Wissensabhängige Strategiewahl in der Venture-Capital-Industrie : eine theoretische und empirische Analyse [1. Aufl] 3835002325, 9783835002326 [PDF]


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Wissensabhängige Strategiewahl in der Venture-Capital-Industrie : eine theoretische und empirische Analyse [1. Aufl]
 3835002325, 9783835002326 [PDF]

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Zitiervorschau

Carola Jungwirth Wissensabhangige Strategiewahl in der Venture-Capital-lndustrie

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Markt- und Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Professor Dr. Ores. h.c. Arnold Picot, Professor Dr. Professor h.c. Dr. h.c. Ralf Reichwald und Professor Dr. Egon Franck

Der Wandet von Institutionen, Technotogie und Wettbewerb pragt in vielfaltiger Weise Entwicklungen im Spannungsfeld von Markt und Unternehmung. Die Schriftenreihe greift diese Fragen auf und stellt neue Erkenntnisse aus Theorie und Praxis sowie anwendungsorientierte Konzepte und Modelle zur Diskussion.

Carola Jungwirth

Wissensabhangige Strategiewahl in der Venture-Capital-lndustrie Eine theoretische und empirische Analyse

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Egon Franck

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaiiiierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Habilitationsschrift Universitat Zurich, 2005

1.AuflageMarz2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaitigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-0232-5

Geleitwort Das Forschungsfeld „Finanzieren mit Venture Capital" ist stark segmentiert. Dies ist auf seine Komplexitat zuriickzufuhren. Denn Venture Capital ist nicht nur ein Finanzierungsinstrument, sondem es steht auch fiir die private und offentliche Initiierung von Unternehmensgrundungen und die damit verbundenen, methodisch vielfaltig handhabbaren Forschungsfragen. Die Vertrags- und Finanzierungstheorie fokussiert auf AgencyProbleme zwischen Venture Capitalist und Entrepreneur und entwickelt zumeist formale Modelle, urn zu zeigen, wie Verhaltensrisiken durch Venture Capital-Vertrage reduziert werden. Die Entrepreneurship-Forschung beschreibt Finanzierungsprozesse und -strategien i.d.R. empirisch und stiitzt sich dabei eher auf Theorie begriindende Methoden. Die Innovations- und Wissensmanagement-Forschung genau wie die Netzwerktheorie bearbeiten spezifische Fragestellungen im Bereich Venture Capital mit den ihnen zur Verftigung stehenden Methoden (z.B. der Netzwerkanalyse). Carola Jungwirth hat fur ihre Arbeit aktuell diskutierte Fragestellungen der Entrepreneurship-Forschung mit dem von der Finanzierungs- und Vertragstheorie genutzten Werkzeug kombiniert. Konkret geht es um die Frage nach den geeigneten Portfolio-, Betreuungs- und Syndizierungsstrategien, und damit darum, wie Venture Capitalisten die hohen Risiken einer Venture Capital-Finanzierung handhaben konnen. Jungwirth hat auf Basis der AgencyTheorie einen Bezugsrahmen entwickelt, der es erlaubt, die Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Strategievarianten in Abhangigkeit von den individuellen Restriktionen eines Venture Capitalisten zu analysieren. Als die wesentliche Restriktion eines Venture Capitalisten sieht sie seine Informationsverarbeitungskapazitat und erklart damit den Wissensstand des Venture Capitalisten zur entscheidenden Bedingung fur seine Strategiewahl. Jungwirths Zielstellung besteht nun darin zu uberprufen, welchen Einfluss die Bedingung „Wissensstand" auf die Strategiewahl von Venture Capitalisten tatsachlich hat. Ich halte die von Carola Jungwirth ausgewahlte und untersuchte Fragestellung fur ausgesprochen interessant und wichtig. Zum einen liefert sie mit ihrem Vorgehen einen methodischen Rahmen zur Analyse von verschiedenen, viel diskutierten, aber bisher lose nebeneinander stehenden Problemen der Entrepreneurship-Forschung. Zum anderen uberpriift sie empirisch eine von Jensen und Meckling explizit formulierte, okonomische Grundannahme, nach der der Wissensstand eines Individuums dessen Handlungsoptionen begrenzt. Auch wenn diese Annahme plausibel klingt, ist es doch wert zu priifen, ob sie sich empirisch auch belegen lasst. Fur den deutschsprachigen Markt bietet die Arbeit einen weiteren wichtigen Nutzen: Venture Capital wurde im deutschsprachigen Markt erst Mitte der 90er Jahre - und damit rund 15 Jahre spater als im US-amerikanischen Markt - zu einem uber die Fachwelt hinaus bekannten Begriff. Mit dem Aufflammen und Erloschen des kurzen New EconomyHypes, der zahlreichen Anlegem hohe Verluste bescherte, geriet Venture Capital aller-

VI

Geleitwort

dings in den Verruf, vor allem eine Geldvemichtungsmaschine zu sein. Carola Jungwirth beschreibt mit ihren Daten die aktuelle strategische Ausrichtung der deutschsprachigen Venture Capitalisten und informiert quasi nebenbei grtindlich und detailliert uber die vielschichtige Funktionsweise eines Marktes, der sich im deutschsprachigen Raum gerade erst wieder etabliert. Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat der Universitat Ziirich nahm die Arbeit als Habilitationsschrift an. Sie leistet einen wichtigen integrativen Beitrag, indem sie der Entrepreneurship-Forschung theoretische und der Organisationsforschung empirische Fundierung liefert. Weil sie dariiber hinaus die grundsatzliche Funktionsweise des Venture Kapital-Marktes auf gut verstandliche und nachvollziehbare Weise erklart, empfehle ich die Arbeit auch interessierten Praktikem sehr. Ich wiinsche der Arbeit, dass sie in Wissenschaft und Praxis die ihr gebiihrende Aufnahme findet. Prof. Dr. Egon Franck

VII

Vorwort Ich freue mich sehr, dass mit der Annahme dieser Arbeit und der Erteilung der Venia Legend! fur das Fach Betriebswirtschaftslehre durch die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat der Universitat Ztirich der formale Teil meiner wissenschaftlichen Ausbildung abgeschlossen ist. Der uber die Formalien hinausgehende Teil meiner Ausbildung wird niemals abgeschlossen sein: zu viele neue Fragen tun sich auf und zu haufig reicht das bereits erworbene Werkzeug nicht einmal zu einem Beantwortungsversuch aus. Auch daruber freue ich mich, denn offene Fragen und die Suche nach Antworten sind wohl das Spannendste im Leben Uberhaupt. Prof. Dr. Egon Franck hat diese Arbeit als Betreuer begleitet. Bei ihm war ich seit Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn zunachst als wissenschaftliche Mitarbeiterin und dann als Oberassistentin beschaftigt. Abgesehen von wertvollen Hinweisen fiir Dissertation, Habilitation, andere Publikationen und das Leben im Allgemeinen habe ich von ihm entscheidendes Handwerkszeug fiir die Arbeit im Wissenschaftsbetrieb mit auf den Weg bekommen. Ich fiihle mich gut geriistet und danke ihm daftir sehr. Prof Dr. Thomas Ehrmann, Westfalische Wilhelms-Universitat Miinster, und Prof. Dr. Peter-J. Jost, Wissenschaftliche Hochschule ftir Untemehmensfiihrung in Vallendar, haben mit ihrer positiven Begutachtung meiner Arbeit eine schnelle und reibungslose Abwicklung des Verfahrens moglich gemacht. Daftir bin ich ihnen zu groBem Dank verpflichtet. Die Richard-Biichner-Stiftung hat das Projekt fmanziell groBziigig geft)rdert und mir die Durchftihrung einer relativ aufwandigen empirischen Untersuchung ermoglicht. Hier gilt mein besonderer Dank Prof. Dr. Dieter Pfaff von der Universitat Zurich, der die Stipendienvergabe verantwortet hat. Auch wenn eine Habilitationsschrift keine Teamarbeit ist, bringt man sie dennoch kaum alleine zuwege: Dr. Petra Moog hat mir die Tiiren zur empirischen Arbeit geoffnet und mich bei der Konzeption und Durchftihrung des empirischen Teils der Arbeit unterstutzt. Die im Rahmen des „Venture Capital-Projekts" gemeinsam publizierten Papers zeugen von einer fruchtbaren Zusammenarbeit. Dr. Reto FoUmi hat die Schlussversion des empirischen Teils noch einmal Korrektur gelesen und wichtige Verbesserungsvorschlage gemacht. Meine Lehrstuhlkollegen Dr. Men-Andri Benz, Dr. Urs Meister und Dr. Torsten Pudack waren immer diskussions- und hilfsbereit und haben so den einen oder anderen Denkfehler im Vorfeld entscharft. Dominique Leu und Jeanine Hotz haben Venture Capitalisten telefonisch bezirzt, Daten gesammelt und eingearbeitet und mich mit dieser und jener Geschichte aus ihrem Leben erheitert. Herzlichen Dank daftir!

