großbritanniens kann die Nullhypothese, daß  = 1 sei, nicht verworfen werden, so daß hier auf eine gleichbleibende Spezialisierung geschlossen werden kann. Bei drei von diesen Ländern (Dänemark, Frankreich und Großbritannien) ist aber gleichzeitig eine signifikante Zunahme der Varianzen der RSPA zu beobachten, also eine -Spezialisierung. Bei den verbleibenden Ländern zeigen sich für Belgien, Spanien, Finnland, Italien, die Niederlande und Schweden eine -Despezialisierung und für Griechenland als auch Portugal zufällige Änderungen der Spezialisierungsmuster. Gleichzeitig ist bei diesen sechs Ländern nach dem Testkonzept der -Despezialisierung von einem gleichbleibenden Spezialisierungsgrad auszugehen. In Tabelle 4.7 sind die Ergebnisse der - und -Despezialisierungstests bezogen auf die gesamten ausländischen Patenterteilungen am USPTO dargestellt. Wird der gesamte Beobachtungszeitraum zugrunde gelegt, so betrit die augenfälligste Änderung der Ergebnisse Großbritannien. Hier kann nun nach dem Test auf -Despezialisierung nicht mehr von einer zufälligen Änderung der Spezialisierungsmuster ausgegangen werden, sondern es zeigt sich eine Tendenz zur Umkehr des Musters, da  signifikant kleiner als null und gleichzeitig größer als 1

308

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

ist. Mithin ist Großbritannien bezogen auf alle Auslandspatenterteilungen am USPTO tendenziell in den Jahren 1996 bis 1998 in den Wirtschaftszweigen positiv spezialisiert, in denen es im Zeitraum 1963 bis 1965 negativ spezialisiert war und umgekehrt. Die weiteren grundsätzlichen Änderungen gegenüber den auf die EU-Patenterteilungen bezogenen Anteilswerten finden sich bei den Ergebnissen der Tests auf -Despezialisierung. Neben Finnland, bei dem weiterhin eine Despezialisierung diagnostiziert werden kann, ergibt sich nun für Deutschland und Portugal eine signifikante -Spezialisierung. Tabelle 4.7: Tests auf - und -Despezialisierung bezogen auf alle ausländischen Patenterteilungen am USPTO Land

ˆ  q

z-Wert1)

z-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,391 0,408 0,572 0,392 0,043 0,251 0,398 0,062 0,278 0,393 0,526 0,667 0,893 0,393 -0,425

2,349** 2,589** 2,303* 2,154* 0,281 2,262* 2,128* 0,245 1,583 3,034** 1,308 6,825** 2,867** 2,876** -2,348**

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT

0,491 0,289 0,572 0,510 0,177 0,328 0,567 0,534 0,021 0,451 0,126 0,639 0,773

4,694** 1,800* 5,444** 2,944** 0,964 2,530** 6,015** 2,424** 0,085 3,530** 0,275 6,948** 1,217

Uq2

1963-1965 vs. 1996-1998 -3,654** 0,133 -3,756** 0,130 -1,722* 0,117 -3,342** 0,114 – 0,001 -6,742** 0,119 -3,221** 0,090 – -0,021 – 0,035 -4,695** 0,137 – 0,040 -3,404** 0,523 -0,342 0,058 -4,444** 0,164 3,176** 0,119

qw1 qw0

0,987 1,125 1,671 1,031 0,878 0,678 1,324 1,143 1,028 1,060 1,158 0,887 1,236 0,966 1,232

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

0,092 -0,736 -2,505** -0,206 0,952 3,888** -1,499 -0,752 -0,179 -0,383 -0,957 1,165 -2,457** 0,249 -1,207

1963-1965 vs. 1972-1974 -4,875** 0,395 0,752 2,824** -4,434** 0,079 0,964 0,254 -4,072** 0,362 0,951 0,413 -2,824** 0,177 0,955 0,359 – 0,030 0,924 0,557 -5,191** 0,089 0,859 1,204 -4,596** 0,480 0,818 1,922* -2,115* -0,056 1,050 -0,352 – -0,014 1,242 -1,126 -4,300** 0,316 0,801 2,004* – -0,008 1,070 -0,408 -3,929** 0,504 0,876 1,262 – 0,020 1,152 -1,244 Fortsetzung auf der nächsten Seite

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  z-Wert1) z-Wert1) q

Land

SE UK

0,699 0,431

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 8,756** 5,096**

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,525 0,850 0,978 0,556 0,595 0,689 0,818 0,123 0,366 0,718 0,608 0,893 0,969 0,835 0,762

3,094** 7,297** 8,183** 2,892** 3,005** 7,785** 7,659** 0,298 1,647* 6,487** 2,074* 15,205** 1,157 7,302** 5,048**

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 -3,762** -6,725**

Uq2

0,560 0,397

1975-1977 vs. 1984-1986 -2,800** 0,262 -1,309 0,479 -0,185 0,668 -2,310* 0,213 -2,044* 0,199 -3,520** 0,579 -1,709* 0,536 – -0,018 -2,847** 0,068 -2,546** 0,463 -1,336 0,072 -1,815* 0,837 – 0,024 -1,442 0,611 -1,580 0,406

 qw1  qw0

309

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD :  2qw0 A  2qw1

0,934 0,684

0,655 4,036**

1,021 1,206 1,196 1,104 1,136 0,879 1,117 1,070 0,852 1,056 1,060 0,961 0,812 1,071 1,195

-0,153 -1,899* -4,618** -0,692 -0,897 1,300 -1,105 -0,408 1,299 -0,475 -0,444 0,589 6,695** -0,746 -1,482

1987-1989 vs. 1996-1998 AT 1,014 10,796** 0,154 0,681 1,220 – BE 0,668 5,817** -2,892** 0,492 0,956 0,405 DE 1,169 12,390** 1,792* 0,774 1,329 – DK 0,936 9,359** -0,641 0,548 1,193 -2,705** ES 0,661 5,005** -2,565** 0,435 0,981 0,167 FI 0,609 4,855** -3,113** 0,452 0,859 1,434 FR 1,047 9,123** 0,410 0,600 1,353 – GR -0,123 -0,447 – -0,008 1,039 -0,238 IE 0,835 5,669** -1,123 0,390 1,003 -0,035 IT 0,872 7,828** -1,150 0,573 1,152 -1,612 LU 1,169 4,690** 0,678 0,321 1,001 –NL 0,844 11,603** -2,152* 0,762 0,946 0,701 PT 0,279 0,622 – -0,009 1,025 -0,161 SE 0,754 12,035** -3,922** 0,562 1,004 -0,039 UK 1,029 8,839** 0,252 0,572 1,362 – 1) Zur Berechnung der z-Werte wurden Huber/White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

Für den ersten Teilzeitraum zwischen 1963 bis 1965 und 1972 bis 1974 ergeben sich hinsichtlich der -Despezialisierung trotz des Wechsels der Bezugsgrößen die gleichen Aussagen wie zuvor. Auch bei den Tests auf -Despezialisierung ist nur eine Änderung festzustellen. Bei Deutschland liegt nun nicht mehr diese Art der Despezialisierung vor. Anders sieht es für den zweiten Teilzeitraum zwischen 1975 bis 1977 und 1984 bis 1986 aus. Hier erhöht sich die Zahl der Länder, bei denen aufgrund der Tests

310

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

auf -Spezialisierung von einem gleichgebliebenen Spezialisierungsmuster ausgegangen werden muß, von drei auf fünf, nämlich Belgien, Deutschland, Luxemburg, Schweden und Großbritannien. Bei acht weiteren EU-Ländern zeigt sich eine -Despezialisierung, während die Veränderungen bei Griechenland und Portugal zufallsbedingt sind. Zudem kann nun bei Deutschland auf eine signifikante -Spezialisierung und bei Portugal auf eine signifikante -Despezialisierung geschlossen werden. Ferner zeigt sich für die letzte Teilperiode zwischen 1987 bis 1989 und 1996 bis 1998 wieder der höchste Grad an Persistenz. Bei sieben statt zuvor sechs Ländern kann die Nullhypothese, daß  = 1 sei, nicht abgelehnt werden. Zu den sechs Ländern, für die dies bereits bei den auf die EU-Patenterteilungen bezogenen Anteilen galt, kommt nun noch Italien hinzu. Für Deutschland ist für diese Teilperiode wiederum von einer zunehmenden Spezialisierung auszugehen, während die Veränderungen bei Griechenland und Portugal abermals zufällig sind. Bei den verbleibenden fünf EU-Ländern liegt eine signifikante -Despezialisierung vor. Da bei Österreich, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Großbritannien die Schätzwerte der -Koe!zienten größer als eins sind, kann bei ihnen der t-Test nach Carree/Klomp (1997) nicht durchgeführt werden, jedoch spricht bei diesen Ländern — mit der Ausnahme Luxemburgs — der Augenschein dafür, daß die Varianzen der RSPA zwischen 1987 bis 1989 und 1996 bis 1998 deutlich zugenommen haben. Zudem kann aufgrund des formalen Tests bei Dänemark auf eine -Spezialisierung geschlossen werden. Tabelle 4.8: Tests auf - und -Despezialisierung bezogen auf die gesamten Patenterteilungen am USPTO Land

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE

ˆ  q

0,396 0,420 0,668 0,421 0,036 0,184 0,368 0,042 0,231 0,383 0,555 0,665 0,853 0,515

z-Wert1)

z-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

2,516** 3,130** 4,955** 2,434** 0,251 1,613 3,007** 0,158 1,399 3,466** 1,425 6,297** 2,752** 4,140**

Uq2

 qw1  qw0

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

1963-1965 vs. 1996-1998 -3,834** 0,149 0,949 0,385 -4,324** 0,167 1,026 -0,177 -2,466** 0,326 1,167 -1,143 -3,354** 0,149 0,986 0,101 – 0,001 0,820 1,561 – 0,060 0,679 3,808** -5,173** 0,154 0,937 0,479 – -0,020 1,150 -0,781 – 0,021 0,991 0,060 -5,576** 0,181 0,900 0,813 – 0,051 1,134 -0,856 -3,176** 0,501 0,898 1,029 -0,473 0,060 1,178 -1,714* -3,903** 0,282 0,968 0,251 Fortsetzung auf der nächsten Seite

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  z-Wert1) q

Land

z-Wert1) H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 –

Uq2

qw1 qw0

t-Wert

0,878

0,968

H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

UK

-0,185

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 -1,285

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,575 0,389 0,689 0,551 0,144 0,278 0,622 0,532 0,019 0,549 0,174 0,543 0,772 0,791 0,531

6,567** 2,939** 8,725** 3,518** 0,793 2,031* 7,135** 2,351** 0,077 5,604** 0,392 5,020** 1,256 9,022** 5,233**

1963-1965 vs. 1972-1974 -4,854** 0,561 -4,609** 0,173 -3,933** 0,701 -2,865** 0,244 – 0,020 -5,268** 0,057 -4,341** 0,641 -2,068* -0,050 – -0,013 -4,611** 0,419 – -0,005 -4,221** 0,405 – 0,028 -2,385** 0,655 -4,617** 0,475

0,746 0,898 0,823 0,911 0,912 0,858 0,776 1,068 1,246 0,846 1,053 0,827 1,113 0,978 0,770

3,118** 0,834 2,104* 0,786 0,654 1,195 2,701** -0,466 -1,140 1,521 -0,319 1,762* -0,971 0,238 2,594**

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL PT SE UK

0,592 0,787 0,830 0,591 0,638 0,690 0,701 0,139 0,344 0,652 0,658 0,891 0,906 0,887 0,753

3,562** 7,212** 13,929** 3,630** 3,207** 7,689** 9,258** 0,334 1,603 5,657** 2,322** 13,007** 1,109 8,854** 6,897**

1975-1977 vs. 1984-1986 -2,453** 0,322 -1,947* 0,486 -2,853** 0,733 -2,512** 0,260 -1,818* 0,216 -3,462** 0,577 -3,940** 0,596 – -0,017 – 0,063 -3,026** 0,470 -1,208 0,095 -1,592 0,819 – 0,023 -1,128 0,692 -2,264* 0,546

1,012 1,116 0,969 1,081 1,148 0,882 0,909 1,080 0,820 0,949 1,061 0,967 0,781 1,069 1,019

-0,094 -1,023 0,373 -0,572 -1,003 1,263 0,944 -0,461 1,661* 0,466 -0,475 0,490 4,837** -0,866 -0,180

AT BE DE DK ES FI FR GR IE IT LU NL

0,946 0,666 1,142 0,947 0,585 0,594 1,176 -0,114 0,860 0,787 1,202 0,856

10,581** 6,180** 14,287** 8,948** 4,354** 4,558** 7,010** -0,441 6,039** 7,641** 4,914** 10,172**

0,045

311

1987-1989 vs. 1996-1998 -0,609 0,644 1,167 -2,624** -3,103** 0,490 0,954 0,424 1,778* 0,814 1,267 – -0,501 0,545 1,209 -3,148** -3,083** 0,384 0,925 0,666 -3,117** 0,420 0,862 1,376 1,050 0,516 1,642 – – -0,010 1,037 -0,226 -0,983 0,432 0,986 0,179 -2,073* 0,512 1,098 -0,885 0,825 0,352 1,013 – -1,707* 0,719 0,986 0,177 Fortsetzung auf der nächsten Seite

312

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  z-Wert1) z-Wert1) q

Land

Uq2

 qw1  qw0

t-Wert

H0 :  q = 0 H0 :  q = 1 H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen gegen gegen HD :  q ? 1 o. HD :  2qw0 A  2qw1 HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 HD :  q A 1 PT 0,239 0,527 – -0,011 1,026 -0,165 SE 0,765 10,485** -3,219** 0,599 0,988 0,121 UK 0,661 3,396** -1,744* 0,291 1,226 -1,428 1) Zur Berechnung der z-Werte wurden Huber/White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

Werden die Patentanteile der einzelnen Wirtschaftszweige in den EU-Ländern relativ zu den entsprechenden Anteilen bei den gesamten Patenterteilungen am USPTO gebildet, so ergeben die Tests auf -Despezialisierung für den gesamten Beobachtungszeitraum in sechs Fällen, daß die Veränderungen der Spezialisierungsmuster zufallsbedingt sind (Tabelle 4.8). Zu den fünf Ländern, bei denen dieser Befund bereits bei den auf die EU-Patenterteilungen bezogenen RSPA vorlag, kommt nun noch Finnland hinzu. Zudem kann für Finnland in diesem Fall auch von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Weiterhin liegt bei Portugal sowohl eine - als auch eine -Spezialisierung vor. Bei den verbleibenden acht EU-Ländern kann auf eine -, aber nicht auf eine -Despezialisierung geschlossen werden. Der erste Teilzeitraum ist auch in diesem Fall vor allem durch -Despezialisierungen gekennzeichnet, die analog zu den vorherigen Ergebnissen elfmal auftreten. In den anderen vier Fällen sind die Veränderungen ebenfalls wie zuvor zufällig. Zudem kann eine -Despezialisierung wiederum bei den selben fünf Ländern beobachtet werden wie bei den auf die EU-Patenterteilungen bezogenen RSPA. Für den zweiten Teilzeitraum ergeben sich nur leichte Veränderungen gegenüber der alleinigen Einbeziehung der Patenterteilungen der EU-Länder. Bei Frankreich kann nun aufgrund der Tests auf -Despezialisierung nicht mehr auf eine gleichbleibende Spezialisierung geschlossen werden, sondern es liegt eine Despezialisierung vor. Für die Niederlande ergibt sich der umgekehrte Befund. Weiterhin erfolgt nun bei Irland anstatt bei Finnland eine -Despezialisierung, während die Aussage des Tests für Portugal unverändert bleibt. Wiederum verglichen mit den Tests bezogen auf die EU-Patenterteilungen sind auch die Resultate für den dritten Teilzeitraum weitgehend unverändert. Bei den Tests auf -Despezialisierung muß nun bei Großbritannien von einem abnehmenden anstatt von einem gleichbleibenden Spezialisierungsgrad ausgegangen werden. Bei den Tests auf -Despezialisierung ergeben sich drei Änderungen. Bei Österreich liegt jetzt eine -Spezialisierung vor, während sie für Frankreich und Großbritannien nicht mehr attestiert werden kann. Zusammenfassend können auf der Grundlage der Tests auf - und -Despezialisierung die folgenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Zunächst einmal zeigt sich sehr deutlich, daß zunehmende Spezialisierungen relativ rare Ausnahmen sind. Nach dem Testkonzept der -Despezialisierung kann eine Zunahme

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

313

des Spezialisierungsgrades nur für Deutschland in dem letzten Teilzeitraum zwischen 1987 bis 1989 und 1996 bis 1998 diagnostiziert werden. Dabei gilt dieser Befund für alle drei als Bezugsgrößen gewählten Länderaggregate. Etwas häufiger tritt eine -Spezialisierung auf, allerdings bei den auf die EU- und die gesamten Patenterteilungen bezogenen RSPA wiederum nur im letzten Teilzeitraum. Bei den auf die gesamten an das Ausland erteilten Patente bezogenen RSPA findet sich diese Form der Spezialisierung im Falle Deutschlands und Portugals auch über den gesamten Beobachtungszeitraum sowie bei Belgien und Deutschland im zweiten Teilzeitraum zwischen 1975 bis 1977 und 1984 bis 1986. Über den gesamten Beobachtungszeitraum betrachtet ist unabhängig von den gewählten Bezugsgrößen eine -Despezialisierung der Regelfall. Nur bei einigen im Ausgangszeitpunkt patentschwachen Ländern sowie Großbritannien können auch zufällige Veränderungen der Spezialisierungsmuster beobachtet werden. Je näher die Teilzeiträume jedoch an den aktuellen Rand heranragen, desto häufiger können nach diesem Testkonzept auch unveränderte Spezialisierungsgrade festgestellt werden. Weiterhin kann eine -Despezialisierung wesentlich seltener als eine -Despezialisierung diagnostiziert werden, so daß davon ausgegangen werden muß, daß in einer Reihe von Fällen systematische Reduktionen der Streuungen der RSPA durch Störeinflüsse, die über die Fehlerterme der Regressionsschätzungen erfaßt werden, wieder kompensiert werden. Die Diagnose einer zufallsbedingten Veränderung wirft zudem ein anderes Licht auf die bei einigen Ländern mit geringen Absolutzahlen an Patenterteilungen durch die Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße attestierten hohen Spezialisierungsgrade. In diesem Fall haben diese Maße strenggenommen wenig Aussagekraft. Dies läßt sich durch das folgende metaphorische Beispiel veranschaulichen. Wenn ein Betrunkener (oder ungeübter Spieler) mehrmals hintereinander drei Pfeile auf eine Dartscheibe wirft und bei jedem Durchgang drei unterschiedliche Felder tritt, so wird ein Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaß jedesmal eine hohe Konzentration messen, während das Konzept der -Despezialisierung den Zufallscharakter der getroenen Felder erkennt.

4.2.2

Produktionsspezialisierung

Obwohl sich ein Großteil der theoretischen Erklärungsansätze unmittelbar auf die Spezialisierung in der Produktion eines Landes bezieht, liegen bisher nur relativ wenige empirische Untersuchungen zur zeitlichen Entwicklung der Produktionsspezialisierung vor. Mit Blick auf den sektoralen Produktionsoutput der Länder bzw. Regionen der EU handelt es sich um vier Arbeiten, die alle in der jüngsten Zeit erschienen sind. Amiti (1998; 1999) verwendet für ihre Analysen der Entwicklung der Produktionsspezialisierungen innerhalb der EU zwei Datensätze, die für fünf bzw. zehn EU-Länder zur Verfügung stehen. Zum einen zieht sie einen Datensatz von EUROSTAT heran, der — klassifiziert in 65 Wirtschaftszweigen des Verarbeitenden Gewerbes nach NACE Dreistellern — die jährliche Produktion zu laufenden Preisen für fünf EU-Länder im Zeitraum von 1976 bis 1989 umfaßt. Ihre Trendregressionen für die Logarithmen der aus diesen Daten berechneten Länder-Gini-

314

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Koe!zienten zeigen für vier Länder (Belgien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien) einen Anstieg der Spezialisierung von trendmäßig ca. 2 % pro Jahr, während der Trendkoe!zient für Italien bei einem Signifikanzniveau von 5 % nicht von null verschieden ist. Zum anderen nutzt sie nominale und reale Produktionsdaten für zehn EU-Staaten und 27 Industriezweige (ISIC Dreisteller) für den Zeitraum von 1968 bis 1990, die sie der UNIDO Industrial Statistics Data Base entnimmt. Wiederum auf der Grundlage der Länder-Gini-Koe!zienten findet sie bei der nominalen Produktion für Belgien, Deutschland, Dänemark, Griechenland, Italien und die Niederlande eine trendmäßige Zunahme der Spezialisierung. Hingegen bleibt der Spezialisierungsgrad Portugals unverändert und für die verbleibenden drei Länder Frankreich, Großbritannien und Spanien nimmt er trendmäßig ab. Für die realen Produktionsdaten ergibt sich ein etwas anderes Bild. Hier mißt sie für Deutschland, Dänemark, Griechenland, Italien, die Niederlande und Portugal eine trendmäßige Zunahme der Spezialisierung, während die Spezialisierungsgrade Belgiens und Spaniens unverändert bleiben und die Frankreichs und Großbritanniens abnehmen. In OECD (1999) werden auf der Grundlage von acht Einsteller-Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereichs für zehn EU-Länder Dissimilaritätsmaße wiedergegeben. Bei einer Gegenüberstellung der Jahre 1980 und 1995 zeigt sich bei sieben Ländern (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Österreich und Spanien) eine Zunahme der Spezialisierung, bei Italien keine Veränderung und bei den Niederlanden sowie Portugal eine Abnahme. Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999) nutzen für ihre Untersuchung der Produktionsspezialisierung innerhalb der EU (alle 15 EU-Staaten, wobei Belgien und Luxemburg zusammengefaßt sind) eine ganze Batterie von absoluten und relativen Spezialisierungsmaßen, nämlich Konzentrationsraten, Herfindahl-Indizes, Standardabweichungen der Anteilswerte sowie der symmetrischen relativen Anteilswerte, Dissimilaritätsmaße und Länder-Gini-Koe!zienten. Als Datenbasis legen sie die Wertschöpfung zu Faktorkosten des Verarbeitenden Gewerbes für den Zeitraum von 1988 bis 1998 zum einen nach den NACE Zweistellern (22 Wirtschaftszweige) und zum anderen nach den NACE Dreistellern (95 Wirtschaftszweige) zugrunde, die den Structural Business Statistics von EUROSTAT entnommenen wurde. Dabei ergibt sich für die einzelnen Indikatoren eine Reihe von widersprüchlichen Ergebnissen. Nach Auszählen aller Vorzeichen der trendmäßigen Veränderungen gehen sie für Deutschland, Dänemark, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich und Schweden von einer Zunahme der Spezialisierung aus. Im Falle Frankreichs liegt danach eher ein unveränderter Spezialisierungsgrad und bei Belgien, den Niederlanden, Portugal sowie Spanien eine Abnahme nahe. Im Gegensatz zu den gerade vorgestellten Studien greift Hallet (2000) auf Bruttowertschöpfungsdaten für 17 Branchen des Dienstleistungsbereichs und des Verarbeitenden Gewerbes — je nach Verfügbarkeit zu Marktpreisen oder Faktorkosten — für 119 Regionen innerhalb der EU (NUTS 1 und 2) zurück. Dabei zeigt der Verlauf der Dissimilaritätsmaße von 1980 bis 1995 für 85 Regionen eine abnehmende und für 34 Regionen eine zunehmende Spezialisierung. Bei einer mit

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

315

den Bruttoinlandsprodukten gewichteten Durchschnittsbildung über alle 119 Regionen zeigt sich ebenfalls ein Rückgang des Spezialisierungsgrades. Ergänzend berechnet er zudem relative Variationskoe!zienten, d. h. die Variationskoe!zienten der sektoralen Bruttowertschöpfungsanteile einer Region im Verhältnis zu den entsprechenden Variationskoe!zienten für die sektoralen Bruttowertschöpfungsanteile aller 15 EU-Länder. Bei einer Regression der Veränderungen dieser relativen Variationskoe!zienten zwischen 1980 und 1995 auf den Anfangswert in 1980 zeigt sich ein deutlicher negativer Zusammenhang, so daß daraus auf eine starke Konvergenz in Richtung auf eine durchschnittliche Sektorstruktur geschlossen werden könnte. Allerdings muß er einschränkend einräumen, daß dieses Ergebnis durch eine statistische Verzerrung bedingt sein könne, die daher rühre, daß der Dienstleistungsbereich mit fünf Branchen wesentlich weniger disaggregiert ist als das Verarbeitende Gewerbe mit zwölf Branchen. Dann führt nämlich ein genereller Strukturwandel, der eine Umverteilung der Produktion von mehreren Branchen des Verarbeitenden Gewerbes zu wenigen Dienstleistungsbranchen verursacht, zu einer höheren Spezialisierung für alle Regionen. Zudem finden sich in der Literatur einige Untersuchungen, die die Entwicklung der Produktionsspezialisierungen anhand der Inputfaktoren Beschäftigung (z. B. Krugman, 1991, Peri, 1998 und Amiti, 1999) oder Kapital (Stirböck, 2002) analysieren. Aus den Studien von Krugman (1991) und Stirböck (2002) können jedoch keine Erkenntnisse über die zeitliche Entwicklung der Spezialisierungen gezogen werden. Erstere bezieht sich nur auf das Jahr 1985 und betrachtet auch nur mittels Dissimilaritätsmaßen die bilateralen Spezialisierungsunterschiede zwischen den vier großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien. Zweitere betrachtet die Spezialisierungsgrade bei den Bruttoanlageinvestitionen für 53 bzw. 56 Regionen auf der Ebene von NUTS 2 und 30 bzw. 33 Regionen auf der Ebene von NUTS 1 zwar für den Zeitraum von 1985 bis 1994, weist aber für die Standort-Gini-Koe!zienten nur Durchschnittswerte über den gesamten Beobachtungszeitraum aus. Peri (1998) berechnet für die der UNIDO Industrial Statistics Data Base entnommenen Beschäftigungsdaten für 23 Industriezweige nach teilweise zusammengefaßten ISIC Dreistellern für den Zeitraum von 1963 bis 1992 nichtstandardisierte Herfindahl-Indizes. Für das Aggregat von elf EU-Staaten findet er im Zeitablauf kaum Veränderungen dieser Indizes. Bei den einzeln betrachteten 12 EU-Staaten sieht es etwas anders aus. Obwohl er keine statistischen Überprüfungen der zeitlichen Entwicklungspfade vornimmt, kann aufgrund seiner graphischen Darstellungen mit der gebotenen Vorsicht von den folgenden Veränderungsrichtungen ausgegangen werden. Von einer moderaten Zunahme der absoluten Spezialisierung der Beschäftigung kann nur bei Italien und den Niederlanden ausgegangen werden. Näherungsweise gleichbleibende Spezialisierungsgrade finden sich für Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Spanien, während bei Belgien, Deutschland, Dänemark, Irland, Luxemburg und Portugal z. T. sehr ausgeprägte Abnahmen der absoluten Spezialisierungen ersichtlich sind. Amiti (1999) entnimmt ihren beiden bereits angeführten Datenquellen auch die Beschäftigungszahlen in der gleichen Abgrenzung wie die Produktionsdaten. Die trendmäßigen Entwicklungen der Länder-Gini-Koe!zienten für die Beschäf-

316

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

tigung bestätigen in beiden Fällen weitgehend die für die Produktionsdaten erzielten Ergebnisse. Nur bei den höher aggregierten Daten der UNIDO Industrial Statistics Data Base gibt es einige Abweichungen bezüglich der Signifikanz oder in einem Fall bezüglich des Vorzeichens der Trends. Bei Frankreich ist nämlich nun anders als bei der nominalen und realen Produktion von einer zunehmenden Spezialisierung auszugehen. Aufbauend auf diesen empirischen Untersuchungen wird nun im folgenden die eigene Analyse der Entwicklung der Produktionsspezialisierung innerhalb der EU vorgestellt. Den Ausgangspunkt bilden wiederum die absoluten Spezialisierungsmaße. In den Abbildungen 4.7 und 4.8 sind die zeitlichen Verläufe der standardisierten Diversity-Indizes und der standardisierten Entropie-Maße für die reale Wertschöpfung von 1970 bis 1997 dargestellt. Die erste Graphik bezieht sich auf die 13 betrachteten EU-Staaten, wobei für den Zeitraum von 1970 bis 1974 zusätzlich Österreich und Spanien und von 1975 bis 1977 Spanien aus Datenverfügbarkeitsgründen nicht einbezogen sind. Während die standardisierte Diversity für dieses Länderaggregat keinerlei Veränderung des absoluten Spezialisierungsgrades anzeigt, kann nach dem standardisierten Entropie-Maß, das kleineren Industriezweigen ein stärkeres Gewicht verleiht, zu Beginn des Beobachtungszeitraums von einer leichten Abnahme und vor allem zu Ende des Beobachtungszeitraums von einem Anstieg ausgegangen werden. In den weiteren 13 Graphiken sind die einzelnen EU-Länder in aufsteigender Reihenfolge nach dem durch den standardisierten Diversity-Index gemessenen Grad der Spezialisierung im Jahr 1997 geordnet. Dabei deutet die Reihenfolge der Länder nicht darauf hin, daß der Grad der absoluten Spezialisierung am aktuellen Rand systematisch von der Ländergröße oder den Entwicklungsniveaus abhängt. Auällig ist, daß bei dem Land mit der geringsten absoluten Spezialisierung zum Ende des Beobachtungszeitraums, Italien, beide Maße anzeigen, daß es sogar weniger spezialisiert ist als das EU-Aggregat. Zudem scheinen die Veränderungen der Spezialisierungsgrade stärker durch Veränderungen bei relativ kleinen Wirtschaftszweigen verursacht zu sein, weil das Entropie-Maß in den meisten Fällen deutlich mehr Dynamik zeigt als der Diversity-Index. Ferner lassen sich grob zwei Gruppen von Ländern unterscheiden. Bei den einen erfolgt die Veränderung des Spezialisierungsgrades relativ kontinuierlich über den gesamten Beobachtungszeitraum (Italien und Portugal mit einer Abnahme sowie Niederlande, Griechenland, Deutschland, Belgien und Dänemark mit einer Zunahme der absoluten Spezialisierung). Bei den anderen Ländern ist die Zunahme der Spezialisierung entweder erst ab der Mitte der achtziger Jahre (Großbritannien) oder seit dem Beginn der neunziger Jahre (Österreich, Spanien, Frankreich sowie insbesondere Schweden und Finnland) zu beobachten. Zur genaueren Bestimmung der trendmäßigen Veränderungen der absoluten Spezialisierungen wurden die Logarithmen der beiden Maße wiederum auf einen Zeittrend regressiert (Tabelle 4.9). Diese Regressionen bestätigen den ersten Eindruck, daß die durch das standardisierte Entropie-Maß gemessenen Veränderungen der Spezialisierungsgrade durchgängig wesentlich ausgeprägter sind als die durch den standardisierten Diversity-Index erfaßten. Für beide Maße ist jedoch auch für das Aggregat der EU-Staaten von einer signifikanten trendmäßigen

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen EU (ohne IE und LU)

317

Italien

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90

0,85

0,85

Diversity

Entropie

Diversity

Entropie

0,80

0,80

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Österreich

1980

1985

1990

1995

Spanien

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90 0,85

0,85 Diversity

Entropie

Diversity

Entropie

0,80

0,80 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

1980

1985

1990

1995

Frankreich

Niederlande 1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90 0,85

0,85 Diversity

Entropie

Entropie

Diversity 0,80

0,80 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Griechenland

1980

1985

1990

1995

Großbritannien

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90

0,85

0,85

Diversity

Entropie

Diversity

0,80

Entropie

0,80

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.7: Entwicklung der absoluten Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 bis 1997 Zunahme der Spezialisierung auszugehen, nämlich um 0,007 % pro Jahr beim Diversity-Maß und um 0,035 % pro Jahr beim Entropie-Maß.

318

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Portugal

Deutschland

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90

0,85

0,85 Diversity

Entropie

Entropie

Diversity

0,80

0,80

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Belgien

1980

1985

1990

1995

Schweden

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90

Diversity

0,85

Entropie

0,85 Diversity

Entropie

0,80

0,80

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Finnland

Dänemark 1,00

1,00

0,95

0,95 Diversity

Entropie

Diversity

Entropie

0,90

0,90

0,85

0,85 0,80

0,80 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.8: Entwicklung der absoluten Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 bis 1997 (Fortsetzung)

Mit Blick auf die einzelnen EU-Länder kann anhand der standardisierten Diversity-Indizes in neun Fällen bei Signifikanzniveaus von  ? 0> 01 eine Zunahme der absoluten Spezialisierung festgestellt werden, die bei Deutschland mit 0,052 % am stärksten und bei Belgien mit 0,013 % am schwächsten ausfällt. Bei zwei Ländern, Großbritannien und Schweden, ist von unveränderten Spezialisierungsgraden auszugehen und bei weiteren zwei Ländern können hoch signifikante Rückgänge der absoluten Spezialisierungen beobachtet werden. Die Ergebnisse für die standardisierten Entropie-Maße bestätigen im wesentlichen die bisherigen Befunde. Allerdings kann nun in keinem Fall eine gleichbleibende absolute Spezialisierung attestiert werden, sondern auch für Großbritannien und Schweden muß auf hoch signifikante trendmäßige Zunahmen der Spezialisierungsgrade ge-

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

319

Tabelle 4.9: Trendveränderungsraten der absoluten Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 - 1997 Land EU DE DK FI ES* AT** GR NL FR BE UK SE IT PT

Standardisierte Diversity Trendkoe!zient (× 100) t-Wert -0,007 -3,402 -0,052 -17,313 -0,046 -7,430 -0,044 -3,915 -0,035 -16,291 -0,032 -6,648 -0,030 -8,851 -0,027 -12,126 -0,020 -7,622 -0,013 -3,191 -0,006 -1,431 0,002 0,410 0,036 10,825 0,053 6,926

Standardisierte Entropie Trendkoe!zient (× 100) t-Wert -0,035 -5,634 -0,157 -21,444 -0,104 -9,151 -0,137 -4,641 -0,109 -9,518 -0,086 -4,772 -0,136 -17,651 -0,115 -16,568 -0,083 -9,740 -0,052 -5,321 -0,063 -4,592 -0.082 -5,839 0,103 10,075 0,116 8,994

* Schätzzeitraum 1978 - 1997 ** Schätzzeitraum 1975 - 1997

schlossen werden. Zudem kommt es zu einigen Verschiebungen bei der Rangfolge des Umfanges der trendmäßigen prozentualen Zunahmen der Spezialisierungen. Anders als bei der absoluten Spezialisierung hängt das Niveau der relativen Spezialisierung stark von der Größe sowie auch vom Entwicklungsstand eines Landes ab. Dies rührt vor allem daher, daß natürlich große und hochentwickelte Länder die EU-Durchschnittsanteilswerte prägen. So sind bei den in den Abbildungen 4.9 und 4.10 nach den Werten des Dissimilaritätsmaßes im Jahr 1997 in aufsteigender Reihenfolge geordneten EU-Ländern Frankreich, Großbritannien und mit einem gewissen Abstand Deutschland die drei Länder mit den niedrigsten relativen Spezialisierungsgraden. Insgesamt sind die Verläufe der beiden relativen Spezialisierungsmaße recht ähnlich, und es kann nicht festgestellt werden, daß eines von beiden in allen Fällen eine deutlich höhere Dynamik aufweist. Die nächsten sieben EU-Länder können bei unterschiedlichen zeitlichen Verläufen der relativen Spezialisierungsgrade vom Endbeobachtungspunkt 1997 her dem Mittelfeld zugeteilt werden. Hingegen zeigen Finnland sowie insbesondere Griechenland und Portugal bei solch einer Betrachtung recht hohe relative Spezialisierungsmaße. Eine Abschätzung der trendmäßigen Veränderungen der relativen Spezialisierungsgrade kann wiederum über die Trendregressionen erfolgen (Tabelle 4.10). Danach kann für die Dissimilaritätsmaßen bei sechs Länder (Deutschland, die Niederlande, Griechenland, Dänemark, Belgien und Portugal) von einer hoch signifikanten trendmäßigen Zunahme der relativen Spezialisierung ausgegangen werden. Bei vier Ländern kann die Hypothese eines trendmäßig unveränderten Spezialisierungsgrades bei einem Signifikanzniveau von 5 % nicht abgelehnt werden (nämlich bei Großbritannien, Österreich, Finnland und Frankreich). Bei den

320

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Frankreich

Großbritannien

0,40

0,40

Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

0,30

0,30

0,20

0,20

0,10

0,10

0,00

Gini-Koeff.

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Deutschland

1980

1985

1990

1995

Spanien

0,40

0,40 Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

0,30

0,30

0,20

0,20

0,10

0,10

0,00

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Österreich

Italien 0,40

0,40 Dissimilarität

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,30

0,30

0,20

0,20

0,10

0,10

Gini-Koeff.

0,00

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Niederlande

1980

1985

1990

1995

Schweden

0,40

0,40

Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

0,30

0,30

0,20

0,20

0,10

0,10

0,00

Gini-Koeff.

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.9: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 bis 1997 restlichen drei Ländern (Italien, Spanien und Schweden) muß auf eine hoch signifikante trendmäßige Abnahme des Spezialisierungsgrades geschlossen werden.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Belgien

321

Dänemark

0,40

0,40

0,30

0,30

0,20

0,20

0,10

0,10

Dissimilarität

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00

Gini-Koeff.

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Finnland

1980

1985

1990

1995

Griechenland

0,40

0,50 0,40

0,30

0,30 0,20 0,20 0,10

0,10 Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Portugal 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.10: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 bis 1997 (Fortsetzung)

Zwar bestätigen die Trendschätzungen für die Länder-Gini-Koe!zienten die bisherigen Ergebnisse weitgehend, es gibt aber auch einige deutliche Unterschiede. Zunächst einmal kann nun auch für Großbritannien eine Zunahme des relativen Spezialisierungsgrades angenommen werden, während der Trendkoe!zient für Portugal nicht mehr signifikant von null verschieden ist. Zweitens muß nun für Österreich von einer hoch signifikanten Abnahme der Spezialisierung ausgegangen werden. Drittens ändert sich auch die Rangfolge der trendmäßigen Veränderungen z. T. beträchtlich. Zudem zeigen sich bei einem Vergleich dieser Trendschätzungen für die logarithmierten Länder-Gini-Koe!zienten mit jenen für einen kürzeren Zeitraum von 1968 bis 1990 auf die reale und nominale Produktion bezogenen in Amiti (1998; 1999) ungefähr gleich viele Unterschiede wie Gemeinsamkeiten.

