Okonomik der Marke: Ein Beitrag zum Theorienpluralismus in der Markenforschung 3835002260, 9783835002265 [PDF]


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Table of contents :
3835002260......Page 1
Innovatives Markenmanagement......Page 3
Ökonomik der Marke......Page 4
Geleitwort des Herausgebers......Page 6
Geleitwort......Page 7
Vorwort......Page 9
Inhaltsiibersicht......Page 11
Inhaltsverzeichnis......Page 13
Abbildungsverzeichnis......Page 18
Abkiirzungsverzeichnis......Page 19
Teil I: Problemstellung......Page 22
1 Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt......Page 23
Teil II: Die ,,Marke" als Erfahrungsobjekt......Page 39
2 Das Erfahrungsobjekt „Marke" im Spannungsfeld aus Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen......Page 40
3 Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen im Wettbewerb......Page 72
Teil III: Okonomische Theorie als Erkenntnisobjekt zur Analyse des Erfahrungsobjektes Marke......Page 114
4 Zum Verstandnis okonomischer Theorie als Analyserahmen......Page 115
5 Die Marke als Basisobjekt eines Property-Rights-Bundels - Grundlagen der konstitutiv-originMren Internalisierungsfunktion......Page 147
6 Die Marke als Signaling-Instrument - Grundlagen der konstitutivoriginaren Unterscheidungsfunktion......Page 165
Teil IV: Riickschau und Ausblick......Page 236
7 Implikationen der Ergebnisse fiir die Markenforschung......Page 237
ANHANG......Page 249
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Okonomik der Marke: Ein Beitrag zum Theorienpluralismus in der Markenforschung
 3835002260, 9783835002265 [PDF]

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Zitiervorschau

Michael Welling Okonomik der Marke

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Innovatives Markenmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Christoph Burmann, Universitat Bremen, Lehrstuhl fur innovatives Markenmanagement (LiM®)

Marken sind in vielen Unternehmen mittlerweile zu wichtigen Vermogenswerten geworden, die zukunftig immer haufiger auch in der Bilanz erfasst werden konnen. Insbesondere in reiferen Markten ist die Marke heute oft das einzig nachhaltige Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund kommt der professionellen Fuhrung von Marken eine sehr hohe Bedeutung fur den Unternehmenserfolg zu. Dabei miissen zukunftig innovative Wege beschritten werden. Die Schriftenreihe will durch die Veroffentlichung neuester Forschungserkenntnisse AnstoBe fur eine solche Neuausrichtung der Markenfuhrung liefern.

Michael Welling • •

Okonomik der Marke Ein Beitrag zum Theorienpluralismus in der Markenforschung

Mlt einem Geleitwort von Prof, (em.) Dr. Dr. h.c. Werner H. Engelhardt

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ijber abrufbar.

Dissertation Universitat Bochum, 2005

1. Auflage Marz2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-0226-0

Geleitwort des Herausgebers

Geleitwort des Herausgebers Die vorliegende Dissertation von Dr. Michael Welling wurde wahrend seiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universitat Bremen (am Lehrstuhl meines geschatzten Kollegen Jorg Freiling) fertig gestellt. Ich hatte in dieser Zeit die Gelegenheit, mit Herm Dr. Welling einige grundlegende Diskussionen iiber die theoretische Fundierung der Markenfuhrung im allgemeinen und die weitere Prazisierung der identitatsorientierten Markenfuhrung im speziellen zu ftihren. Der theoretische Tiefgang und die intellektuelle Scharfe seiner Argumentation haben mich dabei immer wieder neu beeindruckt. Von diesem regen wissenschaftlichen Diskurs haben auch meine Mitarbeiter am LiM® profitiert. Ich bin daher froh, dass sich Herr Dr. Welling nach reiflicher Uberlegung nun far eine Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Laufbahn entschieden hat. Ich sehe mit groBen Erwartungen der weiteren Zusammenarbeit mit ihm entgegen.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr, die Dissertation von Herm Dr. Welling herausgeben zu konnen. Sie ist der zweite Band der neuen Buchreihe zum „innovativen Markenmanagement^' des Deutschen Universitats-Verlags (DUV). Diese Reihe dokumentiert die Forschungsarbeiten am deutschlandweit ersten und einzigen Lehrstuhl fiir innovatives Markenmanagement (LiM®) an der Universitat Bremen. Gleichzeitig sollen dadurch weitere Forschungsbemiihungen zum innovativen Markenmanagement an anderen Universitaten und Institutionen motiviert und ein reger Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet angestoBen werden. Als Herausgeber dieser Buchreihe bin ich iiber jede Art von Feedback zu dieser neuen Buchreihe dankbar (Email: [email protected]). Gleichzeitig kann ich fiir die nachsten beiden Monate drei weitere Dissertationen zu den Themenbereichen „Innengerichtetes Markenmanagement", „Strategisches Mehrmarkencontrolling" und „Markenmanagement fiir populare Musik" in dieser Reihe ankiindigen.

AbschlieBend wunsche ich der Arbeit von Herm Dr. Michael Welling aufgmnd ihrer auBerordentlich hohen theoretisch-konzeptionellen Qualitat eine weite Verbreitung in der Wissenschaft und bei interessierten Praktikem.

Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann

Geleitwort

VII

Geleitwort Die Betriebswirtschaftslehre hat sich von ihren Anfangen an mit alien Fragen des Markenwesens, vor allem im Konsumguterbereich intensiv beschaftigt. Ungeachtet der Tatsache, dass eine groBe Zahl an Veroffentlichungen zu diesem Thema existiert, die in nicht geringem Mafie Redundanzen aufweist, muss doch festgestellt werden, dass sich in der letzten Zeit kaum neue Erkenntnisse ergeben haben. Umso deutlicher ist hervorzuheben, dass es dem Verfasser der vorliegenden, noch unter der weitsichtigen Betreuung von Peter Hammann an der Fakultat fiir Wirtschaftswissenschaft in Bochum angefertigten Dissertation gelungen ist, dem Thema ganz neue Seiten abzugewinnen und eine bahnbrechend neue Sicht des Themenkreises zu liefem. Die bisherigen Bearbeitungen des Markenphanomens in der Literatur sind zum allergroBten Teil verhaltenswissenschaftlich ausgerichtet. Es ging und geht den Verfassem bisher vor allem um den Einsatz von Marken im Konzept des absatzpolitischen Instrumentariums. Die notwendige grundlegende und ganzheitliche Sicht auf das Markenphanomen wird lediglich vereinzelt in denjenigen Beitragen versucht, die Markenfiihrungskonzeptionen behandeln, wobei der Anwendungscharakter im Vordergrund steht. Was versaumt wurde und nun von Michael Welling aufgegriffen und erarbeitet worden ist, sind die theoretischen Grundlagen des Markenwesens sowie seine Einbettung in die neuere (betriebs-) wirtschaftliche Theorie. Damit hat der Verfasser den Blick in die tieferen Schichten des Markenwesens gelenkt und sie in sehr grundlicher und umfassender Weise untersucht. Die wesentliche Starke der vorliegenden Schrift liegt vor allem darin, dass der Mangel der klassischen Mikrookonomik, keine Moglichkeit zu besitzen, die Marke und die Markenfuhrung als Teil ihrer Konzeption einzubeziehen, dahingehend ersetzt wird, das Markenwesen in den Rahmen der modemen (betriebs-) wirtschaftlichen Theorie einzubauen. Der Verfasser zeigt, dass dadurch eine vollig neue Sichtweise der Phanomene Marke, Markenpolitik und Markenfuhrung entstehen kann. Michael Welling geht dabei jedoch nicht an dem bisher Erarbeiteten ganzlich vorbei. Vielmehr stellt er den „State of the Art" ausfiihrlich dar, geht aber in der Darstellung weit dariiber hinaus und gelangt zu einer ganzlich neuen Perspektive, die eine fundamental Erweiterung der betriebswirtschaftlichen Betrachtung erbringt. Die Arbeit ist in vier groBe Teilgebiete gegliedert: •

Im Teil I entwickelt der Verfasser die Problemstellung und zeigt die Unzulanglichkeiten der klassischen Mikrookonomik auf, als eine theoretische Grundlage zu dienen.



Teil II stellt die Marke als Erfahrungsobjekt in den Mittelpunkt, wobei Herr Welling nicht nur die existierenden Begriffsdefizite darlegt, sondem mit einer zweckmaBigen Definition auch aufzufullen versteht.



Der Schwerpunktteil III ist anschliefiend der Analyse der Marke gewidmet, wobei der Verfasser zunachst ein Verstandnis von Okonomik als Erkenntnisobjekt darstellt, das sich

VIII

Geleitwort

an der Situationsanalyse von Popper anlehnt und das Rationalitatsprinzip als methodologische Basisentscheidung verwendet. •

Der abschliefiende Teil IV enthalt schlieBlich zum einen eine konzise und straffe fur den Leser sehr hilfreiche Zusammenfassung der zentralen Aussagen und zum anderen eine (Selbst-) kritische Stellungnahme, in der Herr Welling verdeutlicht, was als theoretischer Pluralismus im Sinne von Feyerabend, Albert oder Spinner zu verstehen ist. Dabei weist er nach, dass er diese wissenschaftstheoretischen Konzeptionen verinnerlicht hat und auf sein Thema anzuwenden weiB.

Es ist eine nach Inhalt und Umfang aus dem Rahmen fallende Dissertation, die die ublichen Anspruche an eine solche deutlich tibersteigt. Es ist dem Verfasser gelungen, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die wissenschaftlich sehr beachtlich sind. Dabei hat er einen iiberzeugenden Beweis seiner Fahigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten erbracht. Das Werk zeugt nicht nur von enormem FleiB und sorgfaltiger Analyse, sondem auch von Gedankenscharfe und Ideenreichtum. In dieser Kombination ist die Arbeit von Michael Welling ein auf umfassendem Quellenstudium aufbauender gewichtiger Theoriebeitrag, der geeignet sein sollte, die Markenforschung neu zu orientieren. Auf Grundlage dieser Dissertation kann das Markenwesen aus einer neuen Perspektive gesehen und der Blick fiir weitere interessante Untersuchungen geoffnet werden. Daher bin ich sicher, dass die Schrift von Michael Welling eine groBe Beachtung in der Scientific Community erfahren sollte.

Univ.-Prof (em.) Dr. Dr. h.c. Werner H. Engelhardt

Vorwort

D^

Vorwort Die vorliegende Schrift wurde im Friihjahr 2005 von der Fakultat fiir Wirtschaftswissenschafl der Ruhr-Universitat Bochum als Dissertation angenommen. Auf unterschiedlichste Art haben viele Personen zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Ihnen mochte ich an dieser Stelle danken. Im privaten Bereich gebuhrt zunachst meinen Eltem, dabei vor allem meiner Mutter Ingrid Welling ein besonderer Dank, obwohl in diesem Fall jeder Versuch, die Dankbarkeit zu verbalisieren nur ein klaglicher sein kann. Trotz manchmal widrigster Umstande hat ihre Hingabe es iiberhaupt erst ermoglicht, Abitur zu machen, zu studieren und schlieBlich eine Promotion anzustreben: Danke Mutter! Dem „Rest" der Familie danke ich nicht nur fiir „dunne Schulhefte" (Danke Xante Ulla!), vielleicht alles erst auslosender „Rutschensturze" (nicht wahr Barbel...) und friihe „Murmelspiele", die mein Verstandnis von „Tausch" beeinflusst haben (Danke Stefan!), sondem vor allem auch dafiir, dass sie einen „so komischen Kauz" wie mich immer auch als einen solchen akzeptiert haben. Auch (m)ein Traumbild musste in den letzten Jahren einiges akzeptieren, hat mich aber trotzdem(!) in alien Phasen unterstutzt. Danke Rena, ich freue mich auf die weitere gemeinsame Zeit. Weiterhin mochte ich es auf keinen Fall versaumen, die „Jungs" (Dirk Heming, Oliver Kauter sowie Dr. Amd Busche) fiir das viele „Geschwatz" zu wiirdigen, das mich durch das Studium (beg)leitete, das mir aber auch heute noch vergnugliche Stunden bereitet („Es ist Blodsinn, und Ihr wisst es!!!"). Fiir unbeschwerte Stunden wahrend der Lehrstuhlzeit in Bochum hat vor allem die „legendare" Re-Runde (a, b, c, nicht do, kdj und p) gesorgt. Auch wenn ein „SchniBro" zu der Zeit fiir mich nie eine Alternative war, haben z.B. doch Gesprache iiber „mw i.e.S." und „mw i.w.S." nachhaltig zur Gedankenscharfiing beigetragen! Daher hoffe ich auf noch haufiges „pbt" mit Dr. Bemd Janson, Dr. Christian Gayer, Dr. Lars Schmidt, Marcus Heitmann und (hier noch mal:) Dr. Amd Busche. Allen gilt Dank fiir das Nachvollziehen von FuBnoten . Letzterer hat dariiber hinaus auch die umfangreichsten Korrekturarbeiten geleistet. Diese miihevolle Arbeit wurde auch von weiteren Personen ubemommen, die mich so vor unlogischer Gedankenfiihrung und orthographischen Fehlem bewahrten. Zu nennen sind hier Ilka Reichel (Du schaffst das Ilka!), Anja Sohn, Julia Vesshoff und Annika Wilke. Durch diesen Dank ist es zugleich moglich, den Bogen vom privaten zum wissenschaftlichen Bereich zu spannen, stehen sie doch auch stellvertretend fiir die Hilfskrafte- und Kollegengenerationen. Als Fixpunkt ist aus diesem Kreis Frau Angelika Michel zu nennen, deren menschliche Warme die Atmosphare am Lehrstuhl von Prof. Dr. Peter Hammann mitbestimmte. Aus der Reihe der Hilfskrafte sind namentlich Lars Strohschnieder und Mark Thiemann (Bochum) sowie Michael Schade, Tim Pflug und Inga Rodewald (Bremen) zu nennen, die weite Telle der Formatierungsarbeiten ubemommen haben. Stellvertretend aus dem KollegenDie vorliegende Arbeit spart keinesfalls mit FuBnoten. Wahrend aber diejenigen im Text inhaltlich begriindet sind, ist diese einzig und allein einer nun gewonnenen Wette geschuldet.

X.

Vorwort

kreis sind aus der friihen Bochum-Phase Dr. Ralf Metzenthin, Dr. Dirk Eckert und Dr. Till Reichert hervorzuheben, aus der spateren Phase neben Annika Wilke noch die stets diskussionsfreudigen KoUegen Dr. Gemot Grafe, Alexander Krebs, Valerie Herter und Heiko Schimmelpfennig. Herm Prof. Dr. Mario Rese danke ich nicht nur daftir, mir durch die tibergangsweise Beschaftigung an seinem Lehrstuhl die Moglichkeit zu diesen Diskussionen verschafft zu haben, sondem auch fur den scheinbar notwendigen „Druck" im Hinblick auf die Zielstrebigkeit in der Endphase der Dissertation Diese habe ich dann am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jorg Freiling in Bremen verbringen dtirfen, der so nicht nur fiir die notwendige Alimentierung sorgte, sondem ebenfalls inhaltlich wertvolle Hinweise gab. Meinen Dank aussprechen mochte ich auch Herm Prof Dr. Christoph Burmann, der flir z.T. kontroverse aber stets fmchtbare Diskussionen iiber die Markenfuhmng zur Verfugung stand und der sich trotz der in dieser Schrift geauBerten inhaltlichen Kritik bereit erklarte, die Arbeit in der von ihm herausgegebenen Buchreihe zum innovativen Markenmanagement zu veroffentlichen. Herm Prof. Dr. Dr. h.c. Wemer H. Engelhardt danke ich fur die vorgelebte Begeistemng, durch die er mich bereits wahrend des Studiums fur das Fach Marketing interessieren konnte. Weiter danke ich ihm fiir das Geleitwort zu dieser Arbeit, aber auch flir sein starkes Engagement, das er als „Zweit-"Gutachter bei der Betreuung zeigte. Ihm habe ich wichtige stmkturelle sowie inhaltliche Ratschlage zu verdanken. Ein ganz besonderer Dank gebuhrt aber in mehrfacher Hinsicht Herm Prof Dr. Peter Hammann. Er war wahrend der Zeit der Anfertigung der Arbeit stets Ratgeber und geschatzter Diskussionspartner, der mein eigenes Wissenschaftsverstandnis bestimmte, indem er Kritikfreudigkeit und (Selbst-) Kritikfahigkeit vorgelebt hat. Flir ihn war Wissenschaft tatsachlich die stete Suche nach neuen Erkenntnissen verbunden mit der Entschleiemng von Schlagwortmoden. In der Gedankenfuhmng scharfsinnig, kritisierte er in Diskussionen daher schonungslos direkt, was ihm nicht immer nur Freunde brachte. Gleichzeitig war er aber auch ohne Ansehen von „Rang und Namen" Argumenten gegeniiber offen, die seine eigenen Gedanken hinterfragten. Dariiber hinaus habe ich aber nicht nur dem „Wissenschaftler" Peter Hammann viel zu verdanken. Vielmehr beeindmckte er im taglichen Miteinander als eine Personlichkeit, die trotz gesundheitlicher Probleme Pflichtbewusstsein mit Liebenswiirdigkeit und steter Hilfsbereitschaft zu vereinen wusste. Von seinem groBen Erfahmngsschatz aufgmnd der weit iiber das Okonomische hinausgehenden Interessen, konnte ich personlich sehr profitieren. Auch auBerhalb des wissenschaftlichen Bereichs ist mir Peter Hammann so zu einem Vorbild geworden. Ihm ist daher dieses Buch, dessen Dmcklegung er leider nicht mehr erleben konnte, gewidmet.

Michael Welling

Inhaltsiibersicht

XI

Inhaltsiibersicht Geleitwort des Herausgebers Geleitwort Vorwort Inhaltsiibersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis

Teill: 1

Problemstellung

Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Ericenntnisobjekt 1.1 Relevanz der Erfahrungsobjekte „Marke" in Wissenschaft und Praxis 1.2 Markenforschung als verhaltenswissenschaftliche Domane 1.3 Zielsetzungen und Struktur der Arbeit

Teil II: Die „Marke" als Erfahrungsobjekt

V VII IX XI XIII XIX XXI

1 3 3 7 14

19

2

Das Erfahrungsobjekt „Marke^^ im Spannungsfeld aus Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen 21 2.1 Ein Wort fur unterschiedliche Erfahrungsobjekte - Zur Notwendigkeit einer Begriffsexplikation fur den Term „Marke" 21 2.2 Zur besonderen Eignung von Markendefinitionen auf der Zeichenebene als Ergebnis einer Analyse der terminologischen Schwierigkeiten 28

3

Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen im Wettbewerb 53 3.1 Markenwertschaffung und Markenwertsteigerung als Markenfuhrungsziele 53 3.2 Funktionen der Marke als Zeichen im Wettbewerb 55 3.3 Markenfuhrungsentscheidungen zur Gestaltung intendierter Markenwirkungen.... 66 3.4 Systematisierung von Markenerscheinungsformen unter Berucksichtigung des identifizierten Spannungsfeldes 85

Teil III: Okonomische Theorie als Erkenntnisobjekt zur Analyse des Erfahrungsobjektes Marke

95

4

97

Zum Verstandnis okonomischer Theorie als Analyserahmen 4.1 Bestandsaufnahme: ,Verastelung' okonomischer Theorieansatze als Problem der Verortung einer okonomischen Markenforschung 4.2 Einordnung: Definition der Okonomik iiber das Erkenntnisobjekt - Das Rationalitatsprinzip als methodologische Basisentscheidung 4.3 Abgrenzung: Unterschiedliche Situationsbeschreibungen zur Differenzierung okonomischer Partialansatze

97 104 118

XII 5

6

Die Marke als Basisobjekt eines Property-Rights-Biindels - Grundlagen der konstitutiv-originaren Internalisierungsfunktion 5.1 Grundziige einer verfiigungsrechtlichen Analyse 5.2 Marken, Markenprodukte sowie Markenwirkungen und der Tausch von Verfiigungsrechten Die Marke als Signaling-Instrument - Grundlagen der konstitutiv-originaren Unterscheidungsfunktion 6.1 Situationen mit Informationsdefiziten der Akteure als Grundgedanke informationsokonomischer Analyseansatze 6.2 Darstellung und Fortentwicklung informationsokonomisch abgeleiteter Tauschsituationen 6.3 Die Wirkung von Marken in Situationen mit Informationsdefiziten

Tell IV: Riickblick und Ausblick 7

Inhaltsiibersicht

129 129 140

147 147 157 173

219

Implikationen der Ergebnisse fiir die Markenforschung 221 7.1 Zusammenfassung der zentralen Aussagen der Arbeit 221 7.2 Grenzen der Argumentation als (Selbst-)Kritik und weiterer Forschungsbedarf.. 228

Anhang Literaturverzeichnis

233 269

Inhaltsverzeichnis

XIII

Inhaltsverzeichnis Geleitwort des Herausgebers Geleitwort Vorwort Inhaltsiibersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkurzungsverzeichnis

V VII IX XI XIII XIX XXI

Teill: Problemstellung

1

1

Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt 1.1 Relevanz der Erfahrungsobjekte „Marke" in Wissenschaft und Praxis 1.2 Markenforschung als verhaltenswissenschaftliche Domane 1.3 Zielsetzungen und Struktur der Arbeit

Tell II: Die „Marke" als Erfahrungsobjekt 2

3

Das Erfahrungsobjekt „Marke" im Spannungsfeld aus Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen 2.1 Ein Wort ftir unterschiedliche Erfahrungsobjekte - Zur Notwendigkeit einer Begriffsexplikation fur den Term „Marke" 2.1.1 Vielfalt des Markenbegriffs in der betriebswirtschaftlichen Literatur als Ausgangspunkt 2.1.2 Begriffliche Eindeutigkeit als Voraussetzung wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts 2.2 Zur besonderen Eignung von Markendefmitionen auf der Zeichenebene als Ergebnis einer Analyse der terminologischen Schwierigkeiten 2.2.1 Marken als Zeichen mit besonderen Eigenschaften - Die Zeichenebene als zweckmaBige Abgrenzungsebene 2.2.2 Mehrdeutigkeitsprobleme der Markendefmitionen auf der Absatzobjektebene - Zur Notwendigkeit einer Trennung der Begriffe Marke, Markenprodukt und Markenartikel 2.2.3 Nicht-Berucksichtigung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhangen der Markendefmitionen auf der Wirkungsebene Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen im Wettbewerb 3.1 Markenwertschaffimg und Markenwertsteigerung als Markenfiihrungsziele 3.2 Funktionen der Marke als Zeichen im Wettbewerb 3.2.1 Nicht-Beriicksichtigung von Interdependenzbeziehungen der Markenfunktionen als systematische Schwache der Literatur

3 3 7 14

19 21 21 21 24 28 28

37 43 53 53 55 55

XIV

Inhaltsverzeichnis 3.2.2

Systematisierung konstitutiv-originarer und derivativer Markenfiinktionen unter Beriicksichtigung unterschiedlicher Markennutzer 58 3.2.2.1 Unterscheidungsfunktion und Intemalisierungsfunktion als konstitutivoriginare Markenfiinktionen 58 3.2.2.2 Derivative Markenfiinktionen aus Anbieter- und Nachfragerperspektive... 62 3.3 Markenfuhrungsentscheidungen zur Gestaltung intendierter Markenwirkungen.... 66 3.3.1 Entwicklungsprozess und State-of-the-Art der Theorie der Markenflihrung... 66 3.3.1.1 Von friihen Vorlaufem zu den Ideen umfassender Fiihrungskonzeptionen 66 3.3.1.2 Fragmentierung „identitatsorientierter" Markenfuhrungsansatze als momentan zu beobachtendes Phanomen 70 3.3.2 Interpretation „identitatsorientierter" Markenflihrung vor dem Hintergrund des aufgezeigten Spannungsfeldes als integrierter Markenflihrungsansatz 76 3.3.2.1 Differenzierung von Ursache- und Wirkungsebene der Markenflihrung 76 3.3.2.2 Harmonisierung positiver Selbst- und Fremdbilder als Imperativ der Markenflihrung zum Aufbau ,starker Marken' 77 3.3.3 Grundoptionen der Markenflihrung auf den identifizierten Ebenen 80 3.4 Systematisierung von Markenerscheinungsformen unter Beriicksichtigung des identifizierten Spannungsfeldes 85 3.4.1 Primar zeichenorientierte Differenzierungen von Markenerscheinungsformen 85 3.4.2 Primar absatzobjektorientierte Differenzierungen von Markenerscheinungsformen 88 3.4.3 Primar wirkungsorientierte Differenzierungen von Markenerscheinungsformen 92

Teil III: Okonomische Theorie als Erkenntnisobjekt zur Analyse des Erfahrungsobjektes Marke

95

4

97

Zum Verstandnis okonomischer Theorie als Analyserahmen 4.1 Bestandsaufnahme: ,Verastelung' okonomischer Theorieansatze als Problem der Verortung einer okonomischen Markenforschung 4.2 Einordnung: Definition der Okonomik iiber das Erkenntnisobjekt - Das Rationalitatsprinzip als methodologische Basisentscheidung 4.2.1 POPPERS Situationsanalyse und der Homo Oeconomicus 4.2.2 „Beschrankte" Rationalitat als besondere Situationsbedingung im Lichte des Erkenntnisobjektes 4.3 Abgrenzung: Unterschiedliche Situationsbeschreibungen zur Differenzierung okonomischer Partialansatze

97 104 104 113 118

Inhaltsverzeichnis 5

6

Die Marke als Basisobjekt eines Property-Rights-Biindels - Grundlagen der konstitutiv-originaren Internalisierungsfunktion 5.1 Grundzuge einer verfugungsrechtlichen Analyse 5.1.1 Verftigungsrechtliche Uberlegungen im Fokus okonomischer Forschungstatigkeit 5.1.2 Verfugungsrechte als Bestandteil von Tauschbeziehungen 5.1.3 Verdiinnte Verfugungsrechte und das Problem der Intemalisierung 5.2 Marken, Markenprodukte sowie Markenwirkungen und der Tausch von Verfiigungsrechten 5.2.1 Klassifikation von Verfiigungsrechten nach RICHTER/FURUBOTN als Basis fur die Ordnung des Spannungsfeldes 5.2.2 Absolute Verfugungsrechte an der Marke - Anreizwirkungen von Markenrechten als temporare Monopolrechte des Markeninhabers 5.2.3 Marken(ver)kauf und Fremdmarkennutzung - Ubertragung absoluter und relativer Verfugungsrechte 5.2.4 Verftigungsrechtliche Aspekte von Markenprodukttausch und Markenwirkungen Die Marke als Signaling-Instrument - Grundlagen der konstitutiv-originaren Unterscheidungsfunktion 6.1 Situationen mit Informationsdefiziten der Akteure als Grundgedanke informationsokonomischer Analyseansatze 6.1.1 Informationsdefizite als Grund fur Unsicherheit 6.1.2 Informationsokonomische (Teil-)Ansatze 6.1.2.1 Eine erste Systematisierung von Situationen zur Unterscheidung der informations6konomischen(Teil-)Ansatze 6.1.2.2 Suchkostenansatze als Modellierung von Situationen mit Moglichkeiten der direkten Informationssuche vordem Tausch 6.1.2.3 Qualitatsunsicherheitsansatze als Modellierung von Situationen ohne Moglichkeiten der direkten Informationssuche vor dem Tausch 6.2 Darstellung und Fortentwicklung informationsokonomisch abgeleiteter Tauschsituationen 6.2.1 Entwicklungspfad informationsokonomischer Giiter-, Eigenschafts- und Kauf-A/^erkaufstypologien 6.2.1.1