VIII

Vorwort

Und auch aus dem privaten Umfeld kam jede Menge Unterstutzung: Karin Schreiner reiste spontan nach Zurich, um mich zu pflegen, als ich einmal wirklich krank war. Martina Engelsberger kiimmerte sich wahrend der Zurcher Jahre um meine privaten Verwaltungsangelegenheiten in Deutschland. Dr. Sabina Littmann-Wemli jagte mich regelmafiig zum Joggen auf den ZUrichberg und beaufsichtigte mein seelisches und korperliches Gleichgewicht. Mein Lebensgefahrte Bemd Krause tibemahm vielfahige familiare Verpflichtungen, kiimmerte sich um die Anliegen meiner Eltem und Geschwister und entlastete mich in jeder Hinsicht sehr. Meine Familie und alle meine Freundinnen und Freunde ertrugen auch das Projekt „Habilitation" mit freundlicher Langmut. Euch alien sei fiir Eure MUhe und Freundschaft herzlich gedankt! Carola Jungwirth

IX

Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort

IV VII

Inhaltsverzeichnis Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

IX XIII

1 Einleitung

1

2 Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

5

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie 2.1.1 Zur Grundstruktur von Agency-Problemen 2.1.2 Kosten einer Agency-Beziehung 2.2 Hebel einer Venture Capital-Finanzierung

7 7 11 14

2.2.1 Die Spezialisierung auf die Griindungsfinanzierung

14

2.2.2 Der Einstiegszeitpunkt

16

2.2.3 Das Staging

20

2.2.4 Der Venture Capital-Vertrag: eine Kombination aus Cash-Flowund Kontrollrechten

22

2.2.4.1 Die Allokation des Cash-flow

23

2.2.4.2 Die Allokation der Kontrollrechte

27

2.3 Zusammenfassung im Hinblick auf die Fragestellung 3 Wissensausstattung und Strategiewahl: Theorie

29 31

3.1 Wissen als Hauptdeterminante der Strategiewahl

32

3.2 Strategische Optionen

37

3.2.1 Portfoliostrategie

37

3.2.1.1 High-Techs und Low-Techs

41

3.2.1.2 Diversifizierung und Fokussierung

44

3.2.1.3 Hypothesen

45

X

Inhaltsverzeichnis

3.2.2 Betreuungsstrategie

47

3.2.2.1 Hands-off

49

3.2.2.2 Hands-on

58

3.2.2.3 Hypothesen

60

3.2.3 Syndizierungsstrategie

63

3.2.3.1 Tauschoptionen der Venture Capitalisten

67

3.2.3.2 Hypothesen

69

3.3 Weitere mogliche strategiebestimmende Einflussfaktoren 3.3.1 „Irrationales" Verhalten

72 73

3.3.1.1 Von einer Gewinnmaximierung abweichende Praferenzen

74

3.3.1.2 Kognitive Beschrankungen

75

3.3.2 InstitutionelleRahmenbedingungen

78

3.3.2.1 Offentliche Venture Capital-Gesellschaften

79

3.3.2.2 Corporate Venture Capital-Gesellschaften

83

3.3.3 Geografische Rahmenbedingungen 3.4 Zusammenfassung 4 Wissensausstattung und Strategiewahl: Evidenz 4.1 Datenbasis und deskriptive Beftinde

86 89 93 93

4.1.1 Erhebungsdesign

93

4.1.2 Erhebungsablauf

97

4.1.3 Deskriptive Auswertung

98

4.2 Operationalisierung

101

4.2.1 Unabhangige Variable: Wissensausstattung

101

4.2.2 Abhangige Variablen

103

4.2.2.1 Portfoliountemehmenstyp, Phasenfokus und Branchenfokus

104

4.2.2.2 Betreuungstyp

107

4.2.2.3 Aktivitaten der Deal-Generierung und Syndizierungsmotive

108

4.2.3 Kontrollvariablen

110

XI

4.3 Modell und Modellgute

116

4.4 Empirische Schatzergebnisse und Diskussion

118

4.4.1 Wissensausstattung und High-Techs oder Low-Techs

118

4.4.2 Wissensausstattung und Early oder Late Stage

120

4.4.3 Wissensausstattung und Fokussierung oder Diversifizierung

122

4.4.4 Wissensausstattung und eine Hands-off- oder Hands-on-Betreuung

124

4.4.5 Wissensausstattung und aktive Deal-Generierung

126

4.4.6 Wissensausstattung und das Interesse am Zugang zu Dealflow

127

4.4.7 Uberblick uber die empirischen Ergebnisse

128

5 Zusammenfassung und Ausblick

133

6 Literaturverzeichnis

141

Stichwortverzeichnis

157

XIll

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Der Venture Capitalist als Intermediar zwischen Investor und Portfoliountemehmen

14

Abbildung 2: Finanzierungsquellen und -phasen

18

Abbildung 3: Spezifisches und allgemeines Wissen

36

Abbildung 4: Schatzgleichungen Tabelle 1: Rucklaufquote Tabelle 2: Speziflzierung der abhangigen Variablen

116 98 110

Tabelle 3: Speziflzierung der unabhangigen Variablen und der Kontroll variablen

115

Tabelle4: Regression 1 -High-Techs oder Low-Techs

118

Tabelle 5: Regression 2 - Early oder Late Stage

120

Tabelle 6: Regression 3 - Fokussierung oder Diversifizierung

122

Tabelle 7: Regression 4 - Hands-off oder hands-on

124

Tabelle 8: Regression 5 - Wissensausstattung und aktive Deal-Generierung

126

1

Einleitung

Venture Capitalisten gelten als Intermediare, die Vorteile bei der Finanzierung risikoreicher Investitionen haben.' Sie akkumulieren spezifisches Grundungs- und Finanzierungs-Know-how, sammeln Erfahrung und schaffen sich Zugang zu Netzwerken und Information. Daher entstehen ihnen fur das Tragen der Risiken einer Neugrundungsfinanzierung geringere Kosten als anderen Finanzintermediaren. Dieser komparative Vorteil lasst erwarten, dass Venture Capitalisten sich vorrangig in innovativen HighTech-Projekten mit hohen Upside-Chancen engagieren. Hier konnen sie ihre Spezialisierungsvorteile realisieren und treten nicht in unmittelbare Konkurrenz zu anderen Finanzintermediaren. Ein Blick auf das tatsachliche Investitionsverhalten deutscher, schweizerischer und osterreichischer Venture Capitalisten zeigt allerdings ein gegenteiliges Bild. Die Venture Capitalisten investieren nur etwa ein Drittel des zur Verfiigung stehenden Kapitals in High-Tech-Projekte und den Rest in traditionelle Industriebereiche.^ Allerdings unterscheiden sich die Portfolios der Venture Capitalisten stark. Wahrend manche den eingangs formulierten Erwartungen entsprechen und vor allem HighTech-Projekte in ihrem Portfolio halten, investieren andere vorwiegend traditionell.^ Zudem streuen einige Venture Capitalisten ihre Investments iiber viele Branchen, wahrend andere sich auf eine oder wenige Branchen fokussieren."^ Unterschiede in Bezug auf die Portfoliogestaltung manifestieren sich auch bei der PortfoliogroBe und den Investitionsvolumina.^ Aber nicht nur die Portfoliogestaltung, sondem auch die Art und Intensitat der Betreuung der Portfoliountemehmen und die Motive fur eine Zusammenarbeit variieren von Venture Capitalist zu Venture Capitalist.^ Die vorliegende Arbeit thematisiert gezielt die Unterschiede in der Strategiewahl von Venture Capitalisten und versucht, diese auf eine gemeinsame Ursache zuruckzufiihren. Dazu stellt sie folgende Basishypothese auf: Die Venture Capitalisten unterscheiden sich in ihren Strategien, weil sie aufgrund ihres unterschiedlichen Wissensstandes nur bestimmte, zu ihrem Wissensstand passende Strategien wahlen konnen. Sie inves-

Vgl. RuhnkaA'oung (1991), Gompers (1995), Amit et al. (1998) oder Spremann (1998). Vgl. EVCA (2003), S. 250, BVK (2002), S. 9, sowie die Informationen auf der Homepage des osterreichischem Venture Capital-Verbandes AVCO. Dieses Verhalten ist bei alien europaischen Venture Capitalisten zu beobachten. Vgl. EVCA (2003). Vgl. Murray/Lott (1995) und Lockett et al. (2002). Vgl. Norton/Tenenbaum (1993a, b) und Norton/Tenenbaum (1992). Vgl. Gumming (2001) und Bottazzi/Da Rin (2002). Vgl. hierzu ausfuhrlich die Abschnitte 3.2.2 und 3.2.3 und die dort angegebene Literatur.

