Olfaktorische Reize in der Markenkommunikation : theoretische Grundlagen und empirische Erkenntnisse zum Einsatz von Düften 9783835094314, 3835094319 [PDF]


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Olfaktorische Reize in der Markenkommunikation : theoretische Grundlagen und empirische Erkenntnisse zum Einsatz von Düften
 9783835094314, 3835094319 [PDF]

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Zitiervorschau

Jan Eric Rempel Olfaktorische Reize in der Markenkommunikation

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Marken- und Produktmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Franz-Rudolf Esch (schriftf.), Universitat GieBen, Professor Dr. Reinhold Decker, Universitat Bielefeld, Professor Dr. Andreas Herrmann, Universitat St. Gallon, Professor Dr. Henrik Sattler, Universitat Hamburg und Professor Dr. Herbert Woratschek, Universitat Bayreuth

Die Schriftenreihe gibt Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zum Marken- und Produktmanagement. Sie prasentiert richtungsweisende Erkenntnisse sowie wichtige empirische Untersuchungen und Methoden. Ein besonderer Wert wird auf Praxisrelevanz und Anwendungsbeispiele gelegt. Die Reihe will den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis fordern und wendet sich daher nicht nur an Studierende und Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch an Marketingpraktiker in Unternehmen, Agenturen, Beratungen und Verbanden.

Jan Eric Rempel

Olfaktorische Reize in der Markenkommunikation Theoretische Grundlagen und empirische Erkenntnisse zum Einsatz von Diiften

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische information Der Deutschen Nationaibibiiotiiei( Die Deutsche Nationalibliotheic verzeichnet diese PubJilcation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation Justus-Liebig-Universitat GieBen, 2006

l.AuflageOktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschiiel^lich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. In diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0581-2 ISBN-13 978-3-8350-0581-5

Geleitwort Wer kennt ihn nicht, den Spruch „Ich kann Dich nicht riechen." Offensichtlich spielt der Duft in der Kommunikation eine wichtige Rolle. Die Kommunikation als Stimme der Marke sollte deshalb auch Dufte zum Aufbau eines Markenimages nutzen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafur ist die Integration kommunikativer MaBnahmen. Durch sie erfolgt eine Fokussierung auf die relevanten Markeninhalte. Dazu konnen verschiedene Kommunikationsebenen und kanale sowie unterschiedliche Sinnesmodalitaten zum Einsatz kommen. Trotz der praktischen und wissenschaftlichen Bedeutung steckt die Forschung zur Wirkung von Duft auf Marken noch in den Kinderschuhen, geschweige denn liegen ftindierte Erkenntnisse zur Integration von Olfaktorik in der Markenkommunikation vor. Viele Untemehmen

mussen jedoch

durch

qualitative

MaBnahmen

die

Wirkung

ihrer

Kommunikation optimieren, da sonst bei der herrschenden Marken- und Kommunikationsflut die Kommunikationswirkungen weiter sinken und die Investitionen in Kommunikation teurer werden. Der Aufbau einer starken Marke durch Kommunikation ist hierbei wirksamer durch nonverbale als durch sprachliche Inhalte realisierbar. Hier spielt die Nutzung der Olfaktorik im Kontext nonverbaler Reize eine groBe Rolle, Allerdings liegen bislang noch keine Erkenntnisse zum Zusammenwirken von visuellen Reizen und Duftreizen vor. Herr Rempel analysiert in seiner Arbeit die Wirkung der Integration olfaktorischer Reize in der Markenkommunikation. Eine solche Wirkungsanalyse steht bislang noch aus. Der Autor entwickelt auf Basis der Fluency-Forschung, kognitionspsychologischer und physiologischer Erkenntnisse zur Wirkung der Olfaktorik und anderer modalitatsspezifischer Reize einen fiindierten Ansatz zur Analyse der integrativen Wirkung olfaktorischer Reize. In zwei experimentellen Hauptstudien mit jeweiligen Vorstudien uberpriift Rempel die Wirkung von inhaltlich integrierten bzw. nicht integrierten olfaktorischen Reizen auf das Markenwissen sowie weitere fiir die Markenfuhrung relevante GroBen fiir fiktive Marken. Im Ergebnis fuhrt ein zur Marke passender Duft in der ersten Studie zu signifikant mehr markenspezifischen Assoziationen als ein unpassender Duft. Zudem verschlechtert ein nicht zur Positionierung passender Duft die Einstellung zur Marke, das innere Bild zur Marke und die Kaufabsicht signifikant. Auch fuhrt die Hinzunahme eines passenden Duftes bis auf bei wenigen Ausnahmen zu einer signifikanten Verbesserung der ZielgroBen im Vergleich zum Einsatz ohne Duft.

VI

Geleitwort

Die Messung der Effizienz durch Antwortzeitmessung in der zweiten Studie brachte ebenfalls deutliche Resultate. Die Markenpositionierung wurde bei aufeinander abgestimmten olfaktorischen und visuellen Reizen signifikant schneller vermittelt als bei inkongruenten Reizen, bei denen sich ein diffuses Bild der Marken ergab. Zudem wurden die Annahmen zur Effektivitat des Markenaufbaus wie in der ersten Studie repliziert. Femer wurde belegt, dass die Einstellung zur Anzeige als Mediator zwischen der subjektiven Passung von Duft und Marke sowie der Einstellung zur Marke wirkt, die wiederum fiir die Verhaltensabsicht als Mediator fungiert. Diese Ergebnisse sind iiberzeugend und neu, weil sie einerseits die theoretischen Annahmen bestatigen und Blick in neue Wirkungszusammenhange zur olfaktorischen Integration der Markenkommunikation liefem. Die vorliegende Arbeit ist deshalb ein Muss fiir alle Manager, die sich mit der Markenfiihrung beschaftigen. Sie bietet zudem eine groBe Orientierungshilfe fiir Marketingstudenten und wissenschaftler, die in diesem Bereich forschen bzw. lehren.

Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch Direktor des Instituts- fiir Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universitat GieBen www.imk.uni-giessen.de

Vorwort Die Arbeit entstand in meiner Zeit als Mitarbeiter am Institut flir Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universitat GieBen. Lange hat es gedauert, doch nun ist es endlich geschafft! Zunachst erscheint der zu erklimmende Berg gar nicht so hoch, doch je naher man zum Gipfel hinaufklettert, desto weiter scheint er sich wieder zu entfemen, und dann ganz plotzlich hat man den Berg doch bezwungen. Auf dem Weg zu diesem ersten hoheren Gipfel im Leben haben mich liebe Personen begleitet, die ich hier dankbar erwahnen mochte: Auf das HerzUchste bedanke ich mich bei Herm Professor Esch. Durch ihn erhielt ich den AnstoB, mich mit der verhaltenswissenschaftlichen Markenfuhrung auseinander zu setzen. Er hat mich auf dem langen und oftmals auch sehr steinigen Weg zu meiner Dissertation stets mit einem offenen

Ohr begleitet und in schwierigen Situationen entscheidende

Losungsvorschlage gemacht. Insgesamt hat er mich nicht nur fachlich, sondem auch menschlich sehr gepragt. Herm Professor Martin Morlock danke ich sehr herzlich fur die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens und den Herren Professoren Gerd Aberle und RUdiger Kabst fiir ihre Mitwirkung an meinem Prufiingsverfahren. Danken mochte ich auch meinen ehemaligen Kollegen Dr. Tobias Langner, Dipl.-Kfm. Jan Rutenberg sowie Dipl.-Kfm. Thorsten Moll fur intensive Diskussionen mit wertvollen fachlichen Anregungen. Des Weiteren danke ich Dipl.-Kffr. Nina Baueregger, Dipl.-Kffr. Petra Lochmann sowie Dipl.-Kffr. Isabelle Klein, die mich als Interviewer bei der experimentellen Umsetzung sehr unterstiitzt haben. Dariiber hinaus danke ich meinen Eltem Eva und Dr. Christian Rempel, die mit ihrer moralischen Unterstiitzung zum Gelingen des Dissertationsvorhabens entschieden beigetragen haben. Meiner Mutter danke ich zusatzlich fiir die kritischen Anmerkungen zum Manuskript sowie fur ihr groBes Engagement beim Korrekturlesen.

VIII

Vorwort

Last but not least danke ich meiner Freundin Myriam Scheefe, die weit mehr zu dieser Arbeit beigetragen hat als nur moralische Unterstutzung. Sie ist mein Sparringspartner weit iiber diese Arbeit hinaus.

Jan Eric Rempel

Inhaltsverzeichnis Geleitwort

V

Vorwort

VII

Abbildungsverzeichnis

XIII

A. Problemstellung - Olfaktorik als vemachlassigte Modalitat zum Aufbau und zur Starkung von Marken

1

1. Verwendung von olfaktorischen Reizen als eine neue Modalitat in der Markenkommunikation 2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

1 5

B. Theoretischer Rahmen - Einbindung olfaktorischer Reize in die Markenkommunikation 1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe der modemen Markenfuhrung 1.1

Veranderte Rahmenbedingungen fur Marken - Marken als Vermittler von Konsumerlebnissen auf gesattigten Markten

1.2

9

Markenidentitat, Positionierung und Markenimage als Gmndlagen einer modemen, multisensualen Markenfuhrung

12

1.2.1

Markenidentitat als Wurzel der modemen Markenfuhmng

12

1.2.2

Markenimage als Treiber einer starken Marke

13

1.2.3

Markenpositioniemng als Konzept- und Umsetzungsebene der Markenidentitat

1.3

9 9

20

Aufbau von erlebnisorientiertem Markenwissen mit der Untersttitzung von Duftstoffen 1.3.1

Aufbau von Markenbekanntheit durch den Einsatz von Duftstoffen

1.3.2

Ankniipflingspunkte fiir den Aufbau eines multisensualen Markenimages durch die Integration von Duftstoffen in die Markenkommunikation

23 23

25

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange zur Erklamng der Wirkungs-weise der integrierten Markenkommunikation 2.1 Fluency-Ansatz zur Wahmehmung von Reizen

32 32

2.1.1

Perceptual Fluency

33

2.1.2

Conceptual Fluency

36

2.2 Kognitionspsychologische Zugange zur Erklamng von Aufnahme, Verarbeitung, Speichemng und Reprasentation von Markeninformationen

42

X

Verzeichnisse 2.2.1 Rahmenmodell zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Marken-informationen 2.2.2 Informationsverarbeitung im Arbeitsgedachtnis 2.2.3

42 46

Speicherung olfaktorischer Reize in unterschiedlichen Gedachtnissystemen

51

2.3 Amodale Representation von Wissen

55

2.3.1

Grundlagen der Schematheorie

2.3.2 Aufbau und Modifikation von Schemawissen

55 61

2.3.3 Einfluss von Schemata auf Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Abrufvonlnformationen

64

2.4 Multimodal Representation von Wissen

68

2.4.1 Duale Codierung von Paivo

68

2.4.2

72

Sensorisch-semantisches Modell von Nelson

2.4.3 Multimodale Gedachtnistheorie von Engelkamp

74

2.4.4

77

Wirkungen innerer Bilder

3. Physiologische Evidenz fur eine integrierte Markenkommunikation - Kenntnisse der Grundlagen des olfaktorischen Systems als Voraus-setzung fiir einen Einsatz von Diiften in der integrierten Markenkommunikation 3.1 Aufbau und neurowissenschaftliche Funktionsweise des Geruchsorgans 3.1.1

Aufbau des Geruchsorgans

3.1.2 Neurophysiologische Funktionsweise der Reizverarbeitung

83 83 83 86

3.1.2.1 Informationsverarbeitung, Aufbau des Gehims und Hemispharenunterschiede 3.1.2.2 Physische Informationsverarbeitung olfaktorischer Reize im Gehim

86 90

3.1.2.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur multimodalen Informationsverarbeitung 3.2 Determinanten der Duftwahmehmung 3.2.1 Reizintensitat 3.2.2

Riechscharfe

94 98 99 100

3.2.3 Reizdauer

102

3.2.4

104

Geruchsklassifikationen

4. Bisheriger Kenntnisstand zum Einsatz olfaktorischer Reize 4.1 Einsatz olfaktorischer Reize in der Praxis - eine Bestandsaufnahme 4.1.1 Dufte als Mittel der Produktgestaltung

107 107 107

Verzeichnisse 4.1.2

XI Einsatz von Diiflen in der Kommunikation

4.2 Aktueller Forschungsstand in der Wissenschaft 4.2.1

Kenntnisse iiber die aktivierende Wirkung olfaktorischer Reize

4.2.2

Erkenntnisse von emotionalen Reaktionen auf Dtifte

109 113 113 116

4.2.3 Kognitive Reaktionen auf olfaktorische Reize

119

4.2.4 Verhaltensreaktionen durch den Einsatz von Diiften

124

C. Empirischer Teil - Wirkungen der Integration von olfaktor-ischen Reizen in die Kommunikation des Markenaufbaus 1. Zielsetzung und Aufbau der experimentellen Untersuchungsreihen

129 129

2. Ableitung der Hypothesen fiir eine inhaltlich integrierte Markenkom-munikation mit olfaktorischen Reizen

131

2.1 Hypothesen zur olfaktorisch-visuellen Integration in der Markenkommunikation

131

2.2 Hypothesen zur Effizienz des Markenaufbaus einer olfaktorisch-visuellen Integration

137

3. Experimente zur Wirkung von inhaltlich integrierten und nicht-integrierten olfaktorischen Reizen auf den Markenaufbau 3.1 Operationalisierung der Variablen 3.1.1

Operationalisierung der unabhangigen Variablen

139 139 139

3.1.1.1 Aufbau und Durchfahrung der Vorstudie zur Marke „hoba holidays".... 140 3.1.1.2 Ergebnisse der Vorstudie zur Marke „hoba holidays" 3.1.2

Operationalisierung der abhangigen Variablen

144 148

3.2 OperationaHsierung der Moderatorvariablen

151

3.3 Ablauf des Experiments 1

154

3.4 Auswertung von Experiment I

155

3.4.1

Verwendete Methoden, Manipulationcheck und Kovariatencheck

155

3.4.2

Auswertung der Ergebnisse

158

3.4.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

172

4. Experiment zur Wirkung der inhaltlichen olfaktorischen Integration gegeniiber der nicht inhaltlich integrierten Situation auf die Effektivitat und die Effizienz des Markenaufbaus 4.1

Operationalisierung der Variablen 4.1.1

Operationalisierung der unabhangigen Variablen

4.1.1.1 Vorstudie zur Marke „bomu body-wash"

174 174 174 174

XII

Verzeichnisse 4.1.1.2 Ergebnisse der Vorstudie zur Marke „bomu body-wash" 4.1.2 Operationalisierung der abhangigen Variablen

177 182

4.2 Operationalisierung der Moderatorvariablen

183

4.3 Ablauf des Experiments II

184

4.4 Auswertung des Experiments II

187

4.4.1 Rotationscheck und Manipulationcheck

187

4.4.2 Ergebnisse zur Effektivitat und zur Effizienz des Markenaufbaus

188

4.4.2.1 Ergebnisse zur Effektivitat des Markenaufbaus

188

4.4.2.2 Ergebnisse zur Effizienz des Markenaufbaus

198

4.4.3 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

202

D. Erkenntnisgewinn und Implikationen fur Forschung und Praxis 1. Folgerungen ftir den Einsatz olfaktorischer Reize in der Markenkommunikation

204 204

2. Limitationen der durchgefuhrten Studien und weitere Forschungs-felder fiir den Einsatz olfaktorischer Reize in der Markenkommuni-kation Literaturverzeichnis

209 215

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Aufbau der Arbeit

Abbildung 2:

Wahrgenommene Markengleichheit verschiedener Branchen in

8

Deutschland

10

Abbildung 3:

Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten

15

Abbildung 4:

Markenbekanntheitspyramide

16

Abbildung 5:

Operationalisierung des Markenimages

19

Abbildung 6:

Einteilung starker und schwacher Marken anhand des Markenwissens nachEsch

Abbildung 7:

20

Zusammenhang zwischen Identitat, Positionierung und Image einer Marke

22

Abbildung 8:

Markenbekanntheitseinteilung nach Esch

24

Abbildung 9:

Strategische Dreiecke der Positionierung

26

Abbildung 10: Integrationsmatrix

29

Abbildung 11: Beispielhafte Stimuli eines Cross-modal semantic priming

39

Abbildung 12: Mehrspeichermodell des menschlichen Gedachtnisses

42

Abbildung 13: Modell des Arbeitsgedachtnisses

47

Abbildung 14: Struktur des Arbeitsgedachtnisses

51

Abbildung 15: Zusammenhang zwischen verschieden Gedachtnissystemen

52

Abbildung 16: Visuelle Darstellung eines semantischen Netzwerkes von Meister Proper ..61 Abbildung 17: Kategorisierung von Informationen nach der Beziehung zu einem Schema

66

Abbildung 18: Verarbeitung von Reizen nach der Theorie der dualen Codierung

72

Abbildung 19: Struktur des sensorisch-semantischen Modells

73

Abbildung 20: Struktur der multimodalen Gedachtnistheorie

76

Abbildung 21: Darstellung des Naseninnenraums

84

Abbildung 22: Aufbau der Riechschleimhaut

85

Abbildung 23: Darstellung der Hemispharen des Menschen

88

Abbildung 24: Darstellung verschiedener Bereiche der GroBhimrinde

89

Abbildung 25: Verlauf und Verbindung der Riechbahnen

90

Abbildung 26: Verlauf und Verbindung der Riechbahnen

92

Abbildung 27: Geruchsprisma nach Henning

105

Abbildung 28: Kommunikationsinstrumente

110

Verzeichnisse

XIV Abb]Idung 29: Anzeige Seat Leon Supercopa

112

Abb] Idung 30: Modell zur Wirkung von Raumbeduftung

127

Abb] Idung 31

Aufbau der experimentellen Untersuchungsreihe

130

Abb: Idung 32

Anzeige der Marke „hoba holidays"

142

Abb: Idung 33

Mittelwertsverlaufe der Diifte und der Anzeige beim sem. Differential

145

Abb Idung 34: Positioniemngsrelevante Items im Vergleich

146

Abb: Idung 35

Faktorielles Design und Teilstichproben in der Versuchsanordnung

154

Abb: Idung 36

Manipulationcheck von Experiment 1

157

Abb: Idung 37

Involvement in den Teilstichproben

158

Abb: Idung 38

Assoziationsstruktur von „hoba holidays" in den einzelnen Gruppen

160

Abb Idung 39: Prozentualer Anteil der Karibiknennungen als vermutetes Reiseziel

161

Abb: Idung 40: Einstellung zur Marke „hoba holidays"

162

Abb: Idung 41

Valenz der Marke „hoba holidays" in den einzelnen Gruppen

164

Abb: Idung 42

Vividness des inneren Bildes von „hoba holidays"

166

Abb: Idung 43

Anziehungskraft des inneren Bildes von „hoba holidays"

167

Abb Idung 44: Zugriffsfahigkeit auf das innere Bild der Marke „hoba holidays"

168

Abb: Idung 45

169

Verlauf der Imageitems der Marke „hoba holidays"

Abb: Idung 46: Geschatzte Randmittelwerte der Kaufmtention in den einzelnen Gruppen 171 Abb: Idung 47

Mittelwerte der Einstellung zur Anzeige in den jeweiligen Gruppen

172

Abb: Idung 48

Anzeige der Marke „bomu body-wash"

176

Abb] Idung 49

Imagebatterie zur Marke „bomu body-wash"

178

Abb: Idung 50

Ergebnisse der globalen Affmitatsanalyse

179

Abb: Idung 51

Assoziationen zur Anzeige und zu den Duften

181

Abb] Idung 52

Untersuchungsdesign von Experiment II

185

Abb:idung 53

Manipulationcheck Experiment II

187

Abb] Idung 54

Auswirkung der Integration auf das innere Bild

190

Abb: Idung 55

Geschatzte Mittelwerte der Einstellung zur Anzeige

191

Abb: Idung 56

Geschatzte Mittelwerte der Einstellung zur Marke

192

Abb: Idung 57

Beurteilung der Marken auf der Valenzdimension des SAM

193

Abb] Idung 58

Geschatzte Mittelwerte der Kaufmtention

194

Abb] Idung 59

Wirkungszusammenhange im Mediationsprozess

195

Abb] Idung 60

Streudiagramme von bomu body-wash

196

Abb] Idung 61

Ergebnisse der Antwortzeitmessung

199

Abb] Idung 62

Ergebnisse der Antwortzeitdauer

201

A. Problemstellung - Olfaktorik als vernachlassigte Modalitat zum Aufbau und zur Starkung von Marken

"Hit a tripwire of smell, and memories explode all at once. A complex vision leaps out of the undergrowth." Diane Ackermann, A Natural History of the Senses

1.

Verwendung von olfaktorischen Reizen als eine neue ModaHtat in der Markenkommunikation

Marken haben im Wirtschaftsleben schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Sie sind Vorstellungsbilder in den Kopfen der Konsumenten, die seit jeher die Auswahl an Produkten und Dienstleistungen beeinflussen (vgl. Esch, 2005, S. 23). Schon sehr friih wurden erste Tonwaren markiert, um diese von anderen Herstellem abzugrenzen, eine gleichbleibende Qualitat zu signalisieren und Kundenvertrauen aufzubauen (vgl. Leitherer, 1994, S. 139ff.). Diese Ziele haben bis heute Gultigkeit, sind allerdings sehr viel schwieriger zu erreichen. Die Anzahl der Marken und Produkte ist unubersehbar hoch und der Konsument verliert immer mehr den Uberblick. Allein 2004 wurden 48.401 neue Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen, sodass die Zahl der derzeit eingetragen Marken auf 716.123 gestiegen ist (vgl. o.V., 2005a, S. 8). Die Abgrenzung von der Konkurrenz und damit der Aufbau eines einzigartigen, unverwechselbaren Markenimages zahlt heute zu den wichtigsten strategischen Aufgaben der Untemehmen (vgl. Esch, 2005, S. 29; EschAVicke/Rempel, 2005, S. 14). Der Kommunikation kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Wahrend friiher die Kommunikation iiber Sachargumente ausreichte, trat in den letzten Jahrzehnten die Marke als Vermittler von Konsumerlebnissen immer mehr in den Vordergrund (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 78). Vergleicht man 30 Jahre alte mit aktuellen Werbespots, so wird deutlich, dass heute auBer Bildem sowie geschriebenen und gesprochenen Worten noch Musik eingesetzt wird, um den Konsumenten die Werbebotschaft zu vermitteln. Diese zusatzliche Modalitat lasst die Marke lebendiger erscheinen. Warum sollte dies in einigen Jahren nicht auch mit Duft moglich sein? Forscherteams aus Japan arbeiten schon mit Hochdruck daran, Dufte iiber den Femseher oder sogar iiber das Handy zu verbreiten (vgl. o.V., 2004b, S. 21).

A. Problemstellung Philip Kotler (2005), einer der bekanntesten Marketingprofessoren unserer Zeit, merkt mit Bezugnahme auf den Einsatz mehrerer Modalitaten fur die Markenkommunikation an: „The combination of visual and audio stimuli delivers a 2 + 2 = 5 impact. It pays even more to trigger other sensory channels - taste, touch, smell - to enhance the total impact" (Kotler, 2005, S. XI).

Die friihe Verwendung von Duftstoffen - Ein kurzer Uberblick von der Bibel iiber die Schriften der Griechen und Romer bis zum Mittelalter Bereits in der Bibel gibt es erste Hinweise auf die Kraft der Dufte: „Des Duftes wegen sind deine Ole gut. Wie ein 01, das ausgegossen wird, ist dein Name. Darum haben dich herangereifte Madchen, ja sie, geliebt." (Hohelied 1:3). Auch die emotionale Wirkung von Duftstoffen wird schon beschrieben: „Jehova begann einen beruhigenden Wohlgeruch zu riechen, und so sprach Jehova aus dem Herzen" (1. Mose, 8:21) sowie „Und einer von ihnen soil seine Hand voll davon abheben, etwas vom Feinmehl des Getreideopfers und etwas von seinem 01 und alles duftende Harz, das auf dem Getreideopfer ist, und er soil es auf dem Altar als beruhigenden Wohlgeruch, als Erinnerungsteil davon ftir Jehova, in Ranch aufgehen lassen" (3. Mose, 6:15). Auch der griechische Philosoph Aristoteles (384 - 324 v. Chr.) befasste sich mit den Diiften und versuchte - als vielleicht erster Mensch uberhaupt - eine Klassifikation von Diiften zu erstellen (vgl. Harper et al., 1968, S. 18; Ohloff, 2004, S. 13). Nach seinen Beobachtungen stellte er fest: „ Er (der Mensch, Anm. d. Verf.) riecht nichts von dem Riechbaren, ohne das Unangenehme oder Angenehme zu empfmden" (Aristoteles, 1995, S. 115). Aber nicht nur Aristoteles, sondem auch Plato (428 - 348 v. Chr.) befasste sich mit dem Einsatz von Diiften, allerdings nicht von wissenschaftlicher Neugierde getragen und auch nicht gerade in positivem Sinn. Er sprach einen Bannfluch iiber das Parfum aus, da es zur Verweichlichung fiihre und der korperlichen Genusssucht Vorschub leiste. Daher soUe Parfiim nur von Prostituierten verwendet werden (vgl. Vroon et al. 1996, S. 14). Ganz anders sahen dies die Menschen in der fiiiheren Hochkultur Agyptens. Hier fanden Duftstoffe einen regen Einsatz bei religiosen Zeremonien. Es handelte sich dabei nicht um einfache Verbrennung von duftenden Substanzen, sondem vielmehr um „ein weit entwickeltes Werkzeug, das seinen festen Platz in vielen Bereichen des religiosen und kulturellen Lebens hatte" (Storp, 1997, S. 14). So hatten die Agypter mit Nefertum einen speziellen Gott fur Parftims und Parfiimeure, dessen Sinnbild die heilige Blume Agyptens, die

blaue Lotusbliite, war. Der Duft wurde sogar explizit mit der Seele des Menschen in Verbindung gebracht, wie der folgenden Inschrift aus einem Tempel der 12. Dynastie (1963 1786 V. Chr.) zu Ehren Nefertums zu entnehmen ist: "Sekhmet, lady of every herb, the staff of life. Nefertum, lord of the oils and unguents, the soul of life. Sekhmet, she purifies thee when she rises. Nefertum, he purifies thee with heneficience of his soul, Nefertum who smells the soul of the lotus and plants, purifies the body " (Steele, 1992, S. 289f.). Des Weiteren nahm man fur die Einbalsamierung eine Reihe von duftenden Substanzen wie beispielsweise Styrax, Weihrauch, Myrrhe, Kiefem, Tanne und Zeder. Aber nicht nur bei den Toten wurden duftende Substanzen eingesetzt, auch die agyptischen Frauen verwendeten Duftstoffe in grofien Mengen. So soil Cleopatra ihre Hande mit einem 01 aus Rosen, Krokus und Veilchen und ihre Fiifie mit einer Lotion aus Madelol, Honig, Zimt, Orangenbluten und Henna gesalbt haben (vgl. Storp, 1997, S. 14ff.). Auch in der romischen Hochkultur setzte man Duftstoffe reichlich ein. Diese dienten zur Bekampfung der iiblen Geruche der engen Gassen Roms. Dariiber hinaus zeigten die Reichen der Stadt geme, was sie hatten, und brachten dies auch durch den Gebrauch von Duftstoffen zum Ausdruck. So liefien die Kaiser Augustus und Tiberius tonnenweise Weihrauch und andere Aromata verbrennen, um Gotter und Ahnen zu ehren. Auch wurden Amphitheater und Bader mit Olen beduftet (vgl. Faure, 1991, S. 231). Mit dem Ende der romischen Hochkultur verschwand auch der rege Gebrauch von Duftstoffen in Europa fur viele Jahrhunderte (vgl. Storp, 1997, S. 18). Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Thema Beduftung wieder aktuell, als sich viele Philosophen mit dem Geruchssinn beschaftigten. Ftir Voltaire (1694 - 1778) forderten die Dtifte die Phantasie (vgl. Ohloff, 2004, S. 16), wahrend der Geruch ftir Kant (1724 - 1804) ein niederer Sinn war, den es nicht zu kultivieren lohne (vgl. Kant, 1943, S. 67f.). Nietzsche (1844 - 1900) hingegen sah im Geruch den Sinn der Wahrheit und Weisheit, was in seinem Ausspruch gipfelte: „Mein Genie ist in meinen Niistem" (Ohloff, 2004, S. 17).

Duftverwendung heute Dass die Bedeutung des Duftes noch zunehmen wird, lasst sich aus der immer starkeren Verwendung von Duftstoffen ableiten. Wahrend bisher vor allem die Kosmetikindustrie auf Diifte setzte, versuchen nun auch andere Branchen deren Effekte zu nutzen, was sich in

A. Problemstellung standig wachsenden Ausgaben dafiir niederschlagt. Die Aktivitaten der Forscher beschranken sich nicht mehr nur auf die Duftzusammensetzung, sondem beziehen -wie schon erwahnt die Vermittlung von Duften uber Handys und Femseher mit ein. Bin Kino, in dem Duftstoffe passend zu den gerade laufenden Szenen verstromen, gibt es schon langer (vgl. Wolf, 2001, S. 14). Dass der Geruchssinn nicht vemachlassigt werden sollte, zeigt die Studie „BRAND sense" von Millward Brown und M. Lindstrom. Im Rahmen ihrer Untersuchung gaben 23% der Befragten an, dass der Geruchssinn ihr wichtigster Sinn beim Bewerten der Umwelt sei. Nur der visuelle Sinn wurde von mehr Befragten (37%) als am wichtigsten eingeschatzt (vgl. Lindstrom, 2005, S. 69). Die Moglichkeit, sich seinen individuellen Duft patentieren zu lassen, erhoht naturlich auch das Interesse der Untemehmen, sich mit Duften zu beschaftigen. So hat sich Singapore Airlines sein Aroma „Stefan Floridian Waters" patentieren lassen (vgl. Lindstrom, 2005, S. 15). Unter Umstanden konnten sich Dufte sogar als Geruchsmarken eintragen lassen. So sagte Jiirgen Zimdars vom Deutschen Patent- und Markenamt in einem Interview mit dem DeutschlandRadio: „Die Marke ist ja Zeichen zur Unterscheidung gleicher Waren unterschiedlicher Hersteller, und wenn nun eine Entwicklung eintritt, dass zunehmend Produkte auch an ihrem Duft auf einen bestimmten Produzenten hinweisen, dann besteht auch schon die Moglichkeit, beim europaischen Markenamt eine Geruchsmarke anzumelden" (vgl. Hollenbach, 2001). Die erste Eintragung beim Harmonisierungsamt ftir den Binnenmarkt in Alicante (HABM) war ein Grasgeruch, der zur Beduftung von Tennisballen verwendet wird (vgl. Rengshausen, 2004, S. 75f.). Allerdings gibt es grofie Probleme bei der Eintragungsfahigkeit der Geruchsmarke, da aufgrund von Vorschriften eine Marke graphisch hinterlegt werden muss (vgl. Rengshausen, 2004, S. 75).'

Aktuelle Forschungsarbeiten zum Einsatz von Duftstoffen Die Forschung zum Thema „Duftstoffe im Marketing" steckt noch in den Kinderschuhen. Wahrend in den letzten Jahren die Wirkung von Bild und Sprache in der Kommunikation schon recht gut erforscht worden ist, stellt die Kommunikationsforschung im Bereich der Duftstoffverwendung ein absolutes Randgebiet dar.

Vgl. ausftihrlich zum Marken- und Patentschutz von Geruchen Rengshausen (2004).

Die wenigen bisher veroffentlichten Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, sodass noch viele Fragen offen sind. Bringt der Dufteinsatz tiberhaupt einen positiven Effekt oder schadet er? Bis 1999 wurden tiberhaupt erst 143 Beziehungen unter der Beteiligung von Duften getestet. Zwar erscheint diese Zahl zunachst recht hoch, doch stammen die 143 Beziehungen aus nur 22 Veroffentlichungen (vgl. Bone/Ellen, 1999, S. 259), von denen ein Teil weder aus dem Marketingbereich kommt noch wissenschaftlich exakt durchgefuhrt worden ist. Die meisten der getesteten Beziehungen zeigten dabei keine statistisch signifikanten Unterschiede (vgl. Bone/Ellen, 1999, S. 246); ein signifikanter Effekt konnte nur

in

24,8%

aller

Falle

gefunden

werden.

Vor

allem

die

Studien

zu

Stimmungsveranderungen zeigten in tiber 80% der Falle keine signifikanten Unterschiede. Allerdings wurden hierbei auch grundlegende methodische Fehler begangen, sodass die Zahl sicherlich zu relativieren ist (vgl. auch ausfiihrlich Kapitel B 4.2). Bessere Ergebnisse gab es bei den affektiven, kognitiven und verhaltensnahen Reaktionen, bei denen gut 45%) aller getesteten Beziehungen signifikant waren. Ein ahnlich hohes Ergebnis (41,7%o) zeigte sich bei der Beeinflussung der Informationsverarbeitung durch den Duft. Wurde ganz konkret auf den Duftstoffeinsatz hingewiesen, waren die Effekte in alien Fallen starker. Seit 1999 hat es noch eine Reihe weiterer Studien gegeben, die zum groBten Teil zu statistisch signifikanten Ergebnissen gekommen sind (vgl. Kapitel B 4.2). Wie oben erwahnt, kommen verschiedene Studien iiber die Wirkung des Dufteinsatzes zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wenn aber der Duft einen Einfluss auf den Menschen austibt - und das ist in der Psychologic unbestritten - so fragt sich, warum manche Studien keine oder sogar kontraproduktive Ergebnisse gezeigt haben. Liegt es an der Materie an sich oder aber am Aufbau der Studie? Kann der Einsatz von Duftstoffen auch zu negativen Ergebnissen fuhren? Die vorliegende Arbeit soil einige neue Aspekte des Einsatzes von Duften im Marketing aufzeigen.

2.

Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Zielsetzung Die Nutzung olfaktorischer Reize in der Praxis hat in den letzten Jahren ebenso stark an Bedeutung gewonnen wie die Beschaftigung der Wissenschaft mit diesem Thema. Allerdings stellen nur drei Beitrage in wissenschaftlichen Zeitschriften uberhaupt einen Bezug zur Marke her, eine speziell auf die Positionierung der Marke zugeschnittene Betrachtung fehlt jedoch

A. Problemstellung vollkommen. Dies ist besonders verwunderlich, da die Marke und ihre Starke in den letzten Jahren immer mehr Beachtxing erfahren und die Marke an sich nun einmal aus Assoziationen rund um sie selbst besteht (vgl. Kapitel B 1.2). Das

Ziel

der

vorliegenden

Arbeit

liegt

darin,

olfaktorische

Reize

in

die

Markenkommunikation zu integrieren und die theoretisch hergeleiteten Zusammenhange empirisch zu iiberpriifen.

Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert: Problemstellung (Kapitel A), theoretische Grundlagen (Kapitel B), Empirie (Kapitel C) und Erkenntnisgewinn und Implikationen fiir die Praxis (Kapitel D). Kapitel B ist in vier Unterkapitel aufgeteilt. Zunachst wird in Kapitel B.l das Markenwissen als die zentrale GroBe fur die Markenfuhrung

dargestellt. Hierbei werden die

Rahmenbedingungen fur die Markenfuhrung kurz erlautert, um dann speziell auf die Marke als Vermittler von Konsumerlebnissen einzugehen. Es folgt die Erklarung des theoretischen und praktischen Zusammenhangs zwischen Markenidentitat, Markenpositionierung und Markenimage. AnschlieBend wird der Bogen gespannt zu den Einsatzmoglichkeiten fiir olfaktorische Reize im Rahmen des Markenaufbaus und dabei aufgezeigt, wie diese fiir die zentralen verhaltenswissenschaftlichen ZielgroBen Markenbekanntheit und Markenimage eingesetzt werden konnen. In Kapitel B.2 werden die Grunde fiir eine integrierte Verwendung von Reizen unterschiedlicher Modalitaten beim Markenaufbau ausftihrlich dargestellt. Dabei wird zunachst der Fluency-Ansatz in den Mittelpunkt der Betrachtung geruckt. Dieser beschafligt sich mit dem kognitiven Aufwand, der fur die Verarbeitung eines oder auch mehrerer Reize notwendig ist. Es wird dargestellt, wie sich eine Integration von Reizen im Rahmen der Kommunikation auf den kognitiven Aufwand der Verarbeitung auswirkt. Diese Annaherung an das Problem ist also von der Wahmehmungspsychologie gepragt. In den folgenden Kapiteln wird dann die kognitionspsychologische Evidenz einer integrierten Kommunikation herausgearbeitet. Dabei wird die integrierte Kommunikation als ein Lemkonzept aufgefasst, durch das die kommunizierten Markeninformationen im Gedachtnis der Konsumenten in der gewiinschten Form verankert werden, d.h. entsprechend der vom Untemehmen festgelegten Markenpositionierung. Fiir die theoretische Betrachtung werden die verschiedenen

Gedachtnisformen aufgezeigt und unter besonderer Berucksichtigung olfaktorischer Reize erlautert. Hierbei geht es darum, „wo" die Reize gespeichert werden. Anschliefiend wird gezeigt, „wie" dies geschieht. Hierfiir werden schematheoretische Grundlagen erlautert. Darauf aufbauend werden Modelle zur multimodalen Reprasentation von Reizen dargestellt und ihr jeweiliger Beitrag zur Erklamng der Wirkung einer integrierten Kommunikation betrachtet. Kapitel B.3 zeigt physiologische Griinde fur eine integrierte Kommunikation. Zunachst werden die Besonderheiten des olfaktorischen Systems gegeniiber anderen menschlichen Sinnesorganen erlautert. Es folgen eine ausfuhrliche Darstellung neurowissenschaftlicher Ergebnisse zur allgemeinen Verarbeitung von Reizen im Gehim und anschliefiend der fur diese Arbeit besonders interessante Teil der physischen Verarbeitung von Reizen unterschiedlicher Modalitaten bei einer Integration oder aber Nicht-Integration zwischen den Reizen. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einer Darstellung verschiedener GroBen, die das olfaktorische Erleben mafigeblich beeinflussen. Kapitel B.4 widmet sich der aktuellen praktischen Bedeutung olfaktorischer Reize im Marketing und einer ausfiihrlichen State-of-the-Art Betrachtung des Forschungsstandes im Zusammenhang mit der Verwendung olfaktorischer Reize im Marketing. Aufbauend auf den theoretischen Erkenntnissen werden in Kapitel C verschiedene Experimente zum Thema Markenaufbau und Markenstarkung durch die Verwendung olfaktorischer Reize in der Kommunikation durchgefuhrt. Im ersten Experiment wird untersucht, ob ein Duft iiberhaupt spezielle Markenassoziationen auslosen kann. Dabei wird auch gepriift, welchen Einfluss die Menge an gegebenen Markeninformationen hat und wie sich das Zusammenspiel von Duft und Markeninformation auswirkt. Im zweiten Experiment geht es um die Effektivitat und die Effizienz des Markenaufbaus bei der Verwendung positionierungsrelevanter oder aber nicht positionierungsrelevanter Duftstoffe

in der

Kommunikation. Dabei werden Produktkategorien betrachtet, bei denen der Duft entweder einen Hauptnutzen oder einen Zusatznutzen darstellt. In Kapitel D werden die erzielten empirischen Ergebnisse diskutiert und ihre Konsequenzen fiir die Praxis erlautert. AnschlieBend werden die Limitationen der Studien und die daraus erwachsenden Einschrankungen ftir die Verallgemeinerung der Ergebnisse dargestellt. Die Arbeit schlieBt mit einem Ausblick auf weitere notwendige Forschungsarbeiten zum Thema Markenaufbau und Markenstarkung unter der Berucksichtigung olfaktorischer Reize. Abbildung 1 zeigt die einzelnen Kapitel im Uberblick.

A. Problemstellung

Abbildung 1:

Aufbau der Arbeit

B. Theoretischer Rahmen - Einbindung olfaktorischer Reize in die M arkenkommunikation 1.

Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe der modernen Markenfuhrung

1.1 Veranderte Rahmenbedingungen fur Marken - Marken als Vermittler von Konsumerlebnissen auf gesattigten Markten Die Menschen suchen heute vermehrt nach Erlebnissen. Vergniigen und Genuss haben einen selbststandigen Stellenwert neben der Niitzlichkeit bekommen (vgl. Opaschowski, 1997, S. 67). Konsumiert wird nicht mehr nur um des Konsums willen, sondem es geht vielmehr darum, den Konsum mit Erlebnissen zu verknupfen, die das Leben anreichem und einen personlich weiterbringen (vgl. Opaschowski, 1990, S. 127; 2004, S. 55). Erlebnisorientierte Menschen sind dabei besonders zuganglich tiber ihre Sinnesorgane (vgl. Weinberg, 1992, S. 5). Kroeber-Riel (1993) merkte schon fruh an: „Der erlebnisorientierte Konsument ist auf dem Vormarsch" (Kroeber-Riel, 1993, S. 27). Dies hat u.a. damit zu tun, dass wir uns auf gesattigten Markten befinden."^ Ein groBer Teil der Angebote ist qualitativ austauschbar, was Studien der Stiftung-Warentest immer wieder eindrucksvoU bestatigen (vgl. hierzu auch Esch/Wicke/Rempel, 2005, S. 17ff.). Die sachliche Produktqualitat ist fur die Konsumenten eine Selbstverstandlichkeit geworden. Informationen Uber die funktionelle Beschaffenheit werden auf den gesattigten Markten immer weniger relevant. Gerade gering involvierte Konsumenten sind daher besonders zuganglich fur eine emotionale Kommunikation (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 125; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 70). Kroeber-Riel und Weinberg (2003) merken daher zu Recht an: „Die emotionale Erlebnisvermittlung durch Produkte und Leistungen spielt auf gesattigten Markten eine entscheidende

Rolle" (Kroeber-Riel/Weinberg,

2003, S. 125). Allerdings

sind die

Markenmanager noch weit davon entfemt, die Marken so aufzustellen, dass sie als einzigartig wahrgenommen werden (vgl. Abb. 2).

Nach einer Studie von der Boston Consulting Group (2004) gelten 75% aller Markte als gesattigt (vgl. BCG, 2004, S. 7).

10

Abbildung 2: Quelle:

B. Theoretischer Rahmen

Wahrgenommene Markengleichheit verschiedener Branchen in Deutschland BBDO, 2004.

Noch immer iiberwiegt das Denken in sachlichen Produkteigenschaften und -leistungen, welches kaum zur Differenzierung

der Marke beitragen kann. Ein Trend vom

Produktwettbewerb zum Kommunikationswettbewerb ist jedoch kaum zu ubersehen (vgl. Esch/Wicke/Rempel, 2005, S. 18), was stetig steigende Werbeausgaben fiir die Marken belegen. Wurden im Jahr 1986 ca. 5,6 Mrd. Euro fur klassische Kommunikation ausgegeben (vgl. Meffert/Burmann, 1998, S. 114), waren es im Jahr 2004 schon 29,22 Mrd. Euro (vgl. ZAW, 2005, S. 11). Allerdings bedeutet dies noch nicht, dass die Kommunikation zur Differenzierung der Marke beitragt. Oftmals wird noch immer an sachlichen Eigenschaften festgehalten oder es werden austauschbare emotionale Bilder verwendet. Die fehlende Differenzierung und die damit verbundene fehlende Effektivitat der Markenkommunikation versucht

man

iiber

einen

erhohten

Werbedruck

auszugleichen.

Eine

effiziente

Markenkommunikation sieht anders aus. Dieser erhohte Werbedruck fiihrt zu einer zunehmenden Informationsuberlastung beim Konsumenten, der dadurch die austauschbaren Eigenschaften noch weniger wahmimmt. So erhalt die Marke kein eigenes unverwechselbares Gesicht. Eine teuflische Spirale beginnt sich zu drehen. Durch die sinkende Effektivitat der Kommunikation nehmen die Werbeausgaben

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe

11

zu, was zu einer welter steigenden Informationsuberlastxing fiihrt. Damit verringert sich nicht nur die Effektivitat zunehmend, sondem in verstarktem MaBe auch die Kosten-NutzenRelation (Effizienz), was verheerende Folgen haben kann. Hieraus erwachst die Bedeutung einer verstarkten Verwendung aller nonverbalen Reize in der Kommunikation. Diese werden nicht nur schneller verarbeitet und besser gespeichert als die verbalen (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 149ff. auch Kapitel B 2.4), sondem sie tragen auch besonders zum Erlebnischarakter

einer Marke bei. Bisher beschrankte sich die

Kommunikation zumeist auf die Verwendung von Bildem und akustischen Reizen. Der Einsatz anderer Modalitaten zur Markenprofilierung wie beispielsweise der Olfaktorik und der Haptik wurde vemachlassigt. Diese bieten nun aber einen noch groBeren Spielraum, um die Marke in den Augen der Konsumenten als einzigartig und begehrenswert zu positionieren. So kann der Dufl einer Marke im Wettbewerbsumfeld ein unverwechselbares Profil geben. Nach

Meyer

und

Glombitza

(2000)

kann

der

Duft

auch

als

„unsichtbare

Markenpersonlichkeit" bezeichnet werden (vgl. Meyer/Glombitza, 2000, S. 53).

Fazit Der Wertewandel in der Gesellschaft hin zu einer verstarkten Erlebnisorientierung sowie das Qualitatspatt bei den Produkten und die immer starker werdende Informationsiiberlastung fiihren in letzter Konsequenz dazu, dass es nicht mehr ausreicht, „nur niitzliche" Produkte anzubieten und diese auch so zu kommunizieren. Die Konsumenten verlangen nach mehr und das heiBt in diesem Fall, dass Marken erlebnisorientiert aufgestellt werden miissen. Das Markenmanagement sollte daher mit der Marke und der Markenkommunikation alle Sinne des Konsumenten ansprechen. Diese multisensuale Ansprache bedarf zunachst einer griindlichen

Analyse

der Markenidentitat

als Grundlage

fur

die Ableitung der

Markenpositionierung. AnschlieBend ist zu kontrollieren, wie stark die eingesetzten MaBnahmen das Markenimage und weitere verhaltenswissenschaftliche GroBen positiv beeinflusst haben. Das folgende Kapitel befasst sich mit der Markenidentitat, dem Markenimage und der Markenpositionierung als dem Bindeglied zwischen diesen beiden GroBen.

12

B. Theoretischer Rahmen

1.2 Markenidentitat, Positionierung und Markenimage als Grundlagen einer modernen, multisensualen Markenfiihrung 1.2.1 Markenidentitat als Wurzel der modernen Markenfiilirung Den Ausgangspunkt jeglicher konzeptioneller Uberlegung zur Markenfuhmng und damit auch

zur

Markenkommunikation

stellt

die

Identitat

einer

Marke

dar

(vgl.

Aaker/Joachimsthaler, 2000, S. 40; Esch, 2005, S. 90). Die Wurzeln der heutigen Vorstellungen zur Markenidentitat stammen aus der Forschung zur menschlichen Identitat. Schon in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hat Hans Domizlaff (1939) den Zusammenhang zwischen der menschlichen und der markenbezogenen Identitat herausgestellt (vgl. Domizlaff, 1939, S. 57). Nach seiner Vorstellung verfugt jede Marke uber ein einzigartiges Gesicht, genauso wie jeder einzelne Mensch iiber ein Gesicht verfugt, das durch bestimmte zeitlich stabile Merkmale stets eindeutig identifizierbar ist (vgl. Domizlaff, 1939, S. 57ff). Hans Domizlaff kann somit als der Begrunder der identitatsorientierten Markenfuhmng angesehen werden. Aus der personalen Identitatsforschung konnen drei konstituierende Merkmale fur eine Markenidentitat abgeleitet werden (vgl. Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 105f): 1. Das Eigenbild ist das durch Reflexion entstehende subjektive Bild, welches die Manager und Mitarbeiter von ihrer Marke haben. 2. Die identitatsreflektierenden Eigenschaften sind zeitlich stabile und in der Regel sichtbare Merkmale einer Marke, durch die die Markenidentitat fur den Konsumenten wahmehmbar wird. Der Kontakt zwischen Marke und Konsument kann sowohl iiber die personliche Kommunikation als auch durch die Massenkommunikation zustande kommen. So wird die Markenidentitat beispielsweise schon durch das Markenlogo, den Markennamen, die Architektur der Gebaude, die Verkaufsraume, die Produktverpackungen, die Mitarbeiter, das Verhalten der Mitarbeiter sowie durch jegliche werbliche MaBnahmen zum Ausdruck gebracht. Auch eine Beduftung der Verkaufsraume kann identitatspragend wirken. 3. Das Fremdbild bezeichnet das Bild, welches sich beim Konsumenten durch die Wahmehmung der identitatsreflektierenden Merkmale ergibt. Es verfestigt sich durch Lemprozesse infolge aller Kontakte, die der Konsument mit der Marke hat. Das Eigenbild aus der personalen Identitatsforschung entspricht in der identitatsorientierten Markenfuhmng

dem

Selbstbild

der Marke, also

der Markenidentitat.

Fiir die

1. Markenwissen als zentrale Steuerungsgrofie identitatsorientierte

Markenfuhrung

lasst

13 sich

diese

wie

folgt

definieren:

Die

Markenidentitat bringt zum Ausdruck, wofiir eine Marke ganz konkret steht bzw. stehen soil (vgl. Aaker/Joachimsthaler, 2000, S. 40; Esch, 2005, S. 82). Sie umfasst alle wesentlichen, wesenspragenden und zeitlich stabilen Eigenschaften einer Marke und beinhaltet damit alle strategischen Vorstellungen eines Untemehmens zur gmndlegenden inhaltlichen Ausrichtung der Marke (vgl. Esch, 2005, S. 82).^ Die Markenidentitat kann vom Untemehmen aktiv gesteuert werden (vgl. Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 106).

