Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre : eine Standortbestimmung [1. Aufl] 9783835007888, 3835007882 [PDF]


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Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre : eine Standortbestimmung [1. Aufl]
 9783835007888, 3835007882 [PDF]

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Zitiervorschau

Alexander Eisenkopf, Christian Opitz, Heike Proff (Hrsg.) Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Strategisches Kompetenz-Management Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann, Universität Mainz Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann, Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Jörg Freiling (geschäftsführend), Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Technische Universität Berlin Univ.-Prof. Dr. Peter Hammann (†), Universität Bochum Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber, Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Thomas Mellewigt, Universität Paderborn Univ.-Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz, Technische Universität Ilmenau Univ.-Prof. Dr. Heike Proff, Zeppelin University Friedrichshafen Univ.-Prof. Dr. Christoph Rasche Universität Potsdam Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Specht, Technische Universität Darmstadt Univ.-Prof. Dr. Erich Zahn, Universität Stuttgart

Der Resource-based View und – in enger Verbindung dazu – das Management von (Kern-)Kompetenzen haben in den vergangenen Jahren die Unternehmensführung nachhaltig beeinflusst. Wissenschaft und Praxis beteiligen sich gleichermaßen an Fragen der ressourcenorientierten Unternehmensführung und des Knowledge Managements. Die Schriftenreihe greift diese Entwicklung auf und schafft ein Forum für wissenschaftliche Beiträge und Diskussionen.

Alexander Eisenkopf, Christian Opitz, Heike Proff (Hrsg.)

Strategisches KompetenzManagement in der Betriebswirtschaftslehre Eine Standortbestimmung

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0788-8

Vorwort der Herausgeber Der Forschungsansatz Strategisches Kompetenz-Management (SKM) gewinnt zunehmend Akzeptanz im strategischen Management und in der Managementforschung. Er bildet jedoch derzeit kein homogenes Forschungsfeld mit einer einheitlichen Terminologie, zu dem empirisch intensiv gearbeitet wird. Aufgrund der Vielfalt der Erklärungsansätze stellt sich derzeit noch die Frage nach dem Standort des Strategischen Kompetenz-Managements in der Betriebswirtschaftslehre und nach seinem Beitrag zur Weiterentwicklung des Faches. Antworten auf diese Fragen wurden auf dem 5. Symposium „Strategisches Kompetenz-Management“ Ende September 2007 in Friedrichshafen gesucht. Symposien zum Strategischen Kompetenz-Management finden seit 1999 alle zwei Jahre statt (1999 Bochum, 2001 Mainz, 2003 Innsbruck und 2005 Bremen). Sie bieten deutschsprachigen Forschern ein Forum zur intensiven Diskussion von Forschungskonzepten und –arbeiten zu diesem Themenfeld. Die Beiträge auf dem 5. Symposium in Friedrichshafen lassen sich vier Themenblöcken zuordnen: ƒ ƒ ƒ ƒ

Strategisches Kompetenz-Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre, Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements in der betrieblichen Leistungserstellung, neue Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements und aktuelle Herausforderungen des Strategischen Kompetenz-Managements.

Diese vier Themenblöcke bilden auch die Teile dieses Tagungsbandes. Tagungsbeiträge, die im parallel erscheinenden 3. Band des „Jahrbuch Strategisches Kompetenz-Management“ aufgenommen wurden, sind hier als Abstracts abgedruckt. Die Diskussion auf dem Symposium 2007 zeigte, dass der Forschungsansatz Strategisches Kompetenz-Management keine eigenständige betriebswirtschaftliche Teildisziplin darstellt, sondern einzelwirtschaftliche Teildisziplinen zusammenführt. Er ist aber auch keine Querschnittsdisziplin der Betriebswirtschaftslehre, sondern eine Forschungsrichtung, die auf teilweise inkommensurable Theorieelemente, u. a. neoklassische und evolutionstheoretische Erklärungen, zurückgreift. Das Strategische Kompetenz-Management leistet einen Beitrag zur

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Vorwort der Herausgeber

Erklärung der Existenz und Veränderung von Unternehmen und ergänzt damit andere Erklärungsansätze. Für die Unterstützung durch die Zeppelin University und Herrn Ernst Susanek, Vorsitzender der Geschäftsführung der Zeppelin GmbH, möchten wir uns recht herzlich bedanken. Ein besonderer Dank gilt der wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Zeppelin Lehrstuhl für Internationales Management, Frau Kathrin Haberle und studentischen Mitarbeitern, vor allem Frau Ina Hartwig und Frau Katharina Laabs für die Organisation der Tagung sowie Herrn Michael Maier für die redaktionelle Bearbeitung des Tagungsbandes. Wir hoffen, die Kompetenzforschung wurde nicht „auf schwankenden Boden“ gestellt, wie es ein Teilnehmer angesichts des Tagungsortes – das Schiff MS Lindau auf dem Bodensee – vermutete, sondern im Gegenteil schärfer gefasst und der Standort in der Betriebswirtschaftslehre deutlicher. Friedrichshafen, im Januar 2008

Alexander Eisenkopf Christian Opitz Heike Proff

Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber......................................................................................V Inhaltsverzeichnis............................................................................................... VII

Teil I: Strategisches Kompetenz-Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke Die kompetenztheoretische Erklärung von Unternehmungen anhand des Organisationalen Ambientes (Abstract)*...............................................................3

Stefan W. Konlechner/Wolfgang H. Güttel Die Entwicklung von Replikationsstrategien (Abstract)* ...................................13

Michael Hülsmann/Linda Austerschulte Selbststeuerung – Ein Ansatz zur Balancierung von Flexibilität und Stabilität organisationaler Kompetenzen? ...........................................................21

Michael W. Busch/Dietrich von der Oelsnitz Multiskilling als Ansatzpunkt kompetenzerweiternder Mitarbeiterqualifikation .......................................................................................47

VIII

Inhaltsverzeichnis

Meike Tilebein/Vera Stolarski Diversität und kollektive Informationsverarbeitung............................................71

Jetta Frost/Torsten Westermayer Reflexives Sensemaking zur Überwindung kognitiver Trägheit (Abstract)*......91

Teil II: Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements in der betrieblichen Leistungserstellung Heidrun Kleefeld Demografischer Wandel und Kompetenz zur Innovation in der IT-Branche – Anforderungen an ein strategisches Human Resource Management ................101

Fee Steinhoff Einfluss von Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg í Eine ressourcenbasierte Betrachtung..........................................................................129

Christoph Burmann/Jochen Heemann Identitätsbasierte Markenbudgetierung..............................................................153

Inhaltsverzeichnis

IX

Teil III: Neue Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements Teil IIIa: Dienstleistungen und Strategisches Kompetenz-Management Wolfgang Burr Zur Anwendung des resource based view of the firm auf Dienstleistungsunternehmen í Versuch einer Präzisierung des resource based view (Abstract)*.......................................................................................183

Mark Beyer/Michael Stephan Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen.............195

Jörg Freiling/Heiko Hansen Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister ..........223

Teil IIIb: Weitere neue Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements Tino Michalski Aktuelle Herausforderungen für das erfolgreiche Management von Corporate Venturing Aktivitäten internationaler Unternehmen aus der Perspektive des Strategischen Kompetenz-Managements.................................255

X

Inhaltsverzeichnis

Hans-Christian Pfohl/Ralf Elbert/Fabian Müller Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken: Ansätze für das strategische Kompetenz-Management kleiner und mittelständischer Unternehmen ......................................................................................................283

Hanna Fearns/Martina Schott Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse - Ein evolutionstheoretischer Ansatz ..........................................................................301

Christoph Rasche Strategisches Kompetenzmanagement als Führungsphilosophie und Gestaltungsoption für Managementberatungen .................................................327

Katja Zboralski Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in intraorganisationalen Wissensnetzwerken – Wunsch oder Wirklichkeit?............................................363

Teil IV: Aktuelle Herausforderungen des Strategischen Kompetenz-Managements Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke Interaktive, qualitative Forschungsdesigns im Rahmen der empirischen Forschung zum Strategischen Kompetenz Management (Abstract)*................393

Inhaltsverzeichnis

XI

Jürgen Mühlbacher Kompetenzentwicklung im Wandel – Empirische Befunde einer Untersuchung aktuell wahrgenommener und zukünftig antizipierter Kompetenzen im Top- und Mittelmanagement (Abstract)*..............................399

Michael Hülsmann/Markus Müller-Martini Homo agens als Handlungsmodell eines methodologisch-individualistisch fundierten Competence-based View – einige Basisüberlegungen zu den Konsequenzen (Abstract)* .................................................................................405

Erik Hofmann/Günter Prockl Wertorientierung und Kompetenzmanagement – Konturen einer Strategieforschung zwischen Dekomposition und Reintegration (Abstract)*...413

Teil V: Schlussbetrachtung Manfred Moldaschl Vom Ressourcen- zum Kompetenzdeterminismus – Sackgassen quasievolutorischer Unternehmenstheorie (Abstract)* ..............................................427

Heike Proff/Kathrin Haberle Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre...........445

Autorenverzeichnis ....................................................................................465

Teil I: Strategisches KompetenzManagement im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre

Die kompetenztheoretische Erklärung von Unternehmungen anhand des Organisationalen Ambientes (Abstract)*

1

Zusammenfassung..........................................................................................5

2

Grundsätzliche Einordnung............................................................................5

3

Unternehmungen und organisationales Ambiente .........................................7

4

Fazit..............................................................................................................10

Literatur................................................................................................................11

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Das organisationale Ambiente als Kern einer kompetenztheoretischen Erklärung der Existenz von Unternehmungen“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Organisationales Ambiente 1

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Zusammenfassung

Innerhalb der ökonomischen Theorie der Unternehmung wird die Existenz von Unternehmungen im Kontext von unvollständiger und ungleich verteilter Information, damit verbundener Verhaltensunsicherheit und vor allem von Opportunismus erklärt. Eine andere Erklärung versucht die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung zu liefern. Bislang wurden die diesbezüglichen Vorarbeiten genutzt, um unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten zu einer konsistenten Fundierung auf marktprozesstheoretischer Basis beizutragen. Erste Überlegungen, was die Unternehmung im Vergleich zu anderen ökonomischen Koordinationsformen unterscheidet, wurden angestellt, bislang aber noch nicht weitergeführt. An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Die Innenverhältnisse von Unternehmungen unter Ressourcen- und Kompetenzgesichtspunkten betrachtend, wird auf die Existenz eines so genannten „organisationalen Ambientes“ abgestellt, welches sich von alternativen Institutionen unterscheidet und die Unternehmung mit einem spezifischen Koordinationsprofil und einem damit einhergehenden Koordinationsvermögen ausstattet. Damit wird betont, dass jenseits der Aufbau- und Ablaufstrukturen einer Institution eine Unternehmung ein System darstellt, welches sich aus teils formalen, überwiegend aber informalen Elementen rekrutiert, die eine dauerhafte und flexible Koordination ermöglichen. Die Faktoren sind der organisationalen Tiefenstruktur (Knyphausen-Aufseß 1995; Freiling 2006) zuzuordnen und verleihen der Unternehmung als Institution ein besonderes Motivations- und Koordinationspotenzial. Dies auf kompetenzbasierte Weise zu erschließen, stellt den Kern des Beitrags dar. 2

Grundsätzliche Einordnung

Die kompetenzbasierte Forschung (Dynamic Capability Approach, Competence-based View – zur Gegenüberstellung: Sanchez 2001) hat sich – trotz fundamentaler Kritik an der wissenschaftstheoretischen Verankerung (z. B. Foss 1996; Freiling et al. 2006) – als erklärungsmächtig bei der Betrachtung interorganisationaler Ergebnisunterschiede erwiesen. Generell wird unterstellt, dass der Ansatz bevorzugt in der Lage sei, das relative Leistungsvermögen und damit auch die Innenverhältnisse von Unternehmungen als Institutionen zu beleuchten. Er stellt somit bislang in erster Linie eine Theorie des Wettbewerbsvorteils dar. Gleichwohl gibt es noch immer vergleichsweise wenige Beiträge (Conner 1991; Conner/Prahalad 1996; Kogut/Zander 1992 und 1996; Foss 1996; Madhok 1996; Barney 1996; Osterloh et al. 1999), die den Versuch unternommen haben, auf dieser Basis eine Theorie der Unternehmung zu entwickeln. Diese For-

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Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke

schungslücke ist erstaunlich, weil sich inzwischen angedeutet hat, dass sich im Rahmen einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung ein im Vergleich zu bislang dominanten institutionellen Theorien völlig anderer Erklärungsstrang eröffnen lässt: Während nämlich die Neue Institutionenlehre im Kern das Problem opportunistischen Handelns in den Mittelpunkt ihrer Argumentation rückt (Coase 1937; Williamson 1985) und damit auf die negativen Folgen im Zusammenhang von Unsicherheit im wirtschaftlichen Handeln fokussiert, nimmt die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung (Competence-based Theory of the Firm, kurz: CbTF) eine deutlich andere Sichtweise ein: Sie betont ausdrücklich die geschäftlichen Chancen, die sich aus der Unsicherheit ergeben, ohne dabei deren negativen Folgen außer Acht zu lassen. Daneben nimmt sie die Umgebung einer Unternehmung nicht als gegeben hin, wie dies für die Neue Institutionenlehre üblich ist, sondern unterstellt eine zumindest begrenzte Einflussmöglichkeit der Unternehmung auf die Umwelt durch unternehmerisches Handeln. Dabei ergibt sich eine interessante Betrachtungsperspektive: Die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung rückt die einzelne Organisation zwar in den Mittelpunkt der Argumentation, betrachtet dabei aber zugleich auch deren Einbettung in Märkte und deren Beziehungen zu Konkurrenten und anderen Marktteilnehmern im evolutorischen Kontext („embeddedness“). Insofern geht es der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung nicht zuletzt um CoEvolutions-prozesse (McKelvey 1997; Van den Bosch et al. 1999), wodurch sich die Entwicklung einer Unternehmung entlang von Entstehung, Veränderung und Niedergang erfassen lässt. Hauptargumentationspunkt ist dabei die Potenzialebene, die insbesondere durch die verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen repräsentiert wird. Eine noch offene und im vorliegenden Beitrag zu thematisierende Forschungsfrage besteht demgemäß in der Klärung, warum Unternehmungen im kompetenztheoretischen Sinne benötigt werden und worin sie sich von alternativen Formen ökonomischer Koordination unterscheiden. Speziell stellt sich die Frage nach der „Nature of the Firm“. Die Beantwortung der Frage erfolgt durch Bezug auf die besonderen Innenverhältnisse, die Unternehmungen anbieten. Diese Binnenverhältnisse sind zwar von Unternehmung zu Unternehmung verschieden (Idiosynkrasiethese), verfügen aber offenbar über wesentliche Gemeinsamkeiten, die es zu erschließen gilt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Unternehmungen als ökonomische Koordinationsformen über ein „organisationales Ambiente“ verfügen, welches zur Abhebung gegenüber anderen Institutionen führt. Ein solches Ambiente beruht wesentlich auf der gegebenen Potenzialstruktur und ermöglicht eine spezifische Entwicklung von Ressourcen und Kompetenzen als Identität stiftende Größen, die in anderen Koordinationsformen unter völlig anderen Voraussetzungen ablaufen. Aufbauend auf

Organisationales Ambiente

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den Grundlagen der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung (Gersch et al. 2005; Freiling et al. 2006 und 2007) wird dieses organisationale Ambiente nachfolgend erschlossen. 3

Unternehmungen und organisationales Ambiente

Die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung sensibilisiert für die Bedeutung unternehmungsbezogener Ressourcen und Kompetenzen als Grundlagen der Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Organisation. Bedarf es aber zwangsläufig Unternehmungen, um Ressourcen und Kompetenzen zu schaffen bzw. zu erhalten? Witt (1999) warf in diesem Zusammenhang die interessante Frage auf: Do entrepreneurs need firms? Im Anschluss daran ist zu fragen, was speziell eine Unternehmung ausmacht und von anderen Formen ökonomischer Koordination unterscheidet. Sollte sich im Kontext der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung eine schlüssige Antwort darauf finden lassen, so müsste Ressourcen und Kompetenzen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zufallen. In diesem Sinne wird das Argument vertreten, dass durch die Potenzialstruktur einer Unternehmung eine Umgebung geschaffen wird, die für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Ressourcen und Kompetenzen in spezifischer Weise förderlich ist. Diese Umgebung, die nachfolgend zum Zwecke der besseren Unterscheidbarkeit organisationales Ambiente genannt wird, hebt sich von den Rahmenbedingungen ab, die andere Koordinationsformen bieten (hier vereinfachend: Markt und Hybride). Entsprechend muss es Ziel sein, die Hintergründe dieses organisationalen Ambientes aufzudecken. Diesbezüglich sind in der Kompetenzforschung vereinzelt und ohne direkten Bezug auf ein derartiges Ambiente Beiträge entstanden, die zu einem Zugang beitragen. Zum Zwecke einer ersten Einordnung wird der Begriff des organisationalen Ambientes als Bestandteil der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung vorgestellt: Das organisationale Ambiente stellt ein auf das Handeln einzelner Menschen zurückführbares Netz aus spezifizierten Potenzialen dar, welches für die Ressourcen- und Kompetenzentwicklung einen stabilen, aber nicht statischen Koordinationshintergrund liefert. Dieses Ambiente setzt sich aus mentalen und strukturellen Koppelungen im Potenzialgefüge zusammen, die über die Zeit gewachsen sind und durch regelmäßigen Gebrauch eine problemspezifische Weiterentwicklung erfahren. Es fördert die schnelle und gezielte Entwicklung von Ressourcen sowie Kompetenzen und schützt darüber hinaus

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Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke

die betrieblichen Potenziale vor dem Zugriff Dritter im Wettbewerb (vgl. Abbildung 1).

Inputgüter

Ressourcen

Prozesse

Produkte

Performance

Katalysatoren:

Protektoren:

Hygienefaktoren und Antriebskräfte einer wirkungsvollen Ressourcen- und Kompetenzentwicklung

„Schutzgürtel” für strategische Potenziale einer Unternehmung vor Angriffen im Wettbewerb

Abbildung 1:

Wirkungen des organisationalen Ambientes

Wie aber können die besagten Kopplungen entstehen und nachgewiesen werden? In der Kompetenzforschung finden sich hier u. a. folgende Ansatzpunkte: ƒ

ƒ

Penrose (1959: 25) bemerkt, dass Unternehmungen im Gegensatz zum Markt eine „administrative organization“ darstellen, aber darauf nicht reduziert werden dürfen, da sie zugleich als ein Gefüge aus produktiven Ressourcen zu interpretieren sind, die im Wege administrativer Entscheidungsfindung koordiniert werden. Dadurch wird zwar noch nicht die Frage nach den Spezifika des o.g. Ambientes beantwortet, wohl aber angedeutet, wo wesentliche Unterschiede im Vergleich ökonomischer Koordinationsformen zueinander verortet sind. Offenkundig ist die Erklärung im spezifischen unternehmungsbezogenen Ressourcengefüge zu finden. Der Eindruck findet bei Foss und Klein (2005) Widerhall: Sie heben ebenfalls nicht auf homogene Potenziale ab, sondern betonen die Rolle ausgewählter Ressourcen: „Because judgment cannot be purchased on the market, the entrepreneur needs a firm – a set of alienable assets he controls – to

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carry out his function“ (Foss/Klein 2005). Nützlich ist an dieser Sichtweise, dass weder Ressourcen, noch die unternehmerische Urteilskraft allein im Wettbewerb die volle Wirkung entfalten, sondern dass es einer Zusammenführung bedarf, für die ein institutioneller Hintergrund erforderlich ist. Einen solchen Hintergrund vermag die Unternehmung zu bieten, nicht aber der Markt. Für die „Schwarz-weiß-Kontrastierung“ von Markt und Unternehmung mögen die beschriebenen Sichtweisen einen Zugang bieten, für Abstufungen mit Blick auf hybride Koordinationsformen (Hybride) eher nicht. Insofern muss das Bild insgesamt noch präzisiert werden. Nützlich ist in diesem Zusammenhang die Vorstellung von Kogut und Zander (1992 und 1996). Sie verweisen auf höherrangige Organisationsprinzipien, die in Unternehmungen – und nur dort – zur Anwendung gelangen. Hiermit sprechen sie innerbetriebliche Prozeduren an, durch welche die sozialen Beziehungen unter den Mitarbeitern gesteuert und entwickelt werden. Kompetenztheoretisch gesprochen, führt der tägliche Umgang der Mitarbeiter zur Entstehung von Routinen (Pentland/Rueter 1994), die unterschiedlichste Formen von Wissen zu speichern und vor allem zu strukturieren vermögen. Durch diese Struktur wird ein Handlungspotenzial geschaffen, das auch ohne bewusste Steuerung von Vorgesetzten zu zielführenden Abläufen – insbesondere im Wege der Selbstorganisation – beiträgt. Zentral für den Zugang zum organisationalen Ambiente scheint die spezifische soziale Kopplung betrieblicher Leistungsträger, die sich ohne klar erkennbare Planung ergibt, aber dennoch zu einem stabilen Rahmen für die innerbetriebliche Koordination beiträgt. Durch den institutionellen Rahmen einer Unternehmung sind diese Kopplungen in der Regel zeitlich unbegrenzter Natur und Gegenstand permanenter Anpassungen auf dem Wege der Interaktion. Verständnis des einen Mitarbeiters um die Situation anderer et vice versa entsteht und kann auch im Rahmen einer methodologisch individualistischen Grundposition erfasst werden. Auch Hogdson (1998) hebt auf diesen Aspekt ab, der Unternehmungen von anderen Koordinationsformen unterscheidet: Er verweist auf die in Unternehmungen bestehenden vielfältigen Möglichkeiten, die individuellen Wahrnehmungen, Präferenzen, Fähigkeiten und Handlungen zusammenzuführen und auf diesem Wege zu Selbstverstärkungswirkungen beizutragen. Auch wenn nicht hinreichend deutlich wird, worauf die besagten Möglichkeiten zurückzuführen sind, so wird dennoch zum Grundverständnis des organisationalen Ambientes beigetragen. Mehr Klarheit in dieser Frage vermittelt die Auseinandersetzung um das sog. transaktive Wissen, welches die Grundbausteine derartiger höherrangiger Steuerungsmechanismen zu erschließen hilft. Transaktives Wissen betrifft die Kenntnis um das Wissen Anderer, wobei hier speziell auf das Wissen anderer

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Mitarbeiter der Unternehmung abzustellen ist (Fach-, kategoriales, persönliches, charaktereigenschaftenbezogenes und Netzwerkwissen gemäß von der Oelsnitz und Busch 2007). Derartiges transaktives Wissen entsteht in Abhängigkeit von stabilen sozialen Berührungspunkten zwischen Menschen, wie es für Mitarbeiter üblich ist. Neben diesen interpersonellen Schnittstellen führen auch organisationale Regelungen dazu, dass sich Mitarbeiter mit Kollegen vertraut machen und zur Lösung bestimmter Aufgaben auf deren Potenzial zurückgreifen. Insofern greift auch die Argumentation von Foss (1996) an dieser Stelle, dass Unternehmungen im Vergleich zu anderen Formen ökonomischer Koordination über sog. „economies of learning“ verfügen. Brauchen Unternehmer Unternehmungen? Die von Witt (1999) aufgeworfene Frage lässt sich vor diesem Hintergrund tendenziell bejahen. Mit den sog. „Isolationsmechanismen“ lässt sich die Vorstellung vom organisationalen Ambiente einer Unternehmung erheblich konkretisieren. Die Isolationsmechanismen (z. B. Verfügungs- und Schutzrechte, Kopplungen und Kausalambiguitäten im Potenzialgefüge, tazites Wissen, Akkumulationseffekte im Zeitverlauf und Routinen) sind bislang primär als Faktoren verstanden worden, die im Sinne von Abbildung 1 eine Immunisierung der unternehmungsbezogenen Ressourcen und Kompetenzen mit Blick auf den Zugriff Dritter erlauben (Dierickx/Cool 1989). Betrachtet man die zur Diskussion stehenden Isolationskräfte (v.a. interconnectedness of assets, soziale Komplexität, implizites Wissen, Routinen) in ihrer Gesamtheit, so kann über die rein isolierende Wirkung vor dem Zugriff Dritter festgestellt werden, dass sie mitunter auch ursächlich für den Verlauf von Ressourcen- und Kompetenzentwicklungsprozessen sind (Freiling 2004). Dann aber erklären sie gemäß Abbildung 1 eben nicht nur die Protektionskräfte, sondern zugleich die Katalysatoren im linken Bereich der Abbildung. 4

Fazit

Gibt es eine ökonomisch-theoretische Erklärung der Existenz von Unternehmungen jenseits der Opportunismus-Annahme? Der vorliegende Beitrag hat im marktprozesstheoretischen Kontext den Versuch unternommen, im Vorfeld der Opportunismus-Diskussion anzusetzen und die mit radikaler Unsicherheit in Verbindung stehenden Opportunitäten und das damit verbundene Unternehmertum stärker als bisher in das Betrachtungsfeld zu rücken. Die Möglichkeiten, durch die Institution Unternehmung ein fruchtbares Ambiente zu schaffen, in dem Ressourcen und Kompetenzen sich gezielt zu entwickeln vermögen, treten in den Vordergrund, ohne jedoch die mit Unsicherheit verbundenen Gefahren aus dem Blick zu lassen. Ein Grundverständnis der Hintergründe eines solchen

Organisationales Ambiente

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Ambientes wollte dieser Beitrag schaffen. Es liegt nahe, die diesbezüglichen Überlegungen sowohl in theoretisch-konzeptioneller Weise, insbesondere aber auch auf empirischen Wege zu ergänzen. Literatur Barney, J.B. (1996): Gaining and Sustaining Competitive Advantage. Addison-Wesley: Reading et al. Coase, R.H. (1937): The Nature of the Firm. In: Economica, 4: 386-405. Conner, K.R. (1991): A Historical Comparison of Resource-Based Theory and Five Schools of Thought Within Industrial Organization Economics: Do We Have a New Theory of the Firm? In: Journal of Management, 17: 121-154. Conner, K.R./Prahalad, C.K. (1996): A resource based theory of the firm. In: Organization Science, 7: 477-501. Dierickx, I./Cool, K. (1989): Asset stock accumulation and sustainability of competitive advantage. In: Management Science, 35: 1504-1511. Foss, N.J. (1996): Knowledge-based approaches to the theory of the firm: Some critical comments. In: Organization Science, 7: 470-476. Foss, N.J./Klein, P.G. (2005): Entrepreneurship and the Economic Theory of the Firm: Any Gains from Trade? In: Alvarez, S.A./Agarwal, R./Sorenson, O. (Hrsg.): Handbook of Entrepreneurship Research. Springer: New York: 55-80. Freiling, J. (2004): A competence-based theory of the firm. In: management revue, 15: 126. Freiling, J. (2006): Entrepreneurship. Vahlen: München. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006): Eine „Competence-based Theory of the Firm“ als marktprozesstheoretischer Ansatz. In: Schreyögg, G./Conrad, P. (Hrsg): Managementforschung, Band 16: Management von Kompetenz. Wiesbaden: 37-82. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2007): On the Path towards a Competence-based Theory of the Firm, Arbeitspapier. In: Social Science Research Network (Hrsg.), URL: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id_1046661, Abruf 4.12.2007 Gersch, M./Freiling, J./Goeke, C. (2005): Grundlagen einer „Competence-based Theory of the Firm“. Die Chance zur Schließung einer Realisierungslücke in der Marktprozesstheorie. Arbeitsbericht Nr. 100 des Instituts für Unternehmensführung an der Ruhr-Universität Bochum. Bochum. Hodgson, G. (1998): Economics and evolution. Polity Press: Cambridge. Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995): Theorie der strategischen Unternehmensführung. Gabler: Wiesbaden. Kogut, B./Zander, U. (1992): Knowledge of the Firm: Combinative Capabilities, and the Replication of Technology. In: Organization Science, 3: 383-397. Kogut, B./Zander, U. (1996): What Firms Do? Coordination, Identity, and Learning. In: Organization Science, 7: 502-518.

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Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke

Madhok, A. (1996): The organization of economic activity: Transaction costs, firm capabilities and the nature of governance. In: Organization Science, 7: 577-590. McKelvey, B. (1997): Quasi-natural Organization Science. In: Organization Science, 8: 352-380. Osterloh, M./Frey, B./Frost, J. (1999): Was kann das Unternehmen besser als der Markt? In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 69: 1245-1262. Penrose, E.T. (1959): The Theory of the Growth of the Firm. Basil Blackwell: Oxford. Pentland, B.T./Rueter, H.H. (1994): Organizational Routines as Grammars of Action. In: Administrative Science Quarterly, 39: 484-510. Sanchez, R. (2001): Building Blocks for Strategy Theory: Resources, Dynamic Capabilities and Competences. In: Volberda, H.W./Elfring, T. (Hrsg.): Rethinking Strategy. Sage Publications: London: 143-157. Van den Bosch, F. A. J./Volberda, H. W./de Boer, M. (1999): Coevolution of Firm Absorptive Capacity and Knowledge Environment: Organizational Forms and Combinative Capabilities. In: Organization Science, 10: 551-692. von der Oelsnitz, D./Busch, M. (2007): Kompetenzsteuerung in Teams durch transaktives Wissen. In: Freiling, J./Gemünden, H.G. (Hrsg.): Jahrbuch Strategisches Kompetenz-Management, Band 1. Hampp: München/Mering: 111-153. Williamson, O.E. (1985): The Economic Institutions of Capitalism: Firms, Markets, Relational Contracting. The Free Press: New York. Witt, U. (1999): Do Entrepreneurs need firms? A contribution to a missing chapter in Austrian Economics. In: Review of Austrian Economics, 11: 99-110.

Die Entwicklung von Replikationsstrategien (Abstract)*

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Die Evolution von Replikationsstrategien“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Die Entwicklung von Replikationsstrategien

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Der Transfer der in Geschäftsmodellen eingebetteten Routinen in neue Märkte stellt eine weitverbreitete Praxis in der Wirtschaft dar und wird in der wissenschaftlichen Literatur als „Replikation“ bezeichnet. Im wissenschaftlichen Diskurs wird dieser Praxis zunehmende Aufmerksamkeit zuteil (Winter/Szulanski, 2001), wenngleich festzuhalten ist, dass wesentliche Aspekte, wie etwa die Rolle und das Wesen von Lernprozessen im Rahmen von Replikationsstrategien bislang noch untererforscht sind. Bereits 1982 haben Nelson/Winter (1982) darauf hingewiesen, dass erfolgreiche Unternehmen versuchen sollten, ihre Routinen zu replizieren, um dadurch rasches Wachstum und Skalenerträge sicherstellen zu können. Mit dem Aufstieg des resource-based view (RbV) zum dominierenden Paradigma im Bereich des strategischen Kompetenzmanagements ab Ende der 1980er Jahre rückten jedoch diese Überlegungen zunehmend in den Hintergrund. Anstatt der Replikation von Routinen, die als eine Form des intraorganisationalen Wissenstransfers angesehen werden kann, kam dem Aufbau von Imitationsbarrieren (Barney 1991; Dierickx/Cool 1989) zunehmend stärkere Bedeutung zu. Erst mit der Entwicklung des knowledge-based view (Kogut/Zander 1992) sowie des dynamic capabilityAnsatzes (Teece et al. 1997) und der damit verbundenen Dynamisierung des Gedankengebäudes des RbV erlebte die Arbeit von Nelson und Winter eine Renaissance. Sowohl Replikation im Sinne des Übertragens einzelner Routinen (Szulanski 1996) als auch Replikation im Sinne einer Unternehmensstrategie (Replikationsstrategie) (Winter/Szulanski 2001), im Rahmen derer viele interdependente Routinen in einen neuen Kontext transferiert werden (z. B. beim Neuaufbau von Verkaufsstellen oder Produktionswerken bzw. bei der Akquisition und der schrittweisen Eingliederung eines ursprünglich fremden Unternehmens in das eigene Unternehmen), rückten wieder in den Blickpunkt. Trotz steigender Aufmerksamkeit, die der Replikation von Routinen jüngst gewidmet wurde, sind zentrale Aspekte der Thematik bislang untererforscht. Eine solche Themenstellung wird im Rahmen unseres Beitrags bearbeitet. Bisherige Forschungsarbeiten gehen davon aus, dass es im Rahmen einer Replikationsstrategie gelte, bestehende Routinen so präzise wie möglich in neue Märkte zu übertragen (Szulanski/Jensen 2006). Fragen nach der Integration von Lernerfahrung wurden weitgehend vernachlässigt. Wie in der Literatur jedoch sowohl empirisch als auch in Modellstudien gezeigt wird (Levitt/March 1988; March 1991; Tushman/O'Reilly III 1996), ist eine Balance zwischen dem Generieren von Lernerfahrung und dem Einsatz des bestehenden Wissens (vgl. dazu die „exploration“ vs. „exploitation“ Diskussion; Gupta et al. 2006; March 1991) für langfristigen Unternehmenserfolg notwendig (vgl. dazu auch aktuelle Forschungsarbeiten zur organisationalen „ambidexterity“; He/Wong 2004; Gibson/Birkinshaw 2004; Smith/Tushman 2005; Tushman/O'Reilly III 1996). Auch

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Stefan W. Konlechner/Wolfgang H. Güttel

replizierende Organisationen müssen sicherstellen, dass Lernerfahrung generiert wird und diese Lernerfahrung in das Geschäftsmodell – und damit in das „template“ – integriert wird. In diesem Beitrag wird die folgende Forschungsfrage beantwortet: Wie stellen Organisationen, die eine Replikationsstrategie anwenden, die Generierung und Integration von Lernerfahrung sicher? Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird ein theoretischer Rahmen konzeptualisiert. Dazu wird erläutert, wie replizierende Organisationen (Replikatoren) lernen. Unter Bezugnahme auf das Routinen-Konzept von Feldman und Pentland (Feldman/Pentland 2003; Pentland/Feldman 2005) beschreiben wir in dem Beitrag, wie Organisationen Lernerfahrung generieren und auf welche Weise die Integration dieser Lernerfahrung in das Geschäftsmodell erfolgen kann. Feldman und Pentland unterscheiden zwischen ostensiven und performativen Aspekten von Routinen. Ostensive Aspekte stellen abstrakte und generalisierte Idealbilder einer Routine dar und beziehen sich damit auf die kollektiven Vorstellungen der an der Ausübung der Routine beteiligten Akteure über das idealtypische Wesen der Routine. Solche ostensiven Aspekte können entweder kodifiziert als Artefakte (z. B. in Handbüchern dokumentiertes Wissen) vorliegen oder als selbstverständliche Normen akzeptiert sein. Performative Aspekte beziehen sich auf die konkrete Ausübung der Routine. Weicht das Verhalten Einzelner vom Ideal der Routine ab, führt dies entweder zu einer Veränderung der ostensiven Aspekte der Routine oder zu Sanktionen durch Vorgesetzte (Kontrolle durch Hierarchie) und Kollegen (Soziale Kontrolle), die darauf abzielen die ursprüngliche Idealform der Routine beizubehalten. Nach Winter/Szulanski (2001) und Baden-Fuller/Winter (2005) lässt sich zwischen zwei unterschiedlichen Modi der Replikation differenzieren: Template oder Prinzipien. Im Rahmen einer „template-basierten“ Strategie wird versucht, über die genaue Vorgabe von Artefakten Einfluss auf die Bildung der ostensiven Aspekte von Routinen zu nehmen. Dies wird insbesondere deswegen als notwendig erachtet, da kausale Ambiguität und soziale Komplexität den Wissenstransfer erschweren (Szulanski 1996; Szulanski et al. 2004). Hier werden formelle Regeln und sehr exakte Prozessbeschreibungen mittels kodifizierten Wissens übertragen. Durch formelle Sanktionsmechanismen wird versucht, die Einhaltung der Regeln zu erzwingen. Abweichungen in der Auslegung der ostensiven Aspekte, die in der konkreten Ausführung (performativen Aspekten) sichtbar werden, werden solange sanktioniert, bis eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Replikator und Replikat hergestellt ist. Bei einer Prinzipienbasierten Strategie ist hingegen der Replikator bestrebt, die wesentlichen Prinzipien des Geschäftsmodells zu übertragen. Die ostensiven Aspekte des Replikats

Die Entwicklung von Replikationsstrategien

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sollen auf Basis ähnlicher Prinzipien gebildet werden, wie dies beim Replikator der Fall ist (siehe Abb.1).

Geschäftsmodell

Replikator

performative aspects ostensive aspects

artifacts

Abbildung 1:

Replizierte Organisation

performative aspects principles (Prinzipien Strategie)

template – formelle Regeln (Template Strategie)

ostensive aspects

artifacts

Routinen und Replikationsstrategien

In diesem Beitrag wird gezeigt, wie Replikatoren lernen, d. h. Lernerfahrungen generieren und in das zu replizierende Geschäftsmodell bzw. in die zu replizierenden Routinen einbinden. Lernerfahrungen können demnach bei Replikationsstrategien durch (1) kreative Entwürfe in Form von Inventionen oder Imitationen generiert werden, indem Organisationen aus der Reflexion der Marktentwicklungen oder ihrer eigenen Kompetenzen Anstöße zur Weiterentwicklung schaffen. Ein weiterer Anlass, die Replikationsstrategie mit den eingebundenen Routinen zu verändern, kann aus (2) der Wahrnehmung von Fehlern bzw. des Scheiterns bisheriger Aktivitäten resultieren. Außerdem kann (3) die kontinuierliche Ausübung von Routinen (performative Aspekte) zu einem graduellen Wandel der Idealvorstellung der Routinen (ostensive Aspekte) führen, weshalb im Zeitverlauf ein strukturelles Driften bei der Ausführung der Routinen zu beobachten ist. Die Rückbindung von Lernerfahrung im Rahmen einer Replikationsstrategie kann auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Durch Reflexion kann eine Organisation über die Beschaffenheit ihrer Replikationsstrategie bzw. ihres Geschäftsmodells lernen. Bei diesem Lernprozess kommt es zu einem besseren

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Verständnis über die Grundlagen der Replikationsstrategie, d. h. welche Routinen in welcher Form zu replizieren sind. Zudem kann Lernerfahrung zu einer Optimierung des Wissenstransferprozesses führen. Der Replikator lernt, formelle Regeln und Prozessbeschreibungen (Artefakte) im Rahmen einer „templatebasierten“ Strategie zu optimieren oder das Verständnis der wesentlichen Prinzipien des Geschäftsmodells auf Ebene der ostensiven Aspekte der Routinen im Rahmen einer Prinzipien-basierten Strategie im Replikat zu verbessern. Schließlich können die ostensiven Aspekte von Routinen bzw. des Geschäftsmodells zum Gegenstand von Veränderung werden, wenn es gelingt, Lernerfahrungen in das template zurückzubinden. Dabei sind allerdings die kollektiven Erwartungen und sozialen Sanktionsmechanismen Gegenstand von Veränderungsbestrebungen, die das bisherige template des Replikators stabilisieren. In weiterer Folge führt aber der Wandel des templates beim Replikator dazu, dass nachfolgend die ostensiven Aspekte der Routinen auch in den Replikaten zu verändern sind. In beiden Fällen wird dann auf der Ebene der organisationskulturellen Werte und Normen interveniert, weshalb nur Team- bzw. Organisationsentwicklungsprozesse den Wandel zielgerichtet unterstützen können. Literatur Baden-Fuller, C./Winter, S. G. (2005): Replicating organizational knowledge: Principles or templates? Jena (Germany), Max Planck Institute of Economics Evolutionary Economics Group. Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, 17: 99-120. Dierickx, I./Cool, K. O. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, 35: 1504-1511. Feldman, M. S./Pentland, B. T. (2003): Reconceptualizing Organizational Routines as a Source of Flexibility and Change. In: Administrative Science Quarterly, 48: 94-118. Gibson, C. B./Birkinshaw, J. (2004): The Antecedents, Consequences, and Mediating Role of Organizational Ambidexterity. In: Academy of Management Journal, 47: 209-226. Gupta, A. K./Smith, K. G./Shalley, C. E. (2006): The Interplay between Exploration and Exploitation. In: Academy of Management Journal, 49: 693-706. He, Z.-L./Wong, P.-K. (2004): Exploration vs. Exploitation: An Empirical Test of the Ambidexterity Hypothesis. In: Organization Science, 15: 481-494. Kogut, B./Zander, U. (1992): Knowledge of the firm, combinative capabilities, and the replication of technology. In: Organization Science, 3: 383-397. Levitt, B./March, J. G. (1988): Organizational Learning. In: Annual Review of Sociology, 14: 319-340.

Die Entwicklung von Replikationsstrategien

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Selbststeuerung – Ein Ansatz zur Balancierung von Flexibilität und Stabilität organisationaler Kompetenzen?

1

Einleitung .....................................................................................................23

2

Notwendigkeit eines „Balanced-Management“...........................................26 2.1 2.2 2.3

3

Selbststeuerung als Ansatz für ein „Balanced-Management“ .....................33 3.1 3.2

4

Idee und Begriff der Selbststeuerung ............................................................ 33 Merkmale der Selbststeuerung ...................................................................... 35

Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen.....................................................................37 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

5

Anforderungen aus systemtheoretischer Perspektive an ein „Balanced Management“ ................................................................................................ 26 Managementsystem als Analyserahmen ....................................................... 29 Flexibilisierung organisationaler Kompetenzen............................................ 30

Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart I .......................................................................... 37 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart II ......................................................................... 38 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart III........................................................................ 39 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart IV ....................................................................... 40 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart V......................................................................... 41

Fazit und weiterer Forschungsbedarf...........................................................42

Literatur................................................................................................................43

Selbststeuerung

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Acknowledgement: Diese Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 637 „Selbststeuerung logistischer Prozesse – Ein Paradigmenwechsel und seine Grenzen“ unterstützt. 1

Einleitung

Die Herstellung eines „Strategischen Fits“ ist in der Managementforschung vielfach diskutiert worden (vgl. beispielsweise Scholz 1987: 61ff.; Anand/Ward 2004; Welge/Al-Laham 1999: 488; Bea/Haas 2001: 14ff.; Hülsmann 2003: 20ff.) Ein erster Ansatz des Fit-Gedankens lässt sich auf Anasoff (1965) zurückführen (vgl. Bea/Haas 2001: 14). Innerhalb dieser Diskussion gehen einige Autoren davon aus, dass es einen Fit zwischen dem System „Unternehmung“ und seiner Umwelt, zwischen verschiedenen Systemelementen (z. B. Mitarbeitern oder Maschinen) oder innerhalb von Subsystemen (z. B. Abteilungen) geben kann (vgl. Scholz 1987: 61ff.; Hülsmann 2003: 22). Ein „Strategischer Fit“ soll dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung zu erhalten oder zu erhöhen, indem ein Abgleich von Ressourcen und Kompetenzen einer Unternehmung mit Chancen und Risiken ihrer Umwelt vorgenommen wird (vgl. Xu/Cavusgil/White 2006: 3). Die Notwendigkeit eines strategischen Fits ergibt sich aus andernfalls auftretenden Ressourcenineffizienzen, weil sich aus einer fehlenden Übereinstimmung zwischen den Leistungs- und Organisationspotenzialen einer Unternehmung und der von ihr angestrebten Strategie, Friktionsverluste ergeben, da dies ein nicht-stringentes Handeln impliziert (vgl. Scholz 1987: 67; Welge/Al-Laham 1999: 488; Hülsmann 2003: 117). Bezogen auf die Funktion des Managements zwischen System und Umwelt zu vermitteln bedeutet dies auch, dass ein Fit zwischen Dynamik und Komplexität der Umwelt und der Fähigkeit der Unternehmung zur Bewältigung dieser Dynamik und Komplexität erreicht werden muss, um Ressourcenineffizienzen zu vermeiden und die Organisations- und Leistungspotenziale der Unternehmung möglichst optimal zu nutzen (vgl. Hülsmann 2003: 118). Dies ist erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung und damit aus langfristiger Perspektive das Überleben derselben zu gewährleisten. Aus der Forderung nach einem „Strategischen Fit“ ergibt sich für das strategische Management die Anforderung, Dynamik und Komplexität der Umwelt aufzunehmen, abzuarbeiten und damit zu bewältigen, um Friktionsverluste aus Diskrepanzen zwischen vielschichtigen und veränderlichen Anforderungsprofilen der Umwelt und den korrespondierenden Systemen zu minimieren und somit Res-

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sourcenineffizienzen zu vermeiden (vgl. Kirsch 1978: 163ff.; Luhmann 1973: 181ff.; Ulrich 1984: 114f.; Hülsmann 2003: 117f.). Diese Systemfähigkeit zur Komplexitätsaufnahme & Komplexitätsbewältigung wird in der Literatur vielfach unter dem Oberbegriff der Flexibilität diskutiert (vgl. Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994: 21; Kaluza/Blecker 2004: 3; Nagel 2003: 1) Eine Art von Ressourcen, die im Kontext der Flexibilität von Systemen zur Erhaltung und zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen erörtert werden, sind organisationale Kompetenzen (vgl. Sanchez/Heene 2004; Burmann et. al. 2006). Sanchez definiert den Begriff der Kompetenz in diesem Zusammenhang wie folgt: „Competence is the ability to sustain the coordinated deployment of assets in ways that help the firm to achieve its goals“ (Sanchez 2004: 521). Innerhalb der kompetenzbasierten Forschung werden Kompetenzen folglich eine besondere Erfolgsrelevanz in Bezug auf die Entstehung und Fortexistenz von Performance-Unterschieden zugeschrieben, welche sich in überdurchschnittlichen Renditen und gegenüber Wettbewerbern verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen manifestieren (vgl. Schoemaker 1992: 67). Diese langfristigen Wettbewerbsvorteile werden auf eine spezielle Ausstattung einer Unternehmung mit spezifischen Kompetenzbündeln zurückgeführt (vgl. Freiling 2004: 7). Organisationale Kompetenzen stehen in dieser Forschungsperspektive dementsprechend im Mittelpunkt der Überlegungen zur Erlangung langfristiger Wettbewerbsvorteile (vgl. Krüger 1998: 27). Es wird dabei davon ausgegangen, dass sich organisationale Kompetenzen langsam in stabilen Umfeldern entwickeln (vgl. z. B. Schoemaker 1992: 75). Dementsprechend kann ein Widerspruch zwischen der notwendigen (kurzfristigen) Flexibilisierung einer Unternehmung zur Anpassung an Umwelterfordernisse auf der einen Seite und einer (langfristigen) Stabilisierung zum Aufbau und zur Entwicklung langfristiger Wettbewerbsvorteile auf Basis entwicklungsträger organisationaler Kompetenzen auf der anderen Seite identifiziert werden. Als Lösungsansatz zur Bewältigung dieses vermeintlichen Widerspruchs wird in den folgenden Ausführungen ein „Balanced Management“ vorgeschlagen, dass einer Vermittlungsfunktion zwischen Stabilitätsanforderungen auf der einen Seite und Flexibilitätsanforderungen auf der anderen Seite entsprechen soll, um so eine Annäherung an das Idealkonstrukt eines „Strategischen Fits“ auf der Ebene des Managements von Ressourcen und hier insbesondere von Kompetenzen zu ermöglichen. Ein Konzept, das ein solches „Balanced Management“ durch sein Balancierungspotenzial, wie es z.T. in der Literatur zur Selbststeuerung diskutiert wird (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005; Hülsmann/Wycisk 2006), realisieren helfen könnte, ist möglicherweise in der Selbststeuerung zu finden, die sich mit der dezentralen Entscheidungsfindung in

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heterarchischen Strukturen beschäftigt. Die folgenden Ausführungen widmen sich deshalb zwei Forschungsfragen: ƒ ƒ

Welche generellen und spezifischen Anforderungen ergeben sich für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen? Kann Selbststeuerung einen Beitrag zu einem „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen leisten und worin besteht ggf. dieser?

Zur Beantwortung dieser beiden Fragen wird im ersten Kapitel zunächst auf der Grundlage der Diskussionen zum „Strategischen Fit“ die Forschungsfrage aufgeworfen, welche Möglichkeiten und Grenzen das Konzept der Selbststeuerung für ein „Balanced Management“ von organisationalen Kompetenzen bietet. Um diese Forschungsfrage zu bearbeiten, wird im zweiten Kapitel zunächst systemtheoretisch die Notwendigkeit eines sog. „Balanced Management“ hergeleitet, um generelle Anforderungen aus der Flexibilitäts- und der Stabilitätsdiskussion an ein „Balanced Management“ zu identifizieren. Anschließend wird das Managementsystem von Remer vorgestellt, um einen umfassenden Analyserahmen für die Entwicklung von Anforderungen an ein „Balanced Management“ zu gewährleisten. Die Verknüpfung mit dem Managementsystem soll zusätzlich im weiteren Forschungsprozess zur Relativierung von Implikationen eines „Balanced Management“ sowie zur Identifizierung weiteren Forschungsbedarfs genutzt werden. Zum Abschluss des Kapitels wird der Competencebased View als theoretischer Forschungsrahmen eingeführt, auf dessen Basis konkrete Anforderungen aus kompetenzorientierter Sicht an ein „Balanced Management“ erarbeitet werden sollen. Das dritte Kapitel stellt das Konzept der Selbststeuerung als ein mögliches Konzept zur Realisierung eines „Balanced Managements“ anhand seiner Merkmale und Eigenschaften dar. Im vierten Kapitel werden Möglichkeiten und Grenzen der Selbststeuerung zur Balancierung organisationaler Kompetenzen untersucht, indem die konstitutiven Merkmale der Selbststeuerung auf deren Lösungspotenzial untersucht werden. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse dieser Analyse generell auf die Entwicklung eines selbststeuerungsbasierten „Balanced Management“ untersucht. Das fünfte Kapitel dient einer Zusammenfassung sowie einer kritischen Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse. Des Weiteren werden zukünftige Forschungspotenziale für diesen Themenbereich aufgezeigt.

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Notwendigkeit eines „Balanced-Management“

2.1 Anforderungen aus systemtheoretischer Perspektive an ein „Balanced Management“ 2.1.1 Notwendigkeit einer Flexibilisierung Die Notwendigkeit einer Flexibilisierung von Unternehmen (vgl. z. B. Burmann 2002: 274ff.; Corsten 1999: 319ff.; Gössinger 2000) oder der Produktion (vgl. z. B. Wiendahl/Harms 2001; Wirth/Enderlein/Hildebrand 2001: 67ff.) sind verschiedentlich diskutiert worden (vgl. Kaluza/Blecker 2004: 12ff.; Volberda 2006: 939ff.). Die relative Zunahme der Bedeutung des Faktors Flexibilität wird durch verschiedene aktuelle empirische Studien unterstrichen (vgl. Kaluza/Blecker 2004: 5; Burmann 2002). Nach Kalua/Blecker müssen Unternehmen sowohl bei kurzfristigen Schwankungen (z. B. der Auftragseingänge) als auch bei gravierenden Diskontinuitäten (z. B. Veränderungen der Wettbewerbssituation) Maßnahmen ergreifen können, um die Handlungsfähigkeit und damit das Überleben der Unternehmung auch bei veränderten Rahmenbedingungen zu gewährleisten (vgl. Kaluza/Blecker 2004: 3; Nagel 2003: 1). Daher wird Flexibilität als wichtige Eigenschaft von Unternehmen zur Bewältigung komplexer Umweltsituationen betrachtet (vgl. Kaluza/Blecker, 2004: 2; Anand/Ward 2004: 371; Meffert 1985: 121ff). Für Unternehmungen ergibt sich demnach generell die Notwendigkeit einer Flexibilisierung. Als Konsequenz, müssen sich Unternehmen immer wieder an die Umweltsituation anpassen, indem sie Informationen aus der Umwelt aufnehmen. Ist eine Unternehmung nicht mehr in der Lage, mit der Komplexität und Dynamik der Umgebung umzugehen, kann das Problem einer „locked-organisation“ auftreten (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005). Dies hat zur Konsequenz, dass eine Organisation aufgrund einer zu großen Dynamik und Komplexität der Umwelt nicht mehr in der Lage ist Entscheidungen zu treffen. So können beispielsweise erforderliche Ressourcen nicht mehr beschafft werden oder die Organisation kann sich nicht mehr an die Anforderungen der Umwelt anpassen (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005). Aus systemtheoretischer Perspektive kann Flexibilität eines Systems nur gewährleistet werden, wenn sich dieses durch ein bestimmtes Maß an Offenheit gegenüber seiner relevanten Umwelt auszeichnet (vgl. Luhmann 1973: 173; Hülsmann/Wycisk 2005: 5ff.). Dadurch absorbiert das System einen Teil der Umweltkomplexität (vgl. Brehm 2003: 44). Systemoffenheit zeichnet sich durch Interaktionsprozesse zwischen einem System und seiner Umwelt aus. Durch diese werden die notwendigen Austauschprozesse von Ressourcen und Informationen aufrechterhal-

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ten (vgl. Staehle 1999: 417; Böse/Schiepek 1989: 121; Hülsmann/Wycisk 2005: 5f). Durch Absorption von Umweltkomplexität erhält das System allerdings auch Impulse zu sogenannten Flexibilitätsbedarfen (vgl. Brehm 2003: 44; Hülsmann/Wycisk 2005: 5f). Die Flexibilität einer Unternehmung kann aus systemtheoretischer Perspektive demzufolge nur gewährleistet werden, wenn ein Teil der Umweltkomplexität durch das System aufgenommen und verarbeitet wird. Es kann eine dualistische Rolle der organisationalen Flexibilität festgestellt werden. Zum einen ist Flexibilität notwendig, sei es als eigene Kompetenz oder als Teil eines Kompetenzgefüges, um das System mit den erforderlichen Fähigkeiten auszustatten, die auf langfristige Sicht das Überleben in einer dynamischen und stark konkurrierenden Umwelt gewährleisten. Zum anderen sind es gerade diese Flexibilitätskomponenten, die das System mit einer Grundflexibilität innerhalb seiner Prädisposition versorgen. Die ist notwendig, um das System zu befähigen in einem permanenten Entwicklungsprozess Kompetenzen zu bilden und zu entwickeln (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 5f). 2.1.2 Notwendigkeit einer Stabilisierung In Ergänzung zu den Forderungen nach einer Flexibilisierung von Unternehmungen wird auch die Stabilität einer Unternehmung als Faktor für das langfristige Überleben eines Unternehmens diskutiert (vgl. z. B. Burchell/Kolb 2006; Hülsmann/Wycisk 2005). Burchell/Kolb definieren in diesem Zusammenhang: „Stability may be defined as maintaining the status quo in organisational features and processes, including all aspects of acquired learning and accepted practices“ (Burchel/Kolb 2006: 33). Stabilität diene demnach der Überlebensfähigkeit einer Organisation, indem sie zur Organisation und zum Management eines Unternehmens, durch Effizienz zur Profitabilität, zur Konsolidierung und zur Standardisierung innerhalb der Unternehmung beitrage (Burchel/Kolb 2006: 33). Da sie zur Sicherheit der Organisationsmitglieder beitragen kann, indem sie Unsicherheiten reduziert sowie Vertrauen, Wissensbildung, und Verlässlichkeit ermöglicht (vgl. Burchel/Kolb 2006: 33) und die dort angegebenen Quellen). Dies ermöglicht nach Freiling zum Beispiel die Bildung organisationaler Kompetenzen, da die zeitliche Stabilität einer Unternehmung Grundvoraussetzung für die oftmals langwierige, komplexe und vom Ergebnis offene Kompetenzund Ressourcenentwicklung sei (vgl. Freiling 2004: 13). Ein systemtheoretischer Blickwinkel auf die Stabilitätsdiskussion impliziert die Anforderung an ein System zur Differenzierung von seiner Umwelt, da durch Prozesse einer Systemöffnung die Grenzen der Unternehmung zur Umwelt verschwimmen können. Die Identität des Unternehmens kann dementsprechend gefährdet sein

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(vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 6; Remer 2002: 305). Die Fähigkeit einer partiellen Systemöffnung ist daher wesentlich, um Umweltkomplexität nur in der Menge, die von der Unternehmung bewältigt werden kann, aufzunehmen (vgl. Luhmann 1994: 261; Hülsmann/Wycisk 2005: 6). Der Prozess der Systemschließung kann durch die Festlegung und Aufrechterhaltung einer Systemgrenze realisiert werden, indem Anzahl und Intensität der Wechselbeziehungen zwischen den Systemelementen und zwischen den Systemelementen und der Umwelt je nach Situationsanforderungen und im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der eigenen Identität reguliert werden (vgl. Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994: 21; Hülsmann/Wy-cisk 2005: 6). So können zum Beispiel Elemente, die vorher zur Unternehmensumwelt gezählt wurden, nun ein Bestandteil des Systems Unternehmung werden (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 6). Ein Beispiel dafür können Kooperationen oder Unternehmenszusammenschlüsse sein. So kann eine Abteilung eines anderen Unternehmens, die vorher zur Systemumwelt gehörte, durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dieser Abteilung nun als Bestandteil des eigenen Systems Unternehmung gesehen werden. Aus diesem Grund kann es notwendig sein, die Systemgrenzen zu stabilisieren, um die Systemidentität und damit die Unternehmensgrenzen trotz permanenter Anpassungsprozesse nicht zu verlieren (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 6). 2.1.3 Anforderung unter Flexibilisierungs- und Stabilitätskriterien an ein „Balanced Management“ Aus der generellen Forderung nach einer Flexibilisierung der Unternehmung ergibt sich für ein „Balanced Management“ die Anforderung, Flexibilität eines Systems zu gewährleisten. Dies ist notwendig um Flexiblitätsbedarfe aus der Umwelt aufzunehmen und auf diese zu reagieren (vgl. Kaluza/Blecker 2004: 3; Nagel 2003: 1) Gleichzeitig bedeutet dies, dass das Unternehmen in der Lage sein muss, die aufgenommene Umweltkomplexität zu verarbeiten, um das langfristige Überleben der Unternehmung zu gewährleisten, indem es sich an Umweltanforderungen anpasst. Demzufolge muss ein „Balanced Management“ nicht nur eine Öffnung der Systemgrenzen realisieren, sondern auch die Verarbeitungskapazität des Systems an die Menge der aufgenommenen Informationen anpassen. Unter Stabilitätsgesichtspunkten ergibt sich die Forderung nach einer Schließung der Systemgrenzen, um die Entwicklung von Wissen und organisationalen Kompetenzen sowie das Sicherheitsempfinden der Mitarbeiter zu gewährleisten (vgl. Burchel/Kolb 2006: 33). Ein „Balanced Management“ muss demzufolge, um das Überleben der Unternehmung sicher zu stellen, eine Schließung der Systemgrenzen und damit die Möglichkeit zur Verarbeitung der

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absorbierten Informationen gewährleisten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein „Balanced Management“ einen Ausgleich zwischen Systemöffnung und Systemschließung realisieren muss, um das Überleben und die Fortexistenz der Unternehmung zu gewährleisten. Essenziell für ein „Balanced Management“ ist dementsprechend die Balancierungsfunktion zwischen notwendiger Aufnahme von Umweltkomplexität unter Flexibilitätsgesichtspunkten und der Verarbeitungskapazität des Unternehmens um dessen Stabilität zu gewährleisten. Brehm spricht in einem solchen Falle von einem Fließgleichgewicht, welches durch die Balancierung der beiden Parameter entstehe (vgl. Brehm 2003: 44). 2.2 Managementsystem als Analyserahmen Eine Möglichkeit der Strukturierung eines „Balanced Management“ ist die Anlehnung an ein bereits bestehendes Managementsystem, um eine Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der zu generierenden Implikationen zu gewährleisten. Auch soll dies System zur Identifikation weiterer Forschungsbedarfe herangezogen werden. In der Literatur sind bisher verschiedene Ansätze zur Strukturierung von Managementsystemen vorgenommen worden. So zum Beispiel von Kirsch (vgl. Kirsch 1997: 289, zitiert nach Welge/Al-Laham 2001: 61) oder Hahn/Tay-lor 2006: VI). Ein weiteres Managementsystem ist das von Remer, der ein Managementsystem als Instrument zielgerichteter Gestaltung sieht (vgl. Remer 2004: 2 und 4; Hülsmann 2003: 83). Das Managementsystem von Remer ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich in ein systemtheoretisches Verständnis einreiht, da es auch die Relationen zwischen den verschiedenen Elementen des Managementsystems in die Betrachtungen mit einbezieht (vgl. Hülsmann 2003: 83). Aufgrund der Kohärenz zwischen der Definition von Anforderungen an ein „Balanced Management“ aus systemtheoretischer Perspektive und des systemtheoretischen Grundverständnisses des Managementsystems nach Remer, soll dieses für die weitere Analyse, als Bezugsrahmen für die Einordnung der gewonnenen Erkenntnisse, verwendet werden. Die Elemente des Managementsystems nach Remer sind Politik, Planung, Organisation und Potenzial (vgl. Remer 2004: 31f.). Politik umfasst laut Remer die Formulierung der obersten Ziele eines sozialen Systems. Über diese setzen sich die Systemmitglieder auseinander, um nach Möglichkeit ihre individuellen Interessen zu Zielen des Systems zu machen (vgl. Hülsmann 2003: 96ff; Remer 1982: 23 und 71ff.). Planung sozialer Systeme ist nach Schneeweiß die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handelns (vgl. Schneeweiß 1991: 1; Hülsmann 2003: 100). Bei der Planung handelt es sich nach Remer also um die „Entwicklung einer Vorstellung von seiner internen (Zweck/Mittel) Ordnung sowie seiner grundlegenden

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externen Abgrenzung und Beziehung zu seiner Umwelt.“ (Remer 2004: 29) Eine vollständige Planung ist dabei laut Bea/Haas komplexitätsbedingt unmöglich (vgl. Bea/Haas 2001: 13; Hülsmann 2003: 104). Das dritte Element des Managementsystems von Remer ist Organisation. Für den Begriff der Organisation sind verschiedene Begriffsauffassungen geprägt worden (Für eine Zusammenstellung und Systematisierung verschiedener Begriffsdefinition siehe Hülsmann 2003: 104 ff.). So werden traditionelle (vgl. Olfert/Rahn 2001: 19; Kosiol, 1997: 15ff.), verhaltenswissenschaftliche (vgl. Simon 1976: XIII f.; Frese 1998: 3f.), situative (vgl. Hoffmann 1976: 14; Pugh/Hickson 1976) und systemtheoretische (vgl. Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994: 17) Begriffsauffassungen identifiziert (vgl. Hülsmann 2003: 104ff.). Nach Remer beinhaltet die Organisation eines sozialen Systems eine instrumentelle Bestimmung und Ordnung von Handlungserwartungen im Sinne einer Festlegung „planvoll voneinander abgegrenzter und aufeinander bezogener Handlungseinheiten“ (Remer 1997: 3). Das vierte und letzte Element im Managementsystem von Remer ist Potenzial, welches sich in seiner Auffassung aus vielfältigen manifesten und latenten Beitragsmöglichkeiten von Ressourcen zur Erfüllung des Systemzwecks zusammensetzt (vgl. Hülsmann 2003: 109 ff.). Eine bestimmte Art von Ressourcen sind z. B. organisationale Kompetenzen, denen besondere Erfolgspotenziale zugesprochen werden (vgl. Freiling 2004; Hunt 2000: 81) Ein „Balanced Management“, welches sich zunächst nur auf organisationale Kompetenzen bezieht, könnte demzufolge dem Managementsystemelement „Potenzial“ zugerechnet werden. Besonders betont Remer die Notwendigkeit einer sogenannten Vermittlungsfunktion des Managements die zwischen der Idee und der Realität vermittelt, um so stark widerstreitende Anforderungen zu vereinen (vgl. Remer 2004: 1). 2.3 Flexibilisierung organisationaler Kompetenzen Aufgrund der oben dargestellten systemtheoretisch fundierten Forderung nach Flexibilisierung und Stabilisierung von Unternehmen wird der Fokus auf Konzepte zur Dynamisierung von Kompetenzen und deren Grenzen gelegt. Aus kompetenztheoretischer Perspektive ergeben sich divergierende Ansprüche an ein „Balanced Management“, welches den Unternehmenserfolg und damit die Fortexistenz einer Unternehmung sichern soll. Sanchez unterscheidet in seinem Ansatz fünf verschiedene Kompetenzarten, die auf verschiedenen Arten von Flexibilität beruhen, welche sie für das Unternehmen bereitstellen. Er intendiert damit eine Kategorisierung für Kompetenzen zu schaffen, die es ermöglichen soll, organisationale Kompetenzen zu definieren, zu analysieren und zu mana-

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gen (vgl. Sanchez 2004: 518). Die fünf Arten von organisationalen Kompetenzen bieten demzufolge eine Möglichkeit zur Operationalisierung organisationaler Kompetenzen. Auch für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen ist die Operationalisierung derselben essenziell, um ein gezieltes Management zu ermöglichen. Aus diesem Grund wird hier die Einordnung von Sanchez verwendet, um verschiedene Arten von Kompetenzen zu unterscheiden. Ein weiterer Aspekt der die Eignung des Ansatzes von Sanchez unterstreicht ist, dass er die Arten von organisationalen Kompetenzen auf der Basis verschiedener Arten von Flexibilität differenziert und jeweils auf ein angemessenes Maß an Flexibilität verweist (vgl. Sanchez 2004: 523ff.). Die Betrachtungsweise ist somit kohärent mit der systemtheoretischen Herleitung der Notwendigkeit von Flexibilität und Stabilität in dieser Analyse. Zu Kompetenzart I: Diese Art von Kompetenzen beruht auf der Fähigkeit der Organisationsführung, strategische Wege (sog. Strategic Logics) zu identifizieren, durch die Marktwert geschaffen werden kann. Diese Kompetenz ist von der Fähigkeit der Manager abhängig Marktlücken und damit Marktbedarfe zu identifizieren, die eine Unternehmung erfüllen kann, um Kundennutzen zu generieren. Dazu müssen die Möglichkeiten und Grenzen, welche eine „Strategic Logics„ bieten kann, erkannt werden. Das Ergebnis dieser Kompetenzart sind Portfolios von wahrgenommen strategischen Alternativen, um Unternehmenswert zu schaffen (vgl. Sanchez 2004: 523). Bezogen auf die Vermittlungsfunktion des Managements nach Remer, bedeutet die Kompetenzart I, dass das Management eine Vermittlungsfunktion zwischen dem Markt bzw. den Kundenanforderungen auf der einen Seite und den strategischen Möglichkeiten der Unternehmung auf der anderen Seite erfüllen muss, um die Menge der realisierbaren „Strategic Logics“ zu identifizieren. Zu Kompetenzart II: Die Kompetenzen die der Kompetenzart II zugeordnet werden beruhen auf der kognitiven Flexibilität des Systems alternative Managementprozesse zu erdenken und zu implementieren, um die durch Kompetenzart I identifizierten „Strategic Logics“ umzusetzen. Diese Kompetenzart beinhaltet die Fähigkeit von Managern, die für die Umsetzung notwendigen Ressourcen (z. B. Wissen und Fähigkeiten) zu identifizieren, um ein entsprechendes Design der Organisation zu realisieren. Sanchez merkt dazu an, dass die Manager, wenn sie Kompetenzart II entwickeln wollen, sicher stellen müssen, dass sie mit den organisationalen Prozessen sowohl dynamische als auch statische Effizienz erhalten müssen (vgl. Sanchez 2004: 525).1 Das Ergebnis der zweiten

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Als dynamische Effizienz bezeichnet Sanchez die Fähigkeit einer Unternehmung von einem Wertschöpfungsprozess auf den anderen umzustellen, wenn sich Anforderungen der Unternehmensumwelt ändern. Als statische Effizienz resultiert nach Sanchez von der Fähigkeit ei-

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Kompetenzart ist ein Portfolio von Ansätzen, wie Wertschöpfungsprozesse gestaltet werden können. (vgl. Sanchez 2004: 525) Die notwendige Vermittlungsfunktion eines „Balanced Managements“ findet sich demzufolge zwischen den strategischen Möglichkeiten aus Kompetenzart I und dem ökonomischen Optimum der Flexibilisierung bzw. der Stabilisierung des Organisationsdesign und der Wertschöpfungsprozesse. Zu Kompetenzart III: Die dritte Kompetenzart beruht auf der koordinativen Flexibilität einer Unternehmung Ketten und/oder Folgen von tangiblen und intangiblen Ressourcen zusammenzustellen, welche notwendig sind um die „Strategic Logics“ der ersten Kompetenzart und die Wertschöpfungsprozesse der zweiten Kompetenzart umzusetzen und so zu einer Steigerung des Unternehmenswerts beizutragen. Diese Kompetenzart ist von der Fähigkeit der Manager (meistens des mittleren Managements) abhängig, Ressourcen zu akquirieren oder verfügbar zu machen, diese zu konfigurieren und weiterzuentwickeln. Die Fähigkeit, Ressourcenketten neu zu konfigurieren, trägt demnach zur dynamischen Effizienz einer Unternehmung bei. Die Fähigkeit, gegebene Ressourcenketten zu verbessern, trägt nach Sanchez zur statischen Effizienz der Unternehmung bei (vgl. Sanchez 2004: 526). Für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen ergibt sich demzufolge eine Vermittlungsfunktion zwischen dynamischer Effizienz und statischer Effizienz der Unternehmung, in Bezug auf die koordinative Flexibilität zur Rekonfiguration, Entwicklung und Erhaltung von Ressourcenketten. Zu Kompetenzart IV: Die vierte Art von Kompetenzen ist nach Sanchez die Flexibilität von Ressourcen einer Unternehmung in verschiedenen Prozessen einsetzbar zu sein. Determinanten der Ressourcenflexibilität sind nach Sanchez die Größe des möglichen Einsatzbereichs firmeneigener und firmenzugänglicher Ressourcen, die Zeit, welche die Umstellung von einer Verwendungsart der Ressource auf eine andere Verwendungsart benötigt und die Kosten die durch die Umstellung der Verwendungsart der Ressource für das Unternehmen anfallen. Eine zweite Art der Flexibilität von Ressourcen ist die Lernfähigkeit der Ressourcen einer Unternehmung bzw. die Möglichkeit diese zu verbessern. Durch die Flexibilität der Ressourcen in Kompetenzart IV erhält das Unternehmen ein Portfolio strategischer Möglichkeiten, Ressourcen in alternativen Prozessen zu verwenden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung zu erhalten (vgl. Sanchez 2004: 527). Die notwendige Vermittlungsfunktion findet sich hier wiederum zwischen der dynamischen und der statischen Effizienz der Ressourcen. So soll der Einsatz der Ressourcen möglichst kostenoptimal sein, wofür oftmals eine Stabilisierung notwendig ist. Auf der anderen Seite sollen ner Organisation, Kosten zu minimieren, in dem sie Ressourcen in einem stabilen Kontext unter bereits optimierten Bedingungen einsetzt.

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die Ressourcen jedoch möglichst flexibel sein, sodass sie in verschiedenen Einsatzfeldern möglichst ohne Verluste einsetzbar sind. Zu Kompetenzart V: Die letzte Art von Kompetenzen ist die Flexibilität, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in der Unternehmung vorhanden sind, auf die Ressourcen anzuwenden. Das heißt, dass diese Art von Kompetenz dadurch entsteht, dass das Unternehmen in der Lage ist, die eigenen und verfügbaren Ressourcen effektiv und effizient in verschiedenen Prozessen einzusetzen. Diese operative Flexibilität basiert auf den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Ausführungsebene einer Organisation die Ressourcen zu nutzen (vgl. Sanchez 2004: 527). Nach Leronard-Barton et. al. determiniert dies die Robustheit der Organisation unter verschiedenen Konditionen (vgl. Leonard-Barton et. al. 1994). Die Verlässlichkeit und die Robustheit von Prozessen müssen also trotz der zu erlangenden Flexibilität gewährleistet werden (vgl. Sanchez 2004: 527). Die notwendige Vermittlungsfunktion eines „Balanced Managements“ findet sich hier zwischen der Robustheit der Ausführungsprozesse, um die Prozesssicherheit zu gewährleisten und die Flexibilität die Prozesse umzustellen. Allen fünf Arten von Kompetenzen ist gemein, dass sie einen Engpass darstellen können, wenn sie nicht ausreichend vorhanden sind. Durch Interdependenzen können eventuelle organisationale Kompetenzen nicht genutzt werden, wenn andere Kompetenzen, die dafür notwendig wären, nicht vorhanden sind. So kann z. B. eine in Kompetenzart I erdachte „Strategic Logic“ zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung, nicht umgesetzt werden, wenn nicht auch die Kompetenzarten II bis V vorhanden sind (vgl. Sanchez 2004: 528). Für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen bedeutet dies, dass jeweils ausreichende Kompetenzen jeder einzelnen Art zur Verfügung gestellt werden müssen, um die Flexibilität der Organisation zu gewährleisten und um Veränderungen und Anforderungen der Umwelt zu reagieren. 3

Selbststeuerung als Ansatz für ein „Balanced-Management“

3.1 Idee und Begriff der Selbststeuerung Die Forschung zur Selbstorganisation, als übergeordnetes Erkenntnisfeld der Selbststeuerung, beschäftigt sich seit über 30 Jahren2 mit der Entstehung autonomer Ordnung in komplexen Systemen (vgl. Paslack 1991: 1; Hüls2

Erste Ansätze einer Idee selbstorganisierender Prozesse können bereits bei Aristoteles und Heraklit festgestellt werden, die sich mit selbstorganisierenden Prozessen in Naturphänomenen beschäftigt haben. (Hülsmann et. al. 2007: 23; Paslack/Knost 1990).

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mann/Wycisk 2006: 10f.). Der Gedanke der Selbstorganisation entstammt ursprünglich verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen. So entwickelten zum Beispiel Prigogine und Glansdorff das Konzept dissipativer Strukturen in der Chemie (vgl. Prigogine/Glansdorf 1971) und Peitgen und Richter die Chaostheorie in der Physik (vgl. Peitgen/Richter 1986). Auch das Konzept der Autopoiese in der Biologie, welches maßgeblich von Maturana und Varela entwickelt wurde (Maturana/Varela 1980; Maturana/Varela 1987), sowie die Synergetik in der Physik, die auf Haken zurückgeführt wird, werden der Selbstorganisation zugeordnet (vgl. Haken/Graham 1971; Haken 1983). Ein weiteres Konzept, das der Selbstorganisation zugerechnet wird, ist die Kybernetik, die von von Foerster entwickelt worden ist (vgl. Foerster 1960). Grundlegende Erkenntnisse der naturwissenschaftlichen Selbstorganisationsforschung sind bereits auf verschiedene andere Forschungsfelder übertragen worden. Beispielhaft ist hier die Autopoiese aus der Biologie zu nennen, die in der Soziologie (vgl. Luhmann 1994), der Rechtswissenschaft (vgl. Teubner/Willke 1984), dem Management zum Beispiel im Bereich der Unternehmensführung oder dem Marketing (vgl. Kirsch 1992; Schüppenhauer 1998) und der Psychologie im Bereich der Rechtswissenschaft (vgl. z. B. Hoffman 1984) Anwendung findet (vgl. Hülsmann/Wycisk 2006: 11; Windt/Hülsmann 2007: 7f.). Demzufolge kann das Forschungsgebiet der Selbstorganisation auch keinem speziellen wissenschaftlichen Fachgebiet zugeordnet werden, sondern stellt ein interdisziplinäres Forschungsfeld dar (vgl. Göbel 1998: 17; Hülsmann/Wycisk 2006: 10f.). Selbstorganisation beschäftigt sich mit der Entstehung autonomer Ordnung in komplexen Systemen (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 10). Im betriebswirtschaftlichen Kontext können „Selbstmanagement“ „Selbstorganisation“ und „Selbststeuerung“ unterschieden werden. Selbstmanagement ist das umfassendste Konzept und bezeichnet nach Manz/Sims die vollständig autonome Gestaltung eines Systems durch das System selbst: also eigenständige Ziel- und Planungs- Organisations- und Ressourcenentscheidungen (vgl. Manz/Sims 1980: 361ff.). Selbstorganisation als Teilelement des Selbstmanagements beschreibt laut Göbel hingegen nur die Art und Weise, wie in einem System Ordnung aus sich selbst heraus entsteht, also laut Probst wie sich ein System seine Prozesse und Strukturen aus eigener Befähigung heraus gestalten (vgl. Göbel 1998; Probst 1992a: 2255ff.). Selbststeuerung enthält nach Aussage von Bea/Göbel lediglich Auswahlentscheidungen der Systemmitglieder, die diese innerhalb von (fremd)organisierten Prozessen aufgrund bestimmter Situationsparameter treffen und die zu unterschiedlichen, aber prinzipiell vorherbestimmten Abläufen führen können (vgl. Bea/Göbel 1999: 179ff.). Selbststeuerung beschäftigt sich mit Prozessen dezentraler Entscheidungsfindung in heterarchischen Strukturen, beeinflusst somit also nicht die Systemstruktur. Selbststeuerung stellt dement-

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sprechend eine Teildisziplin der Selbstorganisation dar (vgl. Hülsmann et al. 2007: 23). Sie kann in diesem Zusammenhang definiert werden als: „Autonomous Control describes processes of decentralized decision-making in heterarchical structures. It presumes interacting elements on non-deterministic systems, which posses the capability and possibility to render decisions. The objective of Autonomous Control is the achievement of increased robustness and positive emergence of the total system due to distributed and flexible coping with dynamics and complexity“ (Windt/Hülsmann 2007: 8).

Die grundlegende Idee der Selbststeuerung ist dementsprechend Robustheit und positive Emergenz von Systemen zu erhöhen indem das System in die Lage versetzt wird, flexibel mit Dynamik und Komplexität umzugehen. Der durch die Selbststeuerung vorgeschlagene Lösungsweg sind Prozesse dezentraler Entscheidungsfindung und damit eine mögliche Erhöhung der Entscheidungs- und Informationsverarbeitungskapazität des Systems. Windt/Hülsmann leiten aus diesem Verständnis fünf konstitutive Merkmale der Selbststeuerung ab: dezentrale Entscheidungsfindung, Autonomie, Interaktion, Heterarchie und NichtDeterminismus (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 8ff.) 3.2 Merkmale der Selbststeuerung Eine Entscheidung ist nach Laux die zielgerichtete Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen (vgl. Laux 1998; Frese 1993; Windt/Hülsmann 2007: 8). Um eine fundierte Auswahl zu treffen, müssen Informationen gesammelt und in den Auswahlprozess zwischen den zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen mit einbezogen werden, um möglichst gesicherte Entscheidungen zu treffen. Dezentrale Entscheidungsfindung meint im Kontext der Selbststeuerung, die lokale Verteilung der Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsgewalt auf die einzelnen Elemente des Systems. Dies setzt voraus, dass den dezentralen entscheidungsbefugten Elementen die hierfür notwendigen Informationen und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um dem Systemelement möglichst sichere Entscheidungen zu ermöglichen (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 8f.). Folglich meint das Merkmal der dezentralen Entscheidungsfindung den Übergang der Fähigkeit und Autorität zur zielgerichteten Auswahl von Alternativen von einer zentralen Planungseinheit oder -instanz zu peripheren Elmenten des Systems. Nach Probst ist ein Element eines Systems autonom, wenn es für sein eigenes Design, seine Richtung und seine Entwicklung verantwortlich ist. Es kann also Entscheidungen unabhängig von anderen Systemelementen treffen (vgl. Probst 1987; Hülsmann/Windt 2007: 9). Die

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Autonomie eines Systemelements wird dabei in Abhängigkeit von verschiedenen systemabhängigen Kriterien und Kontextfaktoren des Systems gemessen. Dies können beispielsweise das Ausmaß und der Handlungsspielraum der Entscheidungsgewalt sein (vgl. Varela 1979; Probst 1987; Kappler 1992; Windt/Hülsmann 2007: 9). Folglich kann die Autonomie auch als das Ergebnis der Prozesse der Dezentralisation, als räumliche Verteilung und Delegation, als Übertragung von Entscheidungsbefugnissen gesehen werden (vgl. Kappler 1992). Im Kontext der Selbststeuerung kann Autonomie auch als autonome Entscheidungsfindung verstanden werden (vgl. Windt Hülsmann 2007: 9). Interaktion beschreibt den erfolgreichen Kontakt zwischen mindestens zwei verschiedenen Elementen, Systemen oder Subsystemen. „Erfolgreich“ bedeutet in diesem Fall, dass Kommunikation stattfindet, also dass der hergestellte Kontakt Reaktionen bei den Interaktionspartnern hervorruft (vgl. Staehle 1999; Windt/Hülsmann 2007: 9) Diese Interaktionen zwischen den Systemelementen können nach Haken dazu führen, dass sich innerhalb des Systems selbst organisiert eine Ordnung bildet (vgl. Haken 1993). Dies kann dazu führen, dass das System durch Emergenz neue qualitative Charakteristika ausbildet (vgl. Haken 1993; Hülsmann et. al. 2007: 4). Heterarchie beschreibt die Parataxe und damit die Nebenordnung verschiedener Systemelemente. Dabei ist ein heterarchisches System dadurch gekennzeichnet, dass keine zentrale Planungseinheit existiert, die permanent vorhanden ist (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 9; Probst 1992). Für das System bedeutet Heterarchie, dass weniger Beziehungen über Hierarchieebenen hinweg (also Über- und Unterordnungen) vorhanden sind und eine größere Unabhängigkeit der Systemelemente untereinander und zu einer zentralen Planungseinheit (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 9) Nicht-Determinismus beschreibt die Nicht-Vorhersagbarkeit von Systemverhalten. Ein System ist also nicht-deterministisch, wenn sein langfristiges Verhalten nicht kausal bestimmt und erklärt werden kann, auch wenn vollkommene Informationen über das System, die Systemzustände und die Regeln und Gesetze des Systems vorliegen (vgl. Flämig 1998; Windt/Hülsmann 2007). So kann der Output eines nichtdeterministischen Systems nicht vorhergesagt werden, auch wenn alle Eingangsgrößen und Rahmenbedingungen bekannt sind.3 Der Nicht-Determinismus in einem System soll es Selbigem ermöglichen, effizienter mit Komplexität und Dynamik umzugehen, da das System und seine Elemente in die Lage versetzt werden sollen, kurzfristig auf Änderungen zu reagieren (vgl. Prigogine 1996; Windt/Hülsmann 2007: 10).

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Die Nicht-Vorhersagbarkeit ist durch die dem System und seiner Umwelt inhärenten Komplexität und Dynamik zu erklären (Flämig 1998).

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Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen

4.1 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart I Kompetenzart I beruht auf der Flexibilität von Managern alternative „Strategic Logics“ zu definieren, um auf Marktchancen und Marktrisiken zu reagieren (vgl. Sanchez 2004: 523f.). Die Vermittlungsfunktion eines „Balanced Management“ findet sich hier in der Balancierung der Markt- und Kundenanforderungen auf der einen Seite und der Realisierbarkeit der „Strategic Logics“ auf der anderen Seite. Aus systemtheoretischer Perspektive kann der Bedarf nach einer Systemöffnung identifiziert werden, damit das System die Anforderungen der Umwelt aufnehmen und verarbeiten kann, um Entscheidungsgrundlagen für die Generierung von Alternativen zur Verfügung zu stellen (vgl. Hülsmann/Wycisk 2005: 4ff.). Die gewonnen Informationen dienen dementsprechend der Sicherung der Wahrnehmung von Flexibilitätsbedarfen und der Sicherung der zu treffenden Entscheidungen (vgl. Brehm 2003: 44). Die Einflüsse einer Einführung von Selbststeuerung auf die Kompetenzart I sind nur indirekt, da Selbststeuerung nicht dazu dienen soll und nicht dafür geeignet ist, die primären Ziele eines Systems zu generieren oder zu verändern (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 1ff.). Dementsprechend bleibt die Generierung eines Portfolios mit strategischen Optionen originäre Aufgabe des strategischen Managements. Es können allerdings positive Effekte der Selbststeuerung in Bezug auf die Informationsgrundlage für diese Art von Kompetenz festgestellt werden, so dass die Selbststeuerung indirekt die Kompetenz der Manager zur Generierung alternativer „Strategic Logics“ erhöhen kann. Da hier nur ein genereller Beitrag der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen durch die Erhöhung der Entscheidungskapazität festgestellt werden kann, werden die einzelnen Merkmale der Selbststeuerung nicht explizit diskutiert. Selbststeuerung kann dementsprechend zu einem „Balanced Management“ von Kompetenzart I beitragen, indem die Informationsaufnahme aus der Systemumwelt und die Informationsverarbeitung innerhalb des Systems verbessert werden. So kann Selbststeuerung dazu beitragen, dass sich die informative Entscheidungsgrundlage der Manager verbessert und das System mehr Informationen aus der Umwelt aufnehmen kann.

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4.2 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart II Kompetenzart II ist die Flexibilität der Manager Portfolios mit alternativen Managementprozessen zur Umsetzung der generierten „Strategic Logics“ zu erdenken (vgl. Sanchez 2004: 525). Die Vermittlungsfunktion eines „Balanced Management“ findet sich hier in der Vermittlung zwischen den strategischen Möglichkeiten der „Strategic Logics“ und dem ökonomischen Optimum einer Flexibilisierung oder Stabilisierung des Organisationsdesigns bzw. der Wertschöpfungsprozesse (vgl. Sanchez 2004: 525). Das Merkmal der dezentralen Entscheidungsfindung der Selbststeuerung trägt zu einem „Balanced Management organisationaler Kompetenzen der zweiten Art bei, indem es die Fähigkeit des Gesamtsystems, Entscheidungen in Bezug auf die notwendigen Managementprozesse zu treffen erhöht, da durch verteilte Entscheidungsbefugnisse quantitativ mehr Entscheidungen getroffen werden können. Auch können die Entscheidungen, durch lokale und fachliche Problemnähe, qualitativ hochwertiger sein. Damit steigt die Kapazität zur Erstellung eines Portfolios von alternativen Managementprozessen. Das Merkmal der Autonomie bedeutet für die Kompetenzart II, dass die Elemente eines Systems die Kompetenz haben, Managemententscheidungen zu treffen. Da keine Aussage über die Definition der entsprechenden Managementprozesse getroffen wird, kann das Merkmal als indifferent angesehen werden. Das Merkmal der Interaktion besagt, dass sich durch Wechselbeziehungen der Systemelemente untereinander selbstorganisiert Ordnungen bilden können. Demnach kann durch Interaktion zur Kompetenzart II der Unternehmung beigetragen werden, indem sich Managementprozesse der Unternehmung eigenständig bilden, reformieren und verbessern. Heterarchie beschreibt die Parataxe verschiedener Systemelemente und den damit einhergehenden partiellen Wegfall einer zentralen Planungseinheit (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 9). Eine Beeinflussung der Kompetenzart II durch Heterarchie ist vor allem in der Veränderung der bestehenden und der zukünftigen Managementprozesse zu sehen, da sich die Strukturen der Hierarchie und damit des Managements ändern. Die Robustheit der Managementprozesse in Bezug auf die Veränderlichkeit kann erhöht werden, d. h., Änderungen der Managementprozesse können so leichter durch das bestehende System absorbiert werden. Nicht-Determinismus bedeutet in Bezug auf die Flexibilität der Managementprozesse, dass das System in der Lage ist, mit kurzfristigen nicht geplanten oder vorhergesehenen Änderungen umzugehen. Zudem kann die Stabilität des Systems verbessert werden, indem das System die Kapazität besitzt, auch auf kurzfristige Änderungen zu reagieren (vgl. Prigogine 1996). Damit kann die Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ organisationaler Kompeten-

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zen der Kompetenzart II beitragen, indem die Robustheit der vorhandenen Managementprozesse erhöht wird und damit zur Stabilität und Effizienz des Systems beigetragen wird. Gleichzeitig werden Strukturen geschaffen, die eine Flexibilisierung der Managementprozesse zur Verarbeitung von Komplexität und Dynamik zulassen. 4.3 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart III Kompetenzen der Kompetenzart III sind die Fähigkeiten von Managern, Ressourcenketten zu definieren, um die vorhandenen und adressierbaren Ressourcen sinnvoll einzusetzen (vgl. Sanchez 2004: 525f.). Die notwendige Vermittlungsfunktion eines „Balanced Managements“ findet sich zwischen dynamischer und statischer Effizienz einer Unternehmung Ressourcenketten zu erhalten, zu verändern und weiter zu entwickeln. Dezentrale Entscheidungsfindung kann zur Kompetenzart III beitragen, indem notwendige Entscheidungen, um Ressourcenketten zu erhalten oder zu optimieren von mehreren Elementen getroffen werden können. Die Kapazität der Informationsverarbeitung und der Entscheidungsfähigkeit steigt (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 8f.), sodass mehr Informationen in die Betrachtungen mit einbezogen werden können. Autonomie kann dazu beitragen, dass sich Ressourcenketten selbstständig neu formieren oder optimieren und so auf Komplexität und Dynamik reagieren. Durch Interaktion der verschiedenen Systemelemente können neue emergente Ketten von Ressourcen entstehen bzw. bestehende Ketten können in die Lage versetzt werden, sich selber zu optimieren. Die Ressourcen können die Fähigkeit erlangen, sich zu Ressourcenketten zusammen zu schließen. Durch Heterarchie kann es den Systemelementen ermöglicht werden, die Ressourcenketten auch kurzfristig an geänderte Anforderungen anzupassen. Nicht-Determinismus kann dazu beitragen, die vorhandenen Ressourcenketten zu flexibilisieren, indem das Potenzial der Ressourcenketten erhöht wird auf Änderungen adäquat zu reagieren. Selbststeuerung kann demnach zu einem „Balanced Management“ von Ressourcenketten beitragen, indem einerseits eine Optimierung bestehender Ressourcenketten ermöglicht wird und indem andererseits die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Ressourcenketten erhöht wird.

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Arten von Kompetenzen

Kompetenzart II Kognitive Flexibilität (Management Processes)

Kompetenzart III Koordinative Flexiblität (Ressourcenketten)

Kompetenzart IV Ressourcenflexibilität (Einsatzbereiche)

Kompetenzart V Anwendungsflexibilität (Ausführung)

Dezentrale Entscheidungsfindung

Qualitative und quantitative Kapazitätsverbesserung zur Identifikation alternativer Managementprozesse.

Qualitative und quantitative Verbesserung der Kombination von Ressourcen.

Verbesserung der Einsatzentscheidung durch eigene Entscheidungen der Ressourcen.

Flexibilität durch Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter. Gefahr sinkender Prozesssicherheit.

Autonomie

Keine Aussage zur Bildung von Managementprozessen.

Selbstständige Formierung, Optimierung und Weiterentwicklung von Ressourcenketten.

Ressourcen entscheiden selber über Einsatzort. Berücksichtigung der primären Unternehmensziele muss gewährleiststet sein.

Potenzial der Autonomie ist von Fähigkeiten der Mitarbeiter abhängig.

Selbstgesteuerte Bildung und Optimierung von Managementprozessen.

Neue emergente Formierung von Ressourcenketten.

Indifferent zu Einsatzbereichen der Ressourcen.

Durch bessere Informationsgrundlage kann Entscheidungsqualität verbessert werden.

Verbesserung der Robustheit von Managementprozessen.

Kurzfristige Anpassung von Ressourcenketten möglich.

Indifferent zu Einsatzbereichen der Ressourcen.

Durch bessere Informationsgrundlage kann Entscheidungsqualität verbessert werden.

Robustheit gegen ungeplante Veränderungen.

Flexibilität von Ressourcenketten wird erhöht.

Potenzielle Einsatzbereiche der Ressourcen sind nicht vorherbestimmt.

Anforderung an die Mitarbeiter auf Änderungen adäquat zu reagieren.

Robustheit und Anpassungsfähigkeit der Ressourcen kann erhöht werden.

Ermöglicht dem System seine Ressourcen situationsadäquat einzusetzen und so eine Balancierung von Flexibilität und Stabilität zu gewährleisten.

Balancierung zwischen den Anforderungen durch Selbststeuerung und den Fähigkeiten der Mitarbeiter muss gewährleistet werden.

Merkmale der Selbststeuerung

Interaktion

Kompetenzart I Kognitive Flexibilität (Strategic Logic)

Indifferent, da Selbststeuerung keine strategischen Ziele vorgibt. Allerdings bessere Informationsgrundlage für strategische Entscheidungen möglich.

Heterarchie

Nicht-Determinismus

Balancierungsfunktion

Abbildung 1:

Verbesserte Absorptionsfähigkeit des Systems Informationen aufzunehmen und in strategische Entscheidungen einfließen zu lassen.

Erhöhung der Robustheit und damit der Stabilität und der Effizienz von Managementprozessen bei gleichzeitiger Flexibilisierung derselben.

Mögliche Potenziale der Selbststeuerung für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen (Quelle: eigene Abbilung)

4.4 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart IV Die Kompetenzart IV enthält die Flexibilität der firmeneigenen und adressierbaren Ressourcen in verschiedenen Ressourcenketten und damit Wertschöpfungsprozessen, eingesetzt zu werden (vgl. Sanchez 2004: 526f.). Die Vermittlungsfunktion eines „Balanced Managements findet sich in der Balancierung zwischen der statischen und der dynamischen Effizienz der Ressourcen (vgl. Sanchez 2004: 526f.). Die dezentrale Entscheidungsfindung innerhalb der Selbststeuerung kann Einfluss auf die Kompetenzart IV haben, da sie es der Ressource ermöglicht, ihren optimalen Einsatzort zu bestimmen. Dadurch kann die Quali-

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tät der Entscheidungen über den Einsatz einer Ressource verbessert werden. Die Autonomie kann eine Ressource dazu befähigen, Entscheidungen über ihren Einsatz zu treffen. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die Systemelemente sich dabei zu wenig an den Gesamtzielen der Unternehmung ausrichten. Durch Interaktion kann ein System neue qualitative Charakteristika ausbilden, allerdings kann keine direkte Beeinflussung der Einsatzbereitschaft einer Ressource festgestellt werden. Auch die Heterarchie kann nicht zur Einsatzbereitschaft einer einzelnen Ressource beitragen, da sie sich auf das Zusammenspiel verschiedener Elemente und nicht auf ein einzelnes Element bezieht (vgl. Windt/Hülsmann 2007: 8). Nicht-Determinismus kann zur Einsatzbreite der Ressourcen beitragen, indem ihnen nicht von Anfang an zu bestimmen ist, welche potenziellen Einsatzfelder es für die einzelnen Ressourcen geben kann. Das System ist so flexibel genug, Ressourcen auch in neuen Einsatzbereichen einzusetzen. Selbststeuerung kann demnach zur Balancierung der statischen und der dynamischen Effizienz von Ressourcen beitragen, indem sie die Ressourcen und die Unternehmung in die Lage versetzt neue Einsatzorte zu identifizieren und sie es dem System gleichzeitig ermöglicht adäquat auf die Veränderungen zu reagieren. 4.5 Beiträge der Selbststeuerung zu einem „Balanced Management“ hinsichtlich Kompetenzart V Kompetenzart V beinhaltet die Fähigkeiten der Mitarbeiter, Ressourcen in Anwendungsprozessen einzusetzen (vgl. Sanchez 2004: 527). Die Vermittlungsfunktion kann hier zwischen einer notwendigen Prozessrobustheit und damit Prozesssicherheit und einer hohen Flexibilität der Prozesse gesehen werden. Die dezentrale Entscheidungsfindung kann die Flexibilität der Prozesse erhöhen, indem den Mitarbeitern Veränderungen und damit Optimierungen von Anwendungsprozessen ermöglicht werden. Gleichzeitig kann dies aber auch zu sinkender Prozesssicherheit führen, da Fehlentscheidungen durch die Mitarbeiter getroffen werden können, weil diese eventuell nicht in der Lage sind, den Gesamtkontext zu sehen. Der Erfolg dezentraler Entscheidungsfindung ist hier dementsprechend durch die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter determiniert. Ähnlich verhält es sich mit der Autonomie. Das Maß an Autonomie für die Mitarbeiter ist ebenfalls durch deren Fertigkeiten determiniert, sodass der Erfolg der Autonomie wesentlich davon abhängt, ob ein adäquates Maß in Bezug auf den einzelnen Mitarbeiter gewählt wird. Wird den Mitarbeitern Interaktion ermöglicht, so kann dies die Entscheidungsqualität positiv beeinflussen, da die Informationsgrundlage wesentlich verbessert werden kann und damit der Ein-

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satz der Ressourcen adäquater geschehen kann. Die Heterarchie kann dazu führen, dass die Mitarbeiter über einen größeren Pool an Informationen verfügen, um Entscheidungen zu treffen und so die Entscheidungsqualität verbessert werden kann. Das letzte Merkmal ist Nicht-Determinismus. Für die Fähigkeit der Mitarbeiter, Ressourcen in Anwendungsprozessen einzusetzen, kann die Anforderung an die Mitarbeiter gestellt werden, möglichst flexibel auch auf kurzfristige Änderungen zu reagieren. Für die Vermittlungsfunktion eines „Balanced Managements“ bedeutet dies, dass auf der Mitarbeiterebene verschiedene Voraussetzungen vorhanden sein müssen, wenn Selbststeuerung realisiert werden soll. So sollten die Mitarbeiter zu Entscheidungen fähig sein und eine gewisse Ambiguitätstoleranz mitbringen.4 5

Fazit und weiterer Forschungsbedarf

In diesem Beitrag wurden die Fragen untersucht, ob ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen generell notwendig ist und ob Selbststeuerung einen Beitrag zur Realisierung eines solchen Managements leisten kann. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Selbststeuerung einen positiven Beitrag zu einem „Balanced Management“ generell und spezifisch für ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen leisten kann. So vermag Selbststeuerung auf der einen Seite zur Robustheit eines Systems, seiner Managementprozesse und den Wertschöpfungsprozessen und damit zur Wahrung der Systemidentität und der statischen Effizienz des Systems beitragen. Auf der anderen Seite kann sie, durch die qualitative und quantitative Verbesserung der Entscheidungs- und Informationsverarbeitungskapazität, zu einer Flexibilisierung und damit zur dynamischen Effizienz von Unternehmen und ihren organisationalen Kompetenzen beitragen, da diesen ermöglicht wird, mehr Flexibilitätsbedarfe aus der Umwelt aufzunehmen und zu verarbeiten. Grenzen der Selbststeuerung konnten vor allem in Bezug auf die Generierung alternativer „Strategic Logics“ festgestellt werden, da diese nicht durch Selbststeuerung des Gesamtsystems möglich ist. Die strategischen Ziele einer Unternehmung vorzugeben, bleibt weiterhin originäre Aufgabe des strategischen Managements. Hier kann als weiterer Forschungsbedarf identifiziert werden, die Möglichkeiten und Grenzen der Selbststeuerung in Bezug auf die Verbesserung der strategischen Informationsgrundlage zu untersuchen. Eine weitere in der Analyse zu Kompetenzart V identifizierte Restriktion in Bezug auf ein „Balanced Management“ organisationaler Kompetenzen sind die Mitarbeiter, da von deren Fähig4

Für eine ausführliche Analyse der Anforderungen an Mitarbeiter die die Einführung der Selbststeuerung mit sich bringt, siehe auch Wycisk (2006).

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keiten die Qualität des Einsatzes der Ressourcen abhängig ist. Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich zudem durch eine notwendige Ausweitung der Analyse auf die anderen Merkmale des Managementsystems von Remer und der Beachtung der Beziehungen zwischen diesen Merkmalen. Literatur Anand, G./Ward, P.T. (2004): Fit, Flexibility and Performance in Manufacturing : Coping with Dynamic Environments. In: Production and Operations Management, 13: 369-385. Ansoff, H. I. (1965): Corporate Strategy - An Analytic Approach to Business Policy for Growth and Expansion. New York. Bea, F. X./Göbel, E. (1999): Organisation – Theorie und Gestaltung. Stuttgart (= Grundwissen der Ökonomik : Betriebswirtschaftslehre, hrsg. v. Bea, F. X./Dichtl, E./Schweitzer, M.) Bea, F. X./Haas, J. (2001): Strategisches Management. 2. Auflage, Stuttgart (= Grundwissen der Ökonomik : Betriebswirtschaftslehre, hrsg. v. Bea, F. X./Dichtl, E./Schweitzer) Böse, R./Schiepek, G. (1989): Systemische Theorie und Therapie. Heidelberg. Brehm. C. R. (2003): Organisatorische Flexibilität der Unternehmung – Bausteine eines erfolgreichen Wandels. Wiesbaden. Burchell, N./Kolb, D. (2006): Stability and Change for Sustainibility. In: Universtity of Auckland Business Review, 8: 33-41. Burmann, C./Freiling, J./Hülsmann, M. (2006): Neue Perspektiven des strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden. Corsten, H. (1999): Anwendung der opportunistischen Koordinierung in dezentralen PPS-Systemen. In : Nagel, K./Erben, R. F./Piller, F. T. (Hrsg.): Produktionswirtschaft 2000 – Perspektiven in der Fabrik der Zukunft. Wiesbaden: 319-347. Flämig, M. (1998): Naturwissenschaftliche Weltbilder in Managementtheorien: Chaostheorie, Selbstorganisation, Autopoiesis. Frankfurt a. M. Foerster, v. H. (1960): On Self-Organizing Systems and their Environment. In: Yovits/M. C. and Cameron, S. (Hrsg.): Self-Organizing Systems. London. Freiling, J. (2004): Competence-based View der Unternehmung. In : Die Unternehmung, 58: 5-26. Frese, E. (1998): Grundlagen der Organisation : Konzepte – Prinzipien – Strukturen. 7. Aufl. Wiesbaden. Göbel, E. (1998): Theorie und Gestaltung der Selbstorganisation. Berlin. Gössinger, R. (2000): Opportunistische Koordinierung bei Werkstattfertigung. Ein Ansatz auf der Basis von Multiagentensystemen. Wiesbaden. Hahn, D/Taylor, B. (2006): Strategische Unternehmensplanung – strategische Unternehmensführung – Stand und Entwicklungstendenzen. Berlin.

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Multiskilling als Ansatzpunkt kompetenzerweiternder Mitarbeiterqualifikation

1

Das Phänomen Toyota .................................................................................49

2

Begriff und Hintergrund des Multiskilling ..................................................51

3

Die Bedeutung von Multiskilling für die Kompetenzsteuerung in Teams ...........................................................................................................52 3.1 3.2

4

Cross Training als methodischer Ansatz zur Entwicklung stellenübergreifender Kompetenzen ............................................................63 4.1 4.2 4.3

5

Kompetenzsubstitution in Arbeitsteams........................................................ 54 Kompetenzkoordination in Innovationsteams............................................... 61

Positional Clarification.................................................................................. 64 Positional Modeling ...................................................................................... 65 Positional Rotation ........................................................................................ 66

Mehrfachqualifizierung als personalstrategische Grundsatzentscheidung des Unternehmens .................................................67

Literatur................................................................................................................68

Multiskilling 1

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Das Phänomen Toyota

In ihrer inzwischen zum Klassiker avancierten Studie in der Automobilindustrie haben Womack/Jones/Roos (1991: 83ff.) die Grundprinzipien des Lean Management dargelegt, die sich heute wie in einem Brennglas im „Phänomen Toyota“ bündeln (Becker 2006). Mit 2,35 Millionen verkaufter Fahrzeuge im ersten Quartal 2007 hat Toyota erstmals in seiner Unternehmensgeschichte die weltweite Spitzenposition eingenommen (Kuntz 2007: 21). Ähnlich wie bei 3M, das als Vorbild für eine innovationsorientierte Unternehmensführung herausgestellt wird (vgl. Peters/Waterman 1984: 261ff.), gilt auch Toyota seit nunmehr über zwei Jahrzehnten als Unternehmen, das im Zentrum theorie- und praxisgeleiteter Erfolgsanalysen steht. Als ein immer wieder genannter Schlüsselfaktor des „Toyota-Wegs“ wird die systematische Weiterqualifizierung von Mitarbeitern erwähnt, die im Ergebnis einen flexiblen Einsatz von Arbeitskräften im Fertigungsbereich erlaubt (sog. Multiskilling). Für die auf kurzfristigen Personalersatz angewiesene Justin-time-Produktion erweist sich dies als eine unentbehrliche Funktionsvoraussetzung. Zugleich können Mitarbeiter dadurch besser von- und miteinander lernen, indem sich ihr Blick für interfunktionale Schnittstellen schärft. Die Achtung vor den Menschen und die daraus abgeleitete zentrale Stellung des Mitarbeiters steht in engem Zusammenhang mit den Besonderheiten der japanischen Kultur, in der die lebenslange Bindung von Arbeitskräften an ein Unternehmen als ein bis heute weitgehend unangetastetes Ideal angesehen wird. So wird zum Beispiel auch bei Canon am Prinzip der Beschäftigung auf Lebenszeit festgehalten. Damit stellt sich Japan – wie jüngste Analysen bestätigen (vgl. Abegglen 2006: 73ff.; Witt 2006) – bewusst gegen die in den USA und zunehmend in Europa verbreitete, auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtete Shareholder-Value-Orientierung. Job Hopping, Hire&FireMentalität oder Massenentlassungen in Krisenzeiten sind in der japanischen Arbeitskultur unerwünscht und geradezu verpönt: „Wichtigstes Ziel (…) bleibt der Schutz der Arbeitnehmer. Das Wohl des Angestellten, aber auch die Beziehungen zu Stakeholdern wie den Lieferanten oder dem Staat stehen in Japan weit über den Interessen der Aktionäre“ (Fuster 2007: 13). Im Ergebnis führt dies nicht nur zu einer stärkeren Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen, sondern vor allem dazu, dass sich Maßnahmen zur Weiterqualifizierung des Stammpersonals für das Unternehmen auf kurze oder lange Sicht tatsächlich auch rechnen. Angesichts der Auswirkungen des demographischen Wandels (z. B. Fachkräftemangel, längere Wochen- und Lebensarbeitszeiten) und der Zunahme wissensintensiver Tätigkeiten ist es auch für deutsche Unternehmen nicht nur

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Michael W. Busch/Dietrich von der Oelsnitz

notwendig, die Rekrutierung qualifizierter Arbeitskräfte wesentlich wirksamer zu betreiben, vielmehr wird es für sie geradezu überlebenswichtig, die vorhandenen guten Mitarbeiter langfristig im Unternehmen zu halten, denn nur so können deren Potenziale umfassend aufgedeckt, voll entfaltet und flexibel genutzt werden. Bei der Suche und Förderung von Talenten sowie allgemein bei einer systematisch betriebenen Personalentwicklung sieht das Institut der Deutschen Wirtschaft insbesondere für kleine und mittlere Betriebe einen enormen Nachholbedarf. Hier erfolge Personalentwicklung allzu oft ohne System oder orientiere sich an hemdsärmeligen Lösungen. Auch werde noch zu starr an maßgeschneiderten und unveränderlichen Stellenprofilen festgehalten (vgl. Dohmen 2007: 18). In Großunternehmen hingegen gibt es zwar zumeist eine professionelle Personalentwicklung, doch wird hier der Notwendigkeit der langfristigen Bindung von Mitarbeitern unterhalb der oberen und mittleren Führungsebene oft noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sowohl für kleine und mittlere Unternehmen als auch für Großunternehmen existieren also je spezifische Defizite im internationalen Vergleich. Die nachfolgenden Erörterungen über Multiskilling (= Mehrfachqualifizierung) sollen daher unter den Rahmenbedingungen der japanischen Konkurrenz und speziell unter den Folgen der sich abzeichnenden innergesellschaftlichen Entwicklung gesehen werden. Diese könnte in einem quasi-kriegerischen Szenario eines Kampfes um knappe Humanressourcen gipfeln (von der Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007). Zunächst erfolgt eine Analyse der Mehrfachqualifizierung. Hierauf wird eine Einordnung in den Kontext der Teamarbeit vorgenommen, da Teams als Form der Arbeitsorganisation in modernen Unternehmen eine zentrale Stellung einnehmen. Mittels zweier idealtypisch voneinander unterscheidbarer Formen der Teamarbeit werden die jeweiligen funktionalen Wirkungen der Mehrfachqualifizierung von Mitarbeitern benannt, die sich den beiden Oberbegriffen Kompetenzkoordination und Kompetenzsubstitution zuweisen lassen. Hierbei kommen auch Grenzen und Gefahren zur Sprache. Danach wird anhand von Cross Training dargestellt, wie sich eine horizontale und/oder vertikale Erweiterung mitarbeiterbezogener Kompetenzen erreichen lässt. Cross Training steht dabei als Sammelbegriff für sämtliche Trainingsmaßnahmen, die darauf abzielen, Mitarbeitern Wissen bzw. Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, welche über ihr angestammtes Arbeitsfeld hinausreichen. Abschließend wird gezeigt, dass Multiskilling mehr ist als eine nur kompetenzorientierte Wahrnehmung von Mitarbeitern. Letztlich steckt hinter diesem Ansatz eine personalstrategische Grundsatzentscheidung des Unternehmens.

Multiskilling 2

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Begriff und Hintergrund des Multiskilling

Multiskilling stellt die personelle Kehrseite der durch Lean Production bewirkten strukturellen und technologischen Veränderungen dar. U-förmig angeordnete Fertigungsstraßen, die Kaizen-Logik der kontinuierlichen Verbesserung und die Einführung teambasierter Arbeitsstrukturen machen eine Anpassung des Fähigkeitsprofils von Mitarbeitern erforderlich. Während im Taylorismus Aufgabenfelder auch aus Gründen der Kontrollierbarkeit bewusst eng gehalten wurden, erfährt diese hochgradige Spezialisierung nun schon seit längerem eine Abschwächung bzw. Erweiterung: „Das Qualifikationsprofil eines Toyota-Mitarbeiters gleicht einem T. Der vertikale Strich steht für die Anforderung, dass die Angestellten das, was sie tun, intensivieren oder vertiefen müssen. Der horizontale Strich weist darauf hin, dass sie auch andere Tätigkeiten erlernen müssen“ (Watanabe 2007: 39). Bildlich gesprochen geht es bei diesen sog. T-shaped Skills also darum, dass der Mitarbeiter einerseits über einen möglichst tiefverwurzelten Stamm an Fähigkeiten in einem bestimmten Aufgabengebiet verfügt, und andererseits Kenntnisse entwickelt, die sich auf angrenzende oder auch darüber hinausreichende Tätigkeitsfelder beziehen (vgl. Leonard 1998: 75ff.). Dadurch verbessert sich die wechselseitige Koordination und das Schnittstellenmanagement, zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit, mögliche Prozessverbesserungen zu erkennen und Produktinnovationen zu entwickeln: „Employees with transspecialist knowledge are (…) able to understand the interfaces between their particular task domains and others’ task domains to explore various applications in particular products“ (Kang/Morris/Snell 2007: 249). Watanabe (2007: 39) geht davon aus, dass der Aufbau von T-shaped Skills bei Toyota bis zu zwanzig Jahre in Anspruch nehmen kann, woraus wiederum unmittelbar die hohe Bedeutung langfristiger Mitarbeiterbindung ersichtlich wird, da nur Mitarbeiter, die dem Unternehmen auf Dauer zur Verfügung stehen, den Einsatz kostenintensiver Entwicklungsmaßnahmen rechtfertigen können; ihr reiches, von anderen Unternehmen nur schwer imitierbares Erfahrungswissen (Beziehungswissen, Verfahrenskenntnisse, technisches Know-how) bildet das Fundament für Kostensenkungen und Qualitätsverbesserungen. Die Aufbrechung starrer Stellenzuweisungen, die Anreicherung von Arbeitsinhalten mit zusätzlichen ausführenden Verrichtungen (zumeist vor- oder nachgelagerten Arbeitsschritten innerhalb der Wertschöpfungskette) oder die Hinzunahme von Leitungsaufgaben sind gleichwohl auch im europäischen und amerikanischen Raum seit langem bekannte und eingesetzte Instrumente zum „Upgrading“ geringqualifizierter Arbeitskräfte. Innerhalb des Training-on-thejob finden sie ihren Ausdruck in der klassischen Personalentwicklungstriade Job Rotation, Job Enlargement und Job Enrichment (vgl. Berthel 1997: 278ff.).

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Michael W. Busch/Dietrich von der Oelsnitz

Allerdings lag der Fokus der „Mehrfunktionsarbeit“ (Günther 1996) im Fertigungsbereich lange Zeit mehr auf dem Abbau motivationaler Dysfunktionen (z. B. Ermüdung, einseitige motorische Belastungen, monotoniebedingte Fehleranfälligkeit) denn in der Identifikation von Mitarbeiterpotenzialen und in der Ermöglichung wechselseitigen Lernens. Mit Sicherheit ist aber insbesondere das Instrument der Stellenrotation als ein bedeutsamer Lernmechanismus nicht nur für den Bereich der Führungskräfteentwicklung von Interesse, schließlich ermöglicht es dem Unternehmen „to observe employees in action in different positions and thus learn which job fits each employee best“ (Ortega 2001: 1363). 3

Die Bedeutung von Multiskilling für die Kompetenzsteuerung in Teams

Der Aufbau von Wissen, das außerhalb des eigenen Stellenbereichs liegt, ergibt sich vor allem für solche Aufgabenkonstellationen, in denen ein enges Zusammenwirken der beteiligten Akteure bzw. Wissensträger erforderlich ist, denn dort erzielen stellenübergreifende oder auch stellenersetzende Kenntnisse nicht nur eine motivationale und anlagenentfaltende Wirkung, sondern mit ihnen verbinden sich auch die schon erwähnten synergie- und flexibilitätssteigernden Effekte. Kompetenzerweiternde Maßnahmen kommen damit vor allem für teambasierte Formen der Zusammenarbeit in Frage. Hierbei lassen sich vereinfachend zwei Idealtypen der Teamarbeit unterscheiden (vgl. Hoegl 1998: 18): ƒ ƒ

Teamarbeit, in der die Erzeugung neuen Wissens im Vordergrund steht („Innovationsteams“) und Teamarbeit, in der die Nutzung vorhandenen Wissens im Vordergrund steht („Arbeitsteams“).

Wissenserzeugende Teamarbeit verlangt innovative Ideen („Exploration“), d. h. von Teammitgliedern wird hierbei Kreativität, Eigeninitiative, Offenheit und die Fähigkeit zu vernetztem Denken erwartet. Typischerweise ist die gemeinsam zu bewältigende Aufgabe durch relative Neuartigkeit und hohe Komplexität gekennzeichnet (sog. ill-structured problems), so dass ihre Lösung zumeist nur durch die Zusammenführung heterogener Expertise gelingen kann. Beispiele für solche, oft projektbasiert operierende Innovationsteams finden sich in der Produktentwicklung, der Strategiefindung, der Restrukturierung oder der Trendforschung.

Multiskilling

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Wissensnutzende Teamarbeit greift auf bereits vorhandene Wissensbestände (z. B. technologisches Wissen, Verfahrenswissen, Mitarbeiterfähigkeiten) zurück, die auf das gemeinsame Ziel hin „ausgebeutet“ werden („Exploitation“). Zuvorderst denkt man hierbei an rein operativ tätige, d. h. mit Durchführungsaufgaben betraute Arbeitsteams, die zumeist auf Dauer zusammenwirken und in allen funktionalen Bereichen eines Unternehmens anzutreffen sind – von der Eingangslogistik über die Fertigung, das Controlling bis hin zum Vertrieb und Kundenservice. Die bearbeiteten Aufgaben, selbst wenn sie per se komplex sind wie etwa der Kontakt zu Großkunden, können dabei mit der Zeit Routinezüge annehmen (relative Gleichartigkeit der Aufgaben, Strukturierbarkeit durch feste Prozessfolgen, idealisierte Prozessmuster), so dass eine Abgrenzung vom Einzel- oder Projektfall möglich wird (vgl. Nippa 1996: 54). Außerdem sind in operativen Teams im Gegensatz zu innovativen Teams die individuellen Arbeitsleistungen und -belastungen leichter zu messen und zu vergleichen, so dass Verhaltens- und Outputstandardisierungen möglich werden. Exemplarisch kann der Fertigungsbereich genannt werden, in dem Mitglieder in Fertigungszellen vergleichsweise einfache Aufgaben (mit geringer Anlernzeit) bearbeiten, die innerhalb der Fertigungskette in inhaltlicher Nähe zueinander angeordnet sind (bei der Volkswagen AG wird dabei von sog. Job Families gesprochen, vgl. von der Ruhr/Bosse 2006: 392ff.). Des Weiteren sind Arbeitsteams im Dienstleistungssektor die häufigste Form der Arbeitsorganisation, etwa im Krankenhauswesen, in Alten- und Pflegeheimen, in der Gastronomie, im Einzelhandel oder in der Freizeitbranche. In der Fertigung werden von Teammitgliedern vor allem motorisches Geschick, technische Fähigkeiten und Belastbarkeit verlangt, in der Dienstleistung tritt die Kundenorientierung hinzu. Hier sollten also körperlichkinästhetische und räumliche Intelligenz sowie interpersonale Sensibilität dominieren, während in Innovationsteams mehr die sprachliche sowie die logischmathematische Intelligenz gefragt ist (vgl. Gardner 2002: 55ff.). Die Unterscheidung beider Teamarbeitsformen ist deswegen wichtig, weil die Trainingsintensität, d. h. die Dichte des zu vermittelnden stellenfremden Wissens an die konkrete Teamsituation anzupassen ist. Relativ einfache Teilaufgaben, die sich inhaltlich nahe stehen und eine entsprechend geringe Anlernzeit aufweisen, eröffnen größere Spielräume für Mehrfachqualifizierung als komplexe Teilaufgaben, die ganz unterschiedlichen Spezialgebieten angehören . Bei heterogener Zusammensetzung eines Teams mit hochqualifizierten Mitarbeitern ist das Ziel, einander zu ersetzen, schlicht unrealistisch; zugleich wäre es auch nicht wünschenswert, da ja gerade durch das „Aufeinanderprallen“ konträrer Sichtweisen die notwendigen kreativen Spannungen erzeugt werden, die den Prozess der Ideengenerierung unterstützen und vorantreiben.