322

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.10: Trendveränderungsraten der relativen Spezialisierungsmaße für die reale Wertschöpfung 1970 - 1997 Land DE NL GR DK BE UK PT AT* FI FR IT ES** SE

Dissimilarität Trendkoe!zient (× 100) 0,982 0,956 0,738 0,655 0,468 0,326 0,216 -0,137 -0,171 -0,212 -0,245 -0,317 -0,436

t-Wert 14,336 8,407 7,582 8,159 3,241 2,027 2,297 -0,950 -0,999 -1,397 -2,970 -2,380 -3,692

Standort-Gini-Koe!zient Trendkoe!zient (× 100) t-Wert 0,794 14,763 1,328 14,531 0,493 6,928 0,332 3,544 0,286 3,234 0,391 2,602 -0,045 -0,630 -0,532 -4,051 -0,009 -0,070 -0,258 -1,971 -0,419 -4,224 -0,475 -3,515 -0,266 -3,797

* Schätzzeitraum 1975 - 1997 ** Schätzzeitraum 1978 - 1997

Abschließend wurden auch für die reale Wertschöpfung die Tests auf - und -Despezialisierung (bzw. -Spezialisierung) bezogen auf den gesamten Beobachtungszeitraum sowie auf drei sich nicht überlappende Teilzeiträume durchgeführt (Tabelle 4.11). Für den gesamten Beobachtungszeitraum lassen die Tests auf Despezialisierung den Schluß zu, daß sich Österreich, Spanien, Finnland, Italien, Schweden und Großbritannien in Richtung der europäischen Durchschnittsspezialisierung bewegen, weil bei diesen Ländern einerseits die Alternativhypothese, daß  A 0 sei, und andererseits die Alternativhypothese, daß  ? 1 sei, nicht abgelehnt werden kann. Dies sind — abgesehen von dem ambivalenten Ergebnis für Großbritannien — jene Länder, bei denen die Dissimilaritätsmaße und Länder-Gini-Koe!zienten trendmäßig gleichbleibende oder abnehmende relative Spezialisierungsgrade anzeigen. Bei den anderen sieben EU-Ländern kann die Nullhypothese, daß  = 1 sei, nicht abgelehnt werden, so daß hier von einer gleichbleibenden -Spezialisierung auszugehen ist. Allerdings zeigt der Test von Carree/Klomp (1997) im Falle Belgiens eine zunehmende -Spezialisierung an, und bei Deutschland und den Niederlanden können die Teststatistiken zwar nicht berechnet werden, weil ˆ A 1 ist, aber die Quotienten der Standardabweichungen  qw1 @ qw0 deuten klar darauf hin, daß auch hier signifikante Zunahmen der -Spezialisierung vorliegen. Bei der Unterteilung des gesamten Beobachtungszeitraums ergeben sich im ersten Teilzeitraum, in dem die Jahre 1971 bis 1973 mit den Jahren 1977 bis 1979 verglichen werden, nur wenige signifikante Veränderungen der Spezialisierungsmuster. Bei einem Signifikanzniveau von 5 % kann nur für Dänemark sowie Italien auf eine -Despezialisierung und für die Niederlande auf eine -Spezialisierung geschlossen werden. Bei dem gleichen Signifikanzniveau kann für Griechenland die Alternativhypothese einer -Spezialisierung nicht abgelehnt werden. Zudem

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

323

kann wiederum für Deutschland und die Niederlande kein formaler Test auf Spezialisierung durchgeführt werden, aber die Quotienten der Standardabweichungen legen hier auch für diesen Teilzeitraum eine signifikante Zunahme der Streuung der relativen Anteilswerte bei der realen Wertschöpfung nahe. Tabelle 4.11: Tests auf - und -Despezialisierung für die reale Wertschöpfung Land

ˆ  q

t-Wert1)

t-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

Uq2

 qw1  qw0

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

AT2) BE DE DK ES3) FI FR GR IT NL PT SE UK

0,805 0,930 1,144 0,917 0,903 0,670 0,646 0,762 0,784 1,121 0,934 0,761 0,781

8,782** 8,343** 10,084** 9,800** 17,518** 3,634** 2,698** 5,225** 8,036** 6,574** 11,945** 6,048** 6,366**

1971-1973 vs. 1995-1997 -2,127* 0,551 -0,631 0,624 1,273 0,713 -0,888 0,693 -1,878* 0,879 -1,794* 0,370 -1,478 0,358 -1,630 0,486 -2,217* 0,629 0,708 0,679 -0,850 0,733 -1,899* 0,462 -1,782* 0,578

1,084 1,177 1,355 1,102 0,964 1,101 1,080 1,093 0,988 1,359 1,091 1,120 1,028

-0,654 -2,414* – -1,415 0,574 -0,752 -0,595 -0,807 0,121 – -1,425 -0,999 -0,274

BE DE DK FI FR GR IT NL PT SE UK

0,985 1,065 0,945 0,942 0,871 0,995 0,881 1,117 0,981 0,970 0,931

19,623** 23,666** 30,437** 17,456** 8,003** 22,201** 16,493** 16,546** 32,916** 23,379** 20,793**

1971-1973 vs. 1977-1979 -0,307 0,907 1,448 0,918 -1,755* 0,903 -1,072 0,868 -1,190 0,797 -0,114 0,936 -2,223* 0,827 1,727* 0,899 -0,653 0,962 -0,733 0,921 -1,535 0,946

1,034 1,112 0,995 1,011 0,975 1,028 0,969 1,178 1,000 1,010 0,957

-1,182 – 0,096 -0,208 0,334 -1,728* 0,438 – 0,007 -0,262 0,797

AT BE DE DK ES FI FR GR

0,900 1,001 1,028 1,035 0,975 0,975 0,986 0,999

17,131** 26,807** 34,149** 23,558** 24,291** 24,339** 24,742** 25,482**

1980-1982 vs. 1986-1988 -1,894* 0,853 0,975 0,385 0,016 0,943 1,030 – 0,934 0,967 1,046 – 0,799 0,943 1,066 – -0,622 0,957 0,997 0,090 -0,636 0,930 1,010 -0,293 -0,344 0,919 1,029 -1,079 -0,037 0,890 1,059 -6,399** Fortsetzung auf der nächsten Seite

324

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  t-Wert1) q

Land

IT NL PT SE UK

0,949 0,974 1,090 0,962 0,811

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 36,454** 18,438** 36,380** 22,046** 10,671**

t-Wert1) H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 -1,954* -0,489 3,019** -0,859 -2,488**

Uq2

0,951 0,924 0,965 0,924 0,827

 qw1  qw0

t-Wert

0,973 1,013 1,110 1,001 0,892

0,568 -0,368 – -0,026 1,406

H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

1989-1991 vs. 1995-1997 AT 1,059 24,518** 1,356 0,934 1,096 – BE 1,055 30,436** 1,576 0,960 1,076 – DE 1,082 24,929** 1,886* 0,957 1,106 – DK 1,020 26,783** 0,520 0,962 1,040 – ES 0,938 19,038** -1,249 0,924 0,976 0,459 FI 0,967 17,322** -0,599 0,796 1,083 -1,843* FR 1,024 29,865** 0,712 0,926 1,065 – GR 0,987 16,307** -0,221 0,894 1,044 -1,610 IT 1,032 36,855** 1,138 0,964 1,051 – NL 1,059 43,328** 2,422* 0,975 1,073 – PT 0,960 33,051** -1,385 0,963 0,978 0,520 SE 0,990 37,237** -0,392 0,898 1,044 -1,840* UK 1,102 24,286** 2,242* 0,927 1,144 – 1) Zur Berechnung der t-Werte wurden White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. 2) Schätzzeitraum 1977-1979 vs. 1995-1997 3) Schätzzeitraum 1980-1982 vs. 1995-1997 * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

Auch in der zweiten Teilperiode, in der die Jahre 1980 bis 1982 den Jahren 1986 bis 1988 gegenübergestellt werden, dominieren bei den Tests auf Despezialisierung (bzw. -Spezialisierung) gleichbleibende Spezialisierungsmuster. Nur bei Österreich, Italien und Großbritannien kann von einer signifikanten Annäherung der Spezialisierungsmuster an den EU-Durchschnitt ausgegangen werden, während Portugal in dieser Teilperiode einen Anstieg der Spezialisierung verzeichnet. Ferner kann für Griechenland bei einem Signifikanzniveau von 1 % auf eine -Spezialisierung geschlossen werden. Bei weiteren vier Ländern (Belgien, Deutschland, Dänemark, und Portugal) ist ein formaler Test dieser Hypothese wiederum nicht möglich, aber zumindest bei der Mehrheit von ihnen kann ebenfalls solch eine Spezialisierung vermutet werden. In der dritten Teilperiode, 1989 bis 1991 verglichen mit 1995 bis 1997, treten bei einem Signifikanzniveau von 5 % drei Fälle von -Spezialisierung auf (Deutschland, die Niederlande und Großbritannien), bei allen anderen Ländern kann hingegen die Nullhypothese, daß  = 1 ist, nicht abgelehnt werden. Somit gibt es seit dem Beginn der neunziger Jahre bei keinem EU-Land mehr eine signifikante -Despezialisierung. Außerdem kann für Finnland und Schweden auf einem Signifikanzniveau von 5 % auf eine -Spezialisierung geschlossen werden und bei weiteren sieben von acht Ländern ist diese Möglichkeit auch ohne einen

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

325

formalen Test hoch wahrscheinlich. Nur Dänemark dürfte hier ähnlich wie Griechenland, für das die Teststatistik von Carree/Klomp (1997) berechnet werden kann, gerade an der Grenze liegen. Demnach ist mit Blick auf die reale Wertschöpfung seit dem Beginn der neunziger Jahre überwiegend von verstärkten Spezialisierungstendenzen innerhalb der EU auszugehen. Insgesamt liefern also sowohl die absoluten und relativen Spezialisierungsmaße als auch die Tests auf - und -Despezialisierung für die reale Wertschöpfung bei der Mehrheit der EU-Länder — anders als bei der technologischen Spezialisierung — Evidenzen für zunehmende oder zumindest gleichbleibende Spezialisierungsgrade. 4.2.3

Exportspezialisierung

Verglichen mit der technologischen und Produktionsspezialisierung weist die empirische Analyse der Entwicklung der Export- und auch der Außenhandelsspezialisierung eine längere und wesentlich umfangreichere Tradition auf.31 Um jedoch eine Vergleichbarkeit mit den vorgestellten und eigenen Untersuchungen zu den beiden zuerst genannten Bereichen der Spezialisierung zu gewährleisten, sollen auch für die Exportspezialisierung nur solche Studien der eigenen empirischen Analyse vorangestellt werden, die vergleichbare Methoden wie bei der Analyse der Entwicklung der technologischen und Produktionsspezialisierung nutzen. Ferner erfolgt wiederum — trotz der relativ langen Tradition von Untersuchungen zur Export- und Außenhandelsspezialisierung — bei der Auswahl der bisherigen Studien eine Beschränkung auf jene Arbeiten, die seit dem Beginn der neunziger Jahre vorgelegt wurden, um nahe des aktuellen Rands eine bessere Vergleichbarkeit mit den eigenen Analysen zu ermöglichen. Gleichwohl ist die Vergleichbarkeit insgesamt nur sehr begrenzt, weil kaum eine der im folgenden vorgestellten Studien bei den relativen Spezialisierungsmaßen die Gruppe der EU-Länder als Bezugsgröße verwendet.32 Amendola/Guerrieri/Padoan (1992) verwenden zur Analyse der Entwicklung der Spezialisierung der nominalen Exporte genauso wie zuvor bei ihrer Untersuchung der technologischen Spezialisierung die Unterteilung in 38 Wirtschaftszweige nach SIC. Ebenfalls ziehen sie wiederum zum einen das Konzept der -Despezialisierung bzw. -Spezialisierung für die asymmetrischen relativen Anteilswerte (U[D) heran und liefern zum anderen eine rein deskriptive Analyse der -Despezialisierung. Bei ihrer -Despezialisierungsanalyse erzielen sie für die sechs berücksichtigten EU-Länder die folgenden Ergebnisse. Für den gesamten Untersuchungszeitraum zeigt sich bei Deutschland, Großbritannien und Italien zwischen den Perioden von 1970 bis 1973 und 1984 bis 1987 eine Abnahme der Spezialisierung, während bei Frankreich, den Niederlanden und Schweden der Grad der Spezialisierung unverändert bleibt. Dieser Befund ist jedoch nur für die Niederlande im Zeitablauf stabil. Für die anderen Länder ergeben sich bei einer Unterteilung des Untersuchungszeitraums abweichende Veränderungsrich31 Ein Überblick über die Ursprünge der Erforschung der Auß enhandelsstrukturen und die Forschungsanstrengungen der letzten zwanzig Jahre wird in Helpman (1998) gegeben. 32 Die einzige Ausnahme findet sich in Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999), wo ebenfalls nur auf die EU-Länder abgestellt wird.

326

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

tungen. Im ersten Teilzeitraum zwischen 1970 bis 1973 und 1977 bis 1980 werden für Frankreich und Italien Abnahmen der Spezialisierungsgrade und für Deutschland, Schweden und Großbritannien keine Veränderungen diagnostiziert. Hingegen findet sich im zweiten Teilzeitraum bei Großbritannien und Schweden eine Abnahme, bei Deutschland und Italien keine Veränderung sowie bei Frankreich eine Zunahme. Sapir (1996) berechnet für den Zeitraum von 1977 bis 1992 nichtstandardisierte Herfindahl-Indizes für die gesamten Exporte der vier großen EU-Staaten auf dem Aggregationsniveau von Dreistellern der NACE Klassifikation (ca. 100 Wirtschaftszweige). Diese zeigen, daß im Falle Deutschlands, Großbritanniens und Italiens der absolute Spezialisierungsgrad konstant bleibt, während er im Falle Frankreichs ab 1986 deutlich ansteigt. Dalum/Villumsen (1996) testen für die in 60 Produktgruppen nach SITC unterteilten Exporte von 21 OECD-Ländern mittels symmetrischer relativer Anteilswerte (UV[D) auf -Despezialisierung. Dabei stellen sie zum einen die Werte des Jahres 1992 denen von 1961 gegenüber, zum anderen denen von 1973 die von 1961 und jenen von 1992 die von 1973. Für die lange Untersuchungsperiode von 1961 bis 1992 sind die -Koe!zienten für alle EU-Staaten auf einem Signifikanzniveau von 1 % größer als null und kleiner als eins.33 Gleichzeitig ist der Quotient der ˆ Standardabweichungen @U in allen Fällen mit Ausnahme Griechenlands kleiner als eins, allerdings werden keine statistischen Tests auf -Despezialisierung durchgeführt. Für die beiden Teilperioden sind die Schätzwerte der -Koe!zienten, die etwas höher liegen als für die Gesamtperiode, ebenfalls stets größer als null und kleiner als eins; auf eine statistische Signifikanzüberprüfung wird allerdings verˆ zichtet. Gleichzeitig sind in der ersten Teilperiode die Quotienten @U im Falle Finnlands, Griechenlands und Portugals größer als eins, während dies in der zweiten Teilperiode bei Belgien/Luxemburg, Irland und Italien zutrit. Die Autoren interpretieren ihre Befunde dahingehend, daß sich die allgemeine Tendenz zur Despezialisierung graduell vollzieht und daß Veränderungen der Spezialisierungsmuster hochgradig pfadabhängig sind (Dalum/Villumsen, 1996, S. 18). In Dalum/Laursen/Villumsen (1996; 1998) wird die gerade vorgestellte Analyse für den leicht verkürzten Gesamtzeitraum von 1965 bis 1992 sowie die beiden Teilzeiträume von 1965 bis 1979 und 1979 bis 1992 wiederholt. Für den Gesamtzeitraum sind wiederum die -Koe!zienten für alle EU-Staaten auf einem Niveau von 1 % signifikant größer als null und kleiner als eins (Dalum/Laursen/Villumsen, 1996, S. 14-15). Zudem kann nur für vier EU-Länder (Dänemark, Niederlande, Österreich und Schweden) bei einem Signifikanzniveau von 10 % davon ausgegangen werden, daß  A 0> 5 ist. Außerdem ist nun auch für Italien neben Griechenˆ land der Quotient @U A 1 (Dalum/Laursen/Villumsen, 1998, S. 431). Zusätzlich verwenden die Autoren in einer der beiden Studien auch das "2 -Maß nach Archibugi/Pianta (1992; 1992a), das die anderen Ergebnisse weitgehend bestätigt und unter den EU-Staaten nur bei Frankreich und Italien eine Zunahme der Spezialisierung attestiert (Dalum/Laursen/Villumsen, 1996, S. 14-15). Im ersten und 33 In der Untersuchung von Dalum/Villumsen (1996) werden Belgien und Luxemburg zusammengefaßt betrachtet.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

327

zweiten Teilzeitraum fallen die Schätzwerte der -Koe!zienten wiederum höher aus als für die Gesamtperiode. Im ersten Teilzeitraum kann nur noch für Frankreich, Irland und Spanien davon ausgegangen werden, daß  nicht größer als 0,5 ist, während dies in der zweiten Teilperiode ausschließlich für Spanien angenomˆ men werden kann. Ein Quotient @U A 1 findet sich in der ersten Teilperiode allerdings wiederum nur für Griechenland und Italien und zudem deutet hier das "2 -Maß für Großbritannien und die Niederlande auf eine Zunahme der Speziaˆ lisierung hin. In der zweiten Teilperiode ist @U für Frankreich gleich eins, für Irland und Italien geringfügig sowie für Belgien/Luxemburg etwas ausgeprägter größer als eins. Dagegen legt das "2 -Maß nun für Belgien/Luxemburg, Frankreich, Griechenland und Irland eine Zunahme der Spezialisierung nahe. Laursen (1998; 2000) nutzt für seine Überprüfungen auf - und -Despezialisierung sowie zur Berechnung der "2 -Maße nach Archibugi/Pianta (1992; 1992a) die nominalen Exportdaten der OECD STAN Datenbasis, wobei er wie bei seinen Untersuchungen zur technologischen Spezialisierung 19 Wirtschaftszweige (ISIC2 Zwei- bis Viersteller) unterscheidet. Bei einer Gegenüberstellung der Jahre 1971 bis 1973 und 1989 bis 1991 sind bei allen 13 einbezogenen EU-Ländern (ohne Irland und Luxemburg) die -Koe!zienten zumindest auf einem Signifikanzniveau von 10 % von null verschieden. Für fünf EU-Länder (Belgien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien und Österreich) kann die Nullhypothese, daß  = 1 sei, auf diesem Signifikanzniveau nicht abgelehnt werden. Bei den übrigen acht EU-Ländern ist hingegen von einer -Despezialisierung auszugehen. Zudem ist ˆ der Quotient der @U für Belgien und Griechenland geringfügig und für Großbritannien deutlich größer als eins; allerdings wird auch hier keine statistische Überprüfung vorgenommen. Dagegen führt das "2 -Maß zu teilweise anderen Ergebnissen, da es für Belgien, Griechenland aber auch Italien und Portugal deutlich sowie für Großbritannien geringfügig ansteigt. Die Aufspaltung des gesamten Beobachtungszeitraums in zwei Teilzeiträume bestätigt wiederum, daß sich die Veränderungen der Spezialisierungsmuster nur langsam vollziehen. Für den ersten Teilzeitraum, der die Jahre 1971 bis 1973 den Jahren 1980 bis 1982 gegenüberstellt, kann bei einem Signifikanzniveau von 10 % nur für Frankreich, Spanien und Westdeutschland von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Bei den anderen zehn EU-Ländern bleibt der so analysierte Grad der Spezialisierung ˆ unverändert. Gleichzeitig liegen die Werte für @U mit der Ausnahme Großbritanniens (1,27) und Westdeutschlands (0,65) in einem recht engen Intervall um eins. In der zweiten Teilperiode, in der die Jahre 1980 bis 1982 mit den Jahren 1989 bis 1991 verglichen werden, tritt hingegen eine -Despezialisierung bei sechs EU-Ländern (Finnland, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spaniˆ en) auf. Gleichzeitig liegen die Quotienten @U in dem Intervall zwischen 0,81 (Schweden) und 1,07 (Großbritannien). Wie zuvor weisen zudem die "2 -Maße teilweise wieder in eine andere Richtung als die übrigen Ergebnisse. Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999) präsentieren analog zu ihren Untersuchungen zur Produktionsspezialisierung in den gleichen zeitlichen und sektoralen Abgrenzungen sowie mit der gleichen Batterie von Spezialisierungsmaßen auch Analysen zur Exportspezialisierung der EU-Länder. Da sich auch hier aufgrund der Verschiedenheit der Maße eine Reihe von widersprüchlichen Ergebnissen ein-

328

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

stellen, versuchen sie abermals, diese durch Auszählen der negativen und positiven Veränderungen zwischen 1988 und 1998 zu verdichten. Danach wird bei sechs Ländern (Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande und Spanien) von einer Zunahme der Exportspezialisierung ausgegangen, während den neun anderen EU-Ländern (Belgien und Luxemburg zusammengefaßt) eine Abnahme attestiert wird. Amable (2000) untersucht mittels Dissimilaritätsmaßen die Veränderungen der Exportspezialisierungen von 39 Staaten (OECD-Staaten sowie eine Reihe von asiatischen und lateinamerikanischen Ländern) zwischen 1965 und 1990. Als Datengrundlage verwendet er die CHELEM Datenbasis des Observatoire des Sciences et des Techniques, die Export- und Importdaten für 71 verschiedene landwirtschaftliche und industrielle Sektoren enthält. Für die 14 EU-Staaten (ohne Luxemburg) findet er nur bei den Niederlanden eine Zunahme der Spezialisierung, bei den anderen 13 Staaten findet er über den gesamten Beobachtungszeitraum Reduktionen, die von ca. 3 % (Griechenland) bis über 30 % (Spanien) reichen. Trotz aller Unterschiede in der Methodik und der Datenabgrenzungen deuten die bisherigen Studien überwiegend auf abnehmende oder zumindest gleichbleibende Exportspezialisierungen der EU-Länder hin. Vor diesem Befund sollen nun die eigenen empirischen Analysen vorgestellt werden, die erstmals für einen langen Zeitraum zum einen absolute Spezialisierungsmaße liefern und zum anderen als Bezugsgröße für die relativen Spezialisierungsmaße sowie für die Tests auf und -Despezialisierung das Aggregat der EU-Länder zugrunde legen. Die Verläufe der beiden absoluten Spezialisierungsmaße zwischen 1970 und 1996 sind in Abbildung 4.11 und 4.12 wiedergegeben. Wie zuvor bereits bei der zeitlichen Entwicklung der Produktionsspezialisierung ersichtlich, zeigt das standardisierte Entropie-Maß auch bei den Exporten mehr Dynamik als das standardisierte Diversity-Maß, so daß hier ebenfalls angenommen werden kann, daß die Veränderungen der Spezialisierungsgrade stärker durch Verschiebungen bei relativ kleinen Wirtschaftszweigen bedingt sind. Dies ist bereits in der ersten Graphik ersichtlich, die sich auf das Aggregat der 13 betrachteten EU-Staaten bezieht. Während das standardisierte Diversity-Maß keine Veränderung des absoluten Spezialisierungsgrades erkennen läßt, kann beim standardisierten Entropie-Maß eine Abnahme der Spezialisierung zwischen 1975 und 1980 beobachtet werden, bevor sie anschließend auf ungefähr gleichem Niveau verharrt. Die nachfolgenden 13 Graphiken für die einzelnen EU-Länder sind in aufsteigender Reihenfolge nach dem durch den standardisierten Diversity-Index gemessenen Grad der absoluten Spezialisierung im Jahr 1996 geordnet. Ebenfalls in Analogie zur absoluten Produktionsspezialisierung deutet zum einen die Reihenfolge der Länder auch bei der Exportspezialisierung nicht darauf hin, daß der Grad der absoluten Spezialisierung am aktuellen Rand systematisch von der Ländergröße oder dem Entwicklungsniveau abhängt. Zum anderen sind wiederum Italien und Österreich die beiden Länder, die bei beiden Maßen am aktuellen Rand die geringste absolute Spezialisierung zeigen. Außerdem weisen die Verläufe der Entropie-Maße bei diesen beiden Ländern für die Entwicklungen der Produktionsund Exportspezialisierungen große Ähnlichkeiten auf. Italien erfährt von 1970 bis zum Beginn der achtziger Jahre eine Phase der Despezialisierung, um dann auf

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen EU (ohne IE und LU)

329

Italien

1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80

0,70

0,70

Diversity

Entropie

Diversity

Entropie

0,60

0,60

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Österreich

1980

1985

1990

1995

Belgien

1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80

0,70

0,70 Diversity

Entropie

Diversity

0,60

Entropie

0,60 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Niederlande

Portugal 1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80 0,70

0,70 Diversity

Entropie

Diversity

Entropie 0,60

0,60 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Frankreich

1980

1985

1990

1995

Großbritannien

1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80

0,70

0,70

Diversity

Entropie

Diversity

0,60

Entropie

0,60

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.11: Entwicklung der absoluten Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 bis 1996 dem erreichten niedrigen Niveau zu verbleiben. Umgekehrt erfährt Österreich vor allem in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre eine Zunahme der Spezialisierung.

330

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Griechenland

Dänemark

1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80

0,70

0,70

Diversity

Entropie

Diversity

Entropie

0,60

0,60

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Schweden

1980

1985

1990

1995

Deutschland

1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80 0,70

0,70 Diversity

Entropie

Diversity

0,60

Entropie

0,60 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Spanien

Finnland 1,00

1,00

0,90

0,90

0,80

0,80 0,70

0,70 Diversity

Entropie

Diversity

Entropie 0,60

0,60 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.12: Entwicklung der absoluten Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 bis 1996 (Fortsetzung) Bei den zwei danach folgenden Ländern, Belgien und Portugal, erfolgt die Abnahme der absoluten Spezialisierung durch eine Niveauverschiebung im Jahr 1974 bzw. 1979. Die Niederlande erfahren nach einer Periode relativ gleichbleibender absoluter Spezialisierung wellenförmig zunächst eine Zunahme und dann eine Abnahme ihres Spezialisierungsgrades. Bei Frankreich und Großbritannien nimmt der Spezialisierungsgrad seit der Mitte der achtziger Jahre recht kontinuierlich zu. Dagegen können im Falle Griechenlands über den ganzen Beobachtungszeitraum relativ stark oszillierende Veränderungen der absoluten Spezialisierung beobachtet werden. Auällig ist der Befund für Dänemark. Hier zeigen die standardisierten Diversity-Maße für den ersten Teilzeitraum von 1970 bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre eine geringere Abnahme der Spezialisierung an als für den zweiten Teilzeitraum bis 1996, während dies bei den standardisierten Entropie-

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

331

Tabelle 4.12: Trendveränderungsraten der absoluten Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 - 1996 Land EU ES FR AT UK GR DE BE PT IT NL SE DK FI

Standardisierte Diversity Trendkoe!zient (× 100) t-Wert 0,006 0,671 -0,254 -7,626 -0,036 -3,317 -0,027 -2,939 -0,013 -1,090 -0,012 -0,394 0,006 0,543 0,006 0,519 0,025 2,618 0,026 1,858 0,051 2,323 0,060 4,111 0,227 15,297 0,239 4,553

Standardisierte Entropie Trendkoe!zient (× 100) t-Wert 0,060 3,184 -0,391 -7,657 -0,077 -3,812 -0,030 -1,175 -0,075 -3,237 0,038 0,517 0,024 1,045 0,034 1,647 0,097 4,091 0,082 3,048 0,143 2,688 0,142 3,906 0,306 16,270 0,316 3,408

Maßen umgekehrt ist. Schweden und Deutschland weisen in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eine Abnahme des Spezialisierungsgrades auf und verbleiben seitdem — wenn auch mit leicht ansteigender Tendenz in der Mitte der neunziger Jahre — auf ungefähr gleichem Niveau. Für Finnland kann in den siebziger Jahren ein starker Rückgang der absoluten Spezialisierung festgestellt werden, der jedoch zumindest beim Entropie-Maß seit dem Beginn der achtziger Jahre wieder leicht rückläufig ist. Im Falle Spaniens können vier Phasen unterschieden werden. Bis 1974 kann zunächst ein Absinken des Spezialisierungsgrades beobachtet werden, das in eine Phase der Stagnation bis 1980 übergeht. Anschließend erfolgt ein kontinuierlicher Anstieg, bevor 1991 eine erneute Phase des Stillstandes einsetzt. Die Trendveränderungsraten der Grade der absoluten Exportspezialisierung sind in Tabelle 4.12 wiedergegeben. Sie bestätigen den bei der Inspektion der Graphiken gewonnenen Eindruck, daß die durch die standardisierten Entropie-Maße erfaßten Veränderungen der Spezialisierungsgrade fast durchgängig ausgeprägter sind als die durch den standardisierten Diversity-Index gemessenen. Besonders deutlich wird dies bereits für das Aggregat der 13 EU-Staaten. Während nach dem Diversity-Maß von keiner trendmäßigen Veränderung auszugehen ist, zeigt das Entropie-Maß unterhalb eines Signifikanzniveaus von 1 % eine trendmäßige Abnahme des Spezialisierungsgrades an. Werden die einzelnen EU-Staaten betrachtet, so kann nur bei drei von ihnen anhand der standardisierten Diversity-Indizes bei Signifikanzniveaus von  ? 0> 01 eine trendmäßige Zunahme des Spezialisierungsgrades festgestellt werden, die bei Spanien mit 0,254 % pro Jahr am höchsten ausfällt und für Frankreich und Österreich mit 0,036 % sowie 0,027 % pro Jahr wesentlich schwächer ausgeprägt ist. Bei vier Ländern (Belgien, Deutschland, Griechenland und Großbritannien) ist aufgrund dieses Maßes bei allen üblichen Signifikanzniveaus von einem langfristig

332

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

gleichbleibenden Spezialisierungsgrad auszugehen. Italien ist grenzwertig, weil hier bei einem zweiseitigen Test die Hypothese eines langfristig gleichbleibenden Spezialisierungsgrades bei einem Signifikanzniveau von  = 0> 05 abgelehnt werden muß, während sie bei  = 0> 10 nicht abgelehnt werden kann. Bei bei den verbleibenden fünf EU-Ländern muß von hoch signifikanten Rückgängen der absoluten Spezialisierungsgrade ausgegangen werden, die bei Dänemark und Finnland mit 0,227 % sowie 0,239 % pro Jahr am stärksten sind. Diese Befunde werden durch die Ergebnisse für die standardisierten EntropieMaße weitgehend bestätigt. Insgesamt können nur drei Änderungen beobachtet werden. Nun muß für Österreich von einem trendmäßig gleichbleibenden absoluten Spezialisierungsgrad ausgegangen werden, während dieser für Großbritannien bei einem Signifikanzniveau von 1 % einen Anstieg aufweist. Zudem ist jetzt auf dem gleichen Signifikanzniveau für Italien von einem abnehmenden Spezialisierungsgrad auszugehen. Mithin belegen beide Maße, daß eine langfristig zunehmende absolute Exportspezialisierung für die EU-Staaten eine Ausnahme ist. Bei den Entwicklungen der Grade der relativen Spezialisierungen weisen die großen EU-Länder erwartungsgemäß im gesamten Beobachtungszeitraum überwiegend niedrige Niveaus auf. In den Abbildungen 4.13 und 4.14 sind Frankreich, Deutschland und Großbritannien bei den nach den Werten des Dissimilaritätsmaßes im Jahr 1996 in aufsteigender Reihenfolge geordneten EU-Staaten die Länder mit den niedrigsten relativen Spezialisierungsgraden. Dann folgen Österreich, das sich von einem hohem relativen Spezialisierungsgrad kontinuierlich den drei großen EU-Ländern angenähert, und Belgien, das sich als kleines Land ebenfalls durchgängig auf einem relativ niedrigen Spezialisierungsniveau bewegt. Deshalb kann das vierte große EU-Land Italien erst die sechste Position einnehmen. Die Abnahme des Grades der relativen Exportspezialisierung startet im Falle Spaniens auf einem ähnlich hohen Niveau wie die Österreichs, allerdings kommt sie im Jahr 1981 zum Stillstand. Anders bei den Niederlanden, bei denen nach einer Phase eines sehr moderaten Anstiegs die ausgeprägtere Abnahme erst in der Mitte der achtziger Jahre einsetzt. Hingegen können für Schweden und Dänemark, die sich 1970 auf ähnlichen Niveaus wie Spanien und die Niederlande befinden, leichte, aber stetige Abnahmen der relativen Spezialisierungsgrade beobachtet werden. Die verbleibenden drei Länder starten in 1970 zwar von ähnlichen hohen Niveaus, die Entwicklungen weisen aber keine Gemeinsamkeiten auf. Im Falle Portugals können fast über den gesamten Beobachtungszeitraum nur sehr moderate Abnahmen der relativen Spezialisierung festgestellt werden, bevor für die Jahre 1994 bis 1996 ein rapider Rückgang erfolgt. Bei Finnland reduziert sich der Grad der relativen Spezialisierung dagegen bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre deutlich, um dann auf ungefähr gleichem Niveau zu verharren. Im Falle Griechenlands zeigt das Dissimilaritätsmaß zwischen 1981 und 1987 eine Verschiebung zu einem noch höheren Niveau an, während sich der Länder-GiniKoe!zient wellenförmig entwickelt und 1996 näherungsweise den gleichen Wert wie im Ausgangszeitpunkt 1970 aufweist. Zudem belegen die Schätzungen der Trendveränderungsraten auch für die relativen Spezialisierungsmaße, daß langfristige Zunahmen der Exportspezialisierung Ausnahmen sind (Tabelle 4.13). Bei den Dissimilaritätsmaßen kann nur für Itali-

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Frankreich

333

Deutschland

0,75

0,75

Dissimilarität

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

Gini-Koeff.

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,60

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Großbritannien

1980

1985

1990

1995

Österreich

0,75

0,75 Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

Gini-Koeff.

0,00

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

1980

1985

1990

1995

Italien

Belgien 0,75

0,75 Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15 0,00

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Spanien

1980

1985

1990

1995

Niederlande

0,75

0,75

Dissimilarität

Gini-Koeff.

Dissimilarität

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

Gini-Koeff.

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.13: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 bis 1996 en und Griechenland von solch einem trendmäßigen Anstieg ausgegangen werden. Allerdings wird dieser Befund durch die Trendschätzungen für die logarithmierten

334

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Schweden

Dänemark

0,75

0,75

Dissimilarität

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

Gini-Koeff.

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,60

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Portugal

1980

1985

1990

1995

Finnland

0,75

0,75

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15 Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00

Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Griechenland 0,75 0,60 0,45 0,30 0,15 Dissimilarität

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.14: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 bis 1996 (Fortsetzung) Standort-Gini-Koe!zienten nicht bestätigt. Hier muß in beiden Fällen von einem trendmäßig unveränderten Spezialisierungsgrad ausgegangen werden. Dieses Ergebnis ergibt sich bei beiden relativen Spezialisierungsmaßen auch für Belgien, Deutschland und Frankreich. Bei den verbleibenden acht EU-Staaten muß hingegen stets bei Signifikanzniveaus unter einem Prozent auf trendmäßig abnehmende relative Spezialisierungsgrade geschlossen werden. Dieser Befund wird durch die Tests auf -Despezialisierung weiter erhärtet (Tabelle 4.14). Über den gesamten Beobachtungszeitraum, bei dem die Jahre von 1970 bis 1972 den Jahren von 1994 bis 1996 gegenübergestellt werden, ist bei elf EU-Ländern bei Signifikanzniveaus von einem bzw. fünf Prozent der Schluß auf eine -Despezialisierung zulässig. Nur für die Niederlande und Schweden kann bei diesen Signifikanzniveaus die Nullhypothese, daß  = 1 sei, nicht abgelehnt

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

335

Tabelle 4.13: Trendveränderungsraten der relativen Spezialisierungsmaße für die nominalen Exporte 1970 - 1996 Land IT GR BE DE FR DK UK PT SE NL ES FI AT

Dissimilarität Trendkoe!zient (× 100) 0,512 0,467 -0,103 -0,106 -0,111 -0,442 -0,452 -0,677 -0,931 -1,010 -1,060 -1,597 -2,462

t-Wert 3,667 3,500 -0,596 -0,915 -0,474 -4,847 -2,358 -3,975 -9,909 -4,962 -3,611 -8,399 -17,804

Standort-Gini-Koe!zient Trendkoe!zient (× 100) t-Wert -0,009 -0,071 0,165 1,452 -0,183 -1,366 -0,256 -1,671 0,219 1,371 -0,344 -4,476 -0,676 -4,513 -0,631 -5,294 -0,714 -10,284 -0,759 -4,832 -1,368 -6,108 -0,854 -5,350 -2,362 -16,234

werden. Jedoch kann nur bei zwei Ländern, nämlich Österreich und Spanien, auch von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Die Ergebnisse für die Teilzeiträume bestätigen zudem für die auf das Aggregat der EU-Länder bezogenen relativen Exportanteile die bereits in Dalum/Villumsen (1996), Dalum/Laursen/Villumsen (1996; 1998) und Laursen (1998; 2000) für die auf das Aggregat der OECD-Länder bezogenen Exportanteile gezogene Schlußfolgerung, daß sich die allgemeine Tendenz zur Despezialisierung graduell vollzieht und daß die Veränderungen der Spezialisierungsmuster hochgradig pfadabhängig sind. Dabei ist die Tendenz zur -Despezialisierung in dem ersten Teilzeitraum, bei dem die Jahre von 1970 bis 1972 mit den Jahren von 1976 bis 1978 verglichen werden, am ausgeprägtesten. Hier muß bei acht EU-Ländern von dieser Art der Despezialisierung ausgegangen werden, während bei den übrigen fünf EU-Ländern die Spezialisierungsgrade unverändert bleiben. In keinem Fall kann in diesem Teilzeitraum auf den üblichen Signifikanzniveaus auf eine -Despezialisierung geschlossen werden, so daß die Vermutung nahe liegt, daß auch bei den acht Ländern mit -Despezialisierungen die systematischen Rückgänge der Spezialisierungsgrade durch Zufallseinflüsse kompensiert werden. In der zweiten Teilperiode zwischen 1979 bis 1981 und 1985 bis 1987 kann bei einem Großteil der EU-Länder (Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich und Großbritannien), die zuvor eine signifikante -Despezialisierung zeigten, diese nicht mehr beobachtet werden. Sie beschränkt sich nun auf Finnland, Österreich und Spanien. Ferner kann bei drei Ländern (Dänemark, Frankreich und die Niederlande) die Statistik für den Test auf -Despezialisierung nicht berechnet werden, so daß hier zumindest der Verdacht vorliegt, daß eine -Spezialisierung stattgefunden hat. In dem letzten Teilzeitraum verfestigt sich einerseits auch im peripheren Finnland das Spezialisierungsmuster, andererseits muß nun bei den südeuropäischen Ländern neben Spanien ebenfalls für Griechenland, Italien und

336

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Portugal auf den gewählten Signifikanzniveaus von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Zudem kann im Falle Finnlands bei einem Signifikanzniveau von 5 % auf eine -Spezialisierung geschlossen werden und bei drei weiteren Ländern (Deutschland, die Niederlande und Schweden) kann die Testgröße nicht berechnet werden. Tabelle 4.14: Tests auf - und -Despezialisierung für die nominalen Exporte Land

ˆ  q

t-Wert1)

t-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

Uq2

 qw1  qw0

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

AT BE DE DK ES FI FR GR IT NL PT SE UK

0,564 0,675 0,631 0,828 0,459 0,469 0,741 0,572 0,777 0,864 0,734 0,919 0,686

5,685** 6,077** 4,044** 8,660** 4,941** 2,038* 5,984** 3,448** 9,408** 9,154** 5,789** 11,277** 7,103**

1970-1972 vs. 1994-1996 -4,389** 0,606 -2,921** 0,501 -2,369* 0,420 -1,799* 0,697 -5,818** 0,372 -2,308* 0,221 -2,089* 0,516 -2,576** 0,340 -2,698** 0,684 -1,446 0,699 -2,095* 0,580 -0,989 0,682 -3,259** 0,596

0,725 0,954 0,973 0,992 0,753 0,997 1,032 0,982 0,939 1,033 0,965 1,113 0,888

2,843** 0,346 0,185 0,076 2,240* 0,017 -0,238 0,115 0,550 -0,323 0,286 -1,276 0,961

AT BE DE DK ES FI FR GR IT NL PT SE UK

0,880 0,908 0,853 0,868 0,795 0,907 0,847 0,938 0,968 0,953 0,926 0,997 0,877

17,136** 19,642** 13,355** 15,079** 9,569** 24,658** 11,536** 14,943** 20,115** 24,369** 12,538** 34,967** 18,853**

1970-1972 vs. 1976-1978 -2,342* 0,940 -1,981* 0,897 -2,304* 0,872 -2,290* 0,887 -2,462* 0,739 -2,534** 0,880 -2,092* 0,827 -0,990 0,814 -0,659 0,907 -1,201 0,910 -1,007 0,862 -0,091 0,953 -2,650** 0,930