2

1. Einleitung

tieren also deswegen z. B. in Low-Tech-Untemehmen, well sie nicht liber das notwendige Wissen verfiigen, in High-Techs zu investieren. Diese Basishypothese geht auf eine Aussage von Jensen und Meckling (1995, S. 5) zuriick. „The opportunity set confronting an individual or afirmis a function of the individual's knowledge. Decision-makers have limited knowledge at two levels. 'Technological feasibility' reflects currently limited human knowledge about physical laws. Economic analysis reflects this limitation in the statement that knowledge is given and depends on the state of technology at the time. The second limitation on knowledge, and the one of more concern here, is due to physical limitations specific to each individual [...]. Humans have limited mental capability." Aus diesem Statement leitet die Arbeit ihre Vorgehensweise ab: Wenn Wissen tatsachlich die Handlungsoptionen eines Individuums begrenzt, dann muss es moglich sein, von der Wissensausstattung eines Venture Capitalisten auf dessen Strategiewahl zu schlieBen. Und das tut die vorliegende Arbeit. Sie analysiert zunachst mit Hilfe eines Agency-theoretischen Bezugsrahmens, welche Strategiewahl bei welcher Art von Wissensausstattung zu erwarten ist, und stellt dann Hypothesen Uber die Auswirkung der Wissensausstattung auf die Strategiewahl von Venture Capitalisten auf. Diese Hypothesen testet sie anschliefiend mit einem selbst erhobenen Datensatz. Ausloser flir Fragestellung und Vorgehen ist die Tatsache, dass die empirisch ausgerichtete Entrepreneurship-Literatur den Einfluss der Wissensausstattung auf die Strategiewahl weit gehend vemachlassigt. Allein bei Bygrave (1987) findet sich ein Hinweis auf die Bedeutung von Wissen im Venture Capital-Geschaft: „Knowledge is an important distinctive competence of venture capital firms."^ Die Literatur greift diesen Hinweis bei der Analyse und Prognose der Strategiewahl von Venture Capitalisten allerdings nicht systematisch auf und verfolgt ihn damit auch nicht weiter.^ So wird beispielsweise nach dem Einfluss der Finanzierungsphase (friih oder spat) eines Projekts auf die Betreuungsintensitat gefragt oder nach dem Einfluss der Art des Projekts (hightech oder low-tech) auf die Motive der Zusammenarbeit mit anderen Venture Capitalisten.^ Beide Fragen untersuchen, wie Venture Capitalisten mit Informationsasymmetrien umgehen. Aber keine der Antworten nimmt direkt Bezug auf das, was den Umgang mit Informationsasymmetrien bestimmt: die Wissensausstattung der Akteure. Diesen Einfluss genau zu analysieren und aus der Analyse Schlussfolgerungen fiir die Strategiewahl zu ziehen, ist Ziel der vorliegenden Arbeit.

Bygrave (1987), S. 139. Vgl. an dieser Stelle stell stellvertretend Elango et al. (1995). Die Literatur wird ausfiihrlich in Kapitel drei diskutiert. Vgl. z. B. Elango et al. (1995) und Lockett/Wright (2001).

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Weil sie sich an einen weiter gefassten Interessentenkreis aus den Bereichen Untemehmensfiihrung und Grundungsforschung richtet, gibt sie zunachst in Kapitel zwei einen grundsatzlichen Einbiick in das Finanzieren mit Venture Capital. Grundlage der finanzierungstheoretischen Uberlegungen ist die Agency-Theorie. Daher wird sie zu Beginn kurz skizziert. Der zweite Teil des Kapitels befasst sich mit dem Ablauf einer Venture Capital-Finanzierung und den vertraglichen Hebeln, die die Agency-Probleme in der Beziehung zwischen Venture Capitalist und Portfoliountemehmen verringem helfen. Kapitel drei teilt die Venture Capitalisten in 2^wei „Wissenstypen" ein und erlautert ausflihrlich, in welcher Weise die Wissensausstattung eines Venture Capitalisten seine Strategiewahl beeinflusst. Anschliessend stellt es die strategischen Optionen des Venture Capitalisten vor. Das sind erstens die Optionen der Portfoliogestaltung des Venture Capitalisten, die die Art der ausgewahlten Projekte (Technologielevel, Finanzierungsphase) und den Diversifikationsgrad des Portfolios (fokussiert oder diversifiziert) betreffen. Das Zusammenpassen eines bestimmten Technologielevels des Untemehmens mit einem entsprechenden Wissensstand des Venture Capitalisten senkt dessen Informationsrisiken erheblich. Aus diesem Grunde lasst sich die Portfoliostrategie unmittelbar aus dem Wissensstand eines Venture Capitalisten prognostizieren. Die Optionen beziehen sich zweitens auf die Betreuungsintensitat des Venture Capitalisten und auf das Ausmass seiner Einbindung in das unmittelbare Untemehmensgeschehen. Die Strategic des Venture Capitalisten wird hier von zwei Determinanten bestimmt. Das ist zum einen sein Wissensstand, gemessen an den Anforderungen, die der Komplexitatsgrad des Portfoliountemehmens an seinen Wissensstand stellt, und zum anderen sein Wissensstand relativ zu dem seiner Konkurrenten. Ein hoher Wissensstand in Verbindung mit einer hohen Komplexitat des Projekts sichert zwar einen konkurrenzfreien Zugriff auf das Portfoliountemehmen. Dennoch bleiben Informationsasymmetrien gegeniiber dem Portfoliountemehmen bestehen. Dagegen sind ftir alle Interessenten an einem traditionellen Untemehmen die Informationsasymmetrien gleichermassen gering. Der Abschnitt zu den Betreuungsstrategien diskutiert, in welcher dieser beiden Situationen cine intensive, bis in das operative Geschaft hineinreichende Betreuung (Hands-on-Strategic) und in welcher Situation cine auf das Monitoring beschrankte Betreuung (Hands-off-Strategic) effizient ist. Zuletzt wird die Frage aufgeworfen, inwieweit der Wissensstand eines Venture Capitalisten seine Strategic in der Zusammenarbeit mit anderen Venture Capitalisten beeinflusst. Kooperationen sind im Venture Capital-Geschaft alltaglich. Die haufigste Form ist die gemeinsame Finanziemng von Projekten, die so genannte Syndizicmng. Diese erlaubt es den Venture Capitalisten, ihre Risiken Uber mehrere Projekte zu diversifizieren, Informationen auszutauschen und sich Zugang zu Deals zu verschaffen. Die Nutzung dieser Netzwerke vemrsacht allerdings auch Kosten. Daher wird im Abschnitt

4

1. Einleitung

„Syndizierungsstrategie" diskutiert, fur welchen Venture Capitalisten sich welche Art der Kooperation lohnt. Kapitel drei schliesst mit der Diskussion weiterer Determinanten, die fur die Strategiewahl eines Venture Capitalisten ausschlaggebend sein konnten. Kapitel vier Uberprtift mit Hilfe einer empirischen Untersuchung, ob und inwieweit sich ftir die aus dem theoretischen Bezugsrahmen und der Literatur abgeleiteten Hypothesen Evidenz finden lasst. Von Februar bis Mai 2003 fand im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Datenerhebung statt, die alle in den deutschen, osterreichischen und schweizerischen Venture Capital-Verbanden assoziierten Venture Capitalisten umfasste. Aufgrund einer Rucklaufquote von knapp 50 Prozent liessen sich Daten von 103 Venture Capitalisten auswerten. Diese ftir Untersuchungen im Venture CapitalBereich uberdurchschnittlich hohe Fallzahl erlaubt es, die Hypothesen mit einem multivariaten Schatzverfahren zu testen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung unterstiitzen die Basishypothese, dass die Wissensausstattung die Strategiewahl beeinflusst. Auch die Prognosen uber die Art der Strategiewahl im Einzelnen scheinen sich zu bestatigen. Die Arbeit schliesst mit einem Fazit und einigen Anmerkungen zum weiteren Forschungsbedarf.