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Für Innovationsteams besteht daher das übergeordnete Trainingsziel vor allem in der Kompetenzkoordination, während für Arbeitsteams das Ziel eher in der Kompetenzsubstitution zu verorten ist. Im einen Fall geht es also darum, eine effiziente Verknüpfung individueller Kompetenzen zu gewährleisten (= Erhöhung der Kooperationseffizienz), im anderen Fall darum, kurzfristige Arbeitsüberlastungen auszugleichen sowie die Folgen von Absentismus oder Fluktuation abzufedern (= Erhöhung der Teamflexibilität). In Innovationsteams sollten Mitglieder imstande sein, sich untereinander gut abstimmen zu können, indem ein stellenübergreifendes, generalistisches Gesamtverständnis aufgebaut wird; in Arbeitsteams hinwieder sollten Mitglieder einander ersetzen oder aushelfen können. 3.1 Kompetenzsubstitution in Arbeitsteams In der Fertigung wie auch allgemein im Dienstleistungsbereich sind Belastungsschwankungen keine Seltenheit (z. B. im Stoßgeschäft). Um auftretende Arbeitsspitzen zu überbrücken, wird traditionell auf sog. Springer zurückgegriffen, also auf Mitarbeiter ohne festen Arbeitsbereich, die auf Abruf zur Stelle sein können; alternativ kommen befristet beschäftigte Aushilfen zum Einsatz, wobei der Zweck der Befristung im Arbeitsvertrag angegeben werden sollte (z. B. Krankheits- oder Urlaubsvertretung, Elternzeit), ansonsten riskiert das Unternehmen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Das ist auch der Grund, weshalb viele Betriebe zunehmend dazu übergehen, Leiharbeitskräfte einzustellen, da der Vertrag dann nicht mit dem Arbeitnehmer, sondern mit der Arbeitnehmerüberlassungsfirma abgeschlossen wird. Die Deckung des kurzfristigen Personalbedarfs über den externen Arbeitsmarkt soll an dieser Stelle nicht näher beleuchtet werden. Es wird stattdessen von einem festen Personalbestand ausgegangen, der durch Mehrfachqualifizierung in die Lage versetzt werden soll, Bedarfsschwankungen eigenständig auszugleichen, sei es auf dem Wege der Selbstorganisation, sei es auf dem Wege der hierarchischen Zuweisung temporär einzunehmender Stellen. Der interne Rückgriff auf ein dauerhaftes Reservoir an Arbeitskräften bietet den Vorteil, dass mitarbeiterbezogene Daten aus der Vergangenheit existieren (z. B. Erfahrungen im Hinblick auf das Leistungsverhalten, die Leistungsentwicklung und Lernfähigkeit oder die soziale Kompetenz). Selbst wenn noch keine gezielten Potenzialanalysen durchgeführt wurden, bilden sich auch ohne äußeres Zutun im Verlauf der Zeit mehr oder weniger detaillierte Kenntnisse über die Einsatzmöglichkeiten einzelner Mitarbeiter. Hier setzt dann die systematische Kompetenzanalyse an, die danach fragt, wer

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wen ersetzen kann (Eignungsanalyse), wer wen ersetzen will (Motivationsanalyse) und wer wen ersetzen soll (Bedarfsanalyse). Gesetzt den Fall, Mitarbeiter sind bereit und auch befähigt, den Schritt von einem eindimensionalen hin zu einem mehrdimensionalen Aufgabenprofil zu machen, so stellt sich aus Sicht der strategischen Personalplanung generell die Frage, wie weit die Flexibilisierung gehen soll; denn mehrfach vorhandene bzw. zeitweise ungenutzte Fähigkeiten stellen in Anbetracht der mit ihrem Aufbau verbundenen hohen Entwicklungskosten streng genommen eine Ressourcenverschwendung dar. Außerdem geht mit Investitionen in den Mitarbeiter das Risiko des Wissensabflusses einher, im Falle, dass dieser das Unternehmen verlassen sollte. Deswegen agiert das westlich geprägte Management eher zögerlich, wenn es an den Aufbau von Ressourcenüberschüssen (sog. Slack) geht, obwohl die Vorteile der Flexibilitäts- und Kreativitätssteigerung auf der Hand liegen (vgl. Fallgatter 1995: 217). Stets ist daher eine Abwägung zu treffen zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig an Flexibilität. Es gilt, das rechte Maß zwischen den zwei Extremen „Jeder kann alles“ und „Jeder kann nur eines“ zu finden. Bei der Einschätzung des Vertretungsbedarfs können Leitfragen Orientierung geben: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Wo traten in der Vergangenheit sehr häufig Arbeitsüberlastungen auf? Welche Teilaufgaben werden aus Sicht des Kunden als besonders wichtig wahrgenommen, welche aus Sicht der Fertigung? An welchen Stellen ist die körperliche oder geistige Belastung für einzelne Mitarbeiter derart ausgeprägt, dass allein um des Gesundheitserhalts willen für Ersatz während eines Schichtbetriebs zu sorgen ist? Wo können kurzfristige Arbeitsausfälle ohne unmittelbar gravierende Folgen verkraftet werden? Welche Produktfamilien lassen sich bilden, zwischen welchen Stellen bzw. Teammitgliedern gibt es besonders viele Schnittstellen und wie groß ist die räumliche Entfernung zwischen diesen Stellen?

Dringlichkeit (Zeitaspekt), Priorität (Inhaltsaspekt), Interdependenz (Schnittstellenaspekt) und Lokalisierung (Raumaspekt) können somit als grobe Richtgrößen bei der Bestimmung des notwendigen Flexibilitätsgrades dienen. Welche unterschiedlichen Formen der Mitarbeiterflexibilisierung dann im Einzelfall gewählt werden, ist abhängig von den Ergebnissen individueller Eignungs- und Motivationsanalysen. Manch einer wünscht Berechenbarkeit und Beständigkeit in seinem Tun; ein anderer ist offener für Veränderungen. Die Bereitschaft, sich in andere Aufgabenbereiche einzuarbeiten, variiert von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. Die Personalabteilung muss daher bei der Planung des Vertretungsbedarfs bzw. der einzuleitenden Weiterqualifizierungsmaßnahmen auf die einzelnen Mitar-

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beiter eingehen, da ihre kognitiven, motorischen und motivational-psychischen Grenzen zugleich auch den möglichen Flexibilisierungsspielraum beschneiden (vgl. von der Oelsnitz 1993: 65f.): „Man muss die Menschen nehmen wie sie sind, andere gibt es nicht“ (Adenauer). Ausgehend von dieser Grundbedingung bieten sich innerhalb von Arbeitsteams vier grundlegende Flexibilisierungsvarianten an (vgl. Slomp/Molleman 2002: 1197; Busch 2007a: 88): ƒ ƒ ƒ ƒ

Multifunktionalität Redundanz Skill Chaining Skill Splitting

In Abbildung 1 wird deren Grundlogik graphisch veranschaulicht. Die Kästchen stehen dabei für stellenbezogene Aufgabenanforderungen bzw. stellenspezifische Fähigkeitsbündel einzelner Mitarbeiter

Skill Splitting Skill

Redundanz

Abbildung 1:

Flexibilisierungsvarianten (Quelle: Busch 2007b)

Multifunktionali

Multiskilling

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3.1.1 Multifunktionalität Multifunktionalität beschreibt den Zustand, in dem ein Mitarbeiter in der Lage ist, mindestens zwei weitere Stellen von Teamkollegen einzunehmen. Die Grenze potenzieller Stellenbündelungen in einer Person ist zwar nach oben prinzipiell offen, doch dürfte klar sein, dass sich bei eher komplexen Einzelstellenanforderungen der Kreis geeigneter Mitarbeiter rasch auf einige wenige herausragende Kräfte einengt. Mehrfachbegabungen bilden nun einmal den Ausnahmeund nicht den Regelfall. Solche multiplen Fähigkeiten findet man häufig bei Unternehmensgründern. So war bspw. der legendäre Tüftler und Autobauer Carl Borgward noch eines dieser umtriebigen Allroundtalente. Seine Mitarbeiter begegneten ihm trotz seiner teilweise ruppigen Art mit sehr großem Respekt, nicht zuletzt deswegen, „weil er auch immer, an jeder Stelle, in der Lage war, ihnen das Werkstück aus der Hand zu nehmen und ihnen zu zeigen, wie man es richtig macht1“. Auch die weiter oben erwähnten 20 Jahre zum Aufbau des „TProfils“ bei Toyota verweisen darauf, dass nicht jeder (und vor allem nicht sofort) das „Zeug“ zum Alleskönner mitbringt und es dementsprechend nur wenige gibt, die einen ganzheitlichen Rundumblick und gleichzeitig fundierte Kenntnisse in allen Bereichen entwickeln können. Watanabe (2007: 39) beziffert die Zahl dieser „Koordinatoren“, die zugleich die Rolle von Beratern und Lehrern für Angestellte einnehmen, auf ca. 2000 – angesichts von knapp 300.000 Mitarbeitern weltweit also gerade einmal etwas mehr als ein halbes Prozent der gesamten Belegschaft. Auf ca. 200 Mitarbeiter kommt demzufolge jeweils nur ein Mitarbeiter, der die an einen Koordinator gestellten Anforderungen zu erfüllen vermag. Spielen solche bereichsübergreifenden Koordinatoren aus gesamtunternehmerischer Sicht eine entscheidende Rolle, so ist doch für die hier betrachtete überschaubare Ebene von Arbeitsteams kein solcher „Überflieger“ erforderlich, um Multifunktionalität zu erlangen. Bei relativ einfach „gestrickten“ Aufgabenprofilen ist der flexibel einsetzbare Arbeiter mit Mehrfacheignung auch für „Normalsterbliche“ ein erreichbares Qualifikationsziel (vgl. Gerst 2002: 40f.), das nicht nur für den eigens dafür vorgesehene Mitarbeiter („Springer“), sondern auch für das Team als Ganzes angestrebt werden kann. In einzelnen Fertigungszellen führt dies zur Möglichkeit eines kurzfristigen Stellentauschs innerhalb eines Schichtbetriebs: „Der stetige Maschinenwechsel dient nicht nur dem Abbau von Monotonie und der Risikominderung für den Fall von Abwesenheit und Krankheit, sondern wird auch aus ergonomischen Gründen vollzogen. So 1

So die Tochter Monica Borgward über ihren Vater. In: Lebensträume: Carl F.W. Borgward Aufstieg und Fall eines Autokönigs, ein Film von Jörg Komorowski und C. Cay Wesnigk, NDR 2002.

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reduziert sich die Gefahr von Verletzungen infolge von Aufmerksamkeitsverlusten bei repetitiver Arbeit signifikant“ (von Mikulicz-Radecki 2006: 22). 3.1.2 Redundanz Während Multifunktionalität die Gesamtflexibilität eines Teams (oder ganzer Stellenkomplexe) steigert, soll Redundanz Flexibilität an besonders wichtigen Stellen schaffen. Redundanz betrifft also Stellen, deren Ausfall die gesamte Fertigung lahmlegen könnte, oder Stellen, deren Ausfall für das Unternehmen in der Außenwirkung mit erheblichen Imageverlusten verbunden wäre. Deswegen muss hier für Mehrfachersatz gesorgt sein. Bspw. darf im Einzelhandel nicht der Fall eintreten, dass eine Kasse über einen längeren Zeitraum unbesetzt bleibt. Auch in sog. Hochsicherheitsteams (z. B. Luftraumüberwachung, Sondereinsatzkommandos der Polizei, Kontrollteams in Nuklearanlagen) muss ein Ersatz an Schlüsselstellen jederzeit gewährleistet sein. Da der Arbeitsdruck an diesen Stellen zumeist sehr hoch ist, müssen auch individuelle Belastungsgrenzen der Reservekräfte in die Belegungsplanung miteinbezogen werden. Eine Verringerung der individuellen Arbeitslast kann etwa durch die zeitweilige Freistellung von anderen Verpflichtungen erreicht werden, eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitslast auf geeignete Mitarbeiter durch eine zeitlich begrenzte Stellenübernahme. Regelungen über Vertretungsabfolgen sind innerhalb des Schichtplans festzulegen (vgl. Erlewein 2003). 3.1.3 Skill Chaining und Skill Splitting Skill Chaining und Skill Splitting stellen im Vergleich zur Redundanz-Variante ökonomischere Formen der Flexibilisierung dar. Beim Skill Chaining bestehen Kompetenzüberlappungen nur zwischen zwei Mitarbeitern, d. h. hierbei ist jeweils nur ein Mitarbeiter in der Lage, einen anderen zu ersetzen. Zumeist richtet sich dies nach der Reihenfolge der Bearbeitungsschritte innerhalb der Fertigungskette. Am Ende muss jedem Mitarbeiter ein „Ersatzspieler“ zur Seite stehen, so dass sich die Kette schließt (vgl. Inman/Jordan/Blumenfeld 2004: 900ff.). Es ist naheliegend, die räumliche Nähe als Kriterium zur Bestimmung der jeweiligen Referenzperson heranzuziehen, doch sollten auch Mitarbeiterwünsche in der Entscheidung bedacht werden. Skill Splitting bietet sich bei Aufgaben an, die zum einen zu komplex sind, als dass sie sich kurzfristig von nur einer Person aneignen ließen, und die zum anderen die Voraussetzung der Teilbarkeit erfüllen. Letztlich geht Skill Splitting

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in seinem Grundgedanken auf das Babbage-Prinzip zurück. Charles Babbage (1792-1872) hatte, ergänzend zu Adam Smiths allgemeiner Schilderung der produktivitätssteigernden Wirkung der Arbeitsteilung, aufgezeigt, dass sich über die Aufspaltung eines Arbeitsprozesses in unterschiedlich anstrengende und hinsichtlich der Ausbildung unterschiedlich anspruchsvolle Teilprozesse die Lohnkosten dann senken lassen, wenn die Entgeltgestaltung der jeweils bearbeiteten Teilprozesse entsprechend variiert werden kann (vgl. Wagner 1982). Babbage schildert, wie dieses Prinzip nach der französischen Revolution auch auf „Kopfarbeit“ übertragen wurde. Bei der Erstellung mathematischer Tabellen wurde die Arbeit auf hochqualifizierte Analytiker, gut ausgebildete Mathematiker und schließlich auf einfache „Rechenknechte“, die lediglich addieren und substrahieren konnten, verteilt. Die Hochqualifizierten mussten sich also nicht um Routineaufgaben kümmern (und brauchten dafür auch nicht entlohnt zu werden). Im Kern findet sich dieser Grundgedanke in etwas variierter Form dann auch im Triage-Konzept des Business Reengineering wieder (Hammer/Champy 1996: 72ff.), demzufolge Aufgaben mit einfachem und mittlerem Schwierigkeitsgrad in Gesamtprozesse integriert und von sog. Caseworkern bzw. Caseteams „rundumbearbeitet“ werden, während nur bei komplexen Aufgaben ausgemachte Spezialisten zu Rate gezogen werden müssen. Geht es also bei Babbage um die Aufspaltung eines Gesamtprozesses in Teilprozesse mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad, so versuchen Hammer und Champy miteinander in Zusammenhang stehende Teilprozesse in Gesamtprozesse mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad zu integrieren. Skill Splitting folgt einem ähnlichen Muster; die in einem Mitarbeiter gebündelte Gesamtkompetenz wird in abgrenzbare und sinnvolle Teilkompetenzen gesplittet, die dann unterschiedlichen Kollegen (mit gegebenenfalls variablem Qualifikationsgrad) zugewiesen werden. Es macht Sinn, die einzelnen Kompetenzen eines Mitarbeiters detailliert aufzulisten (z. B. mit Hilfe von Kompetenzmatrizen, die auch das Niveau erkennen lassen) und diese dann mit denen der anderen Mitarbeiter abzugleichen, so dass im Einzelfall transparent wird, wer was von wem übernehmen kann. Durch Skill Splitting verringert sich der individuelle Lernaufwand. Außerdem sinkt die anschließend zu erwartende Zusatzbelastung für den Einzelnen. In einem Lehrstuhlteam bspw. wird auf diese Weise gewährleistet, dass auch bei Abwesenheit eines Mitarbeiters dessen Aufgaben durch den verbleibenden Rest wahrgenommen werden können (z. B. Diplomarbeitsbetreuung, Durchführung von Seminaren, Management von Drittmittelprojekten). An diesem Beispiel ist leicht zu erkennen, dass auch Skill Splitting – ähnlich wie die anderen drei Flexibilisierungsvarianten – eine gewisse Mitgliederstabilität voraussetzt. Je kürzer die Verweildauer von Mitarbeitern in einem Team ist und je höher insgesamt

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die Fluktuation ausfällt, desto schwieriger wird es, einen beständigen und niveauvollen Kompetenzersatz vorzuhalten. 3.1.4 Grenzen und Gefahren der Kompetenzsubstitution Alle vier Flexibilisierungsvarianten sollen am Ende dazu beitragen, Engpässe möglichst störungsfrei zu überwinden (Lösung der Bottleneck-Problematik) und abwesende Teammitglieder effektiv zu vertreten. Hierbei sind jedoch bestimmte Aspekte zu berücksichtigen, die den Erfolg der Mehrfachqualifizierung beeinträchtigen können. Zunächst sollte darauf geachtet werden, dass die durch Mehrfachqualifizierung induzierten Mehrbelastungen gerecht zwischen den Mitarbeitern verteilt werden („workload balancing“). Aus der Erforschung pathologischer Gruppenerscheinungen ist bekannt, dass eine subjektiv als ungerecht empfundene Arbeitsverteilung innerhalb eines Teams dazu führen kann, dass Mitarbeiter ihr Leistungsniveau bewusst oder unbewusst senken. Diesem Phänomen des Social Loafing (= Leistungszurückhaltung) kann nur durch eindeutige und gleichmäßig verteilte Aufgabenzuweisungen entgegengewirkt werden (vgl. von der Oelsnitz/Busch 2006: 70). Um Belastungsasymmetrien aufzudecken, müssen in regelmäßigen Besprechungen systematische Leistungsabgleiche vorgenommen werden. Damit in enger Verbindung steht die von Mitarbeiterseite oft als Folge der Mehrfachqualifizierung befürchtete Mehrbelastung. Aus dem Umstand, dass Mitarbeiter mehr leisten können, leitet das Management oft die Schlussfolgerung ab, Mitarbeiter müssten dann tatsächlich auch mehr leisten, schließlich soll sich der Entwicklungsaufwand in sie ja rechnen. Dass Aufgabenerweiterungen als Folge von Stellenkürzungen zusammen mit kurzfristigen, z. B. krankheitsbedingten Stellenausfällen eine „gefährliche Liaison“ eingehen können, zeigen jüngste Vorfälle im Atomkraftwerk Chinon in Frankreich auf erschreckende Weise. In der Zentrale kam es seit 2004 zu einer Serie von vier Selbstmorden unter Mitarbeitern. Auch wenn es verfrüht ist, daraus eindeutige Schlüsse zu ziehen, gibt es dennoch Hinweise darauf, dass zwischen den Suiziden und der Erhöhung des Leistungsdrucks am Arbeitsplatz zumindest ein Zusammenhang besteht. Der Betriebsarzt Dominique Huez spricht von „strategischem Mobbing“: „Die Geschäftsführung weiß, dass sich die individuelle Situation der Arbeitnehmer verschlechtert. Aber sie nimmt es in Kauf, weil sie dadurch die

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Angst regieren lässt und es leichter hat, den Apparat umzuorganisieren und zu verschlanken2“ (Ehni 2007). Der Mehrbeanspruchung kann andererseits auch eine Unterbeanspruchung gegenüberstehen, dann nämlich, wenn entwickelte Mitarbeiterkompetenzen brachliegen. Ähnlich wie nicht trainierte Muskelgruppen zu erschlaffen drohen, verschlechtern sich auch nicht beanspruchte oder nur selten abgerufene Fähigkeiten (v.a. durch Vergessensprozesse, vgl. Jaber/Kher/Davis 2003: 34ff.). Dies führt unter Umständen dazu, dass bei einer notwendigen Stellenübernahme die Leistung des Ersatzmanns unterhalb der Norm des regulären Stelleninhabers liegt. Zudem kann auch die Fehler- und Ausschussquote ansteigen, was sich durch zwischenzeitlich eingetretene Anforderungsänderungen verschärfen dürfte. Dem Verlernen vorhandener, aber nur temporär genutzter Fähigkeiten lässt sich nur durch kontinuierliche Schulungsmaßnahmen oder durch regelmäßig vollzogene Stellenwechsel begegnen. Allerdings können zu häufige Stellenwechsel wiederum dazu führen, dass Exzellenz an einer bestimmten Stelle nicht wirklich aufgebaut werden kann. Hier gibt es die schöne Anekdote des bis ins hohe Alter erfolgreichen Cellisten Pablo Casals, der als über Achtzigjähriger von einem jungen Schüler gefragt wurde, warum er denn weiterhin so viel übe, worauf dieser erwiderte: „Warum? Damit ich besser werde“. Die Kunst der flexiblen Stellenzuweisung besteht demnach darin, dass einerseits die Verweildauer an einer Stelle nicht zu lange sein darf, um Monotonie aufkommen zu lassen, dass aber andererseits dennoch genügend Zeit zur Verfügung bleibt, um ein Lernen durch Übungseffekte zu ermöglichen. Eine letzte, vermeintlich banal erscheinende Frage der temporären Stellenübernahme, die im Alltag gleichwohl leicht zu Konflikten führen kann, betrifft die Erhaltung der vorgefundenen Arbeitsplatzordnung (z. B. Sauberkeit, Sorgfalt im Umgang mit Fremdressourcen). Trotz möglicher Standardvorgaben entwickeln die meisten Mitarbeiter im Zeitverlauf gewisse Eigenheiten und Gewohnheiten. Ein Eindringen in die vertrauten Kreise wird dann oft als störend empfunden. Hier kommt dem Teamführer die Aufgabe zu, auf Einhaltung von Regeln zu achten und etwaige Konflikte zu schlichten. 3.2 Kompetenzkoordination in Innovationsteams Die Bedeutung von Multiskilling im Sinne der Befähigung zur gegenseitigen, teilweisen oder multiplen Stellenübernahme in Arbeitsteams, in denen Teilauf2

Ehni, E. (2007): Selbstmord im Atomkraftwerk. In: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0 ,,OID7068402_REF1,00.html, Stand: 28.07.2007.

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gaben einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgrads zu bewältigen sind, ist von Teamarbeit, in der Informationen ersterzeugt werden und die dabei auf heterogenes Expertenwissen zurückgreift, deutlich zu trennen. Die Mehrfachqualifizierung setzt hier im Bereich des Metawissens an und nicht im Bereich des Objektwissens, vermittelt werden nicht konkrete Kenntnisse, sondern abstrakte Vorstellungen dieser Kenntnisse, d. h. es wird keine Beherrschung eines Aufgabenbereichs angestrebt, sondern lediglich eine Sensibilisierung gegenüber diesem Aufgabenbereich. Mit Metawissen wird das Wissen über Wissen bezeichnet, welches Hinweise auf das eigentliche Wissen gibt, damit aber nicht ineinsfällt (vgl. von der Oelsnitz/Busch 2007: 120f.). Dies kann anhand übergeordneter Kategorien geschehen (z. B. kann man wissen, unter welcher Rubrik ein Buch steht, ohne deswegen dessen Inhalt genau zu kennen) oder mittels grober Prozesskenntnisse (z. B. sind einer Krankenschwester die Verrichtungen eines Chirurgen während einer Operation durchaus geläufig, dennoch ist sie selbst nicht in der Lage, die Operation eigenständig durchzuführen). Teammitglieder sind also im Bilde darüber, was an anderer Stelle zu tun und zu wissen ist, ohne dies deswegen selber tun oder wissen zu können. Metawissen ist daher von Objektwissen abzugrenzen, das sich aus deklarativem und prozeduralem Spezialwissen zusammensetzt, also detailliertes Fakten- und Anwendungswissen in bezug auf einen konkreten Erkenntnisgegenstand beinhaltet. Der Aufbau rein metawissensbasierter Stellenkenntnisse innerhalb eines Teams kann folglich nicht den Zweck erfüllen, einander zu ersetzen. Vielmehr geht es um die Schaffung einer Kooperationsgrundlage, die das wechselseitige Verständnis verbessert und damit für Anschlussfähigkeit zwischen Trägern heterogenen Expertenwissens sorgt. Aufkommende Probleme können auf diese Weise einfacher erkannt und Problemlöser umgehender identifiziert werden. Sinnvolle Austauschprozesse, innovationsorientierte Interaktionen und ein strukturiertes Hinarbeiten auf ein gemeinsames Ziel werden dadurch überhaupt erst möglich: „Teams require members to have, at a minimum, enough understanding of the skills of their teammates to be able to discuss issues and trade-offs as the team goes through the cycle of considering divergent views and arriving at convergence on a direction“ (Mohrman/Cohen/Mohrman 1995: 249f.). Die Literatur hat für dieses übergeordnete Stellenverständnis unterschiedliche Bezeichnungen entwickelt, u. a. „transactive memory“ (Wegner 1987), „common ground“ (Clark/Brennan 1991), „integration expertise“ (Klein 1994) und „transspecialist understanding“ (Postrel 2002). Letztlich spiegeln all diese Begriffe die grundlegende Fähigkeit zu vernetztem und multiperspektivischem Denken wider. Da zwischen Experten unterschiedlicher Provenienz oft schiere Unkenntnis übereinander herrscht, deren Platz nicht selten Klischees oder Stereotype einnehmen – man denke nur an die zwischen Ingenieuren und Betriebswirten be-

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stehenden Vorurteile – geht es in Innovationsteams an erster Stelle darum, intersubjektiv verzerrte Wahrnehmungen zu korrigieren und wirklichkeitsnähere Vorstellungen zu etablieren, um damit den Grund für ein erfolgreiches Zusammenwirken zu legen, also eine effiziente Koordination individueller Kompetenzen sicherzustellen. Der Aufbau von Metawissen soll damit zu einer Änderung von Einstellungsmustern, d. h. zu einer Öffnung und Reinterpretation der Wahrnehmung fachfremder Positionen beitragen. Nach der Assimilations-KontrastTheorie von Sherif/Hovland werden nämlich grundsätzlich akzeptierte Einstellungen der eigenen Position nähergebracht (assimiliert), während grundsätzlich abgelehnte Einstellungen der eigenen Position weiter entrückt (kontrastiert) werden (vgl. Balderjahn 1995: 547). Demnach gliedert sich die menschliche Wahrnehmung in die drei Zonen „Akzeptanz“ (= Integration in bereits entwickelte Wissensstrukturen, Verstärkung vorhandener Denkmuster), „Indifferenz“ (= Rauschen, d. h. Positionen aus der Umwelt bleiben ohne Wirkung auf die subjektive Einstellung) und „Ablehnung“ (= Zurückweisung von aus der Umwelt einströmenden Informationen). Durch den Aufbau stellenübergreifenden Wissens soll der Ablehnungs- und Indifferenzbereich verkleinert und der Akzeptanzbereich vergrößert werden. Besitzt ein Teammitglied eine Vorstellung über die Stellenanforderungen und Arbeitsweisen seiner Kollegen, so verbessert sich der teaminterne Informationstransfer: Die Abfrage, Weitergabe und Verknüpfung von Informationen erfolgt punktgenauer. Prinzipielle Voraussetzung hierfür ist die Offenheit für neue Erfahrungen – eine der sich als robust erwiesenen menschlichen Grundeigenschaften innerhalb des Big Five-Modells. Deskriptoren für Offenheit sind bspw. einfallsreich, originell, neugierig, aufgeschlossen, kultiviert (vgl. Amelang/Bartussek 2001: 364ff.). Wenn diese psychologische Grundbedingung für Teamfähigkeit bei Teammitgliedern fehlt, dürfte es logischerweise sehr schwer sein, aus einem „Team von Experten“ ein „Expertenteam“ werden zu lassen. 4

Cross Training als methodischer Ansatz zur Entwicklung stellenübergreifender Kompetenzen

Mit Cross Training wird letztlich keine singuläre Methode umschrieben, sondern Cross Training steht als Sammelbezeichnung für sämtliche Trainingsmaßnahmen, die Mitarbeitern stellenfremdes Wissen in unterschiedlicher Dichte vermitteln – mit dem Ergebnis sehr oberflächlicher Kenntnisse über die Befähigung, dem anderen in Teilbereichen aushelfen zu können bis hin zur völligen Beherrschung ganzer Aufgabenbereiche, die außerhalb der bisherigen Zustän-

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digkeit liegen. Wie gezeigt, hängt die Trainingsintensität dabei von den angestrebten bzw. anstrebbaren Entwicklungsmöglichkeiten einzelner Teams ab. Nach der Art der Wissensvermittlung unterscheiden Salas/Cannon-Bowers (1997: 266ff.) zwischen informations-, demonstrations- und handlungsbasierten Trainingsmethoden. Dahinter steckt die simple Einsicht, dass wir uns Wissen über ein Tätigkeitsfeld dadurch aneignen, indem wir etwas gesagt oder gezeigt bekommen oder indem wir etwas selber machen: „Der Mensch hat drei Wege, klug zu handeln. Erstens durch Nachdenken – das ist der edelste; zweitens durch Nachahmen – das ist der leichteste und drittens durch Erfahrung – das ist der bitterste“ (Konfuzius). Cross Training sollte möglichst so angelegt sein, dass über das Informieren und Demonstrieren von Aufgabeninhalten bereits die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um den letzten Schritt zur Beherrschung eines Arbeitsbereichs ohne bittere Erfahrungen gehen zu können. Entsprechend lassen sich drei Abstufungen bzw. Abfolgen unterscheiden (vgl. Blickensderfer/Cannon-Bowers/Salas 1998: 301f.): ƒ ƒ ƒ

Positional Clarification Positional Modeling Positional Rotation

Mit anderen Worten geht es um die Vermittlung von Fakten- und Prozesswissen sowie das Sammeln eigener Erfahrungen. Die Trainingsmodule bauen also aufeinander auf, d. h. die Trainingsintensität nimmt von Stufe zu Stufe zu. 4.1 Positional Clarification Über Positional Clarification wird Teammitgliedern ein Überblick über bestehende Zuständigkeiten innerhalb des Teams verschafft. Durch schriftlich zugänglich gemachte Informationen (z. B. Lehrmaterialien, Stellenbeschreibungen) oder audio-visuell aufbereitete Präsentationen unterschiedlicher Aufgabenbereiche (z. B. Vorträge, Videovorführungen, Erfahrungsberichte von Stelleninhabern) erlangen Mitglieder eine ungefähre Vorstellung über die Rechte und Pflichten von Teamkollegen. Die wechselseitige Aufklärung über Verantwortlichkeiten lässt sich durch den Einsatz sog. Kompetenzmatrizen unterstützen, die die Einzelkompetenzen (und gegebenenfalls das jeweilige Kompetenzniveau) von Teammitgliedern auflisten (vgl. Eppler 2001: 5). Die Verwendung solcher Formen der Wissensvisualisierung macht insbesondere in Innovationsteams Sinn, um Transparenz über verfügbare Kompetenzen herzustellen. Güttel (2006: 424ff.) unterscheidet zwischen Mapping-Methoden, die Oberflächen-

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strukturen des Wissensbestands abbilden, und interpretativen Methoden, die Tiefenstrukturen individuellen Wissens abbilden und dabei auf teilnehmende Beobachtungen oder fragebogengestützte Fremd- und Selbsteinschätzungen Bezug nehmen. 4.2 Positional Modeling Stehen bei der wechselseitigen Stellenaufklärung eher abstrakte und statische Stellenbeschreibungen im Vordergrund, ist Positional Modeling dynamischer angelegt und stärker an konkrete Stellenabläufe angelehnt. Lernen erfolgt also direkt am Modell, d. h. vor Ort und in Gegenwart des Stelleninhabers. Auf diese Weise erschließt sich dem Beobachter ein wirklichkeitsnäheres Bild der tatsächlichen Anforderungen im Arbeitsalltag. Die Referenzperson kann hierbei direkt auf Funktionsabläufe hinweisen und Unterweisungen erteilen. Es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, einen Kollegen bewusst für einen gewissen Zeitraum in seinem Tun zu begleiten, doch treten hierbei oft interessante Einblicke zu Tage. Es entwickelt sich ein Gespür für das, was einem Kollegen „auf den Nägeln brennt“. Schließlich werden auch Parallelen und Schnittflächen zum eigenen Arbeitsbereich besser erkannt. Um den Prozess der Offenlegung von Expertenwissen zu unterstützen, bietet sich der Einsatz der sog. Think-AloudMethode an, bei der Stelleninhaber dazu animiert werden, laut zu denken, während sie bestimmte Verrichtungen vollziehen (vgl. Ericsson/Simon 1993: 19f.). Diese Methode wird bisher vor allem als Pretest zur Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit von Fragebogen angewendet; im Usability Engineering dient sie als Verfahren, um über Testkunden-Kommentare Defizite im Hinblick auf ein noch nicht auf den Markt gebrachtes Produkt aufzudecken. Lautes Denken lässt sich durch die Anwesenheit geschulter Trainer unterstützen, die den Redefluss anregen, ohne jedoch beeinflussend zu wirken, ist doch eine Funktionsvoraussetzung dieser Methode die Herstellung möglichst entspannter, quasinatürlicher Rahmenbedingungen. Daneben muss bereits ein gewisses Vorverständnis bei den Zuhörern existieren, um die artikulierten Tätigkeitsbeschreibungen richtig einordnen zu können. Die aus verbalen Protokollen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich wiederum in das rein informationsbasierte Training integrieren. An Stelle der arbeitsplatzgebundenen Demonstrationen können auch Simulatoren eingesetzt werden, um Handlungsabläufe zu verdeutlichen. Dies geschieht besonders im Umgang mit hochentwickelten oder riskanten Technologien (z. B. bei Cockpit-Crews). Übungen, wie sie im Bereich des Militärischen oder allgemein in der Krisenbewältigung zum Einsatz kommen, dienen ebenfalls dazu, zu erkennen, was an anderer Stelle zu tun ist und welche Stellen-

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relationen bestehen. Die hier gelernten Lektionen sind unentbehrlich, um quasiautomatisierte Handlungsabläufe einzustudieren und wechselseitige Prozesskenntnisse inklusive des Wissen über den Umgang mit Stress aufzubauen. Der Einzelne erkennt Querverbindungen und zugleich erfasst er die möglicherweise von ihm später selbst zu leistenden Anforderungen an anderer Stelle. 4.3 Positional Rotation Positional Rotation stellt die intensivste Form der Vermittlung von Stellenkenntnissen dar. Erfahrungen bezüglich des Aufbaus von Wissen im Gefolge systematischer Stellenwechsel existieren bisher vor allem bei der Führungskräfteentwicklung, doch können die hier gewonnenen Erkenntnisse auch auf andere Mitarbeitersegmente übertragen werden. Die Bestimmung der Verweildauer ist hierbei zentral. Eine kurze Verweildauer kann nur oberflächliches Wissen aufbauen, wohingegen das Ziel der Stellenübernahme nur dann zu erreichen ist, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht, um „alle einzelnen Funktionen wahrzunehmen und die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu erkennen“ (Berthel 1997: 280). Je nach Aufgabenkomplexität reichen die Einlernungszeiten von Wochen und Monaten bis hin zu Jahren. Der Aufbau eigener praktischer Erfahrungen darf jedoch noch nicht mit systematischem Training gleichgesetzt werden, sondern bildet lediglich eine Grundvoraussetzung, um Lernprozesse in Gang zu bringen: „To be effective, practice needs to be guided by cuing, feedback, coaching, or any other mechanism that helps the trainee to understand, organize, and assimilate the learning objectives“ (Salas/Cannon-Bowers 1997: 267). Die Stellenübernahme sollte daher möglichst durch Experten begleitet werden, die kompetent genug sind, um aufmerksamkeits- und verhaltenslenkendes Feedback zu geben. Werden lediglich Teilkompetenzen (Skill Splitting) aufgebaut, so kann dies unter der Anleitung des regulären Stelleninhabers vonstatten gehen, der dann die Rolle eines Mentors übernimmt. Im Falle der Mehrfachersetzung (Redundanz) schließlich sollte ein Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Mitarbeitern ermöglicht werden, damit der Transfer von Best Practices angeregt wird.

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Mehrfachqualifizierung als personalstrategische Grundsatzentscheidung des Unternehmens

Der durch Cross Training erzielte Zustand der Mehrfachqualifizierung in der professionellen Variante – als Voraussetzung der Kompetenzsubstitution – und in der „para-professionellen“ Variante – als Voraussetzung der Kompetenzkoordination – ist letztlich Ausdruck einer personalpolitischen Grundsatzentscheidung: Strebt ein Unternehmen in der amerikanischen Tradition des Taylorismus eher enge, kurzfristig erlernbare und daher leicht zu ersetzende Aufgabenprofile an oder folgt es der japanischen Philosophie des Toyotismus mit eher breit angelegten, über einen längeren Zeitraum erworbenen und demgemäß schwieriger zu ersetzenden Aufgabenprofilen? Ein Strategiewechsel zwischen beiden Optionen kann nicht leichthin vollzogen werden, ist doch die Frage der Mehrfachqualifizierung eng mit der der Mitarbeiterbindung verknüpft. Regiert in einem Unternehmen die Hire&Fire-Mentalität und folgen Mitarbeiter einem rein opportunistisch-eigennützigen Kalkül, so stellt jede Maßnahme zur Weiterqualifizierung von Mitarbeitern für das Unternehmen verständlicherweise eine riskante Investition dar. Zudem führt ein häufiger Mitarbeiterwechsel dazu, dass bei der Zusammenstellung von Innovationsteams nicht auf gewachsene Beziehungsstrukturen und wechselseitige Kooperationserfahrungen zurückgegriffen werden kann. Schließlich hat sich ein Unternehmen, das über keinen festen Personalbestand verfügt, sehr viel mehr um die Kodifizierung von Wissen zu kümmern, um sich vor Wissensverlusten zu schützen, die durch den Weggang von Mitarbeitern drohen. Unternehmen mit niedriger Fluktuation können dagegen sehr viel mehr auf die Pesonalisierung von Wissen vertrauen, d. h. auf die in den Köpfen der Mitarbeiter abgelagerten Erfahrungen. Die Diskussionen über Vor- und Nachteile der beiden Managementphilosophien reichen zurück bis in die 80er Jahre, wo bereits Ouchi mit seiner Theorie Z den Versuch einer Synthese unternommen hat. Entwicklungsgeschichtlich steht Deutschland, v.a. mit der Mehrzahl seiner familiengeführten Betriebe, der japanischen Tradition näher, wenn auch in den letzten 15 Jahren – insbesondere bei börsennotierten Großunternehmen – eine verstärkte Ausrichtung an Aktionärsinteressen zu beobachten ist. Angesichts der demographischen Entwicklungen gibt es jedoch für beide Unternehmensformen am Ende kaum Alternativen zu dem Weg einer systematischen Humanressourcenorientierung: Wenn der Krieg um knappe Arbeitskräfte auf dem externen Stellenmarkt immer schwieriger zu gewinnen ist, dann sollte er wenigstens im eigenen Hause durch eine systematische Weiterqualifizierung abgeschwächt werden.

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Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

1

Einführung....................................................................................................73

2

Diversity Management.................................................................................74 2.1 2.2

3

Gegenstand und Ziele .................................................................................... 74 Diversitätseffekte........................................................................................... 75

Diversität und Informationsverarbeitung komplexer adaptiver Systeme ........................................................................................................78 3.1 3.2 3.3

Diversitätseffekte aus Sicht der Komplexitätstheorie ................................... 78 Boolesche Netzwerke .................................................................................... 79 Diversität und Informationsverarbeitung in Booleschen Netzwerken .......... 81

4

Diversität und Informationsverarbeitung in sozialen Netzwerken ..............82

5

Fazit und Ausblick .......................................................................................85

Literatur................................................................................................................87

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung 1

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Einführung

Komplexitätsbewältigung, Innovationsfähigkeit und Problemlösungskompetenz sowie die erfolgreiche Auseinandersetzung mit einer heterogenen Beschäftigtenstruktur gehören heute zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren im Wettbewerb vieler Unternehmen. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich aktuelle Fragestellungen des Diversity Managements mit Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für entsprechende Gruppenleistungen im Hinblick auf die Diversität der Beteiligten. Diversität im Sinne der Heterogenität der Individuen einer Gruppe kann in einer Vielzahl von Merkmalen auftreten, die sich nach Gebert (2004) in zwei Kategorien unterteilen lassen: demographische und kognitive Diversität. Die demographische Diversität beschreibt Unterschiede in gegebenen, sichtbaren Merkmalen (Milliken/Martins 1996) wie z. B. Alter, Herkunftsland, Religion oder Geschlecht. Die kognitive Diversität hingegen umfasst Unterschiede in Bezug auf Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Derartige Merkmale sind nicht direkt wahrnehmbar wie z. B. Gruppenzugehörigkeit, Wertvorstellungen, persönlichen Erfahrungen, individuelle Fähigkeiten sowie fachliche und funktionale Diversität. Fachliche Diversität bzw. Interdisziplinarität bezieht sich auf fachspezifische Unterschiede zwischen Personen bezüglich ihres Bildungshintergrundes. Funktionale Diversität, auch als Crossfunktionalität oder Multifunktionalität bezeichnet, betrachtet die Zusammensetzung einer Gruppe aus Mitgliedern unterschiedlicher Funktionsbereiche eines Unternehmens. Interorganisationale oder auch institutionelle Diversität beschreibt hingegen die Gruppenzusammensetzung aus Mitgliedern unterschiedlicher Unternehmen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich vorrangig mit kognitiver Diversität, die in der bisherigen Fachliteratur bislang weniger stark berücksichtigt wurde als die demographische Diversität (z. B. Stock 2005; Becker 2006). Verschiedene Autoren (Jackson/Joshi 2004: 676; Webber/Donahue 2001: 159) kritisieren zudem, dass in Untersuchungen zur demographischen Diversität häufig Zusammenhänge zwischen äußeren Merkmalen (z. B. Alter, Geschlecht, Kultur) und zugrunde liegenden Eigenschaften und Prozessen (z. B. Denkstilen) unterstellt werden, ohne eindeutig belegt zu sein. In diesem Sinne wird gefordert, dass in zukünftigen Studien direkt die zugrunde liegenden Eigenschaften und Prozesse wie z. B. kognitive Unterschiede gemessen und im Hinblick auf Diversitätseffekte untersucht werden sollten. Die Auswirkungen der kognitiven Diversität auf verschiedene abhängige Variablen, wie Arbeitsleistung, Kreativität und Informationsverarbeitungsprozesse, werden in der aktuellen Fachliteratur kontrovers diskutiert (z. B. Kilduff

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et al. 2000; Reagans/Zuckermann 2001; Gebert 2004; Van der Vegt/Bunderson 2005; Stock 2005). Dabei sind sowohl grundsätzliche positive bzw. negative Auswirkungen der Diversität als auch die Art dieser Effekte, mögliche Interdependenzen sowie die genauen linearen oder nichtlinearen Wirkungszusammenhänge zwischen verschiedenen Diversitätsaspekten umstritten. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für ein fundiertes Konzept des Diversity Managements, das die erwünschte positive Wirkung der Diversität z. B. auf die Generierung kreativer, innovativer Ideen sowie die Entwicklung von Problemlösungen unter Berücksichtigung vielfältiger Perspektiven gezielt fördert. Gleichzeitig gilt es potentiellen negativen Folgen der Diversität, wie z. B. Kommunikations- und Kooperationsbarrieren zu begegnen (z. B. Scholl 2004). Der vorliegende Beitrag wendet sich der Frage zu, wie kognitive Unterschiede sich auf Informationsverarbeitungsprozesse auf der Gruppenebene auswirken und wie diese Prozesse im Sinne eines Kompetenzmanagements unterstützt werden können. Dazu werden zunächst Gegenstand und Ziele des Diversity Managements kurz zusammengefasst sowie aktuelle relevante Aspekte der Diversity-Forschung thematisiert. Diesen werden strukturwissenschaftliche Erkenntnisse der Komplexitätsforschung gegenübergestellt. Insbesondere wird hier auf Boolesche Netzwerke eingegangen, anhand derer Zusammenhänge zwischen Diversität, Netzwerkdichte und Informationsverarbeitungskapazität eines Netzwerkes sichtbar werden. Im Weiteren wird aus der Perspektive der sozialen Netzwerktheorie die Leistungsfähigkeit verschiedener Netzwerkarten und die Dynamik sozialer Netzwerke betrachtet, um abschließend sich ergebende Ansatzpunkte für das Management kognitiver Diversität und das Kompetenzmanagement zu diskutieren. 2

Diversity Management

2.1 Gegenstand und Ziele Der Begriff des Diversity Managements wurde in den 1960er Jahren in den USA geprägt und bezeichnet nach Jung (2003) die Aufgabe der zielorientierten Gestaltung und Lenkung von Verschiedenheit. Bis in die späten 90er Jahre wurden mit Diversity Management nahezu ausschließlich Programme der „positiven Diskriminierung“ und der „Affirmative Action“ assoziiert (Becker 2006). Dabei stand die Auseinandersetzung mit Problemen der Diskriminierung von Frauen und nichtweißen Männern am Arbeitsplatz deutlich im Vordergrund. Inzwischen sind zahlreiche Überlegungen bezüglich der Abschaffung diskriminieren-

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

75

der Praktiken und der Entschärfung von mit Verschiedenheit einhergehenden Konfliktpotentialen in gesetzliche Regelungen aufgenommen worden. Diversität wird in diesem Zusammenhang eher als problemträchtige Gruppeneigenschaft betrachtet und Diversity Management entsprechend als Methode, um mit demographischer Vielfalt einhergehende Probleme abzumildern. Inzwischen steht zunehmend nicht mehr nur das Konfliktpotential heterogen zusammengesetzter Gruppen sondern auch das mit Diversität einhergehende Erfolgspotential im Fokus der Diversity-Forschung: Vielfalt wird verstärkt als wertvolle Ressource begriffen, die als Basis für Wettbewerbsvorteile genutzt werden kann. Sepehri (2002) verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit, sich frühzeitig auf eine demographisch veränderte Beschäftigtenstruktur mit mehr älteren, weiblichen und internationalen Arbeitskräften einzustellen, um in Zeiten knapper hochqualifizierter Arbeitskräfte ein effizienteres Personalmarketing zu ermöglichen. Das breite kulturelle Verständnis und die Sprachkompetenz einer diversen Belegschaft lässt sich zudem sowohl für die Ansprache kulturell unterschiedlicher Kundengruppen als auch im Zuge der Internationalisierung des Unternehmens nutzen (Sepehri 2002). Auch erhöhte Flexibilität im Umgang mit komplexen Situationen aufgrund von vermindertem Konformitätsdruck und Betriebsblindheit, eine verbesserte Qualität von Entscheidungsprozessen und Problemlösungen sowie mehr Kreativität und Innovationen durch den Einsatz heterogener Teams gehören nach Sepehri (2002) zu möglichen positiven Effekten der Diversität im Unternehmen. Der Grundgedanke dieser Effekte ist, dass eine Personengruppe aufgrund von Diversität im Hinblick auf z. B. Kompetenz, Erfahrung and Bildungshintergrund einen breiteren Zugang zu Wissensressourcen erhält. Entsprechend kann eine heterogene Gruppe eine höhere Vielfalt an Ideen und Problemlösungen generieren sowie Problemstellungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Becker (2006: 28) verweist jedoch darauf, dass trotz bestechender Plausibilität derartige häufig als selbstverständlich angenommene Wirkzusammenhänge zwischen Diversity Management und Unternehmenserfolg noch nicht eindeutig empirisch belegt sind, wie im nachfolgenden Abschnitt beschrieben wird. 2.2 Diversitätseffekte Die Diversity-Forschung steht unter dem Einfluss eines breit gefächerten Spektrums an Teildisziplinen, wie z. B. Organisationswissenschaften, Personalmanagement, Marketing, Gender- und Race-Studies sowie Psychologie. Entsprechend vielfältig sind die Forschungsansätze und -ergebnisse zu der Frage, wie

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sich Diversität auf die Informationsverarbeitung von Gruppen auswirkt (Tilebein 2006). Innerhalb der Diversity-Forschung werden die Vor- und Nachteile von kognitiver Diversität für Leistungen auf der Gruppenebene, wie z. B. Innovationsfähigkeit, Effizienz und Kreativität, kontrovers diskutiert. Einerseits werden Chancen kognitiver Diversität wie verbesserte Kreativität, Innovationsfähigkeit und Problemlösefähigkeit in heterogenen Gruppen erkannt, wobei zunehmende Internationalisierung, starker Innovationsdruck und hohe Aufgabenkomplexität in vielen Branchen die Auseinandersetzung mit diesen Potentialen nahe legen. Entsprechend wird ein Diversity Management gefordert, das diese durch Heterogenität bedingten Ressourcen gezielt nutzt und somit entscheidende Wettbewerbsvorteile liefert. Andererseits stehen diesen positiven Folgen der Diversität negative Konsequenzen in Form von Kommunikations- und Kooperationshindernissen gegenüber (Scholl 2004), die umso gravierender ausfallen, je heterogener die Mitarbeiterstruktur ist. Aufgrund negativer Stereotypisierung sowie einer InGroup/Out-Group Neigung können Kommunikation, Kohäsion und die Problemlösefähigkeit eines Arbeitsteams beeinträchtigt sowie Kooperation und Ziele der Gruppe gefährdet werden (Williams/O'Reilly 1998). Bunderson/Sutcliffe (2002) stellen fest, dass funktionelle Diversität in einem negativen Zusammenhang zur Bereitschaft Informationen weiterzugeben steht. Nach Cronin/Weingart (2007) können zwischen Personen unterschiedlicher fachlicher Hintergründe (z. B. Designer und Techniker) so genannte "Representational Gaps" auftreten. Gemeint sind Zusammenbrüche der Informationsverarbeitung aufgrund von unterschiedlichem Hintergrundwissen oder bedingt durch stark divergierende Wertvorstellungen. Zum Beispiel kann es sein, dass für ein zentrales Konzept eines Fachbereiches kein Äquivalent in einem anderen Fachbereich vorhanden ist oder dass in unterschiedlichen Spezialgebieten bestimmten Aspekten nicht dieselbe Relevanz zugeordnet wird. Während der Zusammenhang zwischen funktionaler Diversität und Kommunikationsbarrieren durch empirische Evidenz eindeutig untermauert wird (Überblicksdarstellungen liefern z. B. Högl/Gemünden 2001: 49; Gebert 2004: 415ff.), liegen zum Zusammenhang von Diversität und Teaminnovativität konträre Ergebnisse vor (Analysen verschiedener empirischer Untersuchungen finden sich u. a. bei Gebert 2004: 413f. oder Stock 2005: 137ff.). Webber/Donahue (2001), die in einer Meta-Analyse keinen Zusammenhang zwischen starker berufsbezogener sowie schwacher berufsbezogener Diversität auf Kohäsion und Leistung von Arbeitsgruppen feststellten, erklären die inkonsistente Datenlage u. a. mit in vielen Studien vernachlässigten wichtigen Moderatorvariablen, wie z. B. dem Organisationskontext. Die Autorinnen zie-

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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hen zudem einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen in Betracht und fordern von zukünftiger Diversity-Forschung eine stärkere Berücksichtigung moderierender Gruppenprozesse. Auch Stock (2005) leitet aus einer Auswertung verschiedener Studien zu Diversitätseffekten einen nichtlinearen, umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen der Teamheterogenität und der Prozessqualität der Entscheidungsfindung her: Im Bereich geringer Heterogenität ermöglicht eine Diversitätssteigerung eine zusätzliche Verbesserungen der Prozessqualität, bis diese bei weiterer Diversitätserhöhung ein Maximum erreicht. Steigerungen der Diversität über diesen Wert hinaus verschlechtern jedoch die Prozessqualität, da jenseits dieses Wertes die negativen Diversitätseffekte Überhand nehmen. Dabei erscheint die Position dieses Maximums und damit die optimale Teamdiversität abhängig von der Aufgabenstellung des jeweiligen Teams (Stock 2005: 139ff.). Andere Untersuchungen identifizieren weitere Moderatorvariablen, wie z. B. die kollektive Team-Identifikation (Van der Vegt/Bunderson 2005: 543), interpersonelle Kongruenz1 (Polzer/Milton/Swann 2002) oder Aufgaben- und Zielabhängigkeit2 (Van der Vegt/Janssen 2001). West (2002: 379f.) wiederum schließt nach einer Analyse der Kreativitäts- und Innovations-Literatur darauf, dass eine stark ausgeprägte Gruppenintegration sowie ein hohes Level an Intragroup Safety3 gegeben sein müssen, damit die funktionelle Diversität einer Gruppen zu einem kreativeren und innovativeren Output der Informationsverarbeitungsprozesse führen kann. Beides wiederum erfordert West zufolge, dass die Gruppenmitglieder über sogenannte Integrationsfähigkeiten4 verfügen. Im Weiteren spielen die Entwicklung eines positiven psychosozialen Klimas, klare Zielabsprachen, Unterstützung der Partizipation, konstruktive Auseinandersetzungen, Reflexivität und Innovationssupport, z. B. verbale Anerkennung innerhalb der Gruppe angesichts ungewöhnlicher Lösungswege, eine bedeutsame Rolle (West 2002). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass kognitive Diversität nicht per se innovationsförderlich ist. Zunehmende kognitive Diversität kann eine Erweiterung der Perspektiven und der Erfahrungen einer Gruppe ermögli1 2

3

Grad der Übereinstimmung zwischen Selbstwahrnehmung einer Person und der Einschätzung dieser Person durch andere (Polzer/Milton/Swann 2002). Aufgabenabhängigkeit: Grad der Abhängigkeit einer Tätigkeit von anderen Tätigkeiten in Bezug auf Material, Informationen oder Fachkenntnisse; Zielabhängigkeit: Einschätzung eines Mitarbeiters, zu welchem Grad die Zielerreichung anderer Mitarbeiter die eigene Aufgabenbewältigung erleichtern (Van der Vegt/Janssen 2001). nach West (2002) z. B. abhängig von positivem Gruppenzusammenhalt, konstruktiver Konfliktbewältigung und Unterstützung von Lernprozessen bzw. Toleranz gegenüber Fehlern. nach West (2002) Fähigkeiten zur Teamarbeit, z. B. die Fähigkeit Win-Win Verhandlungen zu führen

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chen. Dies wiederum kann sich aufgrund des vergrößerten Ideenpools und einer größeren Menge an komplementärem, neu kombinierbarem Wissen positiv auf die Innovationsfähigkeit eines Teams auswirken. Wenn Diversität jedoch zugleich als Kommunikationsbarriere wirkt, unterbleibt die Nutzung des Potentials und die Effizienz der Innovationsprozesse wird beeinträchtigt (Gebert 2004: 415f.). Unter welchen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen positive bzw. negative Effekte zum Tragen kommen ist bislang ungeklärt. Anhand strukturwissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Komplexitätstheorie lassen sich Annahmen zum Zusammenhang von Diversität und Informationsverarbeitungskapazität von Netzwerken ableiten. Daher werden im folgenden Abschnitt positive und negative Auswirkungen kognitiver Diversität aus dieser Perspektive betrachtet. 3

Diversität und Informationsverarbeitung komplexer adaptiver Systeme

3.1 Diversitätseffekte aus Sicht der Komplexitätstheorie Im Fokus der Komplexitätsforschung stehen nichtlineare eigendynamische selbstorganisierte Systeme, bestehend aus Subsystemen und vielen Elementen, die als Gesamtsystem hohe Leistungs- und Anpassungsfähigkeit besitzen, ohne dass eine zentrale Steuerung vorhanden ist. Beispiele für derartige komplexe Systeme sind Ökosysteme, Vogelschwärme, Städte und Märkte (Tilebein 2006). Innerhalb der Komplexitätsforschung liegen zahlreiche Ansätze zur Durchführung computergestützter Simulation vor (Davis/Eisenhardt/Bingham 2007). Diese eignen sich nach Davis et al. besonders dann zur Theorieentwicklung bzw. –überprüfung, wenn bereits verschiedene isoliert durch empirische Forschungsmethoden gewonnene Erkenntnisse vorliegen, die sich nicht eindeutig in ein übergeordnetes Konzept einbetten lassen, da Unklarheit bezüglich entscheidender Wirkmechanismen und Moderatorvariablen besteht. Eine Simulation ermöglicht dann eine Integration der relevanten empirisch ermittelten Zusammenhänge und eine Betrachtung der zugrunde liegenden komplexen, dynamischen Prozesse (Davis/Eisenhardt/Bingham 2007). In diesem Sinne kann Simulation auch zur Klärung kontrovers diskutierter Diversitätseffekte und somit zur Entwicklung eines fundierten Konzeptes des Diversity Managements beitragen. Lissack/Letiche (2002) kritisieren die ungeprüfte Übertragung von Erkenntnissen der Komplexitätstheorie auf Probleme des modernen Managements und verweisen auf die Notwendigkeit zwischen komplizierten und komplexen Systemen zu differenzieren. Die bei dieser Differenzierung entscheidende Ei-

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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genschaft komplexer Systeme ist Emergenz – das Hervortreten neuer Eigenschaften oder Qualitäten eines Systems, die auf Ebene der einzelnen Elemente nicht zu erklären ist (Haken/Schiepek 2006). Lissack/Letiche äußern hierzu: "It is the recognition of new items, when scale or levels change or perspectives shift. Emergence makes organization exciting, creative, and powerful-the sum of the parts is much more potent than the elements alone."

Entsprechend können auch die in der Literatur kontrovers diskutierten Diversitätseffekte als emergente Phänomene verstanden werden. Emergenzphänomene, wie z. B. die Entstehung von Flexibilität und Kreativität, beruhen Langton (1992: 41) zu Folge im Wesentlichen auf Informationsflüssen und Interaktionen zwischen lokal vernetzten aktiven Systemelementen, die Holland (1995: 6f.) als Agenten bezeichnet. Entsprechend kommt den Informationsverarbeitungsstrategien dieser Agenten und ihrer Vernetzung untereinander in der Komplexitätsforschung besondere Bedeutung zu. Dem Verhalten eines Agenten liegt ein Satz von Regeln, ein so genanntes Schema, zugrunde, das beschreibt, wie sich ein individueller Agent verhält und wie er Informationen verarbeitet, die er von seinen Interaktionspartnern erhält (Gell-Mann 1994: 53; Tilebein 2005: 85ff.). Die Schemata der Agenten innerhalb eines komplexen adaptiven Systems können sich mehr oder weniger stark von einander unterscheiden. Mit anderen Worten: Die Diversität der Agenten eines Systems kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, wodurch eine Veränderung der emergenten Eigenschaften des Gesamtsystems eintreten kann. Diese Effekte lassen sich in abstrakten Modellsystemen wie bspw. Booleschen Netzwerken nachvollziehen, die Gegenstand des folgenden Abschnitts sind. 3.2 Boolesche Netzwerke Ein Boolesches Netzwerk ist ein diskretes dynamisches System binärer Variablen, die entweder den Zustand „ein“ oder „aus“ bzw. 1 oder 0 einnehmen können. Dieser Zustand ergibt sich als Output einer Booleschen Funktion in Abhängigkeit von den Zuständen anderer Variablen zum unmittelbar vorausgehenden Zeitpunkt (Kauffman 1993: 182). Kauffman vergleicht Boolesche Netzwerke mit Netzwerken verbundener Glühlampen, wobei jede einzelne Lampe in Abhängigkeit von den Zuständen der anderen Lampen an- oder ausgeschaltet wird. Boolesche Netzwerke bestehen somit aus einer Anzahl N Agenten und einer Anzahl K Inputs bzw. Interaktionspartner jedes Agenten. Nach den zentra-

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len Modellparametern werden Boolesche Netzwerke daher auch als NKModelle bezeichnet. Die Schemata der Agenten sind die zugehörigen Booleschen Funktionen. Abbildung 1 zeigt ein einfaches Boolesches Netz aus N=3 Agenten, von denen jeder mit K=2 anderen Agenten verbunden ist. Agent 1 folgt einer „UND“- Funktion, den beiden anderen Agenten liegt als Schema eine „ODER“- Funktion zugrunde.

2 0 0 1 1

3 0 1 0 1 „UND“

1 0 0 0 1

000

1

2

3

1 0 0 1 1

2 0 1 0 1 „ODER“

3 0 1 1 1

Abbildung 1:

1 0 0 1 1

3 0 1 0 1 „ODER“

2 0 1 1 1

1 0 0 0 0 1 1 1 1

t 2 0 0 1 1 0 0 1 1

3 0 1 0 1 0 1 0 1

1 0 0 0 1 0 0 0 1

t+1 2 0 1 0 1 1 1 1 1

010

001 3 0 0 1 1 1 1 1 1

100

110

011

111

101

Boolesches Netzwerk (Quelle: Kauffman 1998: 118; Kauffman 1993: 189)

Im linken Bereich der Abb. 1 sind die drei Agenten mit ihren zugehörigen Booleschen Funktionen dargestellt, die in der linken und mittleren Spalte die Zustände der beiden jeweiligen anderen Agenten als Inputs enthalten und in der rechten Spalte den resultierenden Output des betrachteten Agenten zeigen. Die Tabelle in der Mitte fasst alle möglichen Zustände des Booleschen Netzwerkes und die daraus resultierenden Folgezustände zusammen. Bei wiederholter Anwendung der Funktionen des Booleschen Netzwerkes, wobei jeweils der Folgezustand zum neuen Ausgangszustand wird, ergeben sich die auf der rechten Seite dargestellten Schaltfolgen. Diese führen ausschließlich zu einem der hier aufgeführten drei finalen Zustände, die als Attraktoren bezeichnet werden. Versuche mit Booleschen Netzen ermöglichen Erkenntnisse zu Zusammenhängen zwischen der Agentendiversität bezüglich ihrer Informationsverarbeitung, der Verknüpfungsdichte des Netzwerks und der Informationsverarbeitungskapazität des gesamten Netzwerkes (Kauffman 1993). Hieraus lassen sich Empfehlungen zur optimalen Gestaltung eines komplexen adaptiven Systems

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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ableiten, die wiederum zur Klärung der Kontroverse um die Wirkungen von kognitiver Diversität in Teams beitragen können. 3.3 Diversität und Informationsverarbeitung in Booleschen Netzwerken Um innovativ und anpassungsfähig zu sein, müssen komplexe adaptive Systeme Informationen optimal verarbeiten. Dies erfordert Stabilität, um Informationen speichern zu können, sowie Dynamik, um die Weitergabe von Informationen zu ermöglichen. Aus Experimenten mit Booleschen Netzwerken lässt sich ableiten, dass die Kombination dieser gegensätzlichen Eigenschaften in einem komplexen adaptiven System sowohl von der Homogenität der Agenten als auch von der Kopplungsdichte zwischen den Agenten abhängt. Ist jedes Element mit allen anderen Elementen verbunden, d. h. entspricht die Anzahl der Agenten (N) der Anzahl der jeweiligen Interaktionspartner (K), resultiert ein Maximum an Dynamik und damit chaotisches Verhalten (Kauffman 1993). Ein derartiges System ließe sich als unkoordiniert blinkendes Glühlampen-Netzwerk darstellen. Erhält jeder Agent jedoch nur von jeweils einem anderen Agenten Input (K=1), erstirbt die jegliche Systemdynamik. Dieses System gleicht einem Glühlampen-Netzwerk, das immer wieder ein einziges Blinkmuster wiederholt und insofern „einfriert“ (Kauffman 1998). In einem ausbalancierten Zustand zwischen Stabilität und Instabilität erreicht ein System maximale Informationsverarbeitungskapazität. Es entsteht ein Spannungsfeld, in dem ausreichend ‚Raum für Neuerung’ vorhanden ist, ohne dass das System dauerhaft in Chaos verfällt (Stacey 1997: 63ff.). Dieser Zwischenzustand - auch als Rand des Chaos bezeichnet – ist in Booleschen Netzen, bei denen die zu verbindenden Elemente und deren jeweilige Boolesche Funktion durch Zufall bestimmt werden, bei K=2 erreicht. Wird jedoch die Informationsverarbeitungs-Homogenität der Agenten beeinflusst, kann auch in Systemen mit einer höheren Verknüpfungsdichte die Informationsverarbeitungskapazität maximiert werden. Um dies zu zeigen, verwendet Kauffman den Abweichungsparameter P. Dieser beschreibt die interne Homogenität einer Booleschen Funktion als die Auftretenswahrscheinlichkeit des Output 0 bzw. 1 (Kauffman 1993). Bei P = 0,5 liegen beide Zustände gleich oft vor, was in einem dicht geknüpften Netzwerk in Chaos resultiert. Eine Boolesche Funktion mit P = 1 hingegen erzeugt ausschließlich Nullen bzw. Einsen, wodurch jede Dynamik zum Erliegen kommt, da jedes Element immer 1 oder immer 0 ausgibt. Durch eine Veränderung der Booleschen Funktionen der Elemente kann jedoch die interne Homogenität P

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gesteigert werden, wodurch auch ein dicht geknüpftes Netzwerk an den Chaosrand gebracht werden kann, so dass maximale Informationsverarbeitungskapazität resultiert. Wenn also ein bestimmter Homogenitätswert P im Zusammenhang mit einer bestimmten Netzwerkdichte erreicht wird, geht das System von einem chaotischen in ein geordnetes Regime über. In diesem Sinne existiert ein eigener charakteristischer Homogenitätswert für jede Netzwerkdichte (Kauffman 1998). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es verschiedene Paarungen von K- und P-Werten gibt, die ein System in den Bereich maximaler Informationsverarbeitungskapazität bringen: Systeme mit homogener Informationsverarbeitung können eine wesentlich stärkere Vernetzung bewältigen, ohne in Chaos zu verfallen, als Systeme deren Informationsverarbeitung wie oben beschrieben zufällig bestimmt wird und in denen maximale Informationsverarbeitungskapazität bereits bei K=2 erreicht wird. Im Umkehrschluss kann durch eine Steigerung des Homogenitätsparameters die Informationsverarbeitungskapazität eines bestehenden dicht geknüpften Netzwerkes maximiert werden. Dies verweist auf die Möglichkeit, dass sowohl die Diversität der Informationsverarbeitung der Agenten als auch die Vernetzungsdichte der Agenten für die Informationsverarbeitungskapazität eines Netzwerks ausschlaggebend sind. Entsprechend verweisen auch (Reagans/Zuckerman 2001) auf die Möglichkeit, Diversitätsaspekte in einem größeren Zusammenhang mit Sozialkapital und Kommunikationsstrukturen in Gruppen zu betrachten. 4

Diversität und Informationsverarbeitung in sozialen Netzwerken

In Untersuchungen zu sozialen Netzwerken, in die auch Überlegungen zur kognitiven Diversität einfließen, lassen sich Zusammenhänge zwischen der Netzwerkstruktur, kognitiven Unterschieden und der Aufgabenstellung feststellen (z. B. Reagans/Zuckerman 2001; Cross et al. 2005). Reagans/Zuckerman (2001) verweisen in diesem Kontext auf die Notwendigkeit, die Struktur sozialer Netzwerke und die Diversität in Gruppen gleichermaßen einzubeziehen, wenn kollektive Informationsverarbeitungsprozesse betrachtet werden sollen. Bedingt durch Präferenzen für gleichartige Personen bei der Wahl von Interaktionspartnern entstehen soziale Netzwerke in Gruppen vornehmlich selbstorganisiert. Daher sind die Struktur sozialer Netzwerke und die Diversität der Gruppe meist nicht unabhängig voneinander. Aufgrund stark ausgeprägter Heterogenität der Gruppenmitglieder können so genannte strukturelle Löcher (Burt 1995) entstehen, die die gruppeninterne Koordination sowie die Zusammenarbeit beinträchtigen, da einzelne Personen nicht bzw. schlecht in das Netzwerk eingebunden werden.

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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Zu diesen Individuen besteht eine schwache Netzwerkverbindung (auch: Weak Tie), d. h. es herrschen niedrige Interaktionsfrequenz, niedrige emotionale Intensität sowie einseitige Kommunikation vor (Granovetter 1973). Starke Netzwerkverbindungen (auch: Strong Ties) bestehen hingegen gemäß Granovetter zwischen emotional eng verbundenen und reziprok interagierenden Mitgliedern eines Netzwerkes. Ist ein Systems durch zahlreiche starke Netzwerkverbindungen gekennzeichnet, spricht Burt (1995) von Geschlossenheit des Systems gegenüber strukturellen Löchern bei vorherrschenden schwachen Netzwerkverbindungen. Letztere erweisen sich jedoch gegenüber einer starken Netzwerkverbindung unter Umständen als vorteilhaft (Granovetter 1973). Nach Granovetter bestehen angesichts struktureller Löcher mit geringerer Wahrscheinlichkeit redundante Verknüpfungen zwischen Individuen als bei starken Verbindungen, auch in dicht geknüpften Netzwerken. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch schwache Verbindungen mit höherer Wahrscheinlichkeit sich deutlich voneinander unterscheidende Individuen durch eine so genannte Structural Bridge miteinander verbunden werden, wie in Abb. 2, links skizziert. Die auf diese Weise miteinander verbundenen Personen erhalten Zugang zu einem größeren Personenkreis, nicht redundanten Informationen und verschiedenartigen Perspektiven. Informationen in einem dichten, geschlossenen Netzwerk werden hingegen redundant und zirkulär transportiert (s. Abb. 2, rechts).

Structural Bridge

Abbildung 2:

Beispiel für eine Structural Bridge (Quelle: in Anlehnung an Smith/Shalley 2003: 93)

Gemäß Perry-Smith/Shalley (2003: 95ff.) wirken sich Weak Ties positiv auf Kreativität aus, da sich Informationen und Perspektiven schnell im gesamten Netzwerk ausbreiten ohne redundant zu zirkulieren. Die Autoren gehen jedoch davon aus, dass sich eine wachsende Anzahl schwacher Netzwerkverbindungen

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nur bis zu einem bestimmten Punkt vorteilhaft auf die Kreativität einer Gruppe auswirkt, da eine zu große Kontaktanzahl dazu führt, dass die Intensität jedes einzelnen Kontaktes stark abnimmt. In diesem Fall entstehen zu wenig bereichernde Diskussionen und Austauschgelegenheiten, während zuviel Kapazität für die Aufrechterhaltung des riesigen Netzwerkes verloren geht. Im Weiteren erachten Perry-Smith/Shalley (2003) externe Kontakte von Individuen in der Peripherie eines Netzwerkes als förderlich für den kreativen Output eines Systems. Diese Erkenntnisse weisen Ähnlichkeiten zu den agentenbasierten Modellsystemen der Komplexitätsforschung wie den zuvor beschriebenen Booleschen Netzwerken auf. In diesen Netzwerken führt eine zu hohe Vernetzungsdichte zu chaotischem Systemverhalten, das ebenfalls dem Auseinanderbrechen des Systems gleichkommt. Bezug nehmend auf externe Vernetzungen, Verknüpfungsdichte und Variabilität der Verbindungen unterscheiden Cross et al. (2005) drei Arten sozialer Netzwerke, die jeweils für bestimmte Aufgabenstellungen besonders geeignet sind (vgl. Abb. 3).

Modulares Netzwerk

Individuelles Netzwerk

intern

intern

intern

intern

intern

intern

Routinenetzwerk

extern

Abbildung 3:

extern

extern

Drei Arten sozialer Netzwerke (Quelle: Cross et al. 2005: 79)

Die Stärke von Routinenetzwerken liegt in der effizienten Bearbeitung bekannter, standardisierter Aufgaben, wie z. B. Tätigkeiten in einem Callcenter. Die Verbindungen zwischen den Personen entsprechen hier festgelegten, den Individuen zugewiesenen Arbeitsabläufen. Weitere interne oder externe Vernetzung

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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würde die effiziente Aufgabenbewältigung eher stören als einen zusätzlichen positiven Effekt zu erzielen. Modulare Netzwerke, in denen eine rollenbezogene Vernetzung vorliegt, eignen sich für die Bearbeitung von modular zerlegbaren Problemen. Einzelne Komponenten werden hier jeweils von aufgabenspezifisch zusammengesetzten Expertengruppen bearbeitet. Die einzelnen Module sind locker vernetzt zum Zwecke der Koordination über Rollen, die bedarfsgerecht und aufgabenspezifisch verschiedenen Netzwerkmitgliedern zugewiesen werden können. Auf diese Weise können besonders komplexe Probleme mit bekannten Bestandteilen, die jedoch in nicht vorhersehbarer Reihenfolge auftreten, bearbeitet werden, wie z. B. bei der Flugsicherung. Ein individuelles Netzwerk hingegen weist zwischen den Gruppenmitgliedern und nach außen hin sehr dicht geknüpfte Netzwerkverbindungen auf. So soll uneingeschränkter Informationsaustausch zwischen Individuen, die jeweils über einzigartige spezifische Fähigkeiten verfügen, ermöglicht werden. Dies ist nach Cross et al. (2005) zur Bearbeitung innovativer Aufgaben besonders sinnvoll, wie z. B. in der Medikamentenentwicklung. Diese Erkenntnisse über die Eignung verschiedener sozialer Netzwerktypen für unterschiedliche Aufgaben verweist auf die Bedeutung der externen Anforderungen bei der Untersuchung der Zusammenhänge von Informationsverarbeitungskapazität und Diversität in Teams. Während Untersuchungen einfacher Modellsysteme der Komplexitätsforschung die Informationsverarbeitungskapazität agentenbasierter Systeme an der abstrakten Fähigkeit festmachen, Informationen zugleich weitergeben und speichern zu können, ist beim innovationsorientierten Diversity Management außer der Netzwerkstruktur und der Diversität daher auch die Aufgabenumwelt einer Gruppe in die Betrachtungen einzubeziehen. 5

Fazit und Ausblick

Um positive Auswirkungen auf kollektive Informationsverarbeitungsprozesse zu zeigen, muss Diversität in ein adäquates soziales Netzwerk integriert werden. Experimente mit abstrakten Booleschen Netzwerken verdeutlichen, dass jeder Grad an Heterogenität eine bestimmte Netzwerkdichte erfordert um maximale Informationsverarbeitungskapazität zu gewährleisten. Gelingt dies nicht, besteht die Gefahr, dass negative Diversitätswirkungen dominieren. Ausgedrückt in der Sprache der Komplexitätsforschung bedeutet dies: Sind die Agenten zu homogen angesichts der Anzahl der zwischen ihnen bestehenden Verknüpfungen, kommt die Dynamik im System zum Erliegen – es resultiert ein

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starrer Speicher. Andernfalls bei zu hoher Agentenheterogenität angesichts einer hohen oder sogar maximalen (K=N) Verknüpfung der Agenten gleitet das System ins Chaos ab. Dies impliziert Zusammenhänge zwischen der Agentendiversität bezüglich ihrer Informationsverarbeitung, der Verknüpfungsdichte des Netzwerks und der Informationsverarbeitungskapazität des gesamten Netzwerkes. Parallel hierzu finden sich innerhalb der sozialen Netzwerkforschung Hinweise dafür, dass die Struktur sozialer Netzwerke und die Diversität in Gruppen gleichermaßen einzubeziehen ist, um zu Erkenntnissen bezüglich kollektiver Informationsverarbeitungsprozesse zu gelangen. Die Netzwerkdichte, die Stärke der Verbindungen innerhalb des Systems sowie die Heterogenität der verknüpften Individuen werden auch in diesem Forschungszweig als entscheidend für die Effizienz der Informationsverarbeitung erachtet, unter anderem auch im Hinblick auf externe Anforderungen, wie bspw. die Komplexität der zu bearbeitenden Aufgaben. Im Rahmen des Kompetenzmanagement sollte Diversität somit weder als singuläre Stellschraube für Innovation oder Kreativität aufgefasst werden noch als alleinige Ursache von etwaigen Kommunikationsbarrieren. Vielmehr muss Diversität im Kontext der komplexen Strukturen betrachtet werden, innerhalb derer sich ihre Wirkung offensichtlich entfaltet. Viel versprechend erscheint es demnach Diversität und Interaktionsstrukturen analog zu gestalten. Die Interdependenz von Diversität, Vernetzung und Aufgabenkomplexität von Teams sollte folglich im Fokus zukünftiger innovationsorientierter Diversity-Forschung stehen. Die Komplexitätstheorie kann als Integrationsrahmen für die interdisziplinäre Forschung zum Diversity Management fungieren, wobei Simulationsmodelle zur Ergänzung empirischer Forschung und zur experimentellen Theoriebildung herangezogen werden können. Innerhalb des von der Peter Curtius-Stiftung geförderten Projektes „Diversität und Strategieinnovationen in Management-Teams“ werden im Competence Center Innovation Management der European Business School aktuell innovationsorientierte Aspekte des Diversity Managements erforscht. Anhand einer simulationsgestützten Betrachtung soll in diesem Rahmen ein integrierter Ansatz des Diversity Managements für Führungsteams entwickelt werden, um mit Heterogenität verbundene Potentiale gezielt nutzen zu können.

Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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Diversität und kollektive Informationsverarbeitung

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Reflexives Sensemaking zur Überwindung kognitiver Trägheit (Abstract)*

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Using reflective sensemaking to prevent cognitive inertia“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches KompetenzManagement“ 2008/09 erscheint.

Reflexives Sensemaking zur Überwindung kognitiver Trägheit

93

Kognitive Trägheit beschreibt die Unfähigkeit von Top- Managern, auf Veränderungen der Unternehmensumwelt durch eine entsprechende Anpassung und Aktualisierung ihrer strategischen Schemata zu reagieren (Hodgkinson 1997; Hodgkinson/Wright 2002; Reger/Palmer 1996). Empirische Forschungsergebnisse zeigen, dass kognitive Trägheit organisationales Handeln verzögern und zu geringerer organisationaler Leistung führen kann (Barr 1998; Barr/Huff 1997; Barr/Stimpert/Huff 1992; Sull 1999; Tripsas/Gavetti 2000). Diese Studien belegen zwar die Auswirkungen kognitiver Trägheit, bieten jedoch wenig Einblick in die Prozesse und Determinanten, die zu kognitiver Trägheit führen, d. h. warum und unter welchen Umständen Top Manager nicht in der Lage sind, ihre strategischen Schemata an die sich verändernde Umwelt anzupassen. Darüber hinaus offerieren sie kaum Empfehlungen, mit welchen Fähigkeiten und Methoden Top-Manager kognitiver Trägheit vorbeugen oder sie überwinden können. Ziel unseres Beitrages ist es, zur Schließung dieser beiden Forschungslücken beizutragen, d. h. Prozesse und Determinanten kognitiver Trägheit zu analysieren und Lösungsvorschläge zu deren Vorbeugung bzw. Überwindung zu entwickeln. Dazu wollen wir die folgenden Forschungsfragen beantworten: Erstens, was sind strategische Schemata und in welcher Beziehung stehen sie zu organisationalem Handeln in Reaktion auf Umweltveränderungen? Zweitens, welche Ausprägungen strategischer Schemata führen zu kognitiver Trägheit? Drittens, welche Werkzeuge und Methoden können Top Manager verwenden, um kognitiver Trägheit vorzubeugen bzw. diese zu überwinden? Ausgangspunkt unserer Analyse ist die Beobachtung, dass organisationale Handlungen zur Reaktion auf Umweltveränderungen immer das Ergebnis kollektiver Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse des Top-ManagementTeams sind (Daft/Weick 1984; Hambrick/Mason 1984; Kiesler/Sproull 1982; Thomas/Clark/Gioia 1993). Welche Umweltstimuli Top-Manager wahrnehmen, wie sie diese interpretieren und welche Handlungsalternativen sie berücksichtigen, wird durch ihre strategischen Schemata determiniert (Kiesler et al. 1982; Nadkarni/Narayanan 2007; Starbuck/Milliken 1988; Taylor/Crocker 1981). Strategische Schemata sind kollektive, aggregierte Wissensstrukturen von TopManagement-Teams (Crocker/Fiske/Taylor 1984: 197; Klimoski/Mohammed 1994; Walsh 1995). Sie spiegeln deren Annahmen wider über die Organisation, die Umwelt, und die organisationalen Maßnahmen, die in dieser Umwelt zum Erfolg führen (Chattopadhyay/Glick/Miller/Huber 1999; Hodgkinson/Johnson 1994; Lyles/Schwenk 1992; Sutcliffe/Huber 1998). Verändert sich die Umwelt, so führt dies zunächst dazu, dass die in den strategischen Schemata enthaltenen Annahmen nicht länger zutreffen (Bogner/Barr 2000; Crocker et al. 1984). Da jedoch die Handlungen der Organisation auf die veränderten Umweltbedingungen abgestimmt werden müssen, und strategische Schemata diese Handlungen

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Jetta Frost/Torsten Westermayer

leiten, müssen auch die strategischen Schemata entsprechend aktualisiert werden (Barr et al. 1992). Voraussetzung dafür, dass strategische Schemata aktualisiert werden ist, dass das Top-Management-Team die mit der Umweltveränderung verbundenen Stimuli wahrnimmt, als relevant einstuft und erkennt, dass diese Veränderung die bestehenden Annahmen über die Umwelt etc. falsifiziert und diese Annahmen entsprechend verändert werden müssen (Crocker et al. 1984; Kiesler et al. 1982). Werden solche Stimuli nicht wahrgenommen oder als nicht falsifizierend eingestuft, dann verändern sich auch die strategischen Schemata nicht. Es entsteht kognitive Trägheit. Zugleich beeinflussen jedoch die strategischen Schemata selbst, welche Stimuli wahrgenommen und wie diese interpretiert werden. Es stellt sich somit die Frage, welche Ausprägungen strategischer Schemata das Top-Management daran hindern, das vollständige Ausmaß und die Auswirkungen einer Umweltveränderung zu erkennen. Zur Beantwortung dieser Frage werden strategische Schemata anhand zweier struktureller Attribute näher charakterisiert: Komplexität und Fokus (Eden/Ackermann/Cropper 1992; Nadkarni et al. 2007). Die Komplexität strategischer Schemata beschreibt Anzahl und Varietät der in diesen Schemata enthaltenen Konzepte sowie das Ausmaß der Verknüpfungen zwischen diesen Konzepten (Bogner et al. 2000; Nadkarni et al. 2007; Walsh 1995). Der Fokus strategischer Schemata beschreibt die Zentralität einzelner (Kern-)Konzepte, d. h. das Ausmaß des Konsenses zwischen den Mitgliedern des Top-ManagementTeams über bestimmte Konzepte (Eden et al. 1992; Lyles et al. 1992; Nadkarni et al. 2007). Sind strategische Schemata durch eine niedrige Komplexität und einen starken Fokus auf Kernkonzepte charakterisiert, können sie aus den folgenden Gründen zu kognitiver Trägheit führen: Niedrige Komplexität reduziert die Vielfalt der wahrgenommenen Stimuli und die Diversität der Sichtweisen und Handlungsalternativen, die im Rahmen von Interpretations-Diskussionen entwickelt werden (Kiesler et al. 1982; Lant/Milliken/Batra 1992; Nadkarni et al. 2007). Ein starker Fokus auf wenige Kernkonzepte führt zu einer Reihe von Verzerrungen bei der Wahrnehmung und Interpretation von Umweltstimuli. Diese Verzerrungen bewirken erstens, dass an sich Schemata-falsifizierende Stimuli als Schemata-konform eingestuft werden. Zweitens bewirken sie, dass historisch erfolgreiche Handlungsweisen ohne weitere Reflexion automatisch angewandt werden (Fiske/Taylor 1991; Kiesler et al. 1982; Lyles et al. 1992; Nadkarni et al. 2007; Prahalad/Bettis 1986). Kognitive Trägheit ist das Resultat strategischer Schemata, die durch niedrige Komplexität und starken Fokus auf Kernkonzepte charakterisiert sind. Unsere Lösungsvorschläge zur Überwindung und Vorbeugung kognitiver Trägheit setzen entsprechend bei diesen Ausprägungen der zwei strukturellen Attributen

Reflexives Sensemaking zur Überwindung kognitiver Trägheit

95

strategischer Schemata an: Zum einen müssen Top-Management-Teams die Komplexität ihrer strategischen Schemata erhöhen und ihr Wahrnehmungsspektrum erweitern. Zum anderen müssen die durch stark fokussierte Schemata entstehenden Verzerrungen überwunden, dieser starke Fokus selbst reduziert und bestehende Kernkonzepte immer wieder kritisch hinterfragt werden. Für beide Ansatzpunkte ist Voraussetzung, dass das Top-Management-Team als Kollektiv in verstärkt reflexive kognitive Verarbeitungsprozesse wechselt (Chaiken/Trope 1999; Louis/Sutton 1991). Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine einmalige Anstrengung, sondern vielmehr um einen regelmäßigen, wiederkehrenden Prozess (Hodgkinson et al. 2002; Nystrom/Starbuck 1984). Diese regelmäßigen Prozesse der Reflektion und des Dialogs bezeichnen wir als „reflexives Sensemaking“. Reflexives Sensemaking kann idealer Weise in Form regelmäßiger Management-Workshops stattfinden (Grinyer 2000; Hodgkinson/Whittington/Johnson/Schwarz 2006; Hodgkinson et al. 2002; Mezias/Grinyer/Guth 2001). Management-Workshops fungieren durch die räumliche und sachliche Trennung vom alltäglichen Geschäftsablauf als bewusste Aufforderung zur aktiven, reflexiven Auseinandersetzung mit den bestehenden strategischen Schemata. Sie bieten ein natürliches Forum für Dialog und Diskurs und ermöglichen so die Artikulation von und Reflexion über strategische Schemata. Darüber hinaus erleichtern Management-Workshops die Einbindung weiterer unternehmensinterner oder – externer Teilnehmer (z. B. externer Moderator) die dazu beitragen, dass die Vielfalt der im Rahmen der Diskussion geäußerten Sichtweisen weiter erhöht wird. Schließlich schaffen Management-Workshops einen formalen und konzeptionellen Rahmen für den Einsatz spezifischer Methoden, die den Dialog strukturieren und den Fokus der Reflexion schärfen können. In unserem Beitrag gehen wir insbesondere auf zwei solcher Methoden ein: Kollektive Retrospektion und Scenario Thinking. Unter kollektiver Retrospektion verstehen wir einen strukturierten und systematischen Prozess in dem das Top-Management-Team auf in der Vergangenheit vorgefallene organisationale Ereignisse (sowohl Erfolge als auch Misserfolge) zurückblickt und darüber reflektiert, welche Lehren aus diesen Erfahrungen gezogen werden können (z. B. Busby 1999; Ellis/Davidi 2005; Vashdi/Bamberger/Erez/Weiss-Meilik 2007). Scenario Thinking beschreibt eine Methode, bei der das TopManagement-Team eine Reihe alternativer, plausibler Szenarien entwirft, wie sich das Unternehmen und die Unternehmensumwelt in der Zukunft entwickeln könnten (Burt/van der Heijden 2003; Shoemaker 1995; Van der Heijden 1996). Beide Methoden setzen an den zwei genannten Ansatzpunkten zur Überwindung kognitiver Trägheit an: Sie fördern grundsätzlich die Artikulation und kritische Auseinandersetzung mit strategischen Schemata. Sie erhöhen im Ergebnis die

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Jetta Frost/Torsten Westermayer

Komplexität der Schemata und helfen, Kernkonzepte kritisch zu hinterfragen und die durch stark fokussierte Schemata entstehenden Verzerrungen sowie diesen starken Fokus selbst zu reduzieren. Abbildung 1 fasst die Argumentation unseres Beitrages zusammen:

1

Problembeschreibung: Determinanten und Prozesse kognitiver Trägheit Analyse-Ebene: Top Management Team Kognitive Prozesse (Wahrnehmung, Interpretation)

Veränderung der Umwelt

2

Strategische Schemata, wenn • Niedrige Komplexität • Starker Fokus

Kognitive Trägheit

Organisationales (Nicht-) Handeln

Lösungsvorschläge: Werkzeuge und Methoden zur Vermeidung kognitiver Trägheit Reflexives Sensemaking Regelmäßige Management-Workshops Kollektive Retrospektion

Abbildung 1:

Scenario Thinking

Überwindung kognitiver Trägheit durch reflexives Sensemaking

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Reflexives Sensemaking zur Überwindung kognitiver Trägheit

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Teil II: Anwendungen des Strategischen Kompetenz-Managements in der betrieblichen Leistungserstellung

Demografischer Wandel und Kompetenz zur Innovation in der IT-Branche – Anforderungen an ein strategisches Human Resource Management

1

Demografischer Wandel und Innovation in der Knowledge Economy ....................................................................................................103

2

Kompetenz als Basis von Innovationen.....................................................104 2.1 2.2 2.3

Humankapital: Individuelle Kompetenzen zur Innovation ......................... 107 Soziales Kapital: Netzwerke als Quelle von Innovationen ......................... 109 Organisationskapital: Fähigkeiten der Erneuerung ..................................... 110

3

Strategisches Human Resource Management und Innovation ..................111

4

Alter und Kompetenz zur Innovation ........................................................115 4.1 4.2

5

Individuelle Perspektive .............................................................................. 116 Organisatorische Perspektive: Die Wirkung von Personalstrukturen ......... 117

Alternde Belegschaft - Anforderungen an ein Strategisches Human Resource Management...............................................................................120

Literatur..............................................................................................................123

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit 1

103

Demografischer Wandel und Innovation in der Knowledge Economy

Die demografische Entwicklung hat bedeutsame Auswirkungen nicht nur auf die Gesellschaft sondern auch auf den Arbeitsmarkt und die betrieblichen Belegschaften. Demografischer Wandel bezeichnet dabei in erster Linie den altersstrukturellen Wandel der Bevölkerung als Rückgang von Jüngeren und Zunahme von Mittelalten und Älteren (zu Ursachen des Wandels vgl. Köchling 2000: 6). So wird die Anzahl der Erwerbspersonen in Deutschland bis zum Jahr 2010 insgesamt noch auf 42,1 Mio. ansteigen (vgl. Buck/Kistler/Mendius 2002: 16ff.; Behrend 2001: 32). Eine spürbare Veränderung in der Alterzusammensetzung der Erwerbstätigen vollzieht sich allerdings bereits seit 2000 (und hält bis 2020 an, vgl. Kistler 2006: 74f.), ferner Tivig/Hetze 2007: 4ff.). Die Veränderungen verlaufen aufgrund der unterschiedlichen Besetzung der Alterskohorten nicht linear. Erstmals 2005 gab es deshalb unter den Erwerbstätigen mehr über 50jährige als unter 30jährige (vgl. Buck 2003: 7; Buck/Schletz 2001: 26). Einzelne Unternehmen sind aktuell von den altersstrukturellen Veränderungen sehr unterschiedlich betroffen. Unzweifelhaft sind ältere Mitarbeiter in der IT Branche bislang ein seltener Anblick. Hier beschäftigen ca. 50% der Betriebe in Deutschland niemanden der älter ist als 50 Jahre. 55% der 55-Jährigen und älteren IT-Spezialisten sind nicht mehr berufstätig (vgl. Schweizer 2007), ferner Dostal 2001: 32ff.). Die Konsolidierung auf den Märkten führt allerdings auch in der Softwarebranche dazu, dass sich die Alterspyramiden in vergleichsweise jungen Unternehmen weiterentwickeln und die Organisationsdemografie mittelbis langfristig verändern (vgl. Kleefeld/Wiskemann 2007). Innovation fand in der Softwarebranche bislang weitgehend Technik getrieben statt (market push). Modelle wie Open Innovation und die Lead User Methode verändern aktuell aber auch das klassische Innovationsmilieu in dieser Branche (vgl. Reindl 2000: 194ff.). Innovation wird zunehmend vom Kunden getrieben (market pull), was veränderte Anforderungen an die Kompetenz von Individuen und Organisationen stellt. Dabei setzen Kompetenzen in einer wissensintensiven Industrie (zum Begriff der Wissensintensität und wissensintensiver Industrien vgl. Decker/van der Velden 2006: 231ff.), wie der Softwareentwicklung unmittelbar die Entstehung, Verteilung und Anwendung von Wissen voraus. Komplexität und Redundanz in der organisatorischen Wissensbasis sind dabei wiederum Voraussetzung für die Entstehung von Innovationen (vgl. Nonaka/Krogh/Voelpel 2006: 1183). Betriebliche Innovationen sind in vielen Unternehmen wiederum eng mit den individuellen Kompetenzen einzelner oder weniger Mitarbeiter verbunden. Je größer das Unternehmen und je höher der Anteil an Akademikern in der Belegschaft, umso mehr werden Instrumente des Wissensmanagements eingesetzt, um individuelles Wissen in die

104

Heidrun Kleefeld

organisatorische Wissensbasis zu integrieren (vgl. Kirner/Wengel/Kinkel/ Armbruster 2005: 13ff.). Bei der Transformation individueller Kompetenzbestände in Innovationen spielt vor allem die Gruppenebene (hier insbesondere die Zusammensetzung und Vernetzung der Teams) eine entscheidenden Rolle (vgl. Shipton et al. 2005). Die Fähigkeit der Organisation das lokal vorhandene und an Personen gebundene Wissen entsprechend zu bündeln, setzt unter anderem eine hohes Mass an sozialem Kapital (Netzwerk- und Beziehungsstruktur) voraus. Dieses ist aufgrund seiner sozialen Komplexität und seiner Pfandabhängigkeit eine häufig nicht zu imitierende Kompetenz der Organisation. Dabei wird nicht nur das Humankapital sondern auch das soziale Kapital von organisationsdemografischen Merkmalen (wie Alter und Betriebszugehörigkeit, Qualifikation) und deren Relation zueinander beeinflusst. Vor dem Hintergrund einer sich fortschreibenden Alterspyramide stellt sich die Frage, ob die im Alter vermuteten Beharrungstendenzen von Individuen bzw. das Festhalten an bewährten Erfolgsrezepten der Organisation sich von „Core Capabilities“ eher zu „Core Rigidities“ entwickeln werden (vgl. LeonardBarton 1992). Der Einfluss der Demografie, insbesondere des Alters, und deren Auswirkungen auf die Kompetenzbasis der Organisation und ihre Innovationsfähigkeit sind Gegenstand des folgenden Beitrags. Abschließend werden daraus Handlungsfelder eines Strategischen Human Resource Management abgeleitet (vgl. Hölz 2006).1 2

Kompetenz als Basis von Innovationen

Während Josef Schumpeter,2 der als Begründer der Innovationsforschung gilt, das Hervorbringen „neuer Kombinationen“ noch als Möglichkeit zur Erzielung von Wettbewerbsvorsprüngen beurteilt, ist Innovation heute zur Existenzfrage geworden (vgl. Hübner 2002: 3ff.).3 Lern- und Anpassungsfähigkeit sind Grundvoraussetzungen für die Überlebensfähigkeit der Organisation (vgl. Gerpott 2005: 1). Der Zusammenbruch der New Economy hat jedoch auch gezeigt, dass Innovation allein nicht die Lebens- und Überlebensfähigkeit von Organisationen ausmacht. Innovation ist demnach nicht per se gut oder schlecht, sondern 1

2

3

Auf der Jahrestagung von econsense bezeichnet er die demografische Entwicklung als „eine der Achillesfersen einer nachhaltigen Entwicklung“: Gilt als einer der bedeutendsten Nationalökonomen des 20. Jahrhunderts (vgl. Hübner 2002: 36). Ursachen hierfür sind zum einen die Sättigungserscheinungen in den hoch industrialisierten Ländern, zum anderen kommt es zunehmend zu Wettbewerb aufgrund der wirtschaftlichen Erstarkung von bisher wenig industrialisierten Ländern (wie z. B. China).

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

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muss im Kontext der Umweltbedingungen betrachtet werden (vgl. hierzu die Ausführungen zur Ethik im Technologiemanagement bei Kornwachs 2004: 179ff.). Innovation wird dabei verstanden als die beabsichtigte Einführung oder Anwendung neuartiger Ideen, Prozesse oder Produkte, die für eine bestimmte Zielgruppe einen deutlichen Nutzen erzeugen (vgl. Hauschildt 2004: 27ff.). Die Forschung hat in den vergangenen Jahren ganz unterschiedliche Phänomene der Innovation in den Fokus genommen. In Anlehnung an eine Klassifizierung von Heidelhoff und Radel soll Innovation im Umfeld der IT-Branche als interaktiver Prozess verstanden werden (vgl. Heidelhoff/Radel 1998: 30ff.). Innovatives Verhalten wird dabei verstanden als das Ergebnis des Zusammenwirkens von innovierendem System und institutionellem Kontext (vgl. Behrends 2001: 115ff.). Die Akteure innerhalb des Unternehmens stehen in engem Austausch mit externen Kooperationspartnern. Der Wettbewerb wird nicht über den Preis und Differenzierung, sondern über Kompetenzen und Kooperationen geführt. Dabei lässt sich er Innovationsprozess grundlegend in zwei Phasen unterscheiden (vgl. Milling/Maier 1996: 5f.; ferner Shipton/West et al. 2006: 4f.). Die erste Phase ist die der Invention, der Generierung kreativer Ideen; eine Phase in der es um exploratives Lernen, um experimentieren und um die Übernahme von Risiken zur Erkundung neuer Phänomene geht. Die zweite Phase der Implementierung ist dagegen eine Phase der „exploitation“, d. h. eine Phase der effizienten Umsetzung und Durchsetzung, die in der Regel strengen Projektmanagementregeln folgt. Es ist offensichtlich, dass im Verlaufe des Innovationsprozesses ganz unterschiedliche Kompetenzen zum erfolgreichen Verlauf beitragen. Ausgangspunkt für das Hervorbringen von Innovationen sind das in der Organisation vorhandene Wissen und die daraus entwickelten Kompetenzen (vgl. Völker/Sauer/Simon 2007). Wissen4 wird in diesem Zusammenhang als Basis für Kompetenzen verstanden (vgl. Feldhoff 2005: 36; Krogh/Venzin 1995: 425). Kompetenzen lassen sich im betriebswirtschaftlichen Kontext grundsätzlich aus zwei Perspektiven charakterisieren. Zum einen lassen sich Konzeptionen finden, die sich explizit auf die Bedeutung individueller Arbeitnehmer beziehen und sich mit der Formulierung von Kompetenzprofilen insbesondere für herausragende Leistungsträger und Führungskräfte beschäftigen (vgl. Laske/Habich 2004). Auf der anderen Seite konzentrieren sich Ansätze im 4

Zur Definition von Wissen und Wissensmanagement vgl. u. a. North (2002: 2 und 14ff.), Romhardt (1998: 24ff.), Wissen wird hier in Anlehnung an Romhardt wie folgt definiert: „Wissen bezeichnet die Gesamtheit aller Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen.“ (Romhardt 1998: 40)

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Rahmen des Strategischen Kompetenzmanagements auf die Entwicklung und Förderung von organisationalen Kompetenzen (vgl. Duschek 2004: 612ff.), um strategische Wettbewerbsvorteile zu generieren (vgl. Prahalad/Hamel 1990; Freiling 2000; Bellmann et al. 2002). In der Realität lassen sich die beiden Betrachtungsweisen häufig nicht voneinander trennen. Unternehmen benötigen in der Wissensökonomie die Fähigkeit, Informationen und Wissen handlungs- und problemlösungsorientiert zu managen. Hochqualifiziertes Personal ist erforderlich, um die kognitiven und bewertenden Prozesse im Rahmen des Wissensmanagements zu bewältigen. Zugleich kommt auch den organisationalen Strukturen und Rollen je nach ihrer Ausprägung eine innovationsförderliche oder –hinderliche Rolle zu. So sind möglicherweise Erkenntnisse aus der Durchführung von Innovationsprojekten in der Vergangenheit, in Regeln5 und Routinen6 überführt worden, die wiederum den Kontext für zukünftiges Handeln und künftige Prozesse darstellen. Mitarbeiter und Manager entwickeln im Verlaufe der Zugehörigkeit zum Unternehmen Annahmen über zukünftige Ereignisse und deren Konsequenzen, die wiederum in Entscheidungsprozesse einfließen und es ermöglichen, Wissensbestandteile in der Organisation neuartig zu kombinieren und somit neues Wissen zu entwickeln. Dabei spielt die Interaktion der Akteure eine entscheidende Rolle. Die Verbindungen der Organisationsmitglieder untereinander als auch zu Kooperationspartnern und Institutionen außerhalb des Unternehmens sind für die Beschaffung und Integration von neuem Wissen von zentraler Bedeutung und werden im Allgemeinen als soziales Kapital der Organisation bezeichnet. In Anlehnung an Adner und Helfat (2003) können die Quellen von Innovation demnach auf diese drei Faktoren zurückgeführt werden (vgl. Abbildung 1; vgl. Adner/Helfat 2003: 1022ff.)

5 6

z. B. Management von Reports, Umgang mit Abweichungen, Budgetierungsregeln usw. z. B. Umgang mit Ideen der Mitarbeiter, Durchführung von Projektmanagementmeetings usw.

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

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Ressourcen für Innovationen Wissen und Kompetenzen der Mitarbeiter

Humankapital Akkumulation

Austauschprozesse

und Transfer

und Netzwerkaktivitäten

von Wissen

Sozialkapital

Organisationskapital Routinen und Regeln,

Rollen und Rollen-

Soziale Netze

Kognitionen und

Wahrnehmung

intern und extern

Handlungsmuster

Abbildung 1:

Ressourcen für Innovationen (Quelle: in Anlehnung an Ridder/Bruns/Hoon 2005: 51 und Adner/Helfat 2003: 1022)

Eine Analyse von Einflussfaktoren auf die Fähigkeit zur Innovation konzentriert sich demnach auf die drei Aspekte Human-, Sozial- und Organisationskapital und die Prozesse der Interaktion zwischen diesen Vermögensbestandteilen. 2.1 Humankapital: Individuelle Kompetenzen zur Innovation Die Individuelle Kompetenz der Mitarbeiter beschreibt die Fähigkeit, „[…] situationsadäquat zu handeln. Kompetenz beschreibt die Relation zwischen den an eine Person oder Gruppe herangetragenen oder selbst gestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten bzw. Potentialen, diesen Anforderungen gerecht zu werden.“ (North et al. 2005: 29) Hinzu kommt, dass die Person die Bereitschaft haben muss, das vorhandene Potenzial, in Handlungen umzusetzen. Erst das Zusammenspiel von Können und Wollen (Motivation) führt zur Problemlösung bzw. zur Wertschöpfung. Kompetenzen sind diesem Verständnis nach also nicht „objektiv“ bei Menschen vorhanden. Sie resultieren aus der soziobiografi-

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schen Entwicklung mit ererbten und erworbenen Elementen. Für die Kompetenzentwicklung heißt das, dass der jeweilige Akteur befähigt werden muss, seine Stärken und Schwächen zu erkennen und weiter zu entwickeln. Notwendige Voraussetzung hierfür sind Lernprozesse (Kompetenzentwicklungsprozesse), die aufgrund der hohen Komplexität der Anforderungen und der Umfelddynamik selbst organisiert und weitgehend informell (z. B. in der Arbeit, im sozialen Umfeld) ablaufen müssen (vgl. Bergmann 2000: 19f.; Bergmann/Daub 2006: 75). Für den Begriff der individuellen Innovationsfähigkeit werden häufig Persönlichkeitsbeschreibungen herangezogen, die innovativ mit kreativ gleichsetzen.7 Außerdem werden persönliche Dispositionen hinzugefügt wie z. B. die Fähigkeit mit Unsicherheit und Konflikten umzugehen (vgl. Jasper/Fitzner 2000: 143ff.). Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch, dass das situative Umfeld die Innovationsbereitschaft im Wesentlichen mitbestimmt, die Voraussetzung für das Hervorbringen von Innovation ist. Mit Blick auf die Wissenselemente, die die beteiligten Akteure benötigen verweisen verschiedene Autoren auf das Kontextwissen, das sowohl eine Einschätzung über den externen Kontext in dem sich das Unternehmen bewegt, als auch Wissen über die strategischen Prioritäten der eigenen Organisation.8 Kompetente Personen oder auch Experten zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie in der Lage sind, Problemlösungen auch bei neuartigen Aufgaben zu erarbeiten. Sie sind also befähigt, vorhandenes Wissen für neue Aufgaben umzukonstruieren, anzupassen oder sogar neues Wissen zu generieren (vgl. Bergmann 2000: 21f.). Für die Unternehmen wird es von strategischer Bedeutung sein, dieses Personal zu selektieren, aktivieren und zu entwickeln (vgl. Oechsler 1999: 90; außerdem North/Reinhardt 2005: 9). In global tätigen Unternehmen findet man im Vergleich zu früheren Jahren eine überproportional gewachsene Anzahl an Spezialisten, die in immer komplexer werdenden Organisationsstrukturen arbeiten. Die Folge davon ist eine fragmentierte Kompetenzbasis, in der Mitarbeiter oder Teams voneinander losgelöste Handlungsfelder bearbeiten. Diese Entwicklung der Spezialisierung bringt zunächst zwar den Vorteil, dass Unternehmen ihr Wissen mit einer hohen Professionalität am Markt platzieren können. Auf der anderen Seite birgt sie aber eine erhöhte Gefahr der Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Experten.9 7

8

9

So lauten Adjektive für innovative bzw. kreative Mitarbeiter u. a.: intelligent, erfinderisch, originell, unkonventionell. Vgl. Ridder/Bruns/Hoon 2005: 52f. Diese verweisen auf diverse Studien zum Konstrukt Kontextwissen. Vgl. Kinkel et al. 2004. Nach einer Umfrage des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung aus dem Jahre 2003 sind für zwei Drittel der Unternehmen betriebliche Inno-

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2.2 Soziales Kapital: Netzwerke als Quelle von Innovationen Als soziales Kapital wird ein Konstrukt bezeichnet, das die sozialen Relationen der Organisation reflektiert (vgl. Leana/van Buren 1999: 537f.). Es lässt sich anhand einer strukturellen (Netzwerkverbindungen),10 einer beziehungsorientierten (Vertrauen, Identifikation)11 oder einer kognitiven Dimension (geteilte Werte, gemeinsame Sprache)12 charakterisieren (vgl. Nahapiet/Ghoshal 1998: 245; ferner Schmidt-Rathjens/Stegmaier 2005: 3ff.). Soziales Kapital trägt über die Verbesserung der Informations- und Kommunikationswege nicht nur zur Effizienzsteigerung der Organisation bei, sondern ist darüber hinaus geeignet, Kreativität und Lernprozesse zu unterstützen und zu fördern. So bestimmen die Häufigkeit und die Qualität der Austauschbeziehungen das Vermögen, Wissen in der Organisation zu verteilen und durch (Re)kombination neues Wissen zu generieren. Bereits Schumpeter führt die Fähigkeit, „Neues“ zu entwickeln auf diese beiden generischen Prozesse, nämlich Austausch und Kombination zurück (vgl. Nahapiet/Ghoshal 1998: 250). Die Struktur der Netzwerke wiederum bildet den Rahmen dafür, welches Wissen zugänglich ist und damit erst für den Austausch zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung von festen und losen Kopplungen diskutiert. Neues Wissen wird für die Organisation häufig erst über Kanäle zugänglich, die über lose Verbindungen einzelner Individuen zu meist externen Partner bestehen (vgl. Ridder/Bruns/Hoon 2005: 55). Neue Chancen und Gelegenheiten werden im Allgemeinen über derartige Netzwerkaktivitäten aufgespürt. Darüber hinaus spielt für den Prozess der Kombination auch die Frage der Diversität13 im Netzwerk eine Rolle. Dem größeren Ausgangspotential an unterschiedlichen Lösungsansätzen stehen nicht selten negative Effekte aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen im Laufe der Austauschprozesse gegenüber (vgl. Gebert 2004: 176ff.). Auch die „Absorbative Capacity“, also die Fähigkeit Informationen als neu zu erkennen und sie innerhalb der Organisation zu nutzen

10

11

12 13

vationen untrennbar mit den individuellen Kompetenzen einzelner oder weniger Mitarbeiter verbunden. Formale Strukturen und Abläufe bestimmen zu einem hohen Anteil auch die Dichte von Netzwerken und die Verfügbarkeit der Netzwerkpartner. (vgl. Nahapiet/Ghoshal 1998: 244ff.). Die beziehungsorientierte Dimension wird in erster Linie durch die bereits stattgefundene Interaktion der Mitglieder etabliert. So können unterschiedliche Akteure die gleiche Netzwerkposition bei sonst gleichen Rahmenbedingungen einnehmen und aufgrund ihrer Erfahrungen mit anderen Netzwerkpartnern zu vollkommen unterschiedlichen Handlungsabsichten gelangen (vgl. ebenda). Diese spielt bei der Entstehung intellektuellen Kapitals eine wesentliche Rolle (vgl. ebenda). Z. B. hinsichtlich des funktionalen Hintergrundes.

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(vgl. Cohen/Levinthal 1990), ist nicht nur von individuellen Dispositionen abhängig, sondern wird auch von der Art und Weise bestimmt, wie Personen mit einander in Kontakt treten (vgl. Ridder/Bruns/Hoon 2005: 55). Aus Sicht des Innovationsmanagements sind demnach Fragen der Gestaltung der Austauschprozesse und der Netzwerkstrukturen von Bedeutung. 2.3 Organisationskapital: Fähigkeiten der Erneuerung Nur wenige Unternehmen verankern ihre Innovationskompetenz durch Strukturen und Prozesse personenunabhängig (vgl. Kirner et al. 2005: 13f.). Und das obwohl Betriebe, die bei Produktinnovationen sowohl auf eine breite personelle (personelle Redundanzen) als auch auf organisatorisch strukturelle Kompetenzverankerung setzten, ein doppelt bis dreifach so hohes Beschäftigungswachstum aufweisen als Betriebe, die sich nur auf einzelne Mitarbeiter stützten (vgl. ebenda: 17f.). Dies unterstreicht die Bedeutung die der Entwicklung organisationaler Kompetenzen14 im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit zukommt. Organisationale Kompetenzen können zum einen im Prozess der täglichen Arbeit weiterentwickelt und ergänzt (Exploitation), zum anderen im Sinne einer kreativen Zerstörung vollkommen ersetzt bzw. neu generiert werden (Exploration; vgl. Duschek 2004: 615). Letztlich muss das Unternehmen die Fähigkeit besitzen, seine Ressourcen- und Kompetenzbasis permanent den sich wandelnden Markt- und Umweltbedingungen durch Erneuerung, Erweiterung oder Rekombination der Ressourcen und Kompetenzen anzupassen.15 Teece et al. erweitern deshalb den Kompetenzbegriff um so genannte „Dynamic Capabilities“ (vgl. Teece et al. 1997: 516f.). Dies sind sowohl organisationale Regeln als auch organisationale Routinen, die notwendig sind, um dauerhaft kollektives Handeln erfolgreich auf die Marktgegebenheiten auszurichten (vgl. hierzu ausführlich Ortmann 2003). Der überwiegende Teil organisationaler Regeln ist impliziter Natur. Deutlich wahrnehmbar sind Regeln der Aufgabenabgrenzung und die formelle Struktur- und Prozessorganisation. Mitentscheidend sind aber auch informelle Regeln der mikropolitisch-sozialen und kulturellen Dimension, die auch aus dem sozialen Kapital der Unternehmung resultieren (vgl. Ortmann 2003: 12ff.). Dynamic Capabilities determinieren in diesem Verständnis den Umgang der Organisation mit Abweichungen und Regelbrüchen. Sie steuern die

14 15

Organisationale Kompetenzen und Organisationales Kapital werden hier synonym verwendet. Leonard-Barton weist darauf hin, dass Unternehmen oftmals zu lange an eingefahrenen Praktiken festhalten, auch wenn diese unter Wettbewerbsaspekten längst zu einem Hindernis geworden sind (vgl. Leonard-Barton 1992).

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

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Entwicklung der Ressourcen- und Kompetenzbasis und stellen die Fähigkeit zur Erneuerung als auch zur Stabilisierung dar (vgl. Güttel 2006: 422f.). Die den Organisationalen Kompetenzen und Dynamic Capabilites zugrunde liegenden Regeln sind für die Konkurrenten nicht (ohne große zeitliche und finanzielle Aufwendungen) kopierbar (vgl. Barney 1991: 100f.). Die NichtImitierbarkeit wird durch die unternehmensspezifische Vergangenheitsentwicklung, die Interdependenzen der Ressourcen (kausale Ambiguität), Unklarheiten über Kausalzusammenhänge (soziale Komplexität) sowie durch einen hohen Anteil an implizitem Wissen (Tacitness) verursacht. Bezieht man die Analyse der diversen Schutzmechanismen auf den Einsatz von Humanresourcen, dann ist die soziale Komplexität bei der Transformation von Humankapital16 in Arbeitsleistung aus wettbewerbsstrategischer Sicht ein wünschenswerter Faktor. Aus personalstrategischer Sicht stellt die „Eigenwilligkeit“ des Personals, mit dem Wunsch eigenständig über Ein- und Austritt, Leistungsbereitschaft und –verhalten zu entscheiden, eine Herausforderung dar (vgl. Ridder et al. 2005: 33). Letztlich werden die Fähigkeiten der Organisation nachhaltige Wettbewerbsvorteile durch Innovationen zu generieren ganz wesentlich auf das Personal in seiner Gesamtheit zurückgeführt. So sind es die Entscheidungsträger und Arbeitnehmer in diversen Funktionsbereichen, die den Erfolg am Markt umsetzen (Probst et al. 2000: 13f.). 3

Strategisches Human Resource Management und Innovation

Der Zusammenhang von Innovationserfolgen und Human Resource Management wird in der Praxis häufig noch nicht wahrgenommen (oder gar negiert; vgl. Pack et al. 2000: 27). Demgegenüber legen neuere Langzeitstudien von West et al. nahe, „that HRM systems have the potential to promote organizational innovation“ (Shipton et al. 2005: 118ff.). Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die implementierten HRM Systeme dazu beitragen, organisationales Lernen in den Phasen „creation, transfer und implementation of knowledge“ aktiv zu managen. Um die Potentiale eines Strategischen Human Resource Management im Hinblick auf Innovationen zu nutzen, ist eine integrative Abstimmung des HRM mit der Unternehmensstrategie und der Organisationsstruktur unabdingbar, wie sie im sog. Michigan-Ansatz“ gefordert wird.17 Die wechselseitige Abstimmung der Erfolgskomponenten verfolgt dabei über eine interne als auch über eine 16 17

Zum Begriff des Humankapitals (vgl. Oechsler 2006: 495; Feldhoff 2005: 66) Der „geht in seinem Ursprung auf die Arbeiten von Tichy, Devanna und Fombrun an der University of Michigan zu Beginn der 80er Jahre zurück (vgl. Tichy/Fombrun/Devanna 1982: 47; ferner Oechsler 2006: 27; Wiskemann 2000: 82ff.).

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externe Perspektive das Ziel, einen „doppelten fit“ zu erreichen. Im Sinne eines „internen fit“ soll die Abstimmung helfen, ein bereichsspezifisches Denken und eine damit einhergehende einseitige Zweckoptimierung zu überwinden (vgl. Wiskemann 2000: 83). Die Gestaltung der Beziehungen erfolgt dabei innerhalb einer mit der Unternehmung interagierenden Unternehmensumwelt in Form von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Einflüssen. Damit wird auf ein „externes fit“ zwischen den drei Kernelementen und der Unternehmensumwelt abgezielt (vgl. Tichy/Fombrun/Devanna 1982: 48; ferner Wiskemann 2000: 83). Der Michigan Ansatz erkennt mit der integrativen Abstimmung von Strategie, Struktur und Human Resource Management an, dass das Letztgenannte einen originären Beitrag zur Entwicklung einer Unternehmensstrategie und einer adäquaten Organisationsstruktur leistet. Die strategische Integration des Human Resource Management hat außerdem zur Folge, dass sich die zu treffenden Entscheidungen auf drei verschiedenen Ebenen vollziehen. Auf einer strategischen Ebene werden eher langfristige Grundsatzentscheidungen getroffen. Die führungsbezogene Ebene18 verfolgt die Umsetzung der strategischen Ziele unter Berücksichtigung der eingebundenen Ressourcen. Auf der operationalen Ebene vollzieht sich schließlich die Abwicklung des Tagesgeschäfts der Personalarbeit (vgl. Oechsler 2000: 3; Wiskemann 2000: 86). Auf der Basis dieser strategischen und strukturellen Integration werden die Instrumente des Human Resource Management strategisch und leistungsorientiert ausgerichtet. Die einzelnen personalwirtschaftlichen Teilfunktionen Personalauswahl, Personalbeurteilung, Personalentwicklung und Anreiz- und Belohnungssysteme werden dabei prozessorientiert und systematisch aufeinander abgestimmt und in einem so genannten „Human Resource Cycle“ präsentiert (vgl. Abbildung 2).

18

Auch manageriale oder taktische Ebene genannt.

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

Ökonomische Einflüsse

113

Politische Einflüsse

Kulturelle Einflüsse

Strategie

Human Resource Management

Strukturen

Beschäftigungspolitik

Abbildung 2:

Leistungsprozesse (Business Processes)

Leistungsund KompetenzIndikatoren und deren geeignete Messung

Anreize und Entwicklung (Total Rewards)

Der Michigan-Ansatz des Human Resource Managements (Quelle: in Anlehnung an Oechsler 2006: 28)

Der Michigan Ansatz strebt demnach unter Berücksichtigung von Rückkopplungen eine integrative Betrachtung der einzelnen Teilfunktionen an. Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht dabei als abhängige Variable sowohl die individuelle als auch die kollektive unternehmerische Leistung.19 Diese ist wiederum nicht nur Output des Human Resource-Systems auf dezentraler Ebene, sondern gleichwohl als Ergebnis des Abstimmungsprozesses auf zentraler Unternehmensebene zu verstehen (vgl. Devanna et al. 1984: 33f.; ferner Oechsler 2006: 28; Wiskemann 2000: 86). Eine Betrachtung der Leistungsprozesse legt mithin eine Analyse kritischer Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren und strategischer Erfolgspotentiale nahe.

19

„The human resource elements are designed to impact performance as both the individual and the organizational levels“ (Tichy et al. 1982: 50).

