Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage
 383491276X, 9783834912763 [PDF]

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Zitiervorschau

Klaus Brockhoff Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte

Klaus Brockhoff

Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte Eine Skizze

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Brockhoff war vor seiner Emeritierung Rektor und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenspolitik an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Heute ist er dort Inhaber einer Honorarprofessur. r

1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Stefanie Brich | Renate Schilling Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1276-3

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Vorwort

Im Gespräch mit Studierenden und Praktikern fiel mir auf, dass zwar eine Vielzahl von Methoden, Konzepten und sogar Namen von Betriebswirten bekannt sind, aber eine zeitliche Einordnung dieser Kenntnisse fehlt. Das erschwert zugleich das Verständnis, weil man sich nicht darüber klar wird, welcher Wissenschaftler mit welchem Konzept auf welchen Kenntnissen seiner Vorgänger aufbaute oder hätte aufbauen können. Letzteres ist besonders interessant. Bei näherem Hinsehen entdeckt man nämlich eine große Anzahl von Fällen, in denen – vielleicht mit neuen Worten und größerer Eleganz – etwas dargestellt wird, das schon in früheren Zeiten wohl bekannt war. Manchmal wird auch völlig unangemessen der Stab über einem Wissenschafter oder seinen Erkenntnissen gebrochen, weil man glaubt eine spätere Erkenntnis sei schon vor seiner Zeit gewonnen gewesen. Zu Beginn von Vorlesungen habe ich gelegentlich einen kleinen Fragebogen ausfüllen lassen, in dem sehr prominente Vertreter der Betriebswirtschaftslehre und in nahezu aller Munde befindliche Konzepte zeitlich eingeordnet werden sollten, wobei großzügig Zeiträume von bis zu einer Generation als richtig gewertet wurden. Die Ergebnisse sind teilweise grotesk falsch. Ich erspare es den genannten Wissenschaftlern und ihren Schöpfungen, hier zitiert zu werden. Sodann konnte ich bemerken, dass sich Studierende nicht darüber im Klaren sind, ob die von ihnen erlernte Betriebswirtschaftslehre nun eine Wissenschaft ist oder eine Menge von Regeln, die einem Rezeptbuch entnommen ist. Was eine Wissenschaft ausmacht, ist dabei ebenfalls unbekannt. Es fehlt an Ansatzpunkten, um die gewünschte Klarheit kriteriengestützt plausibel zu machen, wenn sie schon nicht empirisch beweiskräftig gewonnen werden kann. Das hängt damit zusammen, dass die für die wissenschaftliche Arbeit eigentlich verbindlichen Kriterien weder allgemein bekannt scheinen, noch in ihrer Bedeutung gewürdigt werden. Das bietet nun eine Fülle von Ansatzpunkten, um diese Aspekte in geordneter Form zu behandeln. Schon ein unsystematischer Blick in die dazu relevant scheinende Literatur lehrt aber, dass auch hier die Erkenntnis gilt, dass viel mehr an Geschichte vorhanden ist als tunlich dargestellt werden kann. Deshalb lag dieser Darstellung die Forderung zu Grunde, eine Skizze zu erstellen. Diese kann dann Anlass zur vertieften Behandlung oder eigen-

V

ständigen Quellensuche geben. Das wird in der heutigen Zeit dadurch erleichtert, dass viele Quellen in elektronisch lesbarer Form zugänglich sind. Leider sind die Fundstellen dafür, zum Beispiel in elektronischen Lexika, nicht immer verlässlich. Dem Verfasser war es eine große Freude, den meist sehr bekannten Autoren erstmals oder erneut in ihren eigenen Schriften zu begegnen. Ein wenig von dieser Freude soll an die Leser weitergegeben werden, indem markant erscheinende Ausschnitte hier im Wortlaut präsentiert werden. Den Menschen hinter den zitierten Texten begegnen wir nicht persönlich. Aber von einigen werden durch Plastik, Gemälde oder Stich Bilder vermittelt. Auch durch deren Betrachtung lernt man etwas über die Persönlichkeiten, weshalb solche Bilder hier wiedergegeben werden. In wenigen Fällen konnte auch eine Schriftprobe dargestellt werden. Anlass für diese Veröffentlichung waren die Vorlesungen, die ich an der WHU – Otto-Beisheim-Hochschule – hielt. Im Laufe der Jahre stieg die Zuhörerzahl an, zugleich auch der Wunsch, über Folien hinaus informiert zu werden. So wuchs das Manuskript aus Stichworten heraus. Die zugehörige Lehrveranstaltung richtete sich an das jeweils letzte Semester des Studiengangs. Das scheint der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. Die Erörterungen langweilen nicht, wie zu Beginn des Studiums zu erwarten ist, wo weder Namen noch Konzepte bekannt sind und die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der gewählten Disziplin noch kaum wesentlich erscheint. Am Ende des Studiums gibt es bei vielen Studierenden das Bedürfnis nach Ordnung des Wissens oder Orientierung über das zu diesem Zeitpunkt verfügbare Wissen. Erstaunlicherweise haben nun auch Praktiker im Gespräch erkennen lassen, dass ihnen eine solche Skizze zum Nachschlagen oder als Argumentationshilfe nützlich erscheint. Nur kurz möge ein solcher Text sein, so wurde mehrfach betont. Ob es gelungen ist, diese verschiedenen Wünsche und Orientierungen „unter einen Hut“ zu bringen, muss der Leser entscheiden. Korrekturhinweise, Kürzungs- und Ergänzungswünsche werden gerne aufgenommen; es ist ja nicht auszuschließen, dass vielleicht genügend Interesse für die Verbesserung des Textes besteht. Frau Stephanie Daleki hat mir bei der technischen Vorbereitung der Veröffentlichung mit virtuoser Beherrschung des Schreibsystems sehr geholfen. Dafür sei ihr herzlich gedankt.

VI

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Die Literatur wurde in Fußnoten an der jeweiligen Stelle voll zitiert. Da nur wenige Autoren mit denselben Werken häufiger zitiert werden, wurde deshalb auf ein Literaturverzeichnis verzichtet. Das kleine Buch ist denjenigen Betriebswirten gewidmet, deren wissenschaftliche Beiträge das Fach zu seiner heutigen Bedeutung haben wachsen lassen. Seine Veröffentlichung wird mit der Entschuldigung bei den Scharen ungenannter Betriebswirte verbunden, die ebenfalls zu dem heute erreichten Entwicklungsstand beitrugen. Es ist mehrfach beklagt worden, das Fach gehe mit seinen Vorfahren wenig freundlich um, weil es sie weitgehend vernachlässige. Eine „Skizze“ kann diesen Vorwurf nicht ausräumen. Immerhin aber wird überhaupt auf das Herkommen hingewiesen. Koblenz, 2008

Klaus Brockhoff

VII

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Inhalt

Vorwort 1.

2.

V Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

1

1.1 1.2 1.3

1 3 8

Einführung Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs Eine nicht endende Diskussion

Elemente einer Wissenschaft 2.1

13

2.2

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

13 19

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7

Meinung und Erkenntnis Induktion und Experiment Sichtweisen der Betriebswirtschaftslehre Anforderungen: Wertfreiheit Anforderungen: Falsifizierbarkeit Allgemeine Kontrollanforderungen Skeptiker oder „anything goes“?

20 22 24 27 30 32 34

2.3

Wissensbewahrung

35

2.3.1 2.3.2 2.3.3

Kumulatives Wissen und „Tacitness“ Beispiele der Betriebswirtschaftslehre Eine kurze Bemerkung zu Moden

35 37 43

2.4

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

44

2.4.1 2.4.2 2.4.3

Funktionale Spezialisierung Institutionalisierung und Objektspezialisierung Betriebswirtschaftslehre als Objektspezialisierung in den Wissenschaften

44 47 48

IX

2.5 3.

4.

5.

6.

52

Wissenschaftlicher Fortschritt

55

3.1 3.2

Ein kurzer Blick auf die individuelle Situation Entwicklungswege von Disziplinen

55 57

3.2.1 3.2.2

Modellvorstellung der Entwicklung Ungelöste Fragen als Ausgangspunkte

57 60

3.3

Ergebnis

66

Unternehmenstheorien als Beispiele

69

4.1 4.2 4.3

70 72 75

Das ist ein Unternehmen Darum gibt es Unternehmen Das ist ein Unternehmer

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

85

5.1 5.2

85 88

Erwartungen Grenzen

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

101

6.1

Überblick

101

6.1.1

Von der physischen Dokumentation von Geschäftsvorfällen bis zum Zeitalter der Aufklärung Aufklärung Vorschlag für eine Universitätsdisziplin Auf dem Weg zu mikroökonomischen Theorien Anfänge der Institutionalisierung der Disziplin Die umstrittene Bezeichnung der Disziplin Schwerpunkte betriebswirtschaftlichen Publizierens bis 1933 Betriebswirtschaftslehre in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft Ein kurzer Blick in das Ausland Ein Neubeginn

6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.1.8 6.1.9 6.1.10

X

Ergebnis

101 119 131 135 146 155 162 167 180 188

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6.2

7.

Schluss 7.1 7.2

8.

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

200 209

Rückblick 209 Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 216

Biographischer Anhang

225

8.1 8.2

225 229

Überblick Biographische Tabelle

Namensverzeichnis

251

XI

Einführung

1 Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

1.1

Einführung

Im deutschen Sprachraum ist die Betriebswirtschaftslehre im Vergleich zu anderen Feldern geistiger Erkenntnissuche als Wissenschaft erst sehr spät wahrgenommen worden. Das ist im Folgenden noch genauer zu beleuchten. Ebenso ist auf die Schwierigkeiten einzugehen, die auf dem Weg zur heute akzeptierten Fachbezeichnung zurückzulegen waren. Das geschieht in den Kapiteln 5ff. Es gibt in Deutschland bis heute Stimmen, die die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft in Frage stellen. Ihr Argument ist, der Praxisbezug verlange kurze Studiengänge, die als Ganze in Fachhochschulen anzubieten seien.1 Von Forschung zur Erkenntnisgewinnung ist dabei kaum die Rede. Dass die Abschiebung einzelner Disziplinen der Idee der Universität als „Symbol der Einheit der Wissenschaft“ widerspreche, hat schon der Orientalistik-Professor und spätere preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker mit Bezug auf den „ungeheuren Fehler“ der Gründung von technischen Hochschulen vertreten.2 Das mag entsprechend für die Gründung spezieller Handelshochschulen gelten.

1 Weil sich Befürworter einer solchen Lösung in der Regel nur allgemein über zu verlagernde Fächer äußern, ist dies schwer zu belegen. Eine Ausnahme bildet der Kommentar in der Deutsche Universitätszeitung, 5/1993, wo die Betriebswirtschaftslehre durch den Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraß vor dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausdrücklich erwähnt wird. „Geisteswissenschaftliche Voreingenommenheit“ hält Helmut Schelsky (Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, Reinbek 1963, S. 247f.) dem ähnlichen Vorschlag von Wilhelm Flitner vor, die Universitäten durch Konzentration auf die vier klassischen Fakultäten von den Studentenmassen zu befreien (Hochschulreife und Gymnasium, Heidelberg 1960). 2 Carl Heinrich Becker, Gedanken zur Hochschulreform, Leipzig 1919, hier S. 5.

1

1.1

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

Dass eine wissenschaftliche Betriebswirtschaftslehre allerdings große Potenziale bereitstellt, soll hier wenigstens kurz angesprochen werden. Wir beginnen dabei mit dem Blick auf das Objekt der Disziplin. Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist nicht ausschließlich durch die Reproduktion vorhandenen Praxiswissens, die oft zitierten Berichte „aus der Praxis für die Praxis“, zu erhalten. Die wissenschaftliche Behandlung der Unternehmenstätigkeit führt allerdings zu Diskrepanzen gegenüber der jeweils geübten Praxis. Der Praxisbezug der Betriebswirtschaftslehre ist daher ein insbesondere seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in fast regelmäßigem Abstand aus beiden Perspektiven behandeltes Thema. Das zeigt sich gut an den folgenden Stellungnahmen. „Was die Universität der Praxis geben kann, sind nicht Schüler, die (sich) einen Lehrfundus einverleibt haben, sondern wissenschaftlich ausgebildete Menschen, die durch eine, wenn auch nur begrenzte Teilnahme an der wissenschaftlichen Forschung selbst, kritischen Sinn, Innovationsfähigkeit, Orientierungsvermögen vor neuen Aufgaben entwickeln und die durch die wissenschaftliche Arbeit an irgendeiner Stelle eine Disziplinierung des Denkens und Arbeitens vermittelt bekamen, verbunden mit der Verpflichtung und dem Ethos gegenüber erkannten Wahrheiten“, formuliert Alfred Müller-Armack in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einem Rückblick auf zehnjährige Universitätsreform.3 Mit Blick auf Spannungsfelder zwischen Theorie und Praxis wird auch darauf hingewiesen, dass es unterschiedlich aufgeschlossene Praktiker gibt: „Die guten Praktiker hindert es nicht, immer wieder nach theoretischer Durchdringung der Praxis zu rufen. Sie tun es in der Gewissheit, dass es ihnen schon gelingen wird, die für ihr Problem relevante theoretische Substanz destillieren zu können“.4 Diese theoretische Substanz ist Teil dessen, was Wissenschaft in heutiger Sicht ausmacht. Die Debatte wird in dem Satz auf den Punkt gebracht: „Wer eine Wissenschaft anwen-

3 Alfred Müller-Armack, Holzwege der Universitätsreform. Aus Stätten wissen-

schaftlicher Bildung werden höhere Schulen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Mai 1977, S. 9-10, hier S. 10. Ganz ähnlich argumentieren aufgeklärte Praktiker: Hans-Martin Schleyer, Die Ausbildung von Führungskräften der Wirtschaft - Anforderungen der Praxis. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, Hrsg., Stuttgart et al. 1965. 4 Horst Albach, Über die Praxisnähe der betriebswirtschaftlichen Ausbildung:

Non universitati sed vitae oeconomicae discimus. Hochschulnachrichten der wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung Koblenz, Heft 1/1992, S. 2430, hier S.24. 2

Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs

den will, muss erst einmal eine Wissenschaft haben.“5Mit der deutschen Vereinigung 1990 wurde der Blick auf das Hochschulsystem der DDR geschärft. Er lässt im Systemvergleich zur BRD keineswegs erkennen, dass die branchenspezifische und praktisch ausgerichtete Hochschulausbildung der DDR bei Auslagerung der bedeutenderen Teile der Forschung in eine zentral organisierte Akademie der Wissenschaften zur Bereitstellung leistungsfähigerer Potenziale gelangt wäre als dies im Westen der Fall war. Schon in diesen kurzen Hinweisen wird deutlich, dass der Begriff „Wissenschaft“ mit Bezug auf die Betriebswirtschaftslehre nicht in übereinstimmender Bedeutung verwendet wird. Das ist auch generell zu beobachten. Sehr instruktiv ist es deshalb, einigen Entwicklungsstufen des Begriffes in sehr geraffter Form nachzugehen. Das soll in den folgenden Kapiteln 2 bis 4 geschehen. Um die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft zu charakterisieren, bedarf es zunächst einmal der Kriterien für diesen Begriff. Diese werden anschließend in 1.2 hergeleitet.

1.2

Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs

„Wissenschaft“ wird in sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Die im Jahre 1838 begonnene Veröffentlichung „Deutsches Wörterbuch“ der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm (Abbildung 1) lässt dies in der neuesten Ausgabe, unterlegt mit einer Vielzahl von Hinweisen auf den jeweiligen Wortgebrauch in der Literatur, sehr deutlich werden. Dabei lassen wir gleich diejenigen Bedeutungen aus, die „sich heute aus der Schriftsprache fast ganz verloren“ haben und personenbezogen sind: Nachricht, Kunde, Kenntnis, die man erhält, oder Informationsstand, den man sich persönlich erarbeitet; Klugheit, Einsicht, Verstand und Bildung werden hier als Synonyme genannt.6 Auch die Idee einer objektiven Wissenschaft kann heute kaum überzeugend vertreten werden, setzt sie doch allgemeine Akzeptanz voraus, zumindest bei denjenigen, die sich fachlich mit bestimmten Gegenständen beschäftigen. Das kommt in einem der Literaturbelege zum Ausdruck: „so diese wissenschafft unter den sternkundigen gemeine (also: allgemein ak5 Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein in

der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S. 114-130, hier S. 125. 6 Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1838ff., hier zitiert nach

der elektronischen Ausgabe: Der digitale Grimm®, bearbeitet von HansWerner Bartz et al., Frankfurt 2004, Artikel „Wissenschaft“. 3

1.2

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

zeptiert oder verbreitet, K.B.) wehre, so (be-, K.B.) dürffte man nicht so viel rechnens und abmessens mit den planeten und anderen sternen“, wird A. V. Franckenberg aus dem Jahre 1644 zitiert.7 Stimmten alle Auffassungen zu einem Gegenstand überein, würde ein wesentlicher Impuls für die Weiterentwicklung von Wissenschaft fehlen. Wer heute beispielsweise die Frage nach dem Unternehmenserfolg stellt, muss feststellen, dass es dazu keine allgemein akzeptierte Auffassung gibt, selbst wenn Definitionsversuche mit gleichem Zweck unternommen werden. Dies kann nicht als Begründung dafür herhalten, dem sich mit solchen Definitionsversuchen befassenden Fachgebiet die Eigenschaft als Wissenschaft abzusprechen. Damit gelangt man zur dritten Bedeutungsebene, der Wissenschaft als „Disziplin“. Diese hat verschiedene Ausprägungen: Das Grimmsche Wörterbuch beschäftigt sich zunächst mit dem Verhältnis der Begriffe „Kunst“ und „Wissenschaft“, die sich nach den dortigen Feststellungen bis in das 18. Jahrhundert hinein „überdecken“. In einer Fülle von Belegen wird dies gezeigt, wobei vor allem bemerkenswert ist, dass bei der späteren Differenzierung keine unterschiedliche Wertigkeit festzustellen ist. Theologie, Logik, Mathematik, Physik oder Philosophie werden zeitweise als Künste bezeichnet.8 Das ist ersichtlich nicht der stark erfahrungsbasierte Begriff von Kunst, der die Betriebswirtschaftslehre in den Jahren nach 1911 durch einen Aufsatz von Eugen Schmalenbach in eine Diskussion ihres Selbstverständnisses hineinzieht9 (auf die noch zurückzukommen ist) oder in den Jahren nach 1953 durch die Kritik von Konrad Mellerowicz an der theoriebasierten Konzeption der „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ von Erich Gutenberg.10 Schmalenbach plädiert für eine empirisch-induktiv zum Wissen gelangende angewandte Betriebswirtschaftslehre im Unterschied zu einer normativ-wertenden Auffassung. Auch die heutige Sicht von Kunst als Kreativitätsäußerung im Vergleich zur Erfahrungs- und Theoriegründung von Wissenschaft stellt eine andere als die wesentlich frühere Sichtweise dar. 7 Ebenda: B. 8 Ebenda: C 1 a. 9 (Johann Wilhelm) Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunst-

lehre, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1911/1912, S. 304316. 10 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion,

Berlin/Heidelberg/New York, 1. A., 1951. Ders., Zum Methodenstreit, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, N.F., 5. Jg., 1953, S. 327-355. Konrad Mellerowicz, Eine neue Richtung in der Betriebswirtschaftslehre? Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 22. Jg., 1952, S. 145-161. 4

Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs

1.2

An zweiter Stelle wird Wissenschaft als eine allein stehende oder eine umfassende Gruppe „gelehrter Disziplinen“ verstanden. Schon die Beschränkung auf die Betrachtung einer einzelnen Disziplin öffnet eine Vielzahl von Differenzierungsmöglichkeiten. Hier wollen wir uns nicht in die Schichten oder Wertschätzungen bildenden Adjektive einlassen, wie dies mit höheren, anmuthigen, nützlichen, klugen, guten, soliden, rechten, unfehlbaren, reinen Wissenschaften versucht wird.11 Liest man spätere Argumente gegen die Aufnahme der Betriebswirtschaftslehre als Fakultätsdisziplin in Universitäten oder muss man Prioritätsstreite innerhalb der Wirtschaftswissenschaften ausfechten, beispielsweise über die Ressourcenverteilung zwischen ihren Teilbereichen, so erlebt man die Aktualität solcher Begriffsbildungen.12

Abbildung 1

Brüder Jacob (r.) und Wilhelm Grimm, Initiatoren und Herausgeber der ersten Bände des Deutschen Wörterbuchs (Quelle: wikipedia.de)

11 Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1838ff., hier zitiert nach

der elektronischen Ausgabe: Der digitale Grimm®, bearbeitet von Hans-Werner Bartz et al., Frankfurt 2004, Artikel „Wissenschaft“. 12 Am 22. Juni 1977 versucht die Mehrheit der Professoren einer deutschen Wirt-

schaftsfakultät den zuständigen Minister von der Einführung eines betriebswirtschaftlichen Studiengangs nicht nur mit allerlei Ressourcenargumenten fernzuhalten, sondern auch mit dem Satz: “Die Erfahrungen, die andere Universitäten mit der Einführung eines betriebswirtschaftlichen Studiums gemacht haben, zeigen, daß damit – und zwar selbst bei ausreichender Ausstattung mit Lehrstühlen – in der Regel eine Qualitätseinbuße bei der volkswirtschaftlichen Ausbildung verbunden ist.” Belege für die Behauptung werden nicht genannt. 5

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

Auch „wissenschaftliche Disziplin“ ist näher zu charakterisieren. Wenigstens die folgenden Merkmale sollten sie auszeichnen:  Die Disziplin13 beschäftigt sich mit dem Einsatz knapper Ressourcen zur Erzielung von Einkommen, der zielorientierten Verwendung von Einkommen und dies beides unter Berücksichtigung von Unsicherheiten und den Handlungen von „Gegenspielern“ mit eigenen Interessen. Das spielt sich in Institutionen ab, einem spezifischen Objekttyp, dem Unternehmen. Die damit auftretenden Fragen können aus der Disziplin selbst heraus entstehen oder von außen her an sie herangetragen werden. Ähnlich sind zur Beschreibung der Richtung technischer Entwicklungen die Begriffe Angebotsdruck (supply push) und Nachfragesog (demand pull) verwendet worden.14 Je nachdem, wo man die stärkeren Wirkkräfte vermutet, kann dies für die Gestaltung und Ressourcenausstattung wissenschaftlicher Disziplinen große Bedeutung erlangen. Auch feste Grenzen für eine Disziplin sind aufgrund des Wandels der Fragestellungen im Zeitablauf nicht festzustellen. Das kann auch immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Abgrenzung führen. Eine wissenschaftliche Disziplin setzt bedeutende Frage- oder Problemstellungen voraus.

 Die Disziplin entwickelt und benutzt systematische Vorgehensweisen, um zu ihren Antworten zu gelangen. Sie kann dabei auf eine Fülle von Methoden zurückgreifen. Ein wesentlicher Teil der Theorie der Wissenschaft oder Wissenschaftstheorie beschäftigt sich mit der Analyse und Beurteilung solcher Methoden.15 Wie sich noch zeigen wird, ist insbesondere die Überprüfbarkeit der Vorgehensweisen ein wesentliches Merkmal einer Wissenschaft.

 Die Disziplin verfügt über Techniken, das bisher gesammelte Wissen zu bewahren, zugreifbar zu machen und mit Blick auf unterschiedliche Verwendungen sowie aus Sicht späterer Erkenntnisse zu beurteilen. Die Bewahrung von Wissen durch systematische mündliche Überlieferung, auf Schrifttafeln, in Handschriften, im Buchdruck oder durch Speicherung auf digitalen Medien beschreibt dabei technische Veränderungen. Zeitschriften und Fachgesellschaften können über die wissensbewahrenden Funktionen hinaus auch als Kontrollinstanzen wirken. 13 Der Begriff wird hier objektbezogen verwendet. Daneben ist es möglich, ihn

subjektbezogen zu verwenden, in dem man an eine Menge von Personen denkt, die über spezifische, disziplinäre Eigenschaften verfügen. 14 Jacob Schmookler, Invention and Economic Growth, Cambridge/MA 1966. 15 Beispielsweise: Helmut Seiffert, Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, 6.

A., München 1973; Bd. 2, 5. A., 1973. Klaus Chmielewicz, Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft, 2. A., Stuttgart 1979. 6

Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs

 Die möglichen Produktivitätsgewinne der Arbeitsteilung bei der Güterproduktion, von Adam Smith in seinem Beispiel der Stecknadelproduktion eindrücklich beschrieben16, können grundsätzlich auch in der Produktion von Wissen auftreten. Ob die Arbeitsteilung dann aufgrund einer größeren Bedeutung individuellen, assoziativen Lernens weniger weit geht als bei einfacheren manuellen Tätigkeiten, wie dies Alfred Marshall meint17, muss wohl noch dahingestellt bleiben. Die Arbeitsteilung macht aber nur Sinn, wenn die einzelnen Wissensbestandteile schließlich zusammengefügt werden. Die für die arbeitsteilige Güterproduktion verfügbaren Koordinationsinstrumente sind bei der Koordination von Wissensbestandteile nicht alle oder nicht in gleichem Maße einsetzbar. Das gilt vor allem für Märkte. Das Wissen hat nämlich unter anderem die Eigenschaft, bei seiner Nutzung nicht verzehrt zu werden oder ohne Entstehung von Grenzkosten erneut genutzt werden zu können. Außerdem ist Wissen asymmetrisch verteilt.18 Zum Abbau der Asymmetrie der Wissensverteilung sind der Aufbau von Vertrauen und Reputation in persönlichen Netzwerken19, die Unterstützung bestimmter Verhaltensstandards, beispielsweise durch wissenschaftliche Fachgesellschaften, oder die hierarchische Organisation der Arbeitsteilung und der Koordination durch große Organisationen (supranationale Forschungseinrichtungen, Ministerien, Forschungsinstitute, Unternehmen) nützlich. Auch die Institutionalisierung kennzeichnet Disziplinen. Das sind überprüfbare Beschreibungselemente20, die selbst der inhaltlichen Veränderung unterliegen. Sie sollen im folgenden 2. Kapitel mit Bezug auf die Betriebswirtschaftslehre illustriert werden. 16 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations,

Vol. I, London 1776, S. 4f. 17 Alfred Marshall, Principles of Economics, Vol. I, London 1890, S. 313. 18 A. J. Lotka, The frequency distribution of scientific productivity, Journal of the

Washington Academy of Sciences, Vol. 16, 2/ S. 161-174. 19 Eindrucksvoll zu lesen ist, wie Gottfried Wilhelm Leibniz (1667-1716) trotz der

Beschwerlichkeiten von Reisen, später auftretender Krankheiten, unsicherer und langer Postwege eine Gelehrtenkorrespondenz durch Besuche und Mitteilungen aufbaut und unterhält. Dabei wird sorgfältig auf die Menge und Qualität des ausgetauschten Wissens geachtet, nicht zuletzt, um Prioritäten zu sichern. Vgl.: Eike Christian Hirsch, Der berühmte Herr Leibniz. Eine Biographie, München 2000. 20 Für die Volkswirtschaftslehre hat Joseph Schumpeter einen ganz ähnlichen

Katalog von Kriterien entwickelt, dem er explizit die Wissenschaftler als Träger der Prozesse und ihre Ergebnisse hinzufügt: History of Economic Analysis, New York 1954, S. 380. 7

1.2

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

1.3

Eine nicht endende Diskussion

Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Betriebswirtschaftslehre, ihrer Forschung und der von ihr angebotenen Aus- und Weiterbildung hat sie seit wenigstens dreieinhalb Jahrhunderten begleitet. Das wird im Einzelnen noch sichtbar werden. Sie wird in fast regelmäßigen zeitlichen Abständen gestellt. Das kann einerseits ein Indiz dafür sein, dass neu auftretende Rätsel durch das jeweils bekannte Wissen nicht zufriedenstellend zu lösen sind. Dann werden radikale Neuerungen gefordert. Das kann andererseits ein Indiz dafür sein, dass sich durch Grundlagenforschung die Wissenschaft vom aktuellen Stand der zu lösenden Rätsel entfernt hat. Ob dies eine Investition in die Zukunft ist, kann ex ante nicht beantwortet werden. Die Investition ist mit Risiken verbunden, wie Investitionen in Unternehmen auch. Diese Risiken werden unterschiedlich eingeschätzt und getragen: (1) Die Suche nach Wissen schafft persönliche Befriedigung, ist also Konsum. Der damit befasste Privatgelehrte muss das selbst finanzieren oder sich einen ebenso eingestellten Mäzen suchen. Benjamin Franklin soll auf die Frage nach dem Nutzen solcher Beschäftigungen die Gegenfrage gestellt haben: „What use is a newly born baby?“ (2) Die Suche nach Wissen wird unternommen, weil ein Markt für die Verwertung des Wissens vermutet wird. Das kann der Markt der Beratung sein, der Markt des Reputationsaufbaus oder einer anderen Form der Einkommensgenerierung. Faraday soll auf die Frage des Premier Gladstone nach dem Nutzen der elektrischen Experimente gesagt haben: „One day, Sir, you will draw taxes from it.“ Glaubt auch ein Dritter an einen Markt für das neue Wissen, so wird er den Forscher zu unterstützen bereit sein. Ein Minister, weil ein Teil der Reputation auf seinen Staat und seine Politik ausstrahlen soll. Ein Unternehmer, weil er einen Teil der erwarteten Einkünfte mit dem Forscher gemeinsam erzielen möchte. Ist der Forscher zugleich Unternehmer, so kann beides zusammenfallen. Nachdem Thomas A. Edison mit der magnetischen Trennung niedrig konzentrierter Erze aus dem amerikanischen Norden nicht erfolgreich war, soll er festgestellt haben: „Well, it’s (das eingesetzte Geld, K.B.) all gone, but we had a good time spending it.“ (3) Die Forschung kann herangezogen werden, um eine spezifische Nachfrage nach Wissen zu befriedigen. Dann steht in der Regel auch die Finanzierung fest. Um einen Mann auf den Mond zu bringen und sicher zurück zur Erde, verlangte der amerikanische Präsident Kennedy am 25. Mai 1961 vom Kongress: „I therefore ask the Congress above and beyond the increases I have earlier requested for space activities, to provide the funds which are needed to meet the following national goals …“ Die Verbindung zwischen Forschung als Wissensgewinnung und Praxis als Wissensnutzung ist allerdings keineswegs so, dass die eingangs erwähnten 8

Eine nicht endende Diskussion

Diskussionen unterbleiben würden. Eine ganz besondere Antwort darauf, insbesondere die sogenannte Dichgans-Debatte21 des Jahres 1965, findet sich in einem unter einem Pseudonym veröffentlichten Pseudo-Interview:22

In der „Volkswirt-Diskussion“ über das Thema „Professoren und Praxis (vgl. Nr. 18/65 – Die große Kluft zur Praxis; Nr. 27/65 – Theorie und Praxis im Streitgespräch; Nr. 35/65 – Die Schwimmakademie) geben wir noch einmal der „angegriffenen“ Seite das Wort. Der folgende Bericht ist in Inhalt und Form eine Entgegnung auf den Artikel „Die Schwimmakademie“. Die Redaktion Ergänzend zu dem Bericht von Myki Moto über die Schwimm-Akademie in der Spectachei, erreicht uns folgender Bericht über ein Interview, um das Herr Shimbunshi, ein angesehener Journalist und Absolvent der Schwimm-Akademie des Jahres 1929, Herrn Professor Dr. Kyoshi von der Schwimm-Akademie gebeten hatte. S: Herr Professor, Ihnen sind die Vorwürfe bekannt, die Professoen der Schwimm-Akademie hätten keinen „Kontakt mit dem Wasser“. Darf ich mir die Frage erlauben: Können Sie schwimmen? K: Wie darf ich diese Frage verstehen? Würden Sie, bitte, den Begriff „Schwimmen“ präzisieren? S: Haben Sie schon einmal „Berührung mit dem Wasser“ gehabt? K: Diese Frage weicht doch wohl vom Thema ab. Berühung mit dem Wasser scheint mir eher ein Gebot der Hygiene als Gegenstand der Forschung an der Schwimm-Akademie! S: Ich meine: Besitzen Sie „Kenntnisse des konkreten Schwimmens“? K: Was verstehen Sie unter dem Terminus „konkretes Schwimmen“? S: Unter „Schwimmen“ verstanden wir, als ich die Akademie absolvierte, etwas anschaulich sehr leicht Fassbares: die Fortbewegung im Wasser. Ich möchte daher meine Frage anschaulich stellen. Angenommen, ich stieße Sie vor dem Parlament in Bakufu in den Kawa. Könnten Sie das jenseitige Ufer erreichen? K: Das vermag ich nicht ohne weiteres zu beantworten. Ich bin in einer solchen Situation noch nie gewesen. S: Der Abgeordnete Teburu Gacho ist aber, wie Sie wissen, der „unverblümten“ Meinung, dass jeder Professor „Kenntnis des konkreten Schwimmens“, also doch offenbar der Durchquerung des Kawa haben sollte! K: Haben Sie den Herrn Abgeordneten schon einmal in den Kawa gestoßen? S: Nein. Herr Professor. Ich sehe dort einen Pokal. Wofür haben Sie ihn erhalten? K: Für den Sieg im 200-Meter-Delphin für Männer, Seniorenklasse, auf 50-Meter-Bahnen bei 22 Grad Wassertemperatur, den ich bei der Kaki-Ryoshi Games 1963 errang. S: Aber dann können Sie doch schwimmen, Herr Professor! K: Ich glaube nicht, dass die Kritiker der Akademie das als „konkretes Schwimmen“ bezeichnen würden. Schwimmhallen mit 50-Meter-Bahnen sind für sie nur ein Modell der Wirklichkeit. S: Soweit mir bekannt, schwimmt auch der Herr Abgeordnete nicht im Kawa, sondern im

21 Dr. Hans Dichgans war ein prominenter Abgeordneter des Deutschen Bundes-

tages. 22 Jiu-ichi-Nomi-Midzu, Schwimmen – wissenschaftlich gesehen, Der Volkswirt,

Nr. 41, 15.10.1965, S. 2287. 9

1.3

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

Schwimmbecken des Parlaments. K: Ich habe ja auch nicht behauptet, dass er sehr „konkret“ wäre! S: Darf ich mir die Frage erlauben, wie viel Jahre Sie geschwommen hatten, bevor Sie Professor an der Schwimm-Akademie wurden? K: Diese Frage ist wegen der ungenauen Begriffsdefinition des Terminus „Schwimmen“ schwer zu beantworten. Vor zwanzig Jahren wurde ich an einem Schwenkkran aufgehängt, und mir wurde gesagt, ich solle nur immer den Kopf hübsch in den Nacken legen und mit Armen und Beinen wie ein Frosch rudern. Zwei Tage später brauchte ich nur noch einen Korkring, und weitere zwei Tage später auch diesen nicht mehr. In dieser Weise habe ich mich vierzehn Jahre „im Wasser fortbewegt“. S: Dann haben Sie aber doch sehr ausgedehnte Erfahrungen im Schwimmen, Herr Professor! K: Als ich vor sechs Jahren in die Akademie aufgenommen wurde, erwiesen sie sich eher als hinderlich. S: Soll ich das nicht lieber aus dem Interview streichen? K: Wie Sie wollen. Tatsächlich konnte ich mich aber nicht daran gewöhnen, den Kopf nicht in den Nacken zu legen. Das ist aber beim Kraulen erforderlich. Sie wissen, damals stand an der Akademie die Navaltechnik des Kraulens im Mittelpunkt von Forschung und Lehre. S: Haben Sie sich denn beim Kraulen praktisch bewährt? K: Ich war nach meinem Studium, das damals noch drei Jahre dauerte, drei Jahre im Vorstand des Kraulsportvereins Umi-Owo. S: Sie sind also nicht konkret geschwommen? K: Nein. Ich habe nur jedes Training und jeden Wettkampf beobachtet. Ich bin nie ein guter Krauler gewesen. S: Sie haben sich also in der Praxis nicht bewährt, Herr Professor? K: Wenn Sie das so formulieren, nein. S: Die Akademie hat sie aber dennoch habilitiert. Wie kommt das? K: Ich habe im Anschluß an meine Vorstandstätigkeit ein Jahr lang theoretisch gearbeitet. Auf Grund meiner Veröffentlichung über die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten wurde ich habilitiert. S: Über welches theoretische Problem haben Sie gearbeitet? K: Das Problem ist sehr komplex. Ich will versuchen, seine Grundzüge auch für den nichtschwimmakademischen „Schwimmer“ verständlich darzustellen. Beim Kraulen geht der Antrieb nur von dem nach oben schlagenden Bein aus. Das nach unten schlagende Bein dagegen wirkt wie eine Bremse. Man muß daher beim Kraulen das eine Bein kräftig nach oben schlagen, das andere dagegen locker nach unten sinken lassen. Es gibt viele Menschen, die diese asymmetrische Beinbewegung nicht vollbringen können. Ihr Kraulen ist daher kein „optimales aquaadäquates Navalverhalten“, ein Ausdruck, den ich von Myki Moto übernehme. Das theoretische Problem bestand nun darin, ein Verfahren zu entwickeln, das diese Asymmetrie nicht aufweist. S: Wie haben Sie dieses Problem gelöst? K: Ich habe ein System von Differentialgleichungen n-ter Ordnung unter nichtlinearen Nebenbedingungen mit der Zielfunktion einer Minimierung der Zeit auf m Meter gelöst. Die Optimallösung war der Delphin-Stil. S: Das ist der Stil, mit dem Sie ein Jahr nach Ihrer Berufung den Sieg in den Kaki-Ryoshi-Games errangen? K: Ganz recht.

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Eine nicht endende Diskussion

S: Herr Professor, gestatten Sie mir noch eine abschließende Frage. Zu meiner Zeit dauerte das Studium der Navalogie zwei Jahre. Sie mussten drei Jahre studieren. Inzwischen ist die Studienzeit auf vier Jahre verlängert worden. Diese Entwicklung steht im Gegensatz zu Bestrebungen in der Öffentlichkeit, die Studienzeit zu verkürzen. Was halten Sie von diesen Bestrebungen? K: Um „schwimmen“ in Ihrem Sinne zu lernen, braucht man, wie gesagt, vier Tage. Um Kraulen zu lernen, braucht man mindestens zwei Jahre. Der Delphin-Stil erfordert einschließlich der komplizierten strömungstheoretischen Grundlagen mindestens drei Jahre. Zur Zeit wird in der Akademie an einem Verfahren der Navaltechnik gearbeitet, bei dem die Luft nicht mehr einfach in das Wasser ausgeatmet wird, sondern so unter die Brust geblasen wird, dass der Körper sich stärker aus dem Wasser hebt und wie auf einem Luftkissen über das Wasser gleitet. Wir rechnen damit, dass in zwei Jahren jeder, der diese neue Methode nicht beherrscht, im Wettkampf keine Chance mehr haben wird. Die Studiendauer wird aber, wenn diese neue Methode in den Lehrplan aufgenommen wird, verlängert werden müssen. S: Können auch ehemalige Absolventen der Schwimm-Akademie diese neue Methode erlernen? K: Sie müssten sich einer intensiven Schulung in den Fortbildungskursen der Akademie unterziehen. Aber auch dann werden nur wenige diese Methode erlernen können, da sie eine Atmungstechnik voraussetzt, die derjenige leichter erlernt, der nicht ein zu intensives Trainng in einer anderen speziellen Navalmethode gehabt hat. S: Darf ich Ihren Worten, Herr Professor, entnehmen, dass die Forderung nach Studenzeitverkürzung also letztlich ein „Methodenstreit“ ist? K: Ich habe Ihnen, Herr Shimbunshi, Fakten geschildert. Wie Sie diese interpretiren, und welche Forderungen Sie daraus ziehen, überlasse ich Ihnen. S: Ich danke Ihnen für das Interview, Herr Professor.

Die Antworten von „Kyoshi“ weisen auf das Problem der Definition von Wissenschaft, sie praktizieren „Wertfreiheit“, sie erläutern das durch Fachsprachen sowie Modelle geschaffene Verständigungsproblem mit der Praxis und sie behaupten, dass man Wissenschaftler sein kann ohne Praktiker im üblichen Sinne geworden zu sein. Das sind Themen, die für die Betriebswirtschaftslehre über mehrere Jahrhunderte aktuell und relevant geblieben sind. Interessanterweise gibt es eine vergleichbare Auseinandersetzung auch in den Technikwissenschaften. Sie ist in jüngster Zeit in eine Diskussion über ihre Benennung eingetreten, unter Aufgabe der lange üblichen Bezeichnung Ingenieurwissenschaften. Auch dies hat eine Parallele in der Betriebswirtschaftslehre, wenn auch aus ganz anderer Ursache heraus. Für die Charakterisierung als Wissenschaft werden ähnliche Kriterien herangezogen wie sie hier aufgestellt wurden. Als Disziplin gilt dabei nicht nur eine Anhäufung von Wissen, sondern „ein geordnetes System des Wissens, … also ein von Wissenschaftlern formuliertes Programm.“ Weiter wird als wichtig angesehen, dass sich die Angehörigen der Disziplin einer Ordnung unterwerfen,

11

1.3

1

Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

„Normen und Regeln, welche die wissenschaftliche Arbeit anleiten.“23 Die Disziplin wird in der folgenden Abbildung 224 abstrakt dargestellt. Ganz links wird die Disziplin in personaler Hinsicht beschrieben, nämlich durch die in Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen tätigen Wissenschafter. Statt der Disziplinbezeichnung Technikwissenschaften wäre Betriebswirtschaftslehre einzusetzen. Diese erhalten Impulse für die Ausrichtung ihrer Arbeit aus der Praxis, aber – so wäre hier die Abbildung zu ergänzen – auch aus dem Wissenssystem heraus durch Kombination vorhandenen Wissens mit dem von ihnen neu gewonnenen Wissen. Problematisch ist hier, dass der Begriff des Wissenschaftlers nicht unabhängig von dem der Wissenschaft formuliert ist. Im „Wissenschaftssystem“ werden aufgrund der Wissensgewinnung durch Wissenschaftler dann zwei Arten von miteinander in Beziehung stehendem Wissen bereit gestellt: Das als Ergebnis der Forschung gewonnene Wissen und das in der Lehre vermittelte Wissen. Insbesondere durch Aus- und Weiterbildung oder durch Beratung wird Wissen beiderlei Art in die Praxis übertragen, dort genutzt und weiter entwickelt. Auch deshalb kann die Praxis auf die Wissenschaftler ausstrahlen. Sie kann aber auch den im mittleren Feld „Wissenschaftssystem“ gesammelten Wissensbestand direkt ergänzen. Dabei würde für die Betriebswirtschaftslehre eine „wirtschaftlich handelnde Praxis“ anzunehmen sein.

Abbildung 2

Stuktur einer Wissenschaft und Einflussrichtungen zwischen ihren Elementen (Quelle: Wolfgang König, Struktur der Technikwissenschaften …, Berlin 2006, S. 38)

23 Wolfgang König, Struktur der Technikwissenschaften, in: Gerhard Banse et al.,

Hrsg., Erkennen und Gestalten. Eine Theorie der Technikwissenschaften, Berlin 2006, S. 37-44, hier S. 39. 24 Ebenda, S. 38.

12

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen

2 Elemente einer Wissenschaft Im Abschnitt 1.2 wurden Kriterien angegeben, die gemeinsam als Indizien für die Existenz einer Wissenschaft herangezogen werden können. Ob diese Kriterien für die Betriebswirtschafslehre aus heutiger Sicht zutreffen, wird in den folgenden Abschnitten untersucht.

2.1

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen

Die Existenz bedeutender einzelwirtschaftlicher Problemstellungen ist unbestreitbar. Weniger offensichtlich ist die Existenz einer Gruppe von Personen, die sich diesen Fragestellungen annimmt und Lösungswissen erarbeitet. Das kann am ehesten exemplarisch gezeigt werden. Hier ist auf den glücklichen Umstand zurückzugreifen, dass zwei bedeutende Betriebswirte im Abstand von 35 Jahren – etwa einer Generation - dazu eine Vorlage geliefert haben. Sie ist auch im Folgenden noch mehrfach heranzuziehen. Dem nach mehreren beruflichen Stationen, auch dem Wechsel zwischen Praxis und Wissenschaft, an der Universität Köln lehrenden und forschenden Erich Gutenberg (1897-1984)25 wird die Ehre zuteil, am 22. Mai 1957 zur Gründungsfeier seiner Universität den Festvortrag zu halten. Er stellt ihn unter den Titel: „Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft“26, womit vor der akademischen Öffentlichkeit der im Titel formulierte Anspruch begründet werden soll. Einer der Argumentationsbausteine ist der Hinweis auf „drei Problemstände“, denen sich die Betriebswirtschaftslehre nach dem ersten Weltkrieg widmete:

25 Zu Leben und Werk, aus der Vielzahl der Veröffentlichungen: Hermann Sabel, Erich Gutenberg. Sein Werk. Die Wurzeln, das Werden, das Wirken. In: Horst Albach et al., Hrsg., Die Theorie der Unternehmung in Forschung und Praxis, Berlin/Heidelberg 1999, S. 15-34. Im Folgenden jeweils Lebensdaten in Klammern. 26 Erich Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Akademische Festrede, gehalten bei der Universitätsgründungsfeier am 22. Mai 1957, Krefeld 1957, S. 5-38.

13

2.1

2

Elemente einer Wissenschaft

„1. Die katastrophale Entwicklung der Währungsverhältnisse in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg hatte zur Folge, dass alle diejenigen Kontrollinstrumente der Unternehmensführung unbrauchbar wurden, die Preise als Maßeinheiten enthalten. Das ist aber im betrieblichen Rechnungswesen der Fall. … Wie also sollte man dieses nicht mehr leistungsfähige Kontrollinstrument, das betriebliche Rechnungswesen, mit all seinen Verzweigungen wieder zu einem leistungsfähigen Instrument der Unternehmenskontrolle und Unternehmensführung machen? Es ist ein großes Glück für die Betriebswirtschaftslehre gewesen, dass diese für den Fortbestand der Unternehmen und damit für uns alle so entscheidend wichtigen Fragen auf Gelehrte trafen, die ihnen gewachsen waren und sie auf höchstem Niveau behandelten. Das alles um so mehr, als sich bald herausstellte, dass mit der Frage nach der richtigen Behandlung von Geldwertschwankungen im Kontrollapparat der Unternehmen ein sehr viel vielschichtigeres Problem angeschnitten wurde. Es hat bis auf den heutigen Tag noch keine endgültige Lösung gefunden. … Ich stehe nicht an zu erklären, dass nach meinem Dafürhalten die Betriebswirtschaftslehre an dem Problem der Eliminierung von Geldwertschwankungen aus Bilanz, Kostenrechnung, Preispolitik und … an dem Versuch, die betrieblichen Führungs- und Kontrollinstrumente technisch zu verfeinern und auszugestalten, zu sich selbst als Wissenschaft gefunden hat. Ein neuer Abschnitt betriebswirtschaftlichen Denkens begann. Das Objekt, das es zu durchdenken und zu durchforschen galt, lohnte größten Einsatz. … 2. Schon früh war es einem Mann, dessen Name hier heute nicht zu nennen unverzeihlich sein würde, ich meine Schmalenbach, gelungen, durch das Netz des betrieblichen Rechnungswesens in jenes Gewebe von Abhängigkeiten vorzustoßen, das der Kostenbereich er Unternehmen darstellt. … Die Frage … lautet: Welches sind die Größen, die das Kostenniveau eines Betriebes bestimmen? In Welcher Weise beeinflussen sie die Kosten? Lässt sich der Einfluss dieser Größen quantitativ bestimmen? In welchem Maße ist der gestaltende Einfluss betriebspolitischer Maßnahmen an Gesetzmäßigkeiten gebunden, die nicht übersprungen werden können? Bereits ein abtastender Blick auf die quantitativen Abhängigkeiten im Kostengefüge der Unternehmen und die dispositionellen Möglichkeiten zeigt, dass die Zahl der Variablen sehr groß ist, mit denen man es hier zu tun hat. … Das Produktionskostenniveau eines Unternehmens wird einmal durch quantitative Abhängigkeiten zwischen den Elementen des Produktionsprozesses, zum anderen durch die betriebspolitischen Dispositionen bestimmt, die

14

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen

aber nicht willkürlich getroffen werden können, sondern an die Maxima und Minima des Wirtschaftlichkeitskalküls gebunden sind. Die Betriebswirtschaftslehre hat die Probleme, die im Kostenbereich der Unternehmung liegen, verhältnismäßig früh gesehen. Bereits im Jahre 1899 hatte sich Schmalenbach … mit Kostenfragen beschäftigt. … Die Ergebnisse seiner Bemühungen … enthalten bereits die Elemente seiner späteren kostentheoretischen Lehren. So war die Betriebswirtschaftslehre nicht völlig ungerüstet, als die wirtschaftlichen Katastrophen nach dem ersten Weltkriege und später Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre die Disziplin dazu zwangen, sich ganz grundsätzlich mit dem Kostenproblem auseinanderzusetzen. … So hat denn die Betriebswirtschaftslehre auch am Kostenproblem zu sich selbst als Wissenschaft gefunden. 3. Es gibt noch einen dritten Problemkreis, der für die wissenschaftliche Entfaltung der Betriebswirtschaftslehre von großer Bedeutung gewesen ist; ich meine gewisse absatzpolitische oder, wie man auch sagen könnte, absatzwirtschaftliche Probleme… Alle absatzpolitischen Entscheidungen, die ein unter marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeitendes Unternehmen trifft, beruhen auf unbekannten Aktions-, Reaktions- und Trenderwartungen. Ist es angesichts einer solchen Situation verwunderlich, dass sich die betriebswirtschaftliche Forschung mit Energie in alle Bestrebungen einschaltete, die das ‚Unberechenbare’ der wirtschaftlichen Vorgänge so weit wie möglich berechenbar machen sollten? … Es sind die zwanziger Jahre, in denen die betriebswirtschaftliche Forschung nicht ohne Erfolg an der Entwicklung von Methoden gearbeitet hat, die das Marktgeschehen transparent machen sollten, um die Absatzräume der Unternehmen gegen unvorhergesehene, gefahrvolle Ereignisse abzuschirmen. Pointiert ausgedrückt, man wollte das unberechenbare marktwirtschaftliche Geschehen mit Hilfe der Methoden der Marktforschung so weit wie möglich berechenbar machen. Damit wurde zugleich der gesamte Marktprozeß, soweit er vom einzelnen Unternehmen aus gesehen relevant erscheint, in den wissenschaftlichen Bereich der Betriebswirtschaftslehre einbezogen. Die Disziplin hat auf diese Weise eine wesentliche Erweiterung und Bereicherung ihres Gegenstandes erfahren. … In Wirklichkeit stehen diese drei Problemgruppen in weitverzweigten Zusammenhängen. Und dieser Gesamtzusammenhang ist es gewesen, an dessen … Problembeständen die moderne Betriebswirtschaftslehre ihre wissenschaftliche Form gefunden hat.“

15

2.1

2 Abbildung 3

Elemente einer Wissenschaft

Professor Dr. Dr. h. c. mult Erich Gutenberg (1897 – 1984) (mit Genehmigung von Frau Dr. R. Albach)

Die drei beispielhaft herausgegriffenen Problembereiche aus der Zeit der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts zeigen das Zusammenspiel von Anregungen an die Disziplin von außen und selbständigen Aufgreifens von Problemen von innen. Sie zeigen auch die Veränderung der Disziplin unter dem Aufgreifen der Fragestellungen und der Wege, die zu ihrer Lösung führen sollen. Der Begriff „Disziplin“ erscheint ausdrücklich. Natürlich wird in diesem Rahmen keine Detailbeschreibung der Ansätze und Lösungen geboten, vor allem nicht in personeller Hinsicht. Wenn auch Eugen Schmalenbach ausdrücklich erwähnt wird, so fehlt doch beispielsweise mit Blick auf die Probleme der Eliminierung von Geldwertschwankungen aus dem Rechnungswesen der Hinweis auf Erich Gutenbergs Lehrer Fritz Schmidt (1882-1950). Seine Fehleranalyse, die Verknüpfung betrieblicher Vorgänge mit ihren Wirkungspotenzialen für volkswirtschaftliche Entwicklungen und die Therapievorschläge durch Pufferung von Wertschwankungen über stille Reserven oder die Anlage eines Kapitalunterkontos zur Sammlung von Wertänderungen und damit ihre Offenlegung sind zusammenfassend in einem kurzen Aufsatz 1927 dargelegt worden.27

27 Fritz Schmidt, Die Industriekonjunktur – ein Rechenfehler! Zeitschrift für Be-

triebswirtschaft, 2. Sonderheft, 1927, S. 61-72. Das Wertänderungskonto heißt heute Neubewertungsrücklage nach IFRS. 16

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen

Das zweite Beispiel geht auf einen Vortrag am 12. Februar 1993 zurück. Der „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ sah sich veranlasst, zur Situation des Faches vor dem Hintergrund kontinuierlicher Überlastung mit Lehraufgaben, dem damit verminderten Stellenwert der Forschung, dem Verhältnis der Universitäten zu den Fachhochschulen, der Nachwuchssituation und der Stellung im Vergleich zum Ausland öffentlich Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang übernahm es Horst Albach28 (1931) unter dem schon bekannten Titel von Gutenbergs Rede zu sprechen.29 Was die Themenfelder angeht, werden einerseits gesellschaftliche Trends erwähnt (Globalisierung der Wirtschaft, Intensivierung des internationalen Wettbewerbs, Ausbreitung der sozialen Marktwirtschaft, zunehmende Frauenarbeit, ökologisches Bewusstsein), die in der Betriebswirtschaftslehre aufzugreifen sind und aufgegriffen wurden. Sie werden von außen an sie herangetragen. Andererseits wird auf wissenschaftsimmanente Trends verwiesen, die auf zwei Zeitabschnitte verteilt sind. Wie bei Gutenberg werden jeweils drei Problemfelder angesprochen. Dies wird auszugsweise zusammengefasst:

„1. Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre in den sechziger und siebziger Jahren…Drei Probleme waren es also, deren Lösung sich die Betriebswirtschaftslehre in dieser Zeit zuwandte: das Interdependenzproblem das Problem langfristiger Entscheidungen das Unsicherheitsproblem. … 2. Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre in den achtziger und neunziger Jahren Die achtziger und neunziger Jahre sahen eine Entwicklung in der Betriebswirtschaftslehre, die die Frage nach der Entscheidung im Unternehmen ganz neu stellte. Entscheidungen im Unternehmen werden nicht von einem Einzelnen getroffen. Vielfach sind daran Gremien beteiligt. Im allgemeinen müssen bestimmte Entscheidungen delegiert werden. Es darf jedoch nicht als gesichert angenommen werden, dass Delegation zu derselben Entscheidung führt, wie sie der Leiter des Unternehmens selbst treffen würde. Damit war das Organisationsproblem der Unternehmung neu gestellt. Die Beschäftigung mit diesem Problem lässt sich durch drei Entwicklungstendenzen kennzeichnen. Sie betreffen: das Problem der

28 Klaus Brockhoff, Betriebswirtschaftliche Theorie für die unternehmerische

Praxis – Zum 65. Geburtstag von Horst Albach, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48. Jg., 1996, S. 761-764. 29 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Entwicklungstenden-

zen in der modernen Betriebswirtschaftslehre. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26. 17

2.1

2

Elemente einer Wissenschaft

Dynamik das Problem der Information - das Problem der Motivation.“

Abbildung 4

Professor Dr. Dr. h. c. mult Horst Albach (Quelle: Preker, Münster, mit Genehmigung von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. Albach)

Die hier genannten Problemstellungen sollen kurz erläutert werden. Mit dem Interdependenzproblem wird eine Menge von Fragestellungen angesprochen, die sich aus der Konkurrenz um knappe Ressourcen und um die Reihenfolge von Ressourcennutzungen vor allem in Mehrproduktunternehmen ergeben. Das Problem langfristiger Entscheidungen behandelt die die Kapazität der auf Dauer angelegten Unternehmen verändernden Investitionsentscheidungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierungsmöglichkeiten. Das Unsicherheitsproblem ist zu einer Theorie des Risikomanagements entwickelt worden, in der sowohl über Wahrscheinlichkeiten abgebildete Erwartungen künftiger Ereignisse modelliert werden als auch rivalisierendes Akteursverhalten, letzteres durch die Spieltheorie. Für diese drei Problemgebiete seien, so stellt Albach fest, „grundsätzliche Wenn-DannAussagen, die logisch wie experimentell überprüfbar sind und die allgemei30 ne Gültigkeit haben“ , entwickelt worden.

30 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Entwicklungstenden-

zen in der modernen Betriebswirtschaftslehre. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 12. 18

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

Gleiches gilt auch für die dem folgenden Zeitraum zugeordneten Problemgebiete. „Die dynamische Theorie der Firma macht Wenn-Dann-Aussagen über die zeitliche Wirkung betrieblicher Entscheidungen“, beispielsweise in einer dynamischen Preistheorie oder in einer dynamischen Theorie der Nutzung natürlicher Ressourcen. Mit dem Informationsproblem werden explizit Kosten und Wirkungen von Informationen in betrieblichen Entscheidungsprozessen erfasst. Anreiz- und Vertrauenswirkungen werden berücksichtigt. Die Koordination der divergenten Ziele einzelner Entscheidungsträger zu einem Unternehmensziel wird schließlich im Motivationsproblem behandelt. Das reicht bis zur Gestaltung von Arbeitsverträgen einerseits oder den gerade in jüngster Zeit intensiv behandelten Fragen der Unternehmensverfassung (corporate governance) andererseits. Die von Albach hervorgehobene Qualität der Ergebnisse wird durch kontrollierten und systematischen Methodeneinsatz erreicht. Das ist im Folgenden noch näher zu betrachten. Nicht zu verkennen ist aber auch, dass die Behandlung der hier skizzierten Problemstellungen in erheblichem Maße vom Austausch mit benachbarten Disziplinen, etwa der Mathematik, der Bürokratismustheorie oder der Psychologie, Gewinn hatte. Das gilt auch für technische Neuerungen, wie insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnik. Auch dies hat zur Veränderung der Disziplingrenzen beigetragen. In einer ersten Annäherung kann das „Erkenntnisobjekt“ der Disziplin Betriebswirtschaftslehre als Lösung wirtschaftlicher Fragestellungen von Einzelwirtschaften bezeichnet werden. Wie immer beim Wirtschaften ergeben sich die Fragen aus der Knappheit der verfügbaren Ressourcen gegenüber grundsätzlich unbeschränkten Bedürfnissen der Menschen.

2.2

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

Als zweites Kennzeichen einer wissenschaftlichen Disziplin wurde die systematische Wissensgewinnung genannt. Im Laufe der Zeit sind unterschiedliche Vorgehensweisen dazu entwickelt worden. Diese werden auch in der Betriebswirtschaftslehre genutzt. Das soll beispielhaft dargestellt werden.

19

2.2

2

Elemente einer Wissenschaft

2.2.1

Meinung und Erkenntnis

Bloßes „Meinen“ stellt kein Wissen dar. Das Bedürfnis nach Überprüfbarkeit von Erkenntnissen hat sich schon sehr früh herausgebildet. Im Laufe der Zeit sind die Anforderungen daran gestiegen. Im 18. Jahrhundert wurde von dem Kieler Juristen Reinhard Friedrich Terlinden von Gelehrsamkeit als „Inbegriff aller logischen, nicht gemeinen, wichtigen und in Form der Kunst 31

gebrachten Wahrheiten“ gesprochen. Dies verknüpft die Sichtweise mit der des vorhergehenden Abschnitts. Die Erkenntnismethoden unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. In der „westlichen Welt“ bezieht man sich oft auf griechische Philosophen, wenn man den Beginn einer systematischen Erkenntnissuche charakterisieren will.

Abbildung 5

Platon (aus: Baumeister, Denkmäler des klassischen Altertums. 1888. Band III., Seite 1335, wikipedia.de:Bild:Platon-2.jpg)

31 Rudolf Stichweh, Der frühmoderne Staat und die europäische Universität. Zur

Interaktion von Politik und Erziehungssystem im Prozess ihrer Ausdifferenzierung, Frankfurt 1991, S. 113. 20

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

Blickt man auf die griechische Klassik zurück, so wird dort mit der im Dialog entwickelten Dialektik ein Weg aufgezeigt, um Meinen von Wissen zu unterscheiden. Als Beispiel sei auf einen kleinen Abschnitt aus der Staatslehre „Politeia“ von Platon Glaukon diskutiert:

32

(Abbildung 5) verwiesen, in dem Sokrates mit

„….Denn du meinst doch nicht, dass die in diesen Dingen stark sind, schon Dialektiker sind? – Nein, beim Zeus, außer nur gar wenige von denen, die mir bekannt geworden. – Aber auch das nicht, dass solche, die nicht einmal vermögen, irgend Rede zu stehen oder zu fordern, irgend etwas wissen werden von dem, was man, wie wir sagen, wissen muss? – Auch das gewiss nicht, sagte er. – Also dieses, o Glaukon, ist nun wohl die Melodie oder der Satz selbst, was die Dialektik ausführt? Von dem auch, wie er nur mit dem Gedanken gefasst wird, jenes Vermögen des Gesichts ein Abbild ist, von welchem wir sagten, dass er bestrebt sei, auf die Tiere selbst zu schauen und auf Gestirne selbst, ja zuletzt auch auf die Sonne selbst. So auch wenn einer unternimmt, durch Dialektik ohne alle Wahrnehmung nur mittels des Wortes und Gedankens zu dem selbst vorzudringen, was jedes ist, und nicht eher ablässt, bis er, was das Gute selbst ist, mit der Erkenntnis gefasst hat, dann ist er an dem Ziel alles Erkennbaren, wie jener dort am Ziel alles Sichtbaren. – Auf alle Weise. – Und diesen Weg, nennst du den nicht den dialektischen? – Wie sonst? …. Nun aber, sprach ich, geht allein die dialektische Methode, auf diese Art alle Voraussetzungen aufhebend, gerade zum Anfange selbst, damit dieser fest werde, und das in Wahrheit in barbarischem Schlamm vergrabene Auge der Seele zieht sie gelinde hervor und führt es aufwärts, wobei sie als Mitdienerinnen und Mitleiterinnen die gebraucht, welche wir zwar mehrmals Wissenschaften genannt haben, der Gewohnheit gemäß, die aber eines anderen Namens bedürfen, der mehr besagt als Meinung, aber dunkler ist als Wissenschaft – wir haben sie schon früher irgendwo Verständnis genannt; indes, denke ich, müssen die nicht über die Wörter streiten, denen eine so große Untersuchung wie uns vorliegt. – Freilich nicht! Sagte er, sondern wenn eines nur das bestimmte bezeichnet für den Vortrag … genügt es. – Es genügt uns also, sprach ich, wie zuvor die erste Abteilung Wissenschaft zu nennen, die zweite Verständnis, die dritte Glaube, die vierte Wahrscheinlichkeit; und diese beiden zusammen genommen Meinung, jene beiden aber Erkenntnis…“.

32 Platon, Sämtliche Werke, Bd. 3, Phaidon, Politeia, Hamburg 1963, S. 67ff., hier S. 238ff.

21

2.2

2

Elemente einer Wissenschaft

Die im letzten Satz zusammengefasste Begriffsdifferenzierung zeigt sehr klar, wie früh die Notwendigkeit einer methodischen Wissensgewinnung erkannt wurde. Der Versuch, durch eine bestimmte, voraussetzungsfrei erscheinende Methode verallgemeinerbares Wissen zu finden, auch ohne spezifische Zweckbestimmung, ist für die griechische Klassik kennzeichnend. Schon in römischer Zeit wird dem Verwendungsaspekt des Wissens ein viel höheres Gewicht zukommen.

2.2.2

33

Induktion und Experiment

Mit einem großen Schritt wenden wir uns nun einer Alternative der systematischen Wissensgewinnung zu, die zugleich bewusst die dialektische Logik ablehnt. Francis Bacon (1561-1626)34 propagiert ein erfahrungswissenschaftliches Vorgehen der Induktion und das Experiment als eine Methode der Wissensgewinnung. Diese richtet sich auf natur- oder ingenieurwissenschaftliche Phänomene. Gleichwohl darf in den Methodenvorschlägen auch eine Anregung für die Wissensgewinnung in anderen Disziplinen gesehen werden. Für die Betriebswirtschaftslehre sind zwei Aspekte schon hier zu erwähnen. Erstens wird schon im dritten „Aphorismus“ seines Werkes „Novum organum“ von 1620 postuliert: „Menschliches Wissen und menschliche Macht treffen in einem zusammen; denn bei Unkenntnis der Ursache versagt 35 sich die Wirkung.“ Das ist nicht nur die Stelle, aus der sich der oft zitierte Satz „Wissen ist Macht“ ableitet. Nicht immer wird dabei berücksichtigt, dass es sich um Macht gegenüber der Natur handelt. Es ist auch die Stelle, aus der man die Bedeutung der Erklärung von Ursache-WirkungsBeziehungen für die Wissensgewinnung erschließt. Wenn die Betriebswirtschaftslehre über Erklärung hinausgehend auch Grundlagen des Handelns bereitstellen will, muss sie sich um solche Beziehungen bemühen.

33 H. J. Störig, Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft, 2. A., Frankfurt a. M. 2007. 34 Eine kurze Einführung zu Leben und Werk gibt: Wolfgang Krohn, Francis

Bacon, München 1987. 35 Francis Bacon, Novum organum, hier zitiert nach der Ausgabe: J. Spedding/

R.L. Ellis/D.D.Heath, Hrsg., The Works of Francis Bacon, Vol. I, London 1858 (Reprint: Stuttgart-Bad Cannstadt 1963). 22

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

Frontispiz der „Instauratio Magna“ von Francis Bacon, London 1620. Das „novum organum“ ist der zweite Teil der „Instauratio Magna“

2.2 Abbildung 6

Zweitens wird darauf hingewiesen, dass Bacon eine „nützliche Prinzipienwissenschaft“ anstrebt, ohne diesen Ausdruck selbst zu benutzen: „er behilft sich meist damit, Nützlichkeit und Wahrheit zu parallelisieren: Nimmt man das eine zu, dann auch das andere. Da dies aber kein Zufall ist, sondern auf Konstruktion … beruht, ist es für das Verständnis der baconischen Philosophie grundlegend, die innere Beziehung von Nützlichkeit und Prinzipienwissen genau zu bestimmen.“36 Für die Auseinandersetzung um die Akzeptanz der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft spielt auch dies eine Rol-

36 Wolfgang Krohn, Francis Bacon, München 1987, S. 82f.

23

2

Elemente einer Wissenschaft

le: Nützlichkeit und Wahrheit eben nicht als Gegensätze anzusehen oder als nur zufällig zusammenfallend zu akzeptieren. Das „novum organum“ ist der zweite Teil eines unter dem Titel „instauratio magna“ veröffentlichten Buches (Abbildung 6). Dieses hat einen sehr bekannten Kupferstich als Titelblatt, in dem die Methodenfragen schon allegorisch angesprochen werden. Beginnen wir mit den in’s Auge stechenden Säulen. Zwei Fehlurteile, das „Erreichte zu hoch, das Erreichbare zu gering zu bewerten – nennt er (Bacon, K.B.) die ‚Schicksalssäulen der Wissenschaft’ …, über die hinauszustreben die Menschen bisher weder den Wunsch noch 37

die Hoffnung haben.“ Etwas weitergehend stehen sich hier Neuerungsfeindlichkeit und – ohne genügende Steuerung des Schiffes – die Kraft der Wellen des Experimentierens ohne Gesetz oder Plan gegenüber, die die Klippen im Vordergrund zur Gefahr werden lassen. Darin werden klassische Universitätsdisziplinen und ihre Methodik, insbesondere der „dialectiae“, gesehen. Sie bringen nach Bacons Auffassung keine wirklichen Neuerungen hervor.38 Mit den beiden präsentierten Methodiken wird deutlich, dass es keine einheitliche, von allen akzeptierte Vorgehensweise der Wissensgewinnung gibt. Vielmehr konkurrieren unterschiedliche Vorgehensweisen miteinander. Das erfordert dann eine Auswahl, für die wiederum Kriterien entwickelt werden müssen. In den Abschnitten 2.2.4 bis 2.2.6 wird darüber berichtet.

2.2.3

Sichtweisen der Betriebswirtschaftslehre

Nach diesen exemplarischen Hinweisen wenden wir uns wieder der Darstellung zu, die Erich Gutenberg in der zitierten Rede gibt. Er verweist ausführlich auf die Bedeutung von „Methoden“, durch die wissenschaftliches Den39

ken „Rationalität, Präzision, Festigkeit und Nachprüfbarkeit“ erreicht. „Erst die Härte der methodischen Prozedur vermag den Einfall zu einem Bestandteil wissenschaftlicher Erkenntnis zu machen.“40 Sodann zählt er auf:

37 Ebenda, S. 64. 38 Ebenda, S. 66. 39 Erich Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Krefeld 1957, S. 27. 40 Ebenda.

24

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

„…a)…Gewinnung von Tatsachenkenntnis b) … Kausalanalyse c) … Finalanalyse d) … Analyse nach der Methode ‚verstehender’ Sozialwissenschaft. Zu a): Tatsachenkenntnis kann beruhen ) auf eigener Erfahrung und Sachkenntnis ) auf der Einholung von Informationen zur Ergänzung persönlicher Erfahrung und Sachkenntnis ) auf monographischen Arbeiten vornehmlich beschreibender Art ) auf systematisch durchgeführten Befragungen ) auf primär statistischen Erhebungen ) auf der Bearbeitung sekundär-statistischen Materials. Es ist klar, dass das Sammeln und Ordnen von Material nur der erste Schritt zur wissenschaftlichen Analyse betriebswirtschaftlicher Vorgänge sein kann. Denn es genügt nicht zu wissen, dass etwas so ist, wie es ist. Die wissenschaftliche Aufgabe besteht vielmehr darin, zu erkennen, warum es so ist. Zu b): Kausalanalyse Man kann sagen, dass das gesamte Geschehen in einem Unternehmen oder Betrieb zu einem bestimmten Zeitpunkte durch jeweils eine ganz bestimmte Konstellation inner- und außerbetrieblicher Daten bestimmt sei. … Die betriebswirtschaftlich relevante Frage lautet deshalb: Wie ändert sich die Größe A, wenn sich die Größe B ändert? Dieser Kausalnexus ist es, welcher die Betriebswirtschaftslehre interessiert und dessen Analyse ihr so große Schwierigkeiten bereitet. Zu c): Von Finalanalyse kann man sprechen, wenn untersucht wird, zu welchem Ergebnis bestimmte Maßnahmen angesichts einer bestimmten Ausgangslage führen werden …. Zu d): Besteht die wissenschaftliche Aufgabe darin, die Unternehmen als ganzheitliche Gebilde zu analysieren, dann wird man versuchen, durch ‚Verstehen’ die Sinngehalte zu erschließen ….“ Diese gerafften Hinweise zeigen die Vielfalt der Methoden, die Interdependenz von Methodenwahl und Aufgabenstellung sowie die besondere, schon bei Bacon erwähnte Aufgabenstellung der Kausalanalyse und einer darauf aufbauenden „Finalanalyse“. Außerhalb von a) werden – im hier nicht wiedergegebenen Text - auch Experimente erwähnt. Dass mit d) auch die „Hermeneutik“ als Methode herangezogen wird, mag Erstaunen auslösen. In jüngster Zeit steht sie nicht im Vordergrund der Erkenntnisgewinnungsmethoden. Den Ort der historischen Betrachtung findet man unter a) bestimmt und im Rang deutlich hinter die Kausalanalyse zurückgesetzt. 25

2.2

2

Elemente einer Wissenschaft

Die historische Fortsetzung dieser Betrachtungsweise findet sich wiederum bei Horst Albach. Er verweist auf zwei Wege wissenschaftlicher Entwicklung: die „objektive Theorie“ und die „empirische“ Wissensgewinnung. Die „objektive Theorie“ ist von unbeteiligten Dritten überprüf- und nachvollziehbar. Insbesondere leitet sie ihre Erkenntnisse aus Grundannahmen (sogenannten Axiomen) nach den Regeln mathematischer Logik ab und führt Beweise. Klassisch wurden zum Beispiel die Beweise für die vielen Varianten der Optimierungsbedingung „Grenzerlös gleich Grenzkosten“ unter Heranziehung der Infinitesimalrechnung geführt. Mit der Optimierung unter Nebenbedingungen in Ungleichungsform kamen für den Fall linearer Beziehungen 41

dann das Preistheorem von Koopmanns und für nicht-lineare Beziehungen 42

die Kuhn-Tucker-Bedingungen hinzu. Diese Methoden können unmittelbar zur Erkenntnis führen. Das Konzept der Dualität in der linearen Programmierung beispielsweise legt die Grundlagen für den Satz: „Das Rechnungswesen und die Produktionsplanung wurden als duale Ansätze erkannt“43. Der empirischen Methodik zuzurechen sind die verschiedenen Verfahren der beschreibenden, der schließenden Statistik und der Ökonometrie. Hierher gehört auch die Entdeckung des Experiments für die Wirtschaftswissen44

schaften.