Von NELSON iiber DARBY/KARNI bis zu WEIBER/ADLER

Prazisionsverlust als Begrundung fur die Riickbesinnung auf ursprungliche Abgrenzungsansatze 6.2.2 Prazisierung der Situationsbeschreibungen als Basis differenzierender Analysemoglichkeiten 6.2.2.1 NELSONS Ursprungsidee: Logische Beurteilbarkeit als Teil der Situationsbeschreibung und faktische Beurteilung als Ergebnis des Rationalprinzips

XV

129 129 129 133 138 140 140 142 144 145

147 147 147 151 151 153 155 157 157 157

6.2.1.2

159 161

161

XVI

Inhaltsverzeichnis 6.2.2.2

Eine zweite Systematisierung von Situationen: NELSON-, AKERLOFund ARROW-Situationen 6.2.2.3 Exkurs: Verhaltnis von „Qualitats-" und „Verhaltensunsicherheit" 6.3 Die Wirkung von Marken in Situationen mit Informationsdefiziten 6.3.1 Signaling und Screening als Instrumente zur Beeinflussung des Informations- bzw. Unsicherheitsstandes 6.3.2 Einordnung von Marken als Signaling-Instrument 6.3.2.1 Entwicklungsphasen einer informationsokonomischen Analyse von „Marken" 6.3.2.2 Literaturiiberblick zum Entwicklungsstand der informationsokonomischen Adaptation im Schrifttum zur „Marke" 6.3.2.3 Abgrenzung der Marke als Index von contingent contracts und exogenously costly signals 6.3.2.4 Begriindung fur die getrennte Analyse der Wirkungen von Marken als Index und von Markenreputation 6.3.3 Die Wirkung von Marken als Index 6.3.3.1 Eine dritte Systematisierung von Tauschsituationen zur Analyse isolierter Markenwirkungen 6.3.3.2 (Tabula-Rasa-)Erstkaufe 6.3.3.2.1 NELSON-Situationen 6.3.3.2.2 AKERLOF- und ARROW-Situationen 6.3.3.3 Wiederholungskaufe 6.3.3.3.1 NELSON-Situationen 6.3.3.3.2 AKERLOF-Situationen 6.3.3.3.3 ARROW-Situationen 6.3.3.4 Nachahmungskaufe und Produktklassenwechselkaufe 6.3.4 Wirkung und Aufbau von Markenreputation 6.3.4.1 Der Reputationsmechanismus als Erwartungs-Kongruenz 6.3.4.1.1 Extrapolationsprinzip als eine Voraussetzung des Reputationsmechanismus 6.3.4.1.2 Marken als Voraussetzung des impliziten Vertrages „Reputationsmechanismus" 6.3.4.2 Der Reputationsmechanismus als okonomische Fundierung einer „identitatsorientierten" Markenfuhrung? - Der Versuch eines Analogieschlusses 6.3.4.3 Mafinahmen zu Aufbau und Nutzung von Reputation 6.3.4.3.1 Initiierung und Wirkung des Reputationsmechanismus' ohne Reputationsnutzung 6.3.4.3.2 Aufbau von Markenreputation durch Reputationsnutzung

163 171 173 173 176 176 178 182 184 186 186 188 188 191 191 191 193 196 197 199 199 199 203

206 209 209 213

Inhaltsverzeichnis

Teil IV: Ruckblick und Ausblick 7

XVII

219

Implikationen der Ergebnisse fiir die Markenforschung 221 7.1 Zusammenfassung der zentralen Aussagen der Arbeit 221 7.2 Grenzen der Argumentation als (Selbst-)Kritik und weiterer Forschungsbedarf.. 228

Anhang Al: Analyse der Verwendung von Markenbegriffen in Monographien (insb. Dissertationen) zum Thema Marke Anhang A2: Analyse der Verwendung von Markenbegriffen in ausgesuchten Sammelbanden Anhang B: Uberblick einer Analyse informationsokonomischer Adaptationen im Schrifttum zur „Marke"

263

Literaturverzeichnis

269

233 247

Abbildungsverzeichnis

XIX

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

14: 15: 16: 17: 18:

Abbildung 19:

Entwicklung wissenschaftlicher Veroffentlichungszahlen zum Thema Marke Definitionen der „Marke" im Zeichen-Objekt-Wirkungs-Spannungsfeld in der Literatur Markenbindestrichbegriffe des Zeichen-Objekt-WirkungsSpannungsfeldes in dieser Arbeit Exemplarische Darstellung aktueller Markenfunktionskataloge in der wissenschaftlichen Literatur Primare Wirkungsrichtung konstitutiv-originarer Markenfunktionen aus Anbietersicht Entwicklungsprozess der Markennutzung und -fiihrung Systematischer Vergleich existierender Markenidentitatsauffassungen Aussagen- und Akzeptanzkonzept der Markenftihrung im ZeichenAbsatzobjekt-Wirkungs-Spannungsfeld Systematisierung der Optionen der Bin-und Mehr-Markenfiihrung Abgrenzung von Markenerscheinungsformen im Zeichen-, Objekt- und Wirkungs-Spannungsfeld Abgrenzungsprobleme der Neuen Institutionenokonomik und ihrer Teiltheorien POPPERS Schema der Situationsanalyse Morphologischer-Kasten zur Abgrenzung okonomisch-theoretischer Situationsbeschreibungen Zwei Ebenen verfiigungsrechtlicher Analyse Tausch vs. Tauschprozess Ebenen des (okonomischen) Tausches Systematik informationsokonomischer Teilansatze Logische Beurteilbarkeit und faktische Beurteilung von Gutereigenschaften Reputationsmechanismus als impliziter Vertrag und die Marke als Reputationstrager

7 27 52 57 61 70 75 79 84 94 102 109 127 132 136 138 153 168 204

Abkiirzungsverzeichnis

Abkiirzungsverzeichnis A Abb. AG a.M. A.d.V. Aufl.

B

Abbildung Aktiengesellschaft am Main Anmerkung des Verfassers Auflage

Bd. BFuP BGB bspw. bzgl. bzw.

Band Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Biirgerliches Gesetzbuch Beispielsweise Beziiglich Beziehungsweise

c

ceteris paribus

c.p.

D DAN DBW d.h. DIN d.Verf.

E etal. etc.

F f./ff. Fn.

G GEM ggfggii. GMarkenV GRUR GRUR Int.

Deutscher Ausschuss fiir Normung Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) das heiBt Deutsches Institut fiir Normung des Verfassers/der Verfasser

et alia (und andere) et cetera (und so weiter)

folgende/fort folgende (Seiten) FuBnote

Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens Gegebenenfalls Gegentiber Gemeinschaftsmarkenverordnung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GewerbUcher Rechtsschutz und Urheberrecht - Intemationaler Teil (Zeitschrift)

XXI

Abkiirzungsverzeichnis

XXII

H HGB HO Hrsg.

I i.e.L. i.e.S./i.w.S. i.V.m. insb.

J K Kap.

M

Handelsgesetzbuch Hempel-Oppenheim (-Schema) Herausgeber

in erster Linie im engeren Sinne/im weiteren Sinne in Verbindung mit insbesondere

Jahrgang

Kapitel

MarkenG

Gesetz iiber den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz)

MbV mglw. MHA

Market-based View moglicherweise Madrider Abkommen iiber die Unterdriickung falscher Herkunftsangaben

MMA

Madrider Abkommen iiber die intemationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken mit weiteren Nachweisen

m.w.N.

N n Nr.

o oJg. 0.0. o.V.

Anzahl der Suchschritte Nummer/Number

ohne Jahrgang (Jahresangabe) ohne Ortsangabe ohne Verfasser(angabe)

P P PVU

Wahrscheinlichkeit (hier fur die Anzahl der Suchschritte) Pariser Verbandsiibereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums

Abkiirzungsverzeichnis

R RAL RbV RUB

S S. s.o. sog. Sp. s.u.

T TAFKAP TUV

U u.a. u.a. u.U. UWG

V v.a. vgl. Verf. Vol.

z z.B. ZFB ZfbF z.T.

Reichsausschufi fur Lieferbedingungen Resource-based View Ruhr-Universitat Bochum

Seite/Seiten siehe oben sogenannt/e/er Spalte siehe unten

The Artist formerly known as ,Prince' Technischer Uberwachungsverein

und andere/unter anderem und ahnliche/er/es unter Umstanden Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

vor allem vergleiche Verfasser Volume

zum Beispiel Zeitschrift fur Betriebswirtschaft Zeitschrift fiir betriebswirtschaftliche Forschunj zum Teil

XXIII

Teil I: Problemstellung „ Soweit man uberhaupt davon sprechen kann, dafi die Wissenschaft oder die Erkenntnis irgendwo beginnt, so gilt folgendes: Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie beginnt mit Problemen. "^ KARL R. POPPER

Popper (1974), S. 104.

Kapitel 1: Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

1

Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

1.1

Relevanz der Erfahrungsobjekte „Marke^' in Wissenschaft und Praxis

3^

„Marke"! - Allein die mit dem Wort selbst verbundenen Assoziationen scheinen die Phantasie von Anbietem und Nachfragem, von Wissenschaftlem und Feuilletonisten, von Untemehmensberatem und Globalisierungskritikem gleichermaBen zu beflugeln. Die formulierten Euphemismen sind dabei ebenso vielzahlig wie die Gruppen derjenigen, die sich zum Thema aufiem: „Die Macht der Marke""^ fand ihren Niederschlag etwa auf dem Weltwirtschaftsforum 2001, auf dem „Menschen und Marken statt Maschinen"^ als der Imperativ erfolgreicher Untemehmensfuhrung im 21. Jahrhundert auch als Reaktion darauf ausgerufen wurde, dass die „Marke" als „zentraler immaterieller Wertschopfer in Untemehmen"^ eingeschatzt wird. Fiir gewohnlich wird dies damit begriindet, dass aufgrund der unterstellten Homogenisierung der (Kem-)Leistungen eine Differenzierung im Wettbewerb nur noch uber „Marken" erfolgen konne, deren symbolischer Nutzen der Austauschbarkeit funktionaler Leistungseigenschaften und somit einem Forderungswettbewerb entgegenwirke. Erst durch den symbolischen Nutzen gelinge es, Nachfrager langfristig an Anbieter zu binden.'' „Marken" fungieren - so die sprachgewandten und damit aufmerksamkeitsheischenden Einschatzungen - dabei heute als „Totem"^, weshalb ihnen als „neuen Gottem des Marktes"^ ein religioser Charakter beizumessen sei.^^ Daher eignete sich „der Mythos Marke"" auch besonders gut als Aufhanger fiir Globalisierungskritiker: „No Logo!"'^ lautet etwa das von Obwohl - Oder gerade weil - das Thema Markenfiihrung bereits iiber eine lange Tradition in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung verfiigt, existiert eine Vielzahi von auch widerspriichlichen Begriffsdeutungen, die mit dem Wort „Marke" belegt sind. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wird das Wort „Marke" apostrophiert, bis eine fiir diese Arbeit geltende explizite Zuordnung zu einem Begriff gegeben wird, d.h. bis ein Begriff erarbeitet wurde, der hier Verwendung findet. Fiir die Unterscheidung von „Wort" und „Begriff' vgl. statt vieler Seiffert (1996), S. 36ff., oder Chmielewicz (1994), S. 48. Wenn nach der expliziten Definition eine Apostrophierung „Marke" erscheint, zeigt dies die Verwendung des Wortes durch andere Autoren in einer anderen Bedeutung an. Durch dieses Vorgehen soil dem Leser die Orientierung im Begriffswirrwarr erleichtert werden. So bspw. ein Titel des ,Horizont Magazin' im Jahr 2002. Siehe hierzu und zu vielen weiteren Beispielen die Einleitung von Esch (2004), S. 4ff. Esch (2004), S. 5. Die Kennzeichnung findet sich aber durchweg in alien Lehrbiichem und Sammelbanden zur Markenfiihrung. Vgl. hierzu etwa den Beitrag von Meffert/Giloth (2002), S. 99ff., in dem iiber die Veranderung der Aufgabenumwelt von Untemehmungen berichtet wird. Bolz (2000), S. 32. Bolz/Bosshard(1995). Kunde (2000). Dass die von Bolz/Bosshard oder Kunde formulierten Auffassungen, wonach der sinnstiflende Charakter darauf beruhe, dass „Marken" Halt im gesellschaftlichen Wandel geben, allerdings keine ,neue' Erkenntnis sind, zeigen die durch Elisabeth Noelle-Neumann bereits im Jahr 1965 geauBerten Thesen. In einem Vortrag fuhrte sie damals aus, dass der Markenartikel des Deutschen „liebstes Kind" sei, denn „wahrend die ganze vertraute Welt zusammenbrach - zwei oder drei Mai die politische Wertordnung, die Autoritat, die gesellschaftlichen Range, der nationale Verband, die Stadte, die Wahrung - uberdauerten die groBen vertrauten Markenartikel-Namen. Wie Klammem hielten sie das Friiher und das Heute zusammen. So vermitteln die nach 1945 wiederkehrenden Marken der Bevolkerung inmitten der seltsamen Erfahrungen eines zerschnittenen Lebens vertraute Anhaltspunkte, Bestandigkeit, Identitat, ein Gefiihl des Weiterdauems." Noelle-Neumann (1965), S. 519. Sommer (1998), S. 1 lOff., Kehrer (2001), S. 197f. Klein (2001).

Teil I: Problemstellung NAOMI KLEIN als Titel ihres Buches gewahlte Motto, das sie - bzw. der das Buch publizierende Verlag - paradoxerweise nach den Regeln modemer Markenfuhrung erfolgreich zu vermarkten verstand. Das Buch, in dem zum Boykott des „Markenimperialismus"'^ aufgerufen wird, behandelt dabei die negativen Folgen von „Marken", etwa die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstatten abseits der wichtigsten Absatzmarkte. Auf diesen Absatzmarkten konnen die unerwiinschten Folgen aber auch dadurch dokumentiert werden, dass Jugendliche (nicht nur) in der Schule einem enormen „Markenstress"''* ausgesetzt sind Oder dass Heranwachsende Ktihe nicht mehr gescheckt und schwarz- bzw. braun-weiB malen, sondem durch die Konfrontation mit der Schokoladenmarke MILKA ihre Zeichnungen in der Farbe Lilahalten.^^ Bei einer solchen Aufzahlung euphemistischer Kennzeichnungen des „Phanomens Marke"'^ wird es kaum verwundem, dass die „Marke" als Erfahrungsobjekt, d.h. als das zu analysierende Problem eines gewahlten Realitatsausschnitts,^^ inzwischen von unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen entdeckt wurde. So setzten sich etwa Kulturwissenschaftler, Psychologen, Psychoanalytiker, Soziologen oder auch Linguisten mit unterschiedlichen Facetten des Themas „Marke" auseinander,'^ das hauptsachlich aber zum Gegenstandsbereich der Wirtschafts- und damit eng verbunden Rechtswissenschaft zu zahlen ist. Gerade deshalb besitzt die Beschaftigung mit Fragestellungen zur „Marke" bspw. in der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung eine lange Tradition: So weist etwa LEITHEMarke (...) schon im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit Gegenstand eines recht umfangreichen Schrifttums"^^, war. Dabei bezog sich die Literatur schwerpunktmaBig zwar auf das Zeichenrecht, behandelte aber bereits wirtschaftliche Aspekte, wobei LEITHERER hier mit dem auf das Jahr 1357 datierten „tractatus de insigniis et armis"^' vor allem eine Schrift von BARTOLUS A SAXOFERRATO anfuhrt.

So die Buchankiindigung des RIEMANN Verlages. Vgl. dazu Schreier (2001), S. 58, die in ihrem mit „Schuld an alien Ubeln dieser Welt" uberschriebenen Artikel auch auf das „Schwarzbuch Markenfirmen" verweist. Hammann/Palupski/Bofmger (1997), S. 177ff. Vgl. hierzu Esch (2004), S. 8. Kehrer(2001), S. 197. Vgl. zum Begriff Erfahrungsobjekt statt vieler die Okonomen Chmielewicz (1994), S. 19, oder Schneider, D.(1987), S. 162. Vgl. bspw. in neuerer Zeit die Beitrage von Halstenberg (1996), Sommer (1998), Kehrer (2001), StoII (2001), Hellmann (2003) oder Deichsel (2004). Bei der hier verwendeten Ausgabe von Leitherer (1954/1988) handelt es sich um einen Wiederabdruck seiner Dissertation aus dem Jahre 1954, die sich mit einer historischen Betrachtung des Markenwesens in Deutschland befasst. (Um die Erstveroffentlichung anzuzeigen und dem Leser damit die Orientierung zu erleichtem wird bei Wiederabdrucken - wie hier bei Leitherer (1954/1988) - das Jahr des ersten Erscheinens mit angegeben). Fiir eine Zusammenfassung siehe auch Leitherer (1994), S. 135ff., und zu einer ahnlich angelegten Arbeit, die auch englische Besonderheiten beriicksichtigt, vgl. Leitherer/Wichmann (1987). Eine rein anglo-amerikanisch ausgerichtete Arbeit stellt der Beitrag von Low/Fullerton (1994), S. 173ff., dar, die den Beginn umfassender Markenfiihrungsbemuhungen sogar schon im Jahr 1870 sehen. Leitherer (1954/1988), S. 12. Vgl. Bartolus a Saxoferrato (1357/1883).

Kapitel 1: Begriindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

5^

Mit der Institutionalisierung einer Privat- bzw. Betriebswirtschaftslehre an deutschen Hochschulen begann dann nach dem ersten Weltkrieg des letzten Jahrhunderts die (betriebswirtschaftliche) Theoriegeschichte,^^ wobei LEITHERER in der „Flut der Schriften der 30-er Jahre" bereits einen Indikator dafur erkannte, dass die (von der „Marke" bzw.) vom Markenartikel „ausgehenden Wirkungen nicht mehr als neu, ungewohnt, einschneidend oder ungerecht"^^, empfUnden wurden. Seitdem finden sich regelmaBig Veroffentlichungen, in denen die zunehmende Relevanz des Themas „Marke" - mit unterschiedlichen Schwerpunkten und haufig mit einem Hinweis auf eine feststellbare „Markenflut", „Markenschwemme" o.a. - betont wird?"^ Auch gegenwartig scheint kaum ein der Markenfiihrung gewidmeter Beitrag in der Einleitung ohne einen Verweis auf die „zunehmende Bedeutung"^^ auszukommen, die diesem „Megathema"^^ „seit einige(n) Jahren"^^ beigemessen wird. Als Indikator kann allein schon die Anzahl an Veroffentlichungen herangezogen werden, die den Wortbestandteil „Marke" im Titel tragen: •

Mit dem inzwischen in der dritten Auflage vorliegenden, iiber tausendseitigen Herausgeberband „Modeme Markenfuhrung" von EsCH aus dem Jahr 2001 und dem von KOHLER, MAJER und WiEZCOREK editierten Sammelband „Erfolgsfaktor Marke", der im Auftrag der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens (GEM) im Jahr 2001 erschien - allein diese Werke enthalten insgesamt 76 (49 bzw. 27) Beitrage -^^, wurden kiirzlich nach iiber einer Dekade wieder Herausgeberbande zum Thema Markenfuhrung vorgelegt.^^

Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 74ff., der mit der monistischen, der dualistischen und der (ersten) Phase der Markenformenbetrachtung bereits drei unterschiedliche Phasen ausmachte, die auch im Kapitel 2 thematisiert werden. Explizit wird auf den Entwicklungsprozess in Kapitel 3.3.1.1 eingegangen. Leitherer(1954/1988), S. 75. Siehe beispielhaft die Vorworte fur jeweils ,ihre' Dekade Mellerowicz (1955/1963), Hansen (1970), Meffert/Bruhn (1984), Bruhn (1994), sowie in jungerer Zeit Esch (Hrsg./2001). Siehe Esch (2004), S. 4. Vgl. fiir die Praxissicht daneben auch die von DROEGE & COMPANY erhobene Einschatzung von Top-Managem, welche die „Marke" als bedeutendsten Werttreiber sehen, vgl. hierzu Kricsfalussy/Semlisch (2000), S. 28. Esch (Hrsg./2001), S. VI. Baumgarth (2001), S. VII, machte in seiner ersten Auflage „einige Jahre" aus, seitdem die Marke „wieder im Mittelpunkt des Interesses der Marketingwissenschaft und -praxis" stehe. Daneben stellt Sattler (2001a), S. 8, eine erhohte Fokussierung auf das Thema fiir die „vergangenen zehn Jahre" fest und beginnt Bruhn (2003), S. 179, seine Sammelrezension mit den Worten: „Markenpolitische Fragestellungen stehen seit einigen Jahren wieder im Mittelpunkt des Interesses von Marketingwissenschaft und -praxis." Siehe dazu Esch (Hrsg./2001) bzw. Kohler/Majer/Wiezorek (Hrsg./2001). Das Buch von Meffert/Burmann/Koers (Hrsg./2002) ist hingegen nicht als „klassischer Sammelband" zu kennzeichnen, da die darin enthaltenen Beitrage iiberwiegend von (aktuellen oder ehemaligen) Mitarbeitem Mefferts verfasst sind. Auch daher hat dieser Herausgeberband in der ersten Auflage entgegen der Einschatzung von Bruhn (2003), S. 198, eher einen Lehrbuch- bzw. Monographie-Charakter und wird folglich in dieser Kategorie behandelt. Anfang der 1990er Jahre prasentierten Dichtl und Eggers (Hrsg./1992) sowie (dreiteilig) Bruhn (Hrsg./1994) erstmals umfassende Aufsatzsammlungen. Von Bruhn (Hrsg./2004) wurde im September unter dem geanderten Titel „Handbuch Markenfuhrung" nun auch die zweite Auflage seines dreibandigen Sammelbandes vorgelegt. Dieses Werk konnte fur die Zwecke der vorliegenden Arbeit allerdings nicht mehr rezipiert werden. Beriicksichtigung fanden iiberwiegend Arbeiten, die bis zum Beginn des Jahres 2004 erschienen sind.

Teil I: Problemstellung Neben den angesprochenen Herausgeberbanden zeugen davon auch die ersten deutschsprachigen Lehrbiicher^^ zur Markenpolitik von SATTLER und BAUMGARTH (beide aus dem Jahr 2001), die 2002 veroffentlichte (lehrbuchartige) Aufsatzsammlung von MEFFERT, BURMANN und KOERS sowie das mit „Strategie und Technik der Markenfiih-

rung" betitelte Werk von ESCH aus dem Jahr 2003.^^ Die Resonanz lasst sich auch an den Verkaufszahlen ablesen: Von BAUMGARTH und EscH liegen inzwischen bereits die zweiten Auflagen vor, von MEFFERT/BURMANN/KOERS ist die zweite Auflage angekundigt.^^ In die Lehrbiicher sind dabei die Erkenntnisse einer FuUe von Dissertationen und Habilitationsschriften^^ eingeflossen, die unterschiedliche Aspekte der Markenfuhrung behandelten. SchlieBlich dokumentiert auch ein Blick in die Jahresregister der wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften die zunehmende Beschaftigung mit dem Themenkomplex,^"* oder zeigt eine Auswertung der EconLit-Datenbank die quantitative Zunahme der Veroffentlichungen: Wahrend in der Dekade von 1970 bis 1980 insgesamt 85 Beitrage mit dem Titel-Bestandteil „Brand" aufgefuhrt sind und fiir die folgende Dekade nur eine etwas erhohte Publikationstatigkeit (110 Beitrage) zu verzeichnen ist, wuchs die Zahl in den letzten 10 Jahren vor der Jahrhundertwende bereits auf 247 Veroffentlichungen. Den Anstieg dokumentiert die Abbildung 1 .^^

Die Feststellung lasst sich ohne weiteres auf den englischsprachigen Raum iibertragen, siehe hierzu bspw. die Trilogie von David A. Aacker, vgl. Aaker, D. (1990) bzw. (1992), Aaker, D. (1996) sowie Aaker/Joachimsthaler (2000), das ausfiihrliche Lehrbuch von Keller (1998), sowie etwa die Beitrage von Upshaw (1995), de Chernatony/McDonald (2003) oder auch Riezebos (2003). Siehe dazu Sattler (2001a), Baumgarth (2001), Meffert/Burmann/Koers (Hrsg./2002), bzw. Esch (2003). Vgl. Baumgarth (2004); Esch (2004). Der inzwischen auch in der dritten Auflage vorliegende Beitrag von Haedrich/Tomczak (1990) bzw. Haedrich/Tomczak/Kaetzke (2003) soil hier trotz des Titels „Strategische Markenfuhrung" nicht als Lehrbuch der Markenfuhrung bezeichnet werden, da die Autoren eher ein allgemeines Marketing-Lehrbuch verfasst haben, in dem markenrelevante Fragestellungen nicht explizit behandelt werden bzw. - was auch im Untertitel zum Ausdruck kommt - weil die Autoren auf „Marketingstrategien eingefiihrter Produkte" rekurrieren. Vgl. dazu auch die Kommentierung zu diesem Werk im Anhang A der hier vorliegenden Arbeit, in dem eine literaturkritische Analyse der Verwendung des Markenbegriffes vorgenommen wird. Das Vorgehen bei der Kategorienbildung und der Kommentierung wird durch das Kapitel 2.2 prazisiert. Siehe hierzu die im Laufe der Arbeit verwendeten Schriften und ebenfalls den Anhang A. Sehr plastisch spricht Baumgarth (2004), S. VII, davon, dass man mit Beitragen „bombardiert" werde. Als Suchbegriff wurde „brand*" im Suchfeld „in title, any of the words" verwendet. Eine qualitative Auswertung der Artikel fand nicht statt, aus pragmatischen Griinden wurde zudem darauf verzichtet, die Suche etwa auf „Key Words" auszudehnen.