114

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Diese Potentiale wie auch die abgeleiteten Strategien sind heute allerdings keine langfristig determinierten Entscheidungsbündel mehr. Vielmehr wird angesichts der technologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen deutlich, dass Organisationen in einem hoch kompetitiven Umfeld den Kontext schaffen müssen, um Strategien zu generieren und anzupassen (vgl. Knyphausen-Aufseß 2004: 1389f.). Der Fokus der Betrachtung verschiebt sich von der Strategie zum „strategischen Prozess“ (vgl. Teece/Pisano/Shuen 1997). Für das Strategische Management impliziert das die Notwendigkeit diese Prozesse iterativ zu steuern (vgl. Knyphausen-Aufseß 2004: 1389f.) Darüber hinaus impliziert die Auflösung des „Structure follows Strategy“-Dogmas auch einen Bedeutungswandel von strukturellen Entscheidungen. Im Gegensatz zur früheren Managementliteratur in der die vertikale Verteilung von Rollen und Kompetenzen die größte Aufmerksamkeit genoss, ist gegenwärtig die horizontale Betrachtung von Unternehmensprozessen und deren Gestaltung im Fokus des Strategischen Managements. Starke Interdependenzen bestehen darüber hinaus zwischen der kulturellen Entwicklung einer Organisation, der strategischen Ausgestaltung und der Implementierung eines Human Resource Management (vgl. hierzu Oechsler 2006: 157ff.). Oechsler diskutiert vor diesem Hintergrund die Frage einer starken oder schwachen Unternehmenskultur im Zeitalter einer turbulenten Informationsgesellschaft. So ist u. a. die Vereinbarkeit der Schlüsselqualifikation „Innovationsfreudigkeit“ mit bestimmten Werten einer auf Bewahrung angelegten Unternehmenskultur zu hinterfragen. Ebenso müssen Fragen des Umgangs mit Diversität und Vielfalt gestellt werden. „Der Ausgestaltung personalwirtschaftlicher Funktionen kommt im Rahmen eines kulturbewußten Management eine hohe Bedeutung zu, indem von der Personalfunktion ein Beitrag zur Wahrung bzw. zur Beeinflussung von Handlungsmustern und Handlungen der Organisationsmitglieder ausgeht. Neben dieser aktiven Rolle unterliegt umgekehrt die Ausgestaltung der einzelnen personalwirtschaftlichen Funktionen den kulturellen Orientierungsmustern.“ (Oechsler 2006: 159)

Neben den Veränderungen auf der strategischen Ebene (Wertorientierung, Strategieentwicklung) spielen in der Wissensökonomie auch Veränderungen auf der arbeitssoziologischen und -organisatorischen Ebene eine entscheidende Rolle für die Ausgestaltung eines Strategischen Human Resource Management. Globalisierung führte zunehmend zur Strategie der flexiblen Spezialisierung verbunden mit einer hohen Kundenorientierung (vgl. Oechsler 2006: 105ff.). Die dominierenden Qualitätsanforderungen und der Übergang zu Projekt- und Netzwerkstrukturen bedingen einerseits eine Höherqualifizierungstendenz andererseits werden stabile Beschäftigungsverhältnisse zunehmend von flexiblen Formen der Beschäftigung abgelöst (vgl. Oechsler 2000).

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

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Innovationen und Transformationsprozesse erzeugen in aller Regel auf der Ebene der Unternehmen und der handelnden Akteure ein Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit zur Flexibilität und Anpassung einerseits und dem Bedürfnis nach Stabilität und Bewahrung auf der anderen Seite. Unternehmen sind daher gefordert, gleichzeitig zum Teil widersprüchliche Ziele zu verfolgen, um die hohe Komplexität und die Turbulenz der Umweltfaktoren zu bewältigen (vgl. Evans/Doz 1992: 92f.). Für das Strategischen Human Resource Management heißt dies, dass die strategische und operative Ebene durch einen ganzheitlichen Ansatz zur Entwicklung und Nutzung von Kompetenzen miteinander verbunden werden müssen. Human Resource Management Praktiken wie zum Beispiel Job Rotation oder Projektarbeiten bieten die Möglichkeit, Einfluss auf den Aufbau von Netzwerken zu nehmen. Beurteilungs- und Performance Managementsysteme sind zudem geeignet, Vorstellungen zu vermitteln, welches Verhalten der Kommunikation und Interaktion wertgeschätzt und belohnt wird. Human Resource Management Systeme unterstützen in vielfacher Weise die Entstehung von humanem (Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter), sozialem (Beziehungen zwischen den Mitarbeitern) und organisationalem (Prozesse und Routinen der Organisation) Vermögen.20 Darüber hinaus leistet die verhaltenswissenschaftliche Perspektive des Human Resource Management einen wertvollen Beitrag zur Analyse und Gestaltung der Prozesse der Wissensgenerierung, des Austauschs und der Integration von Wissen. 21 Die Bereitschaft der Mitarbeiter kann hierzu nicht per se als gegeben angenommen werden. Vielmehr sind die damit verbundenen Unsicherheiten und antizipierten Gefahren auf Seiten der Mitarbeiter in aller Regel Gründe für eine limitierte Bereitschaft der Mitarbeiter zur Erneuerung ihrer Wissensbasis. So sind es letztlich nicht nur Instrumente und Systeme mit denen die Anforderungen bewältigt werden, sondern es bedarf eines Managements, das die sozialen und kulturellen Gegebenheiten der Organisation entsprechend gestaltet (vgl. Bartlett/Goshal 1994, 1995a, 1995b). 4

Alter und Kompetenz zur Innovation

Hat das fortschreitende Lebensalter einen Einfluss auf die individuelle Innovationskompetenz der Mitarbeiter? Werden sich die demografischen Entwicklungen in den Gesellschaften der industrialisierten Welt zwangsläufig negativ auf die Innovationsfähigkeit der Unternehmen auswirken? Während eine differenzierte 20

21

Vgl. Leonard-Barton (1992), Wright et al (2001: 716ff.). In ihrem 2001 entwickelten Modell sprechen Wright et al. hinsichtlich des immateriellen Vermögens vom „Stock of knowledge”. Wright et al. sprechen hierbei vom „Flow of knowledge“.

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arbeitspsychologische Forschung zur Leistungsfähigkeit im Alter vorliegt, existiert eine ähnlich breite Forschung zu Innovationsfähigkeit bislang nicht. Herrscht in der allgemeinen Diskussion oftmals noch das so genannte „DefizitModell“ des Alterns (verringerte Leistungsfähigkeit) vor, geht die gerontologische Forschung heute davon aus, dass sich die individuelle Leistungsfähigkeit im Zeitablauf qualitativ verändert und je nach Verlauf der (Erwerbs-)Biografie große interindividuelle Unterschiede aufweist (vgl. Buck/Dworschak 2003: 37f.; Lehr 2007: 76ff.; Hacker 1996). Insbesondere in der IT-Branche sind Erfahrungen mit älteren Mitarbeitern oder auch älteren Mitarbeitergruppen bislang wenig oder gar nicht vorhanden. Eine Prognose der individuellen wie organisationalen Konsequenzen kann sich daher bislang nur auf allgemeine arbeitswissenschaftliche oder gerontologische Forschungsergebnisse und/oder auf soziologische und organisationspsychologische Studien stützen. Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach den Auswirkungen der Alterung der Belegschaften auf Sozialund Organisationskapital. 4.1 Individuelle Perspektive Ausgangspunkt für die Fähigkeit zur Innovation ist zum einen das zur Problemlösung vorhandene Wissen (vgl. stellvertretend North/Reinhardt 2005: 30f.). Älteren Mitarbeitern wird in aller Regel ein hohes Maß an Erfahrungswissen unterstellt. Welche Rolle Erfahrungswissen für das Hervorbringen von Innovationen spielt, wird in der arbeitspsychologischen Forschung noch konträr diskutiert. Einige Forscher gehen davon aus, dass Erfahrungswissen bei reproduktivoptimierenden Aufgaben zu „Energieeinsparungen“ führt und eine Quelle für die Kompensation abnehmender physisch-psychischer Leistungsfähigkeit ist, auf der anderen Seite aber bei der Einführung von Innovationen eher kontraproduktiv wirkt (vgl. Kruse 2000). Andere beschreiben dagegen Erfahrungswissen als Voraussetzung dafür, Widersprüche und Grenzen zu erkennen, deren Überschreitung zu Neuem wahrzunehmen und zu bewerten und somit Innovation erst zu ermöglichen (vgl. Holtgrewe 2000: 176). Erfahrungswissen ist im Hinblick auf Innovation offensichtlich janusköpfig, je nachdem welches Arbeitsumfeld und welche Arbeitsgestaltung vorherrschen. In einem von Technik getriebenen Innovationsumfeld, in dem technisches Wissen auch relativ schnell veraltet, wurde Erfahrungswissen bislang eher gering geschätzt; je komplexer die Anforderungen im Innovationsprozess hinsichtlich von Geschäftsprozessen und Kundenanforderungen werden, umso wichtiger erscheint auch die Erfahrungskomponente des Wissens zu werden (vgl. hierzu Ahrens 2004; Böhle et al. 2004).

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

117

Langzeitstudien des finnischen Arbeitswissenschaftlers Ilmarinen haben darüber hinaus gezeigt, dass sich das Leistungsverhalten der Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen sogar verbessern lässt. Um mögliche negative Auswirkungen des Alterns zu vermeiden schlägt er unterschiedliche „präventive Maßnahmen“ aus den Bereichen Gesundheitsschutz, Arbeitsorganisation, Motivation, Führung, Lernen und Kompetenz vor (vgl. Ilmarinen 2000: 88f.). Für die Innovationsfähigkeit der Person sind wiederum Lernbereitschaft und –fähigkeit von besonderem Interesse. Eine Zusammenstellung vielfältiger Studien zur Lernfähigkeit zeigt, dass es zwar Unterschiede im Lernverhalten von jüngeren und älteren Personen gibt, dass diese aber ganz entscheidend von einer Vielzahl von somatischen, sozialen, pädagogischen und biographischen Einflussfaktoren beeinflusst sind (vgl. Lehr 2007: 94ff.). Diese sind auch für die individuelle Innovationsfähigkeit grundlegender als das biologische Alter des Mitarbeiters. 4.2 Organisatorische Perspektive: Die Wirkung von Personalstrukturen Faktische Personalstrukturen in Unternehmen sind vereinfacht das Ergebnis eines Ausgleichsprozesses zwischen den Anforderungen an Arbeitskräften aus den betrieblichen Leistungsprozessen und dem Angebot von Arbeitskräften auf dem externen Arbeitsmarkt (vgl. Nienhüser 1998: 155ff.; Oechsler 2006: 211f.; Wiskemann 2000: 130ff.). Merkmale der Personalstruktur beschreiben mithin das im Unternehmen vorhandene Humanvermögen (vgl. Oechsler 2006: 495ff., Humanvermögen ist hier synonym zu Humankapital). Während Nationalität und Geschlecht grundsätzlich keine Auswirkungen auf das individuelle Leistungsvermögen haben, können Qualifikationsstruktur aber auch Lebens- und Dienstalter durchaus als Indikatoren für die Kompetenzen der Mitarbeiter und somit mittelbar auch für die Leistungsfähigkeit der Organisation herangezogen werden. Für Innovationsfähigkeit sind neben der Kompetenz zur Selbstorganisation insbesondere die im Prozess der Arbeit gewonnenen unternehmensspezifischen Kompetenzen von Bedeutung, die sich durch ein hohes Maß an Imitationsresistenz auszeichnen (vgl. North et al. 2005; Leonard 1998: 21ff.). Hierzu gehören neben dem im Laufe der Erwerbstätigkeit gewonnen Erfahrungswissen auch das Wissen um unternehmensspezifische Besonderheiten (vgl. Köchling 2004: 134ff.). Doch nicht nur die Verteilung der individuellen Merkmale gibt Hinweise auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit des Personals. Auch die Relation von Personengruppen einerseits wie auch das Spannungsverhältnis von Personen und Stellen andererseits nehmen Einfluss auf die sozialen Beziehungen innerhalb des Unternehmens. Personalstrukturen beein-

118

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flussen mithin auch das Soziale Vermögen22 der Organisation. Soziale Heterogenität als relationale Dimension von Personalstrukturen kann sich - unter bestimmten Umständen – negativ auf das Sozialkapital auswirken (Kontexteffekte). Derartige Annahmen implizieren folglich personalpolitische Maßnahmen, die verhindern sollen, dass negative Effekte auftreten (Ressourceneffekte). Auch das Phänomen der Gruppendominanz (z. B. überwiegend ältere Mitarbeiter) kann das soziale Gefüge der Organisation empfindlich stören, beispielsweise in dem die numerisch dominante Gruppe „Aufstiegschancen“ für kleinere nachfolgende Gruppen mehr oder weniger blockiert. Die daraus resultierende Unzufriedenheit auf Seiten der Angehörigen der dominierten Gruppen erhöht deren Fluktuationsneigung und führt vermehrt zu Konflikten zwischen den Kohorten (vgl. Nienhüser 1998: 303). Für Unternehmen die eine sehr altershomogene wenn auch (noch) junge Belegschaft aufweisen, kann dieses Phänomen je nach Stellenstruktur zukünftig wachsende Bedeutung erhalten (vgl. Kleefeld/Wiskemann 2007: 98f.). Die spezifische Struktur des Personalbestands einer Organisation erzeugt folglich in allen Dimensionen des sozialen Kapitals Effekte, die es im Hinblick auf Innovationsprozesse zu bewerten und gegebenenfalls zu beeinflussen gilt. Als Zwischenstand kann festgehalten werden, dass Personalstrukturen die Ressourcen- und Kompetenzbasis von Unternehmen beeinflussen. Die Frage ist nun, welche Merkmale oder Merkmalskonstellationen wirksam werden und welche Auswirkungen auf das Innovationsgeschehen zu erwarten sind. In Anlehnung an Nienhüser werden im Folgenden zwei Annahmen aufgegriffen, die dazu dienen, den Einfluss von Strukturen auf die Kompetenzbasis abzubilden (vgl. Nienhüser 1998: 254). Nienhüser geht in seinem Erklärungsmodell davon aus, dass Strukturen auf zweierlei Weise wirken. Zum einen beschränken sie die Handlungsmöglichkeiten der Individuen, zum anderen beeinflussen sie die Erwartungen einzelner Angehöriger der Struktur. Personalstrukturen eröffnen bzw. beschränken für Individuen den Zugang zu bestimmten Alternativen. So ist der Zugang zu materiellen (Zugang zu Weiterbildung oder zu alternativen interessanten Arbeitsaufgaben), sozialen (Möglichkeiten zu Kommunikation sozialen Kontakten) und kognitiven Ressourcen (Zugang zu Informationen) sowohl von der Stellen- als auch von der vorhanden Personalstruktur abhängig (vgl. Nienhüser 1998: 257ff.). Zusätzlich werden die Erwartungen der Personen wesentlich von der vorhandenen Personalkonfiguration beeinflusst, was in der Folge in Anpassungsreaktionen münden kann.

22

Sozialvermögen und Sozialkapital werden im Folgenden synonym verwendet.

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Nicht alle Variablen, mit denen sich Personalstrukturen in qualitativer und quantitativer Hinsicht beschreiben lassen, sind gleich bedeutend für die Wirkung auf das Verhalten und somit die Effektivität und Effizienz der Organisation. Die dargelegten Zusammenhänge führen zur Auswahl der folgenden vier Dimensionen, um die Wirkung von Personalstrukturen zu spezifizieren (vgl. Nienhüser 1998: 244ff.). ƒ

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Soziale Heterogenität beschreibt die Streuung eines oder mehrerer sozialer Merkmale wie z. B. Geschlecht oder Alter. Sie beeinflusst bzw. beschränkt die Interaktionsmöglichkeit mit ähnlichen Partnern (Wirkung auf Informationsfluss, Kommunikationsprozesse u. a.). Von dieser Dimension sind insbesondere Auswirkungen auf horizontale, teamübergreifende Austauschprozesse zu erwarten. Gruppendominanz beinhaltet die numerische und meist auch machtbezogene Dominanz einer Gruppe, z. B. Altersgruppe. Sie beschränkt gegebenenfalls den Zugang zu materiellen Ressourcen wie z. B. Aufstiegsmöglichkeiten. Alter (Dienst- und Lebensalter) beschreibt den Anteil dienst- und lebensälterer Mitarbeiter. Kann als Hinweis für die Regenerationsgeschwindigkeit der Organisation gesehen werden. In aller Regel hat es Einfluss auf die Kosten. Es dient darüber hinaus als Indikator für berufs- bzw. unternehmensbezogenes Erfahrungswissen, welches im hinsichtlich innovativen Verhaltens sowohl hemmenden als auch fördernden Charakter haben kann. Qualifikationsniveau umfasst den Bestand an Qualifikationen. Das Niveau beeinflusst wesentlich die Qualität und Kosten des Humankapitals und ist eine wesentliche Einflussgröße hinsichtlich der kontinuierlichen Lern- und Entwicklungsfähigkeit der Mitarbeiter.

Während die ersten beiden Dimensionen relationaler Art sind und als „handlungsbeschränkende Umwelt“ auf das Verhalten der Mitarbeiter wirken (Kontexteffekte), sind die Letzteren nicht-relationaler Art und bewirken Ressourceneffekte, die über die Aggregation der individuellen Merkmale entstehen (vgl. Abbildung 3).

120

Heidrun Kleefeld

Strukturdimension

Soziale Heterogenität

Gruppendominanz

Alter der Belegschaft

Mechanismen

Beschränkung sozialer Ressourcen

Beschränkung materieller Ressourcen

Prozesse der Veränderung des Humankapitals und seiner Verwertungsmöglichkeiten

Mögliche Effekte

Kontexteffekte (Verhaltenswirkung) Störungen der sozialen Beziehungen, Unzufriedenheit, Abwanderung, Leistungsrückgang, Interessendurchsetzungsfähigkeit

Wirkung

Abbildung 3:

5

Qualifikationsniveau

Ressourceneffekte Reduzierung des physischen Leistungsvermögens, Zunahme an Erfahrungswissen; Veränderung von Erwartungen; Zunahme von Personalkosten

Zunahme der Fähigkeit zur Interessendurchsetzung

Beeinflussung von Human-, Sozial-, und Organisationskapital

Typische Personalstrukturwirkungen (Quelle: in Anlehnung an Nienhüser 1998: 297)

Alternde Belegschaft - Anforderungen an ein Strategisches Human Resource Management

Die Herausforderungen die sich durch das Altern der Belegschaften im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit ergeben, beziehen sich zum einen auf die Verfügbarkeit und Nutzung des Humankapitals (individuelle Perspektive) zum anderen aber auch in der Veränderungen von Alterskohorten zueinander und somit in der Veränderung von Sozial- und Organisationskapital. Die Ausführungen in Abschnitt 3 und 4 haben jedoch gezeigt, dass im Gegensatz zu „allgemeinen Befürchtungen“ das Themenfeld des Alterns und der Innovationsfähigkeit wesentlich differenzierter zu betrachten ist, und eine Vielzahl von Chancen23 in der IT-Branche bislang wenig als strategische Kompetenz genutzt wurden. So ist es nicht zuletzt die Einstellung des Managements zu Alter und Kompetenz, die den Transformationsprozess von den Möglichkeiten zur Innovation bis zur Implementierung derselben wesentlich beeinflussen (vgl. Ilmarinnen 2000). 23

Dies sind z. B. Beziehungsnetzwerke langjähriger Mitarbeiter nach innen und außen, Nutzung von Erfahrungswissen für innovative Prozesse, Weitergabe von nicht dokumentierbarem Wissen in altersgemischten Tandems.

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

121

Der Ansatz des Strategischen Human Resource Management bietet die Möglichkeit, systematisch Chancen und Risiken des demografischen Wandels für strategische Prozesse nutzbar zu machen (vgl. Abbildung 4).

Ökonomische Einflüsse

Kulturelle Einflüsse

Politische Einflüsse

•Demografischer Wandel

Strategie/Ziele ORGANISATIONSKAPITAL SOZIALKAPITAL

Struktur/Prozesse

HUMANKAPITAL

HRM

Kompetenzmanagement

Beschäftigungspolitik

Abbildung 4:

Geschäftsprozesse

Leistungs- und KompetenzIndikatoren und deren geeignete Messung

Anreize und Entwicklung (Total Rewards)

Strategisches Vermögen und zentrale Entscheidungen im Human Resource Management (Quelle: eigene Abbildung)

So stellt sich für das Strategische Human Resource Management zunächst die Herausforderung, mögliche Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Vermögen der Organisation abzuschätzen. Hierfür sollten im Rahmen eines antizipativen Beschäftigungsmanagements systematisch Daten zur Organisationsdemografie im Sinne eines Frühwarnsystems erhoben werden, die Aufschluss über die Entwicklung des Personalbestandes und mittelfristig zu erwar-

122

Heidrun Kleefeld

tende Engpass-Situationen geben können (vgl. Wiskemann 2000; Kleefeld/Wiskemann 2007). Ziel muss es sein, auch bei einer zu erwartenden Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung in (nahezu allen) hoch industrialisierten Ländern, ausreichend „neues“ hoch qualifiziertes Humankapital zur Verfügung zu stellen. Als strategische Optionen kommt hier neben dem „global sourcing“ und der Erschließung latenter Erwerbspersonenpotentiale (z. B. Frauen, Ältere) ebenso die frühzeitige Bindung potentieller Mitarbeiter durch Kooperation mit Hochschulen oder soziale Netzwerke und die Flexibilisierung des Übertritts in den Ruhestand in Frage. Hinsichtlich der Beeinflussung des Sozialkapitals ist es vor allem die Zusammensetzung der Teams in Innovationsprozessen, die sich als Gestaltungsaufgabe stellt. So gilt es zum einen im Sinne eines „Diversity-Ansatzes“ die Kompetenzen aller Mitarbeiter produktiv zu nutzen. Zum anderen spielt die bewusste Gestaltung bzw. Steuerung des Wissenstransfers umso stärker eine Rolle, je mehr die Bedeutung von Erfahrungswissen zu nimmt und große Kohorten aus Altersgründen ausscheiden werden. Folglich müssen erfolgskritische Situationen und notwendige Kompetenzen im Innovationsprozess differenziert erfasst und bewertet werden. Mitarbeiter aller Altersgruppen sind dann entsprechend ihrer Kompetenzen auch funktions- und bereichsübergreifend so zu beteiligen, dass sowohl ein horizontaler als auch einen Generationen übergreifender Wissensaustausch möglich ist. Außerdem sind über die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Job Rotation und Laufbahngestaltung Möglichkeiten gegeben, den Wissensaustausch einerseits als auch den Erwerb neuen Wissens für erfahrene Mitarbeiter andererseits zu fördern. Grundsätzlich stellt sich zudem die Frage der Gestaltung des „Altersbildes“. In jugendzentrierten Branchen wird der Wert des „Alters“ als synonym für Erfahrung bislang wenig geschätzt. In aller Regel führt dies zu Ausgrenzung von Wissensbeständen, die sich durch ein hohes Maß an „implicitness“ auszeichnen, deren Relevanz bislang jedoch widersprüchlich eingeschätzt wird. Dem Strategischen Human Resource Management kommt mithin die Aufgabe zu, durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen das Altersbild und die Unternehmenskultur entsprechend zu beeinflussen, so dass auch die Potentiale älterer Mitarbeiter nachhaltig zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens eingesetzt werden können. Neben der Identifikation und Entwicklung von individuellen strategischen Kompetenzen, kommt dem Strategischen Human Resource Management somit die Aufgabe zu, sicherzustellen, dass Mitarbeiter über die gesamte Erwerbsdauer hinweg die Möglichkeit und die Verantwortung haben, sich an innovativen Projekten zu beteiligen. Human Resource Politiken zur Personalbeschaffung, beurteilung, Anreizgestaltung und Personalentwicklung (incl. Gesundheitsma-

Demografischer Wandel und Innovationsfähigkeit

123

nagement) sind unter diesen Aspekten entsprechend auszugestalten (vgl. Voelpel/Leibold/Früchtenicht 2007). Literatur Ahrens, D. (2004): Erfahrungsbasiertes Wissen und experimentelles Lernen: Die Macht „unscharfen Wissens“. In: Jennewein, K./Knauth, P./Röben, P./Zülch, G. (2004): Kompetenzentwicklung. In Arbeitsprozessen, Baden-Baden: 363-371. Barney, J. (1991): Firm Resources and sustained competitive advantage. In: Journal of Management, 17: 99-120. Bartlett, C./Ghoshal, S. (1994): Changing the Role of Top Management: Beyond Strategy to Purpose. In: Harvard Business Review: 79-88. Bartlett, C./Ghoshal, S. (1995a): Changing the Role of Top Management: Beyond Structure to Processes. In: Harvard Business Review: 86-96. Bartlett, C./Ghoshal, S. (1995b): Changing the Role of Top Management: Beyond Systems to People. In: Harvard Business Review: 132-142. Behrends, T. (2001): Organisationskultur und Innovativität. Eine kulturtheoretische Analyse es Zusammenhangs zwischen Handlungsgrammatik und innovativem Organisationsverhalten, München und Mering. Bergmann, B. (2001): Innovationsfähigkeit älterer Arbeitnehmer. In: Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Weiterbildungsforschung e.V. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung 2001: Tätigsein – Lernen – Innovation, Münster: 13-52. Bergmann, G./Daub, J. (2006): Systemisches Innovations- und Kompetenzmanagement: Grundlagen – Prozesse - Perspektiven, Wiesbaden. Böhle, F./Bolte, A./Dunkel, W./Pfeiffer, S./Porschen, S./Sevsay-Tegethoff, N. (2004): Der gesellschaftliche Umgang mit Erfahrungswissen: Von der Ausgrenzung zu neue Grenzziehungen. In: Beck, U, Lau, C. (Hrsg.): Entgrenzung und Entscheidung: Was ist neu an der Theorie reflexiver Modernisierung? Frankfurt a. M.: 95122. Buck, H. (2003): Alterung der Gesellschaft – Dilemma und Herausforderung. In: Badura, B./Schellschmidt, H./Vetter, C. (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2002. Zahlen Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Demographischer Wandel: Herausforderungen für die betriebliche Personal- und Gesundheitspolitik, Berlin: 5-13. Buck, H./Dworschak, B. (eds.) (2003): Ageing and Work in Europe – Strategies at company Level and public Policies in selected European Countries, Stuttgart. Buck, H./Kistler, E./Mendius, H.-G. (2002): Demographischer Wandel in der Arbeitswelt. Chancen für eine innovative Arbeitsgestaltung, Stuttgart. Buck, H./Schletz, A. (Hrsg.) (2001): Wege aus dem demographischen Dilemma durch Sensibilisierung, Beratung und Gestaltung, Broschürenreihe: Demographie und Erwerbsarbeit. Decker, C./Van der Velden, R. (2006): Desinvestition von Unternehmensanteilen aus der Sicht des Ressourcen- und Kompetenzansatzes. In: Burmann, C./Freiling,

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Einfluss von Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg í Eine ressourcenbasierte Betrachtung

1

Einleitung ...................................................................................................131

2

Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene..........132 2.1 2.2

3

Betrachtung des Erfolgseinflusses der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive .................................................................135 3.1 3.2

4

Perspektiven der Marktorientierung ............................................................ 132 Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg ........................................... 134

Ressourcenbasierter Ansatz als theoretische Basis ..................................... 135 Erfolgeinfluss der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive .................................................................................................. 139

Zusammenfassung......................................................................................145

Literatur..............................................................................................................146

Marktorientierung und Unternehmenserfolg 1

131

Einleitung

Bis dato existiert kein einheitliches Verständnis darüber, was unter dem Konstrukt der Marktorientierung zu verstehen ist (Matsuno et al. 2005). Perspektivenübergreifend kann Markorientierung zu den strategischen Orientierungen eines Unternehmens gezählt und als Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit am Markt interpretiert werden. Unterschiedliche Meinungen bestehen dahingegen, was genau unter dem Begriff Markt zu verstehen ist und wie sich Marktorientierung konkret manifestiert. Dabei kann zwischen kultur- und verhaltenorientierten Ansätzen der Marktorientierung unterschieden werden. Kulturorientierte Ansätze (z. B. Deshpandé et al. 1993) verstehen das Konstrukt als fundamentale Eigenschaft der Unternehmenskultur, während verhaltensorientierte Ansätze (z. B. Narver/Slater 1990) daraus resultierende Konsequenzen/Aktivitäten fokussieren. Die Forschungsbemühungen konzentrieren sich (neben der Konstruktkonzeptualisierung) vor allem auf die Frage des Erfolgseinfluss: Welchen Einfluss hat Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg? Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Narver/Slater 1990) lässt sich empirisch ein positiver Erfolgseinfluss der Marktorientierung beobachten (Kirca et al. 2005). Trotz dieser wertvollen Erkenntnis ist der Forschungsbereich zur Marktorientierung in der Vergangenheit kritisiert worden: Neben einem zu hohen Abstraktionsgrad (es bleibt für die Praxis verhältnismäßig unklar, wie genau Marktorientierung umgesetzt werden kann) steht eine tendenziell schwache theoretische Fundierung im Vordergrund der Kritik (Kok et al. 2003: 140). Insbesondere die verhaltensorientierten Ansätze der Marktorientierung postulieren bzw. testen häufig einen positiven Erfolgseinfluss, ohne ausreichend theoretisch zu begründen, warum bzw. wodurch Marktorientierung zum Erfolg führt (Stoelhorst/van Raaij 2004: 473; Hunt/Lambe 2000: 28). Der vorliegende Beitrag widmet sich dem Forschungsdefizit und analysiert den Erfolgseinfluss der Marktorientierung mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes. Dazu wird zunächst das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene vorgestellt (2). Neben verschiedenen Perspektiven der Marktorientierung (2.1) wird der Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg thematisiert (2.2). Anschließend wir der Erfolgseinfluss der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive theoretisch analysiert (3). Im Rahmen einer Einführung (3.1) wird der ressourcenbasierte vom marktbasierten Ansatz abgegrenzt (3.1.1) und ein kurzer Überblick zu den wesentlichen Erkenntnissen der ressourcenbasierten Theorie gegeben (3.1.2). Anschließend widmet sich der Beitrag dem Erfolgseinfluss der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive (3.2). Neben der Herleitung einer ressourcenbasierten Wirkungskette

132

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der Marktorientierung (3.2.1) erfolgt eine theoriebasierte Ableitung einer inversen U-Funktion zwischen Marktorientierung und Erfolg (3.3.3). Der Beitrag endet mit der Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse (4). 2

Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene

2.1 Perspektiven der Marktorientierung Trotz umfangreicher Forschungsbemühungen kann die Forschung bis heute nicht auf eine einheitliche, allgemeingültige Definition und Konzeption des Konstruktes der Marktorientierung zurückgreifen. Weitestgehend Einigkeit besteht jedoch darin, dass das Konstrukt seinen Ursprung im Marketingkonzept findet (Zhao/Cavusgil 2006: 405f.). Das Marketingkonzept, das den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Unternehmenstätigkeit stellt, führte ab Mitte der 1950er Jahre zu der Entwicklung des Marketing von einer reinen Verkaufsorientierung hin zu einer Führungsphilosophie (Webster 1988). Perspektivenübergreifend kann Marktorientierung als Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit am Markt interpretiert werden, wobei Uneinigkeit darüber besteht (1) was unter dem Begriff Markt zu verstehen ist und (2) wie sich diese Ausrichtung konkret manifestiert. Der Marktbegriff wird zum Teil „in the conventional manner as the set of all potential customers of a firm” (Deshpandé et al. 1993: 27) definiert, was in der Konsequenz zu einem synonymen Verständnis der Begriffe Markt- und Kundenorientierung führt. Die Mehrzahl der Autoren subsumieren jedoch unter den Markt nicht nur Kunden, sondern auch andere Marktteilnehmer. So definieren Kohli/Jaworski (1990: 3) Markt z. B. als alle Faktoren, die Kundenbedürfnisse beeinflussen. Darauf basierend verstehen sie Marktorientierung als eine Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an den Kunden, sowie an den Wettbewerbern und Umfeldfaktoren eines Unternehmens. Bezüglich der Manifestation der Marktorientierung kann zwischen kulturund verhaltensorientierten Ansätzen unterschieden werden (Griffiths/Grover 1998). Während kulturorientierte Ansätze Marktorientierung als eine fundamentale Eigenschaft der Unternehmenskultur verstehen (z. B. Deshpandé et al. 1993), fokussieren verhaltensorientierte Ansätze daraus resultierende, spezifische Konsequenzen/Aktivitäten (wie z. B. die Generierung und Nutzung von Marktinformationen; vgl. Narver/Slater 1990). Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend das inhaltliche Verständnis, wesentliche Vertreter sowie Vorund Nachteile beider Perspektiven im Überblick.

Marktorientierung und Unternehmenserfolg

Kulturorientierte Ansätze Inhaltliches Verständnis der Marktorientierung Wesentliche Vertreter des Ansatzes Kritische Würdigung

Abbildung 1:

133

Verhaltensorientierte Ansätze

Marktorientierung als fundamentale Eigenschaft der Unternehmenskultur

Marktorientierung als spezifische Aktivitäten und Verhaltensweisen eines Unternehmens

Hooley et al. 1990; Deshpandé/Webster 1989; Deshpandé et al. 1993; Homburg/Pflesser 2000

Shapiro 1988; Kohli/Jaworski 1990; Narver/Slater 1990; Ruekert 1992; Day 1994a

+ bessere theoretische Fundierung + hoher Erklärungsbeitrag durch die Betrachtung von Entstehungsbedingungen

+ Vorteile in der Messbarkeit und Anwendungsorientierung/ Implementierbarkeit

- Kulturmessung ist problematisch

+ direktere Erfolgswirkung zu erwarten

- Annahme einer (vollständigen) Steuerung von Kultur ist fraglich

- schwächere theoretische Fundierung

- kein direkter Erfolgseinfluss zu erwarten

- kulturunabhängiger, einfacher Einsatz marktorientierter Verhaltensweisen fraglich

Zusammenfassende Gegenüberstellung kultur- und verhaltensorientierter Perspektiven der Marktorientierung (Quelle: eigene Abbildung)

Beide Forschungsperspektiven waren in der Vergangenheit Gegenstand kritischer Diskussionen. Ein wesentlicher Kritikpunkt der kulturorientierten Konzeptionen betrifft die anspruchsvolle bis problematische Messung der Unternehmenskultur (Matsuno et al. 2005: 2). Darüber hinaus ist eine direkte Verbindung zwischen einer marktorientierten Kultur und dem Erfolg eines Unternehmens unwahrscheinlich: Latente Phänomene wie die Unternehmenskultur zeigen nur dann einen Erfolgsbeitrag, wenn sie sich in konkreten Handlungen/Aktivitäten manifestieren (Hult et al. 2005: 1174). Verhaltensorientierte Ansätze zeigen durch die Betrachtung von mehr oder weniger sichtbaren Verhaltensweisen Vorteile in der Messbarkeit sowie in der Anwendungsorientierung/Implementierbarkeit (Hurley/Hult 1998: 43). Kritisiert wird z. B. eine vergleichsweise schwächere theoretische Fundierung (Kok et al. 2003: 140; McNaughton et al. 2001: 522). Gegen ein rein verhaltensorientiertes Verständnis spricht darüber hinaus, dass marktorientierte Aktivitäten vermeintlich einfach von jedem Unternehmen (losgelöst von der Unternehmenskultur)

134

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erfolgreich eingesetzt werden könnten, was sich in der Realität jedoch so nicht beobachten lässt (Narver/Slater 1998: 235). Inhaltlich betrachtet sollte die Frage nach der Angemessenheit einer kulturellen vs. verhaltensorientierten Konzeption der Marktorientierung keine ‚Entweder-oder-Frage’ sein. Die Literatur geht weitestgehend davon aus, dass marktorientiertes Verhalten die Konsequenz einer marktorientierten Kultur darstellt (Matsuno et al. 2005: 3; Homburg/Pflesser 2000: 457). Unabhängig von der eingenommenen Perspektive beinhaltet das Konstrukt der Marktorientierung trotz umfangreicher Forschungsbemühungen in den letzten 15 Jahren nach wie vor ein erhebliches Forschungspotenzial (Cano et al. 2004: 179). Ein häufig formulierter perspektivenübergreifender Kritikpunkt bezieht sich auf den hohen Abstraktionsgrad vorhandener Ansätze (Lin/Germain 2004: 244) und eine insgesamt eher schwache theoretische Fundierung (Kok et al. 2003). 2.2 Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg Das Konstrukt der Marktorientierung gehört zu den am häufigsten untersuchten Konstrukten der Marketingforschung (Cano et al. 2004: 179). Neben der Konzeptualisierung steht folgende Frage im Mittelpunkt des Forschungsinteresses: Welchen Einfluss hat die Marktorientierung auf den Erfolg eines Unternehmens? Kohli/Jaworski (1990: 13) kommen auf der Basis qualitativer Interviews zu folgendem Schluss: „Virtually all of the executives interviewed noted that a market orientation enhances the performance of an organization. The typical response to our question about positive consequences was a „laundry list” of favorable business performance indicators such as ROI, profits, sales volume, market share, and sales growth.”

Überwiegend findet sich in der Marketing-Literatur die Aussage, dass Marktorientierung und Erfolg eindeutig positiv assoziiert sind (Hunt/Lambe 2000: 26f.). Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die Marktorientierung als eindeutigen, allgemein gültigen Erfolgsfaktor in Frage stellen (Kaynak/Kara 2004: 747). Meehan (1996: 47) stellt sogar provozierend die Frage: „Is the value of market orientation more than legend?” Analysiert man die Empirie, so berichten bis auf Ausnahmen (z. B. Grewal/Tansuhaj 2001) vorliegende Studien einen signifikanten positiven Erfolgseinfluss. Das spiegelt sich entsprechend auch in studienübergreifenden Metaanalysen zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung wider (z. B. Kirca et al. 2005; Cano et al. 2004).

Marktorientierung und Unternehmenserfolg

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Der Forschungsbereich zur Marktorientierung ist jedoch in der Vergangenheit aufgrund seiner schwachen theoretischen Fundierung kritisiert worden (Kok et al. 2003: 140). Vorliegende Ansätze tendieren dazu, einen positiven Erfolgseinfluss zu postulieren bzw. zu testen, ohne ausreichend theoretisch zu begründen, warum bzw. wodurch Marktorientierung zum Erfolg führt (Stoelhorst/van Raaij 2004: 473; Hunt/Lambe 2000: 28). Eine theoretische Untermauerung des Einflusses der Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg stellt somit ein Forschungsdefizit dar. Der folgende Abschnitt widmet sich diesem Forschungsdefizit und untersucht den Erfolgseinfluss der Marktorientierung mit Hilfe des ressourcenbasierten Ansatzes. 3

Betrachtung des Erfolgseinflusses der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive

3.1 Ressourcenbasierter Ansatz als theoretische Basis 3.1.1 Abgrenzung marktbasierter und ressourcenbasierter Ansatz Die Kernfrage des strategischen Management bezieht sich auf die Entwicklung von Erfolgspotenzialen als Vorlaufgrößen für zukünftigen Erfolg (Bamberger/Wrona 1996a: 130). Zwei theoretische Perspektiven, die in diesem Zusammenhang in der Literatur häufig gegenübergestellt werden sind der ressourcenbasierte und der marktbasierte Ansatz. Der marktbasierte Ansatz erklärt Wettbewerbsvorteile aus einer günstigen Auswahl und Besetzung von ProduktMarkt-Positionen in der Branche. Kritik an den Grundannahmen (statische Märkte und unbeschränkte Ressourcenmobilität und -handelbarkeit) führte ab Mitte der achtziger Jahre zu der verstärkten Verbreitung der ressourcenbasierten Perspektive. Der ressourcenbasierte Ansatz geht aufgrund der Annahme nicht uneingeschränkt mobiler bzw. imitierbarer Ressourcen von dauerhaften Unterschieden (Heterogenität) in der Ressourcenausstattung von Unternehmen aus. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile werden durch einzigartige Unternehmensressourcen, Bündel von Ressourcen und deren Beziehungen untereinander erklärt. (Zahn et al. 2000: 49f.; zu Knyphausen 1993: 776). Ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Eignung der theoretischen Perspektiven für eine bestimmte Fragestellung betrifft die Eigenschaften des zu untersuchenden Marktes. Die Heranziehung des marktbasierten Ansatzes gilt in der Literatur als besonders sinnvoll in reifen Industrien mit einer gefestigte Marktstruktur, während bei einer ausgeprägten Marktdynamik die ressourcenbasierte Perspektive überzeugt (Makhija 2003: 449; Grant 1996: 376). Ein weite-

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res Entscheidungskriterium betrifft die zu untersuchende Themenstellung. Der auf der Industrieökonomik aufbauende marktbasierte Ansatz erlaubt aufgrund der Annahme homogener Ressourcenausstattungen nur bedingt (und zwar nur in den Bereichen Branchenwahl und wettbewerbsstrategische Positionierung) eine Analyse von Unterschieden zwischen Unternehmen (zu Knyphausen 1993: 772). In Abgrenzung dazu eignet sich der ressourcenbasierte Ansatz sehr gut zur Untersuchung strategischer Unternehmensentscheidungen (Seth/Thomas 1994: 177). Trotz in Teilen divergierender Annahmen sind der markt- und der ressourcenbasierte Ansatz nicht als Gegenpositionen, sondern als komplementäre Ansätze zu verstehen (Seth/Thomas 1994: 178). So verlangen attraktive Marktpositionen überlegene Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens und gleichzeitig sind Ressourcen nur von Nutzen, wenn sie sich auch in einer differenzierenden Position im Markt niederschlagen (Zahn et al. 2000: 51). Wernerfelt (1984: 171) spricht in diesem Zusammenhang von „two sides of the same coin“. Generell erscheint die Verwendung des ressourcenbasierten Ansatzes im Marketingkontext viel versprechend, wurde jedoch in der Forschung lange vernachlässigt (Acedo et al. 2006: 633; Srivastava et al. 2001: 778). Die grundsätzliche Anwendbarkeit des ressourcenbasierten Ansatzes im Kontext der Marktorientierung lässt sich zweifach herleiten. Zum einen weisen aufgrund von Sättigungstendenzen viele Branchen dynamische Markt- und Umfeldbedingungen (z. B. starkes Marktwachstum, hoher Wettbewerbsdruck) auf (Manu/Sriram 1996: 86f.). Zum anderen basiert die Implementierung von Marktorientierung auf strategischen, unternehmerischen Entscheidungen, so dass Unterschiede zwischen Unternehmen zu erwarten und zu analysieren sind (Lynn/Akgün 1998: 12). 3.1.2 Überblick zum ressourcenbasierten Ansatz Die Grundlage des ressourcenbasierten Ansatzes stellte die Ende der 1950er Jahre publizierte Arbeit von Penrose (1959) dar, in der Unternehmen als Ansammlung produktiver Ressourcen konzeptualisiert werden. Als Begründer des heutigen Verständnisses gelten Wernerfelt (1984) sowie Barney (1991), Grant (1991) und Peteraf (1993) (vgl. Freiling 2000: 15; Bamberger/Wrona 1996b: 386). Wie bereits dargestellt wurde, unterliegt der ressourcenbasierte Ansatz der Grundprämisse der Heterogenität der Ressourcenbasis von Unternehmen (Barney 1991: 101). Als Ursache dafür, dass sich Untenehmen bzgl. ihrer Ressourcenausstattung unterscheiden, gilt die Unvollkommenheit der Faktormärkte. Danach sind bestimmte Ressourcen (z. B. implizites Wissen) nicht

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bzw. nur zu hohen Transaktionskosten handelbar. Die daraus im Zeitablauf entstehenden unterschiedlichen Ressourcenausstattungen von Unternehmen bilden die Grundlage überdurchschnittlicher Gewinne (sog. Renten, Peteraf 1993: 180ff.). In der Literatur dominiert ein verhältnismäßig breites Verständnis des Ressourcenbegriffes. Häufig wird zwischen physischen (z. B. Anlagen und Ausstattungen), intangiblen (Vermögenswerte/Assets und Fähigkeiten), finanziellen (interne und externe Fonds) und organisationalen Ressourcen (Managementsysteme und interorganisationale Beziehungsstrukturen) unterschieden. Fähigkeiten, als wesentliche intangible Ressourcen, stellen die Wissensbasis des Unternehmens dar und basieren auf spezifischem Know How und Erfahrungen der Mitarbeiter (Bamberger/Wrona 1996a: 133f.). Im Mittelpunkt des ressourcenbasierten Ansatzes steht das Konzept des Wettbewerbsvorteils. Auch wenn bis dato kein einheitliches Konzeptverständnis vorliegt (Srivastava et al. 2001: 777), so dominieren doch in der Literatur zwei konstituierende Basiselemente (Slater 1996: 80; Coyne 1986: 55): (1) Es handelt sich um ein relatives Konzept, das heißt, ein Vorteil besteht nur im Vergleich zum Wettbewerb innerhalb eines gegebenen Marktes und (2) im Zentrum steht der Kunde, das heißt, ein Wettbewerbsvorteil verlangt, dass ein vom Kunden wahrgenommener Kundennutzen generiert wird (Woodruff 1997: 142). Erfolg basiert auf einer im Vergleich zum Wettbewerb besseren, originelleren oder schnelleren Auswahl bzw. Kombination von Ressourcen. Nicht alle Ressourcen führen jedoch zu dauerhaften/nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen (Barney 1991: 102). Innerhalb des ressourcenbasierten Ansatzes gibt es viele (in Teilen uneinheitliche) Beiträge, die zu erfüllende Bedingungen von Nachhaltigkeit diskutieren (insb. Barney 1991: 106ff.; Grant 1991: 123ff.). Es lassen vier wesentliche Bedingungen von Ressourcen zusammenfassen (Ossadnik 2000: 276f.; ähnlich Rasche/Wolfrum 1994; zu Knyphausen 1993): 1.

Nicht-Imitierbarkeit: Ressourcen dürfen nur begrenzt imitierbar sein. Folgende wesentliche Quellen kommen für eine begrenzte Imitierbarkeit in Betracht: ƒ

ƒ

Unternehmensindividuelle Vergangenheitsentwicklung (Historizität): Jedes Unternehmen durchläuft eine idiosynkratische historische Entwicklung, die als solche nicht vollständig wiederholbar ist. Das System wird auf Nachahmungsversuche in kaum vorhersehbarer Weise reagieren. Unklarheit über Kausalzusammenhänge (Kausale Ambiguität): Kausale Ambiguität bedeutet, dass Wirkungszusammenhänge zwischen Res-

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ƒ

2.

3. 4.

sourceneinsatz und Erfolg nicht eindeutig sind. Das heißt, es ist nicht bekannt, welche Ressource bzw. welche Ressourcenkombination konkret den Erfolg begründet. Interdependenzen von Ressourcen (Komplexität): Häufig entsteht erst durch die Interaktion verschiedener Ressourcen (z. B. auf viele Personen verteiltes Wissen) ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil.

Unternehmensspezifität: Der Grad der Unternehmensspezifität einer Ressource wird durch ihre organisatorische Einbindung im Unternehmen bestimmt. Insbesondere intangible Ressourcen, die auf subtilen Verhaltensschemata und Routinen beruhen (implizites Wissen), sind in der Regel hochgradig unternehmensspezifisch. Mit zunehmender Spezifität steigen die mit einem Ressourcentransfer verbundenen Transaktionskosten. Nicht-Substituierbarkeit: Ressourcen dürfen nicht substituierbar sein, das heißt, der Effekt der Ressource darf nicht mit ähnlichen Ressourcen bzw. durch andere Optionen erzielt werden können. Fähigkeit zur Nutzenstiftung am Markt: Damit eine Ressource strategisch relevant ist, muss sie signifikant dazu beitragen, dass die Leistung des Unternehmens am Absatzmarkt einen für Kunden einzigartigen Zusatznutzen bietet.

Relevant ist nicht nur ‚was man hat’, sondern auch ‚was man draus macht’. Entscheidend sind dabei weniger zeitpunktbezogen vorhandene Ressourcen, als zeitraumbezogen neue Ressourcen nutzbar zu machen (Ossadnik 2000: 277). Weiterentwicklungen bzw. Ableger des ressourcenbasierten Ansatzes setzen sich daher verstärkt mit einer dynamischen Fähigkeitsentwicklung von Unternehmen auseinander. So rückt z. B. die kompetenzbasierte Sichtweise (competence-based view) organisationale Fähigkeiten (capabilities) in den Mittelpunkt der Betrachtung (Freiling 2000: 27f.). Die Begriffe organisationale Fähigkeit, Kompetenz und Kernkompetenz werden dabei zum Teil voneinander abgegrenzt, überwiegend jedoch synonym verwendet (Gibbert et al. 2006: 148). Im Vordergrund stehen einzigartige, beim Wettbewerb nicht vorhandene Bündel an Ressourcen (Rühli 1995: 94f.). Unternehmenserfolg wird dabei nicht (nur) über die vorhandenen Ressourcen definiert, sondern vor allem über die Fähigkeit einer Organisation zur Ressourcennutzung, -koordination und -kombination zur Lösung marktlicher Herausforderungen. Das impliziert kollektive Lernprozesse, durch die Wissen (intern und/oder extern) generiert, akkumuliert und integriert wird (Day 1994 b: Prahalad/Hamel 1990: 82). Die durch den ressourcenbasierten Ansatz ausgelöste Perspektivenerweiterung der Betrachtung unternehmensinterner Erfolgspotenziale (insb.

Marktorientierung und Unternehmenserfolg

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auch intangibler Ressourcen) wird insgesamt betrachtet sehr positiv bewertet. Kritikpunkte betreffen die uneinheitliche Verwendung von Begrifflichkeiten und die in Teilen unterschiedliche Definition erfolgsrelevanter Ressourcen. Darüber hinaus werden zum Teil bereits bekannte Aussagen im Gewand neuer theoretischer Ansätze publiziert (Barney et al. 2001: 630; vgl. zur kritischen Würdigung des ressourcenbasierten Ansatzes im Überblick Priem/Butler 2001: 25ff.). 3.2 Erfolgeinfluss der Marktorientierung aus ressourcenbasierter Perspektive 3.2.1 Ressourcenbasierte Wirkungskette der Marktorientierung Im Kontext dieses Beitrages stellt sich die Frage, inwieweit das Konstrukt der Marktorientierung als eine (Marketing-) Ressource bezeichnet werden kann. Bis dato existiert kein einheitliches Verständnis von Marketing-Ressourcen (Hooley et al. 2005: 19). Srivastava et al. (2001: 779) verstehen darunter Ressourcen, die größtenteils durch Marketingaktivitäten generiert bzw. gestärkt werden und die die wesentlichen Bedingungen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile erfüllen. Häufig wird dabei zwischen Marketing-Vermögenswerten und MarketingFähigkeiten differenziert (Srivastava et al. 2001: 779; Hooley et al. 2001: 507). Marketing-Vermögenswerte (marketing assets) stellen die Ausstattung eines Unternehmens mit marketing-spezifischen Ressourcen dar (z. B. Image, Vertriebsnetzwerk, Kundenbeziehungen, Wissen über Kundenbedürfnisse; Srivastava et al. 2001: 782). Marketing-Fähigkeiten (marketing capabilities) können als integrative Prozesse der Anwendung dieser Ressourcen zur Lösung von Marktaufgaben und zur Generierung eines Kundennutzens verstanden werden (z. B. Kundenreaktionsfähigkeit, Innovationsfähigkeit; Hooley et al. 2001: 508; Day 1994a: 40f.). Abhängig von dem zugrunde liegenden Konstruktverständnis (Marktorientierung als Kultur bzw. Verhalten) wird Marktorientierung von einigen Autoren als Marketing-Vermögenswert (Atuahene-Gima 2005: 79) bzw. als MarketingFähigkeit (Zhou et al. 2005: 44; Hunt/Lambe 2000: 28) interpretiert. Weitestgehende Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass Marktorientierung eine (Marketing-) Ressource im Sinne des ressourcenbasierten Ansatzes darstellt (Hooley et al. 2005: 18; Srivastava et al. 2001: 781; Hunt/Lambe 2000: 27). Bis dato existiert kein einheitliches Verständnis der konkreten, ressourcenbasierten Wirkungskette des Einflusses der Marktorientierung auf den Erfolg. Es existieren zwar Beiträge zu Teilbereichen der Wirkungskette (McNaughton et al. 2001; Olavarrieta/Friedman 1999), eine ganzheitliche, allgemein akzep-

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tierte Darstellung liegt jedoch nicht vor. Die folgende Abbildung widmet sich diesem Forschungsdefizit und fasst bestehende konzeptionelle und empirische Erkenntnisse aus der Literatur zusammen. Aufgrund unterschiedlicher Konstruktdefinitionen (Marketing-Ressourcen, Erfolg) ist die Darstellung als exploratorischer Beitrag zur ressourcenbasierten Erfolgswirkung der Marktorientierung zu verstehen.

• Wilkinson 2001, S. 75* • Srivastava et al. 2001, S. 782* • Tuominen 1996, S. 27* • Slater/Narver 1994, S. 25*

Marketing-Ressourcen im Unternehmen • Hooley et al. 2005, S. 23** • McNaughton et al. 2001, S. 524* • Ottesen/Gronhaug 2000, S. 5** • Hunt/Lambe 2000, S. 27* Marktorientierung als Ressource

• Hooley et al. 2005, S. 24** Marketing• Hyvönen et al. 2004, S. 174** Vermögenswerte • McNaughton et al. 2001, S. 524*

• Wang et al. 2004, S. 255* • Srivastava et al. 2001, S. 782 ff.* • Hunt/Lambe 2000, S. 27*

• Hooley et al. 2005, S. 23** Marketing• Atuahene-Gima 2005, S. 77** Kompetenzen • Jayachandran et al. 2004, S. 224** • Weerawardena/ O‘Cass 2004, S. 425** • Vorhies/Harker 2000, S. 162** • Olavarrieta/Friedmann 1999, S. 220* • Slater/Narver 1994, S. 25* *= konzeptionelle Aussage; **= empirischer Befund

Abbildung 2:

Nachhaltiger Wettbewerbsvorteil

Unternehmenserfolg

• Hooley et al. 2005, S. 24** • Jayachandran et al. 2004, S. 224** • Wang et al. 2004, S. 270** • Weerawardena 2003, S. 26** • Srivastava et al. 2001, S. 782 f.* • Olavarrieta/Friedmann 1999, S. 220* • Vorhies 1998, S. 14** • Slater/Narver 1994, S. 25*

Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung (Quelle: eigene Abbildung)

Es wird deutlich, dass Marktorientierung einen positiven Einfluss auf weitere Marketing-Ressourcen im Unternehmen ausübt. Beispielweise kann durch marktorientiertes Verhalten marktbezogenes Wissen generiert werden (als Marketing-Vermögenswert; z. B. McNaughton et al. 2001) und es kann die Kundenreaktions- bzw. Innovationsfähigkeit (als Marketing-Fähigkeiten; z. B. Jayachandran et al. 2004; Hooley et al. 2005) gesteigert werden. MarketingVermögenswerte und Marketing-Fähigkeiten stehen wiederum in einer wechselseitigen Beziehung zueinander (z. B. Wang et al. 2004). Marketingkompetenzen und -Vermögenswerte bieten als MarketingRessourcen Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil im Markt. Ein Wettbe-

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werbsvorteil im Markt besteht jedoch definitionsgemäß nur dann, wenn (1) ein vom Kunden wahrgenommener Nutzen generiert wird und (2) dieser Nutzen einen Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb darstellt (Coyne 1986). Definitionsgemäß beinhaltet Marktorientierung eine Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit am Kunden (Narver/Slater 1990). Es bleibt jedoch die Frage, inwieweit sich dadurch ein Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb generieren lässt. Das ist abhängig davon, inwieweit es sich dabei um ein seltenes Phänomen handelt: Wenn alle Unternehmen einer Branche gleich gut marktorientiert agieren, lässt sich so kein Wettbewerbsvorteil generieren (Hunt/Lambe 2000: 27; Hunt/Morgan 1995: 11). Empirische Studien verweisen jedoch auf erhebliche Mängel bei der Implementierung der Marktorientierung (Mason/Harris 2005; Harris/Piercy 1997). Daraus lässt sich ableiten, dass es sich nicht um einen allgemein umgesetzten Standard handelt, so dass grundsätzlich Potenzial zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils im Markt besteht. In Kongruenz dazu weisen ressourcenorientierte Beiträge darauf hin, dass durch Marktorientierung kreierte bzw. gesteigerte Marketing-Vermögenswerte und -Fähigkeiten zu einem Wettbewerbsvorteil im Markt führen (Hooley et al. 2005: 24; Weerawardena 2003: 26; vgl. auch Abb. 2). Wie im vorangegangenen Abschnitt (3.1.2) dargestellt wurde, führen nicht alle Ressourcen zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und damit zu einem langfristigen Erfolg im Markt (Barney 1991: 102). Ein langfristiger Erfolg verlangt, dass die zugrunde liegende Ressource vier wesentliche Bedingungen erfüllt. Für die Marketing-Ressource Marktorientierung gelten die folgenden Überlegungen (vgl. Hooley et al. 2005: 19; Dutta et al. 1999: 550f.; Hunt/Morgan 1995: 13): 1.

2.

Nicht-Imitierbarkeit: Marktorientierung basiert auf einer unternehmensindividuellen Vergangenheitsentwicklung und der Wirkungszusammenhang zwischen Ressourceneinsatz und Erfolg ist nicht eindeutig erkennbar. Es bleibt z. B. verhältnismäßig diffus, welche Aspekte der Marktorientierung (z. B. welche Informationsquellen) den Erfolg eines Unternehmens konkret begründen (hohe kausale Ambiguität). Darüber hinaus ist das Wissen zur Umsetzung der Marktorientierung häufig im Unternehmen verteilt und weist damit eine hohe Komplexität auf (Hitt et al. 2000: 235). Es lässt sich ableiten, dass Marktorientierung und daraus resultierende neue Marketingkompetenzen und -Vermögenswerte höchstens begrenzt imitierbar sind. Unternehmensspezifität: Marktorientierung basiert auf subtilen Verhaltensschemata und -routinen (Dutta et al. 1999: 550f.). So stellt z. B. Wissen über Kunden und ihre Bedürfnisse implizites Wissen dar, das durch einen persönlichen, intensiven Austausch mit Kunden im Zeitablauf entsteht (Rü-

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3.

4.

Fee Steinhoff diger/Vanini 1998: 473). Das gilt besonders für latente und zukünftige Kundenbedürfnisse (Narver et al. 2000: 9). Implizites Wissen ist unternehmensspezifisch, schwierig zu artikulieren und kann nur zu hohen Transaktionskosten übertragen werden (Nonaka et al. 2000: 7; zu Knyphausen 1993: 780). Nicht-Substituierbarkeit: Der Effekt der Ressource Marktorientierung kann nicht einfach durch andere Ressourcen substituiert werden. So zeigen Forschungsergebnisse, dass erhebliche Unterschiede darin bestehen, was Manager denken, was Kunden einen Nutzen stiftet, und was Kunden tatsächlich als nutzenstiftend empfinden (Woodruff 1997: 143). Erst durch die Generierung von kundenbezogenen Informationen können Hinweise gewonnen werden, welche konkreten Leistungsangebote von den Kunden präferiert werden (Slater 1996: 80). Fähigkeit zur Nutzenstiftung am Markt: Marktorientierung zielt auf eine Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an den Kunden und ihren Bedürfnissen (Narver/Slater 1990). Damit wird das Kriterium der Fähigkeit zur Nutzenstiftung am Markt definitionsgemäß erfüllt.

Marktorientierung und die daraus resultierenden Marketingkompetenzen und -vermögenswerte sind also nur begrenzt imitierbar, unternehmensspezifisch, nicht-substituierbar und tragen zu einer Nutzenstiftung am Markt bei. Damit werden die vier wesentlichen Ressourcenbedingungen zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erfüllt. Das heißt, es kann davon ausgegangen werden, dass Marktorientierung grundsätzlich das Potenzial hat, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile wirken sich wiederum positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Ein Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz steigert die Kundennachfrage: Kunden können zwischen verschiedenen Anbietern im Markt wählen und entscheiden sich in der Regel für das Angebot, das ihnen den höchsten Nutzen bietet (Plinke 1992: 832f.). Ein seitens potenzieller Kunden wahrgenommener Wettbewerbsvorteil führt damit zu der Erzielung einer vergleichsweise hohen Absatzmenge bzw. relativ hoher Preise. Eine gesteigerte Absatzmenge kann darüber hinaus zur Reduktion der Fertigungskosten eingesetzt werden. Insgesamt betrachtet lässt sich ein positiver Einfluss eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils auf den Unternehmenserfolg (Umsatz und/oder Profitabilität) ableiten (Narver et al. 1993: 4ff.). Über die bisher dargestellte Wirkungskette hinaus postulieren ressourcenorientierte Beiträge eine Wechselwirkung zwischen Marketing-Ressourcen und Erfolg (z. B. Wilkinson 2001: 75; vgl. Abb. 2). Aus einer ressourcenbasierten

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Perspektive kann damit abgeleitet werden, dass Marktorientierung eine Determinante des Unternehmenserfolges darstellt. 3.2.2 Theoriebasierte Ableitung einer inversen U-Funktion Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit von einem monoton steigenden Erfolgseinfluss der Marktorientierung ausgegangen werden kann. Marktorientierung ist neben den dargestellten positiven Effekten auch mit Kosten verbunden (Utzig 1997: 52). Die Kosten sind der „Wert alles dessen, was der Anbieter für die Erlangung der akquirierten Ressourcen hergibt“ (Plinke 1992: 838). Konkret handelt es sich um Transaktionskosten, die sich aus dem Informationsaustausch mit den Kunden ergeben (z. B. Zeiteinsatz) und Herstellkosten zur Umsetzung erwünschter Differenzierungsmerkmale. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die entstehenden Kosten der Marktorientierung über den Preis auf die Kunden zu übertragen (Plinke 1992: 839). Das verlangt aber, dass der wahrgenommene Nutzen der Differenzierung die entstehenden Mehrkosten übersteigt. Das heißt, die Wirkung der Marktorientierung auf den wahrgenommenen Kundenvorteil determiniert den Spielraum für die Überwälzung differenzierungsbedingter Kosten. Geht man jedoch davon aus, dass der mit einer Marktorientierung erzielbare Nutzen nicht unbegrenzt ist (Simon 1991: 272), so lässt sich ableiten, dass einer Kostenüberwälzung ebenfalls Grenzen gesetzt sind (Homburg 1995: 160). Bezieht man die Kosten der Marktorientierung in die Überlegungen mit ein, so sollte das Ziel nicht ein maximaler, sondern ein optimaler Grad an Marktorientierung sein (Brockhoff 2003: 471; Simon 1991: 271). Aus einer theoretischen Perspektive erscheint es plausibel, dass die Ertrags- bzw. Erlöszuwächse (z. B. Absatz, Marktanteil, Umsatz) mit höherer Marktorientierung abnehmen, während die Grenzkosten der Marktorientierung steigen (Simon 1991: 271; siehe Abb. 3). Damit liegt das hypothetische Optimum der Marktorientierung dort, wo die Differenz zwischen Erlös und Kosten maximal ist (Utzig 1997: 52f.).

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Erlös, Kosten Kosten Erlöse

Optimum der Marktorientierung

Abbildung 3:

Marktorientierung

Optimale Marktorientierung (Quelle: in Anlehnung an Simon 1991: 272)

Es stellt sich also die Frage, inwieweit die Erfolgswirkung der Marktorientierung nicht komplexer ist als es in einer linearen Hypothese („je mehr Marktorientierung, desto höher der Erfolg“) zum Ausdruck kommt (vgl. auch Deshpandé 1999: 5). Diese Überlegungen finden Unterstützung in einigen empirischen Studien. So gelingt es Homburg (1995: 168), für das (inhaltlich verwandte) Konstrukt der Kundennähe erste Hinweise für einen nicht-monotonen Funktionsverlauf zwischen Kundennähe und Profitabilität empirisch nachzuweisen. Analog berichten einige Studien im Forschungsbereich der Marktorientierung kurvlineare Effekte (z. B. Atuahene-Gima et al. 2005; Narver/Slater 1990). Folglich kann theoretisch betrachtet im Zweifel nicht pauschal von einer monotonen Beziehung zwischen Marktorientierung und Erfolg ausgegangen werden. In Anlehnung an den dargestellten Zusammenhang zwischen Grenzkosten und -erlösen kann theoretisch von einer inversen U-Funktion zwischen Marktorientierung und Erfolg ausgegangen werden. Danach nimmt der Erfolg mit wachsender Marktorientierung bis zu einem optimalen Grad der Marktorientierung zu und nimmt ab dem Punkt mit steigender Marktorientierung wieder ab. Theoretisch betrachtet kann unter Erfolgsgesichtspunkten ein Unternehmen also zu marktorientiert sein. Wie aber lassen sich die empirischen Studien erklären, die überwiegend einen (monoton steigenden) positiven Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg nachweisen? Es lässt sich vermuten, dass viele Unternehmen in der Pra-

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xis unterhalb des Optimums der Marktorientierung operieren (vgl. auch die empirischen Ergebnisse von Homburg 1995 für das Konstrukt der Kundennähe). In Kongruenz dazu verweisen empirische Studien auf eine mangelnde Marktorientierung in der Praxis (Mason/Harris 2005; Harris/Piercy 1997). Daraus lässt sich ableiten, dass bei den meisten Unternehmen die Grenzerlöse der Marktorientierung relativ hoch ausgeprägt sind. Gleichzeitig verursacht marktorientiertes Verhalten (z. B. intensive Kundengespräche) nicht notgedrungen übermäßig hohe Kosten (Slater/Narver 1999: 1167). So geht es vielfach nicht darum, quantitativ mehr, sondern problembezogener und effektiver marktbezogene Informationen zu generieren und zu nutzen (Harris/Piercy 1997). Folglich kann von verhältnismäßig geringen Grenzkosten einer Steigerung der Marktorientierung ausgegangen werden. Das heißt, in Abweichung zu der theoretisch begründbaren inversen U-Funktion wird bis dato empirisch überwiegend ein monotoner positiver Erfolgseinfluss der Marktorientierung beobachtet. 4

Zusammenfassung

Der Forschungsbereich zur Marktorientierung ist in der Vergangenheit aufgrund einer unzureichenden theoretischen Fundierung kritisiert worden. Der vorliegende konzeptionelle Beitrag hat sich mit dem Einfluss der Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg aus einer ressourcenbasierten Perspektive beschäftigt. Basierend auf dem Forschungsstand zur Marktorientierung (Konzeptionalisierung und Erfolgseinfluss) sowie zum ressourcenbasierten Ansatz (Abgrenzung zum marktbasierten Ansatz und Grundlagen) wurde der Frage nachgegangen, inwieweit das Konstrukt der Marktorientierung als eine (Marketing-) Ressource bezeichnet werden kann. Marketing-Ressourcen sind Ressourcen, die größtenteils durch Marketingaktivitäten generiert bzw. gestärkt werden und die die wesentlichen Bedingungen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile erfüllen. Es konnte gezeigt werden, dass Marktorientierung je nach Konstruktverständnis als Marketing-Vermögenswert (kulturorientiertes Verständnis) bzw. als MarketingFähigkeit (verhaltensorientiertes Verständnis) interpretiert werden kann. Darauf aufbauend wurde eine ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung hergeleitet. Die Analyse konzeptioneller und empirischer Beiträge hat ergeben, dass Marktorientierung weitere Marketing-Ressourcen im Unternehmen positiv beeinflusst. Durch die Generierung marktbezogener Informationen kann z. B. der Vermögenswert „Marktwissen“ bzw. z. B. die Marketing-Fähigkeit „Kundenreaktionskompetenz“ gesteigert werden. Es konnte gezeigt werden, dass Marktorientierung Potenzial für einen Wettbewerbsvorteil im Markt beinhaltet, weil (1) ein vom Kunden wahrge-

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nommener Nutzen generiert wird und (2) dieser Nutzen aufgrund in der Praxis bestehender, häufig erheblicher Mängel bei der Implementierung der Marktorientierung einen Vorteil im Vergleich zum Wettbewerb darstellt. Anschließend wurde untersucht, inwieweit Marktorientierung die vier wesentlichen Ressourcenbedingungen zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erfüllt. Es konnte gezeigt werden, dass Marktorientierung (und die daraus resultierenden Marketingkompetenzen und -vermögenswerte) nur begrenzt imitierbar, unternehmensspezifisch und nicht-substituierbar ist und zu einer Nutzenstiftung am Markt beiträgt. Ein daraus entstehender, nachhaltiger Wettbewerbsvorteil führt zu der Erzielung einer vergleichsweise hohen Absatzmenge bzw. relativ hoher Preise im Markt und hat damit einen positiven Einfluss auf den Umsatz und/oder die Profitabilität. Es lässt sich schlussfolgern, dass Marktorientierung aus einer ressourcenbasierten Perspektive eine Determinante des Unternehmenserfolges darstellt. Darauf aufbauend wurde schließlich abgeleitet, dass theoretisch nicht ein monoton steigender Zusammenhang, sondern eine inverse U-Funktion zwischen Marktorientierung und Erfolg besteht. Das heißt, unter Erfolgsgesichtpunkten kann ein Unternehmen theoretisch betrachtet zu marktorientiert agieren. Literatur Acedo, F. J./Barroso, C./Galan, J. L. (2006): The Resource-Based Theory: Dissemination and Main Trends. In: Strategic Management Journal, 27: 621-636. Atuahene-Gina, K. (2005): Resolving the Capability - Rigidity Paradox in New Product Innovation. In: Journal of Marketing, 69: 61-83. Atuahene-GimA, K./Slater, S. F./Olson, E. M. (2005): The Contingent Value of Responsive and Proactive Market Orientations for New Product Program Performance. In: Journal of Product Innovation Management, 22: 464-482. Bamberger, I./Wrona, T. (1996a): Der Ressourcenansatz und seine Bedeutung für die Strategische Unternehmensführung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48: 130-153. Bamberger, I./Wrona, T. (1996b): Der Ressourcenansatz im Rahmen des Strategischen Managements. In: WiSt: 386-391. Barney, J. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, 17: 99-120. Barney, J./Wright, M./Ketchen, D. J. (2001): The resource-based view of the firm: Ten years after 1991. In: Journal of Management, 27: 625-641. Brockhoff, K. (2003): Customers' perspectives of involvement in new product development. In: International Journal of Technology Management, 26: 464-481.

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Identitätsbasierte Markenbudgetierung

1

Zur grundsätzlichen Relevanz der Markenbudgetierung...........................155

2

Der CbV als theoretisches Fundament der Untersuchung .........................158 2.1 2.2 2.3 2.4

3

Fundierung der identitätsbasierten Markenbudgetierung ..........................166 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

4

Grundlagen und Wirkungszusammenhänge des CbV................................. 158 Kritik am CbV ............................................................................................. 159 Prüfung von Anwendungsvoraussetzungen des CbV ................................. 161 Anforderungen an eine Kompetenz im Sinne des CbV .............................. 163

Erläuterung der Vorgehensweise................................................................. 166 Identitätsbasierung des Budgetierungsprozesses......................................... 167 Identitätsbasierung der Zielvorgaben .......................................................... 168 Identitätsbasierung der Ressourcenallokation ............................................. 170 Identitätsbasierung der Strategierealisierung .............................................. 171 Überprüfung der konstitutiven Merkmale einer Kompetenz im Sinne des CbV ....................................................................................................... 172

Synthese und Ausblick...............................................................................175

Literatur..............................................................................................................176

Identitätsbasierte Markenbudgetierung 1

155

Zur grundsätzlichen Relevanz der Markenbudgetierung

Themen mit Bezug zur Markenführung erfreuen sich seit einigen Jahren hoher Beliebtheit in Wissenschaft und Praxis (Meffert et al. 2005). Für die Zukunft wird von einer weiter steigenden Bedeutung der Markenführung ausgegangen (Esch et al. 2005). Gleichzeitig haben viele bekannte Marken in den letzten Jahren signifikant an Wert verloren: Gemäß der Markenwertdaten von Interbrand hatten die weltweit zehn größten Marken zwischen 2001 und 2005 einen Wertverlust von insgesamt 22 Milliarden US-Dollar oder über 5 Prozent zu verzeichnen. Die Praxis hat die Notwendigkeit einer systematischen Markenführung erkannt; Top-Manager nennen die Markenpolitik schon seit einiger Zeit als wesentlichen zukünftigen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung (Meffert/Bon-gartz 2000). Eine Auseinandersetzung mit Themen der Markenführung sollte daher auch in der wissenschaftlichen Diskussion weiterhin im Fokus stehen.1 Neben der Ableitung einer adäquaten Markenstrategie ist ihre konsequente Umsetzung ein entscheidender Erfolgsfaktor der Markenführung: Die Unternehmensleitung muss in die Lage versetzt werden, markenzielorientierte Sollvorgaben festzulegen und fortlaufend einzelne Aktivitäten der Markenführung zu steuern (Esch 2005b). Markenführung kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie umfassend, integriert und systematisch ist. Die dafür verwendeten Führungsinstrumente müssen diese Anforderungen explizit berücksichtigen. Die Budgetierung ist ein solches Instrument: Sie ist umfassend, da sie jeden Bereich und jede Aktivität im Unternehmen erfasst (Ewert/Wagenhofer 2005). Sie ist integriert, da Einzelbudgets und -pläne sämtlicher Entscheidungseinheiten im Unternehmen miteinander zu einem Gesamtbudget zusammengefasst werden (Ewert/Wagenhofer 2005). Sie ist systematisch, da die Budgetierung regelmäßig nach klar festgelegten Prozessen und Verantwortlichkeiten durchgeführt wird (Weber 2004). Nach Welge und Al-Laham ist die Budgetierung "das zentrale Instrument für die Umsetzung von Plänen in spezifische Maßnahmen" (Welge/Al-Laham 2001: 596). Die Budgetierung hat ihren Ursprung in der Planung, und Budgets können als spezielle Form von Plänen verstanden werden (Küpper 2005). Strittig ist, welche Pläne Budgets darstellen und welche nicht: Nach verbreiteter Meinung deutschsprachiger Autoren ist unter einem Budget eine formalzielorientierte Vorgabe mit festgelegtem Verbindlichkeitsgrad und festgelegtem zeitlichen Horizont für Entscheidungseinheiten im Unternehmen zu verstehen (Jung 2003; 1

Im Folgenden wird der identitätsbasierte Markenführungsansatz nach Meffert/Burmann (1996) zu Grunde gelegt. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Burmann et al. (2003); Burmann/Meffert (2005); Burmann et al. (2006).

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Weber 2004; Küpper 2005; Horváth 2006). International spielt das Kriterium der Formalzielorientierung eine geringe Rolle und es wird nicht zwischen wertund mengenmäßiger Quantifizierung unterschieden. Grisold fasst dies wie folgt zusammen: "Budgeting is not planning – it is the quantification of planning!" (Grisold 1995: 21) Nach einer dritten Abgrenzung beinhalten Budgets auch Handlungsalternativen mit einzelnen Maßnahmen (Goronzy 1975; Shillinglaw 1982). Bei dieser Auffassung bestehen nur wenige Unterschiede zwischen Planung und Budgetierung. Neben der Zielorientierung ist auch der zeitliche Horizont der Budgetierung strittig. In der Regel wird ein kurzfristiger Zeithorizont, z. B. ein Geschäftsjahr angenommen. Teilweise werden auch längere Planungsfristigkeiten einbezogen (z. B. Horváth/Möller 2004). Außerdem wird diskutiert, ob Budgets nur operativ oder auch strategisch sein können, wobei insbesondere die Praxis von einem operativen Budgetierungsverständnis geprägt ist (Horváth/Möller 2004). In einer strategischen Budgetierung handelt es sich Lehmann (1993) zufolge bei den verwendeten Größen um das "Resultat der Bewertung von Potenzialen" (Lehmann 1993: 53) und insofern erfolgt die Koordination "nicht auf Basis formaler Daten, sondern in einer Sachzielplanung" (Lehmann 1993: 53). Letzteres spricht dafür, das Budgetierungsverständnis nicht auf rein operative Formalziele zu beschränken – vor allem weil dadurch ein geringerer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist als bei Anwendung einer breiter gefassten Definition. Im Dickicht der terminologischen Diskussion lassen sich drei vereinende Aspekte sozusagen als kleinster gemeinsamer Nenner der verschiedenen Budgetierungsauffassungen isolieren: Die Budgetierung ist (a) ein formaler Prozess (Budgetierungsprozess), bei dem (b) allen Entscheidungseinheiten einer Organisation Ziele vorgegeben werden, die in Summe die Gesamtziele der Organisation reflektieren (Zielvorgabe) und (c) gleichzeitig Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die die Entscheidungseinheiten zur Erreichung ihrer Ziele selbstständig einsetzen können (Ressourcenallokation). Greiner fasst die letzten beiden Punkte wie folgt zusammen: In einem Budget sind "sowohl inputorientierte als auch outputorientierte (…) Größen enthalten (…), so dass eine Aufteilung der Budgetwerte in einen Einsatzteil (…) und einen Leistungsteil (…) möglich ist." (Greiner 2004: 59; ebenso Heiser 1964; Welsch 1988) Damit entspricht die Budgetierung im Kern einer Koordination durch Pläne (Kieser/Kubicek 1992). Vor diesem Hintergrund attestiert eine Reihe von Autoren betriebswirtschaftlicher Forschung der Budgetierung einen Beitrag zur verbesserten Koordination im Rahmen der Strategierealisierung (Mensch 2004: 443; Greiner 2004; Küpper 2005; Weber/Linder 2005: 218). Das Gros der Publikationen zur Budgetierung beschränkt sich auf eine allenfalls kurze Erläuterung von Budgetierungsfunktionen, ohne sie theoretisch

Identitätsbasierte Markenbudgetierung

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fundiert darzulegen (Horváth et al. 1986; Schmidt 1992; Hope/Fraser 1999a; Rottke 2000; Jensen 2001; Mensch 2004; Horváth/Möller 2004; Greiner 2005). Weber und Linder führen drei primäre Budgetierungsfunktionen an: Prognose, Koordination und Motivation (Weber/Linder 2005). Greiner unterscheidet nur zwischen zwei primären Funktionen von Budgetierung: Planung und Kontrolle sowie Verhaltenssteuerung (Greiner 2004). Auch Stein bestimmt nur zwei primäre Budgetierungsfunktionen: Sachlich-entscheidungslogische Koordination und personale Koordination (Stein 1998). Die von Stein identifizierten Funktionen stehen im Kern mit den bei Ewert und Wagenhofer aufgezeigten Gründen für einen organisatorischen Koordinationsbedarf in Einklang (Ewert/Wagenhofer 2005). Dies deutet auf einen inhaltlichen Fit zwischen organisatorischem Koordinationsbedarf auf der einen und der Koordinationsleistung der Budgetierung auf der anderen Seite hin. Steins Ausführungen stellen außerdem einen der wenigen Forschungsbeiträge dar, der die Budgetierung in einem durchgängigen theoretischen Rahmen darlegt – der Transaktionskostentheorie. Nach Stein sorgt die sachlichentscheidungslogische Koordinationsfunktion für die Integration verschiedener Teilplanungen und minimiert so die durch sachlich suboptimal abgestimmte Entscheidungen entstehenden Transaktionskosten. Die personelle Koordinationsfunktion der Budgetierung schafft Anreize zu wahrheitsgemäßer Aufdeckung privater Informationen sowie zu unternehmenszielkonformem Entscheidungsverhalten. Das reduziert die Transaktionskosten, die durch suboptimale Entscheidungen auf Grund gegensätzlicher Interessen entstehen. Durch die Aufdeckung privater Informationen wird auch die Qualität der Informationslage insgesamt verbessert – damit ist eine weiter verbesserte sachlich-entscheidungslogische Koordination möglich, die abermals die Transaktionskosten reduziert (Stein 1998). Die Budgetierung und ihre Koordinationsmechanismen sind für die Markenführung vor allem im Rahmen der Strategierealisierung von hohem Interesse. Im Folgenden wird eine Übertragung dieser Mechanismen auf den Markenführungskontext angestrebt. Unter dem Begriff Markenbudgetierung wird der formalisierte Prozess (Budgetierungsprozess) verstanden, durch den Positionierungsziele einer Marke konkretisiert und Entscheidungseinheiten einer Organisation in Form von Subzielen vorgegeben werden (Zielvorgabe). Weiter werden durch den Budgetierungsprozess Ressourcen bereitgestellt, die von den Entscheidungseinheiten zur Erreichung der jeweiligen Subziele eigenverantwortlich eingesetzt werden (Ressourcenallokation). Zielvorgabe und Ressourcenallokation erfolgen dabei systematisch und unternehmensübergreifend. Abbildung 1 fasst die vorläufigen Elemente und Zusammenhänge der Markenbudgetierung zusammen.

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Markenbudgetierung

Strategierealisierung

Zielvorgabe Ausgestaltung des Budgetierungsprozesses

Realisierung der Markenstrategie

Markenerfolg

Ressourcenallokation

Abbildung 1:

Vorläufige Elemente und Zusammenhänge der Markenbudgetierung (Quelle: eigene Abbildung)

Die tatsächliche Übertragung auf den Markenführungskontext erfordert jedoch ein tragfähiges theoretisches Fundament. Als ein solches bietet sich der Competence-based-View (CbV) an: Er wird regelmäßig zur theoretischen Fundierung der Erfolgsfaktorenforschung angewendet (Conant et al. 1990; Vorhies 1998; Dutta et al. 1999; Vorhies/Morgan 2005; Lierow 2005; Blinda 2006). Der identitätsbasierte Markenführungsansatz selbst baut auf dem CbV auf (Burmann/Meffert 2005b). Der CbV wurde ebenfalls bereits für weiterführende Untersuchungen im Bereich der identitätsbasierten Markenführung eingesetzt (Blinda 2006). 2

Der CbV als theoretisches Fundament der Untersuchung

2.1 Grundlagen und Wirkungszusammenhänge des CbV Der CbV, ursprünglich als eine Weiterentwicklung des Resource-based-View (RbV) entstanden (Gersch et al. 2005), begründet den Unternehmenserfolg nicht alleine durch die Verfügungsmacht über strategische Ressourcen, sondern durch eine effektive und effiziente Nutzung dieser Ressourcen. Die für eine solche Nutzung erforderlichen Fähigkeiten lassen sich unter dem Begriff Kompetenzen subsumieren. Als wesentlich für die Entwicklung des CbV gelten unter anderem Beiträge von Selznick 1957, Collis 1991, Hamel/Prahalad 1994, Sanchez et al. 1996, Teece et al. 1997 und Freiling 2004a. Zunehmend wird der CbV als eigenständiger Ansatz angesehen, der unabhängig vom RbV existiert. Damit einhergehend gibt es sogar Bestrebungen, den CbV über die Grenzen des strategi-

Identitätsbasierte Markenbudgetierung

159

schen Managements hinaus zu einer Theorie der Unternehmung zu entwickeln (Gersch et al. 2005). Bis dato steht eine Bestätigung des CbV als Theorie der Unternehmung jedoch noch aus. "Der CbV hat das Ziel, den Erfolg von Unternehmen als Wettbewerbsfähigkeit auf Märkten aus den zu einem Zeitpunkt verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen zu erklären." (Lierow 2005: 90) Ein solcher Zusammenhang konnte bereits durch eine Reihe empirischer Untersuchungen in verschiedenen Branchen belegt werden (u. a. Conant et al. 1990; Vorhies 1998; Dutta et al. 1999; Vorhies/Morgan 2005). Nach Gersch et al. 2005 lassen sich im CbV insgesamt drei Wirkungszusammenhänge voneinander unterscheiden: Erstens werden in Unternehmen bestehende Ressourcen und Inputgüter zu neuen, heterogenen Ressourcen veredelt (Rumelt 1984; Reed/DeFillippi 1990; Freiling 2001). Ressourcen können dabei sowohl materiell, zum Beispiel eine Maschine, als auch immateriell (Freiling 2004b; zum Beispiel eine Marke). Der Veredelungsprozess findet unter Einsatz von Kompetenzen statt, den so genannten Veredelungskompetenzen. Je besser eine Kompetenz zur Ausgangssituation des Unternehmens und zu seinen Zielen passt, desto größer ist das Marktpotenzial. Zweitens begründen Kompetenzen nach Vorstellung des CbV neben der Veredelung auch die Realisierung der Marktpotenziale. Dazu ist es erforderlich, durch den Einsatz von Kompetenzen marktfähige Prozesse zu schaffen und entsprechende Produkte und Dienstleistungen zu vermarkten. Die dabei zum Einsatz kommenden Kompetenzen werden als Marktzufuhrkompetenzen bezeichnet. Drittens gilt es, individuelle und organisatorische Fähigkeiten zu entwickeln, um die langfristige Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen, zum Beispiel durch die Anpassung von Organisationsstrukturen. Auch hierzu sind nach Auffassung des CbV spezielle Kompetenzen erforderlich, die unter dem Begriff Metakompetenzen zusammengefasst werden.

2.2 Kritik am CbV Der CbV ist nicht unumstritten. Ein erster Problembereich liegt in der Fülle und Verschiedenartigkeit der Partialansätze, die die ressourcenorientierte Forschung insgesamt bereits hervorgebracht hat (Gersch et al. 2005). Dabei ist nach Gersch, Freiling und Goeke eine steigende Heterogenität nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb einzelner Partialansätze zu beobachten. Diese äußert sich besonders an der terminologischen Vielfalt grundlegender Elemente. Gersch, Freiling und Goeke sprechen von einem "Riss durch die Ressourcenori-

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entierte [sic] Forschung " (Gersch et al. 2005: 12). Lierow kommt sogar zu dem Schluss, der CbV habe die niedrigste Stufe der Wissenschaftsziele einer Theorie, eine eindeutige Begriffsbestimmung, noch immer nicht erreicht (Lierow 2005). Allerdings sind gerade von den zuvor zitierten Autoren in den letzten Jahren intensive Anstrengungen unternommen worden, die mit der Heterogenität der verschiedenen Partialansätze einhergehenden Probleme abzugrenzen, eine einheitliche definitorische Linie zu entwickeln und den CbV zu einer Theorie der Unternehmung weiterzuentwickeln. Auch wenn das noch nicht endgültig gelungen ist, stellen die Beiträge von Freiling und ihm nahe stehenden Autoren einen viel versprechenden und zukunftsweisenden Weg für die ressourcenorientierte Forschung insgesamt, und den CbV im Speziellen dar. Ein zweiter Problembereich lässt sich durch die Frage charakterisieren, inwiefern der CbV überhaupt dazu geeignet ist, prognostische Aussagen über den Erfolgsbeitrag von Ressourcen und Kompetenzen zu machen (Lierow 2005). Mit der Beantwortung dieser Frage geht auch das Potenzial des CbV einher, kompetenzorientierte Managementempfehlungen abzuleiten. Einige Autoren fordern, jegliche Bewertung von Ressourcen und Kompetenzen müsse immer auf Basis der aktuellen Marktkonfiguration für ein spezielles Unternehmen erfolgen. Als Begründung führen sie an, nur der Markt entscheide über den tatsächlichen Erfolg eines Unternehmens und somit gleichsam über den Erfolg der Ressourcen und Kompetenzen (Henderson/Clark 1990; Thornhill/Amit, 2003.). Nur eine Ex-post-Bewertung kann somit tatsächliche Marktergebnisse einbeziehen. Eine Ex-ante-Bewertung hingegen kann immer nur Erwartungswerte liefern, denen dann subjektive Einschätzungen zu Grunde liegen (Lierow 2005). Diese Einschränkungen gilt es bei der Interpretation von Ergebnissen der geplanten Untersuchung zu berücksichtigen. Damit eng verbunden ist ein bis dato wenig diskutiertes, drittes Problem des CbV, vor allem in seiner Auslegung durch Gersch, Freiling und Goeke: Sie unterscheiden zwischen Veredelungs-, Marktzufuhr- und Metakompetenzen. Ist eine objektive Bewertung von Kompetenzen ausschließlich ex-post durch ihren Einsatz an einem Markt möglich, können sowohl Veredelungs- als auch Metakompetenzen nur durch einen kombinierten Einsatz mit Marktzufuhrkompetenzen bewertet werden. Es kann daher die Frage gestellt werden, inwiefern Veredelungs- und Metakompetenzen ohne entsprechende Marktzufuhrkompetenzen überhaupt einen Wert begründen. Es bleibt bislang unklar, ob und wie zwischen dem Wertbeitrag von Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen differenziert werden kann. Das Problem könnte möglicherweise durch eine Bündelung der verschiedenen Kompetenztypen für deren Untersuchung umgangen werden. Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, einen Erfolgsbeitrag immer nur für Marktzufuhrkompetenzen auszuweisen und zwischen Meta-, Veredelungs-

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und Marktzufuhrkompetenzen daraufhin kausale Zusammenhänge zu untersuchen. Einen vierten, fundamentalen Kritikpunkt sehen Gersch, Freiling und Goeke in einer Desorientierung durch die bislang nicht erfolgte Einigung auf Basisentscheidungen innerhalb des CbV. Die Desorientierung soll gleichsam ursächlich sein für den mangelnden "Zugang einer noch größeren Zahl von Forschern zu diesem Ansatz" (Gersch et al. 2005: 17). Daraufhin entwickeln sie Eckpunkte einer Rekonzeptionalisierung des CbV, die sie als Prämissen für den CbV und seine Anwendbarkeit sehen (Freiling 2004a). Die vorausgegangenen Ausführungen unterstreichen vier wesentliche Vorüberlegungen bei der Anwendung des CbV als theoretisches Fundament der identitätsbasierten Markenbudgetierung: Es sind klare terminologische Abgrenzungen erforderlich. Ergebnisse zur Erfolgsrelevanz der Markenbudgetierung sind zunächst erklärend und nicht prognostisch zu interpretieren. Aussagen zur Erfolgsrelevanz sind für spezifische Unternehmenssituationen zu treffen und die Prüfung von Anwendungsvoraussetzungen des CbV für den Forschungskontext ist vorzunehmen. 2.3 Prüfung von Anwendungsvoraussetzungen des CbV Eine erste Voraussetzung zur Anwendung des CbV besteht darin, Handlungen eines Unternehmens als die kollektiven Handlungen aller Individuen des Unternehmens zu verstehen. Dadurch stellt die Analyse von Erfolgsfaktoren mit Hilfe des CbV immer einen Vergleich kollektiver Handlungen dar (Lierow 2005). Auch das markenbezogene Verhalten einer Organisation ist das Ergebnis von kollektiven Handlungen (Tomczak et al. 2005; Gummesson 1987; Judd 2003). Vor allem die Markenidentität drückt sich als Gruppenidentität "in gemeinsamen Werten, Überzeugungen, Eigenschaften und Verhalten aus, welche die Gruppe von anderen abgrenzt und differenziert." (Blinda 2006: 97) Dies bestätigt die Eignung des CbV als theoretisches Fundament für Koordinationsaspekte der identitätsbasierten Markenführung. Eine zweite Voraussetzung ist die asymmetrische Verteilung von Wissen und Motivation der handelnden Individuen (Gersch et al. 2005). Diese Ungleichheit führt zu unterschiedlichen Ausgangssituationen in einzelnen Entscheidungssituationen. Insbesondere die Untersuchungen von Zeplin (2006) zum innengerichteten Markenmanagement sowie die Untersuchungen zum absatzmittlergerichteten Markenmanagement von Maloney (2007) lassen auf das Vorliegen asymmetrischer Wissens- und Motivationsverteilung auch bei der

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Markenführung schließen. Auch dies spricht für die Anwendung des CbV auf den Forschungskontext. Eine dritte Voraussetzung lautet: Entscheidungen müssen unter Unsicherheit getroffen werden. Koordinationsaufgaben der Markenführung sind zukunftsbezogen (Burmann/Meffert 2005a). Damit gehen immer auch Entscheidungen unter Unsicherheit einher, was ebenfalls für die Anwendung des CbV spricht. Die Rationalität von Akteuren ist eine vierte Voraussetzung zur Anwendung des CbV. Gerade im Hinblick auf die zu untersuchenden Koordinationsaspekte ist die Annahme von rationalem Akteursverhalten sinnvoll, da eine auf die Beeinflussung kollektiver Handlungen ausgelegte Anwendung von Koordinationsmechanismen die Berechenbarkeit von Verhalten voraussetzt. Zwar lässt sich die Rationalität der Akteure nicht abschließend klären, aber fordern. Im Ergebnis geht daher die Interpretation von Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung mit der Rationalität von Akteuren einher. Eine fünfte Voraussetzung besteht in einer unvollständig determinierten Umwelt. Im CbV haben Akteure einen bedingten Einfluss auf ihre Entwicklung. Daraus resultiert eine Beeinflussbarkeit der Handlungsmöglichkeiten von Akteuren durch "kanalisierendes Handeln Dritter" (Gersch et al. 2005: 27). Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Koordinationsmechanismen der Markenführung können selbst als ein solches kanalisierendes Handeln Dritter verstanden werden. Damit ist auch diese Anforderung zur Anwendung des CbV durch den vorliegenden Untersuchungsgegenstand erfüllt. Schließlich wird als sechste Voraussetzung eine dynamische Perspektive für die Anwendung des CbV gefordert. Darunter ist vor allem die Existenz von Zeitpfadabhängigkeiten zu verstehen (Gersch et al. 2005; Lierow 2005): Ressourcen und Kompetenzen sind im Unternehmen aufzubauen (Collis 1996), weshalb ihr Bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt eine frühere Entscheidung zu ihrem Aufbau voraussetzt. Dies stimmt auch mit der Forderung von Dierickx und Cool überein, nach der frühere Unternehmensentscheidungen Auswirkungen auf den gegenwärtigen Erfolg von Unternehmen haben (Dierickx/Cool 1989). Esch weist explizit auf Lernprozesse bei der Entwicklung von Marken hin. Markenführung ist aus diesem Grund mittel- bis langfristig anzulegen (Esch 2005b): Die gegenwärtige Stärke der Marke wird durch frühere Entscheidungen langfristig beeinflusst. Adäquate Entscheidungen der Markenführung fördern die zukünftige Stärke, Fehlentscheidungen können irreversible negative Folgen haben. Vor diesem Hintergrund ist bei der Koordination von Aktivitäten der identitätsbasierten Markenführung eine dynamische Perspektive bedeutsam und der Untersuchungsgegenstand wird dem Anforderungskriterium gerecht.

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Fünf der sechs Anwendungsvoraussetzungen des CbV werden durch den Forschungskontext ohne Einschränkungen erfüllt. Das Vorliegen von rationalem Verhalten lässt sich nicht eindeutig klären, aber fordern. Im Ergebnis unterstreicht die vorausgegangene Abhandlung damit die Eignung des CbV zur Untersuchung von Koordinationsmechanismen der identitätsbasierten Markenführung. 2.4 Anforderungen an eine Kompetenz im Sinne des CbV Obwohl der vorangegangene Abschnitt die grundsätzliche Eignung des CbV für den Forschungskontext zeigen konnte, ist ein weiterer, wesentlicher Kritikpunkt noch nicht adressiert: Für die geplante Fundierung der identitätsbasierten Markenbudgetierung im CbV ist eine definitorische Einordnung der wichtigsten Begriffe des CbV erforderlich. Marktgängige Inputgüter sind "homogene, prinzipiell marktgängige, unternehmensextern oder –intern erstellte Faktoren, die den Ausgangspunkt weiterer Verwertungs- oder Veredelungsaktivitäten bilden." (Gersch et al. 2005: 45) Ressourcen oder "unternehmensspezifische Handlungspotenziale" (Gersch et al. 2005: 45) sind das "Ergebnis durch Veredelungsprozesse weiterentwickelter Inputgüter, die wesentlich zur Heterogenität der Unternehmung und zur Sicherstellung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung beitragen (…)." (Gersch et al. 2005: 45) Ressourcen sind unternehmensspezifisch und daher im Unterschied zu den marktgängigen Inputgütern nicht auf Faktormärkten handelbar. Sie können sowohl auf Grund gezielter Planung als auch zufällig als Nebenprodukte entstehen. Allein die Verfügbarkeit von Ressourcen begründet jedoch noch keinen Wettbewerbsvorteil; dieser kann nur bei entsprechender Nutzung der Ressourcen entstehen. Kompetenzen sind "wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete, und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse ermöglichen. Sie dienen dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfähigkeit und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile." (Gersch et al. 2005: 45) Ein besonderes Interesse liegt bei der geplanten Untersuchung auf der Kompetenzdefinition. Es wird dafür eine umfassende Synthese existierender Kompetenzdefinitionen angestrebt. Ihr primäres Ziel ist die Ableitung möglichst konkreter und prüfbarer Anforderungskriterien an eine Kompetenz im Sinne des CbV. Den Ausgangspunkt der Synthese bildet die umfangreiche Sammlung von Kompetenzdefinitionen bei Blinda 2006. Zunächst werden die aufgeführten

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Definitionen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt. Dabei erweist sich eine Unterscheidung in drei inhaltliche Bereiche als zweckmäßig: Komponenten, Mechanismen und Effekte. Für die Synthese der existierenden Definitionen wird zunächst eine Aufteilung der Definitionsbestandteile zu den drei inhaltlichen Bereichen vorgenommen. Nur vier der untersuchten Definitionen, darunter die von Freiling (2004), treffen Aussagen zu allen inhaltlichen Bereichen. Neben der abweichenden Breite ist auch die Aussagentiefe unterschiedlich. Hier fällt ebenfalls die hohe Detailtiefe der Definition von Freiling auf; obwohl nicht alle Aspekte, die sich bei einer kumulierten Betrachtung der Definitionen ergeben, von Freiling explizit beschrieben werden. Bei der Spezifikation einzelner Komponenten verwenden die untersuchten Definitionen Begriffe wie pattern (Hofer/Schendel 1978), set (Nelson/Winter 1982; Dosi et al. 1992; Stalk et al. 1992), ability (Ulrich/Lake 1990; Lado et al. 1992; Sanchez et al. 1996; Freiling 2004a) oder capacity (Cohen et al. 1996). Ein vereinendes Element dieser Begriffe ist das Fehlen von Eigentumsrechten, was schon Dierickx/Cool (1989) als Zeichen nicht gegebener Fungibilität gewertet haben. Als ein erstes konstitutives Merkmal einer Kompetenz lässt sich folglich festhalten: Kompetenzen sind organisationsspezifisch und nicht auf Faktormärkten handelbar. Bereits bei Barney heißt es weiter, "unique historical conditions" (Barney 1991: 107) seien für die Ausbildung wettbewerbsrelevanter Unterschiede von Organisationen verantwortlich. Damit eng verbunden ist ein zweites konstitutives Merkmal einer Kompetenz: Weil Kompetenzen unternehmensspezifisch und nicht handelbar sind, müssen sie innerhalb einer Organisation entwickelt oder weiterentwickelt werden (Dierickx/Cool 1989). Die Definitionen enthalten zudem Begriffskomponenten wie deployment (Hofer/Schendel 1978; Sanchez et al. 1996; Freiling 2004a), routine (Dosi et al. 1992; Collis 1994) oder process (Ulrich/Lake 1990; Stalk et al. 1992; Day 1994). Alle drei Begriffe zielen in dieselbe Richtung und ermöglichen die Ableitung eines dritten konstitutiven Merkmals einer Kompetenz: Sie ist bewusst und wiederholt einsetzbar. Außerdem verwenden die Autoren Begriffe wie people/social (Nelson/Winter 1982; Collis 1994), differentiated (Dosi et al. 1992) und complex (Day 1994; Collis 1994). Die daraus ableitbare soziale Komplexität als viertes konstitutives Merkmal einer Kompetenz lässt sich bereits auf die Ursprünge der ressourcenorientierten Forschung zurückführen: Nach Barneys Auffassung ist ein Wettbewerbsvorteil, der auf sozial komplexen Phänomenen beruht, besonders schwer zu imitieren (Barney 1991). Mit Bezug auf Hambrick, 1987 nennt Barney exemplarisch die persönlichen Beziehungen von Managern als Beispiel für einen sozial komplexen Wettbewerbsvorteil. Unternehmenskul-

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tur und Traditionen eines Unternehmens sind andere Beispiele für sozial komplexe Phänomene (Wilkins 1989). Im zweiten inhaltlichen Bereich der Definitionen treffen die Autoren Aussagen zu unterstellten Wirkungsmechanismen von Kompetenzen. Mehrere Definitionen fordern eine (superior) coordination (Day 1994; Sanchez et al. 1996; Probst/Raub 1998; Freiling 2004a). Andere verwenden zwar Begriffe wie guide (Cohen et al. 1996) influence (Ulrich/Lake 1990) oder channel (Lado et al. 1992), sprechen damit im Kern jedoch ebenfalls den Sachverhalt der Koordination an. Nelson und Winter präzisieren den unterstellten Koordinationsmechanismus: "how to get things done that none of them would know how to get done as an individual." (Nelson/Winter 1982) Eine Kompetenz koordiniert folglich das kollektive Handeln einer Gruppe von Menschen. Hierbei handelt es sich um das fünfte konstitutive Merkmal an eine Kompetenz im Sinne des CbV. In einigen Definitionen wird der Koordinationsmechanismus weiter präzisiert: Nach Ulrich und Lake beeinflusst eine Kompetenz "its members to (…) enable the business to adapt to changing customer (…) needs." (Ulrich/Lake 1990) In Übereinstimmung damit fordern Lado et al., der Mechanismus müsse auf "creating value for customers" (Lado et al. 1992) abzielen. Als sechstes konstitutives Merkmal einer Kompetenz im Sinne des CbV lässt sich damit die Eigenschaft nennen, durch ihren Einsatz den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen zu erhöhen. Schließlich erlaubt der unterstellte Koordinationsmechanismus eine weitere Beobachtungen: Hofer/Schendel (1978) beschreiben überhaupt keinen Mechanismus, für Dosi et al. (1992) stellt der Mechanismus lapidar die basis von Wettbewerbsvorteilen dar und für Grant (1995) schließlich besteht er in der Durchführung einer particular activity. Diese vermeintliche Oberflächlichkeit in den Definitionen lässt sich jedoch begründen: Bereits 1991 hatte Barney die casual ambiguity zwischen einer Ressource und dem durch sie begründeten Wettbewerbsvorteil als konstitutives Merkmal gefordert. Die zumindest teilweise Unklarheit von Wirkungszusammenhängen kann im Ergebnis als das siebte konstitutive Merkmal einer Kompetenz im Sinne des CbV gelten. Den durch Einsatz von Kompetenzen hervorgerufenen Effekt beschreiben die Definitionen mit "help(s) a firm to achieve its goals" (Sanchez et al. 1996; ebenso Hofer/Schendel 1978; Freiling 2004a) und "reach and defend the state of competitiveness" (Freiling 2004a; ebenso Lado et al. 1992; Dosi et al. 1992). Als achtes konstitutives Merkmal einer Kompetenz im Sinne des CbV lässt sich festhalten: Eine Kompetenz muss einen positiven Einfluss auf die Strategierealisierung haben. Im Ergebnis können acht konstitutive Merkmale einer Kompetenz im Sinne des CbV ermittelt werden: Sie ist nicht auf Faktormärkten handelbar, wird in der

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Organisation (weiter-)entwickelt, ist bewusst und wiederholt einsetzbar, ist sozial komplex, ermöglicht kollektives Handeln, durch ihren Einsatz erhöht sich der vom Kunden wahrgenommene Nutzen, sie basiert zumindest teilweise auf unklaren Wirkungszusammenhängen und leistet einen positiven Beitrag zur Strategierealisierung. 3

Fundierung der identitätsbasierten Markenbudgetierung

3.1 Erläuterung der Vorgehensweise Die Fundierung im CbV kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die identitätsbasierte Markenbudgetierung in Form einzelner Kompetenzen zu beschreiben. Dies ist auf Basis einer umfangreichen Analyse relevanter Publikationen möglich. Allerdings wurde weiter oben bereits auf die Heterogenität der verwendeten Kompetenzdefinitionen in der betriebswirtschaftlichen Forschung hingewiesen. Zudem gibt es interessante Ansatzpunkte in Beiträgen, die nicht der kompetenzorientierten Forschung entstammen. Deshalb wurden relevante Publikationen im ersten Schritt zunächst vor dem Hintergrund inhaltlich relevanter Ansatzpunkte und nicht auf das Erfüllen von konstitutiven Kompetenzmerkmalen hin untersucht. Alle selektierten Publikationen werden analysiert, inhaltliche relevante Ansatzpunkte in eine gemeinsame Sprache übertragen und vor dem Hintergrund des Forschungskontexts synthetisiert. Erst im Anschluss werden die bis dahin vorläufigen Kompetenzen vor dem Hintergrund der konstitutiven Merkmale einer Kompetenz im Sinne des CbV abschließend geprüft. Neben der umfangreichen Literaturauswertung wurde in der zweiten Jahreshälfte 2006 eine interviewbasierte Voruntersuchung durchgeführt. Die Untersuchung beinhaltete zwölf ein- bis zweistündige, semi-strukturierte Experteninterviews mit insgesamt 13 Gesprächspartnern. Es wurden insgesamt sechs Unternehmen in diese Voruntersuchung einbezogen. In jedem Unternehmen wurde mit mindestens einem Experten auf der obersten Leitungsebene gesprochen (Geschäftsführung oder Marketingleitung). Bei drei größeren Unternehmen wurden jeweils mehrere Experten der ersten oder zweiten Leitungsebene (u. a. Bereichsleitung, Marketingleitung, Controllingleitung) befragt. Bei der Auswahl der Unternehmen wurden nur Konsumgüterhersteller berücksichtigt, da bei diesen Unternehmen von einer hohen Markenrelevanz in ihren jeweiligen Märkten auszugehen ist. Dadurch konnte ein hohes Interesse und auch ein guter Kenntnisstand zu Themen der Markenführung vorausgesetzt werden. Sowohl die Frage nach geeigneten Koordinationsmechanismen zur Realisierung von

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Markenstrategien als auch speziell die Rolle der Budgetierung erachten alle Gesprächspartner als wichtig und derzeit nicht ausreichend beantwortet. Darüber hinaus stellen die Transkriptionen und Auswertungen der Interviews ein Reservoir detaillierter Aspekte für die Spezifizierung eines Untersuchungsmodells der identitätsbasierten Markenbudgetierung dar. Die nachfolgenden Abschnitte berücksichtigen diese an den entsprechenden Stellen. 3.2 Identitätsbasierung des Budgetierungsprozesses Insgesamt lassen sich sechs (vorläufige) Kompetenzen mit Relevanz für eine Identitätsbasierung des Budgetierungsprozesses identifizieren. Erstens sprechen beispielsweise Ramaswami et al. (2004) vom market sensing. Unternehmen mit ausgeprägten Kompetenzen in diesem Bereich "do a better job of gathering, analyzing and interpreting market information" (Ramaswami et al. 2004: 52). Auf Grundlage dieser Kompetenz sei es Unternehmen möglich, differenziertere Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Der Einsatz von relevantem Wissen im Entscheidungsprozess als Erfolgstreiber lässt sich daneben in einer Vielzahl weiterer Publikationen finden (Walker/Ruekert 1987; Conant et al. 1990; Kohli/Jaworski 1990; Narver/Slater 1990; Homburg/Krohmer 2003; Vorhies/Morgan 2005; Desarbo et al. 2005; Burmann/Blinda 2006). Bezogen auf die Markenbudgetierung begründet dies die (vorläufige) Kompetenz, positionierungsrelevantes Wissen im Budgetierungsprozess effektiv einzusetzen. Zweitens schlagen unter anderem Hitt/Ireland (1985) die Nutzung interdisziplinärer Teams zur effektiven, bereichsübergreifenden Koordination vor. Der unterstellte Erfolgstreiber lässt sich ebenso in einer Reihe anderer Veröffentlichungen finden (Homburg/Krohmer 2003; Ramaswami et al. 2004; Desarbo et al. 2005; Zeplin 2006). Auch für den Kontext der Markenführung ist eine „inhaltliche, formale und zeitliche Integration aller im Rahmen der Markenführung eingesetzten Instrumente." (Burmann/Meffert 2005a: 86; ebenso Keller 2005) vonnöten. Insofern stellt für die Markenführung das Koordinationsziel Markenpositionierung eine wichtige Detaillierung des Budgetierungsprozesses dar. Daraus begründet sich die (vorläufige) Kompetenz, im Budgetierungsprozess alle Aktivitäten auf Basis ihrer Positionierungswirkung zu koordinieren. Drittens beschreibt unter anderem Vorhies (1998) eine information processing capability. Auf Grund der von ihm verwendete Operationalisierung auf Basis von Keller 1994 kann darunter in erster Linie das Ausmaß an Informationsaustausch zwischen verschiedenen Personen, Abteilungen und ganzen Bereichen verstanden werden. Der unterstellte Erfolgstreiber – unternehmensweiter Informationsaustausch – lässt sich auch in einer Reihe weiterer Publikationen

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als wichtiger Erfolgstreiber identifizieren (Kohli/Jaworski 1990; Narver/Slater 1990; Desarbo et al. 2005). Für die Markenbudgetierung begründet dies die (vorläufige) Kompetenz, im Budgetierungsprozess einen abteilungsübergreifenden Austausch positionierungsrelevanter Informationen zu gewährleisten. Viertens geht beispielsweise nach Hitt/Ireland (1985) eine hohe Entscheidungsqualität mit der Faktenbasierung von Entscheidungen einher, beispielsweise durch quantitative Techniken, fortschrittliche Computersysteme oder verbesserte Marktforschung. Die Faktenbasierung als Erfolgstreiber lässt sich analog in weiteren Publikationen finden (Barzen 1990; Greiner 2004). „Too often, decisions are made haphazardly without a true understanding (…) of the impact of these decisions (…).” (Keller 2005: 100) Auch für den Kontext der Markenbudgetierung sollte die Faktenbasierung von Entscheidungen folglich einen wichtigen Aspekt und damit eine (vorläufige) Kompetenz darstellen. Fünftens ist nach Kohli/Jaworski (1990) das Lösen von Konflikten zwischen verschiedenen funktionalen Abteilungen ein wichtiger Erfolgstreiber. Dabei spielen sie erstens darauf an, wie gut sich die Marketingverantwortlichen bei Konflikten zwischen verschiedenen Abteilungen durchsetzen können. Zweitens ist von Interesse, wie sehr eine Organisation politisches Verhalten toleriert: Je mehr politisches Verhalten es gibt, desto mehr unerwünschte Konflikte zieht dies nach sich. Beide Facetten legen die (vorläufige) Kompetenz nahe, positionierungsrelevante Konflikte im Budgetierungsprozess im Sinne der beabsichtigten Positionierung zu lösen. Sechstens argumentieren Hope/Fraser (1999), „Managers should be able to evaluate strategic alternatives and take tactical decisions that are appropriate to their own part of the business yet ensure that these are consistent with group policy and direction." (Hope/Fraser 1999b: 19) Sie beziehen sich darin und in ihren weiteren Ausführungen auf den Formalisierungsgrad der Budgetierung. Ein zu hoher Formalisierungsgrad führt zu einer rigiden Denkweise und einer eingeschränkten strategischen Flexibilität. Stattdessen sind die Mitarbeiter aufgefordert, radikal und nicht inkrementell zu denken. Dieses Empowerment von Mitarbeitern (Zeplin 2006) setzt die (vorläufige) Kompetenz voraus, im Budgetierungsprozess einen adäquaten Formalisierungsgrad zu verwenden. 3.3 Identitätsbasierung der Zielvorgaben Auch für den Bereich der Zielvorgabe lassen sich auf Basis der Literaturrecherche und der explorativen Interviews (vorläufige) Kompetenzen beschreiben. Erstens wird eine unternehmensweite Kommunikation von strategischen Zielen empfohlen „to which all members of the organization can relate“ (Hitt/Ireland

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1985: 289; ebenso Stock 2004; Kunz 2005; Burmann/Zeplin 2005a; Burmann/Blinda 2006). Diese Forderung hat zwei verschiedene Aspekte: Inhalt der Kommunikation und Adressaten der Kommunikation. Für die Markenbudgetierung sind an dieser Stelle weniger Inhalt oder Detailniveau der Kommunikation interessant (hier: strategische Ziele), sondern die Forderung, die Ziele an alle Organisationsmitglieder zu kommunizieren. Als (vorläufige) Kompetenz kann daher festgehalten werden, mit der beabsichtigten Markenpositionierung einhergehende Ziele allen Mitarbeitern effektiv zu kommunizieren. Zweitens wird über die Verknüpfung von Zielvorgaben und formellen Anreizen diskutiert. „It seems reasonable to suppose (…) that a business unit will perform better when the criteria used by corporate managers to evaluate and reward the unit's managers are consistent with the business unit strategy." (Walker/Ruekert 1987: 23) Damit fordern Walker und Ruekert eine Verknüpfung, die regelmäßig von Autoren betriebswirtschaftlicher Forschung erörtert wird (Hitt/Ireland 1985; Kohli/Jaworski 1990; Hope/Fraser 2003; Stock 2004; Kunz 2005; Burmann/Blinda 2006; Zeplin 2006): Die formale Incentivierung von Mitarbeitern muss die beabsichtigte Strategie, hier die beabsichtigte Positionierung, explizit berücksichtigen. Dies ist Gegenstand der (vorläufigen) Kompetenz, alle Mitarbeiter im Hinblick auf die Positionierungsziele formell anzureizen. Drittens ist es beispielsweise nach Lensker (1996) angebracht, die operative Zielplanung auf Basis der strategischen Ziele festzulegen. „Dazu sind die strategischen Sortimentsziele (…) in operative Ziele zu konkretisieren.“ (Lensker 1996: 68) Homburg/Krohmer (2003) fordern analog dazu die aussagefähige Aufschlüsselung von übergeordneten Zielen nach Teilmärkten, wie etwa einzelner Marktsegmente. Insgesamt ist es erforderlich, die langfristigen Positionierungsziele und die im Rahmen der Budgetierung festgelegten Ziele aller Verantwortungsbereiche miteinander in Einklang zu bringen (Hope/Fraser 1999a; ebenso Greiner 2004; Stock 2004; Kunz 2005). Hierzu ist die (vorläufige) Kompetenz erforderlich, übergeordnete Positionierungsziele effektiv in operative Subziele zu überführen. Für den Bereich der Zielvorgabe ist viertens die Frage nach den verwendeten Zielkategorien relevant. Nach Homburg/Krohmer (2003) ist die Marktorientierung von Zielen vor allem anhand einer starken Gewichtung marktbezogener Ziele festzustellen, wie etwa psychografische oder potenzialbezogene Zielgrößen. Ähnliches vermeldet beispielsweise Ambler für die Markenführung. Er bemängelt: „Boards devote nine times more attention to spending and counting cash flow than to wondering, where it comes from and how it could be increased.“ (Ambler 2003: 1) Im Ergebnis ist für eine erfolgreiche Markenführung die Integration von nicht-monetären Positionierungszielen und monetären Zielen

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vonnöten (Esch 2005b; Meffert/Koers 2005). Sie bildet die Grundlage einer entsprechenden (vorläufigen) Markenbudgetierungskompetenz. 3.4 Identitätsbasierung der Ressourcenallokation Die Ressourcenallokation ist sicherlich das prominenteste Element der Budgetierung (Greiner 2004). Auch für diesen Bereich lassen sich auf Basis der Literaturanalyse sowie der explorativen Expertengespräche einzelne (vorläufige) Kompetenzen identifizieren, denen ein positiver Einfluss auf die Identitätsbasierung der Ressourcenallokation unterstellt werden kann. Erstens ist nach Vorhies/Morgan (2005) eine effektive Allokation von Ressourcen bedeutungsvoll. Effektivität hängt in diesem Fall davon ab, „[how the] intended marketing strategy is transformed into realized resource deployments.“ (Vorhies/Morgan 2005: 82; ebenso Hitt/Ireland 1985; Walker/Ruekert 1987; Kohli/Jaworski 1990; Lensker 1996; Burmann/Blinda 2006; Burmann/Zeplin 2005b) Eine Effektive Ressourcenallokation ist demzufolge eine Ressourcenallokation, die entsprechend der strategischen Anforderungen vorgenommen wird – oder im Kontext der identitätsbasierten Markenbudgetierung eine solche, die entsprechend der Positionierungsziele der Marke vonstatten geht: „creating and maintaining brand knowledge structures requires marketing investments. Too often, marketing managers want to get 'something for nothing' by building brand equity without a willingness to provide proper marketing support.“ (Keller 2005: 100) Dadurch begründet sich die (vorläufige) Kompetenz, Ressourcen entsprechend der beabsichtigten Positionierung zur Verfügung zu stellen. Zweitens sind bei der Allokation von Ressourcen die erwartete Effektivität und Effizienz von Maßnahmen als Entscheidungskriterien zu Grunde zu legen und nicht die Ausgabenprofile vergangener Perioden (Hope/Fraser 1999a). Hope und Fraser wiederholen eine bereits bei Hitt/Ireland (1985) diskutierte Forderung, das ökonomische Prinzip bei der Allokation von Ressourcen anzuwenden. Übertragen auf die identitätsbasierte Markenbudgetierung bedeutet dies, Ressourcen dort einzusetzen, wo ihre Wirkung besonders effektiv und effizient vor dem Hintergrund der beabsichtigten Positionierung ist. Drittens beschreiben Hope/Fraser (1999) die Vorteile einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung von Budgetierungsentscheidungen durch eine rollierende Planung. Sie setzen dabei implizit eine fortwährende Flexibilität für die unterjährige Reallokation von Ressourcen voraus. Die daraus abgeleitete (vorläufige) Kompetenz, Ressourcen flexibel im Sinne der beabsichtigten Positionierung zu reallozieren, kann ebenso auf Basis der Veröffentlichungen von

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Hitt/Ireland (1985), Burmann/Blinda (2006) sowie Narver/Slater (1990) identifiziert werden. Viertens argumentieren Narver/Slater (1990), es müsse einen zwischen allen Funktionsbereichen koordinierten Einsatz von Ressourcen geben. Dies trifft besonders auf Projekte zu, denen bereichsübergreifend Ressourcen zur Verfügung gestellt würden (ebenso Hope/Fraser 1999a). Nach Keller ist gerade die Markenführung für solche bereichsübergreifenden Ressourcenallokationen prädestiniert, denn „marketers oversimplify the process and try to equate success in branding with one particular action or approach. By not realizing the many other actions which also have to occur, brand equity is not optimized (…).“ (Keller 2005: 100) Damit begründet sich die (vorläufige) Kompetenz, bereichsübergreifend Ressourcen für Positionierungsziele einzusetzen. Schließlich ist fünftens vor allem in Publikationen zum Controlling zu lesen, Entscheidungen über den Einsatz von Ressourcen dürften nicht vor dem Hintergrund kurzfristiger Überlegungen, sondern müssten auf Basis der langfristig strategischen Wirkungen vorgenommen werden (Hope/Fraser 1999a; Greiner 2004). Dies deckt sich mit Forderungen, die in Publikationen zur Markenführung laut werden. So heißt es bei Keller: „Effective brand management requires a long-term view of marketing decisions.“ (Keller 2005: 96) Auch nach Esch sind die Maßnahmen der Markenführung „mittel- bis langfristig anzulegen. Erst dann können durch entsprechende Lernprozesse klare Markenimages aufgebaut werden.“ (Esch 2005a: 146) Für die Markenbudgetierung deutet dies auf die (vorläufige) Kompetenz hin, die Allokation von Ressourcen auf Basis ihrer langfristigen Positionierungswirkungen vorzunehmen. 3.5 Identitätsbasierung der Strategierealisierung Die Strategierealisierung charakterisiert das eigentliche operative Ausführen der Markenstrategie, in diesem Fall der identitätsbasierten Markenstrategie (Greiner 2004; Burmann/Meffert 2005a). Vor allem innerhalb der Beiträge zur kompetenzorientierten Forschung lässt sich ein inhaltlicher Schwerpunkt in diesem Bereich festhalten. Die dabei von den Autoren konzeptualisierten Kompetenzen beziehen sich häufig direkt auf die Ausgestaltung einzelner Marketing-MixInstrumente. Immerhin handelt es sich bei diesen um die „day to day business activities used to implement the firm's strategies.“ (Vorhies 1998: 8) Damit unterstellt Vorhies, die spezifische Ausgestaltung einzelner MarketingmixInstrumente habe sich nach den Anforderungen der strategischen Vorgaben zu richten (ebenso Hitt/Ireland 1985; Conant et al. 1990; Slater/Olson 2001; Ramaswami et al. 2004; Vorhies/Morgan 2005; Desarbo et al. 2005;

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Burmann/Blinda 2006). Unterschiede in den unterstellten Wirkungsmechanismen der einzelnen Publikationen bestehen lediglich darin, welche MarketingMix-Instrumente diskutiert werden. Manche Autoren diskutieren neben der inhatlichen Ausgestaltung der Instrumente auch die Geschwindigkeit, mit der die markenführende Organisation die Ausgestaltung gegebenenfalls anpassen kann: „Faster response to customer needs and competitive threats may enhance a firm's ability to retain customers.“ (Ramaswami et al. 2004: 53; ebenso Vorhies/Morgan 2005; Burmann/Blinda 2006) Auf dieser Basis haben die bisherigen Ausführungen acht (vorläufige) Kompetenzen identifiziert. Es ist jedoch sinnvoll, sie nicht einzeln stehen zu lassen, sondern analog zu Blinda als Teilkompetenzen einer einzigen Kompetenz zu betrachten. Sie befähigt die markenführende Organisation, Produkte und Dienstleistungen, Preise und Konditionen, (Werbe-)Kampagnen, Distributionswege, Services, den persönlichen Vertrieb sowie die Public-Relations-Bemühungen entsprechend der Markenidentität auszugestalten und gegebenenfalls zeitnah anzupassen. 3.6 Überprüfung der konstitutiven Merkmale einer Kompetenz im Sinne des CbV Auf Basis der Literaturanalyse sowie der explorativen Experteninterviews konnten insgesamt 16 (vorläufige) Kompetenzen der identitätsbasierten Markenbudgetierung beschrieben werden. Es ist nachfolgend zu untersuchen, ob sie Kompetenzen im Sinne des CbV sind. Nur als solche bestätigte Kompetenzen können eine theoretische Erfolgsrelevanz der Markenbudgetierung begründen. In Bezug auf die ersten beiden Anforderungskriterien fällt die Bewertung einheitlich aus: Die 16 Kompetenzen identitätsbasierter Markenbudgetierung charakterisieren die Gestaltung und Durchführung bestimmter organisatorischer Prozesse. Die Fähigkeit zur Ausrichtung dieser Prozesse auf die beabsichtigte Markenpositionierung als Ausdruck der Markenidentität kann nicht auf einem Faktormarkt erworben werden. Auch reicht dafür die Anstellung einer entsprechend geschulten Führungskraft nicht aus. Alle 16 betrachteten (vorläufigen) Kompetenzen erfüllen damit dieses erste Anforderungskriterium. Weil Kompetenzen nicht handelbar sind, müssen sie innerhalb von Organisationen entwickelt oder weiterentwickelt werden. Die spezifischen Anforderungen an eine Ausrichtung von Budgetierungsprozess, Zielvorgabe, Ressourcenallokation und Strategierealisierung auf die Markenidentität wird durch die Markenidentität selbst bestimmt. Schon Barney (1991) schreibt, unique historical conditions sind für die Ausbildung wettbewerbsrelevanter Unterschiede von Organisationen verantwortlich. Die Ausrichtung der Budgetierung auf die orga-

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nisationsspezifische Markenidentität kann daher, wie der vorangegangene Absatz bereits gezeigt hat, nicht extern erworben, sondern sie muss in der Organisation selbst gelernt und entwickelt werden. Auch das zweite Anforderungskriterium erfüllen alle 16 (vorläufigen) Kompetenzen. Es kann nur dann von Kompetenzen gesprochen werden, wenn sie bewusst und wiederholt einsetzbar sind. Die Ausrichtung der Budgetierung auf die Markenidentität erfolgt nicht zufällig – dazu ist eine Absicht erforderlich. Neben den Elementen der Budgetierung gilt dies in gleichem Maße für die Realisierung der Markenstrategie durch die Marketingmix-Instrumente. Weil die Ausrichtung der Budgetierung und Strategierealisierung auf die Markenidentität nicht zufällig geschieht, sondern beabsichtigt und von Regeln geleitet ist, sind die damit einhergehenden Kompetenzen wiederholt einsetzbar. Im Ergebnis erfüllen damit alle 16 (vorläufigen) Kompetenzen auch das dritte Anforderungskriterium an eine Kompetenz. Wie bereits weiter oben dargelegt wurde, gelten die persönlichen Beziehungen von Managern als explizites Beispiel für ein sozial komplexes Phänomen. Dasselbe gilt beispielsweise auch für die Unternehmenskultur und die Traditionen eines Unternehmens. Die Markenidentität, als mehrdimensionales, psychologisches Konstrukt einer Gruppe von Menschen erfüllt das Kriterium der sozialen Komplexität. Ebenso erfüllt die Budgetierung mit ihren vielfältigen inhaltlichen und organisatorischen Verflechtungen sowie der Anzahl beteiligter Personen das Kriterium sozialer Komplexität. Die Ausrichtung der Budgetierung auf die Markenidentität muss daher ebenfalls einen sozial komplexen Sachverhalt darstellen. Allerdings können hier einzelne der identifizierten (vorläufigen) Kompetenzen herausgegriffen werden, auf die das Anforderungskriterium nur teilweise zutrifft: Die (vorläufige) Kompetenz, einen abteilungsübergreifenden Austausch positionierungsrelevanter Informationen zu gewährleisten wurde unter anderem auf Basis der Untersuchung von Desarbo et al. 2005 ermittelt. Sie empfehlen dazu eine Verwendung von IT-Systemen. Das Kriterium der sozialen Komplexität ist vor dem Hintergrund dieser Überlegung nur als teilweise erfüllt zu betrachten. Eine analoge Argumentation und damit auch Einschränkung gilt für die (vorläufige) Kompetenz, faktenbasierte Budgetierungsentscheidungen zu treffen (Hitt/Ireland 1985; Greiner 2004). Schließlich erfüllt eine weitere (vorläufige) Kompetenz das Kriterium sozialer Komplexität nur teilweise: Die Abstimmung von Positionierungszielen und monetären Unternehmenszielen ist eher eine analytische als eine politische Herausforderung (Greiner 2004). Mit den genannten Einschränkungen erfüllen im Ergebnis alle 16 vorläufigen Kompetenzen das Anforderungskriterium teilweise oder sogar vollständig.