1.2.2 Markenimage als Treiber einer starken Marke Das Fremdbild wird in der Markenfuhrung als das Markenimage bezeichnet und kann im Gegensatz zur Markenidentitat vom Untemehmen nur mittelbar liber das aufiere Auftreten gesteuert werden (vgl. Kapferer, 1992, S. I l l ; Upshaw, 1995, S. 25; van Rekom, 1998, S. 2ff.; Burmann/Meffert, 2005, S. 5If.; Esch, 2005, S. 82; Rossiter/Bellman, 2005, S. 42ff.). Das Ziel der identitatsorientierten Markenfuhrung ist eine groBtmogliche Ubereinstimmung zwischen Identitat und Image einer Marke (vgl. Meffert, 2000, S. 879; Haedrich et al., 2003, S. 30; Esch, 2005, S. 91; Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 109). Damit dieser Vergleich durchgefiihrt werden kann, bedarf es zunachst einer Operationalisierung des Markenimages. Diese erfolgt in der Literatur sehr einhellig iiber das Markenwissen (vgl. Keller, 1993, S. 3; Esch/Andresen, 1994, S. 221; Esch, 2001, S. 45; Keller, 2003b, S. 596; Esch, 2005, S. 68).

Operationalisierung von Markenwissen Mit einer Marke werden immer verschiedene Vorstellungen und Assoziationen verbunden. Diese manifestieren sich in Wissensstrukturen zu der Marke und werden dabei von den unterschiedlichen Anspruchsgruppen der Marke, z.B. Kunden, Mitarbeitem, Offentlichkeit und Kapitalgebem jeweils eigenstandig fur sich gebildet. Das Markenwissen besteht sowohl aus emotionalen als auch aus rationalen Vorstellungen und Assoziationen zu einer Marke, die sowohl verbal als auch nonverbal reprasentiert sein konnen (vgl. Esch/Andresen, 1994, Um die Markenidentitat und ihre einzelnen Komponenten zu erfassen, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Ansatze entwickelt. Beispiele hierfiir sind das Markenidentitatsprisma von Kapferer (1992, S. 50ff.), das als das alteste Modell angesehen werden kann, der Markenidentitatsansatz von Aaker (Aaker, 1996, S. 90; Aaker/Joachimsthaler, 2000, S. 44), eine Abwandlung des Ansatzes von Aaker durch Meffert/Burmann (2002, S. 49ff.), das Markensteuerrad von icon added value sowie die Abwandlung von diesem durch Esch (vgl. Esch, 2005, S. 105ff.), ein Ansatz nach Burmann/Blinda/Nitschke (vgl. Burmann et al., 2003, S. 7; Burmann/Meffert, 2005, S. 56ff) oder das Brand Ambassador Modell (vgl. Adjouri, 2002, S. 125fF.). Eine vergleichende Bewertung der gangigsten Ansatze aus Theorie und Praxis fmdet sich sowohl bei Esch/Langner/Rempel (2005, S. 11 Iff) als auch bei Esch (2005, S. 95ff).

14

B. Theoretischer Rahmen

S. 22Iff.; Esch/Levermann, 1994, S. 88). Auf diesen bei den Anspruchsgruppen gespeicherten Wissensstrukturen beruht aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht der Wert einer Marke. Diese Sichtweise des Markenwerts geht davon aus, dass die Starke einer Marke sich in den Kopfen der Konsumenten widerspiegelt (vgl. Aaker, 1992, S. 31; Keller, 1993, S. 8; Esch/Andresen, 1994, S. 220; Esch, 2005, S. 61ff.).'^ Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht konnen aus der Literatur zwei wesentliche Konstrukte fur die Operationalisierung des Markenwissens abgeleitet werden (vgl. Keller, 1993, S. 3ff.; Esch/Andresen, 1994, S. 221; Esch, 2001, S. 43; Esch, 2005, S.68ff.)^: •

die Markenbekanntheit und



das Markenimage.

Die Markenbekanntheit und das Markenimage konnen jeweils nochmals in unterschiedliche Konstrukte zerlegt werden (vgl. Abb. 3).

Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist der Markenwert „das Ergebnis unterschiedhcher Reaktionen von Konsumenten auf Marketing-Mafinahmen einer Marke im Vergleich zu identischen MaBnahmen einer fiktiven Marke aufgrund spezifischer, mit der Marke im Gedachtnis gespeicherten Vorstellungen" (Esch, 2005, S. 61). Neben der verhaltenswissenschaftlichen gibt es noch die fmanzwirtschaftliche Sichtweise des Markenwerts. Bei ihr ist der Markenwert defmiert als der Barwert aller zukunftigen Einzahlungstiberschiisse, die der Eigentiimer der Marke aus dieser erwirtschaften kann (vgl. Kaas, 1990, S. 48). Der verhaltenswissenschaftliche Markenwert wird in der Literatur sehr unterschiedlich operationalisiert. Bei Aaker (1992) beinhaltet der Markenwert z.B. die Bekanntheit der Marke, die wahrgenommene Qualitat, die Assoziationen, die mit der Marke verbunden werden, die Markentreue sowie weitere Markenvorziige, wie beispielsweise Patente (1992, S. 31ff.). Keller (1993) hingegen unterteilt den Markenwert in Markenbekanntheit und Markenimage. Bei der Markenbekanntheit handelt es sich dann entweder um eine aktive oder um eine passive Markenbekanntheit beim Konsumenten. Das Markenimage wird iiber die Starke, die Einzigartigkeit und die Richtung sowie die Art der Assoziationen, also produktbezogene oder nicht produktbezogene Attribute, symbolische, funktionale oder erfahrungsbasierte Nutzen sowie die Over-allEinstellung zur Marke operationalisiert (1993, S. 3ff). Keller (2003b) hat sein Modell im Jahr 2003 nochmals iiberarbeitet und es um konkrete oder abstrakte Bilder erweitert, die mit der Marke verbunden werden, Gedanken (thoughts), d.h. personlichen kognitiven Reaktionen auf mit der Marke verbundene Informationen, Emotionen (feelings), d.h. personlichen emotionalen Reaktionen auf mit der Marke verbundene Informationen sowie Erfahrungen, d.h. sowohl Kauf- als auch Konsumerfahrungen und alle mit der Marke verbundenen Episoden. Das Konstrukt der Attribute verandert er dahingehend, dass es sich nun entweder um intrinsische oder extrinsische und nicht mehr um produktbezogene oder nicht-produktbezogene Attribute handelt (vgl. 2003b, S. 596). Des Weiteren konnen diese Dimensionen des Markenwissens hinsichtlich ihrer Valenz, Starke, Einzigartigkeit usw. bewertet werden. Er versucht so dem Umstand Rechnung zu tragen, dass neuere Forschungsarbeiten von Aaker (1997), Foumier (1998), Zaltman und Coulter (1995), Muniz und O'Quinn (2000) sowie McAlexander und Kollegen (2002) die nicht-produktbezogene intangible Seite der Marke mehr betonen.

1. Markenwissen als zentrale Steuerungsgrofie

Abbildung 3: Quelle:

15

Operationalisierung des Markenwissens der Konsumenten Esch, 2001, S. 45.

Markenbekanntheit Erkennt eine Person eine Marke bzw. erinnert sie sich daran, liegt eine grundsatzliche Bekanntheit der Marke vor (vgl. Aaker, 1991, S. 61). Der Konsument verfugt also entweder iiber eine aktive (er erinnert sich an eine Marke) oder uber eine passive (er erkennt eine Marke) Markenbekanntheit, die jeweils sowohl verbal als auch nonverbal vorliegen kann. Keller (1993) beschreibt die Markenbekanntheit sehr treffend als „the likelihood that a brand name will come to mind and the ease with which it does so" (Keller, 1993, S. 3). Ahnlich sehen es auch Rossiter und Percy (1987). Nach ihnen ist die Markenbekanntheit „the buyer's ability to identify (recognize or recall) the brand within the category in sufficient detail to make purchase" (Rossiter/Percy, 1987, S. 140). Die aktive Markenbekanntheit beschreibt vereinfacht gesagt die Zugriffsfahigkeit auf die Marke aus dem Gedachtnis heraus (vgl. Rossiter/Percy, 1987, S. 142; Keller, 1993, S. 3; Esch, 2005, S. 69f). So fallen dem Konsumenten z.B. beim Kauf von Sportkleidung sicherlich zunachst die Marken Nike oder Adidas ein.

B. Theoretischer Rahmen

16

Bei der passiven Markenbekanntheit dient die Marke dem Konsumenten als eine Art Stichwort.^ Erst durch dieses ist er in der Lage, auf das Markenwissen zuzugreifen (vgl. Keller, 1993, S. 3; Esch, 2005, S. 70). Dies konnte er vorher nicht, da er sich nicht aktiv an die Marke erinnem konnte; jetzt aber - mit der Vorlage der Marke - ist er dazu in der Lage (gestutzte Wiedererkennung). Der oben beschriebene Konsument erkennt beispielsweise beim Anblick des Lacoste-Krokodils die Marke Lacoste und verbindet mit ihr sofort exklusive Sportkleidung. Die

beiden

vorgestellten

Stufen

der

Markenbekanntheit

sind

Telle

der

Markenbekanntheitspyramide von Aaker (vgl. Aaker, 1992, S. 84). Diese zeigt auf, dass die aktive Markenerinnerung in unterschiedlichen Auspragungsstufen vorliegen kann (vgl. Abb. 4).

intensive aktive IVIarkenbekanntheit (Top of Mind) aktive Markenbekanntheit (Erinnerung)

passive IVIarkenbekanntheit (gestutzte Wiedererkennung)

Marke ist unbekannt

Abbildung 4: Quelle:

Markenbekanntheitspyramide Aaker, 1992,8.84.

Bei der aktiven Markenbekanntheit werden alle Marken, die dem Konsumenten in den Sinn kommen, erfasst. Diese kann man noch welter differenzieren nach intensiver und dominanter Bekanntheit. Bei der intensiven Markenbekanntheit kommt es dann aber auch noch auf die Stichwort ist hier nicht im Sinne eines Wortes an sich zu gebrauchen, da auch ein reines Bildlogo, die Verpackung (beides visuelle Reize), ein akustischer, olfaktorischer, haptischer oder aber auch gustatorischer Reiz die Erinnerung an die Marke auslosen konnen (vgl. Abb. 3).

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe

17

Reihenfolge der Nennung an. Marken, die Top-of-Mind sind, werden vom Konsumenten zuerst genannt, wenn er an eine bestimmte Kategorie denkt. Bei der dominanten Markenbekanntheit ist eine Marke im Gedachtnis der Konsumenten so prasent, dass dieser in derselben Kategorie keine weiteren Marken aktiv erinnert (exklusive Markenerinnerung) (vgl.Aaker, 1991,S.62).^ Die bisher vorgestellte Einteilung bezieht sich auf die Tiefe der Markenbekanntheit. Dariiber hinaus ist aber auch noch die Breite zu berucksichtigen. Diese zeigt auf, bei welchen Situationen (Kauf- und Verwendungssituationen) dem Konsumenten die Marke einfallt (vgl. Keller, 2003a, S. 731; Esch, 2005, S. 69ff.). So hat z.B. Nivea die Breite der Markenbekanntheit kontinuierlich ausgebaut. War Nivea friiher nur im Segment der Fettcremes in den Kopfen verankert, so denkt man heute bei Nivea an unzahlige Pflegeprodukte in unterschiedlichen Segmenten, von Haarpflege tiber Hautpflege bis hin zu Sonnenschutz. Die Breite der Markenbekanntheit ist wichtig fur das Markenmanagement, da sie die relevante BezugsgroBe fiir die Markenbekanntheit vorgibt. So ist es beispielsweise fur Porsche nicht von entscheidender Bedeutung in der Kategorie „Automobile" Top-of-Mind zu sein, wohl aber in dem fur sie relevanten Segment „Sportwagen". Die Markenbekanntheit ist die notwendige Bedingung fiir den Aufbau eines klaren Markenimages beim Konsumenten (vgl. Keller, 1993, S. 3; Esch, 2005, S. 71). Sie ist die Voraussetzung dafur, dass sich iiberhaupt Assoziationen zu einer Marke bilden konnen. Dariiber hinaus fuhrt ein mehrmaliger Kontakt mit einer Marke tiber den Mere-ExposureEffekt dazu, dass diese besser beurteilt wird.^

Markenimage Das Markenimage stellt die hinreichende Bedingung fiir den Markenerfolg dar (vgl. Esch, 2005, S. 71). Es kann durch die folgende Einteilung der Assoziationen beschrieben werden (vgl. Abb. 5)^:

Eine Top-of-Mind-Bekanntheit oder gar eine dominante ist besonders bei Low-Involvement-Entscheidungen wichtig, da hier keine tiefergehenden Beurteilungsprozesse ablaufen. So reicht schon die reine Bekanntheit einer Marke aus, urn die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes zu erhohen (vgl. Bettman/Park, 1980, S. 244; Park/Lessing, 1981, S. 228; Hoyer/Brown, 1990, S. 147; Esch, 2005, S. 70). Dariiber hinaus hat sich gezeigt, dass, wenn keine wesentlichen Markenassoziationen vorliegen, die Familiaritat mit einer Marke ausreicht, um die Kaufentscheidung zu beeinflussen (vgl. Jacoby et al., 1977, S. 212ff.). Vgl. ausfiihrlich zum Mere-Exposure-Effekt Zajonc (1968) und zu theoretischen Begrundungen Winkielman und Kollegen (2003a). Eine andere Einteilung nimmt Keller (1993; 2003b) vor. Die Konzeptualisierung des Markenimages von 1993 erscheint jedoch aufgrund fehlender Uberschneidungsfreiheit nicht so zweckmaBig wie die Einteilung von Esch. Die Einteilung von 2003 ist aufgrund ihrer Komplexitat nur sehr schwer umzusetzen, sodass in der

18

B. Theoretischer Rahmen 1. Art der Markenassoziationen: Die Assoziationen konnen emotionaler oder aber rationaler Natur sein. Gerade starke Marken sind durch einen ausgepragten emotionalen Gehalt der Assoziationen gekennzeichnet (vgl. Esch/Andresen, 1994, S. 222; Esch, 2005, S. 71; Moll, 2006; ahnlich Aaker, 1996, S. 97). 2. Starke der Markenassoziationen: Die Starke einer Markenassoziation hangt davon ab, wie eng diese mit der Marke verbunden ist. Je enger diese Verbindung ist, desto starker ist die Verknupfung (vgl. Esch/Andresen, 1994, S. 223; Esch, 2005, S.71). 3. Verbale oder nonverbale Reprasentation der Markenassoziationen: Eine Marke verfugt sowohl tiber verbale als auch iiber nonverbale Assoziationen. Diese nonverbalen Inhalte konnen von unterschiedlicher sensorischer Art sein (visuell, olfaktorisch, akustisch, haptisch und gustatorisch) (vgl. Esch, 2005, S. 72; Esch/Wicke/Rempel, 2005, S. 47ff.). Der Aufbau klarer und lebendiger innerer Bilder spielt hierbei eine grofie Rolle, da diese eine starke Verhaltenswirksamkeit haben (vgl. Ruge, 1988, S. 160ff.). Olfaktorische Reize sind besonders geeignet, emotionale innere Bilder hervorzurufen (vgl. Vroon et al., 1996, S. 132; Storp, 1997, S. 54; Herz, 1998, S.671ff.; Herz/Schooler, 2002, S. 26ff; Herz, 2004, S. 219 sowie ausfiihrlich Kapitel B 4.2). 4. Anzahl der Markenassoziationen: Starke Marken verfiigen iiber eine groBere Anzahl miteinander vemetzter Assoziationen (vgl. Krishnan, 1996, S. 398ff.; Geus, 2005, S. 151ff.; Abb. 6). Diese ermoglichen einen schnelleren Zugriff auf die Marke, da mehrere Ankniipfungspunkte gegeben sind (vgl. Esch, 2005, S. 72). 5. Einzigartigkeit der Markenassoziationen: Die Einzigartigkeit der Assoziationen grenzt die Marke von den Wettbewerbem ab und gibt ihr so eine „unique selling proposition" (vgl. Keller 2003a, S. 73). Allerdings soUten nicht alle Assoziationen unterschiedlich sein, da sonst evtl. der Bezug zur Produktkategorie verloren geht (vgl. Sujan/Bettman, 1989, S. 465f.; Keller, 2003a, S. 75). Die Differenzierung von der Konkurrenz hat jedoch letztendlich einen entscheidenden Einfluss auf das zu erzielende Preis-Premium der Marke (vgl. Esch, 2005, S. 72). 6. Richtung der Markenassoziationen: Die Richtung der Assoziationen kann sowohl positiv (z.B. Milka schmeckt gut) als auch negativ (z.B. die Verpackung von Alpia Arbeit das iiberschneidungsfreie Modell von Esch zugrundegelegt wird. Dass diese Einteiiung sinnvoll ist und sich empirisch bewahrt hat, zeigt auch Abbildung 6.

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe

19

wirkt billig) sein. Um das angestrebte Ziel der Akzeptanz einer Marke zu erreichen, ist es von groBer Bedeutung, dass die positiven Assoziationen die negativen deutlich uberwiegen (vgl. Esch/Moll/Rempel, 2004, S. 49; Esch, 2005, S. 72). 7. Relevanz der Markenassoziationen: Die Relevanz von Markenassoziationen betrifft die Wiinsche und Bedurfnisse der Zielgruppe. Trifft die Marke diese und sind sie fur die Zielgruppe auch noch wichtig, kann davon gesprochen werden, dass die Markenassoziationen to die Zielgruppe relevant sind (vgl. Esch, 2005, S. 73; Roth, 2005, S. 20). Gerade starke Marken zeichnen sich durch eine hohe Relevanz der mit der Marke verbundenen Assoziationen aus (vgl. Krishnan, 1996, S. 397ff.). 8. Zugriffsfahigkeit auf die Markenassoziationen: Die Zugriffsfahigkeit beschreibt den leichten Riickschluss von einer Assoziation auf die Marke und umgekehrt (vgl. Esch, 2005, S. 73). Erleichtert wird dies durch die Einzigartigkeit der Assoziationen.

Abbildung 5: Quelle:

Operationalisierung des Markenimages In Anlehnung an Esch, 2001, S. 45.

20

B. Theoretischer Rahmen

Die Markenassoziationen stellen die zentrale Operationalisierung des Markenimages ftir die Markenfuhrung dar. Dass die oben dargestellte Einteilung sinnvoU ist und die Starke einer Marke sich darin gut widerspiegelt, zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts fiir Market!- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universitat GieBen (vgl. Abb. 6).

Abbildung 6: Quelle:

1.2.3

Einteilung starker und schwacher Marken anhand des Markenwissens nach Esch Zusammengestellt nach Geus, 2005, S. 151 ff.

Markenpositionierung als Konzept- und Umsetzungsebene der Markenidentitat

Zwischen der Markenidentitat, dem Selbstbild der Marke, und dem Markenimage, dem Fremdbild der Marke, steht die Markenpositionierung. Unter der Markenpositionierung versteht man die aktive, zielorientierte Anwendung aller Marketing-Mix-Instrumente, vor allem aber der Kommunikation, mit dem Ziel, die Marke fur die Zielgruppen so attraktiv zu gestalten

und

gegeniiber

der Konkurrenz

so klar

abzugrenzen,

dass

sie den

Konkurrenzmarken vorgezogen wird (vgl. Ries/Trout, 2001, S. 5ff.; Haedrich et al., 2003, S. 46ff.; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 51; Esch, 2005, S. 142). Bei der Positionierung konnen grundsatzlich vier unterschiedliche Strategien verfolgt werden: Eine Aktualisierungsstrategie soil die Marke beim Konsumenten prasent halten, eine informationsorientierte Positionierung soil ihm Informationen zur Marke vermitteln, bei der emotionalen Positionierung hingegen wird die Marke emotional aufgeladen. Die vierte Strategic setzt auf eine Mischung aus

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe

21

Informationen und Emotionen (vgl. Esch, 2001, S. 54ff.; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 38ff.; Esch, 2005, S. 147ff.). Die Markenpositionierung kann als die konzeptionelle Grundlage fur den kommunikativen Auftritt der Marke angesehen werden (vgl. Abb. 7). Sie ist, wie die Markenidentitat, aktiv vom Untemehmen zu gestalten. Mit ihr erfolgt eine Fokussierung auf die wenigen, dafur aber relevanten Merkmale, fur die eine Marke stehen soil (vgl. Keller, 2003a, S. 45). Ohne eine solche Fokussierung ware in der heutigen Zeit der kommunikativen Uberlastung des Konsumenten

und

des

immer

intensiver

werdenden

Wettbewerbs^^

in

der

Markenkommunikation keine Umsetzung mehr moglich, die den Anforderungen einer wirkungsvollen Positionierung entsprache (vgl. Esch, 2005, S. 145; Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 108). Dabei ist zu beriicksichtigen, dass die aus der Markenidentitat abgeleiteten Positionierungseigenschaften fur die Anspruchsgruppen von Bedeutung sind. Dies kann als die notwendige Bedingung fur den Markenerfolg angesehen werden. Die hinreichende Bedingung ist dann die Vermittlung eines aus Sicht des Konsumenten eigenstandigen und unverwechselbaren Profils. Um ein einheitliches Bild der Marke zu vermitteln, muss die Umsetzung iiber alle MarketingMix-Instrumente hinweg erfolgen, denn nur so kann ein klares Markenimage bei den Konsumenten aufgebaut werden (vgl. Esch, 2005, S. 169; Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 127f.).'^ Wird dies nicht beachtet und werden die Inhalte nicht zwischen den MarketingMix-Instrumenten abgestimmt, kann sich beim Konsumenten aufgrund lemtheoretischer Uberlegungen kein klares Markenimage bilden (vgl. Esch, 2001, S. 68ff.; Esch, 2005, S. 169 sowie ausfuhrlich zu den Ergebnissen zersplitterter Kommunikation: Esch, 2001; Roth, 2005 sowie Kapitel B 2.3). Als Gradmesser fur den Umsetzungserfolg der Positionierung ist das Markenimage - also die subjektive Wahmehmung der Marke aus der Sicht des Konsumenten - heranzuziehen (vgl. Wind, 1982, S. 75; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 67ff.; Burmann/Meffert, 2005, S. 53ff.; Esch, 2005, S. 91; Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 109). Stimmt dieses - wie es das Ziel der identitatsorientierten Markenfiihrung ist - weitestgehend mit der Vorgabe durch die Markenidentitat iiberein, so kann von einer erfolgreichen Umsetzung der Positionierung gesprochen werden. Stimmt es nicht iiberein, so bedarf es einer tiefgreifenden Analyse, um

Vgl. ausfuhrlich zu diesem Thema EschAVicke/Rempel, 2005, S. 13ff. Vgl. ausfuhrlich zum Management-Prozess der Markenidentitatsfindung bis zu ihrer Umsetzung in alien Marketing-Mix-Instrumenten Esch/Langner/Rempel, 2005, S. 125ff.

22

B. Theoretischer Rahmen

die Fehler in der Umsetzung herauszufiltem und abzustellen (wie z.B. die oben angesprochene zersplitterte Kommunikation).^^

Abbildung 7: Quelle:

Zusammenhang zwischen Identitat, Positionierung und Image einer Marke In Anlehnung an Esch, 2005, S. 91.

Fazit Die Kenntnis der Markenidentitat ist das Fundament fiir eine modeme Markenfuhrung. Auf ihrer Grundlage muss das Positionierungskonzept fur die Marke unter Beachtung der Konsumentenwunsche und -bediirfnisse

abgeleitet werden. Durch die veranderten

Rahmenbedingungen wird das Einbeziehen aller Modalitaten in ein ganzheitliches Positionierungskonzept und nicht nur die Auswahl einer Bilderwelt immer wichtiger. Wie nun der Einsatz von Duftstoffen helfen kann, eine Marke aufzubauen und zu starken, wird im nachsten Kaptitel ausftihrlich erlautert.

Eine vereinfachende, aber sehr anschauliche Darstellung der „Position" der Marke in den Kopfen der Konsumenten ist ein zwei- oder dreidimensionales Positionierungsmodell. Hierbei wird die Marke aus Sicht der Konsumenten zu den Konkurrenzmarken in einem Raum von relevanten Positionierungseigenschaften dargestellt (vgl. Carpenter, 1989, S. 1030ff.; Esch, 2001, S. 49; Esch, 2005, S. 143ff.). Auf den jeweiligen Achsen werden die Positionierungseigenschaften abgetragen und die Marken dann in dem sich ergebenden Raum eingetragen. Hierbei kann auch noch ein aus Konsumentensicht idealer Punkt eingefuhrt werden. Je geringer der Abstand zu diesem Idealpunkt ist, desto eher wird die Marke von dem Konsumenten vorgezogen (vgl. Esch, 2001, S. 49). Es ist jedoch zu beachten, dass verschiedene Marken unterschiedliche Positionierungseigenschaften verwenden und ein Vergleich in einem so vereinfachten Modell immer unter dieser Pramisse beachtet werden muss.

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe 1.3

23

Aufbau von erlebnisorientiertem Markenwissen mit der Unterstiitzung von Duftstoffen

Wie in Kapitel 1.2.2 schon erwahnt, lasst sich das Markenwissen grob in zwei Bestandteile zerlegen, die Markenbekanntheit und das Markenimage. Diese zweckmaBige Zweiteilung wird auch in den folgenden Kapiteln aufrechterhalten und auf dieser Grundlage werden dann die Moglichkeiten des Einsatzes von Duftstoffen innerhalb dieser beiden Bestandteile des Markenwissens erlautert. AbschlieBend erfolgt eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse fur den Markenaufbau.

1.3.1

Aufbau von Markenbekanntheit durch den Einsatz von Duftstoffen

Die Markenbekanntheit ist die Voraussetzung dafur, dass eine Marke beim Kauf iiberhaupt beriicksichtigt wird. Sie gilt als die notwendige Bedingung fur den Aufbau eines klaren Markenimages beim Konsumenten (vgl. Keller, 1993, S. 3; Esch, 2005, S. 69). Des Weiteren ist sie die Basis dafur, dass sich Assoziationen zu einer Marke bilden konnen. Dariiber hinaus kann ein mehrmaliger Kontakt mit einer Marke zu mehr Vertrauen und zu einer besseren Beurteilung fuhren (vgl. Aaker, 1992, S. 85; Esch, 2005, S. 76). Die Markenbekanntheit steUt somit ein grundlegendes Ziel des Markenaufbaus dar. Dieses Ziel gilt jedoch nicht nur fiir den Aufbau einer neuen Marke, sondem auch fur schon im Markt befmdliche Marken (vgl. Esch, 2005, S. 249). Wie in Kapitel 1.2.2 erlautert, kann zwischen aktiver und passiver Markenbekanntheit unterschieden werden (vgl. Abb. 8). Es stellt sich daher die Frage, ob eine Kaufentscheidung auf einer aktiven oder auf einer passiven Markenbekanntheit basiert. Bevor eine Marke allerdings verhaltenswirksam werden kann, muss sie zunachst vom Konsumenten „gelemt" werden. Kommt es erst am Point of Sale zu einer Entscheidung, reicht die passive Markenbekanntheit aus (vgl. Rossiter/Percy, 1987, S. 140ff.). Der Konsument muss nur in der Lage sein, die Marke schnell zu erkennen, da die Entscheidungsdauer sehr kurz ist (vgl. Popai, 1999, S. 15ff.; Pieters/Warlop, 1999, S. lOff.). Entscheidend hierfiir sind Markenmerkmale, die der Konsument moglichst schnell und somit auch ohne groBeren kognitiven Aufwand verarbeiten kann. Besonders geeignet sind demzufolge nonverbale Reize wie beispielsweise visuelle oder olfaktorische (vgl. Kapitel B 2.4). Duftstoffe bieten hier noch einen weiteren Vorteil: Der

24

B. Theoretischer Rahmen

Konsument kann ihnen nicht ausweichen.^^ 1st ein Duft erst einmal mit einer Marke verbunden, so stellt dieser einen hervorragendes „Stichwort" fur den schnellen und emotionalen Zugriff auf die Marke dar (vgl. Herz/Schooler, 2002, S. 26f.; Herz, 2004, S. 219 sowie ausfiihrlich Kapitel B 4.2.2). Von entscheidender Bedeutung ist daher die Verbindung von Marke und Duft (vgl. auch Kapitel B 4.2).

Abbildung 8: Quelle:

Markenbekanntheitseinteilung nach Esch Esch, 2005, S. 69

Wird die Kaufentscheidung iiber ein Produkt schon vor dem eigentlichen Kaufakt getroffen, muss die Marke schon zu diesem Entscheidungszeitpunkt prasent sein, damit sie iiberhaupt in die engere Auswahl gelangt (vgl. Rossiter/Percy, 1987, S. 140ff.; Percy et al., 2002, S. 134). Es ist also ein aktives Erinnem der Marke in Bezug auf die gewahlte Produktkategorie und somit die aktive Markenbekanntheit notwendig. Diese kann eine intensivere und sorgfaltigere Verarbeitung erfordem, damit eine starkere Verbindung zwischen Marke und Bedtirfnis oder Nutzungssituation erzeugt wird (vgl. Keller, 2003a, S. 327). Der kritische Punkt ist dabei, dass die Marke mit der Nutzungssituation oder aber den Bedurfnissen des Konsumenten verkniipft und damit auch immer in der jeweiligen Situation im Gedachtnis prasent sein muss (vgl. Percy et al., 2002, S. 136). Hier kommen nonverbale Markenanker, wie z.B. Prasenzsignale, zum Einsatz (vgl. Esch, 2005, S. 263). Duftstoffe sind hierfur ebenfalls geeignet. Der eben beschriebene Markenrecall erfordert eine groBere Lemleistung vom Konsumenten als die Markenwiedererkennung.

'^ Auch sind die technischen Probleme gelost, die eine punktgenaue Beduftung von einzelnen Regalplatzen verhinderten. Heute kann die Beduftung sekunden- und zentimetergenau erfolgen, indem die Konsumenten das Verspruhen des Duftes iiber einen Bewegungsmelder auslosen. „Wer zehn Zentimeter daneben steht, wird nichts riechen" verspricht der Vertriebsleiter Robert Miiller-Griinow von der Diisseldorfer Aerome GmbH (vgl. O.V., 2004a, S. 22).

1. Markenwissen als zentrale Steuerungsgrofie

25

Ftir das Markenmanagement ergibt sich aus den obigen Ausfiihrungen, dass der Konsument moglichst viele Kontakte mit der Marke haben muss, um diese auch zu lemen. Allerdings kann durch eine gute sozialtechnische Gestaltung sowohl der Marke als auch der Kommunikation unter Umstanden ein einziger Kontakt zum Lemen der Marke ausreichen. Eine Marke wird aber umso tiefer im Gedachtnis verankert, je mehr der Konsument sie erlebt und iiber sie nachdenkt (vgl. Keller, 2003a, S. 69). Deshalb eignet sich naturlich die Kommunikation tiber Massenmedien besonders gut, um eine Marke aufzubauen. Hierbei konnten dann auch Duftstoffe eingesetzt werden. Durch den Einsatz unterschiedlicher Modalitaten werden die Informationen leichter im Langzeitgedachtnis gespeichert. Allerdings bedarf es dabei immer der Vermittlung gleicher Inhalte (vgl. Schub von Bossiazky, 1991, S. 15f. sowie Kapitel B 2.4). Jedoch steckt der Einsatz von Duftstoffen in Massenmedien aus technischen Griinden noch in den Anfangen. Wahrend es erste zaghafte Versuche gibt, Duftstoffe auch uber den Femseher zu vermitteln, ist derzeit eine Duftkommunikation in den Printmedien uber ein „scratch & sniff-System bereits moglich. Dieses System hat aber den Nachteil, dass der Duft erst freigerubbelt werden muss und so nicht jeder Leser erreicht wird (vgl. ausfuhrlich Kapitel B4.1). Damit eine Marke moglichst schnell als passend fiir die Befriedigung eines Bediirfnisses oder fur eine bestimmte Nutzungssituation empfunden wird, muss ein Kategoriebezug hergestellt werden (vgl. Percy et al., 2002, S. 136; Keller, 2003a, S. 69f.). Duftstoffe konnen auch hier in einem begrenzten AusmaB weiterhelfen. So will z.B. der Konsument, dass Klebstoffe einen stechenden Geruch haben (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 58). Hierauf kann man sich dann beim Einsatz von Duftstoffen

sowohl bei der Produktgestaltung als auch in der

Kommunikation einstellen (vgl. Kapitel B4.1). Im Folgenden sollen die Moglichkeiten des Duftstoffeinsatzes ftir den Auft)au eines erlebnisorientierten Markenimages naher erlautert werden.

1.3.2

Ankniipfungspunkte fiir den Aufbau eines multisensualen Markenimages durch die Integration von Duftstoffen in die Markenkommunikation

Wie in Kapitel 1.2.3 dargelegt wurde, stellt die Markenpositionierung das Bindeglied zwischen der Markenidentitat und dem Markenimage dar. Sie bildet die Grundlage, also das Konzept, fur die kommunikative Umsetzung der Marke. Zwischen dem Konzept und der

26

B. Theoretischer Rahmen

spateren Umsetzung besteht jedoch haufig eine Implementierungslucke (vgl. Esch, 1992a, S. 13ff; Esch, 2005, S. 157). Diese lasst sich besonders gut anhand der strategischen Dreiecke der Positionierung erklaren (vgl. Abb. 9). 1st das Konzept erstellt, erfolgt eine Umsetzung in den verschiedenen Marketing-Mix-Instrumenten, vor allem aber in der MarketingKommunikation (vgl. Esch/Langner/Rempel,

2005, S. 128). Die Umsetzung muss

wahmehmbar die gewollte Positionierungsbotschaft vermitteln, eigenstandig sein oder sich von der Konkurrenz abgrenzen sowie in alle Marken-MaBnahmen integriert werden (vgl. Esch, 1992a, S. 11; Esch, 2005, S. 157). Hier treten jedoch die haufigsten Probleme auf. Es ist zu klaren, ob durch die Positionierungsumsetzung die jeweiligen Dreiecke der Konzeptebene auch entsprechend auf der Realisationsebene angekommen sind oder ob eine Lticke zwischen Konzeptidee und Realisation besteht.

Abbildung 9: Quelle:

Strategische Dreiecke der Positionierung Esch, 1992a, S. 11.

Wahrnehmbarkeit der Markenpositionierung sicherstellen Fiir die Vermittlung der Positionierungsbotschaft bleibt oftmals nur sehr wenig Zeit. So werden z.B. Anzeigen kaum langer als zwei Sekunden betrachtet (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 146) und Entscheidungen am PoS innerhalb noch kiirzerer Zeit getroffen (vgl. Pieters/Warlop, 1999, S. lOff.). Da zudem die Anzahl der Konkurrenten enorm zugenommen hat, buhlen verschiedene Marken um die Aufmerksamkeit des Konsumenten (vgl.

1. Markenwissen als zentrale SteuerungsgroBe

27

Esch/Wicke/Rempel, 2005, S. 13ff.). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse erscheint der Einsatz nonverbaler Reize sinnvoU, da diese schneller aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden als verbale Reize (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 149ff.; sowie Kapitel B 2.4). Gerade olfaktorische Reize scheinen hier den groBen Vorteil zu bieten, dass man ihnen zum einem nicht ausweichen kann, da Geniche immer aufgenommen werden, und dass sie zum anderen auch noch aktivierende und emotionale Wirkungen entfalten konnen (vgl. u.a. Kroeber-Riel et al., 1982, S. 14ff.; Ehrlichman/Bastone, 1992, S. 143ff.; Herz, 1998, S.671ff.; Bensafi et al., 2002, S. 705ff.; Herz, 2004, S. 219 sowie ausfuhrlich Kapitel B 4.2.2).

Eigenstandigkeit erreichen Ziel des Markenmanagements muss es sein, eine eigenstandige Marke zu etablieren, die sich klar von den Konkurrenzmarken abgrenzt. Besonders gut gelingt dies, wenn schon das Positionierungskonzept der Marke einzigartige Markenassoziationen beinhaltet. Wichtig ist dabei, dass man Assoziationen wahlt, die einen Wettbewerbsvorteil generieren. Diese Markenassoziationen werden auch als „points of differences" bezeichnet (vgl. Keller, 2003a, S. 74).^^ Aber selbst wenn das Positionierungskonzept dem der Konkurrenz ahnelt, kann es durch eine eigenstandige Umsetzung zur klaren Abgrenzung der Marke beitragen. Hierfur konnen sowohl formale als auch inhaltliche Abgrenzungen benutzt werden (vgl. Esch, 2005, S. 258).^^ Die Eigenstandigkeit kann durch eigens entwickelte Duftstoffe unterstiitzt werden, wie das Beispiel Singapore Airlines zeigt (vgl. Kapitel B4.1). Diese haben ein Aroma namens „Stefan Floridian Waters" fur ihre Erlebniswelt kreieren und dann auch patentieren lassen. Es wird sowohl im Parfum der Flugbegleiterinnen als auch im Erfrischungstuch fur die Fluggaste und bei der Raumbeduftung der Flugzeuge verwendet (vgl. Lindstrom, 2005, S. 15). Die Erzielung von Eigenstandigkeit durch Dtifte wird besonders durch den Umstand gestiitzt, dass Duftstoffe eher retroaktive Interferenzen hervorrufen als proaktive, sodass eine einmal gelemte Zusammengehorigkeit nicht mehr so leicht getrennt werden kann (vgl.

Das heifit jedoch nicht, dass man bei anderen wichtigen Eigenschaften schlechter bewertet werden soil als die Konkurrenten. Diese werden auch als „points of parity" bezeichnet (vgl. Keller, 2003a, S. 74). Bei einer formal eigenstandigen Umsetzung werden ahnliche oder gleiche Inhalte wie bei den Konkurrenzmarken vermittelt. Hier wird durch eine formal eigenstandige Gestaltung der Austauschbarkeit vorgebeugt. So werben Telekom und Arcor beispielsweise mit Kundenservice etc., aber die Zuordnung der Werbung zur Telekom ist durch den in Magenta gehaltenen Auftritt immer gewahrleistet. Bei einer inhaltlich eigenstandigen Umsetzung wird dagegen auf unterschiedliche Inhalte gesetzt. Wahrend BMW „Freude am Fahren" ist, setzt Mercedes-Benz auf die Sicherheit mit dem „guten Stem".

28

B. Theoretischer Rahmen

Lawless/Engen, 1977, S. 52ff.; Engen, 1987, S. 501; Herz/Engen, 1996, S. 304 sowie Kapitel B4.2).^^

Integrierte Vermittlung von Konsumerlebnissen Um ein klares und pragnantes Markenwissen zu erzielen, miissen alle Elemente des Marketing-Mix integriert werden, vor allem aber sind die kommunikativen MaBnahmen aufeinander abzustimmen. Jedes dieser Elemente hinterlasst bei einem Kontakt mit dem Konsumenten einen bestimmten Eindruck, fiihrt zu Schlussfolgerungen und pragt damit auch das Markenimage (vgl. Olson, 1977, S. 271ff.; Park et al., 1986, S. 138; Esch, 2005, S. 139f.). Diese sogenannten Markenkontaktpunkte lassen sich in vier Kategorien einteilen (vgl, Davis/Dunn, 2002, S. 60): 1. Pra-Kauf-Kontaktpunkte (z.B. Print-Werbung), 2. Kauf-Kontaktpunkte (z.B. Warenprasentation), 3. Nachkauf-Kontaktpunkte (z.B. Service) und 4. beeinflussende Kontaktpunkte (z.B. Verkaufer). Durch einen integrierten Auftritt lassen sich Synergieneffekte im Markenaufbau erzielen (vgl. Duncan/Everett, 1993, S. 30f.; Esch, 2001, S. 272ff.; Roth, 2005, S. 192ff.), da sich die einzelnen Elemente des Marketing-Mix gegenseitig sttitzen und so verstarkend wirken (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 300ff.; Esch, 2001, S. 68). Dadurch, dass die Kontaktpunkte bei einer integrierten Kommunikation einheitliche Eindrucke erzeugen, erfolgt das Lemen des angestrebten Markenimages schneller und wird fester im Gedachtnis verankert (vgl. Esch, 2001, S. 68). Zersplitterte Eindrucke, die unterschiedliche oder gar widerspriichliche Inhalte vermitteln, behindem das Lemen und fuhren in letzter Konsequenz sogar dazu, dass ein anderes als das angestrebte Markenimage aufgebaut wird (vgl. Esch, 1992b, S. 39; Esch, 2001, S. 272ff.). Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist die integrierte Kommunikation also ein Lemkonzept, mit dem ein effektiver und effizienter Markenaufbau betrieben werden kann (vgl. Esch, 2001,8.79). Bei der integrierten Kommunikation konnen unterschiedliche Gestaltungsmafinahmen eingesetzt werden. Eine zweckmaBige Einteilung hierfur liefert die Integrationsmatrix nach Esch. Diese unterscheidet zunachst einmal zwischen den Dimensionen und den Mitteln der

Retroaktive Interferenzen entstehen, wenn der Zugriff auf eine bestimmte Information durch das spatere Lemen von ahnlichen Informationen gehemmt wird. Bei proaktiven Interferenzen hingegen verhindem die fruher gelemten Informationen das neue Lemen von ahnlichen Informationen (vgl. Engen, 1982, S. 110).

1. Markenwissen als zentrale Steuerungsgrofie

29

integrierten Kommunikation (vgl. Esch, 1992b, S. 37; Esch, 2001, S. 71; Esch, 2005, S 261). Zu den Mitteln zahlt Esch die formale und die inhaltliche Integration, zu den Dimensionen eine Integration im Zeitablauf sowie eine zwischen den eingesetzten Kommunikationsmitteln (vgl. Esch, 2001, S. 70ff.).^^ Beide Dimensionen sind sowohl fur das erstmalige Lemen der Markeninhalte als auch fiir das Auffrischen des Gelemten besonders wichtig (vgl. KroeberRiel/Esch, 2004, S. 116).

Abbildung 10: Quelle:

Integrationsmatrix Esch, 1992b, S. 37.

Zu den formalen Mitteln der Integration gehoren die klassischen Corporate Design Merkmale, wie Farben, Formen und Typographien sowie die dariiber hinausgehenden Prasenzsignale und Wort-Bild-Kombinationen. Die formalen Mittel der Integration vermitteln keine bestimmten Positionierungsinhalte; sie dienen vor allem dazu, die Marke in den Wissensstrukturen der Zielgruppe zu verankem (vgl. Esch, 2001, S. 7Iff.) und den Riickgriff auf sie zu vereinfachen (vgl. Esch, 2001, S. 73). Diifte sind nicht wirklich zur formalen Integration geeignet, da sie immer auch einen Inhalt transportieren. Bei der inhaltlichen Integration geht es darum, die festgelegten Positionierungsinhalte im Gedachtnis der Zielgruppe aufzubauen. In der Ursprungsversion nach Esch (1992) kann die Esch und Redler (2004) erweitem die Integrationsmatrix noch um eine weitere Dimension. Diese bezieht sich auf die unterschiedlichen Kaufphasen (Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase), in denen auch immer eine integrierte Kommunikation betrieben werden muss (vgl. Esch/Redler, 2004, S. 1473ff.).

30

B. Theoretischer Rahmen

inhaltliche Integration sowohl durch Sprache als auch durch Bilder erfolgen (vgl. Esch, 1992b, S. 37). Zur sprachlichen Integration zahlen dabei sich wiederholende verbale Aussagen, sogenannte Slogans, also gesungene, gesprochene oder aber geschriebene Programmformeln (vgl. auch Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 12Iff.). Bei der Integration durch Bilder wird zwischen Schliisselbildem und Bildem mit semantisch gleichem Bildinhalt unterschieden. Unter einem Schliisselbild versteht man den visuellen Kern einer Positionierungsbotschaft, der durch ein gleichbleibendes Bildmotiv vermittelt wird (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 124). Ein sehr anschauliches Beispiel hierfur ist der MarlboroCowboy. Bei einer semantischen Bildintegration werden unterschiedliche Bildmotive eingesetzt, die jedoch immer den gleichen Positionierungsinhalt vermitteln (vgl. Esch, 2001, S. 74; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 122). Die Integrationsmatrix wurde von Roth (2005) dahingehend erweitert, dass sie nicht mehr nur von einer rein bildlichen Integration, sondem von einer Integration aller nonverbalen Reize ausgeht (vgl. Roth, 2005, S. 34). Allerdings konzentriert sie sich in ihren Ausfiihrungen dann nur auf akustische Reize. Eine inhaltliche Integration muss jedoch auch auf die anderen nonverbalen Reize ausgedehnt werden. So lassen sich positionierungsspezifische Inhalte grundsatzlich

auch olfaktorisch

und haptisch transportieren. Eine geschmackliche

Positionierung ist dagegen nur dann moglich, wenn es sich bei dem angebotenen Produkt um Lebensmittel handelt. Grundsatzlich kann ein Duft als „Schlusselduft" eingesetzt wird, indem immer der gleiche Dufl verwendet wird. Denkbar ist auch eine „semantische" Duftintegration, bei der unterschiedliche Dtifte mit gleich bleibendem Positionierungsinhalt verwendet werden. Vor dem Hintergrund proaktiver Interferenzen und der Tatsache, dass Diifte auch immer einen episodischen Gehalt haben (vgl. Kapitel B 2.2.3), erscheint es allerdings sinnvoll, einen Duft nur als Schliisselduft zu verwenden. Dies muss aber nicht heiBen, dass nicht auch hier, wie bei den Schliisselbildem, im Zeitablauf Anpassungen vorgenommen werden konnen. Erfahrungen aus der Praxis haben jedoch gezeigt, dass eine Veranderung des Duftes zu Problemen fiihren kann. So beklagten sich z.B. Konsumenten von Nivea, dass die Qualitat der Creme nicht mehr dieselbe sei, nachdem eine Anpassung des Duftes an den Zeitgeist erfolgt war. Da es sich hier aber um ein Produkt handelt, bei dem der Duft ein sehr starker Zusatznutzen ist, kann man diese Erkenntnisse sicherlich so nicht verallgemeinem. Um diese zeitliche Anpassung abschlieBend bewerten zu konnen, bedarf es daher noch einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen.

1. Markenwissen als zentrale Steuerungsgrofie

31

Zusammenfassung Starke Marken verfiigen iiber eine hohe Bekanntheit und ein klares Image. Urn diese beiden Ziele zu erreichen, miissen einige mogliche Fallstricke beriicksichtigt werden. Zunachst einmal ist die Markierung von entscheidender Bedeutung.^^ In diesem Rahmen konnen schon Duftstoffe mit eingesetzt werden, wenn es um die Produktgestaltung geht. Der eigentliche Markenaufbau

erfolgt

dann

durch

die

Kommunikation.

Die

Ableitung

des

Positionierungskonzeptes ist ein kritischer Punkt, der oftmals iiber einen spateren Erfolg oder Misserfolg der Marke entscheidet. Falls eine erlebnisorientierte Positionierung angestrebt wird, sind hier schon alle Modalitaten in das Konzept einzubeziehen. Eine entscheidende Bedeutung kommt der Positionierungsumsetzung zu. Sie muss wahmehmbar, eigenstandig und integriert kommuniziert werden. Besonders wichtig ist die ganzheitliche Abstimmung aller eingesetzten Modalitaten, damit der gleiche Inhalt mehrfach, d.h, jeweils durch die einzelnen Modalitaten, vermittelt wird.^^ So wird das Lemen der Positionierungsinhalte erheblich beschleunigt. Ein Karibik-Erlebnis kann z.B. durch Abbildungen von weiBen Sandstranden mit Palmen, einen exotischen Kokosduft, hellen rot-gelben und blaulichen Farben sowie Reggae-Musik erzeugt werden. Duftstoffe konnen den Aufbau des zu vermittelnden Erlebnisses durch ihre aktivierende und emotionalisierende Wirkung erheblich unterstiitzen. Auch kann das Wiedererkennen einer Marke durch die Eigenschaft der proaktiven Interferenzen von Duftstoffen erleichtert werden.

Vgl. Langner (2003) zur Gestaltung von Markenlogo und Markennamen. Vgl. Roth (2005) zur Integration von akustischen Reizen in die Markenkommunikation. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine inhaltliche Integration zwischen visuellen und akustischen Reizen die besten Ergebnisse in Bezug auf die Markenbekanntheit, hinsichthch der inneren Bilder sowie auf das Markenwissen liefert (vgl. Roth, 2005, S. 192ff.). Fiir Ideen zur Haptik und wie diese in der integrierten Kommunikation eingesetzt werden konnen vergleiche Meyer (2001) und zum Einfluss der Haptik auf die Produktbeurteilung Peck und Childers (2003).

2.