Kapitel 1: Begrundung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt 50 1970-1980: X 85 BeltrSge

1990-2000: X 247 BeitrSge

1980 - 1990: ZllOBeitrMge

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1990

1995

2000

Jahr Abbildung 1: Entwicklung wissenschaftlicher Veroffentlichungszahlen zum Thema Marke

1.2

Markenforschung als verhaltenswissenschaftliche Domane

Nicht nur vor dem Hintergrund dieser Beitragsfulle ist die Notwendigkeit gegeben, die Wahl der „Marke" als Erfahrungsobjekt in einem Dissertationsvorhaben zu begriinden, wobei die Beitragsfulle zwar die Bedeutung dokumentiert, es auf den ersten Blick gleichzeitig aber zweifelhaft erscheinen lasst, einen angestrebten „Neuheitsgrad der Erkenntnis" zu erreichen. Doch eine Inhaltsanalyse der wissenschaftlichen Beitrage offenbart zunachst, dass man sich dem Phanomen der „Marke" bislang vorwiegend aus einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive genahert hat.^^ So sucht man in den oben angesprochenen Herausgeberbanden zur Markenfiihrung derzeit mit einer Ausnahme^^ vergeblich nach Beitragen, die nicht einem verhaltenswissenschaftlichen Programm verhaftet sind.^^ Zwar liegen mit den vor allem informaVereinfachend konnen hierunter die von Kroeber-RielAVeinberg (2003), S. 8, aufgezahlten Disziplinen „Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, vergleichende Verhaltensforschung (Verhaltensbiologie), (und, A.d V.) physiologische Verhaltenswissenschaften" gezahlt werden. Vgl. Schmidt/ElBer (1992), S. 47ff. Neuerdings aber auch Woratschek/Roth (2004) in der zweiten Auflage von Bruhn (Hrsg./2004). Wie erwahnt, konnte dieser Beitrag fiir die Zwecke der Arbeit nicht mehr ausgewertet werden. Die Aussage bezieht sich dabei auf die drei Teilbande des Sammelbandes von Bruhn (Hrsg./1994) sowie auf Kohler/MajerAViezorek (Hrsg./2001), Esch (Hrsg./2001), Meffert/Burmann/Koers (Hrsg./2002) und mit der in der vorherigen Fn. angegebenen Ausnahme - Dichtl/Eggers (Hrsg./1992).

Teil I: Problemstellung tionsokonomisches Gedankengut^^ verwendenden Arbeiten von MOLLER, IRMSCHER, SCHLA-

BERG, SCHOLLING oder kurzlich ECKERT, den daneben auch transaktionskostentheoretisch argumentierenden Ansatzen von TUNDER und BIERWIRTH sowie dem Versuch einer umfassenden institutionenokonomischen Analyse von DORTELMANN inzwischen Ausnahmen vor/^ deren Ergebnisse vereinzelt in die (lehrbuchartige) Markenfiihrungsliteratur eingeflossen sind."^' Insgesamt dokumentiert die Betrachtung der momentan existierenden Lehrbiicher zur Markenfiihrung aber, dass darin vor allem auf solche Teilaspekte rekurriert wird, die auch in den Standardwerken zum Konsumentenverhalten behandelt werden."^^ Aus diesem Grund wiirde eine Zustandsbeschreibung der Markenforschung durch DIETER SCHNEIDER momentan wohl nicht unbedingt weniger deutlich ausfallen wie die 1983 von ihm an der Marketingwissenschaft insgesamt geauBerte Kritik - wohl auch deshalb spricht er in Vortragen haufig recht abschatzig vom „Marke-"ting. In seiner vielbeachteten Kritik unter der Uberschrift „Marketing als Wirtschaftswissenschaft oder Geburt einer Marketingwissenschaft aus dem Geiste des Untemehmerversagens?"'*^ prangerte er damals die mangelnde Einbettung des Marketing in die (Wirtschafts-) Theorie an und kam zu dem Ergebnis, die Marketingwissenschaft gleiche „einer betriebswirtschaftlichen Tragodie"'^'^ - eine Bestandsaufiiahme, der sich 1991 auch noch HAX anschloss: „Im Marketing hat sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Abkehr vom mikrookonomischen Denken voUzogen; dominierend waren hier die Hinwendung zu verhaltenswissenschaftlichen Hypothesen und in Verbindung damit die Verwendung hochentwickelter statistischer Verfahrenstechniken.""^^ Die zum Teil - wohl bewusst - sehr polemische Kritik loste heftige Reaktionen aus und ftihrte in der Folge zu einer intensiven Auseinandersetzung unter (einigen) deutschsprachigen Betriebswirtschaftswissenschaftlem. Die Diskussion drehte sich zunachst fast reflexartig um das Verhaltnis von Verhaltenswissenschaft und Okonomik im Marketing bzw. in der Betriebswirtschaftslehre insgesamt und darum, ob die Kritik (in der vorgetragenen Form) Eine Prazisierung dessen, was als „6konomische Theorie" und folglich deren Teiltheorien verstanden wird, folgt in Kapitel 4. Vgl. Miiller (1996), insb. S. 93-174, Irmscher (1997), insb. S. 131-201, Schlaberg (1997), insb. S. 68-78 bzw. S. 89-182, SchoUing (2000), Eckert (2004), Tunder (2000), insb. S. 143-192, Bierwirth (2003), insb. S. 65-88, Dortelmann (1997). Eine Wiirdigung der angefiihrten Beitrage erfolgt im Kapitel 6.3.2.2. So etwa, wenn Meffert/Burmann/Koers (2002) S. 9, unter Ruckgriff auf Ausftihrungen von Kaas (1990a), S. 543, auf die Orientierungsfunktion der Marke zu sprechen kommen, oder wenn Baumgarth (2004), S. 25, den „informations6konomischen Ansatz" der Markenpolitik thematisiert. Fiir die groBe Deckungsgleichheit vgl. exemplarisch das mit „Markenwirkungen" uberschriebene Kapitel bei Baumgarth (2004), S. 3Iff., oder das Kapitel D. „Fundament der Markenfiihrung: Marken in den Kopfen der Konsumenten positionieren" bei Esch (2004), S. 83ff. Schneider, D. (1983a). Vgl. Schneider, D. (1983a), S. 198. Hax (1991), S. 52. Auch er machte seine Kritik - wie Schneider, D. - am Inhalt der Lehrbuchtexte fest: „Die allmahliche Losung der Marketing-Lehre von der mikrookonomischen Theorie wird deutlich, wenn man den Wandel im Inhalt der gebrauchlichen Lehrbucher in den letzten 30 Jahren betrachtet: mikrookonomische Modelle werden mehr und mehr durch verhaltenswissenschaftliche Ansatze und durch statistisch methodische Materie verdrangt." Hax (1991), S. 64.

Kapitel 1: Begrundung der Auswahi von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

9^

berechtigt war, wurde anschlieBend aber inhaltlich aufgegriffen:^^ Vor allem die zu Beginn der 1990er Jahre zur Diskussion gestellten Arbeiten von KAAS und seinen Mitarbeitem"^^ sowie die theoretischen Fundierungsansatze der in der Tradition ENGELHARDTS an Fragen zum Investitionsguter- und Dienstleistungsmarketing forschenden Wissenschaftler"*^ haben sich dabei im deutschsprachigen Schrifttum um die SchlieBung der von SCHNEIDER thematisierten Lticke bemuht.'*^ Obwohl sich diese Ansatze der wirtschaftstheoretischen (Riick-) Verankerung des Marketing in den letzten zwei Jahrzehnten einer grofieren Beliebtheit erfreuen und augenscheinlich durch die Kritik beeinflusst wurden, scheint es in der Retrospektive aber kaum moglich, die genauen Grunde fiir die okonomisch-theoretische Offnung eindeutig zu identifizieren. Diese allein an SCHNEIDERS Kritik festzumachen diirfte ebenso verfehlt sein wie das uneingeschrankte Einstimmen in dessen Klagerufe. So fand im angloamerikanischen Raum etwa zeitgleich eine Annaherung statt.^^ Vor allem gab es auch vor bzw. nahezu parallel zu seiner Bestandsaufnahme deutschsprachige Beitrage, die sich auf okonomisch-theoretische Argumentationen stiitzten. Neben den in der „GUTENBERGTradition" stehenden und von SCHNEIDER explizit kritisierten Forschungsarbeiten^' verwenden bspw. H. SIMON oder GUMBEL informationsokonomisches bzw. transaktionskostentheoretisches Gedankengut fiir ihre Analysen.^^ Wie MARRA zeigt, wurden daneben aber auch Marketing-Uberlegungen in anderen okonomischen Schriften bereits vorweggenommen,^^ weshalb sich die Kritik von SCHNEIDER vor allem dagegen richten muss, ,,wie die Marketing-Wissenschaft betrieben wird"^"^, und heute miisste erganzt werden, wie sie lange Zeit betrieben wurde: namlich (okonomisch) ahistorisch. Siehe hierzu etwa MUlIer-Hagedorn (1983), S. 205ff., vgl. auch Dichtl (1983), S. 1066ff., aber ebenfalls die direkte Replik von Schneider, D. (1983b), S. 1075ff. Siehe etwas spater auch den Beitrag von Backhaus (1992) und die Riickschau von Schneider, D. (1997b). Vgl. zusammenfassend auch Schneider, D. (2001), S. 263-270. Vgl. hierzu etwa Kaas (1990a), (1991), (1992), (1995a) und (1995b), Fischer (1993a), (1993b), Fischer et al. (1993), Huser/Mtthlenliamp (1992), Schade/Schott (1993a) und (1993b). Siehe etwa Backhaus (1992), Backhaus/Aufderheide/SpMth (1994), Aufderheide/Backhaus (1995), Kleinaltenkamp (1992), Jacob (1995), Kleinaltenkamp/Marra (1995), Weiber/Adler (1995a) und (1995b). Vgl. fiir weitere Belege zudem die Ausftihrungen von Bay6n (1997), S. Iff., insb. Fn. 11. Siehe hierzu etwa die Editorial Note von Gould et al. (1980), S. Iff., in der sie uber eine Konferenz an der University of Rochester aus dem Jahre 1978 berichten, den zu dieser Konferenz verfassten Uberblick von Horsky/Sen (1980), S. 5ff, die weiteren Belege bei Franke (2002), S. 84ff, insb. Fn. 92., sowie die im Folgenden verwendeten Quellen aus den Jahren vor 1983. Vgl. hierzu die okonomisch-theoretische Fundierung der Absatzwirtschaft, die von Gutenberg (1955/1984) und seinen Schiilem betrieben wird, dabei aber an die neoklassische Mikrookonomik und deren sehr restriktive Annahmen anknupft. Siehe zur Einordnung dieser Forschungsrichtung und einer Kritik an ihr Schneider, D. (1983a), S. 218ff., und zusammenfassend Schneider, D. (2001), insb. S. 25Iff. Vgl. im Gegensatz dazu aber auch Schanz (1997), S. 11 Iff, der wiirdigend von einem „theoretisch hochgradig geschlossenen Ansatz von betrachtlicher intellektueller Anziehungskraft" (Schanz (1997), S. 112, im Original fett) spricht, gerade aber auch den „Preis der Abgeschlossenheit" nennt und als „zu hoch" bezeichnet. Vgl. Simon, H. (1981), S. 591ff, oder GUmbel (1985), S. 77ff Marra (1999), S. 87ff, kommentiert Schneiders Kritik: „(...) so lautet das Resumee, dafi sich das ,Marketing-Dreieck' und die Strategiealtemativen der Qualitats- bzw. Preisfuhrerschaft bereits bei Hayek, Mises und Kirzner als Elemente der Marktprozesstheorie genauso wiederfmden wie z.B. der ,Komparative Konkurrenzvorteir an gleicher Stelle." Marra (1999), S. 87. Marra (1999), S. 86.

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Teil I: Problemstellung

Unbestritten scheint namlich zu sein, dass nach SCHNEIDERS Kritik wieder verstarkt okonomisches Gedankengut in die (deutschsprachigen) Lehrbuchtexte zum Marketing integriert wurde. Dies verdeutlicht etwa exemplarisch ein Vergleich der ersten Auflage des Lehrbuches von BACKHAUS aus dem Jahr 1982 mit der heute vorliegenden 7. Auflage, das auf einer okonomisch-theoretischen Ableitung von Geschaftstypen basiert.^^ Zudem verwenden neuerdings HOMBURG/KROHMER in ihrem umfassenden Werk okonomisch-theoretisches Gedankengut fur die Ableitung von Untemehmens- sowie Wettbewerberverhalten^^ und findet sich auch in der aktuellen Auflage des von SCHNEIDER explizit angesprochenen Werkes von MEFFERT zumindest ein Hinweis auf einen „informationsokonomischen Ansatz", der als „neues Paradigma" des Marketing vorgestellt wird.^^ Die Lehrbiicher sind somit ein (wenngleich umstrittener^^) weiterer Indikator daftir, dass gegenwartig, also knapp zwanzig Jahre nach der Bestandsaufnahme, ein groBer Teil der Marketingwissenschaftler nach eigener Auskunft von einem okonomischen Selbstverstandnis geleitet wird. Noch immer dominieren rein quantitativ zwar verhaltenswissenschaftliche Ansatze, doch ihnen konnen heute okonomische Theorien gegeniibergestellt werden, die „im Marketing eine hohe Bedeutung haben."^^ Die skizzierte Bedeutungsverschiebung verdeckt jedoch den eingangs zu diesem Kapitel dokumentierten Befund, dass die okonomisch-theoretische Fundierung im Sinne eines Wechsels des Erkenntnisobjektes^^ der Marketingforschung bezogen auf die betrachteten Erfahrungsobjekte - aus verschiedenen Griinden - hochst unterschiedlich vorgenommen wurde: Die Markenforschung ist momentan als verhaltenswissenschaftliche Dom^ne zu kennzeichnen. Folgt man dabei der von ELSCHEN in die Diskussion urn die Rolle der Verhaltenswissenschaft in der Betriebswirtschaftslehre eingebrachten Unterscheidung verschiedener „Stufen der Zusammenarbeit", lasst sich die Situation der Markenforschung den Stufen „drei" und - betrachtet man die momentane Forschungspraxis - sogar sehr ausgepragt „vier" zuordnen.^' Denn die dritte Stufe zeichnet sich nach ELSCHEN durch die „Ubemahme von verhaltenswissenschaftlichen Forschungsergebnissen in das Wissenschaftsprogramm der BeVgl. Backhaus (1982/2003). Vgl. Homburg/Krohmer (2003). Vgl. Meffert (2000), S. 24. Der von Schneider ebenfalls kritisierte „Allgemeinheitsanspruch" des Marketing wurde bzw. konnte bislang noch nicht ausgeraumt werden. Auch wenn man das Schrifttum zur Markenftihrung betrachtet, ist dem Vorwurf - zumindest gegenwartig - wenig entgegenzusetzen. Dabei diirfte wohl vor ailem das Spannungsfeld zwischen Ausbildungszielen (und somit auch Praxisnahe) einerseits und wissenschaftlicher Korrektheit andererseits ausschlaggebend sein. Hier sind Zweifel angebracht, ob die Uberbriickung des Spannungsfeldes derzeit iiberhaupt moglich ist. Siehe hierzu etwa Dichtl (1983), S. 1066, der in seiner Stellungnahme nicht nur den „rein deutschen Blickwinkel" kritisiert, sondem explizit betont, man konne den Stand einer Wissenschaft nicht an eintuhrenden Lehrtexten festmachen. Schneider erwiderte mit der Einlassung: „Jede wissenschaftliche Gemeinschaft ist in ihrer Gesamtheit fur die Qualitat der einftihrenden Lehrbiicher und damit fur das Bild des Faches bei AuBenstehenden verantwortlich; namentlich dann, wenn die Unzulanglichkeiten der einftihrenden Lehrtexte von den Fachvertretem selbst nicht offen kritisiert werden und die Kennzeichnungen des Gegenstandsbereichs dieser wissenschaftlichen Gemeinschaft hauptsachlich in den einfuhrenden Lehrbuchem zu fmden sind." Schneider, D. (1983b), S. 1075. Franke (2002), S. 217. Siehe zum Begriff Erkenntnisobjekt Chmielewicz (1994), S. 19, oder Schneider, D. (1987), S. 162. Vgl. zu den Stufen allgemein Elschen (1982a), S. 35ff.

Kapitel 1: Begrtindung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

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triebswirtschaftslehre"^^ aus, wahrend sich die vierte Stufe dadurch charakterisieren lasst, dass Betriebswirtschaftler selbst eine verhaltenswissenschaftliche Forschung betreiben.^^ Diese Stufe scheint dabei das Problem einer grundsatzlichen Abgrenzung von Wissenschaftsdisziplinen zu beriihren, hingegen sind auf der dritten Stufe die Ubemahmekriterien von groBer Bedeutung. Eine Diskussion solcher Kriterien findet momentan kaum statt, zumindest sucht man in Lehrbiichem, aber auch in Dissertationen und Habilitationsschriften vergeblich nach einer solchen Auseinandersetzung.^"^ Die Griinde fiir die verhaltenswissenschaftliche Dominanz liegen zum einen sicherlich darin, dass die Markenforschung durch einen starken Anwendungsbezug gepragt war und noch immer ist, d.h. dass sich (Marken-)Forscher wohl tiberwiegend einem pragmatischen Wissenschaftsziel^^ verpflichtet fuhlen. Die Begrundung fur diese „Technologieorientierung" scheint dabei im „Problemlosungszwang"^^ der Praxis zu liegen.^^ Im Mittelpunkt stehen Bestrebungen, Konsumentenverhalten zu beeinflussen - Problemstellungen also, die fur eine verhaltenswissenschaftliche Offnung pradestiniert waren^^ bzw. gerade den Gegenstandsbereich verhaltenswissenschaftlicher Forschung per se ausmachen.^^ Zum zweiten ist die Dominanz der Verhaltenswissenschaft aber vor allem mit den (vormaligen) Defiziten der okonomischen Theorie selbst zu erklaren. Denn aufgrund der Annahmen von Giiterhomogenitat

Elschen(1982a),S. 35-36. Vgl.Elschen (1982a), S.35ff. Siehe zu den daraus resultierenden Problemen ausfiihrlich die sich diesen Aspekten widmende Habilitationsschrift von Elschen (1982a) oder zu einem knappen Uberblick Elschen (1982b). Vgl. zu den Wissenschaftszielen bspw. Chmielewicz (1994), S. 8ff., der neben dem pragmatischen Wissenschaftsziel noch vom nominalistischen, technologischen und normativen Wissenschaftsziel spricht und diese auch als unterschiedliche Forschungskonzeptionen vorstellt. Hingegen unterscheidet Schanz (1997), S. 85ff., als „Globalziele" das kognitive, d.h. das die intellektuelle Neugier befriedigende und zugleich erklarende, und das praktische Wissenschaftsziel, denen sich aber die vier Zielarten von Chmielewicz subsumieren lassen. Wohl an Schanz angelehnt differenziert auch Franl^e (2002), S. 47ff., idealtypisch das Erkenntnisund das Gestaltungsziel und stellt diese tabellenartig gegeniiber, wobei er bspw. Intellektualismus (Erkenntnisziel) und Pragmatismus (Gestaltungsziel) als philosophische Hintergriinde ausmacht. Unabhangig davon, wie weit Franke dabei gefolgt wird, sind aber vor allem die aus den Extremformen resultierenden Probleme anzuerkennen. Chmielewicz (1994), S. 183. Zum Verhaltnis theoretischer und technologischer Forschung vgl. neben Chmielewicz (1994), S. 183f., auch K6hler(1976), S. 302ff. Dies deckt sich mit dem Befiind von Franke (2002), S. 90, der bei den befragten MarketingWissenschaftlem feststellte, dass bei Dominanz des pragmatischen Wissenschaftsziels die Bereitschaft zur verhaltenswissenschaftlichen Offnung signiflkant ausgepragter ist. Siehe exemplarisch die Formulierung von Baumgarth, die er wohl auch deshalb in seiner Habilitationsschrift wahlte: „Der eigenen Arbeit liegt aufgrund der Markenperspektive eine uberwiegend nichtokonomische und nicht-interaktive Denkschule zugrunde, wobei der Fokus auf der Abnehmerseite liegt." Baumgarth (2003), S. 8, {ohne Hervorhebungen des Originals). Da Baumgarth nicht weiter ausfiihrt, warum „aufgrund der Markenperspektive" der entsprechende Zugang zu wahlen sei, scheint die verhaltenswissenschaftliche Fundierung der Markenftihrung als Selbstverstandlichkeit zu gelten. Als zumindest vereinfachend wirkt vor diesem Hintergrund seine Abgrenzung verhaltenswissenschaftlicher und okonomischer Perspektiven im Bereich der Marketingwissenschaft, wenn er ohne weitere Prazisierung ausfiihrt: „Okonomische Denkschulen fokussieren auf die Betrachtung von okonomischen Grofien wie Kosten und Umsatz." Von einer solchen Kennzeichnung „6konomischer Denkschulen" wird in dieser Arbeit Abstand genommen, vgl. dazu unten Kapitel 4.

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Teil I: Problemstellung

und InformationsvoUkommenheit sind „Marken" in der traditionellen neoklassischen Mikrookonomik nicht existent/^ Der feststellbare Beflind der verhaltenswissenschaftlichen Dominanz in der Markenforschung - und zuvor im Marketing insgesamt - konnte daher als logische Folge einer Theorienkonkurrenz interpretiert werden, wie sie von ALBERT unter dem Stichwort „Theoretischer Pluralismus" fiir die (Wirtschafts-)Wissenschaft gefordert wurde/' Unter Ruckgriff auf die Arbeiten von POPPER^^ und die Uberlegungen von FEYERABEND^^ wendet sich ALBERT gegen das „Postulat des theoretischen Monismus". Der Theoretische Pluralismus ist dabei als konsequente Weiterfuhrung der Grundgedanken von POPPERS Kritischem Rationalismus zu sehen/'* wonach die Verifizierung einer Aussage aus logischen Grunden niemals gelingen kann^^ und folglich die Falsifizierung anzustreben sei. Die Uberlegungen setzten dabei an der „Idee der Kritik" selbst an, wonach Aussagen zu hinterfragen sind, und wendet dieses Prinzip auch auf Theorien im Sinne von Aussagensystemen insgesamt an. Denn bei konsequenter Anwendung dieses Prinzips wird man „nicht nur die Suche nach kontrdren Tatbestdnden, sondem vor allem auch die Suche nach alternativen theoretischen Konzeptionen als notwendig betrachten, um die Konstruktion und die Verwendung konkurrierender Bezugsrahmen und damit andersartiger Problemlosungen moglich zu machen,"^^ da es sich stets lohnt, ,,nach Alternativen zu suchen, nach anderen Theorien, die moglicherweise besser geeignet sind, weil sie groBere Erklarungskraft haben, bestimmte Irrtumer vermeiden oder tiberhaupt Schwierigkeiten irgendwelcher Art iiberwinden."''''

Dabei besitzt diese Aussage unabhangig von den im Kapitel 2.2 als existent herausgearbeiteten Markenbegriffen Giiltigkeit. Siehe hierzu und fur das Folgende Albert (1991), insb. S. 56ff., flir den Theoretischen Pluralismus allgemein daneben vor allem Spinner (1974), der insbesondere auch das Wirken von Albert zur Ausarbeitung des Theoretischen Pluralismus wurdigt, vgl. hierzu Spinner (1974), S. 202. Auf die Unterschiede in den Auffassungen von Albert und Spinner wird hier nicht eingegangen, da die grundlegenden Ideen iibereinstimmend sind. Vgl. zu den Unterschieden aber im Sinne einer Selbstauskunft Spinner (1974), S. 200ff. Albert betont dies nicht nur in seinen Ausfiihrungen, sondem hat sein „Traktat iiber kritische Vemunft" insgesamt Popper gewidmet. Fiir die Grundlegung der Gedanken von Popper siehe dessen „Logik der Forschung", Popper (1989). Siehe hierzu den expliziten Hinweis bei Albert (1967), S. 29, Fn. 41, siehe daneben auch Spinner (1974), S. 53, S. 72 Oder S. 80ff., der Feyerabend sogar als Begriinder des Theoretischen Pluralismus nennt, sich in seiner eigenen Darstellung aber auch von Feyerabend abgrenzt. Zur Fortentwicklung der Idee des Methodenpluralismus im Sinne Feyerabends siehe zusammenfassend dessen Werk „Wider den Methodenzwang", Feyerabend (1983). Vgl. auch Spinner (1974), S. 80, bei dem es dazu heiBt: „Der theoretische Pluralismus ist eine direkte Konsequenz des fallibilistischen Kritizismus." Angesprochen ist das klassische Induktionsproblem, vgl. ausfiihrlich Popper (1989), S. Iff. Albert(1991), S. 63. Albert(1991), S. 59.

Kapitel 1: Begrundung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

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Die Begrundung fur die Wahl der Okonomik als Erkenntnisobjekt zur Analyse des Erfahrungsobjektes Marke setzt genau an dieser Stelle an. Zwar bestehen keine Zweifel daruber, dass die verhaltenswissenschaftliche Perspektive Losungsbeitrage hervorgebracht hat, die fur die Erklarung markenbezogener Fragestellungen und zur Gestaltung, d.h. fiir die Markenfuhrung von Untemehmungen, entscheidende Erkenntnisse erbracht haben. Trotzdem konnten diese Ansatze bislang nicht dazu beitragen, dass eine geschlossene Marken(fuhrungs)theorie existiert. Und selbst wenn eine solche existieren wiirde, ware im Sinne eines konsequent angewendeten kritischen Rationalismus, d.h. im Sinne des hier zu Grunde Hegenden Wissenschaftsverstandnisses eines Theoretischen Pluralismus, weiter nach altemativen und dabei falsifizierbaren Erklarungsansatzen ftir die Aussagen zu suchen. Aus diesen Grunden strebt die vorliegende Arbeit an, durch die Nutzung der okonomischen Perspektive eine (weitere) Grundlage fiir die Markentheorie zu entwickeln, um dadurch das momentan beklagte Theoriedefizit innerhalb der Markenfuhrung^^ zu verringem.^^ D.h., neben den bisher dominierenden verhahenswissenschafllichen Beitragen zur Markenforschung und als Erganzung bzw. als Prazisierung der wenigen existierenden okonomischtheoretischen Analysen zum Thema, sollen in dieser Arbeit Hypothesen generiert werden, die darauf abzielen, die Grundlagen der Markenfuhrung besser als bisher erklaren und dadurch in Teilbereichen moglicherweise besser gestalten zu konnen. Mittels des okonomisch-theoretischen Ansatzes soil die Ableitung grundsatzlicher und nicht nur singularer Aussagen erfolgen. Dieses Vorhaben betrifft das meta-theoretische Ziel, wonach zu entwickelnde bzw. verwendete Theorien sich durch einen moglichst groBen Allgemeinheitsgrad auszuzeichnen haben.^^ Das Erreichen dieser allgemeinen Zielsetzung wird dabei vor dem Hintergrund eines mit HAX einhergehenden Verstandnisses von (okonomischer) Theorie^' als „System logisch verkniipfler Aussagen (angestrebt, die, A.d.V.) logische Implikationen sichtbar macht, die sonst ubersehen wurden."^^ Im Rahmen der Uberlegungen ist dabei zum einen das „Nebeneinander" der (verhaltenswissenschafllichen und okonomischen) Theorien und ihre Konkurrenz um den iiberlegenen Vgl. hierzu etwa Meffert/Burmann (2002b), S. 37. Dabei lasst sich das Vorgehen einem als ,verbal-6konomisch' zu kennzeichnenden Forschungsprogramm zuordnen. Zur Bezeichnung „verbal-6konomisches Forschungsprogramm" knapp Franke (2002), S. 80, Fn. 78, ausfuhrlicher SoUner (2000), S. 19ff,, der vom „VerbalmodeH" spricht und auch die Vorzuge dieses Ansatzes darlegt. Fiir den im Rahmen dieser Arbeit verfolgten okonomischen Ansatz siehe ausfiihrlich das Kapitel 4. Dabei zielen okonomische Forschungsprogramme vereinfacht darauf ab, dass von bestimmten Nutzenannahmen und somit Zielvorstellungen ausgegangen wird, wahrend bei den verhaltenswissenschaftlichen Theorieansatzen gerade deren Erforschung im Mittelpunkt zu stehen scheint, vgl. zu einer ahnlichen Abgrenzung auch Elschen (1982a), S. 7ff. Siehe hierzu statt vieler auch Franke (2002), S. 180, der daneben noch logische Korrektheit, Prazision, Falsifizierbarkeit im theoretischen und praktischen Sinne, hohen Informationsgehalt, Systembezug, Bewahrung und Bewahrungsgrad nennt. Auf diese einzelnen Kriterien soil hier nicht naher eingegangen werden. Vielmehr werden sie im Laufe der Arbeit immer wieder als BewertungsmaBstab fur fremde und die eigene wissenschaftliche Arbeit herangezogen. Der Begriff der Theorie bzw. okonomischer Theorie ist hier bewusst verkurzt verwendet. Siehe fiir unterschiedliche Bedeutungsinhalte von Theorie ausfiihrlicher Schneider, D. (2001), S. 13ff. Hax (1991), S. 53. Siehe daneben ausfuhrlicher auch Spinner (1974), S. 109ff.