0,907 0,959 0,913 0,922 0,925 0,967 0,931 1,039 1,017 0,999 0,997 1,022 0,909

1,175 0,540 0,992 0,922 0,720 0,429 0,749 -0,554 -0,340 0,018 0,041 -1,517 1,133

AT BE DE DK ES

0,892 0,976 0,970 1,016 0,871

14,714** 38,101** 23,737** 30,849** 14,107**

1979-1981 vs. 1985-1987 -1,774* 0,855 0,965 0,421 -0,938 0,948 1,003 -0,062 -0,723 0,926 1,008 -0,176 0,474 0,924 1,057 – -2,083* 0,814 0,966 0,384 Fortsetzung auf der nächsten Seite

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  t-Wert1) q

Land

FI FR GR IT NL PT SE UK

0,879 1,014 0,984 0,975 1,005 0,976 0,998 0,957

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 15,270** 29,052** 24,954** 35,065** 53,569** 25,960** 55,368** 24,820**

t-Wert1) H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 -2,109* 0,411 -0,402 -0,887 0,250 -0,636 -0,094 -1,106

Uq2

0,830 0,945 0,938 0,963 0,979 0,937 0,972 0,931

 qw1  qw0

t-Wert

0,964 1,043 1,016 0,994 1,016 1,009 1,013 0,992

0,411 – -0,456 0,139 – -0,202 -1,099 0,139

337

H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

1988-1990 vs. 1994-1996 AT 0,871 23,700** -3,506** 0,925 0,906 1,162 BE 0,946 26,429** -1,510 0,940 0,976 0,404 DE 1,003 29,313** 0,097 0,920 1,046 – DK 0,984 47,562** -0,778 0,979 0,995 0,159 ES 0,881 16,134** -2,171* 0,919 0,920 1,004 FI 0,982 18,363** -0,334 0,814 1,089 -2,155* FR 0,959 30,265** -1,283 0,966 0,976 0,459 GR 0,891 14,780** -1,800* 0,862 0,960 0,486 IT 0,931 51,216** -3,816** 0,985 0,938 0,977 NL 1,001 34,319** 0,046 0,942 1,031 – PT 0,946 34,678** -1,995* 0,956 0,967 0,553 SE 1,028 35,907** 0,986 0,968 1,045 – UK 0,856 9,376** -1,577 0,874 0,915 0,971 1) Zur Berechnung der t-Werte wurden White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

In der Gesamtschau betrachtet sprechen die Evidenzen überwiegend für eine langfristige Abnahme der Exportspezialisierungen der EU-Länder. Damit befinden sich die Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung weitgehend im Einklang mit den zuvor vorgestellten anderen empirischen Untersuchungen, denen andere regionale und sektorale Abgrenzungen zugrunde liegen. Dieses recht robuste Ergebnis kann zum einen als empirischer Beleg für die in der evolutorischen Ökonomik abgeleitete Pfadabhängigkeit von Volkswirtschaften gewertet werden, zum anderen ist es auch mit den Aussagen der „neuen” Wachstumstheorie für oene Volkswirtschaften vereinbar, die eine abnehmende interindustrielle und eine wachsende intraindustrielle Spezialisierung als Folge zunehmender Produktdierenzierung herleiten. 4.2.4

Außenhandelsspezialisierung

Wenn die gerade angesprochene Schlußfolgerung der „neuen” Wachstumstheorie für oene Volkswirtschaften zutrit, daß es bei handeltreibenden Ländern zu einer zunehmenden intraindustriellen Spezialisierung kommt, müßte sich dies noch ausgeprägter in den Maßen für die Außenhandelsspezialisierung zeigen, weil sie anzeigen, inwieweit die Außenhandelsstruktur eines Landes durch die Koexistenz

338

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

von klar definierten Export- und Importindustrien geprägt ist. Es wäre zu erwarten, daß die Werte dieser Maße im Zeitablauf beständig abnehmen. In den vorliegenden Untersuchungen, die erstens ähnliche Meßkonzepte wie die hier vorgeschlagenen verwenden, zweitens mindestens eine Reihe von EULändern einbeziehen und drittens relativ nahe an den aktuellen Rand heranreichen, wird diese Erwartung tatsächlich weitgehend bestätigt.34 So wenden Amendola/Guerrieri/Padoan (1992) das Konzept der -Despezialisierung auf ein Maß an, das als „Contribution to Trade Balance (FW E)” bezeichnet wird und ursprünglich in CEPII (1983) vorgeschlagen wurde.35 Unter den sechs von ihnen einbezogenen EU-Ländern sind bei der gleichen sektoralen Abgrenzung wie bei ihren Untersuchungen der technologischen und Exportspezialisierung nur zwei (Frankreich und Italien), bei denen über den gesamten Beobachtungszeitraum zwischen 1970 bis 1973 und 1984 bis 1987 auf eine -Spezialisierung beim Außenhandel geschlossen werden muß. Die Aufspaltung des Beobachtungszeitraums zeigt aber, daß bei diesen Ländern die Zunahme der Außenhandelsspezialisierung nur im ersten Teilzeitraum zwischen 1970 bis 1973 und 1977 bis 1988 stattfindet, während im zweiten Teilzeitraum zwischen 1977 bis 1980 und 1984 bis 1987 jeweils auf einem Signifikanzniveau von 1 % von einer -Despezialisierung auszugehen ist. Für die verbleibenden vier Länder mit einer -Despezialisierung über den gesamten Beobachtungszeitraum zeigt sich bei Deutschland und Schweden im ersten Teilzeitraum eine gleichbleibende Spezialisierung und bei Großbritannien und den Niederlanden eine Abnahme in beiden Teilperioden. Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999), S. 38, finden, daß zwischen 1988 und 1998 der Rückgang der Streuung der UFD am stärksten ausgeprägt ist. Auf der NACE-Dreistellerebene (95 Industrien) nimmt sie in allen EU-Ländern mit Ausnahme Irlands ab. Für den längeren Zeitraum von 1965 bis 1990 zeigt Amable (2000) ebenfalls, daß die Michaely-Indizes bei Einbeziehung von 71 landwirtschaftlichen und industriellen Sektoren für alle 14 EU-Länder (ohne Luxemburg) deutlich abnehmen. Dabei reichen die Reduktionen über den gesamten Beobachtungszeitraum von ca. 14 % im Falle Portugals bis über 35 % bei Spanien. 34

Mithin wird hier nicht auf jene Untersuchungen eingegangen, die den Umfang des intraindustriellen Handels mittels verschiedener Indizes oder anderer Verfahren messen (vgl. z. B. Fontagné/Freudenberg/Péridy, 1998). Ihre Einbeziehung würde zu weit von der hier analysierten Fragestellung der Entwicklung der Spezialisierungsgrade wegführen. 35 Das FW E-Maß für einen Wirtschaftszweig p und ein Land q lautet : FW Epq =

[q  Pq [pq + Ppq [pq  Ppq · 100  · · 100> ([q + Pq ) @2 ([q + Pq ) @2 ([q + Pq )

und sein Wertebereich liegt zwischen 400 und +400, wobei ein Wert größer als null anzeigt, daß der Beitrag eines Wirtschaftszweigs zur Handelsbilanz größer ist als sein prozentualer Anteil am gesamten Handel eines Landes, und umgekehrt. Das Maß unterscheidet sich um den Faktor 400 [ P von den einzelnen Summanden [pq @[q  Ppq @Pq des Michaely-Indexes, ([q +Pq )2 q q so daß es bei ausgeglichener Handelsbilanz mit diesen zusammenfällt, weil der Faktor dann 100 ist. Laursen (2000), S. 42 und 48, zeigt, daß in der realen Welt die einzelnen Summanden des Michaely-Indexes und die FW E-Maße tatsächlich nahezu identisch sind. Nach seinen Korrelationsrechnungen für 22 Sektoren und 24 Jahre liegt der Korrelationskoe!zient für jedes der einbezogenen 19 OECD-Länder um 0,99.

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Belgien

339

Großbritannien 0,75

0,75 Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

Gini-Koeff.

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Österreich

1980

1985

1990

1995

Frankreich

0,75

0,75 Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Deutschland

Niederlande 0,75

0,75 Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

Gini-Koeff.

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15 0,00

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Spanien

1980

1985

1990

1995

Schweden

0,75

0,75

Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

0,00

Gini-Koeff.

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.15: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für den nominalen Außenhandel 1970 bis 1996 Mithin deuten die vorliegenden Untersuchungen überwiegend auf eine abnehmende Außenhandelsspezialisierung der EU-Länder hin. In der eigenen empiri-

340

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Dänemark

Italien

0,75

0,75

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15

Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

Gini-Koeff.

0,00

0,00

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Finnland

1980

1985

1990

1995

Portugal

0,75

0,75

0,60

0,60

0,45

0,45

0,30

0,30

0,15

0,15 Michaely

Gini-Koeff.

Michaely

0,00

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Griechenland 0,75 0,60 0,45 0,30 0,15 Michaely

Gini-Koeff.

0,00 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.16: Entwicklung der relativen Spezialisierungsmaße für den nominalen Außenhandel 1970 bis 1996 (Fortsetzung) schen Analyse, die eine andere sektorale Abgrenzung verwendet, näher an den aktuellen Rand heranreicht und zudem als zusätzliches relatives Spezialisierungsmaß die Länder-Gini-Koe!zienten verwendet, wurde zunächst die zeitliche Entwicklung der beiden Spezialisierungsmaße (Michaely-Index und Länder-Gini-Koeffizient) betrachtet. Ihre Verläufe von 1970 bis 1996 sind für die 13 einbezogenen EU-Länder — in aufsteigender Folge nach dem Wert des Michaely-Indexes im Endzeitpunkt 1996 geordnet — in den Abbildungen 4.15 und 4.16 wiedergegeben. Belgien, das 1996 die geringste Außenhandelsspezialisierung aufweist, startet bereits zu Beginn der Beobachtungsperiode auf einem niedrigen Niveau. Bei den nachfolgenden drei Ländern, die sich 1996 auf einem ähnlichen Spezialisierungsniveau befinden, beginnen die Verläufe bei unterschiedlich hohen Anfangswerten. Während Großbritannien in 1970 eine relativ hohe Außenhandelsspezialisierung

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen

341

Tabelle 4.15: Trendveränderungsraten der relativen Spezialisierungsmaße für den nominalen Außenhandel 1970 - 1996 Land IT FR GR PT NL DK BE FI SE ES DE AT UK

Michaely-Index Trendkoe!zient (× 100) -0,571 -0,969 -0,981 -1,155 -1,730 -1,936 -2,064 -2,303 -2,343 -3,027 -3,151 -3,450 -4,084

t-Wert -6,731 -7,477 -6,401 -6,216 -8,891 -17,802 -7,502 -15,734 -19,703 -22,752 -21,371 -27,418 -21,305

Standort-Gini-Koe!zient Trendkoe!zient (× 100) t-Wert -0,996 -13,407 -0,878 -7,838 -0,972 -8,005 -1,157 -10,097 -1,586 -9,687 -1,625 -15,143 -2,037 -9,082 -1,826 -20,440 -1,855 -19,544 -2,971 -23,571 -3,010 -18,127 -3,245 -27,473 -3,693 -21,739

zeigt und Österreich eine mittlere, liegt Frankreich zu diesem Zeitpunkt ungefähr gleichauf mit Belgien. Ähnliches gilt für die nächsten beiden Länder, die ebenfalls 1996 ungefähr gleiche Spezialisierungsniveaus besitzen. Die Startwerte im Jahr 1970 sind bei den Niederlanden deutlich niedriger als bei Deutschland, bei dem zudem die Abnahme seit 1991 zum Stillstand gekommen ist. Bei den nächsten vier Ländern befinden sich die Werte der Spezialisierungsmaße zwar im Ausgangszeitpunkt 1970 auf sehr ähnlicher Höhe, die Reduktionen sind jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt: Spanien liegt hier vor Schweden, Dänemark und Italien. Schließlich weisen die anfänglich oder noch immer relativ weit zurückliegenden Länder in der EU in 1970 die höchsten Außenhandelsspezialisierungen auf. Dabei zeigt einerseits Finnland, das inzwischen stark aufgeholt hat, einen stetigen Rückgang, der insbesondere im Zeitraum von 1970 bis 1980 und seit Beginn der neunziger Jahre etwas stärker ausfällt, während andererseits Griechenland nur eine Niveauverschiebung zwischen 1979 und 1981 zu verzeichnen hat. Portugal zeigt ebenfalls zumindest bei den Länder-Gini-Koe!zienten eine stetige Abnahme, die jedoch sehr moderat ist und erst in der ersten Hälfte der neunziger Jahre an Dynamik gewinnt. Der bereits bei der Inspektion der Graphiken ersichtliche Rückgang der relativen Spezialisierungsmaße wird durchgängig durch die Trendschätzungen für die logarithmierten Michaely-Indizes und Länder-Gini-Koe!zienten bestätigt (Tabelle 4.15). Bei beiden Maßen liegt für alle 13 EU-Länder bei einem Signifikanzniveau weit unter 1 % eine trendmäßige Abnahme vor. Für die Michaely-Indizes liegt die jährliche trendmäßige Reduktion zwischen 0,57 % im Falle Italiens und 4,08 % für Großbritannien. Für die Standort-Gini-Koe!zienten zeigen die Trendschätzungen eine etwas geringe Spannweite der trendmäßigen Rückgänge der Außenhandelsspezialisierung. Sie liegen für dieses Maß zwischen jährlich 0,88 % für Frankreich und 3,69 % wiederum für Großbritannien. Auällig ist zudem, daß die

342

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Rangfolge der Reduktionen sich zwischen den beiden Maßen nur für die drei Länder mit dem geringsten Rückgang unterscheidet. Dies ist sicher ein Indiz dafür, daß die Ergebnisse insgesamt recht robust sind. Tabelle 4.16: Tests auf - und -Despezialisierung für den nominalen Außenhandel Land

ˆ  q

t-Wert1)

t-Wert1)

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0

H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1

Uq2

 qw1  qw0

t-Wert H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

AT BE DE DK ES FI FR GR IT NL PT SE UK

0,414 0,490 0,634 0,634 0,464 0,326 0,488 0,534 0,791 0,737 0,853 0,779 0,545

4,332** 4,544** 8,803** 5,615** 4,635** 1,633 2,676** 4,222** 8,547** 12,161** 11,066** 8,773** 5,425**

1970-1972 vs. 1994-1996 -6,123** 0,417 -4,732** 0,495 -5,081** 0,738 -3,236** 0,609 -5,363** 0,454 – 0,175 -2,811** 0,309 -3,680** 0,383 -2,264* 0,739 -4,350** 0,819 -1,901* 0,673 -2,495** 0,702 -4,533** 0,554

0,642 0,696 0,738 0,813 0,688 0,778 0,877 0,864 0,920 0,814 1,040 0,929 0,732

4,079** 3,173** 2,809** 1,726* 3,268** 1,792* 0,889 1,048 0,772 1,955* -0,379 0,656 2,685**

AT BE DE DK ES FI FR GR IT NL PT SE UK

0,857 0,863 0,897 0,809 0,871 0,883 0,760 0,781 0,964 0,884 0,939 0,954 0,810

19,223** 12,035** 21,409** 13,362** 13,994** 18,738** 6,529** 8,720** 22,400** 15,715** 26,323** 44,674** 12,153**

1970-1972 vs. 1976-1978 -3,206** 0,903 -1,918* 0,784 -2,463* 0,939 -3,154** 0,855 -2,077* 0,822 -2,479* 0,895 -2,064* 0,673 -2,446* 0,651 -0,847 0,941 -2,057* 0,881 -1,697 0,809 -2,133* 0,950 -2,851** 0,855

0,902 0,974 0,926 0,875 0,960 0,933 0,926 0,968 0,993 0,942 1,045 0,979 0,876

1,160 0,274 0,982 1,354 0,444 0,819 0,661 0,281 0,128 0,705 -0,634 0,377 1,342

AT BE DE DK ES FI

0,900 0,857 0,902 0,920 0,814 0,847

18,881** 14,711** 27,754** 17,004** 9,398** 12,734**

1979-1981 vs. 1985-1987 -2,090* 0,901 0,949 0,666 -2,455* 0,891 0,908 1,075 -3,006** 0,963 0,919 1,105 -1,487 0,903 0,967 0,453 -2,144* 0,830 0,894 1,125 -2,304* 0,875 0,905 1,074 Fortsetzung auf der nächsten Seite

4.2 Die Entwicklung der Smithianischen Spezialisierungen Fortsetzung der vorherigen Seite ˆ  t-Wert1) q

Land

FR GR IT NL PT SE UK

0,925 0,885 0,973 0,971 0,903 0,931 0,872

H0 :  q = 0 gegen HD :  q A 0 o. HD :  q ? 0 20,519** 14,001** 49,633** 26,563** 16,414** 22,164** 17,141**

t-Wert1) H0 :  q = 1 gegen HD :  q ? 1 o. HD :  q A 1 -1,658 -1,822* -1,390 -0,780 -1,772* -1,636 -2,507**

Uq2

0,892 0,844 0,956 0,955 0,891 0,952 0,879

 qw1  qw0

t-Wert

0,980 0,963 0,995 0,994 0,956 0,954 0,930

0,284 0,435 0,119 0,131 0,564 0,699 0,826

343

H0 :  2qw0 =  2qw1 gegen HD : 2qw0 A  2qw1

1988-1990 vs. 1994-1996 AT 0,797 9,960** -2,542** 0,830 0,875 1,320 BE 0,789 25,314** -6,752** 0,933 0,817 2,105* DE 0,901 19,650** -2,162* 0,890 0,955 0,577 DK 0,951 35,349** -1,817* 0,961 0,970 0,528 ES 0,839 11,714** -2,241* 0,837 0,917 0,899 FI 0,900 15,260** -1,688 0,783 1,018 -0,207 FR 0,899 25,273** -2,836** 0,951 0,922 1,050 GR 0,895 15,527** -1,827* 0,865 0,962 0,467 IT 0,949 38,512** -2,074* 0,980 0,959 0,728 NL 0,938 23,805** -1,575 0,945 0,965 0,557 PT 0,983 31,673** -0,545 0,953 1,007 -0,194 SE 0,976 25,610** -0,623 0,936 1,009 -0,221 UK 0,809 8,408** -1,983* 0,809 0,900 1,042 1) Zur Berechnung der t-Werte wurden White-heteroskedastizitätskonsistente Schätzwerte der Varianzmatrix der Regressionskoe!zienten verwendet. * Signifikant bei  = 0> 05; ** signifikant bei  = 0> 01.

Weitere Evidenz für die Robustheit der bisherigen Befunde liefern die Überprüfungen auf - und -Despezialisierung (vgl. Tabelle 4.16). Für den gesamten Beobachtungszeitraum, bei dem die UVFD der Jahre 1970 bis 1972 und 1994 bis 1996 miteinander verglichen werden, kann bei zwölf der 13 betrachteten Länder von einer -Despezialisierung ausgegangen werden, weil in diesen Fällen die Nullhypothesen, daß  = 0 und daß  = 1 sei, hoch signifikant zugunsten der Alternativhypothesen, daß  A 0 und daß  ? 1 sei, abgelehnt werden müssen. Nur für Finnland kann die Nullhypothese, daß  = 0 sei, bei einer einseitigen Fragestellung auf einem Signifikanzniveau von 5 % nicht verworfen werden, so daß hier von einer zufälligen Veränderung der Außenhandelsspezialisierung auszugehen ist. Zudem zeigen die Tests auf -Despezialisierung, daß bei acht EU-Ländern auf Signifikanzniveaus von 1 % oder 5 % auch diese Art der Despezialisierung angenommen werden kann. Die Nullhypothese einer gleichbleibenden Streuung der UVFD kann nur für Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal und Schweden nicht abgelehnt werden. Wird der gesamte Untersuchungszeitraum in drei, sich nicht überlappende Teilzeiträume unterteilt, so wird ersichtlich, daß die Abnahme der Außenhandelsspezialisierung kein neues Phänomen ist, sondern daß sie im ersten Teilzeitraum, in dem die Jahre 1970 bis 1972 den Jahren von 1976 bis 1978 gegenüberge-

344

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

stellt werden, stärker auftritt als in den beiden danach folgenden Teilzeiträumen. Im ersten Teilzeitraum muß nach dem Konzept der -Despezialisierung nur bei Italien und Portugal von einer gleichbleibenden Außenhandelsspezialisierung ausgegangen werden. Allerdings kann nun in keinem Fall die Nullhypothese des Nichtvorliegens einer -Despezialisierung abgelehnt werden. In dem zweiten Teilzeitraum zwischen 1979 bis 1981 und 1985 bis 1987 kann auch für Portugal eine -Despezialisierung beobachtet werden, dafür kommt sie aber bei Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Schweden zum Erliegen. Genauso wie zuvor wird auch in dieser Teilperiode in keinem Fall eine -Despezialisierung angetroffen. Im letzten Teilzeitraum, in dem die Jahre 1988 bis 1990 und 1994 bis 1996 miteinander verglichen werden, kann an Stelle von acht bei neun Ländern von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Nun kann sie nämlich auch wieder bei Dänemark und Frankreich sowie zudem erstmalig bei Italien festgestellt werden, während sie bei Finnland und Portugal nicht mehr vorliegt. Zudem kann nur für Belgien auf einem Signifikanzniveau von 5 % auf eine -Despezialisierung geschlossen werden. Insgesamt kann aufgrund dieser Ergebnisse davon ausgegangen werden, daß der Rückgang der Außenhandelsspezialisierung der ausgeprägteste und robusteste langfristige Trend unter den zeitlichen Verläufen der verschiedenen Arten der Smithianischen Spezialisierung ist.

4.3

Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

Anders als bei der Smithianischen Spezialisierung, wo rein quantitativ der Grad der Spezialisierung über alle Industriezweige — im hier untersuchten Fall des Verarbeitenden Gewerbes — betrachtet wird, steht bei der Ricardianischen Spezialisierung die qualitative Ausgestaltung der Spezialisierung im Mittelpunkt es Interesses. Es wird analysiert, wie stark ein Land auf FuE-intensive Sektoren spezialisiert ist, weil angenommen wird, daß diese Sektoren ein höheres Produktivitätswachstum aufweisen und somit eine entsprechende Spezialisierung auch insgesamt ein höheres Produktivitätswachstum ermöglicht. Die Gründe für diese Hypothese wurden im zweiten Kapitel im Rahmen der Darstellung der verschiedenen ökonomischen Theorien herausgearbeitet und sind vielschichtig. Sie reichen von der Schlußfolgerung der Modelle in der Tradition Kaldors, daß einige qualitative Spezialisierungsmuster mit Einkommens- und Preiselastizitäten des Außenhandels verbunden sind, die auf einen Nachfragepfad führen, der ein hohes Produktivitätswachstum ermöglicht, das sich über den Mechanismus der kumulativen Kausalität noch selbst verstärkt, bis zu den Ergebnissen einer Gruppe von Modellen der „neuen” Wachstumstheorie, bei denen die FuE-Tätigkeit positive Spillovers generiert, die ein nicht abnehmendes Wachstum ermöglichen. Dieses Wachstum ist dann um so höher, je stärker ein Land in FuE-intensiven Sektoren spezialisiert ist. Bevor im folgenden fünften Kapitel ökonometrisch untersucht wird, welchen Beitrag die verschiedenen Arten der Spezialisierung zum Wirtschaftswachstum

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

345

der EU-Länder leisten und ob sie — und wie stark — zur Konvergenz innerhalb der EU beitragen, erfolgt im nächsten Abschnitt die Analyse der Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierung der EU-Länder. Anders als bei der zuvor erfolgten Analyse der Entwicklung der Smithianischen Spezialisierung, wo die absoluten und relativen Anteile aller Industriezweige zu geeigneten Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße zusammengefaßt oder durch andere statistische Verfahren ausgewertet wurden, können die Veränderungen der Ricardianischen Spezialisierungen unmittelbar über die zeitliche Entwicklung der absoluten und relativen Anteile der FuE-intensiven Industriezweige an der interessierenden Größe gemessen werden. Grundlage für die Einteilung der Industriezweige ist die bereits im dritten Kapitel verwendete Hochtechnologieliste und die dazugehörige Konkordanz zwischen der ISIC2- und SIC-Systematik (vgl. Tabelle 3.1). Bei dieser Liste wird der gesamte FuE-intensive Bereich nochmals in die Bereiche der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik unterteilt.

4.3.1

Technologische Spezialisierung

Genauso wie bei der Analyse der Smithianischen Spezialisierung wird auch bei der Ricardianischen Spezialisierung zunächst die Entwicklung der technologischen Spezialisierung der einzelnen EU-Länder sowohl in absoluten Anteilen als auch in relativen symmetrischen Anteilswerten, entweder bezogen auf die gesamte EU oder auf die Welt bzw. die Welt ohne USA, betrachtet. Die Entwicklungen der absoluten Anteilswerte der US-Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich von 1963 bis 1998 sind in den Abbildungen 4.17, 4.18 und 4.19 dargestellt. Bei den drei Länderaggregaten lassen sich für die Anteile der Patenterteilungen im gesamten FuE-intensiven Bereich zwar keine dramatischen Verschiebungen erkennen. Ersichtlich ist jedoch, daß sie bei den beiden umfassenderen Ländergruppen leicht zunehmen, während sie innerhalb der EU geringfügig schrumpfen. Auälliger ist hingegen vor allem bei den weltweiten und auch nur ausländischen Patenterteilungen am USPTO der seit dem Beginn der achtziger Jahre zu beobachtende Rückgang der Anteile der Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik, der durch den Anstieg der Anteilswerte der Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik überkompensiert wird. Innerhalb der EU liegt dagegen der absolute Anteil der Patente im Bereich der Spitzentechnik vom Beginn des Beobachtungszeitraums an niedriger, und der anteilsmäßige Substitutionsprozeß von der hochwertigen zur Spitzentechnik findet nicht so ausgeprägt statt. Dieser Befund spricht dafür, daß seit dem Beginn der achtziger Jahre eine Reihe von nichteuropäischen Ländern relativ stark mit Erfindungen, die dem Bereich der Spitzentechnik zugeordnet werden können, an das US-Patentamt drängen. In den nachfolgenden 15 Graphiken sind die Entwicklungen der entsprechenden Anteilswerte für die einzelnen EU-Länder — geordnet nach der Höhe der Anteilswerte der Patenterteilungen im gesamten FuE-intensiven Bereich im Jahr 1998 — wiedergegeben. Den Anfang machen die Niederlande, die sich über den gesamten Beobachtungszeitraum durch sehr hohe, weiter wachsende Anteile an US-Patenten im Bereich der Spitzentechnik auszeichnen. Gleichzeitig geht der für

346

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Ohne USA 1

0,8

0,8 Anteilswert

Anteilswert

Total 1

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1968

1973

1978

1983

1988

1993

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1998

Niederlande 1

0,8

0,8

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

EU 1

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Deutschland 1

0,8

0,8

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

Finnland 1

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Dänemark 1

0,8

0,8

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Anteilswert

Anteilswert

Großbritannien 1

0,6 0,4

Spitzentechnik

Hochwertige Technik 0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,2

Abbildung 4.17: Anteilswerte der am USPTO erteilten Patente im FuEintensiven Bereich ein relativ patentstarkes Land bereits zu Beginn der Beobachtungsperiode niedrige Anteil an Patenten im Bereich der hochwertigen Technik zumindest bis in die Mitte der achtziger Jahre weiter zurück. Anders sieht die Entwicklung bei Finnland aus, das mit Blick auf die Anteilswerte der US-Patente im gesamten FuE-intensiven Bereich im Jahr 1998 gerade knapp den zweiten Platz innerhalb

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Griechenland

1

1

0,8

0,8

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

Frankreich

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0

0

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Italien 1

0,8

0,8

0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

Belgien 1

0,6

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Irland 1

0,8

0,8

0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

Schweden 1

0,6

0,6 0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Österreich 1

0,8

0,8

0,4

Spitzentechnik

0,2

Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Anteilswert

Anteilswert

Portugal 1

0,6

347

0,6 0,4

Spitzentechnik

Hochwertige Technik 0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

0,2

Abbildung 4.18: Anteilswerte der am USPTO erteilten Patente im FuEintensiven Bereich (Fortsetzung)

der EU erreicht hat. Hier sind die Anteile der US-Patente im Bereich der Spitzentechnik bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre beinahe marginal, während die Anteile der Patente im Bereich der hochwertigen Technik — zwar mit einigen Schwankungen — über 60 % liegen. Erst seit dem Beginn der neunziger Jahre setzt

348

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Luxemburg 1

0,8

0,8

0,6 0,4 0,2

Spitzentechnik Hochwertige Technik

0 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Anteilswert

Anteilswert

Spanien 1

0,6 0,4 0,2 0

Spitzentechnik Hochwertige Technik

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.19: Anteilswerte der am USPTO erteilten Patente im FuEintensiven Bereich (Fortsetzung) eine deutliche Zunahme der Anteile der Patente im Bereich der Spitzentechnik ein, die auch zu Lasten der Anteilswerte für die hochwertige Technik geht. Bei den beiden folgenden patentstarken Ländern, Deutschland und Großbritannien, bleiben die Anteilswerte für die US-Patente im gesamten FuE-intensiven Bereich über den gesamten Beobachtungszeitraum nahezu unverändert bei 80 %. Allerdings dehnt Großbritannien dabei seine bereits anfänglich höheren Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik deutlich stärker aus als Deutschland. Vor das nächstfolgende patentstarke Land, Frankreich, für das in abgeschwächter Form eine ähnliche Entwicklung wie für Großbritannien beobachtet werden kann, hat sich mit Blick auf die Anteilswerte am aktuellen Rand Dänemark positioniert, das seine Anteilswerte bei der gesamten FuE-intensiven Technik vor allem über eine Zunahme der Anteile der US-Patente im Bereich der Spitzentechnik ausbauen konnte. Die Anteilswerte für Griechenland unterliegen genauso wie bei dem in der Rangfolge erst später auftretenden Portugal aufgrund der geringen absoluten Patenterteilungszahlen so starken Schwankungen, daß die Einordnung hochgradig willkürlich ist und die Anteilswerte auch keiner tiefergehenden Interpretation unterzogen werden sollten. Allenfalls kann für Griechenland seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre eine gewisse Verstetigung der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik festgestellt werden. Bei Belgien erfolgt über den gesamten Beobachtungszeitraum betrachtet ein Rückgang der Anteilswerte der Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich, der daraus resultiert, daß die Anteilswerte der Erteilungen im Bereich der Spitzentechnik weniger stark ansteigen als die Anteile bei den Erteilungen im Bereich der hochwertigen Technik abnehmen. Hingegen folgt Italien dem Muster der anderen großen Länder der EU, allerdings deutlich schwächer ausgeprägt als Frankreich und Großbritannien. Ähnliches gilt auch für Schweden, wobei hier allerdings die Schwankungen wesentlich stärker sind und die Zunahme der Anteilswerte im Bereich der Spitzentechnik erst in der ersten Hälfte der neunziger Jahre einsetzt. Dagegen kann für Irland — wenn auch mit wesentlich größeren Schwankungen — ein ähnliches Muster wie für Finnland beobachtet werden. Auällig ist dabei, daß zum Ende der Beobachtungsperiode der Anteil der Patenterteilungen im Bereich

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

349

der Spitzentechnik fast genauso hoch ist wie der Anteil der Patente im Bereich der hochwertigen Technik. Bei den verbleibenden drei Ländern, Österreich und Luxemburg, fallen vor allem die relativ geringen Anteilswerte für die Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik auf, die allerdings — bei ungefähr gleichbleibenden Anteilswerten für den gesamten FuE-intensiven Bereich — im Falle Österreichs zumindest nahe des aktuellen Rands leicht zunehmen und bei Spanien deutlich ansteigen. Bei Luxemburg, wo bei der Interpretation aufgrund der geringen absoluten Patentzahlen eine ähnliche Zurückhaltung wie bei Griechenland und Portugal geboten ist, bleiben diese Anteilswerte hingegen verschwindend klein. Die Analyse der Entwicklung der absoluten Anteilswerte wird durch die Berechnung der Trendveränderungen komplettiert (vgl. Tabelle 4.17). Diese Trendregressionen wurden wiederum sowohl für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 als auch für den Teilzeitraum von 1970 bis 1998 durchgeführt, um eine bessere Vergleichbarkeit mit den Entwicklungen der wirtschaftlichen Spezialisierungen zu ermöglichen. Dabei bestätigt sich für die Länderaggregate der bereits aufgrund der Graphiken gewonnene Eindruck. Sowohl bei den gesamten als auch bei den ausländischen Patenterteilungen am USPTO ist der Anteil der Patente im FuE-intensiven Bereich trendmäßig hoch signifikant angestiegen, während er bei den Erteilungen an die EU-Länder zurückgegangen ist. Dieser Anstieg der Anteilswerte ändert sich bei den gesamten Erteilungen durch eine Verkürzung des Beobachtungszeitraums kaum, hingegen fällt die Zunahme dann bei den ausländischen Patenterteilungen stärker und bei den Erteilungen an die EU-Länder die Abnahme schwächer aus. Der Grund für die Abkopplung der EU-Länder von der Entwicklung bei den gesamten und allen ausländischen Patenterteilungen am USPTO liegt darin, daß bei ihnen — anders als beim Rest der Welt — die trendmäßige Zunahme der Anteilswerte bei der Spitzentechnik geringer ist als die Abnahme bei den Anteilswerten für die hochwertige Technik. Gleichzeitig fallen die trendmäßigen Zu- und Abnahmen in den beiden Bereichen beim Aggregat der EU-Länder auch niedriger aus. Das Verhältnis der Zunahme der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik zur Abnahme der Anteilswerte bei den Erteilungen im Bereich der hochwertigen Technik bestimmt auch bei den einzelnen EU-Ländern die Entwicklung der Anteilswerte für die Patente im gesamten FuE-intensiven Bereich. Die Ausnahmen von dieser allgemeinen Entwicklung sind Luxemburg, wo der Anteil der Patente in der Spitzentechnik zumindest im verkürzten Schätzzeitraum signifikant abnimmt und der Anteil der Patente im Bereich der hochwertigen Technik in beiden Zeiträumen bei einem Signifikanzniveau von 5 % zunimmt, sowie Österreich, wo der Substitutionsprozeß nur für den verkürzten Schätzzeitraum zu beobachten ist, und Portugal, das zwar eine Abnahme der Anteilswerte für die Patenterteilungen im Bereich der hochwertigen Technik verzeichnet, aber keine Zunahme im Bereich der Spitzentechnik. Dabei gibt es nur drei EU-Länder, nämlich Irland, Finnland und Dänemark, bei denen die Anteilswerte für den gesamten FuE-intensiven Bereich trendmäßig sowohl für den gesamten als auch für den verkürzten Beobachtungszeitraum zunehmen. Für Schweden und Großbritannien kann nur bei Aussparung der Be-

350

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.17: Trendveränderungen der Anteilswerte der am USPTO erteilten Patente im FuE-intensiven Bereich Land

Total O. USA EU IE GR FI DK ES LU SE UK NL FR IT DE AT BE PT

FuE-intensiv 1963-1998 1970-1998 0,144 0,148 (8,347)* (5,705) 0,083 0,132 (4,515) (5,656) -0,064 -0,045 (-3,604) (-1,890) 0,784 0,555 (3,210) (2,720) 0,377 0,432 (0,939) (0,827) 0,301 0,215 (3,663) (2,558) 0,164 0,237 (2,742) (3,237) 0,068 0,111 (0,727) (0,920) 0,068 -0,096 (0,245) (-0,285) 0,046 0,192 (0,811) (2,482) 0,037 0,148 (1,209) (4,635) 0,010 0,091 (0,227) (1,507) 0,003 0,010 (0,113) (0,303) 0,002 -0,014 (0,092) (-0,442) -0,022 -0,002 (-1,353) (-0,081) -0,059 -0,077 (-1,109) (-1,238) -0,246 -0,086 (-4,751) (-1,347) -0,838 -1,307 (-1,848) (-2,273)

Trendkoe!zient (× 100) Spitzentechnik 1963-1998 1970-1998 0,471 0,595 (12,282) (12,351) 0,568 0,715 (14,334) (15,897) 0,175 0,236 (8,288) (9,370) 1,092 1,257 (8,571) (7,204) 0,418 0,464 (2,052) (1,563) 0,590 0,741 (6,718) (6,132) 0,279 0,488 (4,740) (8,003) 0,271 0,372 (4,610) (4,815) -0,430 -0,685 (-1,567) (-1,749) 0,273 0,468 (3,970) (5,119) 0,384 0,562 (9,322) (15,345) 0,326 0,396 (7,530) (7,056) 0,393 0,428 (18,146) (14,710) 0,300 0,250 (10,180) (5,928) 0,135 0,175 (8,383) (8,796) 0,016 0,170 (0,356) (3,588) 0,261 0,421 (5,245) (7,113) 0,000 0,073 (0,000) (0,220)

Hochwertig 1963-1998 1970-1998 -0,327 -0,446 (-11,922) (-17,202) -0,486 -0,583 (-19,893) (-22,845) -0,239 -0,281 (-17,938) (-18,653) -0,308 -0,702 (-1,128) (-2,960) -0,041 -0,033 (-0,111) (-0,069) -0,289 -0,523 (-3,200) (-5,532) -0,116 -0,251 (-1,775) (-3,241) -0,202 -0,262 (-2,519) (-2,468) 0,498 0,590 (1,812) (1,849) -0,227 -0,275 (-5,040) (-4,119) -0,347 -0,414 (-15,364) (-16,454) -0,316 -0,305 (-7,619) (-5,875) -0,390 -0,418 (-18,332) (-15,527) -0,298 -0,264 (-11,468) (-6,899) -0,157 -0,177 (-11,331) (-9,669) -0,075 -0,247 (-1,234) (-3,587) -0,507 -0,507 (-9,821) (-6,714) -0,839 -1,380 (-1,800) (-2,238)

* t-Werte in Klammern

obachtungswerte für 1963 bis 1969 ein signifikanter positiver Trend festgestellt werden. Bei diesen Ländern fällt entweder für den gesamten Beobachtungszeit-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

351

raum oder nur für den verkürzten Teilzeitraum die Zunahme der Anteilswerte bei der Spitzentechnik höher aus als die Abnahme im Bereich der hochwertigen Technik. Eine mindestens auf einem Niveau von 5 % signifikante Abnahme der Anteilswerte im gesamten FuE-intensiven Bereich kann nur für Belgien über den gesamten Beobachtungszeitraum, aber nicht für den verkürzten Schätzzeitraum, und in beiden Fällen für Portugal diagnostiziert werden. Bei den verbleibenden acht EU-Ländern kompensiert die Zunahme der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik trendmäßig gerade die Abnahme der Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik. Weil die Veränderungen der absoluten Anteilswerte in den verschiedenen Technikbereichen bei den EU-Ländern zwar unterschiedlich stark ausgeprägt sind, aber überwiegend in die gleiche Richtung gehen, ist es von besonderem Interesse, welche Länder im Zeitablauf ihre relative Position verbessern konnten und welche eine relative Verschlechterung erfuhren. Hierüber geben die Veränderungen der relativen symmetrischen Patentanteile (RSPA) Auskunft. Die Entwicklungen der RSPA im gesamten FuE-intensiven Bereich sind für unterschiedliche Bezugsgrößen (gesamte, ausländische und Patenterteilungen der EU-Länder am USPTO) in den Abbildungen 4.20 und 4.21 dargestellt. Dabei sind die EU-Länder nach der Höhe der RSPA im Jahr 1998 geordnet. Diese Rangfolge entspricht natürlich der bei den absoluten Anteilswerten, weil die Bezugsgrößen für alle Länder identisch sind. Ferner liegen aufgrund der Niveaus der absoluten Anteilswerte für die verschiedenen Länderaggregate die RSPA bezogen auf die EU-Länder stets höher als diejenigen, die sich auf die gesamten oder ausländischen Patenterteilungen am USPTO beziehen, und diese Kluft hat in den achtziger Jahren zugenommen. Bezogen auf die EU-Aggregat sind neben den Niederlanden die großen Länder Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien durchgängig positiv im gesamten FuE-intensiven Bereich spezialisiert. Dies gilt für diese Länder auch mit Blick auf die gesamten Patenterteilungen am USPTO, jedoch seit dem Ende der siebziger Jahre wesentlich schwächer ausgeprägt, so daß am Ende des Beobachtungszeitraums in den meisten Fällen die Nullmarke erreicht wird. Gegenüber den ausländischen Patenterteilungen ist hingegen über den gesamten Beobachtungszeitraum keine relevante positive oder negative Spezialisierung zu erkennen. Bei den kleineren EU-Staaten verlaufen die Entwicklungen unterschiedlich. Finnland und Dänemark gelingt es seit dem Beginn der neunziger Jahre im Konzert der EU-Länder eine positive technologische Spezialisierung im FuEintensiven Bereich zu erlangen. Bezogen auf die beiden umfassenderen Länderaggregate tauschen sie im Zeitablauf maximal eine leicht negative Spezialisierung gegen eine neutrale Position. Belgien wechselt bereits im Laufe der sechziger und Anfang der siebziger Jahre von einer leicht positiven Spezialisierung zu einer oszillierenden Bewegung um die Nullmarke. Bei Griechenland, Portugal und Luxemburg schwanken die RSPA aufgrund der kleinen Patenterteilungszahlen so stark, daß eine sinnvolle Interpretation nicht möglich ist. Allenfalls kann im Falle Luxemburgs relativ eindeutig festgestellt werden, daß es im FuE-intensiven Bereich negativ spezialisiert ist. Schweden und mit stärkeren Schwankungen auch Irland bewegen sich bis zur Mitte der achtziger Jahre um die Nullinie, bevor sie sich im europäischen Kontext leicht positiv im FuE-intensiven Bereich spezialisie-

352

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Niederlande

Finnland

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

75

0

-25

-50

-50

-75

-75

-100

-100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Deutschland

Großbritannien

100 Total EU

Ohne USA

75 50

25

25

RSPA

RSPA

100

50 0 -25 -50

-50 -75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Dänemark

Frankreich

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

100

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Griechenland

Belgien

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Ohne USA

0

-100

75

Total EU

-25

-75

75

Ohne USA

0

-25

75

Total EU

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.20: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im gesamten FuEintensiven Bereich ren, während relativ zu den gesamten und ausländischen Patenterteilungen keine Veränderung bzw. im Falle Irlands eine Verstetigung der Position an der Nullinie

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Italien

Schweden

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

75

0 -25 -50

-50 -75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Irland

Portugal

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

100

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Österreich

Spanien

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Ohne USA

0

-100

75

Total EU

-25

-75

75

353

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Luxemburg

100 75

Total EU

Ohne USA

RSPA

50 25 0 -25 -50 -75 -100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.21: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im gesamten FuEintensiven Bereich (Fortsetzung) festzustellen ist. Österreich und Spanien verbleiben hingegen auch bezogen auf das EU-Aggregat ohne positive oder negative Spezialisierung in diesem Bereich.