Als Marktforschungsmethode werden Experimente 1974 behan-

delt,45 als Entdeckungsverfahren für Erkenntnis aber schon weit früher.46 Die empirische Wissensgewinnung ist gegenüber der Darstellung bei Erich Gutenberg in den von Horst Albach überblickten Jahrzehnten darüber hinaus auch an anderer Stelle sehr viel weiter gekommen. Bei Gutenberg heißt es noch: „Wie ändert sich die Größe A, wenn sich die Größe B ändert?“, wobei A und B einzelne Variablen bedeuten. Heute können auch solche 41 Tjalling C. Koopmanns, Hrsg., Activity Analysis of Production and Allocation, New York 1951. 42 H. W. Kuhn/A. W. Tucker, Nonlinear Programming, in: J. Neymann, Ed., Second Berkeley Symposium on Mathematical Statistics and Probability, Berkeley, CA 1951, S. 481-492. 43 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 10. 44 In Deutschland sehr früh: Heinz Sauermann/Reinhard Selten, Anspruchsanpassungstheorie der Unternehmung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 118. Bd., 1962, S. 577-597. 45 Karl Christian Behrens, Marktforschung, Methoden der, Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Stuttgart 1974, Sp. 1354-1362, hier Sp. 1358f. 46 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, der Reichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826 (Nachdruck Düsseldorf 1986), Bd. 2 Rostock 1842, Bd. 3 Rostock 1863.

26

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

2.2

Beziehungen untersucht werden, in denen A als Vektor und B als Matrix von Variablen verstanden werden oder die Variablen als „Konstrukte“ aufzufassen sind, die empirisch durch mehrere „items“ oder „Elemente“ gebildet werden.

2.2.4

Anforderungen: Wertfreiheit

Konkurrierende wissenschaftliche Methoden sollen bestimmten Kriterien genügen. Auch um diese Kriterien gibt es Auseinandersetzungen, da sie nicht von allen an Erkenntnisgewinnung Interessierten ohne weiteres akzeptiert werden. Ein erstes prominentes Beispiel dafür ist die Forderung nach Wertfreiheit.

Abbildung 7

Professor Dr. Max Weber, 1894 (Max_Weber_1894.jpg aus wikipedia.de)

Für die empirische Wissensgewinnung sind – neben der Prüf- und Nachvollziehbarkeit durch Dritte - zwei wichtige Kriterien zu nennen: Wertfreiheit und Falsifizierbarkeit. Die Forderung nach Wertfreiheit als Grundnorm wissenschaftlichen Arbeitens geht auf Max Weber (1864-1920) zurück (Abbil47 dung 7). Sie ist auch in der Betriebswirtschaftslehre heftig debattiert worden. Eine sehr knappe Darstellung und Kritik der Position sowie eine Diffe-

47 Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftstheorie, Tübingen 1922 (3. A., Tübingen 1970).

27

2

Elemente einer Wissenschaft

renzierung der Werturteilsarten ist Hans Albert (1921) zu verdanken.48 Danach werden drei Arten von Werturteilen unterschieden: „Werturteile im Basisbereich sind eine Voraussetzung für jede Forschungstätigkeit. Sie entstehen beispielsweise durch das angesprochene oder praktizierte Bekenntnis zu wissenschaftstheoretischen Auffassungen und durch die Auswahl der Forschungsprobleme. Bei Werturteilen im Objektbereich geht es um wissenschaftliche Aussagen über Werte, z. B. um … Untersuchungen der Zielsysteme von Unternehmungen. Werte sind hier Objekte wissenschaftlicher Untersuchungen. Bei Werturteilen im Aussagenbereich geht es dagegen um Wertungen im Rahmen wissenschaftlicher Aussagen über Objekte. Es wird gefragt, ob wissenschaftliche Aussagen wertfrei sein müssen. Dieses Problem ist gemeint, wenn über das Werturteilsproblem in der Betriebswirtschaftslehre 49 diskutiert wird.“ Vor diesem Hintergrund sind die Sätze zu lesen: „Aber die Ziele dürfen nicht vom Wissenschaftler postuliert sein, sondern müssen der Wirklichkeit entnommen werden. Sie sind Bestandteil des wissenschaft-

lich zu erforschenden Problems.“50 Allerdings wird immer wieder auch eine wertende Betriebswirtschaftslehre vertreten. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte dies beispielsweise durch Heinrich Nicklisch und seine Anhänger. Es ist eine humanistisch an sogenannten „ewigen Werten“ im „Gewissen“ orientierte Sichtweise mit strengen, nicht marktbezogen formulierten Gerechtigkeitspostulaten. Das führt zu Folgerungen, wie etwa der folgenden:

51

„Die kapitalistische Entwicklung unseres Wirtschaftslebens hat den Gewinnbegriff an den des Kapitals geknüpft, statt an den des Schöpferischen im Leben, der Arbeit. Das war irrig. Diese Denkweise hat das, was in der Bemessung der Wirkungsanteile grundsätzlich richtig ist, verschleiert und Kapitaleigentümern gestattet, mehr Anteil einzuheimsen als ihnen zukam. Nicht durch das Kapital, sondern nur durch diese Ungerechtigkeit ist das entstanden, was Kapitalismus heißt. Es ist Zeit, dass das Aktienrecht 48 Hans Albert, Wissenschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3, 4. A., Stuttgart 1976, Sp. 4674-4692, bes. Sp. 4687; ders., Marktsoziologie und Entscheidungslogik, Neuwied et al. 1967. 49 Gerold Behrens, Wissenschaftstheorie und Betriebswirtschaftslehre, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3, 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 44763-4772, hier Sp. 4770f. 50 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 9. 51 Heinrich Nicklisch, Der Weg aufwärts! Organisation. Versuch einer Grundlegung, Stuttgart 1920, hier 2. A. 1922, S. 100. ders., Die Betriebswirtschaft, 7. A., 1. Lieferung, Stuttgart 1929, S. 29: „vom Reich der Zwecksetzungen kann es keine wertfreie Wissenschaft geben, deshalb auch nicht von der Betriebswirtschaft.“

28

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

gründlich umgestaltet wird, besonders auch die Rechtsvorschriften über die Verteilung der Gewinne. Gegen das Privateigentum an Kapital sind meine Äußerungen nicht gerichtet, sondern gegen die ungerechte Verteilung der Gesamtwirkung an die Beteiligten. Als eins der größten Übel der Zeit erscheint mir unter dem noch geltenden Recht einer, der nichts ist als Aktionär.“ Das muss hier nicht inhaltlich beurteilt werden. Erstaunlich ist aber doch, dass der Gedanke etwa 50 Jahre später wieder auftaucht. Im Rahmen der studentischen Protestwelle des Jahrzehnts nach 1968 wurde von den unterschiedlichsten sozialistischen bis kommunistischen Gruppen der Versuch unternommen, Betriebswirte zu einer genehmen, wertenden Position zu bewegen. Intensive „Befragungen“ in Lehrveranstaltungen, vorbereitet durch Wandzeitungen und Flugblätter, sowie Zwang zur „Selbstkritik“ waren Instrumente, die gewünschte Werthaltung zu erreichen. Etwas zurückhaltender wirkt dagegen der Versuch zur Etablierung einer „arbeitsorientierten 52 Einzelwirtschaftslehre“, die unmittelbar an dem hier wiedergegebenen Nicklisch-Zitat hätte anknüpfen können.

Wertend ist auch, wenn Regeln guter oder ordnungsgemäßer Unternehmensleitung nicht nur abgeleitet, zur Diskussion gestellt und auf ihre Verbreitung hin untersucht werden, sondern mit normsetzendem Anspruch vorgetragen werden.53 Natürlich ist die Verbindlichkeit des Deutschen Corporate Governance Kodex durch die Anwendungspflicht nach § 161 des Aktiengesetzes die Etablierung einer wertenden Norm. Dass auch „comply or explain“ unter ausreichend starkem öffentlichen und politischen Druck zur verbindlichen, gesetzlich geregelten Erklärungspflicht mutiert, hat man in der Frage des individualisierten Ausweises der Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge erlebt. Die dann im Jahre 2007 begonnene Diskussion über die Gerechtigkeit der Höhe der Management-Bezüge, populistisch dem teils sozialpolitisch, teils wettbewerbspolitisch begründeten Begehren nach Mindestlöhnen gegenübergestellt, demonstriert die Folgen wertender Argumentationen.

52 Zum Beispiel: N. Koubek, Grundelemente einer arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre, in: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Hrsg., Arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre contra Kapitalorientierte Betriebswirtschaftslehre, WSI-Studien zur Wirtschafts- und Sozialforschung, Nr. 24, Köln 1973, S. 69ff. Zur Kritik u.a.: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 250. 53 Beispielsweise: Axel von Werder, Management – Mythos oder regelgerechte Kunst? Plädoyer für die Formulierung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung (GoU), Der Betrieb, Bd. 48, 1995, S. 2177-2183.

29

2.2

2

Elemente einer Wissenschaft

2.2.5

Anforderungen: Falsifizierbarkeit

Nach diesem Ausflug ist wieder zum Hauptthema zurückzukehren, der Etablierung von Regeln für systematisches wissenschaftliches Arbeiten. Es geht um Verifizier- oder Falsifizierbarkeit empirisch gewonnener Erkenntnisse. Die Auseinandersetzung darüber ist durch Karl Raimund Popper (19021994) in die Debatte gebracht worden (Abbildung 8). Er argumentiert gegen die induktive Methode, wie sie von Francis Bacon vertreten wurde54:

„Now in my view. There is no such thing as induction. Thus inference to theories, from singular statements which are ‚verified by experience’ (whatever that may mean), is logically inadmissible. Theories are, therefore, never empirically verifiable. If we wish to avoid the positivist’s mistake of eliminating, by our criterion of demarcation, the theoretical systems of natural science, then we must choose a criterion which allows us to admit to the domain of empirical science even statements which cannot be verified. But I shall certainly admit a system as empirical or scientific only if it is capable of being tested by experience. These considerations suggest that not the verifiability but the falsifiability of a system is to be taken as the criterion of demarcation. In other words: I shall not require of a scientific system that it shall be capable of being singled out, once and for all, in a positive sense; but I shall require that its logical form shall be such that it can be singled out, by means of empirical tests, in a negative sense: it must be possible for an empirical scientific system to be refuted by experience.” In der Folge ist oft diskutiert worden, ob die Anforderungen der Falsifizierbarkeit, die in den Naturwissenschaften angebracht sein mögen, auch in Sozialwissenschaften mit derselben Rigorosität zu stellen und zu erfüllen sind. Die Variabilität des in diesen Wissenschaften mit erfassten menschlichen Verhaltens und bewussten Handelns sind es insbesondere, die hier bei der Festlegung der Kriterien für eine Zurückweisung einer Hypothese 55 „einer etwas großherzigeren Sichtweise gewichen” ist. Eine Demarkationslinie für die Zurückweisung von Hypothesen setzt natürlich zunächst voraus, dass diese überhaupt in einer solchen Form formuliert sind, dass sie

54 Karl Raimund Popper, The Logic of Scientific Discovery, New York 1959, S. 40f. (Originalausgabe: Logik der Forschung, Wien 1935). 55 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 9.

30

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

2.2

zurückweisbar sein können. („Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist,“ erfüllt diese Bedingung nicht. Trotzdem findet man immer wieder solche Sätze in Dissertationen, wo sie sogar als Hypothesen ausgegeben werden.) Bedeutung hat die Demarkationslinie nicht nur für die intersubjektive Überprüfung, sondern auch für den einzelnen Wissenschaftler auf der Suche nach dem überlegenen Erklärungsmodell. Dafür ist heute eine Fülle von Empfehlungen verfügbar, die beispielsweise auch den einführenden Texten zur Nutzung statistischer 56

Testsoftware beigefügt werden.

Abbildung 8

Sir Karl Raimund Popper (Karl Popper Institut, Universität Wien: www.univie.ac.at/science-archives/popper/de/index.html)

56 Z.B.: Klaus Backhaus et al., Multivariate Analysemethoden, Eine anwendungsorientierte Einführung, 11. A., Berlin/Heidelberg/New York 2006.

31

2

Elemente einer Wissenschaft

2.2.6

Allgemeine Kontrollanforderungen

Mit den bisher behandelten Kriterien der Wertfreiheit von Aussagen und der Falsifizierbarkeit empirisch überprüfbarer Hypothesen ist noch nicht gewährleistet, dass eine intersubjektive Kontrolle der Vorgänge bei der Wissensgewinnung erfolgt. Dies ist erforderlich und definiert so eine weitere Gruppe von Kriterien wissenschaftlicher Arbeit. Diese auf Kontrolle gerichteten Aspekte wissenschaftlichen Prozessgestaltung sind in vier Punkten zu57 sammengefasst worden :

 Universalismus: Wissenschaftliche Beiträge sollen nach Kriterien beurteilt

 



werden, die vor ihrer Erarbeitung und unabhängig vom Bearbeiter festgelegt werden; sie bauen auf bisher allenfalls im Rahmen der akzeptierten Fehlergrenzen falsifizierten Beiträgen auf. Kommunalismus: Wissenschaftliche Beiträge müssen offen gelegt werden. Nur so sind sie überprüfbar und können Gegenstand des organisierten Skeptizismus werden. Innere und äußere Freiheit: Wissenschaftliche Tätigkeit soll nicht durch Drittinteressen oder Interessenkonflikte bestimmt sein. Geld und Ruhm sind große Verführer, wie spektakuläre Fälle von Ergebnisfälschungen zeigen. Organisierter Skeptizismus: Durch Kritik können Erkenntnisse präzisiert, erweitert oder gesichert werden. Das setzt grundsätzlich Widerlegbarkeit voraus. Die Rolle der Referenten zur Beurteilung von Veröffentlichungswünschen oder Fördervorschlägen stellt einen Teil des Systems 58 organisierten Skeptizismus dar. In ganz extremer Form kann auf diese

Weise auch das Plagiat entdeckt werden.59 Ob dazu allerdings die bisherigen Vorkehrungen ausreichen, kann bezweifelt werden. Insbesondere der Kommunalismus ist von bisher noch nicht gewürdigter Bedeutung. Zunächst kann er in Interaktion mit der inneren Freiheit zum Problem werden, wenn etwa durch Geheimhaltung persönliche Vorteile zu 57 H. Zuckerman, The Sociology of Science, in: N. J. Smelser, Ed., Handbook of Sociology, Newbury Park et al. 1988, S. 511-574; dabei bezieht sich der Autor auf eine Arbeit von Robert King Merton (1910-2003) von 1942. 58 Freilich ist einzuräumen, dass die Reliabilität dieser Begutachtungen nicht sehr hoch ist. Zusammenfassend dazu: Dean Keith Simonton, Creativity in Science, Chance, Logic, Genius and Zeitgeist, Cambridge 2004, S. 84ff. 59 Auf einen besonders gravierenden Fall aus den Sozialwissenschaften mussten – wenn auch mit zeitlichem Abstand – die Herausgeber der Zeitschrift „Research Policy“ erst kürzlich hinweisen. Ironie ist dabei, dass der Plagiator H. G. selbst plagiiert wurde: Ben R. Martin, Keeping plagiarism at bay – A salutary tale, Research Policy, Vol. 36, 2007, S. 905-911.

32

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung

erlangen sind. So ist beispielsweise in der Diskussion um die Möglichkeit der Patentierung von Hochschullehrererfindungen nach deutschem Recht klar, dass vorherige Veröffentlichungen schädlich für die Patentierung sind, weil sie dem Zulassungswunsch den notwendigen Neuheitscharakter rauben. Leicht sind viele andere Situationen vorstellbar, etwa der Nutzung von vermeintlichen Erkenntnissen zur entgeltlichen Beratung. Eine weitere Interaktion bringt Kommunalismus in ein Spannungsfeld zu Reputation. Spektakulär hervorgetreten sind hier verschiedene Fälle in den Naturwissenschaften (was aber nicht bedeutet, dass sie in den Sozialwissenschaften unmöglich wären). Hohe Reputation kann offenbar zu Nachsicht bei der Überprüfung verleiten. So hatte 1988 der Franzose Jacques Beneviste in Paris behauptet und in der hoch angesehenen Zeitschrift „Nature“ publiziert, dass er beweisen könne, dass hoch verdünnte Flüssigkeiten auch ohne erkennbare Inhaltsstoffe biologische Wirkungen erzielten. Drei Personen schritten schließlich zur Überprüfung: „Doch als das Trio die Laborbücher persönlich inspizierte und sich die Versuchsausführungen näher betrachtete, waren Benevenistes Entdeckungen endgültig als Fälschungen entlarvt. Das Renommee von ‚Nature’ war aber auch beschädigt, mußte man sich doch eingestehen, die Arbeit Benevistes voreilig veröffentlicht zu haben. Siebzehn Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Die Protagonisten heißen Woosuk Hwang und ‚Science’. Dieses Mal sei es blinder Ehrgeiz gewesen, der den einst hochgelobten (Hervorh., K.B.) Klonforscher dazu getrieben habe, Bilder zu manipulieren, geklonte Zellkulturen zu fälschen sowie Gutachter und Forscherkollegen hinters Licht zu führen. Und wieder stellen sich dieselben Fragen: Warum hat niemand den Betrug rechtzeitig erkannt? Vielleicht hätte man nur einfach mal das Labor in Seoul besuchen und einen Blick in die Versuchsprotokolle werfen sollen. Doch offenkundig fehlt es 60

vielen Forschern an dem nötigen Mut für einen kritischen Besuch.“ Die hohe Reputation von Robert Koch schützte ihn, als er auf einem medizinischen Kongress 1890 fälschlich behauptete, Tuberkulin könne bei Meerschweinchen Tuberkulose heilen. Viele weitere Beispiele kommen in den Sinn. Allerdings ist es nicht nur fehlender Mut, der die Aufdeckung von Fälschungen verhindert. Die Aufdeckung ist kaum durch bloßes Ansehen möglich, sondern fordert intensive, kriminalistische Nacharbeit, da der Fälscher natürlich auch Spuren verwischt. Natürlich kann die Überprüfung überraschender und angezweifelter Ergebnisse auch zur völligen Bestätigung des Gefundenen führen oder dazu, dass unbewusstes „tacit knowled61

ge“ expliziert und aufgedeckt wird.

60 mli, Unglaublich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Januar 2006, S. N 1. 61 Die spannende campus novel des Hormonforschers Carl Djerassi, Cantor’s Dilemma, München 1989, gibt hierfür ein besonders schönes Beispiel.

33

2.2

2

Elemente einer Wissenschaft

Regeln für gute wissenschaftliche Arbeit sind vielfach aufgestellt worden. In Deutschland sind die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formulierten Regeln von besonderer Bedeutung. Diese Bedeutung ergibt sich daraus, dass Forschungsmittel nur an solche Institutionen vergeben werden, die sich zur Einhaltung dieser oder äquivalenter, selbst formulierter Regeln verpflichtet haben.

2.2.7

Skeptiker oder „anything goes“?

Dass fehlende Regelanwendung eine Einladung an Fälscher ist, haben wir eben gesehen. Allerdings gibt es auch den sogenannten „postmodernen Relativismus“, der alle Erkenntnis als individualisiert ansieht. Nach dieser Auffassung ist organisierter Skeptizismus unmöglich. Aus unserer Sicht ernsthafter ist der Instrumentalismus. Danach werden in Theorien Hypothesen mit Beobachtungen wie durch Werkzeuge verknüpft. Die DuhemQuine-These besagt, dass die Forscher viele Möglichkeiten solcher Verknüpfung haben, also sie selbst wiederum durch ihre Arbeit das Ergebnis beeinflussen. Karl Popper würde hier vermutlich darauf verweisen, dass auch der einzelne Forscher durch Anwendung der Prinzipien zu Entscheidungen darüber kommen kann, welche Verknüpfung die bessere ist. Natürlich kann man sich auf organisierten Skeptizismus nicht vollständig verlassen. Man weiß aus Tests beispielsweise, dass ein hoher Anteil von bereits veröffentlichten Aufsätzen aus besten Zeitschriften und von Wissenschaftlern mit hoher Reputation bei einer anonymen Wiedereinreichung von den organisatorisch vorgesehenen Skeptikern nur zu einem sehr geringen Teil als bereits erschienen erkannt, zu einem ebenfalls geringen Anteil akzeptiert aber zum größten Teil mit methodischen Begründungen zurückgewiesen werden. Immerhin hat der organisierte Skeptizismus in letzter Zeit aber auch dadurch Unterstützung gefunden, dass Suchmaschinen entwickelt wurden, die das „world wide web“ auf bereits vorhandene Textpassagen hin absuchen. So kann wenigstens dem Plagiat leichter Einhalt geboten werden. Das Ende dieses Abschnitts ähnelt dem vorhergehenden: Es gibt eine ausgeprägte Weiterentwicklung der Methoden des systematischen Erkenntnisgewinns, die Betriebswirtschaftslehre entwickelt dazu neue Methoden und sie bedient sich neuer Methoden, die an anderer Stelle entwickelt werden. Damit werden zugleich Fragestellungen zugänglich, die früher verschlossen waren. Auch so ändern sich die Grenzen der Disziplin.

34

Wissensbewahrung

2.3

Wissensbewahrung

2.3.1

Kumulatives Wissen und „Tacitness“

Der Physiker, Philosoph und Aphorismenverfasser Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) meint: „Man kann das Streben nach Entdeckung dem Vogelschießen vergleichen … Wer die Krone abschießt, muß bedenken, dass die Schüsse seiner Vorgänger auch etwas dazu beigetragen haben, dass er einen Flügel abkriegt oder gar die Krone (um 6 Uhr abends wurde der ganze 62 Vogel heruntergeschossen).“ Auf den Grundlagen von Vorgängern aufzubauen, müsste deshalb auch auf dem Weg zu wissenschaftlicher Erkenntnis nützlich sein. Das setzt voraus, dass diese Erkenntnis den Nachfolgenden als Plattform zugänglich ist. „Wir sind wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen, damit wir mehr und weiter sehen können als diese, und zwar nicht weil unsere Augen schärfer und unser Wuchs größer wäre als ihrer, sondern weil wir empor gehoben werden von der Größe der Riesen und 63 diese nutzen“, wird Bernhard von Chartres (1126) zitiert. Man spricht hier von kumulativem Wissen. In den früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden mögen die weiten geographischen Distanzen, das Fehlen einer „Wissenschaftssprache“ oder die beschränkten Möglichkeiten der Dokumentation die Ausbildung solcher Plattformen besonders erschwert haben. Hans J. Störig schildert, dass die „Null“ von Sumerern (ca. 4000 v. Chr.) und den Indern (ca. 700 v. Chr.) entdeckt wurde, den Ägyptern, Griechen und Römern unbekannt blieb, von Arabern aus Indien übernommen wurde (mit der Bezeichnung für „das Leere“ oder „sifr“) und so schließlich auch nach 64 Europa gelangte. Leonardo Fibonacci Pisano stellt 1202 in „Il Liber Abbaci“ die indischen Zahlzeichen einschließlich der Null dar, was als „Revolution“

charakterisiert wird.65

62 Georg Christoph Lichtenberg, Einfälle und Bemerkungen, Heft J, 1789-1793, Nr. 114, Berlin/Weimar 1975, S. 125. 63 Vgl. Robert King Merton, Auf den Schultern von Riesen, Frankfurt a. M. 1983. 64 Hans Joachim Störig, Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft, 2.A., Frankfurt 2007, S. 27, 37, 46, 130. 65 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 21. Allerdings ist es eine schleichende Revolution, denn es dauert doch mehrere Jahrhunderte, bis das neue Zahlensystem durchgesetzt ist. Vielleicht spielt dabei auch die Furcht vor Schäden durch Verwechslungen der nicht normierten Schreibweise der Zahlen mit; auch Amerikaner und Deutsche wählen ja heute unterschiedliche Unterscheidungsmerkmale zwischen 1 und 7.

35

2.3

2

Elemente einer Wissenschaft

Dass immer wieder Wissen verloren geht, hat eine Vielzahl von Ursachen, selbst ohne die oben angesprochenen Begründungen. Michael Polanyi (18911976) hat den Begriff des „tacit knowing“ verwendet um zu erklären, „that 66 we can know more than we can tell“. Das meist erwähnte Beispiel ist der Versuch, das einmal erlernte Fahrradfahren zu erklären. Wenn solche Erklärungen misslingen, wird dadurch kumulatives Wissen eingeschränkt. Die Unfähigkeit zu Erklären hat die Beschäftigung mit dem Lernen durch unmittelbare Beobachtung ebenso gefördert wie die Konzentration bestimmter Handwerke oder Fähigkeiten an ganz bestimmten Orten. Daneben tritt – bei gängiger Umdeutung von „tacit knowing“ zu „tacit knowledge“ - die Unwilligkeit zum Transfer von Wissen aus Eigennutzerwägungen. Ob deshalb Lichtenberg, um ihn noch einmal zu zitieren, Recht hat mit seinem Aphorismus: „Die Kosmographen werden freilich keine nordwestliche Durchfahrt (also den Weg von Europa nach Asien am Nordpol vorbei, K.B.) finden, aber die Pelzhändler. Man würde selbst in philosophischen Dingen sehr viel weiter sein, wenn man die Untersuchungen so einrichten könnte, dass der 67 Gewürz- oder Pelzhandel dadurch befördert würde“? Den Kosmographen wäre trotz längerer Suchzeit zuzutrauen, dass sie ihr Wissen schnell teilten; bei den Pelz- oder Gewürzhändlern wäre dies nicht zu vermuten. An dritter Stelle sind Kosten der Wissensspeicherung und Wissenstransformation zu bedenken, die zu „tacitness“ führen können. Je nach eigener Zeitperspektive („Morgen werde ich mich schon wieder daran erinnern!“ In einer Woche erst komme ich wieder dazu und habe alles vergessen.), sollen möglicherweise Kosten der Dokumentation eingespart werden. Ein verwandter Aspekt liegt darin, dass Artikulation des Wissens nicht als effizient angesehen wird oder nicht als effektiv, weil für andere Problemstellungen nicht er-

kennbar geeignet.

68

Trotz einer Vielzahl technischer Speichermöglichkeiten und einer inzwischen etablierten systematischen Aus- und Weiterbildung in der Betriebswirtschaftslehre ist die Bewahrung von Wissen nicht perfekt. Betrachten wir das an Hand von Beispielen.

66 Michael Polanyi, The Tacit Dimension, London 1966, S. 4. 67 Georg Christoph Lichtenberg, Einfälle und Bemerkungen, Heft J, 1789-1793, Nr. 114, Berlin/Weimar 1975, S. 138. 68 Mit Bezug auf die Globalisierung von Forschung und Entwicklung wurde diese Differenzierung erstmals entwickelt in: Allen W. Pearson/Klaus Brockhoff/Alexander von Boehmer, Decision Parameters in Global R&D Management, R&D Management, Vol. 23, 1993, S. 249-262.

36

Wissensbewahrung

2.3.2

Beispiele der Betriebswirtschaftslehre

(1) Im Jahre 2007 stürzte unter anderem die Industriekreditbank, Düsseldorf, in eine schwere Finanzierungskrise. Über eine besondere Gesellschaft waren insbesondere amerikanische Hypothekarkredite mit variablem Zins übernommen worden. Diese wurden durch kurzfristige Instrumente refinanziert, für die aber Käufer ausblieben, als sich zeigte, dass die zugrundeliegenden Kredite zu einem erheblichen Teil durch die Kreditnehmer nicht mehr bedient werden konnten. Vorstand und Aufsichtsgremien der Bank wurde unter anderem vorgeworfen, eine solche Art von Bankgeschäft überhaupt geduldet zu haben. Am 27. August 2007 erschien in der Frankfurter Allge69 meine Zeitung dazu ein Leserbrief , dessen Autor darauf hinweist, dass in ähnlicher Weise (durch sogenannten Revolving-Kredit) bereits einmal ein Bankier ein Bankhaus (Investitions- und Handelsbank, Frankfurt) zum 70 Scheitern geführt hatte. Über diesen Vorgang wird berichtet :

„… Rudolf Münemann (1908 bis 1982), Sohn eines Textilfilialisten mit bis zu 56 Stützpunkten in Norddeutschland. Das väterliche Unternehmen krachte 1926 zusammen, als Münemann 18 Jahre alt war. Der Jüngling ließ sich für mündig erklären und erwarb aus der Konkursmasse des Vaters einen Textilladen im hannoverschen Alfeld. Zwei Jahre später fuhr er mit 125 Reichsmark in der Tasche nach München, um dort eine Finanzmaklerfirma zu starten: Wenn schon kein eigenes Geld, dann eben fremdes. … Rudolf Münemann entwickelte das Prinzip ‚Aus kurz mach lang’. Er wälzte kurzfristige Kredite und Schuldscheine bündelweise um und entwickelte daraus langfristiges Kreditgeld. … Nach dem Krieg gab Altvater Abs (Vorstandsvorsitzender und späterer Aufsichtsratsvorsitzender der Deutsche Bank AG, K.B.) die Parole aus: ‚Mit Münemann macht man keine Geschäfte.’ Dennoch hatte es das Unternehmerkartell mit ihm zunächst nicht leicht. Einige der ihren, so Flick, Daimler-Benz und Mannesmann, wußten Münemanns Dienste wohl zu schätzen. 1960 aber schlugen die Banken mit der ‚Lex Münemann’ zu, die auch die Finanzmakler den strengen Regeln des Kreditwesengesetzes unterwarf. ‚Wenn wir im Mittelalter wären, würde man mich auf den Scheiterhaufen bringen’, beschrieb Münemann die Szene. Er ist lange der einzige deutsche Finanzmann geblieben, von dem Risikokapital zu bekommen war. Mit seinem Einstieg in die 69 Dr. Wolfang Philipp, Münemann lässt grüßen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 8. 2007, S. 7. 70 Werner Meyer-Larsen, Legenden des Wirtschaftswunders, Der Spiegel, http://www.spiegel.de/spiegel/ 0,1518,22750,00.html .

37

2.3

2

Elemente einer Wissenschaft

Uhren Weiß AG, einem Billigfilialisten, verhob er sich dann aber selbst. Seine Investitions- und Handelsbank mußte er verkaufen. Als die Frankfurter Bundesbank 1969 den Kredit verknappte, versiegten Münemanns billige Geldquellen. Er wurde zahlungsunfähig und mußte aufgeben.“

(2) Der „Price in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel“ (meist Wirtschaftsnobelpreis genannt) wurde 1996 James A. Mirrlees und William Vickrey zuerkannt. Vier Jahre vorher zeigte der Ökonom Manfred Tietzel, dass die berühmte „Zweitpreisauktion“ von Vickrey in spezieller Form 71 durch Johann Wolfgang von Goethe genutzt wurde. Dieser versuchte vom Unternehmer Hans Friedrich Vieweg einen möglichst hohen Preis für den Druck und Verlag seines Werkes „Hermann und Dorothea“ zu erhalten. In seinem Brief vom 16. Januar 1797 führt er aus: „Was das Honorar betrifft, so stelle ich Herrn Oberkonsistorialrat Böttiger ein versiegeltes Billet zu, worin meine Forderung enthalten ist, und erwarte, was Herr Vieweg mir für meine Arbeit anbieten zu können glaubt. Ist sein Anerbieten geringer als meine Forderung, so nehme ich meinen versiegelten Zettel uneröffnet zurück und die Negation zerschlägt sich, ist es höher, so verlange ich nicht mehr als in dem, alsdann von Herrn Oberkonsistorialrat zu eröffnenden Zettel verzeichnet ist.“ Leider hat sich Böttiger nicht ganz an die Spielregeln gehalten und Vieweg einen Tip gegeben. Das Prinzip der Zweitpreis-Auktion aber ist deutlich zu erkennen und damit nicht in Frage gestellt.

(3) Deutlich umfangreicher ist der dritte Hinweis. Wer sich mit strategischem Management beschäftigt, wird das Wertkettenmodell von Michael 72 Porter kennenlernen. Sein Ziel ist, ein analytisches Instrument bereitzustellen, das die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen erkennen lässt und zu ihrer vorteilhaften Gestaltung genutzt werden kann. Dieses analytische Instrument ist die „Wertkette“. Das in ein durch Zulieferer und Kunden hierarchisch strukturiertes „Wertsystem“ eingebettete Unternehmen ist in solche Wertketten gegliedert. Die folgende Abbildung 9 zeigt die „Unterteilung des

Wertkettenmodells“.73

71 Darauf weist hin: Benedikt Fehr, Von Goethe erdacht, von Ebay genutzt: Zweitpreis-Auktionen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. 12. 2007. Manfred Tietzel/Benny Moldovanu, Goethe’s Second-Price Auction, Journal of Political Economy, Vol. 106, 1998, S. 854-859. 72 Michael E. Porter, Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage). Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Frankfurt 1992, hier S. 49-80. 73 Ebenda, S. 74.

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Wissensbewahrung

2.3 Abbildung 9

Element der Wertkette nach Michael Porter

Im Unternehmen werden nach der Darstellung von Porter „Wertaktivitäten“ durchgeführt. Dabei sind zunächst „primäre Aktivitäten“ zu betrachten, für die beispielhaft Eingangslogistik, Operationen (also Produktionsaktivitäten), Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie Kundendienst genannt werden. Sie sind mit vier Kategorien von „unterstützenden Aktivitäten“ verknüpft. Genannt werden Beschaffung, Technologieentwicklung (Produkt- und Verfahrensverbesserungen), Personalwirtschaft und die Bereitstellung der Unternehmensinfrastruktur. Letzteres umfasst das Management, die Finanzwirtschaft usw. In jeder Kategorie von Aktivitäten gibt es direkte, indirekte und qualitätssichernde Aufgaben, wobei die beiden ersten nach der Unmittelbarkeit ihres Kundenbezugs zu unterscheiden sind. Die Aktivitäten richten sich letztlich darauf, die Gewinnspanne zu ermöglichen und ggf. zu erhöhen. Das Modell hat große Verbreitung in Wissenschaft und Praxis gefunden. Es ist auch als grundsätzlich neu wahrgenommen worden. Dies allerdings überrascht, wenn man in der betriebswirtschaftlichen Literatur zeitlich zurückgeht und dabei die Ausführungen von Heinrich Nicklisch (1876-1946) stößt (Abbildung 10). Wertprobleme und ihre Lösung stellten zeitweise ein Hauptthema der Disziplin dar. Ergebnisse Nicklischs Überlegungen zum

39

2

Elemente einer Wissenschaft

Wertproblem hat er in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts 74 vorgelegt. Die dabei benutzte Sprache ist allerdings aus heutiger Sicht weniger eingängig und schon von daher ein Hindernis anwendungsorientierter Verbreitung des Konzepts. Anders als bei Porter ist das Ziel der Ausführungen, ein grundsätzliches Verständnis des Problembereichs zu erlangen. Wie bei Porter auch, ist das Betrachtungsobjekt, der autonome, arbeitsteilige Betrieb, in einen ihn umgebenden Wirtschaftsprozess eingebettet, mit dem er in einen Geld- und Leistungsaustausch tritt. Aus den beiden genannten Quellen wird versucht, eine Zusammenschau zu präsentieren.

Abbildung 10

Professor Dr. Dr. oec. H. c. Heinrich Nicklisch (ca. 1910)

74 Heinrich Nicklisch, Der Betriebsprozeß und die Wertumläufe in der Wirtschaft, Zeitschrift für Handels-Wissenschaft & Handelspraxis, 20. Jg., 1927, S. 121-125; ders., Die Betriebswirtschaft, 7. A., Stuttgart 1932.

40

Wissensbewahrung

Betrachtungseinheit von Nicklisch ist nicht eine „Aktivität“, sondern ein „Prozess“, der Betriebsprozess: er umfasst die Vorgänge, die zur Zweckerfüllung des Betriebes in Gang gesetzt werden. Als „überragend“ werden angesehen: Beschaffung, Produktion (im engeren Sinne), Absatz und Ertragsverteilung. Während die ersten drei bereits aus dem Modell Porters als primäre Aktivitäten bekannt sind, geht Nicklisch mit dem vierten Prozess noch darüber hinaus. Die drei ersten Prozesse werden unter dem Begriff des „Produktionsprozesses im weiteren Sinne“ zusammengefasst. Er steht „gleichrangig“ dem Ertragsverteilungsprozess gegenüber, der den Gegenwert der Betriebsleistung, den Ertrag, aufnimmt. Damit aus dem Produktionsprozess im weiteren Sinne im „inneren Wertumlauf“ die betriebliche Leistung bereitgestellt werden kann, sind beispielsweise „Geldbestände“ erforderlich, also Finanzierungen. Das entspricht einer der unterstützenden Aktivitäten bei Porter. „Vom Ertrage aus“ werden die betrieblichen Produktionsfaktoren entlohnt, also Löhne und Gehälter gezahlt und Gewinne ausgeschüttet, wodurch der „äußere Wertumlauf“ gestartet wird, der die Nachfrage für die betrieblichen Leistungen ermöglicht. Durch den Produktionsprozess im weiteren Sinne wird der Aufwandswert oder der Produktionswert bestimmt. Ihm steht der „produzierte Wert“ gegenüber. Er ist „von der Qualität der Betriebsleitung abhängig“ und „eine unbekannte Größe, bis die Entscheidung im Markt gefallen ist. So kommt es regelmäßig zu Unterschieden zwischen Aufwandswert und produziertem Wert.“ Der Unterschied ist der Gewinn. Voraussetzungen für seine Entstehung sind die Existenz von Bedürfnissen, von Märkten, Arbeitsteilung und eben die Betriebsleitung. Im Kern sind bei Nicklisch alle Elemente des Porterschen Wertkettenmodells vorhanden. Mehr noch: die unmittelbare Verknüpfung mit den Märkten über den detailliert ausgearbeiteten Ertragsverteilungsprozess erscheint noch enger als bei Porter. 75 (4) Der Gedanke der Maximierung eines „shareholder value“ wird von Rolf Bühner auf seine Definitionselemente zurückgeführt. Er sieht diese als künftige Cash-flows aus betrieblicher Tätigkeit an, eine Planungsperiode 76 und einen Diskontierungsfaktor. Er zeigt sodann, dass alle diese Elemente

75 Alfred Rapoport, Creating Shareholder Value. The new Standard for Business Performance, New York 1986. 76 Rolf Bühner, Der Shareholder Value im Spiegel traditioneller betriebswirtschaftlicher Bilanzansätze, in: Hans-Ulrich Küpper/Ernst Troßmann, Hrsg., Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management. Festschrift für Marcell Schweitzer, Berlin 1997, S. 28-41.

41

2.3

2

Elemente einer Wissenschaft

bei Wilhelm Rieger77 und Erich Kosiol78 bereits vorhanden sind. Auch hier sind Sprache und Absicht der Darstellung andere als in späterer Zeit. (5) Der Begriff des „economic value added“™ als Maß des Unternehmenswertes wird durch Stern und Stewart auf Grund einer Vielzahl von Anpas79 sungen aus der Bilanz abgeleitet. Er ist sogar rechtlich geschützt. Deshalb kann doch nicht übersehen werden, dass der geschützte Begriff ein Konzept repräsentiert, welches schon sehr lange bekannt ist. Der Wert berechnet sich aus der Differenz zwischen einem geeignet bestimmten „net operating profit“ und den gewichteten Kapitalkosten. Spätestens seit 1890 wird genau dies gefordert: „We may briefly say here that when a man is engaged in business, his profits for the year are the excess of his receipts from his business during the year over his outlay for his business. … What remains of his profits after deducting interest on his capital may be called earnings of un80 dertaking or management.” Es ist nicht schwer, weitere Vertreter desselben Konzepts in der Literatur aufzutun.

Die hier willkürlich herausgegriffenen Beispiele zeigen, dass die Aufbewahrung und Nutzung betriebswirtschaftlichen Wissens keineswegs perfekt 81

ist. Die Vielzahl der Zitate in wissenschaftlichen Arbeiten der Betriebswirtschaftslehre ist umgekehrt ein Hinweis darauf, dass früheres Wissen genutzt wird und nicht vollständig verloren ist. Zu den schon angedeuteten Ursachen für den Wissensverlust tritt hinzu, dass früheres Wissen dann eher ungenutzt bleibt, wenn es in einer in der Gegenwart nur noch schwer verständlichen Sprache gespeichert ist. Auch technische Aspekte treten hinzu. Wird Wissen in einer Weise gespeichert, die zu den aktuellen Speichermedien oder Arbeitsmitteln nicht „aufwärts kompatibel“ ist (um diesen Ausdruck aus der Informationstechnik zu benutzen), so wird es leicht ungenutzt bleiben. So ist sehr gut zu beobachten, dass beispielsweise in den heute üblichen elektronischen Suchsystemen nicht erfasste Literatur kaum mehr entdeckt oder genutzt wird. Aber auch der Bedeutungswandel von Begriffen 77 Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928. 78 Erich Kosiol, Pagatorische Bilanz, Berlin 1976. 79 Joel M. Stern/John S. Shiely/Irvin Ross, The EVA Challenge. Implementing Value Added Change in Organizations, New York 2001. 80 Alfred Marshall, Principles of Economics, London 1890, S. 142. 81 Sieht man das umfangreiche Werk von Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, durch, so gewinnt man den Eindruck, dass es dem Autor gelingt, für nahezu jedes Konzept der Betriebswirtschaftslehre eine frühere Quelle zu nennen. Erstens aber muss einer einmal der Erste gewesen sein, zweitens ist die explizite Ausformung der jeweiligen Konzepte nicht immer gleich, so dass sich ihre Bedeutung für die Zeitgenossen nicht erschließt. Deshalb wäre der Schluss falsch, nun nur noch historisch zu forschen. Siehe weiter auch im Abschnitt 3.1.

42

Wissensbewahrung

und die Veränderungen in der Art, in der eine Sprache genutzt wird, können späteren Generationen die Verwendung früherer Erkenntnisse erschweren. Wenn man so will, liegt hier ein allgemeiner Mangel an kommunikativer Aufwärtskompatibilität vor.

2.3.3

Eine kurze Bemerkung zu Moden

Natürlich ist zu beobachten, dass zu späteren Zeiten ein Wandel in den Bedürfnissen der Wissensverwendung, die Verfügbarkeit neuer Datenquellen und Methoden der Wissensaufbereitung die bekannten Grundkonzepte variiert. Elemente des Zeitgeistes oder der Wissensnachfrage können auf solche Variationen ebenfalls einwirken. Sehr selten nur kommt „empirisches Wissen“ in dem Sinne vor, dass es nicht auf „den Schultern von Riesen“ aufsetzt. Das spiegelt sich auch in dem Satz „Gute Managementprinzipien 82 sind zeitlos. Managementmoden kommen und gehen.“ Deshalb ist es in der Regel erfolglos, bewusst oder in Unkenntnis gegen solche Prinzipien zu verstoßen. Allerdings kann es schwer sein, Prinzipien von Moden zu trennen.

Zur Implementierung von Managementmoden kommt es, weil dies eine für die handelnden Personen attraktive, weil innovativ erscheinende und Komplexität reduzierende Verhaltensweise ist. Wegen ihres Modecharakters erscheint beim Fehlschlag die individuelle Verantwortlichkeit wenig bedeutend.83 Durch bibliometrische Methoden kann zudem gezeigt werden, dass je nach dem Verwendungszweck betriebswirtschaftlicher Konzepte eine unterschiedliche Nutzung von Vorwissen erfolgt. Langfristig wirkende, anwendungsnahe Konzepte greifen auf andere Quellen zurück als die Konzepte in der Tagesdiskussion und diese wiederum auf andere als die promi84 nenten Ansätze der aktuellen wissenschaftlichen Debatte. Schon deshalb kann kaum vorausschauend festgelegt werden, welches Wissen bewahrenswert erscheint und welches eher nicht. Immerhin wird man vielfach falsifizierte Wenn-Dann-Aussagen eher aufgeben dürfen als solche, bei denen dies nicht zu beobachten ist. Die vielfach bewährten Aussagen sind die

82 Hermann Simon, Think! Frankfurt a. M./New York 2004, S. 17. Vgl. auch: Alfred Kieser, Moden und Mythen des Organisierens, Die Betriebswirtschaft, 56. Jg., 1996, S. 21-39. 83 Alfred Kieser, Wissenschaft und Beratung, (=Schriften der Philosophisch-histroischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften), Heidelberg 2002, S. 59. 84 Thorsten Teichert/Till Talaulicar, Managementkonzepte im betriebswirtschaftlichen Diskurs: Eine bibliometrische Klassifizierung, Die Betriebswirtschaft, 62. Jg., 2002, S. 409-426.

43

2.3

2

Elemente einer Wissenschaft

Kandidaten für Managementprinzipien. Dazu zählt beispielsweise die Optimierungsbedingung „Grenzerlös = Grenzkosten“ in ihrer jeweils problemadäquaten Formulierung oder der empirisch beobachtbare Tatbestand, dass Störungen des finanziellen Gleichgewichts das Insolvenzrisiko erhöhen. Moden werden nachgeahmt, weil man sich daraus Erfolg verspricht. In der massenhaften Nachahmung liegt aber zugleich der Kern des Misserfolgs. Das gilt auch für betriebswirtschaftliche Moden zumindest insoweit, als durch modebewusstes Verhalten keine originären Wettbewerbsvorteile zu erwarten sind.

2.4

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

2.4.1

Funktionale Spezialisierung

Arbeitsteilung erfolgt nicht allein durch Spezialisierung auf immer enger formulierte Fragestellungen oder Objekte hin. Auch eine funktionale Spezialisierung ist möglich, was vor allem in der sogenannten Großforschung der Natur- und Technikwissenschaften zu beobachten ist. Aber auch der Betriebswirtschaftslehre ist diese Form der Spezialisierung nicht völlig fremd. 85 Sie ist übrigens schon sehr früh (1623 ) beschrieben worden. Der schon erwähnte Francis Bacon (Abbildung 11) hat in der Utopie von „Nova Atlan-

tis“, die 1638 nach seinem Tode erschien86, das „Haus Salomons“ der utopischen Pazifikinsel Bensalem als eine funktional spezialisierte Forschungseinrichtung beschrieben. Neben einer Spezialeinheit zur Aufdeckung von Betrügereien und Fehlern sind Funktionsbereiche vorgesehen, die jeweils mit drei Personen besetzt sind (und eventuell Novizen oder Schüler ausbilden). In der folgenden Tafel (S. 46) werden die Funktionen genannt.

85 Vgl. Wolfgang Krohn, Francis Bacon, München 1987, S. 158. 86 Franciscum Baconum, Nova Atlantis, Fragmentarum alterum, Londini 1638. (Deutsche Übersetzung in: Der utopische Staat, Reinbek 1960, S. 171-215).

44

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

2.4 Abbildung 11

Sir Francis Bacon (Quelle: wikipedia.org)

Bei Bacon steht das Experiment zur Wissensgewinnung neben der Suche nach Vorwissen in Büchern und Schriften im Vordergrund. Wie schon erwähnt, ist nach den Versuchen von Thünens87 und seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Experiment etwa in der empirischen Spieltheorie, der Preistheorie als einem Sonderfall, der Untersuchung von Informations- und Kommunikationsvorgängen, insbesondere des „behavioral finance“, auch aus der Betriebswirtschaftslehre nicht wegzudenken. Das signalisiert beispielsweise auch die Aufnahme eines eigenen Stichworts im „Handwörterbuch des Marketing“ von 1995.88 87 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, der Reichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826 (Nachdruck Düsseldorf 1986). 88 Bernd Erichson, Experimente, Handwörterbuch des Marketing, Stuttgart 1995, Sp. 639654. Zur Geschichte des Experiments in den Wirtschaftswissenschaften: Alvin E. Roth, Introduction to Experimental Economics, in: John H. Kagel/Alvin E. Roth, Edts., Handbook of Experimental Economics, Princeton/N.J. 1995, S. 3-110, hier S. 3-20.

45

2

Elemente einer Wissenschaft

Name

Funktion

Mercatores lucis (Lichthändler)

Sammlung von Büchern und Experimentbeschreibungen im Ausland

Depredatores (Beutesammler), venatores (Jäger)

Sammlung aller beschriebenen oder sonst bekannt gewordener Experimente

Fossores sive operatores in Mineris (Grubenarbeiter)

Verantwortliche für neue Versuche

Divisores (Aufteiler)

Darstellung der Versuchsergebnisse in leicht fasslicher Form, wie Tabellen oder Lehrsätzen

Euergetas (Wohltäter)

Überwachung der Versuche; Extraktion von Wissen zum täglichen Gebrauch; Hinweise auf Ausgangspunkte für die Weiterentwicklung von Wissen

Lampadas (Leuchter)

Anregung und Leitung völlig neuer Versuche auf der Grundlage des vorhandenen Wissens

Insitores (Pfropfer)

Ausführung der und Ergebnisberichterstattung über die von den lampadas angeregten Versuche

Interpretes naturae (Ausleger)

Nach Unterredung mit der „Gesamtheit der Brüder“ Ausbau und Zusammenfassung von Erkenntnissen zu Axiomen und Aphorismen

(Gesamtheit der Brüder)

Siehe vorstehende Zeile sowie: Beschlussfassung über Aufhebung der Geheimhaltung der Erkenntnisse, auch gegenüber der eigenen Regierung; Bereisung der Insel und Verbreitung der Kenntnisse sowie Beratung

Bacon präsentiert eine sehr modern wirkende Funktionsspezialisierung.89 Jede der Funktionen wird auch heute angesprochen, wenn auch mit etwas anderen Bezeichnungen. Die Arbeitsteilung zeigt auch Vorkehrungen zur Der Autor führt den Begriff „experimental economics“ auf die von Heinz Sauermann ab 1967 herausgegebenen „Beiträge zur experimentellen Wirtschaftsforschung“ (Tübingen 1967ff.) zurück. 89 Klaus Brockhoff, A utopian view of R&D functions, R&D Management, Vol. 33, 2003, S. 31-36.

46

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

Eindämmung von Opportunismus, beispielsweise bei der Trennung der Funktionen der „lampadas“ von denen der „insitores“. Koordinationsfunktionen üben die „euergetas“ sowie die Konferenzen der Gesamtheit der „Brüder“ der jeweiligen Einrichtung aus. Inwieweit die zugleich vorgesehene öffentliche Anerkennung und hohe Belohnung für wichtige Entdeckungen die dabei vorgesehene Konsensfindung stören, wird nicht diskutiert. Vermutlich halten die idealen Eigenschaften der Inselbewohner sie davon ab, solchen Versuchungen nachzugeben. In einer Utopie darf man sich das vorstellen. Zwanzig Einrichtungen sollten auf der Insel bestehen, die diesem Organisationsmuster folgen. Durch Realisierung der Kontrollanforderungen (Abschnitt 2.2.6) wird in der Gegenwart versucht, die Wissensgewinnung vor Fehlentwicklungen zu schützen. Wir haben bereits gesehen, dass dies nur unvollständig gelingt. Die Zusammenführung von Wissen und der Transfer an mögliche Nutzer stellen Funktionen dar, deren optimale Ausgestaltung nach wie vor diskutiert wird. Die installierten Lösungen erscheinen vielfach unbefriedigend.

2.4.2

Institutionalisierung und Objektspezialisierung

Der „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ mit etwa 1.600 Mitgliedern und vielen wissenschaftlichen Kommissionen, eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Fachgesellschaften90, Fakultäten und Departments, persönliche und im Internet gepflegte Netzwerke sind nur wenige Beispiele für Gelegenheiten der Zusammenführung arbeitsteilig gewonnenen betriebswirtschaftlichen Wissens. Dies wurde als ein weiteres Kriterium einer wissenschaftlichen Disziplin hervorgehoben. Freilich wird auch beobachtet, dass mit dem Anwachsen der Zahl der Wissenschaftler und der Intensität der Konkurrenz um Professorenstellen oder Beratungsmandate 91 eine zunehmende Spezialisierung in Wissensnischen hinein erfolgt. Ob dieser Prozess durch die bestehenden und sich entwickelnden Organisationen der Wissenszusammenfassung in fruchtbarer Synthese mündet oder sich doch schneller entwickelt als die Zusammenführung gelingt, wird heute eher im letzteren Sinne erlebt. Selbst Modelle von „Arbeitsakademien“ müs-

90 Das „Project Management Institute“ als eine solche Gesellschaft hat weltweit etwa 270.000 Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis. 91 R. Whitley, The Intellectual and Social Organization of the Sciences, Oxford 1984; Peter Weingart, Die Stunde der Wahrheit, Weilerswist 2001. Vgl. Kapitel 7.

47

2.4

2

Elemente einer Wissenschaft

sen sich auf koordinierte Projektarbeit92 an Stelle von allgemein formulierter 93 Interdisziplinarität konzentrieren , um eine solche Integration zu erreichen, während in früheren Zeiten schon das Zusammentreffen in der „Gelehrten-

gesellschaft“ synergetische Integrationserfolge versprach.94

2.4.3

Betriebswirtschaftslehre als Objektspezialisierung in den Wissenschaften

Die Betriebswirtschaftslehre als Disziplin stellt selbst eine Objektspezialisierung gegenüber der Menge aller „Wissenschaften“ dar, vor allem denjenigen, mit denen sie zu deren oder zum eigenen Nutzen in Austausch tritt oder treten sollte. Die Notwendigkeit eines solchen Austauschs ist das zwölfte Argument dafür, „die Lehre von der Kauffmannschafft öffentlich 95 auff Universitäten zu tractiren“, das erstmals 1715 vorgetragen wird. Wenn

Wissenschaften selbst bestimmen, was zu ihnen gehört und was nicht96, ist es natürlich schwer, einen Ort für eine Disziplin relativ zu anderen Disziplinen festzulegen. Gleichwohl ist dies erforderlich. Das ist nicht allein dem Selbstverständnis der Disziplin geschuldet. Die ganz praktische Frage etwa, ob ein Forschungsförderungsprogramm für „Sozialwissenschaften“ auch die Betriebswirtschaftslehre erfasst, kann nur beantwortet werden, wenn man weiß, ob diese Disziplin eine Sozialwissenschaft ist. Wenn schon in einem 92 Die Geschichte von den Blinden, die jeweils Teile eines Elefanten untersuchen und ihn daraufhin ohne Koordination beschreiben sollen, ist sogar zum Buchtitel geworden: David Schmaltz, The Blind Men and the Elephant: Mastering Project Work, San Francisco/CA 2003. 93 Horst Albach, Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin – Ein Experte für das Allgemeine, in: Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jahrbuch 1987, Berlin / New York 1988, S. 135-145, hier S. 141f.: „Das innovative Element liegt vor allem in der Methodik, mit der die Akademie die selbstformulierten oder von außen gestellten Fragen behandelt und löst. Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat nach sehr intensiven Diskussionen das Arbeitsgruppenprinzip als Form der wissenschaftlichen Arbeit gewählt. Eine Arbeitsgruppe ist mit Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen besetzt. … Wir haben alle erlebt, wie das ‚Elend der Experten’ die naive Wissenschaftsgläubigkeit früherer Jahrzehnte zerstört hat.“ Die Akademie bestand nicht wegen Erfolglosigkeit, sondern aus politischen Gründen nur fünf Jahre. Das formulierte Prinzip ist beispielsweise auch in der in Hamburg 2006 gegründeten Akademie eingeführt worden. 94 Rudolf Vierhaus, Die Organisation wissenschaftlicher Arbeit. Gelehrte Sozietäten und Akademien im 18. Jahrhundert, in: Jürgen Kocka et al., Hrsg., Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 3-21. 95 Paul J. Marperger, Erste Fortsetzung seiner so nothwendig als nützlichen Fragen über die Kauffmannschafft, Flensburg 1715, S. 284, 289. (Nachdruck: Köln 1997). 96 R. Stichweh, Wissenschaft, Universität, Profession, Frankfurt a. M. 1994, S. 52ff.

48

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

„Ökonomen-Lexikon“97 Betriebswirte, wie die schon bisher erwähnten Paul J. Marperger, Eugen Schmalenbach, Heinrich Nicklisch oder Erich Gutenberg, fehlen, ist offenbar nicht einmal gesichert, dass die Betriebswirtschaftslehre in das Gebiet der ökonomischen Wissenschaften fällt! Seit der Feststellung des Mitherausgebers der berühmten „Encyclopédie“ 98 von 1751, alle Klassifikationen des Wissens seien letztlich unhaltbar , hat

sich an diesem Urteil nichts geändert.99 Das gilt vor allem für die Versuche, die wechselseitigen Beziehungen in zwei Dimensionen als Stammbaum, Weltkarte, Labyrinth oder in einer tabellarischen Systematik darzustellen. Dasselbe gilt für den Versuch, auf der Grundlage von Zitatanalysen Beziehungen zu identifizieren und gegebenenfalls auf eine Kugeloberfläche zu 100

projizieren. Vermutlich kann die jeweilige Auffassung nur mehrdimensional dargestellt werden, beispielsweise unter Benutzung eines „morphologischen Kastens“101. Eine solche Darstellung zeigt in einer unbestimmten Anzahl von Zeilen jeweils ein mögliches Unterscheidungskriterium und alle dafür denkbaren oder vorkommenden Ausprägungen. Durch die Verknüpfung jeweils einer Ausprägung einer Zeile mit der in einer folgenden Zeile entsteht eine Lauflinie, die als Charakterisierung der Disziplin angesehen wird. Diese kann dann mit anderen Charakterisierungen oder anderen Disziplinen verglichen werden. Die Anzahl der Ausprägungen jedes aufgenommenen Kriteriums kann von Zeile zu Zeile unterschiedlich sein. Im folgenden Beispiel ist das erste Kriterium der Bezeichnung des Erkenntnisobjekts gewidmet. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen eine angedeutet ist. Die beiden folgenden Zeilen beziehen sich auf die Kriterien, deren Ausprägungskombinationen zu vier Typen von Erkenntnisge97 Helge Hesse, Hrsg., Ökonomen-Lexikon. Unternehmer, Politiker und Denker der Wirtschaftsgeschichte in 600 Portraits, Düsseldorf 2003. 98 Jean d’Alembert, Discours préliminaire, in: ders/Denis Diderot, Hrsg., Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des metiers, Bd. 1, Paris 1751 (Nachdruck Stuttgart-Bad Cannstadt 1988), S. xv. 99 Lorraine Daston, Die Akademien und die Einheit der Wissenschaften. Die Disziplinierung der Disziplinen, in: Jürgen Kocka et al., Hrsg., Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 61-84, hier S. 61. 100 Richard Klavack/Kevin W. Boyack, Quantitative evaluation of large maps of science, Scientometrics, Vol. 68, 2006, S. 475-499. 101 Fritz Zwicky, Entdecken, Erfinden, Forschen im Morphologischen Weltbild, München/Zürich 1966. Die dort gegebenen Idealisierungen des „Morphologen“ und die Erwartungen an den Kasten gehen weit über das hinaus, was hier mit dem Vorschlag bezweckt werden soll. Vgl. Klaus Brockhoff, Probleme und Methoden technologischer Vorhersagen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 39. Jg., 2. Ergänzungsheft 1969, S. 1-24.

49

2.4

2

Elemente einer Wissenschaft

winnung führen: der Grundlagenforschung (Suche nach grundlegendem Verständnis ohne Anwendungsabsicht), der anwendungsorientierten Grundlagenforschung (Suche nach grundlegendem Verständnis mit Anwendungsabsicht), der angewandten Forschung und Entwicklung (Anwendungsabsicht ohne Suche nach grundlegendem Verständnis) und der Datensammlung oder Taxonomie (keine Anwendungsabsicht und keine Suche 102 nach grundsätzlichem Verständnis). Es folgt eine Zeile, in der die bevorzugte Methodik angegeben wird, wobei hier partiell den oben zitierten Ausführungen Gutenbergs gefolgt wird. Schließlich wird in der nächsten Zeile die Wertfreiheit zur Kennzeichnung herangezogen.

Die folgende Abbildung 12 dient allein der Illustration. Sie zeigt durch die Kombination kursiv gesetzter Begriffe eine Betriebswirtschaftslehre: Eine wertfrei, empirisch-induktiv arbeitende, angewandte, auf grundsätzliches Verständnis gerichtete Wirtschaftswissenschaft. Man kann dann fragen, ob eine solche Kennzeichnung widerspruchsfrei ist und weiter, ob eine solche Betriebswirtschaftslehre existiert. Die Vielzahl der Alternativen unterstreicht zwar erneut die Erkenntnis von der Subjektivität der Abgrenzungen, doch kann das Instrument immerhin kommuniziert werden und damit in der Auseinandersetzung mit anderen zur Klarheit in der Positionsbestimmung beitragen. Dass damit die Kontroversen nicht ausgeräumt sind, muss man hinnehmen. Würde beispielsweise in den Katalog der Wissenschaften „Sozialwissenschaften“ aufgenommen und die Betriebswirtschaftslehre als solche gekennzeichnet, würde die insbesondere von Dieter Schneider geführte Kontroverse und Kritik an einer sozialwissenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre nicht verschwinden.

103

Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Die Betriebswirtschaftslehre kann in Systeme von Wissenschaften eingeordnet werde. Sie wird arbeitsteilig betrieben. Sie verfügt über Einrichtungen, die der Zusammenführung der Ergebnisse funktionaler oder objektbezogener Spezialisierung dienen.

102 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation, Washington/D.C. 1997. 103 Hier wären viele Arbeiten Schneiders zu nennen. Vgl. Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, pass.

50

Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen

Abbildung 12

Illustration eines morphologischen Kastens Kriterium

Ausprägungen

Gegenstand

Naturwissenschaft

Suche nach grundsätzlichem Verständnis

ja

nein

Anwendungsabsicht

rein

angewandt

Methodik

Deduktiv/ Axiomatisch

Wertung

2.4

Tecnikwissenschaft

Induktiv/ Gewinnung von Tatsachenkenntnis

Wertend im Aussagenbereich





Wirtschaftswissenschaft

Hermenetisch/ Verstehend

Wertfrei im Aussagenbereich

Eine andere Darstellungsweise mit spezifischem Blick auf die Forschungskonzeptionen der Betriebswirtschaftslehre hat Klaus Chmielewicz (19351994) gegeben.104 Die Technologie entspricht der Kunstlehre. Deutlich erkennbar wird auch, dass Werturteile im Aussagenbereich nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin beurteilt werden können. Definitionen wegen ihrer Zweckbezogenheit ebenso wenig. Der empirische Informationsgehalt betrifft Reliabilität und Validität der empirisch gewonnenen Erkenntnisse. Dieses auf die Wirtschaftswissenschaft insgesamt hin orientierte Schema ist natürlich auf den speziellen Fall der Betriebswirtschaftslehre anwendbar, sobald die Begriffe ein wenig angepasst werden.

104 Klaus Chmielewicz, Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft, 2. A., Stuttgart 1979, S. 9.

51

2 Abbildung 13

Elemente einer Wissenschaft

Sogenannte „Forschungskonzeptionen“ nach Chmielewicz (1979)

2.5

Ergebnis

Durch die Entsprechung mit vier Kriterien zur allgemeinen Kennzeichnung von Wissenschaften (siehe 1.2) ist die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft identifiziert worden. Nur eine Bezeichnung oder ein Name, wie es in „management science“ anklingt, ist dazu nicht ausreichend. Wie schon ganz zu Beginn angedeutet, ist eben auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts das hier dargestellte Ergebnis nicht allgemein akzeptiert. Das gilt auch außerhalb wissenschaftlicher Kreise. Im Dezember 2001 veröffentlichte die Europäische Kommission Befragungsergebnisse über „Wissenschaft und Technik im

52

Ergebnis

Bewusstsein der Europäer“. Die sich zu 60% aus dem Fernsehen informierenden Antwortpersonen zeigen sich zu 46% an Wissenschaft und Technik weder interessiert noch darüber informiert, während das Gegenteil von 29% behauptet wird. Muss man sich wundern, dass 53% der Antwortenden die Astrologie als ziemlich wissenschaftlich einstufen (mit höheren Zustimmungswerten bei jüngeren Antwortenden), während die „Ökonomik“ nur von 42% dieses Urteils gewürdigt wird? Auch dieser Anteil ist – unabhängig vom Vergleich mit der Astrologie - kein sehr überzeugendes Urteil. Im folgenden Kapitel 3. soll nun der Frage nachgegangen werden, was als wissenschaftlicher Fortschritt anzusehen ist. Dabei soll etwas weiter vorgedrungen werden, als es in den oben angeführten Überlegungen Poppers zum Wert der Falsifizierung von Hypothesen erreicht ist.

53

2.5

Ein kurzer Blick auf die individuelle Situation

3 Wissenschaftlicher Fortschritt

3.1

Ein kurzer Blick auf die individuelle Situation

Bevor darzustellen ist, wie die Disziplin wissenschaftlich voranschreitet, ist in Erinnerung zu halten, dass solche Schritte von Individuen vorzunehmen sind. Es ist der schöne Satz geprägt worden: „Creative thinking is a scarce 105

resource, but it comes in fairly inexpensive man-sized lumps …“ . Auf das Debattengewirr darüber, zu welchen Teilen diese knappe Ressource genetisch verteilt ist oder im Laufe persönlicher Entwicklung erworben wird, kann hier nicht eingegangen werden. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass mehrere der im vorangehenden Abschnitt angesprochenen Aspekte auch in der Erklärung individueller Kreativität ihren Platz finden. Die individuelle Betrachtungsweise darf auch nicht negieren, dass Individuen in der Interaktion mit anderen und ihrer Umwelt in ihrer kreativen Leistung gesteigert werden können. Die Lehre von den Kreativitätstechniken ist voll von – allerdings nicht immer auch empirisch geprüften - Hinweisen hierzu. Das Brainstorming etwa zieht seine Synergien aus der Interaktion von Personen. Die Bionik unterstützt den Menschen bei der Lösungssuche 106

durch die selektive Beobachtung der Natur.

Eine Reflexion darüber, aus welchen Anlässen und wie bedeutende Organisationswissenschaftler zu ihren Erkenntnissen gelangten, fördert eine Fülle von Einzelbeobachtungen zu Tage.107 Die folgenden Modellvorstellungen stehen dazu nicht im Widerspruch. 105 Frederic M. Scherer, Industrial Market Structure and Economic Performance, Chicago/IL. 1971, S. 356. Schon 1962 hat Kenneth Arrow sich so geäußert (Economic welfare and the Allocation of Resources for Invention, in: Richard R. Nelson, The Rate and Direction of Inventive Activity, Princeton/NJ 1962, S. 609-625) und später gibt es dazu empirische Untersuchungen. 106 Jürgen Hauschildt/Sören Salomo, Innovationsmanagement, 4.A., München 2007, S. 435ff.; Helmut Schlicksupp, Kreativitätstechniken, in: Handwörterbuch des Marketing, Stuttgart 1995, Sp. 1289-1309. 107 Ken G. Smith/Michael A. Hitt, Great Minds in Management – The Process of Theory Development, New York/Oxford 2005: 30 Autoren berichten hier über ihre Theorie-

55

3.1

3

Wissenschaftlicher Fortschritt

Individuelle Kreativität kann vor allem im Zusammenwirken von Zufall, Methodik, Geist und Zeitgeist entstehen, meint Simonton.108 Die Analyse statistischer Information über Publikationen von Wissenschaftlern als einem Indiz für ihre Kreativität einerseits und andererseits von Mehrfach- oder Wiederholungsentdeckungen führt ihn zu dem Schluss, dass keine der genannten Variablen allein zur Erklärung von Kreativität ausreicht. Die hohe Bedeutung zufälliger Ereignisse für das Aufgreifen einer Fragestellung, den Ablauf der gedanklichen Prozesse zu ihrer Lösung oder der spontanen Eingebungen lassen ihn dem Zufall einen besonders prominenten Platz zuweisen: „Chance must be considered the primary basis for scientific creativi109 ty“ . Allerdings wird eingeräumt, dass Zufall sehr eng mit „genius“ zusammenwirkt, was bis an die Grenze einer Identität gehen könne. Den Zufall in seiner Bedeutung zu erkennen erfordert eine geistige Vorbereitung. Kurz ist gesagt worden: „Discovery commences with the awareness of 110 anomaly…“ “Awareness” ist hierbei ein wichtiges Wort, durch das die Anomlie des Versagens herkömmlicher Erklärungen erkannt wird. Auch alle anderen genannten Variablen interagieren. In der Variablen „logic“ finden die Methodiken zur Wissensgewinnung ihren Platz. Hier ist auch der oben erwähnte Einfluss von „technology push“ zu integrieren. „Zeitgeist“ interagiert sowohl mit der Lösungsmethode als auch mit dem, was oben als „demand pull“ erwähnt wurde: Das derzeit wahrgenommene Problem und das Bedürfnis, es lösen zu müssen. Die Hinweise von Gutenberg und Albach auf solche Probleme zu unterschiedlichen Zeiten illustrieren diesen Punkt. „Genius“ ist durch persönliche Eigenschaften bestimmt, würde aber allein nicht ausreichen, wenn die Interaktion mit dem „zeitgeist“ fehlte und mit den Verfahren systematischer Wissensgewinnung.

Die neben dem Zufall hier genannten Variablen üben in den Vorstellungen von Simonton einen moderierenden Effekt auf die wissenschaftliche Kreativität aus. Das steht nicht in Widerspruch zu dem bisher Gesagten. In der folgenden Abbildung wird versucht, die skizzierten Zusammenhänge darzustellen. Das kann hier nur die Bedeutung haben darauf hinzuweisen, dass die im Folgenden dargestellten Entwicklungen auf der Ebene ganzer Disziplinen die Grundlage im Individuellen haben müssen (Abbildung 14).

entwicklung, woraus die Herausgeber in einem „Epilogue : Learning to Develop Theory from Masters“ (ebenda, S. 572-588) zusammefassende Schlüsse ziehen. 108 Dean Keith Simonton, Creativity in Science. Chance, Logic, Genius and Zeitgeist, Cambridge 2004. 109 Ebenda, S. 161. 110 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/Il. 1962, S. 52.

56

Entwicklungswege von Disziplinen

Abbildung 14

Kreativitätseinflüsse nach Simonton

Zufallseinflüsse

Wissensch. Kreativität

Zeitgeist

Methodik

3.2

Bedürfnis/ Nachfrage

Genius

3.2

Entwicklungswege von Disziplinen

3.2.1

Modellvorstellungen der Entwicklung

Im zweiten Weltkrieg war der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt einer Empfehlung von Vannevar Bush gefolgt, unter Bushs Leitung ein „National Defense Research Committee“ zu errichten. „To a remarkable degree it succeeded in bringing the nation’s strength in science and engi111 neering to bear in the war.“ Trotzdem war die Einrichtung in der Administration, der Politik und der Öffentlichkeit umstritten. Für eine Zeit nach dem Krieg schlug beispielsweise Senator Harley M. Kilgore als Alternative zur Weiterführung des Komitees die Errichtung einer „National Science Foundation“ vor. Besorgt über die Rolle von Bushs Einrichtung in der Nachkriegszeit im Vergleich zu der vorgeschlagenen, regte Bush den Präsi-

111 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation, Washington/D.C. 1997, S. 47.

57

3

Wissenschaftlicher Fortschritt

denten zu einem am 17. November 1944 an ihn geschriebenen Brief an. Darin wird er aufgefordert, aus seiner Sicht zu Fragen der Wissenschaftsorganisation nach dem Kriege Stellung zu nehmen. Daraufhin entsteht „Science, 112 the Endless Frontier“. Darin wird die Gründung einer „National Science Foundation“ vorgeschlagen, die insbesondere die staatliche Unterstützung der reinen Grundlagenforschung als der wesentlichen, langfristig wirkenden Quelle technologischer Innovationen vornehmen soll. Während die organisatorischen Vorschläge insbesondere zu den Kompetenzen der „National Science Foundation“ stark beschnitten wurden, triumphierte das dargestellte Modell eines Kausalnexus von Grundlagenforschung und technologischer Innovation. Dieses wird auch das lineare Modell der wissenschaftlichen Entwicklung oder – enger - des Technologietransfers genannt.

Rückschläge im technologischen Wettlauf während des „Kalten Krieges“ führen das amerikanische Verteidigungsministerium zur Initiierung von 113 „Project Hindsight“. Darin wird gezeigt, dass das lineare Modell für die Entwicklung von Waffensystemen keine überzeugende Hypothese ist. Die „National Science Foundation“ stellt dem prompt ihre Sicht der Dinge gegenüber. TRACES („Technology in Retrospect and Critical Events in Science“) zeigt an fünf Beispielen (Ferritmagnete, Videobandrecorder, orale Kontrazeptiva, Elektronenmikroskop, „Unterbrechung“ chemischer Reaktionen durch sogen. matrix isolation), dass das lineare Modell zwar nicht 114 immer gilt, aber doch häufig genug, um es nicht aufzugeben – und damit auch die Aufgabe der „National Science Foundation“ weiterzuführen. Immerhin erheben sich aber genügend Stimmen und werden ausreichend Hinweise gesammelt, um Alternativen zum linearen Modell zu begründen.