2

Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

Venture Capital bezeichnet das Risiko- oder Wagniskapital, das Venture CapitalGesellschaften von Investoren akquirieren und zur Finanzierung junger innovativer Untemehmen zur Verftigung stellen.'^ Finanzieren mit Venture Capital bedeutet aber mehr als das Bereitstellen von Kapital. Es bedeutet, einen spezifischen GovemanceMechanismus zu verwenden, der hohe Verhaltensrisiken bei gleichzeitig hohen Marktrisiken handhabbar macht.'^ Die Risiken einer Venture Capital-Finanzierung zeichnen sich an den durchschnittlichen Erfolgsquoten der Investments ab: Etwa 20 bis 30 Prozent aller Investments scheitem und vemichten das eingesetzte Kapital ganz oder teilweise. 60 bis 70 Prozent sind maBig erfolgreich, so genannte „Living Deads"'^, die kostendeckend arbeiten oder im besten Fall einen Teil des eingesetzten Kapitals zuriickspielen, aber keine Gewinne fiir den Venture Capitalisten einbringen. Maximal 10 Prozent der Untemehmen sind hoch profitable, so genannte „High Flyer", die mit hohen Gewinnen an der Borse oder an andere Untemehmen verkauft werden konnen.^^ Ziel eines Venture Capitalisten ist es, das eigene Portfolio moglichst gewinnbringend zu bewirtschaften. Dazu muss er potenzielle „High-Flyer" fmden, in sein Portfolio aufnehmen und sie zum Erfolg fuhren. Das Finanziemngsinstmment „Venture Capital" ist entsprechend komplex, und die Defmitionen erinnem eher an ein Managementprogramm als an eine Finanziemngsform: „Venture Capital ist das Aufspiiren, Finanzieren und Fordem von Erfolg versprechenden Untemehmensgrundungen mit dem Ziel, sobald die Untemehmen ihre Existenz gefestigt haben, eine Weiterfinanzierung iiber andere Wege sicherzustellen. Die aktive untemehmerische Untersttitzung des Untemehmens durch den Venture Capital-Geber bildet dabei das Kemstuck des Venture Capital-Prozesses."''* Und Sahlman (1990, S. 473) erklart: „By venture capital I mean a professionally managed pool of capital that is invested in equity-linked securities of private ventures at various stages in their development. Venture capitalists are actively involved in the management of the ventures they fund, typiVgl. hierzu und zu Folgendem Zemke (1995), S. 27fif.sowie Spremann (1998). Vgl. grundlegend Barney et al. (1989), Sahlman (1990), Amit et al. (1998) und Gilson (2002). Vgl. ausfuhrlich Ruhnka et al. (1992). Vgl. Gebhardt/Schmidt (2002), S. 240 f Vgl. auch Sahlman (1990), S. 484, der ahnliche Zahlen vorlegt: 13 Venture Capital-Gesellschaften investierten $ 245 Mio. in 383 Portfoliountemehmen und erzielten beim Verkauf der Anteile $ 1.049 Mrd. Dabei erreichten 6,8 Prozent der Investments nahezu 50 Prozent der Verkaufserlose, wahrend 11,5 Prozent einen Totalverlust und 23 Prozent einen Partialverlust verursachten. 58,7 Prozent aller Investments waren maBig erfolgreich, d. h. die Anfangsinvestitionen konnten um das 0 bis 9,9-fache gesteigert werden. Vgl. zu ahnlichen Relationen auch Zider 1998, S. 136 oder Gompers/Lemer 2002. Weimerskirch (2000), S. 9.

2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

cally becoming members of the board of directors and retaining important economic rights in addition to their ownership rights. " Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal von Venture Capital zu anderen Finanzierungsformen besteht darin, dass der Venture Capitalist iiber seine Eigenkapitalanteile auf die Entscheidungen seines Portfoliountemehmens direkt Einfluss nehmen kann und dies auch tut. Sein Ziel ist die Maximierung des Untemehmenswertes innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums'^. Anschliefiend versuchen die Venture Capitalisten, ihre Anteile an die Griinder selbst (Buyback) oder an ein anderes Untemehmen (Verkauf) zu verkaufen bzw. sie durch ein Initial Public Offering (IPO) an der Borse zu platzieren.'^ Gompers und Lemer (2002) sprechen von einem Venture CapitalBCreislauf, der mit dem Auflegen eines Venture Capital-Fonds beginnt, mit der Suche nach Investitionsprojekten, deren Monitoring und aktiver Betreuung weitergeht, sich mit dem Exit des Venture Capitalisten und der Kapitalruckgabe an die Investoren schliesst, aber durch die Auflage eines neuen Fonds wieder auflebt. Fur das VerstSndnis der Venture Capital-Industrie ist das Verstandnis dieses Kreislaufs unabdingbar: Es ist das Geschaft eines Venture Capitalisten, Anteile an einem Portfoliountemehmen zu kaufen, diese zu bewirtschaften, und mOglichst gewinnbringend zu verkaufen, um dann in ein neues Untemehmen zu investieren. Das Geschaftsinteresse eines Venture Capitalisten ist damit nur in Ausnahmefallen - nSmlich dann, wenn sich ein Griinder auf das Griinden spezialisiert hat und als professioneller Griinder agiert - mit dem Interesse des Untemehmensgriinders deckungsgleich.'^ Wahrend er allein an einer Gewinnmaximierung innerhalb eines begrenzten Zeithorizonts interessiert ist, realisiert ein Griinder u. U. mit den Mitteln des Venture Capitalisten nicht unmittelbar vermarktbare Forschungsprojekte oder geniefit den Status eines Untemehmers mit alien Aimehmlichkeiten. Die solchermafien divergierenden Interessen bieten der Beziehung von Venture Capitalist und Untemehmensgriinder reichlich Konfliktpotenzial. Kapitel zwei widmet sich grundsatzlich der Frage, wie - d. h. mit Hilfe welcher Hebel - die Finanzierungsform Venture Capital das Konfliktpotenzial zwischen Venture Capitalist und Portfoliounternehmen entscharfl. Da die Agency-Theorie Informationsasymmetrien, Interessenkonflikte und die daraus resultierenden Verhaltensrisiken zwischen Prinzipal und Agenten explizit thematisiert, wird diese Theorie im Folgenden als theoretisches Basiswerkzeug kurz vorgestellt. Ausgehend von diesem Agency-theoretischen Bezugsrahmen werden die Hebel einer Venture Capital-Finanzierung erlautert.

I. d. R. geht es um fiinf Jahre. Vgl. Gebhardt/Schmidt (2002), S. 239. Vgl. zu professionellen Griindem oder „serial entrepreneurs" Wright et al. (1997) und Ucbarasan et al. (2003).

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie Agency-Beziehungen bestehen immer dann, wenn ein Agent fur einen Prinzipal Entscheidungen trifft und damit dessen Nutzenniveau beeinflusst. Da beide Parteien iiber unterschiedliche Nutzenftinktionen verfugen, jeweils ihren eigenen Nutzen maximieren und dabei nur unvollstandig informiert sind, muss der Prinzipal mit einer nicht ausreichenden Wahmehmung oder einer Unterwanderung seiner Interessen durch den Agenten rechnen. Die Verhaltensrisiken, die sich daraus ergeben, versuchen die Parteien mit „geeigneten" vertraglichen Arrangements abzuschwachen.'*

2.1.1 Zur Grundstruktur von Agency-Problemen Informationsasymmetrien und einseitige spezifische Investitionen sind die Ursache fiir die unterschiedlichen Risiken in der Beziehung zwischen Prinzipal und Agent. Bei vollkommener Information konnten die beiden Parteien vollstandige Vertrage vereinbaren, die alle Eventualitaten exakt regelten. Den Vertragspartnem entsttinden dafiir keine Kosten. Weil Information jedoch begrenzt und zukiinftig eintretende Situationen kaum in jeder moglichen Bedingungskonstellation abzuschStzen sind, entstehen Vertragsliicken, die die Agency-Probleme verursachen. Bei den Informationsasymmetrien sind zwei grundsatzliche Typen zu unterscheiden: Es existieren erstens Informationsdefizite des Prinzipals in Bezug auf die diskretionaren Verhaltensspielraume des Agenten (Moral Hazard) und es existieren zweitens Informationsdefizite in Bezug auf die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes (Adverse Selection).'^ Ein drittes Problem im Rahmen einer Agency-Beziehung, das so genannte Hold-up-Problem, lasst sich nicht auf Informationsasymmetrien zuriickfiihren. Vielmehr ist vor Vertragsabschluss beiden Parteien klar, dass die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes noch nicht genau spezifizierbar sind. Da allerdings eine Partei speziflsch in die Produktion des Vertragsgegenstandes investieren muss, entstehen Vertragslticken, die die eine Partei dazu nutzen kann, die andere um die Erlose aus den spezifischen Investitionen zu bringen.

Moral Hazard Die Grundstruktur eines nachvertraglichen Agency-Problems wird anhand des so genannten Basis-Modells erlautert.^^ Dieses Modell arbeitet den Trade-off zwischen Risikoteilung und Anreizsetzung in einer Agency-Beziehung heraus und erlaubt dabei prinzipielle Einsichten uber die Natur eines Agency-Problems: Ein Prinzipal, dessen '*

Vgl. ausfuhrlich Krakel (1999), Jost (2001) und Picot et al. (2002), Kapitel 3.3 und die dort angegebene Literatur zur Agency-Theorie.

^^ Vgl. Krakel (1999), S. 22. ^°

Vgl. Holmstrom (1979), Milgrom/Roberts (1992), S. 200-203, Brickley et al. (2001), S. 375-380.