354

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.18: Trendveränderungen der RSPA für die am USPTO erteilten Patente im gesamten FuE-intensiven Bereich Land

IE GR FI DK ES LU SE UK NL FR IT DE AT BE PT

EU 1963-1998 1970-1998 1,187 0,873 (3,531)* (3,130) 0,598 0,717 (1,056) (0,955) 0,519 0,354 (4,493) (3,328) 0,310 0,379 (4,322) (4,020) 0,193 0,222 (1,503) (1,291) 0,162 0,018 (0,396) (0,034) 0,147 0,321 (2,094) (3,432) 0,135 0,248 (3,896) (6,604) 0,099 0,172 (1,918) (2,340) 0,091 0,074 (3,793) (3,384) 0,091 0,045 (3,448) (1,332) 0,060 0,059 (3,651) (2,472) 0,011 -0,042 (0,153) (-0,468) -0,228 -0,055 (-3,507) (-0,640) -0,923 -1,517 (-1,513) (-1,931)

Trendkoe!zient Ohne USA 1963-1998 1970-1998 0,959 0,629 (2,976) (2,244) 0,385 0,458 (0,726) (0,651) 0,321 0,126 (2,775) (1,261) 0,118 0,152 (1,600) (1,662) 0,001 -0,006 (0,006) (-0,034) -0,036 -0,222 (-0,094) (-0,457) -0,043 0,094 (-0,713) (1,127) -0,056 0,023 (-2,338) (0,842) -0,091 -0,052 (-1,921) (-0,767) -0,100 -0,153 (-4,793) (-7,085) -0,100 -0,182 (-3,143) (-4,364) -0,130 -0,167 (-9,145) (-9,137) -0,178 -0,265 (-2,463) (-3,201) -0,419 -0,281 (-7,110) (-3,545) -1,101 -1,707 (-1,924) (-2,340)

Total 1963-1998 1970-1998 0,939 0,612 (2,783) (2,136) 0,342 0,456 (0,618) (0,628) 0,240 0,098 (2,065) (0,974) 0,032 0,123 (0,419) (1,377) -0,085 -0,034 (-0,641) (-0,202) -0,081 -0,226 (-0,200) (-0,449) -0,131 0,065 (-1,986) (0,773) -0,143 -0,007 (-4,432) (-0,236) -0,177 -0,081 (-3,462) (-1,170) -0,187 -0,182 (-11,289) (-8,882) -0,187 -0,211 (-6,132) (-4,879) -0,216 -0,196 (-12,592) (-8,538) -0,266 -0,297 (-3,666) (-3,531) -0,506 -0,311 (-8,015) (-4,012) -1,175 -1,747 (-1,979) (-2,317)

* t-Werte in Klammern

Die Schätzungen der Trendveränderungen der RSPA bestätigen weitgehend die Befunde der graphischen Inspektion, allerdings treten einige langfristige Entwicklungen nun deutlicher hervor (vgl. Tabelle 4.18). Bei Betrachtung beider Schätzzeiträume gelingt es nur Irland, eine trendmäßige Zunahme seiner RSPA im FuE-intensiven Bereich bezogen auf alle drei Länderaggregate zu erreichen.36 36 Die Ursache dafür ist natürlich, daß die Verbesserung der Position Irlands erst zur Mitte der achtziger Jahre einsetzt, dafür aber recht kräftig ausfällt.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

355

Hingegen weisen die RSPA für Finnland relativ zu den EU-Ländern sowohl für den gesamten Beobachtungszeitraum als auch für die verkürzte Schätzperiode einen hoch signifikanten positiven Trend auf, bezogen auf die beiden umfassenderen Länderaggregate ist er aber für den verkürzten Schätzzeitraum auf den üblichen Niveaus nicht mehr statistisch signifikant. Ähnliches gilt für Dänemark, allerdings findet sich hier bezogen auf die größeren Ländergruppen auf einem Signifikanzniveau von 5 % (einseitige Fragestellung) nur ein positiver Trend bei den RSPA relativ zu allen ausländischen Patenterteilungen am USPTO im verkürzten Schätzzeitraum. Im Falle Griechenlands, Spaniens und Luxemburgs kann in keinem Fall eine signifikante Veränderung des trendmäßigen Verlaufs der RSPA im FuE-intensiven Bereich festgestellt werden. Anders sieht es bei den verbleibenden Ländern aus. Für Schweden, Großbritannien, die Niederlanden, Frankreich und Deutschland kann zwar bezogen auf das EU-Aggregat eine trendmäßige Zunahme der RSPA festgestellt werden, die sich bei einer Aussparung der Beobachtungen von 1963 bis 1969 bei den ersten drei Ländern noch verstärkt, während sie bei Deutschland gleichbleibt und sich bei Frankreich leicht abschwächt. Relativ zu den anderen Länderaggregaten kann jedoch nur eine Konstanz oder signifikante trendmäßige Abnahme der RSPA (bei Schweden gegenüber den gesamten Patenterteilungen für den gesamten Beobachtungszeitraum, bei Großbritannien und den Niederlanden gegenüber beiden Länderaggregaten ebenfalls für den gesamten Beobachtungszeitraum, bei Frankreich und Deutschland in allen vier Fällen) attestiert werden. Italien kann auch gegenüber den anderen EU-Ländern nur zu Beginn der Beobachtungsperiode seine Patentanteile im FuE-intensiven Bereich ausbauen, weil bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums der Trend nicht mehr signifikant von null verschieden ist. Relativ zu den beiden weiter gefaßten Länderaggregaten verliert es in allen Fällen. Dies gilt auch für Österreich, das zudem auch in den sechziger Jahren seine Position gegenüber den anderen EU-Ländern nicht verbessern konnte. Noch extremer fällt die trendmäßige Entwicklung für Belgien und Portugal aus. Während Belgien für den gesamten Beobachtungszeitraum eine trendmäßige Abnahme seiner RSPA im FuE-intensiven Bereich bezogen auf die EU erfährt und bei Aussparung der ersten Beobachtungen einen Stillstand, ist die Entwicklung bei Portugal umgekehrt. Da die unterschiedlichen Entwicklungen der Patentanteile im gesamten FuEintensiven Bereich in hohem Maße durch die Verhältnisse der gegenläufigen Entwicklungen im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik geprägt sind, kann dieser allgemein beobachtbare Prozeß mittels der relativen Patentanteile in den beiden FuE-intensiven Einzelbereichen detaillierter analysiert werden. Die Entwicklungen der RSPA für den Bereich der Spitzentechnik sind in den Abbildungen 4.22 und 4.23 dargestellt, wobei die einzelnen Länder wiederum in absteigender Folge nach den RSPA im Jahr 1998 geordnet sind. Über alle Länder hinweg auällig ist dabei die große Kluft zwischen den auf die EU-Länder und auf die beiden umfassenderen Länderaggregate bezogenen RSPA, die in den meisten Fällen im Zeitablauf noch zunimmt. Bezogen auf die EU-Länder sind die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Deutschland im gesamten Beobachtungszeitraum sowie Italien seit der Mit-

356

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Niederlande

Finnland

75

75

50

50

25

25 RSPA

100

RSPA

100

0 -25

0 -25

-50

-50 Total EU

-75

Ohne USA

-100

-75 -100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 Irland

Großbritannien

75

75

50

50

25

25

RSPA

100

RSPA

100

0 -25 -50 -75

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

-100

-75

Frankreich

Schweden

75

50

50

25

25

RSPA

75

RSPA

100

0 -25 -50

Ohne USA

0 -25

Ohne USA

-75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Belgien Total EU

Italien Ohne USA

100 75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Total EU

-50 Total EU

-100

75

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

100

-75

Total EU

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

100

Ohne USA

Total EU

0

Ohne USA

0

-25

-25

-50

-50

-75

-75

-100

-100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Total EU

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.22: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der Spitzentechnik te der sechziger Jahre im Bereich der Spitzentechnik positiv spezialisiert, wobei der Verlauf der RSPA im Falle der Niederlande die größte Persistenz aufweist.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Dänemark

100

Spanien Ohne USA

100 75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

75

Total EU

0 -25 -50

-50 -75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Deutschland

Portugal

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

100

0 -25 -50

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Österreich

Griechenland

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Ohne USA

0

-100

75

Total EU

-25

-75

75

357

0 -25 -50

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Total EU

Ohne USA

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Luxemburg

100 75

Total EU

Ohne USA

RSPA

50 25 0 -25 -50 -75 -100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.23: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der Spitzentechnik (Fortsetzung) Mit Blick auf die totalen und ausländischen Patenterteilungen verschlechtern die Niederlande zwar seit der ersten Hälfte der siebziger Jahre bis in die Mitte der

358

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

neunziger Jahre kontinuierlich ihre Position, bleiben aber am aktuellen Rand noch positiv spezialisiert. Anders sieht es bei den drei anderen Ländern aus. Großbritannien bewegt sich von einer deutlich positiven Spezialisierung im Jahr 1963 auf eine neutrale Position zu, die es 1973 erreicht und bis in Mitte der neunziger Jahre beibehält. Erst am aktuellen Rand ist es bezogen auf die beiden umfassenderen Länderaggregate im Bereich der Spitzentechnik leicht negativ spezialisiert. Frankreich baut zunächst zwischen 1963 und 1968 eine positive Spezialisierung auf, die es mit einigen Schwankungen bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre hält, um von da an in eine leicht negative Spezialisierung hinüberzugleiten. Italien erreicht nach einer anfänglichen negativen Spezialisierung mit Beginn der siebziger Jahre eine neutrale Stellung bei der Spitzentechnik, die es bis zu Beginn der achtziger Jahre hält. Danach bewegt es sich wieder im negativen Wertebereich. Deutschland ist hingegen im Bereich der Spitzentechnik beinahe durchgängig negativ spezialisiert, wobei es sich zunächst bis zum Ende der siebziger Jahre auf ungefähr gleichem Niveau bewegt, um anschließend bis zur Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich an Niveau zu verlieren. Naturgemäß sind die Schwankungen der RSPA bei den kleineren EU-Staaten gerade im Bereich der Spitzentechnik recht hoch. Trotzdem lassen sich bei einigen Ländern relativ eindeutige Muster erkennen. So ist Finnland bis zum Beginn der neunziger Jahre in diesem Bereich deutlich negativ spezialisiert. Anschließend erlangt es innerhalb der EU binnen weniger Jahre eine starke positive Spezialisierung, während es parallel dazu bezogen auf die totalen sowie ausländischen Patenterteilungen gerade die Nullinie erreicht. Ähnliches gilt auch für die Entwicklung der relativen technologischen Spezialisierung Irlands. Bis in die Mitte der achtziger Jahre durchläuft sie starke Schwankungen, ohne jedoch trendmäßig den negativen Bereich zu verlassen, um dann schlagartig innerhalb der EU ein hohes positives Niveau zu erreichen. Bezogen auf die beiden umfassenderen Länderaggregate erreicht sie nach 1985 auf niedrigerem Niveau zwischenzeitlich positive Werte, aber auch mehrmals eine Rückkehr zur Nullmarke oder leicht negative Werte. Die Entwicklung der relativen technologischen Spezialisierung Schwedens im Bereich der Spitzentechnik ist bezogen auf die EU durch vier und bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate durch drei Phasen gekennzeichnet. Im Rahmen der EU ist Schweden zunächst bis in die erste Hälfte der siebziger Jahre auf relativ hohem Niveau positiv in diesem Technikbereich spezialisiert, verliert aber dann bis zum Ende der siebziger Jahre deutlich, um sich dann nach einer kurzen Stagnation von der Nullinie aus zunächst langsam und seit dem Ende der achtziger Jahre rasanter zu erholen. Relativ zu den gesamten sowie ausländischen Patenterteilungen am USPTO kann hingegen bereits ab 1963 bis weit in die zweite Hälfte der siebziger Jahre eine relativ kontinuierliche Entwicklung von einer neutralen Position zu einer deutlichen negativen Spezialisierung beobachtet werden. Daran schließt sich eine Stagnationsphase an, bevor zu Beginn der neunziger Jahre eine schrittweise Verbesserung der relativen Position einsetzt, die Schweden aber bis 1998 noch nicht aus dem negativen Wertebereich herausgeführt hat. Die Entwicklungen für Belgien, Dänemark und Österreich weisen — allerdings auf unterschiedlichen Niveaus — relativ große Ähnlichkeiten auf. Bezogen auf die

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

359

EU erleben sie nach einer anfänglichen positiven Spezialisierung im Bereich der Spitzentechnik (bei Dänemark nur eingeschränkt) einen Einbruch, von dem sie sich entweder wieder langsam erholen, um auf positiven Niveaus zu verharren (Belgien und Dänemark), oder sie gehen unmittelbar in eine dauerhafte Phase des Oszillierens um die Nullinie über (Österreich). Bezogen auf die gesamten sowie ausländischen Patenterteilungen am USPTO verbleiben alle drei Länder nach einem anfänglichen Rückgang der RSPA seit der Mitte der siebziger Jahre bei einer deutlichen negativen Spezialisierung. Aufgrund der niedrigen Patenterteilungszahlen unterliegen die RSPA für Spanien, Portugal, Griechenland und Luxemburg so starken Schwankungen, daß eine weitergehende Interpretation nicht möglich ist. Allenfalls kann man im Falle Spaniens feststellen, daß hier die auf die EU bezogenen RSPA seit Anfang der achtziger Jahre um die Nullinie schwanken, während bei Luxemburg seit der Mitte der siebziger Jahre nur noch negative Werte zu verzeichnen sind. Bei den trendmäßigen Veränderungen der RSPA im Bereich der Spitzentechnik liegt wiederum wie zuvor beim gesamten FuE-intensiven Bereich Irland auf dem ersten Platz (vgl. Tabelle 4.19). Es weist sowohl für beide Schätzzeiträume als auch bezogen auf alle drei Länderaggregate hoch signifikante trendmäßige Zunahmen der RSPA auf. An zweiter Stelle findet sich Finnland, bei dem allerdings die Zuwächse der auf die gesamten sowie ausländischen Patenterteilungen bezogenen RSPA deutlich geringer ausfallen. Das dann aufgrund seines über den gesamten Beobachtungszeitraums ermittelten Punktschätzwertes der Trendveränderung der auf die EU bezogenen RSPA folgende Griechenland weist genauso wie Portugal keine signifikanten trendmäßigen Veränderungen seiner relativen technologischen Spezialisierung im Bereich der Spitzentechnik auf. Zudem dominieren im Falle Dänemarks und Schwedens die trendmäßige Konstanz der RSPA im Bereich der Spitzentechnik. Dänemark zeigt nur für den verkürzten Schätzzeitraum bezogen auf die EU- und die totalen Patenterteilungen am USPTO zumindest auf dem Niveau von 5 % signifikante positive Trends, während Schweden nur für den gesamten Schätzzeitraum bezogen auf die ausländischen sowie gesamten Patenterteilungen hochgradig signifikante negative Trends aufweist, die von dem starken Einbruch der RSPA zu Beginn des Beobachtungszeitraums herrühren. Dagegen weist Belgien eine recht gemischte Bilanz auf. Über den gesamten Beobachtungszeitraum hält es im EU-Vergleich trendmäßig seine relative Position, fällt aber gegenüber den weiter gefaßten Länderaggregaten zurück; innerhalb des verkürzten Schätzraums entwickeln sich die RSPA nur bezogen auf die EU mit einen positiven Trend, während sie ansonsten auf dem gleichen Niveau verharren. Bei den anderen sieben EU-Ländern überwiegen die negativen Trends. Dabei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Zur ersten Gruppe zählen Italien, Frankreich, Großbritannien und Österreich. Italien weist zumindest für den gesamten Beobachtungszeitraum bezogen auf die EU-Patenterteilungen einen positiven Trend und bezogen auf die gesamten Patenterteilungen keine trendmäßige Verschlechterung auf. Frankreich kann nur im Kontext der EU seine Position über den gesamten Beobachtungszeitraum halten. Großbritannien weist zwar bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate hoch signifikante negative Trends auf, aber bezogen auf die EU über den gesamten Beobachtungszeitraum

360

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.19: Trendveränderungen der RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der Spitzentechnik Land

IE FI GR ES PT DK IT FR BE UK SE NL DE AT LU

EU 1963-1998 1970-1998 4,362 3,994 (4,823)* (3,397) 3,139 3,202 (5,733) (4,636) 1,046 0,474 (0,992) (0,341) 0,955 1,318 (1,874) (1,934) 0,885 0,868 (0,654) (0,462) 0,478 1,601 (1,114) (3,278) 0,411 -0,584 (1,743) (-3,665) 0,187 -0,171 (1,392) (-1,882) 0,160 0,822 (0,514) (2,046) 0,0678 0,264 (0,752) (2,387) -0,167 0,515 (-0,565) (1,253) -0,232 -0,355 (-3,897) (-4,332) -0,647 -0,908 (-4,780) (-6,372) -1,403 -0,629 (-4,150) (-1,402) -1,750 -2,122 (-2,021) (-2,205)

Trendkoe!zient Ohne USA 1963-1998 1970-1998 3,088 3,055 (5,036) (3,620) 1,375 1,747 (3,975) (3,988) -0,116 -0,488 (-0,137) (-0,436) -0,212 -0,033 (-0,589) (-0,072) -0,305 -0,596 (-0,286) (-0,421) -0,541 0,443 (-1,580) (1,373) -0,528 -1,580 (-2,151) (-6,918) -0,788 -1,294 (-5,522) (-9,665) -0,804 -0,190 (-2,971) (-0,557) -0,902 -0,594 (-9,912) (-6,664) -1,010 -0,328 (-3,813) (-0,919) -1,386 -1,719 (-12,151) (-12,410) -1,519 -1,715 (-19,795) (-19,674) -1,928 -1,108 (-7,402) (-4,309) -1,831 -1,836 (-2,547) (-2,375)

Total 1963-1998 1970-1998 3,415 3,467 (5,458) (4,009) 1,637 2,090 (4,587) (4,571) 0,131 -0,212 (0,153) (-0,186) 0,041 0,256 (0,113) (0,550) -0,881 -0,901 (-0,798) (-0,630) -0,224 0,817 (-0,637) (2,430) -0,188 -1,190 (-0,779) (-5,014) -0,394 -0,835 (-2,761) (-5,399) -0,466 0,200 (-1,717) (0,584) -0,509 -0,134 (-4,709) (-1,211) -0,671 0,073 (-2,540) (0,210) -1,023 -1,287 (-8,802) (-8,891) -1,203 -1,361 (-13,063) (-11,715) -1,681 -0,830 (-6,466) (-3,292) -1,808 -1,817 (-2,517) (-2,351)

* t-Werte in Klammern

eine trendmäßig gleiche relative Position und innerhalb des verkürzten Zeitraums einen signifikanten positiven Trend. Österreich kann nur innerhalb des verkürzten Schätzzeitraums seine auf die EU bezogene relative Position halten. Die Länder der zweiten Gruppe, die Niederlande, Deutschland und Luxemburg, weisen durchgängig negative Trends bei den RSPA im Bereich der Spitzentechnik auf, die bei den Niederlanden und Deutschland bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate deutlich stärker ausfallen als bezogen auf die EU.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Griechenland

Deutschland

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

75

0 -25 -50

-50 -75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Dänemark

Italien

100 Total EU

Ohne USA

75 50

25

25

RSPA

RSPA

100

50 0 -25 -50

-50 -75 -100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Belgien

Portugal

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Ohne USA

0

-100

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Österreich

Frankreich

100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Total EU

-25

-75

75

Ohne USA

0

-100

75

Total EU

-25

-75

75

361

0 -25 -50

Total EU

Ohne USA

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.24: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der hochwertigen Technik Aufgrund der bisherigen Ergebnisse kann erwartet werden, daß sich die RSPA im Bereich der hochwertigen Technik im hohen Maße kontrapunktisch zu de-

362

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Schweden

Luxemburg

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

75

100

0 -25 -50

0 -50 -75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Großbritannien

Spanien

100 Total EU

Ohne USA

75 50

25

25

RSPA

RSPA

100

50 0 -25 -50

Ohne USA

0 -50 -75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Finnland

Niederlande 100

100 Total EU

Ohne USA

75

50

50

25

25

RSPA

RSPA

Total EU

-25

-75

75

Ohne USA

-25

-75

75

Total EU

0 -25

Total EU

Ohne USA

0 -25

-50

-50

-75

-75

-100

-100

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Irland

100 75

Total EU

Ohne USA

RSPA

50 25 0 -25 -50 -75 -100 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998

Abbildung 4.25: RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der hochwertigen Technik (Fortsetzung) nen im Bereich der Spitzentechnik entwickeln. Für die Mehrzahl der EU-Länder trit dies auch tatsächlich zu (vgl. Abbildung 4.24 und 4.25). So liegen die auf

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

363

die gesamten sowie ausländischen Patenterteilungen bezogenen RSPA im Bereich der hochwertigen Technik stets über den auf die EU bezogenen, und der Abstand zwischen ihnen nimmt in fast allen Ländern im Zeitablauf zu. Klammert man Griechenland aus, das wohl mehr oder weniger zufallsbedingt im Jahr 1998 die Rangfolge der RSPA im Bereich der hochwertigen Technik anführt, so liegt Deutschland an der Spitze und es kann seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre seine relative Position vor allem gegenüber dem Rest der Welt aber auch bezogen auf alle ausländischen Patenterteilungen am USPTO weiter ausbauen. Als großes Land kann zudem nur noch Italien bezogen auf die EU dauerhaft eine Position oberhalb oder auf der Nullinie einnehmen. Frankreich und Großbritannien zeigen hingegen im EU-Kontext eine zunehmende negative Spezialisierung in diesem Bereich und sie erreichen auch bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate die Nullinie oder unterschreiten sie. Bei den kleineren Ländern Dänemark, Belgien, Österreich, Schweden, Spanien und Finnland schwanken die auf die EU bezogenen RSPA um Null, wobei für Schweden und Finnland am aktuellen Rand eine Verschlechterung ersichtlich ist. Bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate zeigt sich bei den drei zuerst genannten Ländern seit der Mitte der achtziger Jahre eine relativ persistente positive Spezialisierung im Bereich der hochwertigen Technik, während diese bei Schweden und Finnland augenscheinlich sowie bei Spanien möglicherweise nur transitorisch ist. Luxemburg zeigt im Bereich der hochwertigen Technik geringere Schwankungen als Portugal, bei dem auch hier die Entwicklung der RSPA aufgrund der geringen Fallzahlen weitgehend zufallsbestimmt ist, und es läßt sich erkennen, daß seit der ersten Hälfte eine Verstetigung der Schwankungen in einem relativ engen Korridor um die Nullinie stattfindet. Die beiden letzten Plätze bei den RSPA im Bereich der hochwertigen Technik im Jahr 1998 nehmen zwei im Bereich der Spitzentechnik im gleichen Jahr führende Länder ein. Dabei sind die Niederlande bezogen auf die EU durchgängig negativ spezialisiert, während sie bezogen auf die umfassenderen Länderaggregate immer wieder die Nullinie berühren und seit dem Beginn der neunziger Jahre dort verharren. Anders bei Irland, bei dem die RSPA bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre relativ stark um die Nullinie oszillieren und das dann allmählich zu einer negativen Spezialisierung wechselt. Die kontrapunktische Entwicklung der relativen Spezialisierungen im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik wird auch durch die Schätzung der Trendveränderungen der RSPA weitgehend bestätigt (vgl. Tabelle 4.20). So weisen nun Deutschland und Luxemburg, die bei den RSPA im Bereich der Spitzentechnik nur negative Trends zeigten, durchgängig hoch signifikante positive Trendveränderungen auf. Genauso bleiben bei Griechenland und Portugal die RSPA auch in diesem Bereich trendmäßig gleich. Bei den anderen EU-Ländern sieht die Entwicklung wieder etwas dierenzierter aus. Die RSPA für Österreich und Dänemark folgen bezogen auf die EU nur über den gesamten Beobachtungszeitraum einem zumindest auf dem Niveau von 5 % signifikanten positiven Trend, während sie sich bei Aussparung der Beobachtungen von 1963 bis 1969 trendmäßig nicht mehr verändern. Somit ist in diesen beiden Fällen die trendmäßige Zunahme auf die sechziger Jahre beschränkt. Gegenüber den gesamten sowie den ausländischen Patenterteilungen ist hingegen auch bei

364

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.20: Trendveränderungen der RSPA für die am USPTO erteilten Patente im Bereich der hochwertigen Technik Land

LU GR AT DK DE ES SE IT FI IE NL UK FR BE PT

EU 1963-1998 1970-1998 1,210 1,421 (2,681)* (2,679) 0,315 0,480 (0,531) (0,600) 0,261 0,044 (2,900) (0,403) 0,201 0,051 (1,962) (0,399) 0,152 0,192 (7,809) (8,581) 0,053 0,022 (0,393) (0,120) -0,006 -0,023 (-0,084) (-0,216) -0,078 0,035 (-2,055) (0,743) -0,086 -0,409 (-0,601) (-2,634) -0,204 -0,816 (-0,470) (-1,950) -0,208 -0,132 (-2,785) (-1,364) -0,213 -0,265 (-7,596) (-7,422) -0,288 -0,277 (-10,830) (-7,310) -0,422 -0,372 (-4,756) (-2,841) -0,856 -1,471 (-1,240) (-1,565)

Trendkoe!zient Ohne USA 1963-1998 1970-1998 1,658 1,993 (3,662) (3,738) 0,742 1,023 (1,231) (1,251) 0,711 0,607 (8,320) (5,476) 0,648 0,610 (6,205) (4,534) 0,589 0,738 (12,855) (13,550) 0,502 0,584 (3,544) (3,062) 0,444 0,541 (6,315) (5,216) 0,369 0,594 (6,194) (8,941) 0,364 0,154 (2,911) (1,165) 0,227 -0,293 (0,537) (-0,714) 0,236 0,424 (2,643) (3,698) 0,237 0,298 (5,908) (5,232) 0,162 0,286 (3,168) (4,164) 0,027 0,190 (0,271) (1,351) -0,470 -0,977 (-0,664) (-1,003)

Total 1963-1998 1970-1998 1,542 1,895 (3,215) (3,398) 0,574 0,874 (0,912) (1,032) 0,476 0,407 (5,723) (3,813) 0,412 0,410 (3,934) (3,116) 0,352 0,536 (7,130) (10,286) 0,268 0,386 (1,886) (2,031) 0,208 0,341 (2,892) (3,297) 0,135 0,394 (2,222) (6,812) 0,131 -0,041 (1,076) (-0,307) 0,069 -0,478 (0,157) (-1,145) 0,003 0,230 (0,034) (2,043) 0,002 0,100 (0,040) (1,901) -0,073 0,088 (-1,330) (1,299) -0,205 -0,008 (-2,013) (-0,055) -0,660 -1,142 (-0,910) (-1,153)

* t-Werte in Klammern

Verkürzung des Schätzzeitraums von hoch signifikanten positiven Trends auszugehen ( ? 0> 01). Ähnliches gilt für Spanien, Schweden und Italien. Allerdings weisen Spanien und Schweden bezogen auf die EU auch für den gesamten Beobachtungszeitraum keine trendmäßigen Veränderungen der RSPA auf, während der Trendkoe!zient für Italien in diesem Fall bei einem Signifikanzniveau von 5 % negativ ist. Die verbleibenden sechs EU-Länder weisen im Bereich der hochwertigen Technik nicht durchgängig eine Verbesserung ihrer relativen Spezialisierung in Bezug

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

365

auf die gesamten sowie ausländischen Patenterteilungen am USPTO auf. So ist Finnland und Irland zum einen gemeinsam, daß die Entwicklungen ihrer auf die EU bezogenen RSPA für den verkürzten Schätzzeitraum negativen Trends folgen. Zum anderen halten sie gegenüber den umfassenderen Länderaggregaten trendmäßig überwiegend ihre relative Position, was daher rührt, daß sich ihre absoluten Anteile in diesem Technikbereich — genauso wie die weltweiten — verringern. Die einzige Ausnahme ist der positive Trend für Finnland bei den auf die ausländischen Patenterteilungen bezogenen RSPA für den gesamten Schätzzeitraum, der durch die Verbesserung seiner relativen Position in den sechziger Jahren zu erklären ist. Etwas anders sieht es bei den Niederlanden aus. Bezogen auf den gesamten Beobachtungszeitraum verschlechtern sie ihre relative Position innerhalb der EU durch einen Rückgang der RSPA von der Mitte der sechziger bis zur Mitte der siebziger Jahre, so daß anschließend für den verkürzten Schätzzeitraum von einer trendmäßigen Konstanz der RSPA auszugehen ist. Relativ zu den ausländischen Patenterteilungen am USPTO verbessern sie ihre Lage, während dies bei den gesamten Patenterteilungen nur für den verkürzten Schätzzeitraum zutrit. Großbritannien folgt zwar bezogen auf die weiter gefaßten Länderaggregate trendmäßig derselben Entwicklung wie die Niederlande, innerhalb der EU weist es aber auch für den verkürzten Schätzzeitraum einen hoch signifikanten negativen Trend auf. Das gleiche gilt auch für die relative Position Frankreichs und Belgiens innerhalb der EU. Während jedoch im Falle Frankreichs zumindest die auf die ausländischen Patenterteilungen bezogenen RSPA trendmäßig ansteigen, stagnieren sie bei Belgien und bezogen auf die gesamten Patenterteilungen sind sie trendmäßig rückläufig. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Entwicklungen der technologischen Spezialisierungen Ricardianischer Art bei den EU-Ländern im hohen Maße von den gegenläufigen Tendenzen im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik geprägt sind: Das Verhältnis der Zunahme der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik zur Abnahme der Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik bestimmt die Entwicklung im gesamten FuE-intensiven Bereich. Da diese gegenläufigen Tendenzen nicht nur bei den EU-Ländern, sondern in noch stärkerem Umfang bei den gesamten und insbesondere ausländischen Patenterteilungen am USPTO zu beobachten sind, determinieren die unterschiedlichen Umfänge dieser Klüfte auch im wesentlichen bezogen auf die unterschiedlichen Länderaggregate die Entwicklungen der relativen technologischen Stärken und Schwächen der einzelnen EU-Länder. Mit Blick auf die gesamte EU stellt sich dabei die Frage, ob mit den Verschiebungen der relativen Positionen eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Abstandes zwischen den einzelnen Ländern verbunden ist, d. h. ob eine zu- oder abnehmende Konzentration der Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich beobachtet werden kann. Auskunft darüber kann die Entwicklung der Streuungen der auf die EU-Länder bezogenen RSPA im FuE-intensiven Bereich geben, die durch die Standardabweichungen gemessen werden können (vgl. Abbildung 4.26). Diese unterliegen wegen der sehr kleinen Patenterteilungszahlen bei einigen Ländern zwar relativ großen Schwankungen, so daß bei der Interpretation eine gewisse Vorsicht geboten ist, die grundsätzlichen Tendenzen lassen sich aber erkennen.

366

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten FuE-intensiv 70

Standardabweichung

60 50 y = -0,3113x + 23,327 R2 = 0,1989

40 30 20 10 0 1963

1968

1973

1978

1983

1988

1993

1998

1988

1993

1998

1988

1993

1998

Spitzentechnik 70

Standardabweichung

60 50 y = -0,4537x + 63,2 R2 = 0,318

40 30 20 10 0 1963

1968

1973

1978

1983

Hochwertige Technik 70

Standardabweichung

60 50 y = -0,303x + 24,379 R2 = 0,1647

40 30 20 10 0 1963

1968

1973

1978

1983

Abbildung 4.26: Entwicklung der Standardabweichungen der RSPA (bezogen auf die EU) im FuE-intensiven Bereich Bei den RSPA für den gesamten FuE-intensiven Bereich ist es zwischen 1963 und 1998 trendmäßig zu einem leichten Rückgang der Streuung gekommen. Im Bereich der Spitzentechnik ist die Streuung durchgängig wesentlich größer als im gesamten FuE-intensiven Bereich, nimmt aber trendmäßig etwas stärker ab. Dies ist im wesentlichen einerseits durch den Aufholprozeß einiger kleiner EULänder (hauptsächlich Finnland und Irland) und andererseits durch die relativen Positionsverschlechterungen der in diesem Bereich ursprünglich oder noch immer

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

367

starken Länder Deutschland und die Niederlande bedingt. Hingegen liegen die Standardabweichungen für die RSPA im Bereich der hochwertigen Technik auf einem sehr ähnlichen Niveau wie im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik, und sie folgen auch einem sehr ähnlichen Trendverlauf. Insgesamt liefern die Entwicklungen der Standardabweichungen der RSPA keinen Beleg dafür, daß es innerhalb der EU zu einer stärkeren Konzentration der relativen Stärken (oder Schwächen) bei den Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich kommt, vielmehr deuten sie auf eine leichte Angleichung hin. Dies sollte jedoch nicht über die sehr beachtlichen absoluten Unterschiede hinwegtäuschen (vgl. Kapitel 3).