Auch für die Betriebswirtschafslehre stellt sich die Frage, ob das lineare Modell gültig ist oder eher nicht. Mit dem Blick auf die Entscheidungsforschung als einem Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre konnte gezeigt werden, dass zwischen Theorie, Technologie und Technik jede Form zeitli-

112 Vannevar Bush, Science - the Endless Frontier. A Report to the President on a Program for Postwar Scientific Research, Washington/D.C. (NSF) 1945 (Nachdruck 1960). 113 U.S. Department of Defense. Office of the Director of Defense Research and Engineering, Hrsg., Project Hindsight, Final report AD 495905, Washington/DC 1969. 114 Illinois Institute of Technology Research Institute, Technology in Retrospect and Critical Events in Science, National Science Foundation Contract C535, Vol. 1 1968; Vol. 2 1969. Hier ist nicht der Ort einer kritischen Methodendiskussion. Die Auszählung von Ereignissen, wie sie sich beispielsweise in Publikationen niederschlagen, ihre Addition und Anordnung auf der Zeitachse bringt eine Reihe von Problemen mit sich. In späteren Jahren wird sich die „science of science“-Forschung solchen Problemen annehmen.

58

Entwicklungswege von Disziplinen

cher Kausalität zu finden ist.115 Hier hat diese Feststellung deshalb Relevanz, weil die Theorie typischerweise in der Grundlagenforschung weiterentwickelt wird, die Technologie in der angewandten Grundlagenforschung oder der Entwicklung und die Technik häufig daneben allein in der Praxis. Diese Beobachtung spricht gegen die strenge Gültigkeit des linearen Modells. Welche Alternative gibt es? Donald Stokes hat an die Stelle des linearen Modells eine Vorstellung gesetzt, die in der folgenden Abbildung wiedergegeben wird. Vorhandenes Wissen kann sowohl die Grundlagenforschung als auch die anwendungsorientierte Forschung (use-inspired basic research) stimulieren. Die bekannten Techniken und Technologien, die Begriffe werden im amerikanischen Sprachgebrauch nicht getrennt, wirken in gleichartiger Weise sowohl auf die anwendungsorientierte Grundlagenforschung als auch auf die reine Anwendungstechnik und Entwicklung. Aus den grundlagenorientierten Forschungsaktivitäten erwächst neues Verständnis, aus der anwendungsorientierten Grundlagenforschung und der Entwicklung neues technologisches Wissen. Sieht man die Abbildung als auf einen Zeitabschnitt bezogen und die Pfeile als Entwicklungen in der Zeit an, so wird deutlich, dass nach diesem Modell jeder der Forschungstypen jeden anderen anregen und mit Vorwissen versehen kann. Dieses „revidierte dynamische Modell“ (Abbil116

dung 15) ist etwas völlig anderes als das lineare Modell.

Ein solches Modell hat einen weiteren Vorteil. Es gestattet Methodenvielfalt, da es z. B. weder auf Induktion noch Deduktion festgelegt ist. Es erkennt damit an, dass auf beiden Wegen das Fortschreiten einer Disziplin möglich ist. „Methodenstreite“, wenn sie nicht mit dem Ziel der Dominanz einer Vorgehensweise geführt werden, erübrigen sich damit. Freilich müssen die Methoden Kriterien unterworfen sein, wie sie oben mit Universalismus, Kommunalismus, Vermeidung von Interessenkonflikten und Anwendung eines organisierten Skeptizismus angegeben wurden (vgl. oben, 2.2.6).

115 Klaus Brockhoff, Entscheidungsforschung und Entscheidungstechnologie, in: Eberhard Witte, Hrsg., Der praktische Nutzen empirischer Forschung, Tübingen 1981, S. 61-77, hier bes. S. 69ff. 116 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation, Washington/D.C. 1997, S. 88.

59

3.2

3 Abbildung 15

Wissenschaftlicher Fortschritt

Das „revidierte Modell“ der Wissenschaft und ihres Fortschritts nach Stokes

3.2.2

Ungelöste Fragen als Ausgangspunkte

Durch welchen „Zufall“ kommt nun ein Wissenschaftler dazu, auf dem Weg über die Forschung zu wissenschaftlichem Fortschritt beizutragen? „Existing understanding“ und „existing technology“, die beiden Kennzeichnungen des Wissensstandes aus der Abbildung von Stokes, werden auch benutzt, um die durch „genius“ oder „zeitgeist“ mitbestimmten Fragestellungen zu beantworten. In einer anderen Sprache: Es sind mit dem vorhandenen Wissen, den Mustern oder Paradigmen der Erkenntnis, „Rätsel“ („puzzles“) zu lösen. So beschreibt es Thomas S. Kuhn (1902-1994) (Ab117

bildung 16), jedenfalls mit Blick auf die Naturwissenschaften.

Können die Rätsel ohne Widerspruch zu den bekannten Lösungsparadigmen aufgelöst werden, so erweitert dies als „normal science“ den Wissensbestand. Das ist recht unspektakulär. So wachsen die „scientific achievements, achievements that some particular scientific community acknowl-

117 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/London 1962.

60

Entwicklungswege von Disziplinen

3.2

edges for a time as supplying the basis for its further practice“.118 Zwar wird das Entstehen im Vergleich mit anderen lösungsmächtigeren Paradigmata als ein Reifezeichen einer Wissenschaft angesehen, doch zugleich nicht gefordert, dass alle Mitglieder einer Disziplin sie als Lösungsinstrument für die von ihnen wahrgenommenen Rätsel übernehmen. Ein Paradigma muss auch nicht vollständig in dem Sinne sein, dass es erlaubt, „(to) explain all facts 119

with which it can be confronted“. In der folgenden Abbildung 17 bewegen wir uns mit der bisherigen Betrachtung auf dem linken, senkrecht verlaufenden Weg zu „normal science“.

Abbildung 16

Prof. Thomas Samuel Kuhn, PhD (by Alexander Bird, wikipedia.org)

Gelingt es allerdings nicht, auf diesem Wege zu einer Lösung zu kommen, so kann nur eine „scientific revolution“ mit neuen methodischen Regeln, Mustern oder Paradigmen die Aussicht auf eine Rätsellösung eröffnen.

118 Ebenda, S. 10. 119 Ebenda, S. 18.

61

3

Wissenschaftlicher Fortschritt

Kuhn beschreibt näher „the recognition that nature has somehow violated the paradigm-induced expectations that govern normal science. It then continues with a more or less extended exploration of the area of anomaly. And it closes only when the paradigm theory has been adjusted so that the 120 anomalous has become the expected.” Der Wissenschaftler bleibt hier nicht beim Lösen von Rätseln, sondern er muss nun zusätzlich Paradigmen testen. Das Ergebnis muss nicht alles Vorwissen für ungültig erklären. Immerhin erscheint ein neues Paradigma aber als spektakulär. Es wird auch seltener vorkommen als die Entwicklung der „normal science“. Schließlich wird es den Widerständen begegnen, die sich Innovationen typischerweise

entgegenstellen.121 Das Schema, das nun auch den Weg zur „scientific revolution“ beschreibt, wird im Folgenden (Abbildung 17) gezeigt.

Abbildung 17

Das Modell der wissenschaftlichen Entwicklung nach Kuhn

Bedürfnis, Nachfrage, Zeitgeist, Zufall

Rätsel, Puzzle nein

Lösung durch bekannte Paradigmen? ja Normal science

nein

Entwicklung neuer Paradigmen? ja Scientific revolution

120 Ebenda, S. 52f. 121 Bernard Barber, Resistance by Scientists to Scientific Discovery, Science, Vol. 84, 1961, S. 596-602.

62

Entwicklungswege von Disziplinen

Dass diese Vorstellungen zu wissenschaftlichem Streit Anlass gaben und geben, muss nicht besonders hervorgehoben werden. Sie stehen teilweise im Widerspruch zu anderen Auffassungen, zum Beispiel auch denen von Karl Popper, sie sind unscharf formuliert und die mögliche Unvergleichbarkeit (Inkommensurabilität) von Paradigmen macht es schwer, sich so etwas wie kumulatives Wissenswachstum vorzustellen. Das wird hier zurückgestellt, 122

zumal sehr viel dazu geschrieben wurde.

Kann diese Vorstellung einer wissenschaftlichen Entwicklung in den Naturwissenschaften auch ein Modell für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre sein? Das ist plausibel anzunehmen, wenn zunächst einmal die Frage nach der Existenz von Paradigmen zurückgestellt wird. Am Beispiel der Entwicklung des strategischen Management ist – allerdings ohne expliziten Rückgriff auf Kuhn – eine sehr ähnliche Vorstellung vorgetragen und 123 belegt worden. Nehmen wir uns die Freiheit, diese Vorstellungen in möglichst enge Übereinstimmung mit dem Modell Kuhns zu bringen. Die folgende Abbildung 18 zeigt das Ergebnis.

Auf die Fragen des strategischen Managements wird in der Vorstellung Hermanns zunächst im Rahmen eines anerkannten Wissens, dem dominierenden Lösungsdesign, zu antworten versucht. Bleibt dies unbefriedigend, so deutet sich eine Diskontinuität an. Finden sich gegenüber dem dominierenden Design überlegene Antworten, so beginnt die Fermentierungsperiode. In ihr wir das bisherige Design abgelöst und durch das überlegen erscheinende Neue ersetzt. Dies darf als Indiz für die Anwendbarkeit der Kuhnschen Modellvorstellung herangezogen werden.

122 Eine der letzten Arbeiten ist: Uwe Rose, Thomas Samuel Kuhn: Verständnis und Missverständnis. Zur Geschichte einer Rezeption, Diss. Göttingen 2004. 123 Pol Hermann, Evolution of strategic management: The need for new dominant designs, International Journal of Management Reviews, Vol. 7, 2005, S. 111-130. Der Verfasser wählt Literatur zum Technologiemanagement als Ausgangspunkt, insbesondere: M. Tushman/L. Rosenkopf, Organizational determinants of technological change: toward a sociology of technological evolution, Research in Organizational Behavior, Vol. 14, 1992, S. 311-347.

63

3.2

3 Abbildung 18

Wissenschaftlicher Fortschritt

Das Modell wissenschaftlicher Entwicklung nach Herrman

Bedürfnis, Nachfrage, Zeitgeist, Zufall

Rätsel, Puzzle nein

Lösung durch „dominant design“? ja Era of incremental change

nein

„Technological Discontinuity“ ja Era of ferment

Nun muss aber noch die Frage beantwortet werden, ob in der Betriebswirtschaftslehre ein wichtiges Element des Kuhnschen Modells, das Paradigma, nachweisbar ist. Kuhn selbst war unsicher, ob sein Modell auf Sozialwissenschaften anwendbar sei, weil entsprechende, durch hohen Konsens innerhalb der Disziplin ausgezeichnete Paradigmen fehlen könnten: „it remains an open question what parts of social sciences have yet acquired such para124 Radikal ablehnend ist aus mehreren Gründen Dieter digms at all.” Schneider (1935): (1) Der Begriff werde bei Kuhn nicht eindeutig definiert, (2) die Bedeutung des Paradigmas sei in späteren Auflagen des Kuhnschen Modells von diesem deutlich zurückgenommen worden, (3) das Modell richte sich auf Theoriedynamik, nicht auf Technologiedynamik, die aber in der Betriebswirtschaftslehre im Vordergrund stehe, (4) es fehle eine gemein-

same empirische Basis der Wissenschaftler, wird von ihm behauptet.125 Dabei wird Kuhn teilweise schärfer wiedergegeben als dieser selbst formuliert. Kuhns Theorie gehöre „in den wissenschaftlichen Papierkorb, aus dem sich

124 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/London 1962, S. 15. 125 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdr., München/Wien 1994, S. 184ff. ders., Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 402ff.

64

Entwicklungswege von Disziplinen

freilich manch einer noch eine Zeitlang bedienen wird.“126 Dass die aufgeführten Gründe ein solches Verdikt rechtfertigten, ist von anderen Betriebswirten bestritten worden. Besonders weit geht die Formulierung von Joachim Wolf (1957), der den Eindruck gewinnt, dass Kuhns Vorstellungen „in den Sozialwissenschaften in besonderem Maße zutreffen. Diese Vermutung ist damit zu begründen, dass es… an absoluten (Hervorh., K.B.) Referenzpunkten der Erkenntnis(gewinnung) mangelt.“127 Nachdem Erich Gutenberg und Horst Albach, wie oben ausführlich berichtet, auf wichtige Rätsel oder Puzzles für die Betriebswirtschaftslehre und ihren Lösungsstand aufmerksam gemacht haben, stellt sich die Frage, ob sie auch Paradigmen erkennen. Tatsächlich geht Albach explizit darauf ein128:

„In den fünfziger Jahren setzte sich in der Betriebswirtschaftslehre der produktivitätsorientierte Ansatz von Erich Gutenberg durch. Die betriebswirtschaftliche Forschung baute in den Folgejahren im wesentlichen auf diesem Ansatz auf. In den siebziger Jahren aber setzten Versuche ein, dieses ‚produktivitätsorientierte Paradigma’ abzulösen. … Inzwischen werden in der deutschen Betriebswirtschaftslehre neben dem produktivitätsorientierten -

der entscheidungsorientierte Ansatz

-

der systemorientierte Ansatz

-

der koalitionstheoretische Ansatz

-

der verhaltenswissenschaftliche Ansatz

-

der normativ-ethische Ansatz

-

der EDV-orientierte Ansatz

-

der ‚unsichtbare Hand’-Ansatz

-

der handlungstheoretische Ansatz

126 Ebenda, S. 186. 127 Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien und Kritik, Wiesbaden 2003, S. 24. 128 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 16. Natürlich werden dort auch Hinweise auf Vertreter der Ansätze gegeben.

65

3.2

3

Wissenschaftlicher Fortschritt

als verschiedene Paradigmata, weitgehend ohne Bezug zu einander und meist im Widerspruch gegeneinander, vertreten.“

3.3

Ergebnis

Dass es eine Vielzahl von Ansätzen gibt, deren Anhängerschaft und Ausarbeitung sie zu Paradigmen qualifizieren kann, sollte nicht verwunderlich sein. Es wurde ja darauf hingewiesen, dass auch Kuhn nicht davon ausgeht, dass alle Vertreter einer Disziplin auf ein Paradigma eingeschworen sind. Außerdem, das hat der Hinweis auf Simonton’s Vorstellungen von wissenschaftlicher Kreativität gezeigt, werden die Rätsel nicht von allen identisch wahrgenommen und die zu überwindenden Engpässe bei der Rätsellösung werden auch von der subjektiven Komponente „genius“ gesteuert. Bedenklicher ist Albachs Wahrnehmung von der Widersprüchlichkeit der Paradigmen, wenn man nicht auf eine dialektische Auflösung hoffen dürfte. Das kann aber im Rahmen des Systems Betriebswirtschaftslehre nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal in der Vergangenheit solche Synthesen vorkamen. Die Frage, wie sich Wissenschaften verändern, ist Gegenstand einer Vielzahl von Untersuchungen. Ein gemeinsames Thema ist dabei, ob Wissen ausschließlich in einem akademischen Umfeld gewonnen wird oder auch in unmittelbarer Zusammenarbeit mit seiner Anwendung. Ein zweites Thema betrifft das Ausmaß an Autonomie in der Auswahl von Themen und Methoden bzw. die Verantwortung für beides gegenüber Ditten, auch den finanziellen Trägern der jeweiligen Forschungseinrichtungen. Beides sind Charakteristika von Systemen der Wissenserzeugung. Große Debatten der „science of science“-Forschung entwickeln dazu Modelle mit unterschiedlichen Ausprägungen, teils deskriptiven, teils auch normativen Charakters, unterschiedlicher Aussagen über zwingende zeitliche Abfolgen der verschiedenen Formen der Wissensproduktion sowie unterschiedlicher Geltungsansprüche für einzelne Disziplinen. Schwache empirische Belege schränken bisher den Geltungsbereich vor allem derjenigen dieser Vorstellungen ein, die mit historisch festen Abläufen und hohen Allgemeinheitsansprüchen argumentieren.

129

129 Ein kritischer Überblick findet sich bei: Laurens K. Hessels/Harro van Lente, Rethinking new knowledge production: A literature review and research agenda, Research Policy, Vol. 37, 2008, S. 740-760.

66

Ergebnis

Selbst in Tageszeitungen, wie der Frankfurter Allgemeine vom 9. Juni 2008, findet man Hinweise auf die Vorstellungen Kuhns über die Dynamik wissenschaftlicher Entwicklung.

67

3.3

3

Wissenschaftlicher Fortschritt

Im folgenden Kapitel soll wiederum exemplarisch gezeigt werden, wie unterschiedlich die Wahrnehmung des Objekts der Betriebswirtschaftslehre als Ausgangspunkt für die Lösung von ihm ausgelöster „Rätsel“ ist.

68

Ergebnis

4 Unternehmenstheorien als Beispiele

Studierende und Praktiker fragen immer wieder nach der Theorie des Unternehmens. Sie sind manchmal verzweifelt, manchmal enttäuscht, wenn ihnen diese Frage nicht mit einem Hinweis beantwortet werden kann. Möglicherweise würde auch eine alle Rätsel, Sichtweisen und Foci integrierende Theorie entweder für die Technologie der Betriebswirtschaftslehre aussagenleer bleiben oder einen Komplexitätsgrad erreichen, der einer Handhabung entgegensteht. Ähnliches ist schon einmal festgestellt worden, als in die Simulationsmodelle vom „industrial dynamics“-Typ immer mehr integriert wurde, um das gesamte Unternehmen, seine Führung und sein Marktumfeld zu erfassen. Allein das Marketing-Modell eines Unternehmens nach diesem Ansatz wurde im Rückblick von einem der führenden Marketing130

Forscher als „sinnlos“ und „viel zu kompliziert“ bezeichnet.

Ein Blick auf Unternehmenstheorien soll die vorausgehenden Darstellungen konkretisieren. Dabei ist nicht an einen historischen oder an Vollständigkeit orientierten Überblick gedacht. Es soll deutlich werden, wie Elemente von Paradigmen durch unterschiedliche Problemausschnitte nach Wahl ihrer Betrachter geprägt werden. Auch der Zweck einer bestimmten Betrachtung beeinflusst die in eine Erklärung oder Definition aufgenommenen Gesichtspunkte. Die Darstellung ausgewählter Unternehmenstheorien zeigt exemplarisch unterschiedliche Antworten auf drei Fragen:

 Was ist ein Unternehmen?  Warum gibt es Unternehmen?  Was tut ein Unternehmer – oder wie rechtfertigt er sein Einkommen?

130 D. B. Montgomery, Perspektiven der Entwicklung von computergesteuerten Marketing-Informationssystemen und Marketing-Modellen in den 70er Jahren, in: Hans Robert Hansen, Hrsg., Computergestützte Marketing-Planung, München 1974, S. 707-726, hier S. 707. Zusammenfassend zur Kritik dieses Modelltyps auch: Helmut Schmalen, Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüter. Ein Simulationsmodell zur Wirkungsanalyse alternativer Preis-, Werbe- und Lizenzstrategien, Wiesbaden 1979, S. 1221.

69

3.3

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

4.1

Das ist ein Unternehmen

Eigentlich sollte man annehmen, dass das Objekt einer Wissenschaft relativ scharf bestimmt ist, zumindest unter denjenigen, die sich der Wissenschaft als Wissenschaftler zugehörig fühlen. Das ist in der Betriebswirtschaftslehre – wie auch in anderen Wissenschaften – allerdings nicht der Fall. Wir zeigen das an zwei Beispielen von Wissenschaftlern, die nun schon mehrfach zitiert wurden und sich nicht nur in ihren Auffassungen in der Regel sehr nahe stehen.

 „Die Kombination der elementaren Faktoren (objektbezogene und dispositive Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe, K.B.) schlechthin ist die betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aufgabe der Unternehmer 131 in marktwirtschaftlichen Systemen.“ Nach dem produktivitätsorientierten Paradigma ist ein Unternehmen eine autonom handelnde, zielorientierte, effiziente Kombination von Produktionsfaktoren oder – noch abstrakter – eine Produktionsfunktion. Nun soll zunächst noch nicht über den dispositiven Faktor gesprochen werden, sondern über die Abgrenzung von Betrieb und Unternehmen. Den Betrieb als technische Einheit aufzufassen, ist Gutenberg zu eng. Er charakterisiert verschiedene Betriebstypen durch systemindifferente und systembezogene Tatbestände, wobei das „System“ die gesellschaftliche Ordnung meint, in die der Betrieb eingebettet ist. Als systemindifferent arbeitet Gutenberg die Produktionsfaktoren und das ökonomische Prinzip („Prinzip der Wirtschaftlichkeit“) sowie die Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts heraus. Es sind Existenzvoraussetzungen von Betrieben. Zu den systembezogenen Tatbeständen werden ein betriebseigener Absatzbereichs, das erwerbswirtschaftliche Prinzip (das unterschiedliche Ausmaße des Gewinnstrebens umfassen kann) sowie die Entscheidungsautonomie nach innen und außen gezählt. Der in der Marktwirtschaft typische Betriebstyp, die „Unternehmung“, ist durch diese systembezogenen Tatbestände 132

charakterisiert.

Dass in der Zentral-Planwirtschaft das finanzielle Gleichgewicht keine Rolle spiele, dies also kein systemindifferenter Tatbestand sein könne, dass auch andere Dispositionsmängel als die über die Finanzmittel den Betrieb zu Fall bringen können, hält Schneider dieser Auffassung entgegen. Sie sei empirisch unzutreffend. Das Grundproblem sei, dass hier Erfahrung als Grundlage wissenschaftlicher Aussagen diene. Eine Abgren131 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1951, S. 5. 132 Ebenda, 10. A., 1962, S. 340ff., bes. S. 402.

70

Das ist ein Unternehmen

zung von „Unternehmung“ sei überdies auf die gewählte Weise nicht 133

möglich.

 In einer institutionellen Perspektive stellen sich die Abgrenzungen etwas anders dar. Hierbei ist ein Betrieb gekennzeichnet durch Ressourcen die für den Ablauf von Entscheidungsprozessen erforderlich sind, Entscheidungsprozesse über Ressourceneinsätze mit bestimmten Zweckorientierungen, integrative Beziehungen zwischen personellen Ressourcen (was Kommunikationsbeziehungen, Dienstwege oder Weisungsverhältnisse bedeuten kann) sowie eine Verfassung, die das Maß an Selbständigkeit und die intendierte Dauer festlegt. In der Verfassung ist auch ein Teil der integrativen Beziehungen geregelt. Über die definiert sich dann auch ein 134

Unternehmen. Es ist der von Kapitaleigentümern beherrschte Betrieb. Auch wenn man hier wieder systemindifferente und systembezogene Definitionselemente festlegt, wird man erkennen, dass diese Kennzeichnung nicht mit der in (1) übereinstimmt. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern des Betriebes und ihre zumindest teilweise Regelung in der Verfassung sind hier erforderlich, um den institutionellen Charakter untersuchen zu können. Das ist eine andere Sichtweise als die in (1) dargestellte. Darüber hinaus ist ein Ein-Personen-Betrieb (und damit auch ein solches Unternehmen) nicht erfasst, weil dieser Erscheinungsform die integrativen Beziehungen fehlen. Wer also beispielsweise Ein-PersonenNeugründungen untersuchen möchte, muss die Definition unzweckmäßig finden. Je nachdem, auf welches der Definitionsmerkmale aus Gründen der jeweiligen Fragestellung oder des zu untersuchenden Wirklichkeitsausschnitts ein besonderes Gewicht gelegt wird, werden verschiedene Konzepte vom Unternehmen oder vom Betrieb entwickelt und eingesetzt (zu einem weiteren Beispiel vgl. Abschnitt 6.1.6). So wird bei einem großen Gewicht auf die Rolle der persönlichen Beziehungen Betrieb oder Unternehmen als soziales System analysiert werden. Bei Konzentration auf die Entscheidungsprozesse wird man eine entscheidungsorientierte Sicht des Unternehmens oder Betriebs einnehmen, wobei beispielsweise das Unternehmen der Ort der strategischen Entscheidungen sowie der Integration von Entscheidungen sein kann, der Betrieb dagegen der Ort der o133 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 246. 134 Horst Albach, Renate Albach, Das Unternehmen als Institution. Rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmen. Eine Einführung. Wiesbaden 1989, S. 13f. Diese Charakterisierung hat Albach an anderer Stelle als “axiomatisch” bezeichnet: Horst Albach, Betrieb, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie, Freiburg/Basel/Wien 1966, Sp. 637-646.

71

4.1

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

perativen Entscheidungen. Wer entdeckt, dass in der klassischen Betriebswirtschaftslehre die Verteilung der Informationen im Unternehmen nicht thematisiert wird und die Informationen selbst kostenlos zur Verfügung zu stehen scheinen, wird sich zur Überwindung dieser Sichtweise das Unternehmen als informationsverarbeitendes System vorstellen. Diese Beispiele konkretisieren unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein Unternehmen ist.

4.2

Darum gibt es Unternehmen

Eine Definition von Unternehmen ist nicht zugleich eine Erklärung für ihre Existenz. Auch das als selbstverständlich empfundene Vorhandensein von Unternehmen muss ursächlich erklärt werden. Auch hierbei werden wieder unterschiedliche Blickwinkel eingenommen.

 Unternehmen könnten allein oder durch Zusammengehen mit anderen das Angebot beschränken, im Extremfall ein Monopol errichten. Das führt nach den Standardmodellen der Preistheorie zu einer Produzentenrente. Das könnte erleichtert werden, wenn Skaleneffekte die Ergebnisse mit zunehmender Größe relativ ansteigen lassen oder andere Formen von Markteintrittsbarrieren errichtet werden. Nur durch staatliche Aufsicht und ihr Eingreifen kann diesen Entwicklungen begegnet werden. Es folgt die Hypothese, dass sich aufgrund der Marktstruktur ein entsprechendes Verhalten einstelle und daraus die Ergebnissituation zu er135 klären sei. Man spricht hier von der Bain-Erklärung für die Existenz von Unternehmen. „Despite ambivalent empirical results and serious questions concerning Bain-type Industrial Organization’s theoretical un-

derpinnings, the view of the firm …. continuous to have appeal.”136

 Implizit ist die eben gegebene Begründung statisch. Die einmal gewonnene Überlegenheit scheint unangreifbar zu sein. Unternehmen könnten aber auch existieren, weil sie durch Innovationen die bestehenden Wettbewerbsstrukturen dekonstruieren. „Creative destruction“ wird dieser Vorgang durch Schumpeter genannt. In dem mit diesem Begriff über135 Vgl. dazu: Joe S. Bain, Relation of profit rate to industry concentration: American manufacturing industries, American Economic review, Vol. 40, 1950, S. 35-47; ders., Economies of scale, concentration, and the condition of entry in twenty manufacturing industries, American Economic Review, Vol. 44, 1954, S. 15-39. 136 Kathleen J. Conner, A Historical Comparison of Resource-Based Theory and Five Schools of Thought Within Industrial Organization Economics: Do We Have a New Theory of the Firm? Journal of Management, Vol. 17, 1991, S. 121-154.

72

Darum gibt es Unternehmen

schriebenen Kapitel („Der Prozess der schöpferischen Zerstörung“) heißt 137

es:

„In der kapitalistischen Wirklichkeit jedoch … zählt nicht diese Art von Konkurrenz (die Preiskonkurrenz, K.B.), sondern die Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps (zum Beispiel der größtdimensionierten Unternehmungseinheit) – jene Konkurrenz, die über einen entscheidenden Kostenoder Qualitätsvorteil gebietet und die bestehenden Firmen nicht an den Profit- und Produktionsgrenzen, sondern in ihren Grundlagen, ihrem eigentlichen Lebensmark trifft. Diese Art der Konkurrenz ist um so viel wirkungsvoller als die andere, wie es ein Bombardement ist im Vergleich zum Aufbrechen einer Tür …“

Die mit diesen Vorgängen verbundenen großen Risiken erfordern von den Angreifern hohe Finanzkraft, die nur große Unternehmen zur Verfügung haben. Dass diese Annahme nicht zwingend ist, ist sowohl in einer unübersehbaren Zahl empirischer Untersuchungen gezeigt worden als auch gerade in den letzten Jahrzehnten deutlich sichtbar geworden. Die „Garagenfirmen“ des „silicon valley“ haben Großunternehmen der Elektronikindustrie begründet. In der Biotechnologie-Industrie kommen radikale Neuerungen von kleinen Unternehmen. Der eigentliche Engpass für sie ist der Aufbau eines Produktions- und Vertriebsapparats einerseits und die Gewährleistung von Sicherheiten gegenüber den Produktnutzern andererseits. Deshalb kommt es zur Kooperation mit Großunternehmen oder dazu, dass der radikale Innovator übernommen wird. Effiziente Produktion und effizientes Marketing können deshalb alternative Erklärungen für die Existenz von Unternehmen sein. Die Neugründungen können nämlich im folgenden Schritt zu Angreifern werden und etablierte Unternehmen verdrängen. Im Vergleich zum dem geschilderten Konzept von Bain wird hier eine neue Dimension der Betrachtung geöffnet. Die radikale Neuerung wird eingeführt. Sie entzieht den traditionellen Unternehmen, deren Wettbewerb in den Angebots- und Nachfragekurven abgebildet wird, die Existenzgrundlage.

137 Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 4.A., München 1975, S. 141 (ursprünglich unter dem Titel: Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942).

73

4.2

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

 Für einen großen Teil der neueren Unternehmenstheorie ist eine Erklärung der Unternehmensexistenz entscheidend, die auf einem Kostenvergleich beruht. Die arbeitsteilige Güterproduktion führt zu der Problemstellung: „What has to be explained is why one integrating force (the entrepreneur) should be substituted for another integrating force (the price 138 mechanism).“ Dem Unternehmer entstehen ganz offensichtlich Produktionskosten. Aber auch die Koordination durch Märkte, durch den Preismechanismus, ist kein freies Gut. „We may sum up … by saying that the operation of a market costs something and by forming an organisation and allowing some authority (an ‚entrepreneur’) to direct the 139 resources, certain marketing costs are saved.” Ein Unternehmen entsteht also, weil Dispositionen über Ressourcen bei der Leistungserstellung und –verwertung innerhalb der Organisation geringer sind als bei Nutzung von Märkten. Diese Vorstellung erklärt natürlich auch die Maximalgröße von Unternehmen: „…a firm will tend to expand until the costs of organising an extra transaction within the firm become equal to the costs of carrying out the same transaction by means of an exchange 140 on the open market or the costs of organising in another firm.“ Damit ist die transaktionskostentheoretische Erklärung für die Existenz von Unternehmen gegeben.

Mit dieser Sichtweise werden später auch sogenannte hybride Existenz141 formen von Unternehmen erklärt, solche etwa, die in Kooperation mit anderen oder noch weiter gehend in Netzwerken von Unternehmen existieren. Das ist wiederum ein Aspekt, der in den erstgenannten beiden Sichtweisen nicht vorkommt, wo implizit die Unternehmen jeweils weitestgehend unabhängig voneinander mit den Marktpartnern – abgebildet durch Angebots- und Nachfragefunktionen – Produktionsfaktoren und Leistungen austauschen.

 Auch die sogenannte ressourcenbasierte Unternehmenstheorie schaut in das Unternehmen hinein. Sie erklärt seine Existenz daraus, dass das Unternehmen über spezifische Ressourcen verfügt, die ihm das Angebot überlegener Produkte gegenüber dem Wettbewerb sichert. Die Überlegenheit kann im Preis oder in der Produktqualität zum Ausdruck kom138 Ronald H. Coase, The Nature of the Firm, Economica, Vol. 4, 1937, S. 386-405; hier zitiert nach dem Nachdruck in: Readings in Price theory, Chicago/Homewood IL 1952, S. 331-351, hier S. 344. 139 Ebenda, S. 338. „Marketing costs“ sind alle Kosten der Nutzung des Preismechanismus. 140 Ebenda, S. 341. 141 Oliver E. Williamson, Markets and hierarchies: Analysis and antitrust implications, New York 1975.

74

Das ist ein Unternehmer

men, jedenfalls vermittelt das Angebot dem Käufer einen höheren Nutzen. Die Ressourcen müssen idealerweise vier Eigenschaften haben, nämlich wertvoll, selten, schwer zu imitieren und durch das Unterneh142

men einsetzbar sein.

Dieser Ansatz wird wegen der Vielzahl der kritischen Merkmale und der fehlenden Integration mit einer marktbezogenen Sichtweise als „vorpa143 radigmatisch“ bezeichnet. Das ist aber keine Prognose, dass er zum Paradigma avancieren könnte. Bemerkenswert ist auch, dass die Eigenschaften der entscheidenden Ressourcen nicht völlig unabhängig voneinander sind.

Natürlich können weitere Sichtweisen angeführt werden, die die Existenz von Unternehmen begründen. Es erscheint aber ausreichend, hier erneut die unterschiedlichen Perspektiven dargetan zu haben. Sie werden eingenommen, um zum Teil auch im Laufe der Zeit neu aufkommende Rätsel adressieren zu können.

4.3

Das ist ein Unternehmer

Eine personale Sicht kennzeichnet Unternehmer an Hand von persönlichen Eigenschaften. Es wäre durchaus reizvoll, den Katalog persönlicher Eigenschaften und Anforderungen im Laufe der Zeit zu verfolgen. Man könnte beispielsweise bei Bernhardino von Siena (1380-1444) beginnen, der „Begabung, Verantwortung, Arbeitseinsatz und die Bereitschaft, Unsicherheiten 144 zu übernehmen“ fordert. Im Jahre 1714 führen ehrlicher und untadeliger Wandel, freundliche und höfliche Sitten und Gebräuche, Beredsamkeit,

Entscheidungskraft, Fleiß die Liste an.145 Auf den folgenden Seiten wird ein Auszug aus der Schrift von Jacob Marperger gezeigt. Es ist ein „Heroenkatalog“ der Kaufmanns- oder Unternehmereigenschaften. Eine solche personale Sicht wird hier nicht eingenommen.

142 J. B. Barney, Gaining and Sustaining Competitive Advantage, Reading et al. 1996. 143 Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung, Theorien und Kritik, Wiesbaden 2003, S. 431. 144 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 121. 145 Paul Jacob Marperger, Nothwendig und nützliche Fragen über die Kauffmannschafft, Leipzig/Flensburg 1714, S. 49f.

75

4.3

4 Abbildung 19-a

Unternehmenstheorien als Beispiele

Marpergers Katalog der Unternehmereigenschaften, 1714

Hier wird eine funktionale Sichtweise bevorzugt. Als Unternehmer bezeichnete Personen müssen aus ökonomischer Sicht für andere Funktionen übernehmen, die diese wertschätzen und deshalb dem Unternehmer ein Einkommen ermöglichen. In der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre gibt es nun eine Fülle von Vorstellungen darüber, welche Funktionen den Einkommenserwerb des Unternehmers rechtfertigen könnten. Zwölf nicht

76

Das ist ein Unternehmer

4.3 Abbildung 19-b

Marpergers Katalog der Unternehmereigenschaften (Fortsetzung)

überschneidungsfreie Funktionen wurden herausgearbeitet,146 die sich auf folgenden Katalog verdichten lassen: (1) Übernahme von Risiken im Allgemeinen, mit Bezug auf Einkommen oder durch Arbitrage bezüglich Raum oder Menge

146 Robert F. Hébert, Albert N. Link, The Entrepreneur: mainstream views and radical critiques, 2.A., New York/London 1988, bes. S. 107. Die Autoren verdichten ihre Kategorien auf vier.

77

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

(2) Durchsetzung von Innovationen (3) Entscheidungsträger, Manager, Aufseher oder Koordinator ökonomi scher Ressourcen, der diesen die bestmögliche Verwendung zuweist (4) Bereitstellung von Kapital, insbesondere auch als Eigentümer eines Unternehmens; damit ist eine Arbitrage in der Zeit verbunden (5) Industrieführerschaft ausüben und (6) Vertragspartner sein. Diese und ähnliche Definitionen werden als essentialistisch kritisiert, da sie nicht als Hilfsmittel für Problemlösungen aufgestellt werden.147 Die beiden letzen Funktionen berühren keine ökonomischen Kategorien. Die vierte ist wenig überzeugend.148 Deshalb werden zunächst Beispiele der drei ersten Funktionen gegeben. Ad (1): Risikoübernahme oder Arbitrage Als Beispiel ist auf das Werk von Richard Cantillon zu verweisen.149 Er beschäftigt sich vorzugsweise mit einem speziellen Unternehmertyp, nämlich dem Händler mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Das kann der Pächter eines Landgutes sein, der sich weiterer Unternehmer bedienen kann, die die Logistikkette in die Stadt realisieren, wo die Landprodukte verkauft und konsumiert werden. Das ist verständlich, weil nur die Produktionsfaktoren Boden und Arbeit vorkommen und allein die Grundeigentümer durch ihr 147 Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors, Stuttgart 1994, S. 17. 148 Kurz und dogmengeschichtlich argumentierend erklärt dies: (Joseph A.) Schumpeter, Unternehmer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4.A., Jena 1927, S. 476-487, hier S. 481. 149 Richard Cantillon, Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen, Jena 1931. Die Originalschrift hat den Titel: Essai sur la Nature du Commerce en Général. Traduit de l’Anglois, Londres 1755, ohne dass ein Verfasser angegeben ist. In dem umfangreichen Beitrag zur Einführung in die deutsche Ausgabe (S. V bis LXVI) von Friedrich A. Hayek wird die Autorenschaft von Cantillon nachgewiesen, zugleich aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass möglicherweise der Text in französischer Sprache vorlag und in Frankreich mit dem genannten Titelblatt gedruckt wurde. Das passt zu den nur schwer rekonstruierbaren Lebensumständen, zu denen der Tod des Bankiers und Unternehmers in London durch den von einem entlassenen Dienstboten gemeinsam mit anderen begangenen Mord und der Versuch der Vertuschung des Verbrechens durch Feuer in seinem Hause gehören. In der Wirkungsgeschichte wird gezeigt, dass das Werk vor der Verbreitung der Schriften von Adam Smith eine enorme Bedeutung hatte, nicht zuletzt als Grundlegung der Nationalökonomie.

78

Das ist ein Unternehmer

Eigentum unabhängig sind. Die potenziellen Käufer in der Stadt können keine Vorratshaltung betreiben (mit Ausnahme von Wein, der ausdrücklich erwähnt wird). Wegen schwankender Familiengröße und schwankender Präferenzen sowie schwankender Einkommen aufgrund täglicher Entlohnung ist die Nachfrage unbestimmt. Die Unternehmer schaffen Waren zu einem „bestimmten Preis nach dem des Platzes, an dem sie kaufen“ heran, „um sie im Groß- oder Kleinhandel zu einem ungewissen Preis weiterzu150

verkaufen.“

151

Als weiterer Gesichtspunkt kommt der Wettbewerb hinzu:

„Diese Unternehmer können niemals die Größe des Verbrauchs in ihrer Stadt kennen, ja nicht einmal wissen, wie lange ihre Kunden von ihnen kaufen werden, da doch ihre Konkurrenten mit allen Mitteln danach trachten, die Kunden von ihnen zu sich abzuziehen; all dies verursacht so viel Unsicherheit unter all diesen Unternehmern, daß man täglich sehen kann, wie manche von Ihnen zahlungsunfähig werden.“

Sodann wird gezeigt, dass wegen der Arbeitsteilung bei der Güterproduktion in der Stadt prinzipiell jeder Unternehmer jeden anderen zum Kunden hat, sie also wechselseitig voneinander abhängig sind. Außerdem wird dargestellt, dass Gewinne zusätzliche Unternehmer einer Branche anziehen, bis eine Zahl erreicht ist, bei der diejenigen mit dem geringsten Zulauf durch „Bankrott“ ausscheiden. Dies gelte ebenso für Unternehmer, die Kapital benötigen, wie für solche, die ohne Kapital auf eigene Rechnung tätig werden: „Handwerksgesellen, Kesselflicker, Flickschneider, Rauchfangkehrer, Wasserträger“, aber auch die Unternehmer in Kunst und Wissenschaft, „wie 152

Maler, Ärzte, Advokaten“.

„Selbst Bettler und Diebe sind Unternehmer

153

von dieser Art.“ Im Staatswesen existieren also die unabhängigen Grundeigentümer, die abhängigen Unternehmer mit unsicherem Lohn und die abhängigen Lohnempfänger, deren Einkommen sicher ist, so lange sie es beziehen. Ad (2): Durchsetzung von Innovationen Statisches Wirtschaften ohne individuelle Initiative kennzeichnet eine große Anzahl von Wirtschaftssubjekten, die „Wirte“ genannt werden. Ihr Handeln 150 Ebenda, S. 33f. 151 Ebenda, S. 34. 152 Ebenda, S. 36. 153 Ebenda, S. 37.

79

4.3

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

ist routinisiert und mit Blick auf die erwarteten Ergebnisse verhältnismäßig sicher. Der Durchsetzung von Neuem stehen äußere und innere Widerstän154

de entgegen. Sie werden durch „dynamisches Handeln“ überwunden, das durch die Motive „Freude an sozialer Machtstellung und die Freude an schöpferischem Handeln“ geleitet wird.155 Das führt zu der Behauptung:156

„dass ein Unternehmer derjenige ist, der neue Kombinationen durchsetzt, wozu, wie wir sahen, nichthedonisches Handeln so gut wie stets nötig ist. Der Unternehmer ist unser Mann der Tat auf wirtschaftlichem Gebiete. Er ist der wirtschaftliche Führer, ein wirklicher, nicht bloß ein scheinbarer Leiter wie der statische Wirt.“

Worin bestehen die neuen Kombinationen? Sehr knapp wird festgestellt:157

„1. Die Erzeugung und Durchsetzung neuer Produkte oder neuer Qualitäten von Produkten. 2. Die Einführung neuer Produktionsmethoden. 3. Die Schaffung neuer Organisationen der Industrie … 4. Die Erschließung neuer Absatzmärkte. 5. Die Erschließung neuer Bezugsquellen.“

Der Durchsetzung neuer Kombinationen widmen sich vier Typen von Unternehmern. Die sich im Hinblick auf die Spezifizierung ihres Tätigkeitsmotivs, ihres Herkommens und der Quellen für ihre Ressourcen (insbesondere der Finanzierungsmittel) unterscheiden (vgl. Abbildung 20).158

154 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 120. 155 Ebenda, S. 138. 156 Ebenda, S. 172. 157 (Joseph A.) Schumpeter, Unternehmer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4.A., Jena 1927, S. 476-487, hier S. 483. 158 Ebenda, S. 484f.

80

Das ist ein Unternehmer

4.3 Abbildung 20

Unternehmertypen nach J. Schumpeter

UnternehmerTypen

Fabrikherr, Kaufmann

Industriekapitän

Direktor, Manager

Promotor, Gründer

Motiv

Vor- und Fürsorge für Familie und Beschäftigte; Liebe zur Firma

Gewinn, Macht, Einfluss, Anerkennung

Streben nach Anerkennung durch Leistung

Durchsetzung neuer Kombinationen

Auslese

Erbschaft, Klassenzugehörigkeit

Durch Aktienmehrheiten; Aufsichtsräte der Banken

Laufbahn (analog zu Beamten)

Selbstselektion; soziale Heimatlosigkeit

Beschaffung der Produktionsmittel

Eigentum

Ohne konkrete Beziehung

Verwaltung des Kapitals der Eigentümer

Durch „Vermittlung“ von Dritten

Wenn häufig von dem Schumpeter-Unternehmer gesprochen wird, so ist der neue Kombinationen durchsetzende Promotor, Gründer oder Innovator gemeint. Er benötigt kein eigenes Kapital, sondern erhält es durch Dritte. Er ist an das von ihm gegründete Unternehmen nicht gebunden, wie etwa der Fabrikherr oder Kaufmann. Seine Tätigkeit ist „der Idee nach rein auf die Unternehmerfunktion“ beschränkt. Bei den anderen Unternehmertypen kommt diese Funktion ebenfalls vor, sie ist aber nicht so hervortretend wie beim Promotor oder Gründer. Sehr sympathisch erscheint dieser Typus nicht. - Vom Direktor oder „manager“ wird angenommen, dass er „interessiert“ ist. Das kann als Existenz von Anreizen zur Unternehmertätigkeit interpretiert werden. „Das Wesen des Unternehmergewinns“ wird bei Schumpeter (1883 – 1950) (Abbildung 21) als Resultat der Durchsetzung neuer Kombinationen“ er159 klärt. Dieser Unternehmergewinn ist nur zeitlich begrenzt zu realisieren. Gleichwohl, auch nicht bei einem Misserfolg, wird der Unternehmer als „Risikoträger“ angesehen. „Hier kommt der Kreditgeber zu Schaden, wenn

159 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 288.

81

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

die Sache misslingt. Denn obgleich eventuelles Vermögen des Unternehmers haftet, so ist doch ein solcher Vermögensbesitz nichts Wesentliches, sondern nur etwas Zufälliges.“ Das Risiko treffe ihn „als Geldgeber oder als Güterbesitzer, nicht aber als Unternehmer. … Mag er auch seinen Ruf riskieren, die 160

direkte ökonomische Verantwortung eines Misserfolges trifft ihn nie.“ Diese Form von Persönlichkeits- oder Funktionenspaltung ist möglicherweise abstrakt denkbar, in der Realität aber kaum nachvollziehbar.

Abbildung 21

Professor Dr. Joseph Schumpeter auf dem Campus der Harvard University und Widmungsunterschrift auf dem Deckblatt des Artikels „Unternehmer“

160 Ebenda, S. 290.

82

Das ist ein Unternehmer

Ganz explizit wird auch die neue Kombination von Produktionsfaktoren als Unternehmerfunktion angesehen.161 Das kann als organisatorische Innovation begriffen werden und als wesentliche Entscheidungsfunktion des „dispositiven Faktors“ aufgefasst werden. Das ist die von Gutenberg eingenommene Sichtweise, wie sich im nächsten Absatz zeigt. Ad (3): Koordination von Produktionsfaktoren Die Notwendigkeit einer Koordination der durch Arbeitsteilung getrennten Verrichtungen erfordert ebenso eine unternehmerische Leistung wie die mit Blick auf ihre Preise und den zu erzielenden Output im Hinblick auf ein Ziel optimal zu kombinierenden Produktionsfaktoren. Die Koordination funktional spezialisierter Produktion wird an demselben Beispiel der Stecknadelproduktion wie bei Adam Smith von Friedrich List erläutert: „Die Arbeitsleistungen aller müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen; die Arbeiter müssen möglichst nahe beisammen wohnen; ihr Zusammenwirken muß verbürgt seyn.“

162

Die Koordination von Produktionsfaktoren als Un-

ternehmerfunktion hat eine bedeutende Tradition.163 Bei Alfred Marshall wird der für einen anonymen Markt arbeitende „ideal manufacturer“ als „organizer of production“ und „leader of men“ bezeichnet.164 Bei Gutenberg wird auf den „dispositiven Faktor“ der Geschäfts- und Betriebsleitung hingewiesen, dessen Aufgabe in der Kombination der Elementarfaktoren (Betriebsmittel, Werkstoffe, objektgebundene Arbeit) besteht. Dies geschieht durch „bewußtes menschliches Handeln nach Prinzipien“. Funktional kann das Handeln des dispositiven Faktors oder Unternehmers als Leitung, Planung und Organisation charakterisiert werden.

165

Das hier dargestellte Funktionenschema stellt nicht das einzige dar. Sehr ausführlich und kritisch hat Schneider weitere Funktionen in historischer Betrachtung dargestellt.166 Er hat auch den Versuch einer Integration ver161 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 175. 162 Friedrich List, Das nationale System der politischen Oekonomie. Erster Band: Der internationale Handel, die Handelspolitik und der deutsche Zollverein, Stuttgart/Tübingen 1841, S. 224. 163 G. Koolman, Say’s Conception of the Role of the Entrepreneur, Economica, Vol. , 1971, S. 269-286; Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors, Stuttgart 1994, S. 70ff. 164 Alfred Marshall, Principles of Economics, Vol. I, London/New York 1890, S. 359. 165 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1. Die Produktion, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1951, S. 7f. Vgl. dazu: Horst Albach, Der dispositive Faktor in Theorie und Praxis, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60. Jg., 1990, S. 533548. 166 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 511-602.

83

4.3

4

Unternehmenstheorien als Beispiele

schiedener Unternehmerfunktionen vorgelegt. Wer durch Einsatz von Wissen, Arbeit oder Vermögen Unsicherheiten beim Erwerb oder der Verwendung von Einkommen zu reduzieren bestrebt ist, wird als Unternehmer bezeichnet. Er hat drei Funktionen.

 Erstens errichtet er Institutionen, um seiner Funktion gerecht zu werden.  Zweitens erhält er diese Institutionen in Märkten, indem er Arbitrageoder Spekulationsgewinne anstrebt.

 Drittens sorgt er für den Erhalt nach innen, indem er wirtschaftliche Führerschaft einsetzt und erneuert.167 Hierzu sind Planung, Änderungen in der Organisation und Führung einzusetzen. Allerdings ist dieser wissenschaftsgeschichtlich ausgerichteten Sichtweise ein Verbindungsmangel zu neueren theoretischen Konzepten des Unternehmens vorgehalten worden, wie etwa der Transaktionskostentheorie von 168

Coase.

167 Dieter Schneider, Neubegründung der Betriebswirtschaftslehre aus Unternehmerfunktionen, Annals of the School of Busines Administration; Kobe University, 1988, No. 32, S. 31-47. 168 Viele Hinweise bei: Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors, Stuttgart 1994, S. 18ff.

84

Erwartungen

5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

5.1

Erwartungen

Man kann aus der Geschichte lernen, auch wenn sie keine Prognosen im wissenschaftlichen Sinne169 ermöglicht. Zu diesem Schluss kommt der Historiker Karl Dietrich Erdmann, der die möglichen Zukunftsaussagen zwischen zwei bildhaft beschriebenen Extrempositionen ansiedelt: dem Kreis170, als dem Bild des zyklisch Wiederkehrenden, und der Linie171, als dem Bild der 172 Welche Erwartungen eschatologisch-teleologischen Geschichtsdeutung. können sich dann darauf richten, die Geschichte der Betriebswirtschaftslehre zu erforschen und sie wahrzunehmen? Stiftet ihr Studium Konsumnutzen

169 Darunter werden verstanden: Wahrscheinlichkeitsurteile über das Auftreten eines oder mehrerer Ereignisse in einem Zeitraum der Zukunft, die auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer möglicherweise nur wenig ausgearbeiteten Theorie über die Erklärung dieser Beobachtungen sowie einer Annahme über die Fortgeltung der Erklärung in der Zukunft beruhen: Klaus Brockhoff, Prognosen, in: Franz Xaver Bea/Birgit Friedl/Marcell Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9.A., Stuttgart 2005, S. 759-800, hier S. 759. 170 Ein Beispiel aus dem Alten Testament illustriert dies: „Was gewesen, wird wiederum sein. Was geschehen, wird wieder geschehen. Nichts Neues gibt’s unter der Sonne. Wär’ einmal etwas, davon man sagte: ‚Siehe da, ein Neues’, längst ist es gewesen in Zeiten, die hinter uns liegen“ Der Prediger (Das Buch Ekklesiastes), Kap. 1, Verse 9-10. 171 Ein Beispiel aus der marxistischen Lehre illustriert die Position: „Die Wucht der geschichtlichen Ereignisse verlangt die Anerkennung des Wirkens gesellschaftlicher Gesetzmäßigkeiten. Aber die bürgerliche Klassenposition verlangt die Leugnung der objektiven Determiniertheit der gesamtgesellschaftlichen Erscheinungen und Prozesse, weil deren Anerkennung unvermeidlich die Perspektive des gesetzmäßigen Sieges des Sozialismus über den Imperialismus und die Richtigkeit des historischen Materialismus implizieren würde.“ Wolfgang Eichhorn/Günter Kröber, Das Gesetz und die bewußte Ausnutzung gesellschaftlicher Gesetze, in: Marxistische Philosophie, 2.A., Berlin 1967, S. 296-352, hier S. 321. 172 Karl Dietrich Erdmann, Historische Prognosen – rückschauend betrachtet, in: Erich Burck, Hrsg., Die Idee des Fortschritts, München 1963, S. 59-84.

85

5.1

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

als intellektuelles Vergnügen oder darf mehr erwartet werden? Kann ein eventueller Nutzen neben der Wissenschaft auch die Praxis erreichen?173 Den Fragen soll kurz nachgegangen werden. Auf ihre Relevanz wurde schon dadurch hingewiesen, dass oben Fälle dargestellt wurden, in denen zurückliegendes Wissen in modernen Managementansätzen (das Wertkettenmodell Porters oder die Zweitpreis-Auktion) erst wiederentdeckt wurde. Einen Überblick über den Nutzen geschichtlicher Kenntnisse im Unterschied zu einer „geschichtslosen Managementwissenschaft“ hat Dieter Schneider 174 (1935) gegeben. Auch er beginnt mit Hinweisen auf vier Beispiele aus der Planungs- und der Kostenlehre, in denen früher vorhandenes Wissen nicht nur vergessen und sehr viel später nicht bloß wiederentdeckt, sondern neu erarbeitet und mit neuer, eigener Terminologie zur Verfügung gestellt wurde. Es handelt sich bei diesen vier Beispielen um Zustands- und Entscheidungsbäume in der Entscheidungslehre, die Methode des kritischen Wertes oder der Sensitivitätsanalyse, die Plankostenrechnung und die Lehre vom „toten Punkt“. Er wurde als „break-even point“ später neu entwickelt. Welche Folgen hat diese „Geschichtslosigkeit“?

Aufgrund von Beispielen wird festgestellt: „Bei mehr wissenschaftsgeschichtlichem Interesse hätten die Grundlagen heutiger betriebswirtschaftlicher Planung, Plankostenrechnung und Investitionsrechnung über ein halbes Jahrhundert früher gelehrt werden können.“175 Dies wird in fünf einzelnen Argumenten vorgetragen, wobei die deutliche Ablehnung mathematischer Symbolik und Methodik erkennbar mitschwingt:176

„(a) Verständnis einzelner Theorien: Das Wissen, wie eine Theorie sich geschichtlich entwickelt hat, erleichtert die Antwort auf jede der fünf Teilfragen (deren Beantwortung das Theorieverständnis erschließt, K.B.). Jenen Studierenden, die der formalen Darstellungsweise wenig Geschmack abgewinnen können, hilft die Beschreibung der Entstehungsgeschichte beim Verständnis des Problems und des Lösungsansatzes … (b) Anwendung von Theorien: … Wenn von der Praxis verwandte Lösungsverfahren für Problemstellungen auf einzelwirtschaftliche Theorien Bezug 173 Ähnliche Fragen erörtert Friedrich Schiller in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Jena: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Werke in drei Bänden, Bd. II, München 1966, S. 9-22. 174 Dieter Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S. 114-130. 175 Ebenda, S. 117. 176 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdr., München/Wien 1994, S. 74ff.

86

Erwartungen

nehmen, so gehen häufig die Voraussetzungen jener vor Jahrzehnten erarbeiteten Theorien unter; das ursprüngliche Begriffsverständnis, die stillschweigenden Umweltannahmen werden nicht mehr beachtet. Schon ein wenig Wissen um die Geschichte einzelwirtschaftlichen Denkens verankert bei demjenigen, der eine Theorie anwenden will, ein Störgefühl gegen voreilige Schlüsse. (c) Verständnis für Theoriezusammenhänge: Hier bietet die Wissenschaftsgeschichte eine Gelegenheit, unter dem Blickwinkel der Theorienentwicklung eine Verknüpfung aufgefächerten Wissens zu versuchen. Das Studium der Wissenschaftsgeschichte soll den Blick für die wesentlichen Problemstellungen und Problemlösungsansätze schärfen. … (d) Entwicklung verbesserter Theorien: … Das Studium der Originalarbeiten … erweitert den Blick nicht nur für Kritikpunkte, sondern auch für das Entwerfen von Lösungsalternativen. … (e) Standortbestimmung der Wissenschaft: Mangelndes oder grob unvollständiges Wissen um die Geschichte einer Wissenschaft begünstigt eine Fehleinordnung neuer Problemstellungen (die teilweise nur wissenschaftliche Moden sind), eine schiefe Sicht des Verhältnisses zu Nachbarwissenschaften, Überschätzung sogenannter Methodenprobleme und Fehlurteile hinsichtlich des gesellschaftlichen Bezugs des eigenen Faches.“

An anderer Stelle wird hinzugefügt, dass geschichtliches Bewusstsein auch die Sammlung „bestätigender oder widerlegender Musterbeispiele zu ein177 zelnen … Theorien“ ermöglicht. Das leistet einen Beitrag zur Beurteilung der Hypothesen oder Theorien im Sinne Poppers. Auch Denkfehler können so leichter entdeckt und vermieden werden.

Das ist ein eindrucksvoller Katalog. Dass er in leicht veränderter Form nicht nur Studierende oder Wissenschaftler anspricht, hat Hermann Simon (1947) in einem Satz zusammengefasst: Nur wer die Vergangenheit versteht, interpretiert die Gegenwart richtig und gewinnt dadurch ein besseres Verständnis für die Zukunft.“178 Er fügt dem Katalog Schneiders ein weiteres Element hinzu: Geschichtsbewusstsein hilft bei der Unterscheidung zwischen Managementmoden und dem, was Simon Managementprinzipien nennt.179 Diese haben einen lange fortdauernden Charakter. Nur soweit dabei an die Samm-

177 Dieter Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S. 114-130, hier S. 130. 178 Hermann Simon, Think! Frankfurt/New York 2004, S. 15. 179 Ebenda, S. 17.

87

5.1

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

lung von Musterbeispielen gedacht ist, stimmt das Argument mit dem Schneiders überein. Die sechs oder gar sieben Argumente veranlassen sofort zu der Frage, warum das Geschichtsbewusstsein nicht stärker ausgeprägt ist. Dieter Schneider antwortet darauf mit vier Argumenten: (1) Wissenschaftlicher Wettbewerb erzeugt Druck, der „rasche Vermarktung entscheidungslogischer Rechentechniken und verhaltenswissenschaftlicher Experimentergebnisse“ fördert. (2) Der Wunsch nach schnellen Umsetzungserfolgen in der Beratung wird nicht durch historische Erwägungen aufgehalten. (3) Es scheint einen Hang zur Übervereinfachung zu geben. (4) Einseitigkeiten schaden, auch dann, wenn Historiker nicht über ausreichende Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre verfügen.

180

Vielleicht finden sich Antworten aber auch außerhalb des Faches. Die Universitätsreformen seit etwa 1970 haben zur geschichtslosen Wissenschaft beigetragen. Zunächst ist das Schlagwort von der notwendigen „Entrümpelung“ der zu umfangreich erscheinenden Studiengänge vorgetragen und von eifrigen Reformkommissionen umgesetzt worden. Vielfach sind dabei historische Aspekte in der Lehre auf der Strecke geblieben. Das gilt für ganze Lehrveranstaltungen ebenso wie für Teile von Lehrveranstaltungen. Die Einführung der sogenannten Bologna-Struktur (mit Bachelor- und MasterStudiengängen) führt diese Entwicklung unter dem freundlicheren Etikett der Modernisierung oder der Heranführung an internationale Standards weiter. Wo so gelehrt wird, fehlen schnell die Lehrer fachgeschichtsbezogener Darstellungen und zugleich die Forscher, die historische Perspektiven pflegen. Das von Francis Bacon beschriebene „Haus Salomon“ war da besser ausgerüstet!

5.2

Grenzen

Wer für eine geschichtsorientierte Betriebswirtschaftslehre eintritt, muss sich auch der Grenzen einer solchen Ausrichtung bewusst sein. In einer Aussage zusammengefasst liegen sie darin, dass geschichtlich orientierte Darstellungen nicht als objektiv verstanden werden dürfen. Das hat zur Folge, dass auf die jeweils eigene Nachprüfung grundsätzlich nicht verzichtet werden kann.

180 Dieter Schneider, , Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S. 114-130, hier S. 125ff.

88

Grenzen

Die generelle Aussage zu den Grenzen wird durch zwei Aspekte illustriert: (1) Auch an geschichtsorientierter Wissenschaft Interessierten unterlaufen Fehler. (2) Die geschichtsorientierten Darstellungen sind auf Grund von Werturteilen im Basisbereich unterschiedlich. Sie geben den jeweiligen „Betrachtungswinkel“ wider oder sie sind zweckgerichtet. (1) Das erste Problem kann wiederum mit Bezug auf Dieter Schneider ver181 deutlicht werden. Über Luca Pacioli heißt es: „So erwähnt er keine Inventur, obwohl Inventuren schon im römischen Recht über ein Jahrtausend zuvor verlangt werden. Er kennt keinen Jahresabschluß, obwohl Großkaufleute in Florenz schon ein Jahrhundert von Pacioli in mehr oder weniger

regelmäßigen Abständen Jahresabschlüsse anfertigen.“182 Ein kurzer Blick in den 11. Abschnitt (Tractatus XI) der deutschen Übersetzung von Paciolis Werk bietet dagegen Überraschungen:183

„Kapitel 2. Von dem ersten Hauptteile dieser Abhandlung, dem Inventar, was es ist und wie es unter Kaufleuten angefertigt wird. … Zuerst muß der Kaufmann sein sorgfältiges Inventar in der Weise abfassen, dass er immer zuerst auf ein Blatt oder in ein besonders Buch das einschreibt, was er in der Welt an Immobilien und Mobilien zu besitzen glaubt, indem er immer mit den Dingen beginnt, die kostbar sind und leicht verloren gehen können, wie bares Geld, Edelsteine, Silbergeräte usw., weil die Immobilien, wie Häuser, Felder, Lagunen, Brakwasserteiche, Fischteiche und ähnliche Dinge nicht verloren gehen können wie bewegliche Sachen. Sodann muß man die anderen Vermögensteile der Reihe nach aufschreiben, indem man immer zuerst den Tag, die Jahreszahl, den Ort und dessen Namen in das Inventar einschreibt. Dieses Inventar muß an ein 181 Luca Pacioli, Summa de arithmetica geometria, proportinoni: et proportionalita:…1494; auszugsweise Übersetzung unter dem Titel: Abhandlung über die Buchhaltung 1494. Nach dem italienischen Original von 1494 ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitung über Die italienische Buchhaltung im 14. und 15. Jahrhundert und Paciolis Leben und Werk versehen von Balduin Penndorf, Stuttgart 1933 (Nachdruck Stuttgart 1968). 182 Dieter Schneider, , Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S. 114-130, hier S. 118. Im Hinblick auf die Bilanz hat sich Schneider später korrigiert: Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München 2001, S. 79. 183 Luca Pacioli, Summa de arithmetica geometria, proportinoni: et proportionalita:…1494; auszugsweise Übersetzung unter dem Titel: Abhandlung über die Buchhaltung 1494. Nach dem italienischen Original von 1494 ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitung über Die italienische Buchhaltung im 14. und 15. Jahrhundert und Paciolis Leben und Werk versehen von Balduin Penndorf, Stuttgart 1933 (Nachdruck Stuttgart 1968), Kapitel 2, 3, 36.

89

5.2

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

und demselben Tage angefertigt werden, sonst würde es den zukünftigen Handel stören … Kapitel 3. Musterbeispiel eines Inventars mit all seinen erforderlichen Formalitäten. Im Namen Gottes 1493 am 8. November in Venedig. ….. Kapitel 36. Zusammenfassung der Regeln und Arten über die Führung eines kaufmännischen Hauptbuches. …. 6. Unter der Bilanz des Hauptbuches versteht man ein der Länge nach zusammengefaltetes Blatt, auf dem man rechts die Gläubiger und links die Schuldner aufschreibt. Wenn Du siehst, dass die Sollsumme soviel beträgt wie die des Habens, so ist das Hauptbuch in Ordnung. 7. Die Bilanz des Hauptbuches muß gleich sein, das heißt die Summe soll gleich sein, ich sage weder Debitoren noch Kreditoren, sondern die Summe des Habens muß gleich sein der Summe des Solls. Ist das nicht der Fall, so ist ein Fehler im Buche. ….“

Das Inventar wird nicht nur erwähnt, sondern sogar mit einer begründeten Gliederungsvorschrift dargestellt. Das Prinzip des einheitlichen Abschlusstages wird explizit erwähnt. Das Beispiel in Kapitel 3 verlangt eine Rechnung in einheitlicher Währung. Zugleich wird darin durch die Aufnahme von Privateigentum (Kleidung, Betten, Hausrat) deutlich, dass eine wirksame Trennung zwischen Privat- und Unternehmerhaushalt hier nicht erfolgt. Auch die Bilanz wird nicht nur erwähnt. Die Hinweise auf ihre Gliederung fehlen nicht, Abschlussbuchungen werden explizit erwähnt, die Forderung nach zeitlicher Kontinuität wird vorgetragen. Auch hilfreiche Hinweise fehlen nicht, wie der, dass ein Kassenkonto nie negativ abschließen darf. Damit ist der erste Punkt behandelt. (2) Der zweite Punkt hat wenigstens zwei Facetten. Die eine ist erkennbar, wenn wissenschaftliche Entwicklung ausschließlich als kumulativ präsentiert wird. Damit wird alles beiseite gelassen, was diesen Eindruck stört. Die Publikationstradition amerikanischer Fachzeitschriften folgt diesem Muster. Das verstärkt das Beharren auf „normal science“. Die zweite Facette betrifft ein Basis-Werturteil, nämlich die Einnahme einer bestimmten Perspektive, aus der auf die Entwicklung geblickt wird. Dieser Punkt soll durch ein Beispiel illustriert werden. Horst Albach und Wolfgang

90

Grenzen

Breuer (1966) haben sich 1975184 bzw. 1999185 zur Entwicklung der Investitionstheorie geäußert. Bis 1975 werden dieselben Zeiträume abgedeckt. Wir stellen deshalb tabellarisch gegenüber, wie die Autoren ihr Thema behandeln. In der ersten der beiden folgenden Tafeln wird zunächst festgehalten, dass die Autoren aus unterschiedlicher Perspektive an ihre Darstellung herangehen. Albach führt in eine Sammlung wichtiger Aufsätze ein, während Breuer unmittelbar mit einer historischen Skizze befasst ist. Während Albach das einzelne Projekt zum Ausgangspunkt wählt (das natürlich in einer Folge von Projekten ebenso stehen kann wie in Interdependenzen mit gleichzeitig realisierbaren Projekten und den Finanzierungsmöglichkeiten), wählt Breuer die Sichtweise des Kapitalmarkts, aus der heraus eine Projektbewertung abzuleiten ist. Als Gliederungselemente für die Ausführungen sind bei Albach die Einbettung der Projekte in Projektfolgen, Annahmen über Ausfall durch Verschleiß und Störungen, Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Interdependenzen zwischen Projekten und Finanzierungsalternativen sowie die Sicherheit oder Unsicherheit vorgesehen. Von 20 möglichen Kombinationen der Gliederung sind 16 logisch zulässig, denen dann Autoren mit ihren Beiträgen zugeordnet werden. Breuer benutzt drei Kriterien (wobei sich Statik vs. Dynamik mit dem Kriterium der Periodenanzahl teilweise überlappen), woraus 8 bis 12 Kombinationen abzuleiten sind.

184 Horst Albach, Entwicklung und Stand der Investitionstheorie, in: ders., Hrsg., Investitionstheorie, Köln 1975, S. 13-26, 427-438. 185 Wolfgang Breuer, Geschichte der Finanzwirtschaftslehre: Investitionstheorie, in: Michael Lingenfelder, Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland, München 1999, S. 157-168.

91

5.2

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

Horst Albach: Investitionstheorie

Wolfgang Breuer: Investitionstheorie

Sichtweise:

Entwicklung aus Kapitaltheorie und Abschreibungstheorie (S.13): Projektbezogen

Sichtweise:

Investitionstheorie als „angewandte Kapitalmarkttheorie“ (S. 160)

Gliederungselemente:

Rechnungsanforderungen:

Gliederungselemente:

Rechnungsanforderungen:

a) statisch vs. dynamisch b) Sicherheit vs. Unsicherheit c) Ohne Nebenbedingungen vs. mit Nebenbedingungen (Investitionsbudgets)

a) statisch (einoder zwei Perioden) vs. dynamisch (zwei oder mehr Perioden) b) Sicherheit vs. Unsicherheit c) Vollkommene vs. unvollkommene Kapitalmärkte

d) Einzelprojekte vs. Folgen von Projekten e) Ohne vs. mit Ausfall oder Verschleiß

Insbesondere die von den Autoren begründete Sichtweise führt neben der Differenziertheit der Projektbedingungen zu einer deutlich erkennbaren Verschiedenheit der Auswahl bedeutender Beiträge, die in historischer Abfolge dargestellt werden. Dies wird, mit dem Erscheinungsjahr der älteren Arbeit endend, in der folgenden Tafel gezeigt. Sie verweist für jeden der beiden Autoren auf die von ihnen erwähnten Beiträge, allerdings beschränkt auf das Erscheinungsjahr (bei mehrfachen Nennungen in der Regel nur das

92

Grenzen

erste) und den Autor, sowie erläuternde Stichworte. Außerdem werden alle Arbeiten aus dem Beitrag von Albach ausgeklammert, die sich mit sogenannten Sonderproblemen beschäftigen. Diese betreffen beispielsweise die Behandlung von Steuern in der Investitionsrechnung oder die empirischen Erkenntnisse zur Beurteilung von Investitionsprojekten oder Investitionsprogrammen.

Horst Albach: Investitionstheorie

Wolfgang Breuer: Investitionstheorie

Jahr

Autor

Jahr

1889

E.v.Böhm-Bawerk (Kapitalbegriff, Zinstheorie, Produktionsperiode)

1889

1893

K. Wicksell (ähnlich Böhm-Bawerk)

1893

1907

J. B. Clark (Kapitalbildung durch Konsumzurückhaltung)

1906/ 1930

1925

H. Hotelling (Abschreibungstheorie)

1925

1934 1936

F. H. Knigth (Auseinandersetzung mit Kapitalbegriff der österreichischen Schule)

1934

1936

F. A: v. Hayek (Investition und zeitliche Zahlungsstruktur)

1936

Autor

I. Fisher (Kapitalwert)

K. E. Boulding (zeitliche Zahlungsstruktur bei einzelnen Projekten) 1937

A. G. Hart (Unsicherheit und Flexibilität)

1937

1940

W. Eucken (Ausreifungszeit, Kapitalbegriff)

1940

G. A. D. Peinreich (Ersatzproblem) 1945

L. Hurwicz (opt. Investitionspolitik)

1945

93

5.2

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

1951

F. u. V. Lutz (Kapitalbegriff)

1951

J. Dean (Kapitalangebot vs. Kapitalnachfrage, unvollkommener Kapitalmarkt) E. Schneider (Projektbewertung durch Kapitalwert und internen Zinsfuß; Zahlungsorientierung)

1952

A. Alchian (Verbindung Kapital- und Abschreibungstheorie)

1952

1955

E. Solomon (Kalkulationszins)

1955

1957

P. Massé, R. Gibrat (Investitionsprogramm)

1957

1959

A. Charnes, W. W. Cooper, M. H. Miller (Chance constraint programming)

1959

1960

E. Kuh (Investitionsbudget)

1960

1962

H. Albach (Simultanplanung von Investition und Liquidität)

1962

1963

H. M. Weingartner (Horizontwertmodell; Kalkulationszins als Schattenpreis)

1963

A. Moxter (Übergang Sicherheit zu Unsicherheit)

94

H. Markowitz (Portfolio Selection: Unsicherheit, - Kriterium)

H. M. Weingartner (Horizontwertmodell)

Grenzen

1964

D. B. Hertz (Simulation zur Behandlung der Unsicherheit)

1964

H. Hax (Kritik an Kalkulationszinsbestimmung; Kalkulationszins als Schattenpreis) H. Albach (Spekulationskasse für unbekannte Alternativen)

1965

R. F. Hespos, P. A. Strassmann (Simulation von Investitionsprogrammen)

H. Hax (Kritik an Kalkulationszinsbestimmung) 1965

J. Lintner (CAPM bei Unsicherheit)

1966

J. Mossin (CAPM bei Unsicherheit)

R. F. L’hermitte, F. Bessière

1966

1967

W.F. Sharpe (capital asset pricing model – CAPM bei Unsicherheit)

E. Schneider (Kapitalwert vs. interner Zinsfuß) H. Schneeweiß (Integration der Entscheidungstheorie bei Kriterien zur Ungewissheitsbehandlung) R. F. Byrne, A. Charnes, W. W. Cooper (Erweiterung durch chance constraint programming)

1968

F. Hanssmann (Robuste erste Schritte) G. Franke, H. Laux (Kalkulationszins als Schattenpreis; Horizontwertmodell) M. Heider (Bedingte Simulationen von Projekten)

95

5.2

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

1969

K. P. Bauer (Entscheidungstheorie und Zielkriterien) H. Hax, H. Laux (Endwertmaximierung als Ziel)

1970

H. Albach, W. Schüler (Chance Constraint Programming, Spekulationskasse)

1971

R. F. Byrne et al. (Erweiterung chance constraint programming) H. Laux (Flexible Investitionsplanung) D. Schneider (Flexible Planung vs. Ungewissheit)

1972

H. Hax/H.Laux (Endwertmaximierung)

1973

1973

F. Black, M.Scholes (Optionspreisbildung)

1974

1974

M.C.Bogue, R.R.Roll (Risiko, unvollk. Märkte)

Die Unterschiedlichkeit der Darstellungen ist damit, auch ohne Eingehen auf Details, klar demonstriert. Eine weitere Version der Entwicklung der Investitionstheorie würde man erhalten, wenn man der Darstellung von

96

Grenzen

Dieter Schneider folgte.186 Das heißt in der Konsequenz, dass historische Darstellungen vor einer Übernahme zunächst einmal auf die Übereinstimmung zwischen der Perspektive des Autors und der eigenen Perspektive zu überprüfen sind. Darüber hinaus ist zu fragen, ob der Grad an Detailliertheit des jeweiligen Autors mit den eigenen Zwecken oder Ansprüchen übereinstimmt oder nicht. Schließlich ist auf einen früheren Punkt zurückzukommen: Die Präzision der jeweils mitgeteilten Ereignisse ist nicht garantiert, weshalb eigene Prüfungen grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Insgesamt sind das sehr anspruchsvolle Anforderungen. Immerhin aber gibt es Lehrbücher, zusammenfassende und oft auch wertende Überblicksartikel, die zumindest als Ausgangspunkt eigener Untersuchungen gute Dienste leisten. Damit ist auch der zweite Punkt behandelt. Aus mehreren Gründen ist also festzuhalten, dass auch eine historisch orientierte Darstellung der Disziplin nicht als objektiv gelten kann. Eine weitere Grenze kann darin erblickt werden, dass trotz aller Bemühungen um Aussagen, die unabhängig von Raum und Zeit gelten sollen, die spezifischen Kontextbedingungen betriebswirtschaftlichen Handelns dem Bemühen immer wieder entgegen wirken. Dies ist am besten wieder durch ein Beispiel zu belegen. In Kapitel 2.1 wurde Erich Gutenbergs Aussage dargestellt, wonach die Elimination von Geldwertschwankungen aus der Bilanz eines der Probleme war, die die Betriebswirtschaftslehre zur Wissenschaft haben reifen lassen. Auch die Vorstellung von Fritz Schmidt über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Bewertungsregeln in der Bilanz wurde erwähnt. Man könnte also die Ansicht gewinnen, dass diese Themenbereiche endgültig geklärt sind. Das ist aber nicht der Fall. Im April 2008 veröffentlichte das private „Institute of International Finance“, dem führende Banken angehören, einen Bericht, in dem Vorschläge zur Reaktion auf die sogen. „subprime crisis“ an den Finanzmärkten festgehalten werden. Ein Abschnitt beschäftigt sich mit Bewertungsfragen. Mit Bezug auf die Bilanzierung wird zwar von einer Bewährung der ZeitwertBewertung von Anlagen „in liquid markets“ gesprochen. Es heißt dann 187

weiter:

186 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaften, München/Wien 2001, S. 755ff. 187 IIF, Interim Report of the IIF Committee on Market Best Practices, April 2008, Textziffer 73.