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Teil I: Problemstellung

Erklarungsbeitrag zu betonen. Es geht (hier zunachst) nicht darum, unterschiedliche Theorien zu integrieren. Durch ein solches Vorgehen zeichnen sich fast durchweg die zuvor dokumentierten Beitrage zur Markenflihrung aus, die auf okonomische Theorien zuruckgreifen, d.h., sie sind theorieekklektizistisch, zum Teil theorieintegrativ und eben nicht theoriepluralistisch angelegt, wobei die Bedingungen der Theorienvermengung, d.h. hier auch die angesprochenen Ubemahmekriterien von ELSCHEN^^, nicht thematisiert, geschweige denn expliziert werden. Beispielhaft setzt sich etwa BAUMGARTH einem ,Eklektizismusvorwurf aus, wenn er ohne weitere Kommentierung formuliert, die informationsokonomische Argumentation „lasst sich sowohl in den entscheidungsorientierten (i.S. von MaBnahmen des Signaling) als auch in den verhaltenswissenschaftlichen Ansatz (i.S. von Wirkungen von Qualitatsunsicherheiten und Wirkungen von glaubwtirdigen Signalen) integrieren."^"^ Es ist allerdings zum zweiten zu betonen, dass ein Eklektizismusvonvw// auf einer normativen Vorentscheidung, hier die Bevorzugung des konsequent angewendeten kritischen Rationalismus, beruht, in der Wissenschaft aber nicht immer geteilt wird. Eklektizistisches Vorgehen wird hier (eine bewusst normative Perspektive einnehmend) dann abgelehnt, wenn die Uberpriifbarkeit der abgeleiteten Aussagen aufgrund der Vermengung unterschiedlicher (Theorie-)Grundlagen nicht mehr erfolgen kann, d.h. keine Falsifizierbarkeit mehr gegeben ist.^^

1.3

Zieisetzungen und Struktur der Arbeit

Nach MaBgabe der vorherigen Problemstellung und des skizzierten Wissenschaftsverstandnisses ist die Arbeit dabei insgesamt einem theoretischen Wissenschaftsziel verpflichtet, d.h. die Erklarung steht im Fokus der Analyse, wenngleich dieses Erklarungsziel nicht ohne Beziige zu Gestaltungsaspekten bleiben soil. GemaB dem stufenweisen Aufbau der Wissenschaftsziele^^ und unter Berucksichtigung der „vor Beginn einer wissenschaftlichen Arbeit (...) immer und immer wieder zu wiederholende(n) Mahnung" DIETER SCHNEIDERS, „den Sprachgebrauch zu klaren"^^, wird dabei ein Vorgehen gewahlt, bei dem im zweiten Teil zunachst das Erfahrungsobjekt Marke (bzw. die mit dem Wort „Marke" bezeichneten Erfahrungsobjekte) in den Fokus ruckt(en). Das Kapitel 2 beginnt dabei mit der Begriffsklarung, wenn dort Marke und Markenflihrung im Spannungsfeld von Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen dargestellt Vgl.Elschen (1982a). Baumgarth (2004), S. 25. Angesprochen ist somit die von Albert (1967), S. 287f,, auch fiir nur eine Theorie angeprangerte Immunisierung. Theorieekklektizismus konnte bei diesem Verstandnis dann als Bezeichnung ftir Ansatze gelten, bei denen die einzelnen Theorien unreflektiert vermengt werden, wahrend von Theorieintegration dann gesprochen werden konnte, wenn eine Priifung der Kompatibilitat vorher stattfindet und die Vermengung als mit den jeweiligen Theoiren vereinbar erachtet werden kann. Siehe zum stufenweisen Aufbau dieser Ziele auch beispielhaft Chmielewicz (1994), S. Sff Schneider, D. (2001), S. 492. Die Arbeit wird zeigen, dass das Ideal eines eindeutigen Sprachgebrauchs im Rahmen der Markenforschung noch nicht annahemd erreicht ist, dass es moglicherweise auch nicht angestrebt wird.

Kapitel 1: Begrundung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

15^

werden. Primar^^ geht es dabei zwar um die Begriffslehre^^, durch die Ableitung der Begriffe auf der Basis von Ursache-Wirkungs-Uberlegungen^^ erfolgt aber bereits dadurch ein Beitrag zur defizitaren Markentheorie. Es wird gezeigt, dass die Uberbruckung des Defizits momentan wohl bereits an der Unbestimmtheit der Termini scheitert, eine eindeutige Begriffsbildung und -nutzung daher notwendig ist. Falsifizierbarkeit als Qualitatskriterium fiir eine Theorie kann nicht gegeben sein, wenn Begriffe als Bausteine der Theorie mehrdeutig sind, wobei dies umso schwerwiegender ist, wenn Begriffe der Ursachen- mit Begriffen der Wirkungsebene vermengt werden.^ ^ Denn wenn nicht klar ist, was der jeweilige Forscher bei Verwendung eines Wortes meint, d.h. welchen Begriff er nutzt, offnet dieses Vorgehen der Beliebigkeit Tur und Tor, fuhrt vor allem dazu, dass fallweise die Aussagen beliebig (um-)interpretiert werden konnen. Dann ist aber das Prinzip der Widerspruchsfreiheit verletzt, das „an sich nur eine logische Minimalforderung fur die Erkenntnis"^^ ist. Das Prinzip ist aber zu beachten, weil „Erklarungen von menschlichen Tatigkeiten (...) und Vorhersagen von Verhaltensweisen (...) nur dann logisch und empirisch nachpriifbar (sind), wenn der Sprachgebrauch bei den einzelnen Begriffen unmifiverstandlich erfolgt."^^ Dabei geht es weder um Richtigkeit von Defmitionen - denn es gibt keine „richtigen" und „falschen" Begriffssetzungen - noch um ihre ZweckmaBigkeit - die allerdings zu untersuchen ist. Es geht ledigHch um das Ziel, Verstandnis und folglich Kritikoffenheit herzustellen. Durch diese terminologische Arbeit in Form einer Begriffsanalyse auf Basis einer empirischen Sprachkritik im Sinne von KROEBER-RIEL^"^ und die darauf basierende theoretische (Neu-)Ordnung wird damit zugleich CHMIELEWICZ entsprochen, der die Notwendigkeit der Technologieflindierung durch Theorie propagiert.^^ Aufbauend auf einer Analyse der Verwendung des Begriffes bzw. der Worte „Marke" in der Literatur werden dazu zunachst der noch immer existente Begriffswirrwarr und die Notwendigkeit der terminologischen Abgrenzung verdeutlicht (Kapitel 2.1). Als Ebenen, auf denen der Markenbegriff von Praktikem, bedauerlicherweise aber auch von Wissenschaftlem dabei verwendet wird, sind die drei Ebenen (1) der Marke als Zeichen, (2) der Marke als Absatzobjekt (synonyme Verwendung von Vor allem, weil sich die Wissenschaftsziele aufeinander beziehen, ist eine klare Trennung und Zuordnung nicht moglich. Vgl. zur Abgrenzung(sproblematik) der einzelnen Ziele auch Chmielewicz (1994), insb. S. 181ff.undS.276ff Bei der Begriffslehre kann dabei zwischen essentialistischer und nominalistischer Auffassung unterschieden werden, vgl. hierzu Chmielewicz (1994), S. 49. Da Begriffe unbestritten als Bausteine von Theorien bzw. Vorstufen der Theorien (vgl. Kdhler (1976), S. 318) gesehen werden, scheint aber auch hier die eindeutige Abgrenzung von Nominalismus und theoretischem Wissenschaftsziel schwierig. So ware zu fragen, ob nicht bereits in dem Moment, wo zwei Begriffe in einen Zusammenhang gestellt werden, ein theoretischer Ansatz vorliegt. Siehe zur Weiterfiihrung der Gedanken und vertiefenden Begrundung Kapitel 2. Albert (1991), S. 53, Fn. 23, bei seiner Begrundung des Prinzips der Widerspruchsfreiheit. Schneider, D. (2001), S. 492. Vgl. hierzu Kroeber-Riel (1969). Vgl. Chmielewicz (1994), S. 191 ff Auch Schanz (1988), S. 20, verweist in Situationen mit „theoretischem Defizit" auf die Bedeutung von BegrifFsanalysen, wenn „das begriffliche Instrumentarium, wie es in den Wirtschaftswissenschaften iiblicherweise verwendet wird, der Moglichkeit entgegensteht, zu realwissenschaftlichen Erklarungen zu gelangen."

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Teil I: Problemstellung

Marke und Markenprodukt bzw. -artikel) und (3) der Marke als Wirkung identifizierbar, wobei die Uberlegenheit, d.h. die groBere ZweckmaBigkeit im Sinne eines alle Ebenen integrierenden Verstandnisses, des zeichenorientierten Markenbegriffes herausgearbeitet wird (Kapitel 2.2). Das identifizierte Spannungsfeld aus Marke, Absatzobjekt und Wirkung besitzt rahmengebenden Charakter fiir die gesamte Arbeit. Dies wird bereits im Kapitel 3 verdeutlicht, in dem die Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen im Wettbewerb behandelt wird. Dort wird zunachst kurz auf die Markenfuhrungsziele eingegangen (Kapitel 3.1). Dem schlieBt sich die Behandlung der Markenfunktionen an (Kapitel 3.2), deren momentanes Defizit im Schrifttum aufgrund der Begriffsvielfalt verdeutlicht wird. Denn da die Ebenen im Spannungsfeld aus Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen auch bei der Behandlung von Markenfunktionen nicht unterschieden werden, erschopfen sich die Literaturdarstellungen zumeist in blofien Aufzahlungen einzelner Funktionsaspekte, ohne die Interdependenzen zu beriicksichtigen. Nach Mafigabe einer Trennung in konstitutiv-originare und derivative Markenfunktionen, die ftir das Zeichen selbst ausgemacht werden, sind die Unterscheidungsfunktion zum einen und die Intemalisierungsfunktion zum zweiten zu differenzieren, auf die sich alle weiteren in der Literatur diskutierten Funktionen zuruckfiihren lassen. Aufgabe der Markenfiihrung ist es dann, den Markenfunktionen im Wettbewerb Geltung bei den Marktpartnem zu verschaffen. Daher werden im Kapitel 3.3 Markenftihrungsentscheidungen zur Gestaltung intendierter Markenwirkungen behandelt. Angesprochen ist hier zwar primar ein technologisches Wissenschaftsziel, das aber - so wird verdeutlicht - bislang auf der Basis einer hochstens in Ansatzen existenten Markenfuhrungstheorie zu erreichen gesucht wird. Dazu werden die Entwicklungsprozesse der Markenftihrung nachgezeichnet, vor allem wird aber auf die fragmentierten Konzepte der identitatsorientierten Markenfiihrung eingegangen, die nach MaBgabe des in Kapitel 2 identifizierten Spannungsfeldes interpretierbar sind. Dabei werden auch hier vor allem Ursachen- und Wirkungsebenen differenziert. Die Ausfuhrungen zur identitatsorientierten Markenfuhrung sind dabei aus zwei Griinden von Bedeutung: Zum einen, um das Erfahrungsobjekt Marke vollstandig durchdringen zu konnen, das bislang zwar haufig thematisiert, aber noch nicht systematisch dargelegt wurde. Zum zweiten well gezeigt wird, dass nicht nur die Markenfunktionen selbst bislang ohne okonomische Fundierung diskutiert werden, sondem dass auch der identitatsorientierten Markenfuhrung eine solche fehlt. Unter Riickgriff auf das identifizierte Spannungsfeld werden im Kapitel 3.4 den Teil II abschlieBend dann die Markenerscheinungsformen systematisiert. Die Probleme der fehlenden okonomischen Fundierung der Markenfuhrung werden im Teil III der Arbeit weiter expliziert, in der die okonomische Theorie als Erkenntnisobjekt zur Analyse des Erfahrungsobjektes Marke zur Anwendung kommt. Insbesondere werden dabei die beiden konstitutiv-originaren Markenfunktionen einer okonomischen Analyse unterzogen. Dadurch kann gezeigt werden, dass der Marke als Zeichen eine besondere Wirkung zukommt.

Kapitel 1: Begrundung der Auswahl von Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

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Damit dieses theoretische Ziel erreicht werden kann, ist im Kapitel 4 zunachst auf das Verstandnis okonomischer Theorie als Analyserahmen einzugehen. Dabei wird einleitend aufgezeigt, dass die Entwicklung der okonomischen Theorie zu einer Verastelung der Ansatze gefiihrt hat, die eine Verankerung okonomischer Markenforschung erschwert (Kapitel 4.1). Ausgehend von dieser Bestandsaufnahme wird dann explizit ein Okonomikverstandnis vorgestellt, vor dessen Hintergrund die eigenen Analysebemuhungen erfolgen (Kapitel 4.2). Okonomik wird dabei auf Basis der Uberlegungen von POPPER als Anwendung von Rationalitat im Rahmen von Situationsanalysen verstanden, wobei im Sinne des Kritizismus die Pramissen der Situationen zu explizieren sind, damit die Ausfiihrungen nachvollziehbar und somit falsifizierbar werden.^^ Anhand unterschiedlicher Situationsannahmen werden dann mit der neoklassischen Mikrookonomik, der Neuen Institutionenokonomik sowie der okonomischen Evolutorik Partialansatze unterschieden, deren (gemeinsamer) barter Kern die Rationalitat darsteUt (Kapitel 4.3). Als Pramissen wird neben der Situationsrationalitat vor allem auf die verfugungsrechtlichen Aspekte der Markenfuhrung und die dabei zu beriicksichtigenden Informationsannahmen abgestellt, um die Wirkungsweise der „Marke" zu erklaren. Erklaren bedeutet dabei, die Wirkungsweise „aus theoretischen GesetzmaBigkeiten und gewissen Randbedingungen auf logisch-deduktivem Wege abzuleiten."^^ Unter Riickgriff auf die im zweiten Kapitel unterschiedenen Markenfunktionen erfolgt dazu zunachst die Betrachtung der konstitutivoriginaren Intemalisierungsfunktion der Marke anhand verfiigungsrechtlicher Uberlegungen. Im Mittelpunkt stehen dabei die ^utzungsmoglichkeiten der Marke. Dazu wird im Kapitel 5 die Marke als Basisobjekt eines Property-Rights-Btindels gesehen. Zunachst werden die Grundziige der verfugungsrechtlichen Analyse vertiefend dargestellt, wobei vor allem das Problem der verdiinnten Verfiigungsrechte als fur die Analyse der Marke besonders relevant erachtet wird (Kapitel 5.1). Aufbauend auf diesen Grundlagen werden dann die drei Ebenen des Spannungsfeldes aus einem verfugungsrechtlichen Blickwinkel betrachtet (Kapitel 5.2). Die Existenz von Verfugungsrechten als temporare Monopolrechte gilt dabei als Anreiz, Markenfiihrungsbemiihungen iiberhaupt durchzufiihren. Mit Hilfe der verfugungsrechtlichen Betrachtung konnen daneben weitere im Rahmen der Markenfuhrung entscheidende Aspekte insofem betrachtet werden, als dass der Markenkauf bzw. -verkauf und die Fremdmarkennutzung als Aktivitaten interpretiert werden konnen, bei denen die (rechtlichen Aspekte der) Zeichenebene des Spannungsfeldes im Fokus stehen, wahrend beim Markenprodukttausch ganzlich verschiedene Verfugungsrechte beruhrt werden. Dies macht einmal mehr deutlich, warum der Markentausch von Markenprodukttausch unterschieden werden muss.

Dies geschieht auch, um einmal mehr die Wortwahl Schneiders zu verwenden, damit „der verkiindete Anspruch mit den tatsachlich gebotenen Leistungen verglichen" (Schneider, D. (1983a), S. 199) werden kann. Schanz (1997), S. 87. Die theoretische Gesetzmafiigkeit stellt dabei das Rationalitatsprinzip dar, die Randbedingungen werden in den Situationen bestimmt.

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Teil I: Problemstellung

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit wird dann im Kapitel 6 gelegt, in dem die Marke als Signaling-Instrument aus einer informationsokonomischen Perspektive betrachtet wird. Wahrend bei den verfiigungsrechtlichen Uberlegungen des Kapitels 5 die Nutzungsmoglichkeiten des Zeichens im Fokus standen, konzentriert sich die (informations-)okonomische Analyse vor allem auf die NutzungsgrwWe im Tauschprozess selbst. Um diese aus der Perspektive des Nachfragers im Sinne unterschiedlicher Wirkungen der „Marke" aufzeigen zu konnen, werden Situationen identifiziert, in denen sich Nachfrager aufgrund von Informations- bzw. Beurteilungsdefiziten zu differenzierender Entscheidungsprobleme ausgesetzt sehen. Dazu werden zunachst auf einer allgemeinen informationsokonomischen Grundlage Situationen mit Informationsdefiziten der agierenden Personen behandelt (Kapitel 6.1). Diese einfache Situationenbeschreibung wird anschliefiend schrittweise erweitert, wobei zunachst die Entwicklung informationsokonomisch abgeleiteter Tauschsituationen in den Fokus riickt (Kapitel 6.2). Es wird gezeigt, dass fur die dezidierte Analyse der Marke in Situationen mit Informationsdefiziten auf ein modifiziertes Verstandnis der im Rahmen von informationsokonomischen Untersuchungen unterschiedenen Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Leistungsangeboten zuriickgegriffen werden muss. Die Modifikation ist deshalb erforderlich, weil argumentiert wird, dass logische Implikationen bei den bisher in der Literatur vorgestellten Abgrenzungen nicht immer expliziert wurden. Durch das in dieser Arbeit gewahlte Vorgehen wird es so moglich, die Markenfunktionen der Suchkostenreduktion und der Unsicherheitsreduktion zu isolieren und auf identifizierte Situationen zu beschranken (Kapitel 6.3). Dies wird zunachst ftir die Marke als Zeichen selbst expliziert, die in der informationsokonomischen Terminologie als Index zu begreifen ist. Erst anschlieBend wird die Erklarung auf die Anbieterseite ausgedehnt. Dazu werden Aspekte des Reputationsaufbaus behandelt, wobei Reputation als Erwartungs-Kongruenz charakterisiert werden kann. Im Zuge eines Analogieschlusses wird auf diese Weise zum einen eine okonomisch-theoretische Fundierung der identitatsorientierten Markenfuhrungsansatze ermoglicht. Daneben werden aber auch die Zeicheneinsatzmoglichkeiten im Rahmen der Markenpolitik zum Aufbau von Markenreputation einer neuen Bewertung unterzogen. Dies offnet abschlieBend den Blick auf bspw. Qualitats- und Gutezeichen, die hier dann auch als (Fremd-) Marken im Rahmen der Markenpolitik behandelt werden. Schliel31ich liefert der Teil IV sowohl Riickblick und Ausblick. Darin werden zunachst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst (Kapitel 7.1), werden dann aber auch nach Mafigabe der hier propagierten kritizistischen Methode die Argumentationsgrenzen aufgezeigt und weitere Analyseschritte vorgeschlagen (Kapitel 7.2). Letzteres bedeutet vor allem, dass zukiinftiger Forschungsbedarf aufgezeigt wird, der sich aus der Anlage der Schrift als hypothesengenerierende Grundlagenarbeit zwangslaufig ergibt.

Teil II: Die ,,Marke^^ als Erfahrungsobjekt „ Uberall, wo die Uralten ein Wort hinstellten, da glaubten sie eine Entdeckung gemacht zu haben. (...) Jetzt muss man bei jeder Erkenntnis iiber steinharte verewigte Worte stolpern, und wird dabei eher ein Be in brechen als ein Wort. " ^ FRIEDRICH NIETZSCHE

Nietzsche (1881), Textnummer 47.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt ,,Marke'^ im Spannungsfeld

2

Das Erfahrungsobjekt „Marke^^ im Spannungsfeld aus Zeichen, Absatzobjekten und Wirkungen

2.1

Ein Wort fiir unterschiedliche Erfahrungsobjekte - Zur Notwendigkeit einer Begriffsexplikation fiir den Term „Marke"

2.1.1

Vielfalt des Markenbegriffs in der betriebswirtschaftlichen Literatur als Ausgangspunkt

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Bereits in der Einleitung wurde herausgestellt, dass in den letzten Jahren eine Fiille an Beitragen zum Themenkomplex „Marke" veroffentlicht wurde. Diese Beitragsfulle hat dazu geflihrt, dass sowohl die Wort- bzw. Begriffsschopflingen mit „Marke" als Prafix - im Sachverzeichnis von KOHLER/MAJER/WIEZOREK zahlt man 84 solcher Begriffe -, als auch mit „Marke" als Suffix nur noch schwer uberschaubar sind - nicht zu vergessen die unzahligen Anglizismen mit dem Wortaquivalent „Brand".^^ Dabei werden zum einen unterschiedlichste Ausdriicke fiir identische Sachverhalte verwendet (z.B. Markentreue, Markenloyalitat, Markenbindung'^^ bzw. Markentransfer, Markendehnung, Markenerweiterung, Brand Stretching'^'), zum anderen werden identische Worte aber auch fur unterschiedliche Erfahrungsobjekte, d.h. fur unterschiedliche Begriffe, genutzt (z.B. Markenwert'^^). Eine denkbare Erklarung fiir diese Konstellation ist, dass allein fiir die mit dem Wort „Marke" belegten Begriffe, d.h. fur den jeweiligen Kern, eine Defmitionsvielfalt existiert, welche die Herausbildung eines einheitlichen Verstandnisses erschwert, wenn nicht gar verhindert - eine Situation, die bezogen auf Wort und Begriff des „Markenartikels" bereits vor iiber 30 Jahren in der Dissertation von HANSEN beklagt wurde:

Auch Dichtl (1992), S. 9, deutet bereits die Vielzahl von Wortverbindungen mit dem Wortkem „Marke" an und ordnet in seinem Uberblicksaufsatz bereits 20 davon ein. Vgl. z.B. die Ausfiihrungen zur Markenbindung von Weinberg/Diehl (2001a), S. 26ff., sowie Majer (2001), S. 37. Vgl. aber auch Esch/Geus/Langner (2002), S. 474f., die explizit die Markenloyalitat von der Markenbindung abgrenzen. Vgl. z.B. grundlegend die Arbeit von Hatty (1989) oder in neuerer Zeit auch die Beitrage von Sattler (1998), S. 475ff., Esch et al. (2001), S. 755ff., sowie die Dissertationen von Hospes (2001) oder Casper (2002b), S. 26ff., bzw. zu einem Uberblick darauf basierend Casper (2002a), S. 233ff. Vgl. etwa die Verwendung des Wortes Markenwert durch Esch (2001a), S. 73ff., Homburg/Schafer (2001), S. 170, Hammann (2001), S. 28Iff., oder Camphausen (2001), S. 295ff. Siehe erganzend die Synopse bei von der Gathen (2001), S. 65.

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Teil II: Die „Marke'* als Erfahrungsobjekt „Liest man die zahlreichen fachwissenschaftlichen und praxisbezogenen Bucher und Aufsatze zum Thema Markenartikel, so entsteht Unbehagen an seinen Definitionen und deren Auslegungen. Einige Autoren haben ihre Ausftihrungen aus Praktikabilitat schlicht mit der Zitierung einer uberlieferten Begriffsbestimmung eingeleitet und unterstellen dabei einen - in Wahrheit nicht vorhandenen Konsens. Andere Verfasser haben einen ganzen Katalog von Definitionen - manchmal in synoptischer Darstellung - an den Anfang gestellt und entweder eine unter ihnen ausgewahlt oder nach einer die Widerspriichlichkeiten iiberwindenden Synthese gesucht. Eine weitere Gruppe von Autoren hat den vieldeutigen und vielgedeuteten Begriff zum Explikandum einer Monographie iiber den Markenartikel gemacht."'^^

Zu ahnlichen Einschatzungen kommen auch Autoren, die sich im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten in neuerer Zeit mit dem Themenbereich „Marke" auseinandergesetzt haben. So verweist etwa voN DER GATHEN darauf, dass Worte wie „Marke", „Markenzeichen" oder „Markenartiker' von Vertretem der Praxis, aber auch von Autoren der Wissenschaft als Synonyme verwendet, ihnen dabei jedoch teilweise unterschiedliche Bedeutungsinhalte zugesprochen werden.^^"^ Auch MERTEN betont, dass gerade die Begriffsvielfalt - er spricht von einer „schier unbegrenzten Vielzahl von Ansatzen und Definitionen" zur „Marke" - als Indikator herangezogen werden kann, „dass deren Begriff bislang nicht zureichend geklart ist."'^^ Die Vielfalt der Interpretationen des Markenbegriffes, d.h. die problematische Begriffsbildung und -verwendung,'^^ kann aufgrund der hier verwendeten Stichprobe allerdings nicht damit begrundet werden, dass die „Marke" Erfahrungsobjekt unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen ist.'^^ Auch der Erklarungsansatz, dass die verwendeten Beitrage sowohl von Vertretem der Wissenschaft als auch von Vertretem der Praxis verfasst sind, greift aus diesem Gmnde nicht}^^ Letzteren konnte dabei zugute gehalten werden, dass fiir ihre Zwecke eine widerspmchsfreie Begriffsnutzung nicht unbedingt notwendig ist. Ersteren ware zuzugestehen, dass eine zu formale Sprache den Dialog und damit den anzustrebenden Wissenstransfer zur Praxis erschweren wiirde,'^^ sich Wissenschaftler folglich der AlltagsHansen(1970), S. 7. Vgl. von der Gathen (2001), S. 13. Siehe daneben auch Kriegbaum (2001), S. 27, Maretzki (2001), S. 8f., SchoUing (2000), S. 12 oder Weis/Huber (2000), S. 29, die alle genauso auf die begrifflichen Probleme aufmerksam machen wie Baumgarth (2004), S. 2 in seinem als Lehrbuch konzipierten Werk. Merten (2003a), S. 26. Auf Beispiele wird in Kapitel 2.2 intensiver eingegangen, vgl. fur eine synoptische Darstellung Anhang A. So etwa kurzlich Bruhn (2003), S. 180. Auch hierzu Bruhn (2003), S. 180. Vgl. zu den Begrundungen bereits fruher bei Baumgarth (2004), S. 2, Schlaberg (1997), S. 11, oder auch schon bei Graumann (1983), S. 43, die jeweils die existente Begriffsvielfalt u.a. damit erklaren. In diesem Zusammenhang verweist Chmielewicz (1994), S. 53, auf das „Ubersetzungsproblem zwischen Fach- und Umgangssprache", welches als Konsequenz dann von popularwissenschaftlichen Publikationen zu losen versucht wird. Siehe zum „Theorie-Praxis-Problem der Betriebswirtschaftslehre" auch den gleichnamigen Tagungsband der Kommission Wissenschaftstheorie, herausgegeben von Fischer-Winkelmann (1994). Darin spricht bspw. Schauenberg (1994), S. 141, von „Interaktionsproblemen" des Erkenntnistransfers, die in der betriebswirtschaftlichen Methodologie zu wenig Beachtung erfahren. Auch Kieser/Nicolai (2003), S. 591, identifizieren „die Differenzen zwischen wissenschaftlicher und untemehmens-

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke'^ im Spannungsfeld

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sprache anzupassen haben. Dies ware etwa die konsequente Weiterfiihrung des Gedankens von KRIEGBAUM, die unter Riickgriff auf das Ergebnis der Studie von HENNING-BODEWIG/KUR, in der eine Gleichsetzung der Worte „Marke" und Markenartikel durch die Konsumenten empirisch herausgeflinden wurde, darauf verweist, dass die Sichtweise der synonymen Verwendung von „Marke" und Markenartikel „nachvollziehbar" sei.^'^ Das Argument greift jedoch aus drei Griinden zu kurz: •

Erstens, da es in der (Marketing-)Wissenschaft nicht (nur) darum gehen kann festzustellen, wie Worte umgangssprachlich verwendet werden. Denn in diesem Fall bliebe die Marketing-Wissenschaft zwangslaufig eine „Nachlaufwissenschaft"'", da sich Bedeutungsinhalte im Zeitablauf andem.