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Eine Kompetenz ermöglicht das kollektive Handeln einer Gruppe von Personen. Weiter oben wurde die koordinierende Wirkung der Budgetierung herausgestellt. Durch Koordination werden von einander getrennte, aber interdependente Handlungen in Einklang gebracht (Mensch 2004; Weber/Linder 2005). Das gemeinsame Ziel ist der Markenerfolg. Die Abstimmung der getrennten aber interdependenten Handlungen durch eine auf die Markenidentität ausgerichtete Gestaltung des Budgetierungsprozesses, der Zielvorgaben, der Ressourcenallokation sowie der operativen Ausgestaltung der einzelnen Marketing-MixInstrumente, kanalisiert das kollektive Handeln der Organisation auf den Markenerfolg. Alle (vorläufigen) Kompetenzen ermöglichen damit kollektives Handeln. In ihrer Wirkung muss eine Kompetenz den (wahrgenommenen) Kundennutzen erhöhen. Eine Marke stellt im Verständnis der vorliegenden Arbeit ein Nutzenbündel dar, das informative, vertrauenstiftende und symbolische Funktionen wahrnimmt. Durch seine Ausrichtung auf den Markenkern ermöglicht der identitätsbasierte Markenführungsansatz eine effektive und effiziente Erfüllung dieser Funktionen (Burmann/Meffert 2005b). Die Ausrichtung von Budgetierungsprozess, Zielvorgabe, Ressourcenallokation und der Strategierealisierung auf die Markenidentität stellt eine höhere Nutzenbefriedigung der Konsumenten durch effektivere und effizientere Erfüllung der Nutzenfunktionen einer Marke in Aussicht. Im Prinzip erfüllen damit alle (vorläufigen) Kompetenzen das Anforderungskriterium. Allerdings ist die anzunehmende positive Veränderung des Kundennutzens nicht bei allen (vorläufigen) Kompetenzen unmittelbar. Nach der Strukturierung von Gersch et al. 2005 ist eine direkte Wirkung ausschließlich bei der (vorläufigen) Kompetenz zur identitätsbasierten Gestaltung und zeitnahen Anpassung der Marketingmix-Instrumente zu erwarten. Nur sie stellt daher in der Freiling'schen Logik eine Marktzufuhrkompetenz dar. Die identitätsbasierte Gestaltung des Budgetierungsprozesses, Detaillierung strategischer Markenpositionierungsziele und Allokation von Ressourcen dienen hingegen einer identitätsbasierten „Gestaltung der Leistungsbereitschaft“ (Freiling/Welling 2005: 112). Sie stellen deshalb gemäß der Strukturierung von Gersch et al. Veredelungskompetenzen dar. Die übrigen zwölf (vorläufigen) Kompetenzen „nehmen Bezug auf das der aktuellen und zukünftigen Leistungserstellung übergeordnete Um- oder Rahmensystem und ermöglichen Veränderungsprozesse, die auf kollektiven Lernprozessen beruhen“ (Freiling/Welling 2005: 113). Sie wirken sich deshalb mittelbar auf die Marktzufuhrkompetenzen und unmittelbar auf die Veredelungskompetenzen aus. So bedingen sie die Identitätsbasierung von Budegtierungsprozesses, Zielvorgaben und Ressourcenallokation.

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Die Wirkungszusammenhänge einer Kompetenz müssen zumindest zum Teil unklar sein. Die geforderte Unklarheit bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen der Kompetenz und dem Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens (Barney 1991). Die hier zu prüfenden 16 (vorläufigen) Kompetenzen sind niemals zuvor einer systematischen Untersuchung unterzogen worden. Insofern ist es gerechtfertigt, eine Unklarheit bezüglich der Wirkungszusammenhänge anzunehmen. Darüber hinaus unterstreicht auch die hohe Anzahl an Veröffentlichungen, die sich mit Detailaspekten und isolierten Problemstellungen bei der Allokation von Ressourcen im Marketing-Kontext oder der Instrumente-MixOptimierung beschäftigen (Burmann/Heemann 2006), den nach wie vor existierenden Erklärungsbedarf bezüglich der exakten Wirkungszusammenhänge. Schließlich muss eine Kompetenz einen positiven Einfluss auf die Strategierealisierung haben. Die positive Beeinflussung der Strategierealisierung steht im Zentrum der zu Beginn identifizierten Budgetierungsfunktionen: Sowohl die sachlich-entscheidungslogische Koordination als auch die personelle Koordination dienen einer verbesserten Strategierealisierung. Die Herleitung der 16 (vorläufigen) Markenbudgetierungskompetenzen hatte das Ziel, Mechanismen zu identifizieren, die eine Verbesserung der Strategierealisierung erwarten lassen. Vor diesem Hintergrund erfüllen alle (vorläufigen) Kompetenzen das letzte konstitutive Merkmal einer Kompetenz im Sinne des CbV. Die Gegenüberstellung der 16 (vorläufigen) Kompetenzen mit den konstitutiven Merkmalen einer Kompetenz im Sinne des CbV ist erfolgreich verlaufen: Mit nur geringen Einschränkungen konnte die Untersuchung alle 16 vorläufigen Kompetenzen bestätigen. 4

Synthese und Ausblick

Die Gegenüberstellung der (vorläufigen) Kompetenzen mit den konstitutiven Merkmalen einer Kompetenz im Sinne des CbV ist erfolgreich verlaufen: Mit nur geringen Einschränkungen konnte die Untersuchung alle 16 vorläufigen Kompetenzen bestätigen. Damit ist die detaillierte Ausgestaltung und Übertragung der zu Beginn identifizierten Budgetierungsmechanismen auf den Kontext der identitätsbasierten Markenführung als erfolgreich zu bezeichnen. Im Ergebnis lässt sich die identitätsbasierte Markenbudgetierung auf insgesamt 16 Markenbudgetierungskompetenzen zurückführen: Zwölf MetaKompetenzen, drei Veredelungskompetenzen und eine Marktzufuhrkompetenz. Die vorangegangenen Ausführungen bilden die Grundlage für ein integriertes Untersuchungsmodell der identitätsbasierten Markenbudgetierung. Für den

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weiteren Verlauf des Forschungsprojekts sind die exakte Spezifikation eines Messkonzepts und die empirische Validierung auf breiter Basis vorgesehen. Literatur Barney, J. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, 17: 99-120. Barzen, D. (1990): Marketing-Budgetierung. Frankfurt am Main [u. a.]. Blinda, L. (2006): Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements. Konzeptualisierung. Operationalisierung und Wirkungen. Wiesbaden. Burmann, C./Blinda, L. (2006): Markenführungskompetenzen - Handlungspotenziale einer identitätsbasierten Markenführung. Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der Universität Bremen. Burmann, C./Blinda, L./Nitschke, A. (2003): Konzeptionelle Grundlagen des identitätsbasierten Markenmanagements. Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der Universität Bremen. Burmann, C./Heemann, J. (2006): Identitätsbasierte Markenführungsbudgetierung. Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der Universität Bremen. Burmann, C./Meffert, H. (2005a): Managementekonzept der identitätsorientierten Markenführung. In: H. Meffert/C. Burmann/M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Wiesbaden: 73114. Burmann, C./Meffert, H. (2005b): Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung. In: H. Meffert/C. Burmann/M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement - Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Wiesbaden: 3772. Burmann, C./Meffert, H./Feddersen, C. (2006): Identitätsbasierte Markenführung. In: A. Florack/M. Scarabis/E. Primosch (Hrsg.): Psychologie der Markenführung. München. Burmann, C./Zeplin, S. (2005a): Building brand commitment: A behavioural approach to internal brand management. In: Journal of Brand Management. 12: 279-300. Burmann, C./Zeplin, S. (2005b): Innengerichtetes identitätsbasiertes Markenmanagement. In: H. Meffert/C. Burmann/M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement - Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Wiesbaden: 115-139. Cohen, M. D./Burkhart, R./Dosi, G./Egidi, M./Marengo, L./Warglien, M./Winter, S. (1996): Routines and Other Recurring Action Patterns of Organizations: Contemporary Research Issues. In: Industrial and Corporate Change, 5: 653-698. Collis, D. J. (1991): A Resource-Based Analysis of Global Competition: The Case of the Bearings Industry. In: Strategic Management Journal, 12: 49-68. Collis, D. J. (1994): Research Note: How Valuable are Organizational Capabilities. In: Strategic Management Journal, 15: 143-152.

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Teil III: Neue Anwendungen des Strategischen KompetenzManagements Teil IIIa: Dienstleistungen und Strategisches Kompetenz-Management

Zur Anwendung des resource based view of the firm auf Dienstleistungsunternehmen í Versuch einer Präzisierung des resource based view (Abstract)*

1

Zur Definition und Abgrenzung von Ressourcen, (Kern-) Kompetenzen, Dynamic Capabilities und Dienstleistungsvision ..............185 1.1 1.2

2

Zur Entstehung unternehmerischer (Kern-) Kompetenzen in Dienstleistungsunternehmen ......................................................................190 2.1 2.2 2.3

3

Kategorisierung von Dienstleistungskompetenzen ..................................... 187 Kernkompetenzen in Dienstleistungsunternehmen ..................................... 189

Firmenfaktoren als Determinanten unternehmerischer Kompetenz............ 190 Branchenfaktoren als Kompetenzeinflussgrößen ........................................ 191 Länderfaktoren als Kompetenzeinflussgrößen ............................................ 192

Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten........................................193

Literatur..............................................................................................................194

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Zur Anwendung des Resource Based View of the Firm auf Dienstleistungsunternehmen – Versuch einer Präzisierung des resource based view“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Anwendung des resource based view auf Dienstleistungsunternehmen

185

In Unternehmenspraxis und Wissenschaft ist eine zunehmende Akzeptanz der ressourcenorientierten Strategielehre zu beobachten (vgl. Specker/Engelhard 2005: 439). Viele empirische Anwendungen des Resource Based View konzentrieren sich auf Industrieunternehmen, insbesondere auch technologieintensive Industrieunternehmen. So finden sich im Beitrag von Collis (1991) Fallstudien zur Kugellagerindustrie sowie im Beitrag von Prahalad und Hamel (1990) Fallbeispiele zu den Industrieunternehmen Canon und Honda. Demgegenüber ist die Anwendung des Resource Based View auf Dienstleistungsunternehmen in der Literatur bisher nur sehr selten vorgenommen worden. Zu den wenigen Ausnahmen, die explizit Dienstleistungsunternehmen fokussieren, gehören Hardt (1996), Lowendahl (1997), Burr (2002) sowie Freiling und Gersch (2007). Dabei bietet sich der Resource Based View gerade für die Anwendung auf Dienstleistungsunternehmen an, weil die Produkte dieser Unternehmen, die Dienstleistungen, aufgrund ihrer Immaterialität und weiterer Dienstleistungsbesonderheiten (z. B. Integration eines externen Faktors in die Leistungserstellung) schwer analysierbar sind mit dem Instrumentarium der klassischen Strategielehre (z. B. nach Porter 1988). Für Dienstleistungsunternehmen scheint gerade ein Strategieansatz, der nicht an den Produkten, sondern an den zur Leistungserstellung erforderlichen Ressourcen ansetzt, gut geeignet zu sein. 1

Zur Definition und Abgrenzung von Ressourcen, (Kern-) Kompetenzen, Dynamic Capabilities und Dienstleistungsvision

Der Resource Based View macht zum Ausgangspunkt der Betrachtung die einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen, auf denen sich sein Wettbewerbsvorteil gründet. Diese Ressourcen und Kompetenzen ermöglichen es dem Unternehmen, sich in seinem marktlichen Umfeld zu behaupten. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die grundlegenden Zusammenhänge.

186

Wolfgang Burr

Land der Dienstleistungserstellung: Kultur, Standortvorteile Dienstleistungsmarkt: Kunden und aktuelle/potenzielle Konkurrenten

Dynamic Capabilities/ Dienstleistungsvision Kernkompetenzen/ Dienstleistungskonzept Dienstleistungskompetenzen

organisatorische Routinen

Tangible/intangible Ressourcen i. e. S. für die DLerstellung Humankapital Managementteam Kundenbeziehungen physisches Kapital organisationales Kapital

Technologie Reputation intellektuelles Eigentum finanzielle Ressourcen Unternehmenskultur

Dienstleistungsmarkt: Subdienstleister/Lieferanten und Substitute Land der Dienstleistungserstellung: Kultur, Standortvorteile

Abbildung 1:

Das Grundmodell des Resource Based View und seine Anwendung auf Dienstleistungsunternehmen (Quelle: in Erweiterung von Burr 2002)

Von der obigen Abbildung werden nachfolgend für den gekürzten Abstract des vorliegenden Tagungsbandes einzelne Themenbereiche vertieft und andere Themenbereiche (z. B. organisatorische Routinen, dynamic capabilities, Dienstleistungskonzept, wissenschaftstheoretische Grundlagen zum resource based view) ausgeblendet. Ausgangspunkt der Betrachtung sind die für die Erstellung der Dienstleistungen benötigten einzelnen Ressourcen. In personalintensiven Dienstleistungsunternehmen sind hier vor allem qualifiziertes und motiviertes Fachpersonal und ein erfahrenes Managementteam zu nennen. Für das Unternehmen wichtige Ressourcen sind aber auch die bereits aufgebauten und gefestigten Kundenbeziehungen, die die Basis für das gegenwärtige und zukünftige Geschäft mit dem Kunden sind. In einzelnen Dienstleistungsunternehmen kann die Ausstattung

Anwendung des resource based view auf Dienstleistungsunternehmen

187

mit physischem Kapital (z. B. Büroräume, Gebäude, Grundstücke, EDV, Sachanlagen wie z. B. Briefsortiermaschinen bei einem Postdienstleister oder Telekommunikationsnetze bei einem Telekommunikationsdienstleister) entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sein. Auch die anderen in der obigen Abbildung aufgezeigten Ressourcenkategorien können zum Wettbewerbserfolg eines Dienstleistungsunternehmens je nach Branche, Markt- und Unternehmenssituation erfolgsentscheidend beitragen. 1.1 Kategorisierung von Dienstleistungskompetenzen Entscheidend für den Wettbewerbserfolg eines Dienstleistungsunternehmens ist aus ressourcenorientierter Sicht nicht so sehr das Verfügen über o. g. einzelne Ressourcen im engen Sinne, sondern die Fähigkeit des Unternehmens, diese Ressourcen zielorientiert kombinieren und einsetzen zu können. Die Kompetenz eines Unternehmens (nicht des einzelnen Mitarbeiters) definieren Sanchez, Heene und Thomas (1996) wie folgt: „Competence is an ability to sustain the coordinated deployment of assets in a way that helps a firm achive its goals. Here we use the word ability in the ordinary language meaning of a power to do something“ (Sanchez/Heene/Thomas 1996: 8). Es ist in der Realität beobachtbar, dass sich Unternehmen hinsichtlich ihrer Kompetenzen bei der Erfüllung von Dienstleistungsaufgaben signifikant unterscheiden. Dies drückt sich aus in empirisch beobachtbaren teilweise großen Unterschieden in der Dienstleistungsqualität, der Effektivität und Effizienz sowie der Flexibilität der Dienstleistungserbringung zwischen Unternehmen derselben Branche. Es gibt zahlreiche historische Beispiele von Dienstleistungsunternehmen, die über qualifizierte und motivierte Mitarbeiter oder reichlich finanzielle Ressourcen verfügten und denen es dennoch nicht gelang, mit vergleichbaren Ressourcen erfolgreiche Dienstleistungen zu kreieren und Gewinne zu erzielen, d. h. Kompetenzdefizite haben bei diesen Unternehmen dazu geführt, dass sie ihre Ressourcen falsch einsetzten. Die Kompetenz eines Dienstleistungsunternehmens kann aus drei Perspektiven betrachtet und beurteilt werden: ausgehend von den einzelnen Ressourcen des Unternehmens, von den Funktionsbereichen des Unternehmens und von dem angebotenen Dienstleistungsportfolio des Unternehmens. Die drei Teilsichten auf unternehmerische Kompetenzen lassen sich auch kombinieren. Auf diese Weise kann man zu detaillierten und fokussierten Dienstleistungskompetenzen gelangen. Das Dienstleistungsportfolio des Unternehmens, verstanden als vom Unternehmen offerierte Problemlösungen für Kunden, bildet die Schnittstelle der marktorientierten und der unternehmensintern orientierten Betrachtungswei-

188

Wolfgang Burr

se: Die Kundenanforderungen aus dem Markt geben die Rahmenbedingungen für die unternehmensinterne Ressourcenallokation und den unternehmensinternen Kompetenzaufbau des Dienstleisters vor. Gerade in Dienstleistungsunternehmen ist die Grenze zwischen Dienstleistungsprodukt, Dienstleistungsprozess und internen Ressourcen für die Dienstleistungserbringung nur sehr schwer ziehbar. Eine simultane Betrachtung ressourcen- und marktorientierter Argumente ist daher, nicht zuletzt aufgrund der Notwendigkeit der Integration des externen Faktors (Kunde oder Kundenobjekt) in die Dienstleistungsproduktion typisch für die Analyse von Dienstleistungsunternehmen.

Kompetenz bezogen auf eine bestimmte Ressourcenkategorie Technologie

Kompetenz bezogen auf eine bestimmte Teildienstleistung

Physisches Kapital Humanressourcen Markennamen

Business Process Outsourcing Rechenzentrums-Outsourcing

Reputation

Marketing

Abbildung 2:

Produktion

Beschaffung

FuE Servicedesign

Kompetenz bezogen auf einen betrieblichen Funktionsbereich

Drei Teildimensionen von Dienstleistungskompetenzen

In der obigen Abbildung wird die Kompetenz zum Management der Ressource Reputation als Teilkompetenz der allgemeinen Marketing-Kompetenz des Dienstleistungsunternehmens beispielhaft herausgestellt. Die genannten beiden Kompetenzen werden eingesetzt, um Rechenzentrums-Outsourcing-Dienstleistungen an den Kunden zu vermarkten, in denen das Unternehmen z. B. aufgrund langjähriger Erfahrung ebenfalls Kompetenz aufbauen konnte. Es wird deutlich, dass der vorstehend beschriebene ressourcenorientierte Erklärungsansatz eine ganzheitliche Analyse eines Dienstleistungsunterneh-

Anwendung des resource based view auf Dienstleistungsunternehmen

189

mens, die über die Analyse einzelner Teilfunktionen und einzelner Ressourcenkategorien (z. B. Wissen) hinausreicht, ermöglicht. 1.2 Kernkompetenzen in Dienstleistungsunternehmen Einzelne der genannten Kompetenzen und organisatorischen Routinen können durch Verknüpfung komplexe Kernkompetenzen eines Dienstleistungsunternehmens konstituieren. Kernkompetenzen finden in mehreren Bereichen eines Dienstleistungsunternehmens und bei unterschiedlichen Dienstleistungsofferten Anwendung. Es handelt sich bei Kernkompetenzen um ein Querschnittsphänomen, das sich durch das ganze Dienstleistungsunternehmen zieht. Dies ist der Unterschied zu den oftmals auf einen funktionale Teilbereich oder eine einzelne Teildienstleistung beschränkten Dienstleistungskompetenzen. So ist z. B. die Kernkompetenz zur Erbringung beständig zuverlässiger, qualitativ hochwertiger Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum Ausdruck der getroffenen Unternehmensentscheidungen hinsichtlich der Rekrutierung des richtigen Managementteams, des Managements des Humanressourcen-Lebenszyklus bei Spezialisten und Experten und des Aufbaus einer Reputation für hohe Dienstleistungsqualität, die vom Kunden entsprechend wahrgenommen wird. Diese Kernkompetenz entsteht also durch die Verknüpfung entsprechend entwickelter Dienstleistungskompetenzen (z. B. Beschaffungskompetenz, Produktions- und Marketingkompetenz, Qualitätsmanagement). Es ist letztlich ein komplexes Zusammenspiel vieler Ressourcen und Teilkompetenzen, die die Kernkompetenz eines Dienstleistungsunternehmens, z. B. zur Erbringung sehr zuverlässiger Dienstleistungen oder zur Beherrschung komplexer Komplettangebote mehrerer Dienstleistungen aus einer Hand, begründen. Dieses Zusammenspiel ist bisher erst ansatzweise in der Wissenschaft und auch in der Praxis analysiert und verstanden worden. Würde es jemals vollständig verstanden werden, so wäre eine Erfolgsformel für erfolgreiches Dienstleistungsmanagement gefunden, die allerdings aufgrund ihrer bald zu erwartenden allgemeinen Bekanntheit keinem Dienstleistungsunternehmen noch einen verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteil verleihen würde.

190 2

Wolfgang Burr Zur Entstehung unternehmerischer (Kern-) Kompetenzen in Dienstleistungsunternehmen

Ein zentrales Problem des Resource Based View ist die Identifikation und Messung unternehmerischer Kompetenzen. Die fehlende Messbarkeit des zentralen Theoriebausteins teilt der Resource Based View auch mit anderen Ansätzen der ökonomischen Organisations- und Managementlehre, z. B. dem Transaktionskostenansatz (fehlende Messbarkeit von Transaktionskosten) und der AgencyTheorie (fehlende Messbarkeit von Agency-Kosten). Dies wirft die Frage auf, ob der Resource Based View nicht von der Handhabung dieses zentralen Problems (fehlende Messbarkeit eines zentralen Theoriebausteins) in den anderen ökonomischen Theorien etwas lernen könnte? Im Transaktionskostenansatz wird das Problem der fehlenden Messbarkeit von Transaktionskosten umgangen, indem Transaktionskosteneinflussgrößen als zentrale Merkmale der Transaktion (z. B. Spezifität, Unsicherheit, Häufigkeit der Transaktion) herausgearbeitet werden, deren Ausprägungen die Höhe der Transaktionskosten bestimmen (vgl. Burr 2004). Eine Bestimmung der Transaktionskosten in ihrer absoluten Höhe ist aber nach wie vor nicht möglich. Nachfolgend wird diese Argumentationslogik auf den Resource Based View analog übertragen und zusätzlich bei den Kompetenzeinflussgrößen eine Unterscheidung zwischen Firmen-, Marktund Länderfaktoren eingeführt. 2.1 Firmenfaktoren als Determinanten unternehmerischer Kompetenz Im Folgenden werden zunächst weitgehend endogene, d. h. vom Unternehmen beeinflussbare Firmenfaktoren erörtert, die die Herausbildung unternehmerischer Kompetenzen beeinflussen. Die nachfolgend genannten firmeninternen Kompetenzeinflussgrößen wurden durch einen Analogieschluss identifiziert und müssen in künftigen empirischen Untersuchungen noch überprüft werden: So wie Unternehmen bestimmte Kompetenzen haben, so haben auch Menschen bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften. Die Talente und erlernten Fähigkeiten des einzelnen Menschen entsprechen in analoger Betrachtung den Kompetenzen eines Unternehmens. So wie Menschen bestimmte Dinge unterschiedlich gut können und beherrschen, so können auch Dienstleistungsunternehmen bestimmte Aktivitäten unterschiedlich gut erfüllen, weil sie unterschiedliche Fähigkeiten bzw. Kompetenzen haben. Die Unterscheidung von Aktivitäten und Fähigkeiten eines Unternehmens findet sich dabei schon im klassischen Beitrag von Richardson (1972). Im Folgenden wird ein Analogieschluss von den Talenten und Fähigkeiten des Menschen auf

Anwendung des resource based view auf Dienstleistungsunternehmen

191

Unternehmen gezogen, was zu vermuteten Einflussgrößen und Determinanten der unternehmerischen Kompetenzentwicklung führt. Zentrale Faktoren, die als Firmenfaktoren die Herausbildung von Kompetenz in Dienstleistungsunternehmen bestimmen (firmenbezogene Kompetenzeinflussgrößen) sind vermutlich: ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ

Die Spezialisierung der Aufgabenerfüllung Die Häufigkeit der Aufgabenerfüllung Die fortgesetzte Aufgabenerfüllung über einen längeren Zeitraum hinweg Routinen als effiziente Koordination der durch mehrere Personen wahrgenommen Aufgabenerfüllungsprozesse (kollektives, implizites Wissen als Folge spezialisierter, fortgesetzter und über einen längeren Zeitraum erfolgender Aufgabenerfüllung) Externalisiertes, leistungsrelevantes Kollektivwissen (festgehalten in Dokumenten, Konstruktionszeichnungen etc.) Die bereits in der Vergangenheit aufgebauten Kompetenzen, die den Pfad für den Aufbau weiterer Kompetenzen bestimmen (vgl. hierzu Dosi 1991).

Hohe bzw. günstige Ausprägungen dieser Faktoren fördern vermutlich die Entstehung unternehmerischer Kompetenz. Die bisher genannten Einflussfaktoren der Kompetenzentwicklung sind allesamt endogene Faktoren, die vom Unternehmen selbst bestimmt werden können. Neben diesen Firmenfaktoren nehmen aber weitere Faktoren Einfluss auf die Kompetenzentstehung und weitere Kompetenzentwicklung von Unternehmen. Zu nennen sind hier Branchen- und Länderfaktoren, die Einfluss auf die Entstehung von Kompetenzen im Unternehmen ausüben. 2.2 Branchenfaktoren als Kompetenzeinflussgrößen Prozesse des Ressourcen- und Kompetenzaufbaus innerhalb des Dienstleistungsunternehmens werden auch beeinflusst von dem marktlichen Umfeld, in dem das Dienstleistungsunternehmen operiert (Branchenfaktoren als Determinanten der Kompetenzentstehung). Die nachfolgende Abbildung (in Anlehnung an Porter 1988 sowie Burr/Musil/Stephan/Werkmeister 2005) gibt einen Überblick über die wichtigsten Branchenfaktoren.

192

Wolfgang Burr

Marktvolumen und Marktwachstum Kompetenzbedrohung durch aktuelle und potenzielle Konkurrenten Konkurrenten

Kompetenzergänzung durch Zulieferer

Impulse für Kompetenzaufbau von den Kunden Kunde

Kompetenzentwicklung im Unternehmen

Zulieferer

Substitute Kompetenzzerstörung durch Ersatzprodukte und Ersatzdienstleistungen

Abbildung 3:

Branchenfaktoren als Determinanten der unternehmerischen Kompetenzentstehung

2.3 Länderfaktoren als Kompetenzeinflussgrößen Neben dem marktlichen Umfeld nimmt aber auch das Land, in dem die Dienstleistungen erstellt werden, Einfluss auf die Ressourcen und Kompetenzen des Dienstleistungsunternehmens (Länderfaktoren als Determinanten des Kompetenzaufbaus in Unternehmen). Die Qualität des Bildungs- und Ausbildungssystems eines Landes ist hier ebenso zu nennen wie das Rechtssystem (z. B. Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Mitbestimmungsrecht), das Innovationssystem des entsprechenden Landes (Zur Definition des Begriffs Innovationssystem vgl. Burr 2004) und die in einem Land geltenden technischen Standards und Normen sowie staatliche Regulierungseingriffe (z. B. Qualitätsvorschriften). Diese Faktoren nehmen direkten oder indirekten Einfluss auf die Kompetenzentwicklung

Anwendung des resource based view auf Dienstleistungsunternehmen

193

innerhalb des Dienstleistungsunternehmens. Ein Unternehmen kann beim Aufbau seiner Kompetenzen von den Standortvorteilen eines Landes (z. B. reichliche Verfügbarkeit hoch qualifizierter Fachkräfte, stabile institutionelle Infrastruktur) profitieren, ebenso wie es durch Standortnachteile eines Landes beim eigenen Kompetenzaufbau behindert werden kann. 3

Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten

Der vorliegende Beitrag hat die Anwendungsmöglichkeiten des Resource Based View auf Dienstleistungsunternehmen thematisiert und auch Möglichkeiten zur terminologischen und konzeptionellen Weiterentwicklung des Resource Based View aufgezeigt. Als eine Methode zur Gewinnung kreativer Einsichten wurde dabei die Möglichkeit des Analogieschlusses (z. B. von individuellen menschlichen Fähigkeiten auf kollektive unternehmerische Kompetenzen) präsentiert, die allerdings unter Wissenschaftlern umstritten ist (« Analogiebildung ist keine Theoriebildung »), aber einen kreativen Ausgangspunkt für weitere Theoriebildung und empirische Überprüfungsversuche darstellen kann. Auch wurde vorgeschlagenen, bei der Handhabung von Forschungsproblemen (z. B. fehlende Messbarkeit von Kompetenzen) von der Handhabung dieser Forschungsprobleme in anderen Theoriegebäuden (z. B. fehlende Messbarkeit von Transaktionskosten im Transaktionskostenansatz) zu profitieren.

194

Wolfgang Burr

Literatur Burr, W. (2002): Service Engineering bei technischen Dienstleistungen, 1. Auflage, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden. Burr, W. (2004): Innovationen in Organisationen. 1. Auflage, Stuttgart 2004. Burr, W./Musil, A./Stephan, M./Werkmeister, C. (2005): Unternehmensführung. 1. Auflage, München. Collis, D. J. (1991): A Resource-based Analysis of Global Competition. In: Strategic Management Journal, 12: 49-68. Dosi, G. (1991): Sources, procedures and microeconomics effects of innovation. In: Journal of Economic Literature, 26: 1120-1171. Freiling, J./Gersch, M. (2007): Kompetenztheoretische Fundierung dienstleistungsbezogener Wertschöpfungsprozesse. In: Forum Dienstleistungsmanagement – Wertschöpfungsprozesse bei Dienstleistungen, Hrsg.: Bruhn, M./Stauss, B., Wiesbaden: 71-94. Hardt, P. (1996): Organisation dienstleistungsorientierter Unternehmen. 1. Auflage, Wiesbaden. Løwendahl, B. (1997), Strategic Management of Professional Service Firms. 1. Auflage, Copenhagen. Porter, M. E. (1988): Wettbewerbsstrategie. 5. Auflage, Frankfurt, 1988. Prahalad, C. K./Hamel, G. (1990): The Core Competence of the Corporation. In: Harvard Business Review, 68, 3: 79-91. Richardson, G. B. (1972): The Organization of Industry. In: Economic Journal, 82, 1972: 883-896. Sanchez, R./Heene, A. und Thomas, H. (1996): Introduction: Towards the theory and practice of competence-based competition. In: Dynamics of competence-based competition, hrsg. v. Sanchez, R./Heene, A. und Thomas, H., 1. Auflage, Oxford 1996: 1-35. Specker, T./Engelhard, J. (2005): Internationalisierungsprozesse von wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen. In: Bruhn, M./Strauss, B. (Hrsg.), Internationalisierung von Dienstleistungen - Forum Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden: 433458.

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

1

Zur Relevanz des Schutzes produktbegleitender Dienstleistungen ...........197

2

Überblick über die formalen Schutzmöglichkeiten von Dienstleistungsinnovationen ......................................................................198 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

3

Alternativen zu formellen Schutzrechten: Informelle Schutzmechanismen...................................................................................207 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

4

Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Patente.............................. 198 Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Marken ............................. 199 Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Copyrights........................ 201 Schutzrechte für computerimplementierte Erfindungen: Softwarepatente ........................................................................................... 202 Zwischenfazit: Mangelnde Schutzmöglichkeit von Dienstleistungsinnovationen durch formelle Schutzinstrumente ................ 206

Fast Pace-Strategien .................................................................................... 208 Ausschöpfung von Skalen- und Lernkurvenvorteilen................................. 209 Kontrolle komplementärer Ressourcen ....................................................... 210 Komplexe und schwer imitierbare Systemlösungen ................................... 211 Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen ....................................... 212

Fallstudie ABB: Schutz Geistigen Eigentums im Servicegeschäft von ABB Robotics .....................................................................................212 4.1 4.2 4.3 4.4

Das Unternehmen ABB Robotics und dessen Serviceaktivitäten ............... 212 Marktanforderungen an das Robotik-Servicegeschäft ................................ 213 Weiterentwicklung des Servicevertragsgeschäfts mit Hilfe von Remote Monitoring ..................................................................................... 214 Remote Service Technologie und der Schutz des assoziierten Intellectual Property .................................................................................... 219

196

5

Mark Beyer/Michael Stephan

Fazit: Komplexe Systemlösungen und Kontrolle komplementärer Ressourcen als Schutzmöglichkeiten für produktbegleitende Dienstleistungen.........................................................................................220

Literatur..............................................................................................................221

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen 1

197

Zur Relevanz des Schutzes produktbegleitender Dienstleistungen

Seit Mitte der 1990er Jahre bauen Unternehmen als Antwort auf die begrenzten Wachstumspotentiale der Internationalisierung und Produktdiversifikation auf eine weitere Wachstumsdimension (vgl. Beyer/Stephan 2006). Sie erschließen neue Segmente in angestammten Wertschöpfungsketten, in denen sie bereits mit Sachleistungen aktiv sind. Zur Realisierung eines nachhaltigen Unternehmenswachstums erweitern die Unternehmen ihren Geschäftsfokus um wertschöpfende Prozesse rund um das Produkt. Auf Basis bestehender und bewährter Geschäftskonzepte aus dem Sachleistungsbereich diversifizieren sie in den Servicesektor. Aufbauend auf ihrer Position im Produktgeschäft entwickeln sie neue Dienstleistungen, welche die Probleme der Kunden lösen und deren ‚Performance’ verbessern. Durch die Diversifikation in Dienstleistungsfelder erschließen sich die Industrieunternehmen Quellen für neues Wachstum, und das selbst in Märkten, die aufgrund ihrer Reife keine hohen Expansionspotentiale mehr erwarten lassen. Mehrere Gründe sind hierfür ausschlaggebend: 1. 2. 3.

Durch den Aufbau von neuen Dienstleistungsangeboten wird das Sachleistungsgeschäft verstärkt, indem Kundenbeziehungen vertieft und Produkte differenziert werden. Sach- und Dienstleistungen werden zu integrierten, wertvolleren Angeboten gebündelt. Verbesserte Prozessabläufe in der Wertschöpfungskette des Kunden werden in neue Umsatzflüsse transferiert, bspw. durch die Übernahme von Garantien.

Innovative, produktbegleitende Dienstleistungen, mit denen sich Unternehmen in besonderem Maße von Wettbewerbern differenzieren können, bilden einen wichtigen Bestandteil des Wettbewerbsvorteils. Trotz der gestiegenen Bedeutung von Dienstleistungsinnovationen im Allgemeinen und produktbegleitenden Dienstleistungsinnovationen im Besonderen sind die formellen Schutzmöglichkeiten für Innovationen im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Rahmen des Patentsystems beschränkt: „The transition from the industrial economy to a service- and knowledge-based economy also calls the system of intellectual property rights into question. For patent protection in particular, which was tried and tested in the industrial age, can only conditionally be transferred to services or knowledge-intensive markets.” (Blind et al. 2004: 11)

198

Mark Beyer/Michael Stephan

Infolge ihrer konstitutiven Merkmale wie ‚Immaterialität’, ‚Integration des externen Faktors‘ oder ‚Nicht-Technizität‘ können Dienstleistungen – sieht man einmal von dem Sonderfall von Softwarepatenten ab – nicht durch formelle technische Schutzrechte wie Patente oder Gebrauchsmuster geschützt werden. vgl. Djellal/Gallouj 2001: 57ff.; Miles 2003: 95ff.) Im Vordergrund des vorliegenden Beitrages steht die Frage, welche Möglichkeiten Unternehmen offen stehen, ihre produktbegleitenden Dienstleistungen mit Hilfe von faktischen und formellen Schutzinstrumenten zu schützen. Kernbestandteil ist ein ressourcentheoretisches Erklärungsmodell, aus welchem konkrete Schutzstrategien abgeleitet werden können. Ergänzt wird der konzeptionelle Teil mittels einer Fallstudie über das Unternehmen ABB, welches im Geschäftsbereich Automatisierungstechnik Remote Service bzw. OutsourcingDienstleistungen anbietet und diese über eine Kombination von Schutzinstrumenten gegen Imitation durch Wettbewerber absichert. 2

Überblick über die formalen Schutzmöglichkeiten von Dienstleistungsinnovationen

2.1 Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Patente Dienstleistungen sind durch einen hohen Informationsgehalt und Nichtgreifbarkeit (‚Immaterialität’) gekennzeichnet (vgl. dazu Burr/Stephan 2006: 127f.). Während Produkte des verarbeitenden Gewerbes typischerweise eine vom Produzenten und Konsumenten losgelöste, d. h. autonome physische Existenz mit „technischen“ Eigenschaften aufweisen, trifft dies bei Dienstleistungen nicht zu. Sieht man einmal von dem Sonderfall von Softwarepatenten ab, so können Dienstleistungen deshalb i. d. R. nicht durch Patente geschützt werden. Patente sind nur für einen kleinen Anteil der Dienstleistungsunternehmen von Relevanz (vgl. Djellal/Gallouj 2001: 57ff.; Miles 2003: 95ff.). Grundsätzlich können Patente nur für technische Neuerungen angemeldet werden. In der internationalen Patentklassifikation (IPC), nach der Patente eingeordnet werden, finden sich keine gesonderten Kategorien für Dienstleistungen. Nur jene Dienstleistungsunternehmen, deren Produkte eng an eine physisch-greifbare technologische Basis gekoppelt sind, können ihre Dienstleistungsinnovationen mit Hilfe von Patenten schützen. Demzufolge spielen Patente insbesondere bei jenen wissensintensiven Dienstleistungen eine Rolle, bei denen die Dienstleistung auch an Hardware gebunden ist bzw. einen großen HardwareAnteil beinhaltet (vgl. Miles 2003: 95ff.). Dies trifft insbesondere auf jene Dienstleistungsaktivitäten zu, die mit Informations- und Kommunikationstech-

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

199

nologien gekoppelt sind. Patente von Dienstleistungsunternehmen außerhalb des Bereichs der Informations- und Kommunikationstechnologien sind selten (vgl. Blind et al. 2004: 12). 2.2 Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Marken In Anbetracht der mangelnden Eignung der meisten formellen gewerblichen Schutzrechte haben sich in den vergangenen Jahren Marken zum wichtigsten formellen Schutzinstrument für innovative Dienstleistungsunternehmen entwickelt (vgl. Burr/Stephan 2006: 167ff.). Die Markenführung war traditionell eine angestammte Domäne der Konsumgüterindustrie. In den letzten Jahren ist jedoch auch in der Dienstleistungswirtschaft eine wachsende Bedeutung von Marken und Werbung zu beobachten. Da Dienstleistungen nur bedingt ‚greifbar‘ sind, ist der Aufbau eines Vertrauens- und Emotionsvorschusses durch die Marke wichtig. Folgende Ziele des Aufbaus von Marken im Dienstleistungsbereich lassen sich identifizieren (vgl. Burr/Stephan 2006: 167): ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Schaffung eines Kommunikationsmittels zum Verbraucher; Vermittlung von Orientierung für den Kunden in der Angebotsvielfalt und Sicherheit beim Kaufentscheid durch die Differenzierung der Dienstleistung im Markt; Ermöglichung von Wiedererkennung; Ermöglichung einer zielgruppenorientierten Angebotsgestaltung (z. B. Sixt als Qualitätsmarke versus Sixti als Discountmarke in der Autovermietungsbranche); Präferenzbildung zugunsten des eigenen Angebotes; Aufbau von Markenbindung und Markentreue; Erhöhung des akquisitorischen Potenzials; Schaffung eines absatzpolitischen und vor allem preispolitischen Spielraums.

Dienstleistungsunternehmen bezwecken mit dem Aufbau von Anbieter- und Dienstleistungsmarken somit Wettbewerbsvorteile. Eine eingeführte, bekannte und vertraute Marke dient dem Kunden als Indikator für die zu erwartende Gesamtqualität der Leistung. Drei traditionelle Arten von Dienstleistungsmarken sind zu unterscheiden: ƒ

Wort-, Buchstaben- oder Zahlzeichen (z. B. IKEA, Sixt, SAP, 1 – Das Erste),

200 ƒ ƒ

Mark Beyer/Michael Stephan Bildzeichen (z. B. Lufthansa-Kranich, OBI-Biber) oder Slogans (z. B. „Auf diese Steine können Sie bauen“ von Schwäbisch Hall oder „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ von IKEA).

Dienstleistungsunternehmen setzen meist eine Kombination der drei Elemente ein. Grundsätzlich ist der Markenname frei wählbar. Neben der Marke, welche sich auf das anbietende Dienstleistungsunternehmen als Ganzes bezieht, können Marken auch auf spezifische Dienstleistungen des Unternehmens gerichtet sein (Dienstleistungsmarke i. e. S.). Generell finden sich im Dienstleistungssektor, und insbesondere bei investiven Dienstleistungen, mehr Anbietermarken als Dienstleistungsmarken. In der Dienstleistungswirtschaft erfreuen sich neuerdings auch Farbmarken großer Beliebtheit (vgl. Spörrle 2004: 65). Seit 1995 können Farben als „konturlose Farbmarke“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen werden. Unter folgenden Bedingungen werden Farbmarken erteilt: ƒ ƒ

wenn eine Dienstleistung bzw. ein Dienstleistungsunternehmen ohnehin mit einer spezifischen Farbe identifiziert wird und wenn es sich um eine spezifische, unübliche Farbe oder Farbkombination handelt.

Prominente Beispiele für konturlose Farbmarken sind das Postgelb der Deutschen Post World Net, die Kombinationen Grün-Gelb der britischen BP PLC sowie Blau-Weiss bei deren Tochtergesellschaft Aral, Magenta der Deutschen Telekom, Gelb-Schwarz der ARAG Allgemeine Rechtsschutz VersicherungsAG sowie Gelb der Yello Strom. Sieht man einmal von Softwareprodukten ab, so spielen Marken im Dienstleistungsgewerbe innerhalb der gewerblichen Schutzinstrumente die bedeutendste Rolle 8(vgl. Burr et al. 2005: 361). Im direkten Vergleich mit dem verarbeitenden Gewerbe weisen Dienstleistungsmarken allerdings eine geringe Bedeutung auf. Im Jahr 2001 betrug der Anteil von reinen Dienstleistungsmarken 26 Prozent und der von gemischten Produkt-Dienstleistungsmarken 35 Prozent an den Gesamtanmeldungen von EU-Marken (vgl. Schmoch 2003: 12). Unter den 100 wertvollsten Marken weltweit finden sich im Jahr 2005 immerhin 28 Dienstleistungsmarken, wobei dieser Anteil über die letzten Jahre kontinuierlich zugenommen hat. Die 25 wertvollsten Dienstleistungsmarken haben einen Gesamtwert von knapp 275 Mrd. Euro. Bei den wertvollsten Dienstleistungsmarken dominiert der Bereich Banken und Finanzierung. Zunehmende Bedeutung gewinnen auch Internet- und Softwaremarken. Abbildung 1 zeigt die Top 25 Dienstleistungsmarken, gemessen an ihrem Wert in 2005 (Dienstleistungs-

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

201

marken einschließlich der Marken von Softwareanbietern und von diversifizierten Sachgut- und Dienstleistungsanbietern).

Stammland

Unternehmen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

Microsoft GE Disney McDonald’s Citi American Express Merrill Lynch Google HSBC Oracle UPS JPMorgan SAP Morgan Stanley Goldman Sachs Ikea UBS eBay Accenture MTV Yahoo! KFC Amazon.com Pizza Hut Reuters

Abbildung 1:

USA USA USA USA USA USA USA USA UK USA USA USA D USA USA SWE CH USA BER USA USA USA USA USA UK

Branche Software Elektronik/Dienstleistungen Medien Gastronomie Banken/Finanzen Banken/Finanzen Banken/Finanzen Internetdienste Banken/Finanzen Software Transport/Logistik Banken/Finanzen Software Banken/Finanzen Banken/Finanzen Möbeleinzelhandel Banken/Finanzen Internetdienste Consulting Medien Internetdienste Gastronomie Internetdienste Gastronomie Medien

Markenwert in Veränderung Mio. € 2005/06 in % 43.148,8 37.070,5 21.108,2 20.845,2 16.264,7 14.887,5 9.854,5 9.380,8 8.809,2 8.685,7 8.119,5 7.735,2 7.585,1 7.399,4 7.306,9 6.642,2 6.620,2 5.120,2 5.099,7 5.023,1 4.590,3 4.055,2 3.567,8 3.558,0 3.002,4

-5% 4% 5% 6% 7% 6% 8% 46% 11% 5% 8% 8% 11% 0% 13% 12% 15% 18% 10% 0% 15% 5% 11% -5% 2%

Top Dienstleistungsmarken im Jahr 2006 gemessen an ihrem Wert (Quelle: Interbrand 2007)

2.3 Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Copyrights Urheberrechte spielen u. a. in den Dienstleistungssegmenten Medien, Software und Architektur eine bedeutende Rolle. So kann bspw. ein Computerprogramm Urheberrechtschutz beanspruchen, wenn die Ausdrucksform Originalität besitzt, d. h., wenn sie das Ergebnis einer individuellen geistigen Werkschöpfung ihres Urhebers ist. Dabei greift der Schutz automatisch nach der Fertigstellung der Software. In der Praxis sind damit alle Formen des Quell-/Objektcodes eines Softwareproduktes geschützt. Das Urheberrecht schützt allerdings nicht die der

202

Mark Beyer/Michael Stephan

Software zugrunde liegenden Ideen/Grundsätze. Das Urheberrecht schützt den Programmcode in seiner linguistischen Form als Sprachwerk, also die konkrete Programmversion in der Form, wie sie auf einem Datenträger gespeichert oder auf Papier ausgedruckt ist. Der abstrakte Algorithmus eines Programms, also die methodisch-logische Beschreibung der Handlungsfolge zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe (die Programmidee), lässt sich durch das Urheberrecht nicht schützen. Das Urheberrecht ist damit im Kern nur ein Schutz gegen unrechtmäßiges Kopieren. In der Praxis kann jeder Algorithmus von Dritten verwendet werden, sofern diese sich die Mühe machen, ihn in eine andere Programmiersprache zu übersetzen. Aus dem Urheberrecht heraus lassen sich solche Übersetzungen in andere Programmiersprachen nicht untersagen – im Gegenteil, das Urheberrecht schützt auch die Übersetzung des Softwareprogramms. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Urheberrecht lediglich einen Schutz gegen unrechtmäßiges Kopieren bietet. Zudem gestaltet es sich für den Urheber häufig als schwierig, den Nachweis der Urheberschaft zu erbringen. Der Vorteil des Urheberrechtes liegt allerdings darin, dass dieses automatisch mit der Schaffung des Werkes bzw. Softwareprogramms entsteht. Es fällt dem Unternehmen bzw. Urheber automatisch mit der Fertigstellung des Werkes zu. 2.4 Schutzrechte für computerimplementierte Erfindungen: Softwarepatente 2.4.1 Was ist patentierbar? Die derzeitige Rechtslage in Europa Die derzeitige (Auslegung der) Rechtslage bezüglich der Möglichkeit zur Anmeldung von Softwarepatenten ist in den verschiedenen Mitgliedsländern der Europäischen Union diffus. Obwohl die nationalen Patentämter und das EPA ähnlichen Rechtsvorschriften für die Erteilung von Softwarepatenten unterliegen, weicht ihre jeweilige Anwendung in Rechtsprechung und Praxis in den Mitgliedstaaten stark voneinander ab. Ursache hierfür sind einige Schlüsselkriterien bei der Prüfung der Patentierbarkeit von Erfindungen, welche gerade bei Softwareprogrammen einen großen Interpretationsspielraum offenlassen. Zwar sind bislang nach Artikel 52 Absatz 2 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) Computerprogramme „als solche“ keine Erfindungen und somit grundsätzlich nicht patentierbar, jedoch können hiervon Ausnahmen gemacht werden, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind. Grundsätzlich müssen alle patentierbaren Erfindungen zunächst einmal einen technischen Charakter aufweisen. Mit Blick auf Computerprogramme ist dieses Kriterium – entgegen Artikel 52 Absatz 2 EPÜ – keinesfalls eindeutig zu

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

203

verneinen und bietet vielmehr einen breiten Interpretationsspielraum. So halten die Beschwerdekammern des EPA und die Gerichte der Mitgliedstaaten Computerprogramme für patentierbar, wenn diese einen technischen Charakter aufweisen, d. h., einem Gebiet der Technik zuzurechnen sind. In diesem Fall greift Artikel 52 Absatz 2 EPÜ nicht. Welchen computerimplementierten Erfindungen kann „Technizität“ zugesprochen werden? Zunächst einmal sind alle Programme, die auf einem Computer ablaufen, per Definition als technisch anzusehen (Computer = Maschine). Wichtig ist überdies, dass die Erfindung einen technischen Beitrag (Effekt) leisten muss. Einem Softwareprogramm allein, das auf einem Datenträger vorliegt, sollte also dann die Patentierbarkeit nicht abgesprochen werden, wenn es durch einen Computer ausgeführt einen technischen Effekt erzeugt. Dagegen können keine Patente auf reine Geschäftsmethoden erteilt werden, da diese Methoden keinen Beitrag zum Stand der Technik leisten bzw. keinen technischen Effekt auslösen. Strittig ist insbesondere, welchen Effekt ein Softwareprogramm bewirken muss: Genügt ein digitaler Effekt oder ist ein physischmechanischer technischer Effekt erforderlich? Bislang ist die Patenterteilung nur möglich, wenn die Erfindung nicht ausschließlich aus einem elektronischen Datenverarbeitungsprogramm besteht, sondern auch physisch-technische Merkmale aufweist, d. h. an Hardware gekoppelt ist. So ist bspw. die Steuersoftware für ein ABS-Bremssystem in Kombination mit entsprechenden Sensoren und anderen Wirkungskomponenten problemlos patentierbar, da diese einen physisch-mechanischen Effekt auslöst. Man darf im Fall der ABS-Bremsanlage die einzelnen Bestandteile nicht in physische Bremskomponenten und „Software“ zerlegen, sondern muss eine Gesamtbetrachtung vornehmen. Immer dann, wenn neben der Wechselwirkung mit dem Computer die Software einen weiteren physischen Effekt hervorruft, ist diese patentierbar. Man bezeichnet eine solche patentierfähige Software – im Gegensatz zu nicht-technischer Software – auch als computerimplementierte Erfindung (vgl. Abbildung 2).

204

Mark Beyer/Michael Stephan

Rad

ABS

Spracherkennung Handy

Glühbirne

Computertomographie Magnetfeldresonanz Motoreinspritzung Automatisierungstechnik

Abbildung 2:

Nicht-technische Software

Computer-implementierte Erfindungen Unpräzise Rechtslage

Hardware

Textverarbeitung Grafiksoftware Tabellenkalkulation

Software ist ein häufiges Mittel zum implementieren von Erfindungen (Quelle: BMWI 2006: 10)

Neben der Frage nach der Art des technischen Effekts ist überdies strittig, ob die dem Softwareprogramm zugrunde liegenden Algorithmen patentierbar sind.1 Denn ein Algorithmus kann sowohl technische als auch nicht-technische Prozesse umfassen. Ein Algorithmus kann einer computerimplementierten sowie einer konventionellen Erfindung (Maschine, elektrische Vorrichtung usw.) oder dem von dieser Erfindung ausgeführten Verfahren zugrunde liegen. Ein abstrakter Algorithmus lässt sich auf der Grundlage reiner Logik definieren, ohne dass ein physischer Bezug erforderlich wäre. Es ist deshalb denkbar, dass ein derartiger Algorithmus in vielen unterschiedlichen Funktionen und in nicht miteinander verwandten Bereichen eingesetzt wird, und dort unterschiedliche Wirkungen erzeugt. In der herrschenden Auffassung ist der Algorithmus als theoretisches Konstrukt (isoliert von seiner physischen Umgebung) seinem Wesen nach nicht technisch und kann somit auch nicht als patentierbare Erfindung angesehen werden. Der Patentanspruch für eine Erfindung, die auf einem bestimmten Algorithmus aufbaut, erstreckt sich damit nicht auf andere Anwendungen desselben. Die Auslegung und Anwendung der Rechtsvorschriften in Rechtsprechung und Praxis bei der Beurteilung der Patentierfähigkeit von Software durch die nationalen Patentämter und Patentgerichte in der EU variiert beträchtlich. Als Konsequenz der unterschiedlichen Auslegung und Interpretation des Schlüsselkriteriums der „Technizität“ in Europa kann es vorkommen, dass man in einem 1

Zum Begriff des Algorithmus vgl. Abschnitt 11.1.3.

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

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Nichtigkeitsverfahren in Land A zu der Einschätzung kommt, dass der notwendige technische Charakter bei der Erfindung fehlt, in einem anderen Land B aber die Technizität desselben Patents bejaht wird (vgl. BMWI 2006: 11). Die diffuse Rechtslage führt insbesondere bei klein- und mittelständischen Softwareunternehmen zu einer großen Rechtsunsicherheit. Diese Unternehmen besitzen i. d. R. wenig Rechtskenntnis über die Möglichkeiten, ihre Produkte mit Hilfe von Patenten zu schützen und bevorzugen deshalb den Urheberrechtsschutz. Trotz der unsicheren Rechtslage nimmt die Bedeutung von Softwarepatenten in Europa beständig zu. Vom Europäischen Patentamt und den nationalen Patentämtern wurden inzwischen mehrere Tausend Patente für computerimplementierte Erfindungen erteilt, davon allein über 20.000 vom EPA. In Deutschland liegt der Anteil von computerimplementierten Erfindungen nach einer Umfrage des DPMA bei immerhin knapp 10 Prozent aller Anmeldungen, also ca. 6.000 Patentanmeldungen im Jahr 2005 (vgl. BMWI 2006: 8). 2.4.2 Was ist patentierbar? Die derzeitige Rechtslage in den USA Im Gegensatz zur Situation in Europa bieten die USA sehr breite Möglichkeiten zum Schutz von Softwareprogrammen. In den USA sind nicht nur computerimplementierte Erfindungen, sondern auch nicht-technische Softwareprogramme patentierbar. So können in den USA auch neue erfinderische Geschäftsmethoden auf Softwarebasis und ohne technischen Bezug durch ein Patent geschützt werden. Das wohl populärste nicht-technische Softwarepatent auf einen Geschäftsprozess erhielt der Internet-Buchanbieter Amazon (U. S.-Patent Nr. 5 960 411) für die Methode des so genannten ‚One-click-shopping’. Gegenstand der Erfindung ist ein Kaufvorgang, bei dem der Kunde auf der Internethomepage des Unternehmens eine Schaltfläche (‚Button’) nur einmal berühren (‚anklicken’) muss, um den Bestellvorgang auszulösen‚One-click-shopping’). Grundlage für diese „softwarepatentfreundliche“ Rechtslage ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA (U. S.-Supreme Court) aus dem Jahr 1980 (im Fall Diamond vs. Chakrabarty). Patentierfähig ist laut dieser Entscheidung: „anything under the sun that is made by man.” Diesem Urteil folgend entschied der U. S.-Supreme Court im Fall Diamond vs. Diehr (zu einem Patent auf ein Verfahren zum Aushärten von synthetischem Gummi, dem ein Softwareprogramm zur Errechnung der idealen Aushärtzeit zugrunde liegt), dass eine Software grundsätzlich patentierfähig ist, solange diese an physische oder mechanische Prozesse gekoppelt ist. Noch weiter ausgedehnt hat die Schutzfähigkeit von Software schließlich das U. S.-amerikanische Bundesberu-

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fungsgericht (Court of Appeals for the Federal Circuit) in einem Patentnichtigkeitsverfahren zum U. S.-Patent Nr. 5 193 056 im Jahre 1998. Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens war ein Softwarepatent zur Verwaltung steuerneutraler Wertpapierfonds. Das daraus hervorgehende Urteil legte fest, dass für die Patentierbarkeit von Softwarte nicht zwingend eine Kopplung an physische oder mechanische Prozesse vorliegen muss und demzufolge auch eine computergestützte (nicht technische) Finanzdienstleistung schutzfähig sei (Zu einer ausführlichen Darstellung der Entwicklung der Patentierbarkeit von Software in den USA vgl. Sterne/Bugaisky 2004). Die Zahl der Patente für Geschäfts- und Dienstleistungsideen ist seither in den USA sehr stark angestiegen. Im Jahr 2002 lag der Anteil der Softwarepatente an den gesamten Patentanmeldungen bereits bei 15 Prozent (24.891 Anmeldungen; vgl. Bessen/Hunt 2004: 24). Neben der Zahl der Anmeldungen hat auch die Zahl der anmeldenden Unternehmen stark zugenommen (vgl. Cockburn/MacGarvie 2006: 1). 2.5 Zwischenfazit: Mangelnde Schutzmöglichkeit von Dienstleistungsinnovationen durch formelle Schutzinstrumente Die vorhergehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass dem Schutz von Dienstleistungen durch formelle Schutzinstrumente enge Grenzen gesetzt sind. Neben der Kombination von Patenten mit anderen intellektuellen Eigentumsrechten, wie z. B. ‚Technology Brands’, können Dienstleistungsanbieter aber auch alternative, informelle Schutzstrategien verfolgen. Anstelle der Anmeldung von gewerblichen Schutzrechten (und damit zusammenhängend der Offenlegung des zugrunde liegenden Wissens) kann sich ein Unternehmen bspw. auch zur Geheimhaltung des technologischen bzw. innovationsbezogenen Wissens entschließen. An die Stelle formeller Schutzrechte treten in diesem Fall Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als faktische Schutzinstrumente (‚Trade Secrets’). Trotz des Fehlens einer Legaldefinition hat sich für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eine gängige und allgemein akzeptierte Begriffsfassung herausgebildet, die sich an der Rechtsprechung zu §17 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) orientiert (vgl. Hartung 2006: 24). Als Betriebsund Geschäftsgeheimnisse werden demzufolge alle auf ein Unternehmen bezogenen Wissensbestände und Informationen über Tatsachen, Gegenstände, Begebenheiten, Vorgänge etc. verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht (vgl. Köhler 2004), §17, Rndnr. 4). Betriebsgeheimnisse richten sich dabei primär auf technologisches Wissen, während Geschäftsgeheimnisse vornehmlich betriebswirtschaftliche Informationen betreffen

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

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(bspw. Umsätze, Umsatzprognosen, Gewinne, Kundenlisten, Strategiepapiere, Bezugs- und Lieferquellen, Bezugskonditionen, Kalkulationsunterlagen etc.). Dem Schutz von Dienstleistungsinnovationen durch Geheimhaltung sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Das Erbringen einer Dienstleistung bedingt in der Regel die Integration eines externen Faktors. Der Begriff des externen Faktors bezeichnet einen Produktionsfaktor, der von außen, d. h. vom Abnehmer oder Verwerter der Dienstleistung, in den Leistungsprozess eingebracht wird und daher vom Dienstleister nicht autonom disponiert werden kann vgl. Rück 2000: 180). Die Notwendigkeit eines externen Faktors besagt, dass eine Produktion und somit der Verkauf der Dienstleistung nur dann stattfinden kann, wenn entweder der Nachfrager oder aber ein ihm gehörendes Objekt in den Leistungsprozess integriert wird. Der externe Faktor ist folglich das Leistungsobjekt, auf das im Zuge der Dienstleistung eingewirkt wird. Das Integrationsausmaß des externen Faktors kann vielfach variieren. So ist bei der Objekteinbringung durch den Nachfrager der Anbieter in der Lage, die geforderte Leistung relativ autonom zu erbringen. Andere Dienstleistungen können hingegen nur dann als erfolgreich erbracht angesehen werden, wenn der Kunde sich stark in den Leistungserstellungsprozess mit einbringt, beispielsweise bei Weiterbildungsveranstaltungen durch physische und geistige Präsenz oder bei Beratungsdienstleistung durch Benennung von Mitarbeitern des eigenen Unternehmens, die für den Berater als Ansprechpartner fungieren. Hierbei ist der Nachfrager an der Erstellung der Leistung selbst mitbeteiligt und wirkt auf diese mit ein. Je stärker das Interaktionsausmaß mit dem externen Faktors, desto schwieriger gestaltet sich allerdings die Geheimhaltung als faktisches Schutzinstrument. Sind bspw. Mitarbeiter des Kunden direkt an der Leistungsgestaltung beteiligt, so haben diese Einblick nicht nur in die Ergebnisdimension, sondern auch in die Potenzial- und Prozessdimension der Dienstleistung. Im nachfolgenden Kapitel 4 werden deshalb weitere informelle Instrumente zum Schutz von Dienstleistungen dargestellt, die im Gegensatz zur Geheimhaltung als komplementär zu den formellen Schutzinstrumenten anzusehen sind. 3

Alternativen zu formellen Schutzrechten: Informelle Schutzmechanismen

Bereits in der klassischen Untersuchung von Levin et al. (1987) wurde deutlich, dass es neben formellen Schutzrechten wie Patenten und Marken auch andere Möglichkeiten gibt, innovative Dienstleistungen bzw. Prozessinnovationen gegen Imitation durch Konkurrenten zu schützen. Wesentliche Ansatzpunkte

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zum faktischen Schutz jenseits von Patenten und anderen intellektuellen Eigentumsrechten, die einen juristischen Schutzschild darstellen, sind: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Fast Pace Strategien, Ausschöpfung von Skalen- und Lernkurvenvorteilen, Kontrolle komplementärer Ressourcen, Komplexe, schwer imitierbare Systemlösungen und Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen mit Kunden und Lieferanten.

3.1 Fast Pace-Strategien Bei Fast Pace-Strategien versucht der Innovator, immer neue Innovationen hervorzubringen und zwar schneller als Konkurrenten die bisherigen Innovationen imitieren können. Zielsetzung einer Fast Pace-Strategie ist, beständig einen Innovationsvorsprung vor den Konkurrenten zu erhalten. Um fortlaufend den Vorsprung vor Konkurrenten zu erhalten und schneller als Konkurrenten Innovationen hervorzubringen, können Unternehmen entweder am Input, dem Innovationsprozess selbst oder dem Output des Innovationsprozesses ansetzen. Inputorientierte Fast Pace-Strategien versuchen, mehr Ressourcen (Forschungsbudgets, Mitarbeiter, Investitionen in Großgeräte) im Innovationsprozess zu investieren in der Hoffnung, damit auch mehr Innovationen in kürzerer Zeit verwirklichen zu können. Prozessorientierte Fast Pace-Strategien versuchen, den gesamten Prozess von der ersten Idee bis zur Umsetzung der Idee im Markt (Produktinnovation) bzw. im eigenen Unternehmen (Prozessinnovation) zeitlich zu verkürzen. Hierfür stehen prinzipiell mehrere Ansatzpunkte zur Verfügung: ƒ

ƒ

Im Rahmen des Simultaneous Engineering arbeiten mehrere Forschungsteams parallel an verschiedenen Teilaspekten und -projekten eines Innovationsvorhabens. Zeitgewinne sollen durch parallelsimultane anstelle einer sequenziellen Abarbeitung von Teilaufgaben des Innovationsvorhabens realisiert werden. Zeitgewinne können ebenfalls durch andere Ansatzpunkte zur Optimierung des Innovationsprozesses realisiert werden. So kann mit Hilfe eines verbesserten Wissensmanagements vorhandenes Wissen im Unternehmen identifiziert, kategorisiert und allen Entscheidungsträgern schneller zugänglich gemacht werden. Durch koordinierte Weiterentwicklung der im Unternehmen bereits vorhandenen Wissensbestände

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ƒ

ƒ

ƒ

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und Problemlösungselemente können Doppelarbeiten im Innovationsprozess vermieden und Zeitgewinne realisiert werden. Zeitgewinne im Innovationsprozess lassen sich auch durch eine Optimierung der Prozessorganisation (z. B. Vermeidung von Warte- und Liegezeiten, von aufwändigen Nachbearbeitungen bei bereits abgeschlossenen Teilprojekten und Realisierung einer verbesserten Koordination der verschiedenen Projektteams) erreichen. Ein wichtiges Instrument zur Realisierung von Zeitgewinnen ist oftmals die IT-Unterstützung von F&E-Arbeiten (z. B. Einsatz von CADSystemen, Simulationslösungen anstelle des zeitaufwändigen Baus von Prototypen etc.). Eine Beschleunigung von Innovationsprozessen kann auch durch Kooperation erreicht werden, indem man andere Unternehmen (Wettbewerber, Zulieferer, Kunden) in den Innovationsprozess einbezieht. Auf diese Weise kann es möglich werden, Kapazitäten (Personal, Labore, Finanzmittel) Dritter als Inputfaktoren zur Beschleunigung des Innovationsprojektes zu gewinnen. Im Innovationsprozess können Dritte (z. B. F&E-Dienstleister) bestimmte Teilprojekte bzw. Teilprozesse übernehmen, für die sie besonders qualifiziert sind und die sie daher in kürzerer Zeit erstellen können.

Outputorientierte Fast Pace-Strategien beschleunigen F&E- bzw. Innovationsaufgaben, indem bspw. die Anforderungen an den Innovationsgrad der entwickelten Produkte und Dienstleistungen bzw. Prozessinnovationen reduziert werden. So können beispielsweise bewährte Komponenten oder Baugruppen des Vorgängermodells bei der neuen Produktgeneration erneut verwendet werden, um Entwicklungszeit und Entwicklungskosten einzusparen. Oder ein Unternehmen kann seine Produkte und Dienstleistungen modular konzipieren und auf dieser Grundlage durch Neukombination von Modulen in kurzer Zeit eine Vielzahl von neuartigen Produktvarianten des Basisprodukts generieren. Zeitgewinne können auch realisiert werden, wenn beim Output des Innovationsprozesses Dritte einbezogen werden, indem z. B. ein fertig entwickeltes und produziertes Produkt eines Konkurrenten übernommen wird, das anschließend nur noch mit dem eigenen Markennamen versehen wird. 3.2 Ausschöpfung von Skalen- und Lernkurvenvorteilen Die Erzielung von Kostenvorteilen kann ein weiterer Ansatzpunkt zum Schutz von Innovationen gegen Imitation durch Konkurrenten sein. Skalenvorteile

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(z. B. im Automobilbau, in der Stahlindustrie) beruhen auf großen jährlichen Ausbringungsmengen, was zu geringeren Stückkosten führt. Lernkurvenvorteile beruhen auf einer über die Zeit kumulierten Ausbringungsmenge, die dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern das Sammeln entsprechender Erfahrungen (z. B. bei der Optimierung des Produkts und des Herstellungsprozesses, bei der routinemäßigen Erfüllung bestimmter Arbeitsschritte) ermöglicht, was zu über die Zeit sinkenden Herstellkosten führt. Lernkurvenvorteile sind typisch für Industrien mit komplexen Herstellungsprozessen (z. B. Autobau, Flugzeugbau, vgl. dazu Burr et al. 2005: 294f.). Solche Kostenvorteile ermöglichen dem Innovator, Wettbewerbsvorteile gegenüber Imitatoren zu erzielen, die auf niedrigeren Stückkosten beruhen. Selbst wenn Imitatoren das Produkt des Innovators nachahmen können, so hat der Innovator dennoch gute Chancen aufgrund seiner Kostenvorteile, die auf seinem frühzeitigen Marktstart beruhen, Gewinne aus seinen Innovationen zu erzielen und die Marktanteile der Imitatoren zu begrenzen. 3.3 Kontrolle komplementärer Ressourcen Selbst wenn der Konkurrent durch formelle Schutzrechte nicht an der Imitation der Dienstleistung und der Produktionsprozesse des Innovators gehindert werde kann, kann der Innovator dennoch durch Kontrolle komplementärer Ressourcen einen gewissen Schutz vor Imitation erreichen (vgl. Teece 1986). Komplementäre Ressourcen sind oftmals erforderlich zur Kommerzialisierung einer Innovation. Sie sind typischerweise auf nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette angesiedelt. Zu den wichtigsten komplementären Ressourcen zählt die Kontrolle über Markennamen, Vertriebskanäle und Produktionskapazitäten. Gelingt es dem Innovator, wichtige Vertriebskanäle (z. B. Einzelhandelsketten mit großem Marktanteil oder Fachgeschäfte in 1a-Innenstadtlagen) an sich zu binden, so behindert dies den Imitator bei der Marktdurchdringung. Ebenso kann der Innovator durch Aufbau eines Markennamens für das Produkt und eine entsprechende Anbieterreputation (z. B. als Technologieführer der Branche) Imitatoren das Image eines Plagiators anheften und sie bei der Marktdurchdringung behindern. Auch die möglichst exklusive Kontrolle über Produktionskapazitäten kann Imitatoren vom Markt fernhalten. Beispielsweise hatten in den letzten Jahren Generikahersteller Probleme, mit bio- und gentechnologischer Technologie hergestellte Pharmazeutika zu imitieren, obwohl die Wirkstoffpatente auf diese Pharmazeutika bereits abgelaufen waren. Der Grund dafür war darin zu sehen, dass die Imitatoren die komplexen gentechnischen Produktionsprozesse anfangs nicht imitieren konnten und auf dem Markt keine entsprechenden Produktions-

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kapazitäten von Auftragsherstellern angemietet werden konnten. Insofern hat die Kontrolle über Produktionskapazitäten mit moderner Prozesstechnologie den ursprünglichen Innovatoren für eine gewisse Zeit einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Imitatoren in der Pharmabranche sichern können. Erst in jüngster Zeit ist es Generikaherstellern gelungen, sich Know-how in der Herstellung biotechnischer Generika anzueignen. 3.4 Komplexe und schwer imitierbare Systemlösungen Eine weitere Möglichkeit für den Innovator, Imitatoren trotz fehlenden Patentschutzes am Markteintritt zu hindern, ist in der Entwicklung und dem Angebot komplexer Systemlösungen zu sehen. Zu den komplexen Systemlösungen zählen beispielsweise Komplettlösungen aus einer Hand, die eine Vielzahl von Einzelleistungen zu einem abgestimmten und optimierten Gesamtpaket integrieren. Zu nennen wären hier beispielsweise Komplett-Outsourcing Lösungen im IT-Bereich oder im Facility Management, bei denen ein Unternehmen die komplette Bewirtschaftung der gesamten Unternehmens-EDV oder aller Gebäude des Unternehmens an einen spezialisierten Dienstleister überträgt. Ein anderes Beispiel wäre das Angebot hoch integrierter Softwarepakete (z. B. OfficePakete mit Datenbank, Tabellenkalkulation, Textverarbeitung, Mailprogramm und Internetbrowser), die mehrere Einzelprogramme zu einer Komplettlösung zusammenfassen und die Zusammenarbeit, insbesondere den Datenaustausch zwischen den Einzelprogrammen optimieren. Solche komplexen Systemlösungen sind oftmals schwerer als Einzeldienstleistungen oder als einzelne, isolierte Produkte zu imitieren. Komplexe Gesamtlösungen sind für den Konkurrenten schwer imitierbar, wenn für den Imitator das komplexe Zusammenspiel der Einzelleistungen kaum verständlich ist (Causal Ambiguity) und der Innovator dem Kunden keine Einzelleistungen mit Einzelpreisen offeriert, sondern nur Paketlösungen mit einem Paketpreis. Dies zwingt den Imitator zur Nachahmung der kompletten Lösung und erschwert es ihm, durch Imitation einer Einzelleistung in die Geschäftsbeziehung zwischen dem Innovator und seinem Kunden einzubrechen, um diese Geschäftsbeziehung später durch weitere Dienstleistungsangebote schrittweise auszubauen. Unternehmen, die solche komplexen Komplettlösungen anbieten, brauchen oftmals eine entsprechende Unternehmensgröße, eine gute Reputation im Markt und das Vertrauen der Kunden (die sich in starke Abhängigkeit von dem Komplettdienstleister begeben). Diese Faktoren sind gerade bei Imitatoren, die erst seit kurzem in der Branche tätig sind, oftmals nicht erfüllt, da es ihnen an der entsprechenden Unternehmensgröße und Reputation noch fehlt und sie das Vertrauen ihrer Kunden noch nicht in

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langjähriger, bewährter Zusammenarbeit erwerben konnten (vgl. Burr 2003). Bei Sachgütern ist denkbar, dass der Innovator das gesamte Produkt bewusst so komplex konstruiert, dass es für Imitatoren schwer nachahmbar ist (z. B. durch Verwendung schwierig zu verarbeitender Materialien, durch Softwarelösungen zur Bedienung des Produkts, die nicht leicht für Imitatoren zu programmieren sind). 3.5 Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen Eine weitere Möglichkeit des Innovators, Imitatoren den Markteintritt zu erschweren, liegt in der Entwicklung langfristiger Geschäftsbeziehungen mit wichtigen Marktpartnern (Kunden, Lieferanten). Gelingt es dem Innovator, Kunden oder wichtige Zulieferer mit langfristigen Verträgen und einer über die Jahre hinweg guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit an sich zu binden, so wird der Markteintritt für den Imitator erschwert. Problematisch ist an dieser Vorgehensweise allerdings, dass nicht alle Lieferanten zur exklusiven Belieferung des Innovators bereit sein werden, weil sie sich dadurch die Möglichkeit zusätzlichen Geschäftsvolumens mit den Imitatoren nehmen. Ebenfalls sind nicht alle Kunden bereit, sich langfristig an den Innovator zu binden, wenn Imitatoren in der Zukunft signifikant niedrigere Preise offerieren könnten und der Kunde davon durch einen Anbieterwechsel zu geringen Wechselkosten profitieren könnte. Im nachfolgenden Fallstudienkapitel wird anhand der Sparte ‚Robotics‘ des Unternehmens ABB aufgezeigt, wie gerade bei produktbegleitenden Dienstleistungen komplexe Systemlösungen und die Kontrolle (sachgebundener) komplementärer Ressourcen eine wichtige faktische Schutzwirkung für Dienstleistungsinnovationen bewirken können. Diese Kombination an Schutzinstrumenten legt schließlich auch die Grundlage dafür, wie Geschäftsbeziehungen mit Kunden auf eine langfristige Basis gestellt werden können. 4

Fallstudie ABB: Schutz Geistigen Eigentums im Servicegeschäft von ABB Robotics

4.1 Das Unternehmen ABB Robotics und dessen Serviceaktivitäten Asea Brown Boveri (ABB) ist ein global tätiges Unternehmen in den Bereichen Energie- und Automationstechnik. Das Unternehmen ermöglicht seinen Kunden in der Energieversorgung und der Industrie, ihre Leistung zu verbessern und die

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Umweltbelastung zu reduzieren. Hierfür bietet ABB eine große Bandbreite an Produkten, Systemen und Serviceleistungen an, welche Stromnetze zuverlässiger machen, die industrielle Produktivität steigern und für mehr Energieeffizienz sorgen sollen. Von der Fokussierung auf Stromübertragung, -verteilung und Automatisierung von Kraftwerken profitieren Strom-, Gas- und Wasserversorger sowie Kunden in Industrie und Handel. Ferner bieten ABB Automationssysteme, die Produktionsanlagen in unterschiedlichen Branchen messen, steuern, schützen und optimieren. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2006 beschäftige ABB etwa 108.000 Mitarbeiter in rund 100 Ländern und erzielte einen Umsatz von 24,4 Mrd. USD. Das Unternehmen ist in fünf Sparten gegliedert: (1) Energietechnik-Produkte; (2) Energietechnik-Systeme; (3) Automationsprodukte; (4) Prozessautomation; (5) Robotik. Robotik ist mit einem Umsatz von 1,3 Mrd. USD und 4.500 Mitarbeitern die kleinste Sparte von ABB und bietet Roboter, Dienstleistungen sowie modulare Fertigungslösungen an, die in der Montage, Endverarbeitung und maschinellen Wartung zum Einsatz kommen. Zu den wichtigsten Zielmärkten gehören die Automobilbranche und das verarbeitende Gewerbe neben Anwendungen in den Bereichen Giesserei, Verpackung und im Materialtransport. Die Sparte entwickelt darüber hinaus auch standardisierte Fertigungszellen für maschinelles Warten, Schweissen, Lackieren und Endverarbeiten sowie vorgefertigte Systeme zur Automatisierung des Press- und Lackierungsprozesses sowie für die Getriebemontage bei Automobilherstellern. Zu den grössten Wettbewerbern im Robotikmarkt zählen die beiden japanischen Hersteller Fanuc und Yaskawa sowie das deutschen Unternehmen Kuka. Basierend auf der weltweit grössten installierten Basis hat ABB Robotik in den vergangenen Jahren systematisch sein Servicenetzwerk erweitert und die Entwicklung des Servicegeschäfts konsequent vorangetrieben. Diese Strategie macht ABB heute zum mit Abstand grössten Serviceanbieter im industriellen Robotikgeschäft weltweit. Das Unternehmen bietet Serviceleistungen für den gesamten Lebenszyklus an, von Ersatzteilen, Reparaturen, Training und Migration bis zu Fernüberwachung und technischem Support. Dabei greift ABB Robotik auf seine langjährige Erfahrung im Robotikgeschäft und dem damit verbundenen Anwendungs- und Prozesswissen zurück, um dem Kunden messbare Leistungsverbesserungen zu ermöglichen. 4.2 Marktanforderungen an das Robotik-Servicegeschäft Da Roboterprodukte immer zuverlässiger werden und der Wettbewerbsdruck im Servicemarkt, v. a. durch professionelle Servicefirmen, immer stärker zunimmt,

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sehen sich Unternehmen wie ABB Robotik der Herausforderung gegenüber, ihr Service-Geschäftsmodell neu zu definieren. Dieser Herausforderung hat sich ABB Robotik bereits vor einigen Jahren gestellt, in dem das Unternehmen Leistungsverbesserungsprogramme, Serviceverträge und Beratungsleistungen im Markt einführte. Das klassische, reaktive Servicegeschäft wie auch die heute bereits existierenden Servicevertragsmodelle, die grösstenteils auf zeit- und nutzungsabhängiger Instandhaltung basieren, transformieren jedoch zunehmend zu Standardservices. Ein Großteil der Servicewettbewerber wie auch viele Kunden können diese Services heute selbst ausführen. Automobil- wie auch Industriekunden erwarten einen größeren Wertbeitrag von einem Technologieführer, wie bspw. schnellere Diagnosemethoden, raschere Antwortzeiten und effektivere vorbeugende Instandhaltung. Kunden möchten die Kosten für RoutineInstandhaltung minimieren und erwarten gleichzeitig eine maximal verfügbare Betriebszeit sowie eine minimierte Reaktionszeit. Daraus resultierend werden technische Experten von den OEMs nur „bei Bedarf“, jedoch dann mit der Erwartung angefordert, sofortigen Support und schnelle Lösungen zu gewährleisten. Kunden von Robotik-Dienstleistern fragen somit v. a. die Optimierung folgender Leistungsindikatoren nach: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Minimierung der durchschnittliche Reparaturdauer (MTTR: „mean time to repair“) Erhöhung der durchschnittlich störungsfreien Zeit (MTBF: „mean time between failure“) Minimierung der Betriebskosten sowie gesamten Lebenszykluskosten (TCO: „total cost of ownership“) Erhöhung der Produktivität und Effizienz (OEE: „overall equipment efficiency“) Zusammenfassend erwarten Kunden, dass Serviceanbieter die notwendigen Dienstleistungen Services erbringen, um die Produktion so wenig und so kurz wie möglich zu unterbrechen.

4.3 Weiterentwicklung des Servicevertragsgeschäfts mit Hilfe von Remote Monitoring Die geschilderten Markttrends fordern von ABB Robotik die Entwicklung von proaktiv, wertsteigerungsorientierten Serviceangeboten. Die Herausforderung besteht darin, aufbauend auf dem vorhandenen technologischen Know-how im Produktgeschäft und den entwickelten Fähigkeiten im klassischen produktorientierten Servicegeschäft Kompetenzen zu entwickeln, dass Servicevertragsge-

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schäft durch Technologien zu unterstützen, welche die Kundenanforderungen bestmöglich befriedigen. Kernstück dieses veränderten Geschäftsmodells ist die Entwicklung von Remote Service Technologien und deren Einsatz als Differenzierungsinstrument im Servicevertragsgeschäft. Remote Monitoring erlaubt u. a. die Erfassung von Leistungsdaten der Roboter im Produktionseinsatz, mit deren Hilfe ABB Robotik die Einsatzhistorie für vorbeugende Servicemaßnahmen sowie den direkten Zugriff auf Servicedaten für eine ad-hoc Fehlerdiagnose im Notfall nutzen kann. Diese Neuentwicklung stellt ein wertsteigerndes Alleinstellungsmerkmal im Servicevertragsgeschäft von ABB Robotik dar. Es dient darüber hinaus als Basis zur Bewertung für Verbesserungsmöglichkeiten von Funktionalität und Leistungsfähigkeit der Roboter im Produktionsprozess. Neben den geschilderten Nutzensteigerungen für Kunden sind auch die Vorteile dieser neuen Form des Servicegeschäfts für ABB Robotik äußerst vielschichtig: Das Unternehmen kann die erneuerbaren Serviceumsätze erhöhen, wodurch ein besser prognostizierbarer Umsatz als im traditionellen „break-fix“ Servicegeschäft erzeugt wird. ABB Robotik reduziert den Wettbewerb im Servicevertragsgeschäft signifikant und bindet Kunden enger und langfristiger. Das Unternehmen erhält einen deutlich detaillierteren Einblick in seine installierte Roboterbasis, wodurch es u. a. Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit seiner Produkte sowie Wartungs- und Instandhaltungsanforderungen von Robotern im Produktionsprozess erhält. Viele Probleme können nunmehr „remote“ gelöst werden, wodurch die durchschnittliche Reparaturdauer (MTTR) deutlich verbessert wird (vgl. Abbildung 3).

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Roboterausfall

Geschäftsergebnis Problem

Einsparungen stabiler Zustand

Zurück zum stabilen Zustand

Stunden/Tage Remote Support Servicetechniker vor Ort

Abbildung 3:

Feststellung / Diagnose / Reparatur

Feststellung / Telefonat / Dispatching / Anreise / Reparatur / Instandsetzung

MTTR als Schlüsselkriterium für technische Verfügbarkeit

Eine weitere deutliche Verbesserung der MTTR wird durch den direkten remote-Zugriff auf Roboter gewährleistet, mit dessen Hilfe Servicetechniker vor Ort beim Kunden hochqualitative technische Unterstützung über ein großes Netzwerk lokaler, regionaler und globaler Expertise erhalten. Dies hilft neben einer Verbesserung der MTTR auch der Ursachenanalyse und somit der Verhinderung zukünftig ähnlicher Probleme durch Feedback in die ABB-Entwicklungsabteilung. Nicht zuletzt spielt das mit Hilfe der Remote Technologie deutlich verbesserte Servicevertragsgeschäft als Differenzierungsfaktor eine wesentliche Rolle im Neuproduktgeschäft. Kunden im Robotergeschäft haben unterschiedliche Anforderungen für Serviceleistungen zur Sicherstellung von Roboterverfügbarkeit und –leistungsfähigkeit. Ein Extrempunkt stellen Kunden dar, die den Grossteil der Serviceaktivitäten selbst erbringen. Das andere Extrem sind Kunden, welche die vollständige Verantwortung für Roboterverfügbarkeit und Leistungsfähigkeit an einen externen Serviceanbieter outsourcen. Die Herausforderung für ABB Robotik besteht darin, Serviceverträge für ein möglichst grosses Kundenspektrum anzubieten, d. h. den richtigen Servicevertrag für die jeweiligen Servicebedürfnisse der Kunden. Dies beinhaltet das Angebot von Grundservicepaketen sowie individuell lieferbaren Modulen. ABB Robotik hat hierfür drei Servicevertragstypen für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt: (1) Maintenance Package, (2) Response Package und (3) Warranty Package (vgl. dazu Abbildung 3).

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Kundenwert

Total Cost of Ownership Productivity Analysis

MTTR

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MTBF

Inventory Mgmt.

Erweiterte Warranty Gewährleistung Package & OEE

Remote Monitoring & Support sowie Fehleralarm

Inventory Mgmt.

Response Package

MTTR

MTTR

Maintenance Package

MTBF

MTBF

MTBF

Vertragsvolumen

Abbildung 4:

Geschäftsmodell der verschiedenen Serviceverträge

Das Maintenance Package ist ein Servicevertrag, der sich auf die Verlängerung der MTBF der Roboter konzentriert. Er beinhaltet die vorbeugende Instandhaltung basierend auf Nutzungsintensität und Nutzungsart der Roboter. In dem Vertrag enthalten sind u. a. Ersatzteile und Arbeitsaufwand für die vorbeugende Instandhaltung, technischer Support sowie technische Bewertung der Roboter. Das Maintenance Package kann erweitert werden u. a. durch 24h/7d technischen Support und Optionen bezüglich Ersatzteillieferung. Andere zusätzliche Optionen sind bspw. die Nutzung remote verfügbarer Informationen zur Prozessoptimierungsanalyse sowie Inventar- und Logistikservices für Ersatzteile. Die Nachfrage nach minimierter Reaktionszeit und MTTR sowie ein hohes „first time fix“ Verhältnis werden grundsätzlich in dem Response Package gebündelt. Kunden dieses Servicevertrags erhalten Prioritätsstatus bei Fehlermeldungen; sie haben Zugriff auf Servicetechniker, technischen Support und Ersatzteillogistik auf 24h/7d Basis. Das ABB Robotik Support Center überwacht Robotermeldungen und schickt sofortige Fehlermeldungen. Der Servicetechniker erhält eine SMS und kann auf das detaillierte Daten- und Fehlerprotokoll zugreifen. Das Fehler-Log wird remote analysiert und unterstützt. Kritische Daten werden gesammelt und gespeichert, damit sie im Schadensfall für den Servicetechniker verfügbar sind. Der Kunde erhält Zugriff auf eine persönliche

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Roboterwebsite, auf der er Status, Einsatz- und Servicehistorie, Statistiken u. v. m. einsehen kann (vgl. Abbildung 5).

Internet

Technischer Support

Kunde und Servicetechniker

Roboter

Abbildung 5:

Remote Monitoring Gerät

Kommunikationsnetzwerk

Remote Server Anwendung

Remote Service Technologie von ABB Robotik

Auch dieser Servicevertrag kann durch verschiedene Optionen erweitert werden, wie bspw. eine garantierte Reaktionszeit. Die Datenübertragungsfähigkeit kann zudem für geplante Roboterdatensicherung genutzt werden. Mit Hilfe des Warranty Package transferiert der Kunde den Grossteil der Verantwortung für Roboterverfügbarkeit zum Serviceanbieter, der über die entsprechende Erfahrung und notwendigen Daten wie Statusinformationen und historische Daten verfügt. Der Servicevertrag deckt vollständig Ersatzteile, Arbeits- und Reisekosten ab, gewährleistet Prioritätsstatus bei Fehlermeldungen sowie Zugriff auf die persönliche Roboter-Website. Der Kunde hat somit einen vollständigen Überblick über die Total Cost of Ownership (TCO). Auch dieser Servicevertrag lässt sich durch Optionen (z. B. Systemverfügbarkeitsanalyse) erweitern.

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4.4 Remote Service Technologie und der Schutz des assoziierten Intellectual Property Zur Ermöglichung des remote Zugriffs auf Roboter werden diese mit der Remote Service Hardware ausgerüstet: einem Servicegerät mit Datenerfassung- und Datentransferfähigkeiten. Das Gerät wird am Robotercontroller angeschlossen und hat somit Zugriff auf kritische Roboterdaten, Statusinformationen, Programm- und Parameterspeicher, Fehlerlogs sowie Prozesssteuerungsdaten. Es besitzt einen GPRS Übermittler und eine Antenne. Das Gerät ist somit unabhängig vom Robotercontroller und bleibt auch dann funktionsfähig, wenn der Roboter ausfallen sollte. Abhängig von den jeweiligen Anforderungen und dem Servicevertrag zwischen Kunde und ABB Robotik kann die Daten- und Übertragungskapazität für verschiedene Ziele genutzt werden. Roboterleistungsdaten können in regelmässigen Intervallen extrahiert und auf einer zentralen Datenbank gespeichert werden. Hieraus können Trends analysiert und somit erkannt werden, bevor Fehler auftreten. Kunden können auf notwendige Aktionen hingewiesen werden, die beim nächsten geplanten Produktionsstillstand durchgeführt werden können, um kostenintensive Überraschungen zu vermeiden. Das remote Hochladen wie auch Herunterladen von Daten, Programmen und Software Updates macht es möglich, Probleme remote zu lösen. Basierend auf der langjährigen Erfahrung von ABB Robotik im Servicegeschäft können ein Grossteil der Roboterprobleme ohne Intervention durch remote Zugriff gelöst werden. Das Remote Monitoring Gerät wird nicht als selbstständiges Produkt verkauft. Es ist vielmehr Teil der Servicevertragsphilosophie von ABB Robotik und hierbei entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb. Aus diesem Grund hat ABB Robotik das geistige Eigentum an der zugrundeliegenden Technologie durch verschiedene Patente abgesichert. Die Patentierung umfasst die Kommunikation von Nachrichten, insbesondere im Steuerungssystem. Ein Steuerungssystem wird in der Regel eingesetzt, um einen effizienten und sicheren Betrieb von einer Industrieanlage (z. B. Produktionsanlage) zu erhalten bzw. Informationen bereitzustellen, welche die Anlage betreffen. Zur Erreichung dieser Ziele überwacht, analysiert und manipuliert ein Steuerungssystem die Produktionsanlage bzw. übermittelt Informationen an den Betreiber. Kern der Entwicklung und somit der Patentierung ist ein Verfahren zur Kommunikation von Informationen und Verteilen von Nachrichten von einem Objekt in einem Steuerungssystem an einen Betreiber. Zahlreiche Serviceinnovationen haben es ABB Robotik ermöglicht, einen Wettbewerbsvorteil im Servicegeschäft zu generieren und sich zum führenden

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Serviceanbieter im industriellen Robotikgeschäft zu entwickeln. Jedoch sind gerade auf dem Servicemarkt Innovationsvorteile nur von kurzer Dauer. Die geringen Schutzmöglichkeiten geistigen Eigentums bei Serviceleistungen verhindern im Regelfall langfristige Wettbewerbsvorteile. Mit der Patentierung von Technologien, deren Einsatz den Differenzierungsvorteil von Serviceausleistungen ausmachen, können Unternehmen dieses Problem mangelnder Schutzmöglichkeiten umgehen. Das Beispiel ABB Robotik zeigt, dass derartige Innovationen im Servicegeschäft ebenso die Möglichkeit haben, vor Imitation geschützt zu werden. 5

Fazit: Komplexe Systemlösungen und Kontrolle komplementärer Ressourcen als Schutzmöglichkeiten für produktbegleitende Dienstleistungen

Das Fallbeispiel ABB Robotik und Remote Service illustriert, wie Unternehmen ihre Dienstleistungsinnovationen mit Hilfe einer Kombination von formellen und informellen Schutzinstrumenten schützen. Bei dem Remote ServiceAngebot von ABB handelt es sich um eine komplexe und für Konkurrenten nur schwer imitierbare Systemlösung. Die Dienstleistung ist in ein komplexes System eingebettet, welches neben klassischen Hardwarekomponenten wie bspw. die unterstützenden Remote Monitoring Geräte oder das Kommunikationsnetzwerk auch Software, wie der Remote Server Software umfasst. Kritische Hardwarekomponenten hat ABB mit Hilfe von Patenten geschützt. Durch die enge Vernetzung von Hardwaretechnologien und klassischen Servicekomponenten dehnt sich der Patentschutz auch auf die Dienstleistung im engeren Sinne aus. Zudem ergibt sich der Schutz des Dienstleistungsangebots auch über die Kontrolle komplementärer Ressourcen – das Know-how welches ABB in der Entwicklung und Produktion der Roboterprodukte erworben hat. Dieses technologische Know-how ist für konkurrierende Dienstleistungsanbieter nur schwer zu imitieren. Abschliessend bleibt kritisch anzumerken, dass der Schutz der Dienstleistung durch die Kontrolle komplementärer Ressourcen sowie durch die komplexe Systemlösung (inklusive der Hardwarepatente) durch eine starke Sachgebundenheit des Dienstleistungsproduktes gegebenen ist.2 Das Remote ServiceAngebot von ABB ist bislang eng mit dem Sachgut – den Roboterprodukten – verknüpft. Will ABB zukünftig das Service-Geschäft weiter ausdehnen und beispielsweise Remote Service auch für Robotikprodukte anderer Hersteller 2

Zu weiteren Ausführungen vgl. Beyer (2007), Kapitel 2.1.

Schutzstrategien für produktbegleitende Dienstleistungsinnovationen

221

oder gar für andere Industriegüter jenseits des Robotergeschäfts anbieten, so verlieren diese sachgutgebundenen Schutzinstrumente an Bedeutung. Je grösser die Sachungebundenheit der Dienstleistung wird, desto stärker muss ABB auf sachungebundene Schutzinstrumente, wie bspw. den Aufbau einer starken Marke und die Stärkung der Reputation als Qualitätsführer beim Angebot von Remote Service-Produkten, setzen. Literatur Besen, S. M./Raskind, L. J. (1991): An Introduction to the Law and Economics of Intellectual Property. In: Journal of Economic Perspectives, 5: 3-27. Bessen, J./Hunt, R. (2004): The Software Patent Experiment. In: Business Review, 4. Quartal 2004, Federal Reserve Bank of Philadelphia: 22-32. Beyer, M. (2007): Servicediversifikation in Industrieunternehmen: Kompetenztheoretische Untersuchung der Determinanten nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, Wiesbaden 2007. Beyer, M./Stephan, M. (2006): Kompetenzbasierte Diversifikationsstrategien in das industrielle Servicegeschäft. In: Burmann, C. et al. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements, Wiesbaden. Blind, K./Edler, J./Friedewald, M. (2001): Mikro- und makroökonomische Implikationen der Patentierbarkeit von Softwareinnovationen: Geistige Eigentumsrechte in der Informationstechnik im Spannungsfeld von Wettbewerb und Innovation. Endbericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe. Blind, K./Edler, J./Schmoch, U./Anderson, B./Howells, J./Miles, I./Roberts, J./Green, L./Hipp, C./Herstatt, C. (2004): Patents in the Service Industries: Final Report, Office for Official Publications of the EU. Luxemburg. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, 2004): Bundesbericht Forschung. Bonn. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI, 2006): Patente auf Computerimplementierte Erfindungen. Berlin 2006. Burr, W./Stephan, M. (2006): Dienstleistungsmanagement. Stuttgart. Burr, W. (2003): Markt- und Unternehmensstrukturen bei technischen Dienstleistungen. Wiesbaden. Cockburn, I. M./MacGarvie, M. J. (2006): Entry, Exit and Patenting in the Software Industry. National Bureau of Economic Research (NBER), NBER Working Paper Nr. 12563, Cambridge, MA. de Brentani, U. (1991): Success Factors in Developing New Business Services. In: European Journal of Marketing, 25: 33-59. Djellal, F./Gallouj, F. (2001): Patterns of Innovation Organization in Service Firms. In: Science and Public Policy, 28: 57-67. Hartung, A. (2006): Geheimnisschutz und Whistleblowing im deutschen und englischen Recht. Saarbrücken.

222

Mark Beyer/Michael Stephan

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Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

1

Gesamtwirtschaftliche Bedeutung und Status quo der Erforschung wissensintensiver Dienstleistungsgründungen ..........................................225

2

Wertschöpfungsbedingte Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister ...............................................................................................226

3

‚Competence-based Theory of the Firm’ (CbTF) als Basis zur Erklärung von Gründungserfolg ................................................................229

4

‚Open System View’ als kompetenztheoretisches Wirkungsmodell.........231 4.1 4.2 4.3

Grundaufbau und Kausalstruktur ............................................................... 231 Kritische Diskussion des ‚Open System View’ .......................................... 235 Forschungsleitende Modifizierung des ‚Open System View’..................... 237

5

Deduktion der Erfolgspotentiale und -faktoren auf Basis des modifizierten ‚Open System View’ ...........................................................244

6

Implikationen und Forschungsausblick .....................................................247

Literatur..............................................................................................................248

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister 1

225

Gesamtwirtschaftliche Bedeutung und Status quo der Erforschung wissensintensiver Dienstleistungsgründungen

Der Dienstleistungssektor hat in den letzten drei Jahrzehnten eine immer größere volkswirtschaftliche Bedeutung - vor allem in den westlichen Industrienationen - erlangt (Albach 1989: 34; Meffert/Bruhn 2003: 13). Dabei wird innerhalb des äußerst heterogenen Dienstleistungssektors (Kleinaltenkamp 2001: 30) den unternehmensnahen wissensintensiven Dienstleistungsunternehmungen, wie beispielsweise den Unternehmensberatungen oder den forschungsintensiven und technologieorientierten Unternehmungen, derzeit eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt (Aulinger 2005: 76). Sie tragen den technologischen wie organisatorischen Innovationsprozess entscheidend mit und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Fortschritt, zum Wachstum und zur Beschäftigung innerhalb einer Volkswirtschaft (Strambach 1997: 232; Osterloh/Boos 2001: 783; Franke/Lüthje 2004: 38). In diesem Zusammenhang geraten auch und vor allem wissensintensive Gründungen ins Blickfeld. Auf Basis der Kategorisierung des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in wissensintensive und nichtwissens-intensive Dienstleistungen errechnet Aulinger für 2000, dass insgesamt 14% aller Gründungen den wissensintensiven Dienstleistungsunternehmungen zuzuordnen sind (Aulinger 2005: 145). Auf der anderen Seite geht aus Studien auch hervor, dass die Mortalitätsraten bei Unternehmungen wissensintensiver Wirtschaftszweige annähernd bei 50% innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gründung liegen (Brixy/Grotz 2004: 192; Fritsch 2004: 5). Die Dienstleistungs- und Gründungsforschung hat trotz dieser hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung des wissensintensiven Dienstleistungssektors und des zu verzeichnenden intensiven Gründungsgeschehens die Besonderheiten von Dienstleistungsgründungen im Allgemeinen (Ehrmann 2003: 211; Freiling/Estevão 2005: 263ff.) und von wissensintensiven Dienstleistungsgründungen im Besonderen bisher kaum thematisiert (Ausnahmen: Venkataraman et al. 1990; Lechner/Dowling 2003; Otto 2004; Stahlecker/Koschatzky 2004; Weterings/Koster 2004). Eine Verknüpfung der Erkenntnisse beider Forschungsbereiche zur Untersuchung junger wissensintensiver Dienstleister ist bisher noch ausgeblieben. Insbesondere ist ungeklärt, welche wertschöpfungsbedingten Besonderheiten den Erfolg sowie Misserfolg junger wissensintensiver Dienstleister beeinflussen. Eine Bestandsaufnahme fand bislang primär auf der Basis von Branchenklassifizierungen (Aulinger 2005) oder über die jeweilige Akademikerquote (Alvesson 1995) in einer Unternehmung statt, was jedoch zur Erfassung der

226

Jörg Freiling/Heiko Hansen

wertschöpfungsbezogenen Besonderheiten unzureichend ist, so dass zunächst eine gründlichere Auseinandersetzung mit den wissensintensiven Dienstlungen erforderlich ist. 2

Wertschöpfungsbedingte Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister

Die wertschöpfungsbezogenen Besonderheiten wissensintensiver Dienstleistungen werden im Folgenden auf Basis der Vorarbeiten von Engelhardt et al. aufgearbeitet, die die Integration des externen Faktors (Prozessebene) und die Immaterialität (Ergebnisebene) als die wesentlichen Merkmale zur Kategorisierung von Leistungsbündeln im Allgemeinen und Dienstleistungen im Besonderen herausgestellt haben (Engelhardt et al. 1993: 395ff.). In diesem Zusammenhang bemerken Engelhardt et al., dass erstens die Erstellung jeglicher Marktleistungen und insbesondere von Dienstleistungen zumindest eine minimale Integration des Kunden erfordert und zweitens sich Dienstleistungen immer aus immateriellen und ggfs. auch aus materiellen Ergebnisbestandteilen zusammensetzen (Engelhardt et al. 1993: 400, die von einem Integrativitäts- und Immaterialitätssockel sprechen). Auch wenn eine trennscharfe Charakterisierung von Dienstleistungen im Allgemeinen und wissensintensiven Dienstleistungen im Besonderen nicht möglich zu sein scheint, da sich jede absatzfähige Leistung als Leistungsbündel aus einem Mindestmaß an integrativen Prozessen und immateriellen Ergebnisbestandteilen (Engelhardt et al. 1993: 395ff.) rekrutiert, so ist zumindest eine Annäherung an die wertschöpfungsbezogenen Besonderheiten anhand von konstitutiven Dienstleistungsmerkmalen möglich (Meffert 1993: 7). Eine themenspezifische Erweiterung des Ansatzes von Engelhardt et al. erfolgt unter Berücksichtigung der bezüglich der Potentialebene hohen Wissensintensität bei den hier zu betrachtenden Ventures mit der Einführung einer diesbezüglichen dritten Dimension, um eine Unterscheidung der wissensintensiven von den nicht-wissensintensiven Dienstleistungen zu ermöglichen. Damit wird der Dreidimensionalität von Dienstleistungen (Bereitstellungsleistung, Leistung als Prozess, Leistung als Ergebnis) auch im Bereich der Typologisierung Rechnung getragen. Im Vergleich zu den nicht-wissensintensiven Dienstleistern aktivieren wissensintensive Dienstleister ihre Hauptwertschöpfungskomponente ‚Wissen’ im Kundeninteraktionsprozess. Ein Beispiel stellt die Nutzung und zum Teil auch die Übertragung des hochwertigen Erfahrungswissens einer Unternehmensberatung dar. Dadurch wird der Klientel indirekt, zum Teil aber auch direkt ermöglicht, dieses Wissen in den eigenen Wertschöpfungsprozess einzubringen. Prozess- und ergebnisbezogen stellen wissensintensive Dienstleistun-

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

227

en sin t

en sit ät

sg ra d

gen vorwiegend individuelle, strukturell sowie prozessual komplexe und auf Wissen basierende Problemlösungen dar, die einen hohen Kundenintegrationsgrad erfordern sowie anbieter- und nachfragerseitig im Ergebnis nur schwer zu beurteilen sind (Meyer 1991: 199; Osterloh/Boos 2001: 787). Die Ausprägung dieser drei angeführten konstitutiven Merkmale wissensintensiver Dienstleistungen resultiert insbesondere aus einer aus informationsökonomischer Sicht hohen nachfrager-, aber auch anbieterseitigen Verhaltensunsicherheit (Woratschek 1996: 62). Die spezifische Unsicherheitskonstellation lässt sich auch daran ablesen, dass Dienstleistungen sog. Kontraktgüter darstellen (Schade/Schott 1991: 18). Kontraktgüter sind zum Absatzzeitpunkt der Leistung noch nicht vollständig produziert. Insofern handelt es sich um den Absatz von Leistungsversprechen, denen der Anbieter nachkommen muss. Nicht zuletzt durch die integrativitätsbedingte Beteiligung des Kunden sind die Leistungen nur bis zu einem gewissen Grad standardisierbar (Schade/Schott 1991: 18), was auch und vor allem für wissensintensive Dienstleistungen gilt.

W iss

nicht-wissensintensive Dienstleistungen

nicht-wissensintensive Sachleistungen wissensintensive Sachleistungen

+

+

wissensintensive Dienstleistungen

Integrativitätsgrad

wissensintensive Dienstleistungen im engeren Sinn

wissensintensive Dienstleistungen im weiteren Sinn

Abbildung 1:

-

Immaterialitätsgrad

+

Abgrenzung wissensintensiver Dienstleistungen (Quelle: in Anlehnung an Engelhardt et al. 1993: 415)

228

Jörg Freiling/Heiko Hansen

Zusammenfassend zeichnen sich wissensintensive Dienstleistungen durch die wertschöpfungsbedingten Besonderheiten der hohen Wissensintensität (Potentialebene), des hohen Kundenintegrationsgrades (Prozessebene) und der hohen Immaterialität (Ergebnisebene) aus und sind im Vergleich zu den in der Abbildung 1 dargestellten wissensintensiven Dienstleistungen im weiteren Sinne abzugrenzen. Letztgenannte verfügen über einen geringeren Kundenintegrationsgrad, wie es z. B. in einem Standardsoftware-Unternehmen der Fall ist. Der Fokus dieses Beitrages liegt ausschließlich auf den wissensintensiven Dienstleistungen im engeren Sinne, die einen hohen Leistungsindividualisierungsgrad aufweisen und für den Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen als typisch gelten. Nach intensiver Aufarbeitung der wesentlichen konstitutiven Merkmale wissensintensiver Dienstleistungen stellt sich dieser Beitrag – auch im Hinblick hoher Mortalitätsraten in den ersten Gründungsjahren – der Forschungsfrage nach den Erfolgspotentialen und -faktoren1 im Gründungs- und Etablierungsprozess im Kontext der spezifischen wertschöpfungsbezogenen Besonderheiten. Dabei fokussiert dieser Beitrag mit Blick auf den noch sehr jungen Forschungsstand innerhalb dieses Forschungsfeldes vorwiegend auf die Darlegung eines ganzheitlichen Rahmens zur Erklärung von Gründungserfolg bei diesem Venture-Typ, der auch als Basis für Folgearbeiten dienen soll. Somit kann diese Arbeit nur einen ersten Einblick auf die noch darzulegenden Erfolgsfaktoren vermitteln, da der Fokus vor allem auf den hierfür notwendigen vor gelagerten Basisüberlegungen beruht. Mit Blick auf diese Zielsetzung erscheint ein referenztheoretisches Vorgehen auch aufgrund des in der Gründungsforschung vorherrschenden Theoriedefizits (Shane/Venkataraman 2000: 217; Dowling/Drumm 2003: 2) zur Erklärung von Gründungserfolg notwendig und weiterführend. Zur Deduktion der Erfolgspotentiale und -faktoren ist daher nachfolgend eine geeignete Referenztheorie auszuwählen, die die Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister zu erfassen in der Lage ist. Hierfür soll nachfolgend kurz – basierend auf den bisherigen wertschöpfungsbezogenen Erkenntnissen wissensintensiver Dienstleistungen im Allgemeinen – auf diese Besonderheiten kurz eingegangen werden. Ein junger wissensintensiver Dienstleister muss auf Basis der eben aufgezeigten wertschöpfungsbedingten Besonderheiten gleich nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit seine zumeist durch Erfahrungswerte geprägte Wissensbasis auf ein wettbewerbsfähiges Maß weiterentwickeln (Alvesson 1995: 6; Hermann 2004: 16) sowie auf organisationaler Ebene verankern (Nonaka/Takeuchi 1997), 1

Erfolgspotentiale stellen die zukünftigen Handlungsmöglichkeiten einer Unternehmung dar, die durch die Erfolgsfaktoren beeinflusst bzw. operationalisiert werden können (Breid 1994: 37).