97

5.2

5

Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

„When there is no or severely limited liquidity in secondary markets, however, it has the potential to create serious and self-reinforcing challenges that both make valuation more difficult and increase the uncertainties around those valuations. In addition, there is a wide perception that market-to-market accounting in circumstances of widespread illiquidity deviates from underlying values. There are questions about whether fair-value accounting approaches have increased the severity of the market stress relative to other possible alternatives and, if so, whether this reflects a fundamental feature of such approaches or weaknesses in the current state of their implementation. In the light of the magnitudes of the writedowns and their systemic impact, it is essential that these broadly encountered questions be addressed.”

Es wird also eine erweiterte Diskussion bank- und situationsspezifischer Bewertungsregeln gefordert. Es wird zwar festgestellt, dass die Bewertungsfragen grundsätzlich nicht neu sind, aber doch wegen ihrer volkswirtschaftlichen Effekte neue Beachtung verdienten. Natürlich ist dieser Vorschlag schnell in der Tagespresse diskutiert worden. Die meisten Kommentare lehnen neue Regeln speziell für Banken ab. Ein Mitglied des International Accounting Standards Board erklärt, dass die Probleme der Finanzinstitute „keine Frage der Rechnungslegung (seien, K.B.) und … durch Änderungen der Bilanzierungsregeln nicht gelöst werden (können).“ Zwar führt der seit 2005 geltende ZeitwertBewertungsgrundsatz bei Preissenkungen zu stärkeren Abschreibungen als früher gebräuchliche Bewertungsverfahren, doch schüre dies nicht die Kri188

se.

Ähnlich argumentieren die von der Krise wenig betroffenen Genossen-

schaftsbanken.189 „Bilanzregeln … können niemals Ursache von Fehlentwicklungen sein, egal welchen Methoden und Grundsätzen sie folgen.“190 Das würde Fritz Schmidt vermutlich anders sehen, nämlich eher wie IIF oder der Bundesverband deutscher Banken, auch wenn heute nicht das Imparitätsprinzip im Vordergrund steht. Die nach IFRS (International Financial Reporting Standards) bilanzierenden Banken haben grundsätzlich 188 Marietta Kurm-Engels, Experte sieht keinen Grund für neue Bilanzstandards, Handelsblatt, 7. April 2008 (www.handelsblatt.com/News/Unternehmen/BankenVersicherungen/_pv/_p/20...) 189 Pleister kritisiert Manager, Telebörse (www.teleboerse.de/945968.html) , 10. April 2008. 190 Rolf Lebert, Bilanztricks helfen nicht, www.ftd.de/meinung/kommentar%20Bilanz tricks/341103.html, 10. April 2008.

98

Grenzen

beim Erwerb zu entscheiden, ob Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen, auf mittlere Sicht „available for sale“ sein sollen oder ihr jederzeitiger Verkauf geplant ist, was die Bewertung zu Tagespreisen erfordert. Danach entscheidet sich der Wertansatz in jeder dieser Kategorien und auch, ob eventuelle Bewertungsverluste sich unmittelbar in der Gewinnund Verlustrechnung niederschlagen oder durch Veränderung des Rücklagenkontos zu ergebnisneutralen Kapitaländerungen führen. Interessant ist, dass die spezifischen Kontextbedingungen nun erneut zu einer Diskussion führen. Die Geschichte ist also nicht abgeschlossen.

99

5.2

Überblick

6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Führt man sich die 1184 Seiten der unvollendeten „History of Economic Ana191 lysis“ von Joseph Schumpeter vor Augen, so müsste ein etwa gleicher Umfang von einer Geschichte der Betriebswirtschaftslehre erwartet werden, die spätestens im klassischen Griechenland beginnt und bis zur Neuzeit reicht sowie eine Vielzahl von Kulturen umfasst. Auch das Werk von Dieter

Schneider kommt auf 1036 Seiten. 192 Vergleichbares soll hier nicht geleistet werden. Angestrebt wird eine Skizze, ein Überblick, der wesentlich erscheinende Entwicklungsschritte dokumentiert. So können Herkommen und Einordnung gegenwärtiger Wissensstände etwas besser beurteilt werden. Freilich muss man sich mit der Feststellung abfinden: „Periodizing, as we 193 know, is a necessary evil“ , wenn man, wie hier, eine Darstellung nach historischen Epochen wählt.

6.1

Überblick

6.1.1

Von der physischen Dokumentation von Geschäftsvorfällen bis zum Zeitalter der Aufklärung

(1) Das Bedürfnis nach Abrechnungen oder der Dokumentation von Vermögen sowie Schuldverhältnissen war offenbar schon gegeben, bevor Menschen Schrift und Zahl hervorbrachten. Zunächst stehen allein physische Möglichkeiten zur Verfügung, um die Bedürfnisse zu erfüllen. In einer Zu191 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, 1.A., Cambridge 1954; 6.A., 1966. 192 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001. 193 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis ,Cambridge,MA 1966, S. 379. Zusammenfassend zur Methodik der Periodisierung: Ursula Hansen/Matthias Bode, Entwicklungspfade der deutschen Marketingwissenschaft seit dem zweiten Weltkrieg, in: Hartmut Berghoff, Hrsg., Marketing-Geschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt 2007, S. 179 - 204, hier S. 180ff.

101

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

sammenschau archäologischer Befunde und ihrer Interpretation legt Richard 194

Mattesich folgende Entwicklungsstufen nahe (vgl. Abbildungen 22 – 24):

Zeit (v. Chr.) 8.000

4.400

3.250

3.200

3.100 – 3.000

Art des Rechnungswesens

Relativ einfache kleine Gegenstände aus Ton („tokens“), z. B. Scheiben, repräsentieren Bestände und Übertragungen von landwirtschaftlichen Produkten oder Leistungen. Die Tongegenstände werden flacher und mit Linien oder Punktmustern versehen, die für Gegenstände und Mengen stehen. Ein Schaaf wird durch eine Scheibe mit eingeritztem Kreuz symbolisiert (später in der Schrift ein Kreis mit Kreuz). Eine bessere Kontrolle, praktisch eine Art doppelter Buchführung, wird erreicht durch versiegelte Hohlkugeln oder Ketten, die die einzelnen Tongegenstände als Repräsentanten für Lagerbestände oder Schulden umschließen. Die Oberflächen der Hohlkugeln oder anderer „Umschläge“ werden mit den Abdrucken der eingeschlossenen Tongegenstände bezeichnet oder mit Symbolen dafür. Von außen kann der Inhalt ermessen und nach einer Öffnung kontrolliert werden. Tontafeln, die auf der Vorderseite Einzelangaben und auf der Rückseite deren Summennachweis zeigen sowie Unterschriftssymbole von Zeugen oder Beamten treten auf. In Stein geritzte Bilddarstellungen, Keilschriften auf Tontafeln, Entwicklung von Zahlen und der Schrift.

Mit dem Beginn der Entwicklung von Schrift werden die Geschäftsvorfälle abstrakt dokumentiert und rechenbar. Im Folgenden werden Beispiele für die drei in der vorstehenden Tafel zuletzt genannten Repräsentationsformen wirtschaftlicher Vorgänge gezeigt.

194 Richard Mattesich, The Beginnings of Accounting and Accounting Thought. Accounting Practice in the Middle East (8.000 B.C. to 2.000 B.C.) and Accounting Thought in India (300 B.C. and the Middle Ages), New York/ London 2000, hier S. 92. Mattesich stützt sich vor allem auf: Denise Schmandt-Besserat, Before Writing, Vol. I: From Counting to Cuneiform, Austin/TX 1992.

102

Überblick

6.1

Sieben „tokens“ und ein „Umschlag“, der Souren des Eindrückens der „tokens“ in den noch feuchten Umschlag zeigt (Quelle: Mattesich, S. 31)

Abbildung 22

Skizze (Umzeichnung) und Darstellung der Vorder- und Rückseite einer Tontafel aus der Zeit vor Nutzung der Keilschrift, die Verteilung von Gerste an zwei Beamte betreffend (Quelle: Mattesich, S. 107)

Abbildung 23

103

6 Abbildung 24

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Keilschrifttafel, ca. 2800 v. Chr. Halbmondsymbole sind Einer, Kreissymbole sind Zehner.

Große Bestände an Keilschrifttafeln sind Urkunden, die über das Rechtsund Wirtschaftsleben in Babylon Auskunft geben. Gesetze wurden schon vor dem allseits bekannten König Hammurapi (1793 – 1750 v. Chr.) erlassen. Dessen Gesetzessammlung spricht z. B. Kauf, Miete, Pacht, Darlehn und Lehrverträge an. Darlehnszinsen lagen zwischen 20% und 33%. Der Kodex des Hammurapi legt auch Höchstsätze für Preise, Löhne und Zinsen fest; wegen des „dominierenden Anteils der königlichen Wirtschaftsimperien am 195 Die Wirtgesamten Güterverkehr“ üben diese Preisführerschaft aus. schaftsführung war ergebnisorientiert. Es existierten große Betriebe in der Textilwirtschaft, der hoch entwickelten Landwirtschaft und dem Keramikhandwerk. Tempelwirtschaften waren teils spezialisiert, teils aber auch auf Austausch und Handel angewiesen. Hohe Kreativität wurde entfaltet, um

verbotene Geschäftsformen durch Umgehungsgeschäfte zu ermöglichen.

196

Eine schöne Spekulation von Henry David Thoreau (1817 – 1862) besagt: „Die meisten Menschen haben lesen gelernt, um einer erbärmlichen Be195 Waldemar Wittmann, Mensch, Produktion und Unternehmung, Tübingen 1982, S. 26. 196 Zusammenfassend: Hans Neumann, Das Recht in Babylon, in: (Ausstellungskatalog) Babylon Wahrheit, München 2008, S. 207 – 230; Joachim Marzahn, Die Arbeitswelt – Wirtschaft und Verwaltung, Handel und Profit, ebenda, S. 231 - 276; Cornelia Wunsch, Geld- und Kreditwirtschaft in neubabylonischer Zeit, ebenda, S. 443 - 448. Der Katalog enthält eine Vielzahl von Quellennachweisen.

104

Überblick

quemlichkeit zu frönen, wie sie rechnen lernten, um Buch führen zu können 197 und nicht im Handel übervorteilt zu werden.“ Zur Abwendung dieser Gefahr kann sich schnell auch die Pflicht zur Abrechnung durchsetzen. So wird berichtet, dass 1728 v. Chr. Kaufleute in Babylonien buchführungspflichtig waren, über eine Büroorganisation verfügten und Sekretärinnen

beschäftigten.198 Das lässt auf einen beachtlichen Stand betriebswirtschaftlichen Wissens schließen. Ein entsprechendes Lehrbuch ist allerdings nicht bekannt. Die in Form von Lehrgedichten gehaltenen Anweisungen für die Landwirtschaft betreffen technische Fragen, z. B. der Bewässerung. Möglicherweise waren die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, soweit sie nicht gesetzlich gelenkt wurden, relativ einfach, weil in hohem Maße von Subsidiarität Gebrauch gemacht wurde. Beispielsweise musste der königliche Bauherr von Großbauten nicht auch alle eingesetzten Sklaven verpflegen, weil vielen von diesen die Pflicht zur eigenen Unterhaltung auferlegt war. Sie werden wohl von wandernden Kleinhändlern besucht worden sein. (2) Ein beachtliches kaufmännisches Wissen ist auch an anderem Ort entwickelt worden. In der Maurja(Maurya)-Periode Indiens (4. und 3. Jahrhundert v. Chr.) ist ein Werk entstanden, das ein Kapitel über Kontenführung im Rechnungsbüro enthält. Das Erscheinen von Arthastra von Kautilya wird 199 etwa auf das Jahr 300 v. Chr. datiert. Vier Beiträge dieses Autors werden von Mattesich identifiziert:  Eine bedeutende Anzahl von Definitionen für Begriffe des Rechnungswesens (Umsatz, Auszahlungen, Ausgaben, Kosten, Umsatzsteuer, Kapital usw.) wird vorgelegt.  Der Umgang mit nicht abgeschlossenen Arbeiten, Zwischenprodukten, Versicherungen und Risiken im Rechnungswesen sowie langfristigen Aspekten der Gewinnoptimierung werden gepflegt.  Prüf-, Revisions- und Besteuerungsprozeduren werden dargestellt. 200  Scheingewinne werden erläutert.

Das ist weit mehr als bisher an anderer Stelle behandelt wurde und auch mehr, als für fast zwei Jahrtausende in Europa dargestellt wird. Das indische Zahlensystem ist offenbar auch den vielen Zahlensystemen der Sumerer 197 Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern, Zürich 1979, S. 160 (Originalausgabe 1854). 198 Berhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 12. 199 Richard Mattesich, The Beginnings of Accounting and Accounting Thought. Accounting Practice in the Middle East (8.000 B.C. to 2.000 B.C.) and Accounting Thought in India (300 B.C. and the Middle Ages), New York/ London 2000, hier S. 92. Hier stützt er sich stark auf: A. K. Bhattacharyya, Modern Accounting Concepts in Kautilya’s Arthastra, Calcutta 1988. 200 Ebenda, S. 195ff.

105

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

überlegen und vor allem dem römischen, das in Europa bis zu Beginn des 13. Jahrhunderts dominiert. (3) Gehen wir nun über zur Entwicklung in Griechenland, zumal wenig andere Quellen herangezogen werden können. Dieser Sprung mag mit dem Wort des Historikers entschuldigt sein, die Welt sei rund und endlich, die 201 Geschichte aber zackig und unendlich. In der klassischen griechischen Dichtung werden zwar ökonomische Aspekte berührt, doch nicht systema-

tisch dargestellt.202 Eine systematische, wenn auch nicht analytische Darstellung der gesammelten Erfahrungen zur Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes bietet Xenophon (ca. 430-354 v. Chr.) in „Oikonomi203 Überschüsse anstreben und Reichtum mehren – jedenfalls auf kos“. anständige Weise, so wird gefordert - werden als Wirtschaftsziele anerkannt.

Auf die älteren Dichter und auf Xenophon greift auch gelegentlich zitierend Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) zurück. Hier interessiert sein Werk „Politika“, 204 das zwischen 325 und 323 entstanden sein soll. Als wirtschaftliche Einheit innerhalb eines Staates wird das „Haus“ betrachtet. Personell ist es durch 205 die in ihm lebende Familie im weiteren Sinne bestimmt (1, § 6) , der ein Entscheider vorsteht. Er beherrscht die Haushaltungskunde (2., § 1). Zunächst sind dabei Hierarchie und Funktionen von Herrn und Sklaven, Gattin und Gatten, Vater und Kindern zu verstehen. Die Beziehungen sind naturgegeben (3, § 9). Hinzu tritt als spezifische Erwerbskunst die Gelderwerbs- oder Bereicherungskunst. Während die generelle Erwerbskunst dazu dient, die Versorgung der überwiegend autonom gedachten Hauswirtschaft zu sichern, auch Mangel durch Außenhandel mit Überflussgütern zu vermeiden, und damit Grenzen gesetzt erscheinen, ist dies bei der Bereicherungskunst nicht der Fall. Der internationale Tauschhandel ist auch die „notwendige“ Ursache für das Entstehen von Geld als einem Tauschmittel. Es erhält seinen Wert aus dem Münzmetall (3, § 9). War das Geld da, so erleichterte es Handels- und ermöglichte Geldgeschäfte. „…bereits bald aber (wurde, K.B.) durch die Übung in künstlicherer Weise darauf gerichtet, wie und mit wel-

201 Michael Salewski in einer Buchbesprechung in der Frankfurter Allgemeine vom 30. Januar 2008. 202 Bertram Schefold, Aristoteles: Der Klassiker des antiken Wirtschaftsdenkens, in: Vademecum zu einem Klassiker des antiken Wirtschaftsdenkens, Düsseldorf 1992, S. 1969. 203 Xenophon, Ökonomische Schriften, Berlin 1992. Ökonomik wird als vernünftiges Handeln gedeutet. 204 Aristoteles’ Politik, Griechisch und Deutsch, herausgegeben von Franz Susemihl, Leipzig 1879 (Nachdruck Düsseldorf 1992). 205 Hier und im Folgenden beziehen sich die Paragraphenangaben auf die „Politik“ in der Ausgabe der vorausgehenden Fußnote.

106

Überblick

chen Mitteln man beim Umsatz möglichst viel Gewinn machen kann.“ (3, § 9). Der aus dieser Art von Geschäften erwachsende Reichtum ist „ohne Ziel und Grenze“ (3, § 9), was kritisiert wird. Es geht nun in 3, § 23 wie folgt weiter:

„Wenn nun aber die Erwerbskunst, wie gesagt, eine doppelte ist, theils auf den bloßen Handelsgewinn, theils auf die Zwecke der Haushaltung berechnete, und nur die letztere nothwendig und löblich ist, die erstere, aus dem bloßen Umsatz gezogene dagegen mit Recht getadelt wird, weil sie nicht in der Natur gegründet ist, sondern die Menschen diesen Gewinn voneinander ziehen, so ist vollends mit dem größten Recht Zinsdarlehen und Wuchergeschäft verhasst, weil dies unmittelbar aus dem Gelde selber den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld doch allein erfunden ist. Denn nur zur Erleichterung des Tausches kam es auf, der Zins aber vermehrt es an sich selber. Daher denn auch der griechische Name für ‚Zins’ so viel als ‚Junges’ bedeutet, denn das Junge pflegt seinen Erzeugern ähnlich zu sein, und so ist auch der Zins wieder Geld vom Geld. Und diese Art von Erwerbskunst ist denn hiernach die widernatürlichste von allen.“ Die Gelderwerbskunst oder Chrematistik ist nun mit einem Jahrhunderte lang geltenden Urteil belastet, dem Urteil der Widernatürlichkeit. Es ist spekuliert worden, dass dieses Urteil noch durch Erfahrungen aus der Zeit vor der Einführung des Geldes beeinflusst sei oder durch die Vorstellung, die Kreditgewährung erfolge ausschließlich zur Überbrückung von Notlagen, die aus ethischen Gründen, auch zum Erhalt des Gemeinwesens, nicht ausgenutzt werden dürften. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Sicherung des finanziellen Gleichgewichts ist grundlegend, weil er bis heute seine Gültigkeit nicht verloren hat. Erstaunlich ist, dass die wirtschaftlichen Betrachtungen auf den Haushalt beschränkt sind. Die Bedürfnisse zur Ausrüstung einer Kriegsflotte, zum Beispiel, erforderten doch vermutlich das Zusammenwirken von Handwerksbetrieben. Deren Leitung stellt vermutlich andere, oft auch über die Leitung eines, wenn auch ausgedehnten landwirtschaftlichen Haushalts hinausgehende Kenntnisse. Auch der Bergbau stellte hohe Anforderungen an die Planung, die Organisation und die Führung, die aber nicht wissenschaftlich entwickelt wurden.

206

- Die Verabsolutierung von Werturteilen

206 Siegfried Löffler, Die Bergwerkssklaven von Laureion, Abhandlungen der geistesund sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Teil 1: Jg. 1955, S. 1101-1217; Teil 2: Jg. 1956, S. 883-1018.

107

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

stört Schumpeter besonders an Aristoteles.207 Das ist erwähnenswert, weil solche Werturteile das Denken bis in das Mittelalter hinein ganz entscheidend prägen. (4) Im Nahen Osten entstehen etwa zur selben Zeit - bis vermutlich 200 v. Chr. - die zum Alten Testament gehörenden Weisheitsbücher. Davon sind hier insbesondere das Buch der Sprüche (oder Salomos) aus Jerusalem und das Buch Jesus Sirach von Interesse. In diesen Texten werden Lebensweisheiten mitgeteilt. Die Forderungen richten sich auf Redlichkeit im Handel, Vermeidung von Bestechung und Bestechlichkeit, Warnung vor der Übernahme von Bürgschaften und vor Kreditgeschäften. Sehr spezifisch sind diese Ausführungen nicht. Allerdings ist „Deuteronomium“, das fünfte der MosesBücher des Alten Testaments, eindeutig: „Du darfst von deinen Volksgenossen keinen Zins nehmen, weder Zins für Geld noch Zins für Nahrungsmittel, noch Zins für irgend etwas, das man auf Zins leihen kann. Von dem Ausländer darfst du Zins nehmen …“ nehmen zu gestatten.

208

Das führt später dazu, Juden das Zins-

(5) Wir dürfen auch deshalb den Blick auf das Römische Reich richten. Auch hier entsteht eine Literatur, die sich vor allem der Führung von Landgütern widmet und teilweise erstaunlich tiefe Spezialisierungen in diesem Bereich aufweist. An erster Stelle ist Cato der Ältere, das ist Marcus Porcius Cato (234 – 149), zu nennen. Der Politiker und Feldherr schrieb etwa um 150 v. Chr. „de agri 209 cultura“. Es soll die älteste und vollständig erhaltene lateinische Prosaschrift sein. In 162 Abschnitten werden von der Sklavenhaltung über die Viehfütterung bis zur Olivenernte, von Rezepten über religiöse Bräuche bis zu Verträgen Ratschläge erteilt. Für Bauern zeigt der Autor große Hochachtung, nicht zuletzt als tapfere Soldaten. Cato räumt ein, dass der Handel manchmal ertragreicher sei als die Landwirtschaft, aber auch sehr viel risikoreicher. Ebenso risikoreich sei das Geldverleihen, „wenn es denn ehrenhaft wäre“. Die Unehrenhaftigkeit erkenne man schon daran, dass Personen, die Zins nehmen, doppelt so stark bestraft würden wie Diebe. - Erkannt wird das heute so genannte Problem der fixen Kosten, hier mit Bezug auf die Aufsichtskapazität, die bei variierender Feldgröße erforderlich ist.

207 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, 6.A., New York 1966, S. 57. 208 Kapitel 23, Verse 20 und 21, in der Herder-Bibel (Freiburg/Basel/Wien 1965, S. 205). 209 Eine englischprachige und lateinische Version findet sich bei: www.//penelope/ uchicago.edu/Thayer/E/Roman/ Texts/Cato/De_Agricultura/home.html (abgefragt: 12.1.2008)

108

Überblick

An zweiter Stelle ist gleich – ohne über Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) und Marcus Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.) zu sprechen, zumal die einzelwirtschaftlichen Aspekte in deren Werken randständig sind - auf Lucius Iunius Moderatus Columella (0 – 70 n. Chr.) zu verweisen. Neben einem Werk über die Obstbaumzucht sind die zwölf Bände „De re rustica“ erwäh210

nenswert. Die ersten fünf Bücher beschäftigen sich mit dem Ackerbau, die folgenden fünf mit der Viehwirtschaft. Die verbleibenden Bände sind der Gutsverwaltung gewidmet. Zusammenhänge zwischen Bewirtschaftungsintensität und Bodenertrag, Überlegungen zu Vorgabezeiten für Landarbeiter und Hinweise auf die Bedeutung der Transportkosten des Absatzes für den Erfolg eines Gutes sind in den Schriften enthalten. Auch die Kontrollspanne wird geschildert, die mit zehn überwachten Arbeitern angegeben wird. Das sind Erfahrungswerte, die natürlich noch nicht durch wissenschaftlich betriebene Empirie belegt sind. Neben den Inhalten ist auch das diskursive und nicht analytische Vorgehen der Autoren festzuhalten. Ebenso ist die Themenkonzentration auf den landwirtschaftlichen Betrieb erstaunlich. Vor allem im späteren Römerreich muss es handwerkliche und industrielle Produktionen gegeben haben, die ihre Produkte nicht nur lokal absetzten. Was Waldemar Wittmann (19251988) für die technische Entwicklung in der Römerzeit feststellt, muss offenbar auch auf die ökonomische Entwicklung in der Fertigungswirtschaft und dem Bergbau übertragen werden: Die Erkenntnisse werden aus der Praxis gewonnen und eingesetzt, nicht wissenschaftlich abgeleitet oder verfeinert. Dabei sind die Betriebe, gemessen am Personaleinsatz, keineswegs immer nur kleine Familienbetriebe. „…Aufzeichnungen von Geschäften, Buchungstechniken, Wirtschaftsrechungen und Schuldnerlisten gab es im klassischen Griechenland und bei den Römern in ansehnlicher Zahl. Umständlich war … die kaufmännische Arithmetik durch recht unzweckmäßige Zahlensysteme. … Es ist naheliegend, von solchen Dokumenten Rückschlüsse auf die 211

Buchführung großer Landgüter und Manufakturen zu ziehen.“

Der Tuffstein vom Rande des Neuwieder Beckens, der teilweise sogar unter Tage abgebaut wurde, wurde in Xanten verbaut. Mühlsteine aus Mayener Basaltlava wurden im weiten Umkreis gefunden. Das lässt auf Industrie und Logistik schließen, die so komplexe Vorgänge abzuwickeln gestatteten. Es wurden hier Handmühlen, Kraftmühlen und Mörser hergestellt; der Abfall wurde in näherer Umgebung als Baumaterial verwendet. „Sehr auffällig ist … die perfekte Organisation des Gewerbes: Die Brüche lieferten nur noch 210 Lucius Iunius Moderatus Columella, De re rustica, lateinisch-deutsche Ausgabe, München/Zürich 1981 – 1983. 211 Waldemar Wittmann, Mensch, Produktion und Unternehmung, Tübingen 1982, S. 68f.

109

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Rohlinge (vergleiche die Abbildung 25, K.B.). Deren Endbearbeitung zu fertigen Mühlsteinen erfolgte in zahlreichen spezialisierten Werkstätten im Mayener vicus nördlich des Winterfeld-Lavastroms und in der Nähe des römischen Hafens von Andernach (Abbildung 25). Die fertigen Handmühlen erhielten einheitliche Verzierungen. Anscheinend gab es sogar spezialisierte Metallwerkstätten, in denen Eisenteile für die Mühlen gefertigt wurden. … Eine vergleichbare Arbeitsteilung ist für römische Mühlsteinbrüche 212 bisher nur ein weiteres Mal bekannt …“ Die Produktion von Handmühlen wird auf fast 40.000 pro Jahr geschätzt, was etwa 585 Arbeitskräfte beschäftigte. Der Handel erreichte die Westschweiz, das Voralpengebiet, die briti-

schen Inseln und das freie Germanien.213

Abbildung 25

Geographisches Schema römischer Mühlsteinproduktion im Raum Mayen (Quelle: Mangartz, 2006)

212 Fritz Mangartz, Vorgeschichtliche bis Mittelalterliche Mühlsteinproduktion in der Osteifel, in: Alain Belmont/Fritz Mangartz, Hrsg., Mühlsteinbrüche. Erforschung, Schutz und Inwertsetzung eines Kulturbetriebes europäischer Industrie (Antike – 21. Jahrhundert), Internationales Kolloquium Grenoble, 22. – 25. September 2005, Mainz 2006, S. 25-34, hier S. 29f. 213 Ebenda, mit Bezug auf verschiedene weitere Quellen.

110

Überblick

6.1

Systematisch wurde auch die Produktion und Verbreitung von Keramik untersucht, also von Töpferwaren (Abbildung 26). Hierzu wird bemerkt: „Sowohl die handwerklichen Betriebe als auch die Massenproduzenten benötigten qualifizierte, spezialisierte Arbeitskräfte und mussten, um zu überleben, ihre Güter in großen Mengen oft über beträchtliche Entfernungen hinweg verkaufen. … Es ist nicht überraschend, dass die wirklich großen römischen Keramikindustrien das eindrucksvollste Zeugnis komplexer und 214 hoch entwickelter Produktionsmethoden liefern.“ Insbesondere Töpfereibetriebe im südfranzösischen La Graufesenque markierten ihre Produkte, sonderten zweite Wahl-Qualitäten aus und konnten die Produkte von Nordafrika bis Britannien, von Spanien bis an den Rheinischen Limes verbreiten (was durch Funde gesichert ist). Die Betriebsführer konnten auch das Problem lösen, die Beschickung großer kommunaler Brennöfen durch mehrere Konkurrenten am Ort zu regeln.

Fundorte (Punkte) und Produktionsstätte (Raute) von Tafelgeschirr aus La Graufensenque (Quelle: Ward-Perkins, 2007)

214 Bryan Ward-Perkins, Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation, Darmstadt 2007, hier S. 106.

111

Abbildung 26

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Hinzu kommt die Versorgung eines großen Verwaltungs- und Militärapparats, der teilweise in großen Städten konzentriert ist. „Um dann den Verbraucher zu erreichen, benötigte man ein Netzwerk von Kaufleuten und Händlern sowie eine Transportinfrastruktur von Straßen, Wagen und Lasttieren oder manchmal auch Booten, Schiffen, Fluss- und Seehäfen. Wie all dies genau funktionierte werden wir nie erfahren, weil wir zu wenig schriftliche Aufzeichnungen aus der römischen Epoche besitzen, die dies doku215 mentierten …“ Wie planten, organisierten und arbeiteten die kaiserlichen Manufakturen, die um 400 n. Chr. in einer Liste erfasst sind, wenn sie in

Mantua Brustpanzer oder in Pavia Bogen produzierten?216 Offensichtlich geht viel von dem know-how dieser Epoche nach dem Untergang des Reiches verloren. Für größere Produktionseinrichtungen, die Abwicklung des Handels oder die Ausdehnung von Landgütern waren Geldgeschäfte erforderlich. Das gilt auch für die Staatsfinanzierung durch Private, die dadurch gegebenenfalls Vorteile erwarten konnten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Verbot von Spekulationen mit Geldgeschäften für Senatoren (Lex Claudia von 218 v. Chr.) oder des Eigentums an Schiffen, deren Größe über den Eigengebrauch bei der Bewirtschaftung des Gutes hinausging, relativ schnell der Vergessenheit anheimfiel. Um die Verbote zu umgehen, wurden stille Teilhaberschaften an Kapitalgesellschaften begründet, freigelassene Sklaven als Strohmänner eingesetzt usw. Das alles erforderte eine gewisse Sachkunde, die aber wohl wegen des Charakters dieser Aktivitäten kaum in Lehrbuch217 form übermittelt worden sein dürfte. Tugendprediger wie Cato oder weniger tugendsame Menschen wie Brutus betrieben den Geldverleih auch an Kommunen, wobei Zinssätze um 50% vereinbart und erzielt wurden (aller218

dings wird an dieser Stelle die Inflationsrate nicht genannt).

(6) Eine hervorragende Entwicklung betriebswirtschaftlichen Wissens erfolgte im arabischen Raum. Insbesondere nach dem Eindringen der Mauren in Spanien (711) konnte dies auch in Europa bekannt werden; vielleicht ist aber auch über oberitalienische Kaufleute Kenntnis der indischen Handelsbräuche und des Rechnungswesens nach Europa eingedrungen. Über „Das Buch des Hinweises auf die Schönheiten des Handels und die Kenntnis der guten und schlechten Waren und die Fälschungen der Betrüger an ihnen“ von Ali Ad Dimisqi aus dem 12. Jahrhundert berichtet Bellinger, dass es informiere über 215 Ebenda, S. 109. 216 Ebenda, S. 112. 217 Vgl. hierzu: Werner A. Krenkel, Varro: Menippeische Satiren. Wissenschaft und Technik, Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg, Hamburg 2000, 18. Jg., Heft 1, S. 27ff. 218 Moses J. Finley, The Ancient Economy, Berkeley et al. 1973, S. 55ff.

112

Überblick

„… theoretische Untersuchungen über die Entstehung des Geldes, die Kalkulation von Waren, die Einsicht, dass der Marktpreis aus Angebot und Nachfrage zustande kommt, (es, K.B.) erklärt die Faktoren, von denen die Preise abhängen, und gründet darauf preispolitische, absatzpolitische und 219 Die technische Überleallgemeine geschäftspolitische Empfehlungen.“ genheit der arabischen Kaufleute durch die Nutzung der „Null“ und die indischen Zahlzeichen, die literarisch – wie wir oben gesehen haben – verbreitete schlechte Meinung von Kaufleuten und andere Gründe mögen dazu beigetragen haben, dass ein vergleichbarer Wissensstand in Mitteleuropa nicht anzutreffen ist. Diese Situation begünstigt es auch, dass kaufmännisches Wissen möglichst geheim gehalten wird.

(7) Etwa ein Jahrhundert später lehrt Thomas von Aquin (1225-1274). Er äußert sich in mehreren Schriften auch zu wirtschaftlichen Fragestellungen. Besonders bekannt wird die „Summa Theologiae“, die 1267 bis 1273 erscheint.220 Aristotelisches Erbe und christliche Lehre werden in diesem Werk zusammengeführt. Vermutlich ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Entstehungszeit des Werkes Anlass dafür, dass sich der Autor intensiv mit Wirtschaftsfragen beschäftigt. Dazu gehören einmal das Problem der Preisbestimmung im Handel und zum anderen das der Begründung des Verbots von Zinsen. Tauschgerechtigkeit (iustitia communativa) und Verteilungsgerechtigkeit (iustitia distributiva) werden gleichzeitig erörtert.221 Tauschgerechtigkeit ist hergestellt, wenn der Wert der ausgetauschten Leistungen identisch ist, der Preis „gerecht“ (iustum pretium) ist. Um den Wert zu operationalisieren benötigt man einen Maßstab, der im „bezahlten Preis“ gefunden wird. Will man darin keinen Zirkelschluss entdecken, so muss man diesen als einen Marktpreis annehmen. Selbstverständlich sind Qualitätsmanipulationen oder der Austausch von Scheingütern unzulässig, es muss Sachgerechtigkeit im Austausch gelten. Als in diesem Sinne preisbeeinflussend sind die Beschaffungskosten bzw. die Kosten der Herstellung anzusehen, vor allem die standesgemäßen Lohnkosten, sowie die Erhaltung der gesellschaftlichen Stellung des Herstellers. Der Händler darf daher auch 219 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 20. Siehe auch: Montgomery Watt, Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, Berlin 2002, S. 33ff. 220 Ein schöner Nachdruck der 1496 in Nürnberg erschienenen Ausgabe ist 1991 in der Serie „Klassiker der Nationalökonomie“ erschienen. 221 Hier und im Folgenden: Arthur F. Utz, Die Ethik des Thomas von Aquin, in: Vademecum zu einem Klassiker der Wirtschaftsethik, Düsseldorf 1991, S. 23-31; Peter Koslowski, Ethische Ökonomie und theologische Deutung der Gesamtwirklichkeit in der ‚Summa Theologiae’ des Thomas von Aquin, ebenda, S. 43-59. Beide Verteilungsaspekte gehen auf Aristoteles zurück: Nikomachische Ethik, 8.A., Berlin 1983, S. 97ff.

113

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

angemessene Gewinne anstreben. Es gibt ein Recht auf Eigentum. Geld wird auch bei von Aquin in seiner Funktion als Tauschmittel wahrgenommen. Ein Darlehen kann deshalb auch nur nominal zurückgezahlt werden. Ein 222

Zins ist ungerechtfertigt:

„Zins für geliehenes Geld nehmen, ist an sich ungerecht, weil etwas verkauft wird, was nicht besteht. … Das Geld aber ist nach Aristoteles vor allem zur Bewirkung von Tauschhandlungen erfunden worden. Und so ist der eigentliche und tatsächliche Gebrauch des Geldes zugleich sein Verbrauch oder sein Ausgeben, soweit es zu Tauschgeschäften aufgewendet wird. Deshalb ist es an sich unerlaubt, für den Gebrauch geliehenen Geldes einen Preis, der Zins heißt, anzunehmen. Und wie der Mensch gehalten ist, anderes, was er gegen die Gerechtigkeit erworben hat, zurückzugeben, so ist er auch verpflichtet, das Geld, das er als Zins empfangen hat, wieder zu erstatten.“

Allerdings gibt es Ausnahmen, die ganz offensichtlich auch als Umgehungsmöglichkeiten des Verbots genutzt werden. Wenn der vereinbarte Rückzahlungszeitpunkt nicht eingehalten wird, so kann ein in der folgenden Zeit entstehender Schaden als Säumniszins verlangt werden. Das kann etwa dazu führen, dass zwischen Gläubiger und Schuldner eine schnelle Rückzahlung fest vereinbart wird, beide aber insgeheim darin übereinstimmen, dass dieser Termin nicht eingehalten wird, sondern ein viel späterer. Dann wird für die Restzeit ein Schadensausgleich fällig. Das geht nicht so weit, dass Opportunitätskosten der Geldverwendung beim Gläubiger generell als Grund für eine Zinsberechnung akzeptabel sind. Aber auch die Beteiligung am Risiko des Schuldners erlaubt es, eine Prämie dafür zu fordern. Die Kehrseite des Zinsverbotes ist, dass die relativ sichere Kapitalanlage fehlt. Das beschränkt die Vermögensbildung. Die Konzeption für die Wirtschaft „stellte eine imponierende wissenschaftliche Leistung dar, weil seine (Thomas von Aquins, K.B.) Erklärung des Wirtschaftsgeschehens in seinem philosophisch-theologischen System fest verankert war, sie es andererseits aber erlaubte, dieses neue System zu verselbständigen und aus ihm generelle Lösungen für spezielle Fragen … 223

abzuleiten.“

222 Thomas von Aquin, Summa theologiae, Bd. II, 2, 78, zitiert nach dem „Vademecum zu einem Klassiker der Wirtschaftsethik, Düsseldorf 1991, S. 15. 223 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 26.

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Überblick

Thomas von Aquin (Frontispiz der Ausgabe von 1496. Dies ist kein Portrait. Thomas von Aquin trägt bereits einen Heiligenschein, der Heilige Geist in Gestalt der Taube flüstert ihm ins Ohr, im Hintergrund ist eine große Anzahl von Büchern zu erkennen (Hinweis auf Gelehrsamkeit und eigene Autorenschaft) und die Schreibhand liegt auf einem Buch, davor Schreibgerät)

(8) Insbesondere der Fernhandel verlangt ein ausgebautes Geldwesen, Finanzierungsinstrumente, wie Wechsel und Risikoverteilungen sowie Versicherungen. In der Praxis entwickeln sich alle diese Instrumente. Ihre Dokumentation und Abrechnung erfordert parallel dazu die Weiterentwicklung des Rechnungswesens. Eine Dokumentation dieses Rechnungswesens mit der doppelten Buchhaltung als Kernelement und der Bilanz als Übersicht 224 der Gläubiger- und Schuldnerpositionen wird von Luca Pacioli (14451509) im Jahre 1494 als Teil eines mathematischen Unterrichtswerks vorge-

legt.225 Das Titelblatt berichtet ausführlich über das Programm des Werkes (Abbildung 28). 224 Vgl. dazu Abschnitt 5.2 (1). 225 Luca Pacioli, Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalita …, Venedig 1494.

115

6.1 Abbildung 27

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Pacioli (a) lässt das Rechnungswesen als mathematische und damit auch logisch aufgebaute Technik erkennen, (b) weist ausdrücklich auf seine Kontrollfunktion hin und (c) macht „Geheimwissen“ öffentlich, so dass es zur Verbesserung des Managements herangezogen werden kann.

Abbildung 28

Titelblatt des Werkes von Luca Pacioli

Es wird gesagt, Pacioli habe bereits eine Trennung von Privat- und Unternehmerhaushalt vorgenommen.226 Schaut man sich an, dass im Inventar aber auch Kleidung, Betten, Wäsche oder Tischgeschirr aufgeführt werden sollen, so kann dieser Meinung kaum gefolgt werden.

226 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 22.

116

Überblick

(9) Nur eine Generation oder 30 Jahre nach dem Erscheinen dieses berühmten Werkes wird in Wittenberg eines der Sendschreiben Martin Luthers (1483 – 1546) veröffentlicht, in dem er sich mit den gleichen Problemen be227 schäftigt, die auch schon Thomas von Aquin umgetrieben hatten. Ganz deutlich wird hierin angesprochen, dass ethische Gebote und Marktgesetze

unterschiedliche Sphären berühren:228

„Wyr wollen hier von misbrauch und sinden des kauffhandels reden / so viel es das gewissen betrifft / Wie es des beuttels schaden trifft / lassen wyr fursten und herrn fur sorgen / das sie yhr pflicht daran ausrichten.“

Zum Problem des „iustum pretium“ wird, unter Berufung auf das Gebot der Nächstenliebe, dieselbe Position vertreten wie bei Thomas von Aquin. Der zu vereinbarende Preis soll „recht und billich“ sein, was natürlich eine Präzisierung erfordern würde. Da dies generell nicht gelingt, ruft Luther nach einer Obrigkeit, die die Kalkulationen zu überprüfen hätte. Ihr wird geraten, sie solle die Kosten berücksichtigen sowie eine Bruttogewinnspanne („was dem kauffmann kund zukomen“), die ihm „seyne zymliche nahrung“ (das ist standesgemäßer Unterhalt) garantiert. Eine höhere Preisforderung würde Wucher bedeuten. Gleiches gilt für den Fall, dass durch spekulative Nutzung voraussehbarer Verknappungen, Monopole, Kartelle oder Betrügereien der Preis beeinflusst wird. In den Fragen des Zinsverbots ist die Auffassung Luthers eher enger als die von Thomas von Aquin. Sie bezieht sich auf das Alte Testament, vor allem 229

die Bücher Mose, und das Neue Testament, vor allem die Bergpredigt. mehreren Stellen seines Textes geht er darauf ein:

An

„Item wer also leyet (leiht, K.B.) / das ers besser odder mehr widder nemen will / das ist eyn offentlicher und verdampter wucher … Zum achtzehnten. Das ist / das wyr willig und gerne leyhen odder borgen sollen / an (ohne, K.B.) allen auffsatz und zinsen …. Zum zwenzigsten. Daraus folgt / das die allesampe wücherer sind / die 227 Martinus Luther, Von Kauffshandlung und Wucher, Wittemberg 1524 (Nachdruck Düsseldorf 1987). 228 In der faksimilierten Ausgabe der „Klassiker der Nationalökonomie“ ist dies auf dem 3. Blatt zu finden. Seitenzahlen fehlen. 229 Es wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass Calvin gerade aus der Bergpredigt die Erlaubnis zur Berechnung von Zinsen ableitet.

117

6.1

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

weyn / korn / gellt / und was das ist / yhrem nehisten (Nächsten, K.B.) also leyen / das sie ubers iar odder benannte zeyt dieselben zu zynssen verpflichten …“

Das Gebot der Nächstenliebe spricht gegen den Zins, vor allem wenn der Reiche ihn vom Armen fordert. Auch Naturrechtsinterpretationen, die den Zins als ungerecht erscheinen lassen oder den Darlehensvertrag als Eigentumsübertragung von Geld interpretieren, werden als Verbotsbegründungen herangezogen. Völlig ausgeschlossen ist der Zinseszins, der als Ausdruck sündigen Geizes behandelt wird. Luther verschließt nicht die Augen davor, dass nun Situationen auftreten oder bewusst herbeigeführt werden, in denen es zu Zinsen und ihrer Zahlung kommt. Das mag zwar wider die Gebote „hessig und feyndselig“ sein, vor allem wenn von Zinswucherern und reichen Kaufleuten durchgesetzt.

Abbildung 29

Dr. Martin Luther (Briefmarke von 1996)

Die Realitätssicht lässt Luther erkennen, dass das Zinsverbot eine Vielzahl von Umgehungstatbeständen geradezu herausfordert. Die Geldwirtschaft verdrängt die Tauschwirtschaft, es werden mehr Anlagemöglichkeiten sichtbar, das Geld wird als produktives Investivkapital wahrnehmbar. So treten auf: Der Rentenkauf (bei dem beispielsweise eine Immobilie gegen Zahlung einer Rente abgegeben wird), das Darlehen in der Form des Gesellschaftsvertrages, der Ämterkauf (bei dem sich mehrere zusammentun, um einer dritten Person ein lukratives Kirchenamt zu kaufen, wogegen diese Person die Rückzahlung mit einem Gewinnanteil verspricht), die Ermöglichung gewinnbringender Geschäfte, die Kompensation von Schäden bei verspäteter Rückzahlung (wozu die Parteien einverständig einen Vertrag abschließen, der die Darlehenstilgung in kurzer Frist vorsieht, aber beide wissen, dass dies nicht einhaltbar ist, so dass bei Fristüberschreitung der 118

Überblick

Schaden festgestellt werden kann). Nach weltlichen Maßstäben mag dies alles hingenommen werden („…zinskauff … als ein ziemlicher kauff und gelassener handel …“), aber nicht nach ethischen („… so ist er doch hessig und feyndselig…“). In diesem Sinne mögen auch Opportunitätsgewinne, Risiken oder die Ermöglichung eines Handelsgeschäfts nach weltlichen Maßstäben gebilligt sein. Allerdings ist auch dann zu beachten, dass die Grenze zum Wucher spätestens bei einem über 6 % hinausgehenden Zins230

satz überschritten ist:

„Zum anderen mal geschichet er / das keuffer und verkeuffer beyder teyl des yhrigen bedürffen / Derhalben noch leyen noch geben vermügen / sondern sich mit des kauffswechsels behelfen mussen / Wenn nu das geschicht an ubertrettung des geystlichen gesetzes / das man auffs hundet 4. 5. 6. gulden gibt / lest sichs tragen / Doch soll allzeyt Gottis forscht sorgfeltig seyn …“

Wer mehr nimmt, ist den Räubern und Wucherern zuzurechnen, insbesondere, wenn solche Forderungen von Kirchendienern erhoben werden.

6.1.2

Aufklärung

Im selben Jahrhundert noch wird die Position gegenüber dem Zinsverbot durch die Rückbesinnung auf römisches Recht oder andere Bibelinterpretation weiter erheblich aufgeweicht. Eine Reichspolizeiverordnung von 1530 setzt 5% als Obergrenze für den Zins, spätestens 1638 argumentiert Claudius Salmasius (Claude de Saumaise, 1588 - 1653) für die Zulässigkeit des Zin231 ses. Unter Berücksichtigung späterer Argumentationen werden in der Folgezeit auch generelle Gesetze zur Begrenzung der Zinsen aufgehoben.

Zu erinnern ist auch an Francis Bacon als einem Vertreter einer Zeit, die man das Zeitalter der Aufklärung nennt. Über einige seiner Ideen und methodischen Fortschritte wurde bereits im Abschnitt 2.4 berichtet. Rationalität überwindet schrittweise naturrechtlich erscheinende oder theologische Begründungen. Natürlich erfordert dies Auseinandersetzungen. Diese befas-

230 Martinus Luther, Von Kauffshandlung und Wucher, Wittemberg 1524 (Nachdruck Düsseldorf 1987). 231 Claudius Salmasius, De usuris, Leiden 1638.

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6.1

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

sen sich auch wieder mit der Begründung von Zinsen und - darüber hinaus von Zinseszinsen. (1) Das Verbot von Zinseszinsen ist noch nicht aufgehoben. In dieser Frage erreicht Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) einen Durchbruch. Dazu muss er sich schrittweise durchringen. In verschiedenen Versionen seiner Manuskripte „De interusurio“ („Über den zwischenzeitlichen Zins“, 1680 232 1683) wird noch die herkömmliche Position vertreten :

„Aber ist vielleicht der zwischenzeitliche Zins nicht nach einfachen Zinsen, sondern nach dem Zinseszins („anatocismum computandum“) zu berechnen? Ich denke, dass eine Berechnung nach dem Zinseszins nicht gebilligt werden kann. Nach dem Gesetz nämlich ist der Zinseszins, und zwar mit Gründen, verboten; und die Angelegenheiten der meisten Menschen an den meisten Orten verhalten sich nicht so, dass sie aus den Zinsen des ersten Jahres wieder andere Zinsen nach demselben Verhältnis erwerben können, und daher ist die auf dem Prinzip des Zinseszinses beruhende Berechnung weder im Sinne des Gesetzgebers noch der Sache selbst.“

Abbildung 30

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716)

232 Gottfried Wilhelm Leibniz, Über den zwischenzeitlichen Zins, 1. Version, in: Eberhard Knobloch/J.-Matthias Graf von der Schulenburg, Hrsg., Handschriften zur Versicherungs- und Finanzmathematik, Berlin 2000, S. 60-71, hier S. 69.

120

Überblick

In einer fast zeitgleich entstandenen Arbeit („Juristisch-mathematische Betrachtung darüber, wie viel mehr jemand fordert, wie man annimmt, der vorzeitig fordert, oder über die Kürzung bei vorzeitigem Empfang, umgangssprachlich Rabatt“) kommt Leibniz zu einer anderen Lösung. Er konstruiert den Fall einer nach zehn Jahren fälligen bestimmten Schuld, die in beiderlei Einverständnis vorzeitig getilgt werden soll. So ergibt sich die Frage, in welcher Höhe der Tilgungsbetrag angesetzt werden soll, wenn grundsätzlich von einem einheitlichen Soll- und Habenzins von 5% (vollständiger Kapitalmarkt) auszugehen ist. Die komplizierte Erörterung der auf Seiten von Schuldner und Gläubiger jeweils veranlassten Zahlungen und ihrer Anlagemöglichkeiten bis zum ursprünglichen Horizont des Geschäfts mündet in der Erkenntnis, dass Zinseszinsen zu verrechnen sind. Drei methodische Elemente kommen Leibniz zur Hilfe, um die kompliziert erscheinenden Rechnungen abzukürzen und ihnen die notwendige, nachprüfbare Sicherheit zu geben: (a) Das Rechnen mit Logarithmen, (b) die Einführung einer allgemeinen Symbolik, (c) seine Entdeckung der Formeln für unendliche und endliche geometrische 233

Reihen. Ohne Beweis gibt er an:

„Sei also z die Anzahl der Jahre, a der Geldbetrag, welcher nach diesen Jahren geschuldet wird, und die Höhe des Zinses werde durch den Buchstaben v ausgedrückt, dergestalt, dass, gesetzt, die erlaubten Zinsen betrügen ein zwanzigstel Münze oder fünf auf hundert, der Buchstabe v dann 20 bedeutet. Dies vorausgesetzt wird nach Abzug der Kürzung vom Geldbetrag a wegen des um z Jahre vorgezogenen Erhalts der Summe, die dem vorzeitig Empfangenden geschuldet wird, a(v/(v+1))z übrigbleiben. …. Damit aber umständliche Multiplikationen vermieden werden, werden die Logarithmen dienlich sein …“ Diese Position wird dann in drei weiteren Versionen der Ausarbeitung und in weiteren Manuskripten zum zwischenzeitlichen Zins beibehalten. Ein wesentlicher Durchbruch ist erfolgt. Die Barwertformel ist gefunden: Wer in 10 Jahren 100 Geldeinheiten zu erwarten hat, kann bei Sicherheit und 5% Zins heute auf einen Wert von 61,39 blicken. Die Investitionsrechnungen können auf eine neue Grundlage gestellt werden. Um so erstaunlicher ist, dass statische Verfahren der Investitionsrechung, wie der Kostenvergleich oder die Bestimmung der Rückflussdauer, bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein nicht nur in der Praxis dominierten, sondern auch in großen Teilen des Schrifttums. 233 Gottfried Wilhelm Leibniz, Juristisch-mathematische Betrachtung, 1. Version, in: Eberhard Knobloch/J.-Matthias Graf von der Schulenburg, Hrsg., Handschriften zur Versicherungs- und Finanzmathematik, Berlin 2000, S. 106-113, hier S. 112f.

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6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

An dieser Stelle darf auch ein Eindruck davon nicht fehlen, wie schwer es ist, aus den handschriftlichen Ausführungen von Leibniz (und Ähnliches gilt für viele andere Wissenschaftler) einen lesbaren Text zu erstellen, die zeitliche Reihenfolge der Bemerkungen und Ergänzungen zu erfassen und schließlich eine Übersetzung zu liefern, die das Gemeinte wiedergibt. Deshalb wird hier eine Manuskriptseite von Leibniz gezeigt (Abbildung 31). (2) Dieser Nachweis der Notwendigkeit des Zinseszinses fällt fast in die Mitte einer Periode, die durch das Erscheinen von breit angelegten Lehrbüchern gekennzeichnet ist. Sie breiten das Wissen für den Kaufmann aus, eingebettet in merkantilistische Auffassungen von der Wirtschaft. Damit tritt das betriebswirtschaftliche Wissen zugleich an die Öffentlichkeit, also aus dem Schatten des Geheimwissens hervor. Das ist im Zeitalter der Aufklärung (age of enlightenment, l’âge de la lumière) auch nicht anders zu erwarten. Häufig werden fünf Werke hervorgehoben, die diese Aufklärung in besonders eindrucksvoller Weise erreichen:

 Giovanni Domenico Peri (1584 – 1639), Il Negotiante, geschrieben 1636, erschienen 1658

 Jacques Savary (1622 - 1690), Le parfait négotiant …, Paris 1675  P(aul) J(acob) Marperger (1656 – 1730), Nothwendig und nützliche Fragen über die Kauffmannschafft …, Leipzig/Flensburg 1714

 Carl G. Ludovici (1707 – 1778), Grundriß eines vollständigen Kaufmanns

Systems, Leipzig 1756 Johann Michael Leuchs (1763 – 1836), System des Handels, Nürnberg 1804.

Die genannten Werke sind mehrfach aufgelegt worden. Die Autoren sind daneben mit weiteren Werken, auch lexikalischer Art, hervorgetreten. Die in diesen Werken behandelte „Handlung“ ist die Fortführung der Hauswirtschaft, allerdings mit anderer Schwerpunktsetzung. Um den Charakter der Arbeiten zu kennzeichnen, ist es ausreichend, zwei herauszugreifen.

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Überblick

Leibniz’ Manuskript zu Meditatio juridico-mathematica quanto plus petere intelligatur qui plus tempore petit seu de resegmento anticipationis, vulgo Rabat (Quelle: Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover LH 5,1, Bl. 9r))

(3) Jacques Savary ist bis 1658 als Kaufmann tätig, wird dann Partner im Kupferhandel und schließlich Leiter staatlicher Einrichtungen. Auf diesen reichen Erfahrungsschatz greift er zurück. Auch hier steht also kein theoretisches System als Grundlage zur Verfügung. Er betrachtet ein gutes Rechtssystem als nützlich für die Wirtschaft und nimmt Einfluss auf das unter

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6.1 Abbildung 31

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Jean-Baptiste Colbert (1619 – 1683)234 entstehende französische Handelsgesetzbuch. Colbert ist die Schrift „Le parfait négotiant“ auch gewidmet (Abbildung 32). Sie ist in zwei Bücher mit mehreren Kapiteln gegliedert.235 Handel ist notwendig und nützlich, so wird im ersten Buch ausgeführt, vor allem wegen seiner Arbitragefunktion. Er wird durch Unternehmenszusammenbrüche gestört, die auf Unkenntnis, Unvorsichtigkeit und Ehrgeiz zurückzuführen sind. Beachtung der Rechtslage, der im Buch gegebenen Empfehlungen und hoher ethischer Normen könnten dem gemeinsam entgegenwirken. Die Darstellung gibt an eine Person, den Leser, Ratschläge zur Berufswahl und zur Entwicklung im Kaufmannsberuf. Dabei wird eine Vielzahl von Details behandelt, wie Währungsumrechungen und Qualitätsbeurteilung von Waren. Wer die Ratschläge befolgt, kann ehrlich und relativ sicher Wohlstand erwerben, so dass sich damit auch der Kaufmannsberuf dem Adel erschließe. Der Zahlungsverkehr schließt den Wechsel, den Wechselprotest und das Clearing ein. Dafür werden sogar Mustervordrucke angeboten. Das Rechnungswesen umfasst Inventar, Kassenbuch, Journal sowie Bewertungsregeln und Regeln zur korrekten Buchführung. Im zweiten Buch folgen eine Darstellung verschiedener Rechtsformen und Verhaltensregeln für Partner in Gesellschaften. Durch die Trennung von Privat- und Geschäftsvermögen im Rechnungswesen wird unter anderem auch dem Streit zwischen Partnern vorgebeugt. Eine Bilanz zur Gewinnermittlung findet sich ebenso wie eine Insolvenzbilanz. Verschiedene Arten des Handels und der Manufaktur werden erläutert. Kaufleute sollten beachten, dass Import, Imitation und Innovation in der Güterproduktion unterschiedlichen Erfolgsregeln folgen. Der Handel mit anderen Ländern, das Engagement der Bürger dort für den Handel, der sogenannte Dreieckshan236 del zwischen Europa, Afrika und Amerika werden geschildert. Letzteres verwundert wegen der Akzeptanz eines regelgebundenen Sklavenhandels, wo doch vorher hohe ethische und moralische Standards formuliert wurden. Versicherung, Spedition und Maklerei werden als Handelshilfsfunktionen dargestellt.

234 Unter Ludwig XIV. ist er Finanzminister und oberster Bauinspektor. 235 Im Folgenden wird der „neuen Auflage“ gefolgt: Jacques Savary, Le parfait négotiant ou instruction générale pour ce qui regarde le commerce des marchandises de France, & des Pays Etrangers, Paris 1757 (Herausgegeben von Jacques Savary des Bruslons). 236 Dieser Typ des Handels mit Tuch oder anderen Waren von Europa nach Afrika, von dort mit Sklaven nach Amerika und zurück mit Zucker nach Europa machte besonders Heinrich Carl (Graf) Schimmelmann, zeitweise Schatzmeister des dänischen Königs, wohlhabend.

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Überblick

Titelblatt und erste Seite der Widmung der neuen Auflage des „Parfait Négotiant“ von 1757

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6.1 Abbildung 32

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Zur Illustration seien nur zwei Stellen ausgewählt. Das ältere Französisch ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber doch heute noch ebenso gut verständlich, wie etwa das Deutsch Luthers. Langfristorientierung des Handelns und 237

Kundenbindung sind für Savary wichtig:

„Ce n’est pas assez à un Marchand d’avoir de la marchandise dans une boutique, il faut ou que cette boutique soit achalandée de longue main, par une grande réputation que lui ont acquise ceux qui l’ont occupée pour y avoir toujours de belle & bonne marchandise, & a bon marché, ou bien que ceux qui la veulent occuper ayent acquis beaucoup d’habitudes depuis longtems, sans quoi un Marchand ne peut rien faire …”

Zur Präsentation unternehmerischer Erfolgsfaktoren einer Manufaktur rät Savary, sich zunächst über den Charakter des Unternehmens klar zu wer238

den:

„C’est une chose bien importante que d’entreprendre des Manufactures; car il n’y va pas moins que de la ruine des Entrepreneurs, si elle n’est conduite avec prudence & jugement, & si l’on ne prend pas toutes les précautions nécessaires. C’est pourquoi les Négocians qui voudroient établir des Manufactures, doivent bien prendre garde à ce qu’ils feront auparavant que s’y engager. Il y a trois choses à observer avant que d’entreprendre une Manufacture. La premiere, si c’est une Manufacture étrangere que l’on veut imiter. La seconde, si c’est une Manufacture nouvelle de quelque sorte de marchandise que l’on veut inventer. La troisiéme, si c’est une Manufacture déja établie, de laquelle les marchandises ont un cours ordinaire tant dans le Royaume que dans les Pays Etrangers …”

An diese Klassifikation von Situationen, der Innovation, der Imitation (die offenbar als „schneller Zweiter“ gedacht ist) und des Eintritts in einen eher 237 Jacques Savary, Le parfait négotiant ou instruction générale pour ce qui regarde le commerce des marchandises de France, & des Pays Etrangers, Paris 1757, 1. Buch, S. 132. 238 Ebenda, 2. Buch, S. 78f.

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polypolistischen Konkurrenzmarkt schließen sich differenzierte Empfehlungen an. Das mutet recht modern an, wenn natürlich auch nicht mit breiter empirischer Forschungsbasis argumentiert wird, wie dies heute üblich ist. (4) Versuchen wir nun, einen Eindruck von einem zweiten umfassenden Werk zu vermitteln. Carl Günther Ludovici bezeichnet sich als ordentlichen Professor der Vernunftlehre auf der hohen Schule zu Leipzig, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Gesellschaft der „Oeconomick“, der freyen Künste und der Deutschen Sprache zu Leipzig. Interessant ist hier schon der Hinweis auf eine Gesellschaft der Ökonomik. Offenbar beginnt also die Disziplin mit ihrer Institutionalisierung. Schon in der Vorrede weist der Verfasser darauf hin, dass „zwischen denen Regeln, wie man die Handlung eines ganzen Landes, und denen Lehren, wie man eine Privathandlung, zur Erreichung des vorgesetzten Zweckes regie239 ren soll“ ein Unterschied zu machen ist. Letzteres muss deshalb systematisch dargestellt und gelehrt werden. Das unternimmt der Autor auf 622 Seiten (in der hier herangezogenen Ausgabe) mit großem Detailreichtum und geschichtlichem Verständnis auf der Grundlage einer vorangestellten Systematik. Sie kann gut in der Form eines Organigramms (Abbildung 33) präsentiert werden. Die Paragraphen beziehen sich dabei auf Ludovicis Buch. Das Organigramm vermittelt den Gesamtüberblick über das Kaufmannssystem sowie die einzelnen kaufmännischen Hilfswissenschaften. Die Breite des für nützlich erachteten Wissens ist dabei besonders eindrucksvoll. Es wird damit das Ideal eines allseits gebildeten Kaufmanns vermittelt. Dabei fehlt gelegentlich nicht der Hinweis, dass man auch dann erfolgreich sein kann, wenn man weiß, wann der jeweils Fachkundige, zum Beispiel der Jurist, beratend heranzuziehen ist oder im Auftrage des Kaufmanns handeln sollte. Über die Angaben im Organigramm hinaus empfiehlt Ludovici Reisen, das Erlernen von Fremdsprachen, regelmäßige Zeitungslektüre und Geschichtskenntnisse.

Die Darstellung der kaufmännischen Hauptwissenschaften gliedert diese in drei Teile. Es sind die „Waarenkunde“, die Handlungswissenschaft und die Buchhaltung (§§ 3, 4 und 5). Dazu gibt es jeweils erläuternde Angaben. Mehrere Kapitel (§ 26 ff.) sind den unterschiedlichen Preisen und Werten gewidmet, wobei Preise für Sachen, Werte auf Arbeiten bezogen sein sollen. Das wird nicht streng durchgehalten. „Nutzbarkeit“ und „Seltenheit“ werden gemeinsam als preisbestimmend dargestellt. Nutzen kann dabei konsumtiv oder investiv sein, letzteres im Sinne von fruchtbringend.

239 Carl Günther Ludovici, Grundriß eines vollständigen Kaufmanns-Systems, nebst den Anfangsgründen der Handlungswissenschaft, und angehängter kurzer Geschichte der Handlung von Europa, auch bis in die anderen Welttheile, 2.A., Leipzig 1768, o.S.

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6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Die Hilfswissenschaften geben Orientierung für den Unternehmer. Die nötigen „Beywissenschaften“ zählen auf, was man als Kaufmann wissen muss. Kaufmännisches Rechnen und Grundlagen des Rechts stellen bis heute Teile eines in die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre einführenden Lehrplans dar. Geografie und Korrespondenzkünste werden allerdings nicht mehr in diese Lehrpläne aufgenommen. Das muss nicht nachteilig sein, wenn man davon ausgehen darf, dass entsprechende Fähigkeiten in der Moderne durch einen vorbereitenden Schulunterricht vermittelt werden. Die geforderten oder erwünschten Kenntnisse können nicht wirksam werden, wenn der Kaufmann nicht durch „fleißiges Nachsinnen“ und „gutes 240

Speculieren“ seine eigenen Schlüsse zieht und entscheidet:

„… da ein Kaufmann bey seinen Handelsgeschäfften und sich ereignenden Fällen (zum Exempel ob dieser oder jener Wechselcours, der Preis dieser oder jener Waare, muthmaßlich steigen oder fallen werde) die Gründe für und dagegen wohl erwäget, und sodann seine Entschließung … nimmt.“

Einen besonderen Hinweis verdient die Erwähnung einer Wahrscheinlichkeitslehre als Hilfswissenschaft des Kaufmanns. Dem Kaufmann können „… gar viele Fälle in Ansehung des Gewinnst oder Verlusts vorkommen, die er alle nach den Graden der Wahrscheinlichkeit beurtheilen muß, und wozu ihm die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung vortreffliche Dienste thun 241 werden.“ Diese Regeln sind schon für viele Fälle ausgearbeitet. Eine frequentistische Sicht beispielsweise wird von Jacob Bernoulli (1655 - 1705)

veröffentlicht242 und Daniel Bernoulli (1700 - 1782) zeigt auf, wie der Nutzen eines Spiels in Abhängigkeit von der Vermögensposition des Spielers vari243

iert (Bernoulli-Nutzenfunktion). Es ist zu vermuten, dass solche und andere relativ „neue“ Literatur auch Ludovici bekannt war. Dass er auch Kaufleuten diese neuen Erkenntnisse als nützlich für ihre Tätigkeiten empfiehlt, ist sehr beachtlich und weitsichtig. Etwa 25 Jahre später 240 Ebenda, S. 21 (§ 22). 241 Ebenda, S. 18f. (§ 20). 242 Jakob Bernoulli, Ars Conjectandi, Basel 1713 (deutsche Übersetzung von Robert Hausner, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 3. und 4. Teil, Leipzig 1899). 243 Daniel Bernoulli, Specimen theoriae novae de mensura sortis, Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae, Bd. 5, 1738, S. 175-192 (deutsche Übersetzung von A. Pringsheim, Versuch einer neuen Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen, Berlin 1896).

128

Überblick

wird daraus ein Hauptkapitel in einer der Gesamtdarstellungen.244 Es dauert immerhin weitere 150 Jahre, bis die Behandlung der Unsicherheit in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur deutlich erkennbar behandelt 245

wird. Weitere 50 Jahre dauert es dann, bis die Entscheidungen unter Unsicherheit generell in die Lehrpläne der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Einzug halten.

244 Johann Michael Leuchs, Allgemeine Darstellung der Handlungswissenschaft, Nürnberg 1791 (Nachdruck Vaduz 1979), S. 63ff. 245 Frank H. Knight, Risk, Uncertainty and Profit, New York 1965 (1. Auflage 1921). Das Vorwort zur 1. Auflage beginnt mit den Worten: „There is little that is fundamentally new in this book. It represents an attempt to state the essential principles of the conventional economic doctrine more accurately, and to show their implications more clearly, than has previously been done.” Wie die Aufnahme des Buches zeigt, ist dies ein großes “understatement”.

129

6.1

6 Abbildung 33

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Das Kaufmannssystem nach Ludovici

130

Überblick

6.1.3

Vorschlag für eine Universitätsdisziplin

Es ist nicht erstaunlich, dass Ludovici sich für eine Lehre der „Kauffmannschaft“ auf Akademien und in Universitäten einsetzt. Da er sich dabei als dem angeblich246 ersten Befürworter auf Paul Jacob Marperger bezieht, wollen wir von dessen Plädoyer ausgehen. Ein solches Plädoyer ist 1715 in sehr ausführlicher Weise gehalten worden.247 Auf 23 Seiten (!!) wird auf die Frage 13 geantwortet, die lautet: „Ob es nicht rathsam wäre / auff Universitäten öffentliche Professores Mercaturae zu verordnen / welche die Kauffmannschafft und alles / was in dieselbe hinein laufft / oder von solcher dependiret / dociren müssen.“ Die randständige Behandlung ökonomischer Fragen in Philosophischen oder Juristischen Fakultäten reicht für Marperger ebenso wenig aus wie gelegentliche Dissertationen dazu. Außer einer sehr umfangreichen Liste untersuchungswürdiger Fragen oder Puzzles setzt er sich mit 12 Begründungen und drei Einwänden auseinander. Die Argumente sind: „1. Die Kaufmannschaft hat hohe Bedeutung für das Wohlergehen eines Gemeinwesens und sollte deshalb durch Universitätslehre unterstützt werden. 2. Kaufmannswissen kann nach methodischen, institutionellen oder personenbezogenen Aspekten gegliedert werden und ist damit systematischer Lehre zugänglich. 3. Insbesondere für den Nachwuchs der Kaufleute ist die Vermittlung der Kenntnisse „von höchster Nothwendigkeit“. 4. Auch Studierende der Theologie, Jurisprudenz und Medizin würden von der Aufnahme kaufmännischer Kenntnisse während ihres Studiums einen Nutzen haben. 246 Es wird daneben auf Francis Bacon und Christian Thomasius (1655-1728) verwiesen: Dieter Schneider, Die ersten Handelshochschulen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 39-59, hier S. 42. 247 P(aul) J(acob) Marperger, Erste Fortsetzung Seiner so nothwendig als Nützlichen Fragen Über die Kauffmannschafft…in Ein und Zwanzig Fragen, Leipzig/Flensburg 1715 (Nachdruck Köln 1997). Derselbe, Trifolium Mercantile Aureum, oder Dreyfaches Güldenes Klee-Blatt der werthen Kauffmannschaft, Dreßden/Leipzig 1723, nimmt das hier behandelte Thema auf den Seiten 1 – 34 auf: Vorschlag zur Eröffnung einer Kaufmanns-Akademie. Dabei scheint aber eher an eine kaufmännische Berufsschule gedacht zu sein. Auch die sogenannten Kameralhochschulen und Kameralfakultäten, die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts entstehen, werden nur wenig weiterreichende Lehrinhalte vertreten haben, was schon angesichts der Berufungsprobleme fähiger Lehrer naheliegt: Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 112.

131

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

5. Wie in der „Chirurgia“ können Professoren ihren Nachwuchs auch „in der edlen Mercantie“ heranbilden. 6. Es bestehen starke Verbindungen zu Natur- und Völkerrecht, Geschichte, Geografie und Philosophie, die in Universitäten gelehrt werden. 7. „Fehler und Gebrechen“ kaufmännischen Handels resultieren aus einem Vorgehen nach „Gutdüncken des irrigen Wahns und übel eingeführter Gewohnheit“. Dem kann durch Vermittlung von „Vernunfft-mäßigen Reguln“ entgegen gewirkt werden. 8. Die Entwicklung eines „Kauffmanns-Rechts“ würde gefördert. 9. Die Aufnahme der Lehrtätigkeit würde zusätzliche Studierende anziehen. Dabei wäre es kein Schade, wenn in Deutsch unterrichtet würde, so dass die Studierenden nicht Latein zu können brauchen. In Deutsch werde auch jetzt im einem oder anderen Fach teilweise unterrichtet.