Zweitens darf die Anpassung von Wissenschaftlem an die Alltagssprache auch im Theorie-Praxis-Transfer nicht so weit gehen, dass von ihnen intendierte Aussagen durch die Anpassung an Klarheit verlieren. Denn auch im Praxisdialog muss ein eindeutiges und vor allem gemeinsames Begriffsverstandnis vorliegen, um „ein frustrierendes Aneinandervorbei-Reden von vomherein auszuschlieBen."^'^



Drittens ist der Zustand aber auch aus wissenschaftstheoretischer Perspektive bedenklich, da es sich bei den mit dem Wort „Marke" bezeichneten Phanomenen um zentrale Begriffe der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere aber der Marketingwissenschaft handelt, deren Aufgabe es sein sollte, ihren Objektbereich zu spezifizieren. Um ein (Sprach-)Bild (unter vielen moglichen) von DiETER SCHNEIDER ZU verwenden bedeutet dies, dass es notig ist, „einen Steg aus eingegrenzten Begriffen iiber einen Morast umgangssprachlicher Ausdrucke und Redewendungen zu bauen."*^^ Diese Aufgabe ist nach einer langen Phase der „Uberbetonung begrifflichen Denkens in der deutschen BWL" wahrend der ersten Halfte des vergangenen Jahrhunderts zwar „heute zuruckgegangen"""^. Doch bereits CHMIELEwicz beklagte nach dieser Feststellung sogleich, dass dieser Ruckgang „vielleicht sogar durch eine Unterschatzung abgelost"^'^ wurde, wahrend kiirzlich FRANK insgesamt fur eine starkere Beriicksichtigung der Wissenschaftstheorie in den Objektbereichen der Betriebswirtschaftslehre

pladoyierte.^^^ Diese

,Unterschatzung'

wissenschaftstheore-

tischen Gedankengutes im Allgemeinen und der Begriffslehre im Speziellen scheint heute

''° ''' '^^

^'^ •'^ ^^^ *'^

praktischer Kommunikation", d.h. auch „die unterschiedlichen Sprachspiele" als Grund fur die Entfemung von Praxis und Theorie. Siehe aber auch schon den Beitrag von Steinmann et al. (1976), S. 5Iff., im von Ulrich herausgegebenen Buch „Zum Praxisbezug der Betriebswirtschaftslehre." Siehe Kriegbaum (2001), S. 32, bzw. Henning-Bodewig/Kur (1989), S. 357. Vgl. zur Marketing-Forschung als Nachlaufwissenschaft auch Engelhardt (1997), S. 77. Disch (2000), S. 150, der in seinem Beitrag insgesamt sechs Epochen (und damit z.T. auch Begriffe) identifiziert, „die der Begriff der Marke durchlaufen hat bzw. durchlauft", Disch (2000), S. 148. Er bezweifelt deshalb, dass ein einheitliches Begriffsverstandnis vorliegt, wenn iiber die „Marke" gesprochen wird. Schneider, D. (1997a), S. 71. Chmielewicz (1994), S. 51. Chmielewicz (1994), S. 51, der diese Feststellung bei der Diskussion um unterschiedliche Wissenschaftsziele traf Vgl. Frank (2003), S. 278f

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Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt zumindest fiir den Bereich der Markenftihrung existent. So resiimiert auch MEFFERT im Jahr 2002 fordemd: „In der wissenschaftlichen Diskussion herrschen - ahnlich wie beim Marketing - derzeit eine schleichende Erosion des Markenbegriffs und eine Verwasserung der Konzepte der Markenftihrung vor (,Vernebelung durch Bindestrich-Markenfiihrung'). Dies erfordert in Wissenschaft und Praxis ein gemeinsames Begriffsverstandnis durch klare Begriffsbestimmungen und die RUckbesinnung auf tragfahige Fiihrungskonzepte."' '^

2.1.2

Begriffliche Eindeutigkeit als Voraussetzung wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts

Die berechtigte Forderung von MEFFERT spricht die Notwendigkeit an, dass prazise und nachvollziehbare Begriffe gebildet und verwendet werden, da die begriffliche Basis Grundvoraussetzung fiir jede Theoriebildung ist.^^^ Eine geschlossene Markentheorie erscheint daher nur moglich, wenn die verwendeten Begriffe bzw. die sie verbalisierenden Defmitionen sich durch Eindeutigkeit auszeichnen und die bezogen auf die Untersuchungsziele dem Anspruch der ZweckmaBigkeit geniigen.' '^ Die Forderung nach Eindeutigkeit der Definition bedeutet, dass das Zu definierende (das Definiendum) und das Definierende (der Definiens) logisch aquivalent sind und dass „ein Term nicht auf zwei verschiedene, logisch nicht gleichwertige Weisen definiert werden darf'^^, d.h. dass nicht zwei widerspriichliche (bzw. strenger: zwei nicht bedeutungsidentische) Definiens formuliert werden durfen. Da eine noch so eindeutige Definition nutzlos ist, wenn dieser (sprachlich) in den (eigenen) Ausfiihrungen nicht gefolgt wird, ist die Eindeutigkeitsforderung auch auf die Verwendung auszudehnen (Eliminierbarkeitskriterium). In diesem Sinne formuliert DIETER SCHNEIDER in seiner in der Einfiihrung bereits thematisierten GeiBelung der Marketingwissenschaft, dass es fiir eine Theoriebildung im Sinne eines gesellschaftlichen Sprachspiels als Basis der Verstandigung zwischen Menschen gehort, dass „in Meffert (2002b), S. 671, der dies als erste seiner zusammenfassenden Thesen zu den „Zukunftsaspekten der Markenftihrung" formuliert. Ahnlich wiederholt Bruhn (2003), S. 198: „Im Bereich der Markenbegriffe ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Erosion und Verwasserung des Markenbegriffsverstandnisses und von Markenkonzepten zu verzeichnen. Ein klares Begriffsverstandnis stellt jedoch eine wichtige Basis fur die Entwicklung tragfahiger Ansatze der Markenpolitik dar." Obwohl sowohl Bruhn als auch Meffert hier uneingeschrankt zuzustimmen ist, wird im Folgenden noch gezeigt, dass gerade Beitrage von Meffert bzw. Meffert/Burmann (1996a, 1996b, 2000, 2002a, 2002b, 2002c) zur Markenftihrung bei der geforderten Klarheit der Begriffsbestimmungen (noch) Defizite aufvveisen. Zwar verlieren viele Gedanken dadurch keinesfalls an Bedeutung, doch erschwert die Begriffsproblematik eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung und damit auch die (gemeinsame) Weiterentwicklung. Vgl. dazu intensiver unten Kapitel 2.2. Vgl. zur Vorbedingung der Begriffsbildung als Grundbaustein von Theorien auch Chmielewicz (1994), S. 9. Vgl. hierzu Chmielewicz (1994), S. 60, der diese Kriterien neben anderen, damit einhergehenden nennt. Das Kriterium der Eindeutigkeit umfasst dabei die von Wissenschaftstheoretikem genannten Adaquanzfordemngen nach Eliminierbarkeit und Nicht-Kreativitat, vgl. dazu z.B. Radnitzky (1989), S. 27ff. und Lay (1971), S. 270ff. Siehe fiir eine knappe Darstellung zur Begriffsbildungsproblematik insgesamt auch Czayka (2000), S. 99ff., der eine Einfiihrung fiir Wirtschaftswissenschaftler verfasst hat. Lay (1971), S. 271, der auf Lesniewski als Urheber dieses „Nichtkreativitatskriteriums" verweist.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt ,,Marke*^ im Spannungsfeld

25^

Satzfolgen, namentlich, wenn sie den Gegenstand einer Wissenschaft beschreiben, logische Widerspruche vermieden werden."'^^ Erst wenn so verstandene Eindeutigkeit vorliegt, ist auch das Zweckmafiigkeitskriterium - wonach die Begriffsbildung immer vor dem Hintergrund des Untersuchungszweckes zu erfolgen und damit den wissenschaftlichen Kontext zu beachten hat'^^ - erfullbar und damit eine wissenschaftliche Diskussion iiberhaupt erst moglich. Markendefinitionen dienen in diesem Zusammenhang meist dem Zweck, notwendige Entscheidungen vor dem Hintergrund von Erfolgsfaktoren der Markenfuhrung als untemehmerische Aufgabe einzelwirtschaftlich zu erarbeiten^^^ besteht. Verwendet man diese MaBstabe bei einer Analyse der Definition und Verwendung des Begriffes der „Marke" in der Literatur, d.h. bei einer Prufting der Begriffsbildung und/oder nutzung anhand des Eindeutigkeitskriteriums/^"^ offenbart sich, dass sich an der Situation, die seit inzwischen mehr als 30 Jahren mit SCHENK treffend als „babylonische Sprachverwirrung"'^^ bezeichnet wird, bis heute nichts geandert hat. Als Stichprobe dienen dazu die oben angesprochenen 76 Beitrage der Herausgeberbande von ESCH bzw. KOHLER/MAJER/WIECZOREK sowie insgesamt 35 Monographien. Ohne an dieser Stelle die Ergebnisse intensiv zu diskutieren'^^ ist auffallig, dass ein Grofiteil der Autoren dem Wort der „Marke" in den eigenen Beitragen eine mehrfache Bedeutung zuschreibt und viele Autoren mit impliziter, aber auch diejenigen mit expliziter Definition, den (z.T. eigenen) Markenbegriff widerspruchlich, zumindest aber sprachlich nicht prazise nutzen, folglich gegen das Kriterium der Eindeutigkeit verstoBen. Zudem ergibt sich, dass die synonyme Verwendung der Termini „Marke" und „Markenartiker' (noch immer) dominiert.'^^ Daneben zeigt sich, dass in Uberblicksartikeln und/oder Dissertationen zum Themenbereich „Marke" eine uberwiegende Anzahl von Autoren bei der Begriffsabgrenzung eine Zweiteilung der Defmitionsansatze vomehmen, aber auch diese Zweiteilung wiederum nicht nach einheitlichen Kriterien erfolgt. Beispielsweise unterscheiden GRAUMANN, HATTY und Schneider, D. (1983a), S. 199. Eben solche logischen Widerspruche sind aber das Hauptproblem der meisten wissenschaftlichen Beitrage zum Themenbereich Marke, vgl. dazu den angesprochenen Anhang A. '^^ Vgl. Chmielewicz (1994), S. 60ff, der u.a. auch auf das Problem der Zirkeldefmition, der Tautologie mittels Definition des Defmiendums durch sich selbst und der Problematik der negativen Begriffsbildung verweist. Zur Subsumierung dieser Kriterien unter die hier verwendeten vgl. u.a. Radnitzky (1989), S. 27ff. '^^ D.h. folglich, dass das Erkenntnisinteresse der Markentheorie „in der Erklarung des Erfolges von Marken" Jenner (1999), S. 149, besteht. Jenner macht diese Aussage ftir die Marketingforschung insgesamt. ^^•^ Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Markenprobleme wurde auf die Prufting des ZweckmaBigkeitskriteriums explizit verzichtet. Doch haufig ergeben sich bereits aus dem Verstofi gegen das Eliminierbarkeitsgebot ZweckmaBigkeitsprobleme, die z.T. angesprochen wurden. *^^ Schenk (1970), S. 40. Die Aussage „babylonische Sprachverwirrung im Markenwesen" hat sich im Schrifttum inzwischen zu einer geflugelten Redewendung entwickelt, vgl. bspw. die Verwendung durch Kelz (1989), S. 20, sich darauf beziehend Bruhn (1994), S. 5, oder Ahlert/Kenning/Schneider (2000), S. 1. Allerdings muss darauf verwiesen werden, dass sich Schenk zwar iiber „die leidige Markenwaren-Terminologie" auslasst und mit Schumpeter iiber die „weitverbreitete Begriffsokonomie" und der Verwirrung auf dem Felde der Markentheorie klagt, er die „babylonische Sprachverwirrung" jedoch explizit in der Dissertation von Walter Huber (1969) ausmacht, vgl. Schenk (1970), S. 39f '^^ Die Ergebnisse sind mit Kommentaren im Anhang A dokumentiert. Auf sie wird im Verlauf der Arbeit an unterschiedlichen Stellen immer wieder zuriickgegriffen. ^^^ Zur Begriindung der synonymen Verwendung und der resultierenden Problematik vgl. unten das Kapitel 2.2.

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Teil II: Die „Marke*' als Erfahrungsobjekt

SATTLER die „Marke" i.e.S. und i.w.S. Wahrend fur die ersten beiden Autoren die „Marke" i.e.S. ein Zeichen ist, argumentiert SATTLER genau gegenteilig und sieht darin die weite Markendefinition.'^^ Neben der Unterscheidung der „Marke" i.e.S. und i.w.S. werden als Ordnungskriterien die Paare formaler vs. inhaltlicher Aspekt,'^^ formales Zeichen vs. physisches Absatzobjekt,'^^ absatzwirtschaftliche vs. verhaltenswissenschaftliche Definition/"^' traditionelle vs. kommunikationsorientierte Sichtweise'^^ oder auch technisch-formale vs. weite-inhaltliche Sicht'^^ genannt, die vordergriindig auf die Unterscheidung der „Marke" als Zeichen und der „Marke" als Absatzobjekt'^"^ abzielen. In den letzten Jahren ist als weitere Dimension (wieder) verstarkt die Sichtweise der „Marke" als Vorstellungsbild hinzugekommen, die sich - trotz der im folgenden aufzuzeigenden Schwachen - verstarkt durch-

Eine erste Klassifikation der in der Literatur vorfindbaren Definitionen ergibt somit, dass sich die Begriffsfassungen der „Marke" im durch die Eckpunkte Zeichen, Absatzobjekte und Wirkungen (bzw. Vorstellungsbilder) aufgespannten Spannungsfeld bewegen,'"^^ das fur den weiteren Gang der Arbeit strukturgebend ist. Die Abbildung 2 visualisiert diese Struktur und dient als Orientierungspunkt sowie als Basis fiir die zu erarbeitenden Aussagen.

Vgl. dazu Graumann (1983), S. 47ff., Hfitty (1989), S. 6ff. und Sattler (2001a), S. 39, bzw. Sattler (1997), S. 9ff. Auch Sander (1994), S. 6ff. untemimmt die Trennung der Marke i.e.S. und i.w.S., beschrankt diese Unterscheidung jedoch auf die Marke als Zeichen und klassifiziert diese nach der Art des Zeichens in die Marke i.e.S. und i.w.S. ' Vgl. Hatty (1989), S. 6ff., oder auch Maier (1999), S. 7ff., der die Marke in inhaltlicher Perspektive auch als Objektbiindel bezeichnet. ' Vgl. Sander (1994), S.5ff. Vgl. Riedel(1996), S. 7. Vgl. Schlaberg (1997), S. 13ff. Vgl. Kriegbaum (2001), S. 30. Wenn im Rahmen dieser Arbeit von Absatzobjekten die Rede ist, sind damit allgemein Leistungsbiindel angesprochen, die sich in Anlehnung an Engelhardt/Kleinaltenkamp/ReckenfelderbMumer (1993), S. 398ff., durch unterschiedliche Materialitats- und unterschiedliche Integrativitatsgrade auszeichnen. Obwohl den Autoren bei der geforderten Ablehnung der Dichotomic von Sachen und Diensten, d.h. bei der theoretischen Unmoglichkeit zur wissenschaftlich prazisen Definition dieser beiden Begriffe anhand der in der Literatur verwendeten konstitutiven Merkmale, inhaltlich entsprochen wird, werden diese Begriffe ohne nahere Abgrenzung in der Folge zunachst aus Griinden der sprachlichen Einfachheit und der tendenziellen Einordnung des Gegenstandsbereiches weiter verwendet, wie es im iibrigen die Autoren seit 1993 tiberwiegend auch selbst praktizieren. Vgl. dazu begriindend z.B. Kleinaltenkamp (1998), S. 42, exemplarisch auch die Beitrage von Paul/ReckenfelderbMumer (1998), S. 633ff. und Engelhardt/Schnittka (1998), S. 915ff., insb. S. 919. Propagiert wird dieser Abgrenzungsversuch durch Meffert/Burmann zunachst (1996a) und (1996b), dann vor allem im Herausgeberband Meffert/Burmann/Koers (Hrsg./2002), findet aber auch auBerhalb der Mitarbeiterschaft Mefferts Verwendung. Vgl. dazu bspw. die aktuellen Aufsatz-Beitrage von EschAVicke (2001), S. 11, Silberer (2001), S. 238, Biel (2001), S. 63, sowie Herrmann/Huber/Braunstein (2001), S. I l l , oder die Dissertationen von Wittke-Kothe (2001), die zwar keine explizite Definition von Marke gibt, sich in ihrer Terminologie aber an Meffert/Burmann (1996a) und (1996b) anlehnt, sowie Maier (1999), S. 21. Auch Esch (2004), S. 23, schlieBt sich in seinem Lehrbuch dieser Auffassung an und formuliert: „Marken sind Vorstellungsbilder in den Kopfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion iibemehmen und das Wahlverhalten pragen." ' Die Einordnung der Definitionen der Literaturanalyse im Anhang A erfolgte daher auf dieser Basis, d.h. die Begriffsverwendung durch die Autoren wurde danach beurteilt, ob der Terminus „Marke" auf der Zeichen-, der (Absatz-)Objekt- oder der Wirkungsebene verwendet wurde.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke** im Spannungsfeld

27^

Abbildung 2: Definitionen der „Marke" im Zeichen-Objekt-Wirkungs-Spannungsfeld in der Literatur Aufgrund begriffsgeschichtlicher Uberlegungen, aus sprachlichen Griinden und zur besseren Orientierung fiir den Leser erfolgt dabei zunachst die Darstellung von Begriffsfassungen auf der Zeichenebene, auf deren Basis auch eine eigene Definition entwickelt wird, welche die aufgezeigten Defizite vermeiden und gleichzeitig alle Ebenen des Spannungsfeldes beriicksichtigten soil. Anschliefiend werden exemplarisch Definitionen vorgestellt, die auf der Absatzobjekt- bzw. Wirkungsebene angesiedelt sind. Diese werden auf Eindeutigkeit gepriift und hinsichtlich ihrer Nutzung problematisiert. Gleichzeitig wird auf diese Weise herausgearbeitet, warum es zu diesen Definitionen kommt: denn fiir die Marlcenfiihrung ist die integrative Betrachtung der Ebenen unerlasslich, da bei alien Entscheidungen die interdependenten Beziehungen zu berucksichtigen sind. Dieser Gedanke wird nun ausgeflihrt, vor allem aber im Kapitel 3 intensiver dargelegt.

28

Teil II: Die „Marke** als Erfahrungsobjekt

2.2

Zur besonderen Eignung von Markendefinitionen auf der Zeichenebene als Ergebnis einer Analyse der terminologischen Schwierigkeiten

2.2.1

Marken als Zeichen mit besonderen Eigenschaften - Die Zeichenebene als zweckmdfiige Abgrenzungsebene

Die zuvor identifizierte Problematik bei der Nutzung des Wortes „Marke" in der praxisorientierten, aber vor allem auch in der wissenschaftlichen Literatur offenbart, dass die Gleichsetzung der Worte „Marke" und „Markenartiker' noch immer vorherrschend ist. Diese synonyme Verwendung zweier unterschiedlicher Worter kann dabei als ein Hauptproblem fur die Definitionsvielfalt und des existierenden Sprachwirrwarrs angesehen werden. Es darf vermutet werden, dass sich dieser noch verstarkt, sollte sich die Idee einer Markenbezeichnung als Vorstellungsbild noch weiter durchsetzen. Aus diesem Grunde wird nun zunachst auf die Zeichenebene eingegangen, damit die anschlieBenden Ausfuhrungen, die sich aufgrund der Begriffsfassungen von „Marke" als Absatzobjekt bzw. als Vorstellungsbild auch der Problematik einer Gleichsetzung von „Marke" und Markenartikel widmen, vom Leser in den Kontext eingeordnet werden konnen. Definitionen der „Marke" auf der Zeichenebene werden in der Literatur aus einer semiotischen, etymologischen, absatzwirtschaftlichen und/oder juristischen Perspektive vorgenommen. Die semiotische Analyse ist dabei zwar deshalb nahe liegend, weil die Semiotik als Lehre von den Zeichen bzw. Zeichenprozessen entwickelt wurde.'^^ Allerdings fiihrt ihre Nutzung nicht immer zur zeichenorientierten Sichtweise der „Marke". Dies ist vor allem damit begriindbar, dass der fiir diese Wissenschaft zentrale Begriff des Zeichens selbst hochst heterogen verwendet wird,'^^ d.h. es werden etwa enge und weite Interpretationen des Zeichens verwendet, die beide in den semiotischen Analysen von Wirtschaftswissenschaftlem genutzt werden. Erstmalig, aber wohl nahezu unbeachtet, wohl von SEITZ fiir die Unterscheidung von „Marken" und Markenartikel auf der semantischen Ebene herangezogen,'^^ verwendet etwa VON DER GATHEN bei seiner Abgrenzung den engen Zeichenbegriff und begreift die „Marke" auf der syntaktischen Ebene als Zeichen,'"^^ oder zieht etwa KELZ den weiten Zeichenbegriff heran,''*' bei dem eine dyadische (z.B. im Sinne SAUSSURES^"^^) Oder eine triadische (z.B. im Sinne von PEIRCE oder MORRIS^'^^) Interpretation des Zeichenbegriffs vorgenommen wird. Aus dieser - wieder einmal - begrifflichen Unscharfe in der „Mutterdisziplin", die von vielen Nutzem der Semiotik nicht gesehen werden, ergeben sich die unterschiedlichen Ergebnisse: Bei der triadischen Interpretation, die '^^ '^^ '^^ '^^

Vgl. zur Semiotik statt vieler das Handbuch von Noth (2000). Siehe dazu z.B. N6th (2000), insb. S. 13Iff., oder die Dissertation von Bentele (1984), insb. S. 80ff. Vgl. dazu Seitz (1971), S. 25ff Vgl. dazu von der Gathen (2001), S. 16ff., der aber den Zusammenhang zum weiten Zeichenbegriff durch die Beziehungen des Zeichens „Marke" zur Sigmatik (Bezeichnetes), Semantik (Zeichenbedeutung) und Pragmatik (Zeichenverwender) implizit herstellt. ^^' Vgl. dazu Kelz (1989). ^^^ Zu einem Uberblick der dyadischen Auffassung von Saussures siehe Krampen (1981), S. 99ff. '^^ Die triadischen Interpretationen von Peirce oder Morris stellen einfuhrend Oehler (1981), S. 15ff., bzw. Posner(1981), S. 51ff,dar.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke" im Spannungsfeld

29^

fast ausnahmslos im Marketing-Bereich herangezogen wird, besteht ein Zeichen in semiotischer Sichtweise aus Zeichentrager, Bedeutung und (Referenz-)Objekt. In der sich derzeit durchsetzenden Terminologie der Semiotik ware die „Marke", wie sie im Folgenden verstanden wird, daher zunachst als Zeichentrager - so die Bezeichnung nach MORRIS - bzw. Reprasentamen - so die Wortwahl bei PEIRCE - zu begreifen. Die einzelnen Unterschiede in der Sichtweise konnen hier nicht vertieft werden, allerdings ist das Gesagte bei den nachfolgenden Ausfuhrungen zu beachten, wenn vom „Zeichen" gesprochen wird. Einzelne semiotische Aspekte werden daher immer wieder aufgegriffen, wenngleich die semiotische Perspektive zur Klarung abzulehnen ist. Eine etymologische, d.h. wortgeschichtHche Annaherung an den Begriff der „Marke" deckt auf, dass das deutsche Substantiv >Marke< seine ursprungliche Form im germanischen >Marka< mit der allgemeinen Bedeutung ,Zeichen' besitzt. Als Bezeichnung fur ein „Grenzzeichen" bzw. „Grenzstein" und im lateinisch-romischen Sprachraum anschlieBend allgemeiner zur Kennzeichnung von personlichem Eigentum genutzt,'"*"* kommt der Terminus dann uber das romanisch-franzosische Sprachgebiet im Zuge der napoleonischen Kriege zu Anfang des 18. Jahrhunderts als >Marque< zuruck ins Deutsche. Aus diesem Wort >MarqueMarkeMarka< war, sondem als „qualifizierendes" Kriterium hat dieses Zeichen auch noch die vom Zeichenverwender intendierte(n) Funktion(en) zu erfullen. Ein Aspekt, der sich auch schon im ersten Satz der Dissertation von LEITHERER niedergeschlagen hat: „Aus dem groBen Gebiet der verschiedensten Zeichenarten scheiden sich die Marken durch eine bestimmte wirtschafthche Zwecksetzung aus. Mit ihrer Anwendung ist immer eine (...) Absicht verbunden."'^^ Zur Differenzierung eines Angebotes sind grundsatzHch aber unterschiedUchste Zeichen nutzbar. So konnen (hier zunachst vereinfachend) bspw. auch Qualitatssiegel (z.B. das WOLL- Oder OKOSIEGEL), Gutezeichen i.w.S. (z.B. die TUV-Plakette), Zertifikate uber die Beachtung bestimmter Produktionserfordemisse (DIN-Normen), Warentesturteile (z.B. „Bester Kuhlschrank im Test"), Bestsellerlisten (z.B. die Sachbuch-Bestsellerliste des SPIEGELS Oder die sog. „Top-20-Charts"), Angaben iiber den Produktionsort (i.e.S. auch das sog. „Country of Origin", z.B. „Made in Germany") und sogar Angaben iiber die materielle Zusammensetzung eines Produktes (z.B. eines koffeinhaltigen Getrankes) die Unterscheidung und damit Identifizierung'^^ ermogHchen.'^^ Die Konzeption dieser Zeichen bringt es jedoch mit sich, dass sie z.T. von mehreren Anbietem im Wettbewerb benutzt werden (bspw. die TUV-Plaketten, QuaHtatssiegel oder die

Die Intentionalitat ist in der Semiotik von Morris dabei grundlegend flir ein Zeichen. Er formuliert: „Ein Zeichen wird im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel gebraucht, wenn es von einem Interpreten als ein Mittel produziert wird, um jenes Ziel zu erreichen; ein Zeichen, das gebraucht wird, ist also ein Mittelobjekt." Morris (1946), S. 368. Obwohl Morris hier explizit von einem Zeichen spricht, meint er in der Terminologie der Semiotik (die er durch seine Abgrenzungen selbst mitpragte) aber eher den Zeichentrager. Diese, auf den Nachfrager abzielende Markenfunktion hat sich aber erst geschichtlich entwickelt. So weist Leitherer (1954/1988), S. 8ff., darauf hin, dass die ersten Handelsmarken zunachst einzig die Funktion hatten, Eigentum anzuzeigen, weniger den Absender von Leistungen im Wirtschaftsverkehr zu identifizieren. Diese Funktion wurde den aus den Hausmarken hervorgegangenen Urhebermarken als sog. Meister-, Zunftund Stadtemarken erstmals zuerkannt. Die konkrete Zielsetzung der Markennutzung ergibt sich dabei aus den jeweiligen Tauschbeziehungen des Markenverwenders, ist also nicht (nur) auf den Absatzmarkt im klassischen Sinne (Produktmarkt), sondem auch auf weitere Markte (Finanzmarkt, Personalmarkt, BeschafEungsmarkt) auszudehnen. Leitherer (1954/1988), S. 1. Roeb (1994), S. 14f., druckt dies ahnlich durch den pragnanten Satz aus: „Ein Zeichen wird somit erst dadurch zur Marke, dass es Giiter unterscheiden soil." Auf den Zusammenhang von „Unterscheidung" einerseits und „Identifizierung" andererseits wird unten im Kapitel 3.2.2.1 vertiefend eingegangen. Die Beispiele lieBen sich beliebig fortfuhren, vgl. ftir einen kurzen Uberblick zu erdenklichen Formen der Heraushebung eines Angebots z.B. Dichtl (1992), S. 4ff. Zu Zertifikaten vgl. etwa Weisenfeld-Schenk (1997), S. 21, Die Relevanz von bspw. Bestsellerlisten im Musikmarkt haben Pierdzioch/Stadtmann (2002), S. 579ff., in ihrem Beitrag iiber Informationskaskaden veranschaulicht.