Verhaltenswissenschaftliche Zugange zur Erklarung der Wirkungsweise der integrierten Markenkommunikation

2.1 Fluency-Ansatz zur Wahrnehmung von Reizen Das Konzept der Fluency beschaftigt sich mit der Verarbeitung von Reizen. Es versucht, bestimmte Phanomene, wie z.B. das Bevorzugen harmonischer Reize, tiber den zur Verarbeitung der Reize notwendigen kognitiven Aufwand zu erklaren. Je effizienter ein Reiz verarbeitet werden kann, desto besser gefallt er. Die Verarbeitung der Reize ist durch verschiedene interne Ursachen charakterisiert, die nicht unbedingt stimulusspezifisch sind. So konnen gleiche Gedachtnisinhalte im Grad der Aktivierung variieren (vgl. Mandler, 1980, S. 252ff.), Oder sich in ihrer Verarbeitungsgeschwindigkeit unterscheiden (vgl. Jacoby, 1983, S. 25f.). Auch wenn dies substanzielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Parametem sind, werden sie einheitlich unter dem Begriff der Fluency zusammengefasst (vgl. Jacoby et al., 1989, S. 409ff.; Clore, 1992, S. 141ff.; Schwarz, 1998, S. 96f.). Allerdings kann zwischen bewusster und unbewusster Verarbeitung unterschieden werden. Winkielman und Kollegen (2003a; 2003b) pragen hierfur den Begriff der objektiven und der subjektiven Fluency. Die objektive Fluency kennzeichnet eine Verarbeitung, die schnell ist und ohne groBe Ressourcenbeanspruchung, mit einer hohen Genauigkeit oder aber anderen Indikatoren einer effizienten Verarbeitung ablauft, ohne dass dies auf der subjektiven Ebene bemerkt wird. Die subjektive Fluency dagegen beschreibt das Gefuhl einer einfachen Verarbeitung, mit geringer Anstrengung, mit hoher Geschwindigkeit etc. (vgl. Winkielman et al., 2003a, S. 193; 2003b, S. 77). Dass beide nicht zwingend zusammenfallen miissen, zeigt das folgende Beispiel: Hat eine Person Alkohol getrunken, geht ihre objektive Fluency zurlick, wahrend die subjektive steigt (vgl. Winkielman et al., 2003a, S. 193). Dariiber hinaus kann die Fluency auf unterschiedlichen Verarbeitungsebenen stattfmden. Es ist daher sinnvoll, zwischen der „Perceptual Fluency" und der „Conceptual Fluency" zu unterscheiden (vgl. Tulving/Schacter, 1990, S. 301; Winkielman et al., 2003a, S. 193f). Diese beiden Formen der Fluency werden in den folgenden zwei Abschnitten eingehend behandelt.^^ AnschlieBend wird der Erklarungsbeitrag zur integrierten Kommunikation kurz dargestellt.

Perceptual Fluency und Conceptual Fluency basieren auf der gleichen Grundannahme. Da ihre Erklarungsansatze allerdings ihren Ursprung in vollkommen unterschiedlichen Bereichen haben, werden sie haufig verschiedenen Wissenschaftsgebieten zugeordnet (vgl. Henderson et al., 2003, S. 300ff.). So wird die Perceptual Fluency vor allem iiber Theorien aus der Wahmehmungspsychologie erklart, die Conceptual

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

33

2.1.1 Perceptual Fluency Historisch gesehen wurde das Interesse an der Verbindung zwischen Fluency und Stimulusbewertung durch die Arbeiten zum Mere-Exposure-Effetf^ geweckt. Verschiedene Autoren gehen heute davon aus, dass der Mere-Exposure-Effekt auf einer Veranderung der Perceptual Fluency beruht (vgl. Seamon et al., 1983, S. 552ff.; Jacoby et al., 1989, S. 409ff.; Bomstein/D'Agostino, 1994, S. 103ff.; Klinger/Greenwald, 1994, S. 82; Reber et al., 1998, S. 45). Was aber ist die Perceptual Fluency, wodurch wird sie beeinflusst und warum fiihrt sie zu einer veranderten Bewertung eines Stimulus? Die Perceptual Fluency bezieht sich im Wesentlichen auf Vorgange der sensorischen Enkodierung von Reizen. Sie ist ein MaB daftir, wie leicht sensorische Reize vom Rezipienten identifiziert werden konnen. Damit ist auch verbunden, wie schnell und wie genau dies geschieht (vgl. Tulving/Schacter, 1990, S. 302; Whittlesea, 1993, S. 1236; Fleischman et al, 1997, S.43; Shapiro, 1999, S. 17; Winkielman et al., 2003a, S. 194; Winkielman, et al., 2003b, S 77; Langner/Esch, 2004, S. 427). Die Verarbeitungsprozesse hierfur finden je nach zugrunde liegendem Gedachtnismodell im sensorischen Gedachtnissystem (bei Nelson und bei Engelkamp) oder aber im Arbeitsgedachtnis

(bei Baddeley) statt, da hier

modalitatsspezifische Merkmale von verbalen und non-verbalen Stimuli in analoger Form verarbeitet werden (vgl. Nelson, 1979, S. 45ff.; Baddeley, 2000a, S. 418; Engelkamp, 1991, S. 63ff.; vgl. auch Kapitel B 2.3 und B 2.4). Dabei wird die Perceptual Fluency durch verschiedene Variablen wie z.B. einfache Wiederholung, Figur-Grund-Kontrast etc. gepragt. Diese Variablen beeinflussen vor allem die Geschwindigkeit und die Genauigkeit der Identifikation

(vgl.

Jacoby/Dallas,

1981,

S. 31 Iff.;

Roediger,

1990,

S. 1046ff;

Tulving/Schacter, 1990, S. 302). Im Folgenden werden einige der bisher vorliegenden Untersuchungen dargestellt. AUerdings werden dabei nur Arbeiten zur Perceptual Fluency von visuellen Stimuli erlautert, da dieser Bereich zum einen am besten erforscht ist und zum anderen keine Erkenntnisse zu olfaktorischen Stimuli vorliegen. Aus diesen Uberlegungen soUen dann Schliisse auf

Fluency hingegen iiber kognitionspsychologische Ansatze (vgl. Henderson et al., 2003, S. 300ff.; Langner/Esch, 2004, S. 427). Zum Mere-Exposure-Effekt vergleiche Zajonc (1968).

34

B. Theoretischer Rahmen

EinflussgroBen aus dem olfaktorischen Bereich gezogen^^ und Ansatze fur eine integrierte Kommunikation gefunden werden. Perceptual Fluency erleichtert die Erinnerung an einen Stimulus und verbessert dessen Bewertung Eine erhohte Perceptual Fluency kann die affektive Haltung zu einem neutralen Stimulus verbessem. Reber und KoUegen (1998) konnten zeigen, dass Bilder, die mit einem passenden visuellen Priming^^ (in ihrer Untersuchung die Kontur des zuvor gezeigten Bildes) dargeboten wurden, zum einen schoner und zum anderen weniger hasslich bewertet wurden als solche mit unpassendem Priming (die Kontur eines anderen Bildes). Daruber hinaus wurden die Bilder auch schneller wiedererkannt. Auch konnten die Forscher zeigen, dass ein scharferer FigurGrund-Kontrast zu einer besseren Bewertung fuhrte. Sinnvoller erscheint allerdings, Bereiche zu defmieren, da sich die Bewertung ab einem bestimmten Scharfegrad des Figur-GrundKontrastes kaum noch veranderte. Damit liegt die Vermutung nahe, dass es Schwellenwerte geben konnte (vgl. dazu die Daten von Reber et al., 1998, S. 47). Weiterhin wurde gezeigt, dass die Bewertung der Stimuli mit einer langeren Darbietungszeit ebenfalls verbessert werden konnte (vgl. Reber et al., 1998, S. 46ff.). Auch im Marketing wurden schon einige Studien zur Perceptual Fluency durchgefuhrt. Lee und Labroo (2004) konnten zeigen, dass in einer Situation mit hoher Perceptual Fluency die Bewertung einer Marke signifikant besser war als bei niedriger (vgl. Lee/Labroo, 2004, S. 156ff.). Lee und Aaker (2004) untersuchten die Perceptual Fluency in Zusammenhang mit Framing (Gain vs. Loss Frames) und Regulatory Focus-Uberlegungen (Promotion vs. Prevention Focus). Sie fanden einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen Framing und Regulatory Focus."^"^ So war die Perceptual Fluency im Falle eines Promotion Focus hoher bei einem „Gain Frame" als bei einem „Loss Frame". Bei einem Prevention Focus war es umgekehrt. Des Weiteren konnten sie auch zeigen, dass die Bewertung einer Marke signifikant dadurch beeinflusst wurde, welche der oben beschrieben Situationen vorlag (vgl. Lee/Aaker,2004, S.213f.). In der Medizin gibt es einen Odor Fluency Test zur Fruherkennung von Alzheimer und der Huntington'schen Krankheit. Patienten mit einer der beiden Krankheiten zeigen signifikant schlechtere Ergebnisse beim Odor Fluency Test gegeniiber den jeweiligen Kontrollgruppen. Durch ein firiihzeitiges Erkennen der Krankheiten konnen sie fruher behandelt und somit die Verlaufe positiv beeinflusst werden (vgl. Moore et al., 1999, S. 344ff.). Priming kann beschrieben werden als der Effekt eines zuerst aufgenommenen Reizes (Prime) auf die Verarbeitung eines zweiten Reizes, dem Zielreiz, welcher entweder dem ersten entspricht oder aber mit ihm verbunden ist (vgl. Tulving/Schacter, 1990, S. 301). Zur Regulatory Focus Theorie vergleiche Higgins (1987) sowie fur ein Review zu diesem Thema Higgins (2000).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

35

Perceptual Fluency erzeugt "Affective Response" Winkielman und Cacioppo (2001) konnten in einer Studie nachweisen, dass die Perceptual Fluency mit einer Aktivierung von Gesichtsmuskeln einhergeht. Dies wurde tiber ein EMG (facial electromyograph)^^ gemessen. Positive Reaktionen werden in der Region des Zygomaticus major („smiling muscle") gemessen, negative hingegen in der Region der Cormgator supercilli („frowning muscle") (vgl. Cacioppo et al., 1986, S. 263ff.; Lang et al., 1993, S. 264ff.; Winkielman/Cacioppo, 2001, S. 993). Die Teilnehmer der Studie mussten alltagliche Bilder beurteilen. Die Halfte der Probanden benutzte eine positiv formulierte einpolige Skala aus, die andere Halfte eine negativ formulierte.^^ In der ersten Studie von Winkielman und Cacioppo (2001) wurde die Perceptual Fluency iiber ein visuelles Priming manipuliert, in der zweiten iiber eine verlangerte Darbietungszeit. Die Manipulationen wurden wie in der Studie von Reber und Kollegen (1998) durchgefuhrt, sodass bei der Priming-Studie der Prime eine passende oder unpassende Kontur eines Bildes war. Die Interaktion

zwischen passenden

bzw. unpassenden

Bildem

als Prime und den

Muskelbereichen (Zygomaticus major bzw. Cormgator supercilli) ergab bei der positiv formulierten Skala einen signifikanten Effekt. Bei einer einzelnen Betrachtung ergab sich aber, wie erwartet, nur eine signifikant hohere Aktivitat im Bereich des Zygomaticus major. Ebenfalls wie erwartet, gab es bei der negativ formulierten Skala keine signifikanten Unterschiede (vgl. auch FuBnote 26). In der zweiten Studie zeigte die verlangerte Darbietungszeit eine signifikant starkere Aktivitat im Zygomaticus major und keine signifikante Veranderung beim Cormgator supercilli. Daraus lasst sich schlieBen, dass eine einfachere

Verarbeitung

zu

einer

positiven

affektiven

Reaktion

fiihrt

(vgl.

Winkielman/Cacioppo, 2001, S. 992ff).

Bei einem EMG (facial electromyograph) geht man davon aus, dass sowohl positive als auch negative affektive Reaktionen durch eine elektrische Aktivitat der Gesichtsmuskeln gemessen werden konnen (vgl. Cacioppo et al., 1986, S. 261; Lang et al., 1993, S. 261ff.). Die positiv formulierte einpolige Skala war von 1 (no positive reaction) bis 4 (very positive reaction) eingeteilt. Die negativ formulierte einpolige Skala hingegen erstreckte sich von 1 („no negative reaction") bis 4 („very negative reaction"). Diese Einteilung basierte auf der Theorie, dass zwei vollkommen unterschiedliche Reaktionen zu erwarten seien. Uber ein „Two-step"-Modell wie dem Fluency-Attribution Modell (vgl. Bomstein/D'Agostino, 1994) oder dem Familiarity-Attribution Modell (vgl. Bonanno/Stillings, 1986; Klinger/Greenwald, 1994) diirfte es keine affektive Reaktion geben, da die Anderungen in der kognitiven Erfahrung affektiv neutral sind. Allerdings wiirde diese kognitive Erfahrung je nach Kontext entweder eine positive (positiver Kontext) oder aber eine negative (negativer Kontext) Beurteilung hervorrufen. In dem „Hedonic fluency"-Modell von Winkielman und Kollegen (2003a) hingegen fuhrt die vereinfachte Verarbeitung zu einer echten affektiven Reaktion und zwar einer positiven. Dies fuhrt dazu, dass es in einem positiven Kontext zu einer besseren Bewertung kommt und in einem negativen nicht zu einer noch negativeren (vgl. Winkielman/Cacioppo, 2001, S. 990f; Winkielman et al., 2003a, S. 199ff.).

36

B. Theoretischer Rahmen

Perceptual Fluency bei Duftstoffen Auch bei Duftstoffen besteht die Moglichkeit, die Perceptual Fluency zu manipulieren. Es ist aber zu priifen, ob die oben dargestellten Erkenntnisse auch auf den Einsatz von Duftstoffen zu iibertragen sind. Bei den Untersuchungen von Reber und Kollegen (1998) wurde der FigurGrund-Kontrast stufenweise um 5% verandert, was nach dem Stevens'schen Potenzgesetz ausreicht, eine Veranderung iiberhaupt wahrzunehmen. Werden nun die Konzentrationen der Duftstoffe variiert, andert sich auch die Empfindungsintensitat (vgl. Kapitel B 3.2.1). Mit steigender Konzentration nahert man sich der Erkennungsschwelle, bei der ein Duft als vertraut empftinden wird, falls er vorher schon einmal gerochen wurde. Dies fiihrt dazu, dass er als angenehm empftinden wird. Allerdings ist zu beachten, dass bei steigender Konzentration die Sattigungsschwelle erreicht wird, von der an keine Veranderung der Empfindungsintensitat mehr eintritt. Dies ist konform mit der Untersuchung von Reber und Kollegen (1998), in der ab einem gewissen Grad an Figur-Grund-Kontrast die Beurteilung fast gleich blieb (vgl. Reber et al., 1998, S. 47). Es darf aber nicht iibersehen werden, dass alle Untersuchungen zur Perceptual Fluency mit neutralen Stimuli durchgefiihrt wurden. Duftstoffe sind aber schon von sich aus angenehm oder unangenehm, sodass die Ubertragung durchaus mit Problemen behaftet ist. Insgesamt kann aber davon ausgegangen werden, dass die Veranderung der Konzentration einen Einfluss auf die Perceptual Fluency hat.

2.1.2 Conceptual Fluency Bei der Perceptual Fluency wurden niedere Ebenen („low-level stages") der Verarbeitung wie z.B. Priming, Darbietungszeit, Figur-Grund-Kontrast oder Wiederholungen des Stimulus angesprochen. Diese betreffen vor allem die physische Identifikation des Stimulus. Bei der Conceptual Fluency hingegen geht es auf hoheren Ebenen („high-level stages") der Verarbeitung z.B. um eine Identifikation der Bedeutung des Stimulus, eine Kategorisierung von Reizen und die Einordnung des Reizes in bestehende Wissensstrukturen des Rezipienten. Wiederum geht es darum, wie leicht, wie schnell und wie genau die Verarbeitung ablauft (vgl. Hamann, 1990, S. 971ff; Whittlesea, 1993, S. 1240; Fleischman et al., 1997, S. 43; Shapiro, 1999, S. 18; Janiszewski/Meyvis, 2001, S. 20; Winkielman et al., 2003a, S. 204ff.; Langner/Esch, 2004, S. 428). Diese „hohere" Verarbeitung der Reize findet auf der Basis amodal gespeicherter Wissensstrukturen statt. Bei den Gedachtnismodellen von Engelkamp oder von Nelson ware dies im konzeptuellen Gedachtnis der Fall (vgl. Langner/Esch, 2004,

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

37

S. 428), wahrend bei den anderen Modeller! das semantische Gedachtnis die Reize verarbeitet (vgl. Kapitel B 2.4).

Conceptual Fluency verbessert die Bewertung eines Stimulus Die ersten Experimente, die direkt die Conceptual Fluency untersuchten, wurden von Bruce W.A. Whittlesea (1993) durchgefuhrt (vgl. Whittlesea, 1993, S. 1237). In diesen Studien manipulierte er die Conceptual Fluency tiber einen vorhersehbaren oder aber uber einen neutralen Kontext (z.B.: „stormy seas tossed the boat" gegen „he saved up his money and bought a boat") (vgl. Whittlesea, 1993, S. 1240ff.). Das interessanteste Experiment war sicherlich das fiinfte, da er hier nicht nur die Geschwindigkeit der Aussprache der Worter, sondem auch das Gefallen der Worter in dem jeweiligen Kontext erfragte. Die Ergebnisse waren eindeutig. Die Aussprachegeschwindigkeit war im semantisch erwarteten Kontext signifikant schneller als im neutralen. Dies ist allerdings keine Uberraschung, da schon friiher festgestellt wurde, dass das letzte Wort eines Satzes schneller erkannt und beurteilt wird, wenn es mit dem vorherigen Satz in einem Zusammenhang steht (vgl. Schuberth/Eimas, 1977, S. 30ff.; Fischler/Bloom, 1979, S. 5ff.). Das Interessante an dieser Studie ist das Ergebnis, dass die Worter in dem semantisch vorhersehbaren Kontext mehr gefallen haben als in dem semantisch nicht vorhersehbaren Kontext (vgl. Whittlesea, 1993, S. 1245). Zu gleichen Ergebnisse kommen auch Lee und Labroo (2004) in einer Replikation der Studie (vgl. Lee/Labroo, 2004, S. 155). Die fiihrten daruber hinaus verschiedene Studien zur Beurteilung von Marken bei verschiedener Conceptual Fluency durch. In zwei Studien konnten sie zeigen, dass eine Marke signifikant besser beurteilt wurde, wenn das verwendete Storyboard die Erwartungen an die Produktkategorie erfullte. So wurde z.B. Kraft Ketchup in der vorhersehbaren Situation der Conceptual Fluency (hohe Conceptual Fluency) im Anschluss an eine Reihe von Bildem aus einem Burgerrestaurant gezeigt, wahrend man es in der unverbundenen Situation (geringe Conceptual Fluency) nach einer Reihe unverbundener Bilder zeigte (Frau im Supermarkt, Abbildungen von Seife der Marke Zest und von Cornflakes der Marke Post) (vgl. Lee/Labroo, 2004, S. 156ff.). In einer weiteren Studie konnten sie zeigen, dass es auch einen negativen Effekt der Conceptual Fluency geben kann, und zwar wenn der Prime mit negativen Assoziationen belegt ist. So wurde eine Marke aus der Kategorie Haarspiilungen nach der Darbietung eines semantisch verbundenen Stimulus (Anti-Lause-Shampoo) signifikant schlechter beurteilt als nach einem unverbundenen Stimulus (vgl. Lee/Labroo, 2004, S. 161f).

38

B. Theoretischer Rahmen

Ein nicht zu unterschatzendes Problem der Studien von Whittlesea (1993) ist, dass die Untersuchungsanordnung nicht ganz eindeutig darauf schlieBen lasst, ob der vorliegende Effekt auf die Fluency zuruckzufiihren ist oder ob er z.B. eine Reaktion auf den ganzen Satz mit einschliefit und so die Kongruenz bzw. Inkongruenz auf das Wort ubertragen wird (vgl. Winkielman et al., 2003a, S. 205). Um diese Probleme zu umgehen, wurden Experimente mit multimodalen semantischen Primings durchgefuhrt, die im Folgenden kurz angesprochen werden.

Cross-modal semantic priming Beispielhaft soil zunachst eine Studie zum Cross-modal Priming von Winkielman und Kollegen (2003a) herausgegriffen werden, um die Vorgehensweise naher zu erlautem. Die Probanden bekamen Bilder von verschiedenen bekannten Objekten und Tieren vorgelegt. Jedes dieser Bilder wurde entweder zusammen mit einem existierenden oder einem nicht existierenden Wort dargeboten. Die verschiedenen Bild-Wortpaare wurden dabei entweder mit einem passenden Wort (z.B. das Wort „Hund" und das Bild eines Hundes), mit einem assoziativ verbunden Wort (z.B. das Wort „Schliisser' und das Bild eines Schlosses) oder in vollkommen unverbundenen Kombinationen dargeboten (z.B. das Wort „Schnee" und das Bild eines Schreibtisches; vgl. Abb. 11). Im ersten Fall sollte es die hochste, im letzten Fall die geringste Fluency geben. Der mittlere Fall sollte zwischen den beiden anderen liegen. Zunachst mussten die Probanden entscheiden, ob das Wort im englischen Wortschatz vorhanden war, um dann anschliefiend das Bild zu beurteilen. Die passenden Worter wurden dabei signifikant besser beurteilt als die assoziativ verkniipften, diese wiederum signifikant besser als die unverbundenen Worter (vgl. Winkielman et al., 2003a, S. 205f.),

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

Abbildung 11:

39

Beispielhafte Stimuli eines Cross-modal semantic priming

Auch im Marketing wurde diese Form der Conceptual Fluency naher untersucht. So kam z.B. Langner (2003) zu ahnlichen Ergebnissen fur die asthetische Beurteilung von Markennamen und Markenlogos in der Form von Wort-Bild-Kombinationen (vgl. Langner, 2003, S. 253ff.; S. 26If.). Die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist bei der Redundanz von Markennamen und Markenlogos signifikant schneller und dariiber hinaus werden redundante Wort-BildKombinationen signifikant asthetischer beurteilt (vgl. Langner, 2003, S. 220ff.; S. 256ff.). Janiszewski und Meyvis (2001) konnten zeigen, dass Stimuli mit komplexer Bedeutung zunachst weniger praferiert werden als solche mit einfacher Bedeutung. Nach 16 Wiederholungen naherten sich die Praferenzen aber wieder einander an. Daraus schlieBen sie, dass die Probanden zunachst eine erhohte Fluency bei den einfachen Stimuli hatten, sich dieser Vorteil aber spater aufhob (vgl. Janiszewski/Meyvis, 2001, S. 23ff.).

Cross-modal semantic memory Winkielman und Kollegen (2003 a) erweiterten die Studie noch, indem sie die Wirkungen der Conceptual Fluency auf das semantische Gedachtnis untersuchten. Dabei wurde den Probanden zunachst eine Liste mit Bildem und Wortem gegeben. Danach erhielten sie eine Aufstellung, in der die verwendeten Items entweder in derselben Modalitat waren (z.B. Bild eines Vogels - Bild eines Vogels) oder in einer anderen Modalitat, aber semantisch verbunden, (z.B. Wort „Schnee" - Bild einer Schneeschaufel) bzw. gar keinen Bezug zueinander hatten (z.B. das Wort „Schnee" - Bild eines Schreibtisches). Die Ergebnisse waren wiederum eindeutig. Semantisch verknupfte Bilder und Worter gefielen signifikant

40

B. Theoretischer Rahmen

besser. Des Weiteren gab es eine Tendenz, dass die Probanden die neuen, aber semantisch verbundenen Bilder mehr mochten als dieselben Bilder, die zweimal gezeigt wurden. Das bedeutet, dass die Conceptual Fluency einen groBeren Einfluss ausiibt als die Perceptual Fluency (vgl. Winkielman et al., 2003a, S. 206). Dieser Effekt wurde auch schon von Whittlesea (1993) und von Poldrack/Logan (1998) beobachtet (vgl. Whittlesea, 1993, S. 1239ff.; Poldrack/Logan, 1998, S. 175f.). Im Marketing-Kontext wurden noch weitere Studien zur Fluency durchgeflihrt. So untersuchte z.B. Shapiro (1999) den Einfluss der Conceptual Fluency auf das Markenwahlverhalten (vgl. Shapiro, 1999, S. 153ff.). Er fand heraus, dass auch bei unbewusster Wahmehmung von Anzeigen die semantische Zugehorigkeit einen Effekt auf das Consideration-Set sowie die Markenwahl der Probanden ausiibt. Ahnliches ergaben die Studien von Nedungadi (1990) sowie Lee (2002) (vgl. Nedungadi, 1990, S. 268ff; Lee, 2002, S. 444ff).

Duftstoffe und Conceptual Fluency Ein cross-modal semantic priming ist gmndsatzlich auch mit Duftstoffen moglich. Eine Moglichkeit besteht darin, einen Duft mit einem passenden Wort oder Bild zusammen zu prasentieren, z.B. den Duft einer Rose mit dem Bild einer Rose oder mit dem Wort Rose. Auf der anderen Seite lieBe sich eine semantische Verbundenheit zwischen dem Duft und den anderen Modalitaten herstellen. So konnte z.B. das Bild eines Bauemhofs gezeigt und dazu der Duft von frischem Gras verstromt werden. Bisherige Untersuchungen zu einem „Crossmodal semantic priming" zwischen Duftstoffen und anderen Modalitaten sind zwar nicht bekannt; Anhaltspunkte daftir, dass semantische Verkniipftingen auch zwischen dem Duft und den anderen Modalitaten vorliegen, gibt es jedoch reichlich. Vor allem Studien zur Identifikation von Duftstoffen zeigen dies deutlich. So hat z.B. die Farbe einer Fllissigkeit einen Einfluss darauf, ob der Duftstoff richtig identifiziert wird (vgl. Zellner et al., 1991, S. 552ff.). Auch werden Duftstoffe als angenehmer beurteilt, wenn sie in einem semantischen Kontext zur Situation stehen. Dies lasst sich auch fiir das Marketing nutzen. So konnen die Marken durch semantisch passende Duftstoffe angereichert werden, um iiber eine verbesserte Fluency einen positiven Effekt auf die Markenbewertung und evtl. sogar auf die Markenwahl zu erzielen (vgl. auch Kapitel B 4.2).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

41

Zusammenfassung Sowohl die Perceptual als auch die Conceptual Fluency basieren auf den gleichen Grundannahmen. Je leichter ein Stimulus verarbeitet werden kann, desto besser gefallt er. Ftir die integrierte Markenkommunikation bietet die Tatsache, dass die semantische Ahnlichkeit einen signifikanten Einfluss auf das Gefallen und die Einstellung austibt, eine gute Grundlage, um die Marke zu starken, indem alle zur Kommunikation eingesetzten Modalitaten in Bezug auf das Positionierungsziel aufeinander abgestimmt werden. So kann schon allein durch eine erleichterte Verarbeitung der Markenkommunikation ein Gefallensvorsprung erreicht werden. Femer deuten die Ergebnisse der Studien darauf hin, dass durch eine verbesserte Conceptual Fluency die Einstellung zur Marke und die Markenwahl an sich positiv beeinflusst werden konnen. Aus den Ergebnissen der Fluency-Forschung folgt, dass eine Marke nur dann effizient aufgebaut werden kann, wenn alle zur Markenkommunikation eingesetzten Modalitaten aufeinander abgestimmt werden.

42

B. Theoretischer Rahmen

2.2 Kognitionspsychologische Zugange zur Erklarung von Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Reprasentation von Markeninformationen 2.2.1

Rahmenmodell zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Markeninformationen

Die Grundlage fiir die folgenden Ausfuhrungen zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Markeninformationen bildet das „klassische" Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin (vgl. Atkinson/Shiffrin, 1968, S. 92ff.).^^ Obwohl dieses Modell als zu undifferenziert kritisiert wird, stellt es doch die Grundlage fur die neuere Forschung dar, sodass es kurz dargestellt werden soil (vgl. u.a. Eysenck/Keane, 2000, S. 155; Gazzangia et al., 2002, S. 310). AnschlieBend werden neuere Entwicklungen beriicksichtigt. Das modulare Modell von Atkinson und Shiffrin besteht aus drei verschiedenen Gedachtnissystemen, die seriell, d.h. hintereinander, angeordnet sind (vgl. Abb. 12).

Abbildung 12: Quelle:

Mehrspeichermodell des menschlichen Gedachtnisses In Anlehnung an Shiffrin/Atkinson, 1969, S. 180.

Das Mehrspeichermodell von Atkinson und Shiffrin (1968) baut auf den Vorstellungen von Broadbent (1958) auf In Broadbents Modell geht der Informationsfluss sequenziell uber mehrere hintereinander geschaltete Speicher vonstatten. Die erste Stufe ist ein praattentives Verarbeitungssystem, das in hochgradig automatischer Form einfache physikalische Eigenschaften der eingehenden Reize analysiert. In dieser ersten Verarbeitungsstufe werden also viele Reize in wenig aufwandiger Form analysiert. Im weiteren Verlauf werden diese Reize gefiltert, sodass nur wenige einer tiefergehenden Analyse unterzogen werden. Dies erfolgt in einem Kurzzeitgedachtnisspeicher, in dem die Reize auch zum ersten Mai bewusst wahrgenommen werden. Hier erfolgt demnach eine Analyse hinsichtlich ihrer Bedeutung. Die verfiigbaren Ressourcen beschranken sich also auf sehr wenige Reize, die dann tiefer verarbeitet werden. Diese Stufe der Verarbeitung ist deutlich komplexer als die erste Stufe. In diesem Kurzzeitgedachtnisspeicher stehen die Informationen nur fur kurze Zeit zur Verfiigung und gehen verloren, wenn sie nicht standig wieder benutzt und dadurch aufgefrischt werden. Hierdurch unterscheidet sich das Kurzzeitgedachtnis vom Langzeitgedachtnis (vgl. Broadbent, 1958, S. 297ff). Das Modell von Broadbent (1958) ist die Basis vieler Mehrspeichermodelle, die unter der Bezeichnung „modale Modelle" zusammengefasst werden (vgl. Buchner/Brandt, 2002, S. 495).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

43

Ultrakurzzeitspeicher Der Ultrakurzzeitspeicher,

auch sensorischer Informationsspeicher

(SIS)^^ genannt,

ubemimmt die Reize, z.B. eines multimodalen Markenauftritts,

der sensorischen

Reizaufnahme und stellt sie fur die Weiterverarbeitung zur Verfiigung. Es wird davon ausgegangen, dass ftir jede Modalitat ein separates sensorisches System mit annahemd der gleichen Kapazitat existiert. Die Informationen werden nur ftir eine sehr kurze Zeit bereitgestellt, danach zerfallt die Gedachtnisspur nicht beachteter Informationen (vgl. Groeger, 1997, S. 20; Anderson, 2001, S. 175). Die Zeitspanne variiert je nach sensorischem System zwischen 0,1 Sekunden und einigen Sekunden (vgl. Mielke, 2001, S. 114; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 300f.). In dieser Zeit werden alle von den Sinnesorganen aufgenommenen Informationen bereitgehalten, sodass man von einer sehr groBen Menge an Daten im SIS ausgehen muss (vgl. Sperling, 1960, S. 26f; Shiffrin/Atkinson, 1969, S. 180). Bei der Ubertragung in den Kurzzeitspeicher gehen viele Informationen verloren, da ab einem gewissen Punkt die Verarbeitung nicht mehr parallel verlauft, sondem seriell („serieller Flaschenhals"). Die Aufmerksamkeit, also die Bereitschaft eines Individuums, Reize aus der Umwelt aufzunehmen, ist dabei die entscheidende Komponente. Sie beeinflusst, welche Informationen vom sensorischen Speicher in den Kurzzeitspeicher gelangen (vgl. Anderson, 2001, S. 75f ).^^ Besonders gut erforscht sind die sensorischen Systeme far das Sehen (ikonisches Gedachtnis)^^ und das Horen (echoisches Gedachtnis)^^ Fiir den Geruchssinn wird nur ein olfaktorisches Register angenommen (vgl. Atkinson/Shiffrin, 1968, S. 96; Mielke, 2001, S. 115).

Die einzelnen Komponenten des sensorischen Informationsspeichers werden auch sensorische Register genannt (vgl. Buchner/Brandt, 2002, S. 495). Einen guten Uberblick dariiber, wann und wie die Aufmerksamkeit zum Flaschenhals wird, geben Anderson (2001, S. 76ff) Oder auch Mielke (2001, S. 93ff). Das ikonische Gedachtnis wurde zuerst von Sperling (1960; 1963) erforscht. Er zeigte Probanden fur 50 Millisekunden eine Anordnung, bestehend aus drei Zeilen mit jeweils vier Buchstaben oder Zahlen. Dabei stellte er fest, dass die Probanden sich normalerweise nur vier bis funf der Buchstaben oder Zahlen merken konnten, aber davon berichteten, dass sie viel mehr gesehen hatten. Sperling (1960) schloss daraus, dass die Informationen schon verschwunden waren, bevor sie genannt werden konnten (vgl. Sperling, 1960, S. 4ff). Tiefergehende Betrachtungen zur Ubertragung der sensorischen Informationen stellten Loftus und KoUegen (1992) sowie Gegenflirtner und Sperling (1993) an. Erste Untersuchungen zum echoischen Gedachtnis wurden von Treisman (1964a; 1964b) mit sogenannten Beschattungsexperimenten durchgefiihrt. Die Probanden mussten einen Satz, den sie auf einem Ohr gehort hatten, laut wiederholen, wahrend sie auf dem anderen Ohr denselben Satz horten. Die Satze wurden nur als gleich erkannt, wenn sie innerhalb von zwei Sekunden aufeinander trafen (vgl. Treisman, 1964a, S. 209ff.; 1964b, S.450ff.).

44

B. Theoretischer Rahmen

Kurzzeitspeicher Die weitere Verarbeitung der Informationen erfolgt nach dem Modell von Shiffrin und Atkinson (1969) dann im Kurzzeitspeicher. Hier werden Informationen sowohl aus dem sensorischen Speicher als auch aus dem Langzeitspeicher zusammengebracht. Im Kurzzeitspeicher werden die Informationen langer festgehalten als im sensorischen Speicher. Um die genaue Lange festzulegen, wurde zunachst die Gedachtnisspanne ermittelt, welche die Zahl der Elemente bezeichnet, die unmittelbar nach der Darbietung wiedergegeben werden konnen (vgl. Anderson, 2001, S. 175; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 303). Nach Experimenten von Miller (1956) wird diese Zahl mit sieben plus/minus zwei angegeben (vgl. Miller, 1956, S. 90). Allerdings sagt dies nichts iiber die Zeitdauer der Speicherung aus, sondem nur iiber den Umfang. In einem klassischen Experiment hierzu wurde von Peterson und Peterson (1959) eine Zeitspanne von ca. 18 Sekunden ermittelt (vgl. Peterson/Peterson, 1959, S. 194ff). Allerdings ist es moglich, Informationen iiber einen langeren Zeitraum im Kurzzeitspeicher zu behalten, iiber das so genannte Rehearsal sowie das Chunking. Beim Rehearsal werden Informationen im Kurzzeitspeicher standig wiederholt. Dies wird als erhaltende Wiederholung bezeichnet („maintenance rehearsal"). Beim Chunking werden bedeutungsvoUe Informationseinheiten gebildet, sogenannte Chunks (vgl. Anderson, 1996, S. 356). Das Chunking ist ein Prozess der Rekonfiguration von Informationen, indem sie auf der Basis von Ahnlichkeiten oder anderen Organisationsprinzipien gruppiert werden (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 305). Auch konnen aus dem Langzeitspeicher Informationen hinzugezogen

werden,

sodass

z.B.

aus

der

Zahlenreihe

mit

20

Ziffem

,,16181870191419391990", fiinf Chunks mit wichtigen Ereignissen der deutschen Geschichte gemacht werden konnen [Ausbruch des 30-jahrigen Krieges (1618), des deutschfranzosischen Krieges (1870), des ersten und zweiten Weltkrieges (1914; 1939) sowie der Wiedervereinigung (1990)]. Ob Informationen dann schlieBlich in den Langzeitspeicher gelangen, hangt u.a. davon ab, wie leicht die Information gespeichert werden kann, z.B. ob sie in ein Schema passt oder ob sie wichtig ist (vgl. Shiffrin/Atkinson, 1969, S. 181ff). Gegen die Existenz eines einheitlichen Kurzzeitspeichers sprechen die Ergebnisse von Baddeley und Hitch (1974). Sie stellten fest, dass Probanden in der Lage sind, neben einer visuellen Gedachtnisspannenaufgabe auch die freie Reproduktion von akustisch dargebotenen Wortem zu leisten. Unter der Annahme, dass beide Aufgaben um verfligbare Ressourcen des Kurzzeitspeichers kampfen, hatte es zu einer Verschlechterung des freien Recalls kommen miissen. Dies war jedoch nicht der Fall (vgl. Baddeley/Hitch, 1974, S. 66ff). Aufgrund dieser

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

45

Ergebnisse entwickelte Baddeley sein Modell des Arbeitsgedachtnisses, welches heute als State-of-the-Art der Forschung gilt (vgl. ausfuhrlich Kapitel B 2.2.2). Ebenfalls gegen die obige Form eines Kurzzeitspeichers spricht, dass die Reproduktionswahrscheinlichkeit nicht von der Haufigkeit des Memorierens abhangt (vgl. Craik/Watkins, 1973, S. 604f.).

Langzeitspeicher Der Langzeitspeicher ist ein System mit enormer Speicherkapazitat. In ihm werden die verarbeiteten und zu kognitiven Einheiten organisierten Informationen langfristig gespeichert (vgl. Atkinson et al., 2000, S. 276), was zu substanziellen Gedachtnisspuren fiihrt. Die Kodiening unterschiedlicher Informationen erfolgt hauptsachlich anhand ihrer Bedeutung (vgl. Atkinson et al., 2000, S. 277). Dariiber hinaus existieren allerdings auch spezielle Kodiemngen fur die einzelnen Sinne. So weiB man beispielsweise, dass es sich um eine Rose handelt, wenn man an einer Rose riecht. Wie die einmal gespeicherten Informationen vergessen werden, ist strittig. Wahrend verschiedene Wissenschaftler davon ausgehen, dass die Informationen ganz verloren gehen („Trace decay theory") (vgl. u.a. Ebbinghaus, 1885, S. 85ff.; Loftus/Loftus, 1980, S. 415ff.), vertreten andere den Standpunkt, dass die gespeicherten Informationen nicht geloscht werden, sondem nur der Zugriff auf sie erschwert ist („Interferenztheorie") (vgl. u.a. Underwood, 1957, S. 49; Tulving, 1974, S. 74f.; Zechmeister/Nyberg, 1982, S. 35ff.; Atkinson et al., 2000, S. 278). Dies geschieht dadurch, dass Zugriffsreize

fehlen und es zu Inferenzen

(Uberlagerungen) mit anderen Informationen kommt. Bessere Zugriffsreize bedeuten also ein besseres Gedachtnis. In der Interferenztheorie unterscheidet man zwischen den proaktiven Interferenzen, bei denen zuerst gelemte Verbindungen zwischen Objekten das Lemen von neuen Verbindungen verhindem, und den retroaktiven Interferenzen, bei denen neue Informationen die alten uberlagem (vgl. Underwood, 1957, S. 49ff.; Zechmeister/Nyberg, 1982, S. 35ff. sowie Kapitel B 4.2). Zimbardo und Gerrig (2004) bezeichnen den Langzeitspeicher als die „Lagerhalle aller Erfahrungen, Ereignisse, Informationen, Emotionen, Fertigkeiten, Worter, Kategorien, Regeln und Beurteilungen" (Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 310), die man sich tiber den sensorischen Speicher und den Kurzzeitspeicher angeeignet hat (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 310). Es gelangen allerdings nur begrenzt Informationen vom Kurzzeit- in den Langzeitspeicher. Damit Informationen in diesen iibemommen werden, ist es vorteilhaft, wenn diese tiber mehrere Sinnesmodalitaten kommuniziert werden, da es so zu einer Wiederholung der

46

B. Theoretischer Rahmen

Informationen kommt. Diese Intensivierung des Lemens funktioniert aber nur, wenn die Informationen die gleiche Botschaft vermitteln (vgl. Schub von Bossiazky, 1991, S. 15f.). Fiir eine Trennung zwischen Kurzzeit- und Langzeitspeicher sprechen die Ergebnisse serieller Positionskurven. Bei Experimenten zum freien Recall von Wortem zeigte sich nach einer Darbietung von unzusammenhangenden Wortem, dass die ersten (Primacy-Effekt) und die letzten (Recency-Effekt) Worter am bestem reproduziert wurden (vgl. Rundus/Atkinson, 1970, S. lOOff.; Rundus, 1971, S. 66). Diese Ergebnisse ftihrten zu dem Schluss, dass es verschiedene Gedachtnissysteme geben muss (vgl. Bredenkamp, 1998, S. 57). Warum ist dieser Schluss nun zwingend? Es ist einleuchtend, wenn ein Proband ihm bekannte Worte in einem Experiment lemt: Beim Reproduzieren bekannter Worte wirken sowohl der PrimacyEffekt als auch der Recency-Effekt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Person die mittleren Worte nicht wirklich vergessen hat, sondem sie nur nicht der experimentellen Episode zuordnen kann. Tulving (1972) unterscheidet deshalb zwischen einem semantischen und einem episodischen System (vgl. Tulving, 1972, S. 385ff.). Der Langzeitspeicher ist also noch weiter zu spezifizieren, was in Kapitel B 2.2.3 mit einem Bezug zur Speicherung olfaktorischer Reize geschehen soil.

2.2.2 Informationsverarbeitung im Arbeitsgedachtnis Wie im vorherigen Kapitel erwahnt, kamen Baddeley und Hitch (1974) in einem ihrer Experimente zu dem Ergebnis, dass zwei verschiedene Aufgaben nebeneinander behandelt werden konnen, ohne dass die eine die andere im Wesentlichen beeintrachtigt (vgl. Baddeley/Hitch, 1974, S. 51ff; Baddeley, 2001, S. 852f ).^^ Aufgrund dieser Ergebnisse entwarfen Baddeley und Hitch (1974) ihr Modell des Arbeitsgedachtnisses. Der Kurzzeitspeicher ist hier kein Einspeichermodell mehr wie bei Shiffrin und Atkinson (1969), sondem ein Mehrkomponentenmodell (vgl. u.a. Baddeley/Hitch, 1974, S. 80), welches iiber die letzten Jahre weiter spezifiziert wurde (vgl. Baddeley, 1986, S. 70f; 2000a, S. 418; 2001, S. 858; 2002a, S. 52; 2002b, S. 93; Eisner, 2002a, S. 49).^^ Das Urspmngsmodell

bestand

zunachst

aus drei

Komponenten:

einer

zentralen

Kontrolleinheit, der „zentralen Exekutive", sowie zwei modalitatsspezifischen Subsystemen, dem

„visuell-raumlichen

Notizblock"

und

der

„phonologischen

Schleife"

(vgl.

Vgl. Baddeley (1986, S. 18ff.) zu einer detaillierten Beschreibung der Probleme des Kurzzeitspeichers nach Shiffrin und Atkinson (1969). ^^ Ein alternatives Modell wurde von Cowan (1988; 1995) entwickelt.

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

47

Baddeley/Hitch, 1974, S. 74ff.). Spater kam dann der episodische Puffer hinzu (vgl. Baddeley, 2000a, S. 421). Abbildung 13 zeigt die Verbindungen zwischen den verschiedenen Komponenten des Arbeitsgedachtnismodells von Baddeley (2000). Im Folgenden werden die von Baddeley entwickelten Systeme dargestellt, um abschlieBend eine Erweiterung des Arbeitsgedachtnisses um ein olfaktorisches System vorzunehmen.

Abbildung 13: Quelle:

Modell des Arbeitsgedachtnisses Baddeley, 2000a, S. 421.

Zentrale Exekutive Im Mittelpunkt des Modells steht die zentrale Exekutive („central executive"). Sie ist fur die Kontrolle der Aufmerksamkeit sowie fiir die Koordination der Informationen aus der phonologischen Schleife, dem visuell-raumlichen Notizblock sowie dem episodischen Puffer und somit auch indirekt fiir den Austausch mit dem Langzeitgedachtnis zustandig (vgl. Baddeley, 1996, S. 6ff.; Baddeley, 2000a, S. 418). Die zentrale Exekutive ist ein-an das „supervisory activating system"-Modell (SAS) von Norman und Shallice (1986) angelehntes-Aufmerksamkeitssystem (vgl. Baddeley, 1997, S. 102; 2000b, S. 87; 2001, S. 855f.).^^ Sie tritt immer in Aktion, wenn Aufgaben oder Handlungen das bewusste Planen Das SAS-Modell befasst sich mit der automatischen und der aufmerksamkeitsgesteuerten Handlungskontrolle (vgl. Norman/Shallice, 1986, S. 6ff.). Die menschlichen Handlungen werden in diesem Modell durch drei unterschiedliche Prozesse kontroUiert. Die vollautomatischen Handlungen werden durch vorhandene Schemata gesteuert (vgl. ausfiihrlich zu Schemata Kapitel B 2.3) und durch entsprechende „Triggerstimuli" aus dem Umfeld ausgelost. Eine teilautomatische Verarbeitung, die „contention scheduling", ist ein Konfliktregulationsprozess auBerhalb bewusster und willentlicher Kontrolle, der einem der verfugbaren Schemata auf Basis von Umfeldinformationen und der aktuellen Handlungsprioritat den

48

B. Theoretischer Rahmen

von Verhalten erfordem, wenn Handlungen selektiert und kontrolliert werden miissen oder wenn neue, schlecht gelemte Handlungssequenzen durchgefiihrt werden sollen (vgl. Shallice/Burgess, 1991, S. 129). Dazu steuert und kontrolliert die zentrale Exekutive Inhalt und Ablauf des Denkens mit Hilfe von Planen und legt fest, welche Informationen in welcher Art verarbeitet werden (vgl. Kluwe, 1997, S. 55ff.). Dariiber hinaus entwickelt sie komplexe Strategien zur Losung von Problemen und zur Realisiemng von Zielen (vgl. Baddeley, 1996, S. 5ff.). Schliefilich transferiert sie die Informationen aus den verschiedenen Subsystemen in den Langzeitspeicher oder ruft die gespeicherten Informationen wieder aus diesem ab, um sie dann gezielt zu verarbeiten (vgl. Baddeley, 1996, S. 22ff.).

Phonologische Schleife In die phonologische

Schleife

(„phonological

loop")^^ gelangen

akustische

und

artikulatorische Informationen. Diese werden in unterschiedlichen Subspeichem verarbeitet. So besteht die phonologische Schleife aus einem passiven „phonologischen Speicher" ^^, in dem akustische Informationen fiir bis zu zwei Sekunden festgehalten werden^^, sowie einem „artikulatorischeii KontroUprozess", in dem eine bestimmte Menge sprachbezogener Informationen durch Wiederholen vor dem Zerfall bewahrt werden (vgl. Salame/Baddeley,

Vorrang verschafft. Der dritte Prozess ist die willentlich-intentionale Kontrolle durch das SAS, das auf einer iibergeordneten Ebene agiert und immer bei Handlungsfehlem eingreift sowie ein flexibles Reagieren auf neue Situationen ermoglicht (vgl. Norman/Shallice, 1986, S. 3ff.; Shallice, 1988, S. 332fr.). Eine ganze Reihe gut untersuchter Gedachtniseffekte kann mit der phonologischen Schleife erklart werden. Z.B. besagt der Wortlangeneffekt, dass die Anzahl der Worter, die im Arbeitsgedachtnis bereitgehalten werden konnen, von der Lange der Worter abhangt. So hat sich gezeigt, dass es leichter ist, acht einsilbige Worter bereitzuhalten als acht funfsilbige Worter. Ausschlaggebend ist dabei die Aussprechdauer der Worter an sich, die natiirlich mit jeder Silbe steigt, und nicht die Anzahl der Silben (vgl. Baddeley et al., 1975, S. 576ff; Baddeley, 2002a, S. 54ff). Des Weiteren wird die Annahme einer phonologischen Schleife durch den Effekt der phonologischen Ahnlichkeit gestiitzt. Dieser besagt, dass ahnlich klingende Elemente (z.B. b, c, t) schlechter kurzifristig in einer Reihenfolge zu behalten sind als verschieden klingende (z.B. f, k, y, q) (vgl. Conrad/Hull, 1964, S. 430f; Baddeley, 1966, S. 363f; Baddeley, 2000b, S.419). Die Zusammengehorigkeit der beispielhaft genannten Buchstaben ist aber immer abhangig von deren jeweiliger Betonung innerhalb verschiedener Lander. Ein Beweis fur einen separaten phonologischen Speicher ist der Effekt unbeachteter Sprache. Hierbei vermindem irrelevante Hintergrundgerausche die Behaltensleistung ftir gelesene Worter. Je sprachahnlicher die Informationen werden, desto eher storen sie, da sie dann den phonologischen Speicher starker belegen. So konnten Salame und Baddeley (1989) z.B. zeigen, dass Gesang das Behalten mehr stort als Instrumentalmusik (vgl. Salame/Baddeley, 1989, S. 109ff). Es hat sich allerdings gezeigt, dass auch stark rhythmische und melodisch abwechselungsreiche Instrumentalmusik in diesem Sinne storend sein kann (vgl. Klatte/Hellbriick, 1993, S. 94ff.). Dies deutet darauf hin, dass nicht die Sprachahnlichkeit der entscheidende Faktor ist, sondem die Menge der „Zustandsveranderungen" im unbeachteten Kanal (vgl. Jones, 1993, S. 98ff). Baddeley (1997, S. 59) setzt die Kapazitat des phonologischen Speichers mit der urspriinglichen Form der Gedachtnisspanne gleich (sieben Ziffem). Dies hat sich bewahrt, obwohl sich herausgestellt hat, dass die Gedachtnisspanne stark variieren kann (vgl. Liier et al, 1998, S. 105ff), da das Produkt aus Gedachtnisspanne und Artikulationszeit fur eine Informationseinheit konstant bei zwei Sekunden liegt (vgl. Bredenkamp, 1998, S. 54; Luer et al., 1998, S. 107).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

49

1982, S. ISlff.; Baddeley, 1986, S. 84f.; Baddeley, 1992, S. 8ff.; Gathercole/Baddeley, 1993, S. 8ff.). Des Weiteren konnen visuell prasentierte sprachliche Informationen (z.B. dieser Text) beim Lesen in einen artikulatorischen Kode iibersetzt und dann ebenfalls in der phonologischen Schleife gespeichert werden. Raumlich-visueller Notizblock Im raumlich-visuellen Notizblock („visuospatial sketchpad") werden die visuellen und raumlichen Informationen kurzfristig gespeichert und manipuliert (vgl. Baddeley, 2002a, S. 71). Er ist also fiir die Verarbeitung von visuellen sowie raumlichen Wahmehmungen und Vorstellungen zustandig (vgl. Logic, 1995, S. 69ff.). Dagegen gelangen sprachliche Informationen nur nach geeigneter modalitatsspezifischer Umkodierung in den raumlichvisuellen Notizblock (vgl. Baddeley, 2001, S. 854). Nach Logic (1989; 1995) kann der raumlich-visuelle Notizblock ebenso wie die phonologische Schleife in zwei Subsysteme untergliedert werden: in einen passiven visuellen Speicher und in einen aktiven raumlichen Kontrollprozess (vgl. Logic, 1989, S. 280; 1995, S. 71ff.). Erhartet wird diese Vorstellung durch Ergebnisse von Smith und Jonides (1997), die in Abhangigkeit davon, ob eine raumliche Position oder die Form eines Objektes memoriert werden sollte, unterschiedliche Himaktivitaten messen konnten (vgl. Smith/Jonides, 1997, S. 15f.). Auch die Lemergebnisse in Abhangigkeit von der Leminstruktion (visual imagery vs. rote rehearsal) und von Storungen beim Lemen (dynamic visual noise vs. irrelevant speech) von Quinn und McConnel (1996) sprechen eindeutig far eine Unterteilung des raumlich-visuellen Notizblocks in zwei Subsysteme (vgl. Quinn/McConnell, 1996, S. 205ff.).