4.3.2

Produktionsspezialisierung

Im Abschnitt 4.1.4 wurde bereits darauf hingewiesen, daß bei der Analyse der Produktionsspezialisierung Ricardianischer Art eine Reihe von Datenverfügbarkeitsproblemen für die reale Wertschöpfung in den einzelnen Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes der EU-Staaten existiert, so daß bei einer Unterscheidung zwischen Spitzentechnik und hochwertiger Technik hilfsweise auf die ebenfalls unvollständigen Angaben zur nominalen Wertschöpfung zurückgegrien werden muß. Um abschätzen zu können, welche Auswirkungen die Verwendung dieser nominalen Daten auf die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen hat, werden diese Kennzahlen für den gesamten FuE-intensiven Bereich sowohl auf der Basis der realen als auch der nominalen Größen berechnet. In den Abbildungen 4.27 und 4.28 sind die Entwicklungen der Anteilswerte dieses Bereichs an beiden Maßen der Wertschöpfung wiedergegeben. Dabei sind die Länder wiederum absteigend nach der Höhe des Anteils des gesamten FuE-intensiven Bereichs an der realen Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe geordnet. Verglichen mit den Patenterteilungen am USPTO ist zunächst einmal auällig, daß die Anteilswerte bei der Wertschöpfung deutlich niedriger liegen. Dies kann jedoch nicht erstaunen, weil davon auszugehen ist, daß in den FuE-intensiven Bereichen deutlich mehr Patente erteilt werden als in den anderen. Ferner besteht bei der Rangfolge der Länder nur ein moderater Zusammenhang zwischen den beiden Anteilswerten, was als Indiz dafür gewertet werden kann, daß ein Teil der Fähigkeiten zur Produktion von FuE-intensiven Gütern auf Imitation, d. h. auf technologischen Aufholprozessen, beruht. EU-weit ist der Anteil des FuE-intensiven Bereichs an der gesamten Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes zwischen 1970 und 1997 beinahe kontinuierlich angestiegen. Nur zu Beginn der neunziger Jahre kann eine Phase der Stagnation beobachtet werden. Dabei weist Deutschland im gesamten Beobachtungszeitraum eine führende Position bei den Niveauwerten auf, wobei es allerdings seit Ende der achtziger Jahre auf diesem hohen Niveau verharrt. Ferner fällt bei Deutschland, anders als bei anderen technologisch fortgeschrittenen Ländern wie Schweden, Großbritannien und den Niederlanden der geringe Abstand zwischen den realen und nominalen Größen auf. Schweden und Großbritannien haben am aktuellen Rand bei den Anteilswerten für den FuE-intensiven Bereich bei der realen Wertschöpfung beinahe zu Deutschland aufgeschlossen, während dies bei Frankreich und Finnland, bei letzterem trotz des rasanten Anstiegs in der ersten Hälfte der

368

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Deutschland 0,5

0,4

0,4

Anteilswert

Anteilswert

EU

0,5

0,3 0,2 real

0,1

0,3 0,2 real

0,1

nominal

0

nominal

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

0,5

0,4

0,4

0,3 0,2 real

0,1

1995

1990

1995

1985

1990

1995

1985

1990

1995

0,2 real

0,1

nominal

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

0,5

0,4

0,4

Anteilswert

0,5

0,3 0,2 real

0,1

1980

1985

Finnland

Frankreich

Anteilswert

1990

0,3

nominal

0,3 0,2 real

0,1

nominal

nominal 0

0 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Niederlande 0,5

0,4

0,4

0,3 0,2 real

0,1

1980 Spanien

0,5

Anteilswert

Anteilswert

1985

Großbritannien

0,5

Anteilswert

Anteilswert

Schweden

1980

0,3 0,2 real

0,1

nominal

nominal

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

Abbildung 4.27: Anteilswerte der Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich neunziger Jahre, noch nicht der Fall ist. Die Niederlande weisen zwar von 1970 bis in die Mitte der achtziger Jahre einen Anstieg des Anteils des FuE-intensiven Be-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Dänemark

0,5

0,5

0,4

0,4 Anteilswert

Anteilswert

Österreich

0,3 0,2 real

0,1

0,3 0,2 real

0,1

nominal

nominal

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

0,5

0,4

0,4

0,3 0,2 real

0,1

1980

1985

1990

1995

1985

1990

1995

1985

1990

1995

Italien

0,5

Anteilswert

Anteilswert

Belgien

0,3 0,2 real

0,1

nominal

nominal

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

0,5

0,4

0,4 Anteilswert

0,5

0,3 0,2 real

0,1

1980 Portugal

Griechenland

Anteilswert

369

0,3 0,2 real

0,1

nominal

nominal 0

0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

Abbildung 4.28: Anteilswerte der Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung) reichs an der gesamten realen Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes auf, stagnieren aber seitdem bei 40 %. Allerdings kann am aktuellen Rand wieder ein leichter Anstieg beobachtet werden. Ähnliches — wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau — gilt auch für Belgien. Spanien, für das die Wertschöpfungsdaten erst ab 1978 verfügbar sind, erfährt in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre einen ersten moderaten Anstieg der Anteilswerte für den FuE-intensiven Bereich und in der Mitte der neunziger Jahre einen zweiten ausgeprägteren, so daß 1997 auf diesen Bereich ebenfalls knapp über 40 % der gesamten realen Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes entfallen. Geringfügig unter diesem Wert liegen Österreich und Dänemark am aktuellen Rand, wobei allerdings bei Österreich im gesamten Beobachtungszeitraum ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist, während die Anteilswerte Dänemarks

370

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

größtenteils von der ersten Hälfte der siebziger bis zur ersten Hälfte der neunziger Jahre auf gleichem Niveau verbleiben. Mit Italien beginnt das Schlußfeld der südeuropäischen Länder. Bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre liegen dort die Anteilswerte des FuE-intensiven Bereichs um 30 %. Im Laufe der Mitte der achtziger Jahre bewegen sie sich langsam auf ca. 35 %, wo sie seitdem mit leichten Schwankungen verharren. Noch deutlich geringer fallen die Anteilswerte bei Griechenland und Portugal mit knapp über 20 % aus. Wird zu einer relativen Betrachtung übergegangen, ändert sich natürlich die Reihenfolge der Länder nicht, wenn sie nach der Rangfolge der relativen symmetrischen realen Wertschöpfungsanteile (RSYA) im Jahr 1997 geordnet werden (vgl. die Abbildungen 4.29 und 4.30), aber es wird ersichtlich, welche Länder wann bei der Herstellung von Gütern des FuE-intensiven Bereichs über- oder unterdurchschnittlich stark sind. So sind Deutschland und Großbritannien die beiden einzigen Länder, die sowohl bei der realen als auch bei der nominalen Wertschöpfung im gesamten Beobachtungszeitraum eine leicht positive Spezialisierung aufweisen. Hingegen gelingt dies Schweden, dessen RSYA von 1970 bis zu Beginn der neunziger Jahre um die Nullinie schwanken, erst am aktuellen Rand. Frankreich ist zu Beginn des Beobachtungszeitraums noch leicht negativ in diesem Bereich spezialisiert, wobei eine Tendenz zu einer durchschnittlichen Positionierung aber bereits Mitte der siebziger Jahre einsetzt, und zu Beginn der neunziger Jahre werden leicht positive Werte erreicht. Etwas anders sieht es wiederum im Falle der Niederlande aus. Bezogen auf die reale Wertschöpfung kann nur für die erste Hälfte der achtziger Jahre eine durchschnittliche Position attestiert werden, während diese bei der nominalen Wertschöpfung von 1970 bis zur zweiten Hälfte der achtziger Jahre beobachtet werden kann. Bei Belgien oszillieren die RSYA für die reale Wertschöpfung bis zur Mitte der achtziger Jahre um Null, bevor ein recht deutlicher Rückgang einsetzt, der seit Ende der achtziger Jahre zu beständigen Werten um -10 führt. Bei der nominalen Wertschöpfung ist die relative Spezialisierung Belgiens hingegen durchgängig unterdurchschnittlich. Bei den verbleibenden sieben EU-Ländern ist für den gesamten Beobachtungszeitraum von negativen relativen Spezialisierungen bei der Herstellung von Gütern des FuE-intensiven Bereichs auszugehen. Allerdings fallen dabei die Verläufe der RSYA recht unterschiedlich aus. So weist Finnland bis in die erste Hälfte der neunziger Jahre ein deutlich negatives Spezialisierungsniveau auf, nähert sich dann aber relativ rasant der Nullinie an, um am aktuellen Rand knapp unter ihr zu verharren. Bei Spanien fällt der Unterschied in den Entwicklungen der RSYA für die reale und nominale Wertschöpfung auf. Während die Werte für die reale Wertschöpfung U-förmig um -10 liegen, kann für die nominale Wertschöpfung von 1978 bis zur zweiten Hälfte der achtziger Jahre eine beständige deutlich negative Spezialisierung beobachtet werden, die sich dann in den Folgejahren dem Niveau für die reale Wertschöpfung annähert. Hingegen erfährt Österreich bei beiden Maßen für die Wertschöpfung bis zum Beginn der neunziger Jahre eine kontinuierliche Verbesserung seiner Position, die aber bei -10 zum Stillstand kommt. Bei Dänemark wiederum schwanken die RSYA im gesamten Beobachtungszeitraum um -10, wobei bei der realen Wertschöpfung bis zur zweiten Hälfte der achtziger

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Deutschland

Schweden

50

50 real

30

real

30

nominal

nominal

10 RSYA

RSYA

10 -10

-10

-30

-30

-50

-50

-70

-70

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Großbritannien

1990

1995

1990

1995

1990

1995

1990

1995

real

30

nominal

nominal

10 RSYA

10 RSYA

1985

Frankreich

real

30

-10

-10

-30

-30

-50

-50

-70

-70

1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

1980

1985

Niederlande

Finnland

50

50 real

30

real

30

nominal

nominal

10 RSYA

10 RSYA

1980

50

50

-10

-10

-30

-30

-50

-50 -70

-70 1970

1975

1980

1985

1990

1970

1995

1975

Spanien

1980

1985

Österreich

50

50 real

30

real

30

nominal

10

nominal

10 RSYA

RSYA

371

-10

-10

-30

-30

-50

-50

-70

-70

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

Abbildung 4.29: RSYA für die Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich Jahre die Ausschläge nach oben und danach nach unten dominieren, während dies bei der nominalen Wertschöpfung beinahe spiegelbildlich ist. Innerhalb der

372

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Dänemark

Belgien

50

50 real

30

real

30

nominal

nominal

10 RSYA

RSYA

10 -10

-10

-30

-30

-50

-50

-70

-70

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Italien

1985

1990

1995

1990

1995

Griechenland

50

50 real

real

30

30

nominal

10

nominal

10 RSYA

RSYA

1980

-10

-10

-30

-30

-50

-50

-70

-70

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

Portugal

50 real

30

nominal

RSYA

10 -10 -30 -50 -70 1970

1975

1980

Abbildung 4.30: RSYA für die Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung) Schlußgruppe liegt Italien mit RSYA um -20 deutlich vor Griechenland und Portugal, die sich auf weiten Strecken unter -50 bewegen. Für eine Einschätzung der Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen der EU-Länder interessieren natürlich neben den Niveaus der absoluten und relativen Anteilswerte insbesondere ihre Veränderungen. In Tabelle 4.21 sind die entsprechenden Trendveränderungen wiedergegeben. Bei der realen Wertschöpfung können alle Länder bis auf Portugal eine mindestens auf einem Niveau von 5 % signifikante trendmäßige Zunahme des Anteils im FuE-intensiven Bereich verzeichnen. Verglichen mit dem Wert für alle 13 EU-Länder fällt diese Zunahme bei Finnland, Österreich, Frankreich und Deutschland besonders deutlich aus, wo die Trendveränderungen von 0,473 bis zu 0,412 Prozentpunkten pro Jahr reichen. Weniger stark ausgeprägt oberhalb des EU-Wertes liegen die Zunahmen bei

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

373

Tabelle 4.21: Trendveränderungen der Anteilswerte und RSYA für die Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich 1970 bis 1997 Land

EU FI AT FR DE UK SE ES NL DK IT BE GR PT

Trendkoe!zient (× 100) Anteilswerte real nominal 0,273 0,091c) (23,041)* (3,216) 0,473 0,268e) (9,519) (5,821) 0,506d) 0,466a) (24,939) (19,261) 0,426 0,234d) (32,219) (7,198) 0,412 0,308e) (15,284) (6,923) 0,350 0,110e) (15,645) (4,956) 0,333 0,198e) (9,200) (4,634) 0,312b) 0,391f) (5,753) (12,966) 0,306 -0,013e) (13,251) (-0,287) 0,161 0,214e) (4,982) (10,623) 0,154 -0,037c) (8,000) (-1,069) 0,130 0,186c) (4,263) (6,543) 0,050 0,021e) (2,050) (0,657) -0,080 -0,209e) (-4,288) (-5,436)

Trendkoe!zient

RSYA real –

nominal –

0,724 (5,507) 0,674a) (10,128) 0,412 (10,898) 0,230 (4,574) 0,115 (2,603) 0,107 (1,274) 0,126b) (0,855) 0,122 (2,036) -0,232 (-2,702) -0,210 (-5,100) -0,341 (-4,333) -0,365 (-4,172) -0,775 (-11,500)

0,432c) (2,946) 1,319c) (17,763) 0,425c) (10,498) 0,570c) (13,488) 0,055c) (1,130) 0,336c) (3,901) 1,078g) (7,979) -0,186c) (-2,080) 0,388c) (7,361) -0,323c) (-6,975) 0,281c) (2,882) -0,139c) (-1,126) -0,933c) (-7,157)

* t-Werte in Klammern a) 1975 - 1997 b) 1978 - 1997 c) 1970 - 1994 d) 1970 - 1995 e) 1970 - 1996 f) 1978 - 1996 g) 1978 - 1974

Großbritannien, Schweden, Spanien sowie den Niederlanden und die Zuwächse bei Dänemark, Italien, Belgien sowie insbesondere Griechenland sind nur unterdurchschnittlich. Portugal büßt hingegen trendmäßig pro Jahr 0,08 Prozentpunkte ein. Die Trendverläufe für die Anteilswerte bei der nominalen Wertschöpfungen bestätigen zwar im allgemeinen die Entwicklungen bei der realen Wertschöpfung, es gibt aber auch einige Unterschiede. So weicht die Rangfolge bei den trendmäßigen Zuwächsen teilweise recht deutlich von der zuvor ermittelten ab. Dies mag bei einigen Ländern auf die verkürzten Beobachtungszeiträume zurückzuführen sein,

374

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

bei anderen auf die bereits angesprochenen unterschiedlichen Verläufe der beiden Zeitreihen. Zudem kann nun auf allen üblichen Signifikanzniveaus bei den Niederlanden, Italien und Griechenland nicht mehr von signifikanten trendmäßigen Veränderungen der absoluten Anteilswerte ausgegangen werden. Noch deutlicher als zuvor bei der realen Wertschöpfung fällt der Rückfallprozeß bei Portugal aus. Wird auf die trendmäßigen Veränderungen der relativen Anteilswerte geblickt, so ergibt sich auch bei der realen Wertschöpfung ein dierenzierteres Bild. Sechs Länder können ihre relative Position innerhalb der EU verbessern. Dabei reichen die trendmäßigen jährlichen Zuwächse der RSYA von 0,724 Punkten bei Finnland bis zu 0,115 Punkten bei Großbritannien. Zwei Länder, Schweden und Spanien, erfahren keine Veränderungen, während die fünf EU-Länder am Ende der Tabelle trendmäßige Rückgänge der relativen Anteilswerte bei der realen Wertschöpfung im FuE-intensiven Bereich zu verzeichnen haben. Bei den RSYA für die nominale Wertschöpfung, die — mit der Ausnahme Spaniens, wo der Beobachtungszeitraum nur von 1978 bis 1994 reicht — für den verkürzten Zeitraum von 1970 bis 1994 ermittelt wurden, ergeben sich wiederum einige Abweichungen. Bei Großbritannien ist die trendmäßige Veränderung der RSYA auf den üblichen Signifikanzniveaus nicht mehr statistisch signifikant, während umgekehrt bei Schweden und Spanien nun von einem trendmäßigen Anstieg ausgegangen werden kann. Bei drei Ländern liegt ein hoch signifikanter Vorzeichenwechsel vor: Bei den Niederlanden ist es jetzt negativ und bei Dänemark sowie Belgien positiv. Schließlich kann bei Zugrundelegung der nominalen Wertschöpfung für Griechenland nicht mehr von einer Verschlechterung der relativen Spezialisierung ausgegangen werden. Wie bereits angesprochen, kann für eine detailliertere Analyse der Produktionsspezialisierung Ricardianischer Art eine Unterteilung des gesamten FuEintensiven Bereichs nur für die nominale Wertschöpfung bei acht EU-Staaten für einen verkürzten Beobachtungszeitraum von 1979 bis 1994 erfolgen. Die entsprechenden Anteilswerte für diese feinere Untergliederung sind in Abbildung 4.31 dargestellt, wobei die Länder wiederum absteigend nach ihren Anteilswerten für den gesamte FuE-intensiven Bereich am Ende des Beobachtungszeitraums geordnet sind. Im Bereich der Spitzentechnik nehmen die Niederlande mit Werten um 15 % bis 1987 die Spitzenposition ein. In den beiden Folgejahren setzt ein Rückgang ein, und seitdem verharren sie bei knapp über 13 %. Gleichzeitig holt Großbritannien, von 9,2 % in 1979 startend, bis 1988 stark auf und liegt seitdem mit ca. 14 % etwas oberhalb der Niederlande. Die dritte Position innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums nimmt Frankreich ein, das 1979 ebenfalls einen Anteil bei der Spitzentechnik von ca. 9 % aufweist und bis 1984 so weit aufschließt, daß es seitdem bei rund 12 % liegt. Deutschland befindet sich — ebenfalls von ca. 9 % ausgehend — beständig an der vierten Stelle. Sein Aufholprozeß führt es zunächst langsam aber kontinuierlich bis 1988 auf einen Anteilswert von 11,5 %, den es allerdings nur kurzfristig bis 1991 hält. Danach fällt es bis 1994 auf 10,2 % zurück. Die fünfte Position nimmt Schweden ein, das sich mit einigen Schwankungen von 7,8 % in 1979 auf 9,5 % in 1994 bewegt. Mit relativ deutlichem Abstand folgen die drei weiteren EU-Staaten, für die Daten für den gesamten verkürzten Beobachtungszeitraum verfügbar sind. Itali-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Deutschland

Großbritannien

1,0

1,0 Spitzentechnik

Spitzentechnik 0,8 Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

0,8 0,6 0,4 0,2

0,6 0,4

0,0

1984

1989

1994

1979

Schweden Spitzentechnik Anteilswert

Anteilswert

Hochwertige Technik

0,6

1984

1989

0,0 1979

1994

1994

1989

1994

Dänemark

Spitzentechnik

Spitzentechnik 0,8

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

1984

1,0

0,8

0,4 0,2

0,6

Hochwertige Technik

0,4 0,2

1984

1989

0,0 1979

1994

Finnland

1984 Italien

1,0

1,0 Spitzentechnik

Spitzentechnik 0,8

0,8

Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

1989

0,4

Niederlande

0,4 0,2

0,6

Hochwertige Technik

0,4 0,2

0,0 1979

1994

Hochwertige Technik

0,2

1,0

0,6

1989

Spitzentechnik

0,2

0,0 1979

1994

0,8

0,4

0,6

1989

1,0

0,8

0,0 1979

1984 Frankreich

1,0

0,6

Hochwertige Technik

0,2

0,0 1979

375

0,0

1984

1989

1994

1979

1984

Abbildung 4.31: Anteilswerte der nominalen Wertschöpfung im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik en, das 1979 mit einem Anteilwert von 5,1 % noch den sechsten Platz einnimmt, wird zunächst 1991 von Dänemark und dann 1994 auch von Finnland überholt

376

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Deutschland

Großbritannien

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik

75 50

50 RSYA

25

RSYA

Spitzentechnik Hochwertige Technik

75

0 -25 -50

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1979

1984

1989

1994

1979

Schweden Spitzentechnik Hochwertige Technik

50

Spitzentechnik Hochwertige Technik

75 50

25

25 RSYA

RSYA

1994

100

75

0 -25 -50

0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1979

1984

1989

1994

1979

1984

1989

1994

Dänemark

Niederlande 100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik

75 50

50

25

25

0

0

-25

-25

-50

-50

-75

-75

-100

-100 1979

1984

1989

Spitzentechnik Hochwertige Technik

75

RSYA

RSYA

1989

Frankreich

100

1979

1994

Finnland

1984

1989

1994

Italien

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik

75 50

Spitzentechnik Hochwertige Technik

75 50

25

RSYA

RSYA

1984

0 -25 -50

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1979

1984

1989

1994

1979

1984

1989

1994

Abbildung 4.32: RSYA für die nominale Wertschöpfung im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik und liegt dann bei 6,3 %. Dänemark, das 1979 nur einen Anteilswert von 4,6 % bei der Spitzentechnik aufweist, holt innerhalb dieser Schlußgruppe kontinuierlich bis

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

377

1991 auf und stagniert seitdem bei ca. 7 %. Finnland, bei einem Anteilswert von nur 3 % in 1979 startend, steigert diesen zunächst bis zum Beginn der neunziger Jahre langsam und anschließend beschleunigt, so daß es 1994 bei 7,7 % liegt. Bei der hochwertigen Technik sieht das Bild erwartungsgemäß etwas anders aus. Hier führt Deutschland im gesamten Beobachtungszeitraum deutlich. Von ca. 36 % startend, steigert es zunächst seinen Anteil bis 1985 kontinuierlich auf ca. 38 %, wo es bis 1989 verbleibt, um dann zunächst allmählich und von 1992 auf 1993 recht rasant auf den anfänglichen Wert zurückzugehen. Die zweite Position wird seit 1981 von Schweden eingenommen, das in diesem Jahr Großbritannien überholt, dann bei knapp über 34 % bis 1987 stagniert und anschließend bis 1993 eine Schrumpfung seines Wertschöpfungsanteils im Bereich der hochwertigen Technik auf 32 % erfährt. Ob der folgende Anstieg in 1994 auf 33,5 % permanent oder transitorisch ist, bleibt abzuwarten. Bei Großbritannien entwickeln sich die Anteilswerte wellenförmig von 33,9 % in 1979 auf 30,5 % in 1994 zurück. Auf ungefähr gleichem Niveau stagnierende wellenförmige Entwicklungen können für Dänemark und Frankreich (beide um 29 %) sowie Finnland (nach einer kurzen Aufholphase zu Beginn der achtziger Jahre um 26,5 %) beobachtet werden. Die Niederlande hingegen legen nach einer Stagnationsphase zu Beginn der achtziger Jahre von 1982 (24,8 %) bis 1988 (30,1 %) zunächst deutlich zu und fallen dann innerhalb kurzer Zeit bis 1991 wieder auf 25,3 % zurück, wo sie zumindest bis 1994 verbleiben. In Italien wird der Wertschöpfungsanteil bei der hochwertigen Technik in zwei Schritten von 1980 bis 1983 und von 1988 bis 1993 von 29,6 % auf 26,2 % reduziert. Die Veränderungen der Anteilswerte für die Wertschöpfung in den beiden Teilbereichen der gesamten FuE-intensiven Technik werden in verdichteter Form auch durch die geschätzten Trendkoe!zienten nachgezeichnet (vgl. Tabelle 4.22). Bei den Wertschöpfungsanteilen im Bereich der Spitzentechnik weisen sieben der acht betrachteten Länder von 1979 bis 1994 trendmäßig mindestens bei einem Signifikanzniveau von 5 % einen Anstieg auf, der bei Finnland mit jährlich 0,283 Prozentpunkten am stärksten und bei Schweden mit 0,069 Prozentpunkten am schwächsten ausgeprägt ist. Nur die Niederlande weisen trendmäßig bei einem Signifikanzniveau deutlich unter 5 % einen Rückgang in diesem Bereich auf. Anders sieht es im Bereich der hochwertigen Technik aus. Hier kann nur Finnland auf den üblichen Signifikanzniveaus einen trendmäßigen Anstieg verzeichnen. Frankreich, Deutschland, die Niederlande sowie Dänemark verbleiben mittelfristig auf dem gleichen Niveau und Großbritannien, Schweden sowie Italien verzeichnen einen Rückgang. Mit der aufgrund der unterschiedlichen Schätzzeiträume gebotenen Vorsicht bei der Interpretation kann man also davon ausgehen, daß bei den sechs Ländern, bei denen der nominale Wertschöpfungsanteil bei der gesamten FuE-intensiven Technik angestiegen ist, der Zuwachs vor allem durch eine trendmäßige Zunahme des Wertschöpfungsanteils bei der Spitzentechnik verursacht wurde. Bei den Niederlanden überwiegt die Verharrungstendenz im Bereich der hochwertigen Technik die Abnahme im Bereich der Spitzentechnik, und bei Italien kompensieren sich die gegenläufigen Entwicklungen gerade. Betrachtet man die auf die acht EU-Staaten bezogenen relativen symmetrischen Wertschöpfungsanteile, so bildet Deutschland im Bereich der Spitzentechnik mit

378

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.22: Trendveränderungen der Anteilswerte und RSYA für die Wertschöpfung im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik 1979 bis 1994 Land

FI FR DE UK SE NL DK IT

Trendkoe!zient (× 100) Anteilswerte Spitzentechnik Hochwertig 0,283 0,124 (10,463)* (2,368) 0,162 -0,062 (4,449) (-1,556) 0,110 0,063 (3,441) (1,077) 0,247 -0,243 (5,938) (-9,391) 0,069 -0,080 (1,999) (-1,759) -0,078 0,010 (-2,449) (0,103) 0,187 -0,008 (13,261) (-0,223) 0,103 -0,259 (5,250) (-9,606)

Trendkoe!zient

RSYA Spitzentechnik 2,861 (7,745) 0,352 (2,091) -0,079 (-0,690) 0,845 (5,391) -0,384 (-0,950) -1,568 (-8,326) 1,538 (9,490) 0,429 (4,887)

Hochwertig 0,816 (4,374) 0,155 (1,250) 0,531 (6,114) -0,391 (-3,137) 0,131 (1,009) 0,378 (1,339) 0,344 (2,381) -0,559 (-6,605)

* t-Werte in Klammern

seiner neutralen Position die Trennlinie zwischen einer positiven und negativen relativen Spezialisierung (vgl. Abbildung 4.32). Die Niederlande sind zunächst hochgradig positiv in diesem Bereich spezialisiert, bewegen sich aber bis 1988 knapp unter einen Wert von 25, wo sie seitdem verharren. Umgekehrt holt Großbritannien bis zu diesem Zeitpunkt leicht auf und liegt seitdem knapp über 25. Zudem ist Frankreich im Bereich der Spitzentechnik leicht positiv spezialisiert. Die verbleibenden vier Länder weisen eine mehr oder minder ausgeprägte negative Spezialisierung auf. Schweden liegt bis auf eine massive vorübergehende Abwärtsbewegung zwischen 1989 und 1991 durchgängig bei RSYA um -10. Dänemark und Italien sind hingegen — wenn sie auch im Zeitablauf leichte relative Verbesserungen aufweisen — in diesem Bereich durchgängig stark negativ spezialisiert. Anders bei Finnland, das 1979 mit der ausgeprägtesten negativen Spezialisierung startet und aus relativer Sicht ebenfalls deutlich aufholt, ohne allerdings bis 1994 den Wert von -25 überschreiten zu können. Im Bereich der hochwertigen Technik ist Deutschland das einzige der acht Länder, das deutlich positiv spezialisiert ist. Allerdings ist die Spannweite der RSYA hier insgesamt wesentlich geringer als bei der Spitzentechnik. So nehmen Großbritannien sowie Schweden eine neutrale Position ein und Frankreich sowie Dänemark sind nur leicht negativ spezialisiert. Deutlicher negativ spezialisiert sind die Niederlande, Finnland und Italien.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

379

Standardabweichung

24

22 y = 0,1598x + 18,428 R2 = 0,7489

20

18

16 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.33: Entwicklung der Standardabweichungen für die RSYA im FuE-intensiven Bereich Da im Bereich der Spitzentechnik fast alle betrachteten Länder ihre absoluten Anteile ausbauen können und der Bereich der hochwertigen Technik eher durch Stagnation bzw. Rückgang gekennzeichnet ist, ist es von besonderem Interesse, welche Länder im Zeitablauf relative Verbesserungen oder Verschlechterungen in diesen Bereichen erfahren haben. Hierüber geben die Trendveränderungen der RSYA Auskunft (vgl. Tabelle 4.22). Insgesamt kann im Bereich der Spitzentechnik fünf Ländern eine trendmäßige Verbesserung ihrer relativen Spezialisierung attestiert werden. Den größten Zuwachs realisiert Finnland mit trendmäßig jährlich 2,861 Punkten, gefolgt von Dänemark mit 1,538 Punkten und Großbritannien mit 0,845 Punkten. Deutlich geringer sind die Zuwächse bei Italien mit 0,429 Punkten und Frankreich mit 0,352 Punkten. Keine trendmäßigen Veränderungen weisen Deutschland und Schweden bei den üblichen Signifikanzniveaus auf, während die Niederlande mit -1,538 Punkten eine deutliche Verschlechterung seiner relativen Position erlebt. Anders sieht es im Bereich der hochwertigen Technik aus. Hier weisen Finnland, Deutschland und Dänemark hoch signifikante Verbesserungen ihrer relativen Positionen auf. Keine Veränderungen können bei Frankreich, Schweden und den Niederlanden diagnostiziert werden, während die RSYA bei Großbritannien und Italien trendmäßig rückläufig sind. Obwohl ein Vergleich mit den Veränderungen der RSYA für die nominale Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich sowohl durch die unterschiedlichen Schätzzeiträume als auch Bezugsaggregate erschwert wird, lassen sich einige vorsichtige Schlüsse ziehen. Bei den nordeuropäischen Ländern Finnland und Dänemark ist die Verbesserung der relativen Position bei der gesamten FuEintensiven Technik sowohl durch die relativen Zuwächse bei der Spitzentechnik als auch bei der hochwertigen Technik bedingt. Anders sieht es bei Frankreich, wo der relative Zuwachs bei der Spitzentechnik das Stagnieren bei der hochwertigen Technik dominiert, und spiegelbildlich bei Deutschland aus. Bei Großbritannien scheinen sich die beiden gegenläufigen Eekte gerade zu kompensieren und bei den Niederlanden sowie Italien überwiegen die negativen Entwicklungen bei der Spitzen- bzw. hochwertigen Technik.

380

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Die unbefriedigende Datenlage erschwert auch die Analyse der Frage, ob es mit den Verschiebungen der relativen Stärken bzw. Schwächen der einzelnen EULänder bei der Wertschöpfung im FuE-intensiven Bereich zu einer Zu- oder Abnahme der relativen Konzentration auf einzelne Länder kommt. Deshalb wird im folgenden nur die Entwicklung der Streuung der RSYA für die reale Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich betrachtet. Abbildung 4.33 zeigt die Entwicklung der dafür ermittelten Standardabweichungen. Sie nehmen trendmäßig zwischen 1970 und 1997 hoch signifikant zu. Es ist also von einer im Zeitablauf stärkeren Streuung der relativen Stärken und Schwächen zwischen den EULändern auszugehen. Wenn auch die Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Länderanzahl und des anderen Beobachtungszeitraums etwas erschwert ist, unterscheidet sich diese Entwicklung deutlich von der bei den Standardabweichungen für die symmetrischen relativen Patentanteile.

4.3.3

Exportspezialisierung

Die FuE-intensiven Sektoren des Verarbeitenden Gewerbes sind in den meisten EU-Ländern hochgradig internationalisiert. Mithin spiegelt sich in den Exporten dieses Bereichs im besonderen Maße die technologische Leistungsfähigkeit, die Nutzung von Wissen und Humankapital sowie die Innovationsfähigkeit wider: Technologische Faktoren sind hier — z. B. verglichen mit preislichen Faktoren — besonders wichtige Wettbewerbsparameter (Legler/Beise/Gehrke u. a., 2000). Dies zeigt sich auch daran, daß die Anteilswerte der Exporte im FuE-intensiven Bereich bei den meisten EU-Ländern deutlich höher liegen als die entsprechenden Zahlen für die Wertschöpfung (vgl. die Abbildungen 4.34 und 4.35). Eine durchgängige Ausnahme bildet hier nur Griechenland, und bei Finnland sowie Portugal liegen die Anteilswerte für die Produktion zu Beginn des Beobachtungszeitraums höher als jene für die Exporte im FuE-intensiven Bereich. EU-weit liegen die Anteilswerte für die Exporte im Bereich der hochwertigen Technik im gesamten Beobachtungszeitraum von 1970 bis 1996 recht beständig um einen Mittelwert von 45,2 %, während die Anteile der Exporte im Bereich der Spitzentechnik nach einer von 1970 bis 1981 reichenden Phase der Stagnation um 7,6 % kontinuierlich bis auf 14 % im Jahr 1996 angestiegen sind. Werden die einzelnen EU-Staaten betrachtet, die wiederum in absteigender Rangfolge nach ihren Anteilswerten für die Exporte im gesamten FuE-intensiven Bereich geordnet sind, so übernimmt Deutschland genauso wie bei der Wertschöpfung den ersten Platz. Dabei fallen insbesondere die durchgängig sehr hohen Anteilswerte für den Bereich der hochwertigen Technik auf. Hingegen sind die Exportanteile im Bereich der Spitzentechnik bis in die Mitte der achtziger Jahre durchschnittlich und danach sogar unterdurchschnittlich. Umgekehrt sieht es bei Großbritannien aus: Während die Anteilswerte für den Bereich der hochwertigen Technik durchschnittlich sind, fallen die Exportanteile im Bereich der Spitzentechnik vergleichsweise hoch aus. In abgeschwächter Form gilt dies im zweiten Teil des Beobachtungszeitraums auch für Schweden (seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre) und Frankreich (seit der ersten Hälfte der achtziger Jahre). Mit Blick auf die Anteilswerte im Bereich der Spitzentechnik findet sich seit der ersten Hälfte

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Deutschland

1,0

1,0

0,8

0,8 Anteilswert

Anteilswert

EU

0,6 0,4 0,2

Spitzentechnik

1975

1980

0,6 0,4 0,2

Hochwertige Technik

0,0 1970

1985

1990

0,0 1970

1995

Spitzentechnik Hochwertige Technik

1975

0,8

0,8

0,6

0,2 0,0 1970

Spitzentechnik

1980

1985

1985

1990

1995

1990

1995

1990

1995

1990

1995

0,6 0,4 0,2

Hochwertige Technik

1975

1980

Schweden

1,0

Anteilswert

Anteilswert

Großbritannien

1,0

0,4

381

1990

0,0 1970

1995

Spitzentechnik Hochwertige Technik

1975

1980

1985

Spanien

Frankreich

1,0

1,0

0,8

0,8 Anteilswert

Anteilswert

Spitzentechnik

0,6 0,4 0,2 0,0 1970

Spitzentechnik

1980

Hochwertige Technik

0,4 0,2

Hochwertige Technik

1975

0,6

1985

1990

0,0 1970

1995

1975

Niederlande

1,0 Spitzentechnik

Spitzentechnik

0,8 Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

0,8

0,4 0,2 0,0 1970

1985

Österreich

1,0

0,6

1980

0,6

Hochwertige Technik

0,4 0,2

1975

1980

1985

1990

1995

0,0 1970

1975

1980

1985

Abbildung 4.34: Anteilswerte der Exporte im FuE-intensiven Bereich der achtziger Jahre ebenfalls eine ähnliche Entwicklung bei den Niederlanden, während die Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik durchgängig unterdurchschnittlich sind.

382

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Belgien

Italien

1,0

1,0 Spitzentechnik

Spitzentechnik

0,6

0,8 Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

0,8

0,4 0,2 0,0 1970

0,6

Hochwertige Technik

0,4 0,2

1975

1980

1985

1990

0,0 1970

1995

1975

Finnland Spitzentechnik

Anteilswert

Anteilswert

0,6

1995

1990

1995

Hochwertige Technik

0,4 0,2

1975

1980

1985

1990

0,0 1970

1995

1975

1980

1985

Griechenland

Portugal

1,0

1,0

Spitzentechnik

Spitzentechnik

0,8

0,8 Hochwertige Technik

Anteilswert

Anteilswert

1990

Spitzentechnik

0,2

0,4

0,6

Hochwertige Technik

0,4 0,2

0,2 0,0 1970

1995

0,8 Hochwertige Technik

0,4

0,6

1990

1,0

0,8

0,0 1970

1985

Dänemark

1,0

0,6

1980

1975

1980

1985

1990

1995

0,0 1970

1975

1980

1985

Abbildung 4.35: Anteilswerte der Exporte im FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung)

Die Entwicklung Spaniens, das innerhalb der EU inzwischen bei den Anteilswerten für die Exporte im FuE-intensiven Bereich den fünften Platz einnimmt, ist durch einen ausgeprägten Aufholprozeß gekennzeichnet, der zwischen 1986 und 1992 besonders intensiv ist. Dabei sind jedoch die Exportanteile im Bereich der Spitzentechnik weiterhin relativ gering. Ähnliche, wenn auch weniger rasante Aufholprozesse finden sich auch bei Österreich und Belgien. Hingegen wird der Aufholprozeß Finnlands, das aber bis 1996 noch nicht das Niveau der zuvor genannten Länder erreicht hat, in der ersten Hälfte der siebziger Jahre vor allem von einer Steigerung der Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik getrieben, bevor in der ersten Hälfte der achtziger Jahre ein kontinuierlicher Anstieg der Exportanteile im Bereich der Spitzentechnik einsetzt.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

383

Tabelle 4.23: Trendveränderungen der Anteilswerte der Exporte im FuE-intensiven Bereich 1970 bis 1996 Land EU ES FI AT BE NL PT FR UK SE DE DK IT GR

Trendkoe!zient (× 100) FuE-intensiv Spitzentechnik Hochwertig 0,238 0,267 -0,028 (7,653)* (15,587) (-1,226) 1,104 0,264 0,840 (17,146) (15,327) (16,109) 0,849 0,414 0,435 (14,799) (9,096) (7,228) 0,773 0,196 0,577 (30,685) (12,084) (30,120) 0,576 0,095 0,481 (13,112) (7,459) (12,785) 0,511 0,336 0,175 (11,027) (6,314) (4,570) 0,486 -0,068 0,554 (8,651) (-3,045) (12,423) 0,475 0,420 0,055 (16,490) (14,718) (1,420) 0,420 0,620 -0,200 (14,918) (18,586) (-6,602) 0,397 0,377 0,019 (9,861) (9,661) (0,598) 0,240 0,187 0,053 (8,631) (14,373) (2,182) 0,222 0,312 -0,090 (4,555) (12,462) (-2,454) 0,055 0,080 -0,025 (1,029) (4,288) (-0,565) 0,026 0,041 -0,015 (0,474) (3,004) (-0,302)

* t-Werte in Klammern

Anders als die gerade genannten relativ stark aufholenden Länder weisen Italien und Dänemark — bereits 1970 bei Anteilwerten von 49 % bzw. 40 % für die Exporte im FuE-intensiven Bereich liegend — keine bzw. nur eine leicht Zunahme auf. Dabei dominiert bei Italien die Persistenz der Anteilswerte für die hochwertige Technik die leichte Zunahme im Bereich der Spitzentechnik. Im Falle Dänemarks basiert diese Gesamtentwicklung zum einen auf einer abrupten geringfügigen Abnahme der Anteilswerte für die hochwertige Technik in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre und zum anderen auf einer kontinuierlichen Zunahme der Anteilswerte für die Spitzentechnik seit dem Beginn der achtziger Jahre. Die beiden letzten Plätze innerhalb der Rangfolge der betrachteten EU-Staaten werden wiederum — wenn auch in anderer Reihenfolge als bei der Wertschöpfung —

384

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

von Portugal und Griechenland eingenommen. Dabei ist auällig, daß Portugal seine Position im Zeitablauf deutlich verbessern kann, während Griechenlands Exportanteile im FuE-intensiven Bereich im gesamten Beobachtungszeitraum auf näherungsweise gleichem Niveau unterhalb von 20 % liegen. Zudem sind die Exportanteile Griechenlands im Bereich der Spitzentechnik mit Werten um 2 % verschwindend klein. Näheren Aufschluß über die längerfristigen Entwicklungen der Exportanteile liefern die Trendveränderungen, die in Tabelle 4.23 wiedergegeben sind. Dabei dominieren sowohl bei der gesamten FuE-intensiven Technik als auch bei dem Teilsegment der Spitzentechnik die trendmäßigen Zunahmen. Bei der gesamten FuE-intensiven Technik kann auf den üblichen Signifikanzniveaus nur bei Italien und Griechenland nicht von einem Anstieg ausgegangen werden. Dabei setzt Deutschland den Durchschnittswert für das Aggregat der EU-Länder, unterhalb dessen Punktschätzwert bei den Ländern mit einem Anstieg nur noch der Punktschätzwert für Dänemark liegt. Bei den Anteilswerten für die Spitzentechnik besitzt hingegen lediglich Portugal ein hoch signifikantes negatives Vorzeichen, während die Trendverläufe bei den anderen EU-Ländern sowie dem EU-Aggregat hoch signifikant positiv sind. Bei der hochwertigen Technik sieht das Bild etwas dierenzierter aus. EU-weit sowie bei Frankreich, Schweden, Italien und Griechenland kann hier keine Veränderung diagnostiziert werden. Dagegen liegt bei der Mehrheit der EU-Länder auch hier eine Zunahme vor und nur bei Dänemark eine hoch signifikante Abnahme. Bei den sechs Ländern, die sowohl bei den Anteilswerten für die Spitzentechnik als auch für die hochwertige Technik signifikante Zuwächse verzeichnen, lassen sich drei Gruppen unterscheiden. Bei Spanien (Rang 1), Österreich (Rang 3) und Belgien (Rang 4) sind die Trendveränderungen im Bereich der hochwertigen Technik wesentlich stärker ausgeprägt als bei der Spitzentechnik. Bei Finnland weisen die Trendveränderungen in beiden Bereichen die gleiche Größenordnung auf. Die dritte Gruppe bilden zwei technologisch sehr weit fortgeschrittene Länder, die Niederlande und Deutschland, bei denen die absoluten Trendveränderungen im Bereich der Spitzentechnik größer sind als bei der hochwertigen Technik. Nimmt man zu den stark aufholenden ersten vier Ländern noch Portugal hinzu, bei dem der positive Trend im Bereich der hochwertigen Technik die negative Entwicklung bei den Anteilswerten im Bereich der Spitzentechnik eindeutig dominiert, so deuten diese Befunde darauf hin, daß technologische Aufholprozesse bei den Exporten nicht allein über einen Ausbau der Anteile im Bereich der Spitzentechnik erfolgen können. Bei weiteren vier Ländern, die bei den Exporten im gesamten Bereich der FuE-intensiven Technik zulegen und bereits anfänglich recht hohe Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik aufweisen, sieht die Entwicklung anders aus. Bei Frankreich und Schweden bleiben die Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik trendmäßig unverändert, während sie bei Großbritannien und Dänemark abnehmen. Schließlich nehmen bei den Ländern, bei denen im gesamten FuE-intensiven Bereich keine trendmäßigen Veränderungen festzustellen sind, zwar die Anteilswerte im Bereich der Spitzentechnik leicht zu, es überwiegen aber die Verharrungstendenzen im Bereich der hochwertigen Technik.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Deutschland

Großbritannien

75

75

50

50

25

25

RSXA

100

RSXA

100

0 -25

0 -25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-50 -75

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-50 -75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Schweden

75

50

50

25

25

RSXA

75

RSXA

100

0 -25 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-50 -75

1985

1990

1995

0 -25 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-50 -75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Spanien

1980

1985

1990

1995

Niederlande 100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50

25

25 RSXA

RSXA

1980

Frankreich

100

0 -25

0 -25

-50

-50

-75

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

Österreich

1985

1990

1995

Belgien

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50

25

RSXA

RSXA

385

0 -25 -50

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.36: RSXA für die Exporte im FuE-intensiven Bereich Für die Beurteilung der internationalen Wettbewerbspositionen innerhalb der EU sowie deren Veränderungen sind bei einer EU-weiten Zunahme der absoluten Anteilswerte im Bereich der Spitzentechnik und Persistenz der absoluten

386

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Italien

Finnland

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50

25

RSXA

RSXA

50 0 -25 -50

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Dänemark

1990

1995

25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

RSXA

RSXA

100 75 50 25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

50

1985

Portugal

100 75

1980

0 -25 -50 -75 -100

0 -25 -50 -75

-100 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Griechenland

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75

RSXA

50 25 0 -25 -50 -75 -100 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.37: RSXA für die Exporte im FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung) Anteilswerte im Bereich der hochwertigen Technik natürlich die relativen symmetrischen Exportanteile (RSXA) von besonderem Interesse. Die Abbildungen 4.36 und 4.37 zeigen, daß Deutschland und Großbritannien die beiden Länder sind, die im gesamten Beobachtungszeitraum bezogen auf die betrachteten EU-Länder im Bereich der FuE-intensiven Technik positiv spezialisiert sind. Die Ursachen hierfür sind jedoch unterschiedlich. Deutschlands Stärke liegt eindeutig im Bereich der hochwertigen Technik, während es im Bereich der Spitzentechnik bis in die Mitte der achtziger Jahre keine Spezialisierung aufweist und danach zunehmend eine negative Spezialisierung entwickelt. Großbritannien hingegen bewegt sich bei der hochwertigen Technik durchgängig um die Nullinie und spezialisiert sich von einem bereits anfänglich hohen Niveau ausgehend in den siebziger und der ersten Hälfte der achtziger Jahre noch stärker im Bereich der Spitzentechnik.