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

229

um der kundenseitigen Erwartungshaltung nachkommen zu können. Weiterhin sollte die junge wissensintensive Dienstleistungsunternehmung recht zeitnah Prozesssicherheit durch Routinisierung (vgl. zum Routinebegriff Nelson, Winter 1982; Pentland/Rueter 1994 sowie Schreyögg et al. 2004: 1279f.) – soweit dieses das individualisierte Ergebnis zulässt (vgl. zu Möglichkeiten der Standardisierung Gersch 1995) – der Abläufe und der damit verbundenen positiven Auswirkungen auf den Kundenintegrationsprozess erlangen. Ferner gilt es, die sich durch die Immaterialität noch verstärkende fehlende Bekanntheit junger Unternehmungen am Markt abzubauen (Freiling/Estevão 2005: 263ff.). Diese wertschöpfungsbedingten Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister und die damit verbundenen Ansatzpunkte zur Ausschöpfung von Erfolgspotentialen machen deutlich, dass vor allem die internen Fähigkeiten wesentliche Gestaltungsparameter für den Gründungserfolg darstellen, so dass im Folgenden ein kompetenzbasierter Ansatz als Referenzrahmen zur Deduktion von Erfolgspotentialen und -faktoren gewählt wird (Hamel/Prahalad 1995: 63; Teece et al. 1997: 509), zumal ein solcher für die Dienstleistungsforschung (Freiling/Gersch 2006: 3ff.) sowie Entrepreneurship-Forschung (Alvarez/Busenitz 2001: 755ff.; Dollinger 2003: 10ff.) als erklärungsmächtig angesehen wird. 3

‚Competence-based Theory of the Firm’ (CbTF) als Basis zur Erklärung von Gründungserfolg

Ein zur Untersuchung der Forschungsfrage passender kompetenzbasierter Ansatz ist die in der evolutorischen Ökonomik verortete Competence-based Theory of the Firm (CbTF) (Gersch et al. 2005; Freiling et al. 2006). Die CbTF erscheint für die vorliegende Untersuchung geeignet, da sich die gewählten Basisannahmen zur Bildung des ‚harten Kerns’ des Forschungsprogramms im Sinne von Lakatos (1974: 129ff.) der CbTF (Freiling 2001; Gersch et al. 2005: 17ff.; Freiling et al. 2006) der spezifischen Gründungsthematik entsprechen und sich zudem die wissenschaftstheoretischen Probleme des ressourcenorientierten Ansatzes (Zirkelschlussproblematik, Begriffswirrwarr, Inkommensurabilität) vermeiden lassen. Die Überlegungen des ‚harten Kerns’ der CbTF (Gersch et al. 2005; Freiling et al. 2006) fußen auf der Annahme radikaler Unsicherheit im wirtschaftlichen Handeln und einem methodologisch individualistischen Verständnis zur Erklärung kollektiver Prozesse. Dabei sind die einzelnen Wirtschaftsakteure im Sinne einer subjektivistischen Grundposition mit unterschiedlichem Wissen, Wollen und Können ausgestattet, wobei die CbTF auf das Menschenbild des ‚homo agens’ nach Ludwig von Mises (1940), der innerhalb der Marktprozess-

230

Jörg Freiling/Heiko Hansen

theorie verortet ist und sich durch Findigkeit sowie Ökonomisierung in seinen Handlungen charakterisieren lässt (Mises 1940), zurückgreift. Dieses Menschenbild unterstellt ein Streben nach Verbesserung einer Ausgangssituation durch kreatives und vorausschauendes Handeln, welches auf einer bewussten Einflussnahme auf den vorliegenden Ziel-, Mittel- und Alternativenrahmen beruht. Dieses schaffende, verändernde, gestaltende Moment findet unter Berücksichtigung des Embeddedness-Arguments Niederschlag in der gemäßigtvoluntaristischen Grundposition des Ansatzes. Weiterhin betrachtet die CbTF das wirtschaftliche Handeln im Zeitverlauf und nimmt eine prozessuale zeitpfadbezogene Sichtweise ein. Die Pfadbezogenheit impliziert, dass die derzeitigen und zukünftigen Handlungsmöglichkeiten durch die Irreversibilität vergangener Entscheidungen bzw. Entwicklungsverläufe beeinflusst werden, was zum Teil – und zwar im Falle von Pfadabhängigkeit – extreme Ausmaße annehmen kann (Schreyögg et al. 2003: 260f.). Im Zusammenhang des zentralen Erkenntnisziels der CbTF mit der „Erklärung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen (auf Märkten) aus der unterschiedlichen Verfügbarkeit von Ressourcen und Kompetenzen“ (Gersch et al. 2005: 41) wird die Singularität der Unternehmung betont und primär auf Faktoren wie das Humanvermögen, das verfügbare Wissen, die geschaffenen marktrelevanten Werte, die verfügbaren individuellen und organisationalen Fähigkeiten (Potentialdimension) sowie deren Aktivierung (Prozessdimension) zum Zwecke der Erstellung von Leistungen (Ergebnisdimension) zurückgeführt. Der Ansatz scheint gerade für die wissensintensiven Dienstleistungsunternehmungen Eignung zu besitzen, da sich die Wissensintensität, wie bereits gezeigt, in allen drei Leistungsdimensionen nachweisen lässt. Die im Erkenntnisziel der CbTF angeführte Wettbewerbsfähigkeit, die sich im Sinne von D. Schneider auf die Behauptung gegenüber Wettbewerbern ebenso wie auf die Bewährung in Marktprozessen gegenüber Kunden und Lieferanten zurückführen lässt (Schneider 1997: 68), erweist sich zudem als Erfolgsindikator zur Operationalisierung von Gründungserfolg (Meyer 1999; Schulte 2004: 216f.) zweckmäßiger als die häufig verwendeten finanziellen Erfolgsgrößen, die ausschließlich den Fokus auf die Innenperspektive einer Unternehmung richten (vgl. zur Operationalisierung des Gründungserfolgs insbesondere MüllerBöling, Klandt 1993: 154; Schulte 2004: 216f.). Von Gründungserfolg ist in diesem Zusammenhang immer dann zu sprechen, wenn die Unternehmung durch Behauptung gegenüber Wettbewerbern und durch Bewährung in Marktprozessen gegenüber Kunden und Lieferanten eine nachhaltige Etablierung am Markt erlangt hat, das heißt fünf Jahre nach erfolgter Gründung noch am Markt existent ist (Fallgatter 2002: 28f.), und die noch in diesem Beitrag zu deduzierenden Erfolgspotentiale und -faktoren des

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

231

jungen wissensintensiven Dienstleisters auf die Entdeckung und Ausnutzung zukünftiger Markt- und Kundenpotentiale zielführend, das heißt effektiv sowie effizient, ausgerichtet sind. 4

‚Open System View’ als kompetenztheoretisches Wirkungsmodell

Zur theoriegeleiteten Deduktion möglicher Erfolgspotentiale und -faktoren wissensintensiver Dienstleistungsgründungen wird das kompetenztheoretische Wirkungsmodell des ‚Open System View’ nach Sanchez und Heene gewählt (Sanchez/Heene 1996: 41), da hier unter anderem die relevanten Dimensionen der Gründungsforschung – Unternehmerperson, Unternehmung und Unternehmungsumwelt (Gartner 1985: 702) – Berücksichtigung finden und ferner die gesamte Wertschöpfungskette einer wissensintensiven Dienstleistungsunternehmung abgebildet wird (Freiling/Estevão 2005: 278f.; Freiling/Gersch 2006). Der innerhalb des strategischen Managements – und damit zumeist für etablierte Unternehmungen geltende ‚Open System View’ – muss allerdings zunächst auf seine gründungsspezifische Eignung überprüft werden. Hierfür werden der Grundaufbau sowie die Kausalstruktur des ‚Open System View’ in Abschnitt 4.1 dargelegt, um diese dann in Abschnitt 4.2 mit Blick auf die Forschungsfrage kritisch zu diskutieren. Auf dieser Grundlage erfolgt in Abschnitt 4.3 eine auf CbTF-Basis forschungsleitende Rekonfiguration sowie Erweiterung des ‚Open System View’, die die zielorientierte Basis zur Deduktion von Erfolgsdeterminanten junger wissensintensiver Dienstleister legen. 4.1 Grundaufbau und Kausalstruktur Der ‚Open System View’ wird als ‚dynamic’, ‚systemic’, ‚cognitive’ und ‚holistic’ beschrieben (Sanchez et al. 1996: 11). Die Einnahme einer dynamischen Perspektive (‚dynamic’) berücksichtigt die sich kontinuierlich ändernden Umfeld- und Marktbedingungen, die bei Ausrichtung der Ressourcen- und Kompetenzbasis einer Unternehmung im Zeitverlauf zu berücksichtigen sind (Sanchez/Heene 1996: 39). Wettbewerbsfähigkeit wird dabei nach Sanchez und Heene nicht nur durch die marktrelevante unternehmungsinterne Ressourcen- und Kompetenzbasis (‚firm-specific resources’) bedingt, sondern auch wesentlich von den beschaffungs- wie absatzseitig zugänglichen unternehmungsexternen Potentialen (‚firm-addressable resources’) bestimmt (Sanchez/Heene 1996: 42). Diese Betrachtungsweise der Unternehmung als offenes System (‚systemic’) wirkt sich dabei auf die Komplexität der

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Jörg Freiling/Heiko Hansen

Unternehmungssteuerung aus, so dass es insbesondere von den kognitiven Fähigkeiten des Managements (‚cognitive’) abhängt, dieses System zu koordinieren, um Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen (Sanchez/Heene 1996: 48). Das Management sollte dabei erstens die effiziente Umsetzung der derzeitigen Strategie durch Ausnutzung der bestehenden Ressourcen und Kompetenzen gewährleisten (‚Competence leveraging’), zweitens aber auch durch Weiterentwicklung oder Bildung neuer Ressourcen und Kompetenzen effektive Handlungspotentiale schaffen (‚Competence building’; Sanchez et al. 1996: 8). Die letzte Basisannahme beschreibt den ‚Open System View’ als holistisches System (‚holistic’), in dem insbesondere die Stakeholder-Ziele bei der organisationalen Zielbildung mit einzubeziehen sind (Sanchez et al. 1996: 16; Sanchez 2004: 521). Eine derartige Sichtweise widerspricht der o.g. Annahme des methodologischen Individualismus nicht, weil mit dieser Form von Holismus nicht etwa die ausschließliche Zuschreibung von Eigenschaften zu Organisationen erfolgt, sondern auf anderer Ebene angesetzt wird.

Umfeld

insb. Umfeldscanning, Benchmarking, Einbezug von Beratern

Grenzen der Unternehmung als offenes System

Strategic Logic Gemeinsame Grundhaltung der Zielerreichung

Informationen

Informationen

Intangible Assets u.a. Wissen, Rechte, Reputation, Beziehungen

Tangible Assets Sachkapital: u.a. Maschinen, Gebäude

Operative Prozesse u.a. Entwicklung, Herstellung und Marketing der Produkte

Produkte Absatzfähige Leistungsbündel

Marktinformationen: u.a. Qualität, Marktanteil

Abbildung 2:

Absatzmarkt

„ Open System View” (Quelle: Sanchez/Heene 1996: 41)

Wettbewerb

extern zugängliche Ressourcen

Informationen

Entscheidungen, Regel, etc

Firm addressable resources

zunehmende Intransparenz und organisationale Trägheit

Management-Prozesse Koordinations- und Entscheidungsmechanismen zwecks Ressourcenentwicklung und -einsatz

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

233

Mit Bezug auf die dargelegte Kausalstruktur in Abbildung 2 ist zu konstatieren, dass der Ausgangspunkt bzw. die ‚Schaltzentrale’ innerhalb dieses Modells die ‚Strategic Logic’ (Sanchez et al. 1996: 10) ist, welche die gemeinsame Grundhaltung der Unternehmungsführung – aber auch die der Mitarbeiter – zur Erreichung der gesteckten Unternehmungsziele darstellt. Hierbei handelt es sich um einen Willensbildungsprozess – insbesondere auf der Managementebene – wie die Ressourcen und Kompetenzen, die im ‚Open System View’ als ‚intangible assets’ und ‚tangible assets’ erfasst werden, auf die erkannten derzeitigen und zukünftigen Marktchancen auszurichten (‚Competence leveraging’) bzw. weiterzuentwickeln (‚Competence building’) sind (Sanchez/Heene 1996: 40ff.). Kognitive Limitationen innerhalb der ‚Strategic Logic’, z. B. resultierend aus fehlendem Erfahrungswissen, die sowohl das Erkennen von Marktveränderungen sowie die damit verbundene Ausrichtung der Ressourcen- und Kompetenzbasis betreffen, können dabei unter anderem durch internes wie externes Benchmarking, den Einbezug eines externen Beraters oder der Akquirierung neuer Manager reduziert werden (Sanchez/Heene 1996: 54), die zugleich den Ausgangspunkt für unternehmungsseitige Lernprozesse stellen. Die ‚Strategic Logic’ erhält im Kontext der CbTF eine besondere Bedeutung: Durch sie wird die aktiv-kreative Ausrichtung wirtschaftlichen Handels konkretisiert und strukturiert, und zwar im Rahmen der spezifischen Wissensund Fähigkeitskonstellation der Akteure sowie unter Berücksichtigung der mit Unsicherheit verbundenen Opportunitäten und Gefahren. Der Einfluss der ‚Strategic Logic’ wird in der Gestaltung der ihr nachgelagerten ‚ManagementProzesse' deutlich. Die Managementprozesse gewährleisten ihrerseits die Implementierung der gemeinsamen Grundhaltung in Form von geteilten Werten und Zielvorstellungen einer Unternehmung durch zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Kontrolle der Ressourcen- und Kompetenzbasis anhand etablierter Koordinationsmechanismen. Hierzu zählen beispielsweise strategische Planungs- und Umsetzungsprozesse sowie Informations- und Kommunikationssysteme (Sanchez/Heene 1996: 40). Diese implementierten Mechanismen, die auf allen Hierarchieebenen einer Unternehmung wirken, nehmen unter anderem Einfluss auf die Güte der Entdeckung und Auswertung von Informationen, der Entscheidungsfindung und -übermittlung sowie der Schaffung von Motivationsanreizen auf Mitarbeiterebene (Sanchez/Heene 1996: 40). Daneben besteht für eine Unternehmung die Möglichkeit, eine quantitative sowie qualitative Erweiterung der Ressourcen- und Kompetenzbasis durch ‚firm-addressable resources’ herbeizuführen (Sanchez/Heene 1996: 41). Unter den ‚firm-addressable resources’ fassen Sanchez und Heene alle einer Unternehmung zugänglichen externen Potenziale – insbesondere seitens anderer Un-

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Jörg Freiling/Heiko Hansen

ternehmungen – (Sanchez/Heene 1997: 6), deren Einbezug auf Basis informaler oder formaler Kooperationsvereinbarungen ermöglicht wird. Aus den einer Unternehmung zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen resultieren innerhalb des ‚Open System View’ die jeweiligen operativen Prozesse, die der eigentlichen Leistungserstellung dienen und letztlich in ein mehr oder weniger wettbewerbsfähiges Leistungsergebnis münden. Der in der Abbildung 2 auf der linken Seite aufgezeigte Informationsrückfluss aus den einzelnen Leistungsdimensionen sowie des Absatzmarktes soll gewährleisten, dass Fehlentwicklungen auf den jeweiligen Ebenen durch das Management erkannt werden und somit den Grundstein für notwendig einzuleitende Veränderungen bzw. Rekombinationen der Ressourcen- und Kompetenzbasis legen (Sanchez/Heene 1996: 51ff.). Dabei nimmt die ‚Strategic Logic’ einer Unternehmung wesentlichen Einfluss auf die Quantität wie Qualität hinsichtlich der Identifikation bzw. Interpretation von Informationen und den daraufhin ggfs. einzuleitenden Veränderungen auf organisationaler Ebene. Mit Gesamtblick auf alle Ebenen des ‚Open System View’ kann Wettbewerbsfähigkeit nur erlangt werden, wenn die Unternehmung in der Lage ist, die wertschöpfungsbedingten strategischen sowie operativen Lücken (‚gaps’) zu erkennen und im Kontext langfristiger Marktanforderungen zu schließen (Sanchez/Heene 1996: 50). Während operative Lücken in der Regel bei den ‚tangible assets’ und den operativen Prozessen vorherrschen, dabei leichter zu erkennen sind und durch kurzfristige Maßnahmen geschlossen werden können (Sanchez/Heene 1996: 51ff.), treten strategische Lücken vorwiegend bei den Elementen der ‚Strategic Logic’, den ‚Management-Prozessen’ und ‚intangible assets’ auf (Sanchez/Heene 1996: 50ff.). Insbesondere die strategischen ‚gaps’ werden aufgrund der idiosynkratischen kognitiven Fähigkeiten des Managements unterschiedlich erfolgreich wahrgenommen (Sanchez/Heene 1996: 53ff.), zumal sie vorwiegend impliziter Natur sind, einer kausalen Mehrdeutigkeit unterliegen – insbesondere auf der Ebene der ‚Strategic Logic’ – und nur durch eine mittel- bis langfristige qualitative Erneuerung (‚competence building’) zu schließen sind (Sanchez/Heene 1996: 50). Dabei sind es vor allem diese strategischen Aspekte der ‚Strategic Logic’, der ‚Management-Prozesse’ und teilweise der ‚intangible assets’, die eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern (Sanchez/Heene 1996: 51) und anhand einer pro-aktiven strategischen Weichenstellung die notwendige Flexibilität in einem sich ändernden Marktumfeld gewährleisten bzw. das Marktumfeld aktiv mitzugestalten im Stande sind. Diese schlägt sich insgesamt auch auf die Veränderungsbereitschaft sowie -fähigkeit einer Organisation nieder. Zusammenfassend sollte in Anbetracht von radikaler Unsicherheit und Pfadbezogenheit der organisationalen Entwicklung das Ziel einer Unterneh-

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

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mung sein, auf allen Ebenen innerhalb des ‚Open System View’ eine Flexibilität zu erlangen, die mehrere Handlungsoptionen im zeitpfadbezogenen Kontext zulässt, wie zum Beispiel die Einsatzvariabilität der Ressourcen im Leistungserstellungsprozess, um somit die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. 4.2 Kritische Diskussion des ‚Open System View’ Die inhaltlich kritisch anzuführenden bzw. die auf den ersten Blick problematisch erscheinenden Aspekte innerhalb des ‚Open System View’ sollen im Folgenden mit Blick auf die Forschungsfrage diskutiert werden. Ressourcen- und kompetenzbezogene Kausalstruktur des ‚Open System View’. Aus der im ‚Open System View’ zum Teil sehr weit gefassten Definition der ‚assets’, die die innerhalb der CbTF abgegrenzten Begriffe der Inputgüter, Ressourcen sowie Kompetenzen2 umfasst, lässt sich kaum auf die kausalen Zusammenhänge schließen, die zu einem Ressourcen- und Kompetenzaufbau sowie zu deren Weiterentwicklung führen. Zwar thematisieren Sanchez und Heene insbesondere das Competence-building und Competence-leveraging (Sanchez/Heene 1996; Sanchez/Heene 1997). Allerdings erfolgt dies eher auf einer normativen Ebene, da eine inhaltliche Abgrenzung der Ressourcen von den Kompetenzen nur am Rande erfolgt und sich somit auch nicht deren Wirkungsbeziehungen untereinander zur Erklärung von Wettbewerbsfähigkeit eindeutig herausstellen lassen. Um diese Lücke zu schließen, werden im Folgenden die Begriffsabgrenzungen sowie die Kausalstruktur der CbTF (siehe zur Kausalstruktur Gersch et al. 2005: 44 und Abbildung 3) in den ‚Open System View’ integriert, um dieses Defizit zu kompensieren. Weiterhin wurden die wertschöpfungsbezogenen Besonderheiten wissensintensiver Dienstleister den einzelnen Leistungsdimensionen zugeordnet. Implizite Betrachtung des unternehmerischen Handelns. Die von Sanchez und Heene gewählte übergeordnete Größe der ‚Strategic Logic’ und die daraus 2

„Inputgüter sind homogene, prinzipiell marktgängige, unternehmensextern oder -intern erstellte Faktoren, die den Ausgangspunkt weiterer Verwertungs- oder Veredelungsaktivitäten bilden“ (Gersch et al. 2005: 45). „Ressourcen sind das Ergebnis durch Veredelungsprozesse weiterentwickelte Inputgüter, die wesentlich zur Heterogenität der Unternehmung und zur Sicherstellung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit beitragen (sollen)“ (Gersch et al.: 45). „Kompetenzen sind wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotentiale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse ermöglichen. Sie dienen dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfähigkeit und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile“ (Gersch et al. 2005: 48).

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resultierenden ‚Management-Prozesse’ zur Planung, Steuerung und Kontrolle der Ressourcen- und Kompetenzbasis weisen einen hohen Abstraktionsgrad hinsichtlich der internen und externen Einflüsse auf, die für die Entstehung sowie Veränderung der ‚Strategic Logic’ im Zeitverlauf ursächlich sind. Weiterhin ist bisher noch keine explizite Übertragung dieser Logic auf die Gründungsthematik erfolgt. Berücksichtigung des individuellen wissensintensiven Leistungserstellungsprozesses und -ergebnisses. Innerhalb des ‚Open System View’ wird für das wissensintensive Dienstleistungssegment nicht explizit genug auf die individuellen Kundenziele sowie das Kundenwissen, die für den erfolgreichen individuellen Leistungserstellungsprozess eines wissensintensiven Dienstleisters auf der Geschäftsbeziehungsebene unabdingbar sind, eingegangen, sondern allgemein auf die gegenwärtigen und zukünftigen Marktanforderungen fokussiert (Sanchez/Heene 1996). Die Berücksichtigung der individuellen Kundenziele und des Kundenwissens sind daher insofern relevant, als hier eine wettbewerbsfähige kundenspezifische Problemlösung im Gegensatz zu einer Unternehmung, die Standardprodukte herstellt, nur unter Mitwirkung des Kunden gemeinsam gefunden werden kann. Berücksichtigung unterschiedlicher Branchendynamik. Sanchez und Heene behandeln nicht explizit die vorherrschenden Veränderungsgeschwindigkeiten in einzelnen Branchen (Sanchez/Heene 1996: 58f.), welche allerdings aufgrund der Heterogenität des Dienstleistungssektors und den damit verbundenen unterschiedlichen Branchendynamiken im weiteren Verlauf mit einzubeziehen sind, um insbesondere branchensegmentspezifisch auf die damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen an eine wettbewerbsfähige Gestaltung der Ressourcen- und Kompetenzbasis eingehen zu können. Die kritische Diskussion des ‚Open System View’ hat deutlich werden lassen, dass Modifizierungsbedarf besteht, um den gründungskontextspezifischen Besonderheiten wissensintensiver Dienstleister zur Erklärung von Gründungserfolg nachkommen zu können. Trotz aller kritischen Anmerkungen erscheint das Modell von Sanchez und Heene, wie sich noch zeigen wird, ein im Grundsatz auf CbTF-Basis geeigneter Bezugsrahmen zur Erklärung von Gründungserfolg, zumal die ganzheitliche und eher übergeordnete Darlegung der Unternehmung als offenes System Modifikationen sowie Spezifizierungen auf den einzelnen Ebenen zulassen.

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

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4.3 Forschungsleitende Modifizierung des ‚Open System View’ Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden unter Einbezug der wertschöpfungsbedingten Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister insbesondere die Entrepreneur’s Logic und die Customer’s Logic neu eingeführt sowie die unterschiedlich vorherrschenden Marktdynamiken innerhalb des heterogenen Dienstleistungssektors mit in die Betrachtung einbezogen. Gleichzeitig wurde die Terminologie der CbTF, welche Hinweise auf den Ressourcen- und Kompetenzaufbau innerhalb einer Unternehmung liefert, integriert. Die vorgenommenen Änderungen werden nun im Einzelnen diskutiert und innerhalb des auf CbTF-Basis modifizierten ‚Open System View’ (Abbildung 3) im Gesamtzusammenhang näher erläutert. Entrepreneur’s Logic als Ausgangspunkt unternehmerischen Handelns. Um sich den Besonderheiten der Entrepreneur’s Logic anzunähern, erscheint es hilfreich, zunächst auf bereits in der Literatur dargelegte führungsspezifische Logiken kurz einzugehen. Erwähnenswert ist neben der bereits diskutierten ‚Strategic Logic’ vor allem der Begriff der ‚Dominant Logic’ (Prahalad/Bettis 1986), der auf Prahalad und Bettis zurückgeht und inhaltlich wie folgt gefasst wird: „…the way in which managers conceptualize the business and make critical resource allocations decisions…“ (Prahalad/Bettis 1986: 490). Ähnlich der ‚Strategic Logic’ beeinflusst die ‚Dominant Logic’ (vgl. hierzu auch Freiling 2005) die gemeinsame Grundhaltung der handelnden Akteure innerhalb einer Organisation zur Erreichung der Unternehmungsziele. Im Vergleich zur ‚Strategic Logic’ basieren die Ausgangsüberlegungen der ‚Dominant Logic’ auf sog. ‚cognitive maps’ der Individuen (Downs/Stea 1973; Kitchin 1994), die dem handelnden Akteur eine mentale Vorstrukturierung (‚mentale Modelle’) der Realität zur Vereinfachung sowie Einordnung bereits bekannter, aber insbesondere auch neuer zumeist komplexer Situationen ermöglichen (Kitchin 1994: 2ff.). Diese kognitiven Karten basieren dabei unter anderem auf individuellem Wissen, welches die Informationswahrnehmung, -filterung sowie -verarbeitung und somit auch den Entscheidungsbildungsprozess je nach Ausprägungsgüte festlegt (Kitchin 1994: 14).

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Markt- und Kundenanforderungen im Zeitverlauf (Umwelt- und Marktdynamik)

Entrepreneur‘s Logic Selbstreflexion

unternehmerische Handlung

Inputgüterbasis Veredelungskompetenzen Ressourcenbasis Marktzufuhrkompetenzen (hoher Wissensintensitätsgrad)

Informationen

Leistungserstellungsprozesse

Informationen

Leistungsergebnis

Kunden- und Marktinformationen: u.a. Qualität, Marktanteil

Abbildung 3:

Steuerung

(hohe Kundenintegration)

Inputgüter/ kontextunspezifische Ressourcen

Informationen

Management-Prozesse Koordinations- und Entscheidungsmechanismen

Firm addressable resources

zunehmende Intransparenz und organisationale Trägheit

Informationen

zielorientiertes Handeln

(hohe Immaterialität)

Customer‘s Logic (Absatzmarkt)

Wettbewerb

Modifizierter Open System View

Kritisch bleibt allerdings zu hinterfragen, ob die ‚Dominant Logic’ erstens auf die Gründungsforschung übertragbar ist sowie darauf aufbauend zweitens eine zur CbTF paradigmatische Kompabilität hergestellt werden kann. Hinsichtlich der Übertragbarkeit auf die Gründungsforschung ist zu konstatieren, dass die ‚Dominant Logic’ zwar teilweise zur Erklärung eines zielorientierten Entscheidungsfindungsprozesses beiträgt, allerdings keine Konkretisierung der Einflussfaktoren, die ursächlich für die Entstehung sowie Veränderung der ‚Dominant Logic’ im Zeitverlauf sind, vorgenommen wird. Weiterhin lässt diese Logic dann folglich auch keine Rückschlüsse auf ursächliche Faktoren unternehmerischer Entscheidungen und den damit verbundenen Handlungen zu. Mit Blick auf die Gründungsforschung sind hierbei insbesondere die drei übergeordneten Forschungsobjekte – Unternehmer, Unternehmung, Unternehmungsumwelt (Gartner 1985: 702) – mit einzubeziehen, die den unternehmerischen Entscheidungsbildungsprozess maßgeblich beeinflussen, um die ‚black box’ unternehmerischer Handlungen öffnen zu können (Fallgatter 2004: 24f.). In diesem Zusammenhang stellt sich das von Fallgatter durch Zusammenführung wesentlicher Erkenntnisse der Entrepreneurship-Forschung entworfene Regulationsgefüge unternehmerischen Handelns (Fallgatter 2002: 323ff.), das

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

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auf Basisüberlegungen der in der Organisations- und Arbeitspsychologie verorteten Handlungsregulationstheorie (Günther 2001: 112) beruht, als weiterführend heraus. Diese Öffnung wird insbesondere dadurch gewährleistet, dass durch Einbezug ursächlicher Faktoren des Entscheidungsbildungsprozesses (Unternehmerperson, unternehmerische Situation, Unternehmungsumwelt) die daraus resultierende unternehmerische Handlung zum Teil erst erklärbar wird. Dabei kann auch die paradigmatische Kompabilität zur CbTF – wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird – durch Übertragung der CbTFBasisannahmen auf das Regulationsgefüge gewahrt werden (siehe hierzu das modifizierte Regulationsgefüge in Abbildung 4). Grundsätzlich wird das Regulationsgefüge zur Erfassung und Erklärung unternehmerischen Handelns in die Teilbereiche (1) der ‚Probe-Variation’, die der gedanklichen Überprüfung unternehmerischen Handelns dient, und (2) der eigentlichen Umsetzung derselbigen untergliedert. Dabei erfasst die Planungsausgangsbasis der ‚Probe-Variation’ (Abbildung 4) die unternehmerische Zielsetzung zur Bearbeitung unternehmerischer Handlungsfelder, d. h. die Entdeckung und Ausschöpfung marktlicher Gelegenheiten. Diese unter radikaler Unsicherheit zu treffende Zielsetzung sowie ggfs. deren spätere Umsetzung beruhen dabei auf dem Menschenbild des ‚homo agens’ (Mises 1940), der mit unterschiedlichem Wissen, Wollen und Können ausgestattet ist. Diese rational-subjektivistische Grundposition ermöglicht, unterschiedlich erfolgreiches unternehmerisches Handeln und die damit verbundenen Konsequenzen hinsichtlich des Gründungserfolgs aus einer evolutorisch geprägten ökonomischen Perspektive zu erklären. Diesem subjektivistischen Grundverständnis folgend, wird in einem nächsten Schritt die Umsetzbarkeit der unternehmerischen Zielbildung auf Basis der ‚cognitive maps’ des Unternehmers, insbesondere auch unter Einbezug der unternehmerischen Situation sowie der Unternehmungsumwelt, im Modell gedanklich überprüft. Im Ergebnis führt diese gedankliche Vorwegnahme je nach subjektiver Einschätzung des Unternehmers zur Realisation (Gegenstand des Handelns), zur erneuten ‚Probe-Variation’ oder zur Verwerfung dieses Planungs- und Entscheidungsprozesses (Fallgatter 2002: 326f.; Fallgatter 2004: 24), wobei derzeitige, aber auch zukünftige Umsetzungsoptionen zeitpfadbezogen von den bisherigen unternehmerseitigen Entscheidungen bzw. Handlungen abhängig sind.

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r a d i k a l e U n s i c h e r h e i t i m w i r t s c h a f t l i c h e n Ha n d e l n (3) hypothetisches Abbild der Realität und Umsetzung abhängig von: Unternehmungssituation (2) hypothetisches Abbild der Realität und Umsetzung abhängig von: Unternehmungsumwelt

Umsetzung

„Probe-Variation“

Entreperneur‘s Logic

(1) hypothetisches Abbild der Realität und Umsetzung abhängig von: Unternehmerperson

Planausgangsbasis: Æ Menschenbild des ‚homo agens‘ Æ Subjektivismus Wirkungsantizipation: Güte je nach Wissen, Wollen und Können

Realisation: Güte je nach Wissen. Wollen und Können

Konkretisierung: Güte je nach Wissen, Wollen und Können Modell: hypothetisches Konstrukt der Realität

Suche, Bewertung bzw. Ausschöpfung eines unternehmerischen Handlungsfeldes

Reflexion (Lernen): Güte je nach Wissen, Wollen und Können

r a d i k a l e U n s i c h e r h e i t i m w i r t s c ha f t l i c h e n Ha n d e l n zeitpfadbezogene, aber ergebnisoffene Betrachtung zukünftiger Handlungsmöglichkeiten

Abbildung 4:

Modifiziertes Regulationsgefüge einer Handlungssequenz auf Basis der CbTF (Quelle: in Anlehnung an Fallgatter 2004: 24)

Im Falle einer Umsetzung wird die ‚Probe-Variation’ von der gedanklichen in die reale Welt transferiert und erzeugt einen Impuls zur Änderung des bisherigen Wirtschaftsgeschehens. Die mit diesem Impuls einhergehenden positiven wie negativen Auswirkungen auf die Unternehmungsziele werden in einem letzten Schritt durch den Unternehmer reflektiert, wobei hieraus mögliche Lernprozesse resultieren und die Güte zukünftiger ‚Probe-Variations-’ und Umsetzungsprozesse beeinflussen (Fallgatter 2002: 327ff.). Diese Lernprozesse und die daraus resultierenden Korrekturen mit Blick auf die zukünftigen unternehmerischen Handlungen werden dabei insbesondere durch ‚Trial- and Error-Prozesse’ hervorgerufen (Kirzner 1978: 8). So können unter anderem Kundenbeschwerden wichtige Hinweise auf die Veränderung unternehmungsinterner Abläufe geben. Hierdurch wird vor allem die Wissens-

Kompetenzbasierte Betrachtung junger wissensintensiver Dienstleister

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und Könnensbasis eines Unternehmers erweitert. Dies ermöglicht, je nach Lernprozessgüte, eine zukünftig wettbewerbsfähige ‚Probe-Variation’ und/oder Umsetzung, wobei das durch die ‚Trial-and-Error-Prozesse’ ausgelöste ‚Unternehmerlernen’ wiederum durch die individuell ausgeprägten Wissens-, Wollensund Könnensbasen festgelegt ist. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Relevanz des auf Erfahrungen basierenden impliziten Wissens (Polanyi 1966). Hierbei handelt es sich um das Erfahrungswissen, welches – eingebunden in Routinen – eine wirklichkeitsnahe ‚Probe-Variation’ bereits ähnlich erfahrener Situationen bzw. vorgenommener Handlungen ermöglicht und diese in eine bestimmte Richtung lenkt (Freiling 2005: 450). Dadurch kann die Abweichung zwischen hypothetischen und realen Wirkungen in der Umsetzungsphase minimiert und die Wahrscheinlichkeit eines nicht gewollten Handlungsergebnisses reduziert werden. Hier liegt auch häufig das Problem junger Unternehmungen, da die hypothetische Welt von der Realität aufgrund fehlender Branchen- und Managementerfahrungen seitens des Unternehmers zum Teil erheblich abweicht, die radikale Unsicherheit somit erhöht und einen wesentlichen Grund für die hohen Mortalitätsraten innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gründung darstellt. Nur wenn es gelingt, diese radikale Unsicherheit hinsichtlich der derzeitigen und zukünftigen unternehmungsinternen wie marktseitigen Anforderungen zu reduzieren, erscheint eine nachhaltige Etablierung eines jungen wissensintensiven Dienst-leisters am Markt für möglich. Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen wird die Entrepreneur’s Logic wie folgt definiert: Die Entrepreneur’s Logic ist Auslöser einer zielorientierten unternehmerischen Handlung, fußt dabei auf einem erfahrungsbasiert vereinfachten und subjektiven Abbild der Realität (Modell), das durch die Wissens-, Wollens- und Könnensbasis eines Unternehmers geprägt wird und einer zeitpfadbezogenen Veränderungen unterliegt. Die Ausprägungsgüte der Entrepreneur’s Logic eines wissensintensiven Dienstleistungsgründers legt damit fest, ob ein annähernd realitätsnahes Erkennen von derzeitigen und zukünftigen Marktanforderungen, insbesondere der individuellen Kundenbedürfnisse, sowie der damit verbundenen antizipierten Ausrichtung der ‚Management-Prozesse’ und der Ressourcen- und Kompetenzbasis gewährleistet wird. Insgesamt ermöglicht die Entrepreneur’s Logic die Öffnung der ‚black box’ unternehmerischen Handelns und liefert zudem Erklärungen für unterschiedlich erfolgreich agierende Gründer aus einer ökonomischen Perspektive. Customer’s Logic als Basis kundenseitigen Handelns. Ähnlich wie der Unternehmer ist der (potentielle) Kunde mit einer vergleichbaren Logic ausgestattet, die aufgrund der obligatorischen Kundenbeteiligung an der Erstellung wis-

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sensintensiver Dienstleistungen hier explizit zu betrachten ist. Im Weiteren wird hierbei von der ‚Customer’s Logic’ gesprochen, die ähnlich zur Entrepreneur’s Logic wie folgt definiert wird: Die Customer’s Logic ist Auslöser einer zielorientierten kundenseitigen Handlung, fußt dabei auf einem erfahrungsbasiert vereinfachten und subjektiven Abbild der Realität (Modell), das durch die Wissens-, Wollens- und Könnensbasis des Kunden geprägt wird und zeitpfadbezogenen Veränderungen unterliegt. Aus Sicht des jungen wissensintensiven Dienstleisters ist die jeweilige Customer’s Logic eines Kunden insofern relevant, als hier insbesondere die Kundenziele sowie das Kundenwissen verortet sind, deren Einbezug für eine wettbewerbsfähige individuelle Leistungserstellung undingbar ist. Insofern ist es für einen jungen wissensintensiven Dienstleister erforderlich, sich möglichst früh ein realitätsnahes Bild über die jeweiligen Logiken einzelner Kunden zu verschaffen, um somit auch Hinweise für eine wettbewerbsfähige Ausrichtung der Ressourcen- und Kompetenzen im Allgemeinen und mit Blick auf die jeweils kundenspezifischen Anforderungen im Besonderen zu erlangen. Ferner lässt sich mit Hilfe der Customer’s Logic der kundenseitige Auswahlprozess potentieller Anbieter ökonomisch erklären. Die ‚Probe-Variation’ der Customer’s Logic umfasst dabei das derzeitige Wissen, Wollen und Können des Kunden zwecks Anbieterselektion. Die Auswahl erfolgt zumeist auf bereits erlangten direkten oder über Dritte vermittelten positiven wie negativen Erfahrungen mit den jeweils potentiell in Frage kommenden Anbietern, wobei eine selbst getätigte oder durch Dritte vermittelte negative Erfahrung sich zu Ungunsten des Anbieters in der jeweiligen ‚Probe-Variation’ auswirkt. Mit Blick auf die Besonderheiten junger wissensintensiver Dienstleister muss dieser, um überhaupt in die kundenseitige ‚Probe-Variation’ und somit in den Auswahlprozess zu gelangen, bereits durch den Kunde positiv wahrgenommen worden sein. Hierbei ist es insbesondere aus Sicht des Dienstleisters wichtig, die nachfragerseitige Verhaltensunsicherheit (Woratschek 1996: 62) innerhalb der Potential-, Prozess- und Ergebnisebene abzubauen. Nach einer – aus Sicht des jungen wissensintensiven Dienstleisters – für ihn positiven kundenseitigen ‚Probe-Variation’ und der damit verbundenen Auftragserteilung wirkt sich unter anderem die wahrgenommene Qualität des Leistungsergebnisses auf eine veränderte Erwartungshaltung innerhalb der Customer’s Logic aus, die dann, je nach positiver oder negativer Ausprägung, in eine längerfristige Geschäftsbeziehung münden kann (Kleinaltenkamp 2005: 370f.). Insbesondere dann kann eine bessere Abstimmung zwischen der Entrepreneur’s Logic und der Customer’s Logic im Zeitverlauf erfolgen und einen reibungsloseren Ablauf während der Leistungserstellung gewährleisten (Kleinaltenkamp 1997: 106; Freiling/Gersch 2006: 21).

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Diese Annäherung der Logiken hat zwei wesentliche Ursachen: Erstens haben sich durch wechselseitig beeinflusste Erwartungen und Erfahrungen Anpassungen ergeben. Zweitens sind die Ressourcen und Kompetenzen durch den kontinuierlichen Informationsrückfluss besser aufeinander abgestimmt, wobei hierdurch als Folge eine höhere Integrationsgüte des Kundenwissens gewährleistet werden kann. Für den Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung muss ein junger wissensintensiver Dienstleister allerdings zunächst in die Planungsausgangsbasis des (potentiellen) Kunden gelangen („Evoked Set“), um überhaupt im Auswahlprozess Berücksichtigung zu finden. Dieses wird bei jungen Unternehmungen durch eine fehlende Bekanntheit am Markt erschwert. Integration differierender Branchendynamiken. Die innerhalb des heterogenen wissensintensiven Dienstleistungssektors unterschiedlich vorherrschende Branchendynamik3 lässt sich nach Sanchez weiter spezifizieren, der mit Hilfe der Einflussvariablen ‚Kundenpräferenzen’ und ‚Technologiewandel’ drei unterschiedliche Dynamiken mit marginalen (‚stable’), schrittweisen (‚evolving’) und unvorhersehbaren (‚dynamic’) Veränderungen im Zeitverlauf vorstellt (Sanchez 2004: 530). Dabei sind wissensintensive Dienstleister zumindest von den schrittweisen und dynamischen Veränderungen betroffen (Freel 2006: 336ff.). In diesem Zusammenhang verweisen Teece et al. (1997: 520ff.), die vermehrt den Fokus auf innovative und junge Branchen richten, auf die so genannten ‚Dynamic Capabilities’. Sie stellen die wettbewerbsfähige Ausrichtung der Ressourcen- und Kompetenzbasis bei dynamischen Marktveränderungen sicher und fördern die Flexibilität der Unternehmung (Teece et al. 1997: 520ff.; Burmann 2002: 109ff.). Die ‚Dynamic Capabilities’ werden insbesondere durch die Replikations- und Rekonfigurationsfähigkeit einer Unternehmung festgelegt (Teece et al. 1997: 520ff.). Die Replikationsfähigkeit „…involves transferring or redeploying competences from one concrete economic setting to another” (Teece et al. 1997: 524) und legt damit die derzeitigen Handlungsmöglichkeiten (operative Flexibilität) innerhalb des modifizierten ‚Open System View’ fest. Die Rekonfigurationsfähigkeit einer Unternehmung bestimmt, inwieweit durch Modifikationen und/oder Neugestaltung der Ressourcen- und Kompetenzbasis zukünftige Handlungsoptionen (strategische Flexibilität) marktgerecht ausgerichtet werden können, um Wettbewerbsfähigkeit im dynamischen Marktumfeld zu erlangen (Teece et al. 1997: 520f.).

3

So lässt sich feststellen, dass innerhalb des wissensintensiven Dienstleistungssektors junge dynamische Bereiche, wie z. B. die Softwarebranche, sowie eher traditionelle Bereiche, wie z. B. die Bauingenieurbranche, vorzufinden sind.

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Insgesamt ist gerade in dynamischen Märkten und somit auch bei den wissensintensiven Dienstleistern eine hohe operative wie strategische Flexibilität auf allen Ebenen des ‚Open System View’ zu gewährleisten, so dass junge Dienstleister gleich nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit diese Flexibilität aufbauen und bewahren müssen, um überhaupt wettbewerbsfähige Leistungen erbringen bzw. damit in den Markt eintreten zu können. 5

Deduktion der Erfolgspotentiale und -faktoren auf Basis des modifizierten ‚Open System View’

Gründungserfolg kann auf Basis der bisherigen Erkenntnisse nur erreicht werden, wenn die Unternehmung in einem kontinuierlichen Austausch mit ihrer Umwelt steht und hierbei Gestaltungsspielräume wahrnimmt. So ist es für junge Unternehmungen erforderlich, durch unternehmerisches Handeln die extern verfügbare Ressourcenbasis (‚firm-addressable resources’) etwa durch den Aufbau von Netzwerken zu verstärken, um unternehmungsintern bedingten Ressourcen- und Kompetenzrestriktionen entgegenzuwirken. Daneben erfordert die Etablierung im Wettbewerb einen dauerhaften Zugang zu den Absatzmärkten.

Erfahrungswissen des Unternehmers

Einbezug Erfahrungswissen Dritter

unternehmerseitiges Lernen

Flexibilität individueller Wissensbasen

zielorientiertes Wissensmanagement

extern initiierter Reputationsaufbau Gründungserfolg

Einbezug externen Wissens

Intern initiierter Reputationsaufbau

Integration des Kundenwissens

Seed Phase

Start-up-Phase

Unternehmungsflexibilität

Wissenstransferprozess

Kenntnisse der Customer Logic & des Kundenwissens

Flexibilität der Routinen

Etablierungsphase

t0

Abbildung 5:

tn

Zeitpfadbezogenes Wirkungsmodell zur Erklärung von Gründungserfolg

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Aus den aufgezeigten Ursache-/Wirkungsbeziehungen des modifizierten ‚Open System View’ können für den Gründungserfolg der zum größten Teil in dynamischen Branchen tätigen jungen wissensintensiven Dienstleister folgende Erfolgspotentiale, die im Weiteren noch anhand von Erfolgsfaktoren (siehe hierzu Abbildung 5) zu spezifizieren bzw. zu operationalisieren sind, abgeleitet werden: ƒ ƒ ƒ ƒ

operative und strategische Flexibilität der Entrepreneur’s Logic, operative und strategische Flexibilität der organisationalen Wissens- und Kompetenzbasis, operative und strategische Flexibilität des Kundenintegrationsprozesses, operative und strategische Gestaltung strategischer Geschäftseinheiten im Kontext von Verhaltensunsicherheiten.

Dabei wirkt die Flexibilität innerhalb der einzelnen Erfolgspotentiale, die die derzeitigen und zukünftigen Handlungsmöglichkeiten eines Dienstleisters determinieren, zeitpfadbezogen auf alle Gründungsphasen, die sich – wie anhand von Abbildung 5 ersichtlich – in die Seed-, Start-up- und Etablierungsphase (Freiling 2006: 162f.) unterteilen lassen. Insbesondere für einen wissensintensiven Dienstleistungsgründer erweisen sich aufgrund der zumeist unterentwickelten Wissensbasis, der geringen Anzahl an Kunden, der fehlenden Bekanntheit am Markt sowie der schwach ausgeprägten Entrepreneur’s Logic diese vier Erfolgspotentiale als Herausforderung und lassen erkennen, warum annähernd jede zweite wissensintensive Dienstleistungsgründung innerhalb der ersten fünf Jahre scheitert (Brixy/Grotz 2004: 192; Fritsch 2004: 5). Um Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, muss ein Gründer daher nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit diese Erfolgspotentiale im Sinne geltender Wettbewerbsbedingungen gestalten. Operative und strategische Flexibilität der Entrepreneur’s Logic. Die in dieser Arbeit vorgelegte Entrepreneur’s Logic hat deutlich werden lassen, dass die Güte der Erfassung der Realität als Ausgangspunkt unternehmerischen Handelns insbesondere durch das unternehmerseitige Erfahrungswissen festgelegt wird. Ferner ist es aufgrund der häufig unterentwickelten (Erfahrungs)Wissensbasis seitens des Gründers notwendig, bestehende Restriktionen durch unternehmungsexternes Erfahrungswissen (Einbezug von Netzwerkpartnern zwecks Zugang zu ‚firm-addressable resources’) zu kompensieren (Klandt 1999: 130f.). Ebenso gewährleistet die unternehmerseitige Lernfähigkeit und bereitschaft, dass die Entrepreneur’s Logic sich kontinuierlich weiterentwickelt. Dadurch wird ermöglicht, zukünftige Umwelt- und Marktbedingungen eher zu

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erkennen sowie Opportunitäten durch den zielorientierten Ressourcen- und Kompetenzaufbau auszuschöpfen. Zusammenfassend lassen sich hieraus als Ursachen für die Flexibilität der Entrepreneur’s Logic die drei Erfolgsfaktoren mit: (1) dem unternehmerseitigen Erfahrungswissen, (2) der Kompensation der (Erfahrungs-)Wissensrestriktionen durch Einbezug Dritter und (3) der Lernfähigkeit und -bereitschaft des Unternehmers ableiten. Operative und strategische Flexibilität der organisationalen Wissens- und Kompetenzbasis. Eine im Zeitverlauf wettbewerbsfähige Kompetenzbasis wird insbesondere durch die Ausprägungsgüte des organisationalen Wissens festgelegt, da sich Kompetenzen überwiegend aus den einer Unternehmung zur Verfügung stehenden impliziten Wissensbestandteilen rekrutieren (Mildenberger 2002: 300ff.). Auf dieser Basis lassen sich vom methodologischen Individualismus ausgehend vorläufige Erfolgsfaktorencluster ableiten, die hierbei ineinander greifen bzw. aufeinander aufbauen. Erstens ist die operative sowie strategische Flexibilität der Wissens- und Kompetenzbasis eines wissensintensiven Dienstleisters von der Ausprägungsgüte der individuellen Wissensbasen abhängig. Zweitens ist deren zielorientierte Koordination auf kollektiver bzw. organisationaler Ebene zu gewährleisten, wobei hierunter drittens auch das zielorientierte Management der ‚firm-addressable (knowledge) resources’ vor allem zur Kompensation der unterentwickelten Wissensbasis des jungen Dienstleisters zu fassen ist. Dieses erlangte organisationale Wissen, insbesondere das implizite Wissen, legt viertens die Grundlage für die Replikations- und Rekonfigurationsfähigkeit der Kompetenzen sowie Routinen (zum flexiblen Routineverständnis: Pentland/Rueter 1994) zur wettbewerbsfähigen Erbringung einer vom Markt geforderten individuellen Leistungserstellung. Operative und strategische Flexibilität des Kundenintegrationsprozesses. Die individualisierte Leistungserbringung und die damit verbundene hoch integrative Leistungserstellung eines wissensintensiven Dienstleisters machen es erforderlich, den Kunden in diesen Prozess aktiv zu integrieren (Fließ 2006: 205). Hierbei trägt die Ausprägungsgüte des Kundenintegrationsprozesses durch erstens die unternehmungsseitige Kenntnis der Customer’s Logic und des Kundenwissens, zweitens die Integration und Steuerung des Kundenwissens im Leistungserstellungsprozess und drittens die für den Kunden plausible Wissensvermittlung zur erfolgreichen kundenseitigen Problemlösung bei. Operative und strategische Gestaltung strategischer Geschäftseinheiten im Kontext von Verhaltensunsicherheiten. Mit Blick auf die hohe nachfragerseitige Verhaltensunsicherheit bei wissensintensiven Dienstleistungen im Allgemeinen und jungen wissensintensiven Dienstleistern im Besonderen spielt das kundenseitige Vertrauen in die Leistungserbring eine übergeordnete Rolle (Bouncken

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2000: 5). Für den kundenseitigen Vertrauensaufbau ist insbesondere die positive Unternehmungsreputation ursächlich, die erstens im Zeitverlauf durch hohe Leistungsqualität unternehmungsintern sowie zweitens durch bspw. Weiterempfehlungen der ‚firm-addressable resources’ unternehmungsextern bedingt sein kann und den Eintritt in langfristig rentable Geschäftsbeziehungen und somit die wettbewerbsfähige Gestaltung strategischer Geschäftseinheiten erst ermöglicht (Ehrmann 2003: 202; Schwaiger/Cannon 2004: 241). Abschließend kann mit Blick auf die Vielzahl dargelegter Gründungserfolg beeinflussender Faktoren festgehalten werden, dass die Ergründung der unterschiedlich erfolgreichen Entwicklungslinien junger wissensintensiver Dienstleister immer mehrdimensional anzulegen und zudem aus einer zeitraumbezogenen Perspektive zu betrachten ist. 6

Implikationen und Forschungsausblick

Der Beitrag sensibilisiert für eine kompetenzbasierte Betrachtung von Gründungsvorhaben im Allgemeinen und wissensintensiven Dienstleistungsgründungen im Besonderen. Bedingt durch die Steuerungs- und Antriebskräfte unternehmerischen Handelns lassen sich Möglichkeiten erkennen, auch und gerade im Falle von Jungbetrieben unter Nutzung des intellektuellen Vermögens nicht nur die Rahmenbedingungen z. B. im Wege von Innovationen zu verändern, sondern zugleich neue Akzente im Wettbewerb zu setzen, die dann wiederum in neuartige Erfolgsfaktoren resultieren. Die Variabilität von Erfolgsfaktoren in volatilen Umfeldern wird somit ebenso ersichtlich wie die unternehmerische Notwendigkeit, durch eigenes Handeln neue Erfolgsfaktoren zu etablieren. Für die kompetenzbasierte Dienstleistungs- sowie EntrepreneurshipForschung wird darüber hinaus insofern ein Beitrag geleistet, als durch die Einführung des modifizierten ‚Open System View’ ein Modell vorgelegt wird, welches der Ableitung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen im Dienstleist-ungs- und Gründungskontext dient und die Wettbewerbsfähigkeit zu erklären hilft. Der ‚Open System View’ erlaubt überdies, eine Brücke zwischen den Erfolgsfaktoren und den Erfolgspotentialen zu schlagen, wobei er Letztgenannte mehr oder weniger explizit abzudecken im Stande ist. Mit Blick auf die kompetenzbasierte dienstleistungsspezifische Gründungspraxis wird durch die Modifizierung des ‚Open System View’ zudem ein Bezugsrahmen für das Management vorgelegt, der dispositive Schwerpunkte in der Unternehmung und in ihrem Umfeld erkennen lässt. Durch seine Öffnung zur Umwelt wird ersichtlich, in welcher Weise und zu welchem Zweck Umfeldinteraktionen erforderlich sind. Darüber hinaus erlaubt dieser Bezugsrahmen die

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Aktuelle Herausforderungen für das erfolgreiche Management von Corporate Venturing Aktivitäten internationaler Unternehmen aus der Perspektive des Strategischen Kompetenz-Managements

1

Aktuelle Herausforderungen für das Innovationsmanagement im globalisierten Wettbewerb: Eine Bestandsaufnahme ................................257

2

Innovation durch Corporate Entrepreneurship und Corporate Venturing aus der RBV/CBV-Perspektive ................................................259

3

Wettbewerbspositionierung durch innovationsorientierte CVPortfolios....................................................................................................263

4

Wissens- und Kompetenzentwicklungsprozesse bei innovationsorientierten CV-Portfolios.......................................................267

5

Erfolgreiches Management von innovationsorientierten CVPortfolios....................................................................................................272

6

Schlußfolgerungen für das Innovationsmanagement und die strategische Architektur internationaler Unternehmen ..............................274

Literatur..............................................................................................................275

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten 1

257

Aktuelle Herausforderungen für das Innovationsmanagement im globalisierten Wettbewerb: Eine Bestandsaufnahme

Der Innovationswettbewerb zwischen etablierten, international tätigen Großunternehmen verschärft sich zunehmend. Sie sind im Normalfall als diversifizierte Konzerne organisiert und auf globalisierten Märkten in führender Position tätig („globale Unternehmungen“; Kutschker/Schmid 2005: 289f.; Perlitz 2004: 10). In besonderem Ausmaß ist dieser, sich verschärfende Innovationswettbewerb schon heute bei globalen Technologiekonzernen zu beobachten. Diese Unternehmen sind folglich dazu gezwungen, ihr Innovationsmanagement wettbewerbsfähiger zu gestalten und es stärker in die Wettbewerbsstrategie und das Wertsteigerungsmanagement des Gesamtunternehmens (vgl. Hahn/Hintze 2006: 83ff.) sowie in dessen Gesamtunternehmensstrategie („corporate strategy“; vgl. Hax/Majluf 2006: 73ff.) einzubinden. Dieser durch eine sich verändernde Marktstruktur globaler Märkte erzwungene und sich verschärfende Innovationswettbewerb führt zwar durchaus zu einer Vielzahl neuer Wachstumschancen, global aktive, technologieorientierte Konzerne müssen aber zügig handeln, um mit innovativen Angeboten frühzeitig neuen Kundennutzen zu erschließen und neue Werte zu schaffen. Nur so können sie in einer an Härte zunehmenden internationalen Wettbewerbsarena und den damit korrespondierenden immer anspruchsvolleren Kapitalmärkten bestehen (vgl. D’Aveni 1999: 127; Bruhn 1997: 339). Es stellt sich folglich für diesen Unternehmenstypus die Frage, wie innovative Angebote sowohl schnell, als auch kunden- und marktgerecht generiert werden können. Dazu ist es notwendig, die Möglichkeiten der Veränderung der strategischen Architektur von diversifizierten technologieorientierten Konzernen in Richtung eines neuen Innovationsmanagements auszuloten, das den Anforderungen des verschärften globalen Wettbewerbs gewachsen ist (vgl. Meffert/Finken 2005: 421ff.; Perlitz 2004: 432). Verschiedene Alternativen zu traditionellen F&E-Abteilungen und Business-Development-Aktivitäten, mit ihrem meist ausgeprägt „linearen“ und „inkrementalen“ Innovationsverständnis, werden deshalb forciert (vgl. Kim/Mauborgne 2005a: 105ff.; Hamel 2000a: 1ff.; Hamel 2000b: 137ff.; Hamel 1999: 70ff.). Ein oft beschrittener Weg ist der Ansatz des Corporate Entrepreneurships1, der sich einerseits in der Dynamisierung der In-House-F&E und des 1

Vgl. dazu grundlegend für den deutschsprachigen Forschungsraum: Michalski (2002a/b/c/d); Michalski (2003); Haid (2003); Michalski (2004a/b/c); Michalski (2005); Michalski (2006a); Freiling (2006: 11ff.); Michalski et al. (2007); Michalski (2007); Güttel (2007). Vgl. grundlegend für den englischsprachigen Forschungsraum: Birkinshaw (1997: 207ff.); Guth/Ginsberg (1990: 5ff.) I Illinitch/D’Aveni/Lewin (1996: 211ff.); Low/MacMillan (1988: 139ff.); Coveney et al. (2002: 38ff.); Laurie (2001: 19ff.); Clifford/Cavanagh 1985: 3ff.); Dess et al. (2003: 147ff.); Dess/Lumpkin/McGee (1999: 85ff.); Kanter et al. (1987: 14 f.).

258

Tino Michalski

Business Development (BD) und andererseits im Aufbau von internen und externen Corporate-Venturing-Aktivitäten bis hin zu systematischen NewVenture- und Start-Up-Akquisitionen manifestiert. In den letzten Jahren haben etablierte Unternehmen unter dem Eindruck zunehmend hyperwettbewerblich strukturierter Märkte zunächst zahlreiche neue Managementtechniken mit inkremental innovativer Wirkung zur Verbesserung ihrer Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt2, um letzten Endes feststellen zu müssen, dass diese Managementtechniken im Kontext des Hyperwettbewerbs zwar durchaus notwendig, aber nicht hinreichend für eine nachhaltige Überlebensfähigkeit sind (vgl. Hamel 2000a: 5; Michalski 2004b: 379). Die Er-fahrungen der letzten Jahre haben somit gezeigt, dass etablierte, international tätige Großunternehmen systematisch ihre Innovationsfähigkeit verbessern müssen (vgl. Gupta/Wilemon 1990: 24ff.), um die Märkte der Zukunft vor allem mit hochgradig innnovativen bzw. radikal innovativen Durchbruchsinnovationen gestalten und erobern zu können. Dies gilt verstärkt für diejenigen etablierten Unternehmen, die schon heute in ausgeprägt hyperkompetitiven Branchenmärkten agieren, also etwa für etablierte Großunternehmen im Technologiesektor ganz allgemein und speziell in den informations-, kommunikations- und elektrotechnischen Industriebranchen (vgl. u. a. Hamel 1999: 70ff.; Hamel 2000a: 18ff.; Hamel 2000b: 137ff.; Michalski 2004a: 4ff.; Michalski 2004b: 377ff.; Michalski 2006a: 22ff.). Stellt man den Herausforderungen hyperkompetitiver Märkte die Eigenschaften etablierter Großunternehmen gegenüber, wird häufig eine starke Diskrepanz deutlich (vgl. Volberda 1996a: 228ff.; Volberda 1996b: 359ff.; Illinitch/D’Aveni/Lewin 1996: 211ff.). Obwohl Innovationsfähigkeit mittlerweile als Wachstumsmotor erkannt wurde, existieren oft keine adäquaten Strukturen im Unternehmen und die Aufmerksamkeit des Topmanagements ist, nicht zuletzt auf Grund des wachsenden Drucks der Kapitalmärkte, auf die Restrukturierung und Optimierung bestehender Wertschöpfungsaktivitäten gerichtet (vgl. Little 2001: 4; Sanchez/Heene 2005: XIff.). Nach Untersuchungen des Ifo-Institutes vom Februar 2003 stammen zwei Drittel der Innovationsimpulse bei Großunternehmen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung (F&E; vgl. Penzkofer 2003: 27). Es überrascht nicht, dass die meisten Großunternehmen keine radikalen Innovatoren sind, sondern vielmehr hauptsächlich inkrementale Innovationen hervorbringen, da lediglich Mitarbeiter einer einzigen Abteilung des Unternehmens für Innovationsaktivitäten verantwortlich sind. In Zeiten sich schnell wandelnder marktlicher Umweltbedingun2

Inkremental innovative Managementtechniken sind beispielsweise: Total Quality Management, Lean Management, ISO-Zertifizierungen, Six-Sigma-Management, Reengineering, Outsourcing, Restrukturierung, kontinuierliches Verbesserungsmanagement (KVM) und das aus Japan stammende Kaizen.

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

259

gen wäre es sinnvoll, das Hervorbringen von Innovationen nicht einer einzigen Abteilung zu überlassen, sondern möglichst viele Mitarbeiter eines Unternehmens zu involvieren (vgl. Tucker 2001: 12; Hamel 2000a: 23f.). Weiterhin wäre es sinnvoll, die eigenen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen mit denen von externen Partnern, wie beispielsweise Universitäten, Start-Ups und Zulieferern, systematisch zu kombinieren (vgl. Chesbrough 2003b: 1ff.). Stringer stellt fest, dass die Unternehmensgröße negativ mit der Innovationsfähigkeit korreliert ist und, dass eine Vielzahl hochgradig innovativer bzw. radikaler Innovationen ihren Ursprung nicht in großen Unternehmen und Konzernorganisationen (vgl. Soete 1979: 319ff.; Kaplinsky 1983: 39ff.), sondern immer öfter in kleinen, neugegründeten Unternehmen haben (vgl. Stringer 2000: 71; Kuratko/Hodgetts 2001: 10ff.). Insbesondere für etablierte Unternehmen stellt diese Entwicklung eine besondere Herausforderung dar, da sie auf Grund ihrer Größe zumeist nicht die Unternehmenskultur, Managementprinzipien und Organisationsstruktur aufweisen, in denen radikale Innovationen erfolgreich entstehen können (vgl. Kortum/Lerner 1998). Das bisher in etablierten Großunternehmen angewandte Konzept des Innovationsmanagements wird seiner Aufgabe angesichts zunehmend dynamischer Umfeldbedingungen nicht mehr gerecht, da es auf der Annahme stabiler Märkte - oft in Form friedlicher Oligopole (vgl. Geroski 1990: 586ff.) - basiert. Vielmehr sind die großen Unternehmen verstärkt dazu gezwungen, ihr Innovationsmanagement komplett umzugestalten (vgl. u. a. Christiansen 1998: 3ff.) und es den Anforderungen hyperkompetitiver Märkte anzupassen.3, 4 2

Innovation durch Corporate Entrepreneurship und Corporate Venturing aus der RBV/CBV-Perspektive

Corporate Entrepreneurship wird hier zunehmend als geeignete Alternative gesehen, da die Markt- und Wettbewerbschancen einer Vielzahl von konkurrierenden Technologien und Geschäftsmodellen bzw. damit korrespondierenden Ressourcen- und Kompetenzenpostionen schneller und flexibler als im Rahmen traditioneller F&E-Abteilungen und Business-Development-Aktivitäten „ausgetestet“ und erfolgreich in die Realität umgesetzt werden können (vgl. Michalski 2002c: 313; Haid 2003: 293ff.; Linz 2001: 21ff.). 3

4

Vgl. Morecroft (2002: 19ff.); Cloutier/Boehlje (2002: 57ff.); Mahnke/Aadne (2002: 173ff.); McGrath (1998: 351ff.); Illinitch/D’Aveni/Lewin (1996: 211ff.); Grinyer/McKiernan (1990: 131ff.) Zugespitzt könnte man formulieren, dass der Hyperwettbewerb die international tätigen Großunternehmen zur Hyperinnovation zwingt (vgl. dazu Schrage 2001: 96ff.).

260

Tino Michalski

Das firmeneigene Corporate Entrepreneurship hat die Aufgabe, innerhalb eines etablierten Unternehmens systematisch Innovationen in Gestalt von erfolgreichen neuen Produkten, Technologien und Prozessen oder in Gestalt von erfolgreichen neuen Geschäftsmöglichkeiten, -modellen und -chancen zu generieren (vgl. Freiling 2006: 17; Haid 2003: 86ff.; Linz 2001: 58ff.). Dies kann durch Intrapreneurship von einzelnen Personen oder Teams, durch eine entrepreneuriale Orientierung von Abteilungen und Geschäftseinheiten oder durch Corporate Venturing (vgl. Stein/Klein 2005: 585ff.), d. h. durch Bildung oder Akquisition von innovativen und unternehmerischen, zumeist kleinen, neuen Geschäftseinheiten, geschehen. Das firmeneigene Corporate Entrepreneurship (CE) sucht und aktiviert damit aus der Sicht des RBV/CBV gezielt die für den Innovationserfolg relevanten Ressourcen und Kompetenzen in dem Markt- und Technologieumfeld, in dem das Unternehmen derzeit tätig ist und/oder in dem es tätig sein will (Ressourcen- und Kompetenzenexploitation). Das firmeneigene CE kann dabei auch gezielt auf unternehmensinterne und unternehmensexterne neu sich entwickelnde Ressourcenspotenziale zurückgreifen (Ressourcen- und Kompetenzenexploration; vgl. Michalski 2002c: 291f.; Michalski 2004b: 385f.; Michalski 2005: 74ff.). Das Corporate-Entrepreneurship-Konstrukt bildet gemäß Meyer, Neck und Meeks den Schnittpunkt zwischen der Theorie des Strategischen Managements in der Form des RBV/CBV-Ansatzes, die als eine Theorie der erfolgreichen kompetenzorientierten strategischen Steuerung von etablierten Großunternehmen verstanden werden kann, und dem klassischen Entrepreneurship-Ansatz, der als Theorie zur erfolgreichen Steuerung junger, kleiner und neugegründeter Unternehmen zu verstehen ist (vgl. Meyer/Neck/Meeks 2002: 19 ff., sowie Ireland et al. 2001: 6; Guth/Ginsberg 1990: 5ff.). Wenn dem Corporate Entrepreneurship die Aufgabe zukommt, die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von etablierten Großunternehmen vorwiegend durch die Generierung möglichst vieler radikaler Innovationen zu sichern, heißt das aus der Sicht des RBV/CBV, dass Corporate Entrepreneurship in die strategische Architektur eines kompetenzgeführten Unternehmens integriert werden muss. Innovationen können grundsätzlich als Kernkompetenzen im Sinne des RBV/CBV verstanden werden, da Innovationen den dynamischen Komponenten einer Kompetenz sowie den Charakteristika einer Kernkompetenz entsprechen (vgl. Michael/Storey/Thomas 2002: 62). Die Generierung von solchen Innovationen - bzw. von innovativen Kompetenzen im Sinne des RBV/CBV - kann im CorporateEntrepreneurship-Konstrukt zum einen durch Intrapreneurship bzw. durch eine entrepreneuriale Orientierung von Abteilungen und Geschäftseinheiten erfolgen und zum anderen durch Corporate Venturing (vgl. Michalski 2002a: 8ff.; Michalski 2002c: 313ff.; Hoskisson/Busenitz 2002: 151ff.).

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

261

Das Intrapreneurship und die entrepreneuriale Orientierung haben hierbei, auf Grund der Nähe zum Kernunternehmen tendenziell eine Exploitation von Kompetenzen zur Folge, wohingegen das Corporate Venturing die Exploration von Kompetenzen begünstigt, da das Corporate Venture relativ weit entfernt vom Kernunternehmen agieren kann. Der Kompetenzaufbau und die damit einhergehende Generierung radikaler Innovationen wird vor allem durch Corporate Venturing positiv unterstützt, da das Corporate Venture alleine oder in Zusammenarbeit mit dem Kernunternehmen neue Kompetenzen entwickelt, die vom Kernunternehmen absorbiert werden können. Diese Absorption erweist sich in Bezug auf personengebundene Fähigkeiten allerdings als schwierig, da diese unter anderem auch implizites Wissen und implizite Kompetenzbestandteile enthalten, die nicht kodifizierbar sind. Ebenso führen Prinzipal-AgentProbleme sowie die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und Entscheidungsprozesse zu einer erschwerten Übertragung und Absorption. Durch entsprechende vertrauensbildende Maßnahmen und Kontrollmechanismen können diese Probleme reduziert, aber nicht völlig behoben werden. Zudem mangelt es in der wissenschaftlichen Literatur an konkreten Gestaltungsempfehlungen hinsichtlich des Aufbaus von innovativen Kompetenzen unter Berücksichtigung der Einflüße des Hyperwettbewerbs (vgl. Michalski 2007: 173ff.). Der Erfolg von Corporate Venturing mit dem Ziel der Generierung radikaler Innovationen ist zudem von der innovatorischen Metakompetenz des Kernunternehmens abhängig (vgl. Krüger/Homp 1997: 42; Senge 1990: 7ff.; Stata 1989: 63ff.). Dabei muss das Unternehmen über eine ausgeprägte Absorptions-, Kommunikations- und Lernfähigkeit verfügen, um entsprechende innovative Kompetenzen durch Corporate Venturing überhaupt aufbauen, transferieren und nutzen zu können (vgl. Michalski 2007: 295ff.). Die unter hyperkompetitiven Marktbedingungen notwendige proaktive strategische Beeinflussung von Märkten durch radikale Innovationen kann durch Corporate Venturing erreicht werden (vgl. Hümmer 2001: 218; Michalski 2007: 318ff.). Corporate Venturing fördert dabei die Sammlung zukunftsweisender Informationen durch systematisches Monitoring sowie die Erhöhung der Schnelligkeit durch verkürzte Entwicklungszeiten und Lernkurveneffekte (vgl. Hümmer 2001: 218ff.; Niederkofler 1989: 64ff.; Block/MacMillan 1993: 1). Durch Aufbrechen etablierter Routinen durch den Transfer und die Absorption innovativer Kompetenzen in das Kernunternehmen bewirkt Corporate Venturing zudem eine erhöhte Flexibilität und entrepreneuriale Aktivierung des Kernunternehmens. Eine kompetenzorientierte Unternehmensführung wird allerdings nur in der Lage sein wird, radikale Innovationen durch Corporate Entrepreneurship bzw. Corporate Venturing zu generieren, wenn sie das Corporate Entrepreneurship als wichtigen Strategiebestandteil für den Hyperwettberwerb

262

Tino Michalski

in ihrer strategische Architektur integriert (vgl. dazu auch Kanter 1983: 41.). Dies sollte geschehen durch eine Verankerung des Corporate Entrepreneurship im „strategic intent“ (vgl. Prahalad/Hamel 1990: 79ff.; Hamel/Prahalad 1994: 122ff.; Michalski 2007: 334ff.). Beim Einsatz des Corporate-Entrepreneurship-Konzepts in einem etablierten Großunternehmen kann allerdings auf die notwendige Komplementarität zwischen inkrementalem und radikalem Innovationsmanagement nicht verzichtet werden. Über das Hervorbringen von inkrementalen Innovationen hinaus, konzentriert sich das Corporate Entrepreneurship aber auf die Verjüngung und permanente Neudefinition des jeweils erreichten Status Quo. Dies geschieht entweder durch radikale Einzelinnovationen oder durch die Kannibalisierung bestehender Geschäftsmodelle durch radikal neue Geschäftsmodelle (vgl. Miller 1983: 770ff.; Lumpkin/Dess 1996: 135ff.; Hamel 2000a: 18) hat die verschiedenen Formen der Innovation in einem etablierten Großunternehmen mit Hilfe eines Innovationsmodells dargestellt. Aus diesem Modell ergeben sich zwei Möglichkeiten der radikalen Innovation vor dem Hintergrund hyperwettbewerblicher Wettbewerbsverhältnisse: Einerseits radikale Einzelinnovationen und andererseits die Kannibalisierung bestehender Geschäftsmodelle durch radikal neue Geschäftsmodelle. Michalski (vgl. Michalski 2004b: 377ff.) hat einen konzeptionellen Rahmen für das Corporate Entrepreneurship entwickelt. Dieser konzeptionelle Rahmen systematisiert die unterschiedlichen Einflussfaktoren, Gestaltungsparameter und Ziele des Corporate Entrepreneurship. Wenn man das Innovationsmodell von Hamel und den konzeptionellen Rahmen des CE von Michalski zusammengefügt, kann der Übergang vom inkremental zum radikal orientierten Innovationsmanagement unter den Bedingungen des Hyperwettbewerbs durch das Corporate-Entrepreneurship-Konzept schematisch dargestellt werden (Abb. 1):

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

263

Exogene Einflussfaktoren (u.a. hyperkompetitive Märkte)

Corporate Entrepreneurship (CE)

Nicht lineare Einzelinnovationen

Geschäftsmodell Innovationen

Kontinuierliche Business Verbesserungen Process einzelner Reengineering Innovationen

Veränderung einzelner Komponenten

Veränderung des gesamten Systems

Radikale Innovation

Intrapreneur ship

Einzelne Corporate Ventures

3

CE-Gestaltungsprinzipien

Aus dem RBV/CBV abgeleitete Prinzipien

Aus dem Innovationsmanagement abgeleitete Prinzipien

Traditionelle, inkrementale Innovation

Corporate Development

Erfolgsmessung, Bewertung u. Finanzierung

Corporate Venture Portfolios

Aus den Optionen der organisat. Einbindung von Ventures abgeleitete Prinzipien

Innovationsorientierte Kompetenzentwicklung u. Organisationsstruktur

Strategische CE-Ziele

Abbildung 1:

Endogene Einflussfaktoren (u.a. innovatorische Metakompetenz)

Finanzielle CE-Ziele

Konzept des radikalen Innovationsmanagements durch Corporate Entrepreneurship (Quelle: eigene Abbildung)

Wettbewerbspositionierung durch innovationsorientierte CVPortfolios

Mit dem theoretischen Rüstzeug der RBV/CBV-Forschungsrichtung können dann vor diesem konzeptionellen Hintergrund die theoretischen Grundlagen für die radikale Innovation durch Corporate Entrepreneurship weiterentwickelt werden und darauf aufbauend, die Innovationsprozesse im Rahmen des Corporate Entrepreneurship mit dem theoretischen Apparat des RBV/CBV exakter beschrieben und analysiert werden (vgl. Michalski 2007: 173ff. u. 345ff.). Aus diesen Untersuchungen ergibt sich zunächst einmal, dass aus der Perspektive des RBV/CBV für ein erfolgreiches radikales Innovationsmanagement die Kompetenzenexploration in Form von Corporate Venturing, und insbesondere

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Tino Michalski

in Form von Corporate Venture Portfolios (CVP), als besonders aussichtsreich zu gelten hat (vgl. Michalski 2006a: 26f.; Michalski 2004b: 389f.). Auf dieser Basis und unter Zuhilfenahme des Modellansatzes von Sanchez/Heene (vgl. Sanchez/ Heene 2004: 5f.; Sanchez/Heene 1997a: 17; Sanchez/Heene 1997b: 3ff.) können sodann auch die vier aus der Sicht des RBV/CBV entscheidenden Erfolgsfaktoren für Innovationen durch Corporate Venture Portfolios ermittelt werden: Absorptionskapazität, Ressourcen-/Kompetenzenadationen, Entwicklung von Kom-petenzen und Transfer von Kompetenzen (vgl. Michalski 2007: 397ff.). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen können nun auch die Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches radikales Innovationsmanagement mit Hilfe von Corporate Venture Portfolios aus der RBV/CBV-Perspektive und aus der Perspektive der Corporate-Venturing-Forschung genauer ermittelt werden. Aus der RBV/CBV-Perspektive erweisen sich dabei von den vier ermittelten Erfolgsfaktoren vor allem der Aufbau neuer Kompetenzen auf der Basis unabhängiger Routinen und der Transfer dieser neuen Kompetenzen in das Kernunternehmen als entscheidend für ein erfolgreiches radikal orientiertes Innovationsmanagement (vgl. Michalski 2006a: 30ff.; Michalski 2004b: 394f.). Aus der Perspektive der Corporate-Venturing-Forschung treten drei weitere Erfolgsfaktoren für radikale Innovationen durch Corporate Venture Portfolios hinzu: Emergenz-Prinzip, Autonomie-Prinzip und Optionen-Prinzip.5 Als Ergebnis können alle ermittelten Erfolgsfaktoren in Form von sieben Gestaltungsprinzipien bzw. Gestaltungsmaximen des radikalen Innovationsmanagements durch Corporate Venture Portfolios im Hyperwettbewerb formuliert werden: Absorptionskapazitäts-Prinzip, Ressourcen-/Kompetenzadaptions-Prinzip, Kompetenztransfer-Prinzip, Kompetenzaufbau-Prinzip, Emergenz-Prinzip, Autonomie-Prinzip und Optionen-Prinzip (vgl. Michalski 2006a: 38; Michalski 2004b: 404). Diese sieben Gestaltungsprinzipien müssen um ein weiteres Gestaltungsprinzip ergänzt werden, welches die Friktionspotenziale zwischen dem Kernunternehmen (Corporate Core) und den einzelnen Corporate Ventures des unternehmenseigenen Corporate Venture Portfolios berücksichtigt, die beson5

Aus der Perspektive der Corporate-Venture-Forschung sind innovationsfördernde Rahmenbedingungen für die Generierung von radikalen Innovationen durch Corporate Venture Porfolios zu schaffen. Dies kann erreicht werden durch die Anwendung des Emergenz-Prinzips, des Autonomie-Prinzips und des Optionen-Prinzips. Das Emergenz-Prinzip soll die umfassende Aktivierung und Förderung der radikalen Innovationsfähigkeit an der Peripherie, an der Basis oder außerhalb des Unternehmens durch emergente Strategien sicherstellen. Das AutonomiePrinzip soll durch Schaffung von möglichst hohen organisatorischen Autonomiespielräumen (Autonomie durch Entscheidungsfreiheit, Autonomie durch verschiedene Formen der Separierung) zur Steigerung der radikalen Innovationsfähigkeit führen. Das Optionen-Prinzip soll möglichst viele Optionen auf radikale Innovation schaffen, die in Abhängigkeit von der Umweltentwicklung ausgeübt werden können sowie die Erarbeitung von Handlungsspielräumen auf Prozess- und Portfolioebene ermöglichen (vgl. u. a. Linz 2000: 91ff.).

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

265

ders bei radikalen Innovationen erhebliche Bedeutung erlangen. Dies kann etwa in Form einer Entscheidungsmatrix, die die angemessene Art der organisatorischen Einbindung von neu in das Corporate Venture Portfolio kommenden Corporate Ventures repräsentiert, geschehen („Core-Venture-Fit“; vgl. Michalski 2002c: 325ff.). Aus diesen Erkenntnissen kann ein erweitertes Kreislaufmodell der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung geschlussfolgert werden, welches die oben diskutierten Gestaltungsprinzipien zusammenfasst. Dieses Modell integriert neben den acht Gestaltungsprinzipien auch die drei notwendigen Anforderungen6 - bzw. generellen Gestaltungsanforderungen für Corporate Venture Portfolios - des erfolgreichen radikalen Innovationsmanagements durch Corporate Venture Portfolios in eine Übersichtsdarstellung und setzt diese Gestaltungsprinzipien und -anforderungen in Beziehung zu den anvisierten Wettbewerbspositionen, Wettbewerbsvorteilen und Marktstellungen (siehe Abbildung 2).

6

Unternehmensleitungen müssen in dem CBSM-Modellansatz von Sanchez und Heene (vgl. Sanchez/Heene 1997a: 17) die Ressourcen und Kompetenzen für ein erfolgreiches Corporate Venturing bereitstellen. Wenn man realistischerweise davon ausgeht, dass die erforderlichen Ressourcen und Kompetenzen für ein erfolgreiches Corporate Venturing nicht oder nur unzureichend im Unternehmen selbst anzutreffen sind, muss dies durch Ressourcen- und Kompetenzenexploration, d.h. das Schließen von unternehmensindividuellen Ressourcen- und Kompetenzenlücken bzw. durch die Verfügbarmachung von „firm-addressable resources“ für das Unternehmen erreicht werden (Anforderung 1). Neben dem Schließen von unternehmensindividuellen Ressourcen- und Kompetenzenlücken muss ein erfolgreiches Corporate Entrepreneurship eines Unternehmen die Integration externer Ressourcen und Kompetenzen sowie deren Aktivierung, mit dem Ziel der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorhandener oder neuer CVs seines CV-Portfolios CV1 – CVn bewältigen (Anforderung 2). Aus den im Zeitablauf kumulierenden Erfahrungs- und Wissensbeständen der firmeneigenen CEAktivitäten bzw. des vorhandenen CV-Portfolios CV1 – CVn entwickeln sich Kompetenzen. Diese Erfahrungs- und Wissensbestände betreffen insbesondere (a) die spezifischen Bedingungen und Voraussetzungen des Markterfolgs von Corporate Ventures in dem Markt- und Technologieumfeld, in dem das Unternehmen derzeit tätig ist und/oder in dem es tätig sein will und (b) die möglichst optimale Organisation und Einbindung des Corporate Entrepreneurship im Rahmen des Unternehmen (Anforderung 3). Es können also drei Anforderungen für ein erfolgreiches Corporate Entrepreneurship mit Hilfe von Corporate Venture Portfolios identifiziert werden. Aus diesen drei postulierten erfolgskritischen Anforderungen lassen sich dann unter Rückgriff auf verschiedene Untersuchungen zum RBV einzelne Erfolgsfaktoren ableiten (vgl. Sanchez/Heene/Thomas 1996: 8ff.; Sanchez/Heene 1997a: 17; Cohen/Levinthal 1990: 128ff.; Michalski 2002c: 320 f.; Michalski 2005: 80).

266

Tino Michalski

Radikale Innovationen Autonomie-Prinzip

Emergenz-Prinzip

CV-Innov.erfolgs-Prinzipien Mehrwertschaffung

Markterfolg Nutzenstiftung am Markt Kundenbeziehungen Skaleneffekte, Synergien Preis-/Leistungsrelation

Verbesserte Lernfähigkeit

• Absorptionskapazitäts-Prinzip • Ressourcenadaptions-Prinzip • Kompetenzenaufbau-Prinzip • Kompetenzentransfer-Prinzip

Verbesserte Wertsteigerung Lernfähigkeit

Ressourcenveredelung Investitionseffizienz Investitionseffektivität Realoptionenmanagement

CV Wettbewerbspositionen

CV Erfolgsmaße:

Anforderungen an ein CVP

• CV Wettbewerbsvorteile • Nachhaltige KKV der CV • Marktstellung der CV • CV Routinen/Prozesse der CV • CV Ressourcen/Kompetenzen

• Kundenzufriedenheit • Marktanteil • Gewinn, Rendite • Value Capture für Kernunternehmen

• Verfügbarmachung externer firm-adressable ressources • Integration/Aktivierung externer Ressourcen u. Kompetenzen • Entwicklung von Kompetenzen durch Wissensakkumulation

Grad der CV Vorteilserosion

Wettbewerbsbarrieren Isolationsmechanismen Marktbarrieren Mobilitätsbarrieren Sonstige Friktionskräfte

Verbesserte Lernfähigkeit

• Exakte Imitation • Verbesserte Imitation • Vorteilssubstitution • Substitutive Geschäftssysteme • Wegfall der Geschäftsgrundlage

Optionen-Prinzip

Hyperwettbewerb

Abbildung 2:

Antizipation von Chancen und Risiken

Verbesserte Lernfähigkeit

Ressourcendynamik Markt-/Kundendynamik Industriedynamik Technologiedynamik

Core-Venture-FitPrinzip

Erweitertes Kreislaufmodell der CV-Portfolio-basierten Wetbewerbspositionierung (Quelle: eigene Abbildung)

Aus diesem erweiterten Kreislaufmodell der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung ergibt sich, dass bei zunehmend hyperwettbewerblichen Marktbedingungen die relative Bedeutung radikaler Innovationen für die Wettbewerbspositionierung eines Unternehmens zunimmt. Dies wiederum bedeutet, dass das Kompetenzenaufbau-Prinzip und das Kompetenzentransfer-Prinzip eine besondere Bedeutung erlangen. Zudem kann konstatiert werden, dass die hauptsächliche Voraussetzung einer verstärkten erfolgreichen radikalen Innovationstätigkeit in einer verbesserten innovationsorientierten Lernfähigkeit des Unternehmens besteht (vgl. Michalski 2007: 814f.). Aus diesem Kreislaufmodell ergibt sich weiterhin, dass die innovationsorientierten Lernprozesse und die darauf basierenden innovativen Wissens- und Kompetenzentwicklungsprozesse, die sich im Rahmen von Corporate-Entrepreneurship-Aktivitäten abspielen, aus

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

267

der RBV/CBV-Perspektive von großer Bedeutung für den Erfolg bzw. Misserfolg von innovationsorientierten CV-Portfolios sind und deshalb genauer analysiert werden müssen.7 4

Wissens- und Kompetenzentwicklungsprozesse bei innovationsorientierten CV-Portfolios

Um die Wissens- und Kompetenzentwicklungsprozesse bei innovationsorientierten CV-Portfolios besser zu verstehen, muss ein theoretisches Modell der innovationsorientierten Lernprozesse und der innovativen Wissens- und Kompetenzentwicklungsprozesse, die im Rahmen des Corporate-Venturing ablaufen, entwickelt werden. Auf dieser Basis können dann Steuerungs- und Optimierungsmöglichkeiten für diese erfolgskritischen Prozesse sichtbar gemacht werden und - darauf basierend - die Erfolgs- und Misserfolgsmuster der CVPbasierten Innovation besser erklärt werden. Aus managementpraktischer Perspektive können diese theoriegestützten Erkenntnisse dann für ein erfolgreicheres Management von innovationsorientierten Corporate Venture Portfolios eingesetzt werden. Das Modell der Wissens- und Kompetenzentwicklung im Corporate Venture sowie des Wissens- und Kompetenztransfers zwischen Corporate Venture und dem Kernunternehmen, welche in Form von organisationalen Lernprozessen stattfinden, soll im Folgenden auch als Lern- und Kompetenztransferschleife bezeichnet werden und besteht aus zwei Teilschleifen.8 Einerseits werden innovative Kompetenzen im CV-Portfolio durch organisationales Lernen entwickelt und an das Kernunternehmen transferiert (CV-CC-Lernschleife) und andererseits werden durch organisationales Lernen Kompetenzen vom Kernunternehmen zu dem CV-Portfolio transferiert (CC-CV-Lernschleife), so dass eine kontinuierlich ablaufender beidseitiger Wissens- und Kompetenztransfer bzw. eine Lern- und Kompetenztransferschleife zwischen Corporate Core (CC) und ein-

7

8

Vgl. zur Beziehung zwischen organisationalen Lernprozessen, innovativen Wissensbeständen und Kompetenzen sowie nachhaltigen, innovationsorientierten Wettbewerbsvorteilen aus RBV/CBV-Perspektive auch: Raub (2001: 97ff.); Stein/Ridderstråle (2001: 63ff.); Merali (2001: 41ff.); Helleloid/Simonin (1994: 213ff.); Chiesa/Barbeschi (1994: 293ff.); Bogner/Thomas (1994: 111ff.); Verdin/Williamson (1994: 77ff.); Lorino (2001: 177ff.); Für die Diskussion dieser Beziehungen im Kontext des Corporate Entrepreneurship vgl. u. a. Miller/Spann/Lerner (1991: 335ff.); Zahra/Nielsen/Bogner (1999: 177ff.); Dess et al. (2003: 351ff.); Michalski (2007 485 ff.). Vgl. zum Wissenstransfer aus der RBV/CBV-Perspektive auch Argote/Darr (2002: 51ff.); Szulanski (2002: 69ff.); Szulanski (1996: 27).

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Tino Michalski

zelnem Corporate Ventures eines CV-Portfolios entsteht.9 Diese Lern- und Kompetenztransferschleife ist zirkulär angelegt und wird fortwährend durchlaufen. Die Lern- und Kompetenztransferschleife kann zudem angereichert werden durch Wissens- und Kompetenztransfers zwischen den einzelnen Corporate Ventures des CV-Portfolios (vgl. Michalski 2007: 580). Die CV-CC-Lernschleife (CV-CC-Wissens- und Kompetenztransfer) ist ein Modell (vgl. Michalski 2007: 581ff.) der dezentralen Entwicklung neuen, innovativen Wissens und dessen Integration zu neuen, innovativen Kompetenzen in den Corporate Ventures sowie des nachfolgenden lernorientierten Transfers dieser neuen, innovativen Kompetenzen in den Corporate Core (vgl. hierzu auch Beglinger/Bloch/Rühli 1992: 153ff.; Sanchez/Heene 2004: 156ff.). Der Transfer dieser neuen, innovativen Kompetenzen in den Corporate Core wird aus der Perspektive des organisationalen Lernens als ein Integrationsprozess dieser neuen, innovativen Kompetenzen in die organisationale Wissens- und Kompetenzbasis des Corporate Core interpretiert. Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht darin, die neuen, innovativen Kompetenzen mit dem - sich rasch verändernden - Aufgabensystem des Corporate Core permanent und dynamisch zu kombinieren und zu integrieren, etwa mit Hilfe der Kompetenzenmatrix von Von Krogh und Roos (vgl. Von Krogh/Roos 1995: 66ff.). Die CV-CC-Lernschleife beginnt zunächst mit dem organisationalem Lernen der einzelnen Corporate Ventures. Durch akquisitorisches organisationales Lernen10 entsteht technisches Wissen über Produkte, Dienstleistungen und dafür relevante Prozessketten. Dabei können Produkt-, Dienstleistungs- und Prozesseigenschaften hinterfragt und optimiert werden. Durch akquisitorisches organisationales Lernen in Kombination mit experimentellem organisationalen Lernen wird integratives Wissen generiert. Dieses integrative Wissen ist unternehmensspezifisch und ermöglicht es auf einzigartige Weise Routinen und Fähigkeiten miteinander zu neuen ideosynkratischen Wertschöpfungspotenzialen zu kombinieren. Durch experimentelles organisationales Lernen11 wird exploitatives 9 10

11

Heller spricht hier auch von „loosely coupled systems“ (vgl. Heller 1999: 25ff.). Als akquisitorisches Wissen bezeichnet man das Wissen, welches außerhalb des Gesamtunternehmens (Kernunternehmen und CV-Portfolio) bereits existiert, diesem aber erst zugänglich gemacht werden kann, wenn es durch Corporate Ventures erworben und danach internalisiert wird. Einerseits ergibt sich aus diesem internalisiertem Wissen kein unmittelbarer Wettbewerbsvorteil, andererseits ist dieses Wissen aber eine notwendige Bedingung und Vorstufe für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen, denn durch dieses Wissen können Wettbewerbsvorteile in Form neuer Kompetenzen überhaupt erst entwickelt werden. Man kann akquisitorisches Lernen also als den Erwerb und die Internalisierung akquisitorischen Wissens verstehen (vgl. u. a. Almeida 1996: 155ff.). Experimentelles Lernen geschieht innerhalb des Gesamtunternehmens und generiert neues Wissen aus dem bereits vorhandenen Wissen des Unternehmens. Auch dies kann zu neuen Kompetenzen führen. Es tritt entweder bei einzelnen Mitarbeitern oder in Gruppen auf, die

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

269

Wissen generiert, welches technisches und integratives Wissen in neue, erfolgreiche Markt- und Wettbewerbspositionen überführt. Das CE-basierte technische, integrative und exploitative Wissen12 muss nun zu neuen individuellen sowie organisationalen Kompetenzen integriert werden. Dies geschieht, indem das neue CE-basierte Wissen durch Wahrnehmung, Artikulierung, Verdeutlichung, Kommunikation, Nutzung sowie eine Integration in die bereits vorhandene organisationale Wissensbasis in neue CE-basierte individuelle und/oder organisationale Kompetenzen überführt wird, wobei dem mittleren Management bei der Erfüllung dieser Aufgabe eine besondere, moderierende und erfolgskritische Bedeutung zukommt (vgl. Zahra/Nielsen/Bogner 1999: 170ff.; Dess et al. 2003: 354ff.; Hornsby/Kuratko/Zahra 2002: 257ff.; Michalski 2007: 581 ff.). Für eine optimierte Integration ist auch ein funktionierendes Wissensmanagement als Repräsentations- und Gestaltungsebene der organisationalen Wissensbasis notwendig.13,14 Dieses Wissensmanagementsystem sollte mit einer Wissensmanagementstrategie ausgestattet sein. Das Wissensmanagementsystem spielt in Bezug auf die systematische Wissensverteilung, Wissennutzung sowie Wissensbewahrung und damit für die Verankerung und Integration des neuen CE-basierten Wissens sowie der darauf basierenden CE-basierten individuellen oder organisationalen Kompetenzentwicklung eine entscheidende Rolle.15 Ein Modell eines solchen Wissensmanagementsystems wird von Probst, Raub und Romhardt vorgeschla-

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15

sich experimentierfreudig zeigen, und die die daraus entstehenden Lerneffekte auch auf organisationaler Ebene in der organisationalen Wissensbasis verankern können (vgl. Lei/Hitt/Bettis 1996: 558; Zahra/Nielsen/Bogner 1999: 173. Zahra, Nielsen und Bogner kommen zu dem Ergebnis, dass durch organisationales Lernen drei verschiedenen Arten CE-basierten neuen Wissen entstehen können: Die erste Art neuen Wissens wird als technisches Wissen bezeichnet. Es resultiert aus akquisitorischem Lernen und ist unabdingbar für die nachhaltige Regenerierung durch CE-Aktivitäten. Es liefert Einblicke in wesentliche technische Eigenschaften von Produkten und Prozessen. Die zweite neue Wissensart bezeichnet man als integratives Wissen. Es handelt sich dabei um unternehmensspezifisches, hauptsächlich implizites Wissen, welches es dem jeweiligen Unternehmen ermöglicht, auf einzigartige Weise seine idiosynkratischen Ressourcen und Fähigkeiten miteinander zu kombinieren. Integratives Wissen entsteht aus der Verknüpfung von experimentellem und akquisitorischem Lernen. Die dritte Wissensart bezeichnet man als exploitatives Wissen. Durch dieses Wissen wird auf bisher nicht da gewesene Weise technisches und integratives Wissen genutzt. Das Unternehmen baut dadurch neue Wettbewerbsvorteile und neue Wege zur Kommerzialisierung von Gütern und Dienstleistungen auf (vgl. Zahra/Nielsen/Bogner 1999: 177ff.). Zur Gestaltung eines funktionierenden Wissensmanagements aus der Perspektive der Wissensmanagement-Forschung (vgl. Probst/Raub/Romhardt 1999: 351 ff.). Zur Gestaltung eines funktionierenden Wissensmanagements aus der ökonomischer Perspektive (vgl. Kubitschek/Meckel 2000: 742ff.). Vgl. zu den Anforderungen an und den Defiziten von bestehenden Wissensmanagementsystemen Hansen/von Oettinger (2001: 107ff.); Kubitchek/Meckel (2000: 742ff.).

270

Tino Michalski

gen. Mit diesem Modell lässt sich das Wissensmanagement als Repräsentationsund Gestaltungsebene der organisationalen Wissensbasis - sowie die fortlaufend stattfindende Wissensintegration in die organisationale Wissensbasis des Corporate Core mit dem Ziel der Entwicklung CE-orientierter individueller oder organisationaler Kompetenzen - besser ausrichten und optimieren (vgl. Probst/Raub/Romhardt 1999: 45f.). Aus der Perspektive der organisationalen Lerntheorie entstehen organisationale Kompetenzen aus dem Zusammenspiel von individuellen Kompetenzen und organisationalen Kopplungen. Die individuelle Kompetenz muss durch organisationale Innenkopplungen, d. h. Kopplungen an den Unternehmskontext, und durch organisationale Außenkopplungen, d. h. Kopplungen an die externe Unternehmensumwelt, kontextualisert und aggregiert und somit in neue, innovative organisationale Kompetenzen überführt werden (vgl. Staudt/Kriegesmann 2002: 40ff.; Michalski 2007: 583). Zudem ist gemäß Von Krogh und Roos eine Korrespondenz zwischen Wissens- und Aufgabenstruktur herzustellen (vgl. Von Krogh/Roos 1995: 66ff.; Zahn/Foschiani/ Tilebein 2000: 58f.). Als Endergebnis dieser einzelnen Prozessschritte entstehen neue CV-basierte organisationale Kompetenzen in der organisationalen Wissensbasis des Corporate Core. Durch diese neu erlangten Kompetenzen kann der Corporate Core seine innovativen, organisationalen Kompetenzen erweitern und damit seine Innovationsfähigkeit systematisch erhöhen. Die entstandenen innovativen Kompetenzen können dann wiederum über eine CC-CV-Lernschleife an spezifische Corporate Ventures des bestehenden Corporate Venture Portfolios oder an neue in das CV-Portfolio eintretende Corporate Ventures transferiert werden (vgl. Michalski 2007: 583f.). Die CC-CV-Lernschleife (CC-CV-Wissens- und Kompetenztransfer) ist ein Modell der lernorientierten Wissens- und Kompetenztransfers vom Corporate Core zu den Corporate Ventures. Der Erfolg von Corporate Ventures hängt auch in hohem Maße von der Wissens- und Kompetenzbasis des Kernunternehmens bzw. des Corporate Core ab.16 Um einen optimalen Wissens- und Kompetenztransfer zwischen Corporate Core und Corporate Ventures aus der Perspektive des organisationalen Lernens ermöglichen zu können, muss die CCCV-Lernschleife optimiert werden. Dies bedeutet, dass das Kernunternehmen zunächst selbst in erhöhtem Maße die Bereitschaft und Fähigkeit zum organisationalem Lernen aufweisen muss. Dabei muss das Lernverhalten über bloßes 16

Der möglichst gut funktionierende Wissens- und Kompetenztransfer zwischen Kernunternehmen und Corporate Venture spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Corporate Ventures (vgl. hierzu u. a. Hofer/Sandberg 1987: 11ff.; Klavans/Shanley/Evan 1985: 21ff.; Block 1989: 23ff.; Hippel 1977: 163ff.; Miller/Spann/Lerner 1991: 335ff.; Michalski 2006b: 295; DeSarbo/MacMillan/Day 1987: 329ff.; Brazeal 1993: 75.ff.; McGrath/MacMillan/Venkataraman 1994: 351ff.; Volberda 1996a: 228ff.).

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

271

Single-Loop-Lernen hinausgehen und im Rahmen von Double-Loop-Lernen auch die bestehende „theory-in-use“ verändern können. Ebenso muss das Deutero-Lernen zum Einsatz kommen (vgl. Andreu/Ciborra 1996: 124ff.). Die organisationale Wissensbasis, die aus organisationalem Wissen und organisationalen Kompetenzen besteht, entwickelt sich durch Single-Loop, Double-Loop und Deutero-Lernen (vgl. Argyris/Schön 1978: 3f.; Argyris 1997: 35f.) im Corporate Core oder durch die Verfügbarmachung von externen Ressourcen und insbesondere von externen Kompetenzen („firm-adressable ressources“; vgl. Cohen/Levi-nthal 1989: 569ff.), die nachfolgend in die organisationale Wissensund Kompetenzbais integriert und aktiviert werden gemäß dem von Sanchez/Heene (vgl. Sanchez/Heene 1997a: 17) entworfenen und von Michalski (vgl. Michalski 2002c: 311ff.; Michalski 2004b: 378 ff; Michalski 2005: 71ff.; Michalski 2006a: 22ff.) hinsichtlich Corporate Venturing erweiterten, dynamischen und holistischen CBSM-Modellansatzes (CBSM-CV-Modell). In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass ein etabliertes Unternehmen das notwendige Wissen und die notwendigen innovativen Ressourcen und Kompetenzen für das Corporate Venturing oft nur in unzureichendem Maße besitzt und somit zunächst außerhalb der Unternehmensgrenzen finden, verfügbar machen, integrieren und aktivieren muss (vgl. Michalski 2002c: 320f.). Diese Kompetenzen können sodann an die Corporate Ventures transferiert werden. Für die Optimierung sind dabei die Absorptionskapazität und die Fähigkeit zur Ressourcen- und Kompetenzenadaption entscheidend. Eventuell müssen in einem weiteren Schritt diese verfügbar gemachten, integrierten und aktivierten Ressourcen und Kompetenzen passend zum Anforderungsprofil des Corporate Ventures weiterentwickelt werden und können danach erst zum Corporate Venture transferiert werden. Für die Optimierung ist hier die Fähigkeit zur Kompetenzneuentwicklung des Corporate Core und damit wiederum - aus der Sicht des organisationalen Lernens - die Fähigkeit zum Single-Loop, Double-Loop- und DeuteroLearning entscheidend. Zum optimalen Transfer von Wissen und Kompetenzen vom Corporate Core zu den Corporate Ventures sollte auf der Basis des CBSMCV-Modells auch das Emergenz-, Autonomie- und Optionenprinzip sowie der Core-Venture-Fit beachtet werden (vgl. Sanchez/Heene 1997a: 17). Somit kann die CV-CC-Lernschleife und die CC-CV-Lernschleife zu einer zirkulär angelegten Lern- und Kompetenztransferschleife avancieren, die fortwährend durchlaufen wird und zur ständigen Generierung neuen, innovativen Wissens und - darauf basierend - neuer, innovativer Kompetenzen führt. Im Rahmen dieser Lernund Kompetenztransferschleife kann es auch zum Transfer von innovativen Kompetenzen zwischen den Corporate Ventures des CV-Portfolios kommen (siehe Abb. 3; vgl. Michalski 2004b: 395):

272

Tino Michalski

CV-CC-Lernschleife (CV-CC-Wissens- u. Kompetenztransfer) Wissensmanagement (Optimierung bzgl. Entwicklung CV-orientierter organisationaler Kompetenzen)

Mittelmanagement (Mittelmanagement als moderierende Variable optimieren)

Neue organisationale Kompetenzen (Individuelle Kompetenzen umfassend mit organisationalen Kopplungen ausstatten)

Wissensintegration zu neuen und innovativen Kompetenzen (Wahrnehmung, Artikulierung, Verdeutlichung, Kommunikation, Nutzung, Integration optimieren)

Technisches Wissen

Integratives Wissen

(Neue Produkte und Prozesse)

(unternehmensspezifische Wertschöpfung)

Akquisitorisches organisationales Lernen

Exploitatives Wissen (Neue Markt- u. Wettbewerbspositionen)

Integration in organisationale Wissensbasis des CC (Transfer der neuen organisationalen Kompetenzen in Wissensbasis des CC)

Corporate Core (CC)

Single-, Double-, DeuteroLernschleifen CC-CV-Lernschleife (CC-CV-Wissens- u. Kompetenztransfer) Neue organisationale Kompetenzen des CC einsetzen (Wiederverwendung der neuen, innov. Kompetenzen aus CV-CCLernschleife im CV-Portfolio, speziell für neue CVs)

Externe, CV-relevante Kompetenzen

Experimentelles organisationales Lernen

(Verfügbarmachung, Integration u. Aktivierung von externen CV-relevanten Kompetenzen)

CV

Emergenz-, Autonomie- und Optionen-Prinzip Core-Venture-Fit

CV-Portfolio CV

Abbildung 3:

5

CV

(Optimierung der organisatorischen Einbindung der CVs)

(Optimierung des CV-Portfolios in Richtung möglichst vieler u. radikaler Innovationen)

Lern- und Kompetenztransferschleife zwischen CC- und CVPortfolio (Quelle: eigene Abbildung)

Erfolgreiches Management von innovationsorientierten CV-Portfolios

Neben den im dritten und vierten Abschnitt ermittelten Gestaltungsanforderungen und Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Management von innovationsorientierten CV-Portfolios, können eine Reihe von konkreten, managementbezogenen Schlußfolgungen aus der Kombination des erweiterten Kreislaufmodells der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung mit dem Modell der Lern- und Kompetenztransferschleife gezogen werden, die für ein erfolgreiches Management von innovationsorientierten CV-Portfolios wichtig sind. Es ergeben sich nämlich sowohl für das erweiterte Kreislaufmodell der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung, als auch für die Lern- und

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

273

Kompetenztransferschleife zwischen CV und CC eine Reihe von potentiell erfolgsmindernden Schwachstellen des CVP-basierten Innovationsprozesses, die bei den Managern solcher Prozesse besondere Beachtung finden sollten. Das erweiterte Kreislaufmodell der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung hat folgende potentielle Schwachstellen: Die postulierte erhöhte Lernfähigkeit setzt eine optimierte CV-CC/CC-CV-Lernschleife voraus, die ihrerseits aber erst realisiert werden muss (siehe auch weiter unten). Die Umsetzung der postulierten CV-Innovationserfolgs-Prinzipien in eine erfolgreiche Wettbewerbspositionierung (Nutzenstiftung am Markt, nachhaltige Kundenbeziehungen, Skaleneffekte und Preis-/Leistungsrelationen) muss auch tatsächlich gewährleistet werden können und sollte sich hierbei stark an den entsprechenden, schon vorhandenden Erfahrungen und Erkenntnisse der Entrepreneurship- und Gründungsforschung orientieren. Die Nachhaltigkeit der erreichten erfolgreichen Wettbewerbspositionierung muss durch die gezielte Errichtung von Wettbewerbsbarrieren (Isolationsmechanismen, Marktbarrieren, Mobilitätsbarrieren etc.) realisiert werden wie sie etwa vom MBV-Ansatz der Strategieforschung vorgeschlagen werden. Dies muss gegebenenfalls auch um juristische Maßnahmen zur wirkungsvollen Absicherung gegen illegale Raubkopien, Copycats und Patentverletzungen arrondiert werden. Schließlich muss die verbesserte Lernfähigkeit im Rahmen des erweiterten Kreislaufmodells der CV-Portfolio-basierten Wettbewerbspositionierung auch die Fähigkeit zum schnelleren „Verlernen“ von nicht mehr relevanten Ressourcen und Kompetenzen inkludieren (vgl. Michalski 2007: 826f.). Die Lern- und Kompetenztransferschleife wiederum hat folgende potentielle Schwachstellen: Die Wissensintegration zu neuen und innovativen Kompetenzen kann defizitär sein, da beispielsweise das mittlere Management des Corporate Core, welches hier eine Schlüsselrolle spielt, eine hohe Reaktanz entwickelt („not-invented-here“-Syndrom“; vgl. u. a. Specht/Beckmann/Amelingmeyer 2002: 41 und 94). Der Transfer der neuen organisationalen Kompetenzen in die Wissensbasis des Corporate Core kann aufgrund fehlender ökonomischer oder symbolischer Verhaltensanreize oder nicht vorhandener unterstützender IT-Systeme scheitern, etwa wegen fehlender Software-Lösungen für Wissens- und Kompetenzmanagement auf IntranetBasis (vgl. u. a. Kubitchek/Meckel 2000: 742ff.; Probst/Raub/Romhardt 1999: 351 ff.; Hansen/von Oettinger 2001: 107ff.; Andreu/Ciborra 1996: 124ff.). Schließlich können organisationale Widerstände bei den Managern des Corporate Core gegen die Implementierung einer CC-CV-Lernschleife auftreten. So können etwa bei der Wiederverwendung der neu hinzugewonnenen, innovativen Kompetenzen der CC-Wissensbasis in einzelnen neu gegründeten oder akquirierten Corporate Ventures des CV-Portfolios organisationale Widerstände der

274

Tino Michalski

Manager des Corporate Core auftauchen. Dies kann bedingt sein durch Ängste vor Informations- und Kontrollverlusten für die Manager der Kernorganisation sowie Befürchtungen bezüglich der Preisgabe von hochgradig wettbewerbssensitiven Kompetenzen an relativ autonome Venture-Organisationen außerhalb des Corporate Core. Dies ist vor allem bei Minderheitsbeteiligungen an Ventures als relevant zu erachten, welche nicht vom Kernunternehmen selbst gegründet werden. Zudem bedingt die Implementierung der CC-CV-Lernschleife auch die Implementierung von förderlichen Rahmenbedingungen in Gestalt des Emergenz-, Autonomie- und Optionenprinzips in der Kernorganisation selbst, die ebenfalls zu organisationalen Widerständen der Manager des Corporate Core führen können (vgl. Michalski 2007: 827f.). 6

Schlußfolgerungen für das Innovationsmanagement und die strategische Architektur internationaler Unternehmen

Das bisher in Großunternehmen angewandte Konzept des Innovationsmanagements wird der Herausforderung zunehmend dynamischer Umfeldbedingungen mit beschleunigter Emergenz neuer Marktkonstellationen und Marktsegmente immer weniger gerecht, da es auf der Annahme weitgehend stabiler sowie abgrenzbarer Märkte und einem damit korrespondierenden inkrementalen Innovationsmodus basiert (vgl. Geroski 1990: 586ff.). Großunternehmen sind folglich dazu gezwungen, ihr Innovationsmanagement stärker als bisher in Richtung radikal orientierter Innovationen umzugestalten (vgl. u. a. Christiansen 1998: 3ff.), um sich den Anforderungen hyperkompetitiver Märkte und beschleunigt emergenter Marktkonstellationen - möglichst proaktiv - anzupassen.17 Die bestehende Innovationslücke in Bezug auf radikale Innovationen muss folglich geschlossen werden. Dies kann mit Hilfe des Corporate-EntrepreneurshipKonzeptes prinzipiell möglich gemacht werden, d. h. der Übergang vom inkremental orientierten zum radikal orientierten Innovationsmanagement kann vom Management eines etablierten Großunternehmens durch die sachgerechte Anwendung des Corporate-Entrepreneurship-Konzeptes - bzw. den Einsatz von CV-Portfolios - erfolgreich bewältigt werden. Durch die Integration des Corporate-Entrepreneurship-Konzeptes in die strategische Architektur eines etablierten Großunternehmens wird der systematische Aufbau von strategischen Wettbewerbsvorteilen in hyperdynamischen und beschleunigt emergenten Märkten aus Sicht des RBV/CBV folglich ermöglicht. 17

Vgl. Morecroft (2002:19ff.); Cloutier/Boehlje (2002: 57ff.); Mahnke/Aadne (2002: 173ff.); Illinitch/D’Aveni/Lewin (1996: 211ff.); McGrath (1998: 351ff.); Grinyer/McKiernan (1990: 131ff.).

Erfolgreiches Management von CV-Aktivitäten

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Diese Verankerung des Corporate-Entrepreneurship-Konzeptes in der strategischen Architektur wird als Corporate-Entrepreneurship-Strategiekonzept bezeichnet. Wenn man diese Erkenntnis an dem derzeitigen Erkenntnisstand der strategischen Managementforschung spiegelt, stellt man fest, dass bislang der Aufbau und die Verteidigung komparativer Konkurrenzvorteile in reifen, etablierten und tendenziell als Oligopol organisierten Märkten - sowie die daraus resultierende möglichst unangreifbare Marktstellung - als die Quintessenz des strategischen Handelns eines etablierten Großunternehmens angesehen wird (vgl. Michalski et al. 2007: 205f.). Diese, aus der sogenannten Positioning School und dem MBV-Ansatz entstandene, Doktrin muss aus dem Blickfeld des Corporate-Entrepreneurship-Strategiekonzeptes und des damit korrespondierenden RBV/CBV-Ansatzes teilweise relativiert und ergänzt werden (vgl. Michalski 2005: 71ff.; Mintzberg 1998: 69ff.; Mintzberg/Ahlstrand/Lampel 1998: 1ff.). Während also im konventionellen strategischen Management im Wesentlichen auf Marktbehauptungsstrategien abgestellt wird, zielen CorporateEntre-preneurship-Strategiekonzepte und das darin enthaltene Corporate Venturing weniger auf Positionierungsvorteile in etablierten Kernmärkten ab, als vielmehr auf die Erschließung emergenter Hoffnungsmärkte („Blue Oceans“; Kim/ Mauborgne 2005a: 105), in denen vor allem neuartige Ressourcen- und Kompetenzen strategische Relevanz besitzen (vgl. Kim/Mauborgne 2005a: 105ff.; Kim/Mauborgne 2005b: 22.ff.; Michalski 2004a: 76ff.; Michalski 2002c: 311ff.). Literatur Andreu, R./Ciborra, C. (1996): Core Capabilities and Information Technology: An Organizational Learning Approach. In: Moignon, B./Edmonson, A. (Hrsg.): Organizational Learning and Competitive Advantage, London: 121-138. Argote, L./Darr, E. (2002): Repositories of Knowledge in Franchise Organizations. In: Dosi, G./Nelson, R.R./Winter, S.G. (Hrsg.): The Nature and Dynamics of Organizational Capabilities, New York: 51-68. Argyris, C. (1997): Wissen in Aktion: Eine Fallstudie zur lernenden Organisation, Stuttgart. Argyris, C./Schön, D. A. (1978): Organizational Learning: A Theory of Action Perspective. Reading (Mass.). Beglinger, V./Bloch, W./Rühli, E. (1992): Multiplikation von Know-How in fragmentierten Geschäftsbereichen. In: Die Unternehmung, Ausgabe 3: 153-164. Birkinshaw, J. (1997): Entrepreneurship in Multinational Corporations: The Characteristics of Subsidiary Initiatives. In: Strategic Management Journal, 18: 207-229. Block, Z. (1989): Damage Control for New Corporate Ventures. In: The Journal of Business Strategy, March-April: 23-28.

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Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken: Ansätze für das strategische Kompetenz-Management kleiner und mittelständischer Unternehmen

1

Einleitung ...................................................................................................285

2

Innovationsmanagement ............................................................................285 2.1 2.2 2.3

3

Ansätze für das Innovationsmanagement von KMU in regionalen Netzwerken ................................................................................................290 3.1 3.2

4

Innovationsmanagement von KMU in regionalen Netzwerken .................. 290 Thesen zum Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken ............... 291

Fallstudie: Aufbau eines regionalen Innovations-Netzwerks ....................293 4.1 4.2 4.3

5

Innovation und Innovationsmanagement .................................................... 285 Unternehmensübergreifende Innovationsstrategien .................................... 286 Kompetenzfelder des Innovationsmanagements in Netzwerken................. 287

Untersuchungsdesign................................................................................... 293 Fallpräsentation ........................................................................................... 294 Diskussion ................................................................................................... 295

Zusammenfassung und kritische Würdigung.............................................297

Literatur..............................................................................................................298

Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken 1

285

Einleitung

Innovationen werden in Forschung und Praxis als zentrale Faktoren für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) angesehen. Denn sie sind stärker als (diversifizierte) Großunternehmen auf Rückflüsse aus einem zu jederzeit ausgeglichenen Produktportfolio angewiesen und müssen – bei immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen – kontinuierlich neue Produkte auf den Markt bringen (vgl. Meyer 2006: 210). Da der zunehmende Zeit-, Qualitäts- und Preiswettbewerb sowie das technische und ökonomische Fehlschlagrisiko unternehmensinterne Innovationsstrategien nachteilig erscheinen lassen, gewinnen kooperative Innovationsstrategien an Bedeutung (vgl. Siebert 2003: 16ff.). Insbesondere regionale Netzwerke bieten den beteiligten Akteuren die Möglichkeit, finanzielle Risiken zu verteilen und während des Innovationsprozesses auf einen gemeinsamen Ressourcenpool zuzugreifen (vgl. Ritter 2005: 625). Die erfolgreiche Umsetzung von Innovationskooperationen in regionalen Netzwerken stellt jedoch hohe Anforderungen an die beteiligten KMU. Sie sind gezwungen, Netzwerkkompetenzen aufzubauen, um die Auswahl der Kooperationspartner, die Ideengenerierung und -auswahl sowie die Abwicklung der Innovationsprojekte in den polyzentrischen Strukturen eines regionalen Netzwerks effizient zu gestalten (vgl. Specht 2004: 457f. und Ritter/Gemünden 2000: 341ff.). Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, wie KMU aus der KompetenzPerspektive ein Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken aufbauen können. Die hierfür entwickelten Thesen werden im Rahmen einer Einzelfallstudie diskutiert. Aus der Diskussion ergeben sich weiterführende Fragestellungen, aus deren Betrachtung ein theoriegeleiteter Ansatz zum strategischen Kompetenzmanagement in regionalen Netzwerken entwickelt werden kann. 2

Innovationsmanagement

2.1 Innovation und Innovationsmanagement Der Innovationsprozess beginnt mit dem Entschluss, sich mit einem bisher nicht näher bekannten Gegenstand zu beschäftigen und führt bis hin zur Einführung eines neuen Produkts oder einer Dienstleistung in den Markt oder eines neuen Verfahrens in den Wertschöpfungsprozess.1 Das Innovationsmanagement 1

Der Innovationsprozess wird in der Literatur in unterschiedliche Phasen eingeteilt, er schließt jedoch immer auch die erstmalige technisch-wirtschaftliche Umsetzung ein (vgl. Hau-

286

Hans-Christian Pfohl/Ralf Elbert/Fabian Müller

umfasst die dispositive Gestaltung der Grundlagenforschung, der Technologieentwicklung, der Vorentwicklung, der Produkt- und Prozessentwicklung und auch der Markteinführung der neuartigen Lösungen (vgl. Specht 2004: 448). Es schließt dabei auch administrative Prozesse ein und geht damit über das naturwissenschaftlich-technische Forschungs- und Entwicklungsmanagement hinaus (vgl. Specht/Beckmann/Amelingmeyer 2002: 16ff. und Gerpott 2001: 242). Aufgaben des Innovationsmanagements sind die Festlegung von Innovationszielen, die Entwicklung von Innovationsstrategien, die Gestaltung des Innovationssystems und das Projektmanagement. Letzteres umfasst die Ideengenerierung, die Definition von Innovationsprojekten, ihre Bewertung und Auswahl sowie die Realisierung und Kontrolle der ausgewählten Aktivitäten (vgl. Hauschildt/Salomo 2007: 54ff.). 2.2 Unternehmensübergreifende Innovationsstrategien Während unternehmensinterne Innovationsstrategien weitgehend erforscht sind, stehen in jüngster Zeit vermehrt kooperative unternehmensübergreifende Innovationsstrategien im Mittelpunkt des Interesses (siehe u. a. Müller 2006; Gerybadze 2005 und Ritter 2005). Mit diesen Strategien wird das Ziel verfolgt, Innovationen gemeinsam mit anderen Unternehmen oder Forschungseinrichtungen zu realisieren. Die verschiedenen Spielarten zwischenbetrieblicher Innovationsstrategien unterscheiden sich durch die Kooperationsziele und die Intensität der Zusammenarbeit. Bei der Gemeinschaftsforschung werden Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gemeinsam mit anderen Unternehmen durchgeführt, wobei die Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten vom Erfahrungsaustausch über die Vergabe von Forschungs- und Entwicklungsaufträgen an Dienstleister bis hin zum Aufbau gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen reicht. Bei der Innovationskooperation werden im Rahmen der Zusammenarbeit von mindestens zwei Partnern gemeinsame Innovationen realisiert.2 Innovationsnetzwerke schließlich sind „komplexe Flechtwerke einer Vielzahl von Kooperationspartnern, die eine bewusste nachhaltige, arbeitsteilige und interaktive Zusammenarbeit bei der Innovation vereinbaren und praktizieren“ (Hauschildt/Salomo 2007:

2

schildt/Salomo 2007: 27 und Ernst 2005). Damit unterscheidet sich die Innovation von der Invention. Letztere erfordert keine Verwertung (vgl. Pfohl/Frunzke/Köhler 2007: 18). Vgl. Hauschildt/Salomo (2007: 81f.). Hauschildt ordnet Innovationskooperationen den zwischenbetrieblichen Innovationsstrategien zu. In diesem Beitrag wird von unternehmensübergreifenden Innovationsstrategien gesprochen, da die Herausforderungen des Innovationsmanagements in Netzwerken insbesondere außerhalb hierarchischer Weisungsmöglichkeiten deutlich werden.

Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken

287

85). Innovationsnetzwerke können sowohl vertikale Leistungsverflechtungen mit Kunden und Lieferanten als auch horizontale Leistungsverflechtungen mit Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsstufe ausweisen (vgl. Ritter 2005: 626ff.). 2.3 Kompetenzfelder des Innovationsmanagements in Netzwerken Zur Beschreibung von Kompetenzfeldern im Innovationsmanagement regionaler Netzwerke können Kompetenzen definiert werden als „wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhrund Marktprozesse ermöglichen.“ (Freiling/Gersch/Goeke 2006: 19) Kompetenzen stehen im Zentrum des competencebased view, der die Entstehung komparativer Wettbewerbsvorteile zwischen Unternehmen gemäß der competence-conduct-performance Hypothese damit begründet, dass Unternehmen unterschiedlich hohe Kompetenzen zur Nutzung der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ausbilden und damit – selbst bei gleicher Ausgangssituation hinsichtlich ihrer Ressourcenausstattung und Marktposition – unterschiedlich hohe Werte generieren können (vgl. u. a. Mildenberger 2002; Proff 2002 und Freiling 2000). Die bestmögliche interorganisationale Nutzung von Ressourcen in einem koordinierten Wertschöpfungsprozess mehrerer Akteure erfordert allerdings, dass bei der Kompetenzbetrachtung auch unternehmensübergreifende Handlungspotenziale berücksichtigt werden. Der Kompetenzansatz muss an dieser Stelle durch den Beziehungsansatz des strategischen Managements ergänzt werden. Dieser so genannte relational-based view geht davon aus, dass Unternehmen in Netzwerken Wettbewerbsvorteile erringen können, wenn sie bereit sind, ihre Ressourcen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit anderen Unternehmen in interorganisationalen Beziehungen zu kombinieren (vgl. Silverman/Baum 2002: 791ff. und Dyer/Singh 1998: 660f.). Zur Anwendung des competence-based view in Verbindung mit dem relational-based view auf das unternehmensübergreifende Innovationsmanagement ist es zweckmäßig, zwei Kompetenz-Kategorien zu unterscheiden: Die Kategorien Technologiekompetenz und Netzwerkkompetenz. Der Begriff Technologiekompetenz beschreibt das Handlungspotenzial eines Unternehmens, auf Basis einer technologischen Ausstattung Innovationen zu generieren. Dies schließt die Beherrschung von Produkt- und Prozesstechnologien ein (vgl. Ritter/Gemünden 2000: 345). Der Begriff Netzwerkkompetenz bezieht sich auf die Handlungspotenziale der Akteure eines Netzwerks, die Koordination einzelner unterneh-

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mensbezogener Ressourcen und Kompetenzen in Kooperationen mit den anderen Akteuren zu gestalten. Im Weiteren werden diese Netzwerkkompetenzen näher betrachtet. In der Literatur finden sich zahlreiche Vorschläge, wie der Begriff Netzwerkkompetenz konzeptionell verstanden werden soll (vgl. Beck 1998: 195-200; Ritter/Gemünden 2000: 341ff. und Reiß 2001: 121ff.). Darüber hinaus wird die Netzwerkkompetenz von zahlreichen verwandten Begriffen wie den „relational capabilities“ (vgl. Dyer/Singh 1998: 660ff.), den „alliance formation capabilities“ (vgl. Gulati 1999: 397ff.), der „alliance competence“ (vgl. Lambe et al. 2002: 141ff.), der „Kooperationskompetenz“ (vgl. Müller 2006: 255; Hillig 1997: 100ff. und Specht 2004: 452), der „Integrationsfähigkeit“ (vgl. Blecker 1999: 199ff.) und der „Netzkompetenz“ (vgl. Frunzke 2004: 32ff.) begleitet. Gemein ist den verschiedenen Ansätzen, dass sie sich auf das Aufgabenspektrum des Netzwerkmanagements beziehen. Eine ausgeprägte Netzwerkkompetenz zeichnet sich dadurch aus, dass die Aufgaben eines Netzwerkmanagements von den beteiligten Akteuren erfolgreich wahrgenommen werden.3 Sydow schlägt dazu vor, die klassischen Managementfunktionen um die vier netzwerkspezifischen Funktionen Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation zu ergänzen. Im Rahmen der Selektion werden die Kooperationspartner eines Netzwerks ausgewählt, Ziele definiert sowie die Handlungsfelder, das Geschäftsmodell und die organisationale Struktur (z. B. Steuerungsgremien, Netzwerk-Management) des Netzwerks festgelegt. Die Selektion ist als dauerhafte ManagementFunktion zu betrachten, durch welche eine permanente Re-Konfiguration des Netzwerks durch De-Selektion (Ausschluss nicht positiv evaluierter Kooperationspartner bzw. nicht erfolgreich bearbeiteter Themen) und Re-Selektion (Bindung bewährter Kooperationspartner bzw. Fortführung erfolgreicher Themen) ermöglicht wird (vgl. Möller 2006: 113ff. und Sydow 2003: 312f.). Netzwerkkompetenz im Innovationsmanagement kann in Bezug auf die Selektion als gemeinsames Handlungspotenzial der Akteure verstanden werden, die Auswahl der Kooperationspartner, die Festlegung der Innovationsziele und -projekte sowie die Gestaltung des Geschäftsmodells und der Organisationsstruktur so wahrzunehmen, dass Innovationen im Netzwerk ermöglicht werden. Im Rahmen der Allokation werden den Netzwerkakteuren Aufgaben, Ressourcen und Verantwortungsbereiche zugeteilt. Im Innovationsprozess handelt es sich dabei je nach Prozessphase und Verantwortungsbereich um naturwissenschaftlich-technische und administrative, operative und dispositive Aufgaben im 3

Vgl. Ritter/Gemünden (2000: 341-345). Der Begriff Akteur bezieht sich in diesem Beitrag auf die handelnden Personen im Netzwerk. Im Gegensatz dazu werden die NetzwerkUnternehmen auch als Netzwerkpartner bezeichnet.

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Rahmen der Grundlagenforschung, der Technologie-, Vor-, Produkt- und Prozessentwicklung sowie der Markteinführung (vgl. Sydow 2003: 314). Im Innovationsmanagement kann unter Netzwerkkompetenz das gemeinsame Handlungspotenzial der Akteure verstanden werden, die Allokation der im Netzwerk vorhandenen technologischen Ressourcen und Kompetenzen auf einer gemeinsamen Wissensbasis so zu gestalten, dass durch unternehmensübergreifende Spezialisierungsvorteile Innovationen gefördert werden. Im Rahmen der Regulation werden Handlungspraktiken und Regeln entwickelt, angewendet, formalisiert und durchgesetzt, die zur Steuerung der netzwerkspezifischen Wertschöpfungsprozesse notwendig sind (vgl. Möller 2006: 122). Diese Steuerungsmechanismen sind aufgrund eingeschränkter Weisungsbefugnisse im Netzwerk vielfach von Vertrauen und Selbstverpflichtung geprägt (vgl. Specht/Kahmann 2000: 56ff.). Der Begriff Netzwerkkompetenz kann im Rahmen der Regulation verstanden werden als das Handlungspotenzial der Akteure, diese auf Selbstverpflichtung beruhenden Steuerungsmechanismen zu generieren und so einzusetzen, dass durch sie die Definition von Innovationsprojekten, ihre Bewertung und Auswahl sowie ihre Realisierung und Kontrolle im Netzwerk koordiniert werden können. Die Evaluationsfunktion schließlich dient der Kontrolle des Kooperationserfolges sowie der Leistungsbeiträge der einzelnen Netzwerkpartner (vgl. Möller 2006: 122 und Sydow 2004: 312ff.). Netzwerkkompetenz kann in dieser Hinsicht als das Handlungspotenzial der Akteure begriffen werden, die Beurteilung der Aufgabenerfüllung in den Bereichen der Selektion (Grad der Zielerreichung mit den ausgewählten Netzwerkpartnern), der Allokation (Ausmaß der Leistungserbringung der Netzwerkpartner) sowie der Regulation (Bewährung der Handlungspraktiken und Regeln zur Koordination der Zusammenarbeit) im Netzwerk erfolgreich durchzuführen. Es lässt sich eine enge Verknüpfung der Evaluations-Kompetenz mit den anderen drei Kompetenzbereichen erkennen, da auch Selektionsaufgaben einzelnen Akteuren zugewiesen werden müssen und es Handlungspraktiken zur Durchführung der Evaluation bedarf. Zusammenfassend soll der Begriff Netzwerkkompetenz unter Bezugnahme auf SYDOW definiert werden als das gemeinsame Handlungspotenzial der Akteure, die Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation in einem Netzwerk so auszuüben, dass Innovationen realisiert werden können. Die vier verschiedenen Aspekte des Netzwerkmanagements werden dabei als Handlungsfelder verstanden, in denen sich die Kompetenz des Netzwerkmanagements widerspiegelt.

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Hans-Christian Pfohl/Ralf Elbert/Fabian Müller Ansätze für das Innovationsmanagement von KMU in regionalen Netzwerken

3.1 Innovationsmanagement von KMU in regionalen Netzwerken Eine besondere Innovationskraft wird Netzwerken mit regionalem Schwerpunkt zugeschrieben (vgl. Cappellin 2003: 30ff. und Pitelis/Pseiridis 2006: 40). Vielfach wird auch von (innovativen) Clustern gesprochen, deren Innovationskraft darauf zurückgeführt wird, dass sie komplexe regionale Beziehungs- und Wertschöpfungsnetzwerke entstehen lassen, welche eine Vielzahl an Kooperationen in unterschiedlichen Funktionsbereichen der Unternehmen ermöglichen (vgl. Martin/Sunley 2001). Von regionalen Netzwerken wird gesprochen, wenn ihnen ausschließlich KMU angehören und wenn sie durch eine kollektive Führerschaft und Prinzipien der Selbstorganisation geprägt sind.4 Diese Netzwerke bieten ein konstruktives Innovationsumfeld, da durch die räumliche Nähe und die Interaktionsintensität der Akteure vor Ort implizites Wissen leichter ausgetauscht werden kann als in räumlich weit aufgefächerten Strukturen (vgl. Swann/Prevezer 1998: 6f. und Swann 1998: 56). Davon profitieren KMU, die mehr als Großunternehmen gezwungen sind, ihre begrenzten finanziellen Mittel aufgrund beschränkter Kapitalressourcen besonders effektiv und effizient einzusetzen (vgl. Pfohl 2006: 96). Sie streben die Realisierung von Größenvorteilen und die Stärkung der eigenen Innovationskraft im regionalen Netzwerk an (vgl. Sydow 2003: 302). Allerdings stellen Innovationskooperationen in regionalen Netzwerken auch hohe Anforderungen an die beteiligten KMU. Denn während der unternehmensinterne Innovationsprozess gerade bei KMU vielfach intuitiv abläuft, macht ein Innovationsnetzwerk ein systematisches Innovationsmanagement erforderlich. Dabei stoßen KMU vielfach auf größenspezifische umfeldbezogene, unternehmensbezogene und personenbezogene Innovationshemmnisse. Letztere betreffen insbesondere die Qualifikation der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter sowohl in technischen wie auch in Managementaspekten (vgl. Pinkwart 2001: 195ff.). Das Innovationsmanagement im regionalen Netzwerk stellt KMU vor besondere Herausforderungen. Es sind Netzwerk-Kompetenzen erforderlich, damit kollektive Innovationsprozesse in einer polyzentrischen Organisationsform – weitgehend ohne die Koordinationswirkung einer Hierarchie – erfolgreich gestaltet werden können. Diese Kompetenzen zeigen sich im Ausmaß der Aufgabenerfüllung in den Kompetenzfeldern Selektion, Allokation, Regulation und 4

Vgl. Sydow et al. (1995: 20). Prototypen dieser Netzwerke findet man im Silicon Valley, in Norditalien (Emilia Romagna) sowie im M4 Korridor Englands (vgl. Sydow 2003: 303).

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Evaluation. Im Folgenden wird herausgearbeitet, wie KMU diese Netzwerkkompetenz in regionalen Netzwerken aufbauen können. 3.2 Thesen zum Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken Betrachtet man die Innovationskraft regionaler Netzwerke, so stellt sich die Frage, wie KMU Netzwerkkompetenzen ausbilden können. Im Bereich des Innovationsmanagements ist dies als besondere Herausforderung zu sehen, da die Zusammenarbeit in diesem sensiblen Bereich eine besondere Vertrauensbasis der Akteure voraussetzt. Da in regionalen Netzwerken vielfach Kooperationen in verschiedenen Funktionsbereichen der Unternehmen praktiziert werden, ist anzunehmen, dass in diesen Kooperationen Netzwerk-Kompetenzen aufgebaut werden, die bis zu einem gewissen Grad universal sind und beim Management von Innovationskooperationen mit den gleichen Akteuren genutzt werden können. Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Ausgangshypothese: Ausgangsthese: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Die Ausgangsthese soll anhand der vier verschiedenen Kompetenzfeldern des Netzwerkmanagements konkretisiert werden. Selektion in regionalen Netzwerken Selektion in Innovationsprozessen erfordert Wissen über die RessourcenAusstattung der potenziellen Kooperationspartner, Informationen über ihre Kooperationsfähigkeit sowie die Entwicklung von Regeln für den Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Die Beschaffung solcher Informationen gestaltet sich insbesondere bei KMU schwierig, da sie keinen Publizitätspflichten unterliegen, vielfach eine konservative Informationspolitik und nur teilweise eine systematische Partner-Selektion für Innovationskooperationen betreiben. In regionalen Netzwerken können KMU jedoch von informellen Informationsflüssen profitieren und durch die Kooperation in mehreren Funktionsbereichen einen ersten Einblick in die Geschäftsprozesse anderer regional angesiedelter Unternehmen erlangen. Dabei werden Handlungspraktiken für die kollektive Selektion entwickelt, welche in die Selektion des Innovationsmanagements einfließen können. Hieraus lässt sich folgende Arbeitsthese ableiten:

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Arbeitsthese 1: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Selektion auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Allokation in regionalen Netzwerken Ressourcen- und Kompetenzunterschiede können in einem Innovationsnetzwerk zur Steigerung der Innovationskraft der Unternehmen führen, wenn die Ideengenerierung, -bewertung, -auswahl und ihre Realisierung auf einer gemeinsamen Wissensbasis über die im Netzwerk vorhandenen technologischen Ressourcen und Kompetenzen erfolgen. Eine systematische Allokation setzt daher eine Art Informationssystem im Netzwerk voraus, durch das vorhandene Ressourcen und Kompetenzen sichtbar werden und damit in den Innovationsprozess eingebracht werden können. Da auch in Kooperationen in anderen Unternehmensbereichen der Aufbau eines systematischen Informationssystems erforderlich ist, wird die Arbeitsthese 2 formuliert, dass Erfahrungen aus Allokationsprozessen in Kooperationen anderer betrieblicher Funktionsbereiche dazu beitragen können, die Allokation in Innovationsnetzwerken effektiv und effizient zu organisieren. Arbeitsthese 2: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Allokation auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Regulation in regionalen Netzwerken Die Entwicklung von Steuerungsmechanismen zur Koordination des zwischenbetrieblichen Innovationsprozesses wird dadurch erschwert, dass bei regionalen Netzwerken, in denen ausschließlich KMU vertreten sind, solche KooperationsSpielregeln nicht von einem fokalen Unternehmen vorgegeben werden, sondern in der Interaktion der Kooperationspartner entstehen und einen Institutionalisierungsprozess durchlaufen. Daher wird Arbeitsthese 3 formuliert, dass KMU Regulationsmechanismen aus Kooperationen in anderen betrieblichen Funktionsbereichen – sofern sie den Charakter allgemeiner Handlungspraktiken und routinen besitzen – auch im Management eines Innovationsnetzwerks einführen. Arbeitsthese 3: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Regulation auf, wenn das Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert.

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Evaluation in regionalen Netzwerken Die Evaluation der Leistungserbringung einzelner Netzwerk-partner sowie die Beurteilung von Kooperationsergebnissen setzen eine Informationsbereitstellung über die Leistungsbeiträge der Partner sowie eine Einigung der KMU auf ein gemeinsames Bewertungsverfahren voraus. Es ist davon auszugehen, dass KMU ihre Erfahrungen aus vormaligen Kooperationen nutzen, um bereits vorhandene Evaluationsstrukturen auf Innovationskooperationen zu überragen. Hieraus folgt Arbeitsthese 4: Arbeitsthese 4: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Evaluation auf, wenn das Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Diese vier Arbeitsthesen werden im Weiteren anhand einer Fallstudie diskutiert. 4

Fallstudie: Aufbau eines regionalen Innovations-Netzwerks

4.1 Untersuchungsdesign Die vorliegende Einzelfallstudie basiert auf den Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt ceo hessen am Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Darmstadt. Im Rahmen dieses Projekts wird der Aufbau eines regionalen Innovationsnetzwerks in der Automobilzulieferindustrie seit Juni 2006 aktiv begleitet. Die Autoren haben dabei die Rolle eines Netzwerkmanagers inne, der im Auftrag der Geschäftsleitung der Netzwerkpartner Management-Aufgaben im Netzwerk wahrnimmt. Die Datenbasis beruht auf persönlichen Einzelgesprächen, Workshops sowie der schriftlichen und telefonischen Korrespondenz mit Akteuren des Netzwerks auf Geschäftsleitungs- und Abteilungsleiterebene. Die Protokolle der Gespräche und Workshops wurden den Akteuren zugesendet und von ihnen inhaltlich geprüft.

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4.2 Fallpräsentation Ende 2006 formierte sich in Hessen ein regionales Netzwerk mittelständischer Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung von Modul- und Systemlösungen für die Automobilindustrie. Die beteiligten Unternehmen beliefern als 1st- und 2nd-tier Lieferanten weltweit alle namhaften Original Equipment Manufacturer (OEM) der Automobilindustrie. Das Leistungsspektrum reicht von Metall- und Kunststoffkomponenten bis hin zu Modul- und Systemlösungen, die weitgehend von den Kooperationspartnern in internen Innovationsprozessen entwickelt werden. Das Netzwerk ist von horizontalen Beziehungen geprägt, Leistungsverflechtungen zwischen den Unternehmen liegen teilweise vor, betreffen jedoch keine strategisch bedeutsamen Komponenten. Die 10 Unternehmen des Netzwerks beschäftigen weltweit ca. 11.000 Mitarbeiter und sind mit ihren Hauptwerken und Firmensitzen im Umkreis einer Pkw-Fahrstunde angesiedelt. Der Aufbau und der Betrieb des Netzwerks lässt sich in drei Phasen einteilen, welche in Abbildung 1 dargestellt sind.

Kick-Off: Januar 2007

Steuerungsausschuss: Juli 2007

Innovationskooperation Vertriebskooperation Anbahnungs- und Planungsphase

Abbildung 1:

Einkaufskooperation

Vertriebskooperation Einkaufskooperation

Projektplanung des Innovationsnetzwerks

Die Formation des Netzwerks erfolgte im Zeitraum Juni bis November 2006 (Anbahnungs- und Planungsphase). Im Januar 2007 wurde die Zusammenarbeit der Kooperationspartner im Bereich des Einkaufs eingeleitet und im März 2007 auf den Vertriebsbereich ausgeweitet. Von Anfang an wurden im Einkauf und im Vertrieb sowohl ambitionierte langfristige als auch kurzfristig realisierbare Projekte bearbeitet. Nach anfänglichen Erfahrungsaustauschen und BestPractice-Reihen wurden im Einkauf die Beschaffungsstrukturen der Unterneh-

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men offen gelegt und analysiert, um auf einer gemeinsamen Wissensbasis bestehende Lieferantenportfolios zu erweitern. Im Vertrieb wurden Prozessanalysen durchgeführt und Instrumente entwickelt, welche zur Verbesserung interner Arbeitsprozesse eingesetzt werden können. Nach einer Evaluation der ersten Projektergebnisse wurde der Aufbau des gemeinsamen Innovationsmanagements im Juli 2007 beschlossen. Im selben Monat wurde mit dem Aufbau der Innovationskooperation begonnen. 4.3 Diskussion Selektions- und Evaluationsvorgänge im regionalen Netzwerk Anhand des vorliegenden Falles werden Arbeitsthese 1 und 4 diskutiert: Arbeitsthese 1: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Selektion auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Arbeitsthese 4: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Evaluation auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Im Rahmen der Einkaufs- und Vertriebskooperationen wurden die Aufgaben der Selektion und der Evaluation von der Unternehmensleitung der Netzwerkpartner wahrgenommen. Vertreter der Unternehmensleitung von zehn KMU folgten im September und im Dezember 2006 einer Einladung zu zwei StrategieWorkshops.5 Im Rahmen des ersten Workshops wurde die Vision formuliert, langfristig ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungszentrum zur Entwicklung und Realisierung gemeinsamer Modul- und Systemlösungen aufzubauen. Im Rahmen des zweiten Workshops wurde der Teilnehmerkreis festgelegt, die Verpflichtung eines Netzwerkmanagers und die Bildung eines Steuerungsausschusses zur Kontrolle der Projektergebnisse beschlossen. Im Juli 2007 erfolgte die erste Evaluation der Projekte im Einkauf und im Vertrieb. Auf Basis 5

Vor den Strategieworkshops im September und im Dezember 2006 wurden zweistündige Vorgespräche mit der Unternehmensleitung von 14 KMU geführt. Vier Gespräche erfolgten auf Initiative der Forschungsgruppe, weitere 10 Gesprächspartner wurden in den ersten vier Gesprächen als potenziell geeignete Kooperationspartner benannt. Diese Empfehlungen erfolgten auf Basis der vermuteten Produktions- und Entwicklungskompetenz der Unternehmen sowie ihrer angenommenen Kooperationsfähigkeit.

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dieser Evaluation wurde die Entscheidung getroffen, den Aufbau des gemeinsamen Innovationsmanagements ab Juli 2007 zu beginnen. In Bezug auf die erste Arbeitsthese kann festgestellt werden, dass sich die Kooperationen im Einkauf und im Vertrieb sowohl methodisch als auch informatorisch positiv auf die Selektions-Prozesse der Innovationskooperation ausgewirkt haben. Die Diskussion und die Entscheidungsfindung der Unternehmensleitung im Steuerungsausschuss verliefen effizienter als im Einkauf und im Vertrieb. Darüber hinaus konnte die Wissensbasis über die Ressourcen- und Kompetenzkonfiguration der Kooperationspartner erweitert werden.6 Neun der zehn Unternehmen bestätigten ihre Absicht, ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungszentrum aufzubauen. Ein Unternehmen schied aus dem Netzwerk mit der Begründung aus, dass die eigene Ressourcen-Konfiguration keine Leistungsergänzung der anderen Unternehmen zulasse. In Bezug auf die vierte Arbeitsthese kann zum aktuellen Forschungsstand nur insoweit eine Aussage getroffen werden, als dass entschieden wurde, die Evaluationsvorgänge aus den Kooperationen in Einkauf und Vertrieb auf die Innovationskooperation im Netzwerk zu übertragen.7 Allokations- und Regulationsvorgänge im regionalen Innovations-Netzwerk Anhand des vorliegenden Falles werden nun Arbeitsthese 2 und 3 diskutiert: Arbeitsthese 2: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Allokation auf, wenn das regionale Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Arbeitsthese 3: KMU bauen in regionalen Innovationsnetzwerken eine höhere Netzwerkkompetenz im Bereich der Regulation auf, wenn das Netzwerk in verschiedenen Funktionsbereichen agiert. Die Ausgestaltung der Allokation und der Regulationsmechanismen wurde von der Unternehmensleitung der Kooperationspartner an den Netzwerkmanager delegiert. Parallel zur Bearbeitung der verschiedenen Projekte im Einkauf und im Vertrieb wurden Befragungen der Akteure mit standardisierten Datenblättern 6

7

Im Einkauf konnte insbesondere durch die Offenlegung der Beschaffungsstrukturen der beteiligten Unternehmen auf die Fertigungstechnologien und Produktanforderungen geschlossen werden. Durch die Prozessanalysen, die im Bereich des Vertriebs durchgeführt wurden, konnten Einblicke in die Organisations- und Führungsstrukturen der Unternehmen gewonnen werden. Die erste Evaluation der Innovationskooperation ist im Dezember 2007 vorgesehen.

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durchgeführt, um einkaufs- und vertriebsrelevante Ressourcen und Kompetenzen der Kooperationspartner zu identifizieren und die Allokation angemessen zu gestalten. Im Rahmen der Datenerhebung gelang es Handlungspraktiken zu entwickeln, die von den Fachverantwortlichen trotz der eingeschränkten Weisungsbefugnis des Netzwerkmanagers akzeptiert wurden. So konnte eine gemeinsame Wissensbasis über die Kompetenzen und Ressourcen der Kooperationspartner erarbeitet und die Allokationsfunktion immer mehr vom Netzwerkmanager an die Fachverantwortlichen der Unternehmen übertragen werden. In Bezug auf die zweite und dritte Arbeitsthese kann festgestellt werden, dass die Allokationsprinzipien und die Regulationsmechanismen aus den Kooperationen im Einkauf und im Vertrieb im Rahmen der Innovationskooperation übernommen wurden. Es wurde beschlossen, kontinuierlich Daten bei den F&EVerantwortlichen der Unternehmen nach den gleichen Grundsätzen wie im Einkauf und im Vertrieb zu erheben und die ausgewerteten Daten in einer Innovations-Kompetenzmatrix darzustellen, damit im gemeinsamen Innovationsmanagement eine ressourcen- und kompetenzorientierte gemeinsame Ideengenerierung, -bewertung und -auswahl ermöglicht wird. Auf Basis dieser Ergebnisse kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Kooperationen im Einkauf und im Vertrieb zu gemeinsamen Handlungspotenzialen in der Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation geführt haben. Es ist daher davon auszugehen, dass die entwickelte Netzwerkkompetenz positive Auswirkungen auf die Realisierung von Innovationen im Netzwerk haben wird. 5

Zusammenfassung und kritische Würdigung

Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, wie KMU aus der Kompetenz-Perspektive ein Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken aufbauen können. Im Rahmen der Fallstudienanalyse wurde die These diskutiert, dass KMU Netzwerkkompetenzen für das Innovationsmanagement in regionalen Netzwerken ausbilden können, wenn sie neben dem Innovationsbereich in anderen Funktionsbereichen kooperieren. Anhand des vorliegenden Falles kann gezeigt werden, dass regelhafte kollektive Handlungspraktiken für die Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation im in regionalen Netzwerken in Kooperationen außerhalb des Innovationsbereichs entwickeln werden und in Innovationskooperation Anwendung finden können. Dabei muss angemerkt werden, dass auf Basis dieser Einzelfallstudie eine inhaltliche Beurteilung der Innovationsprozesse erst möglich wird, wenn die

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Innovationskooperation ein fortgeschritteneres Stadium erreicht hat. So wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich zu beurteilen, ob das Netzwerk Innovationen hervorbringt, die in unternehmensinternen Innovationsprozessen der Akteure nicht hätten realisiert werden können. Auf der Grundlage weiterer Projektergebnisse und zusätzlicher Gespräche mit den Netzwerkakteuren auf der Geschäftsleitungs- und Fachebene ist zudem eine Schärfung der dargestellten Thesen anzustreben. Eine weiterführende Forschungsaufgabe könnte sein, die Lernprozesse der Akteure typen- und/oder rollenspezifisch zu untersuchen, um differenziertere Aussagen über die Funktion des Netzwerkmanagers und dessen Einfluss auf die Innovationskraft des Netzwerks zu ermöglichen. Über diese Fallstudie hinaus wird eine Operationalisierung der dargestellten Kompetenzfelder erforderlich, damit die Arbeitsthesen des Beitrags einer großzahligen empirischen Erhebung zugeführt werden können. Literatur Beck, T.C. (1998): Kosteneffiziente Netzwerkkooperationen: Optimierung komplexer Partnerschaften zwischen Unternehmen. Wiesbaden. Blecker, T. (1999): Unternehmung ohne Grenzen. Konzepte, Strategien und Gestaltungsempfehlungen für das strategische Management. Wiesbaden. Cappellin, R. (2003): Networks and Technological Change in Regional Clusters. In: Bröcker, J./Dohse, D./Soltwedel, R. (Hrsg.): Innovation Clusters and Interregional Competition. Heidelberg: 52-78. Dyer, J./Singh, H. (1998): The relational view: co-operative strategy and sources of interorganisational competitive advantage. In: Academy of Management Review, 23: 660-679. Ernst, H. (2005): Neuproduktentwicklungsmanagement. In: Albers, A./Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Strategie – Umsetzung – Controlling. Wiesbaden: 247-264. Freiling, J. (2000): Entwicklungslinien und Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. In: Hammann, P./Freiling, J. (Hrsg.): Die Ressourcen- und Kompetenzperspektive des Strategischen Managements. Wiesbaden: 13-46. Freiling, J./Gersch, M./Goecke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C./Freiling, J./Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden. Frunzke, H. (2004): Von der Kompetenz im strategischen Management zur Netzkompetenz. In: Pfohl, H.-C. (Hrsg.): Netzkompetenz in Supply Chains: Grundlagen und Umsetzung. Wiesbaden: 13-41. Gerpott, T.J. (2001): Innovationsmanagement. In: Die Betriebswirtschaft, 61: 240-255.

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300

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Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse - Ein evolutionstheoretischer Ansatz

1

Einführung..................................................................................................303 1.1 1.2 1.3

2

Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen ...........................................307 2.1 2.2

3

Die strukturelle Dimension des Kompetenzaufbaus ................................... 307 Die prozessuale Dimension des Kompetenzaufbaus................................... 309

Selektionsmechanismen als zentrale Faktoren des Kompetenzaufbaus.....................................................................................313 3.1 3.2 3.3

4

Ableitung der Problemstellungen in Theorie und Praxis ............................ 303 Forschungsleitende Hypothesen und Modellverknüpfung.......................... 305 Vorgehensweise........................................................................................... 306

Lerntheoretische Überlegungen zu den Selektionsmechanismen ............... 314 Selektionsfaktoren ....................................................................................... 316 Selektionstypen ........................................................................................... 318

Die Gestaltung des Kompetenzportfolios durch Veränderungslernen ......319 4.1 4.2

Das Lernmodell des fundamentalen Wandels ............................................. 320 Empfehlungen für die Beratung von Unternehmen .................................... 323

Literatur..............................................................................................................325

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse 1

303

Einführung

Der vorliegende Beitrag ist das Ergebnis einer langjährigen praktischen Zusammenarbeit in der Unternehmensberatung und der regelmäßigen Auseinandersetzung mit Erklärungsversuchen empirischer Phänomene im Zusammenhang mit dem Aufbau von Kernkompetenzen in Unternehmen. Der Erfolg unserer Beratungsprojekte basiert unserer Meinung nach auf der (bislang unbewusst erfolgten) Kombination der Erkenntnisse aus dem evolutionstheoretisch fundierten Evolutionsmodell der Kernkompetenzen von Fearns (2004) mit dem empirisch fundierten Lernmodell des fundamentalen Wandels von Schott (2003). Dieses implizite Praxiswissen wollen wir durch die vorliegende Ausarbeitung zurück in einen theoretischen Kontext bringen, da wir der Meinung sind, dass die Kombination unserer Modelle einen wichtigen Beitrag zur nach wie vor zentralen, aber bislang nicht zufriedenstellend beantworteten Frage nach der Gestaltung strategischer Kernkompetenzen leisten kann. 1.1 Ableitung der Problemstellungen in Theorie und Praxis Die Bedeutung von Kernkompetenzen für das Strategische Management von Unternehmen ist seit den 90er Jahren unbestritten. Um langfristige Wettbewerbsvorteile in dynamischen Märkten zu generieren, ist nach den Kernaussagen der ressourcen- und kompetenzbasierten Strategielehre die Identifikation und Nutzung von Kernkompetenzen zur zentralen Managementaufgabe geworden. Die Frage nach den Möglichkeiten einer gezielten Steuerung der langfristigen Kernkompetenzentwicklung ist bislang allerdings nicht zufrieden stellend beantwortet. Erklärungsversuche zur Entstehung von Kernkompetenzen beschreiben einen „mysteriösen Prozess spontaner Geburt“ (Boos/Jarmai 1994: 20), bei dem das „kollektive Lernen der Organisation“ und die „Beharrlichkeit der Topmanager“ (Prahalad/Hamel 1991, 1994) eine zentrale Rolle spielt und bei dem sich „...die Ressourcen, Fähigkeiten und Routinen über prozessualdynamische Lernprozesse zu Kernkompetenzen verdichten...“ (Rasche 1994: 176). Wie dieser Prozess konkret jedoch abläuft, ist weitestgehend unerforscht. So bleibt häufig der Eindruck bestehen, Kernkompetenzen seien „...ein Produkt des glücklichen Zufalls“ (Blohm 2000: 2). Mit dem Evolutionsmodell der Kernkompetenzen von Fearns (2004) liegt eine theoretisch fundierte Ausarbeitung über die Entstehung von Kernkompetenzen vor, welche wesentliche Prozessmerkmale des Kompetenzaufbaus über einen internen Evolutionsprozess erklärt. Das Modell zeigt auf, wie durch das Zusammenspiel der Evolutionsmechanismen der Variation, Selektion und Spei-

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cherung Organisationen mit der Zeit ein Portfolio von Basiskompetenzen und Kernkompetenzen1 entwickeln, das für den Markterfolg des Unternehmens entscheidend ist. Für das Management von Unternehmen bedeutet Kompetenzmanagement damit, diese internen Evolutionsprozesse durch geeignete Interventionen zu beeinflussen.2 Die ressourcen- und kompetenzbasierte Strategielehre kann erklären, warum ein Unternehmen strategische Kernkompetenzen aufbauen sollte und welche Kriterien (Einzigartigkeit, Nicht-Imitierbarkeit usw.) bei der Identifikation der Kernkompetenzen entscheidend sind. Das Evolutionsmodell von Fearns kann aus der Evolutionstheorie grundlegende Aussagen darüber ableiten, welche Prozesse im Unternehmen zur Ausprägung von Kernkompetenzen führen und was ein Unternehmen gestalten muss (die internen Evolutionsmechanismen), um diese einzigartigen Kernkompetenzen zu entwickeln. Es fehlen jedoch nach wie vor umfassende Aussagen darüber, wie ein Unternehmen konkret diese Mechanismen gestalten kann, um über diesen Hebel den gezielten Aufbau von Kernkompetenzen voranzutreiben. Daher liegt das theoretische Ziel dieses Beitrags darin, fundierte Aussagen zu dem „wie“ zu entwickeln (Zielfeld 1). Die vorherrschende Unternehmenspraxis ist unserer Meinung nach dadurch gekennzeichnet, dass sich Unternehmen beim Aufbau von Kernkompetenzen bisher primär auf den Evolutionsmechanismus der geplanten Variation konzentrieren. Will ein Unternehmen beispielsweise „Innovationskompetenz“ aufbauen, so ergeben sich als mögliche Maßnahmen die Rekrutierung innovativer Mitarbeiter, Weiterbildungen im Bereich Problemlösungs- und Kreativitätstechniken, Führungskräftetrainings, systematische Gestaltung des Ideenmanagements, neue Prozessbeschreibungen usw. Die angestrebte Entwicklung der Innovationskompetenz löst also eine Vielzahl von Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens aus, die im Evolutionsmodell als geplante Variationen beschrieben werden. Der Evolutionsmechanismus der Selektion wird in Unternehmen dagegen praktisch nicht betrachtet, der Evolutionsmechanismus der Speicherung erfolgsrelevanten Wissens nur teilweise.3 Aus der Literatur zur Gestaltung von Veränderungen in Unternehmen und unserer eigenen Beratungserfahrung wissen wir, dass trotz aller Professionalität viele Veränderungsprozesse suboptimale Ergebnisse erzielen (vgl. Kostka/Mönch 2002: 13ff.). Unternehmen gelingt es trotz unterschiedlichster 1

2

3

Diese Kompetenztypen unterschieden sich vor allem im Hinblick auf ihre strategische Relevanz im Wettbewerb. Kernkompetenzen sind die einzigartigen unternehmensspezifischen Kompetenzen, die dem Unternehmen nachhaltige strategische Wettbewerbsvorteile sichern. Zur Problematik der Steuerbarkeit von Evolutionsprozessen siehe Fearns (2004: 111ff und 214 f.). Z. B. beim Aufbau von Datenbanken, Dokumentationen usw.

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Aktivitäten nicht, durch Variationen die angestrebten organisationalen Kompetenzen aufzubauen. Unsere Arbeitshypothese ist, dass die angestrebten Ergebnisse der geplanten Variationen zum Aufbau von Kernkompetenzen nicht erreicht werden können, weil sie permanent durch organisationsinhärente Selektionsprozesse gefährdet werden. Die Problematik der internen Selektion wird von den Unternehmen zwar alltagspraktisch wahrgenommen („jetzt haben wir so viele Trainings durchgeführt, aber geändert hat sich nichts“), aber es fehlt in der Praxis das Wissen darüber, woran die Variationen scheitern (u. E. an der internen Selektion = Fehlendes Wissen über das „was“). Darüber hinaus fehlt den Unternehmen das Wissen über das „wie“ (wie gestalte ich die internen Selektionsmechanismen). Die anfangs aufgezeigte theoretische Lücke in Bezug auf konkrete Gestaltungshinweise schlägt sich also auch in der Praxis des Kompetenzaufbaus nieder. Nach den Ausarbeitungen unserer theoretischen Überlegungen sollen deshalb auf dieser Basis erste Beratungsaussagen für die Gestaltung der internen Selektionsmechanismen4 in Unternehmen getroffen werden. Hier liegt das zweite, praxisbezogene Ziel unseres Beitrags (Zielfeld 2). 1.2 Forschungsleitende Hypothesen und Modellverknüpfung Im Evolutionsmodell der Kernkompetenzen wird beschrieben, dass sich die Evolutionsmechanismen über individuelle und kollektive Lernprozesse im Unternehmen herausbilden. Wie dieser Prozess jedoch genau abläuft, ist dort nicht ausreichend geklärt. Nach unserer Problemanalyse im vorangegangen Abschnitt ist aber gerade die Frage nach dem „wie“ theoretisch und praktisch bedeutsam. Wir sind der Meinung, dass das Lernmodell von Schott eine entscheidende Lücke in der Kompetenzforschung schließen kann, da es uns erlaubt, die internen Selektionsmechanismen im Unternehmen zu verstehen, zu typologisieren und typenabhängige Gestaltungshinweise abzuleiten. Daher wird in diesem Beitrag das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen mit dem empirisch fundierten Lernmodell von Schott kombiniert. Das Lernmodell basiert auf der empirischen Untersuchung von betrieblichen Konversionsprojekten in der Rüstungsindustrie (Umstellung der Produktion von Rüstungsgütern auf zivile Güter), die unserer Meinung nach ein aussagekräftiges Beispiel für die Neugestaltung des Kompetenzportfolios eines Un4

Den Evolutionsmechanismus der Speicherung klammern wir an dieser Stelle aus, da a) eine Beschäftigung damit den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde und b) wir den größten Hebel der Gestaltung von Kompetenzen im Bereich der Selektionsmechanismen sehen.

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ternehmens abgeben. Neben den geänderten Produktionskompetenzen mussten die Unternehmen neue Marketing- und Vertriebskompetenzen ebenso aufbauen wie Kompetenzen für den Umgang mit neuen Kunden, Konkurrenten, Preisverhandlungen usw. Einigen Unternehmen ist dies gelungen, anderen dagegen nicht. Die erfolgreichen Unternehmen haben es geschafft, über weit reichende Lernprozesse die Kompetenzen des Unternehmens so zu gestalten, dass sie am Markt bestehen konnten. Mittels der zweimaligen schriftlichen Befragung von insgesamt 1449 Mitarbeitern und 36 Einzel- und Gruppeninterviews, sowie der dreimaligen schriftlichen Befragung von 65 Seminarteilnehmern5 die Erfolgsmuster der „überlebenden“ Unternehmen identifiziert und in das Lernmodell übersetzt. Betrachtet man diese Forschungsergebnisse aus der Perspektive des Kompetenzmodells, so kommen wir zu der Erkenntnis, dass die erfolgreichen Unternehmen in der Studie nicht nur Variationen (neue Produktionsverfahren, neue Vertriebskanäle) ausgelöst haben, sondern insbesondere die internen Selektionsmechanismen neu gestalteten. Dies zeigt sich zum einen in der Unterstützung gewünschter Veränderungen durch die gezielte Schwächung von Selektionsmechanismen und zum anderen in der Stärkung von Selektionsmechanismen, um einen Rückfall in alte Verhaltensmuster zu verhindern und Neues dauerhaft zu etablieren. 1.3 Vorgehensweise Um die genannten Ziele zu erreichen, wir zunächst das Wissen über die internen Selektionsmechanismen aus dem Evolutionsmodell von Fearns vorgestellt und beschrieben, welchen Einfluss vorhandene Selektionsmechanismen laut dem Modell auf die Entwicklung der organisationalen Kompetenzen hat (Kapitel 2). Anschließend wird in Kapitel 3 die Entstehung der internen Selektionsmechanismen lerntheoretisch fundiert. Wir identifizieren Faktoren, welche die einzelnen Selektionsmechanismen beeinflussen und ihnen eine spezifische Gestalt geben. Aus der Kombination von Faktoren und Selektionsmechanismen entwickeln wir verschiedene Selektionstypen, die sich im Hinblick auf ihre Veränderbarkeit stark unterscheiden. Es wird aufgezeigt, dass die identifizierten Selektionstypen unterschiedliche Anforderungen an die zu vollziehenden Lernprozesse (Verbesserungs- versus Veränderungslernen) stellen. Auf diese Weise schaffen wir ein wichtiges Analyseinstrument, das uns hilft, die Gestaltung der Lernprozesse für die Praxis des Kompetenzaufbaus zu konkretisieren. Nachdem erarbeitet wurde, dass und wie die internen unternehmensspezifischen Selektionstypen 5

Ausführlicher Überblick zum Feldzugang siehe Schott (2003: 27ff.).

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durch Lernprozesse entstehen, widmen sich das Kapitel 4 der Frage nach ihrer Veränderung. Die Grundlage bildet hierfür das Lernmodell von Schott. Wir werden zeigen, welche Anforderungen an die Lernauslöser, Lernpromotoren, Lernträger usw. im zu gestaltenden Lernprozess zu stellen sind, damit der Aufbau von Kernkompetenzen gelingen kann. Abschließend werden wir aus diesen Überlegungen Tipps für die Unternehmensberatung ableiten. 2

Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen

Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen erklärt die Entstehung und Veränderung von organisationalen Kompetenzen durch interne Evolutionsprozesse im Unternehmen, die an verschiedenen Stellen des Unternehmens wirksam werden.6 Unternehmen werden als Systeme definiert, die sich aus verschiedenen hierarchisch angeordneten Teil- oder Subsystemen zusammensetzen. Die organisationalen Kompetenzen des Unternehmens stellen dabei die oberste hierarchische Systemebene dar. Die (Kern-)Kompetenzen setzen sich wiederum aus verschiedenen Komponenten, den Elementarressourcen und organisationale Routinen, zusammen. Dieser Aufbau der Kompetenzen wird als die strukturelle Dimension des Kompetenzmodells bezeichnet. Sie ist die Grundlage für das Verständnis der Kompetenzentwicklung. 2.1 Die strukturelle Dimension des Kompetenzaufbaus Betrachtet man beispielsweise die Vertriebskompetenz eines Unternehmens, so ist diese Kompetenz mehr als nur die Fähigkeiten und Motivationen der Mitarbeiter im Vertrieb. Die Vertriebskompetenz beinhaltet eine Vielzahl von Komponenten, die im Evolutionsmodell als organisationale Routinen und Elementarressourcen bezeichnet werden:

6

Die folgenden Ausführungen basieren auf der Arbeit von Fearns (2004).

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Organisationale Kompetenz

Vertriebskompetenz

Organisationale Routinen

Kundenansprache, Ablauf Erstkontakt, Ablauf Verkaufsgespräch, Abstimmung Kommunikationsprozess Innen- und Außendienst, Bestellvorgang, Verfügbarkeitsprüfung usw.

ElementarRessourcen

Mitarbeiter im Innen- und Außendienst, Geschäftswagen, Adresslisten, Software, Hardware, Telefon, Verkaufsmuster usw.

Tabelle 1: Komponenten der Vertriebskompetenz Für die strukturelle Dimension gelten im Evolutionsmodell dabei die folgenden Definitionen: ƒ

ƒ

ƒ

Unter dem Begriff "Elementarressource" werden alle Ressourcen verstanden, die ein Unternehmen auf dem Beschaffungsmarkt beziehen kann, da sie handelbar, transferierbar und mobil sind. Hierzu zählen alle Arten von Rohstoffen, Zwischenerzeugnissen, Humanressourcen usw. Die Elementarressourcen bilden die Grundlage für jede Tätigkeit eines Unternehmens und damit auch für seine Kompetenzen. Organisationale Routinen sind Handlungsmuster, "patterns of activity" (Nelson/Winter 1982), in denen das Handlungswissen der Organisation gespeichert wird und die den Einsatz der Elementarressourcen unternehmensspezifisch steuern. Durch die Ausführung von organisationalen Routinen erfolgt eine erste Bündelung und Koordination der Elementarressourcen zu koordinierten Aktivitäten (Grant 1991: 122). Organisationale Kompetenzen werden in Anlehnung an v. Krogh/Roos 1992) definiert als aufgabenbezogene Bündelung organisationaler Routinen, welche im Hinblick auf ihren Beitrag zur Aufgabenerfüllung eines Unternehmens bewertet werden. Die organisationalen Kompetenzen werden somit als dynamische Phänomene konzipiert, welche sich durch die Dimensionen "Wissen" und "Aufgabe" spezifizieren lassen. Kompetenzen der Organisation entstehen, „... when the knowledge (and the skill) meets the task“(v. Krogh/Roos 1996: 425). Nur durch die Kombination dieser beiden Dimensionen entstehen wettbewerbsrelevante Kompetenzen und der Erfolg für das Unternehmen.

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse

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Wenn die organisationalen Kompetenzen durch die Zuordnung einzelner Wissensbestände zu bestimmten Aufgaben entstehen, so folgt daraus, dass organisationalen Kompetenzen eines Unternehmens durch subjektive Interpretationsleistungen der Organisationsmitglieder zustande kommen: Je nach dem, wie die Aufgaben des Unternehmens spezifiziert werden, ergeben sich unterschiedliche Zuordnungen der entsprechenden organisationalen Routinen. Definiert man beispielsweise die Aufgaben des Unternehmens anhand der Unternehmensfunktionen, wie sie z. B. in der Wertkette Porters systematisiert sind (Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Personal usw.; vgl. hierzu die Ausführungen von Lado et al. 1992 und Fearns 2004: 54), so ergibt sich daraus ein anderer Kompetenzbestand bestehend aus anderen organisationalen Routinen, als wenn Aufgaben über Querschnittsbereiche definiert werden, wie beispielsweise die Lern- und Innovationsaufgabe eines Unternehmens. Will ein Unternehmen organisationale Kompetenzen gezielt aufbauen, ist es nach dem Kompetenzmodell erforderlich, die strukturellen Komponenten der zu entwickelnden Kompetenz zu ermitteln um dann auf den verschiedenen Systemebenen Veränderungen vorzunehmen. Diese Veränderungen werden im Evolutionsmodell als interne Variationen bezeichnet. Die interne Variation ist einer von drei Evolutionsmechanismen, die im Evolutionsmodell der Kernkompetenzen erklären, wie organisationale Kompetenzen entstehen und sich entwickeln. Diese prozessuale Dimension des Kompetenzaufbaus soll im Folgenden erläutert werden. 2.2 Die prozessuale Dimension des Kompetenzaufbaus Die prozessuale Dimension des Kompetenzaufbaus beschreibt, wie durch die Wirkung der verschiedenen Evolutionsmechanismen der internen Variation, Selektion und Speicherung im Unternehmens auf den beschriebenen Systemebenen der Elementarressourcen und Routinen die Basis- und Kernkompetenzen in Unternehmen entstehen und sich im Zeitablauf verändern. ƒ ƒ

Interne Variation wird im Evolutionsmodell der Kernkompetenzen als jede Form von Veränderung definiert, die auf den verschiedenen Modellebenen stattfinden kann. Interne Selektion beschreibt einen Auswahlmechanismus, dem die auftretenden Variationen unterliegen. Positive Selektion bedeutet, dass sich eine

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ƒ

Hanna Fearns/Martina Schott Variation im System durchsetzen kann und „überlebt“, negative Selektion bedeutet das Aussortieren der aufgetreten Variation.7 Interne Speicherung oder Retention beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, erfolgsgenerierendes Wissen und Handeln zu speichern und bei Bedarf zu reproduzieren.

Aufgrund der Systemhierarchie der strukturellen Dimension unterliegen die organisationalen Kompetenzen des Unternehmens immer dann einer Veränderung oder Weiterentwicklung, wenn sich auf der Ebene der Ressourcen und Routinen Variationen durchsetzen, also positiv selektiert und anschließend reproduzierbar abgespeichert werden.8 Will ein Unternehmen ein marktkonformes Kompetenzportfolio entwickeln müssen demnach geplante Variationen initiiert werden. Diese können zum Ziel haben ƒ ƒ ƒ

bestehende Kompetenzen zu verstärken und verbessern (Kompetenzaufbau), bestehende Kompetenzen abzuschwächen (Kompetenzabbau) oder gänzlich neue Kompetenzen aufzubauen (Kompetenzveränderung).

Variationen können allerdings geplant oder ungeplant auftreten. So kann ein Mitarbeiter durch Zufall, Missgeschick oder nach einer Lernerfahrung aus einem Seminar eine Tätigkeit anders ausführen als üblich und erzeugt damit eine Variation im System. Oder im Zuge einer Prozessoptimierung kommt es zu Variationen bei den organisationalen Routinen, da bestimmte Abläufe neu definiert werden. Der Effekt einer solchen geplanten oder ungeplanten Variation kann dabei sowohl positive als auch negative Effekte auf den Kompetenzbestand haben. Wichtig ist hierbei, dass selbst geringfügige Variationen bei den (scheinbar unwichtigen) Elementarressourcen negativen Einfluss auf die oberste Systemebene, die organisationalen Kompetenzen, haben können: „A billion-dollar development aircraft, for example, can fail if one inexpensive part in its 100.000 components fails“ (Quinn 1995: 703).

Deutlich wird, dass an vielen Stellen eines Systems jeden Tag bei jeder Tätigkeit unzählige Variationen entstehen können. Dennoch sind Organisationen 7

8

Positive und negative Selektion beschreiben also nicht, ob das Ergebnis der Selektion am Ende positiv ist, sondern nur, ob sich eine Variation durchsetzt oder nicht. Darüber hinaus können Variationen im Kompetenzbestand durch eine Neudefinition und damit neue Zuordnung bestehender Routinen und Ressourcen zu einer neuen Aufgabe auftreten.

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse

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stabile Gebilde, in denen über Tage, Monate und Jahre zuverlässig Produkte und Dienstleistungen erzeugt werden. Bedeutsam ist offensichtlich nicht die Anzahl der Variationen innerhalb eines Systems sondern ihre Durchsetzungswahrscheinlichkeit, die von der internen Selektion abhängt.

Organisationale Kompetenzen

Speicherung

Abbildung 1:

Selektion

ElementarRessourcen

Variation

Organisationale Routinen

Die Evolutionsmechanismen im Kompetenzmodell

Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen unterscheidet im Rückgriff auf den Biologen Riedl (1975) vier verschiedene interne Selektionsmechanismen (normativ, interdependent, hierarchisch und historisch), die dafür sorgen, dass die Durchsetzungswahrscheinlichkeit von Variationen im System verringert wird. Die normative Selektion beschreibt, dass ein System Abweichungen von der Norm nur in festgelegten Toleranzgrenzen zulässt. Dies stellt sicher, das auftretende Variationen in das Gesamtsystem integrierbar bleiben (Riedl 1975: 146f.). Jede Elementarressource, die von der üblichen Norm abweicht, jede Änderung in den organisationalen Routinen, die nicht als „professionell oder „branchenüblich“ eingeschätzt wird, würde im Falle von „perfekter“ normativer Selektion überprüft. Diese unternehmensspezifischen Normvorstellungen können an allgemeine Normen (z. B. Berufsabschlüsse bei Personal, Norm- bzw. DIN-Größen von Betriebsmitteln usw.) oder individuelle Normen zentraler Akteure ausgerichtet sein. Mit der interdependenten Selektion wird die Stimmigkeit einer Systemeinheit mit den hierarchisch auf gleicher Ebene angeordneten Einheiten überprüft.

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Dieser Mechanismus stellt sicher, dass bewährte Kombinationen von Ressourcen und Routinen beibehalten werden, ihnen ein besondere "Schutz" zukommt, der sich auf optimierte Vernetzungen bezieht. Ein Beispiel ist die Zusammenstellung eines Teams von Mitarbeitern, das bereits mehrere Projekte erfolgreich bearbeitet hat. Die interdependente Selektion stellt sicher, dass bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters überprüft wird, ob und wie die bestehenden Teamstrukturen und -leistungen durch die Neueinstellung betroffen sind. Mittels der hierarchischen Selektion wird die Stimmigkeit von Variationen bei den Elementarressourcen und Routinen zu den jeweils hierarchisch übergeordneten Routinen und Kompetenzen des Unternehmens überprüft. Dabei muss analysiert werden, ob durch Variationen der Kompetenzbestand gefährdet wird. So kann beispielsweise die variierende Qualität eines Bauteils die Durchführung einer Herstellungsroutine gefährden. Die hierarchische Selektion verhindert, dass dieses Bauteil in den Herstellungsprozess gelangt. Historische Selektion beschreibt, dass nur die Veränderungen in das System integriert werden, welche mit der Vorgängerstruktur vereinbar sind. Der Mechanismus der historischen Selektion ist damit in besonderem Maße dafür verantwortlich, dass die Evolutionsprozesse nicht revolutionär sondern in kleinen Schritten ablaufen. Interne Veränderungsmöglichkeiten des Unternehmens hängen vom aktuellen status quo ab und bestimmte Entwicklungsschritte können nicht übersprungen werden. Während es in biologischen Evolutionsmodellen einen "Automatismus" im Hinblick auf die Entstehung der Selektionsmechanismen gibt, ist beim Transfer der internen Selektionsmechanismen in den organisationalen Kontext die Frage zu beantworten, wer in sozialen Systemen selektiert und wie diese Selektionsmechanismen zustande kommen. Interne Selektion kann an allen Stellen des Unternehmens erfolgen, jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft kann auftretende Variationen positiv oder negativ selektieren. Dies bedeutet, dass Variationen auch mehrfach einem Selektionsmechanismus unterworfen werden können, womit die Durchsetzungswahrscheinlichkeit für Variationen immer geringer wird, je mehr sie von den kollektiv geteilten Vorstellungen über die Ausgestaltung des Unternehmens abweichen.9 Es ist also möglich, dass in Unternehmen der interne Selektionsgrad (als Summe aller einzelnen internen Selektionsentscheidungen) zu stark ausgeprägt ist und das Unternehmen droht zu erstarren.10 9

10

Selbst wenn z. B. eine Veränderungsmaßnahme im Kreis der Führungskräfte beschlossen und anschließend im Unternehmen kommuniziert wird, kann ihre Durchsetzungswahrscheinlichkeit gering sein, wenn die Mitarbeiter die Veränderung nicht akzeptieren und negativ selektieren. Diese leidvolle Erfahrung machen viele Führungskräfte in Veränderungsprozessen. Die Kompetenzliteratur spricht bei diesem Phänomen von „core rigidities“ (Leonard-Barton 1992).

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Genau so ist denkbar, dass an wichtigen Stellen im Unternehmen der interne Selektionsgrad unzureichend ist, beispielsweise bei mangelhaften Qualitätskontrollen (ungenügende normative Selektion) oder bei unzureichender Berücksichtigung der unternehmensweiten Auswirkungen von Entscheidungen auf Abteilungsebene (ungenügende hierarchische und interdependente Selektion). Um im Rahmen eines erfolgreichen Kompetenzmanagements Variationen im Kompetenzportfolio zu erzeugen, muss den internen Selektionsmechanismen eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen. Ihre Entstehung und Veränderbarkeit soll deshalb als nächstes untersucht werden. 3

Selektionsmechanismen als zentrale Faktoren des Kompetenzaufbaus

Basierend auf den Erkenntnissen des Lernmodells von Schott (2003) wird im Folgenden gezeigt, dass die Selektionsmechanismen in Unternehmen Ergebnis individueller und kollektiver Lernprozesse in Unternehmen sind. Anhand eines Beispiels soll zunächst vermittelt werden, wie sich Selektionsmechanismen ausbilden: Eine Person gründet ein kleines Unternehmen. Der Unternehmensgründer hat persönliche Wertvorstellungen und Ideen darüber, wie er das Unternehmen, seine Produkte, Prozesse usw. gestalten möchte. Er prägt die Organisation, indem er maßgebliche Entscheidungen selbst trifft oder die wichtigsten Entscheidungskriterien benennt, z. B. im Hinblick auf die Qualität der Produkte, auf den Umgang mit Kunden usw. Er steuert mit seinen Entscheidungen maßgeblich die Entwicklung der organisationalen Kompetenzen: Ist ihm Qualität besonders wichtig, so wird die Beschaffungs- und Produktionskompetenz des Unternehmens anders sein, als wenn den Kosten eine hohe Bedeutung beimisst. Neu hinzukommende Organisationsmitglieder lernen diesen „Stil“ durch Beobachtung oder durch Anleitung. Durch diesen Prozess des Lernens bilden sich mit der Zeit spezifische Selektionsmechanismen heraus, die den Organisationsmitgliedern Orientierung und Entscheidungshilfe bieten. Je stringenter der Gründer in seinen Entscheidungen ist, desto klarer prägen sie die Kultur seiner Organisation. Es lässt sich sagen, dass sich die organisationalen Kompetenzen des neu gegründeten Unternehmens und die (sie beschützenden) Selektionsmechanismen sich in einem Prozess der Co-Evolution gemeinsam entwickeln. Mit zunehmendem Wachstum des Unternehmens wird die Ausprägung der Selektionsmechanismen stärker automatisiert und dezentralisiert. Aus der Vielzahl von Einzelentscheidungen entwickeln sich Entscheidungsregeln, in denen

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sich die Selektionsmechanismen manifestieren.11 Auch neue Mitarbeiter beeinflussen in ihren jeweiligen Bereichen die Ausprägung der Selektionsmechanismen. Mit ihrem individuellen Wissen gestalten sie z. B. die organisationalen Routinen ihres Arbeitsbereichs. Diese kleinen Veränderungen werden aber nicht tagtäglich kommuniziert und dokumentiert. Dies führt dazu, dass bereits in der Gründungsphase von Unternehmen kein umfassendes Wissen mehr über alle dezentralen Selektionsmechanismen an einer zentralen Stelle vorliegt. Es entstehen unternehmensinterne Selektionsmechanismen, die nicht alle allen bekannt sind und deren Wirkung auf Variationen nicht kontrolliert werden können. 3.1 Lerntheoretische Überlegungen zu den Selektionsmechanismen Lerntheoretisch lassen sich die oben angeführten Überlegungen am besten mit einem Modell nachvollziehen, das von Nonaka/Takeuchi (1997) publiziert wurde. Dieses Modell beschreibt, wie durch einen Lernprozess aus individuellem Wissen kollektiv geteiltes Wissen in Organisationen entsteht. Dabei sprechen die Autoren von vier Formen der Wissensumwandlung: der Sozialisation, der Externalisierung, der Kombination und der Internalisierung von Wissen (Nonaka/Takeuchi 1997: 77). Sozialisation (von implizit zu implizit) bedeutet die Weitergabe von implizitem Wissen, wie im obigen Beispiel Lernen der Selektionsmechanismen durch Beobachtung des Unternehmensgründers. Externalisierung ist dagegen ein Prozess der Artikulation von individuellem implizitem Wissen zu expliziten Konzepten, Modellen und Hypothesen, d. h. unser Gründer stellt auf einem Meeting seine Qualitätskriterien für die hauseigenen Produkte vor und bringt seinen Mitarbeitern bei, diese ebenfalls anzuwenden. Im nächsten Schritt gelingt es der Organisation das vorhandene Wissen in kollektiven Prozessen zu erweitern (Kombination). Für unser Beispiel könnte es zu einem Qualitätszirkel kommen, in dem Kriterien diskutiert, festgelegt und allen transparent gemacht werden. In einem letzten Schritt wird ein Handbuch geschrieben, so dass die identifizierten und geltenden Qualitätskriterien für jedes Organisationsmitglied zugänglich sind. Diese Dokumentation erlaubt die Internalisierung der geltenden Qualitätskriterien durch alle Organisationsmitglieder. Damit schließt sich der Kreis der Übertragung von individuellem Wissen in eine organisationale Wissensbasis. Und um in diesem Beispiel zu bleiben, die Vor-

11

Als typische Beispiele für die Entwicklung personenunabhängiger interner Selektionsregeln auf der Ebene der Ressourcen können die Etablierung von Wareneingangskontrollen, Richtlinien für den Einkauf von Betriebsmitteln, Durchführung von Assessment-Centers usw. gesehen werden (Fearns 2004: 172ff.)

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stellungen und Erfahrungen des Unternehmensgründers werden zu Wissen, das allen seinen Mitarbeitern zur Verfügung steht. Sie sind nun in der Lage die gleichen Qualitätskriterien anzuwenden wie der Unternehmensgründer selbst – ein Selektionsmechanismus ist durch einen kollektiven Lernprozess zum Bestandteil der Unternehmenskultur geworden. Wir können davon ausgehen, dass diese Prozesse der Wissensübertragung von einer Person auf viele Personen bis hin zur Speicherung auf der Ebene der Unternehmenskultur in Organisationen permanent stattfinden. Problematisch im Hinblick auf die Ausbildung von Kernkompetenzen ist es, dass die wenigsten dieser Lernprozesse geplant ablaufen und deshalb ihre Ergebnisse und Folgen nicht bekannt sind. Auf diese Weise installieren sich Selektionsmechanismen, die für die Organisation schädlich sein können, wenn dadurch der Aufbau von wichtigen Kompetenzen verhindert wird. Das empirische Material aus der Untersuchung von Schott liefert anschauliche Beispiele für solche Selektionsmechanismen, die sich in die oben beschriebenen Kategorien einteilen lassen ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Ablehnung bestimmter Bewerber, auf Grund eines äußeren Erscheinungsbildes, das nicht dem üblichen Kleidungsstil der Organisation entspricht (Æ normative Selektion) Ablehnung bestimmter Moderationsmethoden, weil „wir mit so einem Kindergartenkram gar nicht erst anfangen wollen“ (das haben wir noch nie so gemacht:Æ historische Selektion) Ablehnung technischer Neuerungen, weil sie nicht zur bestehenden Technik passen (Æ interdependente Selektion) Nichtanwendung wissenschaftlicher Empfehlungen mit dem Verweis, sie seien ja doch nur theoretischer Natur (Æ normative Selektion) Weiterverwendung alter Formulare, Programmversionen usw. (Æhistorische Selektion) Neue individuelle Verhaltensweisen werden nicht geübt, da die Strukturen dies nicht zulassen (Æ hierarchische Selektion)

Betrachtet man diese empirischen Selektionsformen, so lassen sich verschiedene Ausprägungen unterscheiden. Die internen Selektionsmechanismen können a) den Organisationsmitgliedern bewusst oder unbewusst sein, b) auf der Ebene der Individuen oder der Gruppe auftreten und c) in der Kultur oder Struktur des Unternehmens verankert sein. Diese Kategorisierung und die nun folgenden Erläuterung erlauben es, bei der Gestaltung von Prozessen zur Entwicklung von Kernkompetenzen eine präzisere Auswahl von Interventionen und Instrumenten zu treffen und den Prozess damit stärker zu steuern.

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3.2 Selektionsfaktoren 3.2.1 Bewusste und unbewusste Selektion Individuen und Gruppen setzen in Unternehmen dann Variationen durch, wenn sie sich von der Veränderung persönliche Vorteile versprechen, z. B. durch Zeitersparnis, Ausweitung ihres Aufgabenbereichs oder weil es der Organisation nutzt. Umgekehrt ist auch egoistisches Verhalten beobachtbar, unabhängig davon, ob es dem System schadet oder nicht. Dies sind Hinweise darauf, dass Akteure bewusst selektieren, um individuelle Vorteile zu erlangen und persönliche Nachteile zu vermeiden. Leitend für diese bewusste Entscheidung können neben den individuellen Motiven jedes Einzelnen die bereits beschriebenen Selektionsmechanismen sein. Doch nicht jede Selektion lässt sich so erklären, vielmehr deutet sich an, dass unbewusste Glaubenssätze und Grundannahmen das Handeln der Akteure beeinflussen. Sie bilden die Basis für unbewusstes selektives Verhalten, denn aus der Unternehmenskulturforschung ist bekannt, dass den meisten Akteuren ihre Glaubenssätze und Grundannahmen nicht bewusst sind. Sie treffen Entscheidungen und wissen nicht, dass ein internalisiertes Normengefüge ihre Entscheidung in eine ganz bestimmte Richtung beeinflusst. Ein kleines Experiment: Welche Vorstellungen haben Sie zu folgenden Fragen: Was hat man von Menschen zu halten? Ist Vertrauen gut oder Kontrolle besser? Welche Einstellung zu Wahrheit haben Sie? Welches Konzept von Liebe haben Sie? Stimmt es, dass Hans nicht mehr lernt, was Hänschen nicht lernte? Kann nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen? Die Haltung zu diesen Fragen prägt das persönliche Handeln. Den meisten Personen ist aber nicht bewusst, welche Einstellungen ihre Entscheidungen beeinflussen, da sie diese Glaubenssätze schon in frühester Jugend internalisiert haben. Mit anderen Worten, was jedes einzelne Organisationsmitglied als nützlich oder hinderlich erlebt, wird durch ganz unterschiedliche und oftmals unbekannte Filter betrachtet. Beispielsweise wird jemand, der zur Perfektion neigt, Fehler vermeiden und sie nicht noch ausführlich dokumentieren, um sie anschließend vor Kollegen auf ihren Lernnutzen hin zu untersuchen. In solchen Fällen steht eine individuelle Grundannahme (Fehler sind schlecht), kontinuierlichen Verbesserungsprozessen entgegen.

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3.2.2 Akteursbezogene Selektionsfaktoren Die Lernforschung beschriebt eine Vielzahl weiterer Verhaltensphänomene,12 die in Erweiterung des Modells von Fearns als akteursbezogene Selektionsfaktoren definiert werden. Zur Illustration seien einige Beispiele genannt. Wir unterscheiden individuell verankerte Selektionsfaktoren wie z. B. den Umstand, dass Neues nicht wahrgenommen wird, weil die kognitive Strukturen und Grundkenntnisse der Akteure nicht ausreichen und aus diesem Grund eine einseitige und unreflektierte Überbetonung von Vergangenheitserfahrungen statt findet, die sich im historischen Selektionsmechanismus niederschlägt. Ähnlich wirkt auch die Überschätzung von Spezialistentum, welche die Fähigkeit reduziert, sich mit Neuem außerhalb des eigenen Spezialgebietes auseinanderzusetzen. Dies entspricht der normativen Selektion. Neben den individuell geprägten Selektionsfaktoren gilt es auch gruppenbezogene Phänomene zu beachten, die dazu führen, dass eine Gruppe eine Variation negativ selektiert und damit die Veränderung des organisationalen Kompetenzportfolios beeinträchtigt. So entwickeln Organisationsmitglieder Mechanismen, die dafür sorgen, dass es nicht zu peinlichen und bedrohlichen Situationen kommt, wie z. B. dem Aufdecken von Fehlern. Hierzu zählt auch die Tatsache, dass Informationsaustausch häufiger zwischen Gleichgesinnten als zwischen konkurrierenden Gruppen stattfindet. 3.2.3 Kulturelle und strukturelle Selektionsfaktoren Neben den oben schon beschriebenen Verhaltensweisen kann auch die Kultur eines Unternehmens durch Normen, Standards und Basisannahmen das Verlernen von Altem und das Lernen von Neuen verhindern, mit der Folge, dass das Kompetenzportfolio unflexibler ist, als es der Organisation gut tut. Schein (2003) geht in seinen Arbeiten davon aus, dass es sich bei Organisationskulturen, um größtenteils implizite, unbewusste, kollektiv geteilte und historisch gewachsene Phänomene handelt, deren Reflexion eher die Ausnahme als die Regel bilden. Das bedeutet, dass man die von Schein als selten stattfindend beschriebene Reflexion in Organisationen initiieren muss, wenn es nicht zu unbewusster Selektion kommen soll, die die Akteure im Zweifelsfall bewusst niemals vorgenommen hätten. 12

Die Frage, was Lernen in Organisationen beeinträchtigt, ist intensiv untersucht worden und über die beiden Beispiele, die wir für unseren Text ausgewählt haben, gibt es eine Unzahl von weiteren Verhaltensphänomenen, die organisationalem Lernen entgegenstehen (vgl. Argyris/Schön 2002; Graeminger 1994, Pautzke 1989; Probst/Büchel 1998; Senge 2006).

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Abschließend sei auf die Struktur (Hierarchien, Spezialisierungen, Zentralisierung) der Organisation hingewiesen, die ebenfalls als Speichermedium für Wissen in Organisationen dient (siehe Modell von Schott). Im kritischen Fall werden Informationen strukturbedingt entweder gar nicht oder verzehrt weitergegeben, so dass Entscheidungsträger nicht ausreichend informiert sind, was sich negativ auf die Qualität von Entscheidungen auswirken kann.13 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für die Gestaltung von Selektionsprozessen erforderlich ist, Klarheit darüber zu haben, um was für einen Selektionsmechanismus es sich handelt und welche zusätzlichen Faktoren für ihn wirksam werden, denn davon hängen die zu wählenden Gestaltungs- und Interventionsmöglichkeiten ab. 3.3 Selektionstypen Kombiniert man die Selektionsmechanismen aus dem Evolutionsmodell mit den erarbeiteten Selektionsfaktoren aus der Lernforschung, so lassen sich verschiedene Selektionstypen definieren, die die eigentliche Klammer zwischen Fearns ursprünglichem Evolutionsmodell und den notwendigen Analysetools für praktische Gestaltungsarbeit darstellen. Sie dienen dazu, den richtigen Lernprozess zu identifizieren und notwendige Interventionen abzuleiten, um Variationen vor negativer Selektion zu schützen. Zur Verdeutlichung die Fortsetzung unseres Beispiels: Unser Beispielunternehmen ist inzwischen längst aus der Gründungsphase heraus und arbeitet sehr erfolgreich. Die hohen Qualitätsstandards haben dazu geführt, dass das Unternehmen zunehmend für militärische Kunden produziert, die bekanntermaßen extrem hohe Qualitätsstandards haben. Nun verändert sich aber der Rüstungsmarkt und der Gründer beschließt, für den zivilen Markt zu produzieren. An dieser Stelle wird ihm seine bisherige Kernkompetenz fast zum Verhängnis! Die Ingenieure seines Hauses gehen von ihrem Qualitätsdenken nicht ab und selektieren negativ alle „Sparmaßnahmen“, die auf Kosten der Qualität der Produkte gehen würden, mit der Folge, dass die Produkte für den zivilen Markt zu teuer und damit unverkäuflich werden. In diesem Beispiel beschreiben wir einen Selektionstyp, der durch gruppenbezogene Selektionsfaktoren gekennzeichnet ist, die sich auf Wissen stützen, welches auf der Kulturebene des Unternehmens verankert ist und seine Wurzeln in vergangenen Erfolgen des Unternehmens hat. Die Maßnahmen, die zur Bear13

Dazu bieten Probst/Büchel (1998) praxisrelevante Verbesserungsvorschläge.

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beitung dieses Selektionstyps erforderlich sind, unterscheiden sich deutlich von Maßnahmen, die zur Beseitigung eines Selektionstyps erforderlich wären, der unbewusst/individuell auf der Kulturebene zum Tragen kommt, wie z. B. die Diskriminierung von Ingenieurinnen durch den Personalleiter eines Unternehmens. Im letzteren Fall kann z. B. durch einen kleinen Eingriff, den Einsatz eines standardisierten Assessment Centers, der individuelle Selektionsmechanismus ausgehebelt werden.14 Im ersten Fall ist dagegen ein fundamentaler Wandel erforderlich, um das überzogene Qualitätsbewusstsein der Ingenieure auf ein marktkonformes Niveau zu bringen. Die folgende Matrix der Selektionstypen ist unserer Meinung nach deshalb das grundlegende Analyseinstrument für die Gestaltung des Kompetenzaufbaus.

relvante SelektionsFaktoren: Bewusst unbewusst individuell Kollektiv Kultur Struktur

Selektionsmechanismen des Evolutionsmodells: hierarchisch normativ historisch Interdependent X

X X

Tabelle 2: Matrix der Selektionstypen: Beispiel

Erst mit der Diagnose der vorliegenden Selektionstypen kann entschieden werden, welche Interventionen für die Gestaltung des Kompetenzportfolios vorzunehmen sind.

4

Die Gestaltung des Kompetenzportfolios durch Veränderungslernen

Im bisherigen Verlauf dieses Beitrags wurde aufgezeigt, dass die Gestaltung des Kompetenzportfolios eines Unternehmens maßgeblich von der Analyse und Gestaltung der internen Selektionsmechanismen abhängt. Es wurde deutlich, 14

Die Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass der Selektionsmechanismus erkannt wird.

320

Hanna Fearns/Martina Schott

dass die identifizierten Selektionstypen verschiedene Interventionsformen erfordern, die sich in Bezug auf ihre Tiefe und Reichweite deutlich unterscheiden (s. o.). Es lassen sich hier Prozesse des Verbesserungslernens und Prozesse des Veränderungslernens finden; erstere sind dadurch gekennzeichnet, dass das bisherige Tun nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, man sucht lediglich nach Optimierungsmöglichkeiten. Veränderungslernen heißt dagegen eine grundsätzliche Infragestellung der unternehmerischen Zielsetzungen, der bisher handlungsleitenden Regeln sowie der daraus resultierenden Verfahrens- und Verhaltensweisen (Argyris/Schön 2002). Wenn der Unternehmer den oben beschriebenen negativ wirkenden Selektionstyp in den Griff bekommen will, dann muss er einen Prozess des Veränderungslernens auslösen, da einfaches Verbesserungslernen in diesem Fall nicht ausreicht. Je größer also die Differenz zwischen den bisherigen Kompetenzen und den neu zu erwerbenden Kompetenzen ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass die internen Selektionsmechanismen durch einen grundlegenden Veränderungsprozess gestaltet werden müssen. Dies gilt besonders bei den normativ/historischen und kollektiv/kulturbedingten Selektionstypen der AnalyseMatrix. Ausgehend von der Annahme, dass in der Praxis vor allem die Gestaltung der internen Selektion durch Veränderungslernen problematisch ist, konzentrieren wir uns im Folgenden auf Aussagen zu diesen weit reichenden Interventionen. Dies geschieht nun unter Zuhilfenahme des Lernmodells von Schott. 4.1 Das Lernmodell des fundamentalen Wandels In ihrem Lernmodell knüpft Schott an die Arbeiten von Nonaka/Takeuchi (1997) und Klimecki et al (2000) an, welche sie durch zentrale Komponenten zur eigentlichen Externalisierung und Implementierung des Wissens in die organisationale Wissensbasis erweitert. Auf der Grundlage der untersuchten Unternehmen aus der Rüstungsindustrie werden die lernbezogenen Erfolgsmuster jener Unternehmen identifiziert, denen eine marktgemäße Veränderung ihres Kompetenzportfolios gelungen ist. Mittels dieses empirisch belegten Modells können selektionsbezogene Gestaltungsempfehlungen entwickelt werden. 15 Die Erkenntnisse des Lernmodells werden nun anhand der einzelnen Modellkomponenten vorgestellt und am Beispiel unseres Unternehmensgründers illustriert. Die erste Komponente des Modells beschäftigt sich mit dem so genannten Lernauslöser. Lernauslöser sind die Elemente des Lernprozesses, die dafür sor15

Vgl. zum Gesamtmodell mit seinen Komponenten Abb. 4 dieses Beitrags.

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse

321

gen, dass eine Organisation überhaupt anfängt, zu Lernen. Zur systematischen Gestaltung der Kernkompetenzen bedarf es vorwärtsgewandter Lernauslöser (z. B. Visionen, neue Unternehmensziele).16 Der Unternehmer muss also mit seinen Ingenieuren in einem ersten Schritt eine klare Vision darüber entwickeln, wie die strategischen Kompetenzen des Unternehmens zukünftig aussehen sollen. Der nächste Faktor sind die so genannten Macht-, Fach- und Lernpromotoren.17 Erst wenn Machtpromotoren, also einflussreiche Führungskräfte, den Weg zum Lernen ebnen und sich mit den angestrebten Zielen formal und für alle Organisationsmitglieder erkennbar identifizieren, wird Lernen sichergestellt.

Lernauslöser

Promotoren

Lernträger

Lernmedien

Vorwärtsgewandt

Machtpromotor Fachpromotor Lernpromotor

Individuell und Gesamtsystemisch

Kultur und Struktur

Initiierung Veränderung Bilanzierung Festlegung alt

neu Prozessdesign

Lernfaktoren

Lernergebnis

Ziele, Akteure, Instrumente, Zeit

Stark, vielfältig, mehrdeutig

Veränderungslernen

Feedbackschleife Abbildung 2: 16

17

Modell zum organisationalen Veränderungslernen

Vorwärts gewandte Lernauslöser wie „Wir werden private Megayachten beliefern“ wirken motivierender als rückwärtsgewandte Auslöser, wie z. B. „wir haben unser Jahresergebnis knapp erreicht“, Schott (2003: 174 f.). Dazu insbesondere Hausschildt (1999), der den Machtpromotor und die Rolle des Fachpromotors im Rahmen von Innovationsprozessen sehr intensiv untersucht. Aber erst mit der Ausweitung auf den Lernpromotor von Schott gelingt eine Absicherung von komplexen organisationalen Lernprozessen.

322

Hanna Fearns/Martina Schott

Fachpromotoren sind Experten für ausgewählte Fragestellungen der Unternehmung, insbesondere technischer Art. Sie geben fachlichen Input zum Lernprozess, wenn es darum geht gute Lösungen für technische oder strukturelle Fragestellung zu finden. Sie leiten fachlich orientierte Arbeitsgruppen und entwerfen Konzepte. Lernpromotoren entwerfen das Design für den Lernprozess und managen ihn, sie machen eine Zeit- und Ressourcenplanung, installieren und besetzen Arbeitsgruppen und sorgen für die Kommunikation (strukturell und prozessual) zum Projekt. Sie sind Projektmanager des Lernprozesses. Nur wenn der Lernprozess in dieser Form aktiv gemanagt wird, ist der Erfolg entsprechend abgesichert. Übertragen auf unser Beispiel heißt das, dass unser Unternehmensgründer sich ganz deutlich für die angestrebten Veränderungen einsetzt und z. B. alle befördert, die dieses Bestreben unterstützen (die geplanten Variationen also positiv selektieren) und diejenigen sanktioniert, die diesen Vorstellungen zuwider handeln oder sich passiv verhalten . Als Lernträger definiert Schott Individuen und Gruppen, die einen aktiven Prozess des Lernens, der Wissenserweiterung und der Verhaltensänderung vollziehen. Die Organisation lernt am besten durch beauftragte Individuen.18 Gesamtsystemisches Lernen meint in diesem Zusammenhang, dass es erforderlich ist, möglichst viele Mitarbeiter in den Lernprozess aktiv mit einzubeziehen. Unter Lernmedien versteht man Ebenen im System, die ebenfalls genutzt werden müssen, um die organisationale Wissensbasis zu erweitern oder zu verändern. Wenn das Kompetenzportfolio einer Organisation so tief greifend modifiziert werden soll, wie es in unserem Beispiel angenommen wird, dann ist es unabdingbar, dass sowohl auf der Strukturebene als auch auf der Kulturebene gearbeitet wird. Das könnte für den Unternehmer bedeuten, dass er auf der Strukturebene eine eigene Qualitätsabteilung einrichtet oder die Entwicklung für den zivilen Markt von der Entwicklung für den militärischen Markt personell und räumlich trennt. Auf der Kulturebene kann gelernt werden, indem in kollektiven Aushandlungsprozessen neue Basisannahmen entwickelt und durch Regeln implementiert werden. Senge (2006) weist darauf hin, dass diese Art von Kulturarbeit ausgesprochen langwierig ist, kreativer Methoden bedarf und im Ergebnis nicht sofort messbar ist. Aus diesem Grund wäre es für den Unternehmer eine zeitsparende Alternative, alle Ingenieure zu entlassen, die sich dem neuen Qualitätsstandard nicht anpassen wollen. Das Prozessdesign verweist auf das methodische Instrumentarium des Projekt- und Prozessmanagements. Lernprozesse sind in ihrem Umfang und ihrer Zeitdauer sowie im Anspruchsniveau der notwendigen Interventionen so kom18

Die Gestaltung der Beauftragung und die Überprüfung der Erreichung von Lernzielen ist ein zentraler Erfolgsfaktor (Schott 2003: 171ff.).

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse

323

plex, dass sie ein stringentes Projektmanagement brauchen, um nicht außer Kontrolle zu geraten. Bei den Lernfaktoren in diesem Modell handelt es sich um Informationen zu den angestrebten Veränderungen des Kompetenzportfolios. Sie haben besonders positiven Einfluss auf das Lernergebnis, wenn das neue Wissen vielfältig anknüpfbar ist und die Informationen zu diesem Punkt häufig wiederholt werden und methodisch abwechslungsreich (vielfältig) sind (Schott 2003: 176f.). Die Organisationsmitglieder müssen im Zuge des Veränderungslernens beginnen, größere Zusammenhänge zu sehen und über ihre isolierte Position hinaus zu denken (Senge 2006). Wenn die Ingenieure in unserem Beispiel sehen, welchen Sinn die Veränderung für die gesamte Organisation hat, kann es sein, dass sie bereit sind, ein differenziertes Qualitätsmanagement zu betreiben. Dafür reicht eine einfache Rede des Unternehmers aber nicht aus. Besser ist es, wenn es unterschiedliche Informationsquellen gibt, die die Notwendigkeit der Veränderung immer wieder belegen. Das Lernergebnis beschreibt die Reichweite des vollzogenen Lernprozesses auf Basis einer ausdifferenzierten Analyse. Die Feststellung des Lernergebnisses ist notwendig, um zu überprüfen, ob die erzielten Ergebnisse ausreichend sind für die angestrebten Unternehmensziele. Wenn nicht, sind weitere Maßnahmen einzuleiten. Außerdem wird im Rahmen dieser Analyse eine Feedbackschleife aktiviert, die den eigentlichen Lernprozess untersucht, mit dem Ziel zukünftige Lernprozesse zu optimieren. Die Organisation beginnt das Lernen zu lernen, um es zukünftig frühzeitig zur Optimierung des eigenen Kompetenzportfolios aktivieren zu können. 4.2 Empfehlungen für die Beratung von Unternehmen Es lässt sich festhalten, dass die erfolgreiche Veränderung des Kompetenzportfolios je nach Art der geplanten Variation (Kompetenzaufbau, Kompetenzabbau oder Neugestaltung) umfangreiche Eingriffe in die gewachsenen internen Selektionsmechanismen erfordert. Der Erfolg dieser Eingriffe hängt davon ab, inwieweit es gelingt, einen Lernprozess des Veränderungslernens zu initiieren, der die oben genannten Erfolgskomponenten des Lernmodells berücksichtigt. Je nach angestrebtem Lernziel müssen die internen Selektionsmechanismen gestärkt oder geschwächt werden. Organisationen mit einem hohen Grad an „Kompetenzbewusstsein“ besitzen häufig stark ausgeprägte Selektionsmechanismen, die reduziert werden müssen, um Variationen implementieren zu können. Im Gegensatz dazu stehen Organisationen mit einem schwach ausgeprägten Kompetenzbewusstsein vor der Aufgabe, ausgewählte Selektionsmechanismen

324

Hanna Fearns/Martina Schott

zu stärken, um erfolgsgenerierende organisationalen Kompetenzen zu stabilisieren. Um unsere Überlegungen für die Praxis zu verdeutlichen, haben wir abschließend in der nachfolgenden Tabelle bekannte Beratungsmethoden diesen beiden Gestaltungsrichtungen zugeordnet,19 um erfahrenen Kollegen direkt umsetzbare Tipps an die Hand zu geben:

Selektionsmechanismus

Verstärken

Abschwächen

interdependent

Prozessmanagement, Qualitätsaudits, MbO, FirmenWikipedia

Jobrotation, neue Sitzordnung, Umzug in andere Firmengebäude

hierarchisch

Leanmanagement, Teamarbeit, Projektarbeit

Abteilungsdenken, Wettbewerbe gegen andere Unternehmensteile

historisch

Story Telling, Trainings zu den Firmenerfolgsfaktoren, Rekrutierung in den eigenen Reihen, Mitarbeiterbindung

OE-Prozesse, Kreativitätstechniken, Kontakt mit Forschern, Zukunftswerkstätten, Brainpools,

Normativ

Dokumentationen, Qualitätskontrollen, Assessment Center

Selbstverwaltung, fehlendes Feedback, Ausdifferenzierung, Diversity Management

Tabelle 3: Methoden zur Gestaltung von Selektionsmechanismen

Mit dem bewussten Einsatz dieser Methoden wird es möglich, die Erfolgschancen von Variationen, die bisher den zentralen Fokus in aktuellen Beratungsansätzen ausmachen, aber einer hohen Selektionsanfälligkeit unterliegen, deutlich zu erhöhen. Dies eröffnet neue Wege für die systemische Beratungsarbeit und die erfolgreiche Begleitung von Unternehmen beim Aufbau strategischer Kernkompetenzen.

19

Ohne dabei Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Kernkompetenzentwicklung durch selektionsbezogene Lernprozesse

325

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326

Hanna Fearns/Martina Schott

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Strategisches Kompetenzmanagement als Führungsphilosophie und Gestaltungsoption für Managementberatungen

1

Strategische Neuausrichtung des Beratungsmarkts und seiner Institutionen ...............................................................................................329

2

Geschäftssystemkompetenz als Wettbewerbsdeterminante.......................330

3

Managementberatungen als kompetenzbasierte Expertenorganisationen..............................................................................333 3.1 3.2 3.3 3.4

4

Kompetenz als Vorteilsquelle von Expertenorganisationen ....................... 334 Kompetenzentwicklung in und durch Managementberatungen .................. 337 Kompetenzverwertung in und durch Managementberatungen ................... 339 Kompetenzerosion in und durch Managementberatungen .......................... 343

Der eigene und klientenbasierte Wettbewerbsvorteil als Bezugsobjekt der strategischen Unternehmensberatung ...........................346 4.1 4.2 4.3

Relativität nachhaltiger Wettbewerbsvorteile im Beratungssektor ............. 346 Beratungskompetenz als Grundlage von Klientenvorteilen ........................ 347 Zwiebelschalenmodell des Wettbewerbsvorteils: Vom Methodenvorteil über dem Beratungsvorteil zum Institutionenvorteil ....... 348

328 5

Christoph Rasche Implikationen des strategischen Kompetenzmanagements für die Führung und Steuerung von Managementberatungen ...............................350 5.1 5.2 5.3 5.4

6

Methoden- und Umsetzungskompetenz ...................................................... 350 Humankapitalkompetenz............................................................................. 351 Geschäftssystemkompetenz......................................................................... 352 Leadership- und Entrepreneurship-Kompetenz........................................... 354

Ausblick: Entwicklungslinien der Managementberatung..........................356

Literatur..............................................................................................................358

Kompetenzmanagement in der Managementberatung 1

329

Strategische Neuausrichtung des Beratungsmarkts und seiner Institutionen

Einhergehend mit dem Trend zur Delegation so genannter Corporate Services an externe Dienstleister und einer gestiegenen Wettbewerbskomplexität etablierte sich in den letzten dreißig Jahren ein florierender Markt für Beratungsleistungen unterschiedlicher Provenienz. Während anfänglich unter den „hausbackenen“ Terminus der Wirtschaftsberatung jede Art von Beratungsleistung subsumiert wurde (z. B. Steuerberatung, Personalberatung), die für Institutionen in ökonomischen Kontexten erbracht wird, impliziert das Management Consulting die Produktion Struktur, System und Strategie verändernder Beratungsleistungen für die Leitungs- und Kontrollorgane von Profit- und Non-ProfitOrganisationen. Über Jahre hinweg reklamierten meritokratische Managementberatungen das Deutungs- und Definitionsmonopol für genuine Strategie- und Führungsthemen, um das eigene Geschäftsmodell zum Gegenstand des Elitedenkens werden zu lassen. Durch die gezielte Anbahnung und Verdichtung exponierter Kontakte zu relevanten Entscheidungsträgern aus „Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“ avancierten einst diskrete Managementberatungen zu medial präsenten Meinungsführern für die institutionelle Professionalisierung. Allgemein formuliert besteht das Kernanliegen einer jeden Beratungsleistung in der Identifikation, Diagnose und Beseitigung institutioneller Dysbalancen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Organisationserfolgs durch radikale und/oder evolutionäre Veränderungen des Status quo (Kieser 1996; Rasche 2007a; von Oetinger 2001). In Abhängigkeit von der Klientensituation können Beratungsleistungen entweder vor- oder nachsteuernden Charakter haben. Während im ersten Fall der organisatorische Wandel mit ausreichender Vorlaufzeit geplant werden kann, erfolgen im zweiten Fall strategische oder operative Reflexhandlungen im Rahmen des Turnaround-Consulting (Schmidt-Gothan 2008). Zudem ist nach dem Interventionsgrad und der Interventionsintensität der Beratungsleistung zu differenzieren – je nachdem, ob direkt und massiv in das organisatorische Kontroll- und Entscheidungssystem interveniert wird (z. B. Interimsmanagement) oder ob die Veränderungsimpulse eher indirekt und moderat ausgesandt werden (Rasche/Schmidt-Gothan/Roth 2006). Auch stellt sich angesichts der Genese neuer Organisationstypen im Kontext der Wissensgesellschaft die Frage nach der relevanten Hierarchieebene für die einschlägigen Beratungsleistungen, weil in so genannten Expertenorganisationen mitunter die zweite und dritte Managementebene die Definitionsmacht über die relevanten Strategiethemen innehat, während die Topmanagement- und Kontrollebene „bottom-up“-generierte Strategieinhalte auf unternehmenspolitische Konformität hin überprüft und im günstigsten Fall zu einer „Grand Corporate Strategy“

330

Christoph Rasche

modelliert (Rasche 2002: 533ff.). Gegenstand dieses Beitrags ist die kompetenzorientierte Auseinandersetzung mit dem Dienstleistungsfeld der strategischen Managementberatung, die von anderen Beratungsrichtungen abzugrenzen ist. Letztere umfassen neben der Organisationsberatung und der IT-Beratung die Technologieberatung sowie die Personalberatung. In diesem Kontext zu nennen sind zudem die Beratungsleistungen im Kontext der Unternehmensbesteuerung und Wirtschaftsprüfung sowie der Jurisprudenz. Die holistische Managementberatung definiert ein kaskadenförmiges Expertisesystem, das ausgehend von der fundamentalen Strategie- und Portfolioberatung über die Organisationsberatung bis hin zur prozessorientierten IT-Beratung und der Personalberatung in ihren unterschiedlichen Facetten (z. B. Executive Search, Outplacement, Management Assessment) reicht (Friedrich/Rasche 2002: 31ff.). Zwar mag auf den ersten Blick im Sinne des „One-Face-to-the-Customer“-Ansatzes ein integriertes Beratungsgeschäftsmodell über Alleinstellungsmerkmale verfügen, doch mangelte es in der Vergangenheit ambitionierten „Komplettanbietern“ an idiosynkratischen Kompetenzvorteilen entlang der besetzten Beratungsfelder. Diese verlangen allein schon aufgrund der endemischen Problem- und Aufgabenkomplexität zunehmend nach spezialisierten Beratungskompetenzen jenseits der reinen Methodenexzellenz. Problem verschärfend kommt hinzu, dass mit der Branche und der Organisationsdemographie zwei weitere Dimensionen hinzutreten, die die Kernakteure des Beratungsmarktes zu einer Leistungsfokussierung zwingen. Allerdings bietet die Netzwerkbildung im Beratungssektor die Möglichkeit des Kompetenzpoolings, um durch komplementäre Zusammenführung strategischer Aktivposten und Beratungsschwerpunkte dem Klienten integrierte Problemlösungen anbieten zu können (Friedrich/Rasche 2002: 32f.). 2

Geschäftssystemkompetenz als Wettbewerbsdeterminante

Bedingt durch den technologischen, organisatorischen und wettbewerbsstrategischen Wandel sehen sich selbst die führenden Beratungsunternehmen einem permanenten Innovations-, Marktanpassungs- und Geschäftssystemwettbewerb ausgesetzt. Lukrative Marktnischen werden zunehmend von diesbezüglich hochgradig spezialisierten Akteuren attackiert, die entlang einer Beratungsdimension über einen strategischen Wettbewerbsvorteil verfügen. Durch diese Form der Problem-, Kunden-, Themen-, Methoden- oder Regionalfokussierung bzw. multiple Kombinationen dieser Spezialisierungsoptionen entstehen stark ausdifferenzierte Beratungsangebote, die typische „Full-Service-Provider“ mit Blick auf die durch Fokussierung erzielbaren Skalen- und Lernkurveneffekte zumindest punktuell gefährden. Zusätzliche Dynamik entsteht im Management-

Kompetenzmanagement in der Managementberatung

331

beratungsmarkt zum einen durch aggressive IT- und Business-ProcessOutsourcing-Spezialisten, die schrittweise in die „Königsklasse“ der Management- und Strategieberatung migrieren. (z. B. IBM Business Consulting; Friedrich/Rasche/Stahl 2001). Zum anderen erweitern progressive Private-EquityFirmen und Finanzinvestoren ihre Wertschöpfungskette um beratungsnahe Dienstleistungen bzw. kooperieren im Rahmen von Unternehmensrestrukturierungen mit dafür qualifizierten Managementberatungen. Nach diesem Prinzip handeln auch zunehmend Investmentbanken, wenn sie im Rahmen des Business Development konzentrische Kreise um ihr Kerngeschäft ziehen und dieses um Strategie- und Portfoliothemen arrondieren. Unter umgekehrtem Vorzeichen dringen arrivierte Strategie- und Managementberatungen in die Einflusssphäre der Private-Equity-und Turnaround-Community ein, indem sie sich ihre Beratungsleistungen in Form von Kapital- und Verfügungsrechten vergüten lassen oder selbst über Tochtergesellschaften als Finanzinvestoren in Erscheinung treten (z. B. Orlando, Alix Partners, Bain Capital, Droege & Comp.; Friedrich/Rasche 2002). Auf diese Weise evolvieren Managementberatungen zu Koinvestoren und geraten dabei nicht selten an die Belastbarkeit der Compliance im Sinne der konsequenten Befolgung der vier Kardinaltugenden seriöser Unternehmensberatung: Objektivität, Vertraulichkeit, Unabhängigkeit und Kompetenz. In eine ähnliche Konfliktsituation geraten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, die ihr konventionelles Geschäftsmodell als Plattform für die (strategische) Managementberatung nutzen möchten – zumal die Demarkationslinien zwischen den einzelnen Beratungsfeldern zunehmend zu verschwimmen drohen. Nicht selten übernehmen Steuerberater für kleine Unternehmen in Personalunion die Rolle des Unternehmens- und Finanzberaters, weil steuerlich relevante Vorgänge durch Managemententscheidungen vorgesteuert werden. Aus dem Blickfeld des strategischen Kompetenzmanagements lässt sich die Angebotspluralität im Beratungssektor auf die einfache Formel bringen, dass genuine Alleinstellungsmerkmale weniger in isolierten Beratungsprodukten bzw. dem Consulting-Tool-Kit zu suchen sind, sondern vielmehr in der Tiefenstruktur der jeweiligen Managementberatung. Während diese das als pfadabhängiges Kulturphänomen einer spezifischen Historizität unterliegt, das sich in Firmenritualen, impliziten Kodizes und internalisierten Kollektivwerten manifestiert, wird die Oberflächenstruktur durch kodifizierbares und skalierbares Methoden- und Faktenwissen repräsentiert. Zu nennen sind an dieser Stelle beispielhaft die „mystifizierten“ Beratungskulturen von McKinsey, Goldman Sachs oder Kohlberg, Kravis & Roberts, die maßgeblich zur strategischen Kohäsion im Innen- und Außenverhältnis dieser Expertenorganisationen beitragen. Das in der Tiefenstruktur einer Managementberatung verankerte Werte-, Kompetenz- und Handlungsinventar lässt sich als kulturinduziertes Metaerfolgspo-

332

Christoph Rasche

tenzial interpretieren, das im volatilen Beratungssektor am ehesten geeignet scheint, den Lackmustest des Competence-based Managements zu bestehen (Barney 2002: 173ff.; Rasche 1994: 68ff.). Wenn das explizite Methodenwissen allein nicht die Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile sein kann, dann stellt sich die Frage nach deren genuinen Quellen (Powell 2001, 2002, 2003; Porter 1996; Rasche 2004). In diesem Beitrag soll aus wissenschaftstheoretischer Sicht analysiert werden, welchen Beitrag der die Forschungs- und Praxisdisziplin des Competence-based Managements zur Erklärung und Absicherung geschäftssysteminduzierter Beratungsvorteile beitragen kann (Freiling/Gersch/Goeke 2006). Damit gemeint nicht sind nicht nur punktuelle Wettbewerbsvorteile auf der Methoden-, Zuschlags- und Einzelprojektebene („Tool, Pitch, Project“), sondern höherrangige Institutionen- und Reputationsvorteile. Diese repräsentieren im hier verstandenen Sinne eine Trajektorie superiorer Beratungskompetenz, die die Erschließung prospektiver Realoptionen und Opportunitäten unterstützt. Der in der empirischen Sozialforschung oft bemühte Halo-Effekt lässt sich als Kompetenzzuschreibungseffekt deuten, den insbesondere die weltbekannten Beratungsfirmen, Investmentbanken und Private-Equity-Firmen für sich reklamieren können. So darf vermutetet werden, dass diese reputationsstarken Institutionen bei strategischen Vorstößen in neue Dienstleistungsfelder mit einem Kompetenzbonus bedacht werden. Der Vormarsch der Expertenorganisation in der Wissensgesellschaft lässt die Kompetenz als Input-, Through-put- und OutputVariable im Leistungserstellungsprozess komplexer Vertrauensgüter zum zentralen Handlungsfeld des Managements avancieren. Der von McKinsey apodiktisch beschworene „War for Talent“1 (Chambers et al. 1998, von der Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007) mag als Indiz dafür gelten, dass erfolgreiche Unternehmen und Managementberatungen ihren Absatzmarkterfolg bereits auf der Faktormarktseite (Input) vorsteuern, damit sich dieser nach einer Phase der Talentveredelung und –nutzung (Through-put) final in Koproduktion mit dem Klienten konkretisiert (Prahalad/Ramaswamy 2005). Dabei gilt es oftmals, dessen Kompetenzniveau anzuheben, weil der nachhaltige Beratungserfolg in der Regel mit einer Weiterqualifikation des Klienten verbunden ist. Umgekehrt gestaltet sich die Kompetenzentwicklung in der Managementberatung als iterativer Prozess des koevolutorischen Lernens in Einklang mit dem Klienten und seiner Problemstellungen. Die Kompetenzvertiefung und -verbreiterung ist damit eine Funktion des Experimentierens, Lernens und Innovierens, weshalb 1

Der „Krieg um Talente“ wird in Expertenorganisationen oft zu einem „Krieg der Talente“, weil sich ambitionierte Leistungsträger ihren Karriereweg als „Kampfschwimmen im Haifischbecken“ betrachten – zumal die lukrativen Senior-Partner-Positionen stark limitiert sind und der interne Selektionsdruck durch das gängige „Up-or-Out“-Prinzip auf konstant hohem Niveau gehalten wird.

Kompetenzmanagement in der Managementberatung

333

den führenden Strategieberatungsfirmen nicht ausschließlich an „Low Hanging Fruits“ interessiert sind. Diese lassen sich zwar vergleichsweise leicht „abernten“, doch besteht die Gefahr der Kompetenzzementierung im Fall anspruchsloser Beratungsmandate und genügsamer Klienten. Nicht selten erklären Beratungsunternehmen und Expertenorganisationen diffizile Kunden(-probleme) implizit zu Lernobjekten, um auf diese Weise schrittweise das Kompetenzniveau für neue Dienstleistungsfelder zu erhöhen. Der oben angesprochene Wettlauf um das Humankapital manifestiert sich in der Managementberatung – wie in nur wenigen Branchen – in einem globalen Kompetenzwettbewerb. Zusätzlicher Wettbewerbsdruck entsteht auf den Recruiting-Märkten durch die exorbitanten Gehälter, die Investmentbanken und Private-Equity-Gesellschaften exzellenten Neu- und Quereinsteigern zahlen. Nachfolgend soll am Beispiel der Managementberatung erörtert werden, wie diese die Implikationen des Competence-based View für die Erzielung strategischer, operativer und marginaler Wettbewerbsvorteile umsetzen können. Dass entgegen der weit verbreiteten Meinung auch marginale oder geringwertige Wettbewerbsvorteile Gegenstand der Betrachtung sein sollen, erklärt sich über die über die omnipräsente Gefahr der Vorteilserosion durch Imitation und Substitution (D’Aveni 1994, 1999; Rasche 2002, 2007a). 3

Managementberatungen als kompetenzbasierte Expertenorganisationen

Bei Managementberatungen handelt es sich um Musterbeispiele wissens- und kompetenzbasierter Expertenorganisationen, die als organisatorische Schrittmacher eine Vielzahl „moderner“ Managementprinzipien propagieren und als Beratungsprodukte positionieren. Diese diffundieren mit einem gewissen Zeitverzug und in situativ angepasster Form in die betriebliche Praxis, um sich dort als so genannte „Best Practices“ zu etablieren (Abrahamson/Fairchild 1999; Kieser 1996; Kuhn 1996). Die Managementberatung eignet sich insofern als interessantes Untersuchungsobjekt für die strategische Kompetenzforschung, als materielle Aktivposten eine eher marginale Rolle spielen und die letztlich erfolgskritische Marktbarriere in der Führung, Steuerung und Kontrolle multipler Kompetenzfelder besteht (Thurow 1999).

334

Christoph Rasche

3.1 Kompetenz als Vorteilsquelle von Expertenorganisationen Bedingt durch das weitgehende Fehlen physischer Evidenzen lösen komplexe Beratungsprojekte beim Klienten ex ante erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Leistungskompetenzen, des Leistungswillens, des Leistungsprozesses und des finalen Leistungsergebnisses aus, das den Output des Kompetenzeinsatzes der Managementberatung darstellt. Die im Rahmen der Institutionenökonomie diskutierten Problemstellungen informationsasymmetrischer Transaktionsgebedingungen sowie die daraus resultierende Opportunismusgefahr erzwingen zwischen Prinzipal und Agent eine Kommunikations- und Kompetenzkultur „auf gleicher Augenhöhe“, um Beratungsprojekte mangels sozialen Kapitals nicht bereits im Vorfeld zum Scheitern zu verurteilen (Milgrom/Roberts 1992). Während in der Mehrheit der Fälle ein Klientenschaden durch situationsopportunistisch handelnde Beratungsunternehmen droht, sehen sich diese umgekehrt mit teilweise eigenvorteilsorientierten Klienten konfrontiert, die im Fall starker Verhandlungspositionen die Beratungskompetenz und die Beratungsleistung aus preisstrategischen Gründen in Zweifel zu ziehen versuchen. Das Paradoxon des strategischen Kompetenzmanagements, wonach Kernkompetenzen mit Blick auf das Erfolgskriterium der Nichtimitierbarkeit intransparent, sozial-komplex, pfadabhängig und kausal mehrdeutig sein sollten (Rasche 1994, 2004), kann sich im Rahmen des Competence Signaling als Nachteil erweisen. Dem Klienten ist gerade im Vorfeld der Transaktionsbeziehung gerade an einer weitgehenden Auflösung wahrgenommener Kompetenz- und Leistungsambiguitäten gelegen, um seine Entscheidung für oder gegen ein Beratungsunternehmen auf Basis eines prognosevaliden Informationsstandes treffen zu können. Dem Kundenbedürfnis nach Kompetenz- und Leistungstransparenz kann durch ein Beratungsunternehmen aber nur insofern entsprochen werden, als bei dieser Form der Kompetenzoffenlegung nicht Alleinstellungsmerkmale beschädigt werden bzw. der Kunde aufgrund des nunmehr verbesserten Kenntnistandes von einem Beratungsprojekt absieht (Akerlof 1970). Viele Beratungsunternehmen sehen sich primär als Multiprojektorganisationen, ohne dabei die kaskadenförmigen Kompetenzfelder zu reflektieren, die den Beratungserfolg strategisch vorsteuern. Im Sinne der illustrativen „Wurzel-, Stamm-, Äste- und Blätteranalogie“ des Kompetenzmanagements (Prahalad/Hamel 1990) konzentrieren sich danach viele Beratungsunternehmen auf den unmittelbaren Beratungserfolg, wobei die Potenzial- und Prozessgrößen zulasten der Ergebnisgröße vernachlässigt werden. Erhärtet wird diese These durch das Selbstverständnis vieler Beratungsunternehmen, die sich als „result and value driven“ bezeichnen. Zweifelsohne zeigen auch die Klienten ein Interesse an einer konsequenten Ergebnisorientierung, doch besteht neben der exakten Erfassung des Zielerreichungsgrads eines der

Kompetenzmanagement in der Managementberatung

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Hauptprobleme in der Zielauswahl selbst sowie der Wahl der Mittel, Methoden und Maßnahmen zu ihrer Erreichung. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass eine kompromisslose Zielerreichung die Kompetenzinventare beim Klienten und Berater zu zerstören droht, wenn fortwährend enervierende Sanierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen (z. B. Gemeinkostenwertanalyse, Budgetsperren, Einstellungsstopps) verabschiedet werden. Nicht zuletzt mit Blick die zahlreichen Restrukturierungs- und Sanierungsprojekte wird nicht nur den so genannten „Heuschrecken“, sondern auch den einschlägigen Managementberatungen der Vorwurf der geringen Projektnachhaltigkeit gemacht – zumal sich einige Konzerne seit Jahren in einem Zustand der permanenten Umgestaltung befinden. Dabei werden, einem Trainerwechsel vergleichbar, oftmals lediglich die Beratungsunternehmen ausgetauscht, ohne dass sich das Portfolio der Akutmaßnahmen grundlegend verändert (Rasche 2005, 2007b). Zusätzlichen Vorschub erhält diese Kritik durch die Vereinbarung erfolgsabhängiger Honorare („Value Pricing“), die zu einer Fokussierung auf eine leicht erreich- und messbare Ergebnisziele motiviert. Nachhaltige Kompetenzentwicklungsziele sowohl beim Klienten als auch bei der Managementberatung drohen einem operativen Ergebnisaktionismus zum Opfer zu fallen, wenn auf Veranlassung ungeduldiger Stakeholder ein „Time-to-Cash“-Denken das Projektgeschehen dominiert. Auf beiden Seiten steht in dieser Konstellation die Aberntung und Verwertung der akkumulierten Kompetenzbasis im Vordergrund, anstatt diese zu verbreitern und zu vertiefen. Beratungsseitig lassen sich zudem Erfahrungskurveneffekte durch den Einsatz erprobter Managementtechniken und Projektarchitekturen erzielen, so dass auch hier ein Hang zur Fortschreibung bewährter und vor allem unmittelbar ergebniswirksamer Erfolgsmuster zu konstatieren ist. Die Verstetigung eingeschliffener Routinen kann im Ergebnis zur Kompetenzversteinerung führen – zumal die Erschließung neuer Kompetenzfelder dem so genannten „Hockey Stick Effect“2 unterliegt (Schmidt-Gothan 2008). Als Folge einer diffusen Risikoaversion, organisatorischer Trägheitsmomente, monetär agierender Kapitalgeber (z. B. Finanzinvestoren) oder reflektierten Hyperwettbewerbs sind es zunehmend die Klienten selbst, die eine Strategie der Kompetenzausbeutung 2

Dieser bezeichnet das Phänomen, dass einhergehend mit der Einführung organisatorischer, technischer oder soziokultureller Neuerungen so lange eine systemische Suppression in Gestalt evidenter Leistungseinbußen befürchtet werden muss, bis sich der systemische Gleichgewichtszustand auf höherem Niveau eingestellt hat. Diese Form der Superkompensation organisatorischer Systeme, als Folge einer zuvor durch Intervention (z. B. Reorganisation, Innovation) herbeigeführten Leistungseinbuße, sollte bereits im Vorfeld allen relevanten Anspruchsgruppen kommuniziert werden, um mangels erwarteter Anfangserfolge nicht den strategischen Projekterfolg zu gefährden. Gegebenfalls sind als Teil der psychologischen Projektsteuerung symbolische Erfolge – ungeachtet ihrer tatsächlichen Evidenz – zu planen und zelebrieren, um „Durststrecken“ erfolgreich zu meistern.

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postulieren, um auf diese Weise kurzfristig Leistungsreserven bzw. Wertsteigerungspotenziale zu realisieren. In dieser Konstellation fungiert die Managementberatung weniger als Geschäftssysteminnovator als vielmehr als System optimierende Institution. Managementberatung und Klient müssen sich im Vorfeld des Projektabschlusses zumindest implizit darüber verständigen, ob die innovatorische Kompetenzentwicklung oder die Effizienz geleitete Kompetenzverwertung im Vordergrund stehen soll. Regelmäßig ist die Konstellation anzutreffen, dass eine Strategieberatung dem Klienten bei der Erschließung radikalinnovativer Kompetenzfelder unterstützen möchte, während dieser anstelle riskanter Quantensprünge sein bestehendes Kompetenzportfolio optimieren möchte. Umgekehrt werden Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt „Wertsteigerungsmanagement“ eher zu einer konservativen Strategie der Kompetenz- und Ressourcenverwertung tendieren, um vordergründig ihre Klienten vor der einer Überdiversifikation und Konglomeratbildung zu bewahren (Friedrich/Hinterhuber 2001). Wurden allerdings zuvor erfolgsabhängige Honorare vereinbart, schwingt immer der Verdacht mit, dass der jeweiligen Managementberatung vertragsopportunistisch an der Erreichung kurzfristig leicht zu realisierender Kosten-, Effizienz und Ergebnisziele gelegen ist. Oder anders formuliert: Je komplexer und langfristiger die vereinbarten Beratungsziele, desto geringer das Interesse an erfolgsabhängigen Honoraren, weil der Beratungserfolg von erheblichen Unschärfen gekennzeichnet ist. Über Jahrzehnte hinweg haben sich die führenden Beratungsunternehmen eine Themenreputation erworben, die sie mit Beratungskompetenz zu hinterlegen versuchen. Schwerpunktmäßig lässt sich dabei nach Beratungsunternehmen differenzieren, die eher Wachstums- und Innovationsfelder (Competency Exploration) besetzen und solchen, die Sanierungs- und Konsolidierungsfelder (Competency Exploitation) für sich reklamieren (Student/Werres 2004). Nicht selten bestehen zwischen dem technischobjektivem und dem selbst bzw. fremd wahrgenommenen Kompetenzniveau eines Beratungsunternehmens erhebliche Lücken, die Fehleinschätzungen, Vorurteile und Zerrbilder im Klientenmarkt provozieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund besteht aus Beratungssicht eine zentrale Aufgabe des strategischen Kompetenzmanagements in der Transformation der funktional-objektiven in eine subjektiv wahrgenommene Beratungsqualität (Friedrich/Rasche 2002: 36). Hiermit gemeint ist nicht nur die finale Ergebnisqualität, sondern auch die wahrgenommene Potenzial- und Prozessqualität während der Dauer des Beratungsprojekts. Insbesondere der koevolutionäre Charakter zeitgemäßer Beratungsprojekte verdeutlicht, dass der Klient als Koproduzent der Beratungsleistung zum „Prosumenten“ avanciert. Dieser ist Teil eines kompetenzorientierten Beratungsmanagements, weil er fremde Beratungskompetenz rekrutiert, die er mit dem eigenen Kompetenzreservoir synthetisiert (Prahalad/Ramaswamy

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2005). Der Aufbau und die Veredlung klientenseitiger Kompetenzen durch das Beratungsunternehmen sind dabei mitunter ebenso wichtig wie das vordefinierte Endresultat der Beratungsleistung. Unter umgekehrtem Vorzeichen lernt der Unternehmensberater an, von und mit dem Klienten, weshalb gerade besonders jungen Beratungsteams der Vorwurf gemacht wird, dass sie lediglich den Status quo mit Anglizismen erklärten, erfolgskritisches Projektwissen durch Interviewmarathons absorbierten und die kreativen Problemlösungen vom Auftrageber selbst erarbeiten ließen (Kieser 1996).3 An dieser Stelle zeigt sich die strategische Relevanz substanzieller Kompetenzentwicklung und -verwertung in enger Kooperation mit dem Klienten, der verstärkt die Projekt- und Branchenerfahrung als einstellungsrelevantes Kriterium definiert. Dass der Klient heutzutage nicht lediglich passives Beratungsobjekt und Projektionsfläche der Kompetenzanwendung ist, zeigt sich daran, dass der kooperative und koedukative Leistungserstellungsprozess beim Klienten „vor Ort“ erfolgt. Im Gegensatz zur studien- und gutachtenorientierten Unternehmensberatung, im Rahmen derer „unter Ausschluss des Klienten“ dessen Problemfelder punktuell gelöst werden sollen, hat die kompetenzorientierte Beratung immer auch die nachhaltige Kompetenzentwicklung beim Klienten zu Gegenstand Friedrich/Rasche 2002: 30). 3.2 Kompetenzentwicklung in und durch Managementberatungen Dem strategischen Kompetenzmanagement in Unternehmensberatungen kommt in zweierlei Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu. Zum einen basieren die komparativen Konkurrenzvorteile im Beratungssektor auf Kompetenzvorteilen im Sinne des Zwiebelschalenmodells, nach dem sich Tiefenstruktur- und Oberflächenstrukturvorteile sinnvoll ergänzen können (Collins/Porras 1997). Zum anderen wird klientenseitig zunehmend der Aspekt der Kompetenzentwicklung zum Gegenstand von Beratungsverträgen. An die Stelle perfektionierter Reinraumlösungen treten kooperativ erarbeitete und verabschiedete Reallösungen, die den Klienten durch frühzeitige Projektintegration zum Change Agent und Fachpromotor „in eigener Sache“ qualifizieren sollen. Die Kompetenzentwicklung in Managementberatungen erfolgt entlang multipler Vektoren, Intensitäten und Wertigkeiten im Hinblick auf die Erzielung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Grundsätzlich stellt sich in diesem Kontext die Frage nach der Richtung des Impulses für die Kompetenzentwicklung in der Managementbera3

Vor diesem Hintergrund macht regelmäßig die despektierliche Feststellung die Runde, wonach der Unternehmensberater jemand sei, der dem Klienten die Uhr klaue, um ihm zu sagen, wie spät es sei.

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tung. Insbesondere die weltweit führenden Strategieberatungen beanspruchen für sich die Definitionsmacht der prospektiven Branchen- und Problemfeldentwicklung. Kompetenzentwicklungsbedarfe sind in dieser Konstellation des Ergebnis der strategischen Früherkennung, die unter anderem in „Coporate Think Tanks“ und „Corporate Development Teams“ erfolgt. Relevante Beratungsthemen und Trendmuster der strategischen Unternehmensberatung, die im operativen Projektalltag in Erscheinung treten, werden hier zu Leitthemen konsolidiert und medienwirksam bei wichtigen Referenzkunden adressiert, um aus emergenten Beratungsideen vermarktbare Beratungsinnovation für großvolumige Märkte werden zu lassen. Diese Form des „Thementreibens“ korrespondiert mit dem aus der Innovationsforschung bekannten technologieinduzierten Vorgehen, im Rahmen derer sich einzelne Pionierunternehmen durch eine vorsteuernde Kompetenzentwicklung neue Marktentwicklungschancen und Realoptionen eröffnen. Im Gegensatz zu der antizipativen Kompetenzentwicklung konzentrieren sich viele kleine Unternehmensberatungen auf eine adaptive und strategisch nachsteuernde Kompetenzentwicklung, indem diese primär vom Konkurrenzverhalten, den Kundenerwartungen und der Präsenz dominanter Beratungsthemen abhängig gemacht wird, die es fortan zu besetzten gilt. Aber auch die weltweit führenden Strategieberatungen können angesichts der gestiegenen Managementkomplexität für sich nicht immer in Anspruch nehmen, bei jedem Themenfeld, jeder Branche und jedem Klientensegment Innovationsführer zu sein. In der Realität besteht die Herausforderung in der Harmonisierung exogener Marktentwicklungen mit dem internen Kompetenzportfolio, das auf kurze Sicht hin erheblichen Rigiditäten und Trägheitsmomenten unterliegen kann.4 Analog zur Pharmaindustrie wird den Managementberatungen vorgeworfen, beim Kunden Scheinbedürfnisse in Gestalt vorgeblicher „Krankheitsevidenzen“ zu generieren, die einer umgehenden und umfassenden Therapie bedürften. Hierbei handelt es sich um eine aggressive Form des Kompetenzmarketings, bei der zur Verwertung des eigenen Kompetenzportfolios korrespondie-

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So bedarf es in der Regel einer gewissen Zeitspanne, um profunde Beratungskompetenzen für eine Branche (z. B. öffentlicher Sektor), Klientengruppe (z. B. große, eigentümerdominierte Mittelständler), Region (z. B. China, USA) oder eine Beratungsdisziplin (z. B. IT-Management, Innovationsmanagement, Sanierungsmanagement) zu akkumulieren. Dass eine Expansion entlang dieser Dimensionen mit erheblichen Problemen verbunden ist, zeigt sich exemplarisch anhand der bekannten IT- und Business-Process-Outsourcing-Berater, die mit Blick auf Prestigegewinne und höhere Honorarsätze in den illustren Kreis der Strategieberatung vordringen möchten. Umgekehrt mangelt es den elitären Strategieberatungsgesellschaften an der Manpower, dem Willen und der Unternehmenskultur, um großvolumige ITProjekte (z. B. Einführung von Enterprise-Resource-Planning-Systeme) effizient abzuwickeln.

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rende Bedürfnissegmente erst aktiv erschlossen werden.5 Da es sich bei vielen Expertenorganisationen um „geschlossene Institutionen“ mit einem ausgeprägten Korpsgeist handelt, wird dem externen Betrachter zumeist nur die Oberflächenstruktur des Kompetenzmanagements offenbar, über die die Außenpositionierung beim Klienten erfolgt. Entsprechend der Logik der Sichtbarkeitslinie besteht für diesen nur eine eingeschränkte Möglichkeit „hinter Kompetenzkulissen eines Beratungsunternehmens zu schauen“. Zwar begründet der Klient mit dem externen Beratungsteam eine enge Interaktionslinie, doch gewinnt er jenseits der Methodenkompetenz und Projektkompetenz kaum Einblicke in dessen idiosynkratische Geschäftssystemkompetenz. Hiermit gemeint ist die Metakompetenz zur nachhaltigen Führung, Steuerung und Kontrolle einer sozial komplexen Expertenorganisation, die aufgrund der Vielzahl der Partikularinteressen ambitionierter Professionals permanent Gefahr läuft, an innerer Spannkraft zu verlieren. Bisher kaum durchgesetzt hat sich in Beratungsunternehmen der Einsatz so genannter „Competency Roadmaps“, mit deren Hilfe sich der Kompetenzentwicklungsbedarf nach Richtung und Betrag bestimmen lässt. In Anlehnung an führende Hochtechnologieunternehmen lässt sich durch diese Technik das aktuelle Kompetenzniveau an den künftigen Marktanforderungen spiegeln, um strategische Kompetenzlücken durch geeignete Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen zu schließen. Während sich eher geringfügige Kompetenzlücken an der Außenhaut der Kompetenzzwiebel relativ einfach durch interne Schulungen oder Rekrutierung geeigneter Kompetenzträger schließen lassen, erfordert das Management strategischer Kompetenzlücken die Anbahnung Vorteil schaffender Kooperationen bzw. Fusionen und Übernahmen (Hamel 1990, 1991). Jedoch zeigt die betriebliche Praxis, dass der Kompetenzerwerb über den Markt für Unternehmenskontrolle hoch riskant sein kann, wie zahlreiche Beispiele gescheiterter Fusionen und Übernahmen im Beratungsmarkt belegen.6 3.3 Kompetenzverwertung in und durch Managementberatungen Bedingt durch Konvergenzbewegungen und innovative Anbieter im Markt für Beratungsleistungen ist eine erhebliche Wettbewerbsintensivierung zu konsta5

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Zweifelsohne werden an dieser Stelle die Grenzen des ethisch vertretbaren und nachhaltigen Managements verletzt, weil eine künstliche Nachfrage nach Beratungsleistungen erzeugt wird, deren funktional-objektiver Nutzen zu bezweifeln ist. Exemplarisch zu nennen sind an dieser Stelle die gescheiterte Übernahme von Roland Berger durch die Deutsche Bank, die fehlgeschlagene Übernahme von A.T. Kearney durch den Business-Process-Outsourcing-Spezialisten EDS oder die mangelhafte Integration der Managementberatung Braxton Associates in den Deloitte-Touche-Konzern.