Abbildung 34-a

Titel eines Hauptwerkes von Marperger, 1714

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Überblick

6.1 Abbildung 34-b

Frontispiz desselben Werkes von Marperger

10. Die Wertschätzung der Kaufmannschaft würde steigen, so „dass solche von unverständigen oder hochmüthigen Politicis (sonderlich von denen / die das Wort Pfeffer-Sack immer im Munde führen) nicht mehr so verächtlich als wie bishero geschehen / gehalten würde …“ In England wendeten sich sogar die Söhne adliger Häuser der Kaufmannschaft zu, zumal in Friedenzeiten nichts im Kriegshandwerk verdient werde und zu Hause auf dem Gut zu sitzen zu wenig produktiv sei. 11. Die Mitgift reicher Kaufmannstöchter bei Eheschließung mit Adligen und Gelehrten entziehe den Unternehmen das Kapital. Dem solle entgegen getreten werden. In Universitäten ausgebildete Kaufleute stellen offenbar eine wenigstens gleich gute „Partie“ dar. 12. Die Lehre ist mit vielen anderen Wissenschaften eng verbunden. Nicht zuletzt Deshalb haben die zu berufenden Professoren hohe Wissensanforderungen zu erfüllen.“ Das ist eine den Zeitgeist eindrucksvoll spiegelnde Liste. Die Auseinandersetzung geht weiter mit der Zurückweisung von drei Gegenargumenten:

133

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

1. Die Kaufmannschaft sei etwas „Gemeines“, es kämen Missbräuche vor und sie werde verächtlich gemacht, besonders von Vertretern anderer Fakultäten. Dort kommen ebenfalls Missbräuche vor, die der Art nach benannt werden. 2. Die Existenz von Schreib-, Rechen- und Buchhalterschulen reiche aus. Weiter gehende „Information“ sei nicht erforderlich, und Praxisbezug in der Universitätslehre könne schädlich sein. Dem wird mit Hinweis auf neue Bedürfnisse widersprochen. 3. Es sei nicht klar, wer die Professoren zu besolden habe. Hier wird dann auf das Budget für die Universität ebenso verwiesen wie auf die Möglichkeit, weniger wichtige Professoren zugunsten der geforderten einzusparen. Mit Blick auf die Argumente für die Wissenschaftlichkeit der Betriebswirtschaftslehre ist es interessant, dass hier auf Methoden, ihre Institutionalisierung zur Rationalitätssicherung und wichtige ungelöste Fragen hingewiesen wird. Dass es nun fast 200 Jahre dauert, bis der Forderung nach betriebswirtschaftlichen Universitätsstudien entsprochen wird, zeigt, wie wenig die Argumentation Gehör findet. Marpergers Vorschlag wird unterstützt von Ludovici, der eine „Kaufmannsakademie“ fordert. Er weist zugleich darauf hin, dass ähnliche Einrichtungen in Portugal 1759, in Hamburg 1767, in Hanau 1764 errichtet worden seien. Die Handelsstadt Leipzig sei übrigens der perfekt für ein solches Vorhaben geeignete Ort. Alternativ kämen Universitäten als Institutionen der Lehre in Betracht („oder wenigstens könnte auf Universitäten … die Verfügung getroffen werden, dass ein besonders 248 bestellter Lehrer die Kaufmannschaft … lehren müsste“). Schließlich könnten auch Preisaufgaben dazu dienen, die Theorie der Handlung weiter zu entwickeln. In England seien damit gute Erfahrungen gemacht worden. Als Beispiel wird die Preisaufgabe von 1755 angeführt, wonach die Frage zu beantworten sei: „Auf was für Weise die Handlung und die bürgerliche

Freyheit sich unterstützen und gegenseitig beystehen?“249 Das ist nun eine Frage, die in der Form der Interdependenz von Staatsverfassung und Wirtschaftsordnung zweihundert Jahre später nicht allein im Ordoliberalismus immer noch von aktuellem Interesse ist.

248 Carl Günther Ludovici, Grundriß eines vollständigen Kaufmanns-Systems …,Leipzig 1768, S. 24f. 249 Ebenda, S. 26f.

134

Überblick

6.1.4

Auf dem Weg zu mikroökonomischen Theorien

Das Fehlen universitärer betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre erklärt, dass in der Folgezeit wesentliche Beiträge zum betriebswirtschaftlichen Verständnis aus der Volkswirtschaftslehre stammen. Zunächst war dies die Kameralistik. Allerdings stellt Dieter Schneider fest, dass von den dieses Fach vertretenden Professoren sich „keiner mit Einzelproblemen der Unternehmensführung“ beschäftigt habe, vielmehr Gesamtdarstellungen, 250 Geschichte und Methode bevorzugt wurden. Hier wird darauf nicht eingegangen. Auf zwei Gebieten werden Fortschritte erzielt: der land- und forstwirtschaftlichen Betriebslehre und der mikroökonomischen Theorie.

(1) Die Forstwirtschaft muss sich notwendigerweise mit langfristigen Entwicklungen beschäftigen. Die Veränderung des Vermögens durch Veränderung der Holzmasse muss abgeschätzt, der optimale Zeitpunkt für das Fällen von Bäumen bestimmt und die Risken für die Einkommensentwicklung fassbar gemacht werden. Dazu werden Berechnungsgrundlagen erarbeitet, 251 die Dieter Schneider zusammenfassend schildert. In die Mitte des 19. Jahrhunderts fällt auch eine Formulierung des Wirtschaftlichkeitsprinzips: „Aller Fortschritt, alle Vervollkommnung im geschäftlichen Leben strebt einzig darauf hin, mit einer bestimmten Menge von Löhnen und CapitalNutzungen entweder einen höheren Ertrag zu erzielen, oder aber den gleichen, wo nicht einen größeren Ertrag bei einem geringeren Aufwand an

Kräften zu erhalten.“252 Im letzten Teil klingt die heute noch vielfach anzutreffende doppelte Extremwertbetrachtung noch an. Die zwei Versionen des Wirtschaftlichkeitsprinzips werden aber schon erkennbar. (2) Zeitlich an die bisherige Darstellung anschließend sei zunächst auf JeanBaptiste Say (1767 – 1832) hingewiesen. Seine Kritik an den wirtschaftlichen Folgen der napoleonischen Kriege mag dazu beigetragen haben, dass sein Hauptwerk zu Zeiten von Napoleons Regierung nicht erscheinen durfte. Die Schaffung und Verteilung des Volksvermögens in einer industrialisierten

250 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 154, auch S. 169ff. 251 Ebenda, S. 171ff. 252 Jean Gustave Courcelle-Seneuil, Theorie und Praxis des Geschäftsbetriebs in Ackerbau, Gewerbe und Handel, Stuttgart 1868, S. 20 (Übersetzung von: Traité théorique et pratique des entreprises industrielles, commerciales & agricoles ou manuel des affaires, 2.A., Paris 1857).

135

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Nation ist sein Hauptthema.253 Zunächst wird verdeutlicht, dass perfekte Industrie auf Theorie, Anwendung und Ausführung gründet. Die Verfügung über „les lumières directement utiles à l’industrie” dürfen, um wirk254

sam zu werden, nicht durch Unwissenheit und Vorurteile gestört werden. Solche Innovationswiderstände werden uns später nochmals vor Augen treten. Das hohe Vertrauen in die mittlerweile erreichten Fähigkeiten zum Management von Industriebetrieben kommt darin zum Ausdruck, dass Say diese als weniger risikoreich einstuft als den Handel (der trotz der Experimente der Bauern in der Agrarwirtschaft risikoreicher sei). Das setzt natürlich eine gewisse unternehmerische Klugheit voraus, worauf schon Ludovici hingewiesen hatte. Als risikomindernde Eigenschaften industrieller Unternehmertätigkeit werden angesehen:

255

„Dans l’industrie manufacturière, les expériences sont moint hasardeuses. 1. Elle reposent sur des calculs plus sûrs. 2. On peut les tenter sur des quantités plus petites et par conséquent s’exposer à une moindre perte. 3. On peut ordinairement les répéter plusieurs fois dans le cours d’une année; elles occupent moins long-tems les capitaux. 4. Enfin quand elle réussissent, on jouit plus long-tems exclusivement de leurs succès; le secret des procédés est moins exposé aux regards, et chez quelques nations leur emploi exclusif est garanti par un brevet d’invention.”

Die Sorge um eine ausreichende Sicherheit des Unternehmens regt zu zwei Überlegungen an. (a) Nicht das Warten auf einen glücklichen Zufall bringt den geschäftlichen Erfolg. Man soll ihn durch Forschung suchen. Dafür sollen aber nicht die Ressourcen eingesetzt werden, mit denen sicher auf andere Weise Gewinne erzielt werden können. „Il faut y consacrer des revenus qu’on aurait pu, sans faire tort à sa fortune et à son pays, employer un tems qu’on aurait pu donner à l‘oisiveté ou à l’amusement.“256 Das erinnert an den Großen Kurfürsten, dessen bedeutende Aufwendungen für das auf der Pfaueninsel in Berlin errichtete chemische Labor für Johann Kunckel

253 Jean-Baptiste Say, Traité d’économie politique ou simple exposition de la manière dont se forment, se distribuent, et se consomment les richesses, Tome 1, Paris 1803 (Nachdruck Düsseldorf 1986). 254 Ebenda, S. 8. 255 Ebenda, S. 144. 256 Ebenda, S. 145.

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Überblick

(1630 oder 1638 – 1703) nach dessen Aussage begründet wurden mit der Einlassung, die Summen rechneten wie jene, die der Große Kurfürst „verspielt oder im Feuerwerk verpufft habe“ und da er nun „weniger spiele, so dürfe er das dadurch Gesparte an Forschungen in der Wissenschaft setzen“.

257

Forschung ist hier Konsum, nicht Investition.

(b) Der Staat soll nicht allein für die Forschung verantwortlich sein. Er kann aber die Forschungstätigkeit anregen, indem er gewerbliche Schutzrechte einführt. England sei dabei vorbildlich. Frankreich habe mit Patentgesetzten 1791 und 1792 nachgezogen.

258

Dem Innovator komme höchste Ehre zu,

besonders die Unsterblichkeit seines Namens: 259

„Honneur aux hommes qui ont cherché leurs plaisirs dans si noble travaux! Honneur aux hommes qui ont dépensés leur revenus dans si utiles consommations! Je ne crois pas qu’il y ait un plus digne, un plus noble emploi de la richesse et du loisir. Ces hommes font à leur concitoyens, au monde entier, des présens qui surpassent de beaucoup la valeur de ce qu’ils donnent…”

Es ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Innovation, der hervorsticht. Dass er auch ein einzelwirtschaftlicher ist, tritt in den Hintergrund. Immerhin aber wird ein Thema angesprochen, das erstmals bei Savary aufschien und das in der Folge vielfach wieder aufgenommen wird: Die hohe Bedeutung der Innovation für die Erzielung von Einkommen. Bei John Stuart Mill (1806 - 1873) wird schon 45 Jahre später beispielsweise für die Gewährung individueller Anreize für Erfinder (eigentlich im Beispiel Designer) plädiert.260 (3) Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts werden drei „Auffassungen“ der Betriebswirtschaftslehre mit deutlichen Folgewirkungen identifiziert: (a) die „normativ-wertende“, (b) die „empirisch-realistische“ und (c) die „theo-

257 So berichtet es Theodor Fontane, Johann Kunckel, in: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Wiesbaden o.J., Bd. 4, S. 502. 258 Jean-Baptiste Say, Traité d’économie politique ou simple exposition de la manière dont se forment, se distribuent, et se consomment les richesses, Paris 1803, S. 261-265. 259 Ebenda, S.145. 260 John Stuart Mill, Principles of Political Economy with some of their applications to social philosophy, London 1848, S. 51ff.

137

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

retische“ Richtung261. Sie haben allerdings im 19. Jahrhundert, das hier behandelt wird, ihre Vorläufer. Das soll kurz skizziert werden. Die beiden letztgenannten, als wertfrei charakterisierten Richtungen gehen methodisch unterschiedlich vor. Die empirische Richtung geht in der Regel induktiv, die theoretische Richtung in der Regel deduktiv vor, teilweise mit logischen Schlüssen und Beweisen. Solche Vorgehensweisen sind aber nicht zwingend. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Schriften von Adam Smith in Deutschland 262 einen gewissen Einfluss erlangen. Auch die normativ-wertende Richtung hat zwei Ausprägungen in ihren Vorläufern. Wenn im Folgenden eine Zuordnung von Autoren zu solchen Richtungen vorgenommen wird, so muss – insbesondere für das 20. Jahrhundert – berücksichtigt werden, dass nicht alle Autoren die Richtung, mit der sie hier assoziiert werden, über ihr ganzes wissenschaftliches Leben beibehalten haben.

Zu (a): Eine normativ-wertende Klasse ist in der sogenannten historischen Schule anzutreffen. Dazu ist der Marxismus zu zählen. Er entwickelt sich auch aus der Beobachtung der auf reinen Wirtschaftsliberalismus ohne Möglichkeiten eines gewerkschaftlichen Zusammenschlusses „ausgebeuteten“ Arbeiter und einer unvollständigen Auffassung von den Produktionsfaktoren sowie ihrer jeweiligen Wertbeiträge. Damit werden Positionen der Klassik angegriffen. Die vom Marxismus in den als gesellschaftliche Weiterentwicklung angesehenen Stufen des Sozialismus und des Kommunismus für die Betriebe auftretenden Konsequenzen liegen im Verlust der autonomen Entscheidungskompetenzen. Durch extern vorgegebene Pläne sind ihre Aktivitäten festgelegt. Darauf wird hier nicht eingegangen, zumal festgestellt wird, dass die als analytisch bezeichnete Methodik gestört sei durch „the influence of practical purposes, … the influence of passionate value 263 judgments, … also by ideological delusion.“ Als Randnotiz wird festgehalten, dass Karl Heinrich Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895) als Entdecker des Kapazitätserweiterungseffekts gelten. Der Schriftwechsel darüber wurde 1867 begonnen. Der Effekt stellt sich bei sofortiger ReInvestition der Abschreibungsgegenwerte ein. Später wurde dieser Effekt als Lohmann-Ruchti-Effekt beschrieben und von den beiden genannten Be-

triebswirten wiederentdeckt.264 261 Günter Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, Entwicklungstendenzen der Gegenwart, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A., Stuttgart 1974, Sp. 710-747, hier bes. Sp. 713ff. 262 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 2 Bände, London 1776. 263 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, Oxford 1954, S. 385. 264 Karl Hax, Karl Marx und Friedrich Engels über den ‚Kapazitätserweiterungseffekt’, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 10. Jg. N.F., 1958, S. 222-226.

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Überblick

Die andere Klasse der historischen Schule – mit der erstgenannten gelegentlich in Auseinandersetzungen verstrickt - ist insofern als empirisch zu betrachten, als sie – wenigstens gegen Ende des 19. Jahrhunderts - in der Darstellung wirtschaftlichen Handelns der Vergangenheit eine Grundlage für induktive Schlüsse sieht. Dies wird im schon erwähnten Werturteilsstreit heftig bestritten. Die Vorgehensweise hat, wie oben zu lesen ist, eine lange Tradition. Sie führt zugleich zu einer öffentlichkeitswirksamen Aktion: der Gründung des Vereins für Socialpolitik im Jahre 1872. Als prominente Vertreter der Klasse gelten u.a. Gustav Schmoller (1838-1919) und Lujo Brentano (1835-1917). Letzterer tut sich in besonderer Weise mit einem Angriff auf die „Privatwirtschaftslehre“ hervor, der er Interessennahme für Unternehmer in 265 ihrem Bestreben nach öder Profitmacherei vorwirft. Dem versuchen Heinrich Nicklisch mit einem aus dem Idealismus heraus geprägten normativen

Anspruch an ein humanitäres Unternehmertum266 ebenso entgegen zu treten wie Eugen Schmalenbach mit der Formel der gemeinwirtschaftlichen Produktivität oder Wirtschaftlichkeit.267 Interessanterweise machen sich Betriebswirte in dieser Auseinandersetzung nicht die Erkenntnisse von der Funktion der Unternehmergewinne im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf zu Nutze. Immerhin ist die Kreislaufvorstellung damals schon seit mehr als 268

einem Jahrhundert bekannt.

Einen Eindruck von der Argumentationsweise Schmollers vermittelt der folgende Abschnitt:

269

„Die moderne Unternehmung, hauptsächlich der Großbetrieb. Die Fabrik. Wo in den Staaten des klassischen Altertums aus dem Haus- der Bergwerks-, Plantagen-, Fabriksklave wurde, da entstanden große, wesentlich auf Gewinn bedachte Geschäftsbetriebe. Wie Nikias von Athen 1000 Sklaven in den laurischen Bergwerken hatte, so zählten die sogenannten familiHeinz Langen, Einige Bemerkungen zum Lohmann-Ruchti-Effekt, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 32. Jg., 1962, S. 307-313; Robert Buchner/Jürgen Weinreich, Der Einfluß des Abschreibungsverfahrens auf die Kapazitätsveränderung im Zeitablauf beim Marx-Engels-Effekt, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 23. Jg. N. F., 1971, S. 454-466. 265 Georg Obst, Hrsg., Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, in: Das Buch des Kaufmanns, 7. A., Bd. II, Stuttgart 1928, S. 1-579, hier S. 11f. 266 Besonders in: Heinrich Nicklisch, Der Weg aufwärts! Organisation, Stuttgart 1920. 267 Vgl. Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, Leipzig 1931. 268 François Quesnay, Tableau économique, Versailles 1758/1759. 269 Gustav Schmoller, Grundriß der Volkswirthschaftslehre, Erster, größerer Teil, 1. bis 3. Auflage, Leipzig 1900, S. 428f.

139

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

ae reicher römischer Ritter und Freigelassener bis 5, 10, und 20000 Sklaven; es waren halb fürstliche Haushaltungen, halb hart disciplinierte Großunternehmungen, welche Handel, Verkehr und Kredit, landwirtschaftliche und gewerbliche Produktion mit großen Kapitalien und vollendeter Technik zu glänzender Entwicklung brachten, bedeutende Gewinne abwarfen … Das ganze Mittelalter war von Ähnlichem weit entfernt, wenn auch auf einzelnen Fronhöfen und in so manchen Klöstern Werk- und Arbeitshäuser mit einem Dutzend Arbeiter und mehr sich fanden. … Doch entstehen mit der Renaissancezeit in den großen italienischen Kommunen neben Handwerk und Hausindustrie große gewerbliche (Betriebe, K.B.), da und dort beginnen im Norden die größeren Gutsbetriebe; … Aber doch erst im Laufe unseres Jahrhunderts, und hauptsächlich seit 1850 hat der Großbetrieb eine erheblichere Verbreitung in Westeuropa und in den Vereinigten Staaten gefunden. … Wir können so die moderne Geschäftsunternehmung, welche im Großbetrieb ihre Natur am prägnantesten ausbildet, definieren als die selbständige, von der Familienwirtschaft der Unternehmer, Beamten und Arbeiter äußerlich, lokal losgelöste Geschäftsanstalt, welche nach rein kaufmännischen und technischen Gesichtspunkten angelegt und betrieben, in der Hand des das Kapital beschaffenden oder besitzenden Unternehmers mit Hülfe geldgelohnter Beamter, Commis, Techniker und Arbeiter einen Zweig des Handels oder der Produktion auf ihre Gefahr übernimmt, für den großen Markt, oft einem nationalen oder internationalen, arbeitet, aber in erster Linie einen Gewinn machen will.“

Erstaunlich ist, dass nicht danach gefragt wird, wie man sich die Leitung der Großbetriebe des Altertums oder der jüngeren Zeit vorstellen sollte. In Fairness muss zugleich darauf hingewiesen werden, dass den jeweiligen Kapiteln Hinweise auf frühere Veröffentlichungen des Autors und weitere Literaturhinweise vorangestellt werden. Darin sind auch statistische Angaben enthalten, deren Validität aber kaum einzuschätzen ist. Definitionen werden mit recht allgemeinem Gültigkeitsanspruch vorgetragen. Dieser Anspruch ist bei spezifischen Untersuchungszwecken dann in der Folge nicht immer durchzuhalten. Zu (b): Vorläufer einer „empirisch-realistischen“ Richtung ist Johann Heinrich von Thünen (1783-1850), der mit zehnjährigen realen Versuchen und Gedankenexperimenten zu neuem Wissen vordringt. Um die Reinertragsmaximierung des landwirtschaftlichen Gutes zu erreichen, bedient er sich

140

Überblick

der Marginalanalyse.270 Er argumentiert „ceteris paribus“ (das heißt, sich auf eine Einflussgröße konzentrierend und alle anderen gedanklich unverändert haltend) und mit isolierender Abstraktion. Mit diesen Methodiken und Logik gelingt ihm eine betriebliche Standorttheorie, in der unterschiedliche Landnutzung um eine als Markt gedachte Stadt herum abgeleitet wird. Später wird man dies in Anlehnung an das dabei entstehende und der Veröffentlichung als Grafik beigegebene Bild als „Thünensche Kreise“ bezeichnen. Auch eine produktivitätsorientierte Lohntheorie wird vorgelegt, die allerdings auf der Annahme beruht, dass sich Arbeiter einen zinstragenden Kapitalstock aufbauen. Auch diese bis heute für die Mehrheit wenig realistische Vorstellung hat die gefundene „Lohnformel“ nicht wirksam werden lassen. Wie überzeugt ihr Schöpfer von ihr war, belegt, dass er sie auf seinen Grabstein meißeln ließ. Von Thünen zeigt schon auf der ersten Seite seines Buches, wie ein Modell zu bilden ist. Er abstrahiert von der Realität, die er in späteren Kapiteln mit den aus dem Modell folgenden Überlegungen konfrontiert, führt plausible Annahmen ein und zieht auf dieser Grundlage Schlüsse. Das Buch beginnt 271

wie folgt:

„Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem schiffbaren Flusse oder Kanal durchströmt wird. Die Ebene selbst bestehe aus einem durchaus gleichförmigen Boden, der überall der Kultur fähig ist. In großer Entfernung von der Stadt endige sich die Ebene in eine unkultivirte Wildniß, wodurch dieser Staat von der übrigen Welt gänzlich getrennt ist. Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine große Stadt, und diese muß also alle Produkte des Kunstfleißes für das Land liefern, so wie die Stadt einzig von der sie umgebenden Landfläche mit Lebensmitteln versorgt werden kann. Die Bergwerke und Salinen … denken wir uns in der Nähe dieser Zentralstadt … Es entsteht nun die Frage: wie wird sich unter diesen Verhältnissen der Ackerbau gestalten, und wie wird die größere oder geringere Entfernung von der Stadt auf den Landbau einwirken, wenn dieser mit höchster Kon270 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 176ff., zeigt, dass Zeitgenossen (vor allem Graf Buquoy-de Longeval) ebenfalls marginalanalytisch argumentierten, um Ertragsmaxima zu bestimmen. 271 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, der Reichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826 (Nachdruck Düsseldorf 1986), S. 1f.

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6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

sequenz betrieben wird. Es ist im Allgemeinen klar, dass in der Nähe der Stadt solche Produkte gebauet werden müssen, die im Verhältniß zu ihrem Werth ein großes Gewicht haben, oder einen großen Raum einnehmen, oder deren Transportkosten nach der Stadt so bedeutend sind, dass sie aus entfernten Gegenden nicht mehr geliefert werden können; so wie auch solche Produkte, die dem Verderben leicht unterworfen sind und frisch verbraucht werden müssen … Aus diesem Grund allein, werden sich um die Stadt ziemlich scharf geschiedene konzentrische Kreise bilden, in welchen diese oder jene Gewächse das Haupterzeugnis ausmachen.“

In der folgenden Abbildung 35 wird in der oberen Hälfte dieser Gedanke für den beschriebenen Fall dargestellt, während die untere Hälfte die Annahme der Erreichbarkeit der Stadt durch einen schiffbaren Fluss erweitert. Von außen nach innen gehend sind Viehzucht, Dreifelder-Wirtschaft, Koppelwirtschaft, Fruchtwechsel-Wirtschaft, Forstwirtschaft und sogen. „freye Wirtschaft“ mit Garten- und Obstbau vorgesehen. In der Mitte liegt die Stadt. Eine scharfe Analytik tritt als Instrument der Wissensgewinnung hier deutlich hervor. In ihr verbinden sich Empirie und verallgemeinernde Theorie. 272

Die Forderung von Leibniz, „theoriam cum praxi“ zu vereinen, mit geradezu ideal erfüllt.

wird da-

Zu (c): Auch die theoretische Richtung hat ihre Vorläufer. Eine aus vier Grundannahmen aufgebaute ökonomische Theorie entwickelt Nassau William Senior (1790-1864). Daraus werden die Erkenntnisse deduktiv schließend abgeleitet. Von besonderem Interesse sind hier die erste und vierte seiner Annahmen: die des Strebens nach maximalem Nutzen aller Wirtschaftssubjekte und die der abnehmenden Grenzerträge.273 Sie bilden eine Grundlage für folgende Arbeiten, insbesondere denen von Menger.

272 Es wurde das Motto der am 11. Juli 1700 in Berlin begründeten Akademie der Wissenschaften (Churfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften). Eine kurze Darstellung der Bemühungen um die Errichtung der Akademie, Aufgaben, Finanzierungsvorschläge und die schwierigen ersten Jahre in: Eike Christian Hirsch, Der berühmte Herr Leibniz, München 2000, Kapitel 11, bes. S. 406. 273 Nassau William Senior, An Outline of the Science of Political Economy, London 1836 (Nachdruck Düsseldorf 2000).

142

Überblick

6.1 Abbildung 35

Darstellung der „Thünenschen Kreise“ (1826)

Als ein weiterer Repräsentant der theoretischen Richtung ist Augustin Cournot zu nennen.274 Er entwickelt eine mathematisch formulierte Preis275 Absatz-Funktion („loi de la demande ou du débit“ ). Er bestimmt das Net-

toertragsmaximum eines Unternehmens für den Monopolfall276 und dehnt seine Überlegungen auf andere Marktformen aus, vor allem auch auf das Dyopol (unter der Überschrift: „Du concours des producteurs“). Dafür gelingt ihm die Bestimmung eines Gleichgewichtspreises. Er unterstellt, dass die voneinander in ihren Entscheidungen abhängigen Anbieter jeweils davon ausgehen, der Wettbewerber halte die Angebotsmenge konstant. Unter dieser Annahme wird ein Preis gesucht, der den Gewinn maximiert. Die Annahme kann sich als unzutreffend erweisen, so dass eine neue Preisbildungsrunde ausgelöst wird. Schließlich wird so ein Punkt erreicht, an dem beide Anbieter kein rationales Interesse an weiteren Preisänderungen haben 274 Augustin Cournot, Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses, Paris 1838 (Nachdruck Düsseldorf 1991). 275 Ebenda, S. 46ff. 276 Ebenda, S. 61ff.

143

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

können. Es ist in diesem Sinne ein Gleichgewichtspunkt.277 Später zeigt sich in der Spieltheorie, dass das Nash-Gleichgewicht auf dieselbe Lösung führt.278 Um die Bedeutung der Arbeiten von Cournot im Vergleich zu den vorausgehenden (und etlichen folgenden) zu ermessen, ist hier ein Blick auf die Ableitung des Gewinnmaximums für den Monopolfall erhellend und ausreichend. Funktionen und ihre mathematischen Umformungen oder Ableitungen werden als neue Methodik genutzt. Die Nachfragefunktion wird F(p) genannt, wobei p der Preis ist. Die Umsatzfunktion ist dann p F(p). Die von der Menge D abhängige Kostenfunktion lautet (D). Natürlich geht der ausgewählten Stelle eine Diskussion der Kurvenverläufe und der Realitätsnähe der Funktionen voraus. Es folgen Diskussionen von Spezialfällen, wie der Produktionsbeschränkung oder der Wirkung von Steuern. Mit diesen Informationen kann der folgende Text gelesen werden (Abbildung 36).

Abbildung 36-a

Cournot über Monopolpreisbildung, 1838

277 Ebenda, S. 112ff. 278 John F. Nash, Non-cooperative Games, Annals of Mathematics, Vol. 54, 1951, S. 286295. ders., Two-Person Cooperative Games, Econometrica, Vol. 21, 1953, S. 128-140.

144

Überblick

6.1 Abbildung 36-b

Cournot über Monopolpreisbildung (Fortsetzung)

Formal weniger mathematisch, gleichwohl logischer Argumentation folgend geht Carl Menger (1840-1921) vor. 279 Auch seine Modellvorstellungen sollen „ungestört durch nebensächliche Einflüsse sein“280, was den Leser mit besonderen Situationen vertraut macht: dem Publikum an Bord eines Ozeanschiffes auf langer Reise einmal mit unterschiedlichen Proviantsvorräten oder ein anderes Mal ausschließlich mit Schiffszwieback versehen, den Handelsversuchen von zwei Blockhausbesitzern im Urwald oder dem Tausch von Pferden und Kühen zwischen zwei Bauern, die beide benötigen aber ungleich mit ihnen ausgestattet sind. An diesem Beispiel wird unter Vorgabe von Nutzungsgrößen für jede Art von Vieh und jeden der Handelspartner gezeigt, dass beide ihren Nutzen steigern, wenn sie das Vieh bis zum Ausgleich der Grenznutzen austauschen:281

„Diese Grenze ist aber dann erreicht, wenn sich keine Güterquantität mehr im Besitze des einen Contrahenten befindet, die für ihn einen geringeren 279 Carl Menger, Grundsätze der Volkswirthschaftslehre, Wien 1871 (Nachdruck Düssel-

dorf 1990). 280 Ebenda, S. 162281 Ebenda, S. 167f.

145

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Werth hätte, als eine Quantität eines anderen in der Verfügung des zweiten Contrahenten befindlichen Gutes, während zugleich bei dieser letzteren Person das umgekehrte Verhältnis der Werthschätzung stattfindet.“

Die „allgemeine Anwendbarkeit“ dieser Marginalanalyse auf ökonomische Probleme sieht Schumpeter als den ausschlaggebenden Beitrag Mengers an.

282

Damit sind die drei Auffassungen der für die Betriebswirtschaftslehre relevanten Forschungen charakterisiert und beispielhaft belegt. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert beginnt nun die sichtbare Institutionalisierung dieser Disziplin auf anspruchsvollerem Niveau als bisher. Allerdings wird dabei zunächst nur verhalten auf die dargestellten Forschungen zurückgegriffen.

6.1.5

Anfänge der Institutionalisierung der Disziplin

Auf Veranlassung seiner Mutter, die ihn zum „Finanzfach“ bestimmt hatte, sollte Alexander von Humboldt an der Handelsakademie von Büsch in 283 Hamburg lernen. Diese Einrichtung bestand von 1768-1800 und genoss einen guten Ruf. Sie war, neben einem Schwerpunkt in der Geografie, auf die Kameralwissenschaften ausgerichtet. Das umfasste auch eine Lehre vom Geldumlauf, von „Comptoirgeschäften“ und natürlich von der Buchhal-

tung.284 Damit ist eine der kameralistischen Ausbildungsinstitutionen genannt, die eine primär staatswirtschaftlich ausgerichtete Ausbildung anboten. Für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre war dies auf Dauer allerdings nicht das förderlichste Umfeld. Erschwerend war auch, dass im Jahre 1825 Karl Heinrich Rau (1792-1870) die „bürgerliche Wirtschaftslehre“ als Spezialrichtung der Volkswirtschaftslehre dargestellt hatte, die nicht an den Universitäten gelehrt werden sollte.285 Diese „Privatökonomie“ gilt als „abstrakt“ und die Volkswirtschafts282 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, New York 1954, S. 912. 283 Alexander von Humboldt, Aus meinem Leben. Autobiographische Bekenntnisse. Kurt R. Biermann, Hrsg., München 1987, S. 53. 284 Karl Bruhns, Alexander von Humboldt, 1. Bd., Leipzig 1872, S. 108. 285 Karl Heinrich Rau, Über die Kameralwissenschaft, Entwicklung ihres Wesens und ihrer Theile, Heidelberg 1825. Von Rau stammt auch die ebenfalls bis heute übliche Einteilung der Volkswirtschaftslehre in Volkswirtschaftstheorie, Volkswirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft. Schumpeters Urteil über Rau und seine Lehrbücher ist

146

Überblick

lehre nimmt ihr gegenüber einen „höheren Standpunkt“ ein. In dieser Auffassung sieht Dieter Schneider eine bis in die heutige Zeit reichende Belastung im Verhältnis zwischen den beiden Teildisziplinen der Wirtschaftswis286

senschaft.

Die Lehre an Handelsakademien reicht offenbar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr aus, um den Bedürfnissen der Leitung von Unternehmen zu entsprechen. Dies gilt besonders für die Leitung der entstandenen großen Industrieunternehmen, der großen Banken und Warenhäuser. Es entstehen deshalb verschiedene Initiativen, die – fast 180 Jahre nach Marpergers Ausführungen in gleicher Richtung – auf eine akademische Betriebswirtschaftslehre hin arbeiten. Noch aber ist der direkte Weg an die Universitäten versperrt, wobei nicht allein die Ausführungen von Rau ein Hindernis darstellen. Im Ausland bestehen erfolgreich arbeitende Einrich287

tungen, die der kaufmännischen Ausbildung dienen.

Im Jahre 1897 legt Hermann Raydt (1851-1914) im Auftrag der Handelskammer zu Leipzig eine Denkschrift „Zur Begründung einer HandelsHochschule in Leipzig“ vor. Der Verfasser ist an einer neu errichteten Handels-Lehranstalt tätig. Wie groß die Bedenken oder gar Widerstände waren, ist dem Text an verschiedenen Stellen indirekt zu entnehmen. Ein Kongress am Ort hatte das Bedürfnis unterstrichen, man wollte auf „günstigem Boden … klein anfangen, an Bestehendes anknüpfen“ und flexibel vorgehen. Mit der Universität war gesprochen worden, die Handelskammer versprach eine Ausfallbürgschaft und die zuständigen Ministerien mussten für eine Ge288

nehmigung gewonnen werden. Die Argumentation ist geschickt: Man will klein bleiben und nicht auffallen. Man muss nicht in die Universität einziescharf: ein guter Lehrer mit „common sense, learning and mediocrity“ der Lehrbücher schafft als Zusammenfassung von etwas Adam Smith und gelegentlich missverstandenem David Ricardo, vielen Tatsachen, der Beseitigung überflüssigen Verwaltungwissens des 18. Jahrhunderts – „just what the future lawyer or civil servant was able and willing to absorb“: History of Economic Analysis, Oxford 1954, S. 503 (Fußnote). Ohne die Forderung der Verbannung von der Universität: Karl Bernhard Arwed Emminghaus, Allgemeine Gewerkslehre, Berlin 1868; Moritz Weyermann/H. Schönitz, Grundlegung und Systematik einer wissenschaftlichen Privatwirtschaftslehre und ihre Pflege an Universitäten und Fach-Hochschulen, Karlsruhe 1912, S. 48ff.; Johann Friedrich Schär, Das Verhältnis von Nationalökonomie zur Privatwirtschaftslehre in kaufmännischen Betrieben (allgemeine Handelsbetriebslehre), Bankarchiv, 12. Jg., 1912/1913, S. 297ff. 286 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. A., 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 113. 287 Hierzu: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 190ff. 288 Hermann Raydt, Zur Begründung einer Handels-Hochschule in Leipzig, Leipzig 1897 (Nachdruck 1991), hier aus dem „Vorwort“ der Denkschrift.

147

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

hen. Die Ausbildung soll etwas Zusätzliches bieten, denn der gut ausgebildete und geschätzte „deutsche Kaufmann“ steht vor neuen Herausforderungen. Diese Herausforderungen lesen sich, übersetzte man sie in die heutige Sprache, wie die Einführung zu einem Kurs im strategischen Management:

289

„…so hat man doch in unserem Handelsstande das Gefühl, dass seine heutige Ausbildung mit den wachsenden Verkehrsverhältnissen, dem Fortschreiten der industriellen Technik, der immer mehr zunehmenden Bedeutung der socialpolitischen Verhältnisse und dem immer schwieriger werdenden Kampfe um das Dasein nicht gleichen Schritt hält. In noch stärkerem Maße empfindet man es im deutschen Handelsstande als schmerzlich, dass bei der Leitung unseres Staatslebens, im Reiche wie in den einzelnen deutschen Staaten, der Einfluss des Kaufmanns ein zu geringer ist. Man hofft beiden Übelständen durch eine noch gediegenere Ausbildung und Erziehung unserer jungen Kaufleute für die Zukunft abhelfen zu können.“

Für eine relativ geringe Anzahl von Kaufleuten, Juristen, Lehrern (für die Weiterbildung zu Handelslehrern) und pensionierten Offizieren sollten Handelshochschulen errichtet werden. Eine „direkte Angliederung“ an die Universität Leipzig wurde in Beratungen ausgeschlossen. Es sollte eine selbständige Organisation entstehen, deren künftige Studenten allerdings zu den „akademischen Vorlesungen der Universität als Hörer zuzulassen“ seien. Notwendig sei ein zweijähriger Kursus, der reguläre Studierende und Gasthörer ansprechen sollte. Die Aufnahme war für Abiturienten ebenso vorgesehen wie für Kaufleute mit abgeschlossener Lehre (die einen Bildungsstand nachweisen, der zum einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt). Ausländer mit vergleichbarem Bildungsstand konnten ebenfalls aufgenommen werden. Nach dem Studium besteht die „Berechtigung“ zu einer Schlussprüfung.

290

Der Lehrplan sah Veranstaltungen in Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Recht, Mathematik, Fremdsprachen und Einführungen in verschiedene Techniken (Stenographie, Schreibmaschine) vor. Der betriebswirtschaftliche Teil beschränkt sich auf Warenkunde, Handelsgeographie, kaufmännisches Rechnen und Buchhaltung. Er umfasst etwa ein Viertel aller

289 Ebenda, S. 1. 290 Ebenda, S. 9-13.

148

Überblick

Lehrveranstaltungsdauern. Das Konzept zielt auf die Vermittlung eines recht schmalen und wenig ausgebauten betriebswirtschaftlichen Wissens. Die volkswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen reflektieren auch nicht den im vorigen Abschnitt skizzierten Wissensstand, etwa in der Preistheorie oder der Marginalanalyse. Sie vermitteln eher institutionelles Wissen, soweit man das aus den Titeln schließen kann. Von Forschung als Aufgabe der Hochschule ist nicht die Rede. Das Programm folgt „kameralistischem Wis291

senschaftsverständnis“.

Das Königliche Ministerium des Innern erlässt am 14. Januar 1898 eine Verordnung, die die Gründung genehmigt, eine Finanzierungszusage von 5.000 Mark jährlich gibt und zugleich begründet, dass die Hochschule wegen „gewisse(r) ungünstiger Besonderheiten“ nicht der Universität angeschlossen werden soll. Dazu werden die „bekannten Formen studentischer Geselligkeit“, auch wenn sie nur von einer Minderheit gepflegt würden, Bummelei trotz übermäßig langer Semesterferien sowie Vertragsbrüche gegenüber Handwerkern gezählt.

292

Damit ist der Weg zur Aufnahme des Lehrbetrie-

293

bes frei.

Im deutschen Sprachraum erfolgen im selben Jahr Gründungen ähnlicher Art in Aachen, St. Gallen und in Wien294, dort mit einem Schwerpunkt auf dem Exportgeschäft. In Philadelphia/Pa war 1881 auf Initiative des Stahlfabrikanten Joseph Wharton eine Handelshochschule gegründet worden, in Chicago/IL bildete sich eine Handelsfakultät, und 1888 wurde am Dartmouth College in Hanover/NH die Amos Tuck School gegründet. Das zur Gründung von Handelshochschulen führende Bildungsbedürfnis ist also nicht nur in Deutschland gegeben. In der Folgezeit entstehen schnell weitere Handelshochschulen, so dass von einer „Handelshochschul-Bewegung“ gesprochen werden kann. Die meisten privaten deutschen Handelshochschulen müssen spätestens nach Ende des ersten Weltkrieges aufgeben oder 291 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 130. 292 Hermann Raydt, Zur Begründung einer Handels-Hochschule in Leipzig, Leipzig 1897 (Nachdruck 1991), o.S. (nach S. 16). 293 Eine die Kontroversen in Praxis und Wissenschaft um die Gründung von Handelshochschulen nicht aussparende Darstellung gibt: Dieter Schneider, Die ersten Handelshochschulen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 39-59. 294 Karl Oberparleiter, Geschichte der Exportakademie und der Hochschule für Welthandel, in: 50 Jahre Hochschule für Welthandel in Wien, Wien 1948, S. 5-12. Über Handelshochschulen in einer Vielzahl von Ländern wird in den Bänden 2 (S. 1557-1599) und 3 (S. 1-55) des Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1926/1927, berichtet.

149

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

in staatliche Einrichtungen eingegliedert werden: „Defeat and inflation ended wealth and weakened the willingness, and capacity, of firms to maintain 295

the business schools financially.“

Langsam ändern sich in der Folgezeit die Vorstellungen über die Akzeptanz der Betriebswirtschaftslehre an Universitäten.296 In Deutschland wie in den USA gibt es an den Universitäten Vorbehalte gegen das Fach. Auf die deutsche Situation wird im Abschnitt 6.1.6 zurückzukommen sein. In den USA wendet sich Thorstein Veblen (1857-1929) gegen das Fach, weil es auf leichte 297 weise Mittel und Wege zum persönlichen Nutzen fördere. Die Universität Zürich richtet dagegen 1903 den ersten Universitätslehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre ein. Er wird durch Johann Friedrich Schär (1846-1924) besetzt. Der Gastwirt und Exporthändler legt die Lehramtsprüfung am Lehrerseminar in Bern ab, wird Schulleiter in Biel und von 1892 bis 1903 Handelsschullehrer in Basel. Von dort wird er an die Universität Zürich berufen, von wo er 1906 an die Handelshochschule in Berlin wechselt. Hier wird also noch keine fachspezifische akademische Karriere nachgewiesen. Solche Nachweise beginnen aber etwa zeitgleich aufzutreten. Eugen Schmalenbach wurde 1903 habilitiert; er gilt als der erste in seinem Fach habilitierte. Im Jahre 1906 wird er berufen.

Neben der Professionalisierung der Karrieren in der Betriebswirtschaftslehre steht die Entwicklung des Objekts der Disziplin. Die Veränderungsgeschwindigkeit kann ermessen werden, wenn man den Studienplanentwurf von Raydt mit einem Entwurf von Schär vergleicht, der nur 13 Jahre später 298 veröffentlicht wird. Hierin wird eine deutlich veränderte Vorstellung der Handelshochschulen entworfen. Nicht Berufsfertigkeit, sondern Berufsfähigkeit soll das Ausbildungsziel sein (und so steht es bis heute in einer Vielzahl universitärer Prüfungsordnungen). Die Praxis muss eine theoretische

Grundlage erhalten. Die folgenden Auszüge zeigen den Wandel:299

295 Horst Albach, Business Administration: History in German Speaking Countries, in: Handbook of German Business Management, Vol. 1, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270. 296 Die emotionale und boshafte Ablehnung von Max Weber muss hier nicht wiederholt werden. Vgl. Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 193, mit Fußnote 346. 297 Thorstein Veblen, The Higher Learning in America: A Memorandum on the Conduct of Universities by Business Men, New York 1918. 298 Johann Friedrich Schär, Allgemeine Handelsbetriebslehre, I. Band, Leipzig 1911. 299 Ebenda, S. 14ff.

150

Überblick

„Nach wie vor wird der Weg zu hohen und höchsten Stellen im kaufmännischen Beruf durch die Praxis hindurchgehen müssen; … Allein das zugegeben, ist auch das andere unzweifelhaft richtig …, dass die praktische Handelslehre allein durchaus ungenügend ist … Überhaupt ist es im Zeitalter der Erfindungen und des Fortschritts nicht mehr angängig, einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Theorie und Praxis zu konstruieren … Praxis (ist) eben nichts anderes als angewandte Theorie, und die Theorie nur die abstrakte Praxis. Ja noch mehr, dass die Praxis ihre Hauptfortschritte der Theorie verdankt. … Die Wissenschaft ist es eben, die hier die besten Betriebsmethoden an die jungen Generationen überliefert, sie prüft, systematisiert, ausbaut und verbessert. Ganz dasselbe muß mit dem Handelsbetrieb geschehen. Bleibt er nach alter Väter Sitte ein Geschäftsgeheimnis der Prinzipale … so geht dies auch mit dem Tode des Trägers verloren.“

Die skizzierten Aufgaben der Handelswissenschaft sollen besonders durch Handelshochschulen wahrgenommen werden. Dazu ist ein „vollständiges Lehrgebäude“ zu entwerfen. Der kurze Abschnitt zeigt aber auch Forschungsaufgaben auf. Das ist im Vergleich zur Raydt’schen Denkschrift neu. Lehre und Forschung verfolgen „im Gegensatz zur Nationalökonomie pri300 vatökonomisch“ orientierte Zwecke. Das rechtfertige besondere Einrichtungen oder eine besondere Stellung in einer Universität.

Die Gliederung des Lehrprogramms wird in der folgenden Abbildung 37 zusammengefasst. Der Überblick über das Lehrprogramm auf den obersten Ebenen ist nicht numerisch auszuwerten, weil Schär den einzelnen „Fächern“ keine Unterrichtsstunden zuordnet und von einer Gleichverteilung nicht auszugehen ist. Die Bezeichnungen bedürfen keiner besonderen Erläuterung.

300 Ebenda, S. 18.

151

6.1

6 Abbildung 37

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Ein Unterrichtskonzept für die Betriebswirtschaftslehre von Schär, 1914

So wie in dem Element „Allgemeine Betriebslehre“ dargestellt, ist in jedem der Kästen auf dieser Ebene eine Menge von etwa drei unterschiedlichen „Fächern“, also Lehrveranstaltungen, zu veranschlagen. Die Zusätze in Klammern (außer in dem soeben genannten Falle) wurden erläuternd hinzugefügt. Die Hervorhebung von Branchenbetriebslehren deutet auf Spezialisierungen in der Disziplin hin. Erst wesentlich später werden sie durch Funktionsspezialisierungen (Finanzen, Produktion, Marketing usw.) oder situative Spezialisierungen (Gründung, Familienbetriebe usw.) abgelöst oder ergänzt. Den Branchenspezialisierungen entsprechend entstehen Lehrbücher, die teilweise über weitere drei oder vier Generationen zum festen

152

Überblick

6.1

Bestand des Unterrichtsmaterials zählen.301 An 36 Handelshochschulen oder Universitäten gibt es bis zum Jahre 1929 ein betriebswirtschaftliches Lehrangebot,302 allerdings nicht in allen Fällen auch einen Studiengang. Die Entwicklung der Handelshochschulen ermöglicht es, dass sie 1922 das Promotionsrecht erlangen. So können sie endgültig zu den Universitäten aufschließen. Vorausgegangen ist dem die Gründung eines ersten Forschungsinstituts an der Handelshochschule in Mannheim durch Heinrich Nicklisch. Es trägt die umständliche, aber einen sehr weiten Anspruch begründende Bezeichnung „Betriebswissenschaftliches Institut für Forschungen auf dem Gebiet des Betriebslebens“. Über die wachsende Anzahl betriebswirtschaftlicher Professoren, deren Ausbildung im Laufe der Zeit auch immer häufiger den akademischen Normen entspricht, macht u.a. Bellinger Angaben, die in der folgenden 303

Tabelle 1 zusammengefasst werden.

Entwicklung der Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland, 1910 – 1938

Jahr

1910 1920 1923 1925 1926 1931 1938

Anzahl

10*

6

14

23

32

29

34*/26

*) einschl. hauptamtlichen Dozenten Ein weiteres Indiz für die Institutionalisierung einer Disziplin ist das Entstehen wissenschaftlicher Fachzeitschriften. Im Jahre 1906 gründet Eugen Schmalenbach die „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung“, die heute „Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung“ heißt. Weitere Zeitschriften folgen: 1907 erfolgt die Gründung der „Zeitschrift für Handelswis301 Ein markantes Beispiel bietet: Georg Obst, Lehrbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens. Ein Handbuch für Handels- und Fortbildungsschulen sowie zur Selbstbelehrung. Stuttgart 1900. Das Werk erscheint bis heute, natürlich von anderen Wissenschaftlern betreut, und erreichte im Jahre 2007 die 40. Auflage. 302 Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, Köln 1992, S. 35ff. 303 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 98. Biographische Angaben finden sich in: Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, Köln 1992. Ihre Auszählung führt zu leicht abweichenden Zahlen.

153

Tabelle 1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

senschaft und Handelspraxis“ durch die Betriebswirte H. Rehm, G. Obst, A. Schmid und Heinrich Nicklisch. Sie wird 1930 in „Die Betriebswirtschaft“ umbenannt, der Name, unter dem sie heute wieder erscheint. Im Jahre 1924 wird die „Zeitschrift für Betriebswirtschaft“ durch Fritz Schmidt gegründet. Die Jahrgangszählungen der Zeitschriften offenbaren, dass sie während des zweiten Weltkrieges ihr Erscheinen unterbrechen mussten. Neben den Zeitschriften muss eine enzyklopädische Ordnung des Wissens erfolgen. Dem Bedürfnis nach solchen überblicksartigen Gesamtdarstellungen der Disziplin wird durch die Herausgabe eines „Handwörterbuch der Betriebswirtschaft“ entsprochen (Abbildung 38). Wiederum ist es Heinrich Nicklisch, der die Aufgabe des Herausgebers übernimmt und das Erscheinen in den Jahren 1926 bis 1928 ermöglicht.

Abbildung 38

Erste Auflage des „Handwörterbuch für Betriebswirtschaft“, 1926

Zur Institutionalisierung gehört auch die Bildung von Fachgesellschaften. Auch dafür gibt es in der hier betrachteten Zeit markante Beispiele. Im Jahre 1905 wird der „Verband der Inhaber deutscher Handelshochschuldiplome“ gegründet, der heute als „Bundesverband der Volks- und Betriebswirte“ tätig ist. Im Jahre 1921 folgt den seit 1914 regelmäßigen Zusammenkünften zu Pfingsten die Gründung des „Verband der Dozenten für Betriebswirtschaftslehre an deutschen Hochschulen“. Diese Gründung wird von Heinrich Nicklisch, Ernst Pape und Fritz Schmidt betrieben. Heinrich Nicklisch, Eugen Schmalenbach

154

Überblick

und Fritz Schmidt bilden bis 1933 den Vorstand. Dann lässt der Verband seine Tätigkeit ruhen. Nach einer Tagung in Frankfurt 1948 erfolgt eine Wiederbegründung. Heute heißt die Vereinigung „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“.304 Er hat im Jahre 2007 fast 1.600 Mitglieder, ist überall präsent, wo deutschsprachige Betriebswirte lehren oder forschen, und ist Gründungsmitglied der „International Federation of Scholary Associati305

ons in Management“. Sie wurde 1990 in Frankfurt gegründet.

Insgesamt kann man feststellen, dass sich die Disziplin institutionalisiert und damit ein weiteres Merkmal einer Wissenschaft erfüllt.

6.1.6

Die umstrittene Bezeichnung der Disziplin

Die Institutionalisierung der Disziplin (Abschnitt 6.1.5) hat allerdings nicht zur Folge, dass sie sofort auch unter einer von allen ihren Mitgliedern akzeptierten Bezeichnung auftreten kann. Tatsächlich wird über den Namen intensiv gestritten. Die Debatte über die Wertfreiheit einerseits und die Bestimmung des Erkenntnisobjekts andererseits läuft zeitgleich zu den ersten Schritten zur Institutionalisierung der Disziplin ab. In einem Satz werden wesentliche Alternativen von Erich Kosiol (1899-1990) zusammengefasst: „Von der bescheidenen Umschreibung als Handelstechnik und der ironischen Hinnahme des diffamierenden Vorwurfs einer wissenschaftlichen Kunstlehre geht der suchende Weg des Forschergeistes über die Überwindung der zu eng umrissenen Handelswissenschaft oder Handelsbetriebslehre und der schief formulierten Antithese einer eigennützig ausgerichteten Privatwirtschaftslehre hinweg bis zur umfassenden Sinngebung des Faches als Betriebswirt306

schaftslehre.“

Mit dem Begriff der Kunstlehre wird ein Vorstoß von Eugen

307 Schmalenbach aufgenommen. Er spricht sich für eine technologische Ausrichtung der Disziplin aus und gegen einen Typ von Wissenschaft, der auf die Ableitung von „Verfahrensregeln“ verzichtet. Für die Kunstlehre wird Praxisorientierung und Praxisbewährung gefordert. Sie ist eine von drei Möglichkeiten, ein Gewerbe zu erlernen: handwerksmäßig, kunstmäßig

304 Vgl. www.v-h-b.de, Abfrage 20.2.2008. 305 Vgl. www.ifsam.org, Abfrage 20.2.2008. 306 Erich Kosiol, Wegbereiter der Betriebswirtschaftslehre, Berlin/Stuttgart 1950, S. 2. 307 Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1911/1912, S. 304-316.

155

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

oder wissenschaftlich.308 Das kennzeichnet vor allem im Gegensatz „wissenschaftlich“ und „kunstmäßig“ 100 Jahre früher die Positionen. Freilich ist es nicht trivial, erklärende Theorien der Wissenschaft von gestaltenden Tech309

nologien der Kunstlehre zu unterscheiden.

Die Auseinandersetzung über die Benennung hinterlässt auch in Buchtiteln nachvollziehbare Spuren. Heinrich Nicklisch veröffentlicht 1920 vier Auflagen von „Allgemeine kaufmännische Betriebslehre als Privatwirtschaftslehre des Handels (und der Industrie)“. Dem schließen sich 1922 und 1925 zwei Auflagen unter dem Titel „Wirtschaftliche Betriebslehre“ an. Die 7. Auflage erscheint 1932 dann unter dem Titel „Die Betriebswirtschaft“. An anderer Stelle wird berichtet, dass Eugen Schmalenbach sich erstmals 1919 als Professor der Betriebswirtschaftslehre bezeichnet habe. Dies sei erfolgt, nachdem keine Einigung auf den Namen der Disziplin zu erzielen gewesen sei. Schmalenbachs Meinung nach müsse das Fach von gemeinwirtschaftlichen Einstellungen beherrscht werden, was den Begriff der Privatwirtschaftslehre aus310 schließe. Damit wird aber nur eine Front der Auseinandersetzung angesprochen. Die zweite Front betrifft die angemessene Abgrenzung des Forschungsobjekts. Hier spielt unter anderem die Abgrenzung von Betrieb und Unternehmen eine Rolle (vgl. auch Abschnitt 4.1).

„Gegenstand (des Buches, K.B.) sind ausschließlich die privaten Erwerbswirtschaften, insbesondere die Unternehmung, die man allenfalls als eine besondere Art von Betrieb, nämlich als erwerbsorientierten Betrieb, bezeich311 schreibt Wilhelm Rieger (1878-1971) (Abbildung 40). In der nen kann“, folgenden Abbildung 39 wird dargestellt, dass Unternehmungen bei Rieger als risikotragende Erwerbswirtschaften angesehen werden, die in einer

Geldwirtschaft operieren. Sie sind in eine „geordnete Reihe“312 wirtschaftlicher Objekte gestellt. Diese hat die Elemente Betrieb, Unternehmung, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Vom Begriff des „Wirtschaftens“ ausgehend stellt Rieger fest, dass die Fachbezeichnung „Betriebswirtschaftslehre“ schon deshalb zu eng sei, weil „… Betriebe an sich überhaupt keine wirtschaftlichen Größen sind, dass sie im eigentlichen Sinne gar nicht wirtschaften. Vielmehr wird mit ihnen gewirtschaftet: sie sind Objekt, aber nicht Subjekt irgendeiner Wirtschaft. Sie sind rein technische Institutionen und 308 Albrecht Daniel Thaer, Grundsätze der rationellen Landwirthschaft, 1. und 2. Band, Berlin 1809, S. 3f. 309 Vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaften, München/Wien 2001, S. 306ff. 310 Vgl. Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 47, Fn. 1. 311 Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, S. 32. 312 Ebenda, S. 32.

156

Überblick

6.1

bedürfen einer übergeordneten Instanz, einer wirtschaftlichen Idee, der sie eingegliedert werden müssen, damit man sie als Wirtschaftseinheiten ansprechen kann.“

313

Abbildung 39

Gegenstand der Privatwirtschaftslehre nach Rieger, 1928

Einzelwirtschaft Verbrauchswirtschaft ("Haushalt")

(private) Erwerbswirtschaft

Geldwirtschaft nicht risikotragend

Naturalwirtschaft risikotragend

auf Gewinnerzielung ausgerichtet: Unternehmung

nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet

Mit der Charakterisierung der „auf Gewinnerzielung“ ausgerichteten Unternehmungen wird das Wertfreiheitsproblem berührt (Abschnitt 2.2.4). Die Ablehnung des Begriffs „Privatwirtschaftslehre“ wird nämlich darin gesehen, dass man deutlich zu erkennen geben wollte, von einer „Profitlehre“ abzurücken. Eine umfangreiche Auseinandersetzung widmet sich deshalb der Frage, ob die Gewinnorientierung normativ oder deskriptiv zu verstehen sei. Selbst die ethischen Aspekte, die bei Thomas von Aquin, Martin Luther und Paul Jacob Marperger schon eine Rolle spielten, werden hier wieder aufgegriffen. Ein umfangreicher Auszug soll die Positionen von Wilhelm Rieger verdeutlichen:

314

„Daß die Privatwirtschaftslehre die Unternehmung in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt, dass sie ferner zugibt, dass der Unternehmer nach Gewinn streben muß, und dass sie endlich die Unmöglichkeit bekennt, ihm dabei Grenzen zu setzen, hat ihr den Vorwurf eingetragen, dass sie eine Profitlehre sei: Privatwirtschaftslehre ist die Lehre von der Kunst

313 Ebenda, S. 32. 314 Ebenda, S. 72ff.

157

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

(sic! K.B.), wie man Gewinne macht. Die Privatwirtschaftslehre … hat zu zeigen, was eine Unternehmung ist, was dort vorgeht. … Keineswegs ist es das Gewinnstreben an sich, was die Unternehmung für uns so interessant macht, sondern die Tatsache, dass wir in ihr ein höchst wichtiges und charakteristisches Glied der arbeitsteiligen Wirtschaft vor uns haben … Wenn nun in der Unternehmung nach Gewinn gestrebt wird, so muß die Privatwirtschaftslehre dies sagen, sie ginge ja sonst am Leben vorbei … Denn um des Ertrags willen – so behaupten wir - werden die Unternehmungen gegründet und nach dem Ertrag müssen sie in ihrer Führung ausgerichtet werden, wenn anders sie bestehen wollen. Ob die Privatwirtschaftslehre damit ihre Jünger zum Gewinnmachen ertüchtigt, erscheint trotzdem recht zweifelhaft. Was sie will, ist jedenfalls ein anderes: sie versucht, Erkenntnis zu vermitteln über das, was wir Wirtschaft nennen; sie will nicht Anleitung und Rezept zum praktischen Handeln geben; sie will auch nicht Wirtschaftsführer oder Unternehmer ausbilden, überläßt es vielmehr ganz dem Studierenden, was er mit der gewonnenen Einsicht in das Wirtschaftsleben anfangen will. Es ist ganz und gar nicht ausgeschlossenen, dass angehende Vertreter von Arbeitgebern ebenso zu ihren Füßen sitzen wie zukünftige Gewerkschaftsführer. …Aber die Privatwirtschaftslehre ist hier in einer äußerst günstigen Position (im Vergleich zu den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre, K.B.). Da sie nur beabsichtigt, eine Beschreibung unserer Wirtschaft zu geben … kann sie über alles, auch über das Profitstreben, mit völliger Harmlosigkeit und Unbefangenheit sprechen. Es wird ja niemandem der Rat erteilt, Unternehmer zu werden und nach Gewinn zustreben …Wenn sich aus den dargelegten Gründen die Privatwirtschaftslehre frei weiß von dem Verdacht des Profitstrebens, so scheint es doch angebracht, die Frage aufzuwerfen, warum denn das Gewinnstreben vielfach als etwas Entehrendes angesehen wird, und zwar gerade beim Kaufmann. Bei anderen Berufen ist man merkwürdigerweise nicht so empfindlich. Niemand wirft es einem Künstler vor, obwohl es dort fast noch befremdlicher ist, sieht man es als eine Selbstverständlichkeit an, dass die Prominenten recht ansehnliche Gagen beziehen und auch gelegentlich wacker darum kämpfen. Auch findet man es ganz in Ordnung, dass ein bedeutender Arzt, ein vielbeschäftigter Anwalt hohe Einkünfte beziehen. Woher diese andere Einstellung gegenüber dem Unternehmer? Ja, wendet man ein, jene verdienen es durch angestrengte Arbeit. – Schön, und der Kaufmann? – Da drängen sich unwillkürlich die Vorstellungen von mühelosen Spekulationsgewinnen, von unlauteren Manipulationen und Kniffen aller Art auf: er macht Profit und beutet seine Volksgenossen aus. Endlich muß noch die Vorstellung bekämpft werden, als ob das Streben

158

Überblick

6.1

nach Gewinn keinen Raum ließe für redliches Handeln …“

Abbildung 40

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Wilhelm Rieger (1878 – 1971)

Es wird hier deutlich, dass es Wilhelm Rieger um eine Theorie der Unternehmung geht. Wenn hierbei an einigen Stellen durch das Wort „muß“ im Zusammenhang mit dem Ziel der Gewinnerzielung eine Norm vorgegeben scheint, so ist dabei auf die „geordnete Reihe“ zu achten: die Unternehmung ist in eine wettbewerbliche Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft gestellt. Risikoübernahme erzwingt die Anlage von Sicherheitsreserven und bei Annäherung an perfekte Märkte ist ohnehin der Gewinn von Null nur dann zu sichern, wenn die Gewinnmaximierung angestrebt wird. Die Frage nach einer Exzesse kontrollierenden Wirtschaftsordnung ist Rieger sicher bewusst, aber noch nicht im Sinne einer „sozialen Marktwirtschaft“ beantwortet. Ganz deutlich wird wenig später auch herausgearbeitet, dass es keine Lehre eines „objektiven“ Rezepts zur Gewinnmaximierung geben könne, weil viele Unternehmen es aufgreifen könnten und dann die Gewinne wegkonkurriert würden. Auch hier steht die Vorstellung der wettbewerblichen Marktordnung im Hintergrund.

159

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass der Gegner in der Auseinan315 dersetzung nicht nur der Marxismus oder Sozialismus ist , sondern auch Schmalenbach (Abbildung 41). Letzteres ergibt sich explizit, sowie implizit aus dem fein eingestreuten Begriff der „Kunst“ im obigen Text. Dessen Konzept der „gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit“ fällt in vollkommenen Märkten notwendig auf die Gewinnmaximierung zurück. Darüber hinaus gibt es den „Idealisten“ und den „Realisten“ in Schmalenbach, der den nut316 zenmaximierenden Unternehmer im Blick hat. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg lernt man den wertfrei argumentierenden Schmalenbach kennen: „Zweifellos geht es den meisten Kaufleuten, wenn sie eine Gewinnrechnung aufmachen, darum zu wissen, was sie verdient haben. Das ist begreiflich und nicht zu tadeln; in der freien Wirtschaft ist es ein Pfeiler der Wirtschaftsorganisation. Aber uns interessiert dies nicht. Der für uns wesentliche Zweck der kaufmännischen Gewinnrechnung ist die Nötigung, den Erfolg des kaufmännischen Betriebes zum Zwecke richtiger Betriebssteuerung festzu-

stellen.“317 Das ist ein großer Unterschied zum „Betriebswirtschaftler dieser Richtung … als Staatswirtschaftler“, den „der Betrieb als privatwirtschaftliche Erwerbsanstalt“ im Jahre 1931 nach eigenem Bekunden nicht fesselt.318 Wie gut auch immer die Argumente Riegers sein mögen: das Ergebnis der Auseinandersetzung ist, dass die Disziplin den Namen „Betriebswirtschaftslehre“ angenommen und in der Folge geführt hat. Dazu trug bei, dass die Handelshochschule in Köln unter Schmalenbachs Einfluss diese Bezeichnung wählte. Die Beschränkung der Benennung der jungen Disziplin auf Handelsbetriebe in einer zunehmend industrialisierten Welt erschien zu eng. Eine Interpretation des Begriffs im Sinne Theorie des Handelns auf der 319 Grundlage rationaler Entscheidungen gelingt auch nicht. Auch „Einzelwirtschaftslehre“ bot keine akzeptierte Alternative. Die Erbitterung, mit der die Kontroverse um die Fachbenennung geführt wurde, ist auch daran zu erkennen, dass Wilhelm Rieger die Aufnahme in den „Verband der Dozenten an deutschen Handelshochschulen“ verweigert wird und er die ihm 1957 angetragene Ehrenmitgliedschaft der Nachfolgeorganisation zunächst ab-

315 Das wird in der feinen Anspielung Riegers deutlich, man könne mit es gleicher Gelassenheit beschreiben, „wenn wir einmal zu einer veredelten“ solchen Form „übergegangen“ seien (ebenda, S. 73). Die Auseinandersetzung richtet sich auch gegen sogenannte „Kathedersozialisten“. Lujo Brentano, Privatwirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre, Bankarchiv, 1912/1913, 12/S. 1-6 316 Günter Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, Entwicklungstendenzen der Gegenwart, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A., Stuttgart 1974, Sp. 710-747, hier Sp. 714. 317 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 10.A., Bremen-Horn et al. 1948, S. 14f. 318 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 5.A., Leipzig 1931, S. 94f. 319 Diese Idee hat Helmut Koch entwickelt: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vom Handeln, Tübingen 1975.

160

Überblick

6.1

lehnt.320 Der Name „Betriebswirtschaftslehre“ hat Geschichte321 und eröffnete leichter als „Privatwirtschaftslehre“ den Zugang zur Politikberatung.

Abbildung 41

Professor Dr.Dr. h. c. mult. Eugen Schmalenbach (1873 – 1955)

Nicht nur die Benennung einer Disziplin hat Signalcharakter. Auch die Entwicklung einer disziplinspezifischen Sprache trägt zu ihrem Selbstverständnis bei. Beispielsweise sind die bei Schmalenbach entwickelten Definitionen und Unterscheidungen von Kosten, Ausgabe und Aufwand einerseits sowie Leistung, Einnahme und Ertrag andererseits322 für die Entwicklung des Rechnungswesens von hoher Bedeutung. Wegen der hervortretenden Be320 Wilhelm Hasenack, Wilhelm Rieger, der Schöpfer einer geschlossenen ‚Privatwirtschaftslehre’, 80 Jahre alt, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1958, S. 129 – 142. 321 Eduard Baumstark, Kameralistische Encyclopädie, Heidelberg/Leipzig 1835, S. 39. 322 Eugen Schmalenbach, Kostenrechnung und Preispolitik, 8.A., Köln/Opladen 1963, S. 6ff. Dort wird auch auf die historischen Entwicklungsschritte der Begriffe kurz hingewiesen.

161

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

deutung des Rechnungswesens in den ersten Jahren der wissenschaftlichen Entwicklung der Disziplin gilt dies darüber hinaus auch für diese selbst. Der 323

in den Anfangsjahren noch verwendete Begriff der „Unkosten“ wird dabei überwunden. Zusammensetzungen wie der noch täglich außerhalb der Fachliteratur anzutreffende Ausdruck „Kostenaufwand“ kommen erst gar nicht vor.

6.1.7

Schwerpunkte betriebswirtschaftlichen Publizierens bis 1933

Die Hinweise von Erich Gutenberg, mit welchen Themen die Betriebswirtschaftslehre in der hier betrachteten Zeit „zu sich selbst gefunden“ habe, sind von deutlich erkennbar exemplarischem Charakter. Einer der Wege zu einem Überblick über die Schwerpunkte der Forschung, deren Ergebnisse sich in der Regel in Publikationen niederschlagen, führt zur quantitativen Auswertung der Aufsatztitel in Fachzeitschriften. Auch das ist nur ein Indiz. Es werden nämlich darüber hinaus Forschungsergebnisse in Monographien festgehalten. Das wird früher sogar mehr ins Gewicht gefallen sein als heute. Heute nämlich ist die Veröffentlichung von Aufsätzen vermutlich bedeutsamer zur Verbreitung wissenschaftlicher Ideen als früher. Dies mag einerseits mit der der Veröffentlichung in den respektierten Zeitschriften vorangehenden Prüfung durch „peers“ zusammenhängen und andererseits mit der zumindest vermuteten größeren Schnelligkeit neue Erkenntnisse im Wettbewerb der Ideen durch Aufsätze zu präsentieren. Die Titel können außerdem missweisend sein. Die Auswahl der Fachzeitschriften kann außerdem zu einem systematischen Fehler führen. Dieser ist allerdings in der Frühzeit der Entwicklung weniger zu befürchten als später, als die Disziplin stark aufgespaltet ist. Trotz solcher Vorbehalte werfen wir einen Blick auf die in der „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung“ seit ihrer Grün324 dung bis einschließlich 1932 erschienenen Beiträge. Die Sachgebietsgliederung der Zeitschrift wird hier nach neuerem Verständnis umgestellt. Nicht erfasst werden 208 Beiträge, die sich spezifischen Branchenproblemen widmen. Sie berühren dabei aber Funktionsbereiche, die im Folgenden aufgeführt sind. So verbleiben 654 Beiträge.

323 Georg Obst, Kaufmännische Betriebslehre, in: ders., Hrsg., Das Buch des Kaufmanns, Bd. II, Stuttgart 1928, hier S. 120ff.; Eugen Schmalenbach, Unkostenbücher, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1913, S. 156. 324 Sonderhefte bleiben unberücksichtigt. Die Auswertung beruht auf den Angaben der Zeitschrift im Jahre 1935. Ausgeschlossen sind durch die Redaktion „unbedeutende“ oder frühere Fassungen später aktualisierter Beiträge.

162

Überblick

Schwerpunkte betriebswirtschaftlichen Publizierens in der ZfhF bis 1932 Gebiet

Tabelle 2 Anteil (%)

Rechnungswesen und Schriftenverwaltung Finanzen ( einschl. Kapitalwirtschaft, Kreditschutz, Geld- und Kapitalverkehr) Materialwirtschaft und Logistik (Lagerung, Versand, Verkehrstechnik) Personalwirtschaft (einschl. Lohnfindung) Revisions- und Treuhandwesen Grundlagen und Allgemeine Fragen (auch Geschichte, ohne Geschichte des Rechnungswesens) Absatzwirtschaft (Propaganda, Preisstellung, Geschäftsbedingungen) Organisation (Gesamtordnung des Betriebs) Investition (Anlagenwirtschaft) Sonstiges (z.B. Nachrichtenverkehr) Summe (mit Rundungsfehler)

46,4 29,5 8,7 3,7 2,8 2,6 2,5 0,6 0,5 3,2 100,5

Sofort fällt auf, dass „Rechnungswesen und Schriftenverwaltung“ mit – hier nicht erwähnten - 14 Unterpunkten den größten Raum einnimmt. Tatsächlich sind diesem Gebiet 46 % aller Beiträge zuzuordnen. Es stellt den Schwerpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung dieser Zeit dar. Der Bereich umfasst zunächst die Diskussion der verschiedenen Bilanztheorien. Dabei ist der Zweck der Bilanz (Vermögensübersicht oder Gewinnermittlung?) ebenso in der Diskussion wie die unterschiedlichen Bewertungsmethoden für Aktiva und Passiva. Daraus wurde oben schon im Anschluss an Gutenberg hingewiesen. Der Bereich umfasst aber auch die Kostenrechnung als Grundlage der Kalkulation sowie die Kostentheorie. In deren Rahmen wird nicht nur das Problem der Kosteneinflussgrößen aufgegriffen, sondern auch die Bedeutung der fixen Kosten herausgearbeitet. Das führt bis zu der pessimistischen Sicht, aus zunehmenden Fixkostenanteilen an den Gesamtkosten (die trotz anderer Erfahrungen mit verschiedenen Formen des technischen Fortschritts als gegeben angenommen werden) auf eine angeblich notwendige Entwicklung zu einer Planwirtschaft zu schließen.

6.1

325

325 Eugen Schmalenbach, Die Betriebswirtschaftslehre an der Schwelle der neuen Wirtschaftsverfassung, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 25. Jg., 1928, S. 241-251. Eine knappe Kritik formuliert: Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A:, 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 143f.