2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

Nutzenfunktion durch die Variable „Wohlstand" determiniert ist, verpflichtet einen Agenten, dessen Nutzenfunktion die Variablen „Wohlstand" und „Arbeitsleid" umfasst, eine Periode lang fiir ihn tatig zu sein. Der Prinzipal ist risikoneutral. FUr ihn ist es also gleichgultig, ob er eine fixe Summe ausbezahlt bekommt, oder ob er in ein risikoreiches Projekt investiert, dessen Erwartungswert gleich der fixen Summe ist. Der Agent dagegen ist risikoavers. Er zieht die fixe Auszahlung einem risikoreichen Projekt mit einem etwas hoheren Erwartungswert vor.^' Wird er doch zur Ubemahme von Risiko verpflichtet, lasst er sich die Differenz zwischen Erwartungswert und fixer Summe (dem Sicherheitsaquivalent) mit einer Risikopramie kompensieren. Der Agent produziert einen vom Prinzipal beobachtbaren Output, der von seinem Arbeitseinsatz und einer Zufallsvariablen abhangt, und den er nicht nachtraglich manipulieren kann. Jede zusatzliche Einheit „Arbeitseinsatz" steigert seinen Output um einen gewissen Betrag. Allerdings beeinflusst die Zufallsvariable den Output, so dass der Agent das Ergebnis seiner Anstrengungen nur zum Teil kontrollieren kann. Da der Prinzipal Risiken gegeniiber indifferent, der Agent jedoch risikoavers und damit bereit ist, auf zu erwartende Gewinne zu verzichten, um eine fixe Auszahlung zu erhalten, ware es aus einer Risikoperspektive sinnvoll, den Agenten fix zu entlohnen, wahrend der Prinzipal das durch die Zufallsvariable hervorgerufene exogene Risiko tragt. Ein solches Arrangement ermoglicht es dem Agenten allerdings, einen Output, der aufgrund eines mangelnden Arbeitseinsatzes geringer ausfallt, auf den Einfluss der Zufallsvariable zuriickzufiihren. Die exogene Zufallsvariable verschafft dem Agent diskretionare Verhaltensspielraume, die er zu Lasten des Prinzipals ausnutzen kann. Dieses Problem bezeichnet man ais Moral Hazard. Aus dieser Informationsasymmetrie ergeben sich Probleme fiir die Vertragsgestaltung: Erhalt der Agent eine fixe Auszahlung, etwa in Form einer einmaligen, bei Vertragsabschluss vereinbarten Entschadigung, hat er systematische Anreize zur Leistungszuriickhaltung, da er seinen Nutzen erhohen kann, indem er seinen Arbeitseinsatz einschrankt. Dass die Outputminderung auf den Agenten zuruckgeht, bleibt unentdeckt, da der Einfluss der Zufallsvariablen auf das Arbeitsergebnis unbekannt ist. Wird der Agent dagegen am Gewinn und damit am Risiko beteiligt, hat er zwar weniger Anreize zur Leistungszuriickhaltung, muss aber fiir die Ubemahme von Risiko kompensiert werden.

Vgl. Milgrom/Roberts (1992), S. 187.

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie

Der Prinzipal versucht bei der Vertragsgestaltung zwei Probleme zu losen. Zum einen sucht er nach Anhaltspunkten, um den Einfluss exogener GroBen „irgendwie" einzuschatzen.^^ Zum anderen konstruiert er iiber Gewinn- und damit auch Risikobeteiligungen ein Anreizsystem, das den Agenten zur Teilnahme bewegt und das seinen eigenen Wohlstand maximiert. In einem optimalen Anreizvertrag miissen beide Aspekte aufeinander abgestimmt sein: Je besser die Moglichkeiten der Beobachtung sind, desto geringer ist die Notwendigkeit, Anreize zu setzen, und umgekehrt.

Adverse Selection Adverse Selection beschreibt eine Situation, in der der Prinzipal vom Agenten iiber entscheidungsrelevante Eigenschaften nicht informiert wird und daher bei der Auswahl des Agenten eine wohlstandsminimierende Fehlentscheidung trifft.^^ Beim vorvertraglichen Adverse-Selection-Problem spielen die endogenen Handlungen des Agenten keine Rolle. Es geht nur darum, private Information tiber die Leistungsfahigkeit und Risikoaversion des Agenten zu ubermitteln, die als exogene GroBen aufgefasst werden. SchlieBlich kann der Agent beides nicht ad hoc andem. Genau wie beim Moral Hazard-Problem der Trade-off zwischen Anreizsetzung und optimaler Risikoteilung systematisch suboptimale Losungen produziert, fiihrt Adverse Selection systematisch zu einer Stoning der Agency-Beziehung, die Akerlof (1970) als „The market for lemons" popular gemacht hat: Wenn Nachfrager die Qualitat einer Leistung oder einer Ware nicht einschatzen konnen, richten sie ihre Zahlungsbereitschaft an der zu erwartenden Durchschnittsqualitat aus. Damit lohnt es sich ftir die Anbieter tiberdurchschnittlicher Qualitat nicht mehr, ihre Leistungen auf dem Markt zu handeln, da sie fur ihre uberdurchschnittliche Leistung nur mit einem Durchschnittspreis kompensiert werden. Wenn sie daraufhin ihre Guter oder Leistungen vom Markt abziehen, sinkt die DurchschnittsqualitSt, was wiederum die Anbieter ehemaliger Durchschnittsleistungen zu uberdurchschnittlichen Anbietem macht, ftir die es sich nicht mehr lohnt, ihre Leistungen anzubieten. Die Akteure ziehen „uberdurchschnittliche" Leistungen also solange ab, bis der Markt zusammenbricht. Dieses Marktversagen ist darauf zuriickzuftihren, dass es den Akteuren unmoglich ist, sich iiber die Qualitat der zu tauschenden Leistung zu verstandigen.^"* Holmstrom (1979), S. 74 spricht von „imperfect information about actions". Die Anforderungen an das „Irgendwie" fassen Milgrom und Roberts (1992, S. 219) im Prinzip des Aufschlussreichtums (informativeness principle) zusammen: Bei der Gestaltung eines Anreizvertrags sollten Leistungsmasse gewahlt werden, die das wahre Anstrengungsniveau des Agenten moglichst direkt abbilden, und Leistungsmasse verworfen werden, die sehr storanfallig gegenilber exogenen Einflussfaktoren sind. Vgl. z. B. Krakel (1999), S. 23-25. „But good cars and bad cars must still sell at the same price - since it is impossible for a buyer to tell the difference between a good car and a bad car. " Akerlof (1970), S. 489.

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2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

Das Beschreibungsproblem fiihrt zu der paradoxen Situation, dass die Verbesserung eines Informationsstands iiber ein Gut oder Uber eine Leistung zu Preisabschlagen fiihren kann, wenn die Information nur einer Vertragspartei zuganglich ist. Dies gilt fur gebrauchte Guter, uber deren Qualitat eine Partei groBere Klarheit hat als die andere, wahrend die Qualitat eines entsprechenden Neuprodukts beiden Vertragsparteien gleichermaUen unbekannt ist. Der Erwerber eines Neuwagens erhalt wahrend der Nutzung Informationen Uber diesen Wagen, die es vorher nicht gab, die aber nur ihm allein zuganglich sind. Verkauft er den Wagen, wenn er immer noch ein Quasi-Neuwagen ist, offenbart er damit Qualitatsmangel. SchlieBlich hat er ihn mit Hilfe aller allgemein zuganglichen Informationen ausgewahlt und die einzig neue Information bei der Nutzung gewonnen. Diese Information scheint also zum Verkauf zu fiihren. Kein Kaufer wird daher bereit sein, auch nur annahemd den Neupreis zu bezahlen. Die hohen Preisabschlage ftir Autos, sobald sie vom Hof des Verkaufers gefahren sind, haben nach Akerlof (1970, S. 489) also nichts mit einer Praferenz fiir Neuwagen zu tun. Vielmehr scheint ein Informationsvorsprung zum Verkauf zu veranlassen, was RiickschlUsse auf die Art der Information zulasst, namlich, dass es sich um einen Wagen handelt, den man besser nicht selbst fahrt.^^