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tieren, die zu einem erhöhten Preis- und Margendruck führt. Weitere Honorarsteigerungen lassen sich im bisher nur mäßig preissensitiven Beratungssektor zukünftig nur noch begrenzt beim Klienten durchsetzen. Ebenso wenig lassen sich Kostensenkungspotenziale auf den Beschaffungsmärkten erzielen, sofern nicht Kompromisse bei der Qualität des rekrutierten Humankapitals gemacht werden. Der erwähnte „Kampf um Talente“ zwingt alle renommierten Beratungsgesellschaften zu einem aggressiven Personalmarketing bis hin zum „Employer Branding“, um sich als exzellenter Arbeitgeber bei den so genannten „Young Professionals“ zu profilieren (von der Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007: 214ff.). Diese vergleichsweise geringen preispolitischen Bewegungsspielräume auf den Faktor- und Absatzmärkten erfordern nicht nur eine Forcierung der innovativen Kompetenzentwicklung, sondern die Rendite steigernde Verwertung des bestehenden Kompetenzspektrums. Im Gegensatz zu weitgehend automatisieren Dienstleistungen (z. B. Online-Banking) werden insbesondere im Prestigesegment der Strategieberatung klientenseitig weitgehend standardisierte Leistungsangebote nicht akzeptiert. Erwartet werden maßgeschneiderte Beratungsleistungen, deren Produktion – vergleichbar der Auftragsfertigung – mit hohen Komplexitätskosten einhergeht. Im Extremfall erfordern anspruchsvolle Beratungsmandate einen „Segment-of-One“-Ansatz, bei dem der Klient maßgeblich über das die Projektarchitektur, das Beratungsteam sowie den Methodeneinsatz mitentscheidet. Trotz der Forderung nach Dienstleistungsunikaten haben Managementberatungen ein ökonomisches Interesse an einer kosteneffizienten Leistungserstellung durch einen modularen Beratungsansatz. Dieser unterstützt auf der Gestaltungsebene einzelner Kompetenz- und Methodenbausteine die Erzielung von Skalen- und Synergieeffekten insofern, als sich auf der Ebene isolierter Methoden Standardisierungsvorteile erzielen lassen, während auf der intermodularen Ebene Kombinationsvorteile evident werden (Baldwin/Clark 2000). Die Logik der kundenindividuellen Massenfertigung lässt sich in abgestufter Form auch auf den Beratungssektor übertragen (Pine/Gilmore 1997). Allerdings ist darauf zu achten, dass sich beim Klienten nicht der Verdacht von Plattform- und Gleichteiledienstleistungen einstellt, wenn eine fixkostendegressive und auf Erfahrungskurveneffekte bedachte Kompetenzverwertung im Mittelpunkt der Beratungsstrategie steht. Die Kompetentverwertung kann aus Sicht eines Beratungsunternehmens über folgende Strategiemuster erfolgen: Skalierung der Methodenkompetenz: Hierbei steht die multiple Anwendung ein- und derselben Beratungsmethode bei vielen Klienten, in unterschiedlichen Branchen und entlang eines breiten Problemlösungsraums im Vordergrund. Zu nennen wäre beispielhaft die Balanced Scorecard, die sich als universelles Managementwerkzeug relativ leicht skalieren lässt. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird die Balanced Scorecard von ihren Protagonisten nunmehr auch für den

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öffentlichen Sektor und unterschiedliche Unternehmenstypen (z. B. Krankenhäuser) als Führungs- und Steuerungsinstrument empfohlen (Kaplan/Norton 2001). Die bloße Skalierung isolierter Methodenkompetenz kann aber kaum die Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile sein, weil neben der starken Methodenabhängigkeit das diesbezügliche Know-how relativ einfach kopiert werden kann. So versuchen sich insbesondere kleine und mittlere Beratungsunternehmen als Methodenspezialisten Skalen- und Lernkurveneffekte rund um eine Managementmethode bzw. ein Leitthema zu generieren. Zudem können sich Lernkurveneffekte bei der Akquisition und Projektdurchführung ergeben. Hierbei steht weniger der kompetente Einsatz einzelner Methoden im Vordergrund, als vielmehr die strategische Anbahnung, Durchführung und Nachbereitung einzelner Beratungsprojekte einschließlich aller administrativen Tätigkeiten (z. B. Angebotserstellung, Workshop-Vorbereitung, professionelle Ergebnispräsentation). Synergien durch Methodenbündelungskompetenz: Die Kompetenz zur problemorientierten Bündelung isolierter Beratungsmethoden repräsentiert im hier verstandenen Sinne eine höherwertige Kompetenz, weil ausgehend vom Klientenbedürfnis Einzelmodule zu einer gesamthaften Lösung kombiniert werden. Erst die Kopplung isolierter Beratungsmethoden entfaltet aus Klientensicht ein hohes wahrgenommenes Nutzenpotenzial. Im Gegensatz zur Skalierung erprobter Managementmethoden, wird nicht Methode selbst zum Mittelpunkt der Beratungsanstrengungen, sondern der Klient samt seines impliziten und expliziten Problemlösungsbedarfs. Im günstigsten Fall unterstützt der synergetische Methodeneinsatz die Erzielung von Supradditivitätseffekten in Form einer Ergebnispotenzierung. Das Prinzip der kundenindividuellen Massenfertigung bzw. der modularen Auftragsfertigung wird durch Methodenkombination hinter der Sichtbarkeitslinie unterstützt. Während dem Klient das Gefühl vermittelt wird, es werde individuelle eine Beratungsleistung erstellt, erfolgt hinter Linie des Sichtbaren und Wahrnehmbaren ein Prozess der Vorbündelung erfolgsbewährter Methodenbausteine. Der „Customiziation“-Prozess wird zusammen mit dem Klienten entlang der Interaktionslinie durchgeführt, indem die im „BackOffice“ vorkonfigurierte Methodenarchitektur „vor Ort“ problemspezifisch angepasst wird. Auf der Projektportfolioebene sind ebenfalls Verbundvorteile durch Wissenssynergien zwischen einzelnen Projekten denkbar. Projektstrategische Ähnlichkeiten in Bezug auf die Branche, die Klientendemographie, die Region oder den Beratungsinhalt respektive die Problemstellung lassen oftmals Synergiepotenziale erkennbar werden. Kompetenzverwertung durch Leistungsvariation: Dem Synergiestreben eng verhaftet ist die Kompetenzverwertung durch (inkrementelle) Leistungsvariation, die auf der operativen Ebene als Methodendifferenzierung oder Methoden-

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verbesserung (Relaunch, Update) in Erscheinung tritt. Im Rahmen der Methodendifferenzierung wird eine etablierte Methode mit zunehmender Marktsättigung entweder differenziert oder der Methodenlebenszyklus wird durch geeignete Marketingmaßnahmen verlängert. So wurden die etablierten Marktportfolios um Technologie- Kompetenz-, Länder- und Personalportfolios arrondiert, um auf diese Weise neue Anwendungsfelder für die populäre Portfolioanalyse zu erschließen. Verlängern lässt sich der Methodenlebenszyklus durch die zeitversetzte Gewinnung konservativer und risikoscheuer Klienten (z. B. öffentliche Institutionen), die prinzipiell eine „späte Folgerstrategie“ praktizieren. Die Kompetenzverwertung qua Methodenverbesserung folgt derselben Logik, indem dem Klienten eine leistungsfähigere Folgevariante eines Managementtools offeriert wird. Vergleichbar mit einem Software-Update lässt sich auf diese Weise die Klientenbindung erhöhen, weil lediglich evolutorische Migrationskosten,7 aber keine innovationsinduzierten Wechselkosten entstehen. Derweilen werden die Balanced Scorecard oder das Business Process Reengineering „der zweiten und dritten Generation“ propagiert, um ein und dasselbe Leitthema einer Multisegmentverwertung zu unterziehen. Kompetenzverwertung durch Vernetzung und Kooperation: Bedingt durch die Anspruchsinflation unter den Klienten und die steigende Projektkomplexität stehen viele Beratungsgesellschaften unter einem hohen Kooperationsdruck, um komplementäre Kompetenzfelder zusammenzuführen bzw. durch Ressourcenpooling die „erfolgkritische Masse“ für die Durchführung globaler Projekte zu akkumulieren. Zu denken ist hierbei nur an transkontinentale Konzernrestrukturierungen, bei denen neben fusions- und übernahmegetriebenen Strategie- und Portfoliothemen auch personalwirtschaftliche, juristische und unternehmenskulturelle Themen tangiert sein können. Häufig kooperieren deshalb Unternehmensberatungen mit Investmentbanken, Anwaltssozietäten und Personalberatungen im Sinne der Coopetition-Logik (Brandenburger/Nalebuff 1998), nach der sich Wettbewerb und Kooperation innerhalb vernetzter Strukturen nicht notwendigerweise ausschließen müssen. Eine Reihe mittelständischer Beratungsgesellschaften versucht durch internationale Vernetzung unter ihresgleichen dem Globalisierungsdruck erfolgreich zu begegnen. Dadurch sollen globalen Klienten virtuelle Beratungskompetenzen signalisiert, die sich bei Bedarf durch Kooperationslösungen „aktivieren“ lassen. Die hier diskutierten Formen der Kompetenzverwertung repräsentieren Optionen der Wertschaffung durch Kapitalisierung einer akkumulierten Ressour7

Hiermit gemeint sind eher marginale Methodensprünge innerhalb eines methodischen Hauptparadigmas, das hinsichtlich seiner Basisarchitektur weitgehend unverändert bleibt. Dagegen kommt aus Klientensicht der Wechsel des dominanten Hauptparadigmas einem methodischen Quantensprung gleich (Kuhn 1996).

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cenbestandes. Dabei besteht allerdings die virulente Gefahr einer schleichenden Kompetenzentwertung durch Substitutionslösungen, wenn mit Blick auf den „Return on Consulting“8 zumeist nur erfolgsbewährte Beratungsansätze zum Einsatz kommen. Diese versprechen im Vergleich zu radikal innovativen Beratungsansätzen auf kurze bis mittlere Sicht hin gleichermaßen für Berater und Klienten die höheren Renditen aufgrund geringerer Transaktionskosten. Zur Vermeidung drohender Versteinerungstendenzen empfiehlt sich auch im Beratungssektor eine „Pfadabhängigkeitsanalyse“ der angewandten Beratungsansätze, Methoden, Klienten oder Projekte. Auf diese Weise lässt sich grob der methodische Innovationsbedarf erkennen, aus dem sich entsprechende Kompetenzentwicklungsmaßnahmen ableiten lassen (Leonard-Barton 1992; Rasche 1994). 3.4 Kompetenzerosion in und durch Managementberatungen Zählen Managementberatungen einerseits zu den Protagonisten der manageriellen und methodischen Kompetenzentwicklung, so sind sie es andererseits, die von Kompetenzerosionsprozessen selbst stark betroffen sind. Die Kompetenzerosion in und durch Managementberatungen lässt sich dabei schwerpunktmäßig auf folgende Ursachen zurückführen: Kompetenzerosion auf der Methodenebene: Die Kompetenzerosion in Managementberatungen tritt auf der Methodenebene durch die allgegenwärtige Substitutions- und Imitationsgefahr in Erscheinung. Neben der Adoption identischen oder gleichwertigen Methodenwissens durch die Wettbewerbwerber (z. B. Portfolioanalyse, Business Process Reengineering) können diese zudem versuchen, durch Leistungsinnovationen bisherige „Best Practices“ zu ersetzen (z. B. Supply Chain Management als Ersatz für Einkaufsmanagement). Methodenexpertise lässt sich als implizites Prozesswissen nur in begrenztem Umfang verfügungsrechtlich schützen. Allenfalls unterliegt dessen explizite Komponente einem rechtlichen Protektionsschutz, der allerdings deutlich unterhalb der Pa8

In Anlehnung an den Return-on-Investment bezeichnet der Return-on-Consulting aus Klientensicht den Wertbeitrag eines Beratungsprojekts, dessen Kosten nicht als Aufwendungen, sondern als Investitionen in die strategische Zukunft eines Unternehmens interpretiert werden. Das „Value Pricing“ ist Teil dieser Logik, wobei sich die Beratungshonorare als Funktion des generierten Klientennutzens darstellen. Der „Return-on-Consulting“ lässt sich unter umgekehrtem Vorzeichen auch aus Sicht der Unternehmensberatung ermitteln, indem zu Controllingzwecken isolierte Projektrenditen ermittelt werden. Auf diese Weise lässt sich differenziert nach relevanten Bezugsobjekten (z. B. Einzelberater, Klienten, Branchen, Beratungsfelder, Regionen) der periodisch erzeugte Wertbeitrag ermitteln. Die Schattenseite einer derart wertorientierten Metrik besteht allerdings in der Vernachlässigung radikaler Beratungsinnovationen, für die erst mühsam renditeträchtige Anwendungsfelder gesucht werden müssen (Seisreiner 2006).

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tentebene zu taxieren ist (Teece 2000a/b). Zwar lassen sich für innovative Beratungsmethoden gegebenenfalls Gebrauchsmuster oder Warenzeichen zum Zweck der Dienstleistungsmarkierung anmelden, doch erweisen sich diese Imitationsbarrieren in der Regel als relativ leicht umgehbar. Implizites Prozesswissen, den Methodeneinsatz in Interaktion mit dem Klienten betreffend, dagegen verspricht aufgrund der höheren sozialen Komplexität einen besseren Kopierschutz. So lässt sich der versierte Methodeneinsatz (Know-do) nicht auf abstraktes Faktenwissen reduzieren (Rasche 1994: 70ff.). Vielmehr ist dieser das Ergebnis eines trajektorischen Lernprozesses, der wiederum von der Konkurrenz zu durchlaufen ist, um Expertenwissen zu akkumulieren. Eine massive Erosionsgefahr droht weiterhin durch die hohe Personalfluktuation im Beratungssektor, die maßgeblich zur Wissensdiffusion beiträgt. Im ungünstigsten Fall „migrieren“ dabei nicht nur Beratungsmethoden, sondern komplette Teams, Projekte und Klienten mit dem Weggang eines erfolgskritischen Partners in Richtung der Konkurrenz. Kompetenzerosion auf der Projektebene: Jenseits der isolierten Methodenebene laufen Beratungsgesellschaften paradoxerweise gerade im Fall sehr erfolgreicher Beratungsprojekte Gefahr, an Beratungskompetenz zu verlieren. Durch klientenseitige Abwerbung „der besten Köpfe“ aus laufenden Projekten ist ein erheblicher Kompetentverlust zu befürchten. Dieser droht zudem im Rahmen eines intellektuell unterfordernden Projektportfolios, das ambitionierten Unternehmensberatern zu geringe Lern- und Innovationschancen bietet, um ihr Humankapital im Sinne der „Lifetime Employability“ zu veredeln. Nicht zuletzt aus diesem Grund achten die führenden Strategieberatungsgesellschaften in Frühphasen der Personalentwicklung auf eine hohe Projekt-, Themen-, Branchen- und Klientenheterogenität, die insbesondere bei jungen Professionals die Anbahnung statischer Lernroutinen verhindern soll. Auf diese Weise sichern sich Managementberatungen eine Multioptionalität in der Personalentwicklung, die im Verlauf des weiteren Karrierewegs sukzessive einer stärkeren Spezialisierung weichen muss. Vergleichbar mit pluripotenten Stammzellen erfahren Juniorberater im Zeitablauf durch Ressourcenveredelung eine stärkere Ausdifferenzierung, um von Lernkurveneffekten zu profitieren. Zur Vermeidung unerwünschter Projektroutinen bietet sich neben einer Begrenzung der Projektlaufzeit eine innovatorische Projektauffrischung durch (punktuelle) Personalsubstitution für solche Fälle an, in denen Verschleiß- und Fraternisierungserscheinungen auftreten. Während im ersten Fall operative Projektroutinen den Weg für kreative Problemlösungen versperren, ist im zweiten Fall die gebotene Beratungsobjektivität nicht mehr gegeben. Kompetenzerosion durch Strategie-, Führungs- und Kontrolldefizite: Entlang der Zeitachse lässt sich aus dem Blickwinkel der Wirtschaftshistorie der

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Aufstieg und Niedergang renommierter Beratungsgesellschaften verfolgen. Die strategischen Erfolgsfaktoren der Managementberatung werden dabei vielfach auf die Methoden-, Projekt- und Problemlösungskompetenzen reduziert. Vergessen wird dabei häufig die Input-Seite dieser Erfolgspotenziale. Ihnen vorgeschaltet ist das Strategie-, Führungs- und Kontrollsystem in seiner Funktion als Leitzentrale einer jeden Managementberatung, das den inneren Kern des Geschäftsmodells darstellt und deshalb besonders schützenswert ist. Zeitversetzt auftretende Strategie-, Leistungs- und Ergebniskrisen nahmen und nehmen oftmals hier ihren Ursprung, wie sich an den Fallbeispielen von A.T. Kearney, Arthur D. Little, Bossard Consultants oder auch Andersen Consulting zeigt. Strategie- und Führungskrisen bis hin zur Veränderungen des machtpolitischen Systems als Folge eines „neuen“ Consulting-Governance-Systems können insbesondere in Wissens- und Expertenorganisationen innerhalb kurzer Zeit zu strategischen Kompetenzkrisen führen (Schmidt-Gothan 2008). Das geförderte und geforderte unternehmerische Handeln auf der Partnerebene konkretisiert sich im Fall wahrgenommener Macht- und Bedeutungsverluste in der Abwanderung wichtiger Leistungsträger und Kompetenzzentren. Kompetenzerosion durch Kohärenzdefizite: Strategie-, Führungs- und Kontrolldefizite sind oftmals die Ursache evidenter Kohärenzdefizite, die sich aufgrund opportunistischer Einzelinteressen in einem unzureichenden Korpsgeist manifestieren können. Einhergehend mit der Erreichung kritischer Wachstumsschwellen und einer hohen Außenkomplexität in Form anspruchsvoller Klienten sowie aggressiver Wettbewerbskonstellationen erhöht sich für Unternehmensberatungen der Koordinations- und Kontrollaufwand. Diesem wird oftmals durch organisatorische Differenzierung und Spezialisierung entsprochen, indem z. B. für die Praktizierung von Mehrliniensystemen votiert wird (z. B. Matrix- und Tensororganisationen). In der Regel differenzieren Managementberatungen nach der Branchenkompetenz („Industry Practices“) einerseits und der funktionalen Managementkompetenz („Functional Practices“) andererseits, wobei als zusätzliche Dimensionen die organisationsdemographische Klientenkompetenz („Client Practices) und die geographische Kompetenzbildung („Global Area Practices“) herangezogen werden können. Zwar bietet ein derart multidimensionaler Kompetenzansatz den Vorteil der jeweils besten Projektbesetzung durch Nutzung interdisziplinärer Expertise entlang mehrerer Kompetenzachsen, doch laufen diversifizierte Beratungskonzerne dabei Gefahr, aufgrund der größenbedingten Anonymität an organisatorischer Identität einzubüßen. An die Stelle einer global akzeptierten und gelebten Unternehmenskultur tritt ein heterogener Werte- und Normenkanon, der die Entstehung differenzierungsinduzierter „Subkulturen“ befördert. Damit verbunden ist die latente Gefahr situationsopportunistischen Verhaltens zulasten der Gesamtorganisation, wie der beratungs-

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interne Wettbewerb auf den unterschiedlichen Ebenen zeigt (z. B. Consultant, Projekt, Disziplin, Standort). Aus diesem Grund sehen viele Beratungskonzerne eine zentrale Aufgabe in der Generierung sozialer Kompetenz im Innen- und Außenverhältnis der Organisation. Diese fungiert als Grundlage für einen organisationsweit akzeptierten Verhaltenskodex, der trotz aller Differenzierungsund Atomisierungstendenzen die Generaltugenden der Organisation verkörpert.

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Der eigene und klientenbasierte Wettbewerbsvorteil als Bezugsobjekt der strategischen Unternehmensberatung

4.1 Relativität nachhaltiger Wettbewerbsvorteile im Beratungssektor Das zentrale Bezugsobjekt der Unternehmensberatung besteht im Wettbewerbsvorteil, den diese in Interaktion mit den Klienten zu erzielen versuchen. Während in der Regel mit dem hypothetischen Konstrukt des Wettbewerbsvorteils zumeist dauerhafte, substanzielle und wahrgenommene Alleinstellungsmerkmale assoziiert werden, die zudem strategischer Natur sein sollten, wird bei dieser Globalinterpretation verkannt, dass hoch aggregierte Vorteilspositionen komplexe SWOT-Konstellationen darstellen. Oder anders formuliert: Die aktuelle Wettbewerbsposition eines Unternehmens ist das zeitpunktbezogene Ergebnis multipler Vor- und Nachteile entlang diverser Kompetenz-, Markt- und Organisationsachsen (Rasche 2004, 2007). Mit Blick auf das komplexe Vorteilssystem einer Unternehmung stellt sich aus Beratungssicht die Frage nach dem Grad seiner direkten Gestaltbarkeit durch voluntaristische Entscheidungen. Zudem ist zu reflektieren, ob der durch Beratungsleistungen induzierte Klientenerfolg kausal mit dem Beratererfolg verkoppelt ist. So sind Konstellationen denkbar, in denen Folgeaufträge ausbleiben, weil der Klient aufgrund einer exzellenten Beratungsleistung gerade diejenigen Problemlösungskompetenzen erworben hat, die fortan den Zukauf externer Beratungskompetenz entbehrlich erscheinen lassen. Diese Form der Kompetenzinternalisierung durch den Klienten ist nicht unrealistisch, wenn sich diese von externen Beratungsleistungen unabhängig machen möchten, indem sie interne Unternehmensberatungen etablieren. Jedoch stehen der Kompetenzinternalisierung oftmals interne Akzeptanzprobleme gegenüber, die vornehmlich in der angezweifelten Objektivität der Beratungsleistung zu suchen sind. Umgekehrt ist aber kaum anzunehmen, dass Beratungsunternehmen trotz unzufriedener und/oder erfolgloser Klienten nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können. Lediglich auf kurze Sicht hin scheint eine operative Ergebnisverbesserung durch aggressive Akquisitionsanstrengungen

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(„Competence Hardselling“) möglich, die allerdings auf längere Sicht zu Reputationsverlusten im Markt führen können. Durch Methodenmarketing generierte Oberflächenvorteile drohen allerdings ohne Verankerung in der Tiefenstruktur einer Managementberatung zu einem generischen Endproduktvorteil zu verkommen, weil dieser in Diktion von Hamel nur „die letzten hundert Meter eines Wettlaufs um Beratungskompetenz repräsentiert“ (Hamel 1991: 83). Diese wiederum verkörpert ein sozial komplexes Expertisesystem, bestehend aus explizitem und implizitem Kollektivwissen, das sein Fundament im historisch gewachsenen und daher pfadabhängigen Geschäftssystem einer Managementberatung hat. Trotz der hohen Fluktuation im volatilen Beratungssektor gelang es Traditionsfirmen, wie McKinsey, Bain, Roland Berger oder der Boston Consulting Group den strategischen Kern vor Mutation und Erosion zu schützen, wenngleich die Mittel- und Oberflächenstruktur der Kompetenzzwiebel kontinuierlichen Adaptationen an das Markt- und Wettbewerbsumfeld unterliegt. Im Vergleich zur Generierung isolierter Methodeninnovationen gestalten sich nachhaltig Vorteil schaffende Geschäftssysteminnovationen allein schon aufgrund der Komplexität der endogenen und exogenen Systemvariablen als weitaus diffiziler bezüglich der erfolgskritischen Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse. Mit Blick auf die Anforderungen an Erfolgspotenzial generierende Ressourcen repräsentieren Beratungsgeschäftssysteme Basiskompetenzen, die wiederum integrativer Teil des „metakulturellen“ Werte- und Normensystems sind. Dieses wiederum hat in seiner Funktion als das kulturelle Erbe eines Beratungsunternehmens Identität stiftenden Charakter und ist deshalb oftmals Gegenstand der symbolischen Führung. Als moralische Leistinstanz trägt das Werte- und Normensystem im dynamischen Beratungssektor zur Systemrobustheit bei, ohne die latent opportunistische Expertenorganisationen leicht ihr inneres soziales Kapital beschädigen (Nee 1998; Nahapiet/Ghoshal 1998). Zwar wird einhellig die Auffassung vertreten, dass eine Quelle dauerhafter Wettbewerbsvorteile in der Kompetenz zur Genese und Formung innovationsförderlicher Unternehmens- und Beratungskulturen liegt, doch lassen sich diese nicht auf rationalanalytischem planen (Lukas 2001). Trotzdem investieren die führenden Managementberatungen erhebliche Ressourcen in dieses nur indirekt steuerbare Erfolgspotenzial, wie die differenzierten Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung in Beratungsunternehmen belegen. 4.2 Beratungskompetenz als Grundlage von Klientenvorteilen Ein Schwachpunkt in der strategischen Ausrichtung vieler Beratungsunternehmen besteht aus Klientensicht in der oft dominanten „Inside-out“-Perspektive,

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so dass die angebotenen Beratungsleistungen nicht mit Nutzenerwartungen der institutionellen Abnehmer korrespondieren. Ausgangspunkt aller strategischen Überlegungen ist damit weniger der Klient samt seiner Problemstellungen, als vielmehr das zu vermarktende Leistungsspektrum an Beratungsleistungen. Diese Form des im Konsumgütersektor verbreiteten Push-Marketings tritt im Beratungsmarkt als dogmenhaftes Methoden- und Konzeptmarketing in Erscheinung, ohne dabei empathische Klientenkompetenzen zu entwickeln (Prahalad/Rama-swamy 2005: 37ff.). Die Folge sind verärgerte Klienten, die Unternehmensberatungen unter den Generalverdacht stellen, wenig substanzielle Dienstleistungen für horrende Beratungshonorare zu verkaufen. Im her verstandenen Sinne repräsentiert die Beratungskompetenz weitaus mehr als der versierte Umgang mit den Tools und Techniken zeitgemäßen Managements. Vernachlässigt werden dabei oftmals die diagnostischen und therapeutischen Fähigkeiten eines Unternehmensberaters, der – vergleichbar mit einem Mediziner – in den unterschiedlichen Instrumenten lediglich Mittel zum Zweck sehen sollte. Nicht selten dominieren aber die Mittel über die Zwecke, so dass erstere zu Wunderwaffen hoch stilisiert werden, obwohl es sich hierbei nur um Entscheidungshilfen handeln kann. Ein Grund für die unter Praktikern anzutreffende Aversion gegenüber Beratungsinnovationen ist denn auch in der bisweilen brüchigen Kopplung zwischen dem Klientenproblem und Beratungsansatz zu sehen, der vielfach zu einem reinen Methodenansatz verkommt (Kieser 1996). Ausgehend von dem monierten „Methodenfetischismus“ (Hamel/Prahalad 1989: 74) betonen nunmehr fast alle Beratungsgesellschaften ihre Umsetzungskompetenz, um den Vorwurf der relativen Praxis- und Unternehmensferne zu entkräften. Grundsätzlich besteht dabei allerdings die Gefahr, dass effizient die falsche Problemlösung umgesetzt wird, weshalb die Kompetenz zur kaskadenförmigen Problemanalyse das Methodendenken überformen sollte. Insbesondere die renommierten Strategieberatungen scheinen ihre Kommunikationspolitik umzustellen, indem sie sich publikumswirksam als kreative Problemlöser im Dienst des Klienten gerieren, anstatt einzelne Methoden zum Hauptgegenstand der Öffentlichkeitsarbeit werden zu lassen. 4.3 Zwiebelschalenmodell des Wettbewerbsvorteils: Vom Methodenvorteil über dem Beratungsvorteil zum Institutionenvorteil Im Sinne von North (1990, 1991, 1994) verkörpern Institutionenvorteile aufgrund ihrer soziokulturellen Verankerung („Embeddedness“) genuin strategische Erfolgspotenziale sowohl auf der einzel- als auch auf der gesamtwirtschaftlichen Bezugsebene. Diesen Metaressourcen ist ein hoher interner und externer

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Vernetzungsgrad inhärent, der ihr Wertpotenzial zum Teil über die Internalisierung externer Effekte durch Nutzung komplementärer Aktivposten erklärt (z. B. öffentliche Infrastrukturressourcen9). Infolge ihrer steten Interaktion mit externen Erfolgspotenzialen, für die sich in ihrer Funktion als Kollektivgüter keine konkreten Eigentums- und Verfügungsrechte anmelden lassen, resultiert eine bisweilen eingeschränkte Monopolisierbarkeit des Rentenstroms institutioneller Wettbewerbsvorteile. Vielen Akteuren wird vor diesen Hintergrund aber gerade der Vorwurf gemacht, sie würden lediglich opportunistisch versuchen, aus (quasi-)Kollektivgütern individuelles Kapital zulasten Dritter schlagen. Dass diese Einwände gerade im Beratungssektor nicht völlig zu negieren sind, hat seinen Grund in der starken Egozentriertheit vieler Professionals, die zwar oftmals erst im Kollektiv durch Kompetenzbündelung den höchsten Wertbeitrag erzielen, aber sehr an individueller Nutzenmaximierung interessiert sind. CorporateGovernance-Systeme erfüllen in Beratungsunternehmen – vergleichbar mit Regierungssystemen – die Aufgabe der Interessenharmonisierung im Sinne des Systemoptimums. Sie sind oftmals die Grundlage von Institutionenvorteilen, indem sie für alle Akteure in nachvollziehbarer Form die Kompetenz-, Machtund Rentendistribution unter den diversen Anspruchsgruppen über implizite und explizite Verträge sowie die Residualgröße des sozialen Kapitals regeln. Programmierfehler im Regierungssystem einer Organisation im Allgemeinen und einer Unternehmensberatung im Speziellen beinträchtigen den Kompetenzentwicklungsprozess, weil dieser immer auch machtpolitischer Natur ist. So stellt sich grundsätzlich die Frage nach dem Grad der Kompetenzzentralisation in den einzelnen Partnerbereichen bzw. der Anzahl der erforderlichen Partnerbereiche. Bieten zentralistisch geführte Unternehmensberatungen den Vorteil der konzertierten Kompetenzentwicklung im Sinne inner einer vordefinierten „Competency Roadmap“, so mangelt es dirigistisch geführten Organisationen oftmals an pluralistischen Lern- und Innovationsregimen. Umgekehrt laufen basisdemokratische und ideenpluralistische Unternehmensberatungen Gefahr, die erfolgskritische Masse in wenigen zentralen Kompetenzfeldern zu erreichen. Zudem basiert die Attraktivität vieler Unternehmensberatungen gerade im Durchlaufen der vorgegebenen Hierarchiestufen vom Junior Consultant bis hin zum Senior Partner – zumal die Gehaltsentwicklung in der Regel progressiv ist. Institutionenvorteile basieren auf governance- und kulturendemischen Erfolgspotenzialen, die sich im spezifischen Geschäftssystem oder der Beratungsphilosophie manifestieren. Der Methoden- und Einzelprojektvorteil kann als Konsequenz eines 9

Hierzu zählen neben den Bildungsressourcen und der physischen Infrastruktur eines Landes unter anderem auch dessen kulturelles Erbe, soziodemographische Faktoren oder das Regierungssystem einschließlich aller Subsysteme wie dem wirtschaftspolitischen Rechts- und Regulierungsrahmen (North 1990, 1991, 1994; Porter 1990).

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komplexen Vorteilssystems interpretiert werden, das für Klienten und Konkurrenten kausal mehrdeutig ist und deshalb nur schwer zu kopieren ist. Das Vorteilssystem hat institutionellen Charakter und gestaltet sich in Analogie zur nationalen Wettbewerbsbewerbsfähigkeit als vernetztes Kompetenzcluster (Porter 1990). 5

Implikationen des strategischen Kompetenzmanagements für die Führung und Steuerung von Managementberatungen

5.1 Methoden- und Umsetzungskompetenz Die Methoden- und Umsetzungskompetenz hat aus Sicht einer Unternehmensberatung im Sinne der KANO-Logik den Charakter einer Muss-Anforderung, die zwingend zu erfüllen ist, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Dies gilt besonders für die analytisch-technische Methodenkompetenz in ihrer Funktion als explizites Expertenwissen zur Lösung punktueller Probleme. Dagegen beinhaltet die Umsetzungskompetenz jenseits der reinen Projektierung stärker verhaltensorientierte Fähigkeiten und Routinen, die auf Erfahrung und Anwendungsexpertise basieren. Im Vergleich zur Methodenkompetenz lässt sich Umsetzungskompetenz allein schon aufgrund ihrer sozialen Interaktivität weitaus weniger leicht imitieren. Der Klient als Koproduzent des Beratungsergebnisses ist Gegenstand multipler Interaktionsprozesse, die es zu steuern und kontrollieren gilt. Die Erfahrung zeigt, dass akademischer Methodeneinsatz samt vorheriger Ferndiagnose von vielen Klienten mit Verweis auf die mangelnde Realitätsnähe abgelehnt wird. Gefragt ist vielmehr die kontextspezifische Umsetzung methodisch einwandfreier Problemlösungen unter aktiver Mitwirkung des Klienten. Im Ergebnis werden Change-Management-Kompetenzen nachgefragt, bei denen die Methode lediglich der Mobilisierung von Wissensressourcen dient. Gängige Beratungsmethoden, wie die Gemeinkostenwertanalyse, die Portfolioanalyse, die Suchfeldanalyse, das Business Process Redesign, die Balanced Scorecard oder das Target Costing entfalten nur dann ihr volles Vorteilspotenzial, wenn durch ihren gezielten Einsatz virulente Managementprobleme nicht nur formal konsistent gelöst werden, sondern die sich daraus ergebenden Implikationen von den beteiligten Akteuren mitgetragen werden. Die Aktivierung latenter Humankapitalreserven beim Klienten ist die letztlich relevante Zielgröße des Methodeneinsatzes. Methodenkompetenz und Humankapitalkompetenz bilden ein strategisches Duett, da jede Methode – abgesehen von ihrer analytischen Evidenz – immer auch Spielball der Personalpolitik ist. Zum einen kann ihr Einsatz zu veränderten Machtkonstellation als Folge dadurch induzier-

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ter Entscheidungen führen, weshalb von den so genannten „Organisationsverlieren“ die Evidenz der angewandten Beratungsmethoden regelmäßig in Zweifel gezogen wird und vice versa. Zum anderen erfüllen Beratungsmethoden oftmals eine wichtige Führungsaufgabe, weil sich durch ihre (vorgeblich) wissenschaftliche Evidenz politische Entscheidungen „qua Verfahren“ legitimieren lassen. Somit kann der systematische Methodeneinsatz aus Sicht der Betroffenen zur Verfahrens- und Ergebnisgerechtigkeit beitragen, wodurch sich gegebenenfalls eine höhere Entscheidungsakzeptanz einstellt (Kim/Mauborgne 1998). 5.2 Humankapitalkompetenz Mit der Humankapitalkompetenz ist nicht nur das Vermögen zur Mobilisierung der Leistungspotenzials der eigenen und der Mitarbeiter des Klienten gemeint, sondern auch der Prozess der Personal- und Organisationsentwicklung. Beratungsunternehmen sind Musterbeispiele für eine komplexe Dienstleistungsproduktion im Teamverbund unter aktiver Einbeziehung des „externen Faktors“. Der kollektive Leistungserstellungsprozess folgt dabei nicht selten einer Netzwerklogik, wenn auf Optionen des Subcontracting oder hybride Arrangements der Wertschöpfungskonfiguration zurückgegriffen wird. Lag in der Vergangenheit oftmals der Schwerpunkt auf der individuellen Personalentwicklung, so wird aus dem Blickfeld des Competence-based Managements ein stärkerer Akzent auf Genese und Nutzung kollektiver Leistungspotenziale gelegt. Gerade in individualistischen Expertenorganisationen, die Spezialwissen hochtalentierter Mitarbeiter zu bündeln versuchen, besteht die latente Gefahr funktionaler Disziplinensilos, die ein Denken und Handeln in integrierten Prozessketten erschweren (von der Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007). Paradoxerweise empfehlen fast alle Beratungsunternehmen ihren Klienten marktorientierte und vor allem schnittstellenübergreifenden Geschäftssysteme, doch fällt es ihnen aufgrund der Vielzahl der rekrutierten Spezialisten oftmals selbst schwer, diese Losung intern zu beherzigen. Insbesondere für die weltweit agierenden Beratungskonzerne gestaltet sich die individuelle und kollektive Fähigkeitenlokalisation als anspruchsvolle Aufgabe der Organisationsentwicklung – zumal diese oftmals als „Grass Roots Competencies“ in der Peripherie gedeihen und als „verborgene Schätze“ nicht kultiviert werden (Prahalad/Ramaswamy 2005). Beratungsunternehmen haben frühzeitig angeregt, getätigte Ausgaben für die Personal- und Organisationsentwicklung als Investitionen in strategische Gestaltungsoptionen zu interpretieren, um auf diese Weise den Wertbeitrag des Humankapitalmanagement besonders zu würdigen (Rasche 2002: 538ff.). Künftig wird eine zentrale Aufgabe der Managementberatung nicht nur in der Erarbeitung professionel-

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ler Problemlösungen bestehen, sondern in der Befähigung des Klienten durch Umsetzung adäquater Kompetenzentwicklungsmaßnahmen, wodurch der lernpädagogische Aspekt der Managementberatung zum Tragen kommt. Dem Risiko des perspektivischen Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch nunmehr methoden- und entscheidungsautarke Klienten steht dabei das Risiko der Beratungsunzufriedenheit mangels Kooption und Koedukation gegenüber (Prahalad/Ramaswamy 2005). Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Halbwertszeit des akademischen Wissens und des daraus abgeleiteten Zwangs zum Beruf begleitenden Lernen bleibt abzuwarten, ob Beratungsunternehmen künftig verstärkt in den Aus- und Weiterbildungsmarkt diversifizieren (von der Oelsnitz/Stein/Hahmann 2007).10 5.3 Geschäftssystemkompetenz Das Geschäftssystem einer Unternehmensberatung umfasst alle Maßnahmen der Planung, Steuerung und Koordination des Beratungsportfolios einschließlich der Bereitstellung der hierfür erforderlichen Leistungsinfrastruktur. Diese beinhaltet nicht nur alle aufbau- und ablauforganisatorischen Voraussetzungen, sondern auch das spezifische Wissens- und Kompetenzinventar in seiner Funktion als Input-, Through-put- und Output-Variable des Humankapitalmanagements. Gegenstand wettbewerbsfähiger Geschäftssysteme ist im Einklang mit der „Theorie der Unternehmung“ die Korrespondenz von Geschäftszweck einerseits und vertikaler sowie horizontaler Integration andererseits (Reve 1990). Ausgehend von der strategischen Positionierung stehen Beratungsunternehmen vor der Aufgabe, die kommunizierten Alleinstellungsmerkmale organisationsseitig mit entsprechenden Führungssystemen, Kompetenzen, Prozessen und Aktivposten zu hinterlegen. Zahlreiche mittelgroße Beratungsunternehmen sind der Vergangenheit in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten, weil sie dem Klienten Internationalität, Topmanagementsouveränität und methodische Omnipotenz suggerierten, ohne über das hierfür erforderliche Geschäftssystem zu verfügen. Dies gilt insbesondere für die zahlreichen Spin-offs der führenden Strategieberatungen, die im Rahmen der Zellteilung das „genetische Erbe“ für sich reklamieren. Die anvisierte marktstrategische Positionierung läuft hierbei der Geschäftssystemkompetenz voraus, die mehr als die Summe der Projekt-, Methoden-, Branchen und Klientenexpertise verkörpert. Die enge Verzahnung zwischen der strategischen Positionierung am Absatz- und Beschaffungsmarkt und dem Geschäfts10

Als Indizien hierfür mögen die Beratungsfirmen Droege & Comp. und das ManagementZentrum St. Gallen gelten, die enge Kooperationen mit universitären Bildungsträgern unterhalten.

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system macht die Wertkettenlogik von Porter (1980) deutlich. Explizit wird hierbei auf die Synchronisation von externer Strategieausrichtung („Positioning“) und interner Wertschöpfungskoordination („Value Chain“) hingewiesen, um Wettbewerbsvorteile aufbauen und verteidigen zu können. Das strategische Geschäftssystem fundiert das Vorteilssystem einer Unternehmensberatung, wenngleich diese beiden Erfolgspotenziale dem Outsider oftmals verborgen bleiben bzw. sich für diesen als kausal mehrdeutig darstellen. Die Geschäftssystemkompetenz wird in seiner sozialen Komplexität und kulturellen Verankerung oftmals unterschätzt und ist aus Sicht des Competence-based Managements gerade deshalb Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, wie sich am Beispiel der „oft kopierten aber niemals erreichten“ Beratungskultur von McKinsey zeigt. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder versucht, die Beratungsmarke Marke McKinsey und des das dazugehörige Geschäftssystem zu imitieren, doch scheitern diese Attacken an der idiosynkratischen Tiefenstruktur desselben. Dagegen erweist sich die Substitution manifester Methodenvorteilsbastionen im Beratungssektor selbst für die etablierten Marktführer als strategische Bedrohung. Im Fall einer hohen Klientenprofessionalität macht der Kunde nicht nur die Endleistung zum Gegenstand seines Werturteils, sondern das gesamte Geschäftsystem einer Unternehmensberatung, sofern er dieses anhand relevanter Leitindikatoren bewerten kann. Vertrauens- und Erfahrungsgüter wie Beratungsleistungen unterliegen in besonderer Weise einem Geschäftssystemwettbewerb, der den zumeist thematisierten Endleistungswettbewerb um Projekte, Klienten oder Methodeninnovationen überlagert (Prahalad/Hamel 1990). Geschäftssystemkompetenzen treten in strategischer und operativer Form in Erscheinung. Während im ersten Fall die Konzeption und Etablierung innovativer Beratungsmodelle zum Ziel neuer Branchenstandards und radikaler Differenzierung im Vordergrund steht („Rule Breaking“, „Blue Oceans Exploration“, „Radical Business Redesign“; Hamel 2000; Kim/Mauborgne 2005; Hammer/Champy 1993), bezieht sich der zweite Fall auf die Perfektionierung des bestehenden Geschäftsmodells. Diese operative Geschäftssystemkompetenz konkretisiert sich zumeist in Veränderungen der Peripherie der Kompetenzzwiebel, indem flexibel auf Wettbewerberinitiativen hin reagiert wird. Im volatilen Beratungsgeschäft trägt operative Agilität des Geschäftsmodells entscheidend zur Ertragssituation bei, weil sich abrupte Marktchancen oft nur situationsopportunistisch durch eine flexible Angebotspolitik erschließen lassen. Hierzu zählt unter anderem auch die Fähigkeit zur kontinuierlichen Lancierung neuer Beratungsprodukte – auch auf die Gefahr hin, dass es sich hierbei nur um Scheininnovationen handelt. Im Sinne des „Balanced Management“-Konzepts bedarf es einer ausgewogenen Abstimmung zwischen „Mainstream“- und „Newstream“-Geschäftsmodellen. Nicht selten finden diese im Beratungssektor

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je nach Klientensegment gleichzeitig Anwendung, wie sich am Beispiel einiger Beratungsunternehmen zeigt, die ergänzend zur konventionellen Strategieberatung „Non-and-Near-Bank-Services“ im florierenden Private-Equity-Segment anbieten. Der globale Wettbewerb um Hochleistungsgeschäftssysteme impliziert für den Beratungssektor einen strategischen Richtungswechsel im Kompetenzmanagement. Zweifelsohne repräsentieren Projekt- und Methodenkompetenzen zwingend zu erfüllende Grund- und Leistungsanforderungen, doch lassen sich auf diese Weise nur temporäre und vor allem marginale Differenzierungsvorteile aufbauen. So genannte Begeisterungs- bzw. Innovationsanforderungen, denen eine stark differenzierende Hebelwirkung attestiert wird, konkretisieren sich zweifelsohne in der Konzeption und Einführung innovativer Managementmethoden. Diese lassen sich aber längerfristig nicht vor Imitations- und Substitutionsgefahren schützen, weil diesbezüglich nur wenig effektive Erosionsbarrieren existieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund verlagert sich die Aufmerksamkeit auf vor gelagerte Geschäftssysteminnovationen, die als intellektuelle Absprungbasis für absatzmarktseitige Outputinnovationen fungieren. 5.4 Leadership- und Entrepreneurship-Kompetenz Bisweilen entsteht der Eindruck, als handele es sich bei den Institutionen des Beratungssektors um hoch professionelle Expertenorganisationen, die sich vornehmlich über ihre rational-analytische Problemlösungskompetenzen positionieren. Dementsprechend aseptisch muten für Außenstehende die korrespondierenden Geschäftssysteme an, die den hierfür erforderlichen intellektuellen Unterbau darstellen. Mit Blick auf die Rollenfunktionen der Managementberatung vermittelt eine Kultur der Nüchternheit, Objektivität und Abgeklärtheit den Eindruck professioneller Zielstrebigkeit und Ergebnisorientierung im Innen- wie im Außenverhältnis. Der Wettlauf um Talente erzwingt allerdings eine stärkere Befassung mit Führungs- und Unternehmerthemen. Zum einen sehen sich viele Professionals von ihrem Selbstverständnis und Arbeitsethos her eher als Mikrounternehmer denn als Angestellte in exponierter Stellung (Rasche 2002: 132). Zum anderen bedürfen Unternehmensberatungen interner Führungskompetenzen, um im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung unternehmerisches Handeln in „eigener Sache“ zum strategischen Imperativ werden zu lassen. Einige bekannte Beratungsgesellschaften verstehen sich deshalb auch als Unternehmerberatung (z. B. Droege & Comp.), um nicht lediglich einen technokratischen Prozess des Planens, Entscheidens, Umsetzens und Kontrollierens professionell zu begleiten. Das externe Unternehmertum wird im Mikrokosmos der Unternehmensberatung oftmals zu emulieren versucht, weil sich Unterneh-

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mensberater nicht nur in die Rolle von Managern, sondern auch von Unternehmern versetzen sollen. Aus der Perspektive des ambitionierter Berater ist die Entrepreneurship-Logik insofern von hoher Relevanz, als diese entweder im Zuge der Karriereentwicklung an die Rolle des kapitalbeteiligten Partners herangeführt werden sollen oder nach dem Ausscheiden selbst als Unternehmer aktiv werden möchten. In diesem Zusammenhang lässt sich die These vertreten, dass Expertenorganisationen, die Hochbegabte für sich gewinnen möchten, diesen nicht nur manager- sondern unternehmerorientierte Entwicklungschancen bieten müssen. Eine starke Konkurrenzsituation besteht deshalb zu den PrivateEquity-Firmen, die ihren Mitarbeitern aus einer Position des Interimsmanagements die Option des Management-by-Outs anbieten. Professionals betrachten ihren Arbeitgeber gleichsam als Investitionsobjekt in ihre Zukunft, das sie mit einer Reihe karrierebezogener Realoptionen ausstattet. Insofern bewerten sie nicht nur ihre gegenwärtigen Rentenströme, sondern alle kapitalisierbaren Vorteilspositionen, die sich aus dem Arbeitnehmerverhältnis im Rahmen des individuellen Planungshorizontes ergeben. Hierzu zählen auch alle monetären Äquivalente, wie z. B. individuelle Humankapitalinvestitionen, die sich auch außerhalb eines spezifischen Beratungsunternehmens ökonomisch verwerten lassen. Bei der Leadership- und Entrepreneurship-Kompetenz handelt es sich nach herrschender Meinung um ein strategisches Erfolgspotenzial, das sich nur indirekt ansteuern lässt. Auf der Coporate-Ebene der Unternehmensberatung beinhaltet dieses vor allem den Kanon aller führungspolitischen Entscheidungen, die sich auf die eigene Unternehmenspositionierung bei relevanten Anspruchsgruppen beziehen. Insbesondere die weltweit führenden Strategieberatungen begreifen sich als Vordenker und Protagonisten des sozioökonomischen Wandels, der auch den gesellschaftlichen Wandel mit einschließt. Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung im Rahmen ihrer Funktion als Corporate Citizens veranlasst zahlreiche Managementberatungen zu gesellschaftlichem Engagement, um sich von dem Stigma einer rigorosen Wertsteigerungsdoktrin zu befreien. Der sich aus dem Unternehmertum ableitende soziale Verpflichtungsgrad gegenüber internen und externen Anspruchsgruppen manifestiert sich z. B. in Pro-Bono-Projekten, Kooperationen mit der öffentlichen Hand oder der Lancierung gesellschaftspolitischer Initiativen zusammen mit Politik und Wirtschaft (Hillman/Hitt 1999; Hillman/Keim 2001; Hillmann/Zardkoohi/Biermann 1999). Werden diese Corporate-Citizen-ship-Projekte sicherlich von altruistischen Motiven getragen, so entfalten diese aber immer auch eine wichtige Signalwirkung im Rahmen der strategischen Positionierung bei beratungskritischen und High Potentials, die rekrutiert werden sollen. Hierzu zählen neben so genanten „Exoten“ (z. B. Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler) vor allem Frauen und familiär gebundene Leistungsträger, die in der Unternehmensberatung stark

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unterrepräsentiert sind und verstärkt rekrutiert bzw. „gehalten“ werden sollen. Die stellenweise kritisierte Monokultur in der Managementberatung (maskulin, meritokratisch, MBA) weicht zunehmend einer kulturellen Vielfalt entlang unterschiedlicher Dimensionen, um auf diese Weise der Diversität in globalen Konzernen zu entsprechen. Die hier kursorisch gestreiften Themenfelder der Führungspolitik korrespondieren oftmals nicht mit dem „Mindset“ spezialisierter Experten. Diese interessieren sich primär für fachkompetenzbezogene Problemfelder und weniger für übergreifende und bisweilen unscharfe Kulturaspekte der Globalsteuerung einer Managementberatung. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird zunehmend die Notwendigkeit erkannt, qualifizierte Partner vom strategischen Projektmanagement zu entbinden und diese für die Wahrnehmung interner Führungs- und Koordinationsaufgaben gewinnen. Allerdings ist kritisch anzumerken, dass eine Zentralisierung aller Führungsaufgaben in einem diesbezüglichen Kompetenzzentrum kaum sinnvoll scheint, weil sich auch projektgebundene Senior Partner dieser Verantwortung generell nicht entziehen können. Dementsprechend wird bei der Ernennung zum Partner nicht nur die operative Fach-, Projekt- und Akquisitionskompetenz bewertet, sondern auch der Wertbeitrag zur Firmenentwicklung. In der Außenkommunikation wird die Leadership- und Entrepreneurship-Kompetenz oftmals „personalisiert“ und schillernden Beraterpersönlichkeiten zugeschrieben (z. B. Bruce Henderson, Roland Berger, Marvin Bower, Walter Droege), um auf diese Weise gleichermaßen für Kunden und angestellte Berater einen ideologischen Ankerpunkt vorzugeben. Trotz der zweifelsohne bestehenden Strahlkraft visionärer Leitfiguren der Unternehmensberatung, definiert sich die Leadership- und Entrepreneurship-Kompetenz im realen Projektgeschäft doch eher über das kollektive Führungsverhalten des Partnergremiums. So wird in den meisten Expertenorganisationen auf der Gesellschafterebene nach dem Kollegialitätsprinzip entschieden und gehandelt, so dass dem Sprecher der Geschäftsführung lediglich eine „Primus-Inter-Pares“Rolle zugestanden wird. 6

Ausblick: Entwicklungslinien der Managementberatung

(Strategische) Managementberatungen begreifen sich oftmals als Protagonisten und Vordenker des institutionellen Wandels. Dabei übernehmen sie aus der Perspektive des Competence-based Managements zum einen wichtige Kompetenzallokationsfunktion, weil sie als typische Expertenorganisationen das Rohprodukt „Wissen“ einem komplexen Veredelungsprozess unterziehen, der in unternehmerischer Problemlösungs- und Gestaltungskompetenz kulminiert (Freiling/Gersch/Goeke 2005: 54). Zum anderen fungieren sie aber nicht nur als

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Problemlöser konkreter Managementprobleme, sondern als auch Kompetenzentwickler im Auftrag des Klienten. Diese fungieren dabei aus Sicht der Managementberatung als Sparringspartner, wenn als Funktion der objektorientierten Methodenanwendung innovative Lernchancen bestehen, über die sich neue Beratungsfelder erschließen lassen. Insbesondere so genannte Leit- und Referenzklienten „diktieren“ oftmals Managementberatungen die Lern- und Innovationsrichtung durch anspruchsvolle Projektvorgaben, an denen diese wiederum ihre Kompetenzentwicklung ausrichten. Pionierkunden repräsentieren damit komplementäre Aktivposten der Kompetenzentwicklung, weil sie eine Vorreiterfunktion für eine Branche oder ein Technologiefeld besitzen. Insofern ist eine Evolution des Klienten vom „passiven Beratungsobjekt“ zu einem „aktiven Wertschöpfungsspartner“ der Kompetenzentwicklung festzustellen. Diese Form der Klientenemanzipation bietet zwar den Vorteil einer koevolutionären Kompetenzentwicklung, doch wird dadurch der Anspruchsinflation Vorschub geleistet. Begnügten sich vor Jahren viele Klienten noch mit einer akademischkonzeptionellen Beratung und punktuellen Problemlösungen, so akzentuieren derweilen fast alle Beratungsunternehmen den Umsetzungsaspekt bis hin zum operativen Interimsmanagement (Friedrich/Rasche 2002). Dies gilt insbesondere für alle Unternehmensberatungen mit Sanierungsschwerpunkten, die aufgabenbedingt ohne Verzögerungswirkung liquiditätsorientierte Ergebnisverbesserungen erzielen müssen (Schmidt-Gothan 2008). Bisher lehnten viele Strategieberatungen die Übernahme operativer Managementverantwortung mit Verweis auf ihren Unabhängigkeitstatus ab, um nicht die Suche nach der (organisatorisch) besten Problemlösung dem Primat der Klientenpolitik zu unterwerfen. Diese Prinzipientreue wird sich allerdings in dem Moment nicht mit dem gebotenen Purismus durchhalten lassen, in dem leistungsabhängige Honorare und umsetzungsorientierte Beratungsleistungen vereinbart werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben viele Beratungsunternehmen im Rahmen des Restrukturierungs- und Changemanagements die Notwendigkeit erkannt, jenseits“ der klinischen“ Methodenkompetenz machtpolitische Führungs- und Steuerungskompetenzen zu entwickeln. Dies gilt in steigendem Maße für die Leitungsorgane der Managementberatung, die oftmals „hinter den Kulissen“ als Fach-, Macht- und Beziehungspromotoren in Erscheinung treten. Die Zukunft der Managementberatung lässt die Entstehung pluralistischer Beratungsstrukturen allein schon durch die Lancierung innovativer Geschäftssysteme im Spannungsfeld von „klassischer“ Strategieberatung und unternehmerischen Beratungsformen bis hin aktiven Kapitalbeteiligungen erwarten. Ebenso erkennen Investmentbanken die Notwendigkeit, ihr „dealmaking-“ und transaktionsgetriebenes Leistungsportfolio um Beratungsleistungen bezüglich strategischer Konzernumbauten und Corporate-Governance-Problemstellungen zu erweitern. IT-orientierte Business-

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Process-Outsourcing-Beratungen versuchen, mit ambitionierten „Trading-up“Strategien in den Markt für Management- und Organisationsberatung zu migieren (IBM Consulting, Siemens Business Solutions). An dieser Stelle kann angesichts der Wettbewerbsdynamik im Beratungssektor nicht exakt prophezeit werden, welche der strategischen Positionierungsoptionen die substanziellsten Konkurrenzvorteile verspricht. Aus dem Blickfeld des Competence-based Managements ist der letztlich entscheidende Ansatzpunkt das in der Tiefenstruktur verankerte Geschäfts- und Führungssystem, das mit der favorisierten Positionierungsoption konform gehen muss. Dass es sich hierbei um eine nichttriviale Führungsaufgabe handelt, lässt an dem der Kompetenzentwicklung vorauseilenden Positionierungsanspruch ableiten, der sich nur durch ein robustes und adaptives Consulting-Geschäftsmodell verwirklichen lässt. Organisationsendemische Trägheitsmomente reflektierend, verhalten sich weltweit führende Expertenorganisationen, wie Goldman Sachs, McKinsey oder Kohlberg, Kravis & Roberts sehr konservativ bezüglich einer radikalen Infragestellung ihres fundamentalen Kompetenzkerns, um auf diese Weise nicht die Firmenidentität und das Strategiefundament zu gefährden (Collins/Porras 1997). Literatur Abell, D.F. (1980): Defining the Business – The Starting Point of Strategic Planning, Englewood Cliffs. Abrahamson, E./Fairchild, G. (1999): Management Fashion: Lifecycles, Triggers, and Collective Learning Processes. In: Administrative Science Quarterly, 44: 707-740. Akerlof, G.A. (1970): Quality, Uncertainty and the Market Mechanism. In: Quarterly Journal of Economics, 84, 1970: 488-500. Andrews, K.R. (1971): The Concept of Corporate Strategy, Homewood. Baldwin, C.Y./Clark, K.B. (2000): Design Rules – The Power of Modularity, Cambridge (Mass.)/London. Barney, J. (2002): Gaining and Sustaining Competitive Advantage, 2nd Edition, Upper Saddle River. Brandenburger, A.M./Nalebuff, B.J. (1998): Coopetition, (Paperback Edition), New York et. al. Chambers, E.G./Foulon, M./Handfield-Jones, H./Hankin, S.M./Michaels, E.G. (1998): The War for Talent. In: The McKinsey Quarterly, 3: 44-56. Collins, J.C./Porras, J.I. (1997): Built to Last – Successful Habits of Visionary Companies, New York. D’Aveni, R.A. (1994): Hypercompetition – Managing the Dynamics of Strategic Maneuvering, New York et. al. D’Aveni, R.A. (1999): Strategic Supremacy Through Disruption and Dominance. In: Sloan Management Review, 40: 127-135.

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Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in intraorganisationalen Wissensnetzwerken – Wunsch oder Wirklichkeit?

1

Einleitung ...................................................................................................365

2

Communities of Practice............................................................................366 2.1 2.2

3

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in CoPs ........................370 3.1 3.2

4

Begriff und Charakteristika ......................................................................... 366 Problematik der Erfolgsmessung................................................................. 368

Individuelle Ebene....................................................................................... 370 Organisationale Ebene................................................................................. 375

Diskussion und Implikationen ...................................................................380

Literatur..............................................................................................................383

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in Wissensnetzwerken 1

365

Einleitung

Der langfristige Erfolg von Unternehmen hängt immer stärker davon ab, inwiefern diese in der Lage sind, den Produktionsfaktor Wissen, d. h. alle Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen zur Problemlösungen zu generieren, intern zu transferieren und zu integrieren (z. B. Grant 1996a; Gupta/Govindarajan 2000; Teece 2002; von Krogh/Köhne 1998). Ausgehend von dieser Tatsache hat eine Vielzahl von Unternehmen in den letzten Jahren Wissensmanagementinitiativen durchgeführt (bspw. von Krogh/Venzin 1995; Welge/Holtbrügge 2000). Diese waren zunächst vor allem technologieorientiert, d. h. es wurden IT-basierte Wissensmanagementlösungen implementiert (z. B. Intranet, Datenbanken, Dokumentenmanagementsysteme etc.). Wie sich jedoch in der Praxis zeigte, waren oftmals „Datenfriedhöfe“, unnötige Ausgaben für eine wenig genutzte technische Infrastruktur, frustrierte Mitarbeiter und eine Ernüchterung bezüglich Wissensmanagement das Ergebnis vieler dieser Initiativen (z. B. Al-Laham 2003: 3f.; Romhardt 2002: 13ff.). Allein mit technischen Lösungen konnten die Barrieren, die den Wissensfluss behinderten, nicht überwunden werden (McDermott/O'Dell 2001: 76). Insbesondere individuelles Erfahrungswissen der Mitarbeiter sowie darauf basierende kollektive bzw. organisationale Kompetenzen und Fähigkeiten wurden als Hauptquellen für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen identifiziert (u. a. Blackler 1995; Drucker 1993). Wissensmanagementinitiativen wurden daher zunehmend humanorientierter, d. h. der Wissensträger Mensch rückte in den Mittelpunkt des Interesses. Im Zuge dessen wurden intraorganisationale themenspezifischen Wissensnetzwerke, so genannte Communities of Practice (CoPs) in den letzten Jahren mehr und mehr wissenschaftlich diskutiert und in der Unternehmenspraxis eingesetzt (z. B. APQC 2000; North et al. 2004; Saint-Onge/Wallace 2003). Es besteht jedoch eine erhebliche Diskrepanz zwischen den in CoPs gesetzten Erwartungen und der konkreten Umsetzung in der Praxis (Henschel 2001: 6; North et al. 2004: 10); es mangelt an einer wissenschaftlichen Durchdringung des Themas (Hislop 2003: 165; Teigland 2003: 2ff.). Insbesondere die Frage nach dem konkreten Nutzen dieser Netzwerke ist bis dato kaum geklärt. In dem vorliegenden konzeptionellen Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, ob Unternehmen mittels CoPs Kompetenzen optimaler entwickeln und nutzen können. Nach grundlegenden Ausführungen zum Begriff, den Charakteristika sowie der Problematik der Erfolgsmessung von CoPs im zweiten Abschnitt werden im dritten Abschnitt anhand konzeptioneller und empirischer Befunde der CoP-Literatur sowie quantitativer Ergebnisse anderer Forschungsbereiche die Möglichkeiten der Kompetenzentwicklung und -nutzung in CoPs

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Katja Zboralski

auf der individuellen und organisationalen Ebene analysiert. Im vierten Abschnitt werden die wesentlichen Erkenntnisse und deren Implikationen diskutiert. 2

Communities of Practice

2.1 Begriff und Charakteristika CoPs sind Gegenstand vielfältiger Diskussionen und dennoch existiert keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs (vgl. auch Schoen 2001: 52).1 Geprägt wurde der Begriff Community of Practice (CoP) im Jahre 1990 von Lave/Wenger, die aus sozio-kultureller Perspektive Lernprozesse in Gruppen untersuchten. Die Forscher bezeichneten eine CoP als ein aktives System, deren Mitglieder ihr Verständnis von dem, was sie tun, austauschen und durch diese Tätigkeit bzw. ihr geteiltes Verständnis darüber verbunden sind (Lave/Wenger 1991: 98; Wenger 1998b: 5f.). Dieses ursprüngliche Verständnis umfasst jegliche Art von „Practice“ und demzufolge werden Gemeinschaften in allen Bereichen sozialer Interaktion als CoPs verstanden: sowohl berufliche als auch private Lern- bzw. Interessengemeinschaften. Untersuchungsgegenstand dieses Beitrags sind CoPs in der Unternehmenspraxis. Diese sind kein Selbstzweck, sondern Instrumente eines gezielten Wissensmanagements. Daher wird nachfolgend ein enger gefasstes Begriffsverständnis von CoPs vertreten: Eine Community of Practice ist ein Netzwerk von Unternehmensmitarbeitern, die aufgrund eines gemeinsamen Interesses an einem geschäftsrelevanten Themen- bzw. Aufgabengebiet über formale Organisationsgrenzen hinweg virtuell und/oder face-to-face Wissen austauschen, entwickeln sowie sich gegenseitig unterstützen. CoPs entwickeln sich organisch aus den Bedürfnissen der Organisationsmitglieder und/oder gezielt aufgrund der Initiative der Unternehmensführung. Die Grundlage für die natürliche Entstehung von CoPs sind i. d. R. informale, heterarchischen Netzwerke (Wenger et al. 2002: 68). Informale Strukturen entwickeln sich ungeplant im Laufe der Zeit insbesondere innerhalb von hierarchischen Organisationen, um inflexible organisationale Strukturen zu umgehen (Weinert 1987: 127). CoPs bilden sich organisch aus der Interaktion von verschiedenen Personen innerhalb dieser informalen Struktur. Sie überschreiten dabei zumeist traditionelle organisatorische Grenzen (Wenger 1998a: 2f.). Die 1

Für eine Übersicht zu existierenden Definitionen und Beschreibungen von CoPs siehe Zboralski (2007: 25ff.) Siehe ebenda: (61ff.) für eine ausführliche Diskussion des Standes der CoP-Forschung.

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in Wissensnetzwerken

367

zweite Variante der Entstehung ist die Initiierung von Wissensnetzwerken. Insbesondere multinationalen Unternehmen in wissensintensiven Industrien machen Gebrauch davon (z. B. APQC 2000; Gongla/Rizzuto 2001). Ziel ist eine bewusste Verbesserung des Wissenstransfers und der Wissensentwicklung. Im Zuge von Wissensmanagementinitiativen wird in Unternehmen oftmals die Gründung themenspezifischer Communities initiiert (z. B. Storck/Hill 2000). Darüber hinaus werden auch existierende informelle Netzwerke formalisiert bzw. institutionalisiert und gezielt unterstützt. CoPs sind selbstorganisierende Gemeinschaften, deren Mitglieder freiwillig auf persönlichem oder virtuellem Wege miteinander interagieren. Die Mitglieder verbindet ein gemeinsames Aufgabengebiet oder ein gemeinsames Interesse an einem für das Unternehmen relevanten Wissensgebiet (z. B. Brown/Gray 1995: 81; Henschel 2001: 49). Die gemeinsame Praxis, ein sozialer und interaktionaler Prozess, ist demnach das verbindende Element zwischen den Mitgliedern. Diese ist durch drei Aspekte bestimmt (Wenger 1998b: 73): (1) das gemeinsame Handeln der Beteiligten; (2) eine gemeinsame Problemlage bzw. Herausforderung sowie (3) das gemeinsam aufgebaute Repertoire. CoPs werden durch die andauernde Interaktion ihrer Mitglieder, d. h. dem gemeinsamen Handeln, sowie den daraus entstehenden sozialen Beziehungen konstituiert. Eine CoP besteht demnach nur so lange, wie die Mitglieder eine gemeinsame Tätigkeit ausüben oder aber ein gemeinsames Interesse an einem Thema oder Aufgabengebiet haben und dementsprechend die Interaktion aufrechterhalten (Lesser/Storck 2001: 831; Wenger 1998a: 2). Demnach ändert sich mit den Wünschen, Zielen und Bedürfnissen der Mitglieder die Zusammensetzung der CoP. Die beständige Fluktuation führt dazu, dass sich die thematische Ausrichtung der CoP weiterentwickelt bzw. wandelt (z. B. Gongla/Rizzuto 2001: 845ff.). Das zweite Charakteristikum stellt eine gemeinsame Problemstellung bzw. Herausforderung dar. Eine CoP hat bestimmte Inhalte, die von den Problemen und Interessen der Mitglieder abhängen. Das bedeutet, dass eine CoP einen bestimmten thematischen Schwerpunkt hat, jedoch kein klar abgestecktes Ziel; außer dem übergeordneten Ziel des gemeinsamen Lernens. Dieses wird erreicht, indem Wissen, Informationen sowie gemachte Erfahrungen geteilt werden und neues Wissen entwickelt wird (z. B. Lesser/Storck 2001: 831; Wenger 1998a: 1f.). Das dritte konstituierende Merkmal der gemeinsamen Praxis bezieht sich auf die Entwicklung eines gemeinsamen Repertoires. Unter den Mitgliedern entwickelt sich zum einen ein gemeinsames Verständnis über das, was sie tun bzw. wie sie es tun, und zum anderen eine geteilte Wahrnehmung der Außenwelt. Der Austausch von Ideen, Erfahrungen und Erkenntnissen sowie die ge-

368

Katja Zboralski

genseitige Unterstützung gehen weiterhin einher mit der Entwicklung eines gemeinsamen Vokabulars, eines gemeinsamen Repertoires an Artefakten, Symbolen und Einsichten, aber auch gemeinsamer Normen und Werte. All dies bildet die kognitive Basis der CoP. Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten entwickelt sich eine CoP-Identität (z. B. Lave/Wenger 1991: 94ff.; Wenger 1998b: 45ff.). 2.2 Problematik der Erfolgsmessung Die Messung des Erfolgs von Wissensmanagementinitiativen wird seit Jahren viel diskutiert; sie ist jedoch nach wie vor umstritten. Insbesondere vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen müssen Ausgaben gerechtfertigt werden und einen klaren Mehrwert liefern. Der Unternehmensführung geht es vor allem um die Quantifizierung der Auswirkungen in monetären Größen. Dies ist jedoch insbesondere im Bereich des Wissensmanagements nur bedingt machbar (Davenport et al. 1998: 48; Probst et al. 1999: 321ff.). Die Messung bzw. Evaluierung der Ergebnisse von CoPs ist daher problematisch. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Die Schwierigkeiten liegen vor allem darin begründet, dass das in CoPs geteilte bzw. entstandene Wissen letztendlich außerhalb der CoP, d. h. in der täglichen Arbeit der Mitglieder, angewendet wird (Wenger/Snyder 2000: 145). Zur Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben verwendet eine Person jedoch nicht nur die Erkenntnisse, die sie durch die Interaktion mit den anderen Mitgliedern gewonnen hat. Die Lösung der Aufgaben ist zumeist die Summe verschiedener Aktivitäten und Einflüsse, d. h. die Arbeitsergebnisse lassen sich i. d. R. nicht eindeutig bestimmten Aktivitäten der CoP zuordnen (Schoen 2001: 113). Es können eine Reihe individueller Faktoren und organisationaler Rahmenbedingungen von Bedeutung sein. Das persönliche Umfeld des einzelnen Mitarbeiters, eine Diskussion mit Kollegen oder die Lektüre eines Fachblattes können z. B. die Entstehung einer Idee beeinflusst haben. Weiterhin wird sich eine Veränderung expliziter organisationaler Routinen nur einstellen, wenn das implizite Wissen existiert, das notwendig ist, um diese Routinen zu implementieren (Snyder 1996: 49). Darüber hinaus kann es neben direkten bzw. eindeutigen Ergebnissen (wie z. B. eine neue Idee) es indirekte Wirkungen geben (beispielsweise eine aus der Mitgliedschaft resultierende höhere Arbeitsmotivation oder eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis). Diese können schwer einzelnen Aktivitäten zugeordnet werden. Eine zusätzliche Herausforderung stellen Effekte dar, die

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in Wissensnetzwerken

369

sich erst nach einer gewissen Zeit bemerkbar machen, d. h. mit Verzögerung in der Zukunft wirken (Schoen 2001: 113, 177f.; Wenger/Snyder 2000: 145). Neben diesen Aspekten erschwert die Tatsache, dass die konkreten Auswirkungen bzw. Nutzeneffekte der CoP-Interaktionen schwer messbar bzw. noch schwerer in monetären Größen zu beziffern sind, die Erfolgsmessung.2 In den seltensten Fällen kann beispielsweise die Anzahl neu generierter Ideen, in Produkten umgesetzter Neuerungen oder wieder verwendeter Dokumente genannt werden. Und selbst wenn die Anzahl der erneut genutzten Dokumente beziffert werden kann, so lässt sich der Nutzen (z. B. eingesparte Zeit, Kosten etc.) daraus nur schwer abschätzen. Die Mehrzahl der Auswirkungen von CoPs betreffen „intangible assets“ für die kaum sinnvolle Indikatoren oder Wertbestimmungsmaßnahmen existieren (u. a. Adler/Kwon 2002; Carmeli 2004). Eine vollständige Ergebnisanalyse umfasst neben der Untersuchung der Ergebnisse ebenfalls die Berücksichtigung der Kosten einer CoP. Diese bestehen aus weit mehr als nur den Investitionen für die technische Infrastruktur. Vier Kategorien können unterschieden werden (Millen et al. 2002: 72): Kosten für (a) die Teilnahme der Mitglieder an der CoP, d. h. Arbeitszeit, Gehälter etc. (52% der Gesamtkosten), (b) die Organisation der Interaktion, z. B. Konferenzen oder virtuelle Meetings (32%), (c) die technische Infrastruktur (10%) sowie (d) die Dokumentation der Inhalte, Newsletter, Werbung und Veröffentlichungen (6%). Einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten tragen die Ausgaben für die Teilnahme an der CoP. Um diese jedoch präzise anzugeben, müsste die Zeit, die ein Mitglied durchschnittlich mit CoP-Aktivitäten verbringt, die aktuelle Mitgliederzahl etc. bestimmt werden. Dies verdeutlicht, dass auch die Abschätzung der Kosten von CoPs nicht einfach ist. Aufgrund der vorab diskutierten Aspekte sowie der Tatsache, dass CoPs ein relativ junges Forschungsgebiet darstellen, gibt es noch wenig Klarheit über die konkreten Erfolgswirkungen von CoPs. Im nachfolgenden Abschnitt wird ein möglicher Nutzenaspekt von CoPs diskutiert: die Entwicklung und Nutzung von individuellen, kollektiven bzw. organisationalen Kompetenzen.3 Den übergeordneten theoretischen Rahmen für die Argumentation bilden dabei der ressourcenbasierte Ansatz (z. B. Barney 1991; Freiling 2001; Wernerfeld 1984) und seine Weiterentwicklungen, der wissens- sowie kompetenzbasierte Ansatz (z. B. Al-Laham 2003; Grant 1996b; Spender 1996). Die wesentliche Aussage dieser Ansätze ist: Ausschlaggebend für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg

2

3

Siehe dazu auch Fontaine/Millen (2004: 4): „The intangible nature of ‚sharing knowledge’ is often difficult, if not impossible, to quantify.“ Für die ausführliche Herleitung und Diskussion dieses Nutzenaspektes sowie weiterer Ergebnisse von CoPs siehe Zboralski (2007: 108ff.).

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Katja Zboralski

sind Wissen und Kompetenzen sowie die dynamische Fähigkeit, sich an Umweltveränderungen anzupassen. 3

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in CoPs

3.1 Individuelle Ebene 3.1.1 Konzeptionelle und empirische Befunde der CoP-Literatur CoPs sind vor allem Orte des Wissensaustausches und damit des Lernens. Ausgehend von der sozialen Theorie des Lernens (Bandura 1979; Lave/Wenger 1991) lässt sich feststellen, dass individuelle Lernprozesse insbesondere dann erfolgen bzw. erfolgreich sind, wenn sie im sozialen Kontext stattfinden. Lernen ist demnach unabdingbar mit der Partizipation in der Praxis verbunden. In CoPs finden die individuellen Lernzyklen (Kolb 1984: 20ff.) jedes Einzelnen im Rahmen der täglichen Arbeit statt. Die wechselseitige Interaktion ermöglicht Lernen im gemeinsamen sozialen Kontext. Neue Mitglieder erhalten durch die Interaktion mit den anderen Mitgliedern Einblicke in die reale Praxis. Dadurch lernen sie keine abstrakten Inhalte, sondern durch die aktive Teilnahme an der Praxis. Auch erfahrene Mitglieder können von den Erfahrungen und Ansichten der anderen Mitglieder lernen. Ihr vorhandenes Wissen wird evaluiert, strukturiert, durch neues Wissen bzw. einen neuen Kontext erweitert und modifiziert. Anfragen von anderen Mitgliedern können eigene Wissenslücken offenbaren und dadurch Lernprozesse anregen. Die wechselseitige Interaktion zwischen den Mitgliedern kann so aus einem Wissenslieferanten einen Wissensnachfrager machen und vice versa (z. B. Lave/Wenger 1991: 49f.). Die eigenen mentalen Modelle bilden zunächst den Rahmen für die individuellen Lernprozesse des Einzelnen. Jedoch beeinflussen auch die verschiedenen Tätigkeiten sowie die unterschiedlichen Perspektiven, Normen und Werte der anderen Mitglieder diese individuellen Lernprozesse. Sozialisierungsprozesse innerhalb der CoP führen dazu, dass der individuelle Kognitionsrahmen des Einzelnen erweitert bzw. verändert wird (Nonaka 1994: 18ff.). Die veränderte Wissensbasis des Einzelnen beeinflusst zukünftige Lernprozesse (Lane/Lubatkin 1998: 463). Darüber hinaus folgt aus der Theorie der sozialen Identität (Kramer et al. 1996; Turner 1987), dass Mitglieder einer CoP gemeinsame kognitive Strukturen und Interpretationsrahmen entwickeln. Diese beeinflussen ihrerseits die impliziten Annahmen und die Identität des Einzelnen und können dadurch individuelle Lernprozesse auslösen bzw. verändern. Im Zuge derer können Community-Mitglieder bestehende Kenntnisse, Fähigkeiten bzw. Kom-

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in Wissensnetzwerken

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petenzen erweitern sowie neue aufbauen (z. B. Ruuska 2005: 140; Storck/Hill 2000: 70ff.; Wenger/Snyder 2000: 141). Die CoP-Mitgliedschaft ermöglicht es dem Einzelnen, Beziehungen zu Anderen aufzubauen und zu erweitern (Ruuska 2005: 140; Schoen 2001: 110). Nach der Theorie des sozialen Kapitals (Nahapiet/Ghoshal 1998) fördert dieses persönliche Netzwerk u. a. den Zugang zu Informationsquellen und Wissensträgern (z. B. Adler/Kwon 2002: 29f.; Tsai/Ghoshal 1998: 465ff.). Zwischen der Mehrheit der Community-Mitglieder bestehen entsprechend der von Granovetter genutzten Kriterien schwache Beziehungen (Granovetter 1977). Vor dem Hintergrund der Theorie der Stärke schwacher Beziehungen gilt: Diese schwachen Beziehungen liefern im Vergleich zu starken Beziehungen, wie sie zum Beispiel mit direkten Arbeitskollegen unterhalten werden, mehr nicht-redundante und neue Informationen (Granovetter 1977). Schwache Beziehungen sind eher für den Transfer von vorwiegend explizitem Wissen geeignet, wohingegen starke Beziehungen vor allem den Austausch von impliziten Wissensanteilen fördern (siehe z. B. Dyer/Nobeoka 2000: 363f.; Reagens/McEvily 2003: 241ff.). Aufgrund der in einer CoP herrschenden sozialen Identität und damit einhergehenden kollektiven Normen und Werte, der gemeinsamen Sprache etc. sind gleichzeitig (vor allem bei bilateralem Austausch) auch enge Beziehungen zwischen einzelnen Mitgliedern möglich (siehe auch Dyer/Nobeoka 2000: 363). Im Kontext von CoPs kann demnach davon ausgegangen werden, dass sowohl implizite als auch explizite Wissensteile übertragen werden. Individuelle Lernprozesse bzw. in deren Ergebnis gewonnenes Wissen, neue Wissensquellen sowie das in den Beziehungen zu anderen CommunityMitgliedern enthaltene soziale Kapital ermöglichen es dem Einzelnen, eigene Kompetenzen (weiter) zu entwickeln. Darüber hinaus kann er durch die Beziehungen und Interaktionen mit anderen CoP-Mitgliedern deren Kompetenzen sowie kollektive und organisationale Kompetenzen nutzen. Dies kann zu einer verbesserten Arbeitsleistung führen (z. B. Fontaine/Millen 2004: 6; SaintOnge/Wallace 2003: 50): Ansprechpartner werden schneller ausfindig gemacht, Informationen sind zugänglicher, Feedback von anderen verringert Fehler oder beschleunigt die Problemlösung (u. a. Millen et al. 2002: 71; Orr 1990; Ruuska 2005: 140).4 Die Möglichkeit für die CoP-Mitglieder, Kompetenzen in CoPs zu entwickeln und zu nutzen, wurde bisher nur in wenigen quantitativen Untersuchungen 4

O’Donnell et al. fassen dies anschaulich zusammen: „Unlike teams, CoPs are typically driven by the value that they provide to individual members. Members share information and insights and discover ideas – this saves them time, money, energy and effort.” (O'Donnell et al. 2003: 61)

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nachgewiesen (siehe Andriessen/Verburg 2004; Ruuska/Vartiaien 2003). Die Befunde empirischer Studien aus anderen Forschungsbereichen bestätigen jedoch die vorangegangene Diskussion. 3.1.2 Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche Die Bedeutung von sozialen Beziehungen sowie die darin verankerten tatsächlichen und potentiellen Beziehungsressourcen belegen verschiedene empirische Untersuchungen sozialer Netzwerke. Während Granovetter und andere Autoren die Stärke schwacher Beziehungen hervorheben und empirisch belegen können (Granovetter 1977; Levin/Cross 2004), betonen andere Untersuchungen die Bedeutung von starken Beziehungen, die zwischen den Netzwerkpartnern Vertrauen und damit den Wissensaustausch und Lernprozesse fördern (z. B. Krackhardt 1992). Beckman/Haunschild (2002) kommen bei ihrer Untersuchung eines Firmennetzwerkes zu der Erkenntnis, dass diese Art von Beziehungen jedoch gleichzeitig die Gefahr der Homogenität, d. h. geringe Diversität bezüglich der Erfahrungen und Hintergründe der Akteure, birgt. CoPs mit ihren aus verschiedenen Einheiten stammenden Mitgliedern sowie mit ihrer natürlichen Fluktuation sind durch eine entsprechende Diversität gekennzeichnet. Diese ist eine gute Grundlage für die Kompetenzentwicklung. Die Andersartigkeit darf jedoch nicht zu groß sein, denn dies kann zu gegenseitigem Unverständnis sowie einhergehenden Zweifeln und Misstrauen führen (Bogenrieder/Nooteboom 2004: 291; Henschel 2001: 147). In CoPs verbinden die Mitglieder i. d. R. gemeinsame fachliche Grundlagen, d. h. die kognitive Distanz ist nicht zu groß. Über schwache Bindungen können größere Distanzen in sozialen Netzwerken überbrückt werden, d. h. über die Beziehung zweier Personen können zwei unterschiedliche Gruppen verbunden werden. Die Bedeutung dieser Tatsache belegen die Untersuchungen von Burt (1992): Die Stärke von Netzwerken ergibt sich dabei für eine Person weniger aus der Intensität der Beziehungen zu anderen als vor allem aus deren Position als Brücke zwischen verschiedenen Gruppen mit struktureller Autonomie, d. h. als Überbrücker „struktureller Löcher“. Diese Brückenverbindungen zwischen den Gruppen basieren oft auf schwachen Beziehungen zwischen zwei Personen. Mit der Position des „Maklers“ zwischen den verschiedenen, in sich aber eng verbundenen Gruppen (d. h. im Schnittpunkt sozialer Kreise) gehen verschiedene Vorteile einher. Diese ergeben sich zum einen aus einer strategisch guten Position für den Informationsprozess, d. h. Zugang zu relevanten Informationen und Wissen verschiedener Gruppen. Zum anderen lassen sich über strukturelle Löcher unternehmerische Handlungsmöglichkeiten erschließen (Burt 1992: 2ff.; Janicik/Larrick 2005: 349).

Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung in Wissensnetzwerken

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Diese Erkenntnisse sind auch im CoP-Kontext von Bedeutung: Die Mitglieder einer CoP kommen i. d. R. aus unterschiedlichen formalen Gruppen, d. h. über ihre Interaktion in der CoP sind diese verschiedenen Gruppen miteinander verbunden; die Mitglieder „[...] broker information flows between various non-related, or weakly related entities“ (Ardichvili et al. 2003: 75). Durch den Kontakt mit den verschiedenen Gruppen bekommen sie Einblicke in alternative Problemstellungen und -lösungen sowie andere kognitive Strukturen und mentale Modelle. Dies kann individuelle Lernprozesse anstoßen und die Kreativität des Einzelnen fördern (ausführlich bei Burt 2003: 388ff.). Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk beeinflusst nicht nur den Zugang zu Informationen und Wissen. Verschiedene Studien befassen sich mit der Bedeutung der Netzwerkposition bzw. der Vernetzung mit anderen Personen und untersuchen die Auswirkungen auf Lernfähigkeit, Arbeitsleistung und Kreativität. Die Position innerhalb eines Netzwerkes beeinflusst die Fähigkeit einer Person, aufgenommenes Wissen zu absorbieren, d. h. die Absorptionskapazität. Reagens/McEvily (2003) können in ihrer Untersuchung zeigen, dass große und damit i. d. R. heterogene Netzwerke die Perspektiven von Individuen erweitern. Dies kann dazu führen, dass sie komplexe Ideen auf unterschiedliche Kontexte übertragen und anwenden können. Das gleiche Argument gilt für die Aneignung und Absorption von relevantem Wissen. Bei neuen Herausforderungen, Projekten etc. kann eine Person über ihr Netzwerk entsprechende Personen kontaktieren und von deren Erfahrungen profitieren (Cross/Cummings 2004: 929). Insbesondere bei sich verändernden formalen Strukturen und damit einhergehendem Wechsel von Kollegen, Ansprechpartnern etc. kann das Netz der CoPMitglieder als „feste Größe“ angesehen werden. Innerhalb der CoP kennen sich die Mitglieder und wissen, wer über welches Wissen, welche Projekterfahrung verfügt etc. Sie sind in der Lage, Kontakte zu Personen aufzunehmen, die über die anderen Bescheid wissen oder weiterhelfen können, Ansprechpartner zu vermitteln. Neuen Mitgliedern ermöglichen es die verschiedenen Funktionalitäten einer CoP (wie z. B. die gelben Seiten oder das Diskussionsforum), Ansprechpartner ausfindig zu machen bzw. andere Mitglieder darauf anzusprechen. Personen, die eine zentrale Position in einem Netzwerk haben, können ihre eigenen Kompetenzen erweitern und die der anderen nutzen. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Arbeitsleistung zu steigern. Diese Annahme wird in verschiedenen Untersuchungen bestätigt (neben den nachfolgend aufgeführten Studien z. B. Ahuja et al. 2003; Allen 1977; Cross et al. 2001; Nohria 1992). Beispielsweise finden Roberts/O‘Reilly (1979) bei ihrer Untersuchung, dass vernetzte Personen i. d. R. eine bessere Performance hatten als weniger vernetzte Personen. Nach den Ergebnissen von Allen/Cohen (1969) gibt es einen klaren positiven Zu-

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sammenhang zwischen der intraorganisationalen Kommunikation und der Arbeitsleistung von Ingenieuren bzw. Wissenschaftlern. Die Untersuchung von Cross/Cummings (2004) bestätigt die Wichtigkeit von Kontakten einer Person, die über die Grenzen ihrer formalen Einheit hinausgehen. Des Weiteren ist es für das Organisationsmitglied wichtig, die Fähigkeiten und Kenntnisse anderer Personen einschätzen zu können. Diese „awareness of other’s expertise“ bringt es mit sich, dass bei entsprechend anstehenden Problemen die relevanten Personen herangezogen werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass die CoP-Mitgliedschaft dieses Wissen begünstigt. Viele Unternehmensprojekte haben internationale Kunden, einen internationalen Markt etc. Dementsprechend werden Informationen aus anderen Ländern, anderen Märkten benötigt. Beziehungen zu Personen an anderen Standorten, d. h. Beziehungen, die physische Barrieren überwinden, ermöglichen den Zugang zu diesen wichtigen Informationen und damit die Kompetenzentwicklung und -nutzung (DeSanctis/Monge 1999: 698f.). Auch dieser im CoPKontext sehr bedeutsame Zusammenhang – viele der CoP-Mitglieder interagieren virtuell – wird von Cross/Cummings (2004: 933f.) bestätigt. Insbesondere in sehr wissensintensiven Bereichen hängt die Arbeitsleistung einer Person stark davon ab, inwiefern diese Zugang zu den „richtigen“ Informationen hat, d. h. jene, die nötig sind, um neue, anspruchsvolle Probleme zu lösen (Cross/Cummings 2004: 928). Hier ist eine zentrale Netzwerkposition von Vorteil. Gleiches gilt auch im Kontext von Arbeitsaufgaben, die Kreativität bzw. kreative Lösungen erfordern. Wie Perry-Smith (2006) empirisch bzw. PerrySmith/Shalley (2003) konzeptionell zeigen, fördern besonders schwache Beziehungen kreative Lösungen. Dies wird vor allem mit der Stärke schwacher Beziehungen, die neue, nicht-redundante Informationen liefern und unterschiedliche Perspektiven eröffnen, begründet. Darüber hinaus argumentieren die Autoren, dass je mehr nicht-redundante Informationen eine Person erhält, umso größer ist ihre individuelle Wissensbasis. Bei neuartigen Problemstellungen können auf dieser Grundlage kreative Lösungen durch kognitive Rekombination und ungewöhnliche Verknüpfungen erarbeitet werden (Perry-Smith 2006: 86ff; Perry-Smith/Shalley 2003: 91f.). CoPs mit ihren zumeist schwachen multilateralen Beziehungen zwischen den Mitgliedern sowie einer entsprechenden Heterogenität fördern demnach Kreativität und eine bessere und/oder schnellere Problemlösung. Die förderliche Atmosphäre in einer CoP betonen auch Breu/Hemingway (2002): Community-Mitglieder berichten, dass die in der CoP bestehende Möglichkeit, Ideen vorzustellen und zu testen, besonders wertvoll für sie sei. Die informale, risikofreie Umgebung ermutige sie, Gedanken und

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Ideen zu äußern, ohne „fear of compromising themselves or suffering negative consequences“ (Breu/Hemingway 2002: 150). 3.2 Organisationale Ebene 3.2.1 Konzeptionelle und empirische Befunde der CoP-Literatur Die Auswirkungen der Interaktion zwischen den CoP-Mitgliedern sind in seltenen Fällen direkt. Sie wirken vor allem indirekt durch die Vergrößerung der organisationalen Wissensbasis (Schoen 2001: 107). Neben den bereits diskutierten Auswirkungen auf der individuellen Ebene, die ebenso eine Veränderung der kollektiven/organisationalen Wissensbasis bewirken, liefert vor allem das Konzept des organisationalen Lernens (Argyris/Schön 1978) eine Erklärung für diese Tatsache. Ein wesentliches Ergebnis organisationalen Lernens stellt die Veränderung der organisationalen Wissensbasis dar (Probst/Büchel 1998: 17). Die organisationale Wissensbasis umfasst dabei sowohl die individuellen als auch kollektiven Bestände aller Kenntnisse und Fähigkeiten einer Organisation, welche zur Problemlösung genutzt werden können. Darüber hinaus enthält sie Daten und Informationsbestände, auf welchen individuelles, kollektives und organisationales Wissen aufbaut (Probst et al. 1999: 46). CoPs als Orte des kontinuierlichen Wissenstransfers fördern nicht nur individuelle Lernprozesse und die Weiterentwicklung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ihrer Mitglieder, sondern unter Berücksichtigung einer sozialen Theorie des Lernens sowie dem Zusammenhang zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Lernen auch die Generierung und Weiterentwicklung von kollektivem Wissen (z. B. von Wartburg et al. 2004: 12). Das bedeutet, dass die Mitglieder einer CoP gemeinsam geteiltes Vokabular, gemeinsame Werte, Normen, Erinnerungen, Referenzmöglichkeiten, Geschichten etc. entwickeln. Die verbindende, gemeinsame soziale Identität ist eine Grundlage für die kontinuierliche Kollaboration zwischen den Mitgliedern. Hislop (2003) fand beispielsweise bei seinen Fallstudien zu CoPs heraus, dass die soziale Identität mit einer CoP signifikant den Willen zum Wissensaustausch bestimmt. Die kollektive Identität führt im Zusammenspiel mit in der CoP herrschenden Rahmenbedingungen (wettbewerbsfreie, kreativitätsfördernde, offene Atmosphäre etc.) zur Entwicklung von Wissen. Es werden nicht nur Lernprozesse initiiert, sondern wie Henschel (2001) bei seiner Untersuchung von CoPs feststellte, verbessert sich auch die Qualität der Lernprozesse und Lernerfahrungen. Der wettbewerbsfreie Raum in Kombination mit einer sozialen Identität, Vertrauen

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und Verständnis stimuliert die Diskussion und den Austausch von Ideen. In einem solchen Umfeld sind Individuen eher bereit, implizite Annahmen und Denkmuster zu offenbaren und die eigene Position in Frage zu stellen. Sie gestehen persönliche Fehler ein, statt beharrlich die eigene Position gegenüber vermeintlichen Konkurrenten zu vertreten (Henschel 2001: 61; Millen et al. 2002: 70f.). In CoPs generierte Ideen, Problemlösungen sowie die Rekonfiguration, Kombination und Integration von Wissen sind Auslöser für Innovationen (Grant 1996a: 382; Schumpeter 1968: 65f.). In gleichem Zuge wird durch die wechselseitige Interaktion der Mitglieder das Wissen der verschiedenen Individuen, und hier insbesondere implizite Wissensanteile, in kollektive mentale Modelle, kollektive Routinen etc. integriert (Levitt/March 1988: 326ff.). CoPs sind verteilte soziale Netzwerke, in denen kollektive Routinen entwickelt und gespeichert werden. Diese haben eine große Bedeutung für das organisationale Lernen und die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation (Cohen/Levinthal 1990; Grant 1996a; Nelson/Winter 1982; Nonaka 1994). Die Rolle von sozialem Kapital für den Aus- und Aufbau von Kompetenzen wurde bereits bei der Betrachtung der Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene hervorgehoben. Die vorab diskutierte Rolle von (informalen) Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern lässt sich hier fortsetzen. Soziales Kapital geht auch auf der organisationalen Ebene mit dem Zugang zu Information und Wissen, Möglichkeiten für neue Geschäfte, Reputation, Einfluss, einem erhöhten Verständnis von Netzwerknormen etc. einher (Inkpen/Tsang 2005: 150). Lernprozesse und das integrierte individuelle Wissen, welches zu kollektivem bzw. organisationalem Wissen wird, sind die Grundlage dafür, dass neue Kompetenzen aufgebaut und bestehende verbessert werden können (z. B. Henderson/Cockburn 1994; Prahalad/Hamel 1990). Dabei kommt es sowohl auf der individuellen Ebene als auch auf der kollektiven bzw. organisationalen Ebene zur Wissensentwicklung (z. B. Schoen 2001: 110; Snyder 1996: 206; Wenger 1998a: 3f.). Das Wissen, welches ein Unternehmen zur Leistungserfüllung benötigt, ist stets auf unterschiedliche Organisationsmitglieder und -kontexte verteilt (Tsoukas 1996: 22). Folglich resultiert die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens vor allem aus der Fähigkeit, bereits vorhandenes Wissen (z. B. die Expertise seiner Mitarbeiter) zu integrieren. Unternehmen können als Institution zur Integration von Wissen verstanden werden (Grant 1996a: 380; Nonaka 1994; Teigland 2003: 125f.). Es ist unabdingbar, dass Organisationsmitglieder wissen, wer über welches Wissen verfügt (Alavi/Tiwana 2002: 1029ff.). Demnach müssen den Mitarbeitern mehr und mehr Möglichkeiten und Wege zur Verfügung stehen, miteinander in Verbindung zu treten und relevantes Wissen auszutauschen

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(Tsoukas 1996: 22). Vor allem ein Transfer über Subsystem-Grenzen (d. h. verschiedene organisationale Einheiten) ist notwendig. Es gibt jedoch, wie die Praxis zeigt, gerade bei dieser vorwiegend lateralen Kommunikation signifikante Brüche (Katz/Kahn 1978: 435ff.). Durch die Interaktion in der CoP können Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern aufgebaut und/oder gepflegt werden. Es können Verbindungen zu Personen mit gleichem fachlichem Hintergrund, die meist durch die in vielen Unternehmen vorherrschende Projektstruktur unterbrochen sind, eingegangen bzw. wiederhergestellt werden (Wenger/Snyder 2000: 141). Die sozialen Beziehungen zwischen den CoPMitgliedern, welche sich auf der Basis einer gemeinsamen Praxis sowie einer gemeinsamen sozialen Identität entwickeln, stellen demnach die Grundlage für den Transfer und Nutzung von Wissen in CoPs dar (Swan et al. 2002: 479). Organisationales Lernen ist wie individuelles Lernen ein soziales Phänomen. Es hängt in sehr starkem Maße von Kommunikation und der Kapazität einer Organisation ab, die gewonnenen Informationen verarbeiten zu können (absorptive Kapazität; vgl. March/Simon 1976; Cohen/Levinthal 1990). Die Interaktion der verschiedenen Community-Mitglieder verbindet die vielfältigen in einer Organisation existierenden „Wissensinseln“, die sich an verschiedenen Standorten, in verschiedenen Bereichen etc. befinden. Es werden Strukturen und Rahmenbedingungen geschaffen, die kollektives bzw. organisationales Lernen und damit die Entwicklung von kollektivem bzw. organisationalem Wissen fördern bzw. erst ermöglichen (Seufert et al. 1999: 184; Snyder 1996: 169, 178ff.). Die Interaktion zwischen den Mitgliedern resultiert in einer besseren Vernetzung der verschiedenen Wissensträger. Über dieses Netzwerk findet eine verbesserte Nutzung von Wissen statt, d. h. innerhalb der CoP ausgetauschtes und/oder entwickeltes Wissen wird in der formalen Organisation angewendet (Schoen 2001: 107). Dazu gehört beispielsweise die Verbreitung von BestPractice-Lösungen, spezifischen Erfahrungen etc. Dieser Transfer wirkt auch dem Verlust von Wissen entgegen und konserviert dadurch die organisationale Wissensbasis (Wenger 1998b: 252). Gleichzeitig wird in der CoP bzw. durch die Kollaboration der Mitglieder implizites Wissen (Erfahrungswissen) bewahrt und für andere nutzbar gemacht (Ruuska 2005: 141; Schoen 2001: 111; Wenger 1998a: 3f.). Dies basiert nach der Wissensspirale von Nonaka und Koautoren (z. B. Nonaka/Takeuchi 1995) vor allem auf der Umwandlung der verschiedenen Wissensanteile. Das Wissen ausscheidender Mitarbeiter wird in kollektives, aufeinander abgestimmtes Wissen, in Regeln und Routinen der CoP integriert und ist dadurch unabhängig von einzelnen Organisationsmitgliedern. Es verbleibt somit auch beim Wechsel des Mitarbeiters in der Organisation (Hislop 2003: 164; Osterloh et al. 2001: 212).

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Snyder (1996) untersucht sowohl konzeptionell als auch empirisch Mechanismen, die organisationales Lernen und die Leistung einer Organisation miteinander verbinden. Er stellt fest: Die Fähigkeiten einer Organisation zu lernen, wird in großem Maße von der Stärke ihrer CoPs bestimmt (Snyder 1996: 169ff.). Organisationales Lernen bedeutet die Gewinnung von Wissen zur Erweiterung der Handlungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz (Probst/Büchel 1998: 9). Es entwickelt als absorptive Kapazität die Grundlage für die Fähigkeit, Wissen schneller und intensiver zu generieren (von Wartburg 2000: 210f.) und ermöglicht einer Organisation, vorhandene Ressourcen und Kompetenzen zu nutzen, zu koordinieren und zu kombinieren und dadurch eine effektivere und effizientere Leistungserfüllung (z. B. Tsoukas/Vladimirou 2001: 981). CoPs fördern des Weiteren die Entwicklung von Wissen über die eigenen Kompetenzen (Liedtka 1999: 5). Diese Metakompetenzen sind die wesentliche Grundlage für zukünftiges organisationales Lernen und damit die Wandel-, Reaktions- und Zukunftsfähigkeit der Organisation (Snyder 1996: 158ff.; Teece et al. 1997: 515f.). Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche können genutzt werden, um die vorangegangene Argumentation zu bestätigen. 3.2.2 Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche Die bedeutende Rolle von Netzwerkbeziehungen und darin enthaltenen Beziehungsressourcen für den Wissensentwicklung und -anwendung in Organisationen belegen verschiedene Studien zu inter- und intraorganisationalen Netzwerken (siehe neben den nachfolgend aufgeführten Studien z. B. Henderson/Cockburn 1994; Yli-Renko et al. 2001; Gupta/Govindarajan 2000 postulieren): „[T]he primary reason why MNCs [multinationale Unternehmen, A.d.A.] exist is because of their ability to transfer and exploit knowledge more effectively and efficiently in the intra-corporate context than through external market mechanisms.” (Gupta/Govindarajan 2000: 473).

Diesen Transfer ermöglichen zwischen den Mitarbeitern bzw. Bereichen bestehende Austauschbeziehungen, z. B. im Rahmen von CoPs (Sawhney/Prandelli 2000). Tsoukas/Vladimirou (2001) heben auf der Grundlage ihrer Studie die Bedeutung von informellen kollektiven Wissensbeständen hervor und belegen damit die Bedeutung eines Netzes informaler sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz. Burt (1992) stellt fest, dass vor allem soziales Kapital ökonomischen

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Erfolg bestimmt. Die Netzwerkstruktur (d. h. das Muster der formalen und informalen Beziehungen) und die damit verbundenen Beziehungsressourcen zwischen Mitarbeitern einer Einheit sowie verschiedener organisatorischer Einheiten beeinflussen Leistungserfüllung der Einheit bzw. der Organisation (Brass et al. 2004: 801f.). Insbesondere interpersonale Beziehungen und Kommunikation, die formale Organisationsgrenzen überschreiten, werden mit erfolgreicher Wissensnutzung und Wissensentwicklung bzw. dem Aufbau von Kompetenzen in Verbindung gebracht (Ancona/Caldwell 1992; Cross/Cummings 2004; Gladstein 1984). Studien von anderen Autoren belegen diese Erkenntnis (u. a. Allen 1977; Hansen 2002; Tsai 2001; Tsai 2002). Tsai/Ghoshal (1998) können nachweisen, dass mit einer zentralen Netzwerkposition ein höheres Potential zum Austausch und zur Kombination von Ressourcen und damit eine höhere Innovativität einhergehen. Aus unterschiedlichen Positionen im Netzwerk resultieren unterschiedliche Möglichkeiten „[...] to access new knowledge that is critical to developing new products or innovative ideas“ und damit andere „opportunities for shared learning, knowledge transfer, and information exchange.“( Tsai 2001: 997 bzw. Tsai 2001: 1002)

Hansen (2002) zeigt, dass Abteilungen, die über wenige Intermediäre andere Abteilungen, die verwandtes Wissen besitzen, erreichen, von diesen mehr relevantes Wissen erwarben. Über die CoP-Mitgliedschaft geknüpfte Beziehungen können dazu beitragen, direkte Beziehungen zu anderen Abteilungen aufzubauen, denn CoPs überschreiten per Definition organisationale Grenzen. Deren Bedeutung wird z. B. auch von Dyer/Nobeoka (2000) bestätigt: Die Autoren sehen die Einführung von freiwilligen Lernteams im strategischen Netzwerk eines Automobilherstellers und seinen Zulieferern als einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den Wissensaustausch im Netzwerk an. Auch Lane/Lubatkin (1998) können im Rahmen ihrer Untersuchung von F&E-Allianzen im Bereich Pharma/Biotechnologie nachweisen, dass durch wiederholte Austauschbeziehungen in gemeinsamen Research Communities die absorptive Kapazität einer Organisation erhöht wird. Es wird Basiswissen erworben, welches die Grundlage für eine zukünftige erfolgreiche Wissensakquisition ist. Informationen und Ideen werden vor allem über informelle Netzwerke weitergegeben (Gebert/von Rosenstiel 2002: 156). Wie verschiedene Autoren im Kontext von F&E-Teams bzw. Innovation nachweisen (Allen et al. 1979; Carter/Williams 1957; Kanter 1988; Meißner 1988; Tushman/Katz 1980), spielt insbesondere die informale Kommunikation mit Personen außerhalb der eigenen

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organisatorischen Einheit eine große Rolle für den Austausch und Transfer von relevantem Wissen. Diese wird durch die Interaktion zwischen den verschiedenen CoP-Mitgliedern, die i. d. R. Mitglieder verschiedener organisatorischer Einheiten sind, begünstigt. Monge et al. (1992) zeigen, dass zwischen der Kommunikation in Gruppen und der Generierung von innovativen Ideen ein positiver Zusammenhang besteht. Orlikowski (2002) bestätigt diese Erkenntnis anhand ihrer Untersuchungsergebnisse zu globalen Produktentwicklungsprozessen in einem multinationalen Unternehmen. Darüber hinaus betont die Autorin die Bedeutung von kollektivem Wissen und gemeinsamen alltäglichen Praktiken. Diese werden über technische, geographische, politische und kulturelle Grenzen hinweg geteilt und verbreitet, beispielsweise im Rahmen von zeitlich befristeten Auslandseinsätzen von Mitarbeitern (Orlikowski 2002: 256ff.). Die Arbeit in komplexen und durch hohe Unsicherheit charakterisierten Innovations- bzw. F&E-Projekten erfordert Informationen von außen, d. h. anderen organisatorischen Einheiten. Untersuchungen von Allen und seinen Schülern zeigen, dass die Ergebnisse von F&E-Projekten u. a. von der Anzahl der Gatekeeper (d. h. Personen mit vielen internen und externen Kontakten) beeinflusst wurden (z. B. Allen 1977; Tushman 1977; Tushman/Katz 1980). Auch die Ergebnisse von Reagans/Zuckerman (2001) belegen die positive Wirkung von Beziehungen der Team-Mitglieder zu teamexternen Personen auf das Ergebnis von F&E-Projekten. Auch wenn die aufgeführten Untersuchungen unterschiedliche Schwerpunkte haben, so bekräftigen sie dennoch die grundsätzliche Bedeutung von intraorganisationalen Netzwerken für den Zugang zu Wissen und Kompetenzen. Die Entwicklung solcher „interunit links“ ist jedoch nicht immer einfach (Tsai 2000: 926f.). Die soziale Interaktion zwischen verschiedenen Organisationsmitgliedern im Rahmen von CoPs vereinfacht den Aufbau und die Pflege solcher bereichsübergreifenden Beziehungen. 4

Diskussion und Implikationen

Im Gegensatz zu anderen Ressourcen verliert Wissen durch seine Anwendung nicht an Wert. Vielmehr erhöht sich sein Nutzenpotential durch den Transfer in andere Anwendungsbereiche, die Integration von zusätzlichen Wissensinhalten oder die Kombination mit anderen Ressourcen (z. B. Al-Laham 2003: 171; Pawlowsky 1994: 7). Dies lässt sich damit begründen, dass Wissen vor allem durch Rekombination und den Austausch von existierendem Wissen gewonnen wird (z. B. Kogut/Zander 1992; Nonaka 1994; Nahapiet/Ghoshal 1998).

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In CoPs werden Lernen (als ein sozialer, d. h. kollaborativer sowie kommunikativer Prozess) und Arbeiten miteinander kombiniert. Lernen geht mit dem täglichen Handeln, der täglichen Praxis einher (z. B. Lave/Wenger 1991: 47ff.). Durch die Interaktion der Community-Mitglieder wird die Entwicklung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten gefördert. Ursache dafür ist vornehmlich der mit einer guten Vernetzung einhergehende Zugang zu relevanten Informationen sowie den Kompetenzen und Fähigkeiten anderer. Der Wissensaustausch in CoPs unterstützt darüber hinaus auch kollektive und organisationale Lernprozesse. Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Lernprozesse findet eine Veränderung der individuellen, kollektiven und organisationalen Wissensbestände statt. Durch die sowohl horizontale als auch vertikale Vernetzung von Organisationsmitgliedern können die in den verschiedenen Bereichen bzw. Regionen eines Unternehmens vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten effizienter und effektiver eingesetzt werden (Kofman/Senge 1993: 7f.). Demnach können Unternehmen mittels CoPs Strukturen schaffen, die Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung auf allen Ebenen ermöglichen und fördern (Seufert et al. 1999: 184; Snyder 1996: 169ff.). Mit einer CoP-Mitgliedschaft können für die einzelnen Personen nicht nur positive Aspekte einhergehen. Aus den sozialen Kontakten ergeben sich gewisse (An-)Forderungen: in Form von Verpflichtungen, erwarteter Hilfeleistung und Unterstützung. Da die Mitgliedschaft auf Freiwilligkeit basiert, sind jedoch offensichtlich die wahrgenommenen Vorteile bzw. der Nutzen, der sich aus der Mitgliedschaft in der CoP ergibt, größer als die damit einhergehenden Nachteile bzw. der Aufwand. Sonst würden die Mitglieder nicht weiter Mitglieder der CoP sein. Verschiedene Studien belegen weitere mögliche Nachteile sozialer Netzwerke. Netzwerkmitglieder übernehmen oftmals die Meinungen und Ansichten anderer Akteure und so können sich innerhalb des Netzwerks die Meinungen anpassen (Brass et al. 2004: 797; Dyer/Nobeoka 2000: 365; Oh et al. 2004: 864). Dies behindert Kreativität und die Entwicklung von neuem Wissen (Hansen et al. 2005: 790). Weiterhin besteht die Gefahr der zu starken Innenausrichtung eines Firmen-Netzwerkes. Diese kann dazu führen, dass wesentliche technologische Innovationen außerhalb des Netzwerkes nicht registriert bzw. adaptiert werden (Afuah 2000: 388; Dyer/Nobeoka 2000: 365; Uzzi 1997: 57ff.). Darüber hinaus sind die in der Gruppe/im Netzwerk vorhandenen Informationen oftmals homogen bzw. redundant (Oh et al. 2004: 864). Die angesprochenen Aspekte betreffen vor allem sehr intensive bzw. starke Beziehungen. Im Kontext von CoPs, die bezogen auf die formale Organisation ein sekundäres Netzwerk darstellen, sind diese weniger relevant.

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Auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen wird daher von einem positiven Nutzen von CoPs ausgegangen. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass in CoPs gebildete soziale Netzwerke den Mitgliedern einen Zugang zu Informationen, Wissen und Erfahrungen anderer Personen ermöglicht. Die Interaktion mit den anderen Mitgliedern sowie die in der CoP herrschende Atmosphäre unterstützen des Weiteren die Kreativität und Lernprozesse des Einzelnen. Kompetenzentwicklung und Kompetenznutzung werden gefördert.5 Für die Unternehmenspraxis ist es daher sinnvoll, CoPs zu unterstützen. Wie ebenfalls vorab diskutiert wurde, ist der Nachweis der CoPAuswirkungen (vor allem in monetärer Hinsicht) recht schwierig. Unternehmen sollten daher verstärkt eine qualitative bzw. nicht monetäre Messung von Ergebnissen anwenden. Die grundlegende Überlegung dabei ist, dass sich der Erfolg von Wissensmanagement an der Veränderung der Lernfähigkeit einer Organisation bemisst (Pawlowsky 1994: 154). Beispielsweise können Unternehmen die kursierenden Narrationen einer CoP analysieren oder Anekdoten bzw. konkrete Nutzenbeispiele einzelner Mitglieder auswerten (z. B. Davenport et al. 1998: 48f.; Fontaine/Millen 2004: 7f.; Wenger/Snyder 2000: 145). Weiterhin sind regelmäßige Befragungen der Mitglieder bezüglich der veränderten Kompetenzen denkbar (McDermott 2002: 28). Auch wenn viele der mit CoPs verbundenen Benefits auch in Zukunft nicht gemessen werden können, so sollte das Management auf die Nützlichkeit dieser informalen Netzwerke vertrauen. Dies rechtfertigen bisherige konzeptionelle und empirische Befunde. „Communities of practice help to foster an environment in which knowledge can be created and shared and, most important, used to improve effectiveness, efficiency and innovation. Communities help bring together people, their knowledge of dayto-day work practices, and their artefacts and tools that they use to solve problems and address customer needs.” (Lesser/Everest 2001: 41)

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Siehe Zboralski (2007) für die empirische Überprüfung der postulierten Wirkungen von CoPs anhand der Daten von 222 Mitgliedern aus 36 CoPs eines multinationalen Unternehmens.

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Teil IV: Aktuelle Herausforderungen des Strategischen KompetenzManagements

Interaktive, qualitative Forschungsdesigns im Rahmen der empirischen Forschung zum Strategischen Kompetenz Management (Abstract)*

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „’Kritischer Rationalismus’ – oder ‚Mustererkennung’? – Anstöße für eine Methodenreflexion imRahmen der empirischen Kompetenforschung“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Forschungsdesigns des Strategischen Kompetenz-Managements

395

Ein interessantes Thema der zentralen Podiumsdiskussion beim vierten Symposium zum Strategischen Kompetenz Management im Jahre 2005 in Bremen (Diskutanten: Werner H. Engelhardt, Hans G. Gemünden, Hans H. Hinterhuber, Manfred Moldaschl) war die Reflektion geeigneter Methodologie für die empirische Forschung zum Strategischen Kompetenzmanagement. Die Runde verständigte sich unter anderem auf das Postulat nach einem verstärkten Einsatz von Längsschnittanalysen bei Verwendung qualitativer Methoden. Diese Diskussion wurde beim fünften Symposium zum Strategischen Kompetenz Management im Jahr 2007 am Beispiel der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung („Competence-based Theory of the Firm“, nachfolgend auch CbTF, Freiling et al. 2006) wieder aufgegriffen und weiter konkretisiert. Erste Arbeiten im Umfeld der CbTF erfüllen das „essentialistische Wissenschaftsziel“ – also die Bildung und Präzisierung von Begriffen und Definitionen als Bausteine für theoretische Aussagen – und konkretisieren grundlegende Kausalstrukturen. In einem nächsten Schritt gilt es, den Fokus stärker auf ein „theoretisches Wissenschaftsziel“ zu legen und somit auf die Entwicklung theoretischer Aussagen in Form von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen (Chmielewicz 1994). Angesichts der evolutorischer Basisannahmen der CbTF (u. a. methodologischer Individualismus, Subjektivismus, Bedeutung der Zeit, radikale Unsicherheit, vgl. Gersch et al. 2005) scheint der klassische Ankerpunkt für den Kritischen Rationalismus im Sinne Poppers (1934/2005) dabei wenig zielführend: In einer subjektivistisch interpretierten Welt radikaler Unsicherheit und idiosynkratischer Pfade muss der Versuch, möglichst allgemeine „WennAussagen“ in möglichst eindeutig konkretisierte „Dann-Aussagen“ zu überführen – die idealiter formalisiert modellierbar und mit hoher Prognosevalidität in engen, quantitativ messbaren Grenzen empirisch überprüft werden können – zwangsläufig scheitern. An die auch bereits in der Literatur geführte Diskussion zu empirischer Arbeit mit (co-)evolutorischen Forschungskonzeptionen (für viele Lewin/Koza 2001) wird sowohl konzeptionell als auch anhand eines konkreten Beispiels einer vor diesem Hintergrund durchgeführten empirischen Untersuchung angeknüpft: Auf konzeptioneller Ebene kann mit der evolutorischen Natur der CbTF und ihrer Verortung innerhalb der Organisationstheorien im interpretativen Paradigma (Burrell/Morgan 1979) argumentiert werden. Zu diesen Ausgangsbedingungen passt der Vorschlag Hayeks im Kontext der Theorie komplexer Phänomene, nämlich den empirischen Schwerpunkt auf die Identifikation und Analyse grundlegender Mechanismen als „Muster“ von Entwicklungsprozessen zu legen (so genannte „Mustererkennung“ bzw. „Pattern Matching“).

396

Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke

Hayek (1964/1972: 11f.) unterscheidet zwischen einfachen und komplexen Phänomenen: Gewöhnlich werden die konkreten Umstände, von denen individuelle (soziale) Ereignisse abhängen, so zahlreich sein, dass sie praktisch nie vollständig ermittelt werden könnten. Für solche komplexen Phänomene, die laut Hayek auch den Gegenstand ökonomischer Betrachtungen bilden, folge, dass Hypothesen im Popper’schen Sinne weitgehend unerreichbar sein müssen (Hayek 1964/1972: 25). Alle komplexen Phänomene ließen sich daher nur als „Muster“ vorhersagen, also in der Form, dass gewisse allgemeine Bedingungen erfüllt sind, aus deren Wissen aber niemand irgendwelche Voraussagen über konkrete individuelle Phänomene herleiten könne (Hayek 1964/1972: 27). Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung einer solchen Mustererkennung für die CbTF/die Kompetenzforschung werden am Beispiel einer konkreten Forschungsfrage diskutiert, nämlich der nach Motivlagen von Unternehmenskooperationen im Lichte der Veränderlichkeit des relevanten Unternehmensumfeldes. Die Beschaffenheit dieser Forschungsfrage verlangt nach einer Längsschnittbetrachtung. Zur Berücksichtung der Gesamtheit aller methodisch relevanten Eigenschaften der CbTF wird die Untersuchung durch Maxwells (2005) interaktives Modell eines Forschungsdesigns strukturiert:

Abbildung 1:

Interaktives Modell eines Forschungsdesigns (Quelle: nach Maxwell 2005)

Forschungsdesigns des Strategischen Kompetenz-Managements

397

Zu den Elementen der Abbildung 1 im Einzelnen und anhand des Fallbeispiels: Die Forschungsfrage des Demonstrationsbeispiels lautet, warum Unternehmungen in veränderlichen Umfeldern kooperieren (für die inhaltliche Dimension siehe Gersch et al. 2007). Die Antwort auf die Forschungsfrage ist im Kontext des Forschungsziels zu bewerten, das im konkreten Fall durch Anbindung an eine umfassende Studie im deutschen Gesundheitswesen in der Analyse von Unternehmungs-Umwelt-Coevolutionsprozessen liegt. Als Ergebnis der Abwägungen bezüglich geeigneter Forschungsprogramme zur Untersuchung von Unternehmungs-Umwelt-Coevolutionsprozessen wurde als konzeptioneller Rahmen der Untersuchung die Competence-based Theory of the Firm identifiziert. Es wird gezeigt, dass unter den dem Strategischen Kompetenz Management zur Verfügung stehenden empirischen Methoden gerade qualitative zur Identifikation von Mustern im Hayek’schen Sinne geeignet erscheinen. Durch Anwendung von Fallstudien und Interviews (insbesondere für die Untersuchungsebene der Unternehmung) sowie Fokus-Gruppen und schriftlichen Befragungen (insbesondere für die Untersuchungsebene des relevanten Umfeldes) werden in einem iterativen Prozess Kausalitäten entwickelt und verfeinert, die in ihrer Gesamtheit zur Beschreibung eines Musters im Hayek’schen Sinne führen. Bei der Konkretisierung der Kausalitäten des Anschauungsfalls (Gersch et al. 2007) wurde deutlich, dass diese einen Bezug zu den im Rahmen der CbTF als relevant erachteten evolutorischen Grundmechanismen (Historizität, Pfadabhängigkeiten, evolutorische Spezifitätsentwicklung) aufweisen, was gleichzeitig auch den Mustercharakter dieser Mechanismen als solches untermauert und ausdifferenziert.