Episodische Puffer Mit dem erst ktirzlich in das Modell eingefuhrten episodischen Puffer („episodic buffer") wird der Kritik Rechnung getragen, dass das Langzeitgedachtnis im bisherigen Modell nicht ausreichend berucksichtigt wurde.^^ Der episodische Puffer ist ein temporares System mit begrenzter Speicherkapazitat, in dem die Informationen in einem multimodalen Kode bereitgehalten werden. Er ist in der Lage, Informationen aus verschiedenen Ressourcen zu integrieren und zu verarbeiten. Der episodische Puffer dient dabei als eine Art Interface

Ausfiihrlich zur Kritik am Modell von Baddeley vergleiche Cowan (1993, S. 163f.), Ericsson und Kintch (1995, S. 212ff.) und Engelkamp (1997).

50

B. Theoretischer Rahmen

zwischen den anderen Systemen, die mit unterschiedlichen Kodes arbeiten (vgl. Baddeley, 2002b, S. 91).^^ Die Informationen im episodischen Puffer beziehen sich aber immer auf Episoden, also Informationen, die iiber Zeit und Raum integriert sind.^^ Die zentrale Exekutive steuert den Inhalt des episodischen Puffers, indem sie festlegt, auf welche Systeme (phonologische Schleife, raumlich-visueller Notizblock und/oder Langzeitspeicher) zugegriffen wird. Der episodische Puffer modelliert aber nicht nur die Umwelt, sondem ermoglicht auch neue kognitive Wissensstrukturen, die bei der Problemlosung helfen konnen (vgl. Baddeley, 2000b, S. 421f.; Baddeley, 2002b, S. 91ff.).

Chemosensorsiche Behalter und somatosensorischer Hohlraum Neuere wissenschaftliche Arbeiten gehen davon aus, dass das Arbeitsgedachtnis aus mehreren modalitatsspezifischen Speichem besteht (vgl. Bednorz/Schuster, 2002, S. 238; Eisner, 2002a, S. 49; Eisner, 2002b, S. 30; Larsson, 2002, S. 238). In der Erweitung des Arbeitsgedachtnismodells durch Eisner (2002a; 2002b) wurden neue Hilfssysteme eingefiihrt, die chemosensorischen Behalter („chemosensory receptacle") und der somatosensorische Hohlraum („somatosensory cavity") (vgl. Abb. 14). Der Einfachheit halber fasst er die chemischen Sinne zunachst einmal zusammen, obwohl er davon ausgeht, dass sie jeweils ein eigenes Hilfssystem besitzen. Die zentrale Exekutive kann demnach einen Duft untersuchen und durch einen Abgleich mit dem Langzeitspeicher bestimmen, um welchen Duft es sich handelt (vgl. Larsson, 2002, S. 238). Larsson (2002) geht davon aus, dass sowohl die Duftdiskrimination als auch die Duftidentifikation im Arbeitsgedachtnis durchgeftihrt werden, da in beiden Fallen eine flUchtige Representation des Zielduftes vorliegen muss, die dann zum Vergleich herangezogen wird (vgl. Larsson, 2002, S. 238). Diese Idee eines eigenen olfaktorisches Subsystems wird auch durch die Uberlegungen von Wippich (1990) sowie White und Treisman (1998) gestUtzt, die zeigen konnten, dass es ein olfaktorisches Kurzzeitgedachtnis gibt (vgl. Wippich, 1990, S. 687ff.; White/Treisman, 1997, S. 467ff.).

Fiir die Existenz eines solchen Speichers sprechen die Ergebnisse von Prabhakaran und Kollegen (2000, S. 89). Hier sieht Baddeley (2002b) eine Ahnlichkeit zwischen dem episodischen Puffer und Tulvings episodischem Langzeitspeicher. Der grofie Unterschied liegt allerdings darin, dass der episodische Puffer nur ein zeitlich begrenzter Speicher ist (vgl. Baddeley, 2000b, S. 421).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

Abbildung 14: Quelle:

2.2.3

51

Struktur des Arbeitsgedachtnisses In Anlehnung Eisner, 2002b, S. 30.

Speicherung olfaktorischer Reize in unterschiedlichen Gedachtnissystemen

Schon sehr friih erkannte Tulving (1972), dass das menschliche Langzeitgedachtnis nicht aus einer Einheit besteht (vgl. Tulving, 1972, S. 385ff.). Vielmehr gibt es verschiedene Subsysteme, die durch unterschiedliches Lemen von Informationen gespeist werden (vgl. Tulving, 1985, S. 387ff.; Gabrieli et al, 1995, S. 78ff.; Gabrieli, 1999, S. 21 Iff.; McDonald et al., 1999, S. 94; Tulving, 1999, S. 16ff.). Es ist inzwischen sehr verbreitet, das Langzeitgedachtnis grob in ein deklaratives und ein nicht-deklaratives Gedachtnis zu unterteilen (vgl. Schacter/Tulving, 1994, S. 26; Gazzangia et al, 2002, S. 314). Das deklarative Gedachtnis wird oftmals auch mit dem expliziten und das nicht-deklarative mit dem impliziten Gedachtnis gleichgesetzt (vgl. Squire, 1987, S. 170; Squire et al., 1990, S. 1014f.; Schacter/Tulving, 1994, S. 24; Atkinson et al., 2000, S. 289; Gazzangia et al., 2002, S. 314). Im deklarativen Gedachtnis werden Fakten und Ereignisse gespeichert. Dies erfolgt jedoch in zwei getrennten Systemen, wobei die Fakten im sogenannten semantischen und die Ereignisse im episodischen System gespeichert werden.

52

B. Theoretischer Rahmen

Hingegen ist im nicht-deklarativen Gedachtnis abgelegt, wie Dinge getan werden sowie die Art und Weise, wie perzeptuelle, kognitive und motorische Fahigkeiten erworben, aufrechterhalten und angewandt werden (vgl. Abb. 15) (vgl. Schacter/Tulving, 1994, S. 24f.). Hierbei handelt sich es also vor allem um das Wissen „wie", wahrend beim deklarativen das Wissen „dass" abgespeichert ist (vgl. Atkinson et al., 2000, S. 289; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 296).

Im

Folgenden

werden

Studien

und

Uberlegungen

zu

den

einzelnen

Gedachtnissystemen mit einer Verkntipfung zur Olfaktorik dargestellt.

Abbildung 15: Quelle:

Zusammenhang zwischen verschieden Gedachtnissystemen In Anlehnung an Atkinson et al., 2000, S. 289 und Larsson, 2002, S. 233.

Deklaratives Gedachtnis Auch Diifte werden im deklarativen Gedachtnis semantisch und episodisch gespeichert. Beim semantischen Gedachtnis mit einem Bezug zu Diiften spielt das Wissen oder die Erfahrung einer Person mit einem speziellen Duft eine Rolle, nicht raumliche und zeitliche Aspekte. Das semantische Gedachtnis wird aktiviert, wenn es um die Duftidentifikation, die Beurteilung der Duftfamiliaritat oder einfach nur um die Beurteilung der Valenz des Duftes geht (vgl. Larsson, 2002, S. 235). Untersuchungen zeigen, dass die Fahigkeit des Menschen, Dufte richtig zu identifizieren, im Gegensatz zu den anderen Modalitaten eher bescheiden ist. Die Zahl der richtig identifizierten Diifte variiert je nach Studie sehr stark, wobei zu beachten ist, dass die Studien teils mit relativ bekannten, teils mit sehr selten wahrgenommenen Diiften arbeiten. In einer friihen Studie konnte Sumner (1962) zeigen, dass der Duft von Kaffee von 82% der Probanden richtig erkannt wurde, der Duft von Nelken aber nur von 20% (vgl. Sumner, 1962, S. 896). Verschiedene Studien kommen zu ca. 40-50%) gelungener

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

53

Identifikationen der dargebotenen Dtifte (vgl. Sumner, 1962, S. 896; Engen/Ross, 1973, S. 224; Lawless/Engen, 1977, S. 58; Cain, 1982, S. 57). Die allgemein eher schlechte Leistung zur Identifikation von Dtiften wird darauf zuruckgefuhrt, dass die Menschen Schwierigkeiten haben, die Namen der Dufte aus dem Gedachtnis abzurufen (vgl. Cain, 1982, S. 56ff.). Dies entspricht weitestgehend dem „Tip-of-the-nose"-Phanomen, bei dem einer Person der Duft bekannt vorkommt, ohne dass sie ihn benennen kann (vgl. Lawless/Engen, 1977, S. 57). Cain (1979; 1982) zeigte aber, dass die Fahigkeit zur Geruchsbestimmung durch Ubung deutlich verbessert werden konnte (vgl. Cain, 1979, S. 467ff.; Cain, 1982, S. 56). So stieg die Zahl der richtig identifizierten Diifte nach funf Sessions von 60% auf 77%. Wurden die Probanden nach jeder Session bei Fehlem korrigiert, stieg die Zahl der richtig identifizierten Dufte auf 93% (vgl. Cain, 1979, S. 468). Das episodische Gedachtnis ist zustandig fiir das Speichem und Abrufen von raum- und zeitbezogenen Informationen. Es handelt sich dabei um einen bewussten Erinnerungsprozess an bestimmte personlich erfahrene Ereignisse (vgl. Tulving, 1993, S. 37). Die Erinnerungen sind also autobiographischer Natur. Dufte scheinen hervorragende Ausloser solch autobiographischer Erinnerungen zu sein (vgl. Rubin et al., 1984, S. 497ff.; Herz, 1998, S.671ff.; Herz/Schooler, 2002, S. 26f.; Chu/Downes, 2002, S. 513ff.; Herz, 2004, S.219). Des Weiteren haben fi^here Studien zum episodischen Gedachtnis von Diiften ergeben, dass deren Speicherung sich auffallig von der Speicherung verbaler oder visueller Informationen unterscheidet (vgl. Larsson, 2002, S. 239). Sie haben beispielsweise eine sehr flache Vergessenskurve (vgl. Engen/Ross, 1973, S. 223; Lawless, 1978, S. 494; Rabin/Cain, 1984, S. 319ff.; Murphy et al., 1991, S. 165ff). Diese wird mit der starken proaktiven Interferenzbildung von Diiften erklart (vgl. Lawless/Cain, 1975, S. 335ff.; Engen, 1987, S. 498ff.). AUerdings gibt es neuere Studien, die eine ahnliche Vergessenskurve annehmen wie bei den anderen Modalitaten (vgl. Larsson, 1997, S. 626ff.). Es ist festzuhalten, dass semantisches und episodisches Gedachtnis nicht unabhangig voneinander arbeiten. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Erinnerungsleistung fiir Diifte steigt, wenn diese richtig identifiziert wurden (vgl. Rabin/Cain, 1984, S. 319ff.). Das vorhandene semantische Wissen wird also bei der Speicherung von neuen Diiften berucksichtigt und wirkt sich positiv auf die Gedachtnisleistung aus (vgl. Larsson, 1997, S. 628; 2002, S. 239).

54

B. Theoretischer Rahmen

Nicht-deklaratives Gedachtnis Das nicht-deklarative Gedachtnis kann weiter unterteilt werden in ein prozedurales System und ein „Perceptual Representation"-System (vgl. Schacter/Tulving, 1994, S. 24ff.; Schacter et al, 2000, S. 635f.; Larsson, 2002, S. 232ff.). Im prozeduralen Gedachtnis wird Wissen von Fertigkeiten etc. gespeichert. Dieses Wissen kann nur indirekt abgefragt werden, da es unbewusst ist. Schacter und Tulving (1994) unterteilen das prozedurale Gedachtnis in weitere Subeinheiten wie Konditionierung, nicht assoziative Formen des Lemens (z.B. Habitualisierung) sowie Fertigkeiten (skills) (vgl. Schacter/Tulving, 1994, S. 24f.).'*^ Das prozedurale Gedachtnis wird im Gegensatz zu anderen Gedachtnisformen wenig durch den Lauf der Zeit beeinflusst. So konnen wir beispielsweise selbst dann noch Fahrrad fahren, wenn wir es vor zwanzig Jahren das letzte Mai gemacht haben. Auch Konditionierungen auf bestimmte Stimuli konnen nach Jahren noch genau die gleiche Reaktion auslosen (vgl. Robin et al., 1999, S. 330ff.). Die bekannteste Studie hierzu stammt von Robin und Kollegen (1999). Sie mafien die Emotion „Angst haben". Dabei konnten sie zeigen, dass Probanden, die Angst vor dem Zahnarzt haben, allein durch den Geruch von Eugenol, der haufig in Zahnarztpraxen verwendet wird, diese Angst verspiirten (vgl. Robin et al., 1999, S. 331). Bine besondere Bedeutung hat das prozedurale System vor allem

bei

Duftaversionen

und

den

oftmals

damit

zusammenhangenden

Geschmacksaversionen (vgl. Larsson, 2002, S. 232ff.). Das „Perceptual Representation"-System ist von besonderer Bedeutung fiir das Priming. Priming kann beschrieben werden als der Effekt eines zuerst aufgenommenen Reizes (Prime) auf die Verarbeitung eines zweiten Reizes (Zielreiz), welcher entweder dem ersten entspricht oder mit ihm verbunden ist (vgl. Tulving/Schacter, 1990, S. 301). Durch das vorherige Aktivieren eines Schemas wird die Verarbeitung des zweiten Reizes gefordert. Bisher wurden im Gegensatz zu den anderen Modalitaten kaum Studien zum Duftpriming durchgefiihrt. Eine der wenigen stammt von Olsson und Cain (1995). Sie konnten zeigen, dass Dtifte schneller identifiziert werden, wenn sie vorher schon selbst als Prime dienten (vgl. Olsson/Cain, 1995, S. 753). Zum gleichen Ergebnis kamen Koenig und Kollegen (2000) in ihrer Studie. Sie untersuchten dabei die Antwortzeiten auf die Frage der Essbarkeit der mit dem Duft verbundenen Produkte (vgl. Koenig et al., 2000, S. 705f.).

"*' Gazzangia und Kollegen sehen im prozeduralen Gedachtnis nur die Fertigkeiten und siedeln die Konditionierung und die nicht assoziativen Formen des Lemen auf einer Ebene mit den anderen beiden Formen an (vgl. Gazzangia et al., 2002, S. 314).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

55

2.3 Amodale Reprasentation von Wissen Im vorherigen Kapitel wurde gezeigt, dass Wissen im Gedachtnis in unterschiedlichen Systemen gespeichert wird. Nun ist zu untersuchen, wie das Wissen reprasentiert ist. Grundsatzlich versteht man unter Reprasentation jede Notation, jedes Zeichen oder Symbol, das etwas fur uns „re-prasentiert", also etwas wiedergibt. Diese konnte theoretisch extern, z.B. in einer Notiz auf einem Blatt Papier, oder aber intern im Gedachtnis des Menschen, also mental, vorliegen (vgl. Eysenck/Keane, 2000, S. 244ff.). Im Kontext dieser Arbeit interessiert nur die interne Reprasentation von Wissen, d.h. wie Informationen im Langzeitgedachtnis abgelegt werden. Hierfur gibt es unterschiedliche Ansatze. Nach einer verbreiteten Auffassung wird das Wissen in Form von netzwerkartig verbundenen Konzepten gespeichert (vgl. Quillian, 1966, S. 13ff.; Collins/Quillian, 1969, S. 240ff.; Rumelhart et al, 1972, S.201ff.;

Anderson/Bower,

1973,

S. 135ff.;

Collins/Loftus,

1975,

S. 412ff.;

Rumelhart/Norman, 1978, S. 38). ^^ Hierbei bilden Propositionen die elementaren Bausteine der Netzwerke. Diese sind zwar sinnvoU zur Abbildung von kleineren Informationseinheiten, nicht aber dazu, groBere Wissenseinheiten darzustellen (vgl. Anderson, 2001, S. 156). Hierfur eignet sich die Schematheorie erheblich besser (vgl. Anderson, 2001, S. 156; Esch, 2001, S. 80ff.). Da es in der vorliegenden Arbeit um den Aufbau von Markenwissen geht und dieses, wie in Kapitel B 1.2 gezeigt, eine sehr groBe und komplexe Struktur haben kann, wird hier fur die weiteren Ausfiihrungen auf die Schematheorie zuriickgegriffen. Im Folgenden werden zunachst die Grundlagen der Schematheorie erlautert, anschlieBend ihr Einfluss auf die Aufnahme, die Verarbeitung und die Speicherung sowie den Abruf von Markeninformationen erklart.

2.3.1

Grundlagen der Schematheorie

Begriffliche Grundlagen Die schematheoretischen Uberlegungen gehen auf Sir Frederic Bartlett (1932) zuriick. Er war davon beeindruckt, wie das Verstandnis von Ereignissen und die Erinnerung an diese durch die Erwartungen von Personen gepragt wurden (vgl. Eysenck/Keane, 2000, S. 253). Er nahm an, dass diese Erwartungen in einer schematischen Art und Weise reprasentiert waren (vgl.

"^^ Engelkamp und Pechmann (1993) definieren den Begriff der mentalen Reprasentation sehr weit. Nach ihren Vorstellungen wird mil diesem Begriff „auf die systemintemen Zustande verwiesen, von denen man annimmt, dass sie systemexteme Zustande abbilden" (Engelkamp/Pechmann, 1993, S. 7).

56

B. Theoretischer Rahmen

Eysenck/Keane, 2000, S. 253)."^^ Erst in den 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts wurde diese Idee wieder verstarkt aufgegriffen und seither entstanden immer wieder neue Theorien.'^'^ Der Begriff des Schemas wird allerdings bis heute in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich bezeichnet^^ und definiert. Selbst innerhalb der kognitiven Psychologie gibt es bis heute keine einheitliche, allgemeingultige Theorie (vgl. Alba/Hasher, 1983, S. 203; Fiske/Dyer, 1985, S. 839f.; Mandl et al, 1988, S. 124; Edelmann, 2000, S. 206; Esch, 2001, S. 85; Langner, 2003, S. 63). Allerdings herrscht weitestgehend Einigkeit daruber, dass Schemata Wissen reprasentieren, welches fur das Verstandnis von Sachverhalten und Objekten notwendig ist (vgl. z.B. Rumelhart/Ortony, 1977, S. 11 Iff.; Alba/Hasher, 1983, S. 203; Edelmann, 2000, S. 206). Sie werden daher auch zu Recht als die zentralen kognitiven Bausteine angesehen, auf denen alle Informationsverarbeitungsprozesse basieren (vgl. Rumelhart, 1980, S. 34; Mandler, 1982, S. 3; Mandl et al., 1988, S. 124; Grunert, 1991, S. 11; Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 344; ahnlich Minsky, 1975, S. 21 Iff.). Schemata sind demnach komplexe Wissensstrukturen, in denen aufgrund von Erfahrungen typische Zusammenhange eines bestimmten Realitatsbereiches reprasentiert sind (vgl. Mandl etal, 1988, S. 124). In dieser Arbeit wird auf eine Schemadefinition nach Esch (2001) zuriickgegriffen, die sich in der verhaltenswissenschaftlichen Marketingforschung bewahrt hat. Nach dieser Definition sind Schemata „grol3e, komplexe Wissenseinheiten (...), die die typischen Eigenschaften, also quasi feste, standardisierte Vorstellungen umfassen, die man von bestimmten Sachverhalten, Objekten oder Ereignissen hat" (Esch, 2001, S. 85)."^^ Man konnte nun den Eindruck gewinnen, dass Schemata vor allem sachliche und sprachliche Inhalte reprasentieren. Dies ist In einem seiner beriihmten Experimente gab Bartlett (1932) Englandem eine indianische Erzahlung, die sie sich merken sollten. Die Geschichte entsprach in ihrer kausalen Struktur nicht den Erwartungen der Englander. Spater fragte er die Geschichte wieder ab und wie er es erwartet hatte, wurde sie aus der Sicht der westlichen Welt erzahlt (vgl. Eyseclc/Keane, 2000, S. 253). Die Geschichten wurden den eigenen Erfahrungen und Erwartungen angepasst (vgl. Cohen, 1996, S. 77; siehe zu den verschieden Moglichkeiten der Schemaanpassung Kapitel B 2.3.2). Einen guten Uberblick iiber die verschiedenen Theorien geben Thomdyke und Yekovich (1980) sowie Alba und Hasher (1983). Schemata und die Begriffe „Stereotype" (vgl. Rey, 1983, S. 237ff.; VenkatramanA^illarreal, 1984, S. 355), „Frames" (vgl. Minsky, 1975, S. 212) oder „Scripts" (vgl. Schank/Abelson, 1977, S. 36ff.) bezeichnen ungefahr das Gleiche. Wie stark standardisiert manche Vorstellungen sind, zeigten Rubin und Kontis (1983). Sie konnten nachweisen, dass US-Burger ein sehr generelles Schema fur die US-Miinzen haben, sich in ihren Vorstellungen die Miinzen aber immer noch unterscheiden. Wahrend das Gesicht des Prasidenten Lincoln auf den Original-Centmiinzen nach rechts sieht, schauen die Prasidenten auf den anderen Miinzen nach links. Des Weiteren steht im Original auf alien Munzen „In god we trust", „Liberty" und die Jahreszahl der Pragung, jedoch an unterschiedlichen Stellen. Die Zeichnungen der Probanden waren alle sehr ahnlich. Sie lieBen alle die Prasidenten nach links sehen und auch der sonstige Aufbau der Munzen war iiberwiegend gleich. So stand oben „In god we trust", rechts die Jahreszahl und unten der Wert der Miinze (vgl. Rubin/Kontis, 1983, S. 336ff).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

57

jedoch nicht der Fall (vgl. Marcus/Zajonc, 1985, S. 142; Clore, 1992, S. 135). Vielmehr umfassen sie auch nonverbale Reize (z.B. Bilder und Dtifte) (vgl. Fiore et al., 2000, S. 31). So besitzt man beispielsweise Schemavorstellungen davon, wie eine typische Rose aussieht und riecht, oder wie ein typisches Schwimmbad von innen aussieht und dass es dort nach Chlor riecht. Dass nonverbale Reize ebenfalls in den Schemata reprasentiert sind, ist, wie Esch (1998)

schon

friih

anmerkte,

„unter

den

herrschenden

Markt-

und

Kommunikationsbedingungen fixr die integrierte Kommunikation besonders wichtig" (Esch, 1998, S. 86; ebenfalls Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 235; Ruge, 2005, S. 245).^^ Eine Person besitzt zu alien ihr bekannten Sachverhalten Schemata. Ein Autoschema umfasst dabei typische Vorstellungen: Es hat vier Rader, einen Verbrennungsmotor etc. Allerdings gibt es auch Autos mit einem Elektromotor, was aber bisher noch eher untypisch ist. Dieses Wissen hangt somit vom individuellen Kenntnisstand ab. Jeder hat auch mehr oder weniger konkrete Schemata von unterschiedlichen Marken. So sind beispielsweise bei Maggi der Geruch und der Geschmack der Maggi-Wiirze ebenso im Markenschema verankert wie der gelbe Schriftzug auf rotem Untergrund oder aber auch die unterschiedlichen Produkte wie die verschiedenen Tiitensuppen etc. Starke Marken haben dabei ausgepragtere und einzigartigere Schemastrukturen (vgl. Esch, 2005, S. 73f.; Geus, 2005, S. 151ff. sowie ausfiihrlich Kapitel B 1.2).

Eigenschaften von Schemata Schemata haben eine Reihe von charakteristischen Eigenschaften (vgl. Rumelhart/Ortony, 1977, S. lOlff.; Anderson/Pearson, 1984, S. 259ff.; Rumelhart, 1984, S. 164ff.; Mandl et al., 1988, S. 125f.; Anderson, 2001, S. 157f.; Esch, 2001, S. 88f.): 1.

In den einzelnen Schemata ist das Wissen in einer Struktur von Leerstellen reprasentiert, den sogenannten Slots. Bei einer Aktivierung des Schemas werden diese Slots dann mit Auspragungen (Werten) der einzelnen Exemplare gefiillt (vgl. Anderson, 2001, S. 156f.). Rumelhart und Ortony (1977) sprechen in diesem Zusammenhang auch von Instantiierung eines Schemas (vgl. Rumelhart/Ortony, 1977, S. 102). In dem oben angesprochenen Autoschema kann ein bestimmtes Merkmal, z.B. die Motorart, mit unterschiedlichen Auspragungen belegt werden (Benzin-, Diesel- oder eben auch ein Elektromotor). Wird keine spezifische Auspragung eines Objektes aus der Umwelt

Vgl. ausfiihrlich zu den herrschenden Markt- und Kommunikationsbedingungen (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 13ff.; Esch, 2005, S. 27ff.; EschAVicke/Rempel, 2005, S. 13ff.).

58

B. Theoretischer Rahmen aufgenommen, wird dieser Slot durch typische Standardwerte (default values) aufgefiillt (vgl. Rumelhart, 1984, S. 164f.; Anderson, 2001, S. 157), so z.B., dass ein Auto vier Rader hat. Die unterschiedlichen Objekte konnen einfach durch die Variabilitat der Leerstellen beschrieben werden.

2.

Schemata sind hierarchisch organisiert, d.h., es existiert in jedem Schema ein besonderer Slot, der angibt, zu welcher ubergeordneten Kategorie das Schema gehort. So kommt es zu einer Vielzahl von tJber- und Unterordnungsverhaltnissen (vgl. Mandl et al., 1988, S. 125; Anderson, 2001, S. 157). In dem angesprochenen Beispiel gehort das Auto zum ubergeordneten Schema „Kraftfahrzeuge". Innerhalb der Kategorie Auto gibt es aber noch weitere Schemata, z.B. fur Rader, in dem dann Werte wie ZollgroBe, Chromfelgen etc. als Auspragungen vorkommen.

3.

Damit die verschiedenen Hierarchiestufen nicht immer alle Auspragungen selber „vorhalten" miissen, geht man davon aus, dass es einen Vererbungsmechanismus gibt. Solange keine abweichenden Informationen aufgenommen werden, erbt das Schema die Slots und deren Auspragungen vom iibergeordneten Schema (vgl. Anderson, 2001, S. 157; Esch, 2001, S. 88). In unserem Beispiel wtirde das Schema von Toyota von dem iibergeordneten Schema Auto zunachst alle Slots erben. Innerhalb des Toyotaschemas gabe es dann wieder verschiedene Schemata fur unterschiedliche Modelle. So wiirde z.B. der Toyota Prius die Slots und Auspragungen von Toyota erben. Allerdings wiirde der Slot Motorart mit einer anderen Auspragung besetzt, da der Toyota Prius einen Hybridantrieb besitzt. Die Schemata werden innerhalb der Hierarchic von oben nach unten immer konkreter (vgl. Esch, 2001, S 88; Langner, 2003, S. 66). Fiir die Markenpositionierungsstrategien

bedeutet

dieser

Vererbungsmechanismus,

dass

differenzierende Merkmale in das Markenschema eingebaut werden miissen, da die Marke sonst vollkommen generisch ist. Hierzu eignen sich natiirlich auch Duftstoffe, da sie eine groBe Vielfalt bieten, sodass eine Differenzierung leicht moglich ist. 4.

Auch Emotionen konnen ein Bestandteil von Schemata sein (vgl. Fiske/Linville, 1980, S. 551; Fiske, 1982, S. 73; Mandler, 1982, S. 4ff; Mandler, 1984, S. 209ff; Clore, 1992, S. 135; Garramone, 1992, S. 150ff; Ulich et al., 1999, S. 54; Ulich, 2000, S. 379). Diese emotionalen Schemata"^^ ermoglichen eine Bedeutungsaquivalenz zwischen verschiedenen Ereignissen und fuhren so zu einer konsistenten emotionalen Reaktion (vgl. Ulich, 1992, S. 89; Ulich et al., 1999, S. 54; Ulich, 2000, S. 379). Inwiefem nun Zur Klassifikation emotionaler Schemata vergleiche Kroeber-Riel und Esch (2004, S. 226ff.).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

59

emotionale Regungen mit einem bestimmten Ereignis verkniipft werden, hangt davon ab, iiber welche emotionalen Schemata ein Mensch verfiigt, welche davon aktiviert werden und wie der situative Kontext und die momentane Verfassung die Aktivierung beeinflussen (vgl. Ulich, 1992, S. 86). Emotionale Schemata steuem somit die menschliche Gefuhlswelt auf eine ahnliche Art und Weise, wie dies die kognitiven Schemata bei der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen tun (vgl. Ulich etal., 1999, S. 54). 5.

Ein Schema kann sowohl generisches als auch episodisches Wissen enthalten (vgl. Anderson/Pearson, 1984, S. 259ff.). Das generische Wissen ist, vereinfacht gesagt, allgemeines Wissen iiber Sachverhalte wie z.B., dass „alle Autos fahren". Episodisches Wissen hingegen bezieht sich auf bestimmte zeitliche und raumliche Ereignisse. Es ist von autobiographischer Natur. So kann ein Autoschema personliche Erlebnisse enthalten, wie den Kauf des ersten eigenen Wagens und den Geruch beim ersten Einsteigen. Sieht man spater einen Wagen des gleichen Typs, so denkt man an seinen ersten Autokauf und noch mehr an bestimmte Erlebnisse mit diesem Auto zuriick. Stiege man dann auch noch ein und es roche auch noch so ahnlich, waren diese Gedanken an friihere Ereignisse noch lebendiger, da Diifte starke autobiographische Erlebnisse auslosen, die emotionaler und lebendiger sind als solche, die nur durch Worte Oder Bilder ausgelost werden (vgl. Herz, 1996, S. 614f.; Chu/Downes, 2000, S. I l l ; Herz, 2004, S. 219).

6.

Jedes Schema hat neben der Struktur- auch eine sehr ausgepragte Prozesskomponente. So entfalten Schemata eine Reihe von Kontrollprozessen wie z.B. die Bewertung der Passung bzw. der Kongruenz der eingehenden Informationen und rufen - falls notig andere Schemata auf (vgl. Mandler, 1982, S. 15ff.; Rumelhart/Norman, 1988, S. 537; Mandl et al., 1988, S. 126). Das lasst ahnen, wie wichtig die Integration von Markeninformationen ist.

Abbildung von Schemata Schemata allgemein und damit auch Markenschemata lassen sich durch semantische Netzwerke

darstellen

(vgl. Wender,

1988, S. 60^)."^^ Von diesen

semantischen

Netzwerkmodellen wurden iiber die Jahre zahlreiche unterschiedliche Varianten entwickelt (vgl. z.B. Collins/Quillian, 1969, S. 240ff; Collins/Loftus, 1975, S. 407ff.). Das Wissen wird Diese Darstellungsform geht auf eine Idee von Quillian (1968) zurtick, der semantisches Wissen mittels gerichteter Graphen dargestellt hat (vgl. Quillian, 1968, S. 223ff.; Collins/Quillian, 1969, S. 241).

60

B. Theoretischer Rahmen

dabei iiberwiegend durch Knoten und Kanten reprasentiert. Knoten stehen fur verschiedene Vorstellungen, die sich z.B. auf Objekte oder Ereignisse beziehen, Kanten fiir assoziative Verkntipfungen zwischen den Knoten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 231). Die Beziehung zwischen den Knoten ist dabei frei bestimmbar, jedoch sind Kanten und Knoten nicht zwangslaufig verbunden (vgl. Wender, 1988, S. 60). Die in der Theorie am haufigsten verwendeten Beziehungen zwischen den Knoten sind die „Ist-", die „Hat-" und die „Kann"Beziehungen (vgl. Anderson, 2001, S. 153ff.). So lasst sich auch die hierarchische Struktur von Schemata visuell modellieren. Wegen der Ubersichtlichkeit werden die Netzwerke allerdings oftmals nur nach ihrer assoziativen Verkniipfung abgebildet, ohne die Relationen zu spezifizieren (vgl. KroeberRielAVeinberg, 2003, S. 23If.). Dabei gilt: Je kurzer die Kanten sind, also je naher die Knoten zusammenliegen, desto enger ist die assoziative Verkniipfung zwischen diesen beiden. So sind bei Meister Proper beispielsweise der Jingle („Meister Proper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann"), ein frischer Zitrusdufl sowie der Prasenter Meister Proper sehr eng mit der Marke verbunden (vgl. Abb. 16) (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 231).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

Abbildung 16: Quelle:

61

Visuelle Darstellung eines semantischen Netzwerkes von Meister Proper Eigene Darstellung

2.3.2 Aufbau und Modifikation von Schemawissen Die Wirkungen eines Schemas bei Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung sowie beim Abruf von Informationen konnen sich erst bei einem verfestigten und zeitlich stabilen Beziehungsgeflecht entfalten (vgl. Smith/Houston, 1985, S. 215). Ein Schema ist umso verfestigter, je reichhaltiger und komplexer (vgl. Linville, 1982, S. 200; Fiske/Taylor, 1991, S. 148), je besser und tiefer organisiert (vgl. Smith et al., 1978, S. 462) und je exakter es ist (vgl. Fiske/Taylor, 1991, S. 149). Je starker ein Schema entwickelt ist, umso schwieriger ist es, dieses wieder zu verandem (vgl. Devine, 1989, S. 16; Wicks, 1992, S. 118f.). Um ein starkes Markenschema aufzubauen, sollten die Reize in der Markenkommunikation aufeinander abgestimmt sein, da die Wiederholung der Positionierungsaussage innerhalb der Werbebotschaft schnellere und bessere Lemerfolge ermoglicht. Es bedarf aber auch einer Abstimmung im Zeitablauf, da ein Schema zunachst gelemt werden muss. So sollten alle eingesetzten Modalitaten die Markenpositionierung stiitzen und iiber die Zeit hinweg kontinuierlich eingesetzt werden, um Effizienzverluste im Markenaufbau zu vermeiden. Olfaktorische Reize sollten in der Markenkommunikation also ebenfalls konsequent anhand

62

B. Theoretischer Rahmen

der Soll-Positionierung der Marke verwendet werden, um ein Chaos der vermittelten Reize beim Konsumenten und somit auch ein zersplittertes Bild der Marke zu vermeiden. Rumelhart und Norman (1978) schlagen drei verschiedene Prozessarten vor, um den Wissenserwerb

unterschiedlich

stark

ausgepragter

Schemata

zu

erklaren

(vgl.

Rumelhart/Norman, 1978, S. 38f.): •

einen assimilativen Prozess des Wissenszuwachses (Accretion),



eine Feinabstimmung des Wissens (Tuning) sowie



eine Umstrukturierung des Wissens (Restructuring).

Beim assimilativen Prozess (Accretion) des Wissenszuwachses verandert sich das vorhandene Schema selbst nicht. Rumelhart und Norman (1978) sehen den Lemprozess wie folgt: „We analyse the sensory events of our current experience, match them with some appropriate set of schemata, from a representation for the experience, and tuck the newly created structures away in long-term memory" (Rumelhart/Norman, 1978, S. 44f). Die bestehenden Schemata werden also vertieft und verstarkt. Es handelt sich dabei beispielsweise um das Konkretisieren eines vorhandenen Schemas, indem vorhandene Leerstellen mit neuen Informationen gefullt werden (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 44f; Mandl et al., 1988, S. 127; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 343). Diese Vertiefling und Verstarkung ist fur die integrierte Markenkommunikation von besonderer Bedeutung, sie ist sogar eine ihrer „wesentlichen Zielsetzungen" (Esch, 2001, S. 90). Die Feinabstimmung (Tuning) des Wissens bewirkt eine kleine Veranderung der Schemastrukturen, um ihre Anwendbarkeit zu verbessem (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 47; Rumelhart, 1984, S. 181f; Mandl et al., 1988, S. 128). So werden den Leerstellen in den Schemastrukturen feste Werte zugeordnet. Dies erfolgt durch einen wiederholten Kontakt mit einem Stimulus, der einen immer gleich bleibenden Inhalt hat. Dies ist ein Grundbaustein fiir die integrierte Kommunikation. Die Feinabstimmung kann entweder zur Generalisierung Oder aber zur Differenzierung genutzt werden. Bei der Generalisierung werden die Wertebereiche von Variablen eines Schemas erweitert, bei der Differenzierung hingegen eingeschrankt (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 47ff; Mandl et al., 1988, S. 128; Rumelhart, 1984, S. 182; Schnotz, 1994, S. 88). Gerade eine Differenzierung

ist dabei aus

Markengesichtspunkten von grofiter Bedeutung. Bei einer Umstrukturierung (Restructuring) des Wissens werden neue kognitive Strukturen geschaffen. Schemata, die bisher nicht in einem Zusammenhang standen, werden nun

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

63

miteinander verbunden. Dies kann sowohl durch Schemainduktion als auch durch Mustervergleiche geschehen (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 39; Rumelhart, 1984, S. 182; Esch, 2001, S. 90). Bei der Schemainduktion handelt es sich urn eine Form des Lemens durch Kontiguitat (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 46; Mandl et al, 1988, S. 127). Dabei fiihrt das wiederholte, gleichzeitig raumliche und zeitliche Darbieten von Sachverhalten zu einer Umstrukturierung bestehender oder aber zu einem Aufbau neuer Schemata (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 46; Mandl et al., 1988, S. 127; Rumelhart, 1984, S. 182; Schnotz, 1994, S. 89; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 336).^° So kann es auch sein, dass bereits vorhandene Schemata unter andere subsumiert werden (vgl. Nelson, 1978, S. 268ff.; Adams/Worden, 1986, S. 160). Beim Mustervergleich wird eine neue Information auf ein bestehendes Schema abgebildet, wobei die iibereinstimmenden Telle des Schemas iibemommen und die nicht iibereinstimmenden hinsichtlich der neuen Information modifiziert werden. Es handeh sich dabei um einen intentionalen Lemprozess (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 39; Mandl et al., 1988, S. 127). Der Mustervergleich fiihrt also zu einer wesentHchen Umstrukturierung bzw. zum Aufbau neuer Schemastrukturen (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 46; Rumelhart, 1984, S. 182; Mandl et al, 1988, S. 127). Dieser Prozess ist jedoch besonders langwierig und eher selten (vgl. Rumelhart/Norman, 1978, S. 39; Mandl et al., 1988, S. 127). Je nach Stand der Schemaentwicklung einer Marke kommt es zu unterschiedlichen Prozessen. Bei gering ausgebildeten Schemastrukturen zur Marke entsteht der Wissenszuwachs iiber einen assimilativen Prozess. Ausgepragtere Markenschemata verlangen hingegen nur eine Feinabstimmung, falls nicht eine Umpositionierung vorgenommen wird, bei der eine Umstrukturierung des Markenschemas erfolgen muss. Wie die obigen Ausfuhrungen gezeigt haben, erleichtem Schemata das Erlemen und Verstehen von Sachverhalten, was fiir den Markenaufbau von groBer Bedeutung ist. Um ein Markenschema herauszubilden, bedarf es der Integration aller Reize iiber einen gewissen Zeitraum sowohl innerhalb als auch zwischen den Medien, da ansonsten nicht mit einem effektiven und effizienten Lemerfolg zu rechnen ist (vgl. auch Esch, 2001, S. 91). Als Konsequenz sollten auch Duftstoffe die Positionierung unterstiitzen, um durch die Schemaansprache eine Verstarkung und Vertiefiing des Markenwissens zu erreichen.

Nach Kroeber-Riel und Weinberg (2003) spricht man im engeren Sinne vom Kontiguitatsprinzip nur in der Verbindung mit der Lemtheorie von Guthrie. Im weiteren Sinne umfasst dagegen das Kontiguitatsprinzip jede Gleichzeitigkeit, also auch die Art von Gleichzeitigkeit von Reizen, wie sie aus der klassischen Konditionierung bekannt ist. Zu beachten ist dabei, dass Gleichzeitigkeit als zeitliche Nahe aufzufassen ist und nicht als strikte Gleichzeitigkeit (vgl. Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 336).

64 2.3.3

B. Theoretischer Rahmen Einfluss von Schemata auf Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Abruf von Informationen

Im vorherigen Abschnitt wurde dargestellt, wie Schemata entstehen und modifiziert werden. Der folgende Abschnitt soil den Einfluss der vorhandenen Schemata auf Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von eingehenden Informationen zeigen. Anschliefiend wird ihre Bedeutung fur den Abruf von Informationen aus dem Gedachtnis erlautert. Schemata haben nach der Hypothese der selektiven Aufmerksamkeitszuwendung von Anderson und Pearson

(1984) eine aufmerksamkeitssteuemde

Funktion bei der

Informationsaufnahme (vgl. Anderson/Pearson, 1984, S. 272ff.). Da schemarelevanten Informationen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wird als nicht-schemarelevanten, kann man sich auch besser daran erinnem (vgl. Anderson/Pearson, 1984, S. 272; Marcus/Zajonc, 1985, S. 143). Wird ein Schema aktiviert (z.B. durch einen Duft), lost es Erwartungen aus, die dazu fiihren, dass nach Informationen gesucht wird, die in die noch offenen Leerstellen eines Schemas passen. Durch diesen Mechanismus erfahren die schemarelevanten Informationen eine hohere Aufmerksamkeit als die nicht-schemarelevanten (vgl.Mandletal., 1988, S. 130). Diese Oberlegungen werden durch die Ergebnisse von Britton und Kollegen (1978) bestatigt. Sie untersuchten den Wissenserwerb durch Lesen von Texten. Wahrend des Lesens wurden immer wieder Fragen gestellt und als Sekundaraufgabe sollte auf ein akustisches Signal hin ein Knopf gedriickt werden. Lasen die Probanden fragerelevante Informationen, wenn das akustische Signal kam, so brauchten sie langer, um den Knopf zu drucken (vgl. Britton et al., 1978, S. 267ff.). Dies kann als Bestatigung der vorherigen Oberlegungen angesehen werden (vgl. Mandl et al, 1988, S. 130f.).^^ Auch Goetz und Kollegen (1983) kamen in ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass schemarelevante Informationen sowohl langer gelesen als auch besser behalten werden (vgl. Goetz et al., 1983, S. 506ff.). Britton und Kollegen (1979) konnten in einem weiteren Experiment allerdings ihre vorherigen Ergebnisse, dass es zu einer erhohten Aufmerksamkeit

beim Lesen

schemabezogener Informationen kommt, nicht bestatigen. Sie entdeckten jedoch, dass der Schemabezug zu einer besseren Erinnerungsleistung fuhrte (vgl. Britton et al., 1979, S. 50Iff.). Weitere Untersuchungen kamen aber zu dem Ergebnis, dass nicht-schemabezogene ^' Rothkopf und Billington (1979) konnten zeigen, dass mit einem Hinweis auf die spateren Anforderungen die anforderungsrelevanten Textinformationen langer betrachtet wurden (vgl. Rothkopf/Billington, 1979, S. 312ff.). Cirilo und Foss (1980) fanden heraus, dass beim Lesen einer Geschichte die fiir den Handlungsverlauf relevanten Informationen aufmerksamer gelesen wurden als nicht relevante (vgl. Cirilo/Foss, 1980, S. 102ff).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

65

Informationen mehr Aufmerksamkeit erregen (vgl. dazu ausfuhrlich Brewer/Nakamura, 1984, S. 145f.). Diese sehr unterschiedlichen Ergebnisse fuhrten zu einer Prazisierung der Unterscheidung zwischen schemarelevant und nicht-schemarelevant (vgl. Fiske/Linville, 1980, S. 550; Alba/Hasher, 1983, S. 206; Anderson/Pearson, 1984, S. 278ff.; Brewer/Nakamura, 1984, S. 143f.). Dass die Unterscheidung zu grob war, hatte Friedman (1979) schon fruher erkannt (vgl. Friedman,

1979, S. 317ff.).

Sie schlug

deshalb vor, zusatzlich

zwischen

schemakonsistenten und schemainkonsistenten Informationen zu unterscheiden (vgl. Friedman, 1979, S. 323ff.). Als schemakonsistent kann demnach eine Information bezeichnet werden, die innerhalb bestimmter Grenzen den Erwartungen entspricht. Schemainkonsistente Informationen hingegen widersprechen den Erwartungen (vgl. Maas, 1994, S. 323; Esch, 2001,8.97). Nicht-schemarelevante Informationen losen nur eine geringe Aufmerksamkeit aus, da das Schema fur sie keine Leerstellen aufweist und daher diese Informationen die Aktivierung des Schemas weder fbrdem noch hemmen (vgl. Maas, 1994, S. 323). Den schemainkonsistenten Informationen hingegen wird eine hohe Aufmerksamkeit entgegengebracht (vgl. Puto, 1985, S. 404f). Diese resultiert aus einem kognitiven Konflikt, der durch die Ansprache konkurrierender Schemata entsteht (vgl. Mandl et al., 1988, S. 132; Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 344). Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass fiir die Verarbeitung der schemainkonsistenten Informationen zum einen mehr Zeit benotigt wird und der Konsument zum anderen zur Informationsverarbeitung motiviert sein muss (vgl. Taylor/Crocker, 1981, S. 101; Esch, 2001, S. 98). 1st dies jedoch der Fall, werden sie besonders gut erinnert (vgl. Srull, 1981, S. 447ff.; Srull/Wyer, 1989, S. 69f.; Fiske/Taylor, 1991, S. 129). Bei den schemarelevanten und schemakonsistenten Informationen kann noch zwischen interferierbaren und nicht-interferierbaren Informationen unterschieden werden (vgl. Abb. 17) (vgl. Schnotz, 1994, S. 77). Als interferierbare Informationen werden solche bezeichnet, die aus den Standardwerten der Slots hervorgehen. Nicht-interferierbare Informationen sind daraus nicht zu entnehmen (vgl. Schnotz, 1994, S. 76f.) und verlangen daher eine erhohte Aufmerksamkeit, um die Informationen zu enkodieren (vgl. Fiske/Taylor, 1991, S. 129; Schnotz, 1994, S. 76; Esch, 2001, S. 98). Wichtig fiir die Markenfuhrung ist hierbei die Tatsache, dass die Aufmerksamkeit auch bei einer geringen Motivation zur Verarbeitung seitens des Konsumenten erhoht wird. Fiir schemakonsistente Informationen ist hingegen eine

66

B. Theoretischer Rahmen

geringe Aufmerksamkeit zu erwarten, da die Informationen schon in den Slots der Schemata gespeichert sind und so eine tiefere Verarbeitung nicht notig ist (vgl. Schnotz, 1994, S. 77). Unter den herrschenden Kommunikationsbedingungen ist es besonders wichtig, innerhalb ktirzester Zeit die Werbebotschaft zu vermitteln, da der Konsument wenig motiviert ist und nicht lange bei einer Werbeanzeige verweilt (vgl. Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 146 sowie Kapitel B 1.1). Nicht-schemarelevante sowie schemainkonsistente Informationen ermoglichen in dieser kurzen Zeit kein Verstandnis der Werbebotschaft. Fiir die vorliegende Arbeit ergibt sich daraus, dass die gewahlten Diifte und die Anzeigen das gleiche Schema ansprechen miissen.^^ Ist dies nicht der Fall, werden diese beiden unter Umstanden nicht als zusammengehorig wahrgenommen, sodass sich die unterstiitzende Wirkung der Duftstoffe nicht entfalten kann.

Abbildung 17: Quelle:

Kategorisierung von Informationen nach der Beziehung zu einem Schema In Anlehnung an Schnotz, 1994, S. 77.