163

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Der Bereich der Kapitalwirtschaft der Unternehmen ist am zweithäufigsten zum Gegenstand von Veröffentlichungen geworden. Das ist nicht weiter erstaunlich, wenn man an die Problemstellungen der fraglichen Zeitperiode denkt. Erstaunlich sind einerseits eher die vergleichsweise hohe Bedeutung von inner- und außerbetrieblichen Logistikthemen sowie andererseits die geringe Häufigkeit von Absatzfragen, Organisationsproblemen (vgl. dazu Abschnitt 6.1.9) und Investitionsfragen. Bei letzteren ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Behandlung von Abschreibungen dem Rechnungswesen zugewiesen sind. Am Beispiel der „Absatzwirtschaft“ ist zu erkennen, dass in der Disziplin eine größere Vielfalt von Beiträgen erarbeitet wird als in der Zusammenstellung der Häufigkeiten von Zeitschriftenbeiträgen erkennbar ist. Allerdings sind dies weniger wissenschaftliche als praktische Beiträge. Schon 1913 wird in einem an Praktiker gerichteten Unterrichtswerk festgestellt, dass Absatz von „Bedürfnissen, Mitteln und Meinung der Käufer“ abhänge; der Kauf326 mann müsse es verstehen „Kunden zu gewinnen und festzuhalten“. In der Praxis wurde auch die Funktion der Marke schon gut verstanden. Die Wissenschaft zieht nach. Unter dem Einfluss von Heinrich Nicklisch war 1914 an der Handelshochschule Mannheim eine werbewissenschaftliche Abteilung errichtet worden; nach seinem Wechsel an die Handelshochschule Berlin wurde dort ein entsprechendes Lehr- und Forschungsprogramm initiiert. Der Assistent Nicklischs, Rudolf Seyffert (1893 – 1971), wurde mit 327 gleicher Intention an der Universität Köln tätig. Einzelhandel und Agrarwirtschaft hatten bis zum Beginn des Nationalsozialismus staunenswerte Marketingleistungen hervorgebracht, die durch Marktforschung und syste-

matisierende Ansätze unterstützt wurden.328 „Die Nachfrage nach wissenschaftlicher Ableitung“ von Marketing-Wissen wird sowohl auf Prosperitäts- als auch auf Krisenerfahrungen, auf komplexeres Käuferverhalten und auf technische Entwicklungen, die sich vor allem in der Marktforschung

326 Tony Kellen, Kaufmännische Propaganda, in: Georg Obst, Hrsg., Das Buch des Kaufmanns. Ein Hand- und Lehrbuch der gesamten Handelswissenschaft, Bd. 1, 4.A., Leipzig 1913, S. 305-313, hier S. 305. 327 Robert Nieschlag, Die Werbung in Forschung und Lehre an deutschsprachigen Hochschulen, in: Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft, Hrsg., Werbung als Forschungsgebiet und Lehrfach an Hochschulen, Köln 1967, S. 53-64, hier S. 62; Claudia Regnery, Deutsche Werbeforschung 1900-1945, Münster 2003. 328 Vgl. Uwe Spiekermann, „Der Konsument muß erobert werden.“ Agrar- und Handelsmarketing in Deutschland während der 1920er und 1930er Jahre, in: Hartmut Berghoff, Hrsg., Marketing-Geschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt 2007, S. 123-147. Erich Schäfer, Grundlagen der Marktbeobachtung, Nürnberg 1928.

164

Überblick

auswirken, zurückgeführt.329 Dieser Nachfrage wird schon in der hier betrachteten Periode entsprochen. Schließlich darf vorausblickend auf das 1940 erschienene „Handbuch der Verbrauchsforschung“ verwiesen werden. In ihm wird nicht nur der Stand der Marktforschung referiert, sondern auch das Verständnis des Güternutzens explizit über seine physischen Bestandteile 330 hinaus auf sozio-psychische Elemente erweitert. Auch die Notwendigkeit der Marktsegmentierung wird bereits gesehen. Horst Kliemann (1896-1965), der publizistisch außerordentlich rege tätige Verlagsdirektor (und spätere geschäftsführende Gesellschafter des Oldenbourg-Verlages) schlägt die Bildung von Käuferschichten nach sozio-demographischen Merkmalen oder nach Freizeitinteressen vor. Auf solche Schichten habe sich dann die Wer-

bung auszurichten.

331

Mit diesen Hinweisen wird einer der Ansätze einer funktionalen Spezialisierung der Betriebswirtschaftslehre erwähnt. Zeitlich nahezu parallel werden Branchenspezialisierungen entwickelt. Beispielsweise entstehen Werke zur 332

Industriebetriebslehre,

zur Bankbetriebslehre333 oder zur Handelsbetriebs-

lehre.334 Die Themengebiete der Forschung werden in methodischer Hinsicht auf unterschiedliche Weise behandelt. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass drei unterschiedliche Auffassungen in dieser Hinsicht zu unterscheiden sind: normativ-wertend, empirisch-realistisch und theoretisch. Für die erste Auffassung steht Heinrich Nicklisch, für die zweite Eugen Schmalenbach und für die dritte Wilhelm Rieger. Das sind hier bereits bekannte Namen. Natürlich sind um sie weitere Wissenschaftler als Anhänger derselben Methodik oder auch als Schüler gruppiert. Tatsächlich bilden sich „Schulen“,

329 Hartmut Berghoff, Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument – Managementphilosophie – universelle Sozialtechnik, in: Hartmut Berghoff, Hrsg., Marketing-Geschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt 2007, S. 11-60, hier S. 37ff. 330 Wilhelm Vershofen, Handbuch der Verbrauchsforschung, Bd. 1, Berlin 1940. 331 Horst Kliemann, Wie und wo erfasse ich Käuferschichten? Einteilung der Käufermassen in Interessenschichten als Grundlage des Verkaufs- und Produktionsplanes, Berlin/Leipzig 1928. 332 Zum Beispiel: Albert Calmes, Der Fabrikbetrieb, 7.A., Leipzig 1922; Enno Heidebroek, Industriebetriebslehre, Berlin 1923; Alfred Isaac, Der Industriebetrieb, Leipzig 1930. 333 Zum Beispiel: Ernst Walb, Die Weiterbildung der Betriebslehre der Banken, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 9. Jg., 1914/1915, S. 179-186; Heinrich Sommerfeld, Die Technik des börsenmäßigen Termingeschäfts, Berlin 1923; Wilhelm Hasenack, Betriebskalkulation im Bankgewerbe, Berlin 1925. 334 Zum Beispiel für einen bedeutenden Vorläufer: Josef Hellauer, System der Welthandelslehre, Berlin 1910.

165

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

sei dies durch ihre führenden Köpfe gewollt oder auch ungewollt auf Grund übereinstimmender Überzeugungen. Wissenschaftliche Betreuung führt aber nicht immer zu übereinstimmenden methodischen Haltungen. Das sieht man schnell, wenn man sich vor Augen führt, dass sowohl Fritz Schmidt als auch Heinrich Nicklisch zu Richard Lambert (1846-1926) in 335

einem Betreuungsverhältnis standen.

In den Forschungsansätzen wird explizit oder implizit auf Vorgehensweisen zurückgegriffen, die im vorausgehenden Jahrhundert zur Perfektion entwickelt worden waren. Die Deduktion und die isolierende Abstraktion leiten beispielsweise die Überlegungen Gutenbergs in seiner Habilitationsschrift.336 Es wird angenommen, dass von der Organisation des Unternehmens keine Wirkungen auf das betrachtete Erkenntnisobjekt ausgehen:337

„Die Unternehmung als Objekt betriebswirtschaftlicher Theorie kann also nicht unmittelbar die empirische Unternehmung sein. Es muß für die die Annahme gemacht werden, dass die Organisation der Unternehmung vollkommen funktioniert. Durch diese Annahme wird die Organisation als Quelle eigener Probleme ausgeschaltet und soweit aus ihrer wissenschaftlich und praktisch bedeutsamen Stellung entfernt, dass aus ihr keine Schwierigkeiten mehr für die theoretischen Gedankengänge entstehen können. Die Annahme einer solchen eingestimmten, den reibungslosen Vollzug der betriebswirtschaftlichen Grundprozesse gewährleistenden Organisation bedeutet nicht eine Negation, sondern lediglich eine Neutralisierung der Probleme der Organisation.“

Ausdrücklich verweist Gutenberg darauf, dass er in seinen Überlegungen durch von Thünen, das durch Schumpeters Schriften ihm vermittelte walrasianische Denken (worin u.a. mit Hilfe linearer Gleichungssysteme ein wirtschaftliches Gleichgewicht abgeleitet wird) und Schmalenbach beeinflusst worden sei. Die Betrachtung des Unternehmens als „soziales System“ sei 338

eine Alternative zu dem von ihm vorgestellten Ansatz.

335 Einige Prominenten-Stammbäume zeigen: Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, Köln 1992, S.100ff. 336 Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Berlin/Wien 1929 337 Ebenda, S. 26. 338 Horst Albach, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von Erich Gutenberg. Aus dem Nachlass. Berlin et al. 1989, S. 29-43, 48f.

166

Überblick

Die Betriebswirtschaftslehre hat zur behandelten Zeit auch aufgrund ihrer Forschung Wirkung im Ausland entfaltet (vgl. Abschnitt 6.1.9). Sie wurde als „sehr ‚wissenschaftlich’ fundiert, analytisch tief, empfunden…“339 Vor allem in St. Gallen und in den skandinavischen Ländern waren in Deutschland ausgebildete Betriebswirte beim Aufbau des Faches tätig. In Japan und den USA wurden ebenfalls, wenn auch nicht in gleicher Häufigkeit, Impulse 340

durch Betriebswirte mit Ausbildung in Deutschland gegeben.

6.1.8

Betriebswirtschaftslehre in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft

Dem hier betrachteten Zeitabschnitt wird der 30. Januar 1933 als Beginn und der 8. Mai 1945 als Ende zugewiesen. Die Einflussnahme des Nationalsozialismus auf die Disziplin steht im Mittelpunkt. Diese hat sowohl eine personelle als auch eine inhaltliche Dimension. (1) Die personelle Dimension ist einmal im Rückzug von der Lehrtätigkeit, ihrer Unterbindung, der Auswanderung und der Flucht aus deutschem Herrschaftsgebiet, in Mord oder Veranlassung zum Suizid oder anderer Formen der Verfolgung zu erkennen.341 Der Grund dafür ist regelmäßig

339 Eduard Gaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „Internationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich (1933-1945)“ in Michael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung und Institution, Wiesbaden 2005, S. 449-480). 340 Kurze Darstellungen, die allerdings nur vereinzelt auf deutschen Einfluss eingehen, geben: Hanns Martin Schoenfeld, Betriebswirtschaftslehre im angloamerikanischen Raum, Sp. 747-759; Erich Loitlsberger, Betriebswirtschaftslehre im deutschsprachigen Ausland, Sp. 759-767; Louis Perridon, Betriebswirtschaftslehre im niederländischen Raum, Sp. 767-772; Sven-Åke Nilsson, Betriebswirtschaftslehre im nordeuropäischen Raum, Sp. 772-779; Andreas Schranz, Betriebswirtschaftslehre im osteuropäischen Raum, SP. 779-787; Louis Perridon, Betriebswirtschaftslehre im romanischen Raum: Frankreich, Sp. 787-792; Egidio Gianessi, Betriebswirtschaftslehre im romanischen Raum: Italien, Sp. 792-802; Toshiyoshi Shimizu, Betriebswirtschaftslehre in Japan, Sp. 802-808; alle in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A., Stuttgart 1977. Horst Albach, Ernst Walb – den förste professoren i handelsteknik, S. 49-66; ders., Walter Mahlberg – den förste företags-ekonomiprofessoren i Göteborg, S. 87-107 in: Lars Engwall, Företg ngare inom företagsekonomin, Stockholm 1995. 341 Dies ist u.a. auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 zurückzuführen. Die detailreichste Schilderung der Verhältnisse an deutschen Universitäten und der Lebensverläufe der Dozenten gibt: Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personenge-

167

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

darin zu sehen, dass der Betroffene Jude ist oder jüdische Verwandtschaft 342 hat. Zum anderen liegt die personelle Dimension in der Verweigerung einer Unterstützung des Nationalsozialismus, der teilweise lange heraus gezögerten und nur formalen Unterstützung der Staatsideologie oder der oft idealistisch geprägten, unterschiedlich stark erscheinenden Unterstützung. Ab 1939 war die formale Unterstützung der Staatsideologie notwendig, weil nach einer Verordnung vom 28. Februar 1939 für die Einstellung eines Beamten die Mitgliedschaft in der Partei oder einer ihrer Gliederungen ver343

bindlich war.

Es wurde gezeigt, dass von 26 deutschen oder in Deutschland geborenen Betriebswirten mit Tätigkeiten im Ausland 13 (unter Einschluss von zwei Zweifelsfällen) zur Emigration gezwungen wurden. Von den verbleibenden waren wenigstens 5 bereits vor 1933 im Ausland tätig geworden und 7 zog es an Hochschulen in von Deutschland besetzten Gebieten. Von den zwangsweise emigrierten kehrten drei nach dem Kriege nach Deutschland 344

zurück. Auslandskontakte verbliebener deutscher Betriebswirte bestanden zwar, waren aber vergleichsweise spärlich, „…da die meisten deutschen Betriebswirte die – durch nationalsozialistische Stellen ohnehin stark beschränkten bzw. instrumentalisierten – Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung gestanden hätten, nicht nutzten. Eine sich schon vor 1933 abzeichnende Tendenz wurde im Dritten Reich verstärkt: Die Entwicklung der deutschen BWL war bis 1945 weitgehend isoliert von internationalen theore345

tischen Einflüssen.“

schichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NS-Regimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008. Der Autor berichtet von einem Mord, drei Suizid-Fällen, 11 Emigrierten, 6 Entlassungen oder ähnliche Vorgänge und wenigstens 14 verzögerten oder verhinderten Karrieren von Hochschullehrern. Vgl. auch: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 218ff. 342 Eugen Schmalenbach stellt deshalb den per 1. Oktober 1933 wirksam werdenden Antrag auf Emeritierung aus Altersgründen, weil er sich von seiner jüdischen Frau nicht trennen will: Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus (1933-1945) bei politischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hier S. 105. 343 Ebenda, S. 90. 344 Eduard Gaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „Internationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich (1933-1945) in Michael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung und Institution, Wiesbaden 2005, S. 449-480), S. 8f. 345 Ebenda, S. 37f.

168

Überblick

Die im Amt verbliebenen Hochschullehrer haben sich in ihren Veröffentlichungen teils systemunterstützend, teils systemneutral und teils systemun346

abhängig verhalten. Als Beispiel für eine idealistische Unterstützung des Nationalsozialismus wird hier auf Heinrich Nicklisch verwiesen. Auf dessen Verdienste um die Betriebswirtschaftslehre wurde bereits mehrfach hingewiesen, auch auf seine idealistische, werturteilsbeladene Position. Sein spä347

ter Eintritt in die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ ist ein weiteres Indiz dafür, dass Nicklisch kaum zu den entschiedenen Vorkämpfern ihrer Politik zu zählen ist. Gerade deshalb sind seine Äußerungen über „Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat“ vom Juli 1933 besonders bemerkenswert:348

„Die Betriebswirtschaftslehre hat bisher noch nicht zu erkennen gegeben, in welcher Weise sie an den Aufgaben des neuen Staates mitwirken will. Mit der vorliegenden Nummer unserer Zeitschrift werfen wir deshalb bewusst diese Frage auf. Sie ist ein Appell zur Mitarbeit und gibt zugleich in ihrem einführenden Aufsatz einen Aufriß der vordringlich zu lösenden Aufgaben des Faches … Was unter dieser Überschrift folgt, ist dem Sinne nach ein Aufruf an die Betriebswirtschaftslehre, dem Führer des neuen Deutschland alle ihre Kräfte zur Verfügung zu stellen, die Ziele ihrer Forschung nach den Bedürfnissen der politischen Gestaltung zu setzen und in erster Linie die für diese maßgebenden Zusammenhänge klären zu helfen. Diesen Typ (einen auf Bedarfsdeckung im Rahmen staatlicher Planung gerichteten Unternehmertyp, K.B.) zu verbreiten darf kein frommer

346 Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus (1933-1945) bei politischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hier S. 92 verwendet eine ähnliche Dreiteilung. 347 Hierfür werden 1940 oder 1942 angegeben. Bei Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 95f., werden aufgrund eines Verzeichnisses von 1938 5 NSDAP-Mitglieder und 3 SA-Mitglieder genannt. Hundt knüpft daran die Bemerkung, dass von der Mitgliedschaft nicht immer auf eine „faschistische Einstellung“ geschlossen werden könne, vor allem dann nicht, wenn Mitgliedschaft in der SA „vor weiteren Ergebenheitsbekundungen schützen konnte“. So auch bei: Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NSRegimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 74. 348 Heinrich Nicklisch, Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat, Die Betriebswirtschaft – Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 26. Jg., 1933, S. 173-177.

169

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Wunsch sein, sondern es gilt, an die Arbeit zu gehen und mit allen Kräften an der Bewegung teilzunehmen, die sich die gigantische Erzieheraufgabe gestellt hat (gemeint ist offensichtlich der Staat, K.B.). Gerade den Betriebswirtschaftern, die ja die Verhältnisse in den Betriebsgemeinschaften zu betreuen haben, fällt ein Großteil der zu vollbringenden Leistung zu. Darum an die Arbeit und mit allen Kräften voran!“ …

Mit diesen Worten wird ein mit verschiedenen fachlichen Problemen (auf die noch zu sprechen zu kommen ist) befasster Beitrag eingeleitet und abgeschlossen. Zunächst ist einmal dieser Aufbau interessant, der sich auch in 349

Sodann ist bemerVeröffentlichungen aus anderen Diktaturen findet. kenswert, wie selbstverständlich die „politische Gestaltung“ als normgebend übernommen wird. Abweichungen werden nicht akzeptiert, da „die Betriebswirtschaftslehre“ „alle Kräfte“ verfügbar machen soll. Von Freiheit der Lehre, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in § 5 für das Individuum und seine Einbindung in die Institution als Grundrecht im Rahmen der Verfassung garantiert ist, wird hier natürlich nicht gesprochen. Der letzte Satz im Textbeispiel erinnert an einen anderen Appell: „Der Weg aufwärts! Organisation!“ von Heinrich Nicklisch. (2) Die inhaltliche Dimension, in der sich die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre zeigt, ist nicht einfach zu beschreiben. Zu den 1932 dargelegten wirtschaftspolitischen Parteigrundsätzen zählen: Recht auf Arbeit; Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens; Brechung der Zinsknechtschaft; Verstaatlichung der Trusts; Gewinnbeteiligung; Gemeinnutz geht vor 350 Eigennutz. Solche politischen Grundsätze ergeben aber noch kein widerspruchsfreies System. So ist es auch keine Überraschung, wenn Mantel zu dem Ergebnis kommt: „Alle Versuche, eine nationalsozialistische BWL durchzusetzen, scheiterten letztlich. Nicht die ideologischen Protagonisten der völkischen Betriebsgemeinschaft, sondern zweckrationale Experten

waren gefragt.“

351

Formal wird von einem System der „verpflichteten Wirt-

349 Dies gilt etwa für die DDR. Wolfgang Leonhardt, der in seiner Autobiographie „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ (Köln/Berlin 1955) seine Wandlung vom in der Sowjetunion erzogenen Kommunisten zu einem Gegner des Kommunismus schildert, hat dem Verfasser gegenüber von einer einzuhaltenden Regel für den Aufbau von Aufsätzen gesprochen: Erst die Klassiker des Sozialismus, ergänzt durch führende Beschlüsse auf Parteitagen, dann das Problem und schließlich die Forderung zur Unterstützung der Partei im Sinne der vorgetragenen Problemlösung. 350 Harald Braeutigam, Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, Berlin 1932, S. 1ff. 351 Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NSRegimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 69.

170

Überblick

schaft“ und später einer „kriegsverpflichteten Wirtschaft“ gesprochen.352 Im Unterschied zu einem System wird festgestellt, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen schrittweise entwickeln („emergent“, sich durch Gelegenheit oder Notwendigkeit ergebend) und eine Folge politischer Kompromissentscheidungen sind; unklare, teilweise wider353 sprüchliche Kompetenz- und Weisungsbefugnisse , informelle Abstimmungen und Verhandlungen, Einsatz repräsentativer Macht durch Verweis auf den Willen hierarchisch höher stehender Führer sind an der Tagesord354 nung. Unternehmen sind oft sowohl in ein Kartell als auch in eine Branchenorganisation („Reichsgruppe“) eingebunden. Da der Regelungsfähigkeit von Märkten grundsätzlich kein Vertrauen entgegen gebracht wird, die

Preise mehr und mehr reguliert werden,355 dominiert ein Denken in techni356 schen - oder Mengengrößen über ein wirtschaftliches Denken. Es wird festgestellt, dass der Nationalsozialismus nach „… Überwindung des Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft sowie nach dem Aufbau einer Wehrwirtschaft mit stark planwirtschaftlichen Elementen und einer ökonomischen Autarkie, die die deutsche Wirtschaft aus weltwirtschaftlichen

Abhängigkeiten lösen sollte“ strebte.

357

Damit sei eine Umbruchsituation in

352 Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus (1933-1945) bei politischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hier S. 90, 100, mit Bezug auf die entsprechenden Quellen. 353 Das galt auch innerhalb des politischen Systems. Der Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht „hatte die schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass sich Hitler nicht um die angestammten Kompetenzen seiner Minister kümmerte und den darwinistischen Konkurrenzkampf zwischen Göring und ihm bewusst förderte“: Christian Kopper, Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier, München/Wien 2006, S. 318. 354 Michael von Prollius, Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933-1939, Steuerung durch emergente Organisation und politische Prozesse, Paderborn et al. 2003, S. 78ff. 355 Ebenda, S. 278, mit einem Verweis auf J. Winschuh, Gerüstete Wirtschaft, Berlin 1940. 356 Sehr gut herausgearbeitet wird dies auch am Beispiel des „Volkswagens“, seines wirtschaftlich unrealistischen Konzepts und der Gedankenwelt von Heinz Nordhoff, dem Generaldirektor der Volkswagen GmbH in der Nachkriegszeit: Heidrun Edelmann, Heinz Nordhoff und Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischen Jahrhundert, Göttingen 2003. Vgl. Arthur Schweitzer, Der ursprüngliche Vierjahresplan, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 168, 1956, S. 348-396, bes. S. 351; hier fordert Hitler Erzabbau „ohne Rücksicht auf die Kosten“ nach einem Memorandum von Hjalmar Schacht; Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007, S. 143f. 357 Eduard Gaugler, Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 3; erweiterte Fassung des Beitrags „Internationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich

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6.1

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

der Orientierung der Betriebswirtschaftslehre gegeben gewesen. Zu den eher systemneutral arbeitenden Betriebswirten zählen in dieser Situation dann solche, die das sich ausbreitende Geflecht von Regelungen für das Rechnungswesen oder die Preisbildung zu interpretieren helfen. Die Entwicklung mag dazu beigetragen haben, dass die für den früheren Zeitabschnitt gelegentlich gelobte theoretische Gründung der Betriebswirtschaftslehre und ihre analytische Tiefe verloren gehen. (Ob durch diese 358

Eigenschaften die Emigranten wirklich behindert waren, wie Mantel meint, oder es ihnen zu einem Vorteil verhalf, müsste näher geprüft werden. Die starke Bindung des Rechnungswesens an die Rechtslage könnte hier eher ausschlaggebend gewesen sein.) Die fachlichen Ausführungen werden bei einzelnen Betriebswirten verwirrend, vielleicht darf man sie sogar als wirr bezeichnen. Als Beispiel kommen wir auf den schon eben zitierten Aufsatz von Nicklisch zurück. Zunächst wird hier das Problem der Lohnfindung (Leistungslohn oder Zeitlohn) bei hoher Arbeitslosigkeit behan359

delt:

„Was uns hilft, kann nur die Arbeit nach dem Grundsatz: ‚Jeder leiste sein Bestes’ sein. Das ist eine Unterstreichung des Leistungsprinzips. Dazu gehört auch für jede Leistung der gerechte Lohn. Es ist der, bei dem berücksichtigt ist, dass der Leistende Glied eines Ganzen ist, das gedeihen muß, wenn er leisten und leben können soll. Hier klingt die Forderung der Pflege des gemeinen Nutzens auf. Für den einzelnen Leistenden geht diese aber über ein gerechtes Verhältnis zwischen Lohn und Leistung noch hinaus: Er muß für das Ganze ein Übriges tun können; er muß bereit sein, auch ohne Gegenwert zu leisten; er muß diese Hingabe bis zum Opfer steigern können. Das Ganze aber muß, wenn es bestehen will, die Leistungen immer anerkennen; es muß immer bereit sein, die Taten seiner Angehörigen nach ihrem Wert zu belohnen. Es darf sich nie davon freimachen, das Leistungsprinzip im Verhältnis zu seinen Gliedern anzuwenden, wenn es vorwärts will. Gilt das auch vor allem im Verhältnis des einzelnen zu Nation und Staat, so doch entsprechend auch für jedes Ganze und seine Glieder (1933-1945), in Michael-Jörg Oesterle, Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung und Institution, Wiesbaden 2005, S. 449-480). 358 Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NSRegimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 448. 359 Heinrich Nicklisch, Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat, Die Betriebswirtschaft – Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 26. Jg., 1933, S. 173-177, hier S. 173f.

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Überblick

innerhalb dieser. Auch für die Betriebe bedeutet es noch eine Verstärkung der Betonung des Leistungsprinzips … und zwar in dem Sinne, dass es, vom Ganzen her gesehen, den gerechten Lohn einschließt. Dieser aber ist der Leistungslohn auf einwandfreier Grundlage. Dieses Lohnsystem hindert nicht, den Nöten der Arbeitslosen entgegenzukommen. Wie bekannt, ist es auf dem Wege der Kurzarbeit auch geschehen …“

Dass hier tatsächlich ein Weg zu einer „einwandfreien Grundlage“ der Lohnfindung eröffnet würde, kann wirklich nicht behauptet werden. Mittelalterliche Ideen vom „gerechten Preis“ verbinden sich widerspruchsvoll mit dem Wunsch nach Produktivitätssteigerung. Noch wirrer wird die Argumentation, wenn für Arbeitsdienstlager „wegen der Beschränktheit der Mittel“ der Zeitlohn gefordert wird, obwohl der Akkordlohn möglich wä360 re. Sollte man daraus lesen, dass in Unternehmen die Mittel unbeschränkt seien? Für Märkte und ihr Wirken ist durchgängig kein Verständnis zu erkennen.

Das wird auch deutlich, wenn sich Nicklisch in seinem Aufsatz auf der Grundlage seines Modells der Wertumläufe in der Wirtschaft der Gestaltung der Wirtschaftsordnung und insbesondere dem Problem der Kartelle zuwendet. Rationalisierung allein reiche für den wirtschaftlichen Fortschritt nicht aus. Vielmehr komme es auf „das Stimmen der Wirtschaft“ an, gegebenenfalls durch Eingriffe in die Wertumläufe. Klein- und Mittelbetriebe würden die Abstimmungen zwischen Angebot und Nachfrage besser bewirken als Großunternehmen. Deshalb komme es zu Konjunkturschwankungen, woraus Kartelle oder ähnliche Verbände entstehen würden. Diese schränkten aber „die Unübersichtlichkeit der Marktbeziehungen zu ihrem Vorteil ein“. Das hänge „immer – auch dort wo es nicht ausgesprochen wird – mit Planung zusammen.“ Betriebswirte sollten sich mit diesem Thema beschäftigen, sowohl methodisch als auch mit der Materie selbst: „An’s Ziel 361

muß er!“ Dem folgen nun wieder merkwürdige Sätze:

„Es lässt sich schon jetzt erkennen, dass die deutsche Wirtschaft der Zukunft keine Planwirtschaft mit Anordnung und Vollzug im russischen Sinne sein wird, sondern – unter Rückbildung der Konzerne und Einschaltung der Mittel- und Kleinbetriebe – eine geplante Wirtschaft mit scharf kontrollierten Richtzahlen, in der die Anpassung und das Stimmen von der 360 Ebenda, S. 174. 361 Ebenda, S. 176.

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

geistigen Mitarbeit jedes einzelnen … abhängt. Sie gilt es schaffen zu helfen. Sie (die Kartelle, K.B.) verdanken ihr Dasein und die Bedeutung, die sie erlangt haben, der Unübersichtlichkeit der freien arbeitsteiligen Wirtschaft und am Mangel an ausreichender Einordnung der einzelnen Wirtschaftenden. … Die Schwierigkeiten, aus denen die Kartelle entstanden sind, ergaben sich daraus, dass jeder drauflos wirtschaftete, als wenn er, er allein, das Ganze wäre. Entscheidende normative Zusammenhänge wurden in den Wind geschlagen … Hier ist eine vollkommene geistige Umstellung nötig, die den einzelnen befähigt, die normativen Zusammenhänge zu achten und sich so, wie der Verlauf es erfordert, einzugliedern. Sie muß auch das Unternehmertum von innen heraus umbilden: mit einem Geist erfüllen, der nicht mehr so sehr auf den Erwerb als auf die Aufgaben eingestellt ist, die die Wirtschaft als Bedarfsdeckungswirtschaft stellt.“

Dass der Markt Anarchie sei, ist ein frühsozialistischer Gedanke: „De l’anarchie industrielle et scientifique“ ist der Titel eines 1847 in Paris erschienenen Büchleins von Charles Fourier. Das Gedankengut von Adam Smith, wonach Bäcker, Brauer und Fleischer nicht aus Gutmütigkeit („benevolence“), sondern aus Eigennutz handeln 362

(„own interest“) und damit in Kontrolle durch den Wettbewerb dem Ganzen dienen, scheint hier völlig unbekannt. Gerade darin aber liegt der „normative Zusammenhang“ einer Wettbewerbswirtschaft. Wie die Wirtschaftsplanung einzurichten ist, bleibt ebenfalls ungeklärt. Auch wie die Beiträge der einzelnen darin Eingang finden sollen, kann nicht erklärt werden. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Gutenberg bereits sehr klar formuliert hatte: „Ganz allgemein kommt den Preisen überhaupt die Aufgabe zu, die Güterströme so in die einzelnen Verwendungen zu lenken, dass jeweils die wichtigsten Verwendungen den Vorrang haben. Diese regulative Funktion der Preise kommt darin zum Ausdruck, dass sie Schlüssel zur Verteilung 363 der Güter sind.“ Und wenig später wird für die Preisbildung verlangt, dass sie die Kapitaldispositionen eines Unternehmens so regulieren, dass die

Gewinne maximiert werden.364 Damit werden schon bedeutende Widersprüche bei Betriebswirten sichtbar. 362 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, London 1776, S. 17. 363 Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Theorie, Berlin/Wien 1929, S. 33f. 364 Ebenda, S. 90.

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Überblick

6.1

Vor diesem Hintergrund ist es besonders erstaunlich, dass in einer betriebswirtschaftlichen Zeitschrift zumindest Grundgedanken zur Wirtschaftsordnung vorgetragen werden können. Ludwig Erhard (1897-1977), der spätere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler, bemüht sich um Klärung (Abbildung 42).

Briefmarke zum 10. Todestag von Professor Dr. Ludwig Erhard 1987 nach einem Foto von Gerhard Heisler

In dem Aufsatz geht es um die Begriffe Marktregelung und Marktordnung, ihrem zeitgemäßen Gebrauch und die Entwicklung einer Vorstellung von einer zukunftsfähigen Wirtschaftsordnung.365 Einerseits seien die Unternehmen in Kartelle eingebunden, die über koordinierte Preispolitik eine Marktregelung betreiben würden. Andererseits gehörten sie Gruppen (Reichsgruppen, gewerblichen Organisationen) an. Deren Aufgabe liege in Marktordnung. Damit sei die Förderung „kaufmännischer Betriebsgebahrung“ gemeint, wozu Muster der Branchenkalkulation, Ergebnisse von Betriebsvergleichen und Verbandsstatistiken beitrügen. Dies ermögliche die Befolgung „anständiger Wettbewerbssitten“. Diese Betrachtungsweise sei 366

aber einseitig, weil sie den Markt außer acht lasse. Erhard fährt dann fort:

365 Ludwig Erhard, Marktordnung und Betriebswirtschaft, Der praktische Betriebswirt – Die aktive betriebswirtschaftliche Zeitschrift, 17. Jg., 1937, S. 111-117. 366 Ebenda, S. 112ff.

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Abbildung 42

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Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

„Es wäre müßig, sich mit jenen auseinandersetzen zu wollen, die im Markte nichts anderes sehen können als eine liberalistisch-kapitalistische Einrichtung, ohne sich der logischen Konsequenz klar zu sein, dass eine Beseitigung des Marktes notwenig zu einer kommunistischen Warenverteilung führen müsste. … Die Aufgabe lautet jedenfalls eindeutig dahin, zwischen freier Wirtschaft in liberalistischem Sinne und kollektiver Planwirtschaft eine Synthese zu finden, die der deutschen Wirtschaftsstruktur Rechnung trägt und gleichzeitig der Forderung nach größter Wirtschaftlichkeit und höchster Leistung gerecht zu werden vermag. Es bedeutet nach unserem Dafürhalten einen Rückfall in liberalistisches Denken, wenn man dieses weitgesteckte Ziel durch innerbetriebliche Maßnahmen allein erreichen zu können glaubt. … Solange sich aber die im Markte anbietenden und nachfragenden Menschen und Gruppen nicht rationalisieren lassen, so lange muß sich auch der Markt einem solchen Zugriff entziehen. Das aber besagt gleichzeitig, dass sich die reibungslose Ordnung des Marktes nicht zwangsläufig aus dem Vorhandensein betriebswirtschaftlich gut geleiteter Unternehmungen ableiten lasse, sondern dass vielmehr umgekehrt die Marktordnung das Fundament der gedeihlichen Entwicklung der Einzelwirtschaften darstelle. … Problemstellung, dass Marktordnung nicht mehr in den Bereich der Unternehmertätigkeit fallen kann, sondern zur Wirtschaftspolitik der Marktverbände, der Gruppen, gehört. Aus dem gleichen Grunde aber kann die Verantwortung für die Verwirklichung dieser Ordnung auch nicht von den Gruppen durch Empfehlungen betriebswirtschaftlicher Art auf die Betriebe zurück übertragen werden …“

Der Gegensatz zu den Auffassungen von Nicklisch über die Ordnung der Wirtschaft könnte nur dann noch gravierender ausfallen, wenn Erhard sich für eine Struktur der Wirtschaftspolitik ganz ohne die Gruppen ausgesprochen hätte. Vermutlich wäre dann aber der Beitrag nicht erschienen. Immerhin wird hier für eine Marktordnung als wirtschaftspolitische Aufgabe plädiert. Sie soll zwischen reiner Marktwirtschaft und Planwirtschaft stehen. Der Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ steht hier noch nicht zur Verfü367 gung. Er würde aber zu dem von Erhard skizzierten Konzept passen. Auch die Markt- und Absatzorientierung ist in diesem Konzept bemerkens-

367 Dieser Begriff wird durch Alfred Müller-Armack (1901-1978) entwickelt und dann als Leitbild der Wirtschaftspolitik auch von Ludwig Erhard genutzt. Alfred MüllerArmack, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947; ders., Soziale Marktwirtschaft, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 9, Stuttgart/Tübingen/Göttingen 1956, S. 390-392.

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wert, weil sie im Gegensatz zu der Mehrheit sonst veröffentlichter Meinungen steht. Dass der Vorschlag zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung keine Realisierungschance hat, was vielleicht auch Erhard wusste, macht ihn nicht weniger interessant und lässt zugleich die mutige Überzeugung des Autors hervortreten. Der Begriff der Marktwirtschaft war durchaus programmatisch gemeint und wurde so in Erhards unmittelbarem beruflichem Umfeld auch verwendet. Dort galt sogar: „Allem Wirtschaften ist die Entfaltung zur 368

Marktwirtschaft immanent.“

Die geringe Wertschätzung oder das fehlende Verständnis für die Funktionen von Märkten bei der Mehrzahl der Betriebswirte zur damaligen Zeit begünstigt die gemeinwirtschaftlichen Orientierungen, durch die privatwirtschaftliches Renditestreben, seine Erklärung und Beeinflussung, in den Hintergrund treten. In der 1931 erschienenen 5. Auflage seines Werkes „Dynamische Bilanz“ äußert Schmalenbach: „Und so ist es nicht der Sinn unserer Betriebswirtschaftslehre, zuzuschauen, ob und wie irgendjemand sich ein Einkommen oder ein Vermögen verschafft. Sinn unserer Lehre ist lediglich zu erforschen, wie und auf welche Weise der Betrieb seine gemeinwirt369 schaftliche Produktivität beweist.“ Die Aussage, dass diese Wirtschaftlichkeit als Unternehmensziel zu gelten habe, hatte der Autor schon früher explizit gemacht. „Profitmacherei“ gehe die Betriebswirtschaftslehre nichts

an, meinte er.370 Es ist gezeigt worden, dass diese Vorstellung weder widerspruchsfrei durchgehalten wird, noch operationalisiert werden kann.371 Extrem ist in dieser Frage die Position von Walter Thoms (1899-1995), der eine „nationalsozialistische Betriebswirtschaftslehre“ konzipieren will, in der er ein Recht auf Arbeit vorsieht und der „Vormachts- und Herrschafts372

stellung der Rentabilität“ seine „vollständige Ablehnung“ entgegenbringt. Allerdings bleibt diese Auffassung nicht unwidersprochen. Bedeutende praktische Konsequenzen hat dieser Widerspruch nicht nach sich gezogen. Es fehlt auch noch an der Durchsetzung der Erkenntnis, dass der Staat eine Ordnungsfunktion für Märkte übernehmen sollte, ohne eine Lenkungsfunk-

368 Werner Halbach, Gedanken zu ‚Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft’, in: Georg Bergler, Ludwig Erhard, Hrsg., Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. Eine Festgabe aus dem Kreise der Nürnberger Schule zum 60. Geburtstag von Wilhelm Vershofen, Berlin 1939, S. 27-40, hier S. 32. 369 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 5.A., Leipzig 1931, S. 93. 370 Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 4. Jg., 1911/1912, S. 304ff., hier S. 312f. 371 Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 78ff., 110ff. Siehe auch oben S. 160. 372 Walter Thoms, Die Wirtschaftstheorie im Dienste der Leistungssteigerung, in: Bericht über den Tag der Deutschen Wirtschaftswissenschaft 1938, S. 75ff (zitiert nach: Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 112).

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6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

tion anzunehmen.373 Die Lenkungsfunktion, insbesondere auch über Preisregulierungsvorschriften ausgeübt, strebt eine Normierung der zulässigen Gewinne an; der Markt hat keine erkennbare Funktion mehr. (3) Neben diesen Hauptströmungen sind allerdings Arbeiten entstanden, die man durchaus als Perlen der betriebswirtschaftlichen Literatur bezeichnen kann. Einige erscheinen aus heutiger Sicht auch versteckt, wie die Perlen in der Muschel.374 Ein Beispiel dafür ist der erste, von Erich Gutenberg formulierte originär betriebswirtschaftliche Beitrag zum Unternehmenswachstum. Er erschien 1942 in einem Festschriftbeitrag. Darin stehen Vorschläge für einen operational formulierten Wachstumsbegriff, eine Kategorisierung von Wachstumstreibern sowie einer Diskussion der Anreize zum Wachstum für Unternehmer in verschiedenen Wirtschaftsordnungen im Vordergrund.375 Seither hat das Thema große Beachtung gefunden; zeitweise beherrschte es wirtschaftswissenschaftliche Diskussionen. Als Beleg für das richtungweisende Denken Gutenbergs sei hier allein auf seinen Wachstumsbegriff eingegangen. Die geradezu quälende Suche nach einem operational handhabbaren und theoretischen Anforderungen entsprechenden, ein- oder mehrdimensionalen Begriff des Unternehmenswachstums ist auch bisher nicht zu einem Ende gekommen. Das ist unbefriedigend, selbst wenn man sich den Zweckbezug von Definitionen in Erinnerung ruft, welcher die gleichzeitige Existenz unterschiedlicher Definitionen erklärt. Gutenberg hat zur Operationalisierung des Wachstumsbegriffs drei Hinweise gegeben:

 (a) Gewinn sollte als Indikator für unternehmerische Leistung verwendet  

werden, (b) Dauerhaftigkeit ist als Indikator für den Zeitbezug zu fordern und (c) Relativierung, insbesondere gegenüber der Branchenentwicklung, wird als unternehmensspezifischer Maßstab für erforderlich gehalten.

376

373 Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 1. A., Jena 1940; 4. A., Jena 1944, bringt diesen Gedanken in seiner Lehre der Wirtschaftssysteme zum Ausdruck. 374 Oben wurde schon auf das „Handbuch für Vebrauchsforschung“ von Wilhelm Vershofen aus dem Jahr 1940 verwiesen. 375 Erich Gutenberg, Zur Frage des Wachstums und der Entwicklung von Unternehmen, in: Friedrich Henzel, Hrsg., Leistungswirtschaft. Festschrift für F. Schmidt, Berlin/Wien, S. 148 – 163. 376 Ebenda, pass.

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Überblick

Zu (a): Nach dem Vorstehenden ist das Plädoyer für den Gewinn als Maßstab wirtschaftlicher Wertentwicklung nicht nur überraschend, sondern auch mutig. Das gilt umso mehr, als es bis zur Aktienrechtsreform 1965 keinen Pflichtausweis für den Umsatz in der Gewinn- und Verlustrechnung gab und Gewinn allenfalls über die Angaben zu den Steuerzahlungen der Unternehmen retrograd abzuschätzen war. Heute stehen aufgrund größerer Publizität und Transparenz andere Wertmaßstäbe zur Verfügung, die aber letztlich erfolgsbezogen sind. Zu (b): Dauerhaftigkeit kann nur einen problemspezifisch abgegrenzten Zeitraum meinen. Er kann von vornherein begrenzt sein, wie dies beispielsweise für Private Equity Fonds vorgesehen wird, oder unbegrenzt. Im Allgemeinen ist der Planungshorizont so zu wählen, dass bei einer marginalen Ausdehnung eines beliebig bestimmten kleinen Ausgangswertes die Präferenzordnung heutiger Unternehmensentscheidungen, insbesondere der 377

wertbestimmenden Investitionsentscheidungen, nicht verändert wird. Dauerhaftigkeit ist unternehmensspezifisch zu bestimmen bzw., soweit ein Unternehmen repräsentativ ist, auch branchenspezifisch.

378

Zu (c): Wachstum ist „Erfolg besonderer unternehmerischer Leistung.“

Gewinn oder Differentialrente, wie es in Anlehnung an Fritz Schmidt379 heißt, wird sowohl als Anreiz für spezifische unternehmerische Leistung als auch als Indikator für geglückte Pionierleistungen betrachtet. Durch den Branchenvergleich soll die erzielte Leistung relativiert und der unternehmerische Beitrag des Managements erkennbar gemacht werden. Ein solches Konzept für das Unternehmenswachstum nimmt eine Vielzahl folgender Entwicklungen vorweg. Es wird hier auch als Beleg dafür herangezogen, dass im Einzelnen sehr moderne Auffassungen in der Betriebswirtschaftslehre ihren Platz hatten. An solchen Auffassungen konnte in der Nachkriegszeit angeknüpft werden. Es wird sogar festgehalten, „dass es dem Nationalsozialismus nicht gelungen ist, die Pluralität der betriebswirt380 schaftlichen Lehrmeinungen aufzuheben.“ Das klingt relativ freundlich. Tatsächlich „ist die Zeit 1933-1945 mit ihren Folgen in den ersten Nach-

377 H. Teichmann, Der optimale Planungshorizont, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 45. Jg., 1975, S. 295-312. 378 Erich Gutenberg, Zur Frage des Wachstums und der Entwicklung von Unternehmen, in: Friedrich Henzel, Hrsg., Leistungswirtschaft. Festschrift für F. Schmidt, Berlin/Wien, S. 148 – 163, hier S. 153. 379 Fritz Schmidt, Differentialrente und Leistungsprämie, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Bd. 16, 1940, S. 89-102. 380 P. Gmähle, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus, Diss. Univ. ErlangenNürnberg 1968, S. 183.

179

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

kriegsjahren als Schädigung betriebswirtschaftlicher Forschung neben den menschlichen Tragödien … anzusehen.“

381

Allerdings zeigt sich dann auch, dass im Ausland wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen worden waren, die angewandter Grundlagenforschung entstammten,382 Erfahrungen scharfen Wettbewerbs ausgesetzter 383 Großunternehmen aufarbeiteten und weit über eine Organisationslehre hinausreichten, wie sie aus praktisch-ingenieurtechnischer Sicht nach der

Jahrhundertwende propagiert wurde.384 Insbesondere in den USA waren diese Strömungen an den enorm wachsenden „business schools“ zusammengeflossen. Auch an diesen Erkenntnissen musste angeknüpft werden, wenn die Betriebswirtschaftslehre nicht bedeutungslos werden wollte. Im nächsten Abschnitt werfen wir einen Blich auf diese Strömungen.

6.1.9

Ein kurzer Blick in das Ausland

Es ist selbstverständlich, dass betriebswirtschaftliche Fragestellungen auch im Ausland bestehen und wissenschaftlich bearbeitet werden. Allerdings wurde im vorigen Abschnitt festgestellt, dass die Auslandsbeziehungen deutscher Betriebswirte nicht sehr intensiv waren. In der Nachkriegszeit muss deshalb vor allem von denjenigen viel aufgeholt werden, die keine oder nur geringe Auslandskontakte hatten. Aus der ersten Hälfte des 20. 381 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 235. 382 Hier ist etwa an die seit 1947 geradezu explosionsartig sich vermehrenden Beiträge zur „linearen Programmierung“ (das ist die Maximierung oder Minimierung einer linearen Zielfunktion unter Berücksichtigung linearer Nebenbedingungen in der Form von Ungleichungen) zu denken; ihre Darstellung durch einen ihrer Schöpfer beginnt mit dem Satz: „The final test of a theory is its capacity to solve the problems which originated it.“ George B. Dantzig, Linear Programming and Extensions, Princeton/NJ 1963. Weiter ist auf die seit 1928 schrittweise entwickelte Spieltheorie zu verweisen, die dann 1944 in Buchform erscheint: John von Neumann/Oskar Morgenstern, Theory of Games and Economic Behavior, Princeton/NJ 1944. Zu deren Vorläufern: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 435ff. 383 Eines der lehrreichsten Bücher ist: Alfred P. Sloan, jr., My Years with General Motors, (Edited by John McDonald/Catherine Stevens), New York 1963. 384 Zu denken ist hier beispielsweise an: Fred(erick) W(inslow) Taylor, Die Betriebsleitung insbesondere der Werkstätten, autorisierte deutsche Ausgabe von „shop management“ von A. Wallichs, 2. A., Berlin 1912; ders., Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, München 1913. Dazu: Alfred Kieser, Geschichte der Organisationslehre, in: Michael Lingenfelder, Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland 1898-1998, München 1999, S. 107-124, hier S. 110ff.

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Überblick

Jahrhunderts sollen hier nur zwei Teilgebiete erwähnt werden, in denen sich im Ausland eine intensive Forschung feststellen lässt, die zur selben Zeit in Deutschland nur schwache Spuren hinterläßt. Ergebnisse beider Gebiete nehmen später Einfluss auf die Orientierungen und Arbeiten deutscher Betriebswirte. Die Hervorhebung zweier Teilgebiete bedeutet natürlich nicht, dass es keinerlei erwähnenswerte Ergebnisse anderer Teilgebiete gäbe. (1) Der effiziente Arbeitseinsatz war schon in den Großprojekten der Antike zu planen. Zwangsarbeit unter hierarchischer Organisation spielte dabei eine große Rolle. Interessanterweise ist dies von Charles Babbage (1791-1871) bereits beschrieben worden, der sich zur Zeit der industriellen Revolution in England mit der Steuerung des Arbeitseinsatzes und der Zusammenarbeit 385 von Mensch und Maschine detailreich beschäftigt. Offenbar unabhängig davon entwickelt sich in den USA eine von seinem Protagonisten „scientific management“ genannte Richtung, die von anderen nach ihrem einflussreichsten Vertreter auch als „Taylorismus“ bezeichnet wird.

Frederick Winslow Taylor (1856-1915) macht sich aus der Praxis heraus Gedanken darüber, wie auf systematische Weise die Effizienz der Arbeit gesteigert werden kann, wobei in idealistischer Sichtweise die dadurch gewonnenen Ersparnisse den Verteilungsspielraum für alle vergrößern sollten (Abbildung 42). Ein erster Grundsatz ist: „Hohe Löhne, geringe Herstel386 Dies sollte durch anreizgesteuerten Arbeitseinsatz und lungskosten“. motivierte Arbeiter erreichbar gemacht werden. Die Realisierung des

Grundsatzes sollte durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden:387

„1. jedem Arbeiter die höchste Klasse der Arbeit (zuzuweisen, K.B.), die zu verrichten er fähig ist; 2. jeder Arbeiter sollte angeregt werden, die Höchstleistung eines geschickten Mannes seiner Klasse bei nicht zu großer Anstrengung zu erreichen; 3. jeder eifrig vorwärts strebende Arbeiter sollte je nach der Natur der Arbeit um 30 bis 100 % höher als der Durchschnitt seiner Klasse entlohnt werden.“

385 Charles Babbage, On the Economy of Machinery and Manufacture, London 1832, S. 35ff. 386 Frederick W. Taylor, Shop Management, Transactions of the American Society of Mechanical Engineers, Vol. 16, 1903, S. 1337-1480; ders., Die Betriebsleitung insbesondere in Werkstätten, 2.A., (ergänzt und herausgegeben von: A. Wallichs), Berlin 1912, hier S. 7. 387 Ebenda.

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6.1

6 Abbildung 43

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Frederick Winslow Taylor (Quelle: wikipedia.org)

Dazu werden Zeitstudien durchgeführt, aus denen Vorgaben (Normalien) entwickelt werden, und anregende Entlohnungsformen eingesetzt. Die Werkstatt soll nicht durch einen Meister überwacht werden, sondern durch funktional spezialisierte Meister: Vorrichtungsmeister, Geschwindigkeitsmeister, Prüfmeister, Instandhaltungsmeister. Unterstützt werden diese durch ein Arbeitsbüro. In ihm gibt es einen Arbeitsverteiler, der die Reihenfolge der Auftragsbearbeitung bestimmt, einen Anweisungsbeamten, der Arbeiter und Meister über technische und abrechnungsökonomische Details unterrichtet, einen Zeit- und Kostenbeamten, der Arbeitszeiten regelt und die auftragsspezifischen Arbeitszeitaufzeichnungen prüft und weiterleitet, einen für die Disziplin zuständigen Aufsichtsbeamten und ggf. einen „An388 weisungsoberbeamten“ für die Schlichtung von Konflikten. Über diese Systematisierung geht leicht der Gedanke Taylors verloren, dass zwischen

388 Ebenda, S. 41ff.

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Überblick

ausführenden Arbeitern und Führungskräften eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gepflegt werden sollte. Die Überzeugung einer Interessenidentität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist in Taylor tief verwurzelt. Diese auf praktischen Erfahrungen beruhenden Gedanken werden in einem 389

System zusammengeführt:

„Scientific management, in its essence, consists of a certain philosophy, which results as before stated in a combination of four great underlying principles of management. First. The development of a true science. Second. The scientific selection of the workman. Third. His scientific education and development. Fourth. Intimate friendly cooperation between the management and the men.”

Insbesondere auch Henry Ford verwirklicht eine Vielzahl der Empfehlungen Taylors in der Autoproduktion. Solche ingenieurtechnisch-empirisch begründeten Studien werden von den Hauptströmungen der deutschen Be390 triebswirtschaftslehre zunächst kaum wahrgenommen. Die fehlende Beachtung „sozialer und psychologischer Folgerungen“ haben dazu geführt, dass „die meisten … Lehrsätze bald wieder verworfen“ wurden; eine „Ver391 wissenschaftlichung“ ist nicht gelungen. Aus Sicht der Technik ist Taylor in seinem Streben nach Maximalleistung vorgehalten worden, dies sei ein allenfalls theoretisches Modell, wie man es auch bei von Thünen finde, und

es sei eine „Entartung“, eine „Alterserscheinung“ der modernen Technik.392

389 Frederick Winslow Taylor, The Principles of Scientific Management, New York/ London 1911 (Nachdruck Düsseldorf 1996), S. 67f. 390 Erich Frese, Organisation – Hundert Jahre Betriebswirtschaftliche Organisationswissenschaft in Deutschland: Aus der nationalen Nische in die Welt der internationalen Paradigmen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 223-246, hier S. 226f. Auf wenige Arbeiten mit ähnlicher Thematik weist zum Beispiel hin: Gertraude Krell, Geschichte der Personallehre, in: Michael Lingenfelder, Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland 1898-1998, München 1999, S. 125-140. 391 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 7. A., Berlin et al.1962, S. 106. 392 Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik, (Grundriss der Sozialökonomik, II. Abtlg., Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft, II. Teil) 2. A., Tübingen 1923, S. 164.

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6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Auch die Untersuchungen im Verwaltungsbereich der Unternehmen blieben 393 zunächst nahezu wirkungslos . Hier setzt Henry Fayol (1841 – 1920) an. Fayols Erfahrungsbericht enthält unter anderem eine Funktionenlehre des Unternehmens und eine Beschreibung von Management-Aufgaben. Als allgemein vorhandene Funktionen werden identifiziert: die Produktion, die kaufmännische Funktion (Einkauf und Verkauf), die Finanzen, das Rechnungswesen, die Sicherheit, die Verwaltung (Management). Dieses hat Prognosen als Grundlage einer Planung zu erstellen, die Organisation einzurichten, Führung auszuüben, Abstimmungs- oder Koordinationsmaßnahmen durchzuführen sowie Kontrolle auszuüben. Das sind bis in die Gegenwart als gültig angesehene Funktionsmuster. Dabei interpretiert man heute die „technische Funktion“ (= Produktion) in umfassenderem Sinne (Technologie- und Innovationsmanagement) und spaltet die kaufmännische Funktion in zwei unterschiedliche Funktionen auf (Beschaffung und Marketing). Mehr Interesse haben die in den zwanziger Jahren angestellten Experimente über Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsergebnis ausgelöst. Die sogenannten Hawthorne-Experimente, von Mayo und Whitehead 1924 in einem Western Electric-Werk durchgeführt, wurden erst später 394 allgemein bekannt. Psychologie und Soziologie werden nicht nur hier, sondern vereinzelt auch in Deutschland auf die Welt innerhalb der Unternehmen aufmerksam. Die Verhaltenswissenschaften bleiben zunächst aber noch im Schatten der ökonomischen Orientierung der Betriebswirtschaftslehre, auch noch bis in die siebziger Jahre hinein.

Die deutsche Organisationsforschung greift etwa 15 bis 20 Jahre später auf diese Ansätze zurück. Sie behandelt dann Fragen der Lohnfindung, der Rationalisierung, der Arbeitsbedingungen, der Gestaltungsalternativen für 395

Aufbau- und Ablauforganisation.

Am Beispiel von drei Autoren wird

gezeigt, wie diese das Organisationsproblem auffassen.396 Der Kürze halber soll dies in tabellarischer Form geschehen.

393 Henry Fayol, Administration Industrielle et Générale, Paris 1916 (Allgemeine und industrielle Verwaltung, München/Berlin 1929). Ein darauf aufbauender Studiengang für „Verwaltungsingenieure“ scheiterte schon in den 1920er Jahren. 394 F. J. Roethlisberger/W. J. Dickson, Management and the Worker, Cambridge/MA 1939. Spezialisten kannten die Untersuchungen aus dem Aufsatz : Guido Fischer, Betriebspsychologische Untersuchungen bei der Western Electric Company, Inc. (USA), Der Organisator, 13. Jg., 1931, S. 207-210. 395 Zum Beispiel: Konrad Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Unternehmung, Berlin/Leipzig 1929; Fritz Nordsieck, Die schaubildliche Erfassung und Untersuchung der Betriebsorganisation, Stuttgart 1932; Karl Wilhelm Hennig, Einführung in die betriebswirtschaftliche Organisationslehre, Wiesbaden 1934. 396 Im Folgenden vgl.: Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Berlin/Wien 1929; Konrad Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirt-

184

Überblick

6.1

Der folgenden Tabelle 3 sind unterschiedliche und gemeinsame Elemente zu entnehmen. Bei Gutenberg richtet sich der Zweck der Betrachtung auf das Unternehmen, weshalb durch isolierende Abstraktion die Organisation „neutralisiert“ wird. Bei den beiden anderen Autoren soll die Organisation selbst theoretisch erfasst werden. Deshalb können bei Gutenberg auch Störungen (irrationale Bedingtheiten bei Mellerowicz oder Nichtbefolgung von Regelungen bei Nordsieck) keine Rolle spielen. Die innerbetriebliche Organisation richtet sich auf Prozesse bei Gutenberg oder auf Aufgaben bei Nordsieck. Diese müssen durch Arbeitsteilung und Koordination unter Geltung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips (oder des Prinzips der Wirtschaftlichkeit) erledigt werden. Dass Nordsieck sich dabei auf Daueraufgaben beschränkt, die dann doch nicht identisch bleiben, ist wenig verständlich. Während bei Gutenberg und Mellerowicz eine ökonomische Zielbetrachtung erfolgt, ist bei Nordsieck das Ziel sehr abstrakt angegeben („sozial-objektiviert“). Bei Nordsieck werden Management-Aufgaben unter dem Organisationsbegriff vereint, die bei Fayol als selbständig angesehen werden. Auf das „scientific management“ wird besonders bei Mellerowicz Bezug genommen; bei Gutenberg macht ein solcher Bezug keinen Sinn. So zeigen sich also beispielhaft drei ganz unterschiedliche Arten der Behandlung des Organisationsproblems und der Bezugnahme auf den internationalen Erkenntnisstand. Mellerowicz und Erich Kosiol (1899-1990) (in der Fortführung der Arbeiten von Nordsieck) sen Forschungsstrang weiterführen.

397

werden in der Nachkriegszeit die-

Tabelle 3

Drei Organisationsauffassungen Gutenberg (1929) Mellerowicz (1929) Der Betrieb hat Verhältnis von eine OrganisatiUnternehmen und Organisation on. Sie ist nicht losgelöst vom Betrieb.

Organisation ist ein Produktionsfaktor. Er betrifft Zustände und Prozesse.

Nordsieck (1934) Organisation ist Ordnung eines Regelungssystems, das durch die Aufgabe des Betriebes bestimmt ist.

schaftslehre der Unternehmung, Berlin/Leipzig 1929; Fritz Nordsieck, Grundlagen der Organisationslehre, Stuttgart 1934. 397 Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962.

185

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Aufgabe/Objekt

Objekt der Organisation sind betriebliche Grundvorgänge (Prozesse). Regelung der Arbeitsteilung und von Abläufen.

Gebiete: Rechtsformenwahl, Standortwahl, innerbetriebliche Organisation. Hinsichtlich dieser: Arbeitsteilung, Arbeitsvereinigung, Spezialisierung, Kooperation.

Koordination menschlicher Arbeitsleistungen zur Erledigung von Daueraufgaben. Zielbezogene Trennung und Vereinigung von Objekten. Struktur- und Prozessaspekte (Vorausplanen und Inkraftsetzen).

Ziel

Erwerbswirtschaftliches Prinzip. In der Organisation: Allgemeine Verfahrensregeln suchen, auch aus der Praxis heraus.

Kombination von Kapital und Arbeit unter Beachtung der Wirtschaftlichkeitsbedingung und von Nebenbedingungen

Lösung einer Aufgabe, d. h. eines sozialobjektivierten Zieles.

Nebenbedingungen

Organisation wird als Quelle eigener Probleme ausgeschaltet; Kompetenzsystem und Kommunikationssystem.

Rationale Bedingtheiten des Betriebes (Technik; Ertragsgesetze) und irrationale Bedingtheiten der Unternehmung (Marktabhängigkeit)

Sanktionierte Nichtbefolgung von Regelungen, die Störungen verursachen

Hilfsmittel

Mittel und EinTechnik, Mittel richtungen, Rechnungswesen

Ressourcen

Besonderheiten

Es soll die Unternehmung bei neutralisierter Organisation untersucht werden.

Daueraufgaben unterliegen Objekt-, Rhythmusund Zielwandel.

186

Auf das „scientific management“ von Taylor wird ausdrücklich, aber distanzierend hingewiesen

Überblick

Dass die Organisationsforschung in Deutschland einen nur eingeschränkten Stellenwert in dieser Zeit einnimmt, wird aus drei Ursachen erklärt: Der Ausblendung von Erkenntnissen sozialwissenschaftlicher Nachbardisziplinen, der strikten Grenzziehung zu den Ingenieurwissenschaften und einer fehlenden Nachfrage nach organisationsökonomischen Erkenntnissen, wofür verschiedene situative Umstände – z. B. Reduzierung des Wettbewerbsdrucks durch Kartellbildung oder staatliche Regulierungen - verantwortlich gemacht werden.

398

(2) Von erheblicher Bedeutung für das bis 1969 in Deutschland einheitlich als „Absatzwirtschaft“ bezeichnete Gebiet sind die Beiträge angloamerikanischer Wissenschaftler zur Theorie der Preisbildung in unvollkommenen Märkten mit wenigen Anbietern, also des Polypols oder des Oligopols. Die Unvollkommenheit äußert sich in dem Angebot nicht völlig identischer, aber der Erfüllung einer Art von Bedürfnis dienender Produkte. 399 Im Jahre 1926 war erneut der Hinweis erfolgt, dass Formen eines monopolistischen Wettbewerbs größere Aufmerksamkeit verdienten, weil der Wettbewerb in der Realität irgendwo zwischen Monopol und vollkommenem 400 Markt liege. Offenbar war damit eine Art von Puzzle bezeichnet, dessen Lösung etwa zeitgleich mehrere Wissenschaftler herausforderte. In den USA 401 erschien 1933 die „Theory of Monopolistic Competition“ , im selben Jahr in

England „Economics of Imperfect Competition“402 und im folgenden Jahr in Deutschland „Marktform und Gleichgewicht“403. Für Schumpeter ist dies „a striking proof of the intellectual, still more than practical, need for this type of theory and a not less striking illustration of how the logic of the scientific 404 situation may drive different minds along similar lines of advance.” In den Beiträgen, denen eine sehr große Zahl von Arbeiten in den folgenden Jahrzehnten folgt, müssen vier Fragen befriedigend beantwortet werden: (1) Wie

398 Erich Frese, Organisation – Hundert Jahre Betriebswirtschaftliche Organisationswissenschaft in Deutschland: Aus der nationalen Nische in die Welt der internationalen Paradigmen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 223-246, hier S. 227f. 399 Zur Geschichte der Marktformenlehre vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaften, München/Wien 2001, S. 726ff. 400 Piero Sraffa, The Laws of Returns under Competitive Conditions, The Economic Journal, Vol. 36, 1926, S. 535-550. 401 Edward Hastings Chamberlain, The Theory of Monopolistic Competition. A Reorientation of the Theory of Value, Cambridge/MA 1933. 402 Joan Violet Robinson, Economics of Imperfect Competition, London 1933. 403 Heinrich von Stackelberg, Marktform und Gleichgewicht, Berlin 1934. 404 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, New York 1954, S. 1150.

187

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

sind die Zustände zwischen vollkommenem Wettbewerb und Monopol zu beschreiben? (2) Welche Verhaltensweisen können die voneinander abhängigen Anbieter (bzw. Nachfrager) an den Tag legen? (3) Welche Gleichgewichtspreise bilden sich bei diesen Annahmen? (4) Sind eher die Preise oder die Mengen die jeweiligen Aktionsvariablen? Daran schließen sich weitere Fragen an, wie etwa die der Begründung der Macht der Anbieter oder der Wirkung von Werbung usw. In der Diskussion werden Vorstellungen entwickelt, die später in anderer Form wieder auftreten werden. So wird die 405 unstetige Nachfragefunktion für das Oligopol plausibel gemacht , die später mit gänzlich anderer Begründung bei Gutenberg erscheint. Oder es wird

auf Wechselkosten der Nachfrager hingewiesen,406 die später in der Interpretation der Gutenbergschen Preis-Absatz-Funktion durch Albach eine erweiterte Rolle spielen. Die Abgeschlossenheit der verwandten Disziplinen der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre voneinander mag erklären, dass diese Diskussionen die Betriebswirtschaftslehre zunächst nicht erreichen. Ihre an Preispolitik interessierten Vertreter sind vor allem in den dreißiger und vierziger Jahren ganz überwiegend damit befasst, kostenbasierte Kalkulationsmodelle zu entwerfen, zu erklären oder hinsichtlich ihrer Wirkungen zu beschreiben.

6.1.10 Ein Neubeginn Natürlich hat der Zusammenbruch des Dritten Reiches im Jahre 1945 auch die Universitäten empfindlich getroffen, soweit diese überhaupt noch physisch erkennbar waren und mit verbliebenen oder aus Krieg und Kriegsgefangenschaft zurückkehren Hochschullehrern mit Genehmigung der jewei407 ligen Besatzungsmächte ihren Lehrbetrieb wieder aufnahmen. Die Genehmigung erstreckt sich auch auf die Feststellung persönlicher Belastungsfreiheit von formaler oder aktiver Unterstützung des Nationalsozialismus. Selbst eine nur formal und zur Sicherung einer Anstellung erklärte Mitglied-

405 George J. Stigler, The Kinky Oligopoly Demand Curve and Rigid Prices, The Journal of Political Economy, Vol. 55, 1947, S. 432-449. 406 Nicholas Kaldor, Market Imperfection and Excess Capacity, Economica, Vol. 2, 1935, S. 33-50. 407 Von den vertriebenen Hochschullehrern kehrten nur drei zurück: Eduard Gaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „Internationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich (1933-1945) in Michael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung und Institution, Wiesbaden 2005, S. 449-480), S. 8f.

188

Überblick

schaft in der Partei konnte zur vorläufigen oder schließlich endgültigen Entlassung aus dem Amt des Professors führen, auch wenn gutachtlich die 408

Distanz zur nationalideologischen Ideologie festgestellt wurde.

Zum Neubeginn war auch eine Wiedererrichtung der für die Wissenschaft essentiellen Institutionen erforderlich. Die Wiederbegründung des „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ wird 1948 vorbereitet und im darauf folgenden Jahr vollzogen, die führenden Zeitschriften werden ab 1949 wieder herausgegeben und verlegt und die Fakultäten nehmen ihre 409 Arbeit wieder auf. Die Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftslehre entwickelt sich rasant. Aus Sicht der Forschung ist es ein Unglück, dass die Zahl der Studierenden noch stärker wächst. Das führt ab den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer Situation, die als Höchstauslastung und

als Überauslastung auch offiziell beschrieben wird.410 Für die Darstellung der Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre tritt in Deutschland eine besondere Schwierigkeit auf. Die ab 1949 in zwei deutschen Staaten immer stärker wirksam werdende Beeinträchtigung des wissenschaftlichen Austauschs und die ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen in den Staaten lassen es nicht zu, eine gemeinsame Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre zu beschreiben. Zunächst richtet 411 sich die Politik auf die Abschaffung des Faches aus. Die „sozialistische Betriebswirtschaftslehre“, wie sie im Rahmen des Planungssystems der DDR entwickelt wurde, kann hier nicht Gegenstand der Darstellung sein. Das gilt umso mehr, als die Systementwicklung in der DDR mehrere Phasen durchlaufen hat, die jeweils mehr oder weniger Planvorgaben für Betriebe vorsa-

hen.

412

So schienen 1951 betriebswirtschaftliche Lehrstühle eher überflüssig,

408 Vgl. hierzu: Fred G. Becker/Heiko Nikolaus Lorson, Gutenberg in Jena, BadenBaden 1996. 409 Edwin Rühli, Betriebswirtschaftslehre nach dem zweiten Weltkrieg, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 111-133, hier S. 113f. 410 Zur Situation vgl.: Klaus Brockhoff/Jürgen Hauschildt, Plädoyer für eine bedürfnisgerechte Differenzierung der Ausbildung in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 27-40. 411 Eindrucksvoll sind hier die Originalzitate bei: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 236. 412 Es existierten verschiedene Lehrbücher und Zeitschriften (Finanzwirtschaft, Volkswirtschaftliche Planung, Wirtschaftswissenschaft sind entsprechende Titel) in der DDR, die sich eng an Vorgaben aus der Sowjetunion anlehnten. Drei Lehrbücher aus den ersten Jahren seien beispielhaft erwähnt: Autorenkollektiv, Politische Ökonomie, 1.A., Berlin 1955, 5.A., Berlin 1964, S. 441ff.; H. Arnold/H. Borchert/J. Schmidt, Ökonomik der sozialistischen Industrie in der DDR, 7.A., Berlin 1961; S. E. Kamenizer, Organisation und Planung des sozialistischen Industriebetriebes, Berlin 1955.

189

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

weil die Betriebe in die staatliche Planung eingebunden waren. „Ende der 60er Jahre wurden Bestandteile der Betriebswirtschaftslehre in die „Marxistisch-Leninistische Organisationswissenschaft“ aufgenommen, um das „ökonomische System des Sozialismus“ als Variante des „neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ zu unterstützen. Ab 1973 stand fest, dass auch der sozialistische Staat nicht ohne betriebswirtschaftliche Forschung und Lehre auskam, und es entstanden 413 erneut betriebswirtschaftliche Lehrstühle.“ Der verbindliche ideologische Rahmen reduziert allerdings die Bedeutung der Ansätze sozialistischer Betriebslehren für marktwirtschaftliche Systeme. Vermutlich sind darauf auch die Qualifikationsdefizite ostdeutscher Geschäftsführer in Transforma-

tionsunternehmen zurückzuführen.414 Eine Beschränkung auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland droht demgegenüber in der Vielzahl konkurrierender wissenschaftlicher Ansätze verloren zu gehen. Tatsächlich wird beklagt, dass der Gedanke einer „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ verloren geht, der bis dato als Ausgangspunkt unterschiedlicher Spezialisierungen ausgemacht werden konnte. Diese Spezialisierungen sind weniger Branchenlehren (bei weiter Interpretation des Begriffs ist die Einbeziehung von Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht allerdings erwähnenswert), wie in der Vergangenheit, sondern vielmehr Funktionenlehren (Absatz, Produktion, Finanzierung usw.) oder situative Ansätze (Betriebswirtschaftslehre der Gründung, Wachstumslehre, Umweltorientierte Betriebswirtschaftslehre usw.). Der Versuch einer Verständigung auf eine „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ auf der Jahrestagung des „Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ in Münster 1989 war jedenfalls nicht nachhaltig. Im folgenden Kapitel 7 wird hierauf noch einmal eingegangen. Auch die Verfolgung der verschiedenen Äste der Spezialisierung kann hier nicht erfolgen, zumal die theoretischen Grundlagen konkurrierend sind. Die Umstellung von einer gelenkten Wirtschaft auf eine Marktwirtschaft brachte den Unternehmen ebenso betriebswirtschaftliche Probleme wie die Umstellung im Geldwesen auf die 1948 eingeführte Deutsche Mark (DAus westlicher Sicht vgl.: Hannsjörg Buck, Technik der Wirtschaftslenkung in kommunistischen Staaten, Bd. 2, Coburg 1969. Ein erfahrungsgestützter Rückblick: Klaus Tragsdorf, Organisationsarbeit in Industriekombinaten und –betrieben der DDR, Journal of East European Management Studies, 7. Jg., 2002, S. 57-78. 413 Heribert Meffert, Betriebswirtschaftslehre in den Siebziger- und Achtzigerjahren, in: Eduard Gaugler/Horst Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 135-164, hier S. 138. 414 Horst Albach, Zerrissene Netze. Eine Netzwerkanalyse des ostdeutschen transformationsprozesses, Berlin 1993.

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Überblick

Mark). Damit war unter anderem die Aufstellung einer D-MarkEröffnungsbilanz verbunden, in der eine Neubewertung der Aktiva und Passiva vorzunehmen war. Dies wurde von einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen begleitet. Das konnte beispielsweise dazu führen, dass bereits voll abgeschriebene Gegenstände des Anlagevermögens nach ihrer Neubewertung erneut abgeschrieben werden konnten. Für die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Kriegsende ist die Darstellung der Betriebswirtschaftslehre noch überschaubar. Die Mehrzahl der Betriebswirte knüpft an den Traditionen der auf das Rechnungswesen schwerpunktmäßig ausgerichteten Betriebswirtschaftslehre der Vorkriegszeit an. Das geschieht durchaus als Weiterentwicklung, oft aber in der Tradition einer der Praxis stark verhafteten Kunstlehre. Zwei Beispiele für Weiterentwicklungen mö415 gen dies illustrieren. (1) Die 1926 dargestellte „Bewegungsbilanz“ mündet in Kapitalflussrechnungen. Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts werden sie von einem Drittel der größeren Aktiengesellschaften publi-

ziert.416 Heute gehören sie zum Standard der Berichterstattung. (2) Das interne Rechnungswesen ist durch die Entwicklung der Grenzplankosten-, Einzelkosten-, Deckungsbeitrags- und Prozesskostenrechnungen als Entscheidungsgrundlage des Managements erheblich weiterentwickelt worden. Die von Eugen Schmalenbach angeregte Grenzplankostenrechnung417 wurde besonders von H.-G. Plaut ausgebaut und in die Unternehmen auf dem Wege der Beratung eingeführt.418 Sie hat, ebenso wie die Einzelkostenrechnung Riebels, breite Aufnahme in die Systeme R/2 und R/3 von SAP gefun419 den. In der weltweiten Verbreitung der Softwareangebote bleibt der Ursprung in der Forschung verborgen.