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

387

Schweden und Frankreich sind kaum im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik und im Teilsegment der hochwertigen Technik spezialisiert. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums trit dies auch auf die Spitzentechnik zu. Seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre erlangt jedoch Schweden in diesem Bereich eine zunehmende positive Spezialisierung und Frankreich nimmt hier bereits zu Beginn der achtziger Jahre eine positive Spezialisierung ein, die es zu Beginn der neunziger Jahre noch etwas ausbaut. Der für Spanien bereits bei den absoluten Exportanteilen erkennbare technologische Aufholprozeß zeigt sich auch sehr deutlich in den RSXA. Im Bereich der FuE-intensiven und hochwertigen Technik in 1970 bei stark negativen Werten von -46 und -40 startend, erreicht es bis 1992 die Werte 1 und 10, also eine neutrale bzw. leicht positive Spezialisierung, bei denen es in den Folgejahren stagniert. Im Bereich der Spitzentechnik ist zwar auch eine Verbesserung des Spezialisierungsgrades zu erkennen, es bleibt aber hier mit Werten um -50 deutlich negativ spezialisiert. Die Niederlande verbessern ihre relative Position im Bereich der FuE-intensiven und der hochwertigen Technik ebenfalls, sind aber im zuletzt genannten Bereich mit den seit dem Ende der achtziger Jahre erreichten Werten um -25 recht deutlich negativ spezialisiert. Die seitdem gleichzeitig zu beobachtende Zunahme der RSXA für den gesamten FuE-intensiven Bereich rührt allein von einer relativen Verbesserung im Bereich der Spitzentechnik her. In diesem Bereich haben die Niederlande seit 1970 eine V-förmige Entwicklung durchgemacht, so daß sie 1996 wieder näherungsweise das Anfangsniveau erreichten. Für Österreich und Belgien bestätigen die RSXA sehr deutlich, daß bei diesen Ländern die technologischen Aufholprozesse bei den Exporten vor allem über die Exporte aus dem Bereich der hochwertigen Technik erfolgten. Hier nähern sie sich von stark negativen Spezialisierungen ausgehend der Nullinie an, während die relativen Spezialisierungen im Bereich der Spitzentechnik nach vorübergehenden Verschlechterungen auf niedrigem oder sehr niedrigem Niveau verharren. Italien, das 1970 sowohl in der Spitzen- als auch hochwertigen Technik leicht negativ spezialisiert ist, realisiert im Bereich der Spitzentechnik eine sehr ausgeprägte relative Verschlechterung und im Bereich der hochwertigen Technik einen V-förmigen Verlauf. Hierdurch kann es auch seine relative Position im gesamten FuE-intensiven Bereich nicht halten. Bei Finnland kann ein etwas anderes Aufholmuster als bei Österreich und Belgien beobachtet werden. Es ist zunächst in der Spitzentechnik extrem und in der hochwertigen Technik sehr negativ spezialisiert, holt bis zur Mitte bzw. zur zweiten Hälfte der siebziger Jahre nur gering auf, um dann zunächst in der hochwertigen Technik seit Beginn der achtziger Jahre weiter sehr langsam und in der Spitzentechnik seit der Mitte der achtziger Jahre rasant die relativen Anteilswerte zu steigern. Als Konsequenz bleibt es im hochwertigen und gesamten FuE-intensiven Bereich deutlich negativ spezialisiert, während es im Bereich der Spitzentechnik am aktuellen Rand die Nullinie gerade überschreitet. Wiederum anders entwickeln sich die relativen Spezialisierungen Ricardianischer Art bei Dänemark. Es ist zunächst bis zur Mitte der achtziger Jahre sowohl bei den Exporten aus dem Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik als auch aus den beiden Teilsegmenten mit Werten um -25 deutlich negativ spe-

388

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

zialisiert. Danach verbessert es seine Position bei der Spitzentechnik innerhalb weniger Jahre, so daß es sich seit Mitte der achtziger Jahre kontinuierlich knapp unterhalb der Nullinie bewegt. Diese Verbesserung belastet die Position in der hochwertigen Technik etwas, ohne daß der Spezialisierungsgrad bei der gesamten FuE-intensiven Technik längerfristig beeinflußt wird. Die beiden technologisch am wenigsten fortgeschrittenen Länder innerhalb der EU zeigen bezogen auf die Exporte deutlich unterschiedliche Entwicklungen ihrer relativen Spezialisierungen. Bei Portugal steigen die relativen Exportanteile im Bereich der gesamten FuE-intensiven sowie der hochwertigen Technik mit zwei größeren Schritten zu Beginn und zum Ende des Beobachtungszeitraums recht kontinuierlich von -88 sowie -81 auf -41 sowie -31, während bei den Exporten aus dem Bereich der Spitzentechnik Mitte der achtziger Jahre ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen ist: von 1970 bis 1985 liegt der Mittelwert der RSXA bei -17,5, danach bis 1996 bei -68,3. Hingegen ist Griechenland sowohl bei den Exporten aus dem gesamten FuE-intensiven Bereich als auch aus den beiden Teilsegmenten im gesamten Beobachtungszeitraum extrem negativ spezialisiert. Die Analyse der Ricardianischen Exportspezialisierung wird durch die Schätzung der Trendveränderungen der RSXA vervollständigt (vgl. Tabelle 4.24). Bei den auf die Exporte aus dem gesamten FuE-intensiven Bereich bezogenen RSXA verzeichnen neun der betrachteten 13 EU-Länder hoch signifikante positive Trends, bei zwei Ländern (Dänemark und Griechenland) kann keine langfristige Veränderung festgestellt werden und zwei Länder (Deutschland und Italien) erfahren eine trendmäßige Verschlechterung ihrer relativen Position. Im Falle Deutschlands ist dies sicher noch nicht problematisch, weil es auch am Ende des Beobachtungszeitraums noch die beste relative Position aufweist, so daß die Länder mit positiven Trendveränderungen zwar aufgeholt, aber Deutschland nicht überholt haben. Schwieriger wird die Lage für Italien, wenn die beobachteten Trends auch die zukünftigen Entwicklungen bestimmen sollten. Den größten Anlaß zur Sorge bereitet jedoch Griechenland, weil hier bei einer allgemeinen Zunahme des Außenhandels mit FuE-intensiven Gütern keine Verbesserung der extrem negativen Spezialisierung zu erkennen ist. Bei den beiden ihre relative Position bei den Exporten von FuE-intensiven Gütern am stärksten ausbauenden Ländern, Spanien und Finnland, erfolgt der Aufholprozeß sowohl bei den Gütern der Spitzentechnik als auch der hochwertigen Technik. Dabei fällt der Punktschätzwert für die Trendveränderung der RSXA bei Spanien bei den hochwertigen Gütern leicht höher aus als bei der Spitzentechnik, während er bei Finnland deutlich niedriger ist als der für die Spitzentechnik. Anders sieht es bei den drei danach folgenden Ländern aus, die nur bei ihrer relativen Position im Bereich der hochwertigen Technik eine hoch signifikante Verbesserung erfahren. Bei der Spitzentechnik bleibt im Falle Österreichs der Spezialisierungsgrad trendmäßig gleich und Belgien sowie Portugal verschlechtern ihre Positionierung innerhalb der EU. Auch bei den Niederlanden erfolgt die trendmäßige Verbesserung der RSXA im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik allein über die hochwertige Technik. Dagegen erfahren Frankreich und Schweden zwar sowohl bei der Spitzen- als auch hochwertigen Technik eine trendmäßige Zunahme der RSXA, aber bei erste-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

389

Tabelle 4.24: Trendveränderungen der RSXA für die Exporte im FuE-intensiven Bereich 1970 bis 1996 Land ES FI AT BE PT NL FR SE UK DK GR DE IT

FuE-intensiv 1,935 (19,829)* 1,635 (13,437) 1,237 (22,642) 0,850 (12,414) 0,836 (6,507) 0,648 (11,131) 0,431 (7,830) 0,298 (8,436) 0,241 (5,856) 0,099 (1,176) -0,043 (-0,544) -0,068 (-2,052) -0,305 (-3,829)

Trendkoe!zient Spitzentechnik 1,646 (10,391) 3,114 (8,924) -0,124 (-0,588) -0,885 (-5,749) -2,973 (-8,496) 0,136 (0,412) 1,028 (8,188) 0,622 (3,494) 0,854 (6,589) 1,036 (6,095) -0,129 (-1,391) -0,639 (-5,259) -1,386 (-8,826)

Hochwertig 2,125 (21,563) 1,279 (7,706) 1,546 (25,696) 1,300 (21,065) 1,497 (11,745) 0,527 (5,658) 0,193 (2,470) 0,108 (1,807) -0,379 (-6,377) -0,189 (-2,075) -0,010 (-0,110) 0,145 (5,297) -0,001 (-0,014)

* t-Werte in Klammern

rer ist sie wesentlich ausgeprägter. Bei Großbritannien ist die Entwicklung noch zugespitzter. Die Stärkung seiner relativen Position bei den Exporten aus dem Bereich der Spitzentechnik erfolgt parallel zum Rückgang der RSXA im Bereich der hochwertigen Technik. Dänemark erfährt zwar auch diese gegenläufige Entwicklungen, aber hier kompensieren sie sich gerade, so daß die Spezialisierung im gesamten FuE-intensiven Bereich trendmäßig gleich bleibt. Bei Griechenland kann weder bei der Spitzen- noch bei der hochwertigen Technik eine trendmäßige Veränderung festgestellt werden. Bei Deutschland und Italien ist die Ursache für die trendmäßige Verschlechterung ihrer relativen Position im gesamten FuE-intensiven Bereich vor allem ein Rückgang der RSXA im Bereich der Spitzentechnik. Im Bereich der hochwertigen Technik kann Deutschland sogar eine Zunahme der Spezialisierung realisieren, und bei Italien bleibt der Spezialisierungsgrad trendmäßig gleich.

390

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten FuE-intensiv

Standardabweichung

50 45 40 y = -0,1378x + 32,959 R2 = 0,4995

35 30 25 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1990

1995

1990

1995

Spitzentechnik

Standardabweichung

50 45 40 y = 0,1045x + 38,71 R2 = 0,267

35 30 25 1970

1975

1980

1985

Hochwertige Technik

Standardabweichung

50 45 40 y = -0,1655x + 33,227 R2 = 0,6333

35 30 25 1970

1975

1980

1985

Abbildung 4.38: Entwicklung der Standardabweichungen der RSXA (bezogen auf die EU) im FuE-intensiven Bereich Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß bei einem mit Ausnahme von Italien und Griechenland in fast allen EU-Ländern anzutreenden Anstieg der Exportanteile im FuE-intensiven Bereich die Länder mehrheitlich ihre relativen Positionen zu Lasten des weiterhin führenden Landes Deutschland ausbauen können. Im Bereich der Spitzentechnik, wo nur Portugal im Zeitablauf einen Rückgang seines absoluten Exportanteils erfährt, verteilen sich die Verschiebungen der relativen Anteilswerte auf mehrere Schultern: sechs Länder bauen sie aus,

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

391

drei Länder stagnieren und bei vier Ländern schrumpfen sie. Anders sieht es im Bereich der hochwertigen Technik aus. Hier erfolgt die Steigerung der relativen Anteile bei neun Ländern zu Lasten von Großbritannien und Dänemark, bei denen auch die absoluten Anteile zurückgehen, sowie Italiens, das seinen absoluten Anteil trendmäßig halten kann. Auskunft darüber, ob mit Blick auf die gesamte EU mit den beobachteten Verschiebungen der relativen Positionen eine Vergrößerung oder Verkleinerung des Abstandes zwischen den einzelnen Ländern einhergeht, d. h. ob eine zuoder abnehmende Konzentration der Exporte im FuE-intensiven Bereich auf bestimmte EU-Länder festgestellt werden kann, geben wiederum die Entwicklungen der Streuungen der RSXA im FuE-intensiven Bereich, die mittels der Standardabweichungen gemessen werden (vgl. Abbildung 4.38). Für den gesamten FuEintensiven Bereich kann dabei zwischen 1970 und 1996 trendmäßig ein deutlicher Rückgang der Streuung konstatiert werden, d. h. hier kann von einer abnehmenden Konzentration ausgegangen werden. Allerdings wird dieser Rückgang nur von der trendmäßigen Abnahme der Streuung der RSXA bei der hochwertigen Technik getragen. Hingegen nimmt bei den RSXA für die Spitzentechnik die Streuung trendmäßig moderat zu, so daß hier von einer leichten Zunahme der Konzentration dieser Exporte auf bestimmte EU-Länder auszugehen ist, die sich vor allem am aktuellen Rand verstärkt. Dieser Befund ist jedoch nicht überraschend, weil hier die relativen Aufhol- und Rückfallprozesse am ausgeprägtesten sind.

4.3.4

Außenhandelsspezialisierung

Während bei der Betrachtung der Exportspezialisierung Ricardianischer Art nur auf die Position der einzelnen Länder auf den Auslandsmärkten geblickt wird, wird bei der Analyse der Außenhandelsspezialisierung dieser Art über das Verhältnis von Exporten zu Importen im FuE-intensiven Bereich auch die Konkurrenz auf den jeweiligen Inlandsmärkten einbezogen. Auskunft über den absoluten Grad der Außenhandelsspezialisierung können die Export-Import-Quotienten im FuE-intensiven Bereich geben. Die Abbildungen 4.39 und 4.40 zeigen diese Quotienten für die betrachteten EU-Länder im Zeitraum von 1970 bis 1996. Dabei weist Deutschland im gesamten Beobachtungszeitraum, wenn auch mit abnehmender Tendenz, den ausgeprägtesten Exportüberschuß im FuE-intensiven Bereich auf. Im Jahr 1970 ist der nominale Wert der Exporte ca. 2,6mal so hoch wie der der Importe aus diesem Bereich. Im Jahr 1996 beträgt dieses Verhältnis immerhin noch ca. 1,6. Dabei liegt Deutschlands Stärke eindeutig im Bereich der hochwertigen Technik, wo der Export-Import-Quotient von ca. 2,9 in 1970 auf ca. 1,9 in 1996 fiel. Dagegen bewegt es sich im Bereich der Spitzentechnik von einem Quotienten von ca. 1,5 in 1970 auf ein ausgeglichenes Export-Import-Verhältnis zu, das es Anfang der achtziger Jahre erreicht. Bei den ersten drei der nachfolgenden Länder, die nach dem Export-ImportQuotienten im Bereich der FuE-intensiven Technik im Jahr 1996 in absteigender Reihenfolge geordnet sind, ist der Exportüberschuß im gesamten FuE-intensiven Bereich bei weitem nicht so stark ausgeprägt. Schweden, Italien und Frankreich können hier sowie bei der hochwertigen Technik im gesamten Beobachtungszeit-

392

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

raum nur einen Quotienten von maximal 1,5 erzielen. Deutlich unterschiedlich sind jedoch bei diesen drei Ländern die Entwicklungen im Bereich der Spitzentechnik. Während Schweden und Frankreich eine ausgeglichene oder leicht positive Bilanz vorweisen, bei der sich der positive Trend am aktuellen Rand leicht bis deutlich verstärkt, realisiert Italien hier seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre durchgängig Importüberschüsse. Bei Belgien und den Niederlanden kann beim Außenhandel sowohl im gesamten FuE-intensiven Bereich als auch im Bereich der hochwertigen Technik weitgehend eine ausgeglichene Bilanz beobachtet werden, im Bereich der Spitzentechnik liegen dagegen fast durchgängig oder zumindest in langen Phasen leichte Importüberschüsse vor. Bei Finnland spiegeln auch die Export-Import-Quotienten den technologischen Aufholprozeß wider. Liegen diese sowohl im gesamten FuE-intensiven Bereich als auch im Bereich der hochwertigen Technik im Jahr 1970 nur bei ca. 0,4 und im Bereich der Spitzentechnik nur bei ca. 0,2, so steigen sie bis 1996 in allen Bereichen auf ca. 1,1 an. Einen ähnlichen, wenn auch weniger ausgeprägten Aufholprozeß erlebten auch Dänemark und Österreich. Umgekehrt fällt Großbritannien vor allem im Bereich der hochwertigen Technik und damit auch im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik deutlich zurück. Die entsprechenden Quotienten bewegen sich von 2,2 bzw. 1,9 im Jahr 1970 bis 1983 auf eins zu, wo sie seitdem verharren. Die leichten Exportüberschüsse im Bereich der Spitzentechnik, die Großbritannien in den siebziger Jahren noch realisiert, verschwinden ebenfalls zu Beginn der achtziger Jahre. Unter den peripheren südeuropäischen EU-Mitgliedern zeigt nur Spanien bis zur Mitte der achtziger Jahre einen relativ ausgeprägten Aufholprozeß bei den Export-Import-Quotienten im FuE-intensiven Bereich, der im Bereich der hochwertigen Technik stärker ausfällt als bei der Spitzentechnik. Anschließend kann allerdings im erstgenannten sowie auch im gesamten FuE-intensiven Bereich eine U-förmige Entwicklung beobachtet werden, bevor ab 1994 wieder Werte knapp unter dem Niveau von 1984 realisiert werden, während im Bereich der Spitzentechnik nach einer Stagnationsphase ab 1993 eine Niveauverschiebung nach oben zu erkennen ist. Hingegen holt Portugal bis zur Mitte der achtziger Jahre im Bereich der hochwertigen sowie der gesamten FuE-intensiven Technik nur leicht auf, wobei es aber den Wert von 0,5 kaum überschreitet. Genauso wie zuvor bei den Exporten ist Portugal auch beim gesamten Außenhandel bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre im Bereich der Spitzentechnik höher spezialisiert als im Bereich der hochwertigen Technik. Dann werden hier allerdings ungefähr nur noch die gleichen niedrigen Export-Import-Quotienten realisiert wie bei der hochwertigen Technik. Das Schlußlicht innerhalb der EU bildet durchgängig Griechenland, das zu Beginn der Beobachtungsperiode sowohl im Bereich der hochwertigen Technik als auch der Spitzentechnik nur ein Export-Import-Verhältnis von ca. 0,04 aufweist, das auch am aktuellen Rand ca. 0,15 nicht übersteigt. Zur Ermittlung der längerfristigen Veränderungen der Export-Import-Quotienten wurden wiederum Trendschätzungen durchgeführt (vgl. Tabelle 4.25). Dabei zeigt sich für den gesamten FuE-intensiven Bereich trendmäßig ein deutlicher Prozeß der Annäherung an eine ausgeglichene Bilanz, weil die Länder mit anfänglich hohen oder auch nur relativ geringen Exportüberschüssen negative Trends

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Deutschland

4

Schweden

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

393

2

2

1

1

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Italien 4

1985

1990

1995

Belgien Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

1980

2

2

1

1

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Finnland 4

1985

1990

1995

Frankreich

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

1980

2

2

1

1

0

0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Niederlande 4

1985

1990

1995

Großbritannien

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

1980

2

2

1

1

0

0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.39: Export-Import-Quotienten im FuE-intensiven Bereich aufweisen (Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich), während die Trendkoe!zienten der anderen Länder hoch signifikant positiv sind. Die einzige Ausnahme bildet Schweden, das trotz seines anfänglichen geringen Exportüber-

394

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Dänemark 4

Österreich

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

4

2

2

1

1

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Spanien 4

1985

1990

1995

Portugal

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

3 EX/IM

EX/IM

3

1980

2

2

1

1

0

0

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Griechenland 4

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

EX/IM

3 2 1 0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.40: Export-Import-Quotienten im FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung) schusses bei einer einseitigen Fragestellung bei einem Signifikanzniveau von 5 % einen positiven Trend aufweist. Zudem ist der Trend bei den Niederlanden, die fast durchgängig eine ausgeglichene Handelsbilanz in diesem Bereich besitzen, statistisch nicht signifikant. Mit Blick auf die beiden Teilbereiche der FuE-intensiven Technik ergibt sich ein ähnliches Bild. Im Bereich der Spitzentechnik verschlechtern neben den Ländern, die anfänglich einen Exportüberschuß aufweisen, nur Portugal als weit zurückliegendes Land und die Niederlande, die knapp unterhalb eines Wertes von eins starten, trendmäßig ihre Export-Import-Quotienten. Die übrigen anfänglich einen größeren Importüberschuß aufweisenden Länder holen auf in Richtung einer ausgeglichene Bilanz, wobei der Abstand bis zu deren Erreichung z. T. aber beachtlich bleibt. Ferner verharren Schweden und Frankreich im gesamten Beob-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

395

Tabelle 4.25: Trendveränderungen der Export-Import-Quotienten im FuE-intensiven Bereich 1970 bis 1996 Land FI ES AT DK BE PT SE GR NL FR IT UK DE

Trendkoe!zient (× 100) FuE-intensiv Spitzentechnik Hochwertig 2,226 2,830 2,191 (9,061)* (10,086) (8,102) 1,282 1,370 1,323 (3,774) (10,477) (3,143) 1,058 0,347 1,227 (10,019) (3,005) (10,951) 0,985 1,742 0,810 (6,278) (13,189) (4,337) 0,910 0,406 1,032 (8,571) (2,902) (9,030) 0,859 -0,851 1,150 (4,829) (-2,727) (7,006) 0,289 0,292 0,342 (1,737) (1,158) (2,107) 0,207 0,162 0,211 (3,600) (1,880) (3,657) -0,023 -0,492 0,184 (-0,117) (-2,317) (0,772) -0,733 0,311 -0,952 (-3,193) (1,449) (-3,959) -1,647 -1,775 -1,449 (-5,112) (-7,871) (-4,031) -3,584 -1,187 -4,456 (-8,896) (-5,100) (-9,357) -5,253 -2,597 -5,528 (-12,485) (-11,801) (-10,673)

* t-Werte in Klammern

achtungszeitraum trendmäßig in diesem Bereich bei einer ausgeglichenen Bilanz. Im Bereich der hochwertigen Technik fällt zwar gegenüber der gesamten FuEintensiven Technik die Rangfolge der Länder, die einen positiven Trend verzeichnen, etwas anders aus, grundsätzlich unterscheiden sich die Ergebnisse aber nicht. Die absoluten Export-Import-Quotienten geben jedoch keine Antwort auf die Frage, ob die Exportposition eines Landes im FuE-intensiven Bereich in bezug auf seine Importe in diesem Bereich verglichen mit seinem Export-Import-Verhältnis für alle Güter des Verarbeitenden Gewerbes besonders stark oder schwach ist. Diese Frage kann mittels der im Abschnitt 4.1 vorgestellten RSCA analysiert werden. Die Entwicklungen dieser relativen Spezialisierungsmaße für den Außenhandel sind für die betrachteten EU-Länder in den Abbildungen 4.41 und 4.42 wiedergegeben. Dabei sind die Länder wieder in absteigender Rangfolge nach den RSCA im gesamten FuE-intensiven Bereich im Jahr 1996 geordnet.

396

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten Deutschland

Großbritannien

75

75

50

50

25

25

RSCA

100

RSCA

100

0 -25 -50

-50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

0 -25 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Frankreich

75

50

50

25

25

RSCA

75

RSCA

100

0 -25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-100

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Schweden

75

50

50

25

25

RSCA

75

RSCA

100

0 -25

-100 1970

1975

1980

1985

1990

-100

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Spanien

75

75

50

50

25

25

RSCA

100

RSCA

1995

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

Niederlande

0 -25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

0 -25 -50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

1990

0

100

-50

1985

-25 -50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

1980 Österreich

100

-50

1995

0

-75

-100 1970

1990

-25 -50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

-75

1985

Belgien

100

-50

1980

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.41: RSCA für den Außenhandel im FuE-intensiven Bereich Deutschland, Großbritannien und Frankreich sind die drei einzigen Länder, die sowohl im gesamten FuE-intensiven Bereich als auch im Bereich der hochwertigen Technik im gesamten Beobachtungszeitraum positive RSCA realisieren, so

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen Italien

Dänemark

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 25 0 -25

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50 RSCA

RSCA

50

-50

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

Finnland

1980

1985

1990

1995

Portugal

100

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50 25 0 -25 -50

Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75 50 RSCA

RSCA

397

25 0 -25 -50

-75

-75

-100

-100

1970

1975

1980

1985

1990

1995

1970

1975

1980

1985

1990

1995

Griechenland

100 Spitzentechnik Hochwertige Technik FuE-intensiv

75

RSCA

50 25 0 -25 -50 -75 -100 1970

1975

1980

1985

1990

1995

Abbildung 4.42: RSCA für den Außenhandel im FuE-intensiven Bereich (Fortsetzung)

daß ihre Export-Import-Quotienten in diesen Bereichen durchgängig über den Export-Import-Quotienten für alle Güter des Verarbeitenden Gewerbes liegen. Dabei ist Deutschland deutlich vor Großbritannien und vor allem Frankreich positioniert. Im Bereich der Spitzentechnik sieht die Entwicklung etwas anders aus. Hier ist Deutschland zu Beginn der siebziger Jahre nicht spezialisiert und bildet dann bis zu Beginn der achtziger Jahre eine deutlich negative relative Außenhandelsspezialisierung unterhalb von -25 heraus, bei der es seither mit einigen Schwankungen stagniert. Hingegen ist Großbritannien in diesem Bereich mit Werten um 15 durchgängig positiv spezialisiert. Frankreich startet hier zwar mit einer leicht negativen Spezialisierung, erreicht aber in der ersten Hälfte der achtziger Jahre eine neutrale Position, bei der es seither verharrt.

398

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Belgien und Österreich holen, ausgehend von RSCA um -26 bzw. -37 im gesamten FuE-intensiven Bereich im Jahr 1970, in diesem Bereich deutlich auf und erreichen am aktuellen Rand eine neutrale Spezialisierung. Dieser Aufholprozeß wird vor allem von der Entwicklung der RSCA im Bereich der hochwertigen Technik getrieben, während beide Länder im Bereich der Spitzentechnik trotz Positionsverbesserungen deutlich negativ spezialisiert bleiben. Noch ausgeprägter fällt der Aufholprozeß Spaniens aus, das 1970 mit RSCA von ca. -49 im gesamten FuE-intensiven Bereich und ca. -39 im Bereich der hochwertigen Technik startet und 1996 Werte von -9 und null erreicht. Im Bereich der Spitzentechnik verbessert es seine relative Außenhandelsspezialisierung immerhin von ca. -87 auf ca. -50, bleibt mithin aber in diesem Bereich deutlich negativ spezialisiert. Dabei erfolgen die Positionsverbesserungen im Bereich der hochwertigen und der Spitzentechnik zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Bei ersterem tritt ein erster Schub von der ersten bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre und ein zweiter in der zweiten Hälfte der achtziger bis zu Beginn der neunziger Jahre ein, während beim zweiten die deutliche Verbesserung ab der Mitte der achtziger Jahre bis 1993 stattfindet. Schweden verschlechtert sowohl im gesamten FuE-intensiven Bereich als auch in den beiden Teilbereichen seine Außenhandelsspezialisierung leicht. Im Bereich der hochwertigen Technik, der auch die stark die Entwicklung im gesamten FuEintensiven Bereich bestimmt, erreicht es ausgehend von einer leicht positiven Spezialisierung — vor allem durch einen Einbruch in der ersten Hälfte der achtziger Jahre — eine neutrale Position. Im Bereich der Spitzentechnik erfolgt der Rückgang der RSCA, ausgehend von einer neutralen Spezialisierung, bereits zu Beginn der achtziger Jahre und fällt deutlich stärker aus. Hier kann allerdings am Ende des Beobachtungszeitraums eine Rückkehrtendenz zu einer neutralen Spezialisierung beobachtet werden. Verglichen damit fällt die Entwicklung bei den Niederlanden zumindest im Bereich der hochwertigen Technik beinahe spiegelbildlich aus. Sie verbessern hier bis zum Beginn der achtziger Jahre ihre leicht unterdurchschnittliche relative Spezialisierung und verharren seitdem um die Nullinie. Hingegen erleben sie bei der Spitzentechnik in der ersten Hälfte der achtziger Jahre einen Einbruch, der bis zum aktuellen Rand auch von der zu Beginn der neunziger Jahre erfolgenden Erholung nicht wettgemacht werden konnte. Beide Entwicklungen zusammen führen dazu, daß die leicht negative Spezialisierung im gesamten FuE-intensiven Bereich im vorliegenden Beobachtungszeitraum nahezu unverändert bleibt. Von den verbleibenden fünf Ländern ist nur Italien zu Beginn der Beobachtungsperiode im Bereich der hochwertigen sowie der gesamten FuE-intensiven Technik leicht positiv spezialisiert, bevor es ab der zweiten Hälfte der siebziger Jahre durchgängig moderate negative RSCA realisiert. Im Bereich der Spitzentechnik liegen seine RSCA zwar bereits 1970 etwas unterhalb der Nullinie, eine dramatische Verschlechterung erfährt es aber in den Folgejahren bis zum Beginn der achtziger Jahre, als die RSCA sich unterhalb von -40 bewegen und dann in abgeschwächter Form nochmals bis zum Beginn der neunziger Jahre, als die RSCA bis auf -50 fallen und seitdem auf diesem niedrigem Level stagnieren. Im Falle Dänemarks kann bei der hochwertigen sowie der gesamten FuE-intensiven Technik eine ähnliche Entwicklung auf einem etwas niedrigerem Niveau beob-

4.3 Die Entwicklung der Ricardianischen Spezialisierungen

399

achtet werden, wobei die Niveauverschiebung aber erst in der ersten Hälfte der achtziger Jahre stattfindet. Dagegen kann es seine Position im Bereich der Spitzentechnik im Laufe der siebziger Jahre verbessern, so daß es seit dem Beginn der achtziger Jahre hier nur noch leicht negativ spezialisiert ist. Für Finnland kann zwar im Bereich der hochwertigen sowie der gesamten FuEintensiven Technik ausgehend von RSCA von -70 sowie -73 in 1970 bis in die zweite Hälfte der siebziger Jahre und dann wieder ab der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ein relativ ausgeprägter Aufholprozeß beobachtet werden, der Bereich einer deutlich negativen Spezialisierung wird mit RSCA um -32 in 1996 aber nicht verlassen. Im Bereich der Spitzentechnik, wo es 1970 mit einem RSCA von -92 startet, setzt der Aufholprozeß erst 1986 ein und führt dazu, daß in diesem Bereich 1996 ein RSCA von -31 realisiert wird. Genauso wie bei der Export- und der absoluten Außenhandelsspezialisierung Ricardianischer Art ist Portugal auch bei einer relativen Betrachtung des Außenhandels im FuE-intensiven Bereich bei der Spitzentechnik zunächst stärker als im Bereich der hochwertigen Technik. Im ersteren Bereich liegen die RSCA bis 1985 um -25, bevor ein Einbruch einsetzte, der sie unter -50 fallen läßt. Dagegen bewegen sich die RSCA im Bereich der hochwertigen und auch der gesamten FuE-intensiven Technik bis in die erste Hälfte der achtziger Jahre um -75 und steigen dann in zwei Stufen bis auf 30 bzw. -35. Schließlich bleibt Griechenland trotz geringfügiger Verbesserungen seiner Positionen im Bereich der hochwertigen sowie der gesamten FuE-intensiven Technik mit RSCA unter -75 extrem negativ spezialisiert. Werden die Trendveränderungen der RSCA betrachtet, so können sechs der 13 betrachteten EU-Länder langfristig ihre Position im Bereich der gesamten FuEintensiven und auch der hochwertigen Technik verbessern (vgl. Tabelle 4.26). Alle diese Länder sind in diesen Bereichen anfänglich deutlich negativ spezialisiert. Vier von ihnen (Finnland, Spanien, Belgien und Österreich) können ebenfalls im Bereich der Spitzentechnik trendmäßig aufholen, ohne allerdings den Bereich einer negativen Spezialisierung zu verlassen. Dagegen verharrt Griechenland auf seinem trendmäßig sehr niedrigem Niveau und Portugal fällt zurück. Bei den Niederlanden und Frankreich gleichen sich die gegenläufigen langfristigen Tendenzen im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik gerade aus, so daß sie bei den RSCA im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik keinen signifikanten Trend aufweisen. Dabei gewinnen die Niederlande trendmäßig im Bereich der hochwertigen Technik und verlieren im Bereich der Spitzentechnik, während es bei Frankreich umgekehrt ist. Bei den verbleibenden fünf EU-Ländern können sowohl im Bereich der hochwertigen als auch der gesamten FuE-intensiven Technik signifikante negative Trends attestiert werden. Dabei nähern sich Deutschland und Großbritannien von einer stark positiven Spezialisierung ausgehend der Nullinie an, ohne sie allerdings zu erreichen, während Schweden, Italien und Dänemark von einer leicht positiven oder negativen Spezialisierung unter sie zurückfallen. Unter diesen Ländern erfahren Schweden, Italien und Deutschland zudem trendmäßig auch Verschlechterungen ihrer relativen Außenhandelsspezialisierung im Bereich der Spitzentechnik, in dem sie anfänglich eine neutrale oder leicht negative Spezialisierung aufweisen. Hingegen kann Dänemark hier seine Position trendmäßig verbessern, ohne

400

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Tabelle 4.26: Trendveränderungen der RSCA für den Außenhandel im FuE-intensiven Bereich 1970 bis 1996 Land ES FI AT PT BE GR NL FR DK SE IT DE UK

FuE-intensiv 1,802 (14,267)* 1,350 (11,449) 1,194 (19,774) 1,113 (7,114) 0,870 (10,468) 0,241 (3,075) 0,011 (0,139) -0,089 (-1,081) -0,222 (-2,193) -0,514 (-5,444) -0,971 (-7,609) -1,330 (-26,195) -1,460 (-14,407)

Trendkoe!zient Spitzentechnik 1,927 (10,544) 1,951 (9,560) 0,242 (1,702) -2,070 (-5,169) 0,428 (2,830) 0,111 (0,884) -0,504 (-2,180) 0,837 (5,863) 0,902 (4,730) -0,520 (-2,643) -1,379 (-9,021) -1,244 (-8,000) 0,139 (0,997)

Hochwertig 1,763 (14,611) 1,288 (8,784) 1,410 (19,770) 1,585 (9,485) 0,962 (12,046) 0,253 (3,144) 0,222 (2,030) -0,255 (-2,856) -0,463 (-3,825) -0,470 (-5,163) -0,736 (-5,181) -1,027 (-17,780) -1,933 (-16,485)

* t-Werte in Klammern

allerdings die Zone einer negativen Spezialisierung zu verlassen, und die positive Spezialisierung Großbritanniens in diesem Bereich bleibt langfristig konstant. Die Frage, ob sich die Streuungen der RSCA im FuE-intensiven Bereich innerhalb der EU langfristig erhöht oder verringert haben, kann wiederum mittels der trendmäßigen Entwicklungen der Standardabweichungen für diese Spezialisierungsmaße analysiert werden (vgl. Abbildung 4.43). Dabei fällt auf, das anders als bei der Exportspezialisierung die Streuung der RSCA für den Bereich der hochwertigen Technik und auch der gesamten FuE-intensiven Technik anfänglich wesentlich höher ist als die der RSCA für den Bereich der Spitzentechnik. Allerdings fällt der Rückgang in den beiden zuerst genannten Bereichen trendmäßig dann auch wesentlich stärker aus als in dem dritten, so daß zum Ende des Beobachtungszeitraums in allen drei Bereichen eine ähnliche Standardabweichung erreicht wird. Insgesamt kann innerhalb der EU also von einem Rückgang der re-

4.4 Zusammenfassung

401

FuE-intensiv

Standardabweichung

50 45 40

y = -0,6906x + 46,063 R2 = 0,9727

35 30 25 1970

1975

1980

1985

1990

1995

1990

1995

1990

1995

Spitzentechnik

Standardabweichung

50 45 40

y = -0,3704x + 37,118 R2 = 0,9156

35 30 25 1970

1975

1980

1985

Hochwertige Technik

Standardabweichung

50 45

y = -0,7216x + 48,9 R2 = 0,973

40 35 30 25 1970

1975

1980

1985

Abbildung 4.43: Entwicklung der Standardabweichungen der RSCA im FuEintensiven Bereich lativen Außenhandelsspezialisierung ausgegangen werden, wobei die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern aber beachtlich bleiben.