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Teil II: Die „Marke" als Erfahrungsobjekt

Urteile der STIFTUNG WARENTEST'^^), was eine Unterscheidung, insbesondere auch eine Individualisierung von speziellen Leistungsbiindeln erschwert.'^^ Angaben wie „Testsieger", „Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste" oder spezifische „Inhaltsangaben" erfiillen diese Unterscheidungsfunktion zwar teilweise, aus Anbietersicht ist diese Art der Kennzeichnung eines Angebotes allerdings deshalb aus zwei Grunden problematisch. Denn zum einen sind die Zeichen durch den Anbieter tendenziell hochstens kurzfristig nutzbar, zum zweiten sind sie eigentumsrechtlich nicht ihm zugeordnet. •

Der erste Aspekt ist bei zyklischen Bestsellerlisten offenkundig. Auch zeitpunktbezogene Testurteile umfassen schon zum Testdatum nicht alle Angebote einer Produktklasse als Stichprobe, vor allem konnen (neue) technische Eigenschaften (auf die sich die Priifung uberwiegend bezieht) spaterer Produktgenerationen das Testurteil obsolet erscheinen lassen. Daneben besteht bei Angaben iiber die inhaltliche Zusammensetzung der eigenen Angebotsleistung die Gefahr, dass diese auch den Wettbewerbem zuganghch werden und zur Entwicklung von Imitationen fuhren.'^^ Zudem muss in diesem Zusammenhang angezweifelt werden, dass technische Spezifizierungen als Zeichen von Konsumenten tatsachlich bei der Produktauswahl verwendet werden, d.h. ob durch den Abdruck von Inhaltsangaben auf bspw. Verpackungen der Anbieter seine intendierten Ziele uneingeschrankt verwirklichen kann.



Erganzend kommt der zweite Aspekt hinzu: Im engeren Sinne handelt es sich bei einigen der aufgefiihrten Zeichen zwar um „Marken", die allerdings nicht zu den Zeichen des Anbieters gehoren. Vielmehr werden diese Zeichen von anderen Untemehmungen oder Institutionen vergeben, d.h. sie stellen Absatzleistungen und somit den Kern des Geschaftsmodells anderer Anbieter dar, die meist nicht vertraglich erwerbbar sind, sondem (unterschiedlich reglementiert) im Rahmen der Fremdmarkennutzung zur Verftigung gestellt werden. Die hier angesprochenen und im Mittelpunkt der Abgrenzung stehenden Markenfunktionen erfiillen die (Gute-)Zeichen (etwa TUV-Plakette) ,nur' bei ' Siehe zur Entstehungsgeschichte und zum Zweck der Stiftung Warentest sowie zur Analyse der Wirkungsweise ausftihrlich bereits ToIIe (1983). ' Aus einer juristischen Perspektive geht auf diesen Aspekt auch Fezer (1996), S. 525, ein, wenn er die juristischen Kriterien der Markenfahigkeit darlegt. Siehe daneben auch unten Kapitel 5, indem eine verftigungsrechtliche Analyse erfolgt. * Die Gefahr eines solchen Technologietransfers ist nach Erkenntnissen der Europaischen Kommission insbesondere in der Computer- und (Automobil-)Zulieferindustrie hoch, vgl. Europaische Kommission (2000), S. 4. Siehe aber auch Fehi (1999), S. 140ff., der danach unterscheidet, ob das (Produktions-)Wissen durch den reinen Produkterwerb ubertragbar ist, oder ob sich dieses dem potenziellen Imitator durch Kauf und Analyse nicht erschlieBt. Vgl. zum Verfahren der Patentanmeldung und zur knappen Darstellung der verwendeten Kriterien (Erfmdung als technische Leistung, Neuheitscharakter der Erfmdung, Erfmdungshohe und gewerbliche Anwendbarkeit) Janson (2002), S. 20Iff. Unter bestimmten Umstanden, konnen Anbieter sich die spezifischen Zusammensetzungen ihrer Produkte auch patentrechtlich schiitzen lassen, wobei der patentrechtliche Schutz in Europa allerdings auf hochstens 20 Jahre beschrankt ist und die Patentanmeldung durch die Veroffentlichung der Patentschrift die Offenlegung des Patentinhaltes erfordert, was wiederum eine Imitation in gewissen Grenzen ermoglicht. Daher verzichten einige Untemehmungen bewusst auf diese Moglichkeit. So ist bspw. die Mixtur von Coca Cola nicht patentrechtlich geschiitzt, vgl. dazu auch den Exkurs bei Esch (2004), S. 3. Zu einem Uberblick zum (gegenwartigen) Patentrecht und fiir einen okonomisch begriindeten Reformvorschlag auch grundlegend Janson (2002).

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke^^ im Spannungsfeld

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den Institutionen (TUV, Wollsiegel-Vereinigung), die auch als Eigentumer dieser Zeichen gelten.^^' Fiir diese Institutionen dienen die Zeichen namlich der Abgrenzung ihrer (Prtif-) Leistungen von denen anderer Institutionen. Auf diesen Aspekt wird im Kapitel 6.3.4.3.2 bei der informationsokonomischen Analyse der Markenfunktionen vertiefend eingegangen. Zur Erfiillung der angesprochenen Unterscheidungsfunktion^^^ ist daher die Individualitat des Zeichens erforderlich. Nur diese ermoglicht es dem Anbieter, durch die Nutzung eines Zeichens auch langfristig Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu sichem. Aufgrund dieser Ausflihrungen sind daher zwei Anforderungen (eine materielle und eine formelle) an die „Marke" als Zeichen zu stellen, damit sie die vom Anbieter im Wettbewerb intendierten Funktionen erflillt: 1. Die materielle Anforderung betrifft die Unterscheidbarkeit und somit die inhaltliche Funktionserfiillung der „Marke". Sie umfasst qualitative Anforderungen, die an ein Zeichen zu stellen sind. Zur Erfullung der Unterscheidbarkeit im Sinne des Anbieters gehort dazu primar die Unverwechselbarkeit des Zeichens.'^^ Es sind aber auch Kriterien subsumierbar, die diese Funktionen nur mittelbar beeinflussen (wie z.B. die Wiedererkennbarkeit des Zeichens an sich etc.).'^"^ Da erst diese Unterscheidbarkeit die Identifizierung des Zeichens ermoglicht, leiten sich alle Nachfragerfunktionen daraus ab, d.h. auch der Nutzen fur den Nachfrager basiert auf der Unterscheidbarkeit des Zeichens. Die nutzenstiftenden Moglichkeiten eines so charakterisierten Zeichens werden im Kapitel 6 aus informationsokonomischer Perspektive erklart. 2. Die formelle Anforderung betrifft die SchutzfMhigkeit, d.h. den staatlichen (bzw. supranationalen) Schutz des verwendeten Zeichens, um die intendierten Wirkungen auch zu intemalisieren, d.h. um die Investitionen in die Entwicklung und Bedeutungszuschreibung („Aufladung") des Zeichens zu amortisieren.'^^ Es geht also um den Schutz vor Nachahmem im Wettbewerb. Daher ist es erforderlich, die Zeichennutzung zu monopolisieren, d.h. dem Nutzer eines Zeichens muss gleichzeitig ein Verfugungsrechtsbiindel zugeordnet werden, das Konkurrenten von der Nutzung des Zeichens ausschlieBt bzw. sie daran hindert, sich bei der Gestaltung ihres Zeichens eng an das geschiitzte Zeichen anzulehnen. Als entscheidende Begriffe des Markenrechts gelten daher auch die (sprachliche) (Un-) Vgl. zur Wirkung von Qualitatssignalen und Gutezeichen etwa GierlAVinkler (2000), S. 197ff, zur Entstehung von Gutezeichen als Reaktion auf die Schutzfahigkeit sog. Verbandszeichen (Kollektivmarken) auch die Abhandlung von Nicklisch (1969). Er diskutiert im Bezug auf Gutezeichen auch die (damalige) Rolle des Reichsausschusses fur Lieferbedingungen (RAL), urspriinglich Ausschufi fur Lieferbedingungen und Gutesicherung beim Deutschen NormenausschuB (DAN), oder aktuell auch knapp Wadle (2001), S. lOOf Die Prazisierung der Markenfunktionen erfolgt unten im Kapitel 3.2. Dies verdeutlicht, warum „Unterscheidungsfiinktion" und „Individualisierungsfunktion" als Synonyme gebraucht werden konnen. Siehe hierzu bspw. Behrens (1994), S. 201, der auf die Theorie des Wiedererkennens verweist und als Gestaltungskriterien Einfachheit, Einheitlichkeit und Kontrast nennt. Diese Kriterien konnen hier nur angedeutet werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um generalisierbare Kriterien handelt. Dazu auch Sander (1994), S. 11, bei seinen Ausflihrungen zur Monopolisierungsfiinktion.

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Teil II: Die „Marke'^ als Erfahrungsobjekt Ahnlichkeit und (Un-)Verwechselbarkeit der Zeichen.^^^ Die Erklarung der Notwendigkeit einer Zuordnung zumindest temporarer Monopolrechte als Anreiz im Wettbewerb mit Bezug auf Markenrechte erfolgt aus diesen Grunden im Kapitel 5.

Beide Anforderungen (Unterscheidbarkeit und Schutzfahigkeit) sind als Basis fiir die konstitutiv-originaren Markenflinktionen (Unterscheidungsfunktion und Intemalisierungsfunktion) zu begreifen, auf die unten im Kapitel 3 nochmals vertiefend eingegangen wird. Die vorgetragene Argumentation hinsichtlich der Intemalisierungsfunktion^^^ bedingt somit die juristische Perspektive der Abgrenzung von „Marken" als Zeichen. Der rechtliche Schutz von Zeichen ist in Deutschland explizit im „Gesetz liber den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen" (MarkenG) geregelt, das in der gegenwartigen Form zum 01.01.1995 in Kraft trat. Allerdings sind (abgedeckt durch § 2 MarkenG) zur Klarung von Markenrechtsstreitigkeiten in Deutschland auch die Normen des UWG, des BGB sowie des HGB zu beriicksichtigen, auf supranationaler Ebene zudem die Pariser Verbandsiibereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVU), das Madrider Abkommen tiber die intemationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken (MMA) und die GemeinschaftsmarkenVerordnung (GMarkenV) sowie teilweise jeweils nationale Vorschriften anderer Staaten.'^^ In diesem Zusammenhang unterscheidet WADLE auch einen engen Begriff Markenrecht, der sich ,nur' auf die Normen bezieht, in denen der Markenschutz explizit geregelt ist, und einen weiten Markenrechtsbegriff, der auch den Markenschutz in weiteren Normen betrifft.^^^ Dem engen Bereich zugehorig ist das MarkenG, in dem geschaftliche Bezeichnungen („Untemehmenskennzeichen" und „Werktiter'; § 5 MarkenG) und geographische Herkunftsangaben (§§ 126-139 MarkenG) als schutzfahige Kennzeichen neben die „Marken" gestellt werden, die der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 defmiert. Allerdings sind „die Grenzen zwischen den drei hier naher charakterisierten Kennzeichenrechten (...) in der Praxis nicht immer klar zu Ziehen. (...) Ein Zeichen kann also Funktionen verschiedener Kennzeichenarten zugleich erflillen."'^^ Explizit als „Marke" konnen

Siehe zu einer so gerechtfertigten Ausweitung des Markenschutzes ,beruhmter Marken' auch Wadle (2001), S. 103f., der auch auf den Beitrag von Elsaesser (1959) „Der Rechtsschutz beriihmter Marken" verweist. In etwas anderer Form spricht auch Schlaberg (1997), S. 17, von Intemalisierung, wenn er darstellt, dass erst die Nutzung eines Zeichens die Werbung fiir das damit markierte Produkt ermogliche: „Durch das Markenzeichen wird eine Intemalisierung des Werbeerfolges fur das markenftihrende Untemehmen moglich." Hier wird ausgefuhrt, dass das Markenzeichen mit seiner Unterscheidbarkeit zwar notwendige, dessen Schutzfahigkeit aber hinreichende Bedingung fur die Intemalisierung ist. Vgl. dazu z.B. Schroder (2001a), S. 31 Iff., Schroder (2001b), S. 267ff., zum Zusammenhang von Wettberbsrecht und Markenrecht explizit auch Helm (2001), S. 291. ' Vgl.Wadle(2001), S. 82. Von der Gathen (2001), S. 50-51, der den Kennzeichenschutz ausftihrlich (S. 45-64) behandelt und explizit auch auf Werktitel, Untemehmenskennzeichen sowie geographische Herkunftsangaben eingeht. Wenn in der Folge daher allgemein von Marken gesprochen wird, ist zu bedenken, dass damit nicht die juristisch zweifelsfreie Bezeichnung gemeint sein kann.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke" im Spannungsfeld

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„alle Zeichen, insbesondere Worter einschlieBlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Horzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschlieBlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschlieBlich Farben und Farbzusammenstellungen geschiitzt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Untemehmens von denjenigen anderer Untemehmen zu unterscheiden."'^' Vor diesem Hintergrund wird hier daher auch die Auffassung vertreten, dass sich die - in der betriebswirtschaftlichen Literatur haufig getrennt dargestellten^^^ - juristische und die absatzwirtschaftliche Perspektive erganzen bzw. gegenseitig bedingen. Denn wahrend die juristische Perspektive die Schutzfahigkeit des Zeichens in den Vordergrund riickt und dabei auch dazu dient, den Eigentiimer der Marke vor seinen Wettbewerbem zu schiitzen, geht es bei der absatzwirtschaftlichen Perspektive um die Nutzung des Zeichens im Tauschprozess. Diese Nutzung erfordert aber die rechtliche Schutzfahigkeit, um die mit der Nutzung intendierten Ziele nachhaltig zu erfiillen. Aufgrund dieser Ausfiihrungen liegt der Arbeit die folgende Definition zu Grunde:

Die Definition ist dabei bewusst so (weit) formuliert, dass auch sog. Vorratsmarken, d.h. Zeichen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht oder nicht mehr zur Kennzeichnung von Leistungsbiindeln im Wettbewerb genutzt werden, dem Begriff der Marke subsumiert werden konnen, da diesen Zeichen eine zukiinftig (wieder) wachsende Bedeutung zukommen kann.^^^ Auch ist es denkbar, dass Markenkonzepte'^"^ entwickelt werden, bei denen noch kein

Vgl. fiir einen knappen historischen Abriss der Markenrechtsentwicklung in Deutschland bspw. Wadle (2001), S. 75ff., insb. S. 91ff., m.w.N. Vgl. dazu z.B. Graumann (1983), S. 43ff. bzw. 46ff., Roeb (1994), S. 13ff. bzw. 18ff, Irmscher (1997), S. 6ff., oder Kriegbaum (2001), S. 27ff. bzw. S. 30ff. Die Trennung kommt auch noch bei Meffert/Burmann/ Koers (2002), S. 6, zum Tragen, wenn sie das „gewerbliche Schutzrecht" neben die „eigentliche Marke als Vorstellungsbild" stellen. Im Gegensatz etwa zu Roeb (1994), S. 13ff, der seine Arbeit zum einen aber noch zu einer Zeit anfertigte, in der diese Vorratsmarken noch nicht schutzfahig waren, und der zum zweiten die Markenbewertung zum Ziel hatte. Gerade diese ist aber bei Vorratsmarken mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, da die Prognose von auf die Marke zuriickzufuhrenden Zahlungen bei Vorratsmarken als ein kaum losbares Problem erscheint. Trotzdem konnen Vorratsmarken auch ohne Objektbezug einen Wert besitzen, vgl. dazu bereits Isay (1929), S. 28. Der Begriff des Markenkonzeptes soil hier verstanden werden als der von einem Markeneigentiimer verfolgte Ansatz, seinem Zeichen Geltung im Wettbewerb zu verschaffen, wobei dies neben der Markenelementsgestaltung noch die Leistungsbundelebene und die intendierten Wirkungen betrifft, die von der Marke ausgehen. Hierauf wird intensiver in Kapitel 3 eingegangen.

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Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt

konkretes Leistungsbiindel als zu markierendes Produkt konzipiert ist/^^ sondem die im ersten Schritt lediglich auf die Bekanntmachung und „Aufladung" (verstanden als Verbindung mit bestimmten Assoziationen) des Zeichens abzielen.'^^ Dieses wird auch durch die Wortwahl „anbietbare Leistungsbiindel" gestutzt, die zugleich Zukunftsoffenheit in dem Sinne ausdriickt, dass zu bestimmten Zeitpunkten noch nicht klar sein kann, welche Produkte zukiinftig erfolgsversprechend mit dem Zeichen markiert angeboten werden konnen.'^^ Die Marke, verstanden als ein solches Zeichen(-bundel), kann dabei in jeder erdenklichen Form existieren, die durch die menschlichen Sinne wahmehmbar ist und bezieht sich vereinfacht auf die in § 3 MarkenG aufgezahlten Zeichenformen. Damit sind Wort-, Bild-, Form-, Farb- und Hormarken angesprochen. Allerdings spricht bspw. FEZER Bezug nehmend auf § 3 MarkenG (wohl bewusst) von einem „nicht abschliefienden Beispielskatalog"'^^ und propagiert mit seiner Aussage, wonach die „menschliche Sensorik (...) die Vielfalt der rechtlich anzuerkennenden Markenformen"'^^ bestimmen, eine teleologische Auslegung des MarkenG. So kann begriindet werden, dass auch Geruchs-, Geschmacks- und Tastmarken durch die Norm geschiitzt sind.'^^ Daneben ermoglichen so verstandene Marken bei der Kennzeichnung aller erdenklichen Absatzleistungen auch die Nutzung bereits bestehender Assoziationen oder deren Aufbau durch weitere Bemuhungen des Anbieters. Dass individuelle, aber bisher unbekannte Zeichen bereits Assoziationen hervorrufen konnen, zeigt z.B. die umfassende Literatur zur Markennamensentwicklung. Deshalb kann auch der Kritik von ROEB begegnet werden, der davon ausgeht, dass lediglich Zeichen mit (aufgebauter) Assoziationskraft als Marken aufzufassen sind.'^' In der Begriffsexplikation sind also die Eckpunkte des identifizierten Spannungsfeldes (Zeichen, Absatzobjekte und Wirkungen) der existenten Markenbegrifflichkeiten und damit auch der Markenfuhrungskonzeptionen beriicksichtigt, wodurch auch verdeutlicht wird, dass Marken(namens)agenturen bieten die Markenentwicklung als spezielle Dienstleistung an, wobei diese Namensentwicklung nicht nur auftragsbezogen, sondem auch „auf Vorrat" erfolgt. In der juristischen Literatur spricht man hier auch von sog. „Spekulationsmarken", siehe dazu Fiillkrug (1994), der rechtsvergleichend der Frage nachgeht, ob die Schutzfahigkeit dieser Marken Missbrauchsmoglichkeiten nach sich zieht. In einem weiteren Schritt konnte der Markeneigentiimer die Markenrechte dann verkaufen oder lizenzieren. Gerade durch die Moglichkeiten des Internet scheinen solche MaBnahmen als Geschaftsidee durchaus realisierbar. Man denke bspw. an das „BLAIR WITCH PROJECT", einen Film, der erst lange nachdem im Internet bereits iiber den Inhalt diskutiert wurde in Produktion ging und mit vergleichsweise kleinem Budget sowie nahezu ohne klassische Werbung groBen (auch kommerziellen) Erfolg hatte. Dieser Gedanke kann hier aber nicht vertieft werden. Hammann (2002), S. 350, nennt in diesem Zusammenhang das Beispiel der Marke LIFT, die zunachst dazu verwendet wurde, ein Limonadengetrank zu markieren und heute (nach einer Zeit der Marktabstinenz) fur die Kennzeichnung eines Apfelsaftschorle Verwendung fmdet. Daneben zielen gerade Konzepte wie der Markentransfer darauf ab, (eingefiihrte) Marken auf neue Produkte zu iibertragen. Die Transfermoglichkeiten ergeben sich aber haufig erst im Laufe des Markenlebenszyklus. Fezer(1999), S. 575. ' Fezer(1999), S. 576. Auch Wadle (2001), S. 108, der von Duft- bzw. Riech-, Spiir- und Schmeckmarken spricht, geht davon aus, dass diese durch die Norm abgedeckt sein „durften". Zu diesen Markenformen vgl. unten Kapitel 3.4. Siehe Roeb (1994), S. 14.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke^* im Spannungsfeld

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diese Ebenen interdependent sind. Eben diese Interdependenz scheint die Begriindung dafur zu sein, dass existierende Markenbegrifflichkeiten auf alien identifizierten Ebenen angesiedelt sind. Auf der Basis der entwickelten Begriffsabgrenzung sollen daher nun weitere Markendefinitionen analysiert, dadurch die Interdependenzen verdeutlicht und alternative Begrifflichkeiten fur die in anderen Veroffentlichungen auch als „Marke" bezeichneten Untersuchungsgegenstande eingefiihrt werden. Dies ist keineswegs Ausdruck eines nominalistischen Wissenschaftsziels. Vielmehr wird durch die Ordnung der Begriffe ein Beitrag zur Markentheorie geleistet.

2.2.2

Mehrdeutigkeitsprobleme der Markendefinitionen auf der Absatzobjektebene - Zur Notwendigkeit einer Trennung der Begriffe Marke, Markenprodukt und Markenartikel

Neben den als zeichenorientiert charakterisierbaren semiotischen, etymologischen, juristischen und absatzwirtschaftlichen Markendefinitionen existieren in der Literatur - wie erwahnt - haufig auch solche, die eine „Marke" als Absatzobjekt begreifen. Diese Auffassung resultiert dabei vor allem aus der synonymen Verwendung der ursprunglich unterschiedliche Begrifflichkeiten benennenden Worter „Marke" einerseits und Markenprodukt, Markenware bzw. Markenartikel andererseits. Anfanglich wurde als Markenartikel (bzw. Markenware) namlich ein mit einem Zeichen des Herstellers (=Marke) gekennzeichnetes Absatzobjekt verstanden, das sich durch das Zeichen von nicht-markierter Ware unterscheiden sollte. In den meisten aktuellen Arbeiten werden diese zu trennenden Ebenen bei der Erarbeitung der Entwicklungsgeschichte der „Marke" vermengt, wenn uber das MarA^^wverstandnis im Zeitablauf berichtet wird, dabei aber unterschiedliche Mar^^/ta/'^i/r^/auffassungeii und in deren Folge unterschiedliche Markenfuhrungsansdtze diskutiert werden.'^^ Denn wahrend in den ersten Jahren der wissenschaftlichen Auseinandersetzung eine strikte Trennung durchgehalten wurde, hat sich die Gleichsetzung erst im Laufe der Zeit - wie es scheint aus Vereinfachungsgriinden durchgesetzt bzw. „eingeschlichen". Indem er darauf hinweist, dass die „Doppelbedeutung" zunachst bei Worten wie Herstellermarke oder Handlermarke existierte,'^^ bei denen sprachlich korrekt eigentlich von Hersteller-Markenartikel bzw. Handler-Markenartikel die Rede sein miisste, arbeitet LEITHERER in seiner historischen Darstellung zur Entwicklung des

Dies ist in den Darstellungen von Meffert/Burmann (1996a), (1996b) und (2002a), S. 18ff., sowie Bruhn (1994), S. Iff., ersichtlich, auf die sich die meisten weiteren Autoren (z.B. Baumgarth (2004), S. 21ff., Kriegbaum (2001), S. 32ff., Weiss/Huber (2000), S. 29ff.) schwerpunktmaBig beziehen, kann daneben auch im Beitrag von Merten (2003a) ausgemacht werden. Siehe jiingst wieder Bruhn (2003), S. 18Iff. Die Markenerscheinungsformen, zu denen auch die Hersteller- und Handlermarke gehoren, werden unten in Kapitel 3.4 intensiver diskutiert.