415 W. Bauer, Die Bewegungsbilanz und ihre Anwendbarkeit, insbesondere als Konzernbilanz, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 20. Jg., 1926, S. 485-544. 416 Walter Busse von Colbe, Aufbau und Informationsgehalt von Kapitalflussrechnungen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 36. Jg., 1966, Ergänzungsheft 1, S. 82-114. 417 Eugen Schmalenbach, Buchführung und Kalkulation im Fabrikgeschäft, Leipzig 1928. Das Buch geht auf Beiträge in der „Deutsche Metall-Industrie-Zeitung“ ab 1899 zurück. 418 H.-G. Plaut, Grenzplankosten- und Deckungsbeitragsrechnung als moderne Kostenrechnungssysteme, in: W. Männel, Hrsg., Handbuch Kostenrechnung, Wiesbaden 1992, S. 203-225. 419 H. Müller, Prozeßkonforme Grenzplankostenrechnung als Plattform neuerer Anwendungsentwicklungen, Kostenrechnungspraxis, 1994, S. 112-119. W. Sinzig, Relative einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung im SAP-System, Kostenrechnungspraxis, 1994, S. 52-54.

191

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Ganz anders, nämlich wirtschaftstheoretisch sind die Arbeiten von Erich 420 Gutenberg begründet. Gutenberg ist – neben den oben schon erwähnten Einflüssen von Vorgängern - von den theoretischen Arbeiten von Erich Schneider und Heinrich von Stackelberg beeindruckt, die er in den dreißiger Jahren lesen konnte. Die Vorarbeiten zu seinen „Grundlagen“ beginnen deshalb bereits 1935, das Manuskript der beiden ersten Bände ist im Winter 421

1948 auf 1949 fertig. Die Entstehungszeit zu erwähnen ist wichtig. Sie wirft nämlich ein zusätzliches Licht auf diese für wenigstens zwei bis drei Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung maßgebenden und einflussreichsten Werke deutscher betriebswirtschaftlicher Literatur. Die heftige Diskussion im sogenannten „Methodenstreit“ (die ebenfalls bereits oben erwähnt wurde) hat am Ende die Überlegenheit der Arbeiten in methodischer und inhaltlicher Sicht bei der Erklärung von Fragen gezeigt, die sich mit herkömmlichen Mitteln nicht ebenso schlüssig beantworten ließen.

420 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, Berlin/Heidelberg/New York 1951; Bd. 2: Der Absatz, ebenda, 1955; Bd. 3: Die Finanzen, ebenda 1969. 421 Horst Albach, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von Erich Gutenberg. Aus dem Nachlass, Berlin et al. 1989, S. 55, 57.

192

Überblick

Auszug aus einem handgeschriebenen Lebenslauf von Professor Gutenberg (Quelle: Albach, Zur Theorie der Unternehmung, 1989, S: 282f.)

193

6.1 Abbildung 44

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Im ersten Band wird zunächst ein System von Produktionsfaktoren entwickelt. Es umfasst als „Elementarfaktoren“ die menschliche Arbeitsleistung, die Betriebsmittel und den Werkstoffeinsatz. Diese werden zur Erzielung optimaler Ergiebigkeit der Prozesse durch eine „Geschäfts- und Betriebsleitung“ als dispositivem Faktor planerisch zusammengeführt und durch Organisation zum Einsatz gebracht. Der Produktionsprozess bildet die Kombination der Produktionsfaktoren ab. Neu ist hier die Entwicklung eines Produktionsprozesses für die industrielle Produktion aus den Einsatzbedingungen der Produktionsfaktoren an Aggregaten heraus, wobei diese mit unterschiedlicher Intensität genutzt werden können. Das führt unmittelbar zu der Frage der daraus abzuleitenden Kostenfunktionen. Kostenfunktionen werden also nicht mehr einfach als solche betrachtet, sondern als aus den Produktionsbedingungen resultierend. Da Aggregatebestand, zeitliche Nutzung der Aggregate und Intensität ihres Einsatzes variabel sind, wird anschließend auf die Frage nach der kostenminimalen Anpassung der Produktion an wechselnde Beschäftigungsniveaus eingegangen. Die Aggregate sind durch technische Eigenschaften gekennzeichnet, die in der Betrachtung als unverändert angenommen werden. Das Werk schließt mit der schon erwähnten Betrachtung der Unterschiede von Unternehmen und Betrieb. Die limitationale, d. h. allein von der zu erstellenden Ausbringung abhängige Faktoreinsatzmenge jedes Produktionsfaktors ist, mit den Faktorpreisen bewertet, die Grundlage für die Kostenbestimmung. Damit wird eine Theorie der variablen Kosten der Produktion vorgelegt. Dass die Faktoreinsatzmenge r eines n-ten Faktors bei j = 1, 2, …, m Aggregaten von der am jeweiligen Aggregat eingestellten Intensität dj = j(x) abhängt, wobei x die gewünschte Aggregatleistung ist, wird durch die Gleichung

rnj 

m

 rnj j1



m



j1

f nj (  j ( x ))

ausgedrückt. Darin ist f(·) Symbol für eine Funktion, nämlich die sogenannte Verbrauchsfunktion. Allein der hier verwendete mathematische Symbolapparat war aus zeitgenössischer Sicht für die Kritiker äußerst anstößig. Diese Verknüpfung von Produktions- und Kostentheorie hilft bei der Beantwortung wesentlicher Fragen an die Kostenverläufe in der Industrie. So erklärt sie die Möglichkeit sogenannter S-förmiger Kostenfunktionen aus Uförmigen Verbrauchsfunktionen bei ausschließlich intensitätsmäßiger Anpassung. Sie macht zugleich deutlich, dass der S-förmige Verlauf im Bereich kleiner Ausbringungsmengen zugunsten eines wirtschaftlicheren Verlaufs

194

Überblick

aufgegeben werden kann, sobald zeitliche Anpassung zugelassen wird.422 Die Produktions- und Kostentheorie sind als duale Ansätze erkannt worden.423 Die Produktions- und Kostentheorie der einstufigen Einproduktpro424

duktion ist auf komplexe Situationen ausgeweitet worden.

Der zweite Band der „Grundlagen“ ist ebenso systematisch aufgebaut wie der erste. In einem ersten Teil werden die Aufgaben der Geschäftsleitung in der Absatzpolitik dargestellt, die sich auf Prognose (durch Marktforschung gestützt), Planung und Organisation erstrecken. Ein besonderer Punkt gilt den Absatzkosten. Im zweiten Teil werden die absatzpolitischen Instrumente dargestellt und ihre Wirkungen beschrieben. Es sind die Absatzmethode (Vertriebssysteme, Absatzformen und Absatzwege), die von den jeweiligen Marktformen bestimmte Preispolitik, die Produktgestaltung und die Werbung. Im Schlusskapitel wird auf die optimale Kombination der Instrumente eingegangen. Wenn später in der angelsächsischen Literatur von den 4P (place, price, product, promotion) gesprochen wird, so kann man diese auch hier finden. Besonders originell ist in der Preispolitik die doppelt geknickte PreisAbsatz-Funktion für den Fall des unvollkommenen Oligopols und des Polypols. Es werden Reaktionserwartungen für die Wettbewerber in solchen Märkten dargestellt, die sich auf die von Cournot gelegten Grundlagen beziehen. Neu ist die am Beispiel des Autohandels entwickelte Vorstellung einer solchen Funktion mit reaktionsbehafteten und einem reaktionsfreien oder autonomen Bereich. Dafür werden Grenzerlöse abgeleitet und bei entsprechenden Kostenkurven auch die Gewinnverläufe sowie die Gewinnoptima. Diese Vorstellungen haben sich als äußerst fruchtbar erwiesen, um vor allem besser verstehen zu lernen, dass auf den betrachteten Märkten in der Realität gleichgerichtete Preisentwicklungen von Wettbewerbern auch ohne Absprache aus der durch Gewinnmaximierung diktierten Rationalität in der gegebenen Situation folgen oder Positionen mit divergierenden Preisen aus rationalen Gründen nicht aufgegeben, die Preise also nicht angeglichen 425

werden.

Erschlossen wurden auch die Absatzsituationen, in denen auf-

422 Wolfgang Schüler, Kostenoptimaler Anlageneinsatz bei mehrstufiger Mehrproduktfertigung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 445. Jg., 1975, S. 393-406. 423 Klaus-Peter Kistner/Alfred Luhmer, Die Dualität von Produktionsplanung und Kostenverrechnung bei komplexen Produktionsstrukturen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 47. Jg., 1977, S. 767-786. ders./Susanne Sonntag, Ansätze einer Theorie der Gutenberg-Produktionsfunktion, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 63. Jg., 1993, S. 1297-1329. 424 Josef Kloock, Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle, Wiesbaden 1969. 425 Horst Albach/Norbert Kloten, Gutachtliche Stellungnahme zu der Preispolitik auf dem Farbstoffmarkt in der EWG in der Zeit von 1964 bis 1967, Tübingen 1973; Horst Albach,

195

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

grund einer entsprechenden Verteilung der Anbieterwechselkosten bei den Nachfragern die wettbewerbsfreien Bereiche und den wettbewerbsträchtigen Bereich im Vergleich zum Gutenbergschen Ansatz genau ausgetauscht haben.

426

Auch der dritte Band der „Grundlagen“ folgt einem strengen Gliederungsschema. Der Kapitalbedarf eines Unternehmens wird zunächst aus den Produktionsbedingungen abgeleitet. Sodann wird der Kapitalfonds dargestellt, der die Möglichkeiten der Kapitalbedarfsdeckung systematisch erfasst. Im Schlussteil wird die optimale Abstimmung von Kapitalbedarf und Kapitaldeckung behandelt. Sie muss das finanzielle Gleichgewicht jederzeit sichern. Dieser Band ist weniger einflussreich als die beiden vorangehenden. Das kann damit erklärt werden, dass die amerikanische Kapitalmarkttheorie zum Zeitpunkt seines Erscheinens bereits wesentlichen Einfluss gewonnen hat. Dieser Auffassung gegenüber ist bei Gutenberg die Erfahrung verankert, dass auf unvollkommenen Kapitalmärkten die Unternehmensrisiken nicht einfach durch Zuschläge zum risikolosen Zins behandelt werden. Vielmehr sind Dispositionen der Geschäftsleitung erforderlich, um die optimale Abstimmung zwischen güterwirtschaftlicher Sphäre und Finanzsphäre herbeizuführen. achten.

427

Dabei ist das „erwerbswirtschaftliche Prinzip“ zu be-

Die Gutenbergschen „Grundlagen“ haben sich als hervorragende Instrumente zur Lösung von „puzzles“ in den von ihnen jeweils angesprochenen Problembereichen erwiesen. Sie haben zu vielen Weiterentwicklungen angeregt, was besonders für die beiden ersten Bände gilt. Vor allem aber haben die „Grundlagen“ die Betriebswirtschaftslehre wieder mit einer tragfähigen Theorie versehen. Ihr Ziel ist es, der Praxis Hinweise auf ein Optimierungshandeln zu vermitteln, das „nicht nur auf Wirklichkeitsnähe, sondern auch 428

auf Richtigkeit“ zielt.

Das Unternehmen als Ganzes zu betrachten ist dabei

Market Organization and Pricing Behaviour of Oligopolistic Firms in the Ethical Drugs Industry, Kyklos, Vol. 32, 1979, S. 523-540; Klaus Brockhoff, Die Bewährung von Gutenbergs Preis-Absatz-Funktion im Zigarettenmarkt, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 58.Jg., 1988, S. 828 - 838. 426 Klaus Brockhoff, On a Duopoly with a Doubly Kinked Demand Function, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 124. Bd., 1968, S. 451-466. 427 Damit setzt sich auseinander: Jan Piet Krahnen, Finanzierungstheorie: Ein selektiver Überblick, in: Horst Albach et al., Hrsg., Die Theorie der Unternehmung in Forschung und Praxis, Berlin/Heidelberg 1999, S. 93-124. 428 Dazu: Horst Albach, Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von Erich Gutenberg. Aus dem Nachlass. Berlin 1990, S. 30.

196

Überblick

das durchgängige Kompositionsprinzip der Gutenbergschen Theorie. “The centre of Gutenberg’s theory is the proposition that the firm is an economically autonomous unit which, on its own responsibility, efficiently, combines factor inputs in satisfying the demand for the output of this combination process in order to optimise its economic objective function.”

429

Der Unterschied zu der durch Eugen Schmalenbach repräsentierten Betriebswirtschaftslehre ist neben dem methodischen Vorgehen ein Grund für die Wahrnehmung von Erich Gutenberg als Revolutionär in der Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an Horst Albach können die beiden Paradigmen wie folgt charakterisiert werden:430

Unternehmensziel Beschaffungsmärkte Absatzmärkte Verhalten der Beschäftigten

Eugen Schmalenbach Gemeinwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit Unvollkommen Vollkommen ?

Erich Gutenberg Erwerbswirtschaftliches Prinzip Vollkommen Unvollkommen Rational, teamorientiert

Alle diese Unterschiede können auch als Übergänge von Verkäufer- zu Käufermärkten und von Märkten mit großen Unvollkommenheiten zu solchen mit geringen Unvollkommenheiten interpretiert werden. Das spiegelt zugleich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unternehmerischer Tätigkeit, die der Vorgänger und sein Nachfolger auf demselben Lehrstuhl der Universität zu Köln in ihren Arbeiten berücksichtigten. Das Verhalten der Beschäftigten wird bei Gutenberg im Sinne einer Übereinstimmung der persönlichen Ziele mit denen des Unternehmens angenommen. Wird diese Annahme aufgegeben, so folgen daraus weitere Ansätze: Im entscheidungsorientierten Ansatz sollen die individuellen Entscheidungen und Entscheidungsgrenzen in einem grundsätzlich produktivitätsorientierten Unterneh431 men berücksichtigt werden. Grundlagen für die Untersuchung zielgerichteten Handelns sind Analysen des Entscheidungsverhaltens und der Entscheidungslogik bei Entscheidungen unter Sicherheit oder Unsicherheit. Dieser Ansatz ist nicht allein wirtschaftlich orientiert, sondern verhaltens-

429 Horst Albach, Business Administration: History in German-Speaking Countries, in: Handbook of German Business Management, Vol. I, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270, hier Sp. 252. 430 Ebenda, Sp. 253f. 431 Edmund Heinen, Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, München 1976.

197

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

wissenschaftlich. Im systemtheoretischen Ansatz wird die Leistung der Unternehmensleitung in der Zielbildung und ihrer Problemlösungskapazität in den Mittelpunkt gerückt, die aber die Aktivitäten der übrigen Mitarbeiter zu 432 Alle Handelnden beeinflussen sich wechselseitig. berücksichtigen hat. Diese Verflechtungen werden in einem System von Regelkreisen abgebildet, die auf sie einwirkende Impulse verstärken oder abschwächen können. Das Ziel ist ein kybernetisches (sich selbst steuerndes) System, das die Entwicklung des Unternehmens in bestimmten Grenzen hält. Eine der vielen Schwierigkeiten der Modellierung eines solchen sozialen Systems ist seine Offenheit. Im koalitionstheoretischen Ansatz sind die einzelnen Ziele der Unternehmensbeteiligten aufeinander abzustimmen, wofür die Unternehmens433 leitung Macht und Anreize einsetzt. Letztere müssen, um den Koordinationserfolg zu sichern, von den Empfängern als ihrem jeweiligen Einsatz für das Unternehmen nutzengleich wahrgenommen werden. Diese Ansätze sind nicht in erster Linie produktivitätsorientiert, sondern verhaltensorientiert. Sie nehmen damit Gedanken auf, die in der amerikanischen verhaltensorien434 tierten Managementforschung große Bedeutung haben. Grundlegend für diese Betrachtungsweisen ist das Individualverhalten als Ausgangspunkt, um von dort aus ein Verständnis für Verhalten in Organisationen zu entwickeln (methodischer Individualismus). In diesen Sichtweisen sind nur beschränkt Spezialfälle der Gutenbergschen Betrachtung zu erkennen, wie 435 Albach meint. Es wird im Kern ein ganz anderer, nämlich nicht eigentlich ökonomischer Ansatz bereitgehalten. Deshalb seien sie kritisch zu betrach-

ten, wie Schneider argumentiert.436 Die drei Ansätze weisen auf Entwicklungen hin, durch die der produktivitätsorientierte Ansatz Gutenbergs in der Folgezeit überwunden werden sollte. Die eben genannten Ansätze erscheinen in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Bis dahin ist der Ansatz von Erich Gutenberg dominant. Trotz der Übersetzungen seiner Werke in fremde Sprachen ist außerhalb des deut432 Hans Ulrich, Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern/Stuttgart 1968. 433 Werner Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1-3, 2.A., Wiesbaden 1977. 434 Herbert A. Simon, Administrative Behavior. A Study of Decision Making Process in Administrative Organization. New York 1945; James G. March/Herbert A. Simon, Organizations, New York 1958; Richard M. Cyert/ James G. March , A behavioral theory of the firm, Englewood Cliffs/NJ 1963. Zur Kritik, unter Einschluss der entscheidungsorientierten Richtung, u.a.: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 257ff. 435 Horst Albach, Business Administration: History in German-Speaking Countries, in: Handbook of German Business Management, Vol. I, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270, hier Sp. 255. 436 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 190f.

198

Überblick

schen Sprachraums keine ebenso mächtige Wirkung wie innerhalb zu verzeichnen. Zwei Entwicklungen laufen nun zusammen: (1) Der wieder auflebende wissenschaftliche Austausch mit dem Ausland bringt deutsche Betriebswirte in Berührung mit Strömungen, die im eigenen Lande nur wenig bekannt sind. Das wurde im Abschnitt 6.1.9 für zwei Felder exemplarisch gezeigt. (2) Es entsteht der Eindruck, dass die mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung auftretenden Fragen mit den herkömmlichen Ansätzen nicht mehr beantwortet werden können. So entstehen neue Ansätze und neue Strömungen. Bei der Darstellung dieser Strömungen wird radikal vereinfacht, wenn nur von zweien die Rede ist: (1) einer „Managementlehre unter den Fittichen der Verhaltens- und Sozialwissenschaften“ und (2) einer auf der Wirtschaftsthe437 orie aufbauenden Betriebswirtschaftslehre. Der ersteren werden die Funktionenlehren der Organisation, des Personalwesens, der Unternehmensführungslehre, der Absatzwirtschaft und des Controlling zugeordnet. In der zweiten soll die Institutionentheorie von Organisationen und Märkten sowie die mikroökonomisch fundierte und später auf der Kapitalmarktorientierung aufbauende Investitions- und Finanzierungstheorie ihren Platz gefun-

den haben.438 Mit dieser Aufspaltung in unterschiedliche Richtungen sei der Auflösungsprozess der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre einhergegan439 gen, meint Meffert. Vereinfacht ist diese Darstellung aus mehreren Gründen. Erstens ist keine Funktionenlehre so homogen entwickelt, dass sie allein einer dieser Strömungen zuzuordnen wäre. Am Beispiel der Absatzwirtschaft oder des Marketing, wie diese Funktionenlehre seit der entsprechenden Benennung des Münsteraner Lehrstuhls im Jahre 1969 durch Heribert Meffert auch in Deutschland allgemein heißt, lässt sich dies sehr gut zeigen. Es kommen zeitgleich psychologisch orientierte Ansätze und solche vor, die wirtschaftstheoretisch geprägt sind. Ersteres zeigt sich beispielsweise in den

Arbeiten zum Konsumentenverhalten,

440

letzteres an denen zur Marketing-

437 Später formuliert Schneider: „eine Managementlehre, die auf eine verhaltens- und sozialwissenschaftliche Integration hinarbeitet und deren methodologische Grundlagen auf Holismus beruhen; eine aspektbezogene Einzelwirtschaftstheorie, die auf Leitbilder zur Marktkoordination setzt und hierbei methodologischem Individualismus folgt“: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 270. 438 Dieter Schneider, Geschichte der BWL, Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre, 6.A., Stuttgart 2007, Sp. 591-599, hier Sp. 598. 439 Heribert Meffert, Betriebswirtschaftslehre in den Siebziger- und Achtzigerjahren, in: Eduard Gaugler/Horst Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 135-164, hier S. 138. 440 Werner Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, München 1975. Werner Kroeber-Riel/ Peter Weinberg, Konsumentenverhalten, 7.A., München 1999.

199

6.1

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Strategie,441 zur Produktpolitik442 oder zur Preisbildung.443 Auch die Finanzwirtschaft hat einen mehr wirtschaftstheoretisch geprägten Teil und mit „behavioral finance“ einen verhaltenswissenschaftlich orientierten Zweig. Solche Beispiele können beliebig vermehrt werden. Zweitens ist in der erwähnten Zweiteilung nicht ersichtlich, wie beispielsweise empirisch und mathematisch orientierte Ansätze der Erkenntnisgewinnung zu berücksichtigen sind. Der vielleicht naheliegende Hinweis, das ökonomische Prinzip regiere alle diese Ansätze und ordne sie daher der theoretischen Richtung zu, ist wiederum mit Blick auf den Ausgangspunkt der einen oder anderen sozialpsychologischen Arbeit nicht überzeugend. Eine Fülle von Arbeiten zur Organisation, zur Produktionsplanung usw. wie sie in Zeitschriften wie „Management Science“ erschienen sind, wäre einer oder mehreren neuen Strömungen zuzuordnen. Die Vielfalt der Strömungen ist im Rahmen einer Skizze nicht zu verfolgen.

444

6.2

Hier ist auf die Eingangsbemerkung dieses Kapitels zu verweisen.

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

Am Beispiel lässt sich erkennen, wie betriebswirtschaftliches Wissen voranschreitet und in welcher Weise es an das Beobachtungsobjekt gebunden ist. Das hier ausgewählte Beispiel ist die Entwicklung der Vorstellungen über die Kostenfunktion bei schwankender Beschäftigung. (1) Auf die landwirtschaftliche Produktion richtet Anne Robert Jacques Turgot (1727-1781) sein Augenmerk (Abbildung 45). Im Rahmen von „Anmerkungen“ über die Vorteilhaftigkeit indirekter Steuern macht der Autor sich auf Beobachtungen gestützte Gedanken über das Verhältnis von Inputs

441 Helmut Schmalen, Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüte. Ein Simulationsmodell zur Wirkungsanalyse alternativer Preis-, Werbe- und Lizenzstrategien, Wiesbaden 1979. 442 Sönke Albers/Klaus Brockhoff, A Comparison of Two Approaches to the Optimal Positioning of a New Product in an Attribute Space, Zeitschrift für Operations Research, Bd. 23, 1979, S. 127-142. 443 Horst Albach, Das Gutenberg-Oligopol, in: Helmut Koch, Hrsg., Zur Theorie des Absatzes, Erich Gutenberg zum 75. Geburtstag, Wiesbaden 1973, S. 9-34. 444 Kurzdarstellungen bieten nicht nur die Artikel in den Handwörterbüchern, sondern auch die Beiträge in: Michael Lingenfelder, 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland 1898-1998, München 1999; Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002.

200

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

6.2

zu Outputs in der landwirtschaftlichen Produktion. Dabei werden marginale Inputveränderungen von vorausbezahltem Saatgut bei Variation der Feldbestellung mit den erzielbaren Outputs verglichen (Abbildung 45).

445

Abbildung 45

Turgot über den Verlauf von Ertragsfunktionen in der Landwirtschaft, 1844

Hier werden also zunächst ansteigende und dann sinkende Grenzerträge des variablen Faktoreinsatzes beschrieben. Die Ertragskraft des Bodens wird schließlich erschöpft. Nimmt man nun gegebene Faktorpreise der Feldbestellung an, so kann man aus der Schilderung einen Verlauf der Kosten in Ab445 Observations sur le mémoire de M. de Saint-Peravy en faveur de l’impôt indirect, couronné par la société royale d’agriculture de Limoges, (vermutlich 1767), in: Eugène Daire, Hrsg., Oeuvres de Turgot, Nouvelle Edition, 1. Bd., 1844 (Nachdruck Osnabrück 1966), S. 418-432, hier S. 421.

201

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

hängigkeit von gewünschten Ertragsniveaus ableiten. Es entsteht das Bild der sogenannten s-förmigen Kostenfunktion oder des ertragsgesetzlichen Kostenverlaufs. Der Verlauf ist identisch, gleichgültig ob man ihn aus zunehmenden oder abnehmenden Ertragsniveaus ableitet. Die Kosten nehmen bei zunehmender Beschäftigung zunächst unterproportional und anschließend überproportional zu. Dieses Bild begleitet die betriebswirtschaftliche Kostentheorie bis in die jüngste Zeit hinein. Das ist erstaunlich, weil es für eine bestimmte Branche abgeleitet ist und nicht explizit über die variablen Produktionskosten hinausgeht.

Abbildung 46

Anne Robert Jacques Turgot, 1727 - 1781

(2) An der letztgenannten Beobachtung anknüpfend wird Dionysius Lardner (1793-1845) das Verdienst zugesprochen, zwischen variablen und fixen Kos446

ten zu unterscheiden.

Offenbar ist diese Quelle wenig bekannt geworden.

446 Dionysius Lardner, Railway Economy: A Treatise on the New Art of Transport…,London 1850, hier zitiert nach Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A:, 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 126. Derselbe weist darauf hin, dass das Fixkostenproblem auch schon bei dem Römer Marcus Terentius Varro erkannt wurde (Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 109). Dabei spielt aber weder

202

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

Dasselbe Verdienst wird nämlich auch Eugen Schmalenbach zugesprochen. Er weist darauf hin, dass er erstmals in der Deutsche Metallindustriezeitung von 1899 auf die Notwendigkeit der Unterscheidung hinwies, sodann in mehreren Folgeveröffentlichungen die Aufmerksamkeit für das Thema zu 447 gewinnen versuchte. Hier stützen wir uns auf die Version von 1919. Zunächst einmal werden Kosten als durch wirtschaftliche Leistungserstellung verursachter (bewerteter, K.B.) Güterverzehr charakterisiert. Um die Wirkung der Kosten in der Kalkulation darzustellen, erfolgt eine genauere Betrachtung der Kosten in Abhängigkeit vom „Beschäftigungsgrad“. Ein Blick auf „moderne Fabrikationsbetriebe“ scheint zu zeigen, dass in einigen von ihnen die Kosten sich ungefähr proportional zum Beschäftigungsgrad verhalten. Es kommen aber auch Betriebe vor, in denen eine Variation des Beschäftigungsgrades die Kosten praktisch unverändert lässt. Als Beispiel wird auf den Mautbetrieb einer Brücke verwiesen, was zugleich auch einen Hinweis auf die Kapazitätsgrenze gestattet. Solche Kosten seien als fix anzusehen. Sodann wird das Problem erläutert, das bei einer Umlage fixer Kosten auf die Leistungsmenge entsteht und die darauf gegründete Preiskalkulation ad absurdum führt. Nun folgen Hinweise darauf, dass variable Kosten sich zur Ausbringungsmenge nicht proportional oder linear verhalten müssen, sondern degressiv oder progressiv steigen können, wenn die Beschäftigung ansteigt. Progressive Kostenanstiege seien eine Übergangserscheinung, weil die Betriebe ihre Vermeidung durch Kapazitätserweiterung (zeitliche oder quantitative Anpassung) versuchten.

Gegenüber Turgot ist hier ein geänderter Branchenfokus zu erkennen. Der Boden spielt als Produktionsfaktor keine erkennbare Rolle mehr. Kapital und Arbeit sind als Faktoren zu betrachten. Es sind unterschiedliche Verläufe der Kostenfunktion möglich, nicht allein der S-förmige Verlauf Turgots. Die an Beispielen plausibel gemachten Vorstellungen benötigen trotz der aus heutiger Sicht leichten Eingängigkeit eine lange Zeit, bis sie sich durchsetzen können. (3) Wie viele Ingenieure beschäftigte auch Kurt Rummel (1883-1953) die Frage nach der Kostenfunktion. In mehreren Punkten konnte er über den bisherigen Kenntnisstand hinausgehen. Natürlich beschäftigt Rummel sich mit den Kosteneinflussgrößen und hierbei insbesondere mit der Beschäftigung. Das ist zunächst statisch. Er nimmt auch ein dynamisches Problem in der Kostenverursachung wahr. Näheres die Kostenfunktion noch das Problem der Fixkosten in der Kalkulation eine Rolle. Darin sind originäre Beiträge Schmalenbachs zu sehen. 447 Eugen Schmalenbach, Selbstkostenrechnung, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 13. Jg., 1919, S. 259-299 und 321-356.

203

6.2

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

Interesse erlangt die Beobachtung dessen, was dann Kostenremanenz ge448 Nimmt man beispielsweise drei unterschiedliche, zeitlich nannt wird. aufeinander folgende Ausbringungsmengen x1 < x2 < x3 an, die zu Kosten K(x1) < K(x2) < K(x3) führen. Dann ist bei einer von x 3 aus vorkommenden Senkung der Ausbringung auf x 4 = x 2 und x 5 = x 1 keineswegs zu beobachten, dass die Kosten auf die bekannten Werte K(x1) < K(x2) sinken, sondern auf Werte K(x5) < K(x4), wobei K(x2) < K(x4) und K(x1) < K(x5) gelten. Dafür werden unter anderem verzögerte Anpassung der Arbeitskapazitäten, unter Umständen mit Blick auf künftig erwartete höhere Beschäftigungen und die Vermeidung dann wieder einsetzender Kosten der Herstellung der Betriebs-

bereitschaft, ins Feld geführt.449 Sodann wird das Thema der Kalkulation wieder aufgenommen. Durch die lange bekannte Amoroso-Robinson-Relation wird für den Fall ohne Konkurrenzreaktion ein gewinnmaximaler Preis nach der Regel Preiselastizität * Grenzkosten / (1 + Preiselastizität) bestimmt. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass in Deutschland in den dreißiger Jahren zunehmend eine gelenkte Wirtschaft entstand, in der Preise sich nicht als Ergebnis von Marktprozessen bildeten, sondern grob gesprochen nach der Formel „Kosten + Gewinnzuschlag“ zu ermitteln waren. Hierbei spielen dann nicht die Grenzkosten die entscheidende Rolle, sondern die Durchschnittskosten. Bei deren Ermittlung stehen die fixen Kosten der Schlüsselung auf die einzelne Ausbringungseinheit im Wege, wie schon Schmalenbach erkannte. Deshalb kommt Rummel zu einer stärkeren Differenzierung der Kosten, um mit der Schlüsselung möglichst weit zu kommen. 450

Er unterscheidet fünf Typen von Kosten:

„1. Kosten, die unabhängig von der Erzeugung, aber proportional zur Kalenderzeit sind, wie z.B. Zinsen des Anlagekapitals, Abschreibung für technische Überalterung, ein Teil der Gehälter; 2. Kosten, die von Haus aus proportional zur Erzeugung sind, wie Fertigungsmaterial, Fertigungslöhne; 3. Kosten, die zwar nicht unmittelbar zur Erzeugung proportional sind, 448 Vgl. Dazu: H. D. Brasch, Zur Praxis der Unkostenschwankungen und ihrer Erfassung, Betriebswirtschaftliche Rundschau, 4. Jg., 1927, S. 41-44, 65-72, hier S. 67ff.; Erich Strube, Kostenremanenz und Beschäftigungsschwankungen, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 30. Jg., 1936, S. 505-541, bes. S. 511f. 449 Kurt Rummel, Einheitliche Kostenrechnung auf der Grundlage einer vorausgesetzten Proportionalität der Kosten zu betrieblichen Größen, 3.A., Düsseldorf 1949, S. 210f. Grundlegende Veröffentlichungen dazu erschienen ab 1929. 450 Ebenda, S. 215.

204

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

sich aber mit Hilfe anderer betrieblicher, von der Erzeugung abhängiger Größen auf die Erzeugung bringen lassen, z. B. Rüstkosten , die der Rüstzeit proportional sind und den Einfluß der Losgröße widerspiegeln; 4. Kosten, die gemäß Planung proportional gemacht werden können, gewissermaßen etatsmäßig, wie Hilfsstoffe und Hilfslöhne; 5. Kosten, die darüber hinaus entstehen, z. B. durch Halten von Fachkräften … alles auch nach Planung. Diese Kosten folgen keinerlei Proportionalität zu betrieblichen Größen, sie lassen sich infolgedessen nicht schlüsseln, denn jedes Schlüsseln ist eine Anwendung des Proportionalitätsgesetzes.“

Man sieht in dieser Liste das Bemühen, möglichst viele Kosten zumindest auf Fertigungslose umzulegen. Natürlich gelingt das nicht mit den fixen Kosten 1. und den Remanenzkosten 5. Konsequent ist aber nur die Erkenntnis, dass die Preisuntergrenze in der Kalkulation durch die „gesamten proportionalen Kosten“ bestimmt wird. „Jede Gelegenheit, zu der ein Erzeugnis über diese proportionalen Kosten verkauft werden kann, vermindert den im 451 Damit ist Wettbewerb in schlechten Zeiten unvermeidlichen Verlust …“ im Grunde die Deckungsbeitragsrechnung erkannt, die später vertieft und

mit der aufkommenden linearen Programmierung verbunden wird.452 Trotz dieser Erkenntnisse ist keine Theorie der Kostenfunktion in den Ausführungen zu erkennen. Insbesondere auch ihre Verknüpfung mit den Produktionsbedingungen erscheint allenfalls ad hoc und aus der unmittelbaren Anschauung gewonnen. (4) Diesen Zustand beendet Erich Gutenberg im ersten Band seiner „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“.453 Er stellt sich einen Betrieb vor, in dem an verschiedenen Aggregaten in einer einstufigen Produktion ein Produkt zu erzeugen ist. Die technischen Produktionsbedingungen, also die Leistungs- und Verbrauchsdaten der Aggregate, werden als gegeben und in der Betrachtung nicht variierbar unterstellt. Sie bilden die sogenannte zSituation. Die Aggregate können in unterschiedlicher Anzahl, über unterschiedliche Dauer und mit unterschiedlicher Intensität betrieben werden. Zu einer bestimmten Intensität gehören dann aufgrund der technischen Bedingungen bestimmte Einsatzmengen jedes Produktionsfaktors. Gewichtet man diese mit den Beschaffungspreisen, so erhält man Verbrauchswerte. Diese 451 Ebenda, S. 213. 452 Hans-Hermann Böhm/Friedrich Wille, Deckungsbeitragsrechnung und Programmoptimierung, München 1965 (2. Auflage von „Direct Costing und Programmplanung“, München 1960). 453 Vgl. hierzu Abschnitt 6.1.10.

205

6.2

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

kann man additiv zusammenfassen und erhält so einen Punkt auf einer Kostenkurve. Die gesamte Kostenkurve ergibt sich bei Variation von Zeit und Intensität. Auf veränderliche Ausbringungsmengen kann das Unternehmen nun mit unterschiedlichen Anpassungsformen reagieren. Bei rein intensitätsmäßiger Anpassung wird aus den Verbrauchsfunktionen der Aggregate eine Kostenfunktion bei intensitätsmäßiger Anpassung abgeleitet. Sie kann ein S-förmiges Bild haben, wie die Kostenfunktion bei Turgot. Aber ihr Verlauf findet hier eine völlig andere Erklärung. Bei rein zeitlicher Anpassung hat die Kostenfunktion wegen der festen Intensität für jedes Aggregat einen linearen Verlauf. Quantitative Anpassung bildet sich durch Stufen in der Kostenfunktion ab. Aus alle diesen Möglichkeiten wird das am erwerbswirtschaftlichen Prinzip orientierte Unternehmen diejenige wählen, die zu den geringsten Kosten führt. Die von Gutenberg abgeleitete Produktionsfunktion wird von ihm als Typ B bezeichnet. Sie ist damit von der „ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion“, dem Typ A, abgegrenzt. Das ist aber nicht nur ein definitorischer Unterschied, sondern einer, der auf unterschiedliche Bedingungen des Faktoreinsatzes zurückgeführt wird: die Faktoreinsatzmengen sind nicht frei variierbar. Der Typ B wird als für die industrielle Produktion geeignet angesehen. Mit der Herleitung dieser Produktionsfunktion wird die Kostenfunktion, die daraus abzuleiten ist, auf eine produktionstheoretische Grundlage gestellt. Das ist die Kostenfunktion der variablen Kosten. Die fixen Kosten müssen unabhängig davon betrachtet und mit der Investitionstheorie verknüpft 454

werden.

Neben der Ausbringungsmenge oder Beschäftigung werden von Gutenberg weitere Kosteneinflussgrößen identifiziert: Die Veränderung der technischen Produktionsbedingungen, der Betriebsgröße, der Faktorpreise und der Produktionsprogramme. (5) Der so erreichte Zustand der Kostentheorie kann nun schrittweise an die Realität angepasst und an dieser überprüft werden. Die Anpassung an die Realität erfolgt in der Ableitung der auf Arbeitsgänge als sogenannten Elementarkombinationen bezogenen Produktionsfunktion vom Typ C für substitutionale Faktorkombinationen

455

und die Erweiterung für die mehrstufi-

454 Horst Albach, Zur Verbindung von Produktionstheorie und Investitionstheorie, in: Helmut Koch, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Erich Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 137-204. Josef Kloock, Perspektiven der Kostenrechnung aus investitionstheoretischer und anwendungsorientierter Sicht, in: Eduard Gaugler/H. G. Meissner/Norbert Thom, Hrsg., Zukunftsaspekte der anwendungsorientierte Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1986, S. 289-302. 455 Edmund Heinen, Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, Bd. 1, Wiesbaden 1965.

206

Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion

ge Produktion durch den Typ D.456 Sodann kann eine Dynamisierung erfolgen. Sie führt zur Produktionsfunktion des Typs E.

457

Schließlich können

458

auch Unsicherheiten berücksichtigt werden.

Eine Verallgemeinerung durch Aufgabe funktionaler Abhängigkeiten in der Betrachtung stellt die auf mengentheoretischen Konzepten basierende Aktivitätsanalyse dar.459 Auch auf dieser Grundlage können die Produktionskosten abgeleitet werden. (7) Die Vorstellung, dass die Kosten aus Elementarvorgängen abzuleiten seien, ist auch als Prozesskostenrechnung (activity based costing) entwickelt worden. Damit verschwindet die Bedeutung der von Beschäftigungsschwankungen abhängigen Kostenfunktionen. Dazu trägt auch bei, dass die Verbreitung von elektronischen Rechenanlagen das „computer integrated manufacturing“ fördert. Im Extremfall ist damit die Produktion des einzelnen Produkts nach Kundenwünschen („Losgröße 1“) wieder ebenso realistisch, wie in den Jahren des Handwerksbetriebes, der die Kunden nach individueller Bestellung bedient. Dafür verliert die herkömmliche Kostenfunktion an Bedeutung. Die Kostenrechnung ist selbstverständlich auch in dieser Situation höchst relevant, zumal die hohen Kosten der Produktionsvorbereitung oder die Komplexitätskosten auftragsspezifisch zu erfassen sind. Kommt dann eine wachsende Nachfragermacht zum Tragen, so muss ein Kostensoll aus Sicht der Situation am Markt und damit auch der konkurrierenden Anbieter abgeleitet werden. Das „target costing“ als eine besondere Form der Soll- oder Plankostenrechnung gewinnt an Bedeutung. Die Bedeutung ragt über die Routinevorgänge hinaus bis in die Steuerung der Entwicklungsanstrengungen hinein. In diesen Kurzdarstellungen kann verfolgt werden, wie ein bestimmtes Konzept schrittweise entwickelt wird. Das wird einmal durch die Veränderung der Objektbereiche bewirkt: Von der landwirtschaftlichen zur industriellen Produktion und hier zu schrittweise komplexeren Produktionssystemen. Zum zweiten wird dies durch die Methodik bewirkt: Vom Verstehen der Situation und ihrer Beschreibung über die Versuche präziser Erfassung zur formalen Darstellung. Bei dieser wird dann auf möglichste Verallgemeinerung hin gearbeitet. Zum dritten erfolgen empirische Untersuchungen, 456 Josef Kloock, Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle, Wiesbaden 1969. 457 Ulrich Küpper, Dynamische Produktionsfunktion der Unternehmung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 49. Jg., 1979, S. 93-106. 458 Zusammenfasend hierzu: Günter Fandel, Produktion I, Produktions- und Kostentheorie, 2.A., Berlin et al. 1989, S. 149ff. (1.A., Berlin et al. 1986). Zu empirischen Arbeiten: Ebenda, S. 188ff. 459 Waldemar Wittmann, Produktionstheorie, Berlin et al. 1968.

207

6.2

6

Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

um die Theorie zu überprüfen oder um Anregungen für die Weiterentwicklung der Theorie bereit zu stellen. Damit werden zugleich Kriterien geliefert, nach denen der wissenschaftliche Fortschritt in einem abgegrenzten Fragenbereich beurteilt werden kann. Eine wesentliche Einschränkung sollte hier nicht verschwiegen werden. Die Skizze vermittelt nur eine Idee, sie ist keine Historiographie der Kostenfunktion.

208

Rückblick

7 Schluss

7.1

Rückblick

(1) Zwei Auffassungen werden hier miteinander verknüpft. (a) Die Betriebswirtschaftslehre ist eine Wissenschaft. Das wird an Hand von Kriterien belegt, die aus heutiger Sicht eine Wissenschaft kennzeichnen. (b) Diese Wissenschaft ist nicht plötzlich geschaffen worden, sondern hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Die Vorstellung von einer Dynamik der wissenschaftlichen Entwicklung im Sinne von Thomas Kuhn (Abschnitt 3.2) lässt es zu, dass zunächst ungelöste Fragen immer besser beantwortet werden. Sie lässt es auch zu, dass die Fragen aus unterschiedlicher Sichtweise angegangen werden. Und sie erfordert wegen der Veränderung der Fragen zu einer bestimmten Zeit eine wissenschaftliche Revolution. So können nebeneinander unterschiedliche Erklärungsmuster fortbestehen. Das macht, neben dem Einfluss menschlichen Verhaltens in den Unternehmensentscheidungen, Schwierigkeiten beim Verständnis der Disziplin. Die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft bemüht sich um Theorien. Die 460 Theoriebildung umfasst fünf Stufen: (a) Erarbeitung möglichst eindeutiger und das Untersuchungsfeld abdeckender Begriffe. Sie können nicht auf Wahrheit hin geprüft werden, sondern nur auf Zweckmäßigkeit. Deshalb muss eine Vorstellung von dem Objekt der Begriffsbildung und ihrem Zweck bestehen. (b) Beschreibung der von den Begriffen erfassten Objekte. Das müssen nicht physische Gegenstände, sondern können auch Prozessabläufe, Organisationsformen o. ä. sein. Auf dieser Ebene werden Existenzaussagen vorgelegt, also festgestellt, was es tatsächlich gibt. (c) Auf der Grundlage von „wenn-dann“-Aussagen, den Hypothesen, werden Erklärungen angestrebt. Die Hypothesen müssen grundsätzlich widerlegbar sein und überprüft werden können. Eine Menge widerspruchsfreier und vorläufig bewährter Hypothesen mit Bezug auf einen Ausschnitt der Wirklichkeit kann man als eine Theorie ansehen. (d) Damit ist eine Grundlage für Prog-

460 Vgl. Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien und Kritik. Wiesbaden 2003, S. 7ff.. Vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 42.

209

7.1

7

Schluss

nosen gefunden. Um solche Wahrscheinlichkeitsaussagen zu machen ist es notwendig, dass Hypothesen über den Zeitpunkt ihrer Prüfung hinaus Gültigkeit behalten. Das ist natürlich nicht selbstverständlich. Hinzu kommt, dass Prognosen sich selbst zerstören können. Setzen beispielsweise alle konkurrierenden Unternehmen dieselben Erfolgsvariablen der Vergangenheit ein, so können sich diese in der Zukunft als unwirksam erweisen. (e) Auf der Grundlage von Prognosen sollen Handlungsempfehlungen gegeben werden. Da die Prognosen jeweils auf bestimmten Voraussetzungen beruhen, gilt dies auch für die Handlungsempfehlungen. Sie sind jeweils nur bedingt. Sie verlassen, insbesondere, wenn sie nicht als Alternativen formuliert sind, die Sphäre der Wertfreiheit. Sie stellen daher das Feld für die Beratung dar, das einige Wissenschaftler nicht betreten möchten. Dafür gibt es Berater, die ihre Empfehlungen nicht auf die hier entwickelten Voraussetzungen gründen. Die historische Darstellung hat Beispiele zu den ersten drei Stufen der Theoriebildung erkennen lassen. Die Stufen, insbesondere die Stufe (c), folgen hier einer bestimmten wissenschaftstheoretischen Auffassung. Dazu gibt es 461 Alternativen. Letztlich geht es darin darum, wie Wahrheit gewonnen werden kann: durch einen im Dialog gefundenen Konsens, durch widerspruchsfreie Einordnung einer neuen Aussage in ein System von Aussagen oder Erkenntnissen (Kohärenz) oder durch Korrespondenz zwischen Realität und beschriebenem Sachverhalt. Nimmt man dazu auch noch die Forderung nach Nützlichkeit (etwa im Sinne von Bacon oder Leibniz), dann sind wenigstens vier Möglichkeiten zu unterscheiden. (a) Es wird nach wahren und nützlichen Aussagen gesucht, was Theoriebildung im hier verstandenen Sinne zum Gegenstand hat. (b) Es treten unwahre und unnütze Aussagen auf. (c) Es werden wahre, aber unnütze Aussagen vorgelegt. Man kann hier auch von Trivialitäten sprechen. (d) Leider gibt es auch unwahre, aber nützlich erscheinende Aussagen. Dies ist Blendwerk, unabhängig davon, worauf die Unwahrheit beruht. Die historische Betrachtungsweise der Theorieentwicklung kann Beiträge dazu leisten, zwischen diesen Situationen zu unterscheiden. Sie kann aber nicht von vornherein eine Konzentration auf den ersten Fall herbeiführen.

461 Schon ein erster Blick offenbart deutliche Unterschiede zwischen diesen: Ulrich Frank, Wissenschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 6.A., Stuttgart 2007, Sp. 2010-2017.

210

Rückblick

7.1

Die Bemühungen um die Theoriebildung werden zu einem großen Teil von Professoren getragen. Deren Zahl ist in Deutschland beachtlich gestiegen. Das zeigt die folgende Zusammenstellung (Tabelle 4).462

Entwicklung der Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftslehre in der Bundesrepublik Deutschland, 1949 - 1998 Jahr Anzahl Professoren gesamt

Anzahl Professoren C4/H4*

Anzahl Universitäten

1949

24

-

-

1960

68

-

-

1964

90

-

-

1966

105

-

-

1970

128

-

-

1977

345

262

51

1980

400

306

54

1986

478

358

60

1992

573

471

62

1998

811

-

64

* Das ist die jeweils höchste Besoldungsgruppe für Professoren, in späteren Jahren dann umgestellt zu W3. Für die früheren Jahre sind exakte Zahlen nicht zu beschaffen. Teilweise abweichende Angaben bei Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 237. Die Zusammenstellung zeigt auch, an wie vielen wissenschaftlichen Hochschulen und Universitäten ein betriebswirtschaftliches Lehrprogramm (wenn auch nicht in allen Fällen zu einem betriebswirtschaftlichen Abschluss führend) angeboten wird. Die Zahlen legen auch nahe, dass die große Anzahl der Professoren nicht auf nur wenigen Teilgebieten tätig sein 462 Quelle: Eduard Gaugler, Entwicklung der Professorenstellen und des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Personalwirtschaft, 4/1992, S. 452-481 sowie ergänzende persönliche Mitteilungen.

211

Tabelle 4

7

Schluss

wird. Der Wettbewerb führt zur Ausdifferenzierung oder anders gesagt zur Spezialisierung. Das wird uns gleich noch einmal beschäftigen. (2) In der Forschung wechseln die Fragestellungen und die Methodiken. Eine Entwicklung sticht besonders hervor, nämlich die im Laufe der Zeit gewachsene Bedeutung der empirischen Forschung. Neben die herkömmlichen Formen der Informationsgewinnung ist dabei das Experiment getreten. Die analytische Methodik ist stark verfeinert worden und gegenwärtig grundsätzlich multivariat ausgeprägt. Dazu hat geführt, dass Informationspflichten und Informationsbereitschaft gestiegen sind. Beide Entwicklungen haben sich gegenseitig beeinflusst. Ein Beispiel für die Veränderung der Informationspflichten ist die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung im Jahresabschluss. Eine Vielzahl der Saldierungsmöglichkeiten, die das Aktiengesetz von 1937 in seinem § 132 vorsah, wurde in der sogenannten großen Aktienrechtsreform von 1965 durch die Gliederungsvorschriften des § 275 des Handelsgesetzbuches abgeschafft. Man sieht dies in der folgenden Tafel sehr gut an der früheren Position „Jahresertrag“ und der sie aus heutiger Sicht bildenden Positionen. Auch der Zinsausweis erfolgte früher saldiert, entweder als Aufwand oder als Ertrag, während heute dafür zwei unsaldierte Positionen vorgesehen sind. Später wurde darüber hinaus außer dem Gesamtkostenverfahren das Umsatzkostenverfahren zugelassen. Damit wurde beispielsweise bei einer größeren Anzahl technologieorientierter Unternehmen der freiwillige Ausweis der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Jahresabschluss ermöglicht. Das hat interessante neue Auswertungsmöglichkeiten eröffnet. Wie aber die folgende Gegenüberstellung zeigt, wurde beispielsweise erst ab 1965 ein Pflichtausweis für den Umsatz eingeführt. Man muss sich vor Augen halten, wie eingeschränkt die analytischen Möglichkeiten vorher waren. Betrachten wir also die Mindestgliederung von Gewinn- und Verlustrechnungen vor 1965 und heute:

Gliederung der GuV bis 1965

Aktuelle Gliederung der GuV

Jahresertrag

Umsatzerlöse Erhöhung oder Verminderung des Bestandes an fertigen und unfertigen Erzeugnissen Andere aktivierte Eigenleistungen Materialaufwand Abschreibungen auf Umlaufvermögen**

212

Rückblick

- Löhne und Gehälter

Löhne und Gehälter

- Soziale Abgaben

Soziale Abgaben

- Abschreibungen und Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen

Abschreibungen auf Anlagevermögen Abschreibungen auf Finanzanlagen und Wertpapiere des Umlaufvermögens

Zinsen, soweit sie Ertragszinsen übersteigen* - Zinsen, soweit sie Aufwandszinsen übersteigen *

Zinsen und ähnliche Erträge Zinsen und ähnliche Aufwendungen

- Steuern vom Einkommen, Ertrag oder Steuern vom Einkommen und vom Ertrag Vermögen, mit Ausnahme der regelmäßig durch Abzug erhobenen Steuern - Außerordentliche Aufwendungen

Außerordentliche Aufwendungen

- Übrige Aufwendungen

Sonstige betriebliche Aufwendungen

Erträge aus Beteiligungen

Erträge aus Beteiligungen

Außerordentliche Zuwendungen

Sonstige betriebliche Erträge Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens

- Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Berufsvertretungen

-

-

Sonstige Steuern Jahresüberschuss oder -fehlbetrag

- Wertminderungen oder sonstige Verluste, durch Auflösung gesetzlicher Rücklage ausgeglichen

-

Außerordentliche Erträge, einschl. der Auflösungen von Rückstellungen, Wertberichtigungen, freien Rücklagen

Außerordentliche Erträge (Rücklagenänderungen erscheinen nach Feststellung des Jahresergebnisses)

Bilanzgewinn/Bilanzverlust

Bilanzgewinn/Bilanzverlust

* Eine der beiden Positionen wird alternativ ausgewiesen. ** Nach Literaturmeinung

213

7.1

7

Schluss

Die hier wiedergegebenen Gliederungen folgen nicht den gesetzlichen Vorgaben. Sie wurden so gewählt, dass die Gleichheiten und Ungleichheiten möglichst unmittelbar erkennbar sind. Das ist nicht voll durchzuhalten. Beispielsweise waren als „außerordentliche Zuwendungen“ eher Subventionen, Schenkungen, Kostenzuschüsse im Rahmen der staatlichen Planungen 463 etc. gemeint. Damit wird erkennbar, wie viel mehr an Möglichkeiten der Jahresabschlussanalyse heute gegeben sind und wie viel mehr Anknüpfungspunkte für die empirische Unternehmensanalyse auf diese Weise gewonnen werden können.

Wenn die Daten aus den Jahresabschlüssen heute in elektronischer Form angeboten werden und genutzt werden können, ist ein weiterer Schritt der Verbesserung der Analysemöglichkeiten getan. Auch die Frequenz der Veröffentlichung vieler Daten ist erhöht worden, beispielsweise durch Quartalsoder Halbjahresberichte. Zusätzlich wurde die Aktualität der Daten erhöht. In früheren Jahren fehlten beispielsweise sogen. „ad hoc“-Mitteilungen, die genutzt werden können, um Unternehmensdaten mit den Finanzmarktreaktionen in Beziehung zu setzen. Ähnliches gilt für eine Vielzahl weiterer Unternehmensdaten. (3) Die Betriebswirtschaftslehre hat im Laufe der Zeit auf vielfache Weise ihre Foci verändert. Diese Veränderungen sind nicht ausschließlich durch völlige Verdrängung des jeweils Früheren gekennzeichnet, sondern durch eine partielle Verdrängung, die das Vorhergehende erweitert. In der folgenden Abbildung 47 soll dies zusammenfassend zum Ausdruck kommen. In der Mitte der Abbildung 47 steht eine grob gegliederte Zeitachse. Darunter ist zunächst zu erkennen, dass betriebswirtschaftliche Texte zunächst Fragen der Hauswirtschaft und – wie hier ergänzt wird – der Führung landwirtschaftlicher Betriebe behandeln. Es folgt eine Auseinandersetzung mit den durch große und kleine Handelsbetriebe aufgeworfenen Fragen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts rücken die Probleme der Industriebetriebe in den Blick. Erst in den letzten Jahrzehnten werden Dienstleistungsbetriebe intensiver betrachtet und erforscht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Erzeugung von Wissen als Dienstleistung. Darunter ist skizziert, dass zunächst Erfahrungen gewonnen und weitergegeben wurden. Wissensgewinnung durch theoriebasierte Arbeiten, seien diese nun analytisch oder empirisch orientiert, beginnt erst mit dem Zeitalter der Aufklärung. Die Begründung der Zinseszinsen durch Leibniz kann hier als ein frühes Beispiel gelten. Die Bedeutung dieser Art der Wissensgewinnung scheint in den letzten Jahren zurückzugehen. Darauf weisen Versuche der Erkenntnisge463 Hans Adler/Walther Düring/Kurt Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 2.A., Stuttgart 1948, S. 296f. Zu ** in der Tabelle: Ebenda, S. 279f.

214

Rückblick

7.1

winnung durch Fallstudien oder durch teilnehmende Beobachtung hin. Das wird in der Abbildung 47 auch angedeutet. Über dem Zeitstrahl ist der regionale Fokus betriebswirtschaftlicher Arbeiten angedeutet. Zunächst ist die Einbettung in die Region ein Gesichtspunkt, der beispielsweise für die Anbauentscheidungen in landwirtschaftlichen Gütern von Interesse ist. Soweit dann Nationen als solche erkennbar sind, wird die Einbettung der Unternehmen in diese berücksichtigt. Allerdings sind Aspekte der Internationalisierung keineswegs eine spätere weitere Folge betriebswirtschaftlicher Entwicklung. Vielmehr wird auf internationale Aspekte, beispielsweise die Wechselkursprobleme, die Handelsbräuche in verschiedenen Nationen, schon früh hingewiesen. Der dünn ausgezogene Pfeil soll andeuten, dass erst viel später die vielfältigen, darüber hinausgehenden Aspekte der Internationalisierung bearbeitet wurden.

Abbildung 47

Schwerpunkte betriebswirtschaftlicher Arbeiten

National Regional International

Ca. 300 v. Chr

ca. 1600 n. Chr. Zeit

ca.1850

ca. 1960

Hauslehren Handelslehren Industrielehren Dienstl.lehr.

Wissensgewinnung durch Erfahrung - Kunstlehren

Wissensgewinnung durch theoriebasierte Arbeiten

215

7

Schluss

7.2

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“

Die historische Betrachtung endet hier etwa in den 1970er Jahren. Das liegt nun auch schon mehr als eine Generation zurück. Der wesentliche Grund für diese Einschränkung ist, dass bis zu diesem Zeitraum eine „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ noch erkennbar war. Dass sie heute kaum mehr erkennbar ist, liegt nicht an einem Mangel, neuere Erkenntnisse in sie aufzunehmen. Das wurde mehrfach demonstriert.464 Die Ausdifferenzierung vieler „Spezieller Betriebswirtschaftslehren“ hat den Kern der Disziplin in jüngster Zeit verdeckt. Allgemeine Erkenntnisse werden bestenfalls in jeder Spezialisierung wieder erneut eingebracht und schlechtestenfalls als bekannt vorausgesetzt. Der erste Fall ist ineffizient, der zweite Fall ist ineffektiv. Dann fehlt nämlich eine wesentliche Grundlage betriebswirtschaftlichen Arbeitens. Damit ist aber noch nicht geklärt, welches Verhältnis zwischen Allgemeiner Betriebswirtschaftslehre und Speziellen Betriebswirtschaftslehren besteht. Hierüber ist eine interessante Diskussion geführt worden, aus der einige Gedanken aufgegriffen werden sollen.

465

In der folgenden Abbildung 48 wird modellhaft von der Existenz von zwei unterschiedlichen Speziellen Betriebswirtschaftslehren ausgegangen. Sie können eine nicht leere Schnittmenge E haben. Beispielsweise gibt es gemeinsame Lehr- und Forschungsinhalte in Personalwirtschaft und Organisationstheorie. Es wird aber auch Spezielle Betriebswirtschaftslehren geben, für die sich keine solche Schnittmenge finden lässt, oder: diese leer ist. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre könnte sich nun einmal auf Schnittmengen mit den Speziellen Betriebswirtschaftslehren beschränken. Das sollte im Sinne der Schnittmenge D der Fall sein. Die Schnittmengen B und C stellen D gegenüber einen Typ von Wissen dar, der zu einem Widerspruch zwischen allgemein und speziell führt. Es kann nämlich kaum ein Wissen als allgemein bezeichnet werden, das zwar für eine, aber nicht für die andere Spezielle Betriebswirtschaftslehre relevant ist. Die „Einführung in das Marketing“ (oder eine andere Spezielle Betriebswirtschaftslehre) könnte man sich hier angeordnet denken. Das kann aber nur dann gelten, wenn die Wissensbestände auch für andere Spezielle Betriebswirtschaftslehren zum 464 Zum Beispiel: Horst Albach, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Einführung, Wiesbaden 2000. 465 Erwartungen an eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre aus der Sicht von Forschung und Lehre (Podiumsdiskussion unter Leitung von Horst Albach mit Jürgen Bloech, Erwin Dichtl, Günter Schanz, Henner Schierenbeck, Dieter Schneider, Günter Vogelsang), in: Dieter Adam et al., Hrsg., Integration und Flexibilität. Eine Herausforderung für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden 1990, S. 137-180.

216

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“

7.2 Abbildung 48

Schnitt- und Vereinigungsmengen des Wissens von Allgemeiner und Speziellen Betriebswirtschaftslehren

notwendigen Wissensbestand zählen. Dann aber befindet man sich in der Teilmenge D. Es verbleibt die Frage, ob die Teilmenge A leer ist oder nicht. In dynamischer Betrachtung sollte A nicht als leer angenommen werden. In statischer Betrachtung ist dies denkbar, wenn zugleich D nicht leer ist. Für die Teilmengen A oder D werden verwandte Interpretationen angeboten. Die Theorie des Unernehmens dient als Basis der Identifikation der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft von wirtschaftlichen Vorgängen und Tatbeständen in Unternehmen oder als Lehre von Institutionen menschlichen Zusammenlebens unter dem Aspekt der Verringerung von Einkommensunsicherheiten im Rahmen einer größeren staatlichen oder überstaatlichen Gemeinschaft. Aus dieser Grundlage heraus entwickeln sich – wie die Äste aus einem Stamm, so formuliert es Dieter Schneider in der Podiumsdiskussion - die Speziellen Betriebswirtschaftslehren. Das ist möglich, weil die Aussagen und Methodiken „allgemein“ im Sinne von „übergreifend“ sind. Ist D eine leere Menge, so sind in A die von Details Spezieller Betriebswirtschaftslehren freien Wissensbestandteile enthalten. Es wird zugleich ein Überblick gewährt. Damit wird eine Orientierungsfunktion für die Speziellen Betriebswirtschaftslehren gegeben. Ist D nicht leer, wird eine Querschnittsfunktion angeboten. Sind weder A noch D leer, kann eine Brü217

7

Schluss

ckenfunktion ausgeübt werden. Es ist danach plausibel anzunehmen, dass Allgemeine Betriebswirtschaftslehre die nicht leeren Mengen A und D umfassen sollte. Konzepte mit den Wissensmengen B und C sind unplausibel, es sei denn, sie tauchen als jeweils beschränkte Spezialisierungswahlmöglichkeiten in der Lehre auf. Damit erfüllen sie aber eher eine auf die Spezialisierung hinweisende, orientierende Funktion aus. Allerdings ist die Kennzeichnung der Mengen A und D durch Elemente nicht objektiv vorzunehmen. Problemrelevantes Wissen wird subjektiv 466 wahrgenommen. Deshalb kommen auch an verschiedenen Hochschulen jeweils unterschiedliche Konzepte von Allgemeiner Betriebswirtschaftslehre vor.

Abbildung 49

Beispiele für eine Ausdifferenzierung spezieller Betriebswirtschaftslehren

Die Betriebswirtschaftslehre für ein einzelnes Unternehmen kann aus heutiger Sicht in wenigstens drei Dimensionen467 dargestellt werden: Der jeweils

466 Klaus Brockhoff, Informationsverarbeitung in Entscheidungsprozessen: Skizze einer Taxonomie, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53. Jg., 1983, S. 53-62. 467 Weitere Dimensionen können als zweckmäßig erachtet werden. So wäre etwa die Eigentümerstruktur eine solche Dimension, vor allem wenn Familienunternehmen von anderen unterschieden werden. Zusätzliche Dimensionen unterstreichen die hier für drei Dimensionen entwickelte Argumentation.

218

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“

betrachteten Funktionen, der Branche und der Situation, in der sich das Unternehmen befindet. In Bezug auf jeweils ein Element dieser Mengen ist dies in der folgenden Abbildung 49 dargestellt. Unten links erscheint die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre im Sinne von A und D der Abbildung 48. (Die Größenverhältnisse sind nicht mit der Mächtigkeit der Inhalte korreliert.) Sie ist weder funktionen-, noch branchen-, noch situationenspezifisch angelegt. Ihre Inhalte können nicht bei den tradierten Gegenständen stehen bleiben. Beispielsweise ist die Erkenntnis, dass Information nicht überall im Unternehmen gleichmäßig verteilt ist und kostenlos zur Verfügung steht von so genereller Bedeutung, dass ihre wirtschaftlichen Aspekte in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre aufzunehmen sind. Die sich im Laufe der Zeit verschiebenden Engpässe für die Realisierung guter Unternehmensergebnisse können auf neue Inhalte oder die Verschiebung der Anteile der früher vermittelten Inhalte Einfluss nehmen. Neu ist beispielsweise die Beschäftigung mit dem Technologie- und Innova468 tionsmanagement, nachdem diese Funktionen in ihrer wettbewerblichen Bedeutung immer stärker in den Vordergrund getreten sind – und zwar auch in Dienstleistungsunternehmen. Auf eine Verschiebung der Anteile wirkt beispielsweise auch der hohe Kapitalbedarf der Unternehmen und damit ihre Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Das hat dem Gebiet der Finanzierung einen Bedeutungszuwachs gebracht. Ein anderes Beispiel bietet die zunehmende Internationalisierung der Unternehmen, die in Lehre und Forschung einzubeziehen ist. Wo die Puzzles der Unternehmen nicht mehr durch „orthodoxe neoklassiche“ Theorien zu lösen sind, wird nach einer Neuorientierung gesucht, die beispielsweise die „Neue Institutionenö469

konomik des Unternehmens“ bereitzustellen verspricht.

Die Klage, dass das Spezialwissen überhand nehme und die verbindende Klammer einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre in Forschung und Lehre immer mehr zurückgedrängt werde, ist nicht auf Deutschland beschränkt. Auch in den USA, wo immer wieder die Leistungen der „business schools“ zur Debatte stehen, wird seit Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von Autoren, die sich im übrigen durch vieles in ihren Vorstellungen unterscheiden, zu bedenken gegeben, dass die Gesamtsicht der un-

468 Klaus Brockhoff, Technologie- und Innovationsmanagement – Zur Entfaltung einer wissenschaftlichen Teildisziplin, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 385-410. 469 Rudolf Richter/Eirik G. Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. A., Tübingen 2003, S. 393ff.

219

7.2

7

Schluss

ternehmerischen Tätigkeit verloren gehe.470 Selbst für alle „graduate studies“ ist warnend darauf hingewiesen worden, dass die Spezialisierung in der Wissenschaft Folgen haben könne, die „as severe as those described by industrial sociologists and psychologists“ sein könnten und daher korrigie471 rende Maßnahmen nötig seien. In den ersten Jahren der Diskussion über den Wert von MBA-Studiengängen im Vergleich zum Diplom-Studiengang wurde nach sorgfältiger Analyse der Kritik in den USA und eigenen Recherchen vor Ort festgestellt, dass immer wieder Mythen verbreitet würden: „Unzutreffende Mythen sind insbesondere die Einschätzung, dass MBAAbsolventen Generalisten statt Spezialisten seien (Ausbildung zum general manager), dass das dortige Studium immer praxisnah sei, dass insbesondere Führungsfähigkeiten und andere Verhaltenskompetenzen vermittelt würden und die vermeintlich hohe Qualität der Hochschullehrer.“472 Diese Feststellung

ist als statistische Aussage zu werten: an einzelnen Orten sind davon abweichende Verhältnisse anzutreffen. Viele business schools klagen heute über zu viel Spezialisierung, die bis zur Begründung einer Organisationsform (wie des Projektmanagement) als Disziplin reicht. Kommen wir zu unserer Abbildung 49 zurück. Unten rechts ist im vorderen Teil des Quaders die Spezielle Betriebswirtschaftslehre Marketing ohne Situationenbezug angesiedelt. Im hinteren Teil wäre beispielsweise die Spezielle Betriebswirtschaftslehre Marketing in Gründungssituationen anzuordnen. Situative Ansätze der Betriebswirtschaftslehre haben sich an verschiedenen Stellen teils eigenständig entwickelt (zum Beispiel die Betriebswirtschaftslehre der Gründung) oder mit Speziellen Betriebswirtschaftslehren verknüpft (beispielsweise prominent in der Organisationsforschung 473

).

Im Vordergrund oben rechts erscheint die Spezielle Betriebswirtschaftslehre Marketing für eine Branche ohne Situationenbezug, während im Hintergrund ein Situationenbezug innerhalb der Branche gegeben wäre. Alle verbleibenden Teilquader erfüllen die Bedingungen der Teilmengen B und C der vorausgehenden Abbildung 48. Sie sind konsequenterweise als leer zu betrachten.

470 Frank Cook Pierson, Education of American Business Men: A Study of UniversityCollege Programs in Business Administration, New York et al. 1959; Robert A. Gordon/James E. Howell, Higher Education for Business, New York 1959; Robert Giesson/Steven Schlossman, The Beginnings of Graduate Management Education in the United States, Graduate Management Admission Council 1994. 471 Report of the Select Committee on Education [to the Academic Senate of the University of California, Berkeley], Education at Berkeley, [Berkeley/CA]1966. 472 Rüdiger Pieper, Business Schools in den USA, Berlin/New York 1989, S. 6. 473 Alfred Kieser/Herbert Kubicek, Organisation, Berlin/New York 1976.

220

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“

Das Bild zeigt – ohne damit ein nicht weiter differenzierbares Endstadium – die Vielfältigkeit der Betriebswirtschaftslehren mit Bezug auf das Objekt. Nimmt man nun auch noch den jeweiligen Betrachter als Subjekt hinzu, so ergibt sich eine weitere Auffächerung. Diese Auffächerung ist der seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandene Zustand, der eine Geschichte „der“ Betriebswirtschaftslehre nicht mehr möglich erscheinen lässt. Es ergeben sich vielmehr viele Spezialgeschichten. Diese werden hier nicht ausgebreitet. Zusammen mit der vorausgehenden Abbildung ist plausibel zu machen, welche Bedeutung die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre für das Verständnis der Speziellen Betriebswirtschaftslehren haben kann und dass die hohe Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten Spezieller Betriebswirtschaftslehren bei beschränkter Ausbildungszeit notwendigerweise zur Spezialisierung in der Lehre und in der Forschung führt. Das Anwachsen der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Vielfalt der Teilgebiete der Disziplin haben spätestens in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Bedürfnis nach geordneten Wissensüberblicken manifest werden lassen. Es entstehen deshalb „Meta-Fachzeitschriften“, also solche, die ausschließlich Zusammenfassungen aus den in anderen Fachzeitschriften veröffentlichten Beiträgen publizieren („Journal of Economic Abstracts“ ab 1963) oder in Ergänzung dazu Überblicke zu Fragengebieten aus der Disziplin anbieten (die Nachfolgeveröffentlichung zu der eben genannten Zeitschrift ab 1969 „Journal of Economic Literature“) oder ausschließlich solche Überblicke geben („International Journal of Management Reviews“ ab 1999). Auch in den Fachzeitschriften werden Überblicksartikel häufiger veröffentlicht. (5) Wie kommen die Hochschullehrer mit diesen Entwicklungen zurecht? Verlängert sich ihre Ausbildungszeit deutlich? Im Vorgriff auf den nächsten Abschnitt ist es interessant zu vermerken, dass sich im 20. Jahrhundert für die bis 1945 geborenen Hochschullehrer das Alter bei der Promotion seit 1919 leicht erhöht hat. Dagegen ist das Alter bei der Habilitation oder – wo diese nicht erfolgt ist oder ihr Alter unbekannt ist – das Alter bei der Erstberufung in die Position eines „ordentlichen Professors“ (wie man das herkömmlich nannte) leicht zurückgegangen (Abbildung 50). Auf der Abszisse der Abbildung wird das jeweilige Geburtsjahr abgetragen. Die geringen Veränderungen der Daten sprechen dafür, dass eine Konzentration der Wissensbereiche erfolgte. Ein anderes Ergebnis der Spezialisierung könnte die Verringerung der Zeitspanne zwischen Promotion und Habilitation bzw. Erstberufung sein. Der frühere Brauch, das Thema der Habilitationsschrift von dem der Dissertation deutlich abzusetzen, um die Beherrschung der Disziplin in großer Breite zu zeigen, ist der Spezialisierung auf das gleiche Feld in beiden Arbeiten in den meisten Fällen gewichen.

221

7.2

7

Schluss

Auch die Foren wissenschaftlicher Diskussion spezialisieren sich. So wurden beispielsweise eine European Accounting Association im Jahre 1977 und eine European Finance Association 1974 gegründet. In Deutschland bilden sich beispielsweise eine Controller Akademie im Jahre 1971 und ein Controller Verein im Jahre 1975. In der Schweiz entsteht eine Gesellschaft für Finanzwirtschaft, usw. Solche Fachgesellschaften übernehmen ein breites Spektrum an Aufgaben. Sie dienen der „Selbstorganisation einer Disziplin“ durch

 „Förderung des fachwissenschaftlichen Diskurses“ durch Tagungen,    

Literaturübersichten, Herausgabe von Fachzeitschriften usw. „Förderung der Forschung“ durch Anregung von Forschungsthemen oder Preise „Verständigung über wissenschaftliche und wissenschaftsethische Standards“ „Förderung der internationalen Zusammenarbeit“ „Vertretung der Disziplin gegenüber der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit“

474  „Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis“.

An die Ausführungen zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre anknüpfend ist es interessant zu vermerken, dass den wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach Ansicht des „Wissenschaftsrats“ eine ganz besondere Aufgabe zukommt: „…die Gestaltung des Verhältnisses von fachlicher Spezialisierung und Interdisziplinarität. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Bundesrepublik Deutschland und der zeitliche Verlauf ihrer Gründung sind ein Ausdruck der tiefgreifenden fachwissenschaftlichen Spezialisierung 475 und der damit verbundenen Entwicklung der Wissenschaften.“ Ob die Wahrnehmung dieser Aufgabe allerdings in den fachlich spezialisierten Gesellschaften gelingt, ist zweifelhaft. Ob fachlich weniger spezialisierte Gesellschaften auf Dauer für ihre Mitglieder, die sich fachlich stark spezialisieren, ausreichend attraktiv bleiben ist allerdings ebenfalls zweifelhaft. Worin die vielfach geforderte Lösung der Gestaltungsaufgabe zweckmäßig zu finden ist, scheint heute weniger klar zu sein als in früheren Jahren.