4.4

Zusammenfassung

Das Ziel dieses Kapitels war es, den zeitlichen Verlauf der technologischen und wirtschaftlichen Spezialisierungen der EU-Länder empirisch zu analysieren. Bei der technologischen Spezialisierung wurde die sektorale Verteilung des Innovationsoutputs in Form von Patenterteilungen am USPTO betrachtet und bei der

402

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

wirtschaftlichen Spezialisierung sowohl die Produktions- als auch die Export- und Außenhandelsspezialisierung. Ferner wurde zum einen zwischen Smithianischer und Ricardianischer Spezialisierung und zum anderen zwischen absoluter und relativer Spezialisierung unterschieden. Der zur Analyse des zeitlichen Verlaufs der Smithianischen Spezialisierung herangezogene Methodenkatalog umfaßte dabei nicht nur die aus der Konzentrations- und Heterogenitätsmessung bekannten absoluten und relativen Maße, sondern es wurde auch das Konzept der - und -Despezialisierung (oder -Spezialisierung) verwendet, mit dem getestet werden kann, ob und mit welcher Geschwindigkeit sich die Spezialisierungen der einzelnen Länder auf einen Durchschnitt zubewegen (Despezialisierung) oder sich von ihm entfernen (Spezialisierung). Dagegen wurden die Veränderungen der Ricardianischen Spezialisierungen über die zeitlichen Entwicklungen der absoluten oder symmetrischen relativen Anteilswerte der FuE-intensiven Industriezweige an der jeweils interessierenden Größe gemessen. Bei der Analyse der Smithianischen Spezialisierung ergab sich eine Vielzahl von — aufgrund der unterschiedlichen Meßkonzepte — z. T. widersprüchlichen Befunden. Die Hauptergebnisse lassen sich jedoch recht eindeutig zusammenfassen. Mit Blick auf die absoluten technologischen Spezialisierungen konnte im gesamten Beobachtungszeitraum von 1963 bis 1998 bei der Gesamtzahl der erteilten US-Patente sowie bei den an das Ausland erteilten US-Patenten trendmäßig eine Zunahme der Spezialisierung festgestellt werden, während für das Aggregat von 15 EU-Ländern von keiner trendmäßigen Veränderung auszugehen ist. Bei den einzelnen EU-Ländern kann bei vier Ländern (den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Schweden) eine trendmäßige Zunahme der absoluten technologischen Spezialisierung und bei drei Ländern (Österreich, Dänemark und Griechenland) keine langfristige Veränderung beobachtet werden. Bei den verbleibenden acht EU-Staaten liegen abnehmende absolute Spezialisierungsgrade vor. Allerdings findet man bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums auf die Jahre 1970 bis 1998 durchweg eine Verringerung dieser Abnahme und bei fünf Ländern ist der Trend dann bei einem Signifikanzniveau von 5 % nicht mehr statistisch von Null verschieden, so daß bei diesen Ländern der Rückgang des Spezialisierungsgrads vor allem ein Phänomen der sechziger Jahre ist. Anders sieht es für die absolute Produktionsspezialisierung aus. Hier kann für den Beobachtungszeitraum von 1970 bis 1997 bei den standardisierten DiversityMaßen für das Aggregat von 13 EU-Ländern sowie bei einer Einzelbetrachtung bei neun Ländern trendmäßig von einer Zunahme der Spezialisierung sowie bei zwei Ländern (Großbritannien und Schweden) von einer gleichbleibenden Spezialisierung ausgegangen werden. Nur für Italien und Portugal muß auf eine hoch signifikante Abnahme der Spezialisierungsgrade geschlossen werden. Dieser Befund wird durch die Ergebnisse für die standardisierten Entropie-Maße im wesentlichen bestätigt. Allerdings kann nun in keinem Fall eine gleichbleibende absolute Spezialisierung attestiert werden, sondern auch für Großbritannien und Schweden liegt eine hoch signifikante trendmäßige Zunahme der Spezialisierungsgrade vor. Bei den Exporten sind Zunahmen der absoluten Spezialisierungen hingegen wieder deutlich in der Minderheit. Bei beiden Maßen können sie nur bei drei EULändern festgestellt werden, nämlich bei Spanien und Frankreich sowie je nach

4.4 Zusammenfassung

403

Maß bei Großbritannien oder Österreich. Bei vier weiteren Ländern (Griechenland, Deutschland und Belgien sowie wiederum je nach Maß Großbritannien oder Österreich) erfolgt keine Änderung des Grads der Spezialisierung und bei sechs Ländern eine Abnahme. Auällig ist, daß bei dem Aggregat der 13 EU-Länder auf der Grundlage der standardisierten Diversity-Maße von keiner trendmäßigen Änderung auszugehen ist, während die standardisierten Entropie-Maße unterhalb eines Signifikanzniveaus von 1 % eine trendmäßige Abnahme anzeigen. Dieser Befund paßt zu einer Reihe von weiteren Ergebnissen für die einzelnen Länder sowohl bei der absoluten Produktions- als auch der Exportspezialisierung, bei denen die standardisierten Entropie-Maße deutlich mehr Dynamik als die standardisierten Diversity-Maße aufweisen, so daß angenommen werden kann, daß die Veränderungen der Spezialisierungsgrade stärker durch Veränderungen bei den relativ kleinen Wirtschaftszweigen bedingt sind. Wenn die Veränderungen der absoluten Spezialisierungsmaße für die Länderaggregate und die einzelnen Länder mehrheitlich in eine Richtung verlaufen, ist es von besonderem Interesse festzustellen, bei welchen Ländern die Spezialisierungen relativ zu den Aggregaten zu- oder abgenommen haben. Es könnte nämlich auch sein, daß sich die absoluten Spezialisierungen aufgrund von Veränderungen des Patentierverhaltens, der Präferenzen der Konsumenten oder durch technologische Schocks, die alle Länder gleich beträfen, geändert haben. Dagegen spricht allerdings, daß sich bei den US-Patenterteilungen für die verschiedenen Länderaggregate Trendveränderungen in unterschiedliche Richtungen ergeben. Zur Analyse der relativen Spezialisierungen wurden zwei Maße herangezogen: das Dissimilaritätsmaß und der Länder-Gini-Koe!zient. Für die US-Patenterteilungen als Indikator für die technologische Spezialisierung stellen sich je nach der verwendeten Bezugsgröße (gesamte US-Patenterteilungen, US-Patenterteilungen an das Ausland oder an die EU-Staaten) erwartungsgemäß recht unterschiedliche Ergebnisse ein. Betrachtet man die Trendveränderungen der auf die EU bezogenen relativen Spezialisierungsmaße, so hat nur bei drei großen EU-Ländern (Großbritannien, Deutschland und Frankreich) die Spezialisierung zugenommen. Bei weiteren vier Ländern (den Niederlanden, Dänemark, Griechenland und Portugal) ist sie gleichgeblieben und bei den verbleibenden acht EU-Ländern liegt eine signifikante Abnahme vor. Bei einer Verkürzung des Schätzzeitraums sind es vier Länder, bei denen die relative Spezialisierung trendmäßig zunimmt. Zudem ist dann bei sechs Ländern von einem gleichbleibenden Spezialisierungsgrad und bei nur fünf Ländern von einem signifikanten negativen Trend auszugehen. Werden alle an das Ausland erteilten Patente als Bezugsgröße verwendet, so erlauben — über den gesamten Beobachtungszeitraum betrachtet — die Dissimilaritätsmaße bei sieben Ländern den Schluß auf eine Zunahme des Spezialisierungsgrades, während es bei den Länder-Gini-Koe!zienten nur fünf sind. Bei beiden Maßen kann nun für fünf Länder von einer Abnahme des Spezialisierungsgrades ausgegangen werden. Gleich sind ebenfalls die Schlußfolgerungen für beide Maße, wenn der Schätzzeitraum verkürzt wird: Bei sieben Ländern liegt ein zunehmender, bei fünf Ländern ein gleichbleibender und bei drei Länder ein abnehmender Spezialisierungsgrad vor. Noch stärker verschieben sich die Entwicklungsrichtun-

404

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

gen der Spezialisierungsgrade bei einer Verkürzung des Beobachtungszeitraums, wenn die relativen Konzentrationsmaße auf die gesamten am USPTO erteilten Patente bezogen werden. Sind es über den gesamten Beobachtungszeitraum bei den Dissimilaritätsmaßen nur zwei und bei den Standort-Gini-Koe!zienten nur drei Länder, bei denen die Spezialisierungsgrade zunehmen, so weisen für den Zeitraum von 1970 bis 1998 jeweils sechs Länder einen positiven Trend auf. Zudem lassen beide Maße für den gesamten Untersuchungszeitraum auf acht Länder mit gleichbleibenden Spezialisierungsmustern schließen, während die Dissimilaritätsmaße bei fünf und die Standort-Gini-Koe!zienten bei vier Ländern auf abnehmende Spezialisierungsgrade hindeuten. Beim verkürzten Schätzzeitraum kann bei den Dissimilaritätsmaßen von sieben Ländern mit gleichbleibendem und zwei Ländern mit abnehmendem Spezialisierungsgrad ausgegangen werden, während es bei den Standort-Gini-Koe!zienten sechs und drei Länder sind. Insgesamt ergibt sich aus diesen Ergebnissen zwar keine eindeutige Schluß folgerung bezüglich der Entwicklung der Grade der relativen technologischen Spezialisierung Smithianischer Art, aber auch hier deuten die Befunde zumindest auf eine Dominanz gleichbleibender oder abnehmender Spezialisierungsgrade hin. Dagegen bestätigt sich bei der Produktionsspezialisierung auch bei einer relativen Betrachtungsweise die mehrheitliche Zunahme der Spezialisierungsgrade. Jeweils bei sechs Ländern (Deutschland, den Niederlanden, Griechenland, Belgien sowie je nach Maß Portugal oder Großbritannien) ergeben sich hier hoch signifikante positive Trends. Bei drei bzw. vier Ländern liegen bei den Gini-Koe!zienten bzw. Dissimilaritätsmaßen keine Veränderungen vor und umgekehrt bei vier bzw. drei Ländern signifikante negative Trends (Italien, Spanien, Schweden und beim Gini-Koe!zienten auch Österreich). Noch mehr als bei den absoluten Spezialisierungsmaßen sind Zunahmen der Exportspezialisierung bei einer relativen Betrachtung die Ausnahme. Bei den standardisierten Dissimilaritätsmaßen kann nur für Italien und Griechenland von einem trendmäßigen Anstieg ausgegangen werden. Dieser Befund wird allerdings durch die Länder-Gini-Koe!zienten nicht bestätigt, denn hier muß in beiden Fällen ein trendmäßig unveränderter Spezialisierungsgrad attestiert werden. Dieses Ergebnis ergibt sich bei beiden relativen Spezialisierungsmaßen auch für Belgien, Deutschland und Frankreich. Bei den verbleibenden acht EU-Staaten muß stets auf trendmäßig abnehmende relative Spezialisierungsgrade geschlossen werden. Eindeutig fallen die Ergebnisse für die Außenhandelsspezialisierungen aus. Sowohl bei den Michaely-Indizes als auch bei den Länder-Gini-Koe!zienten liegen für alle 13 EU-Länder bei Signifikanzniveaus weit unter 1 % trendmäßige Abnahmen vor. Auällig ist, daß sich die Rangfolge der Reduktionen der Spezialisierungen zwischen den beiden Maßen nur für die drei Länder mit den geringsten Rückgängen unterscheidet, was sicher ein Indiz dafür ist, daß diese Ergebnisse insgesamt recht robust sind. Den durch die Analyse der absoluten und relativen Spezialisierungsmaße erzielten Befunden sollten unbedingt die Ergebnisse der Tests auf - und -Despezialisierung gegenübergestellt werden. Insbesondere die Tests auf -Despezialisierung erlauben, weil sie die Möglichkeit einer zufälligen Veränderung oder einer Umkehr der Spezialisierungsmuster berücksichtigen, auch qualitative Aussagen bezüglich

4.4 Zusammenfassung

405

der Veränderungen der Spezialisierungsmuster. So wirft die Diagnose einer zufallsbedingten Veränderung z. B. bei den Patenterteilungen ein anderes Licht auf die bei einigen Ländern mit geringen Absolutzahlen durch die Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße attestierten hohen Spezialisierungsgrade. Wenn die wenigen diesen Ländern pro Jahr erteilten Patente jeweils in verschiedenen Wirtschaftszweigen genutzt werden können, so messen die Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaße stets eine hohe Spezialisierung, während das Konzept der -Despezialisierung den Zufallscharakter der Verteilung auf die Wirtschaftszweige erkennt. Mit Blick auf die technologische Spezialisierung ist über den gesamten Zeitraum unabhängig von den gewählten Bezugsgrößen eine -Despezialisierung der Regelfall. Hingegen kann eine -Despezialisierung wesentlich seltener diagnostiziert werden, so daß davon ausgegangen werden muß, daß in einer Reihe von Fällen systematische Reduktionen der Streuungen der RSPA durch Störeinflüsse, die über die Fehlerterme der Regressionsschätzungen erfaßt werden, wieder kompensiert werden. Nur bei einigen im Ausgangszeitpunkt relativ patentschwachen Ländern sowie Großbritannien können auch zufällige Veränderungen der Spezialisierungsmuster beobachtet werden. Je näher die Teilzeiträume bei einer Aufsplittung des gesamten Beobachtungszeitraums jedoch an den aktuellen Rand heranragen, desto häufiger können nach diesem Testkonzept auch unveränderte Spezialisierungsmuster festgestellt werden. Eine Zunahme der -Spezialisierung kann nur für Deutschland im letzten Teilzeitraum zwischen 1987 bis 1989 und 1996 bis 1998 diagnostiziert werden. Etwas häufiger tritt eine -Spezialisierung auf, allerdings bei den auf die EU- und die gesamten Patenterteilungen bezogenen RSPA wiederum nur im letzten Teilzeitraum. Bezogen auf die gesamten an das Ausland erteilten US-Patente findet sie sich auch über den gesamten Beobachtungszeitraum bei Deutschland und Portugal sowie im zweiten Teilzeitraum zwischen 1975 bis 1977 und 1984 bis 1986 bei Belgien und Deutschland. Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse die hohe Pfadabhängigkeit bzw. Kumulativität der technologischen Spezialisierungen hoch entwickelter Volkswirtschaften, weil im wesentlichen nur inkrementale Veränderungen der Länderprofile erfolgen. Dabei dominieren diversifizierende inkrementale Veränderungen (0 ?  ? 1), während verstärkende inkrementale Veränderungen ( A 1) die Ausnahme sind.37 Allerdings zeigt sich im Zeitablauf auch eine zunehmende Persistenz der Spezialisierungsmuster, d. h. die diversifizierenden inkrementalen Veränderungen gehen bei immer mehr EU-Ländern gegen null. Bei die Produktionsspezialisierung zeigen die Tests auf - und -Despezialisierung noch deutlicher eine im Zeitablauf zunehmende Persistenz der Länderprofile. Über den gesamten Untersuchungszeitraum kann noch bei sechs EU-Ländern festgestellt werden, daß sie sich in Richtung auf eine EU-Durchschnittsspezialisierung bewegen, während bei den anderen sieben EU-Ländern auf eine gleichbleibende -Spezialisierung geschlossen werden muß. Gleichzeitig kann aber bereits bei 37

Zu dieser Terminologie vgl. Vertova (1999), S. 337-338. Dort wird zudem gezeigt, daß bei den heute führenden Ländern diversifizierende inkrementale Veränderungen auch bei der Analyse eines wesentlich längeren Zeitraums (im Extremfall zwischen 1890 bis 1914 und 1965 bis 1990) dominieren.

406

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

drei Ländern von einer zunehmenden -Spezialisierung ausgegangen werden. Bei den ersten beiden Teilzeiträumen überwiegen gleichbleibende -Spezialisierungen und zudem nehmen die Fälle zu, in denen eine -Spezialisierung statistisch belegt oder vermutet werden kann. In der letzten Teilperiode liegt bei drei Ländern (Deutschland, die Niederlande und Großbritannien) eine -Spezialisierung vor, während bei allen anderen EU-Ländern die Nullhypothese einer gleichbleibenden -Spezialisierung nicht abgelehnt werden kann. Außerdem kann bei zwei Ländern auf eine zunehmende -Spezialisierung geschlossen werden, und bei weiteren sieben Ländern ist diese Möglichkeit auch ohne einen formalen Test hoch wahrscheinlich. Demnach ist mit Blick auf die reale Wertschöpfung seit dem Beginn der neunziger Jahre auch bei diesem Testkonzept überwiegend von verstärkten Spezialisierungstendenzen innerhalb der EU auszugehen. In bezug auf die Exportspezialisierung erhärten die Tests auf -Despezialisierung die bereits bei den Konzentrations- bzw. Heterogenitätsmaßen festgestellten Befunde trendmäßig überwiegend abnehmender relativer Spezialisierungsgrade. Über den gesamten Beobachtungszeitraum ist bei elf der 13 betrachteten EU-Staaten bei Signifikanzniveaus von 1 % bzw. 5 % der Schluß auf eine Despezialisierung zulässig. Jedoch kann nur bei zwei Ländern auch von einer -Despezialisierung ausgegangen werden. Die Ergebnisse für die Teilzeiträume bestätigen wiederum, daß sich die allgemeine Tendenz zur Despezialisierung graduell vollzieht und daß die Veränderungen der Spezialisierungsmuster pfadabhängig sind und in diversifizierender inkrementaler Form erfolgen. Dabei ist die Tendenz zur -Despezialisierung im ersten Teilzeitraum am ausgeprägtesten und mit weiterer Annäherung an den aktuellen Rand findet eine zunehmende Verfestigung der Spezialisierungsmuster statt, so daß in der letzten Teilperiode nur noch bei den vier südeuropäischen Ländern sowie Österreich auf eine signifikante -Despezialisierung geschlossen werden kann. Auch die Robustheit der bisherigen Befunde einer trendmäßig abnehmenden Außenhandelsspezialisierung wird durch die Überprüfungen auf - und -Despezialisierung untermauert. Für den gesamte Beobachtungszeitraum ist bei zwölf der 13 EU-Länder von einer -Despezialisierung auszugehen, nur für Finnland kann die Nullhypothese einer zufälligen Veränderung der Außenhandelsspezialisierung nicht verworfen werden. Zudem liegt bei acht EU-Ländern auch eine hoch signifikante -Despezialisierung vor. Bei einer Unterteilung des gesamten Untersuchungszeitraums in drei Teilperioden wird außerdem ersichtlich, daß die Abnahme der Außenhandelsspezialisierung kein neues Phänomen ist, sondern im ersten Teilzeitraum häufiger auftritt als in den beiden folgenden, nämlich elfmal und anschließend nur acht- sowie neunmal. Eine -Despezialisierung findet sich allerdings nur noch bei Belgien im letzten Teilzeitraum. Zusammenfassend fallen bei den Entwicklungen der Spezialisierungen Smithianischer Art insbesondere die gegenläufigen Veränderungen der Produktions- und Exportspezialisierungen auf. Dieser Befund steht aber durchaus im Einklang mit theoretischen Überlegungen. Da die Exportspezialisierungen der EU-Länder zu Beginn des Beobachtungszeitraums höher waren als die Produktionsspezialisierungen, kann bei einer zunehmenden Integration erwartet werden, daß die speziell auf den Inlandsmarkt ausgerichtete Produktion zurückgeht und sich mithin

4.4 Zusammenfassung

407

die Produktions- an die Exportspezialisierung annähert.38 Dieser Umstand kann jedoch nicht erklären, weshalb gleichzeitig die Exportspezialisierungen in zahlreichen EU-Ländern abnehmen. Zieht man die Modelle der „neuen” Wachstumstheorie für oene Volkswirtschaften heran, die bei einer zunehmenden Integration eine abnehmende interindustrielle und eine wachsende intraindustrielle Spezialisierung als Folge zunehmender Produktdierenzierung herleiten, so sind auch diese Entwicklungen plausibel. Weitere empirische Evidenz erhält diese Hypothese dadurch, daß der Rückgang der Außenhandelsspezialisierung der ausgeprägteste und robusteste Trend unter den zeitlichen Verläufen der verschiedenen Arten der Smithianischen Spezialisierung ist. M. a. W. deuten beide Befunde darauf hin, daß für die EU-Länder ein ressourcenbasierter Handel (wie er im Heckscher-OhlinModell hergeleitet wird) zugunsten eines intraindustriellen Handels an Bedeutung verliert (vgl. auch Aiginger/Boeheim/Gugler u. a., 1999, S. 122). Anders als bei der Smithianischen Spezialisierung, wo rein quantitativ die Spezialisierungsgrade über alle Industriezweige untersucht wurden, stand bei der Ricardianischen Spezialisierung, wo analysiert wurde, wie stark ein Land auf FuEintensive Sektoren spezialisiert ist, die qualitative Ausgestaltung der Spezialisierungen im Mittelpunkt des Interesses. Gemessen wurde diese Art der Spezialisierung zum einen über die absoluten und zum anderen über die symmetrischen relativen Anteilswerte der interessierenden Größen im FuE-intensiven Bereich. Für die technologische Spezialisierung Ricardianischer Art zeigen die absoluten Anteilswerte, daß ihre trendmäßige Entwicklung im gesamten FuE-intensiven Bereich sowohl bei den Länderaggregaten als auch bei den meisten EU-Ländern durch das Verhältnis der Zunahme der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik zur Abnahme der Anteilswerte bei den Patenten im Bereich der hochwertigen Technik bestimmt wird. Ausnahmen von dieser allgemeinen Entwicklung finden sich nur bei Luxemburg, Österreich und Portugal. Dabei ist bei den gesamten sowie bei allen ausländischen Patenterteilungen am USPTO der Anteil der Patente im FuE-intensiven Bereich deutlich angestiegen, während er bei den EU-Ländern rückläufig ist, weil bei ihnen — anders als beim Rest der Welt — die trendmäßige Zunahme der Anteilswerte bei der Spitzentechnik geringer ist als ihre Abnahme bei der hochwertigen Technik. Innerhalb der EU nehmen nur bei Irland, Finnland und Dänemark die Anteilswerte für den gesamten FuE-intensiven Bereich sowohl für den gesamten als auch den verkürzten Beobachtungszeitraum von 1970 bis 1998 trendmäßig zu, während dies bei Schweden und Großbritannien nur bei Aussparung der Beobachtungen von 1963 bis 1969 der Fall ist. Eine signifikante Abnahme der Anteilswerte für den gesamten FuE-intensiven Bereich kann nur bei Belgien über den gesamten Schätzzeitraum, aber nicht für den verkürzten Schätzzeitraum, und in beiden Fällen für Portugal festgestellt werden. Bei den verbleibenden acht EU-Ländern kompensiert die Zunahme der Anteilswerte bei den Patenterteilungen im Bereich der Spitzentechnik gerade die Abnahme im Bereich der hochwertigen Technik. 38

Aiginger/Boeheim/Gugler u. a. (1999), S. 121, die die gleichen Tendenzen für den kürzeren Zeitraum von 1988 bis 1998 beobachten, schlagen ebenfalls diese Begründung vor. Sie weisen zudem auch darauf hin, daß sie aber nicht die abnehmende Exportspezialisierung erklären kann.

408

4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

Ein etwas anderes Bild ergibt sich für die Produktionsspezialisierung Ricardianischer Art. Hier sind die absoluten Anteilswerte der realen Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich sowohl für das Aggregat von 13 EU-Ländern als auch für zwölf der 13 Länder angestiegen. Verglichen mit der Trendveränderung für alle 13 Länder fällt die Zunahme bei Finnland, Österreich, Frankreich und Deutschland besonders deutlich aus, während Großbritannien, Schweden, Spanien und die Niederlande weniger stark ausgeprägt oberhalb des EU-Wertes liegen. Unterdurchschnittlich sind die Zuwächse bei Dänemark, Italien, Belgien und insbesondere Griechenland. Portugal fällt hingegen bei der realen Wertschöpfung im FuE-intensiven Bereich zurück. Im allgemeinen werden diese Entwicklungen auch durch die Trendverläufe der Anteilswerte für die nominale Wertschöpfung bestätigt. Allerdings kann nun bei den Niederlanden, Italien und Griechenland nicht mehr von signifikanten trendmäßigen Veränderungen ausgegangen werden. Für acht der EU-Länder konnte für einen verkürzten Beobachtungszeitraum von 1979 bis 1994 auch eine Aufteilung der nominalen Wertschöpfung auf den Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik vorgenommen werden. Im Bereich der Spitzentechnik weisen sieben Länder einen trendmäßigen Anstieg der Anteilswerte auf. Nur die Niederlande zeigen hier eine mittelfristig rückläufige Entwicklung. Hingegen kann im Bereich der hochwertigen Technik nur Finnland einen trendmäßigen Anstieg verzeichnen. Frankreich, Deutschland, die Niederlande sowie Dänemark verbleiben mittelfristig jeweils auf dem gleichen Niveau, und Großbritannien, Schweden sowie Italien erleben einen Rückgang. Wenn auch aufgrund der unterschiedlichen Schätzzeiträume Vorsicht bei der Interpretation geboten ist, kann man davon ausgehen, daß bei den sechs Ländern, bei denen der nominale Wertschöpfungsanteil bei der gesamten FuE-intensiven Technik angestiegen ist, der Zuwachs vor allem durch eine trendmäßige Zunahme des Wertschöpfungsanteils bei der Spitzentechnik verursacht wurde. Bei den Niederlanden überwiegt die Verharrungstendenz im Bereich der hochwertigen Technik die Abnahme im Bereich der Spitzentechnik, und bei Italien kompensieren sich die gegenläufigen Entwicklungen gerade. Bei den Exporten nehmen bei elf der 13 betrachteten EU-Länder die Anteilswerte im gesamten FuE-intensiven Bereich trendmäßig zu und bei zwei Ländern (Italien und Griechenland) stagnieren sie langfristig. Die sechs Länder, die dabei sowohl signifikante Zuwächse bei den Anteilswerten im Bereich der Spitzentechnik als auch der hochwertigen Technik verzeichnen, können in drei Gruppen unterteilt werden. Bei Spanien, Österreich und Belgien sind die Trendveränderungen im Bereich der hochwertigen Technik wesentlich stärker ausgeprägt als bei der Spitzentechnik. Bei Finnland weisen die Trendveränderungen in beiden Bereichen die gleiche Größenordnung auf, während bei den zwei technologisch weit fortgeschrittenen Ländern, den Niederlanden und Deutschland, die Veränderungen im Bereich der Spitzentechnik größer sind als bei der hochwertigen Technik. Nimmt man zu den ersten vier, stark aufholenden Ländern Portugal hinzu, bei dem der positive Trend im Bereich der hochwertigen Technik die negative Entwicklung bei den Anteilswerten im Bereich der Spitzentechnik dominiert, so deuten diese Befunde darauf hin, daß technologische Aufholprozesse bei den Exporten nicht allein über einen Ausbau der Anteile im Bereich der Spitzentechnik erfolgen.

4.4 Zusammenfassung

409

Bei Frankreich, Großbritannien, Schweden und Dänemark, die ebenfalls trendmäßige Zunahmen der Anteilswerte der Exporte aus dem gesamten FuE-intensiven Bereich erfahren, steigen nur die Anteilswerte für den Bereich der Spitzentechnik, während die Anteilswerte für die hochwertige Technik entweder stagnieren oder trendmäßig rückläufig sind. Schließlich nehmen bei Italien und Griechenland zwar die Anteilswerte im Bereich der Spitzentechnik leicht zu, es überwiegen aber die Verharrungstendenzen im Bereich der hochwertigen Technik. Insgesamt führen die Entwicklungen in den einzelnen EU-Ländern dazu, daß EU-weit sowohl die Anteilswerte für den gesamten FuE-intensiven Bereich als auch für den Bereich der Spitzentechnik einen positiven Trend aufweisen, während die Anteilswerte für den Bereich der hochwertigen Technik langfristig unverändert bleiben. Bei der Außenhandelsspezialisierung Ricardianischer Art zeigen die ExportImport-Quotienten genauso wie zuvor die Maßgrößen für die Smithianische Spezialisierung sowohl für den gesamten FuE-intensiven Bereich als auch für die beiden Teilbereiche trendmäßig überwiegend Tendenzen der Annäherung an eine ausgeglichene Bilanz, weil die Länder mit anfänglich hohen Exportüberschüssen überwiegend negative Trends aufweisen, während die Trendkoe!zienten der anderen Länder in den meisten Fällen hoch signifikant positiv sind. Dabei bleibt aber gerade im Bereich der Spitzentechnik der Abstand von solch einer ausgeglichenen Bilanz z. T. beachtlich. Während die Entwicklungen der absoluten Anteilswerte anzeigen, ob in den einzelnen Ländern die Bedeutung der FuE-intensiven Wirtschaftszweige in Hinblick auf die Innovationstätigkeit oder bei der Produktion und den Exporten zugenommen oder abgenommen hat, geben die Verläufe der symmetrischen relativen Anteilswerte Auskunft darüber, welche EU-Länder ihre relativen Positionen gegenüber den Aggregaten verbessert oder verschlechtert haben. Dies ist besonders dann von Interesse, wenn die absoluten Anteilswerte für den FuE-intensiven Bereich bei fast allen Ländern angestiegen sind, wie es bei der realen Wertschöpfung und den Exporten der Fall ist. Da die Anteilswerte der US-Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich EUweit rückläufig sind, während sie insgesamt (mit und ohne USA) angestiegen sind, ergeben sich je nach der verwendeten Bezugsgröße recht unterschiedliche Verläufe der RSPA. Bezogen auf die Patenterteilungen an die EU-Länder konnten acht Länder ihre technologische Spezialisierung im FuE-intensiven Bereich trendmäßig sowohl innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums von 1963 bis 1998 als auch innerhalb des verkürzten Schätzzeitraums von 1970 bis 1998 verbessern. Italien gelingt dies nur über den gesamten Beobachtungszeitraum, so daß sich dieser Prozeß auf die sechziger Jahre beschränkt. Zudem erfahren Griechenland, Spanien, Luxemburg sowie Österreich keine trendmäßigen Veränderungen ihrer relativen Positionierungen. Bei Belgien verschlechtern sich die RSPA im FuEintensiven Bereich trendmäßig über den gesamten Beobachtungszeitraum und bei Aussparung der ersten Beobachtungen ergibt sich ein Stillstand, während bei Portugal die Entwicklung umgekehrt ist. Hingegen gehen bezogen auf alle oder die ausländischen Patenterteilungen am USPTO die RSPA für den FuE-intensiven Bereich bei sechs EU-Ländern sowohl innerhalb des gesamten als auch des verkürzten Beobachtungszeitraums trend-

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4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

mäßig zurück. Bei Großbritannien und den Niederlanden beschränkt sich der Rückgang auf den gesamten Beobachtungszeitraum, während für den verkürzten Schätzzeitraum keine trendmäßigen Veränderungen zu verzeichnen sind. Bei Schweden gilt dies nur bezogen auf die gesamten US-Patenterteilungen, bezogen auf die ausländischen Patenterteilungen kann für beide Zeiträume keine trendmäßige Veränderung festgestellt werden. Keine Veränderungen in beiden Zeiträumen liegen in beiden Fällen bei Griechenland, Dänemark, Spanien und Luxemburg vor. Dagegen kann Finnland bezogen auf die beiden umfassenderen Länderaggregate nur über den gesamten Beobachtungszeitraum einen positiven Trend aufweisen, so daß sich seine Positionsverbesserung hier auf die sechziger Jahre beschränkt. Irland ist das einzige Land, das durchgängig eine trendmäßige Verbesserung seiner relativen Position im FuE-intensiven Bereich realisiert. Da — wie bereits angesprochen — die unterschiedlichen Entwicklungen der Patentanteile im gesamten FuE-intensiven Bereich in hohem Maße durch die gegenläufigen Trends im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik geprägt sind, konnte dieser allgemein beobachtbare Prozeß mittels der relativen Patentanteile in den beiden FuE-intensiven Teilbereichen detaillierter analysiert werden. Dabei zeigten sich bezogen auf alle drei Länderaggregate nur bei Irland und Finnland trendmäßige Verbesserungen ihrer Positionen im Bereich der Spitzentechnik. Zusätzlich gelingt es noch Spanien zumindest seine auf die EU bezogene Spezialisierung in diesem Bereich sowohl über den gesamten Beobachtungszeitraum als auch für den verkürzten Schätzzeitraum trendmäßig zu erhöhen. Bei Dänemark kann dies nur für den verkürzten Schätzzeitraum einerseits bezogen auf die US-Patenterteilungen an die EU-Länder und andererseits bezogen auf alle US-Patenterteilungen beobachtet werden, während dies bei Belgien und Großbritannien nur bei den auf die EU bezogenen Patenterteilungen zutrit. Die übrigen EU-Länder zeigen überwiegend negative Trends oder maximal keine Veränderungen. Dagegen erfolgen die Veränderungen der relativen technologischen Spezialisierungen im Bereich der hochwertigen Technik hochgradig kontrapunktisch zur Entwicklung im Bereich der Spitzentechnik. Dabei können bezogen auf die weiter gefaßten Länderaggregate (insbesondere gegenüber dem Rest der Welt) zahlreiche EU-Länder ihre Positionen verbessern, während dies bezogen auf die EU aufgrund der Dominanz Deutschlands nur bei Luxemburg sowie in den sechziger Jahren bei Dänemark beobachtet werden kann. Mit Blick auf die Entwicklungen der Produktionsspezialisierungen sieht die EU-interne Bilanz ausgeglichener aus. Bei Verwendung der realen Wertschöpfung können sechs der betrachteten 13 EU-Länder ihre relativen Spezialisierungen trendmäßig verbessern. Dabei handelt sich neben den großen EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien auch um die kleineren Länder Finnland, die Niederlande und Österreich. Schwedens und Spaniens relative Spezialisierungen bleiben trendmäßig unverändert, während sich die übrigen fünf EU-Länder trendmäßig verschlechtern. Bei Verwendung der nominalen Wertschöpfung ergibt sich zwar in einigen Fällen ein anderes Bild, dies kann aber dadurch bedingt sein, daß hier der Analysezeitraum nur bis 1994 reicht. So ist bei Großbritannien die trendmäßige Veränderung der RSYA auf den üblichen Signifikanzniveaus nicht mehr statistisch signifikant, während umgekehrt bei Schweden und Spanien

4.4 Zusammenfassung

411

nun von einem trendmäßigen Anstieg ausgegangen werden kann. Bei drei Ländern liegt ein hoch signifikanter Vorzeichenwechsel vor: Bei den Niederlanden ist es jetzt negativ und bei Dänemark sowie Belgien positiv. Schließlich kann für Griechenland nicht mehr von einer Verschlechterung der relativen Spezialisierung ausgegangen werden. Wird die nominale Wertschöpfung im gesamten FuE-intensiven Bereich in die Bereiche Spitzentechnik und hochwertige Technik unterteilt, was — wie bereits angeführt wurde — nur für acht EU-Länder für den Zeitraum von 1979 bis 1994 erfolgen kann, so realisieren nur Finnland und Dänemark in beiden Teilbereichen trendmäßige Zunahmen der RSYA. Frankreich, Großbritannien und Italien können sich zwar im Bereich der Spitzentechnik verbessern, stagnieren aber im Bereich der hochwertigen Technik (Frankreich) oder weisen dort hoch signifikante negative Trends auf (Großbritannien und Italien). Deutschland hingegen verstärkt trendmäßig seine bereits anfänglich ausgeprägte Spezialisierung im Bereich der hochwertigen Technik, während seine RSYA im Bereich der Spitzentechnik mittelfristig konstant bleiben. Schließlich kann für Schweden in beiden Teilbereichen der FuE-intensiven Technik nicht von einer signifikanten Trendänderung der RSYA ausgegangen werden, und die Niederlande weisen im Bereich der Spitzentechnik sogar einen hoch signifikanten negativen Trend auf. Bei den Exporten aus dem Bereich der FuE-intensiven Technik können neun EU-Länder ihre relative Position zu Lasten Deutschlands und Italiens verbessern. Im Falle Deutschlands ist dies sicher (noch) nicht problematisch, weil es auch am Ende des Beobachtungszeitraums noch die höchsten symmetrischen relativen Anteilswerte aufweist, die deutlich im positiven Bereich liegen, so daß die Länder mit positiven Trendveränderungen zwar aufgeholt, aber Deutschland nicht überholt haben. Schwieriger wird die Lage für Italien, wenn die beobachteten Trends auch die zukünftige Entwicklung bestimmen sollten. Bei zwei Ländern (Dänemark und Griechenland) kann keine langfristige Veränderung festgestellt werden, wobei insbesondere die Situation Griechenlands Anlaß zur Sorge bietet, weil es bei einer allgemeinen Zunahme des Außenhandels mit FuE-intensiven Gütern bei seiner extrem negativen Spezialisierung verharrt. Im Bereich der Spitzentechnik, wo nur Portugal im Zeitablauf einen Rückgang seines absoluten Exportanteils erfährt, verteilen sich die Verschiebungen der relativen Anteilswerte auf mehrere Schultern: sechs Länder bauen sie aus, drei Länder (Griechenland, die Niederlande und Österreich) stagnieren und bei vier Ländern (Belgien, Deutschland, Italien und Portugal) schrumpfen sie. Anders sieht es im Bereich der hochwertigen Technik aus. Hier erfolgt die Steigerung der relativen Anteile bei neun Ländern zu Lasten von Großbritannien und Dänemark, bei denen auch die absoluten Anteile zurückgehen, sowie Italiens, das seinen absoluten Anteil trendmäßig halten kann. Die auf der Grundlage der Export-Import-Quotienten für den Außenhandel aus dem FuE-intensiven Bereich attestierte überwiegende Tendenz zu einer ausgeglichenen Bilanz kann bei einer relativen Betrachtung, d. h. unter Berücksichtigung der Entwicklung der Handelsbilanz für alle Güter des Verarbeitenden Gewerbes, nur in eingeschränktem Maße bestätigt werden. So gleichen sich bei den Niederlanden und Frankreich die gegenläufigen langfristigen Veränderungen im Bereich der Spitzentechnik und der hochwertigen Technik gerade aus, so daß sie bei

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4. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierungen der EU-Staaten

den RSCA im Bereich der gesamten FuE-intensiven Technik keinen signifikanten Trend aufweisen. Schweden, Italien und Dänemark fallen in diesem Bereich von einer leicht positiven oder negativen Spezialisierung unter die Nullinie zurück. Zudem entwickeln sich im Bereich der Spitzentechnik Deutschland, Italien, die Niederlande, Portugal und Schweden langfristig weg von einer ausgeglichenen Bilanz. Im Bereich der hochwertigen Technik ist dies nur bei Dänemark der Fall. Der Rückgang der relativen Außenhandelsspezialisierung Ricardianischer Prägung ist also bei der hochwertigen Technik stärker als bei der Spitzentechnik. Abschließend wurde für jeden Bereich der Spezialisierung der Frage nachgegangen, ob mit Blick auf die gesamte EU mit den Verschiebungen der relativen Positionen eine Vergrößerung oder Verkleinerung der Abstände zwischen den einzelnen Ländern verbunden ist, d. h. ob zu- oder abnehmende Konzentrationen der technologischen und wirtschaftlichen Aktivitäten im FuE-intensiven Bereich beobachtet werden können. Betrachtet wurden dafür die zeitlichen Entwicklungen der über die Länder gebildeten Standardabweichungen der auf die EU bezogenen symmetrischen relativen Anteilswerte für diesen Bereich. Mit Blick auf die technologischen Aktivitäten liefern die Entwicklungen der Standardabweichungen der RSPA keinen Beleg dafür, daß es innerhalb der EU zu einer stärkeren Konzentration der relativen Stärken (oder Schwächen) bei den Patenterteilungen im FuE-intensiven Bereich kommt, vielmehr deuten sie auf eine leichte Angleichung hin. Dabei ist die Streuung im Bereich der Spitzentechnik durchgängig wesentlich größer als im Bereich der hochwertigen und auch der gesamten FuE-intensiven Technik, nimmt aber trendmäßig auch etwas stärker ab. Diese Entwicklungen sollten aber nicht über die sehr beachtlichen absoluten Unterschiede hinwegtäuschen, wie sie im Rahmen der Konvergenzanalyse im dritten Kapital herausgearbeitet wurden. Anders sieht es für die reale Wertschöpfung aus. Hier nehmen die Standardabweichungen der RSYA zwischen 1970 und 1997 trendmäßig hoch signifikant zu, so daß hier von einer im Zeitablauf steigenden Konzentration der Aktivitäten im FuE-intensiven Bereich ausgegangen werden muß. Dagegen zeigen die Standardabweichungen der RSXA für den Bereich der FuE-intensiven Technik und den Teilbereich der hochwertigen Technik abnehmende Tendenzen, während bei den Exporten aus dem Bereich der Spitzentechnik eine leicht zunehmende Konzentration zu beobachten ist. Diese Tendenz verstärkt sich vor allem am aktuellen Rand. Teilweise kann dieser Unterschied damit erklärt werden, daß für Güter aus dem Bereich der hochwertigen Technik besser funktionierende Märkte existieren und der stärkere Wettbewerb die internationale Assimilation und technologische Aufholprozesse erleichtert, während Güter aus dem Bereich der Spitzentechnik nicht immer unter den Bedingungen freier Märkte gehandelt werden und auch häufiger von Regierungsinterventionen betroen sind (Jungmittag/Grupp/Hullmann, 1998, S. 95 und Grupp/Jungmittag, 1999, S. 567-568).39 39

Jungmittag/Grupp/Hullmann (1998) und Grupp/Jungmittag (1999) zeigen mittels des Konzept der -Despezialisierung für die Patentanmeldungen der zehn patentstärksten Länder am Europäischen Patentamt, daß für den Zeitraum von 1989/90 bis 1994/95 im Bereich der hochwertigen Technik die Despezialisierungstendenzen stärker waren als bei der Spitzentechnik.