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Teil II: Die ,,Marke^' als Erfahrungsobjekt

Markenwesens diesen Aspekt heraus,'^"^ der in der Folge von den meisten Autoren aber missachtet wird. Als Begriindung flihrt LEITHERER aus, dass im Gegensatz zur zunachst (wert-) neutralen Verwendung des „Marken-" und „Markenartikelbegriffs" der Terminus des Markenartikels als ursprunglich mit einem Zeichen versehene Angebotsleistung ziemlich schnell eine qualitative Konnotation erhielt. Noch bei FINDEISEN wird der Begriff Markenartikel „sehr weit gefasst (...)• Negativ ausgedriickt umfasst er alle Waren, welche nicht anonym, sondem mit einem Namen oder Zeichen versehen in den Handel kommen."'^^ Markenartikel und Markenware waren somit von unmarkierten Produkten zu trennen, wobei die Anzahl markierter Produkte im Wirtschaftsleben noch iiberschaubar, gleichzeitig aber stetig zunehmend war. LEITHERER bezeichnet diese Phase deshalb als „monistisch", weil darin noch kein Unterschied zwischen den Termini Markenartikel (der bevorzugt wird) und ,Markenware' gemacht wird.'^^ Die qualitative Konnotation erhalt der Begriff in der sich anschliefienden „dualistischen" Phase, in der dann der Begriff des Markenartikels von dem der Markenware (als ,nur' markierte Ware) getrennt wurde. Der Begriff des Markenartikels sollte nur denjenigen markierten Leistungen vorbehalten sein, die sich durch eine vergleichsweise hohere Qualitat auszeichneten.'^^ Durch diese Umdeutung des Markenartikelbegriffes gelangte gleichzeitig eine normative Komponente in die Diskussion, d.h. es wurde die Auffassung vertreten, dass flir einen nachhaltigen Erfolg der Absatzbemuhungen besondere Anstrengungen notwendig waren, durch die dann ein („echter") Markenartikel als uberlegene Form gegenuber der „nur" mit einem Kennzeichen versehenen Waren (Markenware bzw. „unechter" Markenartikel) entstand.'^^ Daraus resultiert jedoch ein „Unterscheidungsdilemma" zwischen echten und unechten Markenartikeln, wobei etwa BEREKOVEN die Frage aufgeworfen hat, ob eine solche Abgrenzung iiberhaupt moglich ist.'^^ Erganzend muss zudem die Frage erlaubt sein, ob die Unterscheidung iiberhaupt notwendig ist. Zweifelsfrei steht es aus einer wissenschaftlichen Perspektive im Mittelpunkt, diejenigen Faktoren festzustellen, die flir den Erfolg absatzpolitischer MaBnahmen verantwortlich zeichnen. Erfolgreiche als „echte", weniger erfolgreiche als „unechte" Markenartikel zu bezeichnen, greift aber auch deshalb zu kurz, weil viele Faktoren vom markenfiihrenden Untemehmen nicht beeinflusst werden konnen/^^ Im Mittelpunkt der Betrachtung stand also das Ziel absatzpolitischer Bemiihungen, bei der - wie bereits GOLDACK ausfuhrte - „das Markenwesen in der Form einer Pyramide dar(ge)stellt (wird), in

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Vgl. dazu Leitherer (1954/1988), S. 86ff., insb. S. 91. Findeisen(1924), S. 32. Siehe hierzu Leitherer (1954/1988), S. 75ff. Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 77. Vgl. hierzu auch Berekoven (1992), S. 42. Vgl. Berekoven (1992), S. 42. Die Unterscheidung zwischen „echten" und „unechten" Markenartikeln war (und ist) aber wohl eher flir die Mitglieder des Markenverbandes als „Abgrenzungskriterium" gegenuber Nicht-Mitgliedem relevant. Siehe hierzu bereits die Einschatzung von Alewell (1974), Sp. 1217. Vor diesem Hintergrund muss auch die oben angesprochene Definition von Bruhn (2003), S. 180, bzw. Bruhn/GEM (2003), S. 17f. eingeordnet werden.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke^* im Spannungsfeld

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der der Markenartikel die ,reprasentative Spitze' bildet, wahrend dem Begriff der Markenware eine ,etwas allgemeine Bedeutung' zukommt; er umfaBt alle die Waren, die zwar eine Marke tragen, aber nicht die Voraussetzungen des Markenartikels erfiillen."^^' Diese Uberlegungen konnen gegenwartig noch immer - oder schon wieder - bei den meisten Arbeiten zur Markenftihrung festgestellt werden, d.h. auch heute wird die „Marke" tendenziell als Ziel und nicht als Mittel definiert. So finden sich die Grundiiberlegungen von GOLDACK mit einer etwas veranderten Terminologie und mit anderen Kriterien momentan in dem als „Markenerfolgskettenansatz" propagierten Abgrenzungsversuch von BRUHN/GEM wieder, wo es scheinbar nur um diesen Aspekt geht.^^^ Beispiele lassen sich auch fiir die spater im Mittelpunkt stehenden Defmitionen auf der Wirkungsebene fmden.'^^ Im Laufe der Entwicklung von Begrifflichkeiten auf der Absatzobjektebene wurden unterschiedliche Merkmalskataloge^^"^ erarbeitet, deren konstitutive Kriterien (sachgutzentrierte) Angebotsleistungen zu erfullen hatten, um auch als Markenartikel zu gelten. Die bekannteste und heute haufig als „klassisch" bezeichnete Definition ist diejenige von MELLEROWICZ. Wenn man die Originalquelle komplett zitiert, ist dabei den oft vorfindbaren Missverstandnissen zu begegnen, bei denen MELLEROWICZ ein merkmalsorientiertes Markenverstandnis

Goldack (1948), S. 22-24, zitiert nach Leitherer (1954/1988), S. 88. Vgl. Bruhn/GEM (2003), S. lOff. Obwohl die dargelegten Kriterien sinnvoll sind und fiir Abgrenzungen auf der Absatzobjektebene herangezogen werden konnen, vermengen Bruhn/GEM (2003) aber geradezu fahrlassig die Zeichen- und Absatzobjektebene, vor allem, wenn sie etwa zunachst die Legaldefinition des MarkenG heranziehen, um tatsachlich im nachsten Satz zu formulieren: „Der Schutzgegenstand des Markengesetzes umfasst heute Marken (Waren und Dienstleistungen)", Bruhn/GEM (2003), S. 8. Denn Schutzgegenstand sind eben als Zeichen defmierte Marken. Diese mit Waren oder Dienstleistungen gleichzusetzen kommt einer grundlegenden Fehldeutung des Markengesetzes gleich. Dies kommt in Formulierungen zum Ausdruck wie: „Eine Marke wird nach dieser Begriffsfassung (der wirkungsbezogenen, A.d.V.) dann geboren, wenn sie ein positives, relevantes und unverwechselbares Image bei den Konsumenten aufbauen kann." Esch (2004), S. 23. Zum einen sind dieser Aussage dabei Probleme der Verwendung biologischer Vorbilder - wenngleich hier nicht explizit fUr die Theorien-, sondem zur vorgelagerten Begriffsbildung genutzt - inharent. Vgl. zu diesen Problemen ausftihrlich Schneider, D. (1997a), S. 27ff., mit dem in (freier) Abwandlung formuliert werden konnte: „An Konsumentenkopfen geknupft Geburt und Sterben einer Marke festzumachen, erlaubt keine betriebswirtschaftliche Erklarung, warum Marken existieren." Schneider, D. (1997a), S. 30, der dies ahnlich ftir die Unhaltbarkeit biologischer Vorbilder fiir „Untemehmungen" auBert. Der Verwendung von Vorbildem weniger kritisch gegeniiber steht hingegen Feyerabend (1983), S. 368, der dies am Ubergang des biologisch gepragten Weltbildes von Aristoteles zum mechanistisch gepragten Weltbild von GALILEO GALILEI veranschaulicht. Gerade aufgrund der Uneinigkeit in dieser Frage ist der zweite Punkt umso bedeutender: Denn bereits an dieser Stelle sollte darauf verwiesen werden, dass in der Aussage von Esch ein - uniiberbriickbarer - Zirkelschluss enthalten ist: Denn wenn „etwas" (hier die Marke) bei Erreichen bestimmter Kriterien geboren wird, stellt sich die Frage, was dieses „etwas" vorher ist. Wenn Esch formuliert, die „Marke" wird geboren, wenn „sie" irgendwas erreicht hat, bleibt neben dem Zirkelproblem eben offen, was „sie" vorher ist und/oder welches „etwas" gleichzeitig einen „Vormarkenstatus" und einen „Markenstatus" besitzen kann. Die Ursache- (bzw. Mittel-)Ebene wird mit der Wirkungs- (bzw. Zweck-)Ebene vermengt. Diese Aspekte stehen im Mittelpunkt des Kapitels 2.2.3 und werden folglich dort vertiefend aufgegriffen. So verweist Leitherer (1954/1988), S. 78, neben Goldack auch auf die Arbeiten von Schmierer (1940), S. 49-52. Vgl. fiir eine Synopse der Merkmale von Markenartikeln in den Auffassungen von Findeisen (1924), Sellert (1927), PoUert (1930), Goldack (1948), Seyffert (1951), Roper (1955), Gutenberg (1955/1984), Henzler (1953), Koch (1950), Mellerowicz (1955/1963) und Bergler (1956) auch die Zusatzseite in der Arbeit von Dubber (1969), ggu. S. 16.

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(d.h. die Deutung der Marke auf der Absatzobjektebene) unterstellt wird.'^^ Auch MELLEROWICZ fasst die Marke als Kennzeichen auf. Merkmalsorientiert ist lediglich sein Verstandnis des Markenartikels: „Markenartikel sind fiir den privaten Bedarf geschaffene Fertigwaren, die in einem groBeren Absatzraum unter einem besonderen, die Herkunft kennzeichnenden Merkmal (Marke) in einheitlicher Aufmachung, gleicher Menge sowie in gleichbleibender oder verbesserter Giite erhaltlich sind und sich dadurch sowie durch die fiir sie betriebene Werbung die Anerkennung der beteiligten Wirtschaftskreise (Verbraucher, Handler und Hersteller) erworben haben (Verkehrsgeltung)."^^^ Aufgrund standig notwendiger Revisionen der einen Markenartikel konstituierenden Kriterien^^^ entwickelten sich im Zeitablauf neben dieser merkmalsorientierten Definition des Markenartikels weitere, ebenfalls auf der Anbieterseite ansetzende Abgrenzungsversuche, bei denen nicht mehr ein Produkt mit seinen besonderen Eigenschaften, sondem die kompletten Bemiihungen des Anbieters im Vordergrund standen.'^^ Aus diesen Auffassungen resultierten schlieBlich die Sichtweisen, die den Markenartikel nicht mehr anbieterseitig sondem nachfragerseitig abgrenzen, wobei diejenigen markierten Produkte als (iberlegen und damit als Markenartikel gelten, die Erfolg bei den Nachfragem haben.'^^ Die am haufigsten zitierte Definition stammt von BEREKOVEN, der die Meinung vertritt, „dass alles, was die Konsumenten als Markenartikel bezeichnen oder - besser - empfinden, tatsachlich ein solcher ist."^^^ Damit bleibt als vorrangiges Merkmal des Merkmalskataloges von MELLEROWICZ die Verkehrsgeltung erhalten, unabhangig davon, wie diese bzw. der „Erfolg" eines Markenartikels im Markt operationalisiert wird. Als Operationalisierungsansatze wird vor allem auf verhaltenswissenschaftliche GroBen zuruckgegriffen,^^' wobei sich bereits GRAUMANN kritisch mit dieser Abgrenzung beschaftigt hat und darauf verweist, dass auch

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Vgl. zur merkmalsorientierten Deutung des Markenbegriffes von Mellerowicz in den ietzten Jahren statt vieler Weis/Huber (2000), S. 31, Sitte (2001), S. 82, oder Meffert/Burmann (2002a), S. 20, die jeweils in der Textstelle fiir Markenartikel „Marken" setzen, die dadurch resultierende logische Problematik (Marken waren durch Marken gekennzeichnet) unkommentiert lassen. Siehe zudem auch die Beitrage von Merten (2003a), S. 26, Baumgarth (2003), S. 26, und Bruhn (2003), S. 180, die diesem Missverstandnis sogar trotz korrekter Quellendokumentation unterliegen. Mellerowicz (1955/1963), S. 13, (Hervorhebungen nicht im Original). Auf die Bedeutung und Wurdigung der Kriterien kann an dieser Stelle aufgrund der umfangreichen Literatur verzichtet werden, vgl. dazu exemplarisch wiederum Meffert/Burmann (2002a), S. 20ff., sowie kritisch von der Gathen (2001), S. 20ff. Vgl. zur Kritik bereits Thurmann (1961), S. 15, zusammenfassend auch von der Gathen (2001), S. 23f. Diese werden auch als angebots- oder absatzsystemorientierte Marken(«r///:e/)ansatze bezeichnet, vgl. statt vieler Meffert/Burmann (2002a), S. 20f Als Vertreter dieser Ansatze wird vor allem Hansen (1970), S. 64, genannt, der bei der Herleitung dieses absatzsystemorientierten Markenartikelverstandnisses auch eine kritische Analyse der bis dahin vorherrschenden Begriffsauffassungen vomimmt. Insbesondere der Beitrag von Aleweli (1974), Sp. 1218ff., im Handworterbuch der Absatzwirtschafl hat dann zur Verbreitung beigetragen. Vgl. zu dieser Entwicklung wiederum Bruhn (1994), S. 7ff, oder Meffert/Burmann (2002a), S. 23fr. Berekoven (1978), S. 43. Obwohl Berekoven in diesem Zitat ausdrucklich von Markenartikeln spricht, verwendet auch er die Begriffe Marke und Markenartikel synonym. Neben Berekoven entwickelte bereits Thurmann (1961), S. 17, diese wirkungsbezogene Auffassung. Vgl. dazu Hatty (1989), S. 19f.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke*^ im Spannungsfeld

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BEREKOVEN „wohlweislich" davon absieht, das Merkmal „Erfolg" zu prazisieren.^^^ Fraglich ware z.B., ab welchem (und wie gemessenen) Bekanntheitsgrad (70% oder 71,35%) ein markiertes Produkt als Markenartikel zu gelten hat. Ohne an dieser Stelle zunachst intensiver auf diesen Wirkungsbezug einzugehen,"^^^ sollen die Begrifflichkeiten der „dualistischen Phase" leicht modifiziert auch fur die folgenden Ausfuhrungen Giiltigkeit besitzen: Als Marken gelten oben definierte (Kenn-)Zeichen mit besonderen Eigenschaften, Markenprodukte (bzw. Markenleistungsbiindel) sind mit Marken gekennzeichnete Leistungen und als Markenartikel werden schlieBlich lediglich sachgutzentrierte Markenprodukte aufgefasst, die bestimmte, jeweils zu spezifizierende Wirkungen erfiillen. Auf den Begriff des Markenartikels soil im Folgenden aber zum einen deshalb verzichtet werden, da dienstleistungszentrierte „erfolgreiche" Markenprodukte von diesem nicht erfasst werden.^^"^ Zum zweiten, weil der Terminus - wie oben gezeigt - zudem eher das Ergebnis bzw. Ziel der absatzpolitischen Bemiihungen umfasst. Es wird daher der neutrale und umfassendere Begriff des Markenproduktes oder des Markenleistungsbiindels genutzt und dem Begriff der Marke als Zeichen gegeniibergestellt. Diese Trennung zwischen Zeichen und Absatzobjekt wird dabei entgegen der Auffassung von BRUHN vertreten, fur den es „wenig sinnvoll (erscheint), eine begriffliche, willkiirliche Trennung zwischen einem Markenartikel und einer Marke vorzunehmen, (denn, A.d.V.) die Unterscheidung ist allenfalls graduell und wird von den Kunden ohnehin kaum wahrgenommen."^^^ Das Argument von BRUHN mag zwar dann Geltung besitzen, wenn die Worte „Marke" oder Markenartikel als „Qualitatsindikatoren" in der Absatzpolitik von Anbietem Verwendung fmden sollen,^^^ kann aber nicht im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung herangezogen werden. Denn es macht einen bedeutenden Unterschied, ob ein individuelles Zeichen (Marke) als Erfahrungsobjekt behandelt wird, oder ob ein oder mehrere Produkte mit einer Fulle von Eigenschaften im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, von denen ein Merkmal ein individuelles Zeichen ist:

Grauinann(1983), S. 68f. Vgl. dazu unten Kapitel 2.2.3. Auf diese Problematik verweist auch Graumann (1983), S. 64ff., der aufgrund der wortgeschichtlichen Deutung des Wortes „Artiker' als „Handelsgegenstand" bzw. „Ware" sowohl die Bezeichnung Markenartikel als auch Dienstleistungs-Markenartikel fiir gekennzeichnete Dienste ablehnt. Bruhn(1994), S. 9. Diese Verwendung, d.h. die Verwendung des Wortes „Marke" als Marke, d.h. die bewusste Nutzung der von dem Wort ausgehenden Assoziationen - bereits Romer (1968), S. 85, hat diesen Aspekt in einem leicht modifizierten Zusammenhang als „steigemde Komposition" herausgestellt - scheint sowohl in der Praxis (z.B. erkennbar bei Formulierungen „Bei uns kaufen Sie Marken" oder „Die Marke ,Meffert' schreibt mit seinem Team iiber Marke", wie es vom Gabler Verlag auf dem Buchriicken des Herausgeberbandes Meffert/ Burmann/Koers (2002) formuliert wurde), aber auch in der Wissenschaft praktiziert zu werden. Vgl. dazu bspw. die angesprochene Monographic von Haedrich/Tomczak/Kaetzke (2003) mit dem Titel „Strategische Markenfiihrung", obwohl es sich eher um ein Grundlagenwerk zum Marketing handelt. Allerdings muss an dieser Stelle auch darauf verwiesen werden, dass sich eine trennscharfe Abgrenzung des Marketing von der Markenfiihrung bei einem umfassenden Markenfiihrungsverstandnis (Stichwort: „Markenfiihrung als MetaInstrument des Marketing", SohnAVeliing (2002), S. 2) als schwierig erweist.

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Teil II: Die „Marke^^ als Erfahrungsobjekt

BRUHN selbst erliegt in seinem eigenen Beitrag von 1994 - und abermals im Jahr 2003 - dem aus einer sprachlich nicht eindeutigen Begriffsabgrenzung resultierenden Problem, wenn er die Dachmarke dadurch charakterisiert, „dass samtliche Produkte eines Untemehmens unter einer einheitlichen Marke angeboten werden"^^^. Unter einer „Marke" konnen allerdings nur dann samtliche Produkte angeboten werden, wenn als „Marke" ein identisches Zeichen dieser Produkte verstanden wird und nicht ein Produkt selbst. Das Eliminierbarkeitskriterium ist also nicht erfullt, denn die Aussage, „anbieten von Produkten unter einem einheitlichen Produkt" ware sinnlos. Sie ist so von BRUHN sicherlich auch nicht intendiert, und bei der Bestimmung des Begriffs der Dachmarke kann und soil BRUHN inhaltlich in keiner Weise widersprochen werden. Doch zeigt dieses Beispiel die Problematik, wenn wissenschaftlichen Ausfiihrungen ein absatzobjektbezogenes Markenverstandnis zu Grunde liegt. Exemplarisch^^^ konnen auch ein weiterer Beitrag von BRUHN oder die viel beachtete Dissertation von HATTY herangezogen werden: •

So defmiert BRUHN auch in seinem DBW-Beitrag von 2003, in dem er einen allgemeingiiltigen Markenbegriff vorstellen will, „Marken" explizit als Leistungen,^^^ um bei seinem Uberblick der Markenforschungsschwerpunkte bei der Markenbewertung davon zu sprechen, dass versucht wird, „den (Mehr-)Wert einer Marke (ggii. markenlosen Leistungen)"^'^ zu ermitteln. Wenn Marken Leistungen sein sollen, kann es aber markenlose Leistungen logisch nicht geben.



HATTY beschaftigt sich hingegen grundlegend mit dem Phanomen des sog. Markentransfers, wobei die (implizit) erarbeitete Markendefmition weder eindeutig noch zweckmaBig ist.^'' Auch er setzt den Begriff der „Marke" mit einem Absatzobjekt gleich indem er formuliert: „Markenartikel kann demnach nur diejenige Marke sein, die den Verbraucherfunktionen in hochstem MaBe Rechnung tragt"^'^ und defmiert den Markentransfer als die „Markierung des Neuproduktes unter Riickgriff auf ein bereits fur andere Produkte verwendetes Markenzeichen."^^^ Folglich wird nicht die „Marke" als Absatzobjekt im Sinne HATTY'S iibertragen, sondem die Marke als Zeichen, das allerdings durch die Nutzung im Wettbewerb mit bestimmten Assoziationen verbunden ist. Das Ziel des Markentransfers besteht namlich eben im Transfer dieser mit dem Zeichen verbundenen Bedeutungen auf ein anderes Absatzobjekt. Vor diesem Hintergrund sind daher auch die im Rahmen des Markentransfers oft verwendeten Termini der „Muttermarke" und des

^^^ Bruhn (1994), S. 29. ^°^ Fiir weitere Beispiele, bei denen die Problematik verdeutlicht wird, vgl. auch den Anhang A der Arbeit. ^^ Vgl. Bruhn (2003), S. 180. ^•° Bruhn (2003), S. 183. ^^' Vgl. zur folgenden Kritik an der ZweckmaBigkeit der Definition bereits Roeb (1994), S. 16. ^'^ Hatty (1989), S. 19. Siehe aber auch seine Verwendung des Wortes „Marke" in den dieser Textstelle folgenden Funktionsbeschreibungen. ^'^ Hatty (1989), S. 23. Spater defmiert er als Markentransfer noch: „die zielgerichtete markierungspolitische Strategic, das fur bestimmte Produkte eingefiihrte Markenzeichen und die Ausstattung auf andere, von diesen verschiedenen Produkte zu iibertragen." HStty (1989), S. 49.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke^' im Spannungsfeld

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„Transferproduktes" missverstandlich: Die „Muttermarke" als Zeichen soil namlich auch auf dem neuen Markenprodukt wahmehmbar sein.^^"^ Diese angesprochenen Probleme, vor allem der VerstoB gegen das Eindeutigkeitskriterium, lieBen sich nahezu beliebig fortfiihren.^^^ Weitere Argumente gegen die Gleichsetzung der Begriffe „Marke" und Markenartikel, d.h. gegen die Deutung der „Marke" auf der Absatzobjektebene, resultieren aus der im folgenden vorgenommenen kritischen Wurdigung der Definitionen, welche die „Marke" als Vorstellungsbild charakterisieren, also die Wirkungsperspektive bei der Abgrenzung einnehmen, da deutlich gemacht wird, dass die Ursachenseparation fiir wissenschaftliche (Ursache-Wirkungs-)Aussagen unabdingbar ist.

2.2.3

Nicht-Beriicksichtigung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhdngen der Markendefinitionen auf der Wirkungsebene

Als Weiterentwicklung der wirkungsbezogenen Begriffsbestimmungen auf der Absatzobjektebene wird im jiingeren Schrifttum (wieder) haufiger eine Markendefmition als Basis der Ausfiihrungen genutzt, bei der die „Marke" vollstandig auf der Wirkungsebene abgegrenzt wird. Der Unterschied zwischen den wirkungsbezogenen Markendefinitionen der Absatzobjektebene und den (vollstandigen) Begriffsdeutungen auf der Wirkungsebene besteht dabei im sog. genus proximum. Die Idee des genus proximum (lat., d.h. die nachsthohere Gattung) stammt aus der scholastischen Philosophie, die eine Definition per genus proximum et differentiam specificam propagierte, die auch heute noch Anwendung findet. Wahrend der genus die nachsthohere Gattung bezeichnet, also bei der in dieser Arbeit verwendeten Definition die Menge aller Zeichen, gibt die differentia specifica den artbildenden Unterschied, d.h. bei der in dieser Arbeit verwendeten Definition die Forderung nach Individualitat und Schutzfahigkeit des Zeichens, an. Anhand dieser Systematik kann leicht der Unterschied zwischen den wirkungsbezogenen Definitionen der „Marke" auf der Absatzobjektebene und den Definitionen der „Marke" auf der Wirkungsebene gezeigt werden: Denn wahrend bei ersteren das als „Marke" (und damit Markenartikel) bezeichnete Erfahrungsobjekt als genus proximum durch das Merkmal „uberragender Erfolg" {differentia specifica) eben von anderen Produkten unterschieden wird, wird das Erfahrungsobjekt „Marke" bei letzteren eben nicht mehr als Absatzobjekt, sondem gleich als „Vorstellungsbild"

Vgl. zu dieser Problematik auch den Beitrag von Sattler (2001b), S. 141 ff., der auch von Muttermarke und Transferprodukt spricht, sprachlich das Wort Marke aber auch auf der Zeichenebene verwendet, wenn er formuliert: „Weitere Risiken von Markentransferstrategien bestehen in moglichen Imagebeeintrachtigungen der Muttermarke infolge des Markentransfers und damit einhergehenden AbsatzeinbuBen fur samtliche Produkte, die unter (Hervorhebung d.Verf) der Marke angeboten werden." Sattler (2001b), S. 147. Vgl. dazu den Anhang A der Arbeit, wobei vor allem die Beitrage zur Markenbewertung mit der Problematik der Trennung von Markenartikel bzw. Markenprodukt und Marke zu kampfen haben. Denn gerade die Separation einer Marke als Kennzeichen und des Produktes als Bezeichnetes ist mit Schwierigkeiten verbunden, ist fiir die monetare Bestimmung eines Markenwertes, verstanden als Barwert aller auf die Marke als Zeichen zuriickfiihrbaren Bin- und Auszahlungen, aber zwingend notwendig.