Neben der aufgezeigten aufmerksamkeitssteuemden Funktion haben Schemata auch eine Integrationsftmktion. Sie bilden einen Rahmen ftir die Enkodierung neuer Informationen, in den diese integriert werden konnen (vgl. Smith/Houston, 1985, S. 215; Mandl et al., 1988,

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Vermittlung von Positionierungsinhalten mit Hilfe von Duftstoffen. Es gabe allerdings auch die Moglichkeit, Duftstoffe in einer Konzentration einzusetzen, die unterhalb der Wahmehmungsschwelle liegt. Hierbei ist aber zu beachten, dass man dann entweder neutrale Duftstoffe nimmt, die nur eine aktivierende Wirkung haben (vgl. Kroeber-Riel et al., 1982, S. 43) oder aber schemakongruente, da zur Wirkung von schemainkonsistenten Duftstoffen, die unterhalb der Wahmehmungsschwelle liegen, bisher noch keine eindeutigen Ergebnisse vorliegen (vgl. Mitchell et al,, 1995; Knasko, 1995; Ebster/Kirk-Smith, 2005).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

67

S. 132). Hierftir muss beim Konsumenten bereits ein Schema vorhanden sein (vgl. z.B. Dooling/Lachman, 1971, S. 218ff.; Dooling/Mullett, 1973, S. 405f.; Mayer, 1975, S. 726ff.). Auch bei Duftstoffen scheint dies der Fall zu sein. So werden beispielsweise Duftstoffe besser identifiziert, wenn eine duftende Flussigkeit auch eine typische Farbe hat (vgl. z.B. Davis, 1981, S. 85ff.; Zellner et al., 1991, S. 552ff.; Mani, 1999, S. 76ff.). So wird z.B. ein Duft eher als Zitronenduft erkannt, wenn die duftende Flussigkeit nicht rot, sondem gelb ist (vgl. Zellner et al., 1991, S. 552ff.). Je mehr die neuen Informationen den vorhandenen Schemata entsprechen, desto leichter werden sie integriert und desto automatischer erfolgt die Informationsverarbeitung (vgl. Marcus/Zajonc, 1985, S. 169). Eingehende Informationen werden besser erinnert, wenn sie auf ein passendes Schema treffen (vgl. Ausubel, 1960, S. 269ff.; Bransford/Johnson, 1972, S. 720ff.; Thomdyke, 1977, S. 95; Alba/Hasher, 1983, S. 205). Fehlt hingegen ein solches Schema, gehen die Informationen schneller wieder verloren (vgl. Alba/Hasher, 1983, S. 205). Schemata beeinflussen aber nicht nur die Erinnerung an Informationen, sondem auch die Bewertung von Informationen. Entsprechen Informationen dem vorhandenen Schema, so werden sie positiv bewertet (vgl. Mandler, 1982, S. 13). Durch die Kongruenz entsteht nach Mandler (1982) ein Gefuhl der Familiaritat und Akzeptanz, was dann zu der positiven Bewertung fuhrt (vgl. Mandler, 1982, S. 20). „The most primitive kind of judgement of positive value arises out of congruity between our generic or personal expectations (the activated schemas) and the evidence presented by the world. The phenomenal experience is one of acceptability and familiarity, and it arises out of the congruity between the evidence and the relational structure of the activated schema" (Mandler, 1982, S. 20). Sind die Informationen hingegen nicht schemakonform, so wird es bei einer leichten Inkongruenz trotzdem zu einer positiven Bewertung kommen, da dies als interessant empfiinden wird (vgl. Mandler, 1982, S. 20). Bei starken Abweichungen vom Schema kommt es hingegen zu negativen Bewertungen, falls kein anderes passendes Schema gefiinden wird oder aber die Umstrukturierung des angesprochenen Schemas misslingt. Dabei geht eine steigende Inkongruenz mit einem starkeren Affekt einher (vgl. Mandler, 1982, S. 22). Diese Uberlegungen werden durch die Ergebnisse von Meyers-Levy und Tybout (1989) gestiitzt. Sie konnten zeigen, dass ein neues Produkt, dessen Attribute leicht inkongruent zur Produktkategorie waren, besser beurteilt wird als bei volliger Kongruenz oder extremer Inkongruenz (vgl. Meyers-Levy/Tybout, 1989, S. 45ff). Dabei spielt auch das Vorwissen, also wie ausgepragt ein Schema ist, eine Rolle (vgl. Peracchio/Tybout, 1996, S. 184ff.).

68

B. Theoretischer Rahmen

Schemata erleichtem auch den Abruf von Informationen, indem sie die systematische Suche nach schemarelevanten Informationen im Gedachtnis steuem (vgl. Anderson/Pichert, 1978, S. 6ff.; Anderson et al, 1983, S. 273ff.; Mandl et al, 1988, S. 133). Oftmals werden dabei zusatzliche Informationen abgerufen, die in der Lemsituation nicht vorhanden waren (vgl. u.a. Dooling/Mullett, 1973, S. 405; Brewer/Treyens, 1981, S.215ff; Anderson, 2001, S. 158f).^^ Das Ergebnis ist daher um die genannten, aber nicht vorhandenen Informationen zu korrigieren. Schemaatypische Informationen werden kurzfristig (bis zu zwei Tage) besser erinnert, wahrend schematypische Informationen langfristig besser in Gedachtnis bleiben (vgl. Mandl et al, 1988, S. 133). Da das Ziel der integrierten Markenkommunikation eine fest im Gedachtnis verankerte Marke ist, sollte eine schematypische Gestaltung der Kommunikation gewahlt werden. Dies heiBt jedoch nicht, dass die Kommunikation austauschbar sein darf Sie muss vielmehr eigenstandig, aber den Erwartungen entsprechend, gestaltet sein (vgl. zur Austauschbarkeit Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 57ff sowie Kapitel B 1.3).

2.4

Multimodale Reprasentation von Wissen

Im vorherigen Kapitel wurde die amodale, d.h. modalitatsunspezifische Speicherung von Informationen vorgestellt. Allerdings zeigen schon friihe Forschungsergebnisse, dass neben der amodalen auch eine modalitatsspezifische Speicherung von Reizen stattfmdet. Im Folgenden sollen hierzu drei aufeinander aufbauende Theorien zur modalitatsspezifischen Reizverarbeitung und Speicherung vorgestellt werden. Abschliefiend wird dann ausfiihrlich auf die Wirkung von visuellen und olfaktorischen inneren Bildem eingegangen.

2.4.1 Duale Codierung von Paivo Strukturelle Annahmen der dualen Codierung Allan Paivio stellte seine Theorie der dualen Codierung erstmals 1971 in seinem Buch „Imagery and Verbal Process" vor. Er kritisierte damit die bis dahin herrschenden, aber aus seiner Sicht vollkommen undifferenzierten Gedachtnistheorien (vgl. Paivio, 1971, S. 4ff.). Brewer und Treyens (1981) haben diesen Effekt auf interessante Weise untersucht. So wurden Probanden in den angeblichen Buroraum des Versuchsleiters gefuhrt, in dem sie fur 35 Sekunden warten mussten, um dann anschliefiend in einem anderen Raum alle Erinnerungen an den vorherigen Raum zu notieren. Das Ergebnis war, dass biirotypische Gegenstande, die vorhanden waren und solche, die nicht vorhanden waren, am haufigsten genannt wurden. An einen auffalligen Schadel konnten sich hingegen nur neun der dreiBig Probanden erinnem (vgl. Brewer/Treyens, 1981, S. 215ff.).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

69

Die ausschlieBlich auf die Sprache fixierten Reprasentationsansatze konnten nicht erklaren, warum konkrete Reize besser erinnert werden als abstrakte und Bilder besser als Sprache. Paivio erganzte daher diese Theorien und ging von zwei getrennten Systemen aus, einem verbalen und einem nonverbalen, die allerdings miteinander verbunden sind (vgl. Paivio, 1986, S. 67; Clark/Paivio, 1987, S. 6; Paivio, 1991a, S. 242ff.). „The most general assumption in dual coding theory is that there are two classes of phenomena handled cognitively by separate subsystems, one specialized for representation and processing of information concerning nonverbal objects and events, the other specialized for dealing with language." (Paivio, 1986, S. 52). Sowohl das verbale als auch das nonverbale System unterteilt er in Subsysteme, die den einzelnen Modalitaten entsprechen (visuell, olfaktorisch, akustisch, haptisch, gustatorisch). Allerdings gibt es weder fur das olfaktorische noch fiir das gustatorische Subsystem eine korrespondierende Representation im verbalen System (vgl. Paivio, 1986, S. 57; Paivio, 1991b, S. 11). Das nonverbale System nennt er das imaginale System; es verarbeitet die Informationen synchron (parallel) und analog (kontinuierlich). Das verbale System hingegen verarbeitet linguistische Informationen sequenziell und diskret (vgl. Paivio, 1986, S. 61ff.; Clark/Paivio, 1987, S. 7). Die Reprasentationseinheiten im nonverbalen System nennt er Imagene und die im verbalen Logogene (vgl. Paivio, 1986, S. 67).

Ablauf der dualen Codierung Die Verarbeitung der Informationen durchlauft nach Paivio immer dasselbe Muster. Zunachst werden die verbalen und die nonverbalen Reize in einem sensorischen System zwischengespeichert. AnschlieBend erfolgt die Verarbeitung auf verschiedenen Ebenen (vgl. Paivio, 1971, S. 53ff.; Paivio, 1986, S. 69ff; Clark/Paivio, 1987, S. 8). Dass die Verarbeitung auf nur einer der Ebenen ablaufl, ist zwar theoretisch moglich, aber aus praktischer Sicht sehr unwahrscheinlich (vgl. Clark/Paivio, 1987, S. 8f.). Die erste Ebene ist die reprasentationale. Eine Verarbeitung lauft immer dann auf dieser Ebene ab, wenn Logogene oder Imagene aus dem Langzeitgedachtnis aktiviert werden. Hier erfolgt eine stimulusbasierte Wiedererkennung und Identifikation, die dabei vor allem durch die physischen Charakteristika von und den Erfahrungen mit den Objekten oder Wortem gelenkt werden (vgl. Paivio, 1971, S. 53; Clark/Paivio, 1987, S. 8). Dabei ist vor allem die Familiaritat (Vertrautheit) mit einem Objekt wichtig, also das „Kennen" des Stimulus (vgl. Paivio, 1971, S. 53f.). Das bedeutet aber nur, dass eine Representation des Stimulus

70

B. Theoretischer Rahmen

vorhanden sein muss; weitere „Verbindungen" miissen nicht vorliegen (vgl. Paivio, 1971, S. 54). Die zweite Ebene ist die referentielle. Hier greifen die beiden Systeme bei der Verarbeitung aufeinander zu. So kann ein verbaler Reiz ein vorhandenes Imagen hervorrufen oder umgekehrt (vgl. Paivio, 1971, S. 57; Clark/Paivio, 1987, S. 8). Die Verbindung zwischen den Systemen entsteht dadurch, dass komplexere Erfahrungen mit den Objekten und ihren Namen gemacht wurden (vgl. Clark/Paivio, 1987, S. 8). Auf der dritten Ebene laufen assoziative Prozesse ab, wenn Logogene andere Logogene aktivieren oder aber Imagene andere Imagene. Hier werden Verkniipfungen innerhalb der modalitatsspezifischen Systeme gekniipft. So wird z.B. das Logogen Nase mit anderen Logogenen wie Geruch oder Gesicht verbunden, die Imagene der Nase z.B. mit anderen Imagenen von einem Gesicht oder einer Person (vgl. Clark/Paivio, 1987, S. 8f.). Paivio (1971) halt dabei eine hierarchische Organisation der assoziativen Strukturen ftir sehr wahrscheinlich (Paivio, 1971, S. 58). Zu ihrem Namen kam die duale Codierung dadurch, dass sowohl verbale als auch nonverbale Reize in beiden Systemen enkodiert werden konnen (vgl. Paivio, 1971, S. 179; Paivio, 1974, S. 510). Zur Wirkung einer dualen Codierung formulierte Paivio (1971) folgende These: „The memory increases directly with the number of alternative memory codes available for an item." (Paivio, 1971, S. 181). Dies ist ftir die hier verfolgte Absicht der integrierten multimodalen Darstellungen von Marken von besonderer Bedeutung. Daraus folgt, dass durch die Kommunikation uber unterschiedliche Modalitaten dem Konsumenten spater einen erleichterten Zugang zur Marke ermoglicht. Allerdings ist die duale Codierung nicht unumstritten.^"^ Bemangelt wird, dass es nicht zwangslaufig zu einer dualen Codierung kommen muss. Nelson und Reed (1976) konnten zeigen, dass die duale Codierung ein zusatzlicher Verarbeitungsprozess ist, der nur unter bestimmten Umstanden stattfmdet (vgl. Nelson/Reed, 1976, S. 55; Nelson, 1979, S. 57ff ).^^

Einen ausfuhrlichen Uberblick uber unterstiitzende Untersuchungen geben Eysenck und Keane (2000, S. 263ff.). Auch die Ergebnisse von Nelson und Brooks (1973a) stellen die duale Codierung infrage (vgl. Nelson/Brooks, 1973a, S. 2ff.). Sie untersuchten die Annahme der dualen Kodierung uber einen sogenannten phonemischen Ahnlichkeitseffekt. Dieser besagt, dass phonemisch ahnliche Worter die Enkodierung erschweren, da die Enkodierungsprozesse interferieren. Nelson und Brooks (1973a) lieBen in einem PaarAssoziationslem-Paradigma Wort-Paare lemen, wobei das erste das Reizwort und das zweite immer das zu erinnemde war. Sie stellten nun fest, dass bei ahnlichen Reizworten die Behaltensleistung schlechter war als in einer Kontrollgruppe. Wurden nun Bilder spontan dual codiert, so miisste dieser Effekt auch auftreten, wenn die Reizworter durch Bilder ersetzt wurden. Dies war allerdings nicht der Fall. Die Ergebnisse stutzen

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

71

Weitere Experimente stiitzen aber die Zweiteilung in verbale und nonverbale Systeme (vgl. z.B. Nelson/Brooks, 1973a, S. 2ff.; 1973b, S. 46f.; Nelson/Reed, 1976, S. 51ff.; Watkins et al, 1984, S. 555ff.; Engelkamp/Zimmer, 1987, S. 279ff.; Wippich, 1990, S. 687; Zimmer, 1993, S. 208ff.; Gschwind, 1998, S. 21 Iff.; Herz, 2003, S. 596ff.). Dass es auch ein eigenes olfaktorisches System gibt, zeigen verschiedene wissenschaftliche Arbeiten (vgl. Wippich, 1990, S. 687ff; Gschwind, 1998, S. 21 Iff; White/Treisman, 1997, S. 467ff.; Eisner, 2002a, S. 5If.; Herz, 2003, S. 604; Zucco, 2003, S. 83ff.). Gschwind (1998) wies nach, dass Dufte dabei auch dual codiert werden konnen (vgl. Gschwind, 1998, S. 216).

damit ebenso wie die Experimente von Nelson und KoUegen (1976) die Vermutung von getrennten Gedachtnissystemen (vgl. Nelson/Brooks, 1973a, S. 5f; Nelson et al., 1976, S. 525ff).

72

B. Theoretischer Rahmen

Abbildung 18: Quelle:

Verarbeitung von Reizen nach der Theorie der dualen Codierung Paivio, 1986, S. 67.

Fazit Mit seiner Theorie der dualen Codierung hat Paivio einen Meilenstein fur die Verarbeitung von

verbalen

und

nonverbalen

Stimuli

gesetzt.

Allerdings

zeigen

andere

Forschungsergebnisse, dass seine Meinung, es gebe immer eine duale Codierung, nicht haltbar ist. Die Reizverarbeitung muss exakter beobachtet werden, wie es z.B. Nelson und Engelkamp gezeigt haben.

2.4.2 Sensorisch>semantisches Modell von Nelson Strukturelle Annahmen des sensorisch-semantischen Modells Aufbauend auf ihren Forschungserkenntnissen, die inkompatibel mit der dualen Codierung von Paivio waren, schlagen Nelson und Kollegen (1977) ein

differenzierteres

Gedachtnissystem vor (vgl. Nelson et al, 1977, S. 485ff.). Dieses setzt sich aus zwei

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

73

sensorischen Systemen und einem semantischen System zusammen. Die sensorischen Systeme von Paivio (1971) sind demnach als prasemantische Systeme einzuordnen, denen ein semantisches System folgt. Das visuell-nonverbale und das verbale System bilden somit die Eingangssysteme zum semantischen System, in dem die Informationen amodal gespeichert werden. Wahrend im visuellen System die Reize analog gespeichert werden, erfolgt im verbalen System eine Speicherung der phonemischen Qualitat des Reizes, wobei diese sowohl akustische als auch artikulatorische Attribute umfasst. Eine zweite Annahme besagt, dass die reizspezifischen

Eingangssysteme

zwar automatisch

aktiviert werden, das jeweils

komplementare System allerdings nur bei entsprechenden Instruktionen (vgl. Nelson/Reed, 1976, S. 55f.; Nelson, 1979, S. 56ff.).

Abbildung 19: Quelle:

Struktur des sensorisch-semantischen Modells In Anlehnung an Engelkamp, 2000, S. 231.

Ablauf der sensorisch-semantischen Verarbeitung Wie oben erwahnt, gehen Nelson und Kollegen (1977) davon aus, dass die sensorischen Systeme die Eingangssysteme zum semantischen System darstellen. Ein visueller Stimulus (sowohl ein Bild als auch ein Wort) wird zunachst bildlich verarbeitet, bevor eine bedeutungsbezogene Verarbeitung im semantischen System erfolgt. Erst tiber diesen Umweg kann ein Bild benannt werden. Hingegen gibt es bei der Verarbeitung eines verbalen Stimulus zwei mogliche Wege: Entweder wird die semantische Worteigenschaft direkt verarbeitet, oder es erfolgt zunachst eine Verarbeitung der phonemischen Worteigenschaft und danach kommt es zur Aktivierung des semantischen Systems (vgl. Nelson, 1979, S. 47). Allerdings geht der Verarbeitungsprozess nicht stufenweise vor sich, sondem ist ein kontinuierlicher Prozess, bei

74

B. Theoretischer Rahmen

dem verschiedene Stimuluseigenschaften gleichzeitig verarbeitet werden konnen (vgl. Nelson, 1979,8.47).

Fazit Das Modell wird durch verschiedene Experimente von Nelson und KoUegen bestatigt (vgl. Nelson/Reed, 1976, S. 51ff.; Nelson et al, 1976, S. 525ff.). Allerdings ist anzunehmen, dass man dieses Modell erweitem muss, da es flir alle Sinne jeweils ein System zu geben scheint (vgl. Wippich, 1990, S. 687ff.; Engelkamp, 1997, S. 56ff.). Kritik ubt Wippich (1981) vor allem an der Annahme, dass die bedeutungsbezogene Verarbeitung nur im semantischen System stattfmden soil (vgl. Wippich, 1981, S. 308).^^

2.4.3 Multimodale Gedachtnistheorie von Engelkamp Eine der umfangreichsten Gedachtnistheorien stammt von Engelkamp. Er vereint darin Uberlegungen aus den klassischen Einspeicher- und Mehrspeichermodellen (vgl. Engelkamp, 1991, S. 6ff.) sowie den Multicode-Modellen. In seiner Multicode-Theorie geht er davon aus, dass es mehrere sensorische Systeme gibt. Dariiber hinaus bezieht er auch noch motorisches Wissen in seine Uberlegungen mit ein.^^ Strukturelle Annahmen zum multimodalen Gedachtnismodell Die multimodale Theorie von Engelkamp beruht auf drei Annahmen (vgl. Engelkamp, 1991, S. 9ff.; Engelkamp/Zimmer, 1994, S. 28ff.; Engelkamp, 1997, S. 56ff.): 1. Es existieren unterschiedliche Teilsysteme (vgl. Abb. 20). Wie bei den vorherigen multimodalen Modellen geht auch Engelkamp (1991; 1998) davon aus, dass spezielle Systeme zur Verarbeitung von modalitatsspezifischen Informationen existieren. Zunachst unterscheidet er wie Paivio ein verbales und ein nonverbales System. Diese Systeme werden jeweils unterteilt in zwei weitere Teilsysteme, von denen das eine sinnesspezifische Informationen (olfaktorisch, visuell usw.), das andere motorische

Aufbauend auf seiner Kritik an der dualen Codierung von Paivio (1971) und an dem Modell von Nelson (1979), erstellt Wippich (1981) ein eigenes Modell, das eine Verbindung zwischen der „Dualen Codierung" und dem „Levels of Processing"-Ansatz nach Craik und Lookhart (1972) darstellt (vgl. Wippich, 1981, S. 304ff.). Engelkamp (1997) konnte zeigen, dass ausgefiihrte Handlungen die Erinnerung erheblich verbesserten. Diese Wirkung bezeichnet er als den „Tu-Effekt", der mit anderen Gedachtnistheorien bisher nicht schliissig zu erklaren war (vgl. Engelkamp, 1997, S. 66ff.).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

75

Reize verarbeitet und speichert.^^ Diese verschiedenen Systeme (olfaktorischnonverbal, visuell-verbal etc.) bezeichnet er als modalitatsspezifisch (vgl. Engelkamp, 1991, S. 10; Engelkamp, 1998, S. 36).^^ Die Einheiten des sensorischen Wissens nennt er Marken, die des motorischen Wissens Programme. Beide konnen jeweils in generalisierter (allgemeine Erfahrungen) oder aber in episodischer (individuelle sensorische Erfahrungen) Form vorkommen (vgl. Engelkamp, 1997, S. 56f.). Zimmer (1986) fiihrt dariiber hinaus noch den Begriff der Affektmarke ein. Diese biindelt alle von sinnlichen Erfahrungen stammenden Reprasentationen, welche prototypisch fur einen Affekt sind und diesen auslosen (vgl. Zimmer, 1986, S. 23). Er unterstellt somit ein spezielles Teilsystem ftir Emotionen (vgl. Zimmer, 1986, S. 4). Dariiber hinaus gibt es neben den modalitatsspezifischen Systemen ein iibergeordnetes modalitatsunspezifisches System (vgl. Abb. 20), welches als konzeptuelles System bezeichnet wird. Hier ist das bedeutungshaltige Wissen in Konzepten^^ gespeichert, die netzwerkartig miteinander verbunden sind. Dabei bilden Propositionen die elementaren Bausteine (vgl. Engelkamp, 1991, S. 66ff.). 2. Es gibt Wechselwirkungen zwischen den modalitatsspezifischen Teilsystemen und dem konzeptuellen System. So sind die nonverbalen Systeme nur mit Hilfe des konzeptuellen Systems in der Lage, mit dem verbalen System in Verbindung zu treten (vgl. Abb. 20). Zwischen den verschiedenen nonverbalen Teilsystemen vermuten Engelkamp (1991) und Zimmer (1986) hingegen eine direkte Verbindung (vgl. Zimmer, 1986, S. 36; Engelkamp, 1997, S. 57). Des Weiteren weist Engelkamp darauf hin, dass die modalitatsspezifischen Eingangssysteme einen Zugriff auf das konzeptuelle System haben und dass die modalitatsspezifischen Ausgangssysteme vom diesem gesteuert werden konnen. Allerdings ist auch eine direkte Steuerung durch ein bestimmtes Eingangssystem moglich (vgl. Abb. 20) (vgl. Engelkamp, 1997, S. 57ff; 1998, S. 35ff.). 3. Beim Erinnem werden sowohl modalitatsspezifische

als auch konzeptuelle

Informationen genutzt (vgl. Engelkamp, 1991, S. 10; 1997, S. 58; 2000, S. 231). Diese Engelkamp (1991) begriindet dies vor allem mit himphysiologischen Untersuchungen, die gezeigt haben, dass im Gehim unterschiedliche Himareale existieren, in denen modalitatsspezifische Reize verarbeitet werden (vgl. Engelkamp, 1991, S. 9): olfaktorische Reize im Orbitofrontalen Cortex (OFC), visuelle im Okzipitallappen und akustische in den Schlafenlappen (vgl. hierzu auch Kapitel B 3.1). Einen Beleg fiir einen eigenen olfaktorischen Speicher konnten u.a. Wippich (1990), White und Treisman (1998), Eisner (2002a) sowie Herz (2003) erbringen (vgl. Wippich, 1990, S. 687ff.; White/Treisman, 1997, S. 467ff.; Eisner, 2002a, S. 51f.; Herz, 2003, S. 604). Unter Konzepten versteht Engelkamp (1991) Einheiten des kategoralen Wissens, die sich aus generalisierten und episodischen Marken und Programmen ergeben (vgl. Engelkamp, 1991, S. 56f.).

76

B. Theoretischer Rahmen sind in der Regel untrennbar miteinander verbunden. So werden Episoden oftmals in ihrem gesamten sensorischen und motorischen Reichtum erinnert (vgl. Engelkamp, 1997, S. 59). Eine multiple Kodierung ist dabei nicht unbedingt effizienter als eine einfache:

„Eine

multiple

Kodierung

entfaltet

erst

dann

ihre

positive

Gedachtniswirkung, wenn sie mit einer Konzeptaktivation einhergeht." (Engelkamp, 1991, S. 470). Die konzeptuelle Kodierung wird also durch die modalitatsspezifische Verarbeitung unterstutzt. Die Erinnerung an einen Stimulus kann somit als das Produkt aller an der Enkodierung beteiligten Teilssysteme bezeichnet werden (vgl. Engelkamp, 1991, S. 471; 1997, S. 58; 2000, S. 233).

Abbildung 20: Quelle:

Struktur der multimodalen Gedachtnistheorie Engelkamp, 1997, S. 57.

Ablauf der multimodalen Reizverarbeitung Die modalitatsspezifischen Reprasentationen (also Marken) werden entweder durch exteme Oder interne Reize aktiviert. Als Beispiel fiir einen extemen Reiz sei hier eine Rose gewahlt. Der eingehende Reiz wird durch seine unterschiedlichen Aspekte in den verschieden Teilsystemen verarbeitet (Zimmer, 1993, S. 228). So wird der Reiz zunachst multimodal kodiert. In unserem Beispiel erfahrt die Rose z.B. durch ihren Duft (olfaktorisches System),

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

77

ihr Aussehen (visuelles System), ihre fiihlbaren Domen (haptisches System) und ihre Benennung (verbales System) die multimodal Kodierung. Von den modalitatsspezifischen Teilsystemen wird das konzeptuelle System angesprochen, in dem die sensorischen Reprasentationen bedeutungsmaBig gespeichert sind. Der auslosende Stimulus, hier die Rose, spricht demnach die entsprechenden Darstellungen im Gedachtnis an, z.B. im olfaktorischen System den Duft der Rose sowie im visuellen das Bild der Rose. Dartiber hinaus kann mit einer Rose auch eine Affektmarke verbunden sein, die ein eigenes Konzept anspricht, welches z.B. die Bedeutung „Liebesbeweis" beinhaltet. Wahrend nun nonverbale Reize die Konzepte automatisch aktivieren, verweisen verbale Reize nur auf die Konzepte (vgl. Engelkamp, 1991, S. 48ff., S. 113). Ausgehend von den aktivierten Konzepten erfolgt eine Ausbreitung der Aktivierung im konzeptuellen System. Diese lauft entlang bestehender Verbindungen zwischen den Konzepten, die sich verstarken, wenn sich zwei oder mehr Konzepte iiberlagem (vgl. Engelkamp, 1997, S. 62f.).

Fazit Die multimodal Gedachtnistheorie von Engelkamp eignet sich als Grundlage ftir die vorliegende Arbeit. Die Marken werden im konzeptuellen System so gespeichert, dass sie mit den Teilreprasentationen der unterschiedlichen Modalitaten verbunden sind. Dabei werden die episodischen Gedachtnisspuren fur eine Marke umso intensiver und das Gedachtnis dadurch umso besser, je mehr sensorische Teilreprasentationen aktiviert werden und je mehr ein Konzept elaboriert wird (vgl. Engelkamp, 1991, S. 81). Durch die verschiedenen Modalitaten konnen so mehrere Zugange zur Aktivierung der Marke im Gedachtnis geschaffen werden. Die unterschiedlichen in der Markenkommunikation adressierten Sinne miissen aber aufeinander abgestimmt werden, damit die gleichen Konzepte angesprochen werden und ein effektiver und effizienter Markenaufbau moglich wird. Am besten sollten Marken durch eine integrierte multisensuale Gestaltung erlebbar gemacht werden.

2.4.4 Wirkungen innerer Bilder Wie die vorherigen Ausfiihrungen gezeigt haben, gibt es neben der amodalen Reprasentation auch eine modalitatsspezifische. Diese konnen auch als innere Bilder bezeichnet werden. Mit

78

B. Theoretischer Rahmen

dem Begriff der „inneren Bilder" werden aber nicht nur visuelle Gedachtnisbilder^^ sondem ganz allgemein alle nonverbalen Reize bezeichnet (vgl. Lindauer, 1969, S. 203ff.; Maclnnis/Price, 1987, S. 474; Ruge, 1988, S. 27; Gilbert et al, 1998, S. 137; Mani, 1999, S. 48; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 350).^^ Die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung von inneren Bildem wird unter dem Begriff „Imagery" zusammengefasst (vgl. Ruge, 1988, S. 27; Leven, 1995, Sp. 929; Kroeber-Riel, 1996, S. 25; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 155f.). Um ein inneres Bild entstehen zu lassen, bedarf es eines Auslosereizes, eines „Imagery-Cue" (vgl. Paivio, 1971, S. 65; Kosslyn, 1980, S. 131; Stewart/Punj, 1998, S. 42; Kosslyn, 2003, S. 1125). Dieser kann beispielsweise ein Bild, aber auch ein Duft sein. Femer konnen auch intern ausgeloste Suchvorgange ein inneres Bild aktivieren (vgl. Richardson, 1983, S. 14ff.). Im Marketing wurden viele Experimente zu den affektiven und kognitiven Wirkungen innerer (Marken-) Bilder durchgefiihrt, sodass bereits einige Erkenntnisse zum Einfluss von inneren Bildem auf marken- und werbespezifische Zielgrofien vorliegen (vgl. z.B. Lutz/Lutz, 1977, S. 496f; Lutz/Lutz, 1978, S. 612ff.; Rossiter/Percy, 1980, S. llff.; Rossiter, 1982, S. lOlff. Kisielius/Stemthal, 1984, S. 56ff.; Mitchell, 1986, S. 14f.; Maclnnis/Price, 1987, S. 473ff. McGill/Anand, 1989, S. 12ff.; Bone/Ellen, 1990, S. 449f.; Unnava/Bumkrant, 1991, S. 227ff. Bone/Ellen, 1992, S. 95ff.; Babin/Bums, 1997, S. 34ff.). Unter Markengesichtspunkten sind die Untersuchungen zum Einfluss der inneren Bilder auf die Erinnerung, die Einstellung zur Werbung und zur Marke sowie der Einfluss auf die Verhaltensabsicht des Konsumenten von besonderer Bedeutung. Erste Untersuchungen fiihrten zu der Erkenntnis, dass die Erinnerung an eine Anzeige positiv durch das innere Bild beeinflusst wird (vgl. Kiselius/Stemthal, 1984, S. 418f.; Ruge, 1988, S. 184f). Des Weiteren konnte unter anderem Mitchell (1986) zeigen, dass die Einstellung zur Werbung verbessert wird, wenn sie die Entstehung innerer Bilder unterstiitzt und dass dadurch auch die Einstellung zur Marke positiv beeinflusst wird (vgl. Mitchell, 1986,

Ein Gedachtnisbild umfasst alle Vorstellungen in Abwesenheit des Gegenstandes. Im Gegensatz dazu steht das Wahmehmungsbild, wenn ein Objekt oder die Abbildung dieses Objektes prasent ist und auch sinnlich wahrgenommen wird (vgl. Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 351). Richardson (1969; 1980) unterscheidet dariiber hinaus vier Typen von inneren Bildem, die zur Klassifikation unterschiedlicher Phanomene dienen: after imagery, eidetic imagery, thought imagery und imagination imagery (vgl. Richardson, 1969, S. 13ff; 1980, S. 20ff.; 1983, S. 15ff.). Dem hier verwendeten Verstandnis eines Gedachtnisbildes kommen die Uberlegungen zum thought imagery am nachsten. Weitere Imagery-Theorien stammen von Bower (1972) sowie von Kieras (1978). Im Folgenden wird der Begriff „innere Bilder" aber nur fiir visuelle innere Bilder verwendet. Falls es sich um innere Bilder in einer anderen Modalitat handelt, steht dies immer dabei, z.B. olfaktorische innere Bilder.

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

79

S. 16ff.). Zu gleichen Ergebnissen kamen spater auch Babin und Bums (1997) (vgl. Babin/Bums, 1997, S. 38ff.).^^ Dartiber hinaus konnte ein positiver Zusammenhang zwischen inneren Bildem und dem Verhalten bzw. der Verhaltensabsicht belegt werden (vgl. Ruge, 1988, S. 160ff.; Bone/Ellen, 1990, S. 452f.; Kiss, 2005, S. 145ff.). Dieser ist nach Ruge (1988) nicht-linear; es existiert ein „sinkender Grenznutzen" der Vividness (vgl. Ruge, 1988, S. 187). Kroeber-Riel (1996) fiihrt die Verhaltenswirkung innerer Bilder darauf zuriick, dass „diese in einer Entscheidungs- oder Handlungssituation im Gedachtnis aktiviert werden und aufgrund ihrer Anschaulichkeit und emotionalen Ausstrahlung starker auf das Verhalten durchschlagen als abstraktes sprachliches Wissen" (Kroeber-Riel, 1996, S. 42f.). Werden nun innere Bilder aktiviert, konnen diese ihre Wirkung auf unterschiedliche Weise entfalten. Hierfur sind die verschiedenen Dimensionen innerer Bilder verantwortlich (vgl. Ruge, 1988, S. 127, 149f.). Kroeber-Riel (1996) unterscheidet ftinf Dimensionen (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 223): 1. Die Verfugbarkeit eines inneren Bildes ist dann gegeben, wenn sich dieses in der Reizsituation schnell im Gedachtnis einstellt (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 223). Sie wird auch als Zugriffs^higkeit oder Intensitat bezeichnet (vgl. Ruge, 1988, S. 107ff.). 2. Die Vividness bezeichnet die Klarheit und Lebendigkeit eines inneren Bildes, welche uberhaupt erst die Existenz eines inneren Bildes zu begriinden scheint (vgl. Ruge, 1988, S. 105; Bone/Ellen, 1992, S. 96). Die Lebendigkeit steht dabei in einem engem Zusammenhang mit der Zugriffsfahigkeit des inneren Bildes (vgl. Ruge, 1988, S. 107f.; Kroeber-Riel, 1996, S. 232ff.). 3. Innere Bilder werden durch ein mehr oder weniger starkes positives oder negatives Gefallen begleitet. Sie wirken daher entweder anziehend oder abstoBend auf den Konsumenten (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 43). 4. Jedes innere Bild hat eine unterschiedliche Aktivierungsstarke. Diese entsteht durch das AusmaB der mit dem Bild verbundenen inneren Erregung (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 223).

Einen guten Uberblick zu den Wirkungen innerer Bilder geben Maclnnis und Price (1987, S. 475ff.) sowie Mani und Maclnnis (2003, S. 178ff.).

80

B. Theoretischer Rahmen 5. Innere Bilder konnen mehr oder weniger vertraut sein, wodurch unterschiedliche Wirkungen auf eine Person ausgelost werden (vgl. Ruge, 1988, S. 121; Kroeber-Riel, 1996, S. 233).

Die Vividness hat sich als die bedeutendste Einflussgrofie herausgestellt. Ruge (1988) bezeichnet sie auch als „Superdimension" des inneren Bildes (vgl. Ruge, 1988, S. 105). So hat die Lebendigkeit des inneren Bildes einen positiven Einfluss auf die Einstellung zur Werbung und diese wiederum auf die Einstellung zur Marke (vgl. Bone/Ellen, 1992, S. 98ff.; Bums et al., 1993, S. 81; Babin/Bums, 1997, S. 38ff.). Die Existenz von olfaktorischen inneren Bildem konnte z.B. durch Lyman und McDaniel (1990, 2. Experiment), Carrasco und Ridout (1993), Ahsen (1995), Gilbert und Kollegen (1998), Djordjevic und Kollegen (2004) sowie Bensafi und Kollegen (2005) belegt werden (vgl. Lyman/McDaniel, 1990, S. 657ff.; Carrasco/Ridout, 1993, S. 290ff.; Ahsen, 1995, S. 115ff.; Gilbert et al., 1998, S. 137ff.; Djordjevic et al., 2004, S. 145f.; Bensafi et al., 2005, S. 522ff.).^'^ Hingegen mussten Crowder und Schab (1995) sowie Herz (2000) aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse die Existenz innerer olfaktorischer Bilder ablehnen (vgl. Crowder/Schab, 1995, S. 98ff.; Herz, 2000, S. 957ff.). Auch olfaktorische Reize konnen eingesetzt werden, um innere Bilder zu erzeugen. Sie eignen sich besonders gut dazu, lebendige und emotionale Bilder hervorzurufen (vgl. WeinsteinAVolpin, 1983, S. 69ff.; Chu/Downes, 2002, S.513ff; Herz/Schooler, 2002, S. 26f.). Wolpin und Weinstein (1983) untersuchten die Beziehung zwischen der Erzeugung innerer Bilder und Duftstimulation. Hierfur wurde in einer ersten Messung nach der Klarheit und der Lebendigkeit des inneren Bildes gefragt, welches sich die Probanden von vier verschieden Situationen machen sollten (ein Erdnussbutterbrot essen, ein Waschbecken reinigen, einen Pfannkuchen mit Ahomsirup essen sowie eine Zitrone ausdriicken). Vor einer zweiten Messung wurden entweder ein kongruenter, ein inkongruenter oder kein Duft dargeboten und anschlieBend wieder Klarheit und Lebendigkeit des inneren Bildes abgefragt. Wolpin und Weinstein (1983) konnten dabei zeigen, dass sich die Klarheit und Lebendigkeit des inneren Bildes bei Kongruenz von Duft und Bild zwischen der ersten und zweiten Messung signifikant erhohte und bei Inkongruenz signifikant verschlechterte. In der ^"^ Gilbert und Kollegen (1998) sowie Djordjevic und Kollegen (2004) wiesen nach, dass manche Probanden leichter olfaktorische innere Bilder erzeugen konnen als andere (vgl. Gilbert et al., 1998, S. 141ff.; Djordjevic et al., 2004, S. 145f.). Bensafi und Kollegen (2005) zeigten, dass ein Hauptgrund fur eine gute oder aber eine schlechte Imageryleistung von Duften das Schniiffeln ist. Je ausgepragter dieses war, desto besser waren die Imageryleistungen (vgl. Bensafi et al., 2005, S. 522ff). Nach Kosslyn (2003) ist das Schniiffeln der Ausloser fur ein inneres Bild (vgl. Kosslyn, 2003, S. 1125). Dabei wird bei angenehmen Duften starker geschniiffelt als bei unangenehmen (vgl. Bensafi et al., 2003, S. 1142ff.).

2. Verhaltenswissenschaftliche Zugange

81

Kontrollgruppe gab es keinen Effekt. Dariiber hinaus konnte das Erlebnisgeftihl in der konsistenten Situation signifikant gesteigert und in der inkonsistenten Situation signifikant verringert werden. In der Kontrollgruppe gab es wieder keinen Unterschied (vgl. Wolpin/Weinstein, 1983, S. 69ff.). Herz und Schooler (2002) untersuchten autobiographische Erinnerungen, die durch verbale, visuelle oder aber olfaktorische Stimuli ausgelost wurden. Sie konnten zeigen, dass die verschiedenen Erinnerungen sich nicht signifikant in der Lebendigkeit des inneren Bildes unterschieden. Es waren also alle drei Modalitaten in der Lage, sehr lebendige Erinnerungen zu erzeugen (vgl. zu ahnlichen Resultaten Rubin et al, 1984, S. 497ff. sowie Herz, 1998, S. 67Iff.) AUerdings zeigte sich, dass die durch die DUfte hervorgerufenen Erinnerungen signifikant emotionaler waren als andere Erinnerungen (vgl. Herz/Schooler, 2002, S. 26f). Diese Ergebnisse bestatigte Herz (2004) noch einmal.^^ Des Weiteren wirkten die Diifte wie eine „Zeitmaschine", denn die Probanden fuhlten sich starker zum Originalereignis zuruckversetzt; die Zugriffsfahigkeit konnte signifikant gesteigert werden (vgl. Herz, 2004, S. 219). Dass durch Diifte hervorgerufene Erinnerungen emotionaler sind als solche, die durch visuelle Stimuli ausgelost werden, konnten Herz und Kollegen (2004) auch mittels einer fMRI-Studie nachweisen (vgl. Herz et al., 2004a, S. 374ff.). Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Herz und Schooler (2002) konnten Chu und Downes (2002) auch die Lebendigkeit der inneren Bilder bei kongruenten Diiften gegenuber einer inkongruenten Situation oder aber keinem Duft erhohen (vgl. Chu/Downes, 2002, S. 513ff.). Die Zugriffsfahigkeit auf ein inneres Bild wurde indirekt von Aggleton und Waskett (1999) erforscht. Sie untersuchten die gestiitzte Erinnerung von Probanden nach dem Besuch in einem Wikingermuseum, welches zur Unterstiitzung des Erlebnisses Duftstoffe einsetzt. Der Besuch des Museums lag durchschnittlich sechs Jahre zuruck. Die Probanden mussten 20 Aufgaben losen, bei denen es z.B. um Kleidung und Essen der Wikinger ging. Vor der Befragung bekam eine Gruppe die Originaldiifte aus dem Museum, eine zweite erhielt einen anderen Duft und eine dritte keinen. Die Ergebnisse zeigten deutlich bessere Erinnerungswerte fur die Gruppe mit den urspriinglichen Duften. In einer zweiten Messung wurden der Kontrollgruppe nun die Originaldiifte gegeben und auch deren Erinnerungswerte verbesserten sich jetzt signifikant (vgl. Aggleton/Waskett, 1999, S. 4).

In diese Untersuchung wurde zusatzlich zu den von Herz und Schooler (2002) berucksichtigten Modalitaten noch die Akustik eingebunden (vgl. Herz, 2004, S. 217ff.).

82

B. Theoretischer Rahmen

Fazit Durch den Einsatz von Duftstoffen in der Kommunikation ergibt sich fur das Marketing eine weitere Option, wichtige verhaltenswissenschaftliche GroBen wie innere Markenbilder zu verbessem. Wie dargelegt, konnen durch den Einsatz von Duftstoffen die inneren Bilder klarer und lebendiger werden, wenn die Stimuli in der Darbietungsphase aufeinander abgestimmt sind. Sind sie es nicht, ftihrt dies zu einer Verschlechterung der Ergebnisse. Daruber hinaus sind durch Dufte ausgeloste Erinnerungen besonders emotional, wobei die Lebendigkeit des inneren Bildes in den bisherigen Experimenten zum Teil verbessert wurde und zum Teil auch nicht. Allerdings bezogen sich die Untersuchungen von Herz und Schooler (2002) und Herz (2004) auf selbstgewahlte Erinnerungen der Probanden. Man kann davon ausgehen, dass dabei die lebendigsten der mit diesen Stimuli verbundenen Erinnerungen gewahlt und die Ergebnisse dadurch verzerrt wurden. Duftstoffe konnen also in der Markenkommunikation eingesetzt werden, um die Marke reichhaltiger und lebendiger zu gestalten, was sich auch in den markenrelevanten ZielgroBen niederschlagen soUte (vgl. Kapitel C). Kroeber-Riel (1996) forderte deshalb zu Recht, es miisse versucht werden „bei der Vermittlung von sinnlichen Eindriicken, die nicht visueller Modalitat sind, die Uberlegenheit des inneren Bildes zu nutzen" (Kroeber-Riel, 1996, S. 49).^^ Das folgende Kapitel beschaftigt sich mit den Grundlagen des olfaktorischen Systems. Hierbei wird zunachst erlautert, warum die integrierte Kommunikation schon aus rein physiologischen Griinden anzustreben ist. AnschlieBend werden wichtige Determinanten der Duftwahmehmung erlautert, da diese fiir die Anwendung von Duften in der Kommunikation von groBer Bedeutung sind.

^^ Kroeber-Riel (1996) spricht bei der Verwendung von Duften in der Kommunikation von Geruchs- oder Duftbildem (vgl. Kroeber-Riel, 1996, S. 46f.).

3.

Physiologische Evidenz fiir eine integrierte Markenkommunikation Kenntnisse der Grundlagen des olfaktorischen Systems als Voraussetzung flir einen Einsatz von Diiften in der integrierten Markenkommunikation

3.1

Aufbau und neurowissenschaftliche Funktionsweise des Geruchsorgans

Um Duftstoffe in der Markenkommunikation gezielt einsetzen zu konnen, muss man die physiologischen Grundlagen des olfaktorischen Systems kennen. Zunachst wird deshalb kurz der Aufbau des Geruchsorgans erlautert, um dann anschlieBend die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse uber die Integration von unterschiedlichen Sinnen zu diskutieren. 3.1.1 Aufbau des Geruchsorgans Aufbau des Naseninnenraums Die menschliche Nase besteht aus einem sichtbaren auBeren sowie einem nicht sichtbaren inneren Teil. Im Inneren wird sie durch die Nasenscheidewand (Nasenseptum) in zwei Hohlraume unterteilt (vgl. Abb. 21). Diese beiden Nasenhohlen miinden durch einen Kanal im Nasenrachenraum und enden in der Mundhohle. In den Nasenhohlen befmden sind jeweils drei iibereinanderliegende muschelartige Gebilde (conchae nasales bzw. Conchen). Diese dienen der OberflachenvergroBerung (vgl. Eyferth, 1966, S. 259; Hatt, 1990, S. 107). Abgesehen vom Naseneingang ist die gesamte Nasenhohle mit einer Schleimhaut ausgekleidet. Das Riechareal ist mit der Riechschleimhaut (Regio olfactoria oder Riechepithel) uberzogen. Es erstreckt sich iiber die ganze obere Conche und bildet zusatzlich noch Inseln auf der mittleren Conche. In der Riechschleimhaut befmden sich diejenigen Sinneszellen, die auf die Wahmehmung von Duftmolekiilen spezialisiert sind (vgl. Doty, 2001, S. 425).

84

Abbildung 21: Quelle:

B. Theoretischer Rahmen

Darstellung des Naseninnenraums Hatt, 1990, S. 107.

Aufbau der Riechschleimhaut Die Riechschleimhaut besteht aus Riech-, Stutz- sowie Basalzellen (vgl. Moulton/Beidler, 1967, S. 4; Graziadei/Monti Graziadei, 1979, S. Iff.; Doty, 2001, S. 425f ).^^ Wichtig fur die olfaktorische Wahmehmung sind die Riechzellen. Beim Menschen wird ihre Anzahl je nach Autor auf 6 bis 30 Millionen geschatzt (vgl. Hatt, 1990, S. 108; Hatt, 2001, S. 376; Doty, 2001, S. 426; Goldstein, 2002, S. 576).^^ Bei den Riechzellen handelt es sich urn primare Sinneszellen, d.h. sie nehmen sowohl die Kodierung der chemischen Reize als auch die Weiterleitung der Signale zum Zentralnervensystem vor. Sie bestehen aus einem langlichen Zellkorper, der an einem Ende einen kurzen Fortsatz (Dendrit) mit zahlreichen diinnen Sinneshaaren (cilia olfactoria oder Cilien) hat, wahrend das andere Ende einen langen

Innerhalb der Basalzellen konnen zwei Zelltypen unterschieden werden: die hellen und die dunklen. Dariiber hinaus existieren zwei weitere Zelltypen, zum einen die der Bowman-Driise, der Quelle des Riechschleims, und zum anderen die der Mikrovilli, die ungefahr im Verhaltnis 1:10 mit den Riechzellen auftreten (vgl. Doty, 2001, S. 426). Die Funktion der Mikrovilli ist noch nicht abschliefiend geklart (vgl. Moran et al., 1991, S. 8; Doty, 2001,8.426). ^^ Birbaumer und Schmidt (2003) schatzen, dass die Bandbreite noch hoher ist. Nach ihren Angaben liegt die Anzahl der Riechnervenzellen zwischen 10 und 100 Millionen (vgl. Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 445).

3. Physiologische Evidenz

85

Nervenfortsatz (Axon; filia olfactoria) bildet, welcher einen direkten Zugang zum Gehim darstellt (vgl. Graziadei/Monti Graziadei, 1979, S. Iff.;

Hatt, 2001, S. 376). Die

Riechschleimhaut besitzt ungefahr eine GroBe von lOcm^ (zwei Nasenhohlen a 5cm^) (vgl. Hatt, 1990, S. 107; Cowart/Rawson, 2001, S. 570; Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 445). Die durchschnittliche Lebensdauer der Riechzellen betragt zwischen einem und zwei Monaten (vgl. Graziadei/Monti Graziadei, 1979, S. 3ff; Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 446).^^

Abbildung 22: Quelle:

Aufbau der Riechschleimhaut Hatt, 2001, S. 377.

Der Prozess der Emeuerung scheint aber nicht wie angenommen immer auf alle Zellen zuzutreffen. So gibt es viele Zellen, die langer als zwei Monate leben (vgl. Hinds et al., 1984, S. 378; Menco/Morrison, 2003, S. 36). Insgesamt ist der Prozess der Emeuerung viel komplexer als bisher angenommen (vgl. ausftihrlich Doty, 2001,8.429). Dies ist eines der seltenen Beispiele fur Nervenzellen, die im adulten Nervensystem noch zu einer regelmafiigen mitotischen Zellteilung fahig sind (vgl. Hatt, 2001, S. 376; Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 446).