Hold-up Der dritte Problemtyp, das so genannte Hold-up, unterscheidet sich von den zwei vorherigen dadurch, dass Informationsasymmetrien nicht die ausschlaggebende Rolle spielen. Die Vertragspartner gehen der Gefahr sozusagen sehenden Auges entgegen, konnen aber nicht verhindem, von ihren Vertragspartnem betrogen zu werden. Das Problem tritt immer dann auf, wenn ein Vertragspartner flir die Vertragserfiillung spezifisch investieren muss, die Aushandlung eines vollstandigen Vertrags aber prohibitive Kosten verursacht. In diesem Fall bleibt der Vertrag unvollstandig, so dass die eine Vertragspartei immer behaupten kann, die Leistung oder das Ergebnis entspreche nicht der erwarteten Leistung. Mit diesem Argument kann die eine Vertragspartei die andere um die Riickfltisse aus ihren Investitionen bringen. Da die Partei, die investieren sollte, diese Hold-up-Gefahr voraussieht, wird sie nicht bereit sein zu investieren, und es kommt zur Unterinvestition.^^ Admati und Pfleiderer (1994) untersuchen ein zum Gebrauchtwagenmarkt analoges Problem, das sich aus dem besseren Informationsstand des Venture Capitalisten ergibt, der als erster in ein Projekt investiert hat. Dieser hat Anreize, die Signale uber die Projektqualitat - die er selbst besser einschatzen kann als jeder andere Investor - zu seinen Gunsten zu manipulieren. Kauft er in einer nachsten Finanzierungsrunde Anteile hinzu, so kann das bedeuten, dass das Projekt tatsachlich gut ist. Es kann aber auch die Anteilspreise eines schlechten Projekts in die Hohe treiben, und notwendiges Kapital in das Portfoliountemehmen spielen. Verkauft er, gilt dasselbe. Nur wenn der Venture Capitalist in jeder Finanzierungsrunde immer den gleichen Anteil am Portfoliountemehmen halt, kann er den Verdacht potentieller Mitinvestoren, dass er Informationen manipuliere, glaubhaft aus dem Weg raumen. Vgl. Hart/Moore (1990), Rajan/Zingales (1998) oder Pagano/Rossi (2002).

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie

2.1.2 Kosten einer Agency-Beziehung Alle drei oben beschriebenen Probleme lassen sich durch geeignete MaBnahmen abschwachen. Diese verursachen allerdings Kosten. Das Moral-Hazard-Risiko sinkt, wenn der Prinzipal dem Agenten z. B. durch eine Gewinnbeteilung Anreize setzt, in seinem Interesse zu handeln. Hier entstehen Kosten, weil der Agent zusatzlich fiir das Tragen von Risiko kompensiert werden muss. Neben der Interessenangleichung stellt die Kontrolle eine Moglichkeit dar, Informationsdefizite abzubauen und diskretionare Verhaltensspielraume des Agenten einzuengen.^^ Aber auch hier entstehen Kosten, weil Uberwachungskapazitaten bereitzustellen sind. Das Adverse-Selection-Risiko kann durch Mafinahmen der Informationsbereitstellung (Signaling) durch die besser informierte Partei, sowie durch MaBnahmen der Informationssuche durch die schlechter informierte Partei (Screening) reduziert werden. FUr die Signalproduktion und ftir die Suchanstrengungen entstehen wiederum Kosten. Das Hold-up-Risiko lasst sich durch glaubhafte Commitments einschranken. Die eine Vertragspartei hinterlegt bei der anderen ein Pfand, das im Falle eines Erpressungsversuchs fur den Pfandgeber verloren ware. Reputation ist ein solches Pfand, aber auch vom Prinzipal fmanzierte Investitionen in allgemeines Wissen im Austausch fur Investitionen in spezifisches Wissen Oder Gegengeschafte zwischen Zulieferer und Hersteller sind es.^^ Auch diese MaBnahmen der Selbstbindung kosten. Insgesamt werden Agency-Kosten als die Such- und Monitoring-Kosten des Prinzipals und die Signalisierungskosten des Agenten defmiert.^^ Weil keine dieser MaBnahmen die Informationsasymmetrien vollstandig beseitigen oder Vertrage perfekt gegen Hold-up absichem kann, bleiben immer Agency-Probleme bestehen. Jensen und Meckling (1995) erinnem allerdings daran, dass es eine Alternative zur Inkaufnahme von Agency-Kosten gibt. Anstatt Aufgaben an den Agenten zu delegieren, kann der Prinzipal auch auf die Option „Selbstentscheiden" ausweichen. Allerdings entstehen dem Prinzipal hierbei ebenfalls Kosten, denn er muss sich das notwendige Wissen beschaffen, um iiberhaupt entscheiden zu konnen. Die Kosten der Aneignung des Wissens, auf dessen Grundlage eine Entscheidung getroffen wird, werden als Wissenstransferkosten bezeichnet. „Knowledge transfer costs include out of pocket costs of transmitting the knowledge to the person with the decision rights, losses that arise from delays in this transmission process, and the loss that occurs because the decision maker does not understand the knowledge well enough to act on it in a timely manner."

Vgl. dazu ausfuhrlich Milgrom/Roberts (1992), S. 166-196, Brickley et al. (2001), S. 368-388. Vgl. Franck/Jungwirth (2003) und Williamson (1983). Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308 30

Christieetal. (2003), S. 5.

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2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

Wissenstransferkosten differieren sehr stark in Abhangigkeit von zwei Determinanten. Das sind zum einen der zur Losung einer Aufgabe notwendige Wissensstand und zum anderen der vom „Loser der Aufgabe" gehaltene Wissensstand. Je grosser die Differenz zwischen dem Wissensstand des Entscheiders und dem zur Losung einer Aufgabe notwendigen Wissen, desto hoher fallen die Wissenstransferkosten ftir den Entscheider aus. Diese Aussage mag trivial sein. Dennoch erklart sie den von Jensen und Meckling (1995) zu Anfang der Arbeit zitierten funktionalen Zusammenhang zwischen individuellem Wissen und den realisierbaren strategischen Optionen. Eine grosse Differenz zwischen dem Wissen und den Anforderungen an das Wissen flihrt u. U. zu prohibitiven Wissenstransferkosten, die die strategische Option „Selbstentscheiden" unterlaufen. Dennoch kann im Falle prohibitiver Wissenstransferkosten nicht automatisch „delegiert" werden, da hier die Agency-Kosten der Delegation zu bedenken sind. Denn das zum „Selbstentscheiden" fehlende Wissen fehlt u. U. eben auch zum Monitoring, so dass bei gleicher Wissensausstattung nicht nur prohibitive Wissenstransfer-, sondem auch prohibitive Agency-Kosten anfallen konnen. Man konnte also an dieser Stelle argumentieren, dass mit der Unterscheidung von Wissenstransfer- und Agency-Kosten ein Problem kiinstlich konstruiert wurde, da Wissen nicht nur zum Selbstentscheiden, sondem auch zum Auswahlen und Uberwachen des Agenten notwendig ist. Damit entstehen in jedem Fall Wissenstransferkosten. Die beiden Kostenblocke lassen sich jedoch analytisch trennen. Der Prinzipal kann namlich beschliefien, ganz auf die Inkaufnahme von Wissenstransferkosten zu verzichten. Fiir einen privaten Investor, der einen kleinen Anteil seines Kapitals in einen Venture Kapital-Fonds einlegt, ist diese Entscheidung rational. Er vertraut lediglich auf den Schutz durch institutionelle Rahmenbedingungen, denn die Transferkosten, die sich aus dem Erwerb des zur Kontrolle notwendigen Wissens ergaben, waren fur ihn weit hoher als die Schaden, die er selbst durch sein Informiertsein vermeiden konnte. Auf der anderen Seite kann der Prinzipal auf Delegation vollstandig verzichten und selbst entscheiden. Agency- und Wissenstransferkosten existieren also nebeneinander und unabhangig voneinander. Ein weiteres Argument fur die analytische Trennung von Agency- und Wissenstransfer-Kosten ist, dass die Art des Informationstransfers, die der Delegation einer Entscheidung an den Agenten vorausgeht, sich von jener unterscheidet, die das Selbstentscheiden ermoglicht. Wahrend bei der Delegation Informationen Uber den potenziellen Agenten eingeholt, dessen Fahigkeiten beurteilt und das Ergebnis seiner Arbeit bewertet werden miissen, gilt es beim Selbstentscheiden vor allem, selbst zu lemen: „Transfer, as we use it, means effective transfer, not merely communication. The recipient of knowledge is presumed to understand the message well enough to act on it. The simple purchase of a physics book is not sufficient to transfer the knowledge to the purchaser (as evidenced by students who regularly pay thousands of dollars for help in acquiring such knowledge). Thus, transfer involves the use of storage and processing capacity as well as input/output channels of the human brain. Moreover, knowledge trans-