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Teil II: Die „Marke^* als Erfahrungsobjekt

aufgefasst, das sich dann von anderen Vorstellungsbildern in bestimmter Form unterscheidet - die Betrachtungsebene wird also verlagert. Neben der klassischen, DAVID OGILVY zugesprochenen Deutung der „Marke" als „consumer's idea of a product"^'^ ist im deutschen Sprachraum die Definition von MEFFERT und BURMANN die mit der (aktuell) groBten Beachtung.^^^ Sie deuten zwar andere existente Abgrenzungen von „Marken" an, definieren dann aber als „eigentliche Marke" „(...) ein in der Psyche des Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen der Marke fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung/'^'^ Zwei unterschiedliche „Marken" wurden sich nach dieser Definition also durch zwei verschiedene Auspragungen der festen Verankerung und der Unverwechselbarkeit eines Vorstellungsbildes ergeben. Auf der inhaltlichen Ebene ist dabei zu beachten, dass sich der Terminus „Vorstellungsbild" nicht nur auf die von KROEBER-RIEL vorgenommene Betrachtung „innerer Bilder", d.h. der Analyse von Wahmehmungs- und Gedachtnisbildem im Rahmen der Imagery-Forschung bezieht, die nur die visuelle Representation im Gedachtnis beinhaltet.^'^ Denn bei der Definition von MEFFERT ET AL. muss es auch um die Gedachtnisreaktionen auf Basis verbaler Verarbeitungsvorgange gehen.^^° Vor allem sind bei dieser Definition aber auch diverse Probleme zu beachten, die sowohl inhaltlicher Art sind, die daneben vor allem aber auch einige wissenschaftstheoretische Aspekte betreffen. Nicht angesprochen ist dabei die Kritik, die sich aus dem Zusatz ergibt, der von MEFFERT ET AL. ihrer Definition angeschlossen wird. Denn wenn sie formulieren: „Die zu Grunde liegende Leistung wird dabei in einem moglichst groBen Absatzraum uber einen langeren Zeitraum in gleichartigem Auftritt und in gleich bleibender oder verbesserter Qualitat angeboten"^^', resultieren inhaltlich diejenigen Kritikpunkte, die schon oben bei den merkmalsorientierten

Diese Bezeichnung soil David Ogilvy 1951 in einer Rede vor der American Marketing Association flir „Brand" genutzt haben, vgl. dazu etwa Biel (2001), S. 63. Als „Urheber" dieser Grundidee ordnet etwa Merten (2003a), S. 27ff., sogar Domizlaff ein, indem er dessen Aussage „Die Marke selbst ist ausschlieBlich ein Erzeugnis der Massenpsyche", Domizlaff (1939/1951), S. 152, zitiert. Dies zeigt sich bspw. in der meist unkritischen Ubemahme der Definition. Siehe hierzu exemplarisch Hupp/ Hofmann (2002), S. 30, die - quasi als weiteres „Qualitatsmerkmar' fur die Abgrenzung - darauf verweisen, dass diese Definition „mittlerweile auch in Beratungsuntemehmen wie MCKINSEY & Co. anerkannt wird und deren Forschungsarbeit leitet." Hupp/Hofmann (2002), S. 30. Dabei ist sowohl zweifelfaft, dass Beratungsuntemehmungen „Forschungsarbeit" in einem wissenschaftlichen Sinne betreieben, also auch der Aspekt, ob das Propagieren einer Definition durch Mitarbeiter einer Untemehmensberatung (die gleichzeitig ehemalige Mitarbeiter Mefferts sind) als BegrUndung fur die ZweckmaBigkeit einer Definition heranzuziehen ist. Eine solche Argumentation ist nicht nur abzulehnen - vielmehr sollten sich Forscher davor verwahren, in dieser Form als „Qualitatsmerkmar' ,mi6braucht' zu werden. ' Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 6, siehe aber bereits die Beitrage von Meffert/Burmann (1996a), (1996b) und (2000). ' Vgl. dazu Kroeber-Riel (1986), S. 8Iff Siehe hierfur auch die Ausfiihrungen von Esch (2004), S. 99ff., der bei der Ableitung seines Markenidentitatsansatzes aufbauend auf der Hemispharenforschung sowohl die von Marken ausgehenden verbalen als auch die non-verbalen Reize berucksichtigt. Diese Aspekte werden aber hier nicht weiter vertieft. Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 6.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke** im Spannungsfeld

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Auffassungen umfangreich diskutiert wurden."^^^ Vielmehr kann die explizite Definition als Musterbeispiel dafiir dienen, was bei der BegrifTsbestimmung vermieden werden sollte: •

Als erstes ist das Problem von „Werturteilen" bei der Begriffsbildung hervorzuheben. Denn die Formulierung besitzt apodiktischen Charakter und ist als Suggestivdefinition einzuordnen, wenn das Definiendum als „eigentliche Marke"'^^^ eingefiihit wird. Dies erinnert an ontologische Urteile, die bei der Suche nach dem Wesen von Etwas abgegeben werden, wobei das Wesen als raum-zeitlich uberdauemd begriffen wird.



Problematisch ist bei dieser Definition zudem die Tatsache, der Verwendung des Zu definierenden, d.h. der Marke als Definiendum, im Definiens. Denn so ist fraglich, worauf sich die „Bezugsgruppen der Marke" beziehen, wenn es sich bei der Marke urn ein Vorstellungsbild in ihrer Psyche handelt. Bei konsequenter Weiterverfolgung des Gedankens ware ein Zirkelschluss festzustellen, da das Vorstellungsbild (die „Marke") in der Psyche der Bezugsgruppen existent ist, die Bezugsgruppen sich demnach auf sich selbst beziehen, d.h. die Frage unbeantwortet bleibt, wovon die Bezugsgruppen tatsachlich Bezugsgruppen sind. Dies diirfte von MEFFERT ET AL. SO nicht intendiert sein.



Die Definition von MEFFERT et al. ist somit nicht eindeutig und wird zur Leerformel^^"^, wenn die Autoren unmittelbar im Anschluss der Begriffsbildung formulieren: „Dieses Vorstellungsbild reprasentiert die affektiven (das heiBt gefiihlsmaBigen Einschatzungen), kognitiven (das heiBt subjektives Wissen) und konativen (das heiBt Verhaltensabsicht, Kaufbereitschaft) Einstellungskomponenten gegeniiber einer Marke"^^^ Folglich wtirde ein Vorstellungsbild ein Vorstellungsbild reprasentieren, oder wurde die Kaufbereitschaft gegeniiber einem (logisch nicht erwerbbaren) Vorstellungsbild wiedergeben - dies diirfte nicht gemeint sein. Probleme dieser Art sind aber nicht auf MEFFERT ET AL. und ihre Ausfuhrungen beschrankt. Dies verdeutlicht die Aussage von EscH und WiCKE, die in ihrem Uberblicksaufsatz die Definition von MEFFERT et al. explizit zu Grunde legen und dann ftir das Markenmanagement fordem, dass „die mit einer Marke verbundenen Vorstellungsbilder"^^^ (also mit Vorstellungsbildem verbundene Vorstellungsbilder, sic!) zu erfassen sind.



SchlieBlich wird durch die Aufzahlung von affektiven, kognitiven und konativen Aspekten die Ahnlichkeit zum hypothetischen Konstrukt der Einstellung, insb. zur sog. Dreikomponenten-Theorie, deutlich.^^^ Auch diese identifizierbare Definitionsgleichheit

Vgl. dazu oben oder zusammenfassend von der Gathen (2001), S. 20ff. ^^^ Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 6. ^'^^ Siehe zum Begriff der Leerformel bereits Topitsch (1960), S. 233ff. ^^^ Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 6. ^^^ Esch/Wicke(2001), S. 11. ^^^ Vgl. zum Einstellungsbegriff grundlegendHammann/Erichson (2000), S. 334ff.

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Teil II: Die „Marke*' als Erfahrungsobjekt zwischen zwei Erfahrungsobjekten, d.h. hier zwischen Einstellung und „Marke" (die „Marke" ware ein hypothetisches Konstrukt bzw. eine intervenierende Variable) konnte als Grund angefiihrt werden, die Definition abzulehnen. Zumindest muss die Frage erlaubt sein, warum ein weiteres Wort eingefiihrt wird, um einen bestimmten, feststehenden Begriff zu analysieren.

Diese Kritik hat elementaren Charakter. Doch es ist unstrittig, dass die Gestaltung und Beriicksichtigung von „Vorstellungsbildem", die durch affektive, kognitive und konative Elemente gepragt sein konnen, fiir die Markenfiihrung, d.h. die Nutzung einer als Zeichen verstandenen Marke, essenziell wichtig sind. Denn aufgrund der zunehmenden Austauschbarkeit von Leistungen einer bestimmten Kategorie, d.h. der fortschreitenden Angleichung funktionaler Eigenschaften von Produkten verbunden mit einer umfangreicher werdenden Anzahl dieser Leistungsangebote und eines sich verscharfenden Kommunikationswettbewerbs,^^^ werden Wettbewerbsvorteile von Untemehmungen als Anbieter und Nachfrager in Markten verstarkt darin gesehen, dass die von ihnen angebotenen Leistungen neben einem sog. funktionalen Nutzen den Tauschpartnem auch einen sog. emotionalen Nutzen stiften konnen. Diese Argumentation fmdet sich in vielen Darstellungen zu den aktuellen Rahmenbedingungen der Markenfiihrung, wobei neben der Homogenisierung der Produkte auch die zunehmende Globalisierung, die Bundelung von Einkaufsmacht und die Ausdifferenzierung der Markte als Griinde fur die Markenbedeutung genannt werden.^^^ Trotz dieser unbestrittenen Bedeutung der von einer Marke als Zeichen ausgehenden Bewusstseinsvorgange ist die angeflihrte Definition allerdings auch mit diversen inhaltlichen Problemen verbunden. Aufgrund dieser ist nicht nur die oben problematisierte Eindeutigkeit der Definition, sondem auch deren ZweckmaBigkeit kritisch zu bewerten. Zunachst scheint es vor allem sinnvoll und aus wissenschaftlicher Perspektive unumganglich, deutlicher die Ursache von der Wirkung zu trennen. Dieser Gedanke ist Grundlage der folgenden inhaltlichen Definitionskritik: So ist die in der Definition angesprochene Wirkung das (unverwechselbare und verankerte) Vorstellungsbild bspw. eines Konsumenten bei der Wahmehmung von etwas bzw. als Ergebnis der (wiederholten) Wahmehmung von etwas. Die Klarung der Ursache als Ausloser fiir das Hervorrufen des Vorstellungsbildes bleibt aber offen. Bei dieser Definition muss also zunachst die Frage gestellt werden, welches die Basis der Wahmehmung bzw. der Ausloser fiir das Hervormfen des „Vorstellungsbildes" ist. Es ist daher wichtig, auf der Ursaclien-

' Klassisch ist an dieser Stelle der Hinweis auf die sog. Informationsiiberflutung, wonach in Deutschland nur noch 2% der ausgesendeten Informationen tatsachlich genutzt werden (bzw. wurden - eine neuere Erhebung liegt nach Kenntnis des Verfassers noch nicht vor), vgl. dazu Briinne/Esch/Ruge (1987). Der Aspekt der Informationsflut wird in jiingerer Zeit auch unter dem Schlagwort der sog. Aufmerksamkeitsokonomie diskutiert, vgl. dazu die grundlegende Arbeit von Franck (1998). Vgl. Meffert/TwardawaAVildner (2001), S. Iff. Die Veranderung der Bedingungen findet sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten nahezu ausschlieBlich in alien aktuellen Veroffentlichungen, vgl. exemplarisch die Lehrbiicher von Sattler (2001a), S. 24ff., Baumgarth (2004), S. lOff, oder Esch (2004), S. 27ff

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke** im Spannungsfeld

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ebene deutlicher die Trennung der Marke als Zeichen und des Produktes als Bezeichnetes vorzunehmen. Als eine solche Ursache bzw. als Stimulus einer bestimmten Wirkung wird in der oben angesprochenen Definition das Produkt genannt.^^^ Fur diese Sichtweise wiirde zwar sprechen, dass Konsumenten aufgrund von Schliisselinformationen oder aufgrund irradiierender Wirkungen einzelner Teileigenschaften eines Produktes auf das gesamte Produkt oder andere Teileigenschaften schlieBen.^^' Aufgrund dieser Nahe der Marke als Zeichen und des Produkt als Bezeichnetem sind die bei der Zeichenwahmehmung resultierenden Bewusstseinsvorgange eindeutig auch stark durch die (sonstigen) Eigenschaften des mit der Marke gekennzeichneten Produktes gepragt. Doch es scheint zweckmaBig, die einzelnen Produkteigenschaften bzw. Teilleistungen in den Vordergrund der Betrachtung zu stellen. Denn wenn man diese Interpretation der obigen Definition - bzw. aller nicht zwischen Zeichen und Bezeichnetes trennenden Definitionen - weiterfiihrt, ergeben sich folgende Probleme: •

Zunachst stellt sich die Frage, welches Produkt eines Dach- oder Familienmarkenkonzeptes fur das Vorstellungsbild ausschlaggebend ist. Denn diese Konzeptionen werden dadurch charakterisiert, dass mehrere, nicht-identische Produkte unter einem gemeinsamen Merkmal (der Marke als Zeichen) angeboten werden."^^^ Ein Beispiel fur eine Dachmarke ist VIRGIN, da unter diesem Zeichen so unterschiedliche Leistungen wie Erfrischungsgetranke (VIRGIN COLA), Bahn- und Flugreisen (VIRGIN TRAINS, VIRGIN AT-

LANTIC), Musik-CD's (VIRGIN RECORDS) oder auch Telekommunikationsleistungen (VIR-

GIN MOBILE) vermarktet werden. Sinnvoller scheint es, auf die Gemeinsamkeit dieser stark unterschiedlichen Leistungsbiindel abzustellen, namlich auf das identische Zeichen (eben die Dach- oder Familienmarke), mit dem alle Leistungen im Markt wahmehmbar sind und das alle Leistungen als Verbunden erscheinen lasst. Verhaltenswissenschaftlich liegt hier das sog. „Prinzip der Generalisation" vor, wonach die mit dem gleichen Zeichen markierten Objekte als zusammengehorig angesehen werden. Dies fiihrt zur Ubertragung von Einstellungen.^^^ •

Daneben ist noch zu bedenken, dass Untemehmungen im Wettbewerb Produkte der gleichen Kategorie anbieten, die sich haufig lediglich durch eine andere Kennzeichnung unterscheiden. So fiihrt bspw. die Untemehmung HENKEL ein Waschmittel mit dem Zeichen „PERSIL", vertreibt daneben aber auch weitere, in der inhaltlichen Zusammensetzung sehr ahnliche Produkte mit den Kennzeichnungen „WEI6ER RIESE" und „SPEE".

Bzw. die Dienstleistung. Da hier als Produkte sowohl Dienste als auch Sachen (mit alien Abgrenzungsproblemen, s.o.) aufgefasst werden, reicht es im Folgenden, wenn der Terminus Produkt genutzt wird. ^^' Zu Schliisselinformationen und zum Irradiationseffekt vgl. Kroeber-RielAVeinberg (2003), S. 303ff. ^^^ Siehe dazu die bereits erwahnten sprachlichen Deutungsprobleme bei Bruhn (1994). Auf die hier und im Folgenden verwendeten Begriffe (Einzel-, Familien-, Dach-, Hersteller-, Handelsmarke usw.) wird unten bei den Erscheinungsformen der Marke eingegangen. ^^^ Vgl. hierzu grundlegend Kerby (1967), S. 314ff., oder Roman (1969), S. 369ff., sowie auch die Ubertragung von Simon, H. (1981), S. 589ff.

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Teil II: Die „Marke** als Erfahrungsobjekt Auch viele als Handelsmarkenprodukte angebotene Leistungen unterscheiden sich von bestimmten Herstellermarkenprodukten lediglich durch die andere auBere Erscheinung. Als Beispiele fiir solche Markenprodukte, die sich materiell nur durch die Kennzeichnung unterscheiden, konnen bspw. die unter den Marken „JA" (REWE), „FARMER" (ALDI) und „ULTJE" angebotenen Niisse angefiihrt werden. Dass aber die auBere Erscheinung von Konsumenten haufig als kaufentscheidend angesehen wird, zeigt auch das oft zitierte und von DE CHERNATONY/MCDONALD dokumentierte Beispiel eines „Blind-Tests" mit den Markenprodukten COCA COLA und PEPSI.^^'* Dabei wurden Konsumenten ohne die Marken COCA COLA und PEPSI versehene Diat-Getranke gereicht, die sie dann hinsichtlich ihrer Praferenzen zu beurteilen hatten. In diesem „Blind-Test" zogen 51% der Probanden PEPSI vor, wahrend in der Kontrollgruppe, die auch die Marken zu sehen bekamen, lediglich 23% PEPSI, aber 65% COCA COLA praferierten?^^ Auch hier ist folglich die Wahrnehmung eines Zeichens der Ursprung als Ausloser flir das Hervorrufen von Vorstellungsbildem, nicht das Produkt als Absatzobjekt.



Zu beriicksichtigen ist weiterhin, dass Untemehmungen in vielfaltiger Form auf zu differenzierenden (Absatz- und Beschafflings-)Markten^^^ tatig sind. Auf diese Aspekte weist bereits HAMMANN hin, der formuliert: „Die Marke dient gleichfalls der Identifizierung in Markten fur Ressourcen des Untemehmens (z.B. Kapital, Arbeitskrafte, investive Sachgiiter und Dienstleistungen, Information und Know-How sowie Rechte)."^^'' Neben den bereits angesprochenen Absatzmarkten stehen Untemehmungen eben auch auf Beschafflingsmarkten, insb. auf Finanz- und Personalmarkten im Wettbewerb. In diesen unterschiedlichen Tauschsituationen treten Untemehmungen mit einem identischen Zeichen auf, dessen Wirkungen als Vorstellungsbilder haufig fiir die Realisation des Tausches ausschlaggebend sind. Deutlich wird dies etwa bei den Entscheidungen von Mitarbeitem, fur eine Untemehmung zu arbeiten, wobei Untemehmungen in Stellenanzeigen nicht nur mit der Untemehmensmarke kommunizieren, sondem auch bekannte Produktmarken einsetzen.^^^ Ein weiteres Beispiel ist die Fordemng, „die Aktie als Marke aufzubauen."^^^ Aktien waren demnach als Markenprodukte und z.B. die Bezeichnung

'^' Vgl. de Chernatony/McDonald (2003), S. 9. ^^^ Siehe zu einem ahnlich konzipierten Test fiir Reisemarken Kenning et al. (2002), S. 2, oder fur Parteienmarken auch die Habilitationsschrift von Schneider, H. (2003), Kap. A.l, Abb. 3, der dadurch die Relevanz der Markenftihrung im Politikbereich aufzeigt. ^^^ Geht man von einer Tauschperspektive aus, ist die Unterscheidung in Beschaffungs- und Absatzmarkte schwierig, da in jedem Tauschvorgang sowohl Leistungen beschafft aber auch abgesetzt werden. Wenn im Folgenden die Begriffe Absatz- und Beschaffungsmarkt Verwendung fmden, wird dadurch die primare Richtung des Geldflusses gekennzeichnet. Von Absatzmarkten wird dann gesprochen, wenn Marktteilnehmer primar monetare Leistungen erhalten, von Beschafflingsmarkten, wenn primar monetare Leistungen gegeben werden, wobei niemals nur ,monetare' Leistungen transferiert werden. Dass diese Abgrenzung vereinfachender Natur ist, zeigt auch das Beispiel des Finanzmarktes. 2^^ Hammann (1992), S. 209. ^^^ Die Relevanz der Marke flir den Personalmarkt sprechen auch Esch (2004), S. 408ff., und Ebel/Hofer (2002), S. 60, an. Joachimsthaler (2002), S. 28ff, geht zudem auf den intemen Personalmarkt ein. ^^^ Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 133.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke'* im Spannungsfeld

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„T-AKTIE" als Markenname aufzufassen?"^^ Die Relevanz der umfassenden, alle Markte betreffenden Sichtweise wird schlieBlich auch von MEFFERT/BIERWIRTH in ihrem Beitrag zur Fiihrung der Untemehmensmarke selbst verdeutlicht, die daraus Herausforderungen fiir die Markenfiihrung ableiten.^"^' Da auf alien Markten aber grundsatzlich unterschiedliche Leistungsbeziehungen existieren, ist es wiedemm zweckmaBiger, das - bzw. ein Zeichen als Ursache zu sehen und in den Vordergrund der Betrachtung zu stellen. Zusammengefasst bedeutet dies, dass wenn etwas „ein in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild" bei der Wahmehmung hervorrufen kann, kann dies etwas dann eben nicht das Produkt, konnen dies nicht die Leistungsangebote einer Untemehmung selbst sein - Vielmehr muss dies eine Gemeinsamkeit aller Anbieterleistungen sein: eben das identische, als Marke zu definierende Zeichen aller Leistungsbiindel. Folglich muss an dieser Stelle zwischen dem Produkt als Bezeichnetem einerseits und der Marke als Zeichen dieser Leistungen andererseits unterschieden werden. In der Terminologie von POPPER waren dabei die Marke als Zeichen und das Produkt als Bezeichnetes der ersten Welt, d.h. der Welt der physikalischen Gegenstande oder Zustande, zuzuordnen, wahrend die Vorstellungsbilder als Bewusstseinszustande zur zweiten Welt zu zahlen sind und dabei die Wirkung ausmachen.^"^^ In einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive ware bzgl. der Ursache durch die Argumentation die Frage nach dem Stimulus im neobehavioristischen S-O-Rbzw. S-I-R-Modell geklart. Das Vorstellungsbild als Wirkung - wie erwahnt - ist dabei auf der Ebene des hypothetischen Konstruktes (Organismus/Intervenierende Variable) angesiedelt.^"*^ Genau auf dieser Ebene, d.h. bei den angesprochenen hypothetischen Konstrukten bzw. den Bewusstseinszustanden der zweiten Welt, sind aber erganzende Konsequenzen der Begriffsbildung identifizierbar, welche die ZweckmaBigkeit einer Definition der „Marke" als Vorstellungsbild einschranken. Daher sind neben den Ursachenseparationsproblemen der Definition noch explizite Probleme auf der Wirkungsebene zu betrachten. Denn aufgrund der Deutung der „Marke" auf einer Wirkungsebene, d.h. der Definition der „Marke" als ein „in den Kopfen"^'*^ der („Marken-")Wahmehmenden prasentes Vorstellungsbild, resultieren Mehrdeutigkeitsprobleme, da die Wahmehmung und die psychischen * Vgl. fur die Relevanz von Marken auf den Finanzmarkten, insb. die Aktienmarkte, den Beitrag zum InvestorMarketing von Simon/Ebel/Pohl (2002), S. 132ff, die Studie von Gruner & Jahr (Hrsg./1998), S. 292ff., sowie die Ausflihrungen von Esch (2002), S. 80ff. Vgl. Meffert/Bierwirth (2002), S. 181ff. Vgl. hierzu z.B. Popper (1982), insb. Kapitel P2, oder Popper (1967/2000), S. 40ff. Die dargelegten wissenschaftlichen Ausflihrungen iiber die „Marke" und die Markenfiihrung gehoren hingegen zur dritten Welt. Vgl. hierzu beispielhaft die Lehrbuchdarstellungen bei Kroeber-Riel/Weinberg (2003), etwa S. 19ff., oder 429ff., bzw. Homburg/Krohmer (2003), S. 27ff. Sommer (1998), S. 38, spricht in diesem Zusammenhang vom „Schlussel zum Bedeutungsinhalt" und meint mit „Schlussel" das vom Individuum wahmehmbare Zeichen und mit „Bedeutungsinhalt" das Vorstellungsbild. An einer anderen Stelle schreibt er: „Nur wenn ich die Marke erkenne oder wiedererkenne, kann ich die zugehorigen Bewusstseinsinhalte aktivieren." Sommer (1998), S. 42f. Allerdings verwendet auch er den Begriff der Marke auf alien identifizierten Ebenen. So etwa die haufig verwendete Formulierung, die bspw. Esch (2004), S. 23, explizit wahlt: „Marken sind Vorstellungsbilder in den Kopfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfljnktion iibemehmen und das Wahlverhalten pragen."

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Teil II: Die „Marke" als Erfahrungsobjekt

Prozesse im Anschluss an die Wahmehmung^^^ naturgemaB intersubjektiv und sogar intrasubjektiv variieren. Vor dem Hintergrund der hier kritisierten Definition ergabe sich daraus die Aufgabe, den identischen Kern aller Vorstellungsbilder der denkbaren Bezugsgruppen (z.B. Nachfrager, Lieferanten, Anteilseigner, Mitarbeiter) zu bestimmen. Ansonsten wtirden verschiedene „Marken" bei identischen Wahmehmungsursachen existieren, da jeder Wahrnehmende aufgrund seiner Individualitat ein eigenes Vorstellungsbild besitzt (Intersubjektivitat). Plastisch verdeutlicht dies der Philosoph MOORE am Beispiel eines Brieflimschlages, indem er im Rahmen seiner Theorie der Sinnesdaten formuliert: „Obwohl wir alle denselben Umschlag sahen, haben aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal zwei von uns dieselben Sinnesdaten gesehen."^"^^ Als Sinnesdaten gelten bei MOORE diejenigen Empfmdungen, die durch die Wahmehmung von ,yEtwas'' (hier des Brieflimschlages) individuell ausgelost werden, wahrend er das Auslosende davon trennt. Im hier untersuchten Zusammenhang ware also die Marke als materielles Objekt das Auslosende und ihre Existenz im Sinne MOORE'S nicht von bestimmten Subjekten (den Wahmehmenden in den Bezugsgruppen) abhangig, wahrend die von der Marke ausgehenden Wirkungen bei individuellen Subjekten als Sinnesdaten zu sehen sind und nur dort in dieser Auspragung existieren.^"^^ Trotz dieser Sichtweise der Marke als Ursache im Sinne eines Auslosers bei der Wahmehmung bestimmter Wirkungen (Vorstellungsbilder), meint dies nicht, dass die inneren Bilder und deren konkrete Ausgestaltung ,nur' durch die Marke gepragt wurden. Diese Vorstellungsbilder bzw. Sinnesdaten unterliegen vielmehr weiteren Anbieterbemtihungen, generellen und situativen Einfliissen und individuellen Pradispositionen der jeweils betrachteten Individuen, d.h., hier wird keine Mono-Kausalitat hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Vorstellungsbildes unterstellt, sondem die Argumentation zielt lediglich darauf ab, dass es einen (mono-)kausalen Ausloser fiir das Hervorrufen dieser inneren Reprasentationen gibt, die aber intersubjektiv variieren. Erschwerend ist zu konstatieren, dass situationsbedingte EinflUsse bei der Wahmehmung durch einen Nachfrager zu beachten sind, es demnach selbst bei einem individuellen Konzept Durch diese Formulierung wird ein enger Wahmehmungsbegriff zu Grunde gelegt, obwohl auch ein weiter, d.h. die Verarbeitung von Signalen bzw. Sinneseindriicken umfassender moglich ware. Vgl. zu einer soichen Differenzierung auch die Ausfiihrungen des Philosophen George Edward Moore in seiner Abhandlung iiber „Some Main Problems of Philosophy", in der er einleitend zu seiner Theorie der Sinnesdaten zwischen Sehen als korperlichen Vorgang und Sehen als Bewusstseinsakt (mentales Vorkommnis) unterscheidet, vgl. Moore (1966), S. 29ff Mit einem Bezug zur Markenwahmehmung siehe uberblicksartig auch Behrens (1994), S. 20Iff, der zwischen Innen- und AuBenwelt unterscheidet. ' Moore (1966), hier zitiert nach der deutschen Ubersetzung im Herausgeberband von Wiesing (Hrsg./2002), S. 227. Aus dieser Aussage wird zugleich deutlich, dass Moore keinesfalls eine konstruktivistische, sondem eher eine empirisch-positivistische Position einnimmt (da er von „demselben Umschlag" als Reprasentant einer Wirklichkeit ausgeht), er also in seinem Wissenschaftsverstandnis mit den Vertretem der hier zitierten Defmitionen wohl iibereinstimmt. Vgl. zu einer knappen Gegeniiberstellung von empirischer und konstruktivistischer Position Behrens (1998), S. 119ff, der darlegt, wie diese Forschungsrichtungen auf fachwissenschaftlicher Ebene integrierbar sind. Siehe fur den Bereich des Marketing daneben auch Franke (2002), S. 13Iff., der dem konstruktivistischem ein realistisches Wissenschaftsverstandnis gegeniiberstellt und als ein Ergebnis seiner empirischen Studie feststellt, dass im Marketing eine realistische Sichtweise iiberwiegt. Vgl. dazu wiederum Moore (1966), S. 33ff Weis/Huber (2000), S. 40. Hospes (2001), S. 61, merkt an, dass „das Markenwissen (...) grundsatzlich individuell verschieden" ist, wobei er mit Markenwissen das