86

B. Theoretischer Rahmen

3.1.2 Neurophysiologische Funktionsweise der Reizverarbeitung Neben den olfaktorischen Reizen werden visuelle, auditive, haptische und gustatorische Reize von Marken im Gehim verarbeitet. Um die multimodale Informationsverarbeitung zu erklaren, werden deshalb die sensorische Verarbeitung im Gehim, der Aufbau des Gehims sowie anschliefiend die olfaktorische Reizverarbeitung beleuchtet.

3.1.2.1 Informationsverarbeitung, Aufbau des Gehims und Hemisphdrenunterschiede Jedes Sinnesorgan reagiert auf Reize gemafi seiner Bestimmung: das Auge auf Lichtenergie, die Nase auf chemische Substanzen usw. Das Gehim kann diese Reize nur verarbeiten, wenn sie in bioelektrische Signale umgewandelt worden sind (Transduktion). Diese wiedemm werden in den Neuronen in Nervenimpulse transferiert und an das Gehim weitergegeben. Hier durchlaufen sie dann unterschiedliche Regionen (vgl. Goldstein, 2002, S. 9ff.). Das Gehim bearbeitet dabei die anfallenden Aufgaben entweder parallel oder seriell (hierarchisch). Bei einer parallelen Aufgabenbearbeitung laufen mehrere Prozesse gleichzeitig ab, z.B. Reden und Laufen. Bei der seriellen Verarbeitung werden die Aufgaben nacheinander gelost (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 348). Dariiber hinaus ist das Gehim modular aufgebaut, sodass die Verarbeitung der unterschiedlichen sensorischen Reize in bestimmten Regionen des Cortexes vorgenommen wird (vgl. Kandel et al., 1995, S. 41; Goldstein, 2002, S. 32), wobei aber bei alien Sinnesmodalitaten weitere Regionen mit den primaren Arealen verkniipft sind (vgl. Goldstein, 2002, S. 33). Allerdings erfolgt die Verarbeitung der Reize nicht nur im Cortex, sondem auch in den damnter liegenden Stmkturen, wie z.B. dem Hippocampus oder der Amygdala. Das Gehim des Menschen besteht aus drei miteinander verbundenen Schichten. Der innerste Bereich ist der Himstamm mit der Medulla, der Briicke (Pons), der Formatio reticularis, dem Thalamus sowie dem Kleinhim (Cerebellum). Den Himstamm umgibt das limbische System, bestehend aus Hippocampus, Amygdala und Hypothalamus. Dieses vermittelt zwischen motiviertem Verhalten, emotionalen Zustanden und Gedachtnisprozessen. Der Hippocampus spielt dabei eine besondere Rolle beim Erwerb von explizitem Wissen (vgl. Eichenbaum, 1999, S. 775f), wahrend die Amygdala maBgeblich an der emotionalen Kontrolle und der Formung emotionaler Gedachtnisinhalte beteiligt ist. Der Hypothalamus dagegen reguliert das motivational Verhalten (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 86f). Die auBerste Schicht des

3. Physiologische Evidenz

87

Gehims ist das GroBhim (Cortex)/' welches sich entlang des Scheitels in zwei Halften teilt (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 84ff.). Diese werden aufgrund ihrer Lage rechte und linke Hemisphare genannt (vgl. Abb. 23). Die GroBhimhemispharen bestehen aus jeweils vier Lappen (vgl. Kandel et al., 1995, S. lOf.): dem Frontal- oder Stimlappen (Lobus frontalis), dem Parietal- oder Scheitellappen (Lobus parietalis), dem Okzipital- oder Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis) sowie dem Temporal- oder Schlafenlappen (Lobus temporalis). Viele Bereiche der GroBhimrinde sind mit der Verarbeitung von sensorischen oder motorischen Informationen betraut (vgl. Abb. 24) (vgl. Kandel et al., 1995, S. 84), andere sind fiir die Interpretation und Integration von Informationen zustandig. Vermutlich werden in diesem Assoziationscortex auch Prozesse wie Planen und Entscheiden durchgefuhrt (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 89). Beide Hemispharen sind iiber einen Strang von Nervenfasem miteinander verbunden, dem Corpus callosum (vgl. Atkinson et al., 2000, S. 52; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 87).

Eine etwas andere Einteilung der Schichten wahlen Smith und Kollegen (2003, S. 40). Sie unterteilen das Gehim in Vorderhim, Rautenhim und Mittelhim. Das Vorderhim umfasst die GroBhimrinde, den Hippocampus, die Amygdala, den Hypothalamus und die Hypophyse sowie abweichend von der Einteilung von Zimbardo und Gerrig (2004) den Thalamus. Dafiir fehlt dieser dann beim Rautenhim, das aus Medulla, Briicke, Reticular formation sowie Cerebellum besteht. Eine nochmals andere Unterteilung wahlen Kandel und Kollegen (1995, S. lOf.). Nach ihrer Darstellung besteht das zentrale Nervensystem aus dem Ruckenmark, dem Himstamm (mit der Medulla, der Briicke, dem Cerebellum sowie dem Mittelhim), dem Zwischenhim sowie den GroBhimhemispharen (mit der GroBhimrinde, Basalganglien, Hippocampus sowie der Amygdala).

B. Theoretischer Rahmen

Abbildung 23: Quelle:

Darstellung der Hemispharen des Menschen Smith et al, 2003, S. 43.

3. Physiologische Evidenz

Abbildung 24: Quelle:

89

Darstellung verschiedener Bereiche der Grofihimrinde Eysenck, 1998, S. 41.

Die Hemispharen kontrollieren tiberwiegend die sensorischen und motorischen Prozesse der gegeniiberliegenden Korperseite, sodass Informationen, die das rechte visuelle Feld betreffen, im linken Teil des visuellen Cortex verarbeitet werden (vgl. Goldstein, 2002, S. 44; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 91). Bei den olfaktorischen Reizen gilt dies ebenfalls. So werden die durch die rechte Nasenhohe aufgenommenen Duftstoffmolekiile auf der linken Seite des Gehims verarbeitet (vgl. Ehrlichman/Bastone, 1992, S. 158; Kobal/Hummel, 1992, S. 190). Beide Hemispharen erfuUen unterschiedliche Funktionen und sind auch nicht vollstandig symmetrisch (vgl. Kandel et al., 1995, S. 12; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 87; Leichner/Grether, 2004, S. 76). In der rechten Hemisphere erfolgt die Verarbeitung holistisch, in der linken

90

B. Theoretischer Rahmen

analytisch (vgl. Gazzangia, 2000, S. 1304; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 93; Leichner/Grether, 2004, S. 77)7^ Bei alien Unterschieden sollte man jedoch immer Folgendes beachten: „These differences are seen in the contrasting contributions each hemisphere makes to all cognitve activities. When a person reads a story, the right hemisphere may play a special role in decoding visual information, maintaining an integrated story structure, appreciating humor and emotional content, deriving meaning from past associations and understanding metaphor. At the same time, the left hemisphere plays a special role in understanding syntax, translating written words into phonetic representations and deriving meaning from complex relations among word concepts and syntax. But there is no activity in which only one hemisphere is involved or to which only one hemisphere makes a contribution." (Levy, 1985, S. 43f). Das Zusammenspiel der beiden Hemispharen ist also von entscheidender Bedeutung (vgl. Atkinson et al., 2000, S. 51ff; Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 93; Leichner/Grether, 2004, S. 16)J^

3.1.2.2 Physische Informationsverarbeitung olfaktorischer Reize im Gehirn Die folgende Abbildung zeigt schematisch, wie der Geruchsreiz von den Riechzellen ans Gehirn weitergeleitet wird (vgl. Abb. 25).

Abbildung 25: Quelle:

Verlauf und Verbindung der Riechbahnen Hatt, 1990, S. 109.

Bei Mannem ist die Hemispharenasymmetrie starker ausgepragt als bei Frauen. Einen ausftihrlichen Uberblick zu diesem Thema liefem Hiscock und KoUegen (1995) sowie Medland und Kollegen (2002). Untersuchungen an Split-Brain-Patienten (ihr corpus callosum ist durchtrennt) zeigen dies ganz deutlich. R.W. Sperry (1968) ist der Pioneer auf diesem Gebiet. Er konnte unter anderem nachweisen, dass ein SplitBrain-Patient, der fur eine Zehntelsekunde im linken Gesichtsfeld einen Gegenstand sah, diesen mit der linken Hand zwar greifen konnte, jedoch nicht in der Lage war zu sagen, was er gesehen hatte (vgl. Sperry, 1968,S.307f.).

3. Physiologische Evidenz Die

eingeatmeten

Duftstoffmolektile

91 miissen

mit

den

ca.

1000 verschiedenen

Geruchsrezeptoren^'^ in Kontakt kommen (vgl. Axel, 1995, S. 154),^^ von denen jeder vermutlich nur eine oder wenige Arten von Duftstoffmolekulen annehmen kann. Treffen die Duftstoffmolektile auf die Riechschleimhaut und den entsprechenden Rezeptor^^, losen sie eine Reihe von Reaktionen aus, welche lonenkanale in der Membran offnen,^^ die dann zu einem bioelektrischen Potenzial in der Cilie ftihren (vgl. Reed, 1990, S. 205ff.; Lancet, 1992, S. 74ff.; Reed et al. 1992, S. 54f). Diese Potenziale losen Nervenimpulse im Axon der Riechsinneszelle aus (vgl. Goldstein, 2002, S. 578; Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 446). Wie aus Abbildung 26 ersichtlich, gelangen die Signale zu den Mitralzellen im Riechkolben (Bulbus olfactorius).^^ Die Nervenfortsatze der Mitralzellen bilden zusammen den Tractus olfactorius, der in das Riechhim (primary olfactory cortex) fuhrt. Dieses besteht aus dem „olfactory tubercle" (tuberculum olfactorium), dem „anterior olfactory nucleus", dem „piriform cortex" (area praepiriformis), der „tenia tecta", einem Teil der „Amygdala" (corpus amygdaloideum) sowie dem „entorhinal cortex" (regio entorhinalis) (vgl. Abb. 26) (vgl. Powell et al., 1965, S. 794ff; Shipley/Reyes, 1991, S. 38ff; McLean/Shipley, 1992, S. 146). Die Verarbeitung der Geruchsinformationen endet jedoch nicht im Riechhim. Es gibt zwei mogliche Bahnen fur die Informationen. Wie bei alien Sinnesinformationen erfolgt zum einen die Weiterleitung der Informationen zum Thalamus und dann weiter zum Cortex, dem Zentrum des menschlichen Bewusstseins, zum anderen gibt es eine Verbindung zum limbischen

System (Amygdala, Hippocampus) und von dort Verbindungen zum

Hypothalamus und der Formatio reticularis des Himstammes. Das limbische System verarbeitet v.a. Emotionen und Gedachtnisprozesse (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 85). Daniber hinaus gilt es als das oberste Himareal far die Steuerung autonomer Prozesse wie Diese Rezeptormolekiile liegen in der Zellmembran der Cilien und sind Proteine, die aus Ketten von Aminosauren bestehen, die die Zellwand siebenmal kreuzen (vgl. Goldstein, 2002, S. 576). Von jedem Typ dieser 1.000 verschiedenen Sinneszellen gibt es etwa 10.000. Diese sind auf der Riechschleimhaut zu Gruppen gleicher Riechsinneszellen zusammengefasst, die dann in den vier Zonen der Riechschleimhaut so verteilt sind, dass in jeder Zone nur Gruppen von gleichen Riechsinneszellen zusammengefasst sind. Die Funktion dieser Zonen ist bislang noch nicht erforscht (vgl. Mori et al., 1999, S.712f.). Dies kann auf zwei unterschiedliche Weisen passieren. Zum einen konnen die Duftstoffmolektile direkt auf die Rezeptormolekule treffen oder aber sie binden sich an sogenannte geruchsbindende Proteine, die die Duftstoffmolektile dann zu den Geruchsrezeptoren transportieren (vgl. Pelosi, 1996, S. 205ff.). Vergleiche ausfiihrlich zum TransduktionsprozeB Getchell und Getchell (1991, S. 6Iff.), Reed und Kollegen, (1992, S. 54ff.), Doty (2001, S. 427ff.) sowie Moon und Ronnett (2003, S. 75ff.). Die Axone verlaufen gebundelt (Filia olfactoria) durch die Siebbeinplatte zum Riechkolben. Dort spalten sie sich wieder auf, um tiber Synapsen Kontakt mit den Glomeruli aufzunehmen. Die Glomeruli sind aufgefacherte dendritische Strukturen der Mitralzellen des Riechkolbens. Bin Glomeruli erfasst dabei je nach Autor zwischen 1.000 und 10.000 Axone (vgl. Hatt, 1990, S. 108; Goldstein, 2002, S. 579). Da unterschiedliche Riechsinneszellen auf der Riechschleimhaut auf unterschiedliche Duftstoffe reagieren, losen diese auch an unterschiedlichen Orten des Riechkolbens die Glomeruli aus (vgl. Cowart/Rawson, 2001, S. 577ff.).

92

B. Theoretischer Rahmen

beispielsweise Atmung, Blutdmck oder Korpertemperatur (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 85). Die sehr emotionale Reaktion auf Duftstoffe wird mit der sehr engen bzw. direkten Verbindung zwischen dem Bulbus olfactorius und dem limbischen System erklart (vgl. Papez, 1937, S. 726; Aggleton/Mishkin, 1986, S. 287; Ehrlichmann/Bastone, 1992, S. 143; Cahill et al, 1995, S. 295f.; Herz, 2004, S. 222 sowie ausfuhrlich zur emotionalen Wirkung von Duftstoffen Kapitel B 4.2.2). Allerdings erfolgt eine Verarbeitung der olfaktorischen Reize oftmals sowohl im Orbitofrontalen Cortex (OFC) als auch in der Amygdala (vgl. Royet/Plailly, 2004, S. 735ff.).

Abbildung 26: Quelle:

Verlauf und Verbindung der Riechbahnen Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 449.

Auch bei der Verarbeitung von Duftstoffen

gibt es Hemispharenunterschiede (vgl.

Royet/Plailly, 2004, S, 738ff.). Diese sind sowohl auf der Ebene des OFC zu fmden als auch auf der des primaren Riechhims. So wird die rechte Hemisphare in den Prozess des Wiedererkennens eines Duftes einbezogen und die linke in den der emotionalen Verarbeitung (vgl. Royet et al, 2000, S. 7758; Royet/Plailly, 2004, S. 739). Dtifte, die uber das rechte Nasenloch aufgenommen werden, zeigen mehr Emotionalitat als durch das linke Nasenloch

3. Physiologische Evidenz

93

aufgenommene (vgl. Herz et al., 1999, S. 692ff.; Dijksterhuis et al., 2002, S. 275ff.)/^ Daruber hinaus konnten Zatorre und KoUegen (2000, S. 2713ff.) nachweisen, dass nur der rechte OFC an der Verarbeitung von angenehmen Diiften und der Intensitatsbeurteilung beteiligt ist. Gottfried und Kollegen (2002) konnten eine Aktivierung des piriform cortex bei der Prasentation von angenehmen Diiften feststellen (vgl. Gottfried et al., 2002, S. 10833). Unangenehme Diifte hingegen werden iiberwiegend im linken OFC verarbeitet (vgl. Zald/Pardo, 1997, S. 4120ff.). Es ist zu aber beriicksichtigen, dass die Verarbeitungsprozesse sehr eng miteinander verbunden sind. AUerdings konnten Gordon und Sperry (1969) zeigen, dass die Hemispharen auch getrennt voneinander funktionieren (vgl. Gordon/Sperry, 1969, S. 114ff). Aus diesen Ergebnissen ist zu schlieBen, dass die Interaktion beider Hemispharen fur eine optimale Performance komplexer Duftverarbeitungsprozesse notwendig ist (vgl. Royet/Plailly, 2004, S. 739). Die Verarbeitung von Duftreizen lauft ebenso wie von anderen Reizen entweder analytisch oder nicht-analytisch ab. Die linke Hemisphare ist mehr analytisch, die rechte hingegen eher holistisch ausgerichtet. Jedoch wird in der linken Gehimhalfte auch die emotionale Verarbeitung der Dtifte vorgenommen (allerdings nicht auf der Ebene des OFC, sondem in der linken Amygdala). In der rechten Gehimhalfte erfolgt dagegen die Verarbeitung der Vertrautheit und der Intensitat der Diifte. Dass in der linken Hemisphare die eher unangenehmen Diifte verarbeitet werden und die emotionale Verarbeitung angesiedelt ist, hat den Vorteil einer besseren und schnelleren Reaktion auf Gefahren. Vertraute Diifte bediirfen zunachst keiner tieferen semantischen Verarbeitung, da das Gefiihl des Kennens zunachst ausreicht. Unangenehme Diifte sind haufig solche, von denen Gefahren ausgehen konnen, z.B. der Geruch von Gas oder Feuer, sodass unabhangig von der Vertrautheit mit dem Duft eine Aktivierungsreaktion hervorgerufen wird und so eine schnelle Entscheidung ermoglicht wird (vgl. Royet/Plailly, 2004, S. 739f.). Dies zeigt sich auch darin, dass ein unangenehmer Duft signifikant schneller wahrgenommen wird als ein angenehmer (vgl. Rouby/Bensafi, 2002, S. 154).

Wie bei den anderen Sinnen ist auch bei olfaktorischen Reizen die gegeniiberliegende Hemisphare ftir die Verarbeitung der Reize zustandig (siehe auch Kapitel B 3.1.2.1).

94

B. Theoretischer Rahmen

3.1.2.3 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur multimodalen Informationsverarbeitung Wie Abbildung 24 gezeigt hat, werden die einzelnen Sinnesreize in unterschiedlichen Gehimregionen verarbeitet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die einzelnen Sinne unabhangig voneinander agieren. Es ist vielmehr so, dass im taglichen Leben Objekte und Ereignisse multisensual von den verschiedenen Sinnen wahrgenommen und gespeichert werden sowie spater dann durch diese einzeln wieder abgerufen werden konnen. So sind mit dem letzten Sommerurlaub, je nachdem wo er stattgefunden hat, unterschiedliche sensuale Eindriicke verbunden. Bei einem Nordseeurlaub gibt es visuelle Eindriicke wie Deiche und Strand, das Brechen der Wellen und eben auch olfaktorische wie salzhaltige Luft mit einem leichten Hauch von Brackwasser. War man dagegen in den Bergen, hat man vollkommen andere Sinneseindriicke. Es ist nun zu untersuchen, wie die verschiedenen Sinne interagieren. Dabei ist zu zeigen, wie die Interaktion der Sinne flinktioniert und zu welchem Zeitpunkt es zu einem Zusammenspiel der Sinne kommt.

Interaktion der Sinne Durch modeme Verfahren der Neurowissenschaften ist es in den letzten Jahren zu erheblichen Fortschritten in der Erforschung der Interaktion der Sinne gekommen. Am weitesten fortgeschritten ist dabei die Untersuchung der Multisensualitat bei Katzen (vgl. Stein et al., 2004a, S. 25ff.).^^ Auch bei anderen Tierarten, z.B. bei Ratten und Affen, aber auch bei Menschen konnte eine Interaktion der Sinne nachgewiesen werden. Beim Menschen wurde gezeigt, dass die multisensuale Integration von visuellen und olfaktorischen Reizen im OFC stattfmdet (vgl. Rolls/Baylis, 1994, S. 5450; Ongur/Price, 2000, S. 209ff). Fiir eine Integration der Sinne gibt es zwei grundlegende Indizien:

Bei Katzen erfolgt eine Integration der Reize unter anderem im superior colliculus (SC). Dieser liegt im Mittelhim und war bisher vor allem dafiir bekannt, dass er in das Orientierungsverhalten zu Objekten involviert ist (vgl. Stein et al., 2004a, S. 28ff.). Die Neuronen im SC sind zu ungefahr 80% multisensuale Neuronen, d.h., dass sie in ihrer Aktivitat (sowohl positiv als auch negativ) bei einer multisensualen Darbietung signifikant von einer Darbietung der Einzelreize abweichen (vgl. Stein et al., 2004a, S. 33ff.). Aber auch im anterior ectosylvian cortex (AES) der Katzen sind multisensuale Neuronen gefunden worden, allerdings in einer geringeren Anzahl (ca. 22%). Die verschiedenen Neuronen sind fur unterschiedliche Sinneskombinationen zustandig, wobei trimodale Neuronen von visuellen, auditiven und sensosomatischen Kombinationen nur ein Prozent der Falle ausmachen (vgl. Wallace et al., 1992, S. 485; Stein et al., 2004a, S. 39).

3. Physiologische Evidenz

95

1. Neben den unimodalen Neuronen wurden in vielen Bereichen des Gehims auch Neuronen geftinden, die multimodal sind (vgl. Bremmer et al., 2001, S. 288ff.; King, 2004, S. 4; Stein et al, 2004a, S. 27). 2. Die Darbietung eines Stimulus kann zu einer Aktivierung des kortikalen Bereiches einer anderen Modalitat fuhren. So konnten z.B. Gottfried und Kollegen (2004) zeigen, dass beim Erinnem an ein Objekt, das in der Lemphase mit einem Duft dargeboten wurde, auch in Abwesenheit des Duftes duftstoffspezifische Gehimareale aktiviert werden (vgl. Gottfried et al., 2004, S. 689ff). Aus den vorliegenden Untersuchungen sind ein paar generelle Uberlegungen zur multimodalen Integration formuliert worden (vgl. Stein, 1998, S. 124ff; Stein et al., 2004a, S. 27ff; Osterbauer et al., 2005, S. 3435ff). Wie der Mechanismus genau funktioniert, ist bis heute jedoch nicht geklart. Als Regeln konnen dabei die folgenden angesehen werden: •

Wenn zwei oder mehr sensorische Reize zur selben Zeit am selben Ort zusammentreffen, kommt es zu einer messbaren Veranderung in der Feuerungsrate der multisensualen Neuronen. Keine Veranderung ergibt sich in den Neuronen, wenn die Reize einzeln dargeboten werden.



Die Summe der Aktivitaten der Neuronen kann weitaus grofier sein als die Aktivitat bei der Darbietung der einzelnen Reize (Superadditivitat). Allerdings mtissen hierfur die sensorischen Reize in raumlicher und zeitlicher Nahe zueinander stehen (s.o.),^^ da es sonst auch zu einer Verringerung der Aktivitat kommen kann (Subadditivitat).



Multisensuale Reize geben den sensorischen Erlebnissen eine gewisse Tiefe und Komplexitat. Dariiber hinaus werden die Schnelligkeit und die Genauigkeit der Beurteilung einzelner Erlebnisse in einem MaBe verbessert, die bei einzelnen Kanalen so nicht erreicht wiirde.

Diese Effekte wurden bisher hauptsachlich bei visuellen und akustischen Stimuli gemessen (vgl. z.B. Shams et al., 2004, S. 27ff; Stein et al., 2004b, S. 245ff), allerdings konnten diese Phanomene in letzter Zeit auch bei anderen Modalitaten wie beispielsweise der Olfaktorik belegt werden (vgl. Gottfried/Dolan, 2003; Gottfried et al., 2004; Osterbauer et al. 2005).

^' Fallen die Reize zeitlich oder raumlich auseinander, kommt es oft zu multisensualen Illusionen. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfur ist der Bauchrednereffekt („ventriloquist effect"). Der Bauchredner bewegt Lippen und den Mund kaum, sodass der Eindruck entsteht, die von ihm gehaltene Puppe konne reden (vgl. Howard/Tempelton, 1966, S. 361 f; Shams et al., 2004, S. 27).

96

B. Theoretischer Rahmen

Die gmndlegende Frage des „Wie fUnktioniert das Zusammenwirken der verschiedenen Sinnesmodalitaten?" wird jedoch auch durch die oben vorgestellten Phanomene nicht beantwortet. Das „Wie verbinden sich nun die verschiedenen Sinneseindriicke zu einem gesamten Eindruck?" wird als Bindungsproblem bezeichnet (vgl. Eysenck/Keane, 2000, S. 49; Gazzangia et al, 2002, S. 168f.). Beim Bindungsproblem stellen sich grundsatzlich zwei Probleme: 1. Wie werden die Neuronen innerhalb eines Sinnessystems verbunden? Wie werden die verschiedenen Eindrucke eines fahrenden roten Autos innerhalb des visuellen Systems zu einem gesamten Eindruck zusammengefasst, sodass der Mensch ein fahrendes rotes Auto sieht und kein getrenntes „Rotsein", „Fahren" etc. (vgl. Goldstein, 2002, S. 136). 2. Wie werden die Neuronen unterschiedlicher Sinnessysteme verbunden? Wie werden neben den visuellen Eindrucken des Autos auch noch die Gerausche und Geruche integriert, die vom Auto ausgehen, sodass ein Gesamteindruck entsteht (vgl. Goldstein, 2002, S. 138)? Das rote Auto fahrt, klappert und es riecht nach Abgasen. Um auf die hier interessierende zweite Frage eine Antwort zu bekommen, werden im Folgenden verschiedene Untersuchungen vorgestellt, die olfaktorische und visuelle Reize mit in ihre multisensualen Uberlegungen einschlieBen.^^ Gottfried und Dolan (2003) untersuchten die Verbindung von olfaktorischen und visuellen Reizen und fanden dabei Kongruenz- und Inkongruenzeffekte. So wurden Diifte signifikant besser erkannt, wenn Duft und Bild semantisch zusammenpassen (z.B. Vanille und Eiscreme Oder Bus und Dieselduft) (vgl. Gottfried/Dolan, 2003, S. 380ff.). Dariiber hinaus war in diesen Fallen auch die Reaktionszeit signifikant kiirzer. Die Auswertung der Daten des Neuroimaging mittels fMRI ergab, dass die semantische Kongruenz zu signifikanten Veranderungen im OFC sowie im linken Hippocampus fuhrte. Dariiber hinaus konnten Gottfried und Dolan (2003) noch zeigen, dass die Gehimaktivitaten linear mit der subjektiv empfundenen Kongruenz zunahmen (vgl. Gottfried/Dolan, 2003, S. 379). Osterbauer und Kollegen (2005) untersuchten die Interaktion von Farben und olfaktorischen Reizen (Osterbauer et al., 2005, S. 3434ff.) und stellten dabei mit zunehmend wahrgenommener Kongruenz eine signifikante Steigerung der Aktivitat in verschiedenen Gehimarealen (z.B. OFC, anterior insular cortex) fest. Auch war die vermutete

Dariiber hinaus gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die gustatorische und olfaktorische Stimuli verwenden (vgl. ausfiihrlich dazu Rolls, 2004, S. 31 Iff.).

3. Physiologische Evidenz

97

Superadditivitat bei Kongruenz gegeben. Dagegen konnten sie weder eine Subadditivitat bei inkongruenten Stimuli finden^^ noch Aktivitaten im Hippocampus beobachten. Wie die beiden vorliegenden Studien zeigen, sind bei der gemeinsamen Verarbeitung von olfaktorischen und visuellen Reizen verschiedene Gehimregionen aktiv. Dabei gibt es starke Hinweise fur eine entscheidende Rolle des Hippocampus bei der Verarbeitung von multimodalen Stimuli (vgl. Eichenbaum et al., 1996, S. 13500ff.; Schacter/Wagner, 1997, S. 8ff.; Brown/Aggleton, 2001, S. 54; Gottfried/Dolan, 2003, S. 381). Allerdings bleiben Zweifel, da einige Forschungsergebnisse (z.B. Osterbauer et al., 2005) keine Aktivitat im Hippocampus feststellen konnten. Wie die Verbindung zwischen den Modalitaten exakt ablauft, lasst sich daher nicht abschlieBend erklaren. Femer gibt es derzeit noch keine Studie iiber die Integration aller Sinne (vgl. Stein et al., 2004b, S. 243), bei der unter Umstanden weitere aktive Gehimregionen gefunden werden konnen. Wichtig scheint dagegen die Kongruenz der verschiedenen Modalitaten zu sein, wie auch die beiden folgenden Studien unterstreichen. In einer „Event-related potential" (ERP)-Studie untersuchen Grigor und Kollegen (1999) den Zusammenhang zwischen einem passenden und einem unpassenden Duft als Prime mit einem Bild anhand der N400-Welle. Diese N400-Welle ist aktiv, wenn eine semantische Verarbeitung stattfmdet.^^ Bei der Darbietung der inkongruenten Stimuli miissten demnach die Ausschlage am hochsten sein. Das Ergebnis der Studie stiitzt diese theoretischen Uberlegungen: Die N400-Welle des ERP unterschied sich signifikant bei passendem und unpassendem Duft (vgl. Grigor et al., 1999, S. 141ff.). Sarfarazi und Kollegen (1999) untersuchten ebenfalls N400-Wellen, wobei sie im Unterschied zu Grigor und Kollegen (1999) mit einer permanenten Duftzuftihr iiber ein Olfaktometer und mit wechselnden Bildem arbeiteten und nicht mit einer gemeinsamen Darbietung von Duft und Bild (vgl. Grigor et al., 1999, S. 138ff; Sarfarazi et al., 1999, S. 148). Sie kamen dennoch zu gleichen Ergebnissen (vgl. Sarfarazi et al., 1999, S. 150ff).

Bei inkongruenten visuellen und akustischen Stimuli konnte Calvert (2001) eine Subadditivitat ermitteln (vgl. Calvert, 2001, S. 1115). Ebenso konnten Macaluso und Kollegen (2000) dies fur visuelle und haptische Stimuli belegen (vgl. Macaluso et al., 2000, S. 3064ff.). Erstmals wurde dies von Kutas und Hillyard (1980; 1984) gezeigt. Sie gaben einen Satz wie beispielsweise „Die Pizza war zu heifi zum..." vor. In der kongruenten Situation folgte dann „Essen", in der inkongruenten „Schreien" (vgl. Kutas/Hillyard, 1980, S. 203f.; 1984, S. 161f.). Bei einer multimodalen Studie mit nonverbalen Reizen wurde der Effekt der N400-Welle erstmals von Holcomb und Neuville anhand von visuellen und akustischen Reizen gezeigt (vgl. Holcomb/Neuville, 1990, S. 290ff.).

98

B. Theoretischer Rahmen

Zeitpunkt der Interaktion Zu welchem Zeitpunkt die multimodalen Reize miteinander interagieren, ist bisher nur selten untersucht worden. Friiher war man davon ausgegangen, dass sie nach extensiver Verarbeitung der einzelnen sensorischen Reize zusammengefiihrt werden. Fiir akustische und visuelle Reize wurde aber ein recht friiher Zeitpunkt der gemeinsamen Verarbeitung festgestellt (vgl. Giard/Peronnet, 1999, S. 477ff.; Molholm et al, 2002, S. 125). Bei der olfaktorischen und visuellen Reizdarbietung gibt es erst sehr wenige Ergebnisse, sodass hier noch Unsicherheit herrscht. Thesen und Kollegen (2004) konnten allerdings feststellen, dass die Verarbeitung des olfaktorischen Reizes erst auf einer spateren Stufe der Verarbeitung durch den visuellen Stimulus (der Farbe) beeinflusst wird (vgl. Thesen et al., 2004, S. 91). Dies entspricht auch den Ergebnissen von deAraujo und Kollegen (2003), die die Verarbeitung von Duft und Geschmack untersuchten (vgl. deAraujo et al., 2003, S. 206Iff.).^^

Fazit Von besonderer Bedeutung fur die Markenkommunikation mit Duftstoffen sind die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse zur multimodalen Reizverarbeitung. Die Tatsache, dass eine semantische Verbindung zwischen den Reizen zu signifikant besseren Ergebnissen fuhrt als wenn zwischen den Reizen kein Zusammenhang besteht, bedeutet fur die Markenkommunikation,

dass

eine

aufeinander

abgestimmte

Kommunikation

mit

unterschiedlichen Modalitaten bessere Ergebnisse erreichen muss als eine nicht abgestimmte. Dariiber hinaus konnen aufeinander abgestimmte Reize zu einer Superaddition und dadurch zu einer deutlichen Effizienzsteigerung der Kommunikation ftihren.

3.2 Determinanten der Duftwahrnehmung Die Kenntnis von Determinanten, die die Duftwahrnehmung bestimmen, ist sowohl fiir diese Arbeit als auch fur die spatere Anwendung in der Praxis von grofiter Relevanz. Im Folgenden werden deshalb die wichtigsten erlautert: Reizintensitat (Reizstarke), -art sowie -dauer. Anschliefiend erfolgt ein kurzer Uberblick iiber gangige Einteilungen von Diiften in Gemchsklassen. Fiir eine ausftihrliche Darstellung der unterschiedlichen Bindungszeitpunkte siehe Calvert und Thesen (2004, S, 192ff.). Fiir die theoretische Erklarung von friihen oder spaten Zeitpunkten der Bindung vgl. Foxe und Schroeder (2005).

3. Physiologische Evidenz

99

3.2.1 Reizintensitat Im Folgenden werden die „klassischen" Fragestellungen der Psycho-Physik behandelt. Hierzu zahlen die Bestimmung der minimalen Reizintensitat, bei der ein olfaktorischer Reiz gerade wahrgenommen

wird

(absolute

Reizschwelle),

die

Ermittlung

der

minimalen

Intensitatsdifferenzen zweier identischer Reize, die zur Wahmehmung von Unterschieden fiihrt (Wahmehmungs- oder auch Unterschiedsschwelle)^^ sowie die Analyse der Beziehungen

zwischen

Reiz-

und

Empfmdungsintensitat

im

uberschwelligen

Intensitatsbereich (quantitative Reiz-Empfmdungs-Relation). Dariiber hinaus interessiert noch die Erkennungsschwelle, also ab wann ein Reiz identifiziert wird. Die absolute Reizschwelle, hier also die Geruchsschwelle, liegt in der Konzentration eines Duftstoffes, von der an der Duft vom Menschen wahrgenommen werden kann. Diese Schwelle

ist

von

Duftstoff

zu

Duflstoff

sehr

unterschiedlich.

Es

gibt

Schwellenkonzentrationsunterschiede von 9-10 Zehnerpotenzen (vgl. Boeckh, 1972, S. 189; Burdach, 1988, S. 24f.). Dariiber hinaus gibt es starke interindividuelle Unterschiede, die sich uber ein bis zwei Zehnerpotenzen erstrecken konnen (vgl. Burdach, 1988, S. 24f.). Die Erkennungsschwelle wird erst oberhalb der absoluten Wahmehmungsschwelle erreicht. Der typische Geruch einer Substanz wird von einer Person erkannt und erzeugt bei ihr eine bestimmte Empfmdung (vgl. Boeckh, 1972, S. 188; Hatt, 2001, S. 383).^^ Sie liegt je nach Duftstoff bei unterschiedlichen Konzentrationen von Duftmolektilen pro m^ Luft. So liegt die Erkennungsschwelle bei Butan bei ca. 2700ppm^^ und bei Triethylamine bei 0,00044ppm (vgl. Cowart/Rawson, 2001, S. 581). Die Unterschiedsschwelle beschreibt den Wert, ab welchem eine Person einen Unterschied in der Reizkonzentration feststellen kann. Eine Erhohung oder Senkung der Konzentration verursacht eine vom ursprunglichen Eindruck abweichende Empfmdung (vgl. Burdach, 1988, S. 25). Ab einer bestimmten Konzentration ergibt eine Steigerung der Konzentration keine Veranderung

der

Empfmdung

mehr,

die

Sattigungsschwelle

ist

erreicht

(vgl.

Neumann/Molnar, 1991, S. 293). In ersten Untersuchungen waren die Unterschiedsschwellen erst bei Konzentrationsunterschieden von 25 und 36 Prozent gegeben (vgl. Gamble, 1898,

Die Unterscheidungen in Reizschwelle und Unterschiedsschwelle stammen vom Physiologen E.H. Weber und dem Psychologen und Philosophen G.T. Fechner, die nach einem gesetzmafiigen Zusammenhang zwischen der Intensitat von Sinnesreizen und der Starke der Sinneserfahrungen gesucht haben (vgl. Weber, 1846, S. 543ff; 1905, S. 94ff.; Fechner, 1860; 1889, S. 238ff.). Die Erkennungsschwelle liegt ungefahr um den Faktor 10 iiber der Wahmehmungsschwelle (vgl. Hatt, 2001, S. 383). Ippm (part per million) = 1 Milliliter pro Kubikmeter (ml/m^).

100

B. Theoretischer Rahmen

S. 142; Stone/Bosley, 1965, S. 60ff.). Cain (1977) konnte dies widerlegen und kam Hilfe eines Olfaktometers^^ auf durchschnittliche Unterschiedsschwellen von 11 Prozent (vgl. Cain, 1977, S. 798). So nahem sich die olfaktorischen Unterschiedschwellen denen von Horen und Sehen an (vgl. Goldstein, 2002, S. 573). Die Beziehung zwischen

der Duftstoffkonzentration

(Reizintensitat)

und der

Empfindungsintensitat des Dufteindrucks wird mit der Stevens'schen Potenzfunktion wiedergegeben (vgl. Stevens, 1957, S. 162ff.; Stevens, 1961, S. 84ff.; Stevens, 1962, S. 30ff.; Engen, 1982, S. 57; Kobal, 1990, S. 132; Hatt, 2001, S. 384):^^ R = c*(I-Io)". Die Empfindungsintensitat (R) wird bestimmt durch die Konzentration des Duftstoffes (I), seiner Wahmehmungsschwelle (lo), einem duftstoffspezifischen Exponenten (n) sowie einer Konstanten (c). Der Exponent (n) liegt in der Regel zwischen 0,1 und 0,7, in sehr wenigen Ausnahmefallen jedoch auch unter 0,1 oder Uber 1 (vgl. Berglund et al., 1971, S. 379). Ein Beispiel soil dies verdeutlichen: Um die subjektive Empfmdungsstarke, die der Duft einer Rose verursacht, zu verdoppeln, muss die Anzahl der Duft-Molekiile

auf der

Riechschleimhaut vervierfacht werden (vgl. Kobal, 1990, S. 133).

3.2.2 Riechscharfe Als Riechscharfe („odor acuity") wird die Sensibilitat fiir Duftstoffe bezeichnet. Diese beeinflusst Wahmehmung, Identifikation und Diskriminierung von Duftstoffen. Die Riechscharfe wird von einer Reihe intra- und interindividueller Faktoren beeinflusst (vgl. Burdach, 1988, S. 37ff.). Zu den intraindividuellen Faktoren zahlen insbesonders Geschlecht,

Cain (1977) kam selbst zunachst auf 19 Prozent Unterschied, die er jedoch leicht erklaren konnte, da die Konzentrationen nicht wie erwiinscht beim Probanden ankam. Mit der Hilfe des Olfaktometers konnte er die Duftstoffe weitaus praziser darbieten (vgl. Cain, 1977, S. 797). Die Stevens'sche Potenzfiinktion wurde von dem amerikanischen Psychologen S.S. Stevens aus der Kritik an dem bis dahin geltenden Weber-Fechnerschen System heraus entwickelt und gilt fur alle Sinnesempfmdungen (vgl. Burdach, 1988, S. 25; Kobal, 1990, S. 132; Goldstein, 2002, S. 17ff.). Weber (1846; 1905) defmierte Unterschiedsschwellen. Er kam in Experimenten mit Gewichten zu der Erkenntnis, dass nicht die absolute Differenz, sondem das Verhaltnis der Gewichte bedeutend war. Er fand heraus, dass die Gewichte ungefahr um zwei Prozent differieren miissen, damit sie als unterschiedlich erkannt werden (vgl. Weber, 1846, S. 543ff.; 1905, S. 94ff.; Kobal, 1990, S. 131). Fechner nahm diesen Zusammenhang, um daraus eine Beziehung zwischen Reiz- und Empfindungsintensitat herzustellen. Er entdeckte, dass der Empfindungszuwachs einem logarithmischen Zuwachs der Reizintensitat entspricht (vgl. Fechner, 1860; 1889, S. 242ff.). Bald stellte sich jedoch heraus, dass der Weber-Quotient nur im mittleren Intensitatsbereich gilt und nicht in der N^he der sehr schwachen Reize, wo z.B. der Unterschied im akustischen System 80% betragen muss. Auch Fechners Beziehung stellte sich sehr schnell als nicht haltbar heraus (vgl. ausfiihrlich Kobal, 1990, S. 132).

3. Physiologische Evidenz

101

Alter, Gesundheitszustand, Hormonhaushalt und Drogenkonsum. Bei den interindividuellen Unterschieden geht man von einer genetischen Veranlagung aus (vgl. Hubert et al., 1980, S. 607; Burdach, 1988, S 39), die jedoch bisher nur tendenziell bewiesen werden konnte (vgl. Hubert et al., 1980, S. 607f.).^' Aber auch durch Training kann eine groBere Sensibilitat erreicht werden. So ist ein Parfumeur in der Lage, mehr Duftstoffe zu benennen und zu unterscheiden als der Normalbtirger (vgl. Atkinson et al. 2000, S. 139). Folgende Einfliisse auf die intraindividuelle Fahigkeit wurden festgestellt: •

Frauen sind Mannem in der Identifikation von Diiften tiberlegen (vgl. Koelega/Koster, 1974, S. 237ff.; Doty et al., 1985, S. 668ff.). Dies ist moglicherweise hormonell bedingt. Vor allem in der Zeit der Menstruation ist die Duftwahmehmung von Frauen sensibler. Dieses Phanomen gilt nicht nur fiir die Wahmehmung von Duftstoffen des Moschustyps, sondem auch fur andere wie z.B. Zitral (vgl. Doty et al, 1981, S. 49ff.).



Eine Zunahme der Riechscharfe bei Alkohol- (vgl. Engen et al., 1975, S. 326f.) und Kokainkonsum (vgl. Douek, 1974, S. 129) ist gut belegt.



Die Abnahme der Sensibilitat fur Duftstoffe im Alter ist ebenfalls erwiesen (vgl. Doty/Snow, 1988, S. 357f; Doty, 1990, S. 216ff; Doty, 1991, S. 182ff.).^^



Rauchen hat einen negativen Einfluss auf die Riechfahigkeit eines Menschen (vgl. Fyre et al., 1990, S. 1234ff.; Berglund/Nordin, 1992, S. 302). Das AusmaB der Einschrankung hangt dabei von der Menge der gerauchten Zigaretten ab. Allerdings verbessert sich die Riechfahigkeit wieder langsam, nachdem das Rauchen aufgegeben wurde. So benotigt das olfaktorische System eines Rauchers von taglich 40 Zigaretten zur Regeneration genauso viele Jahre wie er geraucht hat (vgl. Fyre et al., 1990, S. 1234ff.).

Wie bei anderen Sinnen kann es auch beim Geruchssinn Rezeptorfehler geben. Diese Unfahigkeit, einen bestimmten Duftstoff wahrzunehmen, nennt man Anosmie.^^ Sie kann sich Hubert und Kollegen (1980) haben die Duftsensibilitat von eineiigen und zweieiigen Zwillingen untersucht. Der Einfluss genetischer Faktoren zeigt sich normalerweise durch eine hohere Korrelation bei Ergebnissen eineiiger Zwillinge. Dies konnte von Hubert und Kollegen jedoch nur tendenziell und nicht statistisch signifikant bestatigt werden (vgl. Hubert et al., 1980, S. 607f.). Dies ist kein duftstoffspezifisches Phanomen. So horen oder sehen altere Menschen in der Regel auch schlechter. Die Konsequenzen einer Anosmie konnen aber ein viel groBeres AusmaB annehmen als z.B. der Rezeptorfehler Farbenblindheit. So gibt es zur Wahmehmung von Farben nur wenige unterschiedliche Rezeptoren, sodass natiirlich nur wenige verschiedene Formen der Farbenblindheit auftreten konnen. Beim Geruchssinn hingegen gibt es sehr viele verschiedene Anosmien. Da Diifte fast ausschliefilich Gemische sind, ergibt sich das Problem, dass durch die Geruchsblindheit fiir einen Duftstoff eine ganze Reihe von Diiften anders wahrgenommen werden als bei normalem Riechvermogen (vgl. Koster, 2002, S. 30).

102

B. Theoretischer Rahmen

als Partial- und Total-Anosmie auBem. Die ersten Untersuchungen zur partiellen Anosmie wurden schon 1918 von A. F. Blakeslee durchgefuhrt. Er fand heraus, dass Personen, die den Duft von rosafarbenem Eisenkraut wahmehmen, den von rotfarbigem nicht riechen konnen und umgekehrt (vgl. Blakeslee, 1918, S. 298f.). Weitere Untersuchungen ergaben dann, dass bestimmte Duftstoffe haufiger von einer Anosmie erfasst werden als andere (vgl. Amoore, 1977, S.271ff.).^^Bei einer totalen oder auch generellen Anosmie konnen die betroffenen Personen nichts mehr riechen (vgl. Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 450).^^

Fazit Fur die vorliegende Arbeit und ihre experimentellen Untersuchungen bedeuten die obigen Ausfiihrungen, dass die moglichen individuellen Einflussfaktoren mit erfasst werden miissen, um mogliche Einfliisse identifizieren zu konnen.

3.2.3 Reizdauer Wird das olfaktorische System eines Menschen uber einen gewissen Zeitraum einem Duflreiz von gleichbleibender Konzentration ausgesetzt, fiihrt dies zur Adaptation, d.h. die Sensibilitat fur diesen Reiz nimmt ab und der Duft scheint immer schwacher zu werden. Die Adaptation hSngt dabei von der Dauer der Darbietung und der Intensitat des Reizes ab (vgl. Henning, 1924, S. 332ff.; Doty/Laing, 2003, S. 217). Bei schwachen Reizen kann diese Sensibilitatsverminderung so weit gehen, dass der Duft uberhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Der Prozess der Adaptation ist fiir den Menschen nutzlich, da er sich dadurch weitere Kapazitaten zur Informationsverarbeitung fi^eihalt, die er benotigt, um neu hinzukommende Duftstoffe moglichst schnell verarbeiten und gegebenenfalls auf Veranderungen rasch reagieren zu konnen (vgl. Engen, 1982, S. 62; Burdach, 1988, S. 27ff.; Koster/de Wijk, 1991, S. 199).^^ Mit zunehmendem Alter besteht dabei die Tendenz zu einer schnelleren Adaptation (vgl. Stevens et al, 1989, S. 276).

So konnen etwa 40% der Bevolkerung keinen Urin riechen, 36% kein Malz, 7% keinen Moschus, 7% keinen Fisch sowie 2% keinen Schweifi (vgl. Hatt, 2001, S. 380). Dariiber hinaus gibt es noch weitere Formen von Geruchsanomalien. Bei einer Hyposmie ist die Geruchsempfindlichkeit fur einige oder fur alle Duftstoffe herabgesetzt. Die Parosmie beschreibt die Fehlwahmehmung und die Phantasosmie die Geruchshalluzination. Auch werden Geruchsagnosien beobachtet, bei denen die fehlende Geruchswahmehmung durch eine Sprachstorung oder ein intellektuelles Defizit verursacht werden und nicht durch eine Stoning der Aufnahme des olfaktorischen Reizes (vgl. Birbaumer/Schmidt, 2003, S. 451). tjber elektrophysiologische Daten einzelner Rezeptoren konnte gezeigt werden, dass mit anhaltender Anwesenheit eines Duftmolekuls auf dem Rezeptor die Erregung von diesem immer geringer wird und

3. Physiologische Evidenz

103

Die Adaptation ist nur ein voriibergehendes Phanomen. Die sogenannte Deadaptation beschreibt die Wiederherstellung (recovery) der ursprunglichen Sensibilitat fiir den Duftstoff, nachdem die Person dem Duftreiz nicht mehr ausgesetzt ist (vgl. Engen, 1982, S. 74; Burdach, 1988, S. 27; Koster/de Wijk, 1991, S. 199). Das nachfolgende wohl typische Beispiel kennt jeder. Man geht an einem warmen Sommertag in den geschlossenen Raum eines Kollegen oder einer Kollegin. Zunachst riecht es dort nach schlechter verbrauchter Luft und SchweiB. Nach einiger Zeit in diesem Raum nimmt man dies aber nicht mehr wahr. Verlasst man dann den Raum und betritt ihn kurze Zeit spater emeut, so riecht man wieder die schlechte Luft und den SchweiB - die Adaptation wurde wieder riickgangig gemacht. Allerdings braucht der Mensch mit zunehmendem Alter langer fur eine Deadaptation (vgl. Stevensetal., 1989, S.266ff.). Bei

der

Kreuzadaptation

(cross-adaptation

oder

co-adaptation)

ftihrt

die

Sensibilitatsverminderung fiir einen Duft auch zu einer Reduktion der Empfmdungsintensitat fiir andere Duftstoffe. Dies wird darauf zuriickgefuhrt, dass beide Duftstoffe dieselben Rezeptoren belegen (vgl. Engen, 1982, S. 74).^^ Die erste Untersuchung zur Kreuzadaptation wurde von E. Aronsohn schon 1886 durchgefiihrt, der dabei eine Klassifikation von Duftstoffen iiber ihre Ahnlichkeit fmden wollte (vgl. Aronsohn, 1886, S. 32Iff.). Dieses Ziel konnte er jedoch nicht erreichen, da sich die Aufgabe als zu komplex envies (vgl. Burdach, 1988, S. 30). Die Faciliation, auch „synergism" oder „potentiation" genannt, wirkt in die entgegengesetzte Richtung wie die Kreuzadaptation, d.h. ein Duftstoff vermindert die Sensibilitat fiir einen anderen Duftstoff nicht, sondem er erhoht sie (vgl. Engen, 1991, S. 23). So verstarkt die vorherige Darbietung von Heptanol die wahrgenommene Starke von Propanol (vgl. Corbit/Engen, 1971, S. 434). Der Grund fiir diesen Effekt ist bislang nicht bekannt (vgl. Engen, 1991, S. 23). Nicht nur die Adaptation und die Kreuzadaptation konnen zu einer Herabsetzung der subjektiv empfiindenen Intensitat des Duftes fiihren, sondem auch die Habitualisierung, also die „Gew6hnung" an bestimmte Diifte. Diese entsteht anders als die Adaptation nicht durch einmaligen, sondem durch haufigen Kontakt mit einem bestimmten olfaktorischen Reiz (vgl. schliefilich ganz aufhort, obwohl das Duftmolekiil welter vorhanden ist. Fiir andere Duftstoffe empfindliche Rezeptoren sind von dieser Desensibilisierung jedoch nicht betroffen und weiterhin voll einsatzfahig (vgl. Hatt, 1990, S. 116). Cain und Engen (1969) haben jedoch in einem Test eine asymmetrische Kreuzadaptation festgestellt. So hatte Pentanol einen starken Effekt auf die Wahmehmung von Propanol, umgekehrt hatte Propanol aber nur einen sehr schwachen Effekt auf die Wahmehmung von Pentanol (vgl. Cain/Engen, 1969, S. 138ff.; siehe auch Doty/Laing, 2003, S. 217 und fur einen Review zur Adaptation Cometto-Mufiiz/Cain, 1995, S. 257ff.).