2.1 Ausgangspunkt: Die Agency-Theorie

13

fers are not instantaneous; it takes people time to absorb information. These delays are costly, and for some decisions such cost can be high, including even the complete loss of opportunities." Aus den oben angefiihrten Griinden wird der Prinzipal MaBnahmen ergreifen, die einen Mix aus Agency- und Wissenstransferkosten verursachen, und dabei das Mafinahmenbiindel mit den fiir ihn geringsten Gesamtkosten wahlen. Allerdings spielt noch ein weiterer Kostenfaktor eine Rolle, namlich die Opportunitatskosten einer Auswahlentscheidung.^^ Wurde der Prinzipal ausschliefilich im Hinblick auf eine Minimierung von Wissenstransfer- und Agency-Kosten optimieren, nahme er ausschlieClich Projekte in Angriff, die einfach strukturiert und leicht kontrollierbar sind und ihm so weder hohe Wissenstransfer-, noch hohe Agency-Kosten bescheren. Daher kalkuliert der Prinzipal auch die Opportunitatskosten einer Projektwahl mit ein. Das Konzept der Opportunitatskosten thematisiert die entgangenen Gewinne oder den entgangenen Nutzen, den eine Ressource in ihrer zweitbesten Verwendung stiften wUrde. Bei der Ressource handeh es sich zum Beispiel um die Zeit und das Kapital, die ein Prinzipal in die Auswahl und Uberwachung eines Projekts investiert. Wenn er dieselbe Zeit und dasselbe Kapital ftir ein Projekt aufVvendet, das hohere Ertrage realisiert, lohnt sich fur den Prinzipal u. U. auch die Inkaufnahme hoherer Wissenstransfer- und Agency-Kosten. Damit hangt die Effizienz einer Entscheidung nicht nur von der Summe aus Wissenstransfer- und Agency-Kosten, sondem gleichzeitig auch von der Hohe der Opportunitatskosten ab, die dem Prinzipal bei einer Projektentscheidung entstehen. Die in diesem Abschnitt eingefiihrten Kosten einer Agency-Beziehung dienen dazu, die Wahlentscheidungen eines Venture Capitalisten zu prognostizieren. Es wird analysiert, welche der zur Auswahl stehenden Altemativen aus Sicht des Venture Capitalisten die geringsten Gesamtkosten aufsveist, und angenommen, dass er sich fiir diese Alternative entscheiden wird.^^

^'

JensenMeckling (1995), S. 6.

^^ Vgl. Kaesey/Moon (1995). "

Vgl. Jungwirth (1998), S. 23-31.

2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

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2.2 Rebel einer Venture Capital-Finanzierung Die beschriebenen Agency-Probleme spielen in der Venture Capital-Industrie wegen den hohen Informationsasymmetrien und Interessenkonflikten bei gleichzeitig hochgradig unsicheren Umweltbedingungen eine ftindamentale Rolle. Den Akteuren ist es jedoch gelungen, die Risiken mit Hilfe geeigneter Rebel soweit zu reduzieren, dass die Investoren aus dem Einlegen ihres Kapitals in Fonds, die Venture Capitalisten aus der Selektion und Bewirtschaftung von Portfoliountemehmen und die Portfoliountemehmer aus der Griindung neuer Untemehmen positive RuckflUsse erwarten konnen.

2.2.1 Die Spezialisierung auf die Griindungsfinanzierung Bei Kreditinstituten, Kapitalanlagegesellschaften oder Venture Capital-Gesellschaften handelt es sich urn Finanzintermediare, die institutionell zwischen Investoren und Schuldner oder hier Portfoliountemehmen geschaltet sind und mit beiden Parteien jeweils eigenstandige Vertragsbeziehungen eingehen.^"* Prinzipal Investor

Agent Venture Capitalist Prinzipal

Portfoliounternehmen/Grflnder

M

Agent

Abbildung 1: Der Venture Capitalist als Intermediar zwischen Investor und Portfoliountemehmen (eigene Darstellung).

Die Vorteile eines Intermediars liegen in seiner Spezialisierung auf den reibungslosen Ablauf eines Geschafts zwischen zwei Vertragspartnem, die aufgrund hoher Informationsasymmetrien u. U. gar kein Geschaft abschliessen wurden. Dies leuchtet aus einer Transaktionskostenperspektive^^ unmittelbar ein. Aus einer Agency-Perspektive stellt sich jedoch die Frage, ob sich fur den Investor als Prinzipal die Inkaufnahme zusatzlicher Agency-Kosten lohnt, wenn ein weiterer Agent mit im Spiel ist. SchlieBlich verfolgt auch dieser eigene Interessen und verfiigt uber Informationsvorspriinge, die er zulasten des Prinzipals ausnutzen wird. Mit dieser Frage setzen sich in zwei viel zitierten Beitragen Leland und Pyle (1977) sowie Chan (1983) auseinander. Der Beitrag von Leland und Pyle gilt als Grundstein der Theorie der Finanzintermediation. Er zeigt, wie das von Akerlof (1979) herausgearbeitete „Market-for-Lemons"-Problem durch den Einsatz von Intermediaren ent^"^ Vgl. hierzu und folgendem Zemke (1995), S. 47 ff. sowie Spremann (1998), S. 141 ff ^^

Vgl. dazu Coase (1937), Williamson (1979) und Picot et al. (2002).

2.2. Hebel einer Venture Capital-Finanzierung

15

scharft wird, die sich aufgrund der Informationsasymmetrien auf dem Kapitalmarkt gewissermassen zwangslaufig etablieren. Denn wenn Informationen liber bestimmte Arten von Kapitalanlagen nicht frei erhaltlich sind, sondem Kosten ftir ihre Erhebung anfallen, und wenn sich gleichzeitig Economies of Scale bei der Sammlung dieser Informationen realisieren lassen, erweist es sich als effizient, einen Informationssammler und -verkaufer einzusetzen. Allerdings gibt es dabei zwei Probleme: Das eine ist das mit der Informationsproduktion verbundene „Offentliche-Gut-Problem":^^ Aufgrund der nahezu kostenlosen Transferier- und Reproduzierbarkeit von Information ist deren Diffusion kaum zu verhindem. Hat der Informationsproduzent sein Gut einmal verkauft, muss er mit der Weitergabe bzw. dem Weiterverkauf durch den Kaufer rechnen und kann keine Gewinne aus dem Mehrfachverkauf erwarten. Das zweite Problem betrifft die Glaubwiirdigkeit von Information: Ftir die Kunden besteht zunachst einmal kein Unterschied, ob der Untemehmensgrunder selbst oder der Informationssammler behauptet, dass eine Investition in sein Untemehmen gewinnbringend sei. In beiden Fallen konnen sie den Wahrheitsgehalt der Information nicht einschatzen. Sie werden also ihre Zahlungsbereitschaft am Erwartungswert ftir die Qualitat der Information ausrichten, so dass die Produzenten uberdurchschnittlich guter Information keine Anreize zum Markteintritt haben. Das urspningliche „Market-for-Lemons"-Problem besteht in diesem Szenario also weiterhin. Die Lage andert sich, wenn der Informationssammler und -verkaufer als Intermediar auftritt, der Kapitalanteile kauft und halt, und dabei seine Spezialisierungsvorteile nutzt: Denn wenn die produzierte Information nicht verkauft, sondem zum Aufbau eines Portfolios privat genutzt wird, kann sie nicht diffundieren. Sie ist Bestandteil der Kapitalanlage und erwirtschaftet ihre Renditen uber die Wertsteigerung des Portfolios. Legt der Intermediar eigenes Kapital ein, hat er auch das Glaubwurdigkeitsproblem gelost. Denn eine Eigenbeteiligung ist ein Signal an die Investoren, dass der Intermediar ein Eigeninteresse an der Generierung guter Informationen hat und selbst an die Qualitat der auf dieser Informationsbasis ausgewahlten Investments glaubt. Leland und Pyle weisen darauf hin, dass die tiberlegene Risikosortierftmktion trotz zusatzlicher Agency-Kosten zur Einschaltung des Venture Capitalisten als Intermediar fiihrt. Aber nicht nur die Investoren, auch die Grtinder sind bereit, zusatzliche Agency-Kosten in Kauf zu nehmen, denn sie wollen nicht auf das Signal verzichten, von einem tiberlegenen „Sortierer" identifiziert worden zu sein. Chans Beitrag (1983) weitet die Argumentation von Leland und Pyle (1977) aus, indem er Intermediare nicht nur als Informationsproduzenten, sondem als Erschaffer von Mehrwert beschreibt. Er knupft an ein Statement von Hirshleifer (1971) an, wonach Information keinen sozialen Nutzen stifte, wenn sie nicht gleichzeitig eine Verbessemng der Produktionsprozesse evoziere. Auch Chan verweist auf das Akerlofsche Vgl. zu einer ausfUhrlichen Diskussion Anand/Galetovic (2000).