Am Ende ist gut zu erkennen, dass die für den Beginn des 20. Jahrhunderts nachgewiesenen Indikatoren für die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, die sich auf diese als Ganze und auf nationales Gebiet bezogen, nun für Teile der Disziplin und mit internationaler Ausbreitung festzustellen sind.

474 Wissenschaftsrat, Zur Förderung von Wissenschaft und Forschung durch wissenschaftliche Fachgesellschaften, Drucksache 823/92 (1992), S. 20ff., 31ff. 475 Ebenda, S. 43f.

222

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“

Abbildung 50

1920 25

27

29

31

35

37

39

33 Alter

41

1900

1910

Promotionsalter

Habilitations-/Berufungsalter

1930

1940

Entwicklung des Promotions-, Habilitations- bzw. Erstberufungsalter in der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland

Promotions- bzw. Habilitations- oder Erstberufungsalter

7.2

223

Überblick

8 Biographischer Anhang

8.1

Überblick

Ein vollständiges Verzeichnis der etwa seit Gründung der Handelshochschulen 1898 an deutschen Universitäten lehrenden Betriebswirte existiert nicht. In diesem Anhang wird versucht, eine Grundlage für ein solches Verzeichnis zu schaffen. Es reicht bis zum Geburtsjahrgang 1945. Dieser Jahrgang tritt frühestens Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts als Hochschullehrer in die Verantwortung, also etwa dem Zeitpunkt, an dem die voranstehende Darstellung endet. Angestrebt ist, neben dem Namen das Geburts- und ggf. Todesjahr, das Jahr der Promotion und den Hauptbetreuer sowie entsprechend das Jahr der Habilitation und den Hauptbetreuer zu ermitteln. Damit könnten die Lehrer-Schüler-Beziehungen leicht nachgeschlagen werden, auf die gelegentlich im Text verwiesen wird. Das kann zum Verständnis der Werke beitragen, insbesondere dann, wenn auf die Bildung von „Schulen“ einheitlicher Auffassungen Wert gelegt wird. Eine Vielzahl von Quellen kann dafür herangezogen werden. Für die hier nicht abgedeckte Zeit früherer Jahrhunderte ist das Universallexikon, nach 476 seinem Verleger allgemein „Zedler“ genannt, eine wichtige Quelle. Eine weitere wichtige Quelle ist die Gesamtübersicht über die betriebswirtschaft477 lichen Hochschullehrer 1898 bis 1955. Hier finden sich sehr viel mehr Informationen als in der folgenden Tabelle 6 und eine Sammlung von Portraitfotos. Weiterhin ist ein alle Fakultäten umfassendes biographisches Nachschlagewerk zu nennen, das allerdings fast nie über die Lehrer-Schüler-

476 http://imdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/zedler : Joh. Pet. von Ludwig, Grosses Universal Lexikon aller Wissenschaften und Künste …, Halle/Leipzig Bd. 1ff., 1732ff. Wie heute bei Wikipedia konnten allerdings vom Buchstaben „L“ an, von dem an Carl Günter Ludovici (siehe oben, 6.1.2) die Redaktion übernommen hatte, auch Lexikonbeiträge aufgenommen werden, die zugesandt wurden. Das kann zu Darstellungsfehlern und Gewichtungsfehlern führen. Sehr kurz dazu: Ulrich Johannes Schneider, Das ‚Universal-Lexicon’ von Johann Heinrich Zedler oder: Die ‚Wikipedia’ des 18. Jahrhunderts, Gegenworte, 19. Heft, Frühjahr 2008, S. 58-61. 477 Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer für Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, 2.A., Köln 1992.

225

8.1

8

Biographischer Anhang

Verhältnisse Auskunft gibt. Dafür aber wird es in relativ kurzen Zeitabständen neu aufgelegt und enthält einen Nekrolog, so dass wenigstens in einigen 478

Fällen über das Ableben der Wissenschaftler berichtet werden kann. Insbesondere in der „Zeitschrift für Betriebswirtschaft“ und in der „Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung“ wird über die meisten Habilitationen berichtet, einige Wissenschaftler erfahren aus Anlass ihrer Geburtstage Würdigungen und manchem wird ein Nachruf gewidmet. Einige Festschriften und Klappentexte von Büchern enthalten biographische Informationen, die an anderer Stelle nicht zu finden sind. Im wohl verbreitetsten elektronischen Nachschlagewerk („wikipedia.de“) sind nur wenige Betriebswirte zu identifizieren. Über die Suchmaschinen findet man zwar viele Namen und Tätigkeitsorte der aktiven Betriebswirte, selten aber auch Informationen über bereits im Ruhestand lebende Wissenschaftler. Oft wird dabei zwar über abgelegte Examina berichtet, aber nur weniger häufig unter Angabe von Jahreszahlen oder Betreuungsverhältnissen. Erstaunlicherweise sind vor allem Wirtschaftsinformatiker sehr zurückhaltend mit solchen Angaben. Das 479 gilt trotz einer beispielhaften genealogischen Datenbank. Es ist, beispielsweise durch Suche in Universitätsarchiven, möglich, alle fehlenden Informationen zu erhalten. Das konnte hier nicht versucht werden.

Das abgedruckte Verzeichnis (8.2) umfasst auch Wissenschaftler aus der Schweiz und aus Österreich. Aber auch bei diesen fehlen häufig die gewünschten Angaben. In Deutschland ausgebildete, aber ersichtlich ausschließlich im nicht deutschsprachigen Ausland tätige wurden unberücksichtigt gelassen. In den Tabellen finden sich kursiv gedruckte Angaben. Diese sind mit Zweifeln behaftet. Teilweise rühren die Zweifel daher, dass in verschiedenen Quellen divergierende Informationen zu finden sind. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ist es – wie berichtet – durchaus möglich, Hochschullehrer zu werden, ohne habilitiert, sehr selten auch ohne promoviert zu sein. In den Jahren nach 1970 kommt es vor, dass Hochschullehrer ohne Habilitation berufen werden. Das ist nicht zuletzt dem schnellen Ausbau der Disziplin geschuldet. Die Hochschulen verweisen dann auf „habilitationsgleiche Leistungen“ im Berufungsverfahren. Solche Fälle werden hier durch ein der Jahreszahl vorangestelltes B gekennzeichnet. Berücksichtigt wird hier die Berufung zum „ordentlichen Professor“, wie es früher hieß, wenn in die in Deutschland höchste Besoldungsstufe (später H4, in Berlin H6, oder W3) eingetreten wurde. Allerdings ist es möglich, dass in einem solchen Falle eine Habilitation vorlag, darüber aber in den herangezogenen Quellen nicht 478 Kürschner’s Deutscher Gelehrten-Kalender 2007, Bio-bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart, 21. A., Berlin/New York 2007. 479 http://www.isym.bwl.uni-mainz.de/wige/personen.html (abgefragt 4.4.2008)

226

Überblick

berichtet wird. In derselben Spalte bedeutet ein der Jahreszahl vorangestelltes „h.c.“ die Berufung zum Honorarprofessor. Dafür ist regelmäßig keine Habilitation erforderlich. Allerdings gibt es auch hier den Ausnahmefall, dass ein Habilitierter – beispielsweise nach einer Zeit in der Praxis und ohne Aufgabe seiner dort ausgeübten Tätigkeit – zum Honorarprofessor berufen wird. Nicht alle als Betreuer genannte Persönlichkeiten sind in der Liste selbst zu identifizieren. Das liegt vor allem daran, dass einige Betriebswirte ihre Dissertationen in Mathematik, Physik oder anderen Disziplinen geschrieben haben. Die vielen Leerstellen in der Tabelle 6 und sicher auch die unbeabsichtigten Auslassungen geben einen weiteren Hinweis darauf, dass die Betriebswirtschaftslehre keine geschichtsbewusste Disziplin ist. Einige statistische Feststellungen beschreiben den Datensatz. Ermittelt wurden 735 Universitätsprofessoren der Betriebswirtschaftslehre, wobei die oben erwähnten Einschränkungen gelten. Es ist allerdings nicht gesichert, dass damit wirklich alle in Frage kommenden Personen erfasst wurden. Von diesen konnte das Jahr der Promotion in 524 Fällen ermittelt werden, das Jahr der Habilitation in 417 Fällen und das der Erstberufung in die Professo480 renstelle zusätzlich in 100 Fällen. Damit wären mindestens 79,6% der Professoren der Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Für das Jahr 1989 wird für die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Vergleich dazu ein

Anteil von 74,1 % ausgewiesen.481 Das durchschnittliche Alter bei der Promotion liegt bei 29,57 Jahren (Median: 29 Jahre), bei einer Standardabweichung von 5,09 Jahren. Die entsprechenden Werte für die Habilitation sind 35,65 Jahre (Median 35 Jahre) bei einer Standardabweichung von 5,18 Jahren. Betrachtet man in Fällen ohne Habilitationsdatum die Erstberufung zusätzlich als einen vergleichbaren Qualifikationsindikator, so wird dieser im Alter von 37,38 Jahren erreicht (Median 35, Standardabweichung 7,72). Die folgende Tabelle 5 gibt ein Bild von der Verteilung wieder. Die Betriebswirte sind – verglichen mit anderen Disziplinen - zum Zeitpunkt der Habilitation überraschend jung. Das Durchschnittsalter der Habilitierten in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften liegt 1980 bei 36,3 Jahren (der Wert springt schon im Folgejahr auf 38,3 Jahre), steigt bis 1991 482

auf 41 Jahre und sinkt anschließend wieder leicht ab.

Diese Entwicklung

480 Stand: 10.4.2008. Nach diesem Datum wurden wenige weitere Altersangaben bekannt, die in der Tabelle nachgetragen, aber nicht statistisch ausgewertet wurden. 481 Evelin Michaelis, Habilitationen 1980 bis 1993, Wirtschaft und Statistik, Jahrgang 1995, S. 366, hier S. 368. 482 Ebenda, S. 370.

227

8.1

8

Biographischer Anhang

folgt einer Tendenz, die über alle Disziplinen ähnlich ausgeprägt ist. Die 1945 geborenen Betriebswirte erreichen nach durchschnittlich 35,4 Jahren das Alter, in dem sie sich habilitieren, was praktisch dem Jahr 1980 entspricht.

Tabelle 5

Anzahl der Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre in verschiedenen Altersklassen bei Promotion, Habilitation oder Habilitation bzw. Erstberufung

Alter bis 25 > 25 bis 30 > 30 bis 35 > 35 bis 40 > 40 bis 45 > 45 bis 50 > 50 bis 55 > 55 bis 60 > 60 bis 65

Promotion 81 274 124 28 4 9 2 0 2

Habilitation 1 44 193 121 30 23 4 1 0

Habilitation/ Erstberufung 2 48 211 144 42 36 12 15 4

Die Entwicklung des Alters für diese Qualifikationsschritte wurde im vorherigen Abschnitt grafisch dargestellt. Zwischen den beiden Qualifikationsschritten zur Professur sinkt die Zeitdifferenz im Laufe der Jahre. Das ist ein eher überraschendes Ergebnis. Das kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die hohe Nachfrage nach Professoren für Betriebswirtschaftslehre zu schnellen Berufungen ebenso führte wie zu einem Anreiz, die Habilitation oder vergleichbare Leistungen möglichst schnell zu erbringen. Der allein durch die Kalenderzeit erklärte Varianzanteil ist allerdings in beiden Fällen bescheiden gering. Eine Ursachenerklärung für die Beobachtungen wird damit natürlich nicht gegeben.

228

Biographische Tabelle

8.2

Biographische Tabelle

Tabelle 6

Biographische Angaben zu Hochschullehrern der Betriebswirtschaftslehre

Name

Abromeit

Vorname

Geb.Jahr 1927

Acz

Hans Günther KarlFriedrich János

Adam

Dietrich

1936

Adelberger

1934

Adler

Otto Ludwig Abraham

1850

Ahlert

Dieter

1944

Ackermann

8.2

Todesjahr

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

1954

1938

A. Marx

1972

Diss.Jahr 1952

A. Marx

1966

1931 1968

1922

keine

1965

W. Roscher/ A. Blomeyer

1974

Horst

1931

Alewell

Karl

1931

Altrogge

Günter

1939

L. Pack

1974

L. Pack

1970

Angehrn

Otto

1916

1992

G. Waffenschmidt

1964

1942

Angermann

Adolf

1920

1985

A. Marx

1957

G. Waffenschmidt Waffenschmidt/ Walther

Arnold

Ulli

1944

Aschfalk

Bernd

1932

Aufermann

Ewald

1892

1958

Aubel

Peter van

1894

1964

Auler

1883

1955

Bachmann

Wilhelm Gustav Gottlieb

1874

1947

Bänsch

Axel

1941

Baetge

Jörg

1937

Bamberger

Ingolf

1943

Karl

1901

Bareis

Peter

1940

Barth

Klaus

1937

Barth

Kuno

1906

Bartölke

Klaus

1938

Bartram

Werner

1935

Bauer

Erich

1943

1960

1971

Albach

Banse

E.Gutenberg

1873

E. Gutenberg

1963

1981

F. Schmidt

1952 1974

1941

F. Schmidt

1922

P. Arndt

1919

1919

keine

G. Cöhn/ F. Meili

1898

1926

1982 U. Leffson

1972

1968 U. Leffson

1984 1977

1926

H. Sommerfeld

B: 1963

1980

1923 1969

1975 R.Johns

1968 1971

1970

1994

1958 1958

1966 W. Rieger

1939

1975

229

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Geb.Jahr 1901

Todesjahr 1968

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

Diss.Jahr 1926

Bauer

Walter

Bea

1937

Becher

Franz Xaver Erich

1913

1984

Beckmann

Liesel

1914

1965

Beckmann

Martin

1924

B:1962

1950

Behrens

Gerold

1942

1980

1973

Behrens

1907

Bellinger

Karl Christian Bernhard

Bellmann

B:1972

1980

K.F. Rößle

1940

1965

K.l F.Rößle

1938

B. Rogowsky

1947

K. F. Rößle/ K.Banse

1935

1920

F. Henzel

1959

Klaus

1943

G. H. v. Kortzfleisch

1990

Benkhoff

Birgit

1945

B:1998

1991

Benner

Wolfgang

1940

1980

1990

Berg

Claus C.

1937

1976

1972

Berger

Karl-Heinz

1950 G. H. v. Kortzfleisch

1974

1997

Bergler

Georg

1900

Bergner

Heinz

1924

Berthel

Jürgen

1939

Beschorner

Dieter

1945

Betge

Peter

1942

Beste

Theodor

1894

1972

keine

W. Rieger

1931

1964 2005

R. B. Schmidt

1972

1961 R. B. Schmidt

B:1992 1985 1973

E. Schmalenbach

1924

1966 1976 1981

E. Schmalenbach

1921

Beuermann

Günter

1937

1980

1970

Bieg

Hartmut

1944

1982

1976

Bierfelder

Wilhelm

1926

Biergans

Enno

1939

?

Bierich

Marcus

1926

2000

Biethahn

Jörg

1970

Wolfgang

1944

Bitz

Michael

1943

Bleuler

Werner

1886

Bleicher

Knut

1929

Bliemel

1941

Bloech

Friedhelm W. Jürgen

1938

Blohm

Hans

1920

Bluemle

1932

Böcker

ErnstBernd Franz

1945

Böhler

Heymo

1944

1965

h.c.:1997 R. Gümbel

Billmann

230

B:1971

1978

1951 R. Gümbel

1972

1975 1928

1970

keine E. Kosiol

1964

1911 E. Kosiol

1969 2005

O. Hintner

1958

1966 W. Prion/ Koch

1967 1991

W.

1952 1958

E.Dichtl

1978

R. Nieschlag

1972

R. Köhler

1983

R. Köhler

1976

Biographische Tabelle

Name Böhnisch

Vorname Wolf

Geb.Jahr 1941

Todesjahr

1983

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

1949

Diss.Jahr

Böhrs

Hermann

1905

Bohr

Kurt

1937

W. Wittmann

1972

W. Wittmann

1965

1941

Börner

Dietrich

1933

E. Heinen

1966

E. Heinen

1961

Botta

Volkmar

1941

Bottler

Jörg

1936

Bouffier

Willy

1903

1969

Braess

Paul

1904

1973

Brauchlin

Emil

1930

Braun

Walter

1930

1971 K. Oberparleiter

1933

1967 W. Kalveram/ F. Schmidt

1927 1931

A. Marx

A. Marx

Braun

Wolfram

Brede

Helmut

1935

Breinlinger

Karl Heinrich Karl-Heinz

1902 1941

Brem

Ernst

1922

Bretzke

1944

Brink

WolfRüdiger Hans-Josef

Brockhoff

Klaus

1939

Brogle

Theodor

1893

Bronner

Rolf

1940

B:1976

1972

Buchner

Robert

1928

1967

1960

Buddeberg

Hans

1915

Budäus

Dietrich

1942

Bühler

Wilhelm

1935

1971

1966

Bühler

Wolfgang

1943

1976

1971

Bühner

Rolf

1944

Bürgel

Hans Dietmar Hans E.

1935

Breitzmann

Büschgen

1998 1974 1967

E. Schmalenbach 1979

1928 1968

2000

1996 H. Albach 1959

1983

R. Seyffert

1969

H. Albach

1965

B: 1926

M.

1919

1954

Weyermann

R. Seyffert

F. Hoffmann

1978

F.Hoffmann

B:1991

1932

Ernst

1943

Busse von Colbe

Walther

1928

Bussmann

KarlFerdinand Albert

1915

1985

1881

1967

Carus

Horst

1929

Caspar

Claude

1931

H. Rittershausen

1965

H. Münstermann/ E. Gutenberg K. F. Rößle

1974 1964

H. Rittershausen

1960

1962

H. Münstermann/ K. Schwantag

1956

1948

K. F. Rössle

1944

B: 1911

J. F. Schär

1906

B: 1995

2004

1948 1974

1982

Buschor

Calmes

1967

1970

h.c.:1993

1960

1964

1956

231

8.2

8

Biographischer Anhang

Name Castan

Vorname Edgar

Geb.Jahr 1931

Todesjahr

1994

Chmielewicz

Klaus

1935

Coenenberg

1938

Cordes

AdolfGeorg Walter

1907

le Coutre

Walter

1885

Czap

Hans

1945

Czeranowski

Günter

1942

Debes

Robert

1878

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

B:1974

Diss.Jahr 1956

E. Kosiol

1970

E. Kosiol

1967

H. Münstermann

1970

H. Münstermann

1966

1996

hc. 1967

J. Hirsch

1933

1965

1920

W. Kähler

1918

1979

J. Stoer

1974

1982 1962

1973

B: 1906

G. Bachmann

1908

W. Kilger

1975

W. Kilger

1968

L. Mülhaupt

1964

L. Mülhaupt

1959 1924

1966

Dellmann

Klaus

1938

Deppe

Hans

1935

Deppe

1930

Deutsch

HansDieter Paul

1901

1977

H. Großmann

1928

Dichtl

Erwin

1935

1997

R. Nieschlag

1970, B: 1970

W. Stieda/ F.Kossmat R. Nieschlag

Dick

Reiner

1940

1974

H.-J. Zimmermann

1972

E. Gutenberg

Diederich

Helmut

1928

Diller

Hermann

1945

E. Dichtl

1979

E. Dichtl

1975

Dinkelbach

Werner

1934

E. Gutenberg

1967

E. Gutenberg

1963

Diruf

Günther

1940

Dlugos

Günter

1920

E. Kosiol

1969

E. Kosiol

1961

Dörfel

Franz

1879

Döring

Ulrich

1945

1961

1959

1953

B: 1931 G. Wöhe

1982

1965

keine G. Wöhe

1976

Domsch

Michel E.

1941

1974

1968

Domschke

Wolfgang

1944

1974

1971

B:1995

1976

Dorn

Gerhard

1925

Dorow

Wolfgang

1943

Draheim

Georg

1903

h.c.:1952

1929

Drukarczyk

Jochen

1938

1973

1969

Drumm

1937

1972

1968

Dülfer

Hans Jürgen Eberhard

Dürrhammer

Walther

1903

1924

1972

W. M. Kirsch

1961

W. M. Kirsch

1956

E.. Walb

1926

Dufey

Gunter

1940

B:1976

1969

Dworatschek

Sebastian

1941

B:1977

1970

von Eckardstein

Dudo

1939

Egger

Anton

1932

1970

1954

232

Biographische Tabelle

Name Ehrenberg

Vorname Richard

Geb.Jahr 1857

Todesjahr 1921 1966

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

B: 1899

Diss.Jahr 1896

Eich

Wilhelm

1889

Eichenseer

Carl

1885

Eichhorn

Peter

1939

1972

1967

Eisele

Wolfgang

1938

1972

1965

Eisfeld

Curt

1886

1969

Ellinger

Theodor

1920

2004

Emmighaus

Karl Bernhard Arwed Walter

1831

1916

1923

Engels

HansJoachim Werner Hans Wolfram

1933

1995

Erhard

Ludwig

1897

1977

Erichson

Bernd

1943

Eschenbach

Rolf

1931

Fahrion

Roland

Faller

Peter

Endres Engeleiter Engelhardt

1917

K. Hax

W. Prion

1939

Schanz

1912

keine

Stephinger

1913

1958

H. Peter

1950 1855

K. Hax 2007

1932

keine, B:1949 1920

K. Banse/ K. Hax W. Stützel

1966

Mayer

1940

1965

G. Rittig

1960

1968

K. Banse

1959

1969

E. Gutenberg

1962

h.c.:

W. Vershofen

1925

P. Hammann

P. Hammann 1964

1962

1945

1979

1975

1932

1972

1967

Fandel

Günter

1943

Farny

Dieter

1934

P. Braeß

B:1976

H. Albach

1972

B: 1965

P. Braeß

1960

Federmann

Rudolf

1945

B:1978

Fehr

Hendrik J.

1945

h.c.:

Femppel

Kurt

1935

Ferjancic

Theodor

1880

Fettel

Johannes

1902

Fickert

Reiner

1942

Findeisen

Franz

1892

Fink

Gerhard

1944

Fischer

Guido

1899

Fischer

Lutz

1939

Fischer

Oscar

Fischer FischerWinkelmann Fleege-Althoff Fleischmann

1973

h.c.: 1942

1903 1952

1962

F. Schmidt

1919

1929

K. Bücher

1982

1917 1971

1983

1927

F. Schmidt

1922

1885

1949

B: 1920

J. F. Schär/ G. Bachmann

1908

Otfried

1920

1997

1965

K. F. Hagenmüller

1954

Wolf

1941

Fritz

1886

Bernhard

1942

K.F.Hagenmüller

B:1975 1945

H. Sommerfeld

1929

1921

1975

1970

233

8.2

8

Biographischer Anhang

Name Forster

Vorname

Geb.Jahr

Todesjahr

Betreuer der Habilitation

Karl-Heinz

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

Diss.Jahr

h.c.:

Fotilas

Panagiotis

1943

Frank

Werner

1929

Franke

Günter

1944

Franz

Klaus Peter

1945

Freericks

Wolfgang

1940

1974

1967

Freimann

Jürgen

1945

1989

197

h.c.: 1995 H. Hax

Frese

Erich

1938

E. Grochla

Freter

Hermann

1943

H. Meffert

1975

1970

Konrad

1938

1972

Furtner

Ludwig

1926

h.c.:

Eduard

1941

Gaitanides

Michael

1942

Gasser

Christian

1906

Gaugler

Eduard

1928

1992

W. Kirsch

H. Hax

E. Grochla

1979

keine G. Fischer

1966

1968

W. Kirsch

1978 1990

1970

H. Meffert

Fuchs

Gabele

1990

1973 H. Töndury

1966

1933 1954

Gaul

Wolfgang

1945

1980

1974

Gebert

Diether

1940

1976

1972

Gehring

Hermann

1943

1980

1974

Gerth

Ernst

Geis

1971

1966

Geldmacher

HeinzGünter Erwin

1885

Gerhardt

Klaus

1930

Gerke

Wolfgang

1944

Gerwig

Ernst

1893

1996 1936

Geschka

Horst

1938

Glaser

Horst

1942

Göppl

Hermann

1937

Gomberg

Léon

1866

Gottschalk

Wolfhard

1937

Gräfer

Horst

1941

1965

1922

E. Schmalenbach

1977 1972

keine

1921

1972 H.Sievenking

1922

H. Töndury

1928

h.c.:

1968 1935

1963

h.c.:

Grauer

Manfred

1945

Griesinger

Heinz

1929

Grob

1943

Grochla

Heinz Lothar Erwin

1921

1986

Großmann

Hermann

1872

Grossmann

Marcel

1904

234

E. Schmalenbach

h.c.: H. Wagner

1988

H. Wagner

1973

E. Kosiol

1957

E. Kosiol

1953

1952

B: 1916

1903

1986

keine

G. F. von Schönberg M. Saitzew

1927

Biographische Tabelle

Name

Vorname

Geb.Jahr 1938

Todesjahr

1973

Betreuer der Habilitation E. Witte

Habil.- Jahr 1973

Betreuer der Dissertation E. Witte

Diss.Jahr 1964

Grün

Oskar

Gsell

Emil

1899

Gümbel

Rudolf

1930

Gutenberg

Erich

1897

Haase

1941

Haberfellner

KlausDietmar Reinhard

1942

Haberstock

Lothar

1940

Haedrich

Günther

1934

Haegert

Lutz

1936

K. v. Wysocki

1970

K. v. Wysocki

1963

Haehling von Lanzenauer Hagenmüller

Christoph

1939

M. Beckmann

B:1975

H. Albach

1966

Karl Friedrich Dietger

1917

K. F. Rößle

1950, h.c.:

1948

1935

K. Mellerowicz

1968

K. F. Rößle/ L. Beckmann K. Mellerowicz

1962

H. Rittershausen

1960

H. Rittershausen

1954

1979

E. Witte

1972

Hahn Hahn

Oswald

1928

Hake

Bruno

1930

Hamel

Winfried

1943

Hammann

Peter

1938

Hammer

Gerald

1938

Hanisch

Johannes

1864

1984

B: 1930

M. Saitzew

1927

K. Banse

1962

K. Banse

1955

W. Bruck, F. Schmidt, W. Kalveram

1928

Wolff

1921

1973

1996

G. Wöhe

1976

1970

G. Wöhe

B:1970

2000

2005

1970

1918

B:1906

1970 1960

1965 1962 K. Büchner/ W. Stieda

1904

Hanschmann

Rolf

1915

B: 1975

1949

Hansen

Hans Robert Klaus

1941

B:1974

1970

Hansen

1938

Hansen

Ursula

1939

E. Leitherer

1973

E. Leitherer

1968

Hansmann

1943

H. Jacob

1977

H. Jacob

1972

Hanssmann

KarlWerner Friedrich

Hartmann

Bernard

1916

1990

K. F. Rößle

B: 1957

Hasenack

Wilhelm

1901

1984

W. Prion

1929

W. Prion

Haupt

Reinhard

1942

T. Ellinger

1984

T. Ellinger

1974

Hauschildt

Jürgen

1936

E. Witte

1970

E. Witte

1964

1929

B:1966

2008

1955

1925

Hax

Herbert

1933

2005

E. Gutenberg

1964

E. Gutenberg

1960

Hax

Karl

1901

1978

W. Rohrbeck

1943

E. Schmalenbach

1926

1946

1925

H. Sieveking

Heber

Arthur

1884

Heigl

Anton

1930

Heinen

Edmund

1919

Heinrich

Lutz Jürgen

1936

1966 1996

E. Gutenberg

1912 1959

1951

E

1968

H. Blohm

Aufermann

1949 1963

235

8.2

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Hellauer

Josef

Geb.Jahr 1871

Hellfors

Sven

1934

Hellwig

Klaus

1942

Helpenstein

Franz

1889

Helten

Elmar

1939

Henn

Rudolf

Hennig

1890

Hentze

Karl Wilhelm Joachim

Henzel

Friedrich

1891

Henzler

Herbert

1941

Henzler

Reinhold

1902

Todesjahr 1956

Betreuer der Habilitation R. Sonndorfer

B:1898

Betreuer der Dissertation R. Sonndorfer

1980

B.Hartmann

1971

B. Hartmann

1937

H. v. Beckenrath

1973

1940

Habil.- Jahr

Diss.Jahr 1898

1976

1972

1925

1922

B: 1949

1918

1974 1984

F. Schmidt

1929

1968

J. Hellauer

1935

A. Weber

1928

1969 F. Schmidt

1926

J. Hellauer

1929

F. Schmidt/ A. Calmes

1920

h.c.:

Hermanns

Arnold

1942

Hertlein

Adolf

1886

1979

Herzig

Norbert

1945

1982

Hielscher

Udo

1939

1971

1968

Hildebrand

Lutz

1945

1989

1982

Hilke

Wolfgang

1941

1976

1970

Hill

Wilhelm

1925

1957

1952

Hinterhuber

Hans

1938

Hintner

Otto

1900

1977

Hirsch

Julius

1882

1961

Hömberg

Reinhold

1945

Hörschgen

Hans

1936

Hoffmann

Alexander

1879

1946

W. Stieda/ L.. Pohle/ M. Murko

1920

F. J. von Neumann

1905

Hoffmann

Friedrich

1925

2007

P. Scherf

1963

F J von Neumann

1961

1956

E. Walb

1931

Diehl

1927

1974

1967 W. Rieger

1963

1927/1929

Ritter v. Eheberg

1922

1911

H. Dietzel

1926

1981

1973

B:1975

1967

Hofmann

Rolf

1924

Hohlfeld

1903

Hoitsch

Hans Herbert Hans-Jörg

Holzer

H. Peter

1926

Horváth

Peter

1937

Hruschka

Harald

1953

Huch

Burkhard

1942

B:1985

1970

Hübner

Heinz

1937

B:1981

1973

Hünerberg

Reinhard

1945

1978

1974

236

h.c.:1972

1954

1941

1973 J. Mazanec/ E. Topritzhofer/

1986

1969 G. Schweiger/ F. Jonasch

1971

Biographische Tabelle

Name Hummel

Vorname Siegfried

Geb.Jahr 1940

Todesjahr

1977

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

1972 h.c.:1941

Diss.Jahr 1969

Hundhausen

Carl

1893

Hummel

Otto

1892

1925

Illetschko

Leopold L.

1902

1979

Isaac

Alfred

1888

1956

Isermann

Heinz

1941

Jacob

1933

2003

Jacob

Adolf Friedrich Herbert

1927

1997

Jacobs

Otto H.

1939

1970

1966

Janko

Wolfgang

1943

1975

1968

Jehle

Egon

1939

John

Gerd

Johns

Rudolf

H. Nicklisch

1926

F. Schmidt

1922

W. Bouffier/ K. Oberparleiter

1950

F. Dörfel

1938

1926

F. Schmidt

1923

E. Gutenberg

B:1997

1974

B:1988

1963

1959

E. Gutenberg

1954

1991 1900

1984 2000

Jonasch

Franz

1913

Junginger

Werner

1939

Juzi

Otto

1876

Kaas

Klaus Peter

1940

Käfer

Karl

1898

Kähler

Wilhelm

1871

Kahle

Egbert

1943

W. Mahlberg

1934

E. Walb

1926

1977

W. Knödel

1970

1951

B: 1915

G. Huber

1902

W. Kroeber-Riel

1976

W. Kroeber-Riel

1973

1999

O. Juzi

1943

1941

1934

J. Konrad/ R. Friedberg

1897

O. Juzi/ R. Büchner Schwarze

1977

Kaiser

Hans

1936

Kalischer

Hans Erich

1903

1966

Kalussis

Demetre

1910

2006

K. Oberparleiter

1949

1951

F. Schmidt

Kaluza

Bernd

1941

Kalveram

Wilhelm

1882

1937

1962

1893 1973

E. Schmalenbach

1928

W. Heinrich/ H. Demelius

1936

1923

F. Schmidt

1920

E. Heinen

1987

1978

Kappler

Ekkhard

1940

1972

Kargl

Herbert

1936

1971

1967

1970

Karten

Walter

1934

B:1970

1965

Kaspar

Claude

1931

Kern

Werner

1927

K.-F.. Bussmann

1960

F. Huhle

1957

Kieser

Alfred

1942

E. Grochla

1973

E. Grochla

1968

Kilger

Wolfgang

1927

E. Gutenberg

1957

E. Gutenberg

1953

Kilgus

Ernst

1931

Kinnebrock

Franz

1901

2004

1986

1962 1985

B:1962

J. Plenge

1923

237

8.2

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Geb.Jahr 1937

Todesjahr

1899

1976

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Kirsch

Werner

Kirsch

Klaus

Wilhelm Michael KlausPeter Peter

Kleekämper

Heinz

1939

h.c.:2004

Klein

Werner

1930

h.c.:

Klein-Blenkers

Fritz

1924

Kleineidam

HansJochen Horst

1943

Kistner

Kliemann

Betreuer der Dissertation

1968

1940

Diss.Jahr 1964

K. F. Rößle

1937

K. F. Rößle

1933

H. Albach

1972

H. Albach

1969

1944

R. Seyffert

1965 1970

Heinrich

1905

Kloock

Josef

1935

R. Seyffert

1973

1896

Kloidt

1962

1969

E. Kosiol

1962

W. Dinkelbach

1970

1951 1968

1952 H. Münstermann

1967

Knoblich

Hans

1933

1968

1961

Knoth

Joachim

1936

1970

1964

Knüppel

Lothar

1944

Koberstein

Günther

Koch

Helmut

1919

Koch

Waldemar

1880

Köhler

Richard

1936

Kohlbeck

Rosemarie

1924

Koller

Horst

1934

Koppelmann

Udo

1939

Kortzfleisch

1921

Kossbiel

GertHarald von Hugo

1939

Kosiol

Erich

Krähe Krallmann

1996

1963

1999

E. Gutenberg

1951

K.-W. Hennig

1948

W.. Prion

1930

1907

C. Sandig

1973

K. G. Schmoller/ Sehring C. Sandig

K. F.Hagenmüller

1970

N. Sieber

1968

1960

1970

1965

K. F. Hagenmüller

1966 1955

2007

T. Beste

1960

T. Beste

1957

W. Braun

1971

W. Braun

1966

1899

1990

R. Seyffert

1931

Beck

1922

Walter

1904

1991

Hermann

1945

Krasensky

Hans

1903

Kraus

Herbert

1937

Krawitz

Norbert

1945

Kreikebaum

Hartmut

1934

Kritzler

Gottfried

1893

1945

Kroeber-Riel

Werner

1935

1995

Kromschröder

Bernhard

1938

238

2006

hc. 1960

E. Schmalenbach

1927

G. H v. Kortzfleisch

B:1980

G. H. v. Kortzfleisch

1975

F. Dörfel/ K. Oberparleiter

1950

F. Dörfel/ K. Oberparleiter/ Winkler

1943

O. R. Schnutenhaus

1966

1961

1970

1960

B: 1933

E. Heidebroek

1928

1968

O. R. Schnutenhaus

1963

1976

1970

Biographische Tabelle

Name

Vorname

Krüger

Gerhard

Geb.Jahr 1904

Krüger

Rudolf

1925

Krüger

Wilfried

1943

Krümmel

Hans-Jacob

1928

Krulis-Randa

Jan S.

1926

Kruschwitz

Lutz

1943

Kühn

Günther

1898

Kühn

Richard

1939

Küpper

1945

Küpper

HansUlrich Willi

1942

Küting

Karlheinz

1944

Kuhlmann

Eberhard

1938

Kulhavy

Ernest

1925

Kumar

Brij Nino

1938

Kupsch

Peter

1943

Kurnal

Jerzy

1924

Kutschker

Michael

1943

Kuske

Bruno

1876

Lachnit

Laurenz

1943

Lambert

Richard

1846

Todesjahr 1990

Betreuer der Habilitation F. Werner

Habil.- Jahr 1935

Betreuer der Dissertation F. Werner

1975 W. Stützel

1960

W Prion/ G. Briefs

M. Schweitzer

1963

E. Heinen

1971 E. Gutenberg

1953

B:1975

1954

1975

1970

1932

1924

1977

1967

1977

G. Wöhe

2000

Diss.Jahr 1932

M. Schweitzer

1974

G. Wöhe 1977

1968

1983

1973

1974

E. Heinen

1982

1972

1964

1908

K. Bücher

1926

B:1901

1978

1971

1903 1971

Lange

Christoph

1945

Lange

Manfred

1943

Langen

Axel

1920

Langen

Heinz

1920

Laske

Stephan

1944

Laßmann

Gert

1930

K. Hax

1967

K. Hax

1958

Laux

Helmut

1939

H. Hax

1971

H. Hax

1968

Lawson

Gerald H.

1933

Layer

Manfred

1937

Lechner

Karl

1927

Lefebvre

Chris

1945

Leffson

Ulrich

1911

Lehmann

Matthias

1939

Lehmann

1886

Leitherer

Max Rudolf Eugen

1929

Leitner

Friedrich

1874

h.c.: 1962 1984

E. Kosiol

1962

1952 1952

B:1980

1973

1973

1967

1982

L. Illetschko

1960

L. Illetschko

1954

1989

K. Schwantag

1963

Lampe

1938

1965

F. Schmidt

1920

F. Schmidt

1919

1959 1945

1954

B:1908

239

8.2

8

Biographischer Anhang

Name Lexa

Vorname Hans

Geb.Jahr 1935

Liebmann

Hans-Peter

1940

Liesegang

1942

Linhardt

Dietfried Günter Hanns

Lipfert

Helmut

1924

Lisowsky

Arthur

1895

Lohmann

Karl

1939

1901

Todesjahr

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

1968 R. Gümbel

1989

W. Bruck

1952

G. Wörner/ E.Schulze/ F. Findeisen

Diss.Jahr 1959

R. Gümbel

1928

W.Kalveram/ F. Schmidt

1923

1927

A.Hoffmann/ L. Pohle

1924

1992

H.D. Deppe

1973

1928

W. Stieda

1958

Lohmann

Martin

1901

Loistl

Otto

1939

Loitlsberger

Erich

1921

Ludewig

Rainer

1926

Lück

Wolfgang

1938

Lücke

Wolfgang

1926

Lüder

Klaus

1935

1968

1964

Luhmer

Alfred

1941

1987

1974

Lysinski

Edmund

1889

Macharzina

Klaus

1939

Männel

Wolfgang

1937

Mag

Wolfgang

1938

Mahlberg

Walter

1884

Mahr

Werner

1906

Maleri

Rudolf

1937

Mandl

Dieter

1942

Mandl

Gerwald

1940

Mann

Gerhard

1928

2005

Marettek

Alexander

1930

1981

Marr

Rainer

1942

Marx

August

1906

Marzen

Walter

1916

Matschke

1943

Mattesich

Manfred Jürgen Richard

1922

B:1966

1945

Matthes

Winfried

1941

1974

1969

Mayer

Horst

1942

240

B. Penndorf

1974 2003

L. Illetschko

1953

1923 1971

L. Illetschko

1950

h.c.: B:1978 E.Gutenberg

1982

O. Selz/ H. Sommerfeld

2006

1958

1969 E. Gutenberg

1953

1924

P. Barth/ J. Volkelt

1912

1982

P. Riebel

1967

1920

1936

F. Schmidt/ A. Calmes O. von ZwiedineckSüdenhorst

B: 1969

B.Hartmann

B:1976 1935

E. Schmalenbach

B. Hartmann

1913

1973 1990

1929

1970

W. Kalveram

1945

W.Kalveram

1939

H. Buddeberg/ C. Sandig

1958

E.Aufermann

1951

1977

1973

1970

Biographische Tabelle

Name

Vorname

Mayer

Leopold

Geb.Jahr 1896

Meffert

Heribert

1937

Meinig

Wolfgang

1941

Meissner

1929

2000

R.König

1965

K. Ringel

1958

Mellerowicz

Hans Günther Konrad

1891

1984

F. Leitner

1926

W. Zimmermann

1923

Mellwig

Winfried

1942

Menrad

Siegfried

1928

Menz

Gerhard

1885

Mertens

Peter

1937

W. Bussmann

1966

H. Lipfert

1961

Meyer zu Selhausen

Hermann

1940

F. Hanssmann

1975

F. Hanssmann

1970

Milling

Peter

1944

G. H. v. Kortzfleisch E. Schmalenbach

Minz

Willy

1901

Mirow

Michael

1938

Möller

Hans Peter

1945

Mötteli

Hans

1897

Moxter

Adolf

1929

Todesjahr 1971

Betreuer der Habilitation J. Hellauer

Habil.- Jahr 1930

Betreuer der Dissertation J. Hellauer

E. Heinen

1968

E. Heinen

1985

1972

keine

1965 1976

1975

1954

Diss.Jahr 1928

1971

G. Kaufmann

1910

G. H. v. Kortzfleisch hc. 1961

1926

h.c.: A. G. Coenenberg

1983

K. Hax

1962

1972 1920

1961

K. Hax

1956

1943

R. Johns

1938

Mülhaupt

Ludwig

1912

Müller

Heinrich

1931

Müller

Werner R.

1941

Müller

Wolfgang

1936

MüllerHagedorn MüllerMerbach Münstermann

Lothar

1941

R. Gümbel

1974

R. Gümbel

1969

Heiner

1936

W. Bussmann

1967

A. Walther

1962

Hans

1899

C.l M. Maedge/ H.Fritzsche/ K. Rummel

1939

E. Schmalenbach

1924

Nagel

Kurt

1939

1977; h.c.:1979

Nastansky

Ludwig

1941

B:1974

H. Hax

1971

Niedereichholz

Joachim

1941

Nicklisch

Heinrich

1876

1997

R. Johns

keine, B:1949

A. G. Coenenberg H. Sieveking

h.c.:

1993

1986

1973

1969

1968

Noltemeier

1971

Waffenschmidt

1967

1946

R. Lambert

B: 1910

1902

R. Seyffert

G. F. von Schönberg J. Hirsch

Nieschlag

Robert

1905

1990

Nordsiek

Fritz

1906

1984

1949

E. Walb

Nowak

Paul

1902

1982

1943

A. Heber

1934

Oberparleiter

Karl

1886

1968

A. Heber

keine, B:1926

J. Hellauer

1923

Obst

Georg

1873

1938

1915

A.Wagner/ C.. J.. Fuchs

1903

von Oetinger

Bolko

1943

h.c.:2003

241

8.2

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Geb.Jahr 1926

Todesjahr

Oettle

Karl

Ottel

Klemens

1869

1945

Ordelheide

Dieter

1939

2000

Betreuer der Habilitation R. Johns

Habil.- Jahr 1962

Betreuer der Dissertation R. Johns

B: 1923 W. Busse von Colbe

1979, B:1978

Diss.Jahr 1957 keine

W. Busse von Colbe

1973

Ortmann

Günther

1945

1978

1975

Ortner

Gerhrad E.

1940

1973; h.c.:1985

1970

Osterloh

Margit

1943

Pack

Ludwig

1929

Pape

Ernst

1876

Papperitz

Günter

1928

Passow

Richard

1880

Pausenberger

Ehrenfried

1931

Peemöller

Volker H.

1940

Penndorf

Balduin

1873

1990

1945

1981

E. Heinen

1961

E. Heinen

1956

R. Lambert

B: 1919

K. Bücher/ Schmid

1910

1906

R. Ehrenberg

1901

1967

K. F. Rößle/ L. Beckmann

1957

h.c.: 1949 H. Linnhardt

1977 1941

Penzkofer

Peter

1940

2006

Peters

Sönke

1938

1995

Perlitz

Manfred

Perridon

Louis

Pfeifer

Bruno

1869

R. Lambert

B: 1922

1971 G. F. von Schönberg

1906

B:1977

1968

1943

1978

1971

1918

1954

1950

1928

R. Lambert

B: 1915

T. Ellinger

1970

F. Schmidt/ J. Hellauer T. Ellinger

1923

Pfeiffer

Werner

1933

Pfohl

1942

Picot

HansChristian Arnold

1944

1975

E. Heinen

1972

Pietsch

Maximilian

1902

1976

1952

Degenfeld/Spann

1931

Plechak

Franz

1940

2003

1971

1970

Pleiß

Ulrich

1923

1970

1959

Pleitner

Hans Jobst

1935

B:1985

1972

Plinke

Wulff

1942

1981

1972

Poensgen

1932

Pohmer

Otto Herbert Dieter

1925

1957

1953

Popp

Werner

1935

2007

1967

1960

Potthoff

Erich

1914

2005

Pougin

Erwin

1927

Pressmar

Dieter

1936

Pribilla

Peter

1941

Priewasser

Erich

1941

242

1975 E. Heinen

1963 1971

1982

E. Walb

1941

H. Jacob

1968

h.c.: H. Jacob 2003

h.c.: 1970

1964

Biographische Tabelle

Name

Vorname

Geb.Jahr

Todesjahr 1939

Prion

Willi

1879

Raffée

Hans

1929

Rautenberg

1943

Raydt

Hans Günter Hermann

1851

Reber

Gerhard

1937

Rehkugler

Heinz

1943

Reichard

Christoph

1941

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

Diss.Jahr

R. Lambert

1910

A. Spiethoff/ G. von SchulzeGävernitz

1908

K. Banse

1969

K. Banse

1960

1992

1972

1972

1965

1914

1975 B:1997

1972

Reichmann

Thomas

1938

1972

Reichwald

Ralf

1943

B:1975

E. Heinen

1973

1973

L. Pack

1966

Reinermann

Heinrich

1937

Reitsberger

Wolf D.

1944

Rembeck

Max

1907

Remer

Andreas

1944

Rentz

Otto

1944

Richter

Hans-Jörg

1944

Richter

Knut

1943

Richter

Martin

1943

L. Pack

1966

1973

1966

B: 1965

1993

1980

1973

Riebel

Paul

1918

2001

E. Schäfer

1954

E. Schäfer

1951

Rieger

Wilhelm

1878

1971

G. F. Knapp

B: 1919

G.F.Knapp

1918

Rieper

Bernd

1943

1979

W. Dinkelbach

1973

Riester

Wilhelm Friedrich

1902

B: 1960

W. Prion

1934

Ringle

Günther

1937

1980

Risak

Johann

1940

Rittershausen

Heinrich

1898

Robl

Karl

1943

Rodenstock

Rolf

1917

Rödder

Wilhelm

1942

Rößle Rogowsky

KarlFriedrich Bruno

Rose Rosenberg

1968

h.c.:

1965

1984

Pribram

1933

1922

1979

1973

1997

K.F. Rößle

1947

1944

1893

1957

H. Nicklisch

1890

1961

Gerd

1926

2006

Otto

1938

Rosenkranz

Friedrich

1941

Ruberg

Carl

1892

1985

W. Prion

1930

Ruchti

Hans

1903

1988

H. Sommerfeld

1940

1985 1926

1972 1923

1924

E. Pape/ W. Kalveram A. Skalweit

1966

E. Gutenberg

1954

1970

1920

1968 W.. Prion/ E. Schmalenbach H. Sommerfeld

1923 1935

243

8.2

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Rudolph

Bernd

Geb.Jahr 1944

Todesjahr

Betreuer der Habilitation H. J. Krümmel

Habil.- Jahr

Rückle

Dieter

1941

Rühl

Günther

1914

Rühli

Edwin

1933

Rummel

Kurt

1883

Sabel

Hermann

1937

Sabich

Helmut

Sandig

Curt

1901

1981

F. Findeisen/ H.Großmann

1934

H. Nicklisch

1929

Schäfer

Erich

1900

1984

W. Rieger

1931

E. Schmalenbach

1927

Schär

Johann Friedrich

1846

1924

Schauenburg

Bernd

1944

Schauer

Reinbert

1943

Scheer

1941

Scheidl

August Wilhelm Karl

1929

Scheller

Georg

1895

Scherrer

Gerhard

1936

Scherpf

Peter

1905

Scheuch

Fritz

1945

1976

1968

Schiemenz

Bernd

1939

B:1991

1969

Schildbach

Thomas

1945

1979

1973

Schilling

Adolf

1889

Schmalen

Helmut

1944

1978

Diss.Jahr 1972

1978

1968

1966

1962

1968

1964

2007

1953

keine, B: 1903

keine

1983

1976

1978 H. Jacob

1974

1968 H. Jacob

1963 1955

J. Hellauer

1928

1995

2002

F. Terhalle

K. Brockhoff

1939

1968 A. Weber

1932

B: 1911

Klingmüller

1918

W. Braun

1971

H. Nicklisch

1922

Eugen

1873

1955

R. Lambert

1903

Kurt

1900

1995

H. Nicklisch

1928

Schmid

Anton

1870

1931

keine, B:1908

Schmidt

Fritz

1882

1950

1912

Schmidt

Hartmut

1941

Schmidt

1882

Schmidt

Julius August Fritz Ralf-Bodo

1928

1991

E. Kosiol

Schmidt

Reinhart

1940

2008

H. Albach

Schmitt

Dieter

1939

Schneeloch

Dieter

1941

Schneeweiß

Christoph

1937

F. Ferschl

1971

Schneider

Dieter

1935

K. Hax

1965

1919

keine A. Calmes

1915

A. Calmes

1915

1963

E. Kosiol

1952

1971

H. Albach

1967

B:1974 R. Lambert

1924

1978

Schmaltz

1950

1971 1956

F. Schmidt/ J. Hellauer

1974

Schmalenbach

244

Betreuer der Dissertation H. J. Krümmel

1912

1969

1975

1971 1967 K. Hax

1960

Biographische Tabelle

Name

Vorname

Geb.Jahr 1941

Todesjahr

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

h.c.:

Diss.Jahr 1972

1989

1985

Schneider

Dieter J. G.

Schneider Schneidewind

Herfried M. Dieter

1935

Schnettler

Albert

1895

1967

E.Geldmacher

1933

E.Geldmacher

1927

Schnutenhaus

Otto Richard

1894

1976

F.Meyenberg

1929

Ritter von Eheberg

1919

Schober

Franz

1941

F. Hanssmann

1987

F. Hanssmann

1972

Schoenfeld

Hanns Martin W.

1928

Schönknecht

Dieter

1931

Scholz

1921

Schranz

Herbert Carl Andreas

Schredelsecker

Klaus

1943

Schröder

1941

Schruff

Hans Horst Lothar

1940

h.c.:

Schubert

Werner

1924

1967

1939

h.c.:

1966

1954

h.c.: 1999

Schülen

Werner

1928

Schüler

Wolfgang

1939

1976 W. Kern

B: 1991

1974 W. Kern

h.c.:1993 1998

H. Albach

B: 1976

1973

1954 H. Albach

1970

Schuhmann

Werner

1932

h.c.:

Schultz

Reinhard

1932

B:1979

Schumpeter

Joseph A.

1883

Schuster

Leo

1937

Schuster

Walter

1894

1948

H.Nicklisch

1930

Schwantag

Karl

1912

1991

F. Schmidt/ W. Kalveram

1943

F. Schmidt

1939

Schwartz

Horst

1923

1990

K. Mellerowicz

1958

K. Mellerowicz

1949

Schwarzfischer

Josef

1901

1991

H. Schorer

1932

H. Schorer

1928

Schweiger

Günter

1941

Schweitzer

Marcell

1932

E. Kosiol

1968

E. Kosiol

1963

Schweitzer

Robert

1896

H. Nicklisch

1933

1926

Schwinn

Rolf

1936

1974

1968

Seelbach

Horst

1938

1970

Seibt

Dietrich

1938

1950

1966

1909

1906

1975

1966 1924

1973

1940

1966

E. Gutenberg E. Grochla

1970

Seicht

Gerhard

1939

B:1972

1962

Seidel

Eberhard

1936

1974

1965

Seidel

Karl Johann

1887

1919

H. Töndury

1933

245

8.2

8

Biographischer Anhang

Name

Vorname

Seischab

Hans

Geb.Jahr 1898

Sertl

Walter

1930

Sewering

Karl

1888

1967

F.Terhalle

1924

Seyffert

Rudolf

1893

1971

H. Nicklisch

1922

Sieben

Günter

1933

H. Münstermann

1969

H. Münstermann

1961

Sieber

1901

1982

A.Hoffmann

1930

A.Hoffmann

1925

Siegel

Eugen Hermann Theodor

1940

Siegwart

Hans

1925

Sigloch

Jochen

1944

Silberer

Günter

1944

Skowronnek

Karl

1902

Sohn

Karl-Heinz

1928

Sommerfeld

Heinrich

1884

Specht

Dieter

1944

Specht

Günter

1940

Staehle

Wolfgang H. Peter

1938 1933

Standop

Dirk

1943

Stathopoulos

Athanasios

1931

Stahlknecht

Todesjahr 1965

Betreuer der Habilitation H.Nicklisch

Habil.- Jahr 1938

Betreuer der Dissertation F.Leitner/ H. Nicklisch

Diss.Jahr 1931

W. Stieda/ F.Schmid F. Schmidt

1917

1968

1976

1919

1973

2003 E. Biergans

1976

P. Scherf

1971

F. Krüger

1930

1982 1976

K. Oberparleiter/ Kerschagl/ F. Dörfel

1950

1977

h.c.: 1950

B:1920

1963 E.Gothein

1998

1992

K. Banse

1977

K.l Baanse

1971

L.s Perridon

1972

L. Perridon

1967

1977

1958

H. Koch

1977

H. Koch

1973

W. Pfeiffer

1978

W. Pfeiffer

1973

H. Meffert

1976

H. Meffert

1972

Staudt

Erich

1941

Steffen

Reiner

1941

Steffenhagen

Hartwig

1943

Steffens

Franz

1933

von Stein

1937

B:1977

1969

Steiner

Johann Heinrich Jürgen

1944

1980

1973

Steiner

Manfred

1942

1970

1974

Steinmann

Horst

1934

Stemberger

Rudolf

1901

Stepan

Adolf

1942

Stern

Robert

1855

Stitzel

Michael

1940

Stöckert

Bernd

1943

Stöppler

Siegmar

1939

Strebel

Heinz

1939

246

2002

1916 1993

1964

W. F. Riester

1967

W. F. Riester

1962

H. Bayr/ T. Prötz

1949

O. Spann/ Degenfeld

1932

Thon

1907

W. Wittmann

1972

1980 1930

1992

W. Wittmann

1980 1977

1974

1967

Biographische Tabelle

Name

Hannes

Geb.Jahr 1943

Streitferdt

Lothar

1941

Stremitzer

Heinrich

1936

Streim

Vorname

Todesjahr

Wilhelm

1931

Burkhard

1935

1991 1995

Stüdemann

Klaus

1930

Stützel

Wolfgang

1925

Süchting

Joachim

1933

2004

Sundhoff

Edmund

1912

1998 2006

Peter

1937

Norbert

1931

Terhalle

Fritz

1889

Theisinger

Karl

1901

Betreuer der Dissertation

Diss.Jahr 1971

1977 D. Farny

Strümpel

Szyperski

Habil.- Jahr 1977

Strobel

Swoboda

Betreuer der Habilitation

1973

D. Farny

1968

1976 1970 1958

1964 C. Brinkmann

1952

R. Seyffert

1944

1962

1969 R. Seyffert

1949

1961

1962

L. Illetschko

1964

E. Grochla

1969

E. Kosiol

1959

1962

A. Weber

1918

A. Weber

1915

1949

F. Schmidt

1933

W. Kalveram

1925

Thiess

Karl Erich

1903

1968

1935

1930

Tietz

Bruno

1933

1995

1969

1958

Theisen

Paul

Theuer

Gottfried

1923

1996

Thoms

Walter

1899

1995

Timmermann

Manfred

1936

2004

Tindl

Fritz

1888

Tlach

Peter

1925

2007

B:1960

Töndury

Hans

1883

1938

B: 1910

1996

Töpfer

Armin

1944

Topritzhofer

Edgar

1944

Tragsdorf

Klaus

1935

Trommsdorff

Volker

1943

Tschirky

Hugo

1938

Uhlir

Helmut

1942

K. Oberparleiter

1951

1933

K. Thiess

1928

B:1973

E. Schneider

1961

keine

keine

H. Hollatz/ T. Kozak

1973

W. Kroeber-Riel

B:1978

Hans

1919

Urban

Sabine

1935

1997

VecianaVergés Veit

José M.

1932 1943

Vershofen

Klaus Rüdiger Wilhelm

Vodratzka

Karl

1931

von der Aa

Karl

1876

1937

Vormbaum

Herbert

1925

2005

A. Walther

1947

W. Krober-Riel

1974 1971

Amonn

1980 1960

1907

1968

B:1982

Ulrich

1878

W. le Coutre

1958

1944

1974

B: 1923

K. D. Bülbring

1905

W. Bouffier

1964

W. Bouffier

1954

R. Henzler

1958

H. Seischab

1951

247

8.2

8

Biographischer Anhang

Name Wacker

Vorname

Geb.Jahr 1931

1969

Diss.Jahr 1963

1938

1973

1968

B: 1924

Wächter

Wilhelm H. Hartmut

Waffenschmidt

Walter G.

1887

Wagner

Bernd

1943

Wagner

Franz W.

1944

Wagner

Helmut

Walb

Ernst

Todesjahr

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

SchulzeGaevernitz

1976

1915

1971

1997 1880

1946

1955

keine, B:1926

E. Schmalenbach

1919

Walterspiel

Georg

Walther

Alfred

1886

Wanik

Otto

1923

h.c.:

Weber

Claus Peter

1939

h.c.:

Weber

1933

1967

Weber

Helmut Kurt Karl

1926

Weber

Wolfgang

1939

Wedekind

Hartmut

1935

Weigand

Karl Heinz

1937

Weigmann

Walter

1902

Weinberg

Peter

1939

WeinholdStünzi Welge

Heinz

1926

Martin K.

1943

1978

1973

1876

1935

1909

1902

1865

1937

keine

keine

1876

1942

keine

Wiedmann

Moritz Rudolf Gustav Franz Curt Felix Albert Harald

Wild

Jürgen

1939

Weyermann Werder Werner

h.c.

2000 E. Böhler

2000

1927

keine

1962

1966

R. Büchner/ K. Käfer

1955

1967

Bussmann

1963

1933

F. Werner

1930

1985

W. Kroeber-Riel

1977

h.c.: 1945

B. Penndorf

2004

1945

O. Gerlach

h.c.: 1995 1975

E. Kosiol

1915 1977

E. Kosiol

Wildemann

Horst

1942

1980

Wimmer

Frank

1944

1983

Wirtz

Carl

1901

Witte

Eberhard

1928

Witte

Thomas

1943

Wittmann

Waldemar

1925

1988

K. Hax

1957

K. Hax

Wöhe

Günter

1924

2007

K. Banse

1958

H. Ruchti

1954

Wörner

Gerhard

1878

1943

keine

W.Stieda/ F. Schmid

1902

Wohinz

Josef W.

1943

248

1969 1962

T. Ellinger

1974 1975

E. Walb

1926

E. Kosiol

1954

1978

1973 1954

Biographische Tabelle

Name Wohlgemuth

Michael

Geb.Jahr 1939

Wolff

Manfred

1941

Wossidlo

Peter Rüdiger Rolf

1936

Wunderer Wurl von Wysocki

Vorname

HansJürgen Klaus

Todesjahr

2000

Betreuer der Habilitation

Habil.- Jahr

Betreuer der Dissertation

1973

1937

B_1974

G. Fischer

1938

Diss.Jahr 1968

1967 1970

1925

A. Schnettler

1960

G.H.v.Kortzfleisch

1976

A. Schnettler

1955

G. H. v. Kortzfleisch

1970

Zäpfel

Günther

1942

Zahn

Erich

1940

Zander

Ernst

1927

Ziegler

Julius

1863

Zilahi-Szabó

Géza

1936

1970

Zimmermann

1934

B:1967

1962

Zoller

HansJürgen Klaus

1943

1976

1970

Zschocke

Dietrich

1926

B: 1974

1973

von Zwehl

Wolfgang

1938

Zwicker

Eckart

1939

Zybon

Adolf

1920

1973

1963

h.c.: 1979

1945

1963

keine

2001

keine Memberg

1972

1988

T. Beste

1967

1961

1968 Hartmann

1969

T. Beste

1958

249

8.2

Namensverzeichnis

Namensverzeichnis

In das Namensverzeichnis sind nicht die in der Tafel auf S. 93 – 96 und in Tabelle 6 des Kapitels 8 genannten Wissenschaftler aufgenommen worden, wenn sie nicht an anderer Stelle erscheinen.

Abs, H. J. Adam, D. Adler, H. Albach, H.

Albach, R. Albers, S. Albert, H. Aquin, T. v. Aristoteles Arnold, H. Arrow, K. Babbage, C. Backhaus, K. Bacon, F. Bain, J. S. Barber, B. Barney, J. B. Bartz, H. W. Bauer, W. Baumstark, E. Bhattacharyya, A. K. Becker, C. H. Becker, F. G. Behrens, G. Behrens, K. C.

37 216 214 2,10,17,18,19,26, 28,31,48,65,66,71, 83,90-96,150,166, 167,188,190,192, 193,196-198,200, 206, 216 16,71 200 28 113-115,157 106,108,113 190 55 181 31 22-24,44-46,131 72, 73 62 75 3 191 161 105 1 189 28 26

Bellinger, B.

35,105,113,114,116, 153 Beneviste, J. 33 Berghoff, H. 101,164,165 Bergler, G. 177 Bernoulli, D. 128 Bernoulli, J. 128 Biermann, K. R. 146 Bloech, J. 216 Bode, M. 101 Böhm, H-H. 205 Boehmer, A. v. 36 Böttiger 38 Borchert, H. 190 Boyack, K. W. 49 Braeutigam, H. 170 Brasch, H. D. 204 Brentano, L. 139 Breuer, W. 91-96 Brockhoff, K. 17,36,46,49,59,85, 189,196,200,218, 219 Bruhns, K. 146 Brutus 112 Buchner, R. 138 Buck, H. 190 Buehner, R. 41 Büsch 146 Buquoy-de Longeval 141 Bush, V. 57,58

251

Namensverzeichnis

Busse von Colbe, W. 191 Calmus, A. 165 Calvin, J. 117 Cantillon, R. 78,79 Cato, M. P. 108,112 Chamberlin, E. H.187 Chartres, B. v. 35 Chmielewicz, K. 6,51,52 Cicero, M. T. 109 Coase, R. H. 74,84 Colbert, J-B. 124 Columella, L. I. 109 Connor, K. J. 72 Courcelle-Seneuil, J. 135 Cournot, A. 143-145 Cyert, R. M. 198 Daire, E. 201 D’Alembert, J. 49 Dantzig, G. 180 Daston, L. 49 Deges, F. 153,166,225 Dichgans, H. 9 Dichtl, E. 216 Dickson, W. J. 184 Diderot, D. 49 Dimisqi, A. A. 112 Djerassi, C. 33 Düring, W. 214 Edelmann, H. 171 Edison, T. A. 8 Eichhorn, W. 85 Ellis, R. L. 22 Emminghaus, K. B.A. 147 Engels, F. 138,139 Engwall , L. 167 Erdmann, K. 85 Erhard, L. 175-177 Erichson, B. 45 Eucken, W. 178 Fandel, G. 207

252

Faraday, M. 8 Fayol, H. 184 Fehr, B. 38 Fibonacci Pisano, L. 35 Finley, M. J. 112 Fischer, G. 184 Flick, F. 37 Flitner, W. 1 Fontane, T. 137 Ford, H. 183 Fourier, C. 174 Frank, U. 210 Franklin, B. 8 Franckenberg, A. 4 Frese, E. 183,187 Furubotn, E. G. 219 Gaugler, E. 131,149,167,168, 169,171,183,187190,199,200,206211, 219 Gianessi, E. 167 Giesson, R. A. 220 Gladstone 8 Gmähle, P. 179 Goethe, J. W. v. 38 Gordon, R. A. 220 Gottl-Ottlilienfeld, F.v. 183 Grimm, J. 3-5 Grimm, W. 3-5 Gutenberg, E. 4,13,16,17,24,26,49, 70,83,97,162,166, 174,178,179,183186,188,192,193,195 197,199,205,206 Halbach, W. 177 Hammurapi 104 Hansen, H. R. 69 Hansen, U. 101 Hartwig, R. 153,166,225 Hasenack, W. 161,165 Hauschildt, J. 55,189

Namensverzeichnis

Hax, K. 138 Hayek, F. A. .v. 78 Heath, D. D. 22 Hébert, R. F. 77 Heidebroek, E. 165 Heinen, E. 197,206 Hellauer, J. 165 Hennig, K. W. 184 Henzel, F. 178,179 Hermann, P. 63,64 Hermann, T. 78,83,84,86 Hesse, H. 49 Hessels, D. K. 66 Hirsch, E. 7,142 Hitler, A. 171 Hitt, M. A. 55 Howell, J. E. 220 Humboldt, A. v. 146 Hundt, S. 156,169,177,178 Hwang, W. 33 Isaac, A. 165 Kagel, J. H. 45 Kaldor, N. 188 Kamenizer, S. E. 190 Kantilya 105 Kellen, T. 164 Kennedy, J. F. 8 Kieser, A. 43,180,220 Kilgor, H. M. 57 Kirsch, W. 198 Kistner, K-P. 195 Klavack, R. 49 Klein-Blenkers, F.153,166,225 Kliemann, H. 165 Kloock, J. 195,206,207 Kloten, N. 195 Knight, F. H. 129 Kobloch, E. 120,121 Koch, H. 160,200 Koch, R. 33 Kocka, J. 49

Köhler, R.

131,149,168,169, 171,183,187,189, 190,199,200,219 König, W. 12 Koolman, G. 83 Koopmanns, T. C 26 Kopper, C. 171 Kosiol, E. 42,155,185 Koslowski, P. 113 Koubek, N. 29 Knobloch, E. 121 Krahnen, J. P. 196 Krell, G. 183 Krenkel, W. A. 112 Kroeber, G. 85 Kroeber-Riel, W. 199 Krohn, W. 22,23,44 Kubicek, H. 220 Küpper, H. U. 41 Küpper, U. 207 Kuhn, H. W. 26 Kuhn, T. S. 56,60-66,209 Kunckel, J. 137 Kurm-Engels, M. 98 Lambert, R. 166 Langen, H. 138 Lardner, D. 202 Lebert, R. 98 Leibniz, G. W. 7,120,121,123, 142 Lente, H. v. 66 Leonhardt, W. 170 Leuchs, J. M. 122,129 Lichtenberg, G. C 35,36 Lingenfelder, M. 180,183,200 Link, A. W. 77 List, F. 83 Löffler, S. 107 Loitelsberger, E. 167 Lohmann, M. 138 Lorson, H. N. 189 Lotka, A. J. 7

253

Namensverzeichnis

Ludovici, C. G.

122,127,128,130, 134,225 Ludwig, J. P. v. 225 Luhmer, A. 195 Luther, M. 117-119,157 Männel, W. 191 Mahlberg, W. 167 Mangartz, F. 110 Mantel, P. 167-172,188 March, J. G. 198 Marperger, P. J. 48,49,75-77,122, 131-134,147,157 Marshall, A. 7,42,83 Martin, B. R. 32 Marx, K. 138,139 Marzahn, J. 104 Mattesich, R. 102, 103, 105 Mayer, T. 67 Mayo 184 Meffert, H. 190,199 Meissner, H. G. 206 Mellerowicz, K. 4,184,186 Menger, C. 145 Merton, R. K. 32,35 Meyer-Larsen, W 37 Michaelis, E. 227,228 Mill, J. S. 137 Mirrlees, J. A. 38 Mittelstrass, J. 1 Moldovanu, B. 38 Montgomery, D. B. 69 Morgenstern, O. 180 Müller, H. 191 Müller-Armack, A. 2,176 Münemann, R. 37 Nash, J. F. 144 Nelson, R. 55 Neumann, J. v. 180 Neumann, R. 104 Nicklisch, H. 28,39-41,49,139, 153,154,156,164-

254

166,169,170,172, 173,178 Nieschlag, R. 164 Nilsson, S.-Å. 167 Nobel, A. 38 Nomi-Midzu, J.-I 9,10 Nordhoff, H. 171 Nordsieck, F. 184-186 Oberparleiter, K. 149 Obst, G. 139,153,154,162, 164 Oesterle, M-J. 167,168,172,188 Pacioli, L. 89,115,116 Pape, E. 154 Pearson, A. W. 36 Penndorf, B. 89 Peri, G. D. 122 Perridon, L. 167 Philipp, W. 37 Pieper, R. 220 Pierson, F. C. 220 Platon 20,21 Plaut, H. G. 191 Pleister 98 Polanyi, M. 36 Popper, K. R. 30,31,34,63,87 Porter, M. E. 38,39,41 Potthoff, E. 168,169,171 Prollius, M. v. 171 Quesnay, F. 139 Rapoport, A. 41 Rau, K. H. 146,147 Raydt, H. 147-149 Regnery, C. 164 Rehm, H. 154 Ricardo, D. 147 Richter, R. 219 Rieger, W. 42,156,157,159161,165 Robinson, J. V. 187 Roethlisberger, F. 184 Roosevelt, F. D. 57 Rosenkopf, L. 63

Namensverzeichnis

Roth, A. E. 45 Rose, U. 63 Ross, I. 42 Ruchti, H. 138 Rühli, E. 189 Rummel, K. 203,204 Sabel, H. 10 Salewski, M. 106 Salmasius, C. 119 Salomo, S. 55 Sauermann, H. 26,46 Savary, J. 122-126 Savary des Brulons, J. 124 Say, J. B. 135-137 Schacht, H. 171 Schäfer, E. 164 Schär, J. F. 147,150-152 Schanz, G. 216 Schefold, B. 106 Schelsky, H. 1 Scherer, F. M. 55 Schierenbeck, H. 216 Schiller, F. 86 Schimmelmann, H.C. 124 Schleyer, H. M. 2 Schlicksupp, H. 55 Schlossmann, S. 220 Schmalen, H. 69,200 Schmalenbach, E. 4,16,49,139,153155,160,161,163, 165,166,168,177, 191,197,203 Schmaltz, D. 48 Schmaltz, K. 214 Schmid, A. 154 Schmidt, F. 16,97,98,14,15,155, 166,178,179 Schmidt, J. 190 Schmoller, G. 139 Schmookler, J. 6 Schneider, E. 192

Schneider, D.

2,29,42,50,64,65, 70, 71,75,83,84,86,87, 88,89,97,101,131, 135,141,147,149, 150,156,163,168, 180,187,189,198, 199,202,209,211, 216,217 Schneider, U. J. 225 Schönfeld, H. M. 167 Schönitz, H. 147 Schranz, A. 167 Schüler, W. 195 Schulenburg, J-M v. d. 120,121 Schumpeter, J.A. 7,72,73,78,80-83, 101,108,138,146,147 177, 187 Schweitzer, A. 171 Schweitzer, M. 41 Seiffert, H. 6 Selten, R. 26 Senior, N. W. 142 Seyffert, R. 164 Shieley, J. S. 42 Shimizu, T. 167 Siena, B. v. 75 Simon, H. 43,87 Simon, H. A. 198 Simonton, D. K. 32,56,57,66 Sinzig, W. 191 Sloan, A. P. jr. 180 Smelser, N. J. 32 Smith, A. 7,83,138,174 Smith, K. G. 55 Sommerfeld, H. 165 Sonntag, S. 195 Spedding, J. 22 Spiekermann, W. 164 Sraffa, P. 187 Stackelberg, H. v. 187,192 Stern, J. M. 42 Stewart 42

255

Namensverzeichnis

Stichweh, R. Stigler, G. J. Störig, H. J. Stokes, D. Strube, E. Susemühl, F. Talaulicar, T. Taylor, F. W. Teichert, T. Teichmann, H. Terlinden, R. F. Thaer, A. D. Thom, N. Thomasius, C. Thoms, W. Thoreau, H. D. Thünen, J. H. v. Tietzel, M. Tomasius, C. Tooze, A. Tragsdorf, K. Troßmann, E. Tuck, A. Tucker, A. W. Turgot, A. R. J. Tushman, M. Ulrich, H. Utz, A. F. Varro, M. T. Veblen, T.

256

20,48 188 22,35 50,57,59,60 204 106 43 180-184 43 179 20 156 206 131 177,178 104,105 26,45,140-142, 166,184 38 131 171 190 41 150 26 200-203,206 63 198 113 109,202 150

Vershofen, W. 165,177,178 Vickrey, W. 38 Vieweg, H. F. 38 Vierhaus, R. 48 Vogelsang, G. 216 Walb, E. 165,167 Wallichs, A. 180,181 Ward-Perkins, B. 111,112 Watt, M. 113 Weber, M. 27,28,150 Weingart, P. 47 Weinreich, J. 138 Werder, A. v. 29 Weyermann, M. 147 Wharton, J. 149 Whitehead 184 Whitley, R. 47 Wille, F. 205 Williamson, O. E. 74 Winschuh, J. 171 Witte, E. 59 Wittmann, W. 104,109,207 Wöhe, G. 137,160 Wolf, J. 65,75,167,168, 172,188,209 Wunsch, C. 104 Xenophon 106,107 Zedler, J. H. 225 Zuckermann, H. 32 Zwicky, F. 49