4.4 Zusammenfassung

413

Da die Standardabweichungen bei den Exporten im FuE-intensiven Bereich im gesamten Beobachtungszeitraum über denen für die Wertschöpfung in diesem Bereich liegen, wobei der Abstand am aktuellen Rand aber bereits relativ gering ist, kann auch hier genauso wie bei der Smithianischen Spezialisierung angenommen werden, daß sich mit der zunehmenden Integration die Produktionsspezialisierung Ricardianischer Art an die Exportspezialisierung anpaßt. M. a. W. orientiert sich die Wertschöpfung der einzelnen Länder in zunehmendem Maße an ihren jeweiligen relativen Stärken und Schwächen bei den Exporten. Für die RSCA wurden ebenfalls die Standardabweichungen berechnet, die allerdings etwas anders als die vorherigen zu interpretieren sind, weil sie keine Auskunft über eine räumliche Konzentration liefern, sondern nur die Gesamtentwicklung der Außenhandelsspezialisierung über die Länder zu einer Kenngröße verdichten. Anders als bei der Exportspezialisierung ist die Streuung der RSCA für den Bereich der hochwertigen Technik sowie auch der gesamten FuE-intensiven Technik anfänglich wesentlich höher als die der RSCA für den Bereich der Spitzentechnik. Jedoch fällt der Rückgang in den beiden zuerst genannten Bereichen trendmäßig dann deutlich stärker aus als bei dem dritten, so daß zum Ende des Beobachtungszeitraums in allen drei Bereichen eine ähnliche Standardabweichung erreicht wird. Insgesamt kann innerhalb der EU also von einem Rückgang der relativen Außenhandelsspezialisierung Ricardianischer Prägung ausgegangen werden, wobei aber auch hier die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sehr beachtlich bleiben.

5 Der Beitrag von Innovationen und Spezialisierung zu Wirtschaftswachstum und Konvergenz in der EU

Neben der allgemeinen Innovationsfähigkeit eines Landes dürfte auch seine technologische und wirtschaftliche Spezialisierung seine gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Wie im Kapitel 2 gezeigt wurde, kann sowohl auf der Basis der evolutorischen Ökonomik — einschließlich der Ansätze, die auf der Theorie des exportbasierten Wachstums aufbauen — als auch der neuen Wachstumstheorie zwischen zwei Arten der Spezialisierung unterschieden werden, die auch bereits bei der im Kapitel 4 vorgenommenen Untersuchung der Entwicklung der Spezialisierungen der EU-Länder zugrunde gelegt wurden: die Smithianische und die Ricardianische Spezialisierung (Dowrick, 1997; Dalum/Laursen/Verspagen, 1999). Die Smithianische Spezialisierung führt zu „Learning-by-Doing”-Eekten und steigenden Skalenerträgen, unabhängig davon, in welchen Bereichen ein Land spezialisiert ist. Ricardianische Spezialisierung hingegen betrit den qualitativen Charakter der Spezialisierung eines Landes, wobei angenommen wird, daß Länder, die in Bereichen spezialisiert seinen, die die Möglichkeit für höhere Wachstumsraten der Produktivität eröneten, auch in einer besseren Position mit Blick auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum seien. Weiterhin wurde anhand verschiedener theoretischer Modelle im Kapitel 2 gezeigt, daß technologisch zurückliegende Länder durch die Imitation von Technologien anderer Länder aufholen können. In diesem Kapitel soll nun in einer konsistenten Weise der Einfluß dieser drei Facetten des technischen Fortschritts auf das Wirtschaftswachstum und die ökonomische Konvergenz der EU-Länder analysiert werden. Dazu wird ein dreistufiges Vorgehen gewählt. In der ersten Stufe wird analysiert, wie es überhaupt um die Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU bestellt ist. Anschließend wird in der zweiten Stufe ein empirisches Wachstumsmodell spezifiziert, das Innovationen, Technologiediusion und technologische Spezialisierung in einer erweiterten Funktion des technischen Fortschritts berücksichtigt, und in verschiedenen Versionen geschätzt. Die überlegenen Modelle, d. h. jene Modelle mit den angemessensten Indikatoren für die technologische Spezialisierung werden dann verwendet, um die Eekte von Innovationen, Technologiediusion und technologischer Spezialisierung sowie der üblichen Produktionsfaktoren auf das langfristige Wachstum der EU-Staaten abzuschätzen. Weiterhin erlaubt es eine einfache Transformation des empirischen Wachstumsmodells, die partiellen Beiträge dieser Faktoren zur - und -Konvergenz der Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU zu berechnen. In der dritten Stufe wird untersucht, ob die technologischen Spezialisierungen eine Triebkraft der wirt-

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5. Innovationen, Spezialisierung und Wachstum in der EU

schaftlichen Spezialisierungen der EU-Länder sind. Dazu wird in einem ersten Schritt ein neoklassisch inspiriertes empirisches Modell hergeleitet und geschätzt, auf dessen Grundlage für die EU-Länder die Wertschöpfungsanteile des Verarbeitenden Gewerbes — unterschieden nach dem Bereich der FuE-intensiven Technik sowie dem Bereich der restlichen Technik — am Bruttoinlandsprodukt durch die technologischen Dierenzen und die relativen Faktorausstattungsunterschiede erklärt werden können. Im zweiten Schritt werden in einem mehr deskriptiven Ansatz die Auswirkungen der Produktions- auf die Exportspezialisierung betrachtet.

5.1

Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten in der EU?

In diesem Abschnitt wird mit den bereits im Kapitel 3 vorgestellten und auf die Patenterteilungen angewendeten Verfahren untersucht, ob und inwieweit innerhalb der EU eine Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten erfolgt ist. Bevor jedoch die Ergebnisse dieser Analysen vorgestellt werden, sollen kurz die Ergebnisse bisheriger empirischer Studien referiert werden. 5.1.1

Ergebnisse bisheriger empirischer Studien

Beflügelt durch den Streit zwischen neoklassischer und neuer Wachstumstheorie gibt es auf der Grundlage der im Kapitel 3 dargestellten Konvergenzkonzepte seit dem Ende der achtziger Jahre eine beständig wachsende und inzwischen nicht mehr überschaubare Anzahl von Analysen zur Konvergenz von Pro-KopfEinkommen und Arbeitsproduktivitäten. Zur Beschreibung des Forschungsstandes wäre eine vergleichende Gegenüberstellung der verschiedenen bisherigen Untersuchungen zwar wünschenswert, aber selbst wenn man sich auf jene Studien beschränkt, die die Konvergenz zwischen hochentwickelten OECD-Ländern oder zwischen den EU-Ländern untersuchen, ist sie nur begrenzt aussagekräftig, da die einzelnen Untersuchungen hinsichtlich der Vorgehensweise, des betrachteten Zeitraums, der Periodizität der Daten, der einbezogenen Länder und/oder Regionen sowie der zu erklärenden und der erklärenden Variablen erheblich dierieren. Um dennoch eine gewisse Systematik in die Darstellung der Forschung zum Stand der Konvergenz innerhalb der EU zu bringen, wird einerseits die bereits bei der Diskussion der verschiedenen Konvergenzkonzepte zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen Tests auf - und -Konvergenz im Rahmen von Querschnittsanalysen sowie Zeitreihen- und Paneldatentests aufgegrien. Andererseits wird zwischen den Untersuchungen auf Länderebene (EU oder OECD) und auf Regionalebene der EU unterschieden.1 Ausgehend vom Konzept der -Konvergenz reduzierte sich nach Dowrick/Nguyen (1989) auf der Grundlage der Daten von Summers/Heston (1984) der Varia1

Die Untersuchung auf der Regionalebene erfolgt im Regelfall auf der NUTS 2-Ebene (Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques). Sie entspricht z. B. in Nordrhein-Westfalen den Regierungsbezirken. In einigen Fällen werden auch Daten auf der NUTS 1-Ebene verwendet, die in Deutschland den Bundesländern entspricht. Je nach Datenverfügbarkeit sind auch Kombinationen von beiden Ebenen anzutreen.

5.1 Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten?

417

tionskoe!zient der Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukte von 24 OECD-Ländern im Zeitraum von 1950 bis 1985 von 0,45 auf 0,28, während die Standardabweichung der logarithmierten Größen von 0,51 auf 0,33 absank. Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich auch, wenn die Trendentwicklung dieser Daten zugrunde gelegt wird. Bei Verwendung von OECD-Daten verringerte sich der Variationskoe!zient der Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukte von 0,46 auf 0,29, während die Standardabweichung der logarithmierten Größen nun von 0,56 auf 0,37 fiel. In allen Fällen fand der Hauptteil des Rückgangs zwischen 1950 und 1973 statt, wohingegen zwischen 1973 und 1985 kaum eine weitere Reduktion zu beobachten war. In einer weiteren Untersuchung für 17 OECD-Länder von 1950 bis 1990 auf der Basis der Zahlen der Penn World Tables 5.6 finden Dowrick/Quiggin (1997) bis 1985 die gleiche Entwicklung wie bei der zuvor angeführten Untersuchung, ab 1985 setzt aber eine leichte Reduktion der Standardabweichung der logarithmierten ProKopf-Einkommen ein. Ähnlich findet Thomas (1995) auf der Basis eines mit den Bevölkerungszahlen gewichteten Disparitätsmaßes für 12 EU-Staaten eine deutliche -Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen im Zeitraum von 1984 bis 1991, während diese Tendenz Anfang der achtziger Jahre nicht festzustellen war. Lee/Pesaran/Smith (1997) vergleichen die tatsächliche Entwicklung der Varianzen der logarithmierten Pro-Kopf-Einkommen in 20 OECD-Ländern, die sich im Zeitraum von 1960 bis 1989 von 0,27 auf 0,15 bewegte, wobei die Reduktion auf den Zeitraum bis 1977 begrenzt ist und seitdem eine Stagnation zu beobachten ist, mit jenen Entwicklungen, die sich bei Zugrundelegung verschiedener Varianten des von ihnen geschätzten Solow-Wachstumsmodells ergeben würden. Unterstellen sie, daß alle OECD-Länder den gleichen AR(1)-Term bei den Störgrößen aufweisen, liegen diese Varianzen bis auf die Jahre 1960 und 1975 deutlich unter der tatsächlichen Entwicklung. Dagegen liegen sie seit Mitte der sechziger Jahre deutlich über der tatsächlichen Entwicklung, wenn länderspezifische Koe!zienten für die Abweichungen vom Trendwachstum des Mittelwerts der logarithmierten Pro-Kopf-Einkommen zugelassen werden. Bei den Arbeitsproduktivitäten sank nach Pagano (1993) der Variationskoe!zient innerhalb der EU (elf Staaten) von 0,32 in 1950 über 0,24 in 1960 auf 0,15 in 1973, stieg bis 1982 wieder auf 0,17 und ging dann bis 1988 auf 0,16 zurück. Ganz ähnlich verhielt sich die Standardabweichung der logarithmierten Arbeitsproduktivitäten. Sie bewegte sich von 0,36 in 1950 über 0,31 in 1960 auf 0,18 in 1973, um anschließend bis 1982 auf 0,20 anzuwachsen und dort bis 1988 zu verbleiben. Dagegen ermittelt Galli (1997) für die gleiche Ländergruppe für den Zeitraum von 1960 bis 1993 einen Rückgang der Standardabweichung der logarithmierten Arbeitsproduktivitäten von 0,50 auf 0,38. Auf der Basis einer etwas anderen Ländergruppe (14 OECD-Länder) finden Bernard/Jones (1996b) für den Zeitraum von 1970 bis 1987 einen Rückgang der Standardabweichung der logarithmierten Arbeitsproduktivitäten in der gesamten Industrie (ohne Staat) von 0,24 auf 0,14. Betrachtet man die Analysen zur -Konvergenz auf regionaler Ebene, so stellen Barro/Sala-i-Martin (1991) für 73 Regionen in sieben EU-Staaten zwischen 1950 und 1985 eine Abnahme der Standardabweichung der logarithmierten ProKopf-Einkommen von 0,28 auf 0,18 fest. Neven/Gouyette (1995) ermitteln für 142 EU-Regionen im Zeitraum von 1980 bis 1989 einen leichten Rückgang der

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5. Innovationen, Spezialisierung und Wachstum in der EU

Standardabweichung der Pro-Kopf-Einkommen ab 1984. Bei einer separaten Betrachtung der nord- und südeuropäischen Regionen zeigt sich erstens, daß die Streuung der Pro-Kopf-Einkommen im Süden deutlich höher ist als im Norden, und zweitens, daß die Streuung für die südlichen Regionen zu Beginn der achtziger Jahre leicht fiel und in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wieder anstieg, während sie für die nördlichen Regionen vor allem in der zweiten Hälfte zurückging. Für eine kleinere Stichprobe von 107 Regionen, für die Daten bereits ab 1975 verfügbar sind, zeigen sie, daß dort das stärkste Ausmaß an -Konvergenz für die Periode von 1975 bis 1980 zu beobachten ist. Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt Thomas (1995) auf der Basis von 166 EU-Regionen im Zeitraum von 1980 bis 1991. Bei der Verwendung eines mit den Bevölkerungszahlen gewichteten Disparitätsmaßes kann er keine klare Tendenz bezüglich einer Reduktion der Disparitäten feststellen. Ohne die Regionen Griechenlands und Großbritanniens (118 verbleibende Regionen) ist solch eine Tendenz ab 1985 erkennbar. Dagegen stellen Busch/Lichtblau/Schnabel (1997) basierend auf 143 EU-Regionen zwischen 1980 und 1993 einen leichten Rückgang der Standardabweichung der logarithmierten Pro-Kopf-Einkommen von 0,128 auf 0,121 fest. Paci (1997) wiederum kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie Thomas (1995). Er ermittelt für 109 EU-Regionen für den Zeitraum von 1980 bis 1990 eine ungefähr gleichbleibende Standardabweichung um 0,355 für die logarithmierten Pro-Kopf-Einkommen, während sich die Standardabweichung der logarithmierten Arbeitsproduktivitäten nach vorherigen erratischen Schwankungen um einen konstanten Mittelwert ab 1986 deutlich von fast 0,36 auf 0,315 reduziert. Trotz der mit den Querschnittstests auf -Konvergenz verbundenen methodischen Probleme, die im Abschnitt 3.3.1 dargestellt wurden, sind diese Ansätze in der neueren Literatur zur empirischen Wachstumsforschung — wahrscheinlich wegen ihrer Einfachheit — am häufigsten anzutreen. Dies gilt auch für die nur die EU oder die OECD betreenden Analysen. So ermitteln Dowrick/Nguyen (1989) auf dieser Grundlage einen langsamen Konvergenzprozeß der Einkommen der OECD-Länder zwischen 1950 und 1985 gegenüber den USA (mit einer Rate von ca. 2 % pro Jahr), der stark durch einen Aufholprozeß bei der totalen Faktorproduktivität getrieben war. Mankiw/Romer/Weil (1992) schätzen für die Bruttoinlandsprodukte pro Einwohner im Erwerbstätigenalter (15 bis 64 Jahre) für 22 OECD-Staaten im Zeitraum von 1960 bis 1985 eine Rate der absoluten Konvergenz von 1,67 % pro Jahr. Bei der Annahme bedingter Konvergenz unter Berücksichtigung der Investitionsquote, des Bevölkerungswachstums sowie einer weltweit einheitlichen Abschreibungsrate und Rate des technischen Fortschritts von gemeinsam 5 % steigt die Konvergenzrate auf 1,73 % und bei zusätzlicher Einbeziehung eines Humankapitalindikators auf 2,03 %.2 Diesen Ansatz aufgreifend, ermittelt Islam (1995) bei bedingten -Konvergenzschätzungen für die Pro-Kopf-Einkommen der selben Ländergruppe im selben Zeitraum unter Berücksichtigung der Sparquote und des Bevölkerungswachstums (sowie der einheitlichen Abschreibungsrate und Rate des technischen Fortschritts) 2 Auf die Problematik der Annahme einer weltweit einheitlichen Rate des technischen Fortschritts wurde bereits im Abschnitt 2.1.3 eingegangen.

5.1 Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten?

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eine Konvergenzgeschwindigkeit von ca. 1,5 % pro Jahr. Bei weiterer Aufnahme eines Humankapitalindikators erhöht sie sich auf 1,9 % pro Jahr. In ähnlicher Weise bestimmt Gemmell (1996) für den gleichen Zeitraum für die Pro-KopfEinkommen von 21 OECD-Ländern bei einer bedingten Konvergenzschätzung unter Berücksichtigung der Investitionsquote, der anfänglichen Arbeitskräfteausstattung sowie deren Veränderung und des anfänglichen Humankapitalbestandes sowie dessen Veränderung einen Schätzwert des -Koe!zienten von -0,0185. Ebenfalls für den gleichen Zeitraum und die gleiche Ländergruppe sowie unter Verwendung der gleichen bedingenden Variablen wie in Mankiw/Romer/Weil (1992) ermittelt Temple (1998) auf der Basis einer „reweighted least squares” (RWLS)-Schätzung unter Herausnahme der Beobachtung für Japan, die als Ausreißer identifiziert wurde, wiederum für die Bruttoinlandsprodukte je Einwohner im Erwerbstätigenalter eine Rate der bedingten -Konvergenz von 1,5 % pro Jahr. Schließlich schätzen Fölster/Henrekson (2001) in zwei bedingten Konvergenzgleichungen für die Pro-Kopf-Einkommen von 22 bzw. 23 OECD-Ländern zwischen 1970 und 1995, bei denen sie als erklärende Variablen die Investitionsausgaben, das Wachstum der Erwerbstätigen und des Humankapitals sowie entweder den Steuer- oder Staatsausgabenanteil am Bruttoinlandsprodukt verwenden, -Koe!zienten von -0,015 bzw. -0,014. Thomas (1995) findet bei einem Test auf absolute -Konvergenz für 12 EUStaaten im Zeitraum von 1975 bis 1992 eine Konvergenzrate von 1,61 % pro Jahr. Für die Teilzeiträume von 1980 bis 1991 und von 1980 bis 1985 sowie von 1986 bis 1991 kann hingegen keine absolute Konvergenz festgestellt werden. Unter Berücksichtigung des Anteils der Beschäftigten in der Industrie im Jahr 1981 ergibt sich eine signifikante bedingte -Konvergenz mit einer Rate von 1,86 % für den Zeitraum von 1975 bis 1992 und für den Teilzeitraum von 1986 bis 1991 von 3,1 %. Wird alternativ auf bedingte -Konvergenz durch die Einführung einer Dummyvariable für Griechenland getestet (sozusagen Griechenland mit einem eigenen Steady-State-Einkommen gegen den Rest der EU mit einem einheitlichen Steady-State-Einkommen), erhält er Konvergenzgeschwindigkeiten von 2,73 % für den gesamten Zeitraum, von 1,76 % für den Zeitraum von 1980 bis 1991 und von 4,5 % für den Zeitraum von 1986 bis 1991. Für die Arbeitsproduktivitäten in 11 EU-Ländern zwischen 1950 und 1988 ermittelt Pagano (1993) unabhängig davon, ob er die durchschnittliche Wachstumsrate der Beschäftigung oder die durchschnittliche Investitionsquote als bedingende Variable verwendet, einen Schätzwert für den -Koe!zienten von -0,013, was auf eine recht langsame bedingte Konvergenz hindeutet. Dagegen schätzen Bernard/Jones (1996b) für die gesamte Industrie (ohne Staat) von 14 OECDLändern für den kürzeren Zeitraum von 1970 bis 1987 einen -Koe!zienten von 0,0298, was eine Konvergenzrate zwischen 3,85 % (im Falle der Zugrundelegung eines einfachen Modells technologischen Aufholens) und 4,20 % (im Falle der Zugrundelegung eines einfachen Solow-Modells) impliziert.3 Gugler/Pfaermayr (2004) wiederum bestimmen für 14 EU-Staaten über 99 Industrien für den Zeit3 Zur Ermittlung der Konvergenzraten bei Zugrundelegung verschiedener theoretischer Wachstumsmodelle vgl. Abschnitt 3.3.1.

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5. Innovationen, Spezialisierung und Wachstum in der EU

raum zwischen 1985 und 1998 einen Schätzwert des -Koe!zienten von -0,0332 im Falle der absoluten Konvergenz der nominalen Arbeitsproduktivitäten, was eine Konvergenzrate von 4,35 % pro Jahr impliziert. Bei bedingten Schätzungen ermitteln sie -Koe!zienten zwischen -0,032 (ausbildungs- und kapitalintensive Industrien) und -0,075 (andere Industrien). Auch auf der Regionalebene der EU deuten die Ergebnisse einer Reihe von Studien zumindest auf eine recht langsame -Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten hin. Vollkommen eindeutig sind die Resultate jedoch nicht. So berechnen Barro/Sala-i-Martin (1991) auf der Grundlage einer unbedingten -Konvergenzschätzung für 73 EU-Regionen im Zeitraum zwischen 1950 und 1985 eine Konvergenzrate von 1,83 % pro Jahr. Durch die Einführung von Länderdummies und Strukturvariablen, was verschiedene Formen einer bedingten Konvergenz impliziert, ändert sich dieses Ergebnis kaum. Neven/Gouyette (1995) testen für Stichproben von 73 bis 141 EU-Regionen für verschiedene Zeiträume zwischen 1975 bis 1989 ebenfalls auf absolute und bedingte -Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen. Bei ihren Tests auf absolute -Konvergenz finden sie auf der Basis von 141 Regionen für den Zeitraum von 1980 bis 1989 signifikante Konvergenz mit einer Rate von 0,53 %. Bei einer separaten Schätzung für die nördlichen und südlichen Regionen (43 und 98 Regionen) kann für keinen der beiden Regionalräume eine -Konvergenz festgestellt werden. Das Bild ändert sich, wenn die beiden Teilzeiträume 1980 bis 1985 und 1985 bis 1989 getrennt betrachtet werden. Nun ergibt sich im ersten Teilzeitraum nur für die südlichen Regionen eine signifikante -Konvergenz mit einer Rate von 2,55 %, während im zweiten Teilzeitraum von -Konvergenz für die gesamte Stichprobe (0,77 %) und für die nördlichen Regionen (1,08 %) auszugehen ist. Durch die Einführung von Länderdummies erhöhen sich die Konvergenzraten deutlich. Dann kann für den gesamten Beobachtungszeitraum von 1980 bis 1989 sowohl für alle Regionen als auch für die Teilregionalräume von signifikanter bedingter -Konvergenz mit Raten von 1,11 % (insgesamt), 1,78 % (Süden) und 1,13 % (Norden) ausgegangen werden. Dagegen bleibt das qualitative Bild für die Teilzeiträume im wesentlichen gleich, nur kann jetzt im ersten Teilzeitraum auch für alle 141 Regionen auf eine signifikante -Konvergenz mit einer Rate von 2,01 % geschlossen werden. Gleichzeitig erhöht sich die Konvergenzrate für die südlichen Regionen auf 4,44 %. Zudem kann nun im zweiten Teilzeitraum nicht mehr auf -Konvergenz für alle Regionen geschlossen werden und für die nördlichen Regionen erhöht sich die Konvergenzrate auf 1,86 %. Für eine kleinere Stichprobe mit 107 Regionen, für die Daten von 1975 bis 1989 vorlagen, beträgt die Konvergenzrate im absoluten Fall 1,95 % und bei der Einbeziehung von Länderdummies 1,61 %. Deutlich höher ist sie in der Teilperiode von 1975 bis 1980 mit 3,82 % bzw. 3,08 %. Dagegen findet Thomas (1995) für 166 EU-Regionen im Zeitraum von 1981 bis 1991 sowie in verschiedenen Teilperioden keinen Hinweis auf eine absolute -Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen. Bei Einführung von Länderdummies ermittelt er für die Gesamtperiode und für die Periode von 1981 bis 1989 Evidenz für eine bedingte Konvergenz mit Raten von 1 % bzw. 1,7 % pro Jahr. Bezieht er Clubdummies jeweils für die 25 ärmsten und reichsten Regionen sowie die Anteile der Beschäftigten in der Industrie ein, so ergeben sich Konvergenzraten

5.1 Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten?

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von 2,7 % (1981 bis 1991), 3,6 % (1981 bis 1989), 1,5 % (1981 bis 1985) und 3,4 % (1986 bis 1991). Etwas anders sieht das Bild aus, wenn Club- und Länderdummies gleichzeitig einbezogen werden. Dann betragen die Konvergenzraten 2,5 % (1981 bis 1991), 3,4 % (1981 bis 1989), 2,5 % (1981 bis 1985) und 1,6 % (1986 bis 1991). Zu teilweise etwas anderen Ergebnissen kommen Fagerberg/Verspagen (1996) bei ihren Schätzungen von absoluten Konvergenzgleichungen für 68 bzw. 67 Regionen in sechs EU-Ländern. Sie ermitteln für den Zeitraum von 1950 bis 1970 mit einem Schätzwert von -0,029 einen hoch signifikanten -Koe!zienten. Für den Zeitraum von 1970 bis 1990 fällt er mit -0,018 betragsmäßig etwas geringer aus, ist aber weiterhin hoch signifikant. Für die Teilperiode von 1980 bis 1990 ist er hingegen nicht mehr signifikant kleiner als null. Die Konvergenzgeschwindigkeit verringert sich deutlich, wenn Länderdummies einbezogen werden. Nun beträgt der Schätzwert für die erste Teilperiode -0,019, für die zweite -0,006, wobei dieser Koe!zient bei einer einseitigen Fragestellung nur noch auf einem Signifikanzniveau von 5 % gegen null gesichert ist. In der dritten Teilperiode ist er wiederum nicht signifikant von Null verschieden. Da die von Fagerberg/Verspagen (1996) einbezogenen Regionen vor allem dem sog. Norden der EU zuzurechnen sind, stehen ihre Ergebnisse für die letzte Teilperiode eher mit denen von Neven/Gouyette (1995) im Einklang, während sie die Ergebnisse von Thomas (1995) bezüglich einer länderspezifisch bedingten -Konvergenz für eine kleinere Stichprobe von Regionen nicht bestätigen. Sala-i-Martin (1996) wiederum ermittelt für 90 Regionen in acht EU-Ländern im Zeitraum zwischen 1950 und 1990 unter Berücksichtigung länderspezifischer Eekte eine Konvergenzgeschwindigkeit von 1,5 % pro Jahr. Zudem finden Busch/ Lichtblau/Schnabel (1997) in einer detaillierteren Analyse für 143 EU-Regionen im Zeitraum zwischen 1980 und 1993 eine Rate der absoluten Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen von 0,8 %. Dieses Ergebnis ändert sich kaum, wenn Länderdummies einbezogen werden (dann sind es nur noch 140 Beobachtungen). Eine schnellere bedingte Konvergenz von 1,6 % (ohne Länderdummies) bzw. 1,1 % (mit Länderdummies) ergibt sich, wenn die Erwerbstätigenstruktur als erklärende Variable aufgenommen wird. Wird zudem das FuE-Personal als weiterer Faktor berücksichtigt, so erhöht sich die Konvergenzrate bei nun 97 bzw. 95 Beobachtungen auf 2,8 % (ohne Länderdummies) bzw. 2,4 % (mit Länderdummies). Ähnlich ermittelt auch Martin (1997) für 145 EU-Regionen im Zeitraum von 1980 bis 1992 beim Pro-Kopf-Einkommen unter der Annahme einer absoluten Konvergenz einen Schätzwert des -Koe!zienten von -0,007, der eine Konvergenzgeschwindigkeit von 0,67 % pro Jahr (nach dem einfachen Solow-Modell) impliziert. Bei der Einbeziehung von Länderdummies fällt der Koe!zientenschätzwert auf -0,010 und bei der weiteren Berücksichtigung der relativen Beschäftigung in der Landwirtschaft auf -0,015, während er bei der weiteren Berücksichtigung der relativen Beschäftigung im Dienstleistungsgewerbe auf -0,008 steigt. Werden die 39 Ziel-1-Regionen, deren Pro-Kopf-Einkommen weniger als 75 % des EU-Durchschnitts betragen, und die anderen 106 Regionen getrennt betrachtet, so sind die entsprechenden Schätzwerte für erstere -0,020; -0,020; -0,028 sowie -0,014 und für zweitere -0,09; -0,013; -0,015 sowie -0,012. Bei Einbeziehung einer Infrastrukturvariable lauten die Schätzwerte der -Koe!zienten -0,014 (alle

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5. Innovationen, Spezialisierung und Wachstum in der EU

Regionen), -0,016 (Ziel-1-Regionen) und -0,017 (andere Regionen). Bei alternativer Berücksichtigung einer FuE-Variable, die sich im Falle aller Regionen sowie der Nicht-Ziel-1-Regionen als signifikant erweist, sowie verschiedener Humankapitalindikatoren liegen die Schätzwerte für  zwischen -0,011 und -0,012 (alle Regionen), -0,017 und -0,022 (Ziel-1-Regionen) sowie -0,003 und -0,006 (andere Regionen), wobei letztere nicht mehr auf den üblichen Signifikanzniveaus statistisch von null verschieden sind. Anders als die vorher angeführten Untersuchungen auf der Basis von Regionaldaten, testet Paci (1997) nicht nur auf -Konvergenz für die Pro-Kopf-Einkommen sondern auch für die Arbeitsproduktivitäten. Für letztere ermittelt er für 109 EU-Regionen im Zeitraum zwischen 1980 und 1990 bei Annahme einer absoluten Konvergenz einen Schätzwert des -Koe!zienten von -0,011. Bei Annahme einer bedingten Konvergenz durch die Einbeziehung einer Dummyvariable „Süd” verringert er sich marginal auf -0,010, und bei Einbeziehung der signifikanten Länderdummies erhöht er sich auf -0,017. In allen drei Fällen sind die Koe!zientenschätzwerte auf einem Signifikanzniveau von einem Prozent gesichert. Gleichzeitig findet er bei den analogen Schätzungen für die Pro-Kopf-Einkommen keine -Konvergenz. Ganz ähnlich schätzen Paci/Pigliaru (1999) auf der Basis des gleichen Datensatzes für die Arbeitsproduktivitäten unter Einbeziehung verschiedener Indikatoren für die Beschäftigung außerhalb des Agrarsektors (neben den signifikanten Länderdummies) -Koe!zienten zwischen -0,012 und -0,015. Da die Zeitreihentests der Konvergenzhypothese, wie im Abschnitt 3.3 ausführlich diskutiert wurde, auf einer anderen Konvergenzdefinition beruhen als die Querschnittstests, können die Ergebnisse der beiden Testansätze natürlich nicht unmittelbar miteinander verglichen werden. Vielmehr dürften sie sogar in einer Reihe von Fällen zueinander im Widerspruch stehen. So können auch Bernard/Durlauf (1995) bei ihren Zeitreihentests auf der Basis von Kointegrationsschätzungen für den Zeitraum von 1900 bis 1987 die Nullhypothese keiner Konvergenz für 15 OECD-Länder, elf europäische Länder sowie eine Untermenge von sechs EU-Ländern nicht ablehnen. Aubyn (1999), der mittels ADF-Tests überprüft, ob 15 industrialisierte Staaten zwischen 1890 und 1989 beim Pro-KopfEinkommen gegenüber den USA konvergieren, kann nur für Australien, Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz die Nullhypothese der Nichtkonvergenz ablehnen. Bei einer Aufsplittung des Beobachtungszeitraums unter Auslassung der Phase des Zweiten Weltkriegs in die Teilperioden von 1890 bis 1939 und 1947 bis 1989 kann die Nullhypothese für die erste Teilperiode bei Australien, Belgien, Deutschland und Frankreich abgelehnt werden, während sie in der zweiten Teilperiode nur für Deutschland, Italien und Japan verworfen werden muß. Zudem finden Cellini/Scorcu (2000) auf der Basis von bilateralen Kointegrationstests für die vier großen EU-Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) für den Zeitraum von 1900 bis 1989 nur eine bedingte Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen zwischen Frankreich und Italien. Bei Berücksichtigung einer Niveauverschiebung ermitteln sie bilaterale Konvergenz zwischen Deutschland und Großbritannien (Strukturbruch 1962), Deutschland und Italien (Strukturbruch 1932) sowie Frankreich und Italien (Strukturbruch 1954). Dabei findet bei dem ersten Paar eine Vergrößerung des Niveauunterschiedes und ein Vor-

5.1 Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitsproduktivitäten?

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zeichenwechsel statt. Bis 1962 liegt Großbritannien langfristig vor Deutschland, danach ist es umgekehrt. Bei Deutschland und Italien ist vor und nach dem Strukturbruch ebenfalls eine Vergrößerung des Niveauunterschiedes festzustellen, während er sich zwischen Frankreich und Italien verkleinert. Eine genauere Untersuchung zeigt zudem, daß bei diesen drei Länderpaaren Konvergenz vor und nach dem Strukturbruch vorlag, während zusätzlich eine konvergente Entwicklung der Pro-Kopf-Einkommen zwischen Deutschland und Frankreich von 1900 bis 1939 und zwischen Großbritannien und Italien von 1900 bis 1935 erfolgte. Bei den Paneldatentests der Konvergenzhypothese ist zwischen solchen Ansätzen zu unterscheiden, die die Querschnittstests auf -Konvergenz auf Paneldaten übertragen, und solchen, die dazu dienen, die E!zienz der Zeitreihenverfahren zu erhöhen. Betrachtet man zunächst die erste Gruppe von Ansätzen, so besteht die einfachste Übertragung der Querschnittstests auf Paneldaten darin, gepoolte einfache KQ-Schätzungen durchzuführen. Dieses Vorgehen wird z. B. von Pagano (1993) gewählt, der für elf EU-Staaten unter Einbeziehung des Wachstums der Beschäftigung und der Investitionsquote für verschiedene kürzere Perioden Schätzwerte der -Koe!zienten von -0,014 (1950 bis 1960), -0,026 (1961 bis 1973), -0,012 (1974 bis 1982) und 0,003 (1983 bis 1988) ermittelt, wobei letzterer nicht signifikant von Null verschieden ist. Problematisch ist bei diesen Schätzungen allerdings, daß der einfache KQ-Schätzer des Koe!zienten der zeitverzögerten endogenen Variable bei gepoolten Ansätzen systematisch nach oben verzerrt ist, wenn länderspezifische Eekte vorliegen, so daß die Konvergenzrate dann zu niedrig geschätzt wird (allgemein vgl. Hsiao, 1986). Cashin (1995) führt für die Pro-Kopf-Einkommen von 23 OECD-Ländern im Zeitraum von 1971 bis 1988 — zusammengefaßt zu drei Fünfjahresdurchschnitten und einem Dreijahresdurchschnitt — Paneldatenschätzungen mit Länderdummies mittels des einfachen KQ-Verfahrens und eines verallgemeinerten Instrumentenschätzers durch. Bei seinem Test auf absolute Konvergenz ergibt sich ein Schätzwert für  von -0,0062. Bei den Tests auf bedingte Konvergenz, bei denen in alternativen Konstellationen der Anteil der öentlichen Investitionen, Steuereinnahmen sowie Transferzahlungen am Bruttoinlandsprodukt und der Anteil der Kinder mit Sekundärausbildung an allen Kindern einbezogen werden, ermittelt er Schätzwerte für  zwischen -0,0081 (nur mit Sekundärausbildung) und -0,0097 (mit allen vier erklärenden Variablen). Insgesamt fällt also auch bei seinen Schätzungen die Konvergenzgeschwindigkeit recht gering aus. Ähnlich findet auch Islam (1995) wie bei seinen Querschnittsschätzungen bei einer gepoolten KQ-Schätzung für 22 OECD-Länder im Zeitraum von 1960 bis 1985 (unterteilt in Fünfjahreszeitspannen) für die Pro-Kopf-Einkommen eine Rate der bedingten Konvergenz von ca. 1,5 % pro Jahr. Durch die zusätzliche Einbeziehung eines Indikators für den Faktor Humankapital ändert sich dieser Schätzwert kaum. Bei der Verwendung eines Minimum-Distance-Schätzers erhöht sich die Konvergenzgeschwindigkeit auf 6,7 % pro Jahr und bei einer KQ-Schätzung mit fixen Zeit- und Ländereekten sogar auf 9,3 % (restringierte Schätzung) bzw. 10,7 % (unrestringierte Schätzung). Durch die Einbeziehung des Humankapitalindikators ändern sich diese Schätzwerte abermals kaum. Da man zeigen kann, daß — wie bereits angesprochen — in einer dynamischen Paneldatenschätzung der

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5. Innovationen, Spezialisierung und Wachstum in der EU

einfache KQ-Schätzwert für den Koe!zienten der zeitverzögerten endogenen Variable nach oben verzerrt ist, wenn spezifische Individualeekte vorliegen, und umgekehrt der KQ-Schätzer mit fixen Individualeekten in kurzen Panels nach unten verzerrte Schätzwerte für diesen Koe!zienten liefert, dürfte ein konsistenter Schätzwert zwischen diesen beiden Werten liegen.4 Dagegen kann Thomas (1995) durch eine gepoolte KQ-Schätzung für 12 EUStaaten im Zeitraum von 1980 bis 1991 keinen Hinweis auf -Konvergenz der ProKopf-Einkommen ermitteln. Ohne die Beobachtungen für Griechenland ergibt sich hingegen eine Konvergenzrate von 1,16 % pro Jahr. Etwas anders sieht das Ergebnis auch aus, wenn er die Schätzungen für den selben Zeitraum auf der Basis der Daten für 166 EU-Regionen durchführt. Nun erhält er eine Konvergenzrate von 0,51 % pro Jahr. Ohne Griechenland (152 Regionen) beträgt sie 0,8 % und ohne die Kohäsionsländer (129 Regionen) kann keine signifikante -Konvergenz festgestellt werden. Für den Teilzeitraum von 1986 bis 1991 ergibt sich für alle Regionen und die Stichprobe ohne Kohäsionsländer ein sehr ähnliches Ergebnis, während sich für die Stichprobe ohne Griechenland die Konvergenzrate auf 1,6 % pro Jahr erhöht. Während Sala-i-Martin (1996) für den relativ langen Zeitraum von 1950 bis 1990 durch eine Paneldatenschätzung für 90 Regionen in acht EU-Ländern unter Berücksichtigung von Länderdummies mit einer Konvergenzrate von 1,8 % ebenfalls Evidenz für eine relativ langsame Konvergenz der Regionen innerhalb Europas liefert, finden Cuadrado-Roura/Mancha-Navarro/Garrido-Yserte (2000) für die Arbeitsproduktivitäten in 97 EU-Regionen im Zeitraum von 1981 bis 1990 wesentlich höhere Konvergenzgeschwindigkeiten. Bei einer gepoolten KQ-Schätzung (absolute Konvergenz) ermitteln sie einen Schätzwert für  von -0,028, und bei Einbeziehung von fixen Regionaleekten (bedingte Konvergenz) steigt dieser auf -0,173 an. Hingegen erweisen sich fixe Ländereekte als nicht signifikant von null verschieden. Ähnlich wie letztere ermitteln Paci/Pigliaru (2001) auf der Grundlage von Fünfjahresdaten von 1978 bis 1997 für 131 EU-Regionen bei einer gepoolten KQ-Schätzung einen Schätzwert für  von -0,018 und bei Verwendung eines KQ-Schätzers mit fixen Regionaleekten von -0,081. Bei zusätzlicher Einbeziehung der Innovationsneigung zu Beginn jedes Fünfjahresintervalls, gemessen durch die Anzahl der Patente am Europäischen Patentamt geteilt durch das Bruttoinlandsprodukt der Region, verringert sich der Schätzwert für  auf -0,113. Miller (1996) schätzt bedingte -Konvergenzgleichungen für die Pro-KopfEinkommen von 22 OECD-Ländern im Zeitraum von 1960 bis 1988 mit verschi