104

B. Theoretischer Rahmen

Engen, 1982, S. 62f.; Burdach, 1988, S. 28f.). Hierbei handelt es sich also urn einen Lemprozess, der bewirkt, dass einem vertrauten Duft weniger Beachtung geschenkt wird als einem unerwarteten. So bemerkt man den Geruch seiner Wohnung nicht taglich, eine zu Besuch kommende Person aber schon.

Fazit Bei der Verwendung von Duftstoffen in der Kommunikation kommt es zu einer Adaptation, wenn der Konsument iiber einen langeren Zeitraum mit dem Duft in Verbindung kommt. Allerdings ist bis dahin die Verarbeitung des Duftes und der anderen kommunikativen Reize abgeschlossen, sodass dies keinen Grund darstellt, auf eine Integration der unterschiedlichen Modalitaten zu verzichten.

3.2.4

Geruchsklassifikationen

„Odour classification continues to be an intellectual challenge since for so long it has remained unsolved and the facts disputed" (Harper et al, 1968, S. 14f.). Dieser Satz von Harper und Kollegen (1968) aus ihrer klassischen Arbeit „Odour Description and Odour Classification" hat bis heute Giiltigkeit. Der Mensch ist wohl in der Lage, mehr als 10.000 verschiedene Geruche wahrzunehmen (vgl. Axel/Buck, 1991, S. 183), aber es gibt bis heute keine allgemein anerkannte Einteilung von Duften. Es existiert kein chemisches oder physikalisches MaB zu deren Klassifikation, wie etwa die Wellenlange des Lichtes far das Sehen. Dabei gehen die Versuche in diese Richtung bis auf Aristoteles zuriick. Er unterschied sechs Stoffgruppen, nach einer Ubersetzung von Harper und Kollegen (1968) „pungent", „sweet", „harsh", „rich", „astringent" und „foetid" (vgl. Harper et al., 1968, S. 18). Bin weiterer Versuch wurde von Linne im 18. Jahrhundert untemommen, wobei er sieben Klassen auswies

(aromatisch, blumig, ambroisch,

lauchartig, bocksartig, widerwartig

und

ekelerregend). Daruber hinaus teilte er diese ein in Dufte, die von alien als angenehm empftinden werden, femer in solche, die einige angenehm und andere unangenehm finden und zuletzt in die, die fiir alle unangenehm sind (vgl. Harper et al., 1968, S. 19ff). Die wohl bekanntesten Versuche der Klassifikation gehen auf Henning (1916) und Amoore (1952) zuriick. Henning identifizierte sechs Geruchsklassen und stellte sie in einem sogenannten Geruchsprisma dar (vgl. Abb. 27).

3. Physiologische Evidenz

Abbildung 27: Quelle:

105

Geruchsprisma nach Henning Henning, 1924, S. 369.

Dieses System wurde schnell kritisiert, da es nicht moglich war, alle Diifte unter die vorgeschlagenen Kategorien zu subsumieren (vgl. Dimmick, 1922, S. 423ff.; Findley, 1924, S. 439ff.; Dimmick, 1927, S. 325ff.). Die Geruchseinteilung von Amoore umfasst sieben Klassen. Er schlagt die Primargeruche kampherartig, moschusartig, blumig, minzig, atherisch, stechend und faulig vor (vgl. Amoore, 1952, S. 323). Spater verwirft er seine eigene Einteilung wieder (vgl. Amoore, 1977, S. 269ff.). Sie ist jedoch bis heute von grofier Bedeutung, obwohl sie die Vielfaltigkeit von Geriichen nicht abzubilden vermag.^^

Dariiber hinaus wurden noch eine Vielzahl weiterer Klassifikationen entwickelt, wie z.B. von Zwaardemaker (1895), Crooker/Henderson (1927) oder von Harper und Kollegen (1968). Des Weiteren gibt es noch Klassifikationen, die vor allem auf Parfumeure zuruckgehen. Dabei schlieBen aber verstandlicherweise fast alle den unangenehmen Geruch in der Klassifikation aus. So z.B. von Haarmann & Reimer (nach dem Zusammenschluss mit Dragoco von 2003 unter dem Namen Symrise bekannt), Naarden International, Quest International, eine Klassifikation der Societe Technique des Parfumeures de France, Firmenich S.A., Paul Jellinek usw. (vgl. hierzu ausfuhrlich Harper et al., 1968, S. 16ff; Gschwind, 1998, S. 29ff.).

106

B. Theoretischer Rahmen

Fazit Eine fehlende Klassifikation erschwert die Auswahl der Diifte fiir die Markenkommunikation. So muss aufgrund von Konsumentenbefragungen bei einzelnen Diiften im Vorfeld gepruft werden, ob sie die Marke im Hinblick auf das Positionierungsziel unterstutzen.

4.

Bisheriger Kenntnisstand zum Einsatz olfaktorischer Reize

4.1

Einsatz olfaktorischer Reize in der Praxis - eine Bestandsaufnahme

In diesem Kapitel soil zunachst ein kurzer Uberblick uber den derzeitigen Einsatz von olfaktorischen Reizen in der Praxis gegeben werden, der keinen Anspruch auf Vollstandigkeit erhebt, aber dennoch deutlich machen soil, dass die Verwendung von Duftstoffen schon heute groBe Bedeutung hat. Der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Duftstoffen folgt im nachsten Kapitel eine State-of-the-Art-Betrachtung der Duftforschung im Marketing sowie eine Untersuchung von ZielgroBen, die ftir die Markenftihrung von Interessen sind.

4.1.1 Diifte als Mittel der Produktgestaltung Bei der Verwendung von Duftstoffen ist zunachst zu unterscheiden, ob der Duft die Rolle eines Haupt- (wie z.B. bei einem Parftim) oder eines Zusatznutzens (z.B. in einem Haushaltsreiniger) ubemimmt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 121). Wahrend Duftstoffe als Hauptnutzen schon fruh genutzt wurden, gilt dies ftir Diifte als Zusatznutzen bisher erst in wenigen Bereichen.^^ Der Duft als Zusatznutzen kann z.B. eingesetzt werden, um 1. eine Markierung zu unterstiitzen, 2. eine vorhandene Eigenschaft zu signalisieren, 3. eine nicht vorhandene Eigenschaften zu simulieren oder 4. einen anderen Geruch zu maskieren. Unter Markierung versteht man „alle MaBnahmen zur Gestaltung eines Angebots, die dazu geeignet sind, das Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eine eindeutige Zuordnung des Angebots zu einer konkreten Marke ermoglichen" (Langner, 2003, 5). Hierfar werden auch Duftstoffe verwendet, wie das Beispiel der Marke Nivea zeigt. Alle Cremes verftigen tiber den unverwechselbaren Nivea-Duft (vgl. Langner, 2003, S. 26). Ein weiteres gutes Beispiel ist Rolls Royce: Hier veranderte sich der alte unnachahmliche Geruch nach Wurzelholz, Connollyleder und hochwertiger Schafwolle durch den vermehrten Einbau von Plastikteilen und der Verwendung von modemen Klebem. Auf Kundendrangen hin wurde diese Geruchsveranderung durch den Einsatz nattirlicher Leime und durch die Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind derzeit rund 2.500 verschiedene Duftstoffe in Produkten des taglichen Gebrauchs (vgl. o.V., 2004d, S. If).

108

B. Theoretischer Rahmen

Verwendung von Duftstoffen so behoben, dass der „alte" Geruch nun wieder vorherrscht (vgl. Stegers, 2001, S. 38; Lindstrom, 2005, S. 93f.).^^^ Weiter wird der Duft als Schliisselinformation eingesetzt und zwar vor allem dann, wenn es dem Konsumenten schwer fallt, eine bestimmte Produkteigenschaft zu bewerten (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 58). So ist beispielsweise fiir ein Kindershampoo von essenzieller Bedeutung, dass es besonders mild ist. Da dies aber vor dem Gebrauch nicht festzustellen ist, konnte der Kunde das Shampoo offnen und daran riechen. Es sollte daher sehr mild und unter gar keinen Umstanden scharf oder atzend riechen. Fiir den Konsumenten stellt der Duft also eine Schlusselinformation dar. Ganz anders ist es bei einem Klebstoff. Hier erwartet der Konsument einen stechenden Geruch (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 58). Eine entsprechende Beduftung konnte auch ohne weiteres zur Markierung verwendet werden, wenn man einen markentypischen Duft kreieren wurde. Dieser konnte dann einen Beitrag zum Markenauft)au leisten. Bei der Simulierung einer Eigenschaft geht es darum, eine nicht oder nicht mehr vorhandene Eigenschaft zu suggerieren. So kann z.B. ein Gebrauchtwagen mit einem speziellen Neuwagenduft als hochwertiger angeboten werden. Gleiches gilt fur eine Kunstledercouch mit Lederduft. Hier ist aber groBte Vorsicht geboten wegen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 61). Bei der Geruchsmaskierung geht es darum, den unangenehmen Eigengeruch verschiedener Stoffe auszuschalten, z.B. den fischigen Geruch bestimmter Kunststoffe, der in einem Auto sehr unangenehm ware.^^^ Die Geruchsmaskierung ist jedoch fiir die vorliegende Arbeit nicht von Bedeutung, sodass sie im Folgenden keine weitere Beachtung fmdet. Lasst man die Maskierung von Geriichen auBer Acht, zeigt sich, dass Duftstoffe zur Produktgestaltung

zurzeit

vor

allem

bei

Korperpflegeprodukten,

Kosmetika,

Haushaltsreinigem etc. verwendet werden. Vereinzelt werden aber auch Textilien mit mikroverkapselten Dtiften versehen, z.B. in Anziigen, um diesen dauerhaft einen Touch von Frische zu geben (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 79).

Auch andere Hersteller, wie beispielsweise Ford, DaimlerChrysler, Cadillac, VW, Opel etc. verwenden Duftstoffe zur Markierung in ihren Fahrzeugen (vgl. Stegers, 2001, S. 34ff; Lindstrom, 2005, S. 94f). Bei der Maskierungsmethode gibt es drei denkbare Losungsansatze (vgl. Jellinek, 1976, S. 178; Knoblich et al., 2003, S. 56f): 1. Der unerwiinschte Eigengeruch kann neutralisiert werden, indem ein zweiter Duft hinzugefugt wird, sodass beide Duftstoffe in ihrer Kombination nicht mehr wahrgenommen werden. 2. Der Eigengeruch wird iibertont. Hierbei iiberdeckt ein zweiter Duft den Eigengeruch, der dann nicht mehr wahrgenommen wird. Die dritte Moglichkeit ware, einen zweiten Duftstoff zu verwenden, der die Wahmehmungsschwelle heraufsetzt. Dies ist jedoch nicht praktikabel, da dieser zumeist die Schleimhaute reizt (z.B. Azetaldehyd) oder aber selbst nicht neutral riecht (z.B. Menthol).

4. Bisheriger Kenntnisstand

109

4.1.2 Einsatz von Diiften in der Kommunikation Allgemein dienen kommunikative MaBnahmen dem Austausch von Informationen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 498; Bruhn, 2005, S. 4). Im Rahmen des Marketings bedeutet dies, dass ein Untemehmen Informationen^^^ tiber eine Marke an die jeweiligen Zielgruppen weitergibt. Dabei sollten die Untemehmen immer das Ziel „Aufbau und Erhalt des klaren Markenwissens" beachten, auch wenn sie durchaus unterschiedliche Ziele bei den verschiedenen Gruppen verfolgen. Eine Integration aller kommunikativen MaBnahmen ist notwendig, da die verschiedenen Adressaten aufgrund der Medienvielfalt Informationen aus unterschiedUchen Kanalen bekommen (vgl. Esch et al., 2004, S. 222). Die Auswahl der Kommunikationsinstrumente hangt aber von der jeweiligen Zielgruppe ab. Fiir den privaten Konsumenten eignen sich Instrumente wie Mediawerbung, Verkaufsforderung, EventMarketing usw. Im Gegensatz dazu kommuniziert man z.B. mit Finanz-Analysten personlich (vgl. Abb. 28). Duftstoffe werden in der Kommunikation eingesetzt, weil sie zum einen aktivierend (vgl. u.a. Kroeber-Riel et al., 1982, S. 14ff; Lorig/Schwarz, 1988, S. 281; Bensafi et al., 2002, S. 705ff. sowie ausfahrlich Kapitel B 4.2.1) und zum anderen sehr emotional wirken (vgl. u.a. Engen, 1982, S. 129; Ehrlichman/Bastone, 1992, S. 143ff; Herz, 1998, S. 671ff.; sowie ausftihrlich Kapitel B 4.2.2). Bei dem Ziel der Emotionsvermittlung muss man unterscheiden, ob die Duftstoffe nur zur Schaffung einer positiven Wahmehmungsatmosphare eingesetzt werden Oder ob sie spezielle emotionale Erlebnisse vermitteln sollen.^^^

Unter Informationen werden in diesem Fall alle rationalen sowie emotionalen Kommunikationsinhalte verstanden. Vgl. zur den unterschiedlichen Zielen im Rahmen der Kommunikation Kroeber-Riel und Esch (2004, S. 222ff.).

110

Abbildung 28: Quelle:

B. Theoretischer Rahmen

Kommunikationsinstrumente In Anlehnung an Bruhn, 2003, S. 268.

Die wohl haufigste Beduftung findet in der Verkaufsraumgestaltung statt. Hier soil meist eine positive Wahmehmungsatmosphare fiir den Konsumenten geschaffen werden. Beispiele finden sich vor allem bei Lebensmittelhandlem wie RE WE oder Dunkin' Donuts oder bei anderen Handelsuntemehmen wie Superdrug's oder WMF (vgl. Miller, 1993, S. If.; Butcher, 1998, S.22f.; Peltier, 1998, S. 18ff.; o.V., 2004a, S. 24).^^^ Hotels wie das Mirage (Las Vegas) beduften ihre Raume (vgl. Peltier, 1998, S. 18ff.), Flughafen ihre Gange, z.B. in Frankfurt (vgl. o.V., 2005b). Auf Messen, bei Ausstellungen, bei PR-MaOnahmen (vor allem bei Pressekonferenzen) sowie auf Events konnen ebenfalls Diifte eingesetzt werden. Hier kann ein Untemehmen auch ganz speziell eine Erlebnisvermittlung verfolgen. Beispielsweise hat BMW in einem Truck ein Kino eingerichtet, in dem bei der Betrachtung des BMW-Werbefilms unterschiedliche Duftstoffe abgegeben werden. So wird der Duft von Leder verspriiht, wenn sich eine Person im Film in ein Auto setzt, um das Erlebnis eindrucksvoller und realistischer zu gestalten. In der Mediawerbung werden Duftstoffe vor allem in Zeitschriften benutzt. Die geschalteten Anzeigen werden mit einem „scratch & sniff-System ausgestattet, wobei ein Feld mit einem microverkapselten Duftstoff versehen ist, der durch Reiben freigesetzt wird. Ein aktuelles Beispiel hierftir liefert Seat. Der Autobauer hatte 2005 in der Zeitschrift auto, motor & sport ^^'^ Es wird geschatzt, dass bisher ca. 5% der Einzelhandler Raumdiifte zur Gestaltung einer positiven Wahmehmungsatmosphare einsetzen (vgl. o.V., 2004c, S. 42).

4. Bisheriger Kenntnisstand

111

eine Anzeige fur das Sondermodell Seat Leon Supercopa geschaltet^^^ mit einem Duftgemisch aus verbranntem Gummi, Benzin und heifiem Asphalt. So sollte das durch die Anzeige verfolgte Werbeziel „Sportlichkeit" unterstiitzt und dem Anzeigenbetrachter das Erlebnis so realistisch wie moglich nahegebracht werden, damit er das Gefiihl hat, „dabei zu sem (vgl.Abb.29).^^^Auch an einer Verwendung von Duftstoffen im Femsehen oder fiir die Multimedia-Kommunikation

wird verstarkt gearbeitet. So forscht

die japanische

NTTDocomo daran, Dufte uber das Handy zu vermitteln (vgl. o.V., 2004b, S. 21). CDs, die mit einem microverkapselten Duft beschichtet sind, gibt es bereits. Wenn der Anwender die CD in die Hand nimmt und uber die Oberflache fahrt, stromt ihm der Duft in die Nase (vgl. Hory,2004, S.41). Bei Katalogen und Direkt-Mailings werden Duftstoffe eingesetzt, um erstens die Aufmerksamkeit zu fordem (Aktivierungswirkung von Duftstoffen) und zweitens entweder eine positive Wahmehmungsatmosphare zu schaffen oder ein spezielles Erlebnis zu vermitteln. So arbeitet derzeit z.B. ein groBer Versandhandler daran, seine Kataloge zu beduften, damit diese nicht mehr wie bisher ungelesen im Papierkorb landen. Wie man sieht, gibt es einige bekannte Untemehmen, die Duftstoffe zur Markierung ihrer Produkte oder in ihrer Kommunikation einsetzen. Ein weiteres prominentes Beispiel, das sich gerade durch seine ganzheitliche Integration von Duftstoffen in die Kommunikation auszeichnet, ist Singapore Airlines. Diese hat Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Aroma namens „Stefan Floridian Waters" fiir ihre Erlebniswelt kreieren und dann auch patentieren lassen. Dieses Aroma wird sowohl im Parftim der Flugbegleiterinnen, im Erfrischungstuch fur die Fluggaste als auch bei der Raumbeduftung der Flugzeuge verwendet (vgl. Lindstrom, 2005, S. 15).

Das Sondermodell ist nach der gleichnamigen Seat Motorsportserie benannt, die 2005 im Rahmen der Deutsche Tourenwagen Meisterschaft (DTM) stattfand. Um ein moglichst echtes Erlebnis zu schaffen, verwendet Sony bei seiner Playstation Duftstoffe. In Holland verstromt die Spielkonsole bei Autorennen den Geruch von Gummi (vgl. o.V., 2004a, S. 22).

112

Abbildung 29: Quelle:

B. Theoretischer Rahmen

Anzeige Seat Leon Supercopa auto, motor & sport

4. Bisheriger Kenntnisstand

113

Fazit Dem Einsatz von Duften kommt schon heute eine groBere Bedeutung zu als man allgemein annehmen wtirde. Allerdings scheint eine professionelle Nutzung unter der Beachtung von wissenschaftlichen Erkenntnissen der Markenfiihrung sowie der Olfaktorik noch nicht in der Realitat angekommen zu sein. Wie wichtig aber eine Integration des Duftes in ein schltissiges Markenkonzept ist, wird spater in Kapitel C gezeigt. Zunachst soil der aktuelle Stand der Forschung in Bezug auf das Marketing mit Duftstoffen naher erlautert werden.

4.2

Aktueller Forschungsstand in der Wissenschaft

Nachdem im vorausgegangenen Kapitel die Verwendung von olfaktorischen Reizen in der Praxis dargelegt wurde, folgt nun ein Uberblick iiber den Stand der Forschung. Die Strukturierung des Kapitels orientiert sich dabei an folgenden verhaltenswissenschaftlichen Grofien: 1. physische

Reaktionen

wie

beispielsweise

durch

Duftstoffe

hervorgerufene

Pupillenanderungen, elektrodermale Aktivitaten (EDR), Herzrate, evozierte Potenziale usw., 2. emotionale Reaktionen wie z.B. Stimmungsanderungen, 3. kognitive Reaktionen wie Einstellungs-, Assoziations- und Erinnerungswirkungen, 4. Verhaltensreaktionen wie die Verweildauer und die Kaufabsicht.

4.2.1 Kenntnisse uber die aktivierende Wirkung olfaktorischer Reize Physische Reaktionen lassen sich auf drei unterschiedlichen Ebenen messen: auf der physiologischen (biologischen) Ebene, auf der Ebene des subjektiven Erlebnisses sowie auf der motorischen Ebene (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 63). Im Folgenden werden aber nur die subjektive Erlebnismessung sowie die Messung der physiologischen Ebene beriicksichtigt, da es fiir die motorische Ebene keine Erkenntnisse gibt.

114

B. Theoretischer Rahmen

Subjektive Erlebnismessung Bei der subjektiven Erlebnismessung wird der Proband verbal, z.B. durch die ActivityDimensionen des semantischen Differentials, iiber seinen Erregungszustand befragt. Jedoch haben Vergleiche zwischen der Messung des subjektiven Erlebnisses und der physiologischen Ebene gezeigt, dass dies keine valide Methode zur Messung des Aktivierungspotenzials von Duftstoffen ist (vgl. Kroeber-Riel et al, 1982, S. 42f; Mocks, 1982, S. 54). So fuhrten in der Untersuchung Diifte, die z.B. als aufregend oder wild bezeichnet wurden, nicht unbedingt zu einer hohen Aktivierung (vgl. Kroeber-Riel et al., 1982, S. 33; Mocks, 1982, S. 7).

Physiologische Ebene Die ersten Erkenntnisse zu physischen Reaktionen auf Diifte gehen auf Kroeber-Riel und KoUegen (1982) zuriick. Sie untersuchten die Aktivierungswirkung unterschiedlicher Duftstoffe bei Waschmitteln mit Hilfe einer EDR-Messung,^^^ wobei die Ergebnisse deutliche Unterschiede zeigten. Beispielsweise aktivierte der Sexuallockstoff Moschus die Probanden besonders stark, obwohl er unterhalb der Wahmehmungsschwelle dargeboten wurde (vgl. Kroeber-Riel et al., 1982, S. 27ff). Eine Veranderung der Herzrate konnten u.a. Oguri und Kollegen feststellen (1992). Sie zeigten, dass es bei angenehmen Dtiften zu groBeren Schwankungen der Pulsrate kam und zu geringeren bei sedativ wirkenden (vgl. Oguri et al., 1992, S. 198). Eine weitere Moglichkeit besteht in der Aufzeichnung von geruchsinduzierten Veranderungen der Gehimaktivitat, welche sowohl iiber Spontanaktivitaten des ElektroenzephalogrammStudien (EEG)'^^ als auch iiber Contingent Negative Variation Studien (CNV)^^^ gemessen werden konnen. Torii und Kollegen (1988) zeigten, dass beispielsweise Jasminol zu einer signifikanten Erhohung der CNV im frontalen links-zentralen Cortex ftihrt, wahrend Lavendelol eine signifikante Senkung bewirkt. Sie zogen daraus den Schluss, dass Jasminol eine anregende '^^ Mit einem EDR wird die elektrodermale Reaktion der Haut gemessen, d.h. es wird die Anderung des Hautwiderstandes ermittelt (vgl. Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 67f.). Diese Methode eignet sich besonders gut, um phasische Aktivierungsprozesse aufzuzeigen und liefert valide und reliable Werte (vgl. Fahrenberg et al., 1979, S. 185). '^^ Beim EEG werden himelektrische Aktivitaten gemessen, wobei sogenannte Spontanaktivitaten von evozierten Aktivitaten zu unterscheiden sind. Erstere sind besser geeignet zur Beobachtung von tonischer Aktivierung und letztere besser fiir phasische Reaktionen auf bestimmte Ereignisse (vgl. Schandry, 1989, S. 217). '°^ Die CNV kann als langsame Potenzialverschiebung beschrieben werden, die als Vorbereitung auf eine motorische Reaktion oder aber auf eine Informationsverarbeitung auftritt. Sie ist ein Untertyp des EEGs und bezieht sich auf evozierte Aktivitaten (vgl. Schandry, 1989, S. 222).

4. Bisheriger Kenntnisstand

115

und Lavendelol eine beruhigende Wirkung hat (vgl. Torii et al., 1988, S. 108ff.). Ergebnisse von Lorig und Robert (1990) weisen allerdings nach, dass schon Erwartungen und Assoziationen die CNV verandem konnen (vgl. Lorig/Roberts, 1990, S. 540ff.), was bedeutet, dass die Ergebnisse von Torii und Kollegen (1988) nicht auf der aktivierenden oder beruhigenden Wirkung der jeweiligen Dtifte beruhen miissen (vgl. auch Storp, 1997, S. 61). Lorig und Schwartz (1988) zeigen mit einer EEG-Untersuchung, dass verschiedene Duftstoffe wie z.B. Eukalyptus, Lavendel und „Spiced apple" unterschiedliche Aktivierungswirkungen haben. Dies gilt auch dann, wenn sie als sehr ahnlich empfunden werden (vgl. Lorig/Schwartz, 1988, S. 282ff.). Eine andere Art der Aktivierungsmessung ist die Pupillometrie. Hierbei wird die Veranderung der Pupille gemessen, die durch einen Reiz, z.B. einen Duftstoff, bewirkt wird. Untersuchungen in diese Richtung kommen u.a. von Steiner und Kollegen (1977), Miyazaki und Kollegen (1992) und Steiner (1994). Allerdings lieBen sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirkung der einzelnen Dtifte feststellen, sodass entweder die Methode ungeeignet ist oder aber die verwendeten Dufte die gleiche Aktivierung hervorrufen, was aber als eher unwahrscheinlich angesehen werden kann.

Fazit Ganz allgemein fuhrt eine ausgeloste Erregung dazu, dass die Person auf den Reiz reagiert („Aufmerksamkeitswirkung") und die Leistungsfahigkeit fiir die Verarbeitung und das Speichem der Reize erhoht wird (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 58ff.). Die oben dargestellten Ergebnisse zeigen, dass sich Duftstoffe dazu eignen, die Aktivierung zu erhohen. Zum einen kann der Duft selbst besser verarbeitet werden (falls er denn wahrgenommen wird) und zum anderen kann es zu Ausstrahlungseffekten auf andere Reize kommen. Im letzten Fall muss der Duft allerdings entweder so stark sein, dass er das gesamte Aktivierungsniveau hebt, oder er muss mit den anderen Reizen so integriert sein, dass diese als Einheit wahrgenommen werden (vgl. auch Mocks, 1982, S. 20). Daruber hinaus ist zu beachten, dass Dufte liber unterschiedlich starke Aktivierungspotenziale verfiigen. Wie die obigen Ergebnisse zeigen, ist deren valide und reliable Messung nur durch bestimmte Verfahren auf der physiologischen Ebene moglich. Die EDR-Messung dtirfte dabei die verlasslichsten Ergebnisse zeigen (vgl. auch Kroeber-Riel et al., 1982, S. 42f.; Mocks, 1982, 5. 54).

116

B. Theoretischer Rahmen

4.2.2 Erkenntnisse von emotionalen Reaktionen auf Diifte „Emotionen sind innere Erregungen, die angenehm oder unangenehm empfiinden und mehr Oder weniger bewusst erlebt werden" (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 106). Davon abzugrenzen sind Stimmungen, die als lang anhaltende, diffuse Emotionen definiert werden (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 100). Duftstoffe

konnen als angenehm oder

unangenehm empfunden werden. Angenehme Dufte erzeugen dabei positive Gefuhle, wahrend unangenehme negative Emotionen hervorrufen. Ein besonders starker Effekt wurde bei letzteren festgestellt (vgl. Ehrlichman/Halpem, 1988, S. 769; 1991, S. llf.; Robin et al., 1999, S. 330ff.). Dass Diifte starke Emotionen auslosen, wird auf die einzigartige Verbindung zum limbischen System zuriickgefuhrt (vgl. u.a. Aggleton/Mishkin, 1986, S. 287; sowie Kapitel B 3.1). Wie oben dargelegt, konnte die Aktivierung verbal nicht gemessen werden. Brandl und Kollegen (1980) konnten aber zeigen, dass Dufte mit einer verbalen Skala valide und reliable in angenehme und unangenehme unterteilt werden konnen (vgl. Brandl et al., 1980, S.402f.). Die nachsten Ausfiihrungen werden nach Emotionen und Stimmungen gegliedert.

Emotionale Reaktionen auf olfaktorische Stimuli Ein Geruchserlebnis fiihrt in stark emotionalen Situationen zu wiederkehrenden emotionalen Reaktionen, wenn das Individuum dem Duft emeut ausgesetzt ist (vgl. Herz, 2002, S. 170). Dies wurde in mehreren Studien belegt. Robin und Kollegen (1999) fuhrten einen Versuch mit Eugenol durch, dem typischen Geruch von Zahnarztpraxen. Es zeigte sich, dass Personen, die Angst vor dem Zahnarzt hatten, ebenfalls Angst versptirten, wenn sie nur dem Duft ausgesetzt waren (vgl. Robin et al., 1999, S. 331). Hanisch (1982) ging einen anderen Weg. Sein Ziel war es, durch den Einsatz von Duftstoffen die Angst vor Spinnen zu verringem. Er bot neben einer Spinne ein Tuch mit einem olfaktorischen Reiz dar. An diesem sollten die Probanden vorher uber Wochen immer dann riechen, wenn sie sich gut fiihlten. Das Ergebnis war, dass sich die Angst vor Spinnen signifikant reduzierte. AUerdings war die Wirkung individuell sehr unterschiedlich (vgl. Hanisch, 1982, S. 1 Iff.). Epple und Herz (1999) konnten in einer Studie mit funfjahrigen Kindem zeigen, dass ein mit einem Erlebnis verbundener Duft bei emeuter Darbietung das Gefiihl dieses Erlebnisses wieder aufleben lasst (vgl. Epple/Herz, 1999, S. 104ff.). Diese Resultate erzielten Herz und Kollegen (2004) auch bei erwachsenen Probanden (vgl. Herz et al., 2004b, S. 367ff.).

4. Bisheriger Kenntnisstand

117

Femer konnte mehrfach gezeigt werden, dass autobiographische Erinnerungen lebendiger und emotionaler sind, wenn sie durch einen Duft ausgelost werden (vgl. Rubin et al., 1984, 5. 503f.; Herz/Cupchik, 1995, S. 517ff.; Herz, 1998, S. 671ff.; Herz/Schooler, 2002, S. 26f.; Herz, 2004,8.219).

Stimmungsveranderungen durch Diifte Olfaktorische Reize sind dariiber hinaus in der Lage, Stimmungen zu verandem (vgl. Lawless, 1991, S. 362ff.; Ehrlichman/Bastone, 1992, S. 143). Einige wissenschaftliche Ergebnisse sollen diese Aussage untermauem und verdeutlichen. Ehrlichman und Bastone (1992) untersuchten die Stimmung von Probanden bei angenehmen und unangenehmen Diiften im Zeitablauf. Hierbei mussten die Probanden in gewissen Zeitabstanden ihre Stimmungslage schriftlich wiedergeben. Beim angenehmen Duft wurde die Stimmung zunachst besser, verschlechterte sich jedoch wieder, bis sie sogar schlechter war als die Stimmung bei den Probanden ohne Dufteinfluss. Sie begriindeten diese Wirkung mit der eingetretenen Adaptation.^^^ Bei den unangenehmen Diiften wurde die Stimmung sofort schlechter und blieb auch schlecht, was damit begrundet wurde, dass die Adaptation bei diesen Geruchen erheblich spater einsetzt (vgl. Ehrlichman/Bastone, 1992, S. 148ff.). Hingegen konnte Knasko (1992) bei unangenehmen Diiften keine schlechtere Stimmung feststellen als bei angenehmen (Zitrone) und der Kontrollgruppe ohne Duft. Nur Lavendelduft ftihrte zu signifikant mehr Wohlbefmden/Freude

gegeniiber alien Diiften und der

Kontrollgruppe (vgl. Knasko, 1992, S. 31ff.). Mit anderen Diiften konnten sie in einer spateren Studie einen signifikanten Unterschied in der Stimmung der Probanden zwischen einer bedufteten Situation (mit Schokoladen- bzw. Babypuderduft) und einer Situation ohne Duft nachweisen (vgl. Knasko, 1995, S. 482ff.). Lehmer und Kollegen (2000) zeigten, dass ein Orangenduft, der im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis verstromt wird, positiv auf die Stimmung der wartenden Frauen wirkt (vgl. Lehmer et al., 2000, S. 84f.). Ebster und Jandrisits (2003) untersuchten den Einfluss eines kongruenten Duftes auf die Stimmung der Konsumenten am Point of Sale. Fiir ein Dessousgeschaft wurde durch drei Experten ein erotischer Duft als passend ausgewahlt und ein frischer Duft als unpassend. Sie "^ Ehrlichman und Bastone (1992) sprechen nicht von Adaptation, sondem von Habitualisierung. Allerdings meinen sie Adaptation nach der dieser Arbeit zugrundeliegenden Definition. Um eine gewisse Einheitlichkeit der Begriffe zu wahren, wird hier also der Begriff der Adaptation anstatt dem der Habitualisierung verwendet.

118

B. Theoretischer Rahmen

fanden heraus, dass die gedriickte Stimmung durch einen passenden Duft gegeniiber dem Verzicht auf einen Duft gehoben werden kann. Zwischen einem unpassenden und einem passenden Geruch entdeckte man jedoch keinen Unterschied ist. Allerdings wurde das Ganze als Laborexperiment durchgefuhrt, in dem Dias von einem Dessousgeschaft gezeigt wurden (vgl. Ebster/Jandrisits, 2003, S. 103ff.). Knoblich und Kollegen (2003) konnten die Stimmung der Probanden durch eine unterschiedliche Beduftung von Raumen verandem, wobei die Diifte nach der empfundenen Sinnlichkeit ausgewahlt wurden. Als Ergebnis hielten sie fest, dass der sinnliche Duft zu einer besseren Stimmung der Probanden fiihrte als der nicht sinnliche bzw. der Verzicht auf Duft. Daruber hinaus war die Stimmung der Probanden bei der unpassenden Raumbeduftung signifikant schlechter gegeniiber der Situation ohne Duft (vgl. Knoblich et al., 2003, S. 281ff.). Mitchell und Kollegen (1995) untersuchten den Einfluss der Kongruenz von Duftstoff und Produktkategorie auf die Produktauswahl und erfassten gleichzeitig die Stimmung der Probanden. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Kongruenz keinen signifikanten Einfluss auf die Stimmung hat (vgl. Mitchell et al., 1995, S. 236). Im Bereich der Forschung zur Werbewirkung kamen Ellen und Bone (1998) zu dem Ergebnis, dass ein passender Duft in der Printwerbung die Stimmung nicht verbessem kann, ein unpassender aber die Stimmung verschlechtert (vgl. Ellen/ Bone, 1998, S. 36). Weitere Untersuchungen mit unterschiedlichen Ergebnissen zum Einfluss von Dtiften auf die Stimmung stammen u.a. von Kirk-Smith und Booth (1992), Steiner (1986; 1994), Schiffman und Kollegen (1995), Chebat und Michon (2003) sowie von Michon und Kollegen (2005).

Fazit Die Untersuchungen zur emotionalen Wirkung von Duftstoffen wurden vor allem durch die Angstforschung bestimmt. Sie konnten zeigen, dass eine emotionale Konditionierung auch mit Duftstoffen moglich ist. Andere beziehen sich vor allem auf die Langzeitwirkungen von Dtiften, indem die Emotionalitat von Erinnerungen erfragt wurde. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Diifte Ausloser fiir ein sehr emotionales und lebendiges Erleben vergangener Ereignisse sind. Die Ergebnisse der verschiedenen Experimente zu den Stimmungen zeigen kein klares Bild. Mai konnte die Stimmung gehoben werden, mal nicht. Bei unangenehmen Diiften konnte

4. Bisheriger Kenntnisstand

119

auch eine Verschlechtemng auftreten. Allerdings kann man mit Gewissheit sagen, dass eventuelle Effekte auf die Stimmung vom jeweils eingesetzten Duftstoff abhangen. Eine Verallgemeinerung, dass der Einsatz von Duftstoffen zu einer besseren Stimmung fiihrt, ist daher unzulassig. Die meisten Versuchsaufbauten waren zudem nicht geeignet, Stimmungen zu messen, da nach der obigen Definition ein langerer Zeitraum zur Erfassung von Stimmungen notwendig ist. Eine Ausnahme stellt dabei die Studie von Ehrlichman und Bastone(1992)dar.

4.2.3 Kognitive Reaktionen auf olfaktorische Reize Die kognitiven Reaktionen umfassen die Einstellung, die Produktbeurteilung sowie das Lemen

und

die

Gedachtniswirkungen.

Die

intentionale

Komponente,

also

die

Verhaltenskomponente, gehort zwar ebenfalls zu den kognitiven Reaktionen, soil aber erst im nachsten Kapitel ausfuhrlich beschrieben werden. Im Folgenden werden der Effekt auf die Produktbeurteilung und die Einstellung untersucht und anschlieBend die Wirkung auf das Lemen.

Produktbeurteilung und Einstellung^^* Verschiedene Untersuchungen haben sich mit der Wirkung von olfaktorischen Reizen sowohl auf die Produktbeurteilung als auch auf die Einstellung beschaftigt. Das alteste Experiment beziiglich Duft und Produktbeurteilung stammt von Donald A. Laird (1932). Er untersuchte die Wirkung des Duftes auf die Qualitatseinschatzung von Seidenstrumpfhosen. Dabei lieB er Hausfrauen verschiedenartig beduftete Strumpfhosen des gleichen Fabrikats beurteilen. Die Duftkonzentrationen lagen immer unterhalb der Wahmehmungsschwelle. Das Ergebnis zeigte, dass die Strumpfhose mit einem Narzissenduft von 50% der Frauen als die qualitativ beste eingestuft wurde. Es folgten die mit einem Fruchtduft (24%) und die mit Kissengeruch (18%). Die mit ihrem natiirlichen Geruch vorgefiihrten Strumpfhosen schnitten in der Einschatzung am schlechtesten ab (8%). Dabei begrundeten die Probanden ihre Wahl mit objektiven Argumenten wie besserem Sitz, feinerer Webart, groBerer Robustheit etc. (vgl. Laird, 1932, S. 245ff). Zu einem ahnlichen Ergebnis kommt Cox (1969). Er berichtet, dass Die Produktbeurteilung und die Einstellung sind strikt zu trennen. Die Produktbeurteilung umfasst das Ordnen und Bewerten von Produktinformationen, die einem Individuum zur Verfugung stehen. Das Ergebnis ist die wahrgenommene Qualitat. Die Einstellung hingegen ist das zu einem Produkt oder einer Marke gelemte und verfestigte Resultat von vorangegangenen Wahmehmungsprozessen (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 2003, S. 279).

120

B. Theoretischer Rahmen

die mit einem Orangenduft versehenen Nylonstrumpfhosen in Bezug auf Qualitat und Tragekomfort besser beurteilt wurden als solche ohne Duft (vgl. Cox, 1969, S. 325ff.). Bone und Jantrania (1992) untersuchten die Beurteilung der Produktqualitat von Haushaltsreinigem und Sonnencreme. Hierbei wurde entweder ein Zitronen- oder Kokosduft Oder aber gar kein Duft verwendet. Die Haushaltsreiniger mit Zitronenduft wurden signifikant besser bewertet als die mit Kokosduft und jene ohne Duft. Anders verhielt es sich bei der Sonnencreme. Hier wurde die mit dem Kokosduft signifikant besser bewertet als die anderen beiden Varianten. Die unpassende Version und die ohne Duft unterschieden sich beide Male nicht in der Bewertung (vgl. Bone/Jantrania, 1992, S. 293f.). Knoblich und Schubert (1995) konnten durch eine Conjoint-Analyse zeigen, dass bei einem Shampoo die Praferenzbildung von bis zu 39% durch den Duft beeinflusst wird (vgl. Knoblich/Schubert, 1995, S. 128ff.). In ihrer Studie zur Raumbeduftung stellten Spangenberg und Kollegen (1996) fest, dass ein angenehmer Raumduft zu einer signifikant besseren Einstellung gegeniiber dem Geschaft und der Geschaftsumgebung fiihrt. Auch wurden drei ausgewahlte Produkte von den Konsumenten als signifikant hochwertiger beurteilt (vgl. Spangenberg et al., 1996, S. 74f). Fiore und Kollegen (2000) untersuchten erstmals die Wirkungen von Duften auf den Konsumenten, wenn die Produkte keine originare Duftquelle sind. Sie zeigten den Konsumenten einen Schlafanzug in einem Produktdisplay. Dieses war mit einem passenden, unpassenden oder gar keinem Duft versehen. Die Einstellung zum Produkt unterschied sich zwischen dem passenden Duft und keinem Duft signifikant, wahrend der Schlafanzug bei passendem Duft nur tendenziell besser beurteilt wurde als bei unpassendem (vgl. Fiore et al, 2000, S. 36ff). Eine weitere Studie zur Produktbeurteilung kommt von Ebster und Kirk-Smith (2005). Sie untersuchten die Wirkungen der Beduftung einer Mannerzeitschrift mit dem Pheromon Androstenol, welches in mannlichem SchweiB vorkommt. In der so geschaffenen kongruenten Situation wurde die Bewertung der Zeitschrift mit der aus der unbedufteten Situation verglichen. Die Probanden wurden aufgrund des sehr speziellen Untersuchungsgegentandes in marmliche und weibliche Untergruppen aufgeteilt. Die Manner bewerteten die beduftete Zeitschrift als signifikant mannlicher und das Produkt selbst als signifikant besser als die Kontrollgruppe. Bei den Frauen konnte kein signifikanter Unterschied zwischen der Duftgruppe und der unbedufteten Gruppe beobachtet werden (vgl. Ebster/Kirk-Smith, 2005, S. 743ff). Ebster und Kirk-Smith (2005) sehen das in tJbereinstimmung mit den

4. Bisheriger Kenntnisstand

121

Uberlegungen von Alreck und Kollegen (1982), wonach Frauen Produkte praferieren, die mit ihrem eigenen Geschlecht assoziiert werden (vgl. Alreck et al, 1982, S. 30). Der Duft macht das Mannermagazin nicht interessanter ftir Frauen, was Ebster und Kirk-Smith (2005) mit der Frage umschreiben: „Would making a man's magazin half price make it more attractive if she does not want to read it?" (Ebster/Kirk-Smith, 2005, S. 746). Dagegen konnte Knasko (1995) weder den Effekt eines kongruenten Duftes zeigen noch den Einfluss einer angenehmen Beurteilung der Diifte auf die Einschatzung von Produkten, die auf Fotos abgebildet waren (vgl. Knasko, 1995, S. 483). Eine Untersuchung zur Anzeigenbeurteilung fiihrten Ellen und Bone (1998) durch. Ihre Ergebnisse zeigten, dass ein passender Duft die Anzeigenbeurteilung nicht verbessem konnte, ein unpassender jedoch zu einer schlechteren Beurteilung bei hoch involvierten Konsumenten fiihrte. Allerdings wurden die Anzeigen umso besser beurteilt, je angenehmer der Duft empfunden wurde (vgl. Ellen/Bone, 1998, S. 33ff).

Lernen und Gedachtniswirkungen In einer interessanten Studie zeigte Mani (1999) das Erlemen von fiktiven Marken aus der Produktkategorie

Badeole

in

Abhangigkeit

vom

Grad

der

Kongruenz

der

BrandingmaBnahmen (Farbe, Markenname und Duft). Er konnte nachweisen, dass die Markenwiedererkennung signifikant von der Kongruenz beeinflusst wird. Zeigten alle drei Stimuli in die gleiche Richtung (z.B. die Farbe gelb, der Zitronenduft und der Markenname „Citron"), war die Wiedererkennung signifikant hoher als bei nur zwei kongruenten Elementen, wobei die Paarungen Duft-Farbe

und Duft-Markenname

der Paarung

Markenname-Farbe signifikant liberlegen waren. Deren Wiedererkennung entsprach nur dem Ergebnis, bei dem alle Elemente inkongruent waren (vgl. Mani, 1999, S. 115ff.). Meyer und Glombitza (2000) konnten zeigen, dass unterschiedliche Diifte in Gesichtscremes die Assoziationen zu diesen Cremes verandem. So wurden die gleichen Cremes durch die Zugabe von Duftstoffen unterschiedlich bei den Punkten „reichhaltig" und „Feuchtigkeit spendend" bewertet. Beide Assoziationen waren auch ftir die Positionierung des Produktes von groBer Bedeutung (vgl. Meyer/Glombitza, 2000, S. 56). Dass verschiedene Dtifte zu unterschiedlichen Assoziationen fiihren, konnten Copulsky und Marton (1977) zeigen. Sie bedufteten Gesichtstiicher mit zwei unterschiedlichen Duften. Mit einem der Diifte wurde das Tuch als elegant und teuer wahrgenommen, wahrend die

122

B. Theoretischer Rahmen

Probanden das andere eher in der Kiiche verwenden wollten (vgl. Copulsky/Marton, 1977, S.31ff.). Femer sind Dufte auch auBerst effektive Erinnerungsausloser (vgl. Laird, 1935, S. 126ff.; Richardson/Zucco, 1989, S. 352; Schab/Cain, 1991, S. 218; Chu/Downes, 2000, S. 12ff.; Chu/Downes, 2002, S. 513ff.; Herz, 2004, S. 219) und gelten als „best memory cue" (Herz, 1998, S. 674). In einer Studie konnte Laird (1935) darlegen, dass Diifte sehr klare und lebendige innere Bilder friiherer Ereignisse hervorrufen. So berichteten 76% der Frauen und 46,8% der Manner, dass die durch Diifte hervorgerufenen Erinnerungen klarer und lebendiger sind als andere und nur bei 4% bzw. 6% lagen sie unter dem Durchschnitt. Daruber hinaus sind diese Erinnerungen auch noch sehr emotional aufgeladen, sowohl angenehm als auch unangenehm (vgl. Laird, 1935, S. 128). Die Untersuchungen von Herz und Schooler (2002) und Herz (2004) zeigen signifikante Einfltisse von Diiften auf das Erleben fiiiherer Ereignisse. Sie konnten nachweisen, dass der Zugriff auf die Erinnerungen leichter durch olfaktorische als durch andere Stimuli ausgelost wird und dass friihere Ereignisse emotionaler erlebt werden (vgl. Herz/Schooler, 2002, S.26ff.; Herz, 2004, S. 219). Im Vergleich zu unbedufteten Raumen fiihren beduftete nach Morrin und Ratneshwar (2000) zu einem hoheren Recall von Marken, vor allem, wenn diese unbekannt sind. Dagegen ist kein Einfluss auf das Wiedererkennen von Marken erkennbar (vgl. Morrin/Ratneshwar, 2000, S. 160ff.). Steiner (1986) konnte ebenfalls einen Einfluss des Duftes auf den Recall belegen, was ihm allerdings nur mit einem der zwei verwendeten Diifte gelang. Den Grund ftir dieses Ergebnis sah Steiner (1986) in unterschiedlichen Stimmungen, die durch die Diifte erzeugt wurden (vgl. Steiner, 1986, S. 14ff). Mitchell und Kollegen (1995) wiesen nach, dass bei einer kongruenten Beduftung mehr Attribute zu den Produkten erinnert werden als bei einer inkongruenten und einer Situation ohne Duft. Sie fiihrten dies darauf zunick, dass in der inkongruenten Situation zwei verschiedene Schemata angesprochen werden und dass dies zu einem erhohten kognitiven Aufwand sowie zu Interferenzen fiihrt. Des Weiteren wurden auch nicht vorhandene Informationen signifikant haufiger hinzugefiigt, was die obige These ebenfalls stiitzt (vgl. Mitchell etal., 1995, S.233ff.).

4. Bisheriger Kenntnisstand

123

Morrin und Ratneshwar (2003) untersuchten den Einfluss einer kongruenten bzw. inkongruenten Raumbeduftung auf das Erinnem von bekannten und unbekannten Marken. Als passend fur die Produktkategorien Toilettenartikel und Haushaltsreiniger wurde ein Geraniendufl gewahlt und als inkonsistent ein Nelkenduft. Im Experiment blieb die Kongruenz sowohl im Recall als auch im Recognition ohne Effekt. Allerdings wurden signifikant mehr Marken mit als ohne Duft erinnert (vgl. Morrin/Ratneshwar, 2003, S. 12ff.).