16

2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

„The-Market-for-Lemons"-Dilemma. Da die bestehenden Informationsasymmetrien den Untemehmensgrundem systematische Anreize bieten, nur mediokre Projekte auf dem Kapitalmarkt anzubieten, ziehen Investoren unrentable, aber sichere Investments vor, wahrend Untemehmensgriinder Erfolg versprechende Projekte wegen Kapitalmangel nicht durchftihren konnen. Insgesamt werden Ressourcen suboptimal alloziiert. Die Existenz eines Intermediars, der Lemvorteile bei der Beurteilung von Investments realisieren kann, unterbindet das Angebot minderwertiger Projekte und flihrt aufgrund des Wettbewerbs um Grundungskapital - im Gegenteil - zu einer Verbesserung der Qualitat der angebotenen Projekte. Insgesamt steigem Intermediare die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft also dadurch, dass sie - indem sie den Informationsstand auf einem Markt verbessem - die Qualitat der auf diesem Markt angebotenen Projekte erhohen. Der Markt kann seine Ressourcen auf diese Weise auf wenige rentable Projekte alloziieren und deren Erfolgswahrscheinlichkeit steigem. Dieser Abschnitt hat gezeigt, wie sich die Agency-Probleme zwischen Investor und Portfoliountemehmens ganz grundsatzlich losen lassen, namlich durch den Einsatz eines Intermediars, den Venture Capitalisten, der zwischen Investor und Portfoliountemehmen steht. Die Agency-Beziehung zwischen Investor und Venture Capitalist wird im Folgenden nicht weiter thematisiert, da sich der Fokus der Arbeit auf die Beziehung Venture Capitalist - Portfoliountemehmen richtet. Die Beteiligung des Venture Capitalisten am Fondsgewinn^^, seine Eigenkapitaleinlagen in den Fonds und seine auf dem Spiel stehende Reputation scheinen Anreizmechanismus und Commitment genug, um eine stabile Beziehung gewahrleisten zu konnen.^^ Die in der Beziehung zum Portfoliountemehmen genutzten Hebel und ihre Wirkungsweise sind Gegenstand der nachsten Abschnitte.

2.2.2 Der Einstiegszeitpunkt Der Venture Capital-Kreislauf beschreibt die Entwicklung eines Untemehmens von der Idee bis zum Borsengang. Fur den Venture Capitalisten ergeben sich innerhalb dieser Entwicklung verschiedene mogliche Einstiegszeitpunkte in den Finanziemngsprozess, der in unterschiedliche Phasen aufgesplittet ist.^^ Die Einteilung dieser Phasen

Fur das Fondsmanagement erhalt er zwischen 1,5 Prozent und 3 Prozent des eingelegten Kapitals als fixe Verwaltungsgebiihr und ist mit ca. 20 Prozent an am Gewinn eines Fonds beteiligt. Vgl. Gompers/Lemer (2002), S. 10 und ausfuhrlich Sahlman (1990), S. 494-501. Tatsachlich sind die Vertrage zwischen Venture Capitalisten und Investoren jedoch ahnlich komplex wie die zwischen Venture Capitalist und Portfoliountemehmen. Vgl. dazu ausfuhrlich Lemer/Schoar (2004), Gompers/Lemer (2002) S. 29-55, sowie Gompers/Lemer (1999). Vgl. hierzu und zu folgendem Broglie (2004), S. 104-107, Schefczyk (2000), S. 35-38, S. 84, Zemke (1995), S. 28-36.

2.2. Hebel einer Venture Capital-Finanziening

17

in die Friih- (Early Stage), die Expansions- (Expansion Stage) und die Spatphase (Late Stage) folgt einer standardisierten Bewertung. Bereits die Nennung der Finanzierungsphase, in der sich ein Portfoliountemehmen gerade befindet, offenbart dem Venture Capitalisten wichtige Informationen uber dessen Entwicklungsstand und Entwicklungsverlauf. Die Wahl des Einstiegszeitpunkts wirkt als Hebel innerhalb der Venture Capital-Beziehung, weil er das Ausmass des Adverse-Selection-Risikos bestimmt, mit dem der Venture Capitalist konfrontiert ist. Bevor der Zusammenhang zwischen Einstiegszeitpunkt und Adverse-Selection-Risiko herausgearbeitet wird, sollen die Phasen kurz beschrieben werden. Early Stage In der Fruhphase ermoglicht ein Seed Financing die Umwandlung einer Idee zu einem Geschaftskonzept. Hier werden grundlegende Forschungs- und Entwicklungsaktivitatenfinanziert,die klaren sollen, ob eine Idee eine weitere Investition wert ist. Am (erfolgreichen) Ende dieser Phase steht beispielsweise die Entwicklung eines noch nicht verkaufsreifen Prototyps. Der Kapitalbedarf ist vergleichsweise gering und wird in der Regel aus Eigenmitteln befriedigt. Die Entwicklung bis zur Produktionsreife besorgt das Start-up-Financing, das der eigentlichen Griindungsfmanzierung entspricht. Die Untemehmen oder Projekte sind zu diesem Zeitpunkt etwa ein Jahr alt und benotigen Mittel, um die Produkte weiterzuentwickeln und die Prototypen sowie den avisierten Markt zu testen. In der Start-up-Phase werden die Markte analysiert, das Managementteam (neu) gebildet und der Business-Plan verfeinert. Die Moglichkeiten, Venture Capital zu akquirieren, sind eingeschrankt und die Griinder greifen auf Eigenmittel bzw. offentliche Mittel zuriick. Expansion Stage In der Expansionsphase nehmen die Untemehmen die Produktion auf und bemiihen sich um eine Markteinfuhrung und den Vertriebsauf- und -ausbau. Die Expansionsphase selbst wird ebenfalls in drei bis vier Etappen unterteilt: In der friihen Entwicklungsphase (First Stage) finden sich Investoren bzw. flnden die Untemehmensgriinder Investoren, wenn der Prototyp uberzeugt. In dieser Phase bestehen keine grosseren technischen Risiken mehr, und es liegen glaubhafte Marktstudien vor. In der anschliessenden Expansionsphase (Second Stage) hat das Grundungsuntemehmen bereits Produkte verkauft, Kunden gewonnen und sich im Markt Anerkennung erworben. Es arbeitet am Rande der Profitabilitat, und der weitere Erfolgsverlauf ist noch nicht ganz klar abzuschatzen. In einer nachsten Phase (Third Stage) arbeitet das Untemehmen zwar profitabel, aber Kapitalmangel behindert die Expansion. Das Venture Capital ist zur Ausweitung der Produktionskapazitaten, des Marketings und zur Durchftihrung von Produktverbessemngen notwendig. In dieser Phase ware es dem Griindungsunternehmen auch moglich, Bankkredite aufzunehmen, da Sicherheiten in Form von Produktionsstatten, Patenten, etc. vorhanden sind. In der vierten Phase (Fourth Stage) bestehen flir exteme Investoren kaum noch nennenswerte Risiken. Das Griindungsunter-

2. Grundlagen: Finanzieren mit Venture Capital

18

nehmen wird hier allerdings eine Kreditfinanzierung vorziehen, um die Eigentumsverhaltnisse nicht weiter zu verdunnen. Kennzeichen dieser letzten Expansionsphase ist, dass die Form des Verkaufs noch unsicher ist. Die Venture Capitalisten wissen nicht, wann und unter welchen Bedingungen (Buy-out, Verkauf oder Borsengang) sie ihr Kapital aus dem Untemehmen herausziehen konnen. Late Stage Die Vorbereitung des Kapitalabzugs durch den Venture Capitalisten bildet den Schwerpunkt der letzten Finanzierungsphase. Zwar wissen die Vertragsparteien, dass sich der Cash-out- bzw. Exit-Zeitpunkt nahert, trotzdem ist weiteres Kapital ftir ein schnelles Wachstum notwendig. Die Situation ist insofem problematisch, als der favorisierte Borsengang von exogenen Faktoren abhangt und iiber den „besten" Zeitpunkt ftir einen Borsengang zwischen den beteiligten Parteien nur selten Einigkeit besteht. Zu diesem Zeitpunkt wird auch uber den Ausstieg oder die weitere Einbindung des Griindungsteams und iiber die Ausbezahlung friiher Investoren verhandelt. SchlieBlich erfolgt der Cash-out oder Exit, und der Venture Capitalist liquidiert seine Anteile. Bei der Liquidation sind Zeitverzogerungen einzurechnen, da ein Borsengang Mindesthaltezeiten ftir die eigenen Aktienanteile vorsieht, bei einem Verkauf Aktienpositionen zum Teil getauscht und bei einem Buy-out Eigenkapitalanteile in Fremdkapital umgewandelt werden.

Finanzierungsphasen

Seed

Untemehmensphasen

Produktkonzept

Early Stage Start Up

| First Stage

Untemehmensgriindung

Markteinfuhrung

Gewinn

Verlust

Finanzierungsquellen

Expansion Second/Third Stage Ausbau, Vertrieb

^ X^.

^

Eigene Mittel —Offentliche Fordermittel ' ^^ligVl

W

-^

i Divesting Forth/Later Exit Stage Erweiterung des Vertriebssystems, Diversifizierung

^

^

^