398

Jörg Freiling/Martin Gersch/Christian Goeke

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Kompetenzentwicklung im Wandel – Empirische Befunde einer Untersuchung aktuell wahrgenommener und zukünftig antizipierter Kompetenzen im Top- und Mittelmanagement (Abstract)*

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Kompetenzentwicklung im Wandel – Empirische Befunde einer Untersuchung aktuell wahrgenommener und zukünftig antizipierter Kompetenzen im Top- und Mittelmanagement“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Kompetenzentwicklung im Wandel

401

Wie eine Umfrage der Wirtschaftsuniversität Wien, die im Rahmen des EUForschungsprojektes ELENA erstellt wurde und an der 193 österreichische Firmen teilnahmen, zeigt, wird den Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen ein hoher Stellenwert beigemessen. Dabei stimmten 96 % der Befragten der Aussage zu, dass Weiterbildung wesentlich zum Unternehmenserfolg beiträgt. 92 % gaben darüber hinaus an, dass Weiterbildung in ihrem Unternehmen nicht als Kostenfaktor sondern als Investition gesehen wird. (Simon et al. 2004: 4) Demgegenüber weist jedoch Hummel darauf hin, dass lediglich 10 % des im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen erworbenen Wissens auch in der unternehmerischen Praxis eine Umsetzung findet. Der Wissenstransfer zwischen den Weiterbildungsmaßnahmen und dem beruflichen Alltag ist also eher gering. (Hummel 2001: 78) Neuere Arbeiten zum strategischen Kompetenzmanagement betonen vor allem den Zukunftsbezug von Kompetenzen. Diese befähigen die Person zur selbstorganisierten Bewältigung kommender Herausforderungen, die inhaltlich im Vorhinein nicht bestimm- und prognostizierbar sind. (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003: XIII) Entsprechend spielen Debatten über Kompetenzen dort eine große Rolle, wo es um die strategische Personalplanung und -entwicklung in Zeiten erheblicher Unsicherheit geht. Untersucht man einzelne Kompetenzmodelle im Detail, stößt man daher sehr schnell auf die Forderungen nach einer strategischen Abstimmung von Kompetenz und Unternehmensziel bzw. -leistung. Strategische Modelle werden dabei um die Innenperspektive ergänzt und Kompetenz als komparativer Wettbewerbsvorteil anerkannt. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann von einer Zukunftsorientierung der Kompetenzentwicklung ausgegangen werden, die einer Versteinerung der Unternehmenskultur entgegenwirkt. (vgl. bspw. Green 1999: 23) Offen bleibt bei dieser Betrachtungsweise jedoch die Frage, in welchem Ausmaß – aus Sicht des Managements – von einer Veränderung der Kompetenzbasis in Unternehmen auszugehen ist. Erst die Antwort auf diese Fragestellung ermöglicht es, Kompetenzmanagement als strategisches Instrument der Managemententwicklung einzusetzen. Den Ausgangspunkt dieser Untersuchung stellt daher eine internetbasierte Umfrage dar, die die Einschätzung aktueller und antizipierter Kompetenzen von 275 österreichischen Top- und Mittelmanagern umfasst. Die Daten wurden mittels offener Fragen erhoben und mit Hilfe eines Multiple-JobKompetenzmodells kodiert, um die folgende Forschungsfrage zu beantworten: Welche Bedeutung wird den einzelnen Kompetenzklassen heute und hinsichtlich der antizipierten Zukunft vom Management beigemessen und welchen Einfluss haben interne und externe Änderungstreiber auf eine etwaige Veränderung?

402

Jürgen Mühlbacher

(vgl. hierzu auch Mühlbacher 2007: 216ff.) Diese Umfrage zeigt deutlich, welche Kompetenzklassen zukünftig einen höheren Stellenwert einnehmen werden und welche an Bedeutung verlieren. (vgl. Abb. 1):

Kompetenzklassen

Mittelwert

T

Sig.

Fachlich-methodische Kompetenzen –

32,7295

3,292

0,001

-1,617

0,107

0,017

0,986

-3,784

0,000

-2,315

0,008

(2-seitig) Gegenwart Fachlich-methodische Kompetenzen – Zukunft

26,2327

Sozial-kommunikative Kompetenzen –

16,1091

Gegenwart Sozial-kommunikative Kompetenzen – Zukunft

18,3091

Führungskompetenzen – Gegenwart

17,2400

Führungskompetenzen – Zukunft

17,2128

Selbstdispositive Kompetenzen – Gegenwart

6,6385

Selbstdispositive Kompetenzen – Zukunft

11,6618

Personale Kompetenzen – Gegenwart

5,6873

Personale Kompetenzen – Zukunft

8,4655

n = 275)

Abbildung 1:

Bedeutungsveränderungen der Kompetenzklassen im Zeitablauf

Auf den ersten Blick ergibt sich ein relativ stabiles Bild. An erster Stelle stehen die (1) fachlich-methodischen Kompetenzen, gefolgt von den (2) Führungs- und (3) sozial-kommunikativen Kompetenzen, die in etwa als gleichbedeutend betrachtet werden können. Den Abschluss bilden die (4) selbstdispositiven und (5) personalen Kompetenzen. Bei der Analyse der Differenzen zwischen aktuell erforderlicher und zukünftig antizipierter Kompetenzanforderungen zeigt sich, dass signifikante Unterschiede bei der Entwicklung der Kompetenzklassen auftreten. Diese Analyse wurde mittels T-Test bei gepaarten Stichproben vorgenommen und verweist auf einen erheblichen Anpassungsbedarf im Management innerhalb der nächsten 3 bis 5 Jahre.

Kompetenzentwicklung im Wandel

403

Obwohl die Kompetenzklassen der Führungs- und sozial-kommunikativen Kompetenzen in Zukunft die Plätze 2 und 3 miteinander tauschen, zeigt sich bei beiden Klassen keine nachweisbare Änderung der Bedeutungszuschreibung durch das Management. Demgegenüber nehmen die fachlich-methodischen Kompetenzen im Durchschnitt signifikant um rund 6,5 Prozentpunkte ab, wohingegen die Einschätzungen der selbstdispositiven und der personalen Kompetenzen signifikant um etwa 5,0 bzw. 2,8 Prozentpunkte steigen. Als Ursachen für diesen Wandel können folgende Änderungstreiber angeführt werden: (vgl. hierzu auch Mühlbacher 2007: 280) 1.

2.

3. 4. 5.

So steigert eine positive Wahrnehmung des Ressourcenmangels oder einer Veränderung des internen Leistungsangebots den Wert der selbstdispositiven Kompetenzen, da sie zu einer Erhöhung des Flexibilitäts- und Innovationspotentials führen. Findet der sozio-demografische Wandel im Rahmen des Managements Beachtung, so erhöht dies die sozial-kommunikativen Kompetenzen, da das Kommunikations- und Interaktionsverhalten den neuen Erfordernissen angepasst wird. Die Wahrnehmung einer Bedrohung durch eine Veränderung des internen Leistungsangebots führt hingegen zu einem rapiden Sinken der Kommunikationsbereitschaft, während die positive Bewertung der EUOsterweiterung ebenfalls die Bedeutung der sozial-kommunikativen Kompetenzen senkt. Letzteres kann durch die Hypothese der erwarteten Anpassungsleistung der Bürger aus den neuen Mitgliedsländern erklärt werden. Veränderungen des Rechtsrahmens und der Einfluss von Politik oder Gewerkschaften werden als Chance gesehen, die Führung stärker zu strukturalisieren, was zu einem Sinken der Bedeutung der Führungskompetenz führt. Die personalen Kompetenzen erweisen sich als stabiles Set an Eigenschaften, beeinflussen aber ihrerseits die Führungs- und die fachlichmethodischen Kompetenzen. Die fachlich-methodischen Kompetenzen stellen letztlich die abhängige Variable dar, zu deren Lasten derzeit alle anderen Bedeutungszunahmen erfolgen.

Generell erklären die aufgezeigten Interaktionen jedoch nur einen Teil der Varianzen und lassen so noch Raum für weitere Untersuchungen.

404

Jürgen Mühlbacher

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Homo agens als Handlungsmodell eines methodologisch-individualistisch fundierten Competence-based View – einige Basisüberlegungen zu den Konsequenzen (Abstract)*

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Eignung und Erweiterungsoptionen des ‚Homo agens’ als ebenenübergreifendes Handlungsmodell kompetenzbasierter Forschung“, der im 2. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2007/08 erschienen ist.

Homo agens als Handlungsmodell des CBV

407

Die kompetenzorientierte Forschung besteht aus unterschiedlichen Forschungsströmungen mit teilweise divergierenden Basisannahmen hinsichtlich der disziplinären Fundierung (streng ökonomisch vs. interdisziplinär), der Marktbalance (Gleichgewicht vs. Ungleichgewicht) sowie der methodologischen Analyseebene (methodologischer Individualismus vs. Kollektivismus).1 Diese unterschiedlichen Annahmen scheinen aus wissenschaftstheoretischer Sicht nicht vollständig miteinander kompatibel zu sein.2 Freiling/Gersch/Goeke (2006) argumentieren, dass nur eine zeitraumbezogene Perspektive das auf der Dynamik und dem Ungleichgewicht von Märkten basierende Erklärungspotenzial des CBV gerecht wird. Außerdem ordnen Sie die methodologische Grundposition des CBV dem methodologischen Individualismus zu, da sämtliche Handlungen sozialer Kollektive auf Individuen in diesen Kollektiven zurückzuführen sei. Vor diesem Hintergrund sehen sie eine paradigmatische Kompatibilität zwischen dem CBV und der Marktprozesstheorie, weshalb sie als Handlungsmodell zur Fundierung von kollektiven bzw. organisationalen Kompetenzen den aus der Marktprozesstheorie stammenden „Homo agens“ verwenden. Des weiteren plädieren sie zur Minimierung von Eklektizismus- und Inkommensurabilitätsvorwürfen, die insb. bei interdisziplinären Forschungsansätzen auftreten können, für eine streng ökonomische Fundierung des CBV. Sie schlagen vor, diese Annahmen – methodologischer Individualismus, Marktprozesstheorie/Homo agens und streng ökonomische Fundierung – als Basisannahmen für künftige kompetenzorientierte Forschungsbeiträge zu verwenden, um ein weiteres Auseinanderdriften dieses Forschungszweiges zu verhindern. Dies könnte ein kompatibles Vorgehen verschiedener Forscher und damit eine Vergleichbarkeit ihrer Beiträge sicherstellen. Der vorliegende Beitrag schließt sich grundsätzlich der Argumentation und den genannten Basisannahmen von Freiling et al. an, um eine weitergehende Divergenz der kompetenzorientierten Forschung zu vermeiden. Die Marktprozesstheorie basiert auf der Grundposition des methodologischen Individualismus. Demnach werden sämtliche Handlungen sozialer Systeme – z. B. Unternehmen – grundsätzlich auf Individuen als Handlungsträger zurückgeführt. Für den Competence-based View hat dies zur Konsequenz, dass Individuen und nicht Unternehmen als originäre Kompetenzträger angesehen 1

2

Streng ökonomisch: z. B. Freiling (2004a); Freiling/Gersch/Goeke (2006); Freiling/Gersch/ Goeke (2006a); interdisziplinär: z. B. Barney (1991); Knudsen (1996). Gleichgewicht: z. B. Langlois/Robertson (1995); Foss/Foss (2004); Bamberger/Wrona (1996); Ungleichgewicht: z. B. Sanchez/Heene (1996); Morgan/Hunt (1997); Freiling/Gersch/Goeke (2006). Kollektivismus: z. B. Sanchez/Heene (2000); Sanchez/Heene (2004); Individualismus: z. B. Amit/Schoemaker (1993); Foss/Knudsen/Montgomery (1995); Freiling/Gersch/Goeke (2006). Beispielsweise hält Popper die Grundposition des methodologischen Individualismus nicht für vereinbar mit dem methodologischen Kollektivismus. Vgl. Popper (1945|2000).

408

Michael Hülsmann/Markus Müller-Martini

werden. Ein Rekurs auf die individuelle Ebene scheint jedoch in vielen Forschungsbeiträgen zum Competence-based View nicht explizit in Betracht gezogen zu werden, da das originäre Erkenntnisinteresse organisationalen Kompetenzen gilt. Folglich scheint eine Diskussion der theoretischen und methodologischen Konsequenzen des methodologischen Individualismus für den Competence-based View, d. h. insb. die Desaggregation organisationaler Kompetenzen auf die individuelle Ebene, die Eignung eines zugrunde liegenden Handlungsmodells zur Erklärung kollektiver bzw. organisationaler Kompetenzen sowie die Aggregation der individuellen Kompetenzen zu organisationalen Kompetenzen, bislang vernachlässigt worden zu sein. Dieser Beitrag stellt einige Basisüberlegungen zur Konzeptualisierung des methodologischen Individualismus im Rahmen des Competence-based View an. Das Ziel dieses Beitrags ist zum einen, beispielhaft aufzuzeigen, wie die vermutete Forschungslücke zwischen individuellen und organisationalen Kompetenzen geschlossen werden könnte. Zum anderen diskutiert der Beitrag, inwiefern das marktprozesstheoretische Handlungsmodell „Homo agens“ zur Erklärung von Kompetenzen auf individueller und – nach Durchführung der Aggregation – auch auf organisationaler Ebene geeignet erscheint. Ausgehend von einer Beschreibung der Forschungsanweisung des methodologischen Individualismus wird das Handlungsmodell „Homo agens” vorgestellt. Aufgrund der von Freiling/Gersch/Goeke (2006/2006a) festgestellten paradigmatischen Kompatibilität des Competence-based View mit der Marktprozesstheorie wird zunächst von einer grundsätzlichen Eignung des aus der Marktprozesstheorie stammenden Homo agens für den Competence-based View ausgegangen. Allerdings wird vermutet, dass sich das Kompetenzphänomen auf der individuellen Ebene durch den Homo agens nicht vollständig erschließen lässt. Zur Behebung dieses Defizits wird vorgeschlagen, das Handlungsmodell „Homo agens“ mittels der Methode der abnehmenden Abstraktion nach Lindenberg (1991/1992) zu erweitern. Diese Methodik wird ausgewählt, da sie eine methodologisch reflektierte Erweiterung des Handlungsmodells um Zusatzannahmen zu erlauben scheint, um das Kompetenzphänomen umfassender erklären zu können. Anschließend diskutiert der Beitrag die grundsätzlichen Optionen einer Erweiterung – streng ökonomische vs. interdisziplinäre Erweiterung. Für die erste Option spricht eine möglichst enge Orientierung an den Basisannahmen des CBV nach Freiling et al. zur Minimierung zusätzlicher Eklektizismus- und Inkommensurabilitätsproblematiken. Allerdings liegt der Fokus der Ökonomie auf der Analyse marktlicher Handlungsergebnisse und nicht auf der Analyse des Zustandekommens von Handlungen. Da Kompetenzen im Sinne eines Handlungspotenzials das Zustandekommen von Handlungen beeinflussen, wird der

Homo agens als Handlungsmodell des CBV

409

zusätzliche Erklärungsbeitrag eines weiterhin streng ökonomischen Handlungsmodells als gering eingeschätzt und diese Option verworfen. Infolge wird die zweite Optione – eine interdisziplinäre, verhaltenswissenschaftliche Erweiterung des Homo agens – diskutiert. Laut Sanchez/Heene bietet die „…cognitive dimension in competence theory […] an avenue for addressing the ways in which some managers’ approaches to targeting and coordinating a firm’s deployments of resources may enable their firms to achieve distinctive competences while making extensive use of resources that are similar to those available to other firms.” (Sanchez/Heene 1997a: 314). Wenngleich Sanchez/Heene nicht explizit von Manager-Kompetenzen, also individuellen Kompetenzen, sprechen – dies widerspräche ihrer kollektivistischen Auffassung von Kompetenzen (Sanchez/Heene 2000: xxi; vgl. auch Sanchez/Heene/Thomas 1996: 29; Gersch/Freiling/Goeke 2005: 18) – vermuten sie dennoch einen Zusammenhang zwischen individuellen Handlungen bzw. Handlungspotenzialen – denen der Manager – und organisationalen Kompetenzen. Daher wird das Basismodell des Homo agens um kognitive Restriktionen von Individuen erweitert. Das Vorgehen der Erweiterung des Handlungsmodells folgt der Methode der abnehmenden Abstraktion, nach der kognitivie Restriktionen dem Basismodell „Homo agens“ als sog. Brückenannahme hinzugefügt werden, ohne dessen ökonomische Grundausrichtung zu verändern. Dieses methodologisch reflektierte Vorgehen verspricht trotz des Aufbrechens der streng ökonomischen Fundierung durch eine verhaltenswissenschaftlich geprägte Brückenannahme, das Eklektizismus- und Inkommensurabilitätsrisiko möglichst gering zu halten. Die bloße Erweiterung des Modells um die Annahme kognitiver Restriktionen erlaubt jedoch nach Lindenberg (1991/1992) noch keine inhaltliche Ausgestaltung und damit Nutzbarmachung zur Erkärung individueller – und damit auch organisationaler – Kompetenzen. Zur Ausgestaltung dieser Brückenannahme wird daher auf Empfehlung von Lindenberg die Heuristik des Framing herangezogen und mittels des MODE-Modells von Fazio (1990) inhaltlich ausgestaltet. Dieses Modell erlaubt die Systematisierung der Einflussfaktoren auf den Entscheidungsprozess kognitiv restringierter Akteure, wodurch die Analyse individueller Kompetenzen als Handlungspotenzial und damit als Element des Entscheidungsprozesses möglich erscheint. Auf dieser Basis wird ein um die Brückenannahme „kognitive Restriktionen“ erweitertes Handlungsmodell „Homo agens“ skizziert, welches auf individueller Ebene eine im Vergleich zum originären Homo agens umfassendere Erklärung des Kompetenzphänomens zu ermöglichen scheint. Über den Weg der Aggregation individueller Kompetenzen zu organisationalen Kompetenzen gemäß der Forschungsanweisung des methodologischen Individualismus könnte dieses erweiterte Handlungsmodell eine Möglichkeit darstellen, das (organisati-

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Michael Hülsmann/Markus Müller-Martini

onale) Kompetenzphänomen des CBV auf der Ebene von Individuen besser zu fundieren und damit weiteren – ggf. ebenenübergreifenden – Analysen des Kompetenzphänomens zugänglich zu machen. Der Beitrag schließt mit einer kritischen Reflexion der Potenziale und Grenzen dieses Vorgehens für den CBV. Literatur Amit, R./Schoemaker, P.J.H. (1993): Strategic assets and organizational rent. In: Strategic Management Journal, 14: 33-46. Bamberger, I./Wrona, T. (1996): Der Ressourcenansatz und seine Bedeutung für die Strategische Unternehmensführung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48: 130-153. Barney, J.B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, 32: 1231-1241. Fazio, R.H. (1990): Multiple Processes by which Attitudes Guide Behavior: The MODEModel as an Integrative Framework. In: Advances in Experimental Social Psychology, 23: 55-109. Foss, K./Foss, N.J. (2004): Resources and Transaction Costs: How the Economics of Property Rights Furthers the Resource-based View, Department of Management, Politics and Philosophy, Copenhagen Business School, CKG Working Paper Nr. 9, Juni, Kopenhagen. Foss, N.J./Knudsen, C./Montgomery, C.A. (1995): An Exploration of Common Ground: Integrating Evolutionary and Strategic Theories of the Firm. In: Montgomery, C.A. (Hrsg.), Resource-based and Evolutionary Theories of the Firm: Towards a Synthesis. Boston: 1-17. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, 15: 27-52. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C./Freiling, J./Hülsmann, M. (Hrsg.), Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements, Wiesbaden: 3-34. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C (2006a): Eine „Competence-based Theory of the Firm” als marktprozesstheoretischer Ansatz – Erste disziplinäre Basisentscheidungen eines evolutorischen Forschungsprogramms. In: Schreyögg, G./Conrad, P. (Hrsg.), Management von Kompetenz, Band 16 Managementforschung, Wiesbaden: 37-82. Knudsen, C. (1996): The Competence Perspective: A Historical View. In: Foss, N.J./Knudsen, C. (Hrsg.), Towards a competence theory of the firm, London/New York: 13-37. Langlois, R.N./Robertson, P.L. (1995): Firms, Markets and Economic Change. A Dynamic Theory of Business Institutions, London/New York.

Homo agens als Handlungsmodell des CBV

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Wertorientierung und Kompetenzmanagement – Konturen einer Strategieforschung zwischen Dekomposition und Reintegration (Abstract)*

1

Ausgangssituation ......................................................................................415

2

Dekomposition klassischer Strategieansätze .............................................415

3

Methoden zu Reintegration von Strategieansätzen....................................416

4

Kompetenz- und Wertorientierung als erweiterte Strategieansätze...........417 4.1 4.2

5

Charakterisierung und Integrationsleistung des Competence-based View of Strategy (CoBV)............................................................................ 417 Charakterisierung und Integrationsleistung des Value-based View of Strategy (VBV)............................................................................................ 418

Reintegration der Kompetenz- und Wertorientierung ...............................419 5.1 5.2 5.3

6

Anwendung der Kombinationsmethode ...................................................... 419 Anwendung der Abstraktionsmethode ........................................................ 420 Anwendung der sequentiellen Integrationsmethode ................................... 420

Schlussbetrachtung.....................................................................................421

Literatur..............................................................................................................422

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Der Value-based View im Kompetenzansatz – Ein analytischer Blick zurück und Gedanken zur zukünftigen Reintegration“, der im 3. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2008/09 erscheint.

Wertorientierung und Kompetenzmanagement 1

415

Ausgangssituation

Die Begriffe Kernkompetenzen und Wertorientierung weisen derzeit einen hohen Popularitätsgrad auf. Als Folge der häufigen Verwendung erscheinen die Ausdrücke oft als inhaltsleere Floskeln. Neben dem Verlust an Glaubwürdigkeit liefert dies auch die Basis für Tautologievorwürfe. Hierzu trägt die Managementwissenschaft selbst bei. Zentrale Begriffe werden zum Teil unterschiedlich und undifferenziert verwendet. Ergebnis der vielfältigen Anwendungen und zugrundeliegenden Theorieansätze ist eine Art "Information Overload" (Donaldson 1995: 10). Hinterfragt man die Ursachen dieser Situation, offenbart sich ein generelles Problem der Strategieforschung, das sich als Spannungsfeld zwischen zwei Perspektiven darstellt. Einerseits gilt es einen einheitlichen, umfassenden Theoriekern zu entwickeln. Dabei besteht die Gefahr, dem Wunsch nach einer "Supertheorie" in Form einer globalen Gesamtschau mit lediglich "formelhaften" Erkenntnismodellen ohne inhaltliche Detaillierung und Konkretisierung nachzugeben. Andererseits gilt es Probleme der Praxis möglichst konkret zu greifen, um sie dadurch pragmatischen Handlungsempfehlungen zuzuführen. Die Situation insgesamt erscheint somit geprägt von einem vermeintlichen Widerspruch zwischen ausreichend "detaillierten" Erkenntnisansätzen (Spezifizierung) und ausreichend "allgemeingültigen" Aussagen (Generalisierung). Den Fokus gerichtet auf eine wert- und kompetenzorientierte Theorie der Unternehmung, stellt sich vor dem beschriebenen Hintergrund die Frage, wie diesen Perspektiven zugleich Rechnung getragen werden kann, um einen "pragmatischen Erkenntnisfortschritt" zu erzielen. Dazu wird eine mögliche Lösung präsentiert, die auf einer Entkopplung der beiden Sichten aufsetzt. 2

Dekomposition klassischer Strategieansätze

Im Strategischen Management drückt sich die eingangs beschriebene Situation in Form sog. "strategischer Sichtweisen" (engl. "Strategy Views") aus. Diese wollen Erfolg auf den Ziel- und Gestaltungsebenen – Netzwerk, Unternehmen, Geschäftsfeld oder Funktion – beschreiben, erklären und prognostizieren und stellen damit reduktionistische Sichtweisen auf strategisch relevante Systeme und deren Elemente dar (vgl. Kreikebaum 1997: 57ff.). Als Basisformen des Strategischen Managements sind eine Außen- ("Structure-ConductPerformance"-Argumentation“) und eine Innenorientierung ("ResourceConduct-Performance") zu unterscheiden. Erstere betrachten schwerpunktmäßig markt- und umfeldbezogenen Aspekte und umfasst den Market-based (MBV;

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Erik Hofmann/Günter Prockl

vgl. Porter 1981: 616), den Society-based (SBV; vgl. KnyphausenAufsess/Rumpf/Schweizer 2003: 101ff.) und den Relational-based View of Strategy (RelBV; vgl. Dyer/Singh 1998: 661f.). Für letztere lassen sich Ansätze wie der Resource-based (RBV), der Knowledge-based (KBV) und der Capability-based View of Strategy (CaBV) unterscheiden (vgl. Teece/Pisano/Shuen 1997: 515ff.; Wernerfelt 1984: 171). Diese Ausrichtungen führen im Kern, die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens auf den Aufbau und die Nutzung superiorer, unternehmensinterner Ressourcen sowie Wissens- oder Fähigkeitsbasen zurück. Die Dekomposition kann helfen, die einzelnen Strategiesichtweisen hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Bedeutung für nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu untersuchen. Sie verdeutlicht aber gleichzeitig den reduktionistischen Charakter einzelner Überlegungen. Die einzelnen strategischen Sichtweisen sind als komplementäre Elemente eines "Fits" für den Unternehmenserfolg zu interpretieren, womit sich weniger die Frage verbindet, welche Sicht dem Strategischen Management zugrunde gelegt werden soll, sondern wie – bzw. mit welchen Methoden – man die unterschiedlichen Strategy Views miteinander integrieren kann (vgl. Peteraf/Barney 2003: 320f.). 3

Methoden zu Reintegration von Strategieansätzen

Zur Integration unterschiedlicher Theorieansätze in eine konsistente Konfiguration wurden vier prinzipielle methodische Ausprägungen identifiziert:1 1.

2.

1

Die Methode der Aggregation (synonym Inklusion) beschreibt den Zusammenhang zwischen Sachverhalten bzw. Theorieansätzen, der sich als eine "ist Teil von"-Beziehung beschreiben lässt (vgl. Steinmetz 1999: 517) Die Aggregation eignet sich, um kommensurable Phänomene in einer hierarchischen Struktur anzuordnen. Die Methode der Kombination ist anwendbar für zwei oder mehrere Sachverhalte bzw. Theorieansätze, die auf überschneidungsfreien Paradigmen basieren (vgl. Spanos/Lioukas 2001: 911) und durch einen gemeinsamen Bestandteil wie z. B. Unternehmenserfolg miteinander verbunden werden. Dabei sind gegebenenfalls Kompromisse z. B. in Form von Anpassungen oder Ungenauigkeiten einzugehen.

Die Einteilung stammt aus der objektorientierten Anwendungsentwicklung innerhalb der Informatik und beschreibt die Beziehungen zwischen Objekten, deren spezifisches Verhalten bestimmten Klassen zuzuordnen ist (vgl. Steinmetz 1999: 516f.).

Wertorientierung und Kompetenzmanagement 3.

4.

417

Können solche Kompromisse aus Exaktheitsgründen nicht toleriert werden, bietet sich die Methode der Abstraktion an, die unabhängige und abhängige Sachverhalte bzw. Theorieansätze in eine Über- bzw. Unterordnungsbeziehung anordnet (vgl. Steinmetz 1999: 519). Das Verfahren besitzt eine enge gedankliche Verbindung zur Methode der Triangulation (vgl. Oppermann 2000: 142ff.; Lewis/Grimes 1999: 672ff.) und kann abhängig von der Charakteristik des zugrunde liegenden Aussagensystems hinsichtlich der Kommensurabilität der Annahmen entweder dem Eklektizismus oder dem Pluralismus zugeordnet werden. Als letzte Variante kommt eine sequenzielle Integration in Frage (vgl. Poppo/Zenger 1998: 853ff.). Ursprüngliche Paradigmen und Annahmen werden dabei aufrechterhalten, was die Methode folglich als pluralistisch kennzeichnet. Sequenzielle Integration bietet die Möglichkeit, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, deren Innovationsgrad den der anderen Methoden übersteigt.

Mit den skizzierten Ansätzen lassen sich verschiedene fragmentierte Theorieansätze, die auch auf unterschiedlichen Paradigmen beruhen können, miteinander zusammenfügen (vgl. Lewis/Grimes 1999: 673ff.). Dies wird für den kompetenz- und wertorientierten Strategieansatz gezeigt. Der Competence-based und der Value-based View werden dabei gegenüber den "klassischen" außen- und innenorientierten Strategiesichtweisen bereits als Weiterentwicklungen verstanden und mit Blick auf ihre Komposition aus diesen Strategiesichten eingehender betrachtet. 4

Kompetenz- und Wertorientierung als erweiterte Strategieansätze

4.1 Charakterisierung und Integrationsleistung des Competence-based View of Strategy (CoBV) Kompetenzen, die als markt- und umfeldorientierte Ressourcen-, Wissens- und Fähigkeitsbündel verstanden werden können (vgl. Freiling 2004: 6), stellen ein zentrales Bindeglied zwischen der Außen- und Innenorientierung eines Unternehmens dar, wobei es der CoBV als notwendig erachtet, die Stärken und Schwächen des Unternehmens mit den Chancen und Risiken des externen Kontextes in Einklang zu bringen (vgl. Teece/Pisano/Shuen 1997: 515). Die Kopplung des CoBV an das Kriterium einer marktlichen Verwertbarkeit verdeutlicht, warum der kompetenzorientierte Ansatz nicht als rein innenorientierter Ansatz zu verstehen ist (vgl. Sanchez/Heene/Thomas 1996: 1ff.), sondern eine anforde-

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Erik Hofmann/Günter Prockl

rungsorientierte Wendung erfährt, was sich einer "Requirements & ResourcesConduct-Performance"-Argumentation widerzuspiegeln scheint.2 Ausgangspunkt für Verknüpfungsüberlegungen im CoBV bildet ein erweitertes Verständnis der wettbewerbsrelevanten Unternehmensressourcen. Dabei werden Ressourcen unterschieden in solche, die lediglich auf die Befriedigung von Bedürfnissen des Marktes und externen Kontextes ausgerichtet sind, und solche, die einen vorsteuernden Potentialcharakter besitzen. Die zweite Gruppe repräsentiert Fähigkeiten (CaBV), die unter Rückgriff auf Wissensbestände (KBV) bestimmen, wie mit den Ressourcen des Unternehmens (RBV) umgegangen werden sollte. Fähigkeiten und Wissen können als Ressourcen i.w.S. verstanden werden, so dass eine gedankliche Verbindung im CoBV zwischen den zugehörigen Strategieansätzen über eine Aggregationsbeziehung erfolgen kann. Da der nach außen gerichtete MBV und der nach innen gerichtete RBV in ihrem jeweiligen Betrachtungsfeld quasi überschneidungsfrei sind, ist eine Integration im kompetenzbasierten Ansatz über ein kombinatorisches Vorgehen möglich. Diese Methode erlaubt es, den ressourcen- und marktorientierten Ansatz innerhalb eines Ursache-Wirkungs-Verhältnisses zu sehen, dessen Ergebnis den Unternehmenserfolg ausmacht. Letzterer ist als gemeinsames Element aufzufassen, über das die Kombination stattfindet. Ähnliches ist auch mit dem SBV (Stakeholder) und dem RelBV (Kooperationspartner) denkbar. Mit Hilfe der Integrationsmethode der Abstraktion lassen sich Theorieansätze im CoBV weiterhin über hierarchische "Über- und Unterordnungsbeziehungen" miteinander verknüpfen. So kann beispielsweise auf der Ebene des Gesamtunternehmens die ressourcenorientierte Sichtweise dominieren, während die nachgelagerten Entscheidungen auf der Geschäftsfeldebene der Marktorientierung folgen, oder umgekehrt. 4.2 Charakterisierung und Integrationsleistung des Value-based View of Strategy (VBV) Eine wesentliche Aufgabe des Value-based View of Strategy (VBV) (vgl. Copeland/Koller/Murrin 2000; Hahn 1999; Rappaport 1999) stellt die Ermittlung von Faktoren bzw. Prozesse, die geeignet sind, den Wertbeitrag des Gesamtunternehmens oder seiner Teileinheiten zu beeinflussen Ein Beispiel dafür ist das Shareholder Value-Netzwerk. (vgl. Rappaport 1999: 67ff.). Solche sog. Werttreiber stellen einen quantifizierbaren Zusammenhang zwischen den Manage2

Damit wird den von Freiling (2004) präsentierten Überlegungen einer kompetenzorientierten Theorie der Unternehmung nicht in allen Punkten gefolgt (vgl. Freiling 2004: 6ff.).

Wertorientierung und Kompetenzmanagement

419

mentmaßnahmen und dem Wertbeitrag als Zielgröße her (vgl. Düsterlho 2003: 171). Ansatzpunkte für ihre Ermittlung bietet eine Analyse der Komponenten (sog. "Wertgeneratoren") des Wertbeitrags wie Dauer des Umsatzwachstums, Brutto-Cash-Flow-Marge vor Steuern, Steuerrate, Investitionen in das Umlauf- und Anlagevermögen sowie Kapitalkosten. Hinterfragt man die Werttreiber vorsteuernd, dann kann die Dekomposition des Unternehmenswertes mit Hilfe der Werttreiber und Wertgeneratoren nicht nur die Strategiebewertung, sondern auch die Strategieformulierung und -realisierung unterstützen (vgl. Riggers 1998: 30). Da der VBV sich über die Wertgeneratoren aus den Erfolgsdimensionen der anderen Strategieansätze zusammensetzt, ist er bezogen zu diesen als orthogonal einzustufen. Die Erfolgsdimensionen können als abhängige Variable interpretiert werden, die gegebenenfalls von vielen Determinanten gleichzeitig beeinflusst werden. Andere Analysekategorien bleiben aber auch bei der wertbezogenen Betrachtung des Strategieinhalts unberücksichtigt, so dass der VBV lediglich einen begrenzten Ausschnitt des Strategischen Managements genauer untersucht. 5

Reintegration der Kompetenz- und Wertorientierung

Nachdem im vorangegangen Abschnitt, quasi retrospektiv, der CoBV und VBV als Kompositionen der klassischen Strategischen Sichten charakterisiert wurden, wird im Folgenden beleuchtet, wie sich die wert- mit der kompetenzorientierten Strategiesichtweise verbinden lässt. Es lassen sich – gemäß den vorgestellten (Re-)Integrationsansätzen – verschiedene Alternativen der Zusammenführung des wert- und kompetenzorientierten Ansatzes unterscheiden. Davon ausgeschlossen ist, aufgrund divergierender Annahmen, der Ansatz der Inklusion. 5.1 Anwendung der Kombinationsmethode Eine "gleichberechtigte" Zusammenführung des kompetenz- und wertorientierten Ansatzes über die Kombinationsmethode erfordert eine Angleichung der Annahmen (z. B. Steigerung des Shareholder Value als primäres Unternehmensziel) und hat zwei Konsequenzen: Sie führt insgesamt zu einer langfristigen Gesamtsicht des Unternehmens mit dem Ziel der Erhaltung existierender Erfolgsfaktoren und der Schaffung neuer Erfolgspotentiale bei gleichzeitiger Berücksichtigung der damit verbundenen finanziell meßbaren Erfolgswirkungen. Allerdings erscheint die, für die kombinatorische Verknüpfung geforderte, Harmonisierung der zugrunde gelegten Annahmen als kaum überwindbares

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Hindernis für eine Kombination der Ansätze. Insbesondere der langfristig orientierte Kompetenzaufbau und der eher kurzfristig messbare Wertbeitrag bilden ein schwer überwindbares Spannungsfeld. Die notwendige Angleichung der Zielorientierung und des Bezugsrahmens der Beschreibungs- und Erklärungsmodelle, führt damit gerade im vorliegenden Fall zu einer fast naiv erscheinenden, kaum realisierbaren Kombination von CoBV und VBV. 5.2 Anwendung der Abstraktionsmethode Eine hierarchische Integration von VBV und CoBV im Sinne einer Abstraktion erfordert eine übergeordnete (Metaebene) und eine untergeordnete Ebene. Da weder die VBV noch die CoBV als jeweils übergeordnete Theorie in Frage zu kommen scheinen, ist auf eine alternative „Metatheorie“ zurückzugreifen. Die Strukturationstheorie nach Giddens (1984) könnte hierzu Möglichkeiten eröffnen (vgl. Giddens 1984). Anknüpfpunkte für eine "hierarchische" Integration ergeben sich insbesondere durch deren Differenzierung in Regeln der Legitimation bzw. Signifikation sowie deren struktureller Verfestigung im Rahmen eines rekursiven Prozesses. Die VBV knüpft dabei an die Regeln der Legitimation und Signifikation an. Im Strategischen Management dient demnach der Wertbeitrag als Grundlage, um die Handlungen zu begründen und zu legitimieren. Wertorientierung gibt den Strategien einen Sinn und konkretisiert damit den abstrakteren Begriff der Regeln aus der übergeordneten Strukturation. Der CoBV bezieht sich demgegenüber vorwiegend auf den Aspekt der Materialisierung mittels Ressourcen (Handlungs- und Umsetzungsbezug). Mit der Integration von VBV und CoBV unter die Strukturationstheorie setzen sich erstere allerdings auch möglichen Schwächen, insbesondere der relativen Unbestimmtheit und den Schwierigkeiten einer empirischen Nutzung der Strukturationstheorie, aus (vgl. Walgenbach 2006: 406ff.; Giddens 1984) selbst hatte die Strukturationstheorie als allgemeine Sozialtheorie formuliert, die jeweils durch die einzelnen Disziplinen zu konkretisieren wäre. Eventuell bietet aber gerade die Integration von VBV und CoBV hier einen Ansatz einer solchen Konkretisierung im Strategischen Management. 5.3 Anwendung der sequentiellen Integrationsmethode Die zuvor vorgestellten Anknüpfungspunkte gingen entweder von identischen Annahmen aus (Aggregation), haben Annahmen modifiziert bzw. teilweise ausgeblendet (Kombination) oder haben feste Über- bzw. Unterordnungsbezie-

Wertorientierung und Kompetenzmanagement

421

hungen aufgestellt (Abstraktion). Will oder kann man diese Restriktionen nicht erfüllen, können „sequenzielle" Verfahren, welche die verschiedenen Ansätze zeitlich voneinander trennen und somit im Sinne einer Komplementarität anwendbar machen, eine Lösung bieten (vgl. Langley 1999: 698f.). Diese beschreibt dabei die Eigenschaft des Untersuchungsobjekts Unternehmen, gegebenenfalls widersprechende Eigenschaften aufzuweisen, je nachdem, aus welchem Blickwinkel, beziehungsweise unter welchem Paradigma man es betrachtet. Dieser Widerspruch wird im „sequenziellen“ Verfahren nicht durch Negierung oder Vernachlässigung einer Betrachtungsweise aufgelöst, sondern als ein Ergebnis eines Beobachterproblems akzeptiert. Die Zusammenführungsmethode der sequenziellen Integration ist zwar die universellste und bezieht zukünftig antizipierte Sachverhalte in die Betrachtung ein. Aufgrund der zeitlichen Anordnung, wird der Reihenfolge der Ansätze in der Sequenz allerdings zwangsläufig besondere Bedeutung zuteil. Das Ergebnis ist unter Umständen wesentlich davon bestimmt, welcher Ansatz zuerst, sprich welcher Pfad, gewählt wird. In Anlehnung an Arbeiten der Strategieprozessforschung gilt es für eine sequenzielle Integration entsprechend im Sinne einer Pfadkreation statt einer Pfadabhängigkeit, bewusst die richtige Sequenz zu initiieren. 6

Schlussbetrachtung

Bei der Verknüpfung fragmentierter Strategieansätze wird ein breites Spektrum eklektischer und pluralistischer Methoden eingesetzt. Dies gilt auch für eine angestrebte Zusammenführung der Wert- mit der Kompetenzorientierung im Kontext der Konzeption eines integrierten und dynamischen Strategischem Managements. Neben der Diskussion der über eine Dekomposition spezialisierten Strategieansätze sowie der Vorstellung von Reintegrationsmethoden, bestand ein Ziel des Aufsatzes darin die erweiterten Sichten des VBV und des CoBV miteinander zu verbinden. Zukünftige Arbeiten zur Strategieforschung können an der skizzierten Stelle anknüpfen und einerseits die hier vorgestellten ersten Gedanken für eine systematische Reintegration der fragmentierten Strategieansätze kritisch reflektieren sowie andererseits eine konkrete Verprobung der synthetischen Überlegungen in der Unternehmenspraxis vorantreiben.

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Wertorientierung und Kompetenzmanagement

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Teil V: Schlussbetrachtung

Vom Ressourcen- zum Kompetenzdeterminismus – Sackgassen quasi-evolutorischer Unternehmenstheorie (Abstract)*

1

Kompetenzdeterminismus..........................................................................430

2

… und das Gegenteil: Dezisionismus, Voluntarismus ..............................431

3

Fähigkeitskonkretismus und Vermögenstautologie...................................432

4

Fähigkeitsmystik ........................................................................................433

5

Lineares Denken ........................................................................................435

6

Methodologie der Immunisierung..............................................................436

7

The black hole: Interessenblindheit ...........................................................437

8

Institutionenblindheit .................................................................................438

9

Fazit und Perspektiven ...............................................................................438

Literatur..............................................................................................................441

*

Überarbeitete und erweiterte Zusammenfassung des Beitrags „Kompetenzvermögen und Untergangsfähigkeit – Zur Kritik und Revisionder Theorie Strategischen Kompetenzmanagements“, der im 1. Band des Jahrbuchs „Strategisches Kompetenz-Management“ 2006/07 erschienen ist.

Vom Ressourcen- zum Kompetenzdeterminismus

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Der kompetenzorientierte Ansatz des Strategischen Managements ist ein Fortschritt, der seinerseits auf einem Fortschritt aufbaut. Das ist in der Wissenschaft gerade nicht selbstverständlich, wie die Wissenschaftsforschung seit Ludwik Fleck und Thomas Kuhn vorgeführt hat. Sie hat die Idee eines linearen, kumulativen Erkenntnisfortschritts ebenso nachhaltig dekonstruiert wie die Organisationsforschung die Idee einer vollständig oder auch nur primär dem Rationalprinzip folgenden Unternehmensführung. Auch wenn die Mehrheit daran immer noch glaubt. Aber der Fortbestand von Theorien war ja, anders als es Poppers Idealtheorie einer dem Rationalprinzip folgenden Wissenschaftslogik unterstellt, noch nie ein Indikator für ihre empirische Bewährung. Dem ersten Fortschritt verdankt sich die Resource-based View (RBV) als eine noch nicht ganz „theoriefähige“ Sichtweise (inside-out view), welche sich unter anderem mit offenkundigen Erklärungs- und Prognosenöten des Kontingenzansatzes und der marktorientierte Perspektive Porters (outside-in view) begründete. Das verkürzte Kausalmodell der RBV wiederum nahmen bald einige Strategieforscher zum Anlaß, mit der Competence-based View (CBV) den nächsten Fortschritt zu machen, den der Kompetenzwende. Diese bringt sie in die Nähe evolutorischer Unternehmenstheorien sozioökonomischen Zuschnitts, welche die Koevolution von ressourcenschaffenden Firmen und ihrem institutionellen Kontext (Märkte eingeschlossen, aber nicht isoliert) behandeln. Doch sehr weit sind sie über das Kausalmodell bislang nicht hinaus gekommen. Eher haben sie den Ressourcendeterminismus durch einen voluntaristischen Kompetenzdeterminismus ersetzt (freie Entscheidung über den Aufbau von Kompetenzen, die wiederum Erfolg kausal determinieren). Insofern dürfte man die CBV eigentlich auch nur als quasi-evolutorische Perspektive bezeichnen. Schließlich gibt es keine Evolution einer Ökonische ohne Umwelt, welche die Nische zur Nische macht. Worin die Modellierungs- und Erklärungslücken der Competence-based View (CBV) sowie ihr verwandter Theorien des Strategischen Managements bestehen, möchte ich in diesem Beitrag skizzieren; und wenigstens einzelne mögliche Ursachen für sie in den paradigmatischen Prämissen des Strategischen Kompetenzmanagements ausmachen. Dabei fasse ich hier Argumente zusammen, die wir andernorts mit mehr Belegen entfaltet haben (u. a. in Moldaschl/ Fischer 2004; Moldaschl 2007a), knapp reformuliert sowie um zwei Punkte erweitert. Wenn ich die Kritik hier auch sehr pointiert vortrage, so geschieht das doch in der Überzeugung, daß das kompetenzorientierte Denken der Managementforschung Fortschritte gegenüber konkurrierenden Ansätzen bietet, und daß man den Ansatz (sofern man von einem sprechen kann) am besten weiterbringt, indem man seine blinden Flecken unverblümt offenlegt. Wo sinnvoll, verweise ich dabei auch auf Potentiale, die der Ansatz bietet, die aber nicht ausgeschöpft

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werden. Lösungen für die konzeptionellen Probleme will ich hier nicht referieren, aber zumindest im Fazit auf einige Vorschläge hinweisen. Zu ihnen zähle ich den Entwurf einer Competence-based Theory of the Firm (CbTF) von Jörg Freiling, Martin Gersch und Kollegen (z. B. Freiling 2004; Freiling u. a. 2006 sowie in diesem Band). In der folgenden Kritik klammere ich diesen und weitere Lösungsvorschläge ebenso aus sowie Differenzierungen innerhalb der Theoriefamilie, damit es nicht zu kompliziert wird. 1

Kompetenzdeterminismus

Zu den theoretisch attraktivsten Eigenheiten der RBV-Familie zählt die historische und systemische Argumentationsfigur. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile sieht man an sich nicht Einzelfaktoren wurzeln, sondern in der Zeitlichkeit der Unternehmensentwicklung (Pfadabhängigkeit) und in der Konfiguration von Ressourcen und Kompetenzen, die sich darin herausgebildet hat. Diese werden als „Bündel“ betrachtet, welche eben wegen der Gewordenheit ihres Zusammenspiels von Wettbewerbern nicht einfach imitiert werden können. Damit sperren sich die Ansätze im Grunde gegen jede best practice-Logik. Nicht durch branchenweit herausgemendelte Standards und von Managementforschern identifizierte „Erfolgsfaktoren“ kann sich ein Unternehmen vom Wettbwerb abheben, sondern langfristig nur durch Andersartigkeit (Leitbild: Einzigartigkeit) seiner Praktiken. Praktisch und faktisch wird das Denken gleichwohl auf einer Ebene darüber weithin von einem internal-deterministischen Kausalmodell beherrscht. Hieß es noch in der RBV: Je seltener die Ressourcen, und je mehr davon, desto mehr Erfolg, so hat die CBV nun Kompetenz in diese Gleichung eingesetzt. Sicher, der eingangs behauptete Fortschritt besteht darin, daß man Ressourcen, wie etwa Wissen, nicht mehr per se Wirkungen zuschreibt, sondern dem Handeln des Managements, also ihrem mehr oder weniger kompetenten Gebrauch. Damit belebt man eine bereits bei Penrose getroffene Unterscheidung von Ressourcen und Gebrauch, deren Entwicklung und Anwendung als theoretische Ressource freilich bis heute unglaublich „ungebraucht“ und unterentwickelt blieb. Man ist also einen Schritt weiter, nur einen zu wenig. Der Kompetenzdeterminismus basiert selbst wieder auf einer fehlenden Unterscheidung, zu der auch Penrose nicht viel zu sagen hatte: der von Kompetenz und Performanz. Dabei kennt jeder Strategietheoretiker, wenn schon nicht Unternehmen, dann doch gute Studenten, die aus ihrem Potential nichts machen, etwa aus Angst in der Prüfung. Oder man beklagt sich über eigene Erfahrungen, man sei trotz

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überragender Kompetenzen bei Bewerbungen nicht durchgekommen, aus niedrigen, irrationalen oder sonstigen kompetenzfernen Gründen des Verfahrens. Nun, Selbstanwendung ist eben ein rares Phänomen in der Wissenschaft. Der fehlende Kontextbezug des Kompetenzbegriffs hat noch eine weitere Konsequenz, die man sich mit zwei Gedankenexperimenten klar machen kann. Es mag ja noch plausibel erscheinen, wenn man jemandem, der im Betrieb aufsteigt, Aufstiegsvermögen zuschreibt. Aber muß man ihm dann auch Abstiegsvermögen zuschreiben, wenn er absteigt, oder einen Verlust seines Aufstiegsvermögens? Und angenommen, jemand kann nur besser seine Kompetenz darstellen als andere, ohne kompetenter zu sein (außer eben in der Kompetenzdarstellungskompetenz), oder er kann andere gut über seine wahren Fähigkeiten täuschen (Inkompetenzkompensationskompetenz): Für wen ist das von Nutzen? Für ihn selbst, nur kurz- oder auch langfristig? Und für seinen Arbeitgeber: Ist es für den ebenfalls eine Kompetenz, oder eher ein Risiko, eine Restriktion der organisationalen Gesamtkompetenz, bzw. das Gegenteil einer Ressource? 2

… und das Gegenteil: Dezisionismus, Voluntarismus

Das kontextfreie, mit Kategorien der Einbettung kaum verschmutzte Denken hat noch einen weiteren, fast paradoxen Effekt: Der Kompetenzdeterminismus lässt sich leicht mit Dezisionismus koppeln und damit scheinbar kompensieren. Unternehmen wird in Aussicht gestellt, sie könnten quasi frei über ihre Kompetenzausstattung verfügen. Pfadabhängigkeit scheint nur für die Wettbewerber zu gelten, welche die Routinen nicht kopieren können. Der Aufbau eigener Kompetenzen wird häufig so behandelt, als seien Entscheidungen dafür unabhängig von den Kosten, Risiken und Nebenfolgen der Kompetenzentwicklung. Dabei wird ein weiteres Potential der CBV kaum genutzt, mit dem sie unter den konkurrierenden Theorieangeboten einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen könnte. Eigentlich war man ja angetreten, gerade die inkonsistete Mischung von Marktzwang-Argumenten und „strategy“ zu überwinden, die man an der Kontingenztheorie und dem marktorientierte Strategieansatz zu kritisieren hatte. Doch das evolutionäre Argumentationsmuster bezogen auf die Koevolution von Unternehmen und Kontext, also die unabsichtliche wie auch die bewußte Veränderung der Umwelt durch strategisches Handeln, bleibt seltsam unentfaltet. “The competitive advantage of firms stems from dynamic capabilities rooted in highperformance routines operating inside the firm, embedded in the firm’s processes, and conditioned by its history” (Teece/Pisano 1998: 209; Hervorh. MM).

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Embeddedness als Begriff schnurrt hier auf die Bedeutung interner Ressourcenbündelung zusammen. Damit wird der Begriff seines Sinns, die Einflüsse zur Aussenwelt zu betonen, entfremdet; zugleich wird er überflüssig, verdoppelt er doch so nur den schon vorhandenen Bündel-Gedanken. Die kognitive Bindungswirkung des inside-out-Paradigmas lässt die Umwelt eben vorrangig als amorphe Quelle von stimuli erscheinen, über die man jenseits des Wettbewerbsmechanismus wenig zu sagen braucht. Und so werden Kontextbedingungen „viewed [...] as inputs to the dynamic capability building process, rather than part of the process itself” (Zollo/Winter 1999: 11; Hervorh. MM). 3

Fähigkeitskonkretismus und Vermögenstautologie

Kompetenz-, Fähigkeits- und Vermögensbegriffe sind die zentralen Kategorien der CBV und ihrer Varianten. Umso mehr erstaunt, wie wenig sich deren Vertreter um operationale Definitionen kümmern. Außer man unterstellt, Meßbarkeit würde im Bemühen um Verifikation (ja, das gibt es noch, vgl. 2.5) nur als störend empfunden. Zugespitzt gibt es zwei Varianten: triviale und universelle. Hier zunächst zu den ersteren. Sie erklären nichts, verdoppeln nur Verben in Gestalt von Kompetenzbegriffen, tautologisch. Die Anleitung zur Bildung solcher Begriffe geht wie folgt: Man beobachte eine Tätigkeit, und schreibe ihr dann eine Kompetenz zu. Im Ergebnis gibt es dann ebenso viele Kompetenzen wie Fähigkeiten; und je genauer man hinschaut, desto mehr. Schon vor bald einem Jahrhundert hatte der Psychologe Kurt Lewin das als „Vermögenspsychologie“ gegeißelt, und viele Jahrzehnte nach ihm der Arbeitspsychologe Hacker (1998) mit dem Wort „Puddingkochvermögen“. Wer also Personal einstellt, hat (oder braucht) demnach ein Personaleinstellvermögen, welches sich selbstredend in unzählige weitere Kompetenzen aufspalten läßt (Personalauswahlkompetenz, Personalbeurteilungsfähigkeit, Assessmentcenterdurchführungsvermögen, etc). Der Einfachheit halber könnte man auch von Konkretenzen sprechen. Ein Beispiel dafür, wie schnell eine beliebige Zahl davon zustande kommt, wenn es keine theoretisch begründeten Generationsregeln gibt, liefert ein Text in diesem Band. Allein für ein kleines Segment des Marketing, die Budgetierung, identifizieren Burmann und Blinda insgesamt (und „vorerst“) 24 Kompetenzen, die (auch hier nur) das Management haben müsse; etwa die „Kompetenz, positionierungsrelevantes Wissen im Budgetierungsprozess einzusetzen“, die „Kompetenz, im Budgetierungsprozess alle Aktivitäten auf Basis ihrer Positionierungswirkung zu koordinieren“; oder die „Kompetenz, mit der beabsichtigten Markenpositionierung einhergehende Ziele allen Mitarbeitern effektiv zu kommunizieren“.

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Natürlich liegt der rationale Kern der Kompetenzzuschreibung darin, daß man alles, was man macht, besser oder schlechter machen, es gut oder weniger gut können kann. Die Rede von Kompetenzen bleibt nur eine Redeweise, wenn ihr nicht folgt, worauf es in der Wissenschaft wie in der Praxis eigentlich ankommt: Das was und wie. In der Wissenschaft gilt dem die Operationalisierung. An der Operationalisierung scheiden sich daher auch Kompetenztheorie und Kompetenzmystik. Wie die Expertiseforschung gezeigt und das „Wissensmanagement“ nur halb verstanden hat (vgl. z. B. Neuweg 2007), ist nur ein Teil des Könnens beobachtbar und verbalisierbar. Dieser explizierbare Teil wird in die Form von Regeln gebracht, Regeln des kompetenten bis professionellen Handelns. Sie können bei der Qualifizierung von Personen, der Bewertung von Kompetenz, der Standardisierung von Qualität, und bei der Sanktionierung von Handeln in Anwendung gebracht werden. Der „Rest“ kann zum Teil über Beobachtung und Teilhabe vermittelt werden (vgl. dazu etwa Lave und Wenger 1991), und zu einem weiteren Teil gar nicht. Das ist jener Teil der Kompetenz, der unersetzlich auf eigener Erfahrung beruht. Ohne es weiter diskutieren zu können, weise ich an dieser Stelle nur auf die zentrale Unschärferelation von Regeln und Ressourcen bzw. Regeln und Kompetenzen hin, an deren theoretischer Ausarbeitung die Kompetenztheorie der Unternehmung so fundamental krankt (vgl. dazu Moldaschl 2006: 13f.; in 3 und 5 komme ich darauf zurück). Die Unterscheidung von Regeln und Ressourcen ist – im Bewußtsein ihrer Grenzen, selbst eine Ressource, die Kompetenzansätze in der Konkurrenz mit regelorientierten Theorien (z. B. der Neuen Institutionenökonomik) unbedingt aktivieren sollten, wenn sie Terrain zurückgewinnen wollen. 4

Fähigkeitsmystik

Damit komme ich zur zweiten, konträren Variante. Sie besteht darin, konkrete Fertigkeiten und Fähigkeiten für bestenfalls zweitrangig zu eklären. Erstens, weil sie in dynamischen Umwelten immer schneller veralten (das bekannte Halbwertzeit-Motiv). Und zweitens, weil sich jede veraltete Kompetenz in eine Restriktion verwandeln kann (Leonard-Barton 1992). Nachhaltige Wettbewerbsvorteile sichert demnach nicht mehr, was ein Unternehmen und seine Mitarbeiter zu einem Zeitpunkt konkret können, sondern nur noch die Fähigkeit, sich auf alle künftigen Veränderungen schnell und erfolgreich einzustellen. Also die Fähigkeit zur Entwicklung der Fähigkeit, Fähigkeiten zu entwickeln? Für dieses Metagebilde gibt es wieder zahlreiche Begriffe, wenn auch nicht ganz so viele, wie sie der Konkretismus unablässig hervorbringt. Inhaltlich unterscheiden sie sich kaum – aber Hochschullehrer und Berater benötigen nun

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mal Markennamen für ihre Produkte; erst recht dann, wenn diese homogen sind. Um nur einige zu nennen: „Innovationsfähigkeit“ (Witte 1973), „Kernkompetenz“ (Pralahad/Hamel 1990), „Organizational Intelligence“ (Quinn 1992), „Absorptive Capacity“ (Cohen/Levinthal 1990), „Dynamic Capabilities“ (Teece u. a. 1997), „Combinative Capabilities” (Kogut/Zander 1992), „Strategic Change Capabilities“ (Pettigrew/Whipp 1993) oder „Fähigkeiten 3. Ordnung“ (z. B. Krüger/Homp 1997). Man behauptet, damit werde der Schritt von der statischen Ressourcenperspektive in der „structural school“ der RBV zu einer prozessorientierten getan, welche die Entstehung und Schaffung organisationaler Kompetenzen behandelt. Kann es eine solche Universalfähigkeit geben? Oder gar eine MetaFähigkeit zur Entwicklung von Universalfähigkeiten (PerfectAbility)? Sicher, man kann unterschiedliche Grade der Veränderungsneigung oder inertia von Organisationen feststellen und sollte sie operationalisieren. Doch gerade davor drücken sich die meisten Beiträge zur CBV. Und wo es doch einmal gewagt wird, wie bei Cohen und Levinthal (1990), mündet das Wolkige schnell ins 1 Triviale. Auch ist es zweifellos ein Fortschritt und Signal, daß die CBV das Lernen in den Vordergrund gerückt hat, gemeinsam mit anderen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien (New Growth Theory, Innovationsökonomik, Cluster2 forschung, Organisationslernen , u. a.). Doch wer würde sich im Falle komplexer Problemstellungen freiwillig einem Experten anvertrauen, der behauptet, alle Probleme der Zukunft meistern zu können (also einem Universaldilettanten)? Selbst meine Brötchen hole ich lieber bei einem Bäcker, der Backen kann, als bei einem, der meint (oder dem man bescheinigt hat), es im Bedarfsfall schnell lernen zu können.

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Sie definieren ihre „absorptive capacity“ als „…the ability of a firm to recognize the value of new, external information, assimilate it, and apply it to commercial ends…” (1990: 129), operationalisieren sie aber modellinkonsistent nicht komplex, sondern singulär: über den Anteil der FuE-Ausgaben. Nach dieser Logik müsste ein Unternehmen mit hohen Logistikkosten eine hohe „logistic capacity“ haben, und eines mit hohen Zinslasten „financial capability“. Einen der wenigen mir bekannten Versuche, Dynamic Capabilities wenigstens systematischer zu klassifizieren und damit ein Stück weit in Richtung ernsthafter Operationalisierung zu treiben, hat Sanchez (2004) vorgelegt (vgl. dazu auch Hülsmann und Austerschulte, in diesem Band). vgl. die ähnliche Kritik zu Mythen des Organisationslernens bei Kühl (2000). Die Personalforschung hatte mit den Schlüsselqualifikationen einen ähnlichen Mythoss, der sich teils bis heute hält. Beruflichkeit und Professionalität werden in dieser Deutung zunehmend für obsolet erklärt, zugunsten einer allgemeine Fähigkeit, sich zu verändern und lebenslang zu lernen (employability). Danach muss man nichts mehr wissen und können, sondern nur noch wissen, wie man lernt (zur Kritik z. B. Lehmkuhl 1994).

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Lineares Denken

Noch einmal zu den Stärken der CBV, die ich hier stellvertretend für all die genannten Konstrukte der Einfürallemalfähigkeit nenne, ungeachtet ihrer eigenen Zurechnung zur Theoriefamilie. Sie argumentiert stets mit Komplexität (Historizität, Konfiguration von Eigenschaften etc.) und Dynamik (turbulentes Umfeld, Nichtlinearität seiner Veränderungen, Unvorhersehbarkeit von Eingriffsfolgen, etc.), somit also auf der Höhe modernen Systemdenkens (zweite Systemtheorie bzw. Theorie der Autopoiesis). Im Prinzip zumindest. Daß sie mit ihrer Kompetenzmystik ausgerechnet dem Zentraldilemma ausweicht, oder schlimmer, es in vielen Beiträgen nicht einmal erkennt, ist frappierend. Oder auch nicht, wenn man ihren Lösungsvorschlag auf den harten Kern des Ansatzes zurückführt. Die Universalfähigkeit soll die Lösung sein für das erkannte Zentralploblem: die Unvorhersehbarkeit der Zukunft. Ein Problem, das man nicht lösen kann. Die besseren Varianten der Wandlungskompetenzkonstrukte (die sich auf Nelson und Winter 1982 berufen) beschreiben diese in der Regel als Routinen. Und weil es Routinen seien, seien sie auch schwer meßbar, imitierbar, transferierbar. Doch Routinen als Ergebnis von Lernen sind eben zugleich auch Lernbarrieren im Innenverhältnis: etwas Rituelles, Eingerastetes, Träges. Routinen sind inertia, und eine „dynamische Routine“ ist ein paradoxer Begriff, ein Oxymoron. Die ausweichende Denkfigur, es müsse eben immer höhere Ebenen der Fähigkeit geben, die jeweils darunterliegende verändern (so besonders Zollo und Winter 2002: 340ff.), beweist nur den Unwillen, die Paradoxie als realexistierendes Dilemma anzuerkennen. Und sie erklärt die sich daraus ergebende Unfähigkeit, realistische Strategien zu (er)finden, wie man Regeln und notwendige Abweichung (dazu bes. Ortmann 2003) sinnvoll balancieren kann. Eine Dosis dialektisches oder wenigstens systemisches Denken wäre hier von Vorteil. Geht man von diesem Dilemma aus, braucht man keine magische Metakompetenz. Man kommt schon weit mit reflexiven Regeln bzw. Praktiken, welche die Anweisung zu ihrer eigenen Prüfung enthalten (dazu Moldaschl 2006). Und anstelle einer Beschreibung in Fähigkeitsbegriffen kann man ablaufende Lernprozesse sowie die sie fördernden und behindernden Bedingungen analysieren. So, wie das in den besseren Theorien des Organisationslernens ja auch geschieht, etwa jener keineswegs veralteten von Argyris und Schön (1978); oder der von Karl Weick, welcher organizational learning grundsätzlich als Oxymoron versteht (Weick/Westley 1996). Der Strategiediskurs könnte ferner von der Theorie situierten Lernens lernen, daß Lernen eben stets situiert ist (Lave 1991). Die Möglichkeit, domänenspezifische Kompetenz auf andere Handlungsfelder und Wissensdomänen zu übertragen, besteht mit anderen Worten nur dann und

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insoweit, als sie jeweils tief in konkreten Domänen wurzelt. Oder noch einfacher: Wer nichts Konkretes kann, kann auch nichts übertragen. 6

Methodologie der Immunisierung

Der härteste Vorwurf, den man einer wissenschaftlichen Position machen kann, ist wohl der, sich gegen empirische Prüfung bzw. Widerlegung (Falsifikation) zu immunisieren. Immerhin stellt das dem Hempel-Oppenheim-Schema zufolge die Wissenschaftlichkeit an sich in Frage. Der RBV und CBV wurde er wiederholt gemacht (z. B. Porter 1991; Williamson 1999; Priem/Butler 2001; Foss/Knudson 2003; Moldaschl/Fischer 2004)3. Kritisiert wird ihr genuines Begründungskonstrukt. Unterschiedlicher Unternehmenserfolg ist der RBV zufolge auf unterschiedliche Ressourcenausstattung zurückzuführen, der CBV zufolge auf unterschiedliche Ressourcenverwendung. Welche Ressourcen oder Kompetenzen aber überlegen sind, wird ex post an den erzielten Renten abgelesen. Wenn (Kern)Kompetenzen Bündel sind von Markennamen, Know-how, Organisationskultur, Technologie u. a., dann ist es also immer dieses spezifische Bündel, welches ein erfolgreiches Unternehmen erfolgreich macht; oder erfolglos (außer, man erklärt das eben mit „Scheiternsfähigkeit“). Den Tautologievorwurf kann man freilich auch der der neoklassischen Ökonomik mit ihrem transzendentalen Nutzenbegriff machen. Aber diese Relativierung hilft theoretisch wenig; höchstens pragmatisch, im Wettbewerb um Anerkennung und Gefolgschaft. Den unsystemischen Kausalismus in ihrer zentralen Begründungsfigur kann die CBV nur überwinden, wenn sie ihre anderen, insbesondere ihre evolutorischen Prämissen ernst nimmt, ihre Fähigkeitsbegriffe präzise definiert und operationalisiert, damit die Annahme einer Metakompetenz (erster oder beliebig hoher Ordnung) überhaupt geprüft (ggf. auch falsifiziert) werden kann; ihre Ressourcen- und Fähigkeitsbegriffe relational definiert (denn was Ressource und Fähigkeit ist, ergibt sich in der Regel aus dem Kontext)4, und siehe oben, die Unterscheidung von Kompetenz und Performanz einführt. Damit würde sie zumindest ein Stück des Anspruchs aufnehmen, auch die Umwelt des Unternehmens sowie die Koevolution mit ihr theoretisch zu modellieren.

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was wenigstens von einigen Vertretern der kritisierten Ansätze selbstkritisch zur Kenntnis genommen wurde (z. B. Conner 1991: 144f.; Pavlou/Savy 2005: 5). die Schwimmfähigkeit des menschlichen Körpers z. B. ist beim Tauchen eine Restriktion, die mit Blei überwunden wird (umgürtet, versteht sich, nicht geschossen).

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The black hole: Interessenblindheit

Bislang habe ich den wohl blindesten Fleck des Strategischen Kompetenzmanagements ausgespart, ohne den sich manch andere seiner Latenzen kaum erklären 5 läßt: seine Interessenfreiheit. Aus der Gravitation dieses besonders schwarzen Lochs kann sich kaum ein Lichtstrahl lösen, um den politischen Charakter betrieblicher Modernisierung zu erhellen (von der wirtschaftlichen insgesamt nicht zu reden). Zwischen Kompetenz und Performanz schiebt sich nicht nur die äußere Wirklichkeit, sondern auch die innere des Unternehmens bzw. der Organisation. In beiden Welten geht es um Interessen, und in beiden ist der Gebrauch von Ressourcen „contested terrain“, wie Richard Edwards (1979) es prägte. Ob und wie gut Handlungen gelingen oder Strategien „aufgehen“, hängt von Mithandelnden „innen“ und „aussen“ ab. Oder, wie sich Sartre über akteursfreie Denkmodelle belustigte: „Beim Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit des Gegners.“6 Das ist für Manager das Dumme an lebendigen „Ressourcen“: sie sind nicht ganz so willenlos wie elektrischer Strom. Für Managementforscher hat das die unangenehme Folge, mindestens eine „Variable“ mehr im Spiel zu haben; manchem ist schon das zuviel. Kann man einen Ansatz, der zwar mit dem Anspruch auftritt, eine „dynamische“ Wettbewerbstheorie zu sein, zum politischen Charakter der Unternehmung und ihres Kontexts nichts zu sagen hat, wirklich ernst nehmen? Gut, die RBV und die CBV teilen diesen blinden Fleck mit etlichen anderen Managementtheorien; aber das nützt allenfalls der Reputation, nicht der Erkenntnis. Bleibt die Frage, woher das schwarze Loch kommt. Es hat seinen Ursprung besonders in einer Prämisse. Es ist die Annahme, es seien die Fähigkeiten des Managements seien, Ressourcen eines Unternehmens zu bündeln und zu „veredeln“. Wenn von Wissen und (teils) dem Können als Ressourcen die Rede ist, dann sind nur diejenigen der Beschäftigten gemeint (oder gleich sie selbst, als human resources). Das ist die Verfügungsmasse der eigentlichen strategischen Helden, zu deren Dienstleistern sich die Strategieforschung macht. Nur ihr Handeln wird in der Regel mit dem Kompetenzbegriff thematisiert, und nur dieses wird als die wahre Quelle eines strategischen Vorteils jeweiliger Unternehmen betrachtet; eine bemerkenswerte Überschätzung des Managements (Management-Heroismus). Das aber kann nicht gesagt werden, weil die 5

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ich weiß, es gibt keinen Superlativ von ‚blind’; man möge mir verzeihen, wenn ich damit zugleich ein statement abgebe zur Normalität der postgrammatischen Komparation, die uns alltäglich in der Tautologie des Einzigsten und Allereinzigsten, des Lohnenswerten und Lohnenswerteren begegnet. Eine schöne Variante dieses Gedankens verdanken wir dem Politik- und Medienbeobachter Matthias Richling: „Ferseh kennt so schee sei, wenn’s Läba nicht wär“.

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prinzipielle Einnahme der Managementperpektive (Management-Apriorismus) die Einsicht verstellt, dass dies nur eine der möglichen Akteursperspektiven ist. Im Übrigen wissen wir doch alle: manche Organisationen sind trotz, und nicht wegen ihres Managements erfolgreich. Die so chronisch unklare Abgrenzung von Ressourcen und Kompetenzen erweist sich damit als unmittelbare Folge einer theoretischen Ausgangsbedingung, welche die Ressourcenansätze gegenüber der Neuen Institutionenökonomik schwach aussehen lässt. Die RBV-CBV-Denkwelt braucht also eine handlungstheoretische Erweiterung, die mehr als einen strategischen Akteur sowie den Begriff des Interesses kennt; vielleicht sogar Begriffe der Aushandlung und des Vertrags. 8

Institutionenblindheit

Als letztes Kind der Kontextblindheit, die weite Teile der CBV und des SKM prägt, sei hier die Institutionenblindheit angesprochen – last but not least. Die Theoriefamilie sagt nur etwas aus über die Performance gewinnorientierter Organisationen, die auf Märkten agieren. Bei all dem Managerialismus, auch im Diskurs zum öffentlichen und dem dritten Sektor, macht man sich nur selten bewußt, daß die for-profit-Organisationen den kleineren Teil gesellschaftlicher Organisationen ausmachen. Warum also sollten Ressourcentheorien darauf verzichten, auch für den größeren Sektor der Realität Erklärungen und Empfehlungen anzubieten?7 Ist Management dort entbehrlich? Die Institutionenökonomik beispielsweise macht diese Einschränkung nicht, was ihr einen enormen Vorteil gegenüber den Ressourcenansätzen verschafft. 9

Fazit und Perspektiven

Es sind vor allem zwei paradigmatische Plattfüße, denen die CBV ihre Schwachstellen verdankt und die ihr konzeptionelles Vorankommen bremsen. Der erste ist die bloße Wende der outside-in-Perspektive, von der sie sich absetzte, in eine am Kontext desinteressierte inside-out-Perspektive. Eine neue 7

In Deutschland begleitet der Streit, ob die Managementlehre (oder –wissenschaft) eine Privatwirtschaftslehre sei oder sein solle, das Fach von Begin an (vgl. Nicklisch 1912; Schmalenbach 1912). Schmalenbach hatte seinerzeit den die Bezeichnung Betriebswirtschaftslehre durchgesetzt, wegen ihres „gesellschaftspolitisch neutralen Klangs“, um sich damit von der „als Profitlehre verdächtig gewordenen Privatwirtschaftslehre“ abzusetzen (vgl. dazu Hundt 1977: 47ff). Nicht in verschleiernder Absicht übrigens, sondern weil er die Managementlehre von einer gemeinwirtschaftlichen Orientierung bestimmt sehen wollte.

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Variante der alten sozialwissenschaftlichen Leier: Handlungstheorie löst Strukturtheorie löst Handlungstheorie ab, und so fort. Der andere Plattfuß ist gewissermaßen vorne, wo gesteuert wird, also noch folgenreicher: das Fehlen einer sozialen Akteurstheorie. Das handlungstheoretische Argumentationsmuster verbleibt tendenziell auf der Ebene der Modellierung von Handlungsalternativen. Es konzipiert „das Management“ oder „die Firma“ als imaginäre Instanzen, die nicht selbst von real widersprüchlichen Interessen geprägt und getrieben sind. Für eine Denkschule, welche doch die humanen Ressourcen (Wissen, Können) und das soziale Format der Produktionsfaktoren (Kooperation, Vertrauen etc.) als Momente des Wettbewerbs hervorhebt (Streben nach Unterscheidung), ist das wirklich verblüffend. Und daß sie ausgerechnet hier schwächer ist als die Neue Institutionenökonomik, ihre eigentliche akademische Konkurrentin, verschafft ihr der gegenüber einen nachhaltigen Wettbewerbsnachteil. Es hat freilich in den letzten beiden Dekaden nicht an Integrationsversuchen gemangelt. Der naheliegendste ist wohl, die beiden ungleichen Damen zu verheiraten (z. B. Altiparmak 2001; Foss/Foss 2004), wogegen nicht nur der Wettbewerbsgedanke spräche, sondern auch Thomas Kuhns (1967) ernstzunehmendes epistemologisches Heiratsverbot für Inkommensurable. Selbst Exponenten der konkurrierenden Denkschulen wie Williamson (1991) und Porter (1991) haben schon versucht, resourcenorientierte mit marktbezogener Argumentation zu verbinden (dazu auch Osterloh/Grand 1995). Freiling und Reckenfelderbäumer (2004/2007) sowie Freiling und Gersch (2006 sowie in diesem Band) versuchen es mit dem Anschluß an die Marktprozeßtheorie, an deren Ablehnung von statischem Denken und Gleichgewichtsmodellen, deren Betonunf von Wissen (und Nichtwissen), aber auch deren methodologischen Individualismus und Subjektivismus. Die Kritik an dieser Theorie ist bekannt und man kann annehmen, daß die neoliberale Welterklärung mit der „Österreichischen Schule“ ohnehin ihren Zenith überschritten hat. Die paradigmatische Alternative dazu ist eine institutionalistisch-evolutorische Ökonomik, oder noch besser, die Sozioökonomie. Sie interessiert sich speziell für die sozialen, politischen und kulturellen Institutionen, welche das Denken und Handeln sowie die Identität der Akteure beeinflussen und auch die Konstitution von Akteursgruppen prägen. Sozioökonomen wie Richard Whitley (2003) betrachten den Markt selbst als sozial formierte und in Interaktion mit anderen eingebettete Institution, unf fragen etwa, weshalb wissensgetriebener Wettbewerb da funktioniert aber nicht dort: „For example, firms with strong competences in the integration of complex forms of knowledge and advanced skills to develop and commercialize systemic technologies are unlikely to be successfully established in societies where trust in for-

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Manfred Moldaschl mal institutions is low and the state is antagonistic to independent control of major economic activities.” (Ibid: 493).

Die Sozioökonomie bietet sich generell an als Theoriepool für eine Neubegründung – nicht der CBV, sondern des Strategischen Managements und der Unternehmenstheorie generell (Moldaschl/Fischer 2004; Moldaschl 2007b). Zumal wenn man davon ausgeht, daß Unternehmung, Management und Arbeit allein auf der Basis wirtschaftswissenschaftlicher Annahmen i.e.S. nicht ausreichend oder angemessen modelliert werden können. Sie könnte als Plattform dienen für die Selektion, Kombination und auch die Kreation von Annahmen aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln - nach Maßgabe ihrer Kommensurabilität. Kommensurabel mit diesem Paradigma wären u. a. Ansätze zur Embeddedness von Strategie (z. B. Shrivastava et al. 1996, oder in Gestalt der Innovationsökonomik z. B. Dosi et al. 2000), sowie zur pragmatistischen Analyse des Managementhandelns (z. B. Feldman/Pentland 2003; vgl dazu auch den Beitrag von Kohnlechner und Güttel in diesem Band) bzw. zu „strategy as practice“ (z. B. Whittington 2002; Jarzaboworski 2004). Etliche der CBV-Annahmen sind damit ebenfalls kommensurabel und sehr affin, etwa jene zur Pfadabhängigkeit sowie zur Erzeugung von Marktungleichgewichten durch ressourcenschaffende und innovierende Unternehmen. Nicolai Foss (1996; Foss/Ishikawa 2006) geht so weit, Thorstein Veblen als Vorgänger der CBV einzusetzen. Kommensurabilität ist kein Gesetz wissenschaftlichen Arbeitens. Die Unvereinbarkeit theoriekonstituierender Basisannahmen hatte Thomas Kuhn nur deskriptiv bestimmt und definitorisch genutzt für seine Abgrenzung von Paradigmen. Aber es sprechen gute Gründe dafür, darin auch ein sinnvolles Ordnungsprinzip der Theoriekonstruktion zu sehen, von dem man nur mit noch besseren Gründen ausnahmsweise abweichen sollte. Doch das wäre nun wirklich eine neue Geschichte, die wir andernorts erzählen wollen.

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Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

1

Entwicklung von einer kompetenzbasierten Theorie der Wettbewerbsvorteile zu einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung............................................................................................448

2

Umgang mit verschiedenen Theorien im Strategischen KompetenzManagement...............................................................................................457

3

Empirische Erfassung des Strategischen Kompetenz-Managements ........459

4

Künftige Entwicklung des Strategischen Kompetenz-Managements........459

Literatur..............................................................................................................461

Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

447

Die kompetenzbasierte Forschung, bei der ein auf Kompetenzen beruhender Forschungsansatz („competence-based view“) und ein Forschungsansatz bezogen auf dynamische Fähigkeiten („dynamic capability approach“) unterschieden wird, betrachtet die Leistung und Anpassung von Unternehmen bei hoher Unsicherheit über die Umfeldentwicklung (vgl. Sanchez 2001: 157). Die Forschungsrichtung erklärt Leistungsunterschiede zwischen Unternehmen. Die kompetenzbasierte Forschung gewinnt zunehmend Popularität und Akzeptanz im strategischen Management und in der Managementforschung. Sie bildet jedoch kein homogenes Forschungsfeld. Ihr fehlt eine einheitliche Terminologie (vgl. z. B. Foss 1997; Bresser 1998; Freiling u. a. 2006; Moldaschl 2006, 2007 sowie Freiling u. a. in Kapitel 1 und Moldaschl in diesem Band). Aufgrund der Vielfalt der Erklärungsansätze mangelt es der kompetenzorientierten Forschung an Schärfe und vor allem an einer einheitlichen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Fundierung (vgl. Freiling u. a. 2006). Das Strategische Kompetenz-Management wird entweder aus traditioneller ökonomischer Perspektive (vgl. z. B. Langlois/Robertson 1995; Argyres 1996; BadenFuller/ Volberda 1997; Proff 2000, 2002a; Leiblein/Miller 2003; Foss/Foss 2004) oder aus der Perspektive neuerer ökonomischer Theorien betrachtet und damit entweder aus eher statischer oder eher dynamischer Sicht. Es kann aus Sicht der Unternehmensführung als Querschnitt über die Funktionsbereiche (vgl. z. B. die Beiträge von Freiling u. a. in Teil 1, Konlechner und Güttel, Tilebein und Stolarski oder Frost und Westermayer in diesem Band) oder aus Sicht der einzelnen betrieblichen Funktionsbereiche (vgl. z. B. die Beiträge von Busch und von der Oelsnitz, Kleefeld oder Steinhoff in diesem Band) untersucht werden, wobei Fragen der Unternehmensführung und die einzelnen betrieblichen Leistungsbereiche wie Marketing und FuE-Management weitgehend isoliert bearbeitet werden (vgl. Burr in diesem Band). Das Strategische Kompetenz-Management reicht von individuellen Kompetenzen über Kompetenzen in Gruppen und Unternehmen bis zu Kompetenzen in Netzwerken jenseits der Unternehmensgrenze (vgl. Wilkens u. a. 2006). Der Ansatz zielt bislang vor allem auf eine Theorie der Wettbewerbsvorteile, behandelt aber auch zunehmend Fragen der effizienten Unternehmensgrenze sowie der Entstehung und Veränderung von Unternehmen. Es gibt allerdings erst wenige Beiträge, die versuchen, eine kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung zu entwickeln (vgl. z. B. Conner/Prahalad 1996; Foss 1996; Madhok 1996 sowie Freiling u. a. in diesem Band).

448

Heike Proff/Kathrin Haberle

Die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Strategischen Kompetenz-Management zeigt, dass sich die Diskussion auf wenige grundlegende Themen konzentriert, auf 1. 2. 3. 4. 1

die Entwicklung von einer kompetenzbasierten Theorie der Wettbewerbsvorteile zu einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung, den Umgang mit verschiedenen Theorien im Strategischen KompetenzManagement, die empirische Erfassung des Strategischen Kompetenz-Managements und die künftige Entwicklung eines Strategischen Kompetenz-Managements. Entwicklung von einer kompetenzbasierten Theorie der Wettbewerbsvorteile zu einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung

„Es gibt derzeit keine herrschende Meinung, in welchem Theoriefundament die ressourcen- und kompetenzbasierte Forschung eigentlich zu verorten ist“ (Burr in diesem Band). Die möglichen Theorien zur Fundierung, Ergänzung oder Erweiterung des Ressourcen- bzw. Kompetenzansatzes lassen sich zwei Theoriesträngen zuordnen: a. b.

traditionellen ökonomischen Theorien (vgl. Abb. 1) neueren ökonomischen Theorien (vgl. Abb. 1)

Traditionelle und neuere ökonomische Theorien können kompetenzbasierte Wettbewerbsvorteile erklären und bieten kompetenzbasierte Erklärungen für das Entstehen und die Veränderung von Unternehmen.

Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

449

Theorie des Unternehmens: Erklärung der Entstehung und Veränderung von Unternehmen traditionelle ökonomische Theorien neoklassische Theorie der Unternehmung

Begründung der Unternehmensgrenze durch • Größendegressionsvorteilen

Begründung der Unternehmensgrenze durch • Verbundvorteile

marktorientierte Wettbewerbsvorteile • Größendegressionsvorteile • Vorteile der Produktdifferenzierung

neuere ökonomische Theorien

moderne Theorie der Unternehmung Property RightAnsatz

Transaktionskostenansatz

ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile durch • Nutzenstiftung am Markt • Begrenzung der Handel- und Imitierbarkeit z.B. Einsatz komplexer organisatorischer Ressourcen

marktorientierte Sichtweise

Theorie der Wettbewerbsvorteile:

Evolutionstheorie

Principal AgentAnsatz

Begründung der Existenz und Veränderung von Unternehmen durch • Verbindung von Transaktionskostenund Kompetenzüberlegungen

Marktstrukturtheorie

Systemtheorie

Markttheorie i.e.S. (Wettbewerbstheorie)

ressourcenorientierte Sichtweise

Begründung der Existenz und Veränderung von Unternehmen auf der Basis der Marktprozesstheorie

kompetenzorientierte Wettbewerbsvorteile durch • Anpassung an die Umfelddynamik z.B. * Lern- und Erfahrungskurvenvorteile in einem stabilen Umfeld * Fähigkeit zur Infragestellung orga. Normen und Werte bzw. Ziele und zur schrittweisen Reorganisation in einem evolvierenden Umfeld * Fähigkeit zur radikalen Veränderung der Unternehmensstruktur in einem sich radikal ändernden Umfeld

Theorien des Lernens in unterschiedlich dynamischen Umfeldern

Kompetenzansatz

Erklärung von Wettbewerbsvorteilen

Strategisches Kompetenz-Management

Abbildung 1:

Zusammenhang zwischen kompetenzbasierten Erklärungen von Wettbewerbsvorteilen und kompetenzbasierten Erklärungen der Entstehung und Veränderung von Unternehmen (Quelle: eigene Zusammenstellung nach Schneider 1985; Krause 1994; Wagner 1994: 3-8; Demsetz 1995: 1-14; Schoppe 1995 und Schmidt 1999: 68-73)

450

Heike Proff/Kathrin Haberle

Zu (a): traditionelle ökonomische Theorien als Erklärung kompetenzbasierter Wettbewerbsvorteile und Grundlage einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung Zu den traditionellen ökonomischen Theorien der Unternehmung gehört zunächst die neoklassische Theorie der Unternehmung mit der Produktionstheorie und einem Optimierungskalkül, aber auch die betriebswirtschaftlich begründeten Produktionsfaktoren von Gutenberg als Ausdifferenzierung dieser Überlegungen und die moderne Theorie der Unternehmen mit dem Property Rights-, dem Transaktionskosten- und dem Principal-Agent-Ansatz (vgl. Burr in diesem Band, auch Demsetz 1985: 1-14 und Schmidt 1999: 68-73). Traditionelle ökonomische Theorien als Erklärung von kompetenzbasierten Wettbewerbsvorteilen: Mit Hilfe der Marktstrukturtheorie (Industrial Organization Forschung bzw. Harvard-School) als Strang der traditionellen neoklassischen Theorie hat die marktorientierte Sichtweise im strategischen Management Größendegressionsvorteile und Vorteile der Produktdifferenzierung wie Werbung, Image und überlegene Produktqualität begründet. Diese marktorientierten Wettbewerbsvorteile schaffen Oligopol- bzw. Monopolrenten durch eine Verringerung der Zahl der Anbieter oder durch den Schutz vor neuen Konkurrenten. Entlang der Reaktions- und der Preis-Absatz-Funktion werden damit Handlungsspielräume gegenüber Wettbewerbern und am Markt begründet, während für die Kostenfunktion eine Abhängigkeit von der Preis-Absatz-Funktion unterstellt wird (vgl. Proff 2002b: 30-31). Die ressourcenorientierte Sichtweise im strategischen Management bezieht sich ebenfalls auf die traditionellen ökonomischen Theorien, und zwar zunächst auf die Markttheorie i. e. S., die sog. Chicago-School. Sie begründet ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile durch die unternehmensspezifische Ressourcenausstattung, d.h. durch eine effiziente Ausstattung mit oder einen besseren Zugang zu einzigartigen Ressourcen und begründet Handlungsspielräume entlang der Kostenfunktion. Ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile ergeben sich dabei durch Nutzenstiftung am Markt, z. B. Sicherstellung einer Nutzenstiftung am Markt bei der Wahl der Inputressourcen, und Schaffung einer begrenzten Handel- und Imitierbarkeit der Ressourcen, z. B. Einsatz komplexer organisatorischer Ressourcen oder Einsatz stillgehaltener Ressourcen in Routinen. Da z. B. Routinen als überindividuelle Verhaltensmuster durch Lernen in Organisationen entstehen, zeigt sich, dass der ressourcenorientierte Ansatz Erklärungen

Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

451

aus neuen ökonomischen Theorien und damit aus dem Kompetenzansatz heranzieht und somit keine so geschlossene Erklärung von Wettbewerbsvorteilen wie die marktorientierte Sichtweise bietet (verdeutlicht durch die Pfeile in Abb. 1). Traditionelle ökonomische Theorien als Grundlage einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung: Lange wurde die Grenze von Unternehmen in den traditionellen ökonomischen Theorien vor allem aus der neoklassischen Theorie über Größendegressionsvorteile und Skalenvorteile in diversifizierten Unternehmen erklärt, sowie durch Abwägung von Produktions- und Transaktionskosten aus der Transaktionskostentheorie als Teil der modernen Theorie der Unternehmung. Die Erkenntnisse der modernen Theorie der Unternehmung lassen sich jedoch mit den Kompetenzüberlegungen verbinden. Gemäß der traditionellen Transaktionskostentheorie (Williamson 1985 oder Riordan/Williamson 1985) kann ein „repräsentatives“ Unternehmen nur dann Vorprodukte effizient selbst herstellen, wenn die Investitionen in Produktionsmittel eine kritische Spezifität überschreiten. Spezifität ist dabei definiert als ”the fraction of its value that would be lost, if it were excluded from its major use” (Milgrom/Roberts 1992: 307). Dabei ist die Spezifität bei Investitionen in unspezifisches Sachkapital, z. B. in eine am Markt erhältliche Standardmaschine, geringer als bei Investitionen in spezifisches Sachkapital, z. B. in eine speziell für das Unternehmen gefertigte Maschine. Sie ist bei Investitionen in Humankapital, d.h. in individuelles und vor allem komplexes unternehmensspezifisches Wissen, am höchsten (vgl. Teece 1982). Mit steigender Spezifität der Investitionen in Produktionsmittel sinken die Transaktionskostennachteile der Koordination, vor allem der Abwicklung und Kontrolle von Leistungen im Unternehmen gegenüber der Koordination in einem zunehmend unvollkommeneren Markt. Gleichzeitig sinken die Produktionskostennachteile im Unternehmen gegenüber den Spezialisierungsvorteilen im Markt. Die kritische Spezifität ist in dem Punkt erreicht, in dem die Transaktionskostenvorteile im Unternehmen die Produktionskostennachteile gegenüber dem Markt ausgleichen. Eine erweiterte Transaktionskostenbetrachtung berücksichtigt, dass eine hohe Spezifität der Investitionen bei unvollkommenen Verträgen zum sogenannten „hold-up“-Problem der Verteilung des Nutzens eines Vertrages führt, weil dann verstärkt Möglichkeiten zu Nachverhandlungen und/oder andere Abhängigkeiten bestehen (vgl. Grossman/Hart 1986). Dadurch steigen die Transaktionskosten des Fremdbezugs und es kommt tendenziell zu einer höheren Eigenfertigung und Ausdehnung der Unternehmensgrenze. Zu einer stärke-

452

Heike Proff/Kathrin Haberle

ren Wertschöpfung durch Eigenfertigung von Vorprodukten kommt es insbesondere dann, wenn die unternehmensinternen Kosten des Wissenstransfers und der zentralen Ressourcen im Wertschöpfungsprozess geringer sind als am Markt, das geistige Eigentum gut geschützt und die Verwaltung effizient ist (vgl. Teece 1982). Der Kompetenzansatz erklärt die effiziente Grenze des Unternehmens durch unterschiedliche Ausstattung mit oder Einsatz einzigartiger Fähigkeiten und Kompetenzen (vgl. Sanchez/Heene 1996 und Teece u. a. 1997). Daraus ergeben sich nicht nur unterschiedliche Wettbewerbsvorteile, sondern auch eine unterschiedliche Fertigungstiefe und Wertschöpfung (vgl. Hoopes u. a. 2003 oder Teece 1982). Generell erfolgt nach dem Kompetenzansatz im strategischen Management die Wertschöpfung im Unternehmen, wenn sie sich auf Nutzen stiftende, begrenzt handel- und imitierbare Ressourcen stützt, die innerhalb des Unternehmens kostengünstiger als über den Markt transferiert werden können. Da begrenzt handel- und imitierbare Ressourcen sich u. a. durch eine Unternehmensspezifität auszeichnen, erweitern Kompetenzüberlegungen die traditionelle Transaktionskostentheorie. Der Kompetenzansatz erweitert damit die Aussagen zur Spezifität von Investitionen in Produktionsmittel durch die traditionelle Transaktionskostentheorie um die Forderung nach begrenzter Handel- und Imitierbarkeit von Kompetenzen. Die Handel- und Imitierbarkeit wird dann begrenzt, wenn unternehmensspezifische Ressourcen in Routinen eingesetzt werden können (vgl. Nelson/Winter 1982) und zu komplexen organisatorischen Ressourcen werden (vgl. Dierickx/Cool 1989; Barney 1991 und Grant 1991). Unternehmensspezifität lässt sich transaktionskostentheoretisch erklären: werden Ressourcen aus dem Kontext (Unternehmen) gelöst, entstehen hohe Transaktionskosten. Humankapital ist am schwersten aus dem Kontext zu lösen und bietet damit den besten Schutz vor Handel und Nachahmung und sichert langfristig ökonomische Renten (vgl. Barney 1991). Die Verbindung der modernen Theorie der Unternehmung mit dem Kompetenzansatz erklärt nicht nur die Grenze sondern auch die Veränderung von Unternehmen. Gerade durch eine Dynamisierung der Betrachtung und Erklärung der Veränderung von Unternehmen ist in den letzten Jahren die Bedeutung der kompetenztheoretischen gegenüber den transaktionskostentheoretischen Erklärungen gestiegen (vgl. Argyres 1996; Leiblein/Miller 2003). Argyres (1996) z. B. zeigt, dass die effiziente Grenze eines Unternehmens von der Art der Wissensgenerierung im Forschungs- und Entwicklungsprozess abhängt. Er begründet diese Vermutung vor allem kompetenzorientiert und unterscheidet zwischen einer Wissensgenerierung durch Erweiterung der Kompetenzen („capability broadening“) oder eine Vertiefung der Kompetenzen („capabilitiy dee-

Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

453

pening“). Volberda und Baden-Fuller sprechen in diesem Zusammenhang von Kompetenzverbesserung durch Stärkung oder Aufwertung vorhandener Kompetenzen und Kompetenzerneuerung durch Entwicklung bisher nicht vorhandener Kompetenzen (vgl. Baden-Fuller/Volberda 1997 und Volberda/Baden-Fuller 1998)1. Eine Erweiterung von Kompetenzen erfolgt durch einen Forschungs- und Entwicklungsprozess, der in stark zentralisierten Strukturen darauf abzielt, Forschungsansätze verschiedener technologischer Felder zusammenzubringen. Eine Vertiefung von Kompetenzen unterstellt demgegenüber einen sequentiellen Forschungs- und Entwicklungsprozess, der in dezentralen Strukturen erfolgt und ein technologisches Feld immer weiter vertieft. Argyres vermutet mit Bezug auf den Transaktionskostenansatz, dass bei einer Kompetenzerweiterung aufgrund der zentralisierten Forschung und Entwicklung die Spezifität der Investition in die Produktion viel höher ist, als bei einer dezentralen Kompetenzvertiefung. Bei einer Kompetenzvertiefung besteht die Gefahr, dass die Spezifität sinkt, der Markt aufholt und Zulieferer Tätigkeiten und Funktionen von den OEMs abziehen. Bei steigender Spezifität führt eine Kompetenzerweiterung tendenziell zu einer Ausdehnung der Unternehmensgrenze, eine Kompetenzvertiefung bei sinkender Spezifität zur Verengung. Zwischen der Schaffung von neuem Wissen (Kompetenzerweiterung) und der Nutzung vorhandenen Wissens (Kompetenzvertiefung) kann ein Zielkonflikt bestehen (vgl. Argyres 1996: 398), weil stark effiziente zentrale Strukturen und eher flexible dezentrale Strukturen gleichzeitig unvereinbar sind (vgl. Mette 1999). Dieser Zielkonflikt lässt sich aber im Lauf der Zeit überwinden. Auch das „hold-up“-Problem der erweiterten Transaktionskostentheorie kann durch den Kompetenzansatz fundiert werden. Für ein Unternehmen werden Nachverhandlungen dann schwieriger, wenn seine Kompetenzen erodieren und an einen Verhandlungspartner abfließen, der eigene Interessen verfolgt. Das Unternehmen hat den verstärkten Kompetenzen seines Verhandlungspartners dann oft nichts mehr entgegenzusetzen und verliert noch mehr Verhandlungsmacht. Das „hold-up“ Problem verschärft sich damit bei Erweiterung der transaktionskostentheoretischen um kompetenztheoretische Erklärungen.

1

Baden-Fuller und Volberda betrachten die Kompetenzentwicklung im Lauf der Zeit, weil es nicht mehr ausreicht, Kompetenzen erfolgreich aufzubauen. Sie müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden, weil Veränderungen im externen und internen Unternehmensumfeld Kompetenzvorteile gefährden und Kompetenzen wie alle Wirtschaftsgüter im Lauf der Zeit an Wert verlieren (vgl. McGrath u. a. 1995).

454 zu (b)

Heike Proff/Kathrin Haberle Neuere ökonomische Theorien als Erklärung kompetenzbasierter Wettbewerbsvorteile und Grundlage einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung

Zu den neueren ökonomischen Theorien der Unternehmung gehört die evolutorische Ökonomik aus der Volkswirtschaftslehre mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit, die österreichische Schule der Nationalökonomie von Kirzner, v. Hayek und Schumpeter mit der Betonung dynamischer Fragestellungen und das sozialwissenschaftliche und ökonomische Konzept der Routinen (vgl. Burr in diesem Band und Schneider 1985). Neuere ökonomische Theorien als Erklärung von kompetenzbasierten Wettbewerbsvorteilen: Es ist keinesfalls sicher, dass ein Geschäftsbereich einen Wettbewerbsvorteil im Zeitablauf halten kann (vgl. Reed/de Fillippi 1990: 94). Deshalb müssen Kompetenzen mit der Umfelddynamik eines Geschäftsbereichs abgestimmt werden (vgl. Proff 2000 und 2002b). Dies begründet der Kompetenzansatz (vgl. Abb. 1) und zieht dabei insbesondere Erklärungen von Lernprozessen und der Wissensakkumulation im Rahmen der neueren ökonomischen Theorien heran (vgl. Argyris/Schön 1978). Der Kompetenzansatz geht durch Aufgabe des starren Optimierungskalküls in einem stabilen Umfeld zugunsten eines Flexibilitätskalküls für ein evolvierendes und vor allem dynamisches, d. h. sich radikal veränderndes, Umfeld über die komparativ-statische Sichtweise der traditionellen Ökonomie hinaus. In einem weitgehend stabilen, d.h. einem stabilen oder evolvierenden Umfeld kann die Abstimmung der Wettbewerbsvorteile mit den relativ geringen Umfeldveränderungen durch Lern- und Erfahrungskurvenvorteile (in einem stabilen Umfeld) oder durch die Fähigkeit zur Infragestellung organisatorischer Normen und Werte bzw. Ziele und zur schrittweisen Reorganisation (in einem evolvierenden Umfeld) gelingen. Lern- und Erfahrungskurvenvorteile und die Fähigkeit zur Infragestellung von Normen und Werte bzw. Ziele des Unternehmens und zur schrittweisen Reorganisation sind kompetenzbasierte Wettbewerbsvorteile. In einem dynamischen Umfeld geht es nicht mehr um einen bestehenden, sondern um einen neuen Markt. Ein Flexibilitätskalkül ermöglicht es dort, Wettbewerbsvorteile selbst bei starker Umfelddynamik dauerhaft zu sichern. Im Zentrum der Argumentation des Kompetenzansatzes steht deshalb auch die Vorstellung von der Ressourcenausstattung als wandlungsfähiger Wissensbasis. Zeitlich begrenzte Monopolrenten werden erklärt durch die Fähigkeit zur radikalen

Strategisches Kompetenz-Management in der Betriebswirtschaftslehre

455

Veränderung der Unternehmensstruktur aufgrund der Kenntnis der Lernprozesse (Prozesslernen) in einem dynamischen Umfeld bzw. für einen neuen Markt2. Wettbewerbsvorteile entstehen nur durch innovative Produkte und Dienstleistungen. In einem dynamischen Umfeld ergeben sich völlig neue Ansätze für Handlungsspielräume der Unternehmensführung, so dass die ressourcenorientierte Sichtweise hier nicht mehr ausschließlich auf die Kostenfunktion zentriert ist. Neuere ökonomische Theorien als Grundlage einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung: Vertreter der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung („competencebased theory of the firm“, vgl. z. B. Freiling u. a. (2006) und in Teil 1 in diesem Band) argumentieren, dass durch sie eine - im Vergleich zu den modernen Theorien der Unternehmung innerhalb der traditionellen ökonomischen Theorie ganz andere Erklärung der Entstehung und Veränderung von Unternehmen möglich ist. Während die moderne Theorie der Unternehmung das Problem opportunistischen Handelns in den Mittelpunkt der Argumentation rückt (was den Transaktionskostenansatz recht stark reduziert) und damit die negativen Folgen der Unsicherheit wirtschaftlichen Handelns, betont die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung die Chancen der Unsicherheit. Die Vertreter der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung nehmen die Umgebung einer Unternehmung nicht als gegeben hin, wie dies in der neuen Institutionenlehre üblich ist, sondern unterstellen eine zumindest begrenzte Einflussmöglichkeit der Unternehmung auf die Umwelt durch unternehmerisches Handeln. Dabei rückt die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung zwar das einzelne Unternehmen in den Mittelpunkt der Argumentation, betrachtet dabei aber zugleich auch deren Einbettung in Märkte und die Beziehungen zu Konkurrenten und anderen Marktteilnehmern. Dadurch lässt sich die Entwicklung einer Unternehmung von der Entstehung, über Veränderungen bis zum Niedergang betrachten. Hauptargumentationspunkt ist die Potenzialebene, 2

Umfelddynamik (dynamisches Umfeld) darf nicht mit Wettbewerbsdruck bzw. Wettbewerbsintensität (Hyperwettbewerb) in einem bestehenden Markt verwechselt werden (vgl. D´Aveni 1995). Umfelddynamik bezieht sich in Anlehnung an Basil und Cook (1974) auf die Häufigkeit der Veränderung („rate of change”) und auf die Stärke der Veränderung („magnitude of change”) des Umfeldes und damit auf das Entstehen neuer Märkte bzw. Wettbewerbsarenen. Sanchez (1997) unterscheidet z. B. zwischen einem stabilen, einem sich schrittweise verändernden (evolvierenden) und einem sich radikal verändernden (dynamischen) Umfeld.

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die insbesondere durch die verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen definiert wird. Freiling u. a. (2006 und in Teil 1 in diesem Band) setzen im Rahmen einer Erklärung der Marktprozesse im Vorfeld der Opportunismus-Diskussion an und rücken Opportunitäten bei großer Unsicherheit und die Unternehmer stärker als bisher in das Betrachtungsfeld. Die Möglichkeiten, im Unternehmen ein fruchtbares „Ambiente“ zu schaffen, in dem Ressourcen und Kompetenzen sich gezielt entwickeln können, treten in den Vordergrund. Damit sehen Freiling u. a. (2006) die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung verankert in der Marktprozesstheorie. Im Rahmen dieser Theorie ist es nach Einschätzung der Autoren möglich, bisher unbeantwortete Fragen zum einzelwirtschaftlichen Hintergrund der Gestaltung von Marktprozessen zu beantworten. Durch die Marktprozesstheorie lässt sich dann erklären, warum und wie sich Akteure ein institutionelles Umfeld schaffen, um dynamisch agieren zu können. Durch die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung kann die Entstehung und Funktionsweise von Märkten erklärt werden. Im Rahmen der Theorie lässt sich die Interdependenz von Branchen, Markt, Netzwerken und Unternehmen erfassen („ausleuchten“, Freiling u. a. in Teil 1 in diesem Band). Die kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung ermöglicht eine ganzheitliche Perspektive und Konzentration auf das unternehmerische Handeln. Chancen können initiativ durch neue Leistungsangebote oder Geschäftssysteme genutzt werden. Dadurch lässt sich eine starke Absicherung und Rationalisierung des Bestehenden und die Erstarrung in Routinen vermeiden. Die ökonomische Umsetzung von Innovationen rückt in der Tradition von Schumpeter durch die evolutorische Theorie der Unternehmung wieder in den Mittelpunkt der Untersuchung3. Die zwei Theoriestränge zur Erklärung von kompetenzbasierten Wettbewerbsvorteilen und als Grundlage einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung sind nicht trennscharf, z. B. weil ressourcenorientierte Erklärungen im Rahmen der traditionellen ökonomischen Theorie der Unternehmung Lernen in unterschiedlich dynamischen Umfeldern unterstellen und damit auch evolutionstheoretisch begründet sind.

3

Da die Erfassung von Interdependenzen nicht zu konkreten Handlungsanweisungen führt, wird die evolutorische Theorie der Unternehmung kritisiert. Die Vertreter der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung entgegnen ihren Kritikern, dass sich mit ihrer Hilfe - selbst verstärkende Prozesse initiieren sowie - Kampagnen stärken und anschieben lassen.

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Umgang mit verschiedenen Theorien im Strategischen KompetenzManagement

Ein Umgang mit verschiedenen Theorien im Strategischen Kompetenz-Management ist möglich durch ƒ ƒ ƒ

Spezialisierung, d.h. Konzentration der Forschungsrichtung auf einen Theoriestrang bzw. auf eine Theorie, z. B. auf eine neuere ökonomische Theorie und hier insbesondere auf die Evolutionstheorie, Eklektizismus, die - oft unkritische - Verbindung verschiedener Theorien oder Pluralismus, durch einen kritischen Umgang mit den verschiedenen Theorien bei Vermeidung von Inkommensurabilität, d.h. bei Vermeidung eines Konfliktes zwischen widersprüchlichen Handlungsperspektiven (vgl. Scherer 1997: 55).

Auf dem Symposium wurde die Notwendigkeit eines theoretischen Pluralismus im strategischen Kompetenz-Management besonders betont. Ohne theoretischen Pluralismus (vgl. z. B. Thomas 2001: 191 und Fritz 1992: 26) ist insbesondere bei komplexen Problemen (vgl. Teece u. a. 1997 und Scherer 1997, 1999) keine „befriedigende Erklärung“ möglich (Popper 1993: 198). Nach dem auf Popper zurückgehenden und u. a. von Feyerabend (1965) maßgeblich ausgearbeiteten Prinzip des theoretischen Pluralismus müssen konkurrierende theoretische Ansätze gesucht und kritisch verglichen werden, wenn ein Erkenntnisfortschritt erreicht werden soll. Aus den verschiedenen Ansätzen müssen dann diejenigen Theorien herausgefiltert werden, die über die größte Erklärungskraft und den größten Bewährungsgrad in der Realität verfügen (vgl. Albert 1980: 49 und Popper 1989: 739). Ein solcher theoretischer Pluralismus begründet eine Multiparadigmenperspektive in der Theorie des Strategischen (Kompetenz)-Managements (vgl. Schendel 1991a und b). Eine Multiparadigmenperspektive ist bei komplexen Problemen immer dann sinnvoll, wenn es wie in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften keine handlungsleitende „Supertheorie“ (Joseph 1980) gibt und wahrscheinlich auch nicht geben wird. Dann ist Erkenntnis nur durch Vielfalt möglich (vgl. Kieser 1995: 3). Ein solches komplexes Problem ist z. B. die Formulierung von kompetenzbasierten Wettbewerbsvorteilen und Strategien. Im Strategischen Kompetenz-Management besteht allerdings ein Konflikt zwischen den traditionellen ökonomischen Theorien und den neueren ökonomischen Theorien, insbesondere der Evolutionstheorie. Auch wenn die Rationalitätsverständnisse dieser Theorien keine extremen Gegenpositionen darstellen,

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ergänzen sich die mikroökonomischen Erklärungen von Wettbewerbsvorteilen und ihre Vorstellungen von der Entstehung und Veränderung von Unternehmen nur begrenzt. Aus beiden Theorien werden widersprüchliche Handlungsempfehlungen (Wettbewerbsvorteile bzw. Handlungen im Zuge des Aufbaus und der Veränderung von Unternehmen) abgeleitet (vgl. Proff 2002: 66-71 und Abb. 1 in diesem Beitrag). Deshalb lässt sich zwischen der ressourcenorientierten Sichtweise und dem Kompetenzansatz kein weitgehend konkurrenzfreier, komplementärer theoretischer Pluralismus belegen. Ein nicht konkurrenzfreier theoretischer Pluralismus bzw. ein „Konfliktzustand zwischen widersprüchlichen Handlungsperspektiven“ (Scherer 1997: 55) ist dann problemlos, wenn die konkurrierenden Theorien unterschiedliche Antworten auf unterschiedliche Probleme geben (ebd.: 20-22). Geben diese Theorien jedoch widersprüchliche Antworten auf ein Managementproblem, z. B. die Erklärungen von angestrebten Unternehmensvorteilen, dann muss eine Lösung gefunden werden, weil Realität sonst nicht erklärt würde. Bei widersprüchlichen Antworten auf ein Managementproblem finden sich in der Literatur verschiedene Lösungswege (Proff 2002b: 69): ƒ ƒ

Rückzug auf ein geschlossenes Theoriesystem; dieser Vorschlag bleibt jedoch hinter der Forderung nach einer Multiparadigmenperspektive zurück. Ableitung und Offenlegung der Konflikte zwischen den Antworten auf ein Managementproblem bzw. zwischen unterschiedlichen Handlungsempfehlungen (Winter 1987).

Zum Umgang mit Konflikten zwischen verschiedenen Antworten auf ein Managementsystem zur Verbesserung der Informationsbasis der Handelnden wird die „Aufhellung und Einengung von Konfliktsituationen“ empfohlen (Mehler 1970: 293 und Proff 2002: 70). Die Aufhellung und Einengung von Konfliktsituation führt zum Konzept der Konsistenz (vgl. Proff 2002). In den Wirtschaftswissenschaften bedeutet Konsistenz „Widerspruchslosigkeit” (Mackensen/von Hollander 1983: 1798). Im strategischen Management bezeichnet Konsistenz die Vermeidung von Widersprüchen, z. B. zwischen angestrebten Unternehmensvorteilen (vgl. z. B. Fleck 1995: 14-15 und S. 59 sowie Johnson/Scholes 1993: 7 und 8).

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Empirische Erfassung des Strategischen Kompetenz-Managements

Auf dem Symposium wurden methodische Probleme der empirischen Kompetenzforschung angesprochen, da es ähnlich wie bei Transaktionskosten (vgl. Burr in diesem Band) noch nicht gelungen ist, Kompetenzen befriedigend zu messen. Es wurde angeregt, ähnlich der Untersuchungen zu Treibern der Transaktionskosten auch Treiber der Kompetenzen zu erfassen, zu operationalisieren und zu messen (vgl. z. B. Proff 2002a und 2005). Freiling u. a. (in Kapitel 4 dieses Bandes) hinterfragen die Übertragung des kritischen Rationalismus auf die evolutionstheoretisch begründete kompetenzbasierte Theorie der Unternehmung mit den Annahmen methodologischer Individualismus, Subjektivität, Bedeutung der Zeit, radikale Unsicherheit und gemäßigter Voluntarismus, bestimmt durch Ideosynkratien, kausale Ambiguität und Entwicklungspfade. Freiling u. a. (ebd.) empfehlen die Suche nach und Analyse von „Mustern“ von Entwicklungsprozessen entsprechend von Hayeks Theorie komplexer Phänomene („Mustererkennung“). Angesichts der ihnen zugrunde liegenden marktprozesstheoretischen Basisannahmen müssen die Muster „zwangsläufig deutlich unbestimmter sein […] als eindeutig formulierte Hypothesen mit hoher Prognosevalidität im Sinne des kritischen Rationalismus“ (Freiling u. a. in Kapitel 4 in diesem Band). Besonders geeignet erscheinen qualitativ empirische Methoden und Längsschnittsuntersuchungen. Die Suche nach solchen „Mustern“ von Entwicklungsprozessen wurde kritisch diskutiert, weil sie zwar selbst verstärkende Prozesse initiieren und Grenzen des Managementhandelns aufzeigen können, es lassen sich jedoch keine konkreten Handlungsanweisungen ableiten. Die evolutorisch-selbstorganisatorische Marktprozesstheorie von Hayeks erfährt durch die anti-empirische Grundhaltung eine selbst definierte Anwendungsgrenze. Im Zentrum der Marktprozesstheorie stehen Neuerungen bzw. Innovationen, die wissenschaftlich nicht prognostizierbar und damit einer präskriptiven Theorie der Wettbewerbsvorteile und der Unternehmung nicht zugänglich zu machen sind. Kreativität lässt sich weder planen noch steuern – allenfalls initiieren und anschieben (vgl. Proff, H.V. 2002: 57-58). 4

Künftige Entwicklung des Strategischen Kompetenz-Managements

Auf dem Symposium wurde auch über die künftige Entwicklung des strategischen Kompetenzmanagements gesprochen. Zur Abschätzung der Bedeutung

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dieser Fachrichtung ist der Beitrag, den das strategischen Kompentenzmanagement für die betriebswirtschaftliche Theorieentwicklung leistet, zu erfassen. Dabei stellen sich vor allem zwei Fragen: 1. 2.

Wie kann die Heterogenität der Unternehmen, unterschiedlich innovative Unternehmen in Umfeldern unterschiedlicher Dynamik, durch das Strategische Kompetenz-Management erfasst werden? Wie entwickeln sich die kompetenzbasierten Erklärungen von Wettbewerbsvorteilen und der Entstehung und Veränderung von Unternehmen weiter?

Zu (1): Die analytische Schwäche der Evolutionstheorie liegt in der Annahme, dass alle Unternehmen alleine in der Schaffung von Neuem ihre Aufgabe sehen. Eine solche Homogenität der Unternehmen ist empirisch nicht zu belegen und ebenso einseitig, wie die Reduzierung der Unternehmen auf Mengenanpasser. Diese Annahme der Evolutionstheorie beruht auf der Unterstellung einer radikalen Unsicherheit in der Umwelt, d.h. auf Wissens- und Informationsdefiziten der Entscheidungsträger, die in einem dynamischen Umfeld mit starken und häufigen Veränderungen (vgl. Basil/Cook 1974 und darauf bezogen Proff 2002b: 287-292 sowie Sanchez 1997) - wie sie z. B. in der Kommunikationsund in der Biotechnologie - besonders hoch sind. Bei einer solch undifferenzierten Wahrnehmung der Realität, z. B. des Innovationsverhaltens der Unternehmen, werden Kausalketten verkürzt (vgl. Meier/Slembeck 1994: 60 und Proff H.V. 2002: 58). Der Unternehmenssektor wird nicht richtig abgebildet, wenn weitgehend stabilen Branchen wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau nicht einbezogen werden. Die marktorientierte Sichtweise kann auf der Grundlage der traditionellen (industrie)ökonomischen Forschung die unterschiedliche Rentabilität der Unternehmen erklären, da sie sie die Branchenanalyse um das Konzept der strategischen Gruppen innerhalb einer Branche erweitert, um langanhaltende Profitabilitätsunterschiede zu erklären. Sie kann allerdings nur die Heterogenität von Unternehmen in einem bestehenden Markt erklären. Dies kann auch nur die auf traditionellen und modernen ökonomischen Theorien basierende ressourcenorientierte Sichtweise, die unterschiedliche Kostenfunktionen betrachtet und damit die Heterogenität in einem bestehenden Markt stützt. Sie unterstellt in dem bestehenden Markt ein weitgehend stabiles Umfeld, kann damit aber nicht Innovationen in neuen Markt erklären und dort zeitlich begrenzte Monopolrenten begründen.

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Auch zur Erfassung der Heterogenität der Unternehmen, d.h. unterschiedlich innovativer Unternehmen in Umfeldern unterschiedlicher Dynamik, durch das Strategische Kompetenz-Management ist deshalb ein theoretischer Pluralismus notwendig. Zu (2): Das Strategische Kompetenz-Management (SKM) versuchte lange, Kompetenzen als Voraussetzung für Wettbewerbsvorteile und damit ökonomische Renten zu erklären (vgl. McGrath u. a. 1995), beschäftigt sich aber zunehmend stärker mit der Erklärung von Kompetenzen selbst. Es entwickelt sich damit zu einem Organisatorischen Kompetenz-Management (OKM). Das Strategische Kompetenz-Management muss sich in Zukunft verstärkt bemühen, die Heterogenität der Unternehmen und die Entstehung und Veränderungen der Unternehmen aufgrund von Wettbewerbsvorteilen zu erklären. Dies ist nur möglich, wenn in Abhängigkeit von der Umfelddynamik die traditionellen ökonomischen Erklärungen der ressourcenorientierten Sichtweise konsistent um evolutionstheoretische Erklärungen ergänzt werden (vgl. Proff 2002a). Literatur Argyres, N. (1996): Capabilities, technological diversification and divisionalization. In: Strategic Management Journal, 17: 395-410. Argyris, C./Schön, D.A. (1978): Organizational learning. A theory of action perspective. Reading/Mass. Baden-Fuller C./Volberda H. (1997): Strategic renewal in large complex organizations. A competence-based view. In: Heene, Aime/Sanchez, Ron (Hrsg.): Competence-based strategic management. Chichester: 89-110. Barney, J. K. (1991): Firm resources and sustained competitive advantage. In: Journal of Management, 17: 99-120. Basil, D.C./Cook, C.W. (1974): The management of change. London. Bresser, R. (1998): Strategische Managementtheorie. Berlin und New York. D´Aveni/R. (1995): Hyperwettbewerb. Strategien für die neue Dynamik der Märkte. Wiesbaden. Demsetz, H. (1995): The economics of the business firm. Cambridge. Dierickx, I./Cool, K. (1989): A stock accumulation and sustainability of competitive advantage. Reply. In: Management Science, 35: 1514. Fleck, A. (1995): Hybride Wettbewerbsstrategien. Zur Synthese von Kosten- und Differenzierungsvorteilen. Wiesbaden. Foss, N. J. (1997): Resources and strategy. A brief overview of themes and contributions. In: Foss, N. (Hrsg.): Resources, firms and strategies. Oxford: 3-18. Foss, K./Foss, N.J. (2004): The next step in the evolution of RBV: Integration with transaction cost economies. In: Management Revue, 15: 107-121.

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