Fazit Die Ergebnisse zum Einfluss des Duftes auf Produktbeurteilung und Einstellung sind sehr gemischt. Dies gilt ebenfalls far die Kongruenz von Duft und Produktkategorie. Die Studie von Mani (1999) zeigt jedoch den Einfluss der Kongruenz von Name, Farbe und Duft auf das Erlemen von Marken. Inwiefem aber eine positive Wirkung auf das Markenwissen besteht, ist nicht geklart. Ebenso fehlen Untersuchungen mit den wichtigen verhaltenswissenschaftlichen GroBen wie Einstellung und Kaufabsicht. Morrin und Ratneshwar (2003) sehen zwar in der Kongruenz einen wichtigen Faktor, fmden aber keine Auswirkung auf das Erinnem von Marken, wenn der Duft als Raumduft prasentiert wird. Sie vergessen allerdings, dass die gewahlten Produktkategorien Toilettenartikel und Haushaltsreiniger andere Anforderungen an den jeweiligen Duft stellen, da die Erwartungen der Konsumenten dabei eine groBe Rolle spielen. So wird z.B. in der Produktkategorie Haushaltsreiniger eher ein Zitrusduft erwartet, sodass es nicht wichtig ist, ob ein Geranienduft im Pretest als tiberwiegend passend eingestuft wurde. Ein weiteres Problem liegt darin, dass es sich um eine Raumbeduftung handelte und daher keine Bindung von Duft und konkreter Marke zustande kam. Morrin und Ratneshwar (2003) konnten jedoch zeigen, wie mit einer Raumbeduftung der Recall erhoht werden kann, was die Aktivierungskraft von Diiften nochmals unterstreicht. Besonders problematisch ist, dass auBer in den Studien von Mani (1999) und Meyer/Glombitza (2000) nie auf die Marke an sich eingegangen wurde. So suchte man keine spezifischen Diifte fur die jeweiligen Positionierungen, sodass z.B. Marken durch den gleichen Duft angesprochen werden soUten, egal ob sie ftir Frische oder Exklusivitat stehen. Es wurden lediglich Erwartungen an die jeweilige Produktkategorie beriicksichtigt, wenn iiberhaupt. Der Duft passte jedoch nicht zu den voUkommen unterschiedlich positionierten Marken. Dass es hier aber tatsachlich Unterschiede gibt, zeigt die Studie von Copulsky und Marton(1977).

124

B. Theoretischer Rahmen

4.2.4 Verhaltensreaktionen durch den Einsatz von Duften Bei den Verhaltensreaktionen wurden bisher auf der einen Seite die Kaufabsicht, die Zahlungsbereitschaft und das tatsachliche Kaufverhalten und auf der anderen Seite die an den bedufteten Orten verbrachte Zeit untersucht.

Verweildauer in den Geschaften und Besuchsabsicht Durch den Einsatz von Duftstoffen kann die Verweildauer in Geschaften erhoht werden. Zu diesem Ergebnis kam Knasko (1989), als sie die Wirkung der Raumbeduftung in einem Juweliergeschaft untersuchte (vgl. Knasko, 1989, S. 718). Das gleiche Ergebnis erzielten Teerling und Kollegen (1992) in einem Textilwarenhaus, das iiber die Klimaanlage beduftet wurde (vgl. Teerling et al., 1992, S. 886). Spangenberg und Kollegen (1996) untersuchten die Wirkung eines angenehmen Raumduftes auf die tatsachliche und die gefiihlte Verweildauer in einem Geschaft. Wahrend sich die tatsachlich im Geschaft verbrachte Zeit zwischen den Gruppen nicht unterschied, war die gefiihlte Zeit in der bedufteten Situation signifikant geringer. Daruber hinaus auBerten die Besucher aus der bedufteten Situation eine signifikant hohere Wiederbesuchsabsicht (vgl. Spangenberg et al, 1996, S. 75f.). Eine signifikant hohere Besuchsabsicht fiir ein Sportgeschaft konnte Stohr (1998) in einem Laborexperiment ermitteln. In dem anschliefiend durchgefuhrten Feldexperiment konnte auch eine langere Verweildauer festgestellt werden. Daruber hinaus zeigten die Konsumenten in der bedufteten Situation eine signifikant positivere Mimik, die iiber eine versteckte Beobachtung erfasst wurde (vgl. Stohr, 1998, S. 122, S. 142). Dass wiederum die Kongruenz eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Untersuchung von Knasko (1993). Sie untersuchte die Wirkung von unterschiedlichen Geruchssituationen (kongruenter vs. inkongruenter Duft) in einem Museum und konnte zeigen, dass bei dem Einsatz eines kongruenten Duftes die Besucher langer in dem Museum verweilten und die Aufenthaltszeit als lehrreicher und positiver bewerteten (vgl. Knasko, 1993, S. 581).

Kauf- und Zahlungsbereitschaft Die mit einem Orangenduft versehenen Nylonstrumpfhosen wurden nicht nur besser beurteilt als solche ohne Duft, sondem auch zu 90% gekauft (vgl. Cox, 1969, S. 325ff.).

4. Bisheriger Kenntnisstand

125

Nach einer Studie von Stohr (1998) wird durch einen angenehmen Raumduft das KaufVerhalten positiv beeinflusst. In ihrem Laborexperiment war die Kaufabsicht in der bedufteten Situation signifikant hoher als in der unbedufteten. In einem anschliefiend durchgefuhrten Feldexperiment wurde in bedufteten Raumen tatsachlich mehr gekauft als in unbedufteten (vgl. Stohr, 1998, S. 122ff.). Fiore und Kollegen (2000) konnten eine signifikant hohere Kauf- und Zahlungsbereitschaft fiir einen Schlafanzug mit dem passenden Duft ermitteln gegentiber einem mit unpassendem Oder keinem Duft (vgl. Fiore et al., 2000, S. 39ff.). Mattila und Wirtz (2001) untersuchten den Effekt der Kongruenz von Duft und Musik. Die Kongruenz wurde dabei auf der Ebene des Erregungsgrades herbeigefiihrt, also einer Ubereinstimmung zwischen hoch und niedrig erregend bei Duft (Grapefinit und Lavendel) und bei Musik (schnelle bzw. langsame Musik). Die Haupteffekte waren jeweils nicht signifikant, allerdings gab es eine signifikante Interaktion zwischen der Musik und dem Duft. Diese fiihrte zu signifikant mehr Impulskaufen bei den Konsumenten sowie zu einer signifikant hoheren Zufi*iedenheit mit dem Geschaft. Dariiber hinaus stieg auch das Annaherungsverhalten signifikant (vgl. Mattila/Wirtz, 2001, S. 282ff.). Nach einer Studie von Spangenberg und Kollegen (1996) fiihrte ein angenehmer Raumduft gegentiber keinem Duft zu keiner signifikant hoheren Kaufabsicht bei drei unterschiedlichen Produkten. Ein Rucksack und ein Kalender wurden vorgegeben und ein drittes Produkt konnten sich die Teilnehmer aussuchen (vgl. Spangenberg et al., 1996, S. 76). In einem Feldexperiment untersuchten Schifferstein und Blok (2002) die Auswirkungen eines thematisch passenden und eines unpassenden Duftes auf den tatsachlichen Abverkauf von Zeitschriften. Als thematisch kongruent wurden ein Grasduft fixr Natur-, Wassersport- und FuBballzeitschriften

und eine fruchtig-blumige

Mischung fiir Frauen-, Koch- und

Kosmetikzeitschriften verwendet. Die zwei Diifte wurden dagegen fiir die jeweilige andere Kategorie als inkongruent eingestuft. Die thematische Kongruenz fiihrte aber weder - wie erwartet - zu einem hoheren Umsatz fiir die passenden Zeitschriften noch zu einer Verringerung des Abverkaufs durch die Inkongruenz (vgl. Schifferstein/Blok, 2002, 5. 545ff). Auf die Zahlungsbereitschaft konnten Ebster und Kirk-Smith (2005) in ihrer Studie ebenfalls keinen Effekt ermitteln (vgl. Ebster/Kirk-Smith, 2005, S. 745f). Mitchell und Kollegen (1995) untersuchten den Einfluss von kongruentem und inkongmentem Raumduft (Schokoladen oder Blumenduft) auf die zur Produktwahl herangezogenen Informationen (uber eine Information Display Matrix) sowie auf die

126

B. Theoretischer Rahmen

Produktwahl (Schokolade oder Blumen) selbst. Im Ergebnis lieBen sich die Probanden in der kongruenten Situation mehr Zeit fur die Informationssuche und diese war eher holistisch angelegt, wohingegen die Suche in der inkongruenten Situation eher heuristisch war.^^^ Die Produktwahl war in der kongruenten Situation mehr uber alle Altemativen verteilt als in der inkongruenten Situation. In einer zweiten Studie wurde ein vermehrter Markenwechsel bei kongruenter Beduftung festgestellt (vgl. Mitchell et al., 1995, S. 23ff.). Aus einer Vielzahl an Studien entwickelten Gulas und Bloch (1995) ein Modell zur Wirkung von Raumdiiften auf den Menschen (vgl. Abb. 30).^^^ Der Kongruenz der Stimuli kommt nach Gulas und Bloch (1995) eine entscheidende Rolle zu. Ein angenehmer Duft reicht ihrer Meinung nach nicht aus: „A pleasant scent may not elicit positive affective responses when that scent is mismatched with other features of the environment. A floral scent that is regarded as pleasing in isolation may be seen as inappropriate for motorcycle dealership and fail to elicit the expected positive affect." (Gulas/Bloch, 1995, S. 92). Diese Aussage wird - wie oben gezeigt - durch verschiedene Studien belegt, sodass sich das Modell auch auf die Wirkung von Duftstoffen innerhalb der Markenkommunikation iibertragen lasst. Hierbei spielt die Kongruenz dann auch aus lemtheoretischen Uberlegungen eine bedeutende Rolle, da nur ein klares Bild der Marke schnell und effizient gelemt wird.

'^ Bei der holistischen Informationssuche werden verschiedene Attribute einer Marke abgefragt, wahrend bei der heuristischen Suche die gleichen Attribute bei verschiedenen Marken abgefragt werden (vgl. Mitchell et al., 1995,8.232). ''^ Dieses ist durch Davies und Kollegen (2003) erweitert worden (vgl. Davies et al., 2003, S. 621). Allerdings sind die weiteren Einflussfaktoren nur nachgelagerter Art, wo sie auf die Faktoren des Modells von Gulas und Bloch (1995) wirken. Eine KontroUe dieser Faktoren reicht fiir diese Arbeit vollkommen aus.

4. Bisheriger Kenntnisstand

Abbildung 30: Quelle:

127

Modell zur Wirkung von Raumbeduftung Gulas/Bloch, 1995, S. 90.

Gesamtfazit Es existieren bereits einige Untersuchungen zur Wirkung von Duftstoffen auf verschiedene GroBen des Konsumentenverhaltens. Die (iberwiegende Anzahl der Studien befasst sich sehr undifferenziert mit Raumdiiften und kommt dabei nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Lediglich in vier Studien wurde der Einfluss von Duftstoffen auf die Marke getestet, wobei nur zwei Experimenten keine Raumbeduftung zugrunde lag. Morrin und Ratneshwar (2000; 2003)

untersuchten

zwar

die

Wirkung

von verschiedenen

Duftstoffen

auf die

Markenbekanntheit, hatten jedoch nie nur die einzelne Marke im Blickpunkt. Wie in alien anderen Studien wurden die bei der Raumbeduftung verwendeten Duftstoffe als passend oder unpassend fur die Produktkategorie ausgewahlt. Dies hilft der einzelnen Marke aber kaum, wenn sie z.B. in der Produktkategorie der Haushaltsreiniger nicht uber Bergfrische, sondem iiber Meeresfrische positioniert ist. Ein Duft, der mit Bergfrische assoziiert wird, kann keine Markenpositionierung vermitteln, die auf Meeresfrische ausgerichtet ist. Hier greifen die bisherigen Untersuchungen viel zu kurz. Nur Mani (1999) geht genauer auf eine Verbindung von Marke und Duft ein. Allerdings untersucht er nur das Lemen der Marke und die Wirkungen auf Recall und Recognition, wahrend der Bereich des Markenimages von ihm

128

B. Theoretischer Rahmen

vollkommen ausgeblendet wurde. Die Studie von Meyer und Glombitza (2000) streift als einzige diesen Bereich. Jedoch wurde hier nur die Wirkung von zwei sehr ahnlichen Duftstoffen auf die Assoziationen gemessen. In Ansatzpunkten ist aber zu erkennen, dass eine Differenzierung von Marken durch die verwendeten Duftstoffe durchaus moglich ist. Allerdings fehlt bei Meyer und Glombitza (2000) die Wirkung der Dufte auf andere verhaltenswissenschaftlicheOroBen. Bei den Studien zeigt sich immer wieder, dass der subjektiv empfundenen Kongruenz eine groBe Bedeutung zukommt. So waren die inneren Bilder lebendiger und emotionaler bei einer Kongruenz der Inhalte, das Lemen wurde gefordert, die Verweildauer in Geschaften und die Besuchsabsicht konnten erhoht werden. Es verbesserte sich die Produktbeurteilung sowie die Kauf- und Zahlungsbereitschaft. Es gibt aber auch Studien, die keinen Effekt der Kongruenz feststellen. Diese Ergebnisse konnten darauf zuruckzufuhren sein, dass bei Experimenten mit Raumduft fur die Probanden die Verbindung von Duft und Produkt nicht deutlich erkennbar war. Des Weiteren arbeiten viele Studien mit mehreren Produkten aus unterschiedlichen Kategorien, wodurch es schwierig wird, einen passenden Duft zu fmden und eine Bindung von Duft und Marke aufzubauen. So kann der Duft eine positive Wirkung allein iiber eine Veranderung der Stimmung bei den Probanden hervorrufen. Die direkte Verbindung von Duft und Marke im Hinblick auf das Positionierungsziel fehlt bisher vollkommen. Die soil daher in den Mittelpunkt der weiteren Untersuchungen geriickt werden. Dariiber hinaus werden die Wirkungen von kongruenten und inkongruenten Diiften auf die wichtigen verhaltenswissenschaftlichen ZielgroBen der Markenfiihrung wie das innere Bild, die Einstellung und die Kaufabsicht untersucht.

C.

Empirischer Teil ~ Wirkungen der Integration von olfaktorischen Reizen in die Kommunikation des Markenaufbaus

1.

Zielsetzung und Aufbau der experimentellen Untersuchungsreihen

Das Forschungsinteresse dieser Arbeit liegt darin, die Wirkung von inhaltlich integrierten und nicht integrierten olfaktorischen Reizen auf das Markenwissen sowie auf weitere fur die Markenfuhrung interessierende verhaltenswissenschaftliche GroBen zu uberprufen. Die vorausgegangenen Kapitel zeigten vielfach keinen Einfluss kongruenter olfaktorischer Reize auf unterschiedliche abhangige Variablen wie beispielsweise die Markenbekanntheit (vgl. Kapitel B 4.2). AUerdings wurde dabei nie die Kongruenz von Marke und Duft untersucht. Man wahlte immer nur einen zur Produktkategorie passenden oder unpassenden olfaktorischen Reiz gewahlt. Gerade der Umstand, dass bis auf zwei Ausnahmen alle Studien mit Raumbeduftung arbeiteten, lasst vermuten, dass es nie zu einer Verbindung von Marke und Duft gekommen ist, sodass hier andere Wirkungsmechanismen anzunehmen sind. In anderen Studien konnte eine Wirkung der Kongruenz auf verschiedene Variablen (vgl. Kapitel B 4.2) festgestellt werden; allerdings fand auch hier keine Auswahl des Duftes anhand der Positionierungsvorgaben der Marke statt, da bis auf eine Ausnahme nicht explizit nach Marken gefragt wurde. Dass Duftstoffe unterschiedliche Assoziationen hervorrufen, ist unbestritten. Es ist daher sinnvoll, die gewunschte Markenpositionierung auch durch einen entsprechenden Duftstoff zu vermitteln. Bin nur angenehmer Raumduft hilft der Marke nicht, die Positionierung zu vertiefen. Wie die obigen Ausftihrungen zeigen, besteht hier noch eine betrachtliche Lucke, die mit den folgenden Studien geschlossen werden soil. Die Positionierung der Marke soil inhaltlich durch die gewahlten Duftstoffe unterstiitzt werden. Neben den Wirkungen auf das Markenwissen als wichtigem Bestandteil des Markenwertes wird auch die Wirkung der Integration von Marke und olfaktorischem Reiz auf weitere, fiir die Markenfuhrung wichtige Variablen untersucht. Dabei interessieren vor allem die Markeneinstellung, das innere Bild sowie die Kaufabsicht (Experiment I und Experiment II). Dariiber hinaus werden die Effizienz und die Effektivitat des Markenaufbaus (Experiment II) bei inhaltlicher Integration von Marke und Duft sowie bei fehlender inhaltlicher Ubereinstimmung gepriift.

130

Abbildung 31:

C. Empirischer Teil

Aufbau der experimentellen Untersuchungsreihe

Im Folgenden werden die Hypothesen fur die unterschiedlichen Grade der inhaltlichen Integration (integriert vs. nicht-integriert) aus den vorgestellten Theorien abgeleitet, um sie dann in zwei Experimenten zu iiberprufen. Zunachst erfolgt jeweils eine Operationalisierung der abhangigen und der unabhangigen Variablen, wobei auch die Vorstudien zur Auswahl der Stimuli beschrieben werden. AnschlieBend werden die moglichen Moderatorvariablen und die Vorgehensweise bei den Experimenten erlautert. Es folgen die Auswertung der Studie und abschlieBend die Diskussion der Ergebnisse.

2.

Ableitung der Hypothesen fiir eine inhaltlich integrierte Markenkommunikation mit olfaktorischen Reizen

Wie die theoretischen Ausfiihrungen gezeigt haben und wie jeder to sich leicht nachvollziehen kann, werden mit verschiedenen olfaktorischen Reizen auch unterschiedliche Assoziationen verbunden. So wird beispielsweise mit einem Zitrusduft „Frische" und „Reinlichkeit" assoziiert, mit einem Tannenduft dagegen „Naturlichkeit". Diese Tatsache soil nun verwendet werden, um die Markenpositionierung gezielt zu unterstiitzen. Aus diesen Erkenntnissen sowie den weiteren theoretischen Uberlegungen aus den Kapiteln B 3 und B 4 werden im Folgenden die Forschungshypothesen abgeleitet. Dabei wird auch das Zusammenspiel

von

olfaktorischen

Reizen

und

der

Menge

an

vorgegebenen

Markeninformationen in der Kommunikation naher erlautert. Die durchgefuhrten Experimente verfolgen im Kern zwei verschiedene Ziele, sodass zunachst die Hypothesen abzuleiten sind, die in beiden Experimenten verwendet werden. AnschlieBend werden ganz spezielle Hypothesen zur Effizienz des Markenaufbaus mit Duftstoffen erarbeitet, die nur Experiment II zugrunde liegen.

2.1 Hypothesen zur olfaktorisch-visuellen Integration in der Markenkommunikation Bei der Verarbeitung der unterschiedlichen Markenreize muss nach dem Modell von Engelkamp danach unterschieden werden, ob es sich um verbale oder nonverbale Reize handelt. In den folgenden Experimenten geht es um die Wirkung des Zusammenspiels zwischen unterschiedlichen olfaktorischen Reizen und der Menge an dargebotenen visuellen also nonverbalen - Informationen. Die Markennamen an sich sind zwar verbale Reize; allerdings werden sie moglichst neutral gehalten, um die Reaktionen in den Studien auf die olfaktorischen Reize und die Menge an Markeninformationen (entweder das Markenlogo oder eine Markenanzeige) zuriickfiihren zu konnen. Beide Reizarten gelangen nach der Aufnahme durch den Rezipienten aufgrund ihrer unterschiedlichen Wahmehmungseigenschaften in verschiedene sensumotorische Teilsysteme: der visuelle Reiz in das visuelle und der olfaktorische in das olfaktorische Subsystem. Beide Reize aktivieren dann Konzepte im konzeptuellen System. Sind die Reize aufeinander abgestimmt, aktivieren sie sehr ahnliche oder sogar gleiche Konzepte. Im anderen Fall werden unterschiedliche Konzepte aktiviert, sodass zunachst eine gewisse Konfusion beim Rezipienten herrschen wird, da die Schemata

132

C. Empirischer Teil

nichts miteinander zu tun haben oder zumindest bisher nichts zu tun hatten. Durch die Abstimmung der verschiedenen Reize werden die transportierten Inhalte sogar noch verstarkt, da eine Wiederholung des zu vermittelnden Inhalts schon bei einmaliger Darbietung der Reize vorgenommen wird. Nach dem Modell von Engelkamp wird eine neue Marke bei der Einfiihrung gestarkt, wenn die Rezipienten mehr Informationen zur Marke haben. Dies gilt allerdings nur, wenn diese Informationen aufeinander und auf die Markenpositionierung abgestimmt sind. Das Konzept der Marke wird also umso klarer und praziser, je mehr aufeinander abgestimmte Informationen der Rezipient erhalt. Fiir das Markenmanagement bedeutet dies, dass die wichtige Grofie Markenwissen durch mehr Informationen zur Marke starker ausgepragt und praziser wird und die Marke dadurch insgesamt reichhaltiger und lebendiger. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass passende Bilder und Diifte zu klareren und lebendigeren inneren Bildem fuhren und die Zugriffsfahigkeit erhoht wird (vgl. Kapitel B 2.4.4 und B 4.2). Dies kann auf die Markenkommunikation iibertragen werden. Die Darbietung von aufeinander abgestimmten visuellen und olfaktorischen Reizen ist der Prasentation ohne Duft iiberlegen, da es zu einer Wiederholung der zu vermittelnden Informationen kommt und so eine Vertiefung und Verfestigung der Inhalte stattfmdet. Das Markenwissen wird durch die Integration der Reize in Bezug auf die Positionierung reichhaltiger und tiefer, wodurch ein klareres und lebendigeres inneres Bild der Marke beim Rezipienten entsteht. Neurowissenschaftlich lasst sich das mit einer Superadditivitat durch die Kongruenz der dargebotenen Reize erklaren (vgl. Kapitel B 3.1). Sind die Reize allerdings nicht aufeinander abgestimmt, verschlechtert sich das Markenwissen gegenuber einer Darbietung ohne Duft, da unterschiedliche Konzepte angesprochen werden. Femer kann ein klares und lebendiges inneres Bild zur Marke nicht entstehen und der Zugriff auf dieses wird erheblich erschwert. Hier kommt es aus neurowissenschaftlicher Sicht zu einer Subadditivitat der Reize (vgl. Kapitel B 3.1).

Aus den oben dargestellten Uberlegungen lassen sich im Zusammenhang mit den theoretischen Ausfuhrungen folgende Hypothesen ableiten:

2. Ableitung der Hypothesen

13 3

Hypothese 1: Markenwissen H 1.1 Eine auf die Markenpositionierung abgestimmte Kommunikation mit Duft ist einer Darbietung ohne Duft uberlegen in Bezug auf die Anzahl der H 1.1a markenspezifischen Assoziationen, H 1.1b positiven Assoziationen.

H 1.2 Eine Darbietung ohne Duft ist der nicht-integrierten Kommunikation mit Duft uberlegen in Bezug auf die Anzahl der H 1.2a markenspezifischen Assoziationen, H 1.2b positiven Assoziationen.

H 1.3 Eine auf die Markenpositionierung abgestimmte Kommunikation mit Duft ist einer nicht abgestimmten uberlegen in Bezug auf die Anzahl der H 1.3a markenspezifischen Assoziationen, H 1.3b positiven Assoziationen.

H 1.4 Eine Darbietung von vielen Markeninformationen fiihrt gegeniiber der Darbietung von wenigen Markeninformationen zu H 1.4a mehr markenspezifischen Assoziationen, H 1.4b positiveren Assoziationen.

Hypothese 2: Inneres Bild der Marke H2.1 Eine integrierte Kommunikation mit Duft ftihrt gegeniiber einer nicht integrierten Darbietung H 2.1a zu einem klareren und lebendigeren Bild sowie H 2.1b zu einem anziehenderen inneren Bild und H 2.1c ermoglicht einen leichteren Zugriff auf dieses.

134

C. Empirischer Teil

H 2.2 Eine integrierte Kommunikation mit Duft ftihrt gegeniiber einer Kommunikation ohne Duft H 2.2a zu einem klareren und lebendigeren Bild, H 2.2b zu einem anziehenderen inneren Bild und H 2.2c ermoglicht einen leichteren Zugriffauf dieses.

H2.3 Die Kommunikation

ohne

Duft

fuhrt

gegenuber

einer

nicht

integrierten

Kommunikation H 2.3a zu einem klareren und lebendigeren Bild, H 2.3b zu einem anziehenderen inneren Bild und H 2.3c ermoglicht einen leichteren Zugriffauf dieses.

H 2.4 Die Hinzunahme von weiteren auf die Positionierung abgestimmten Reizen ftihrt bei einer Kommunikation mit passendem, unpassendem und ohne Duft H 2.4a zu einem klareren und lebendigeren Bild, H 2.4b zu einem anziehenderen inneren Bild und H 2.4c ermoglicht einen leichteren Zugriffauf dieses.

Aus den theoretischen Uberlegungen und den empirischen Erkenntnissen lasst sich ableiten, dass eine auf die Markenpositionierung abgestimmte Kommunikation die Beurteilung der Anzeige und der Marke verbessert sowie das Vertrauen in die Marke erhoht, da sie eine leichtere Verarbeitung der aufgenommenen Reize ermoglicht. Allein dies reicht nach der Fluency-Theorie aus, um eine positive Bewertung hervorzurufen (vgl. Kapitel B2.1). Eine ahnliche theoretische Begriindung geben Fiore und Kollegen (2000): „congruity between perceptions of an environment or object and existing schemas gives rise to familiarity, acceptability, a sense of liking, and approach response" (Fiore et al., 2000, S. 31). Eine weitere Erklarung liefem Bone und Jantrania (1992) sowie Ellen und Bone (1998). Nach ihren Uberlegungen entspricht eine schemakongruente Kommunikation mit Duft den Erwartungen, wahrend dies bei einer schemainkongmenten Kommunikation nicht der Fall ist, was zu einer Veranderung der Beurteilung ftihrt (vgl. auch Bone/Jantrania, 1992, S. 290;

2. Ableitung der Hypothesen

13 5

Ellen/Bone, 1998, S. 31)."'* Folgt man den Uberlegungen von Mandler (1982), fuhrt ein inkongruenter Duft zu einer stark negativen Beurteilung, falls kein anderes passendes Schema gefunden wird oder aber die Umstrukturierung des angesprochenen Schemas misslingt. Hingegen fuhrt die Kongruenz zu einer positiven Bewertung (vgl. Mandler, 1982, S. 15ff. sowie ausfuhrlich Kapitel B 2.3). Passen die vermittelten Reize nicht zusammen, so verschlechtert sich die Beurteilung der oben genannten abhangigen Variablen gegeniiber der Darbietung der Marke ohne Duft. Wenn nun mehr Markeninformationen dargeboten werden und der Duft nicht zu diesen Inft)rmationen passt, wird die Beurteilung schlechter ausfallen, als wenn nur wenige Informationen zur Marke vorliegen und der unpassende Duft kommuniziert wird. In der Situation mit vielen Markeninformationen (operationalisiert tiber die Anzeige) konnen auch Mediationsprozesse auftreten. Folgt man theoretischen Uberlegungen und empirischen Erkenntnissen (vgl. MacKenzie et al., 1986, S. 133ff.; MacKenzie/Spreng, 1992, S. 524ff.; Kroeber-Riel/Esch, 2004, S. 164ff.) wird zunachst eine Einstellung zur Anzeige gebildet, die dann auf die Einstellung zur Marke wirkt. Diese ist dann ausschlaggebend fiir das spatere Verhaken, also den Kauf. Den bisherigen Uberlegungen wird die Passung des Duftes zur Marke vorgeschaltet, da diese direkt die Einstellung zur Anzeige positiv oder aber negativ beeinflusst."^

Hypothese 3: Anzeigenbeurteilung Die Beurteilung der Anzeige hangt von der Integration der Reize ab: H 3.1 Eine Anzeige mit olfaktorisch-visuell integrierten Reizen wird besser bewertet als die Anzeige alleine. H 3.2 Die Anzeige alleine wird besser bewertet als die nicht integrierte Kombination von olfaktorischem und visuellem Reiz. H 3.3 Die Anzeige mit einer olfaktorisch-visuellen Integration wird besser bewertet als die nicht-integrierte Version.

Von der schemainkongruenten Erwartung ist eine leichte Abweichung vom Schema abzugrenzen (vgl. Schnotz, 1994, S. 76ff. sowie ausfuhrlich Kapitel B 2.3). Diese fiihrt sogar zu einer besseren Beurteilung der Produkte (vgl. Meyers-Levy/Tybout, 1989, S. 45ff.). Auch im Modell von Gulas und Bloch (1995) und in der Erweiterung von Davies und KoUegen (2003) wird die Kongruenz als eine mogliche beeinflussende Variable vor den kognitiven Reaktionen der Rezipienten gesehen (vgl. auch Kapitel B 4.2).

136

C. Empirischer Teil

Hypothese 4: Markenbeurteilung Die Beurteilung der Marke H4.1 ist bei der Darbietung eines kongruenten Duftes besser als bei der alleinigen Darbietung ohne Duft, H 4.2 ist bei der Darbietung ohne Duft besser als bei einer Darbietung der nicht-integrierten Kommunikation, H4.3 ist bei einer Kommunikation mit kongruentem Duft besser als bei einer nichtintegrierten Kommunikation, H 4.4a wird durch die Darbietung von mehr Markeninformationen verbessert, sofem diese mit dem Duft zusammenpassen, H 4.4b wird durch die Darbietung von mehr Markeninformationen verschlechtert, wenn der Duft unpassend ist, H 4.5 wird nicht direkt durch die subjektive Passung des Duftes beeinflusst, sondem iiber die Anzeigenbeurteilung (falls eine Anzeige vorhanden ist).

Hypothese 5: Markenvertrauen Das Markenvertrauen wird durch H 5.1 eine Kommunikation mit passendem Duft gegenuber einer ohne Duft erhoht, H 5.2 eine Kommunikation ohne Duft gegenuber einer nicht-integrierten Kommunikation verbessert, H 5.3 eine integrierte Kommunikation gegenuber einer nicht-integrierten erhoht, H 5.4a die Darbietung von mehr Markeninformationen verbessert, sofem diese mit dem Duft zusammenpassen, H 5.4b die Darbietung von mehr Markeninformationen verschlechtert, wenn der Duft unpassend ist.

2. Ableitung der Hypothesen

137

Hypothese 6: Verhaltensintention Die Verhaltensintention H6.1 ist bei der Kombination mit passendem Duft groBer als bei einer Darbietung ohne Duft, H 6.2 ist bei der Kommunikation ohne Duft hoher als in einer nicht-integrierten, H 6.3 ist bei der Kommunikation mit passendem Duft groBer als bei der nicht-integrierten, H 6.4a wird durch die Darbietung von mehr Markeninft)rmationen iiberproportional erhoht, sofem sie mit den Duft zusammenpasst, H 6.4b wird durch die Darbietung von mehr Markeninft)rmationen verschlechtert, wenn der Duft unpassend ist, H 6.5 wird nicht direkt von der Passung des Duftes beeinflusst, sondem von der Einstellung zur Marke.

2.2 Hypothesen zur Effizienz des Markenaufbaus einer olfaktorisch-visuellen Integration Werden im Modell von Engelkamp unterschiedliche Konzepte angesprochen, ergeben sich daraus fiir den Rezipienten unterschiedliche Interpretationsmoglichkeiten, wofiir eine Marke stehen soil. Die Folge ist ein hoher kognitiver Aufwand bei der Verarbeitung der Reize. Ein effizienter Markenauft)au verlangt aber, dass die gewoUte Positionierung moglichst schnell und sinngemaB wahrgenommen wird. Je groBer der Interpretationsspielraum ist, desto mehr mogliche Altemativen stehen dem Rezipienten zur Verfiigung und desto langer wird er brauchen, um die gewoUte Markenpositionierung wahrzunehmen.

Daraus lasst sich folgende Hypothese ableiten:

Hypothese 7: Geschwindigkeit des Lernprozesses Eine integrierte Kommunikation mit Duft ist der nicht-integrierten Variante iiberlegen in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der die Markenpositionierung verstanden wird.

138

C. Empirischer Teil

Werden in der Lemphase verschiedene Konzepte im konzeptuellen System angesprochen, haben Rezipienten, wie bereits erlautert, mehrere Interpretationsmoglichkeiten fxir eine vermutete Markenpositionierung, sodass sie nicht prazise sagen konnen, woftir eine Marke steht (vgl. Kapitel B 2.3 und B 2.4). Dies hat zur Folge, dass das Markenschema sehr diffiis und in sich unstimmig ist. Die Wiedergabe der vermuteten Markenpositionierung wird somit bei den Probanden, die der inkongruenten Situation ausgesetzt sind, langer dauem, da sich ihr Markenschema aus zwei nicht zusammenpassenden Schemata zusammensetzt.

Daraus lasst sich folgende Hypothese ableiten:

Hypothese 8: Dauer der Wiedergabe von Assoziationen Bei

der

nicht-integrierten

Kommunikation

wird

die

Beschreibungsphase

Markenpositionierung langer dauem als bei der integrierten Kommunikation.

der

3.

Experimente zur Wirkung von inhaltlich integrierten und nichtintegrierten olfaktorischen Reizen auf den Markenaufbau

3.1 Operationalisierung der Variablen Um die aus der Theorie abgeleiteten Zusammenhange messen zu konnen, bedarf es einer Operationalisierung, d.h. der Zuordnung von dem theoretischen Konstrukt zu einer empirisch beobachtbaren und/oder messbaren GroBe (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 29). Nach Bortz und Doring (2002) standardisiert eine operational Definition „einen Begriff durch die Angabe der Operationen, die zur Erfassung des durch den Begriff bezeichneten Sachverhaltes notwendig sind, oder durch Angabe von messbaren Ereignissen, die das Vorliegen dieses Sachverhaltes anzeigen (Indikatoren)" (Bortz/Doring, 2002, S. 67). Im Folgenden werden fur die theoretischen Begriffe wie z.B. dem der Einstellung Operationalisierungen vorgenommen. Zunachst werden die unabhangigen Variablen festgelegt. Hierbei handelt es sich um Variablen, die entweder vom Versuchsleiter manipuliert (z.B. die verwendeten Duftstoffe) oder durch Selektion erreicht werden (z.B. Unterteilung der Stichprobe in Raucher und Nichtraucher) (vgl. Bortz/Doring, 2002, S. 6; Berekoven et al., 2004, S. 157). AnschlieBend erfolgt dann die Operationalisierung der abhangigen Variablen. Diese sind nicht vom Versuchsleiter beeinflussbar und werden allein durch die Wirkung von unabhangigen Variablen oder von moglichen StorgroBen beeinflusst. Dabei kann die unabhangige Variable entweder direkt oder aber indirekt tiber eine dritte GroBe auf die abhangige Variable wirken. Diese dritte Variable nennt man dann Mediatorvariable. Verandert eine Variable den Einfluss einer unabhangigen auf die abhangige Variable, wird diese als Moderatorvariable bezeichnet. Bei dieser handelt es sich in der experimentellen Untersuchung dann entweder um eine Kontrollvariable, wenn man sie mit erfasst, oder aber um eine StorgroBe, wenn sie nicht beachtet oder ihr Einfluss schlicht ubersehen wurde (vgl. Bortz/Doring, 2002, S. 6f). Es wird nun die Operationalisierung der aus der Theorie abgeleiteten unabhangigen und abhangigen Variablen sowie der Moderatoren vorgenommen.

3.1.1 Operationalisierung der unabhangigen Variablen In den folgenden Studien geht es immer um die inhaltliche oder die nicht-inhaltliche Integration von olfaktorischen Reizen in die Kommunikation einer Marke. Bei der ersten beworbenen Marke handelt es sich dabei um den fiktiven Reiseveranstalter „hoba

140

C. Empirischer Teil

holidays",'^^ der als ein ausgewiesener Spezialist ftir Karibikreisen positioniert wird. Die zweite Marke ist „bomu body-wash", ein Anbieter von erfrischenden Duschgels. Die fiktiven Markennamen soUten so neutral wie moglich sein. Ein Kategoriebezug wurde hinzugefugt, da es nicht die Absicht war, einen verbalen Hinweisreiz auf die Positionierung durch die Marke zu geben, aber auch untersucht werden sollte, ob allein durch den Duft das Reiseziel oder aber die Positionierung der Duschgelmarke vermittelt werden konnen. Zwei Grunde sprechen fur diese Vorgehensweise: 1. Zunachst wurde eine fiktive Marke benutzt um auszuschlieBen, dass das vorhandene Markenwissen und die Familiaritat der Marke das Experiment beeinflussen (vgl. dazu auch Campbell/Keller, 2003, S. 295ff.). Ziel der Experimente war, Markenwissen aufzubauen und nicht vorhandenes zu verandem, was bei starken Marken aufgrund des ausgepragten Schemas ohnehin sehr schwer ware (vgl. Kapitel B 2.3). 2. Des Weiteren wurde der neutrale Markenname gewahlt, damit in der nicht-integrierten Version nicht zwei passende, aber nur ein unpassender Reiz dargeboten wurde. Die Ergebnisse von Mani (1999) zeigen, dass dieses einen Einfluss hat. Fiir die Experimente mussten nun jeweils ein zur Positionierung der Marke passender bzw. unpassender olfaktorischer Reiz sowie eine zur Positionierung passende Anzeige geflinden werden. Um diese verschiedenen Stimuli zu fmden, gab es zunachst zwei Vorstudien. Hierbei wurden eine Anzeige und verschiedene Dufte daraufhin getestet, ob sie die gewollte Positionierung der Marken unterstutzen. Des Weiteren wurden auch Diifte gesucht, die zwar angenehm waren, aber nicht zu einer der Markenpositionierungen passten, um diese spater als nicht-inhaltlich integrierte Stimuli verwenden zu konnen. Im Folgenden werden nun der Aufbau und die Durchfuhrung sowie die Ergebnisse der Vorstudie fur die Marke „hoba holidays" vorgestellt.

3.1.1.1 A ufbau und Durchfuhrung der Vorstudie zur Marke „ hoba holidays " Das Ziel der ersten durchgeftihrten Vorstudie liegt darin, ein zur Positionierung der Marke „hoba holidays" passendes Bild und einen passenden olfaktorischen Reiz zu fmden, sowie einen moglichst unpassenden Duflstoff, der eine vollkommen andere Positionierung vermittelt.

Der Name „hoba" wurde gewahlt, da er keine konkrete Bedeutung hat und so die Probanden nicht schon in eine Richtung gedrangt werden (vgl. Kroeber-RielAVeinberg, 2003, S. 133).

3. Experiment I

141

Aufbau der Vorstudie zu „hoba holidays" Fiir die visuelle Umsetzung der Positionierung der Marke „hoba holidays" wurde eine Anzeige verwendet, die dem Karibikschema entspricht (vgl. Abb. 32). Um einen passenden sowie einen unpassenden Duftstimulus zu finden, bewerteten Probanden verschiedene Dtifte anhand eines Fragebogens. Theoretisch kann die Passung von Duft, Marke und Bild uber verschiedene Zugange erfasst werden. Die Analyse der Passung kann dabei entweder global, ahnlichkeitsbasiert, netzwerkorientiert und/oder attributorientiert durchgeftihrt werden (vgl. Baumgarth, 2000, S. 48ff.; Drengner et al., 2004, S. 416f.): •

Globale Affinitatsanalyse: Hierbei wird die Ahnlichkeit oder die Passung mittels einer einfachen Rating-Skala vorgenommen (vgl. Martin/Stewart, 2001, S. 476). AUerdings liefert diese Methode nicht die Ursache fur die LFbereinstimmung zwischen den Objekten (vgl. Baumgarth, 2000, S. 48).



Ahnlichkeitsbasierte

Affinitatsanalyse:

Mit

der

ahnlichkeitsbasierten

Affinitatsanalyse lassen sich die Ursachen der empfundenen Passung ermitteln. Zunachst wird die Passung liber pauschale Ahnlichkeitsurteile ermittelt, um anschliefiend die Ursachen mittels einer Multidimensionalen Skalierung (MDS) zu identifizieren (vgl. Baumgarth, 2000, S. 48f.; Drengner et al., 2004, S. 416f.). •

Netzwerkorientierte Affinitatsanalyse: Anders als die vorherigen beiden Verfahren setzt die netzwerkorientierte Analyse an den Gedachtnisstrukturen der Konsumenten an. Hierbei werden die Assoziationen zunachst offen erhoben und dann entweder von den Probanden oder vom Versuchsleiter in ein Netzwerk eingeordnet. Dieses Verfahren gibt einen sehr genauen Einblick in die Ursachen der empfundenen Passung zwischen verschiedenen Objekten (vgl. Baumgarth, 2000, S. 49f.; Drengner etal., 2004,8.417).



Attributbasierte Affinitatsanalyse: Bei dieser Methode erfolgt eine Bewertung der Passung

mittels

eines

semantischen

Differentials

oder

iiber

spezielle

Imagedifferentiale. Je geringer die quadratischen Abweichungen sind, desto besser ist die Passung zwischen den Objekten (vgl. Baumgarth, 2000, S. 49; Drengner et al., 2004,8.417).

142

Abbildung 32:

C. Empirischer Teil

Anzeige der Marke „hoba holidays"

3. Experiment I

143

Von den vier theoretisch moglichen Zugangen zur Ermittlung der Passung zwischen dem olfaktorischen und dem visuellen Markenreiz werden drei flir die folgende Vorstudie herangezogen. Nur die ahnlichkeitsbasierte Affmitatsanalyse wurde aufgrund des sehr groBen Aufwandes einer MDS nicht berucksichtigt. Fur die Vorstudie wurden zwei verschiedene Fragebogen konzipiert, von denen sich einer auf die Anzeige bezieht, der andere auf die Beurteilung der Dufte. Bei beiden wurde zunachst offen nach den jeweiligen Assoziationen gefragt, die mit der Anzeige oder dem Duft verbunden wurden (Gmndlage fur die netzwerkorientierte Analyse). AnschlieBend wurden ein semantisches Differential sowie die Erweiterung

um

positioniemngsrelevante

Items

wie

z.B.

karibisch,

exotisch

(attributorientierte Affmitatsanalyse) geschlossen abgefragt. Beim semantischen Differential wurden ausgewahlte Adjektivpaare verwendet, die schon Kroeber-Riel und Kollegen (1982) in ihren Studien benutzten. AbschlieBend legte man die Dufte vor und lieB ihre Passung zur Anzeige beurteilen. Umgekehrt wurde bei den Duften zunachst die Anzeige vorgelegt und die jeweilige Passung der verschiedene Diifte abgefragt (globale Affmitatsanalyse). Am Ende des Fragebogens wurden mogliche StorgroBen wie z.B. Rauchen, Menstruation und Erkaltung erfasst, um diese kontrollieren zu konnen. Dariiber hinaus wurde auch noch eine Skala zum „Affective Impact of Odor" (AIO)*'^ von Wrzesniewski und Kollegen (1999) vorgelegt. Die Diifte wurden rotiert, um ungewoUte Effekte aufgrund der Reihenfolge auszuschalten.^^^

Durchfiihrung der Vorstudie Die Untersuchung fand vom 16.-18. Februar 2005 in einem Raum auf dem Campus der Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universitat GieBen statt. Die Daten wurden durch eine personliche Befragung anhand eines strukturierten Interviewleitfadens erhoben. Den Probanden wurde einftihrend gesagt, dass es sich um eine empirische Studie zur Markenfiihrung handelt. Es wurden zwei Gruppen gebildet: Gruppe 1 bekam den Anzeigefragebogen, Gruppe 2 die Fragen zu den Duften. Die Stichprobe betrug jeweils 28. Eine Duftbefragung wurde nicht berucksichtigt, da der Proband die Studie abgebrochen hatte.

'^^ Wrzesniewski und Kollegen (1999) konnten zeigen, dass es Menschen gibt, die einem Duft mehr Bedeutung zukommen lassen als andere. So haben Menschen mit einem hohen Score auf der AlO-Skala mehr dufterzeugte Erinnerungen und zeigen auch mehr Aufmerksamkeit fur Diifte (vgl. Wrzesniewski et al., 1999, S. 715ff.). "^ Vor allem der Hintergrund, dass manche Diifte die Wahmehmung des vorherigen beeinflussen konnen, zwingt zu dieser Vorgehensweise (vgl. auch Kapitel B 3.2.3).

144

C. Empirischer Teil

Bei der Vorauswahl der Diifte wurden anhand von Expertenurteilen als mogliche passende Dufte Kokos-Zitrone, Papaya, Mango sowie Kokos ermittelt. Die zwei nicht zur Markenpositionierung passenden Diifte waren ein Weihnachts- sowie ein Fichtennadelduft.

3.1.1.2 Ergebnisse der Vorstudie zur Marke „ hoba holidays " Das Durchschnittsalter in Gruppe 1 betrug 25,5 Jahre und in Gruppe 2 23,8 Jahre. In beiden Gruppen waren jeweils 15 Frauen und 13 Manner. In Gruppe 1 waren 24 Studenten und 4 Auszubildende, in Gruppe 2 25 Studenten und 3 Auszubildende.

Ergebnisse des semantischen Differentials Die Mittelwerte des semantischen Differentials zeigen deutlich, dass die Probanden die verschiedenen Diifte sehr unterschiedlich beurteilten (vgl. Abb. 33). Um den Duft mit der groBten Ubereinstimmung zu finden, wurden die quadratischen Abweichungen zwischen der Bewertung der einzelnen Diifte und der Anzeige errechnet. Dabei passten die Diifte KokosZitrone und Mango mit quadratischen Abweichungen von 25,9 bzw. 15,6 gut zu der Bewertung der Anzeige. Hingegen passte der Fichtennadelduft mit einem Wert von 134,1 iiberhaupt nicht. Die anderen drei Diifte lagen mit 67,5 (Papaya), 53,48 (Weihnachtsduft) sowie 50,9 (Kokos) zwischen diesen Extremen. Kein Einfluss auf das semantische Differential konnte zwischen den Personen mit einem hohen Score auf der AlO-Skala und solchen mit einem niedrigen Wert festgestellt werden.

3. Experiment I

Abbildung 33:

145

Mittelwertsverlaufe der Diifte und der Anzeige beim sem. Differential

Als Ergebnis der Auswertung zum semantischen Differential lasst sich festhalten, dass die Dufte „Mango" und „Kokos-Zitrone" sehr gut zur Anzeige passen, die anderen eher schlecht bis sehr schlecht. Um nun einen genaueren Einblick in die erzeugten Assoziationen zu erhalten, werden verschiedene Imageitems ausgewertet, die jeweils einen Bezug zur Markenpositionierung haben.

Ergebnisse der Imagebatterie Fiir die Imagebatterie wurden im Vorfeld der Untersuchung einige positionierungsrelevante Items durch eine Expertenbefragung generiert, die dann in der Vorstudie sowohl fiir jeden einzelnen Duft als auch fiir die Anzeige von den Probanden beurteilt wurden. Auch hier kamen wieder die beiden Dufte Kokos-Zitrone und Mango der Bewertung der Anzeige am nachsten. Und wieder war es der Fichtennadelduft, der am schlechtesten abschnitt. Eine etwas bessere Beurteilung als beim semantischen Differential erhieh der Kokosduft. Die drei anderen Diifte passten dagegen gar nicht zu den aufgefiihrten Items. Die quadratischen Abweichungen ftir Kokos-Zitrone lagen bei 18,5, gefolgt von Mango mit 21,2. Der reine Kokosduft kam auf einen Wert von 37,7, Papaya auf 85,8, der Weihnachtsduft auf 109,4 und der Fichtennadelduft auf 149,0. Kein Einfluss auf die Imagebatterie konnte wiederum

146

C. Empirischer Teil

zwischen den Personen mit einem hohen und einem niedrigen Wert auf der AlO-Skala festgestellt werden.

Abbildung 34:

Positionierungsrelevante Items im Vergleich

Wie in der Bewertung des semantischen Differentials zeigt sich, dass die Dufte Mango und Kokos-Zitrone am besten passen, dagegen der Fichtennadelduft am schlechtesten, gefolgt vom Weihnachtsduft.

Ergebnisse der globalen Affinitatsanalyse Fiir die globale Affinitatsanalyse wurden die Probanden gefragt: „Inwiefem sind Sie der Meinung, dass der dargebotene Duft zur Marke hoba holidays und der in der Anzeige vermittelten Situation passt?". Fiir die Auswertung wurden die Ergebnisse beider Gruppen addiert und dann durch zwei dividiert, sodass der Wert wieder innerhalb des Skalenniveaus zwischen eins und sieben liegt. Wiederum passten die Dufte Kokos-Zitrone (3,3) und Mango (3,5) am besten. Dieses Mai konnte auch der Kokosduft mit 3,7 einen guten Wert erzielen. Als sehr unpassend wurden auch hier der Fichtennadelduft mit 5,9 sowie der Weihnachtsduft mit 5,7 bewertet. Der Papayaduft lag mit 4,4 ein weiteres Mai zwischen den anderen Diiften. Wiederum konnte kein Einfluss der Hohe der AlO-Werte auf die Ergebnisse festgestellt werden.

3. Experiment I

147

Nach den bisherigen Messungen sind die Diifte Mango sowie Kokos-Zitrone diejenigen, die mit der verfolgten Positionierung und der Umsetzung durch die Anzeige am besten passen. Beide liegen ungefahr gleichauf. Um endgiiltig zu klaren, welcher der beiden Diifte am besten zum angestrebten Positionierungsziel passt, wurden die offenen Assoziationen ausgewertet. Der Weihnachtsduft passt nach den vorherigen Messungen ebenso wenig zu der angestrebten Positionierung wie der Fichtennadelduft. AUerdings wurde letzterer nach dem verwendeten tTest fiir gepaarte Stichproben als signifikant unangenehmer empftinden (Mittelwert = 5,4) als der Weihnachtsduft (Mittelwert = 2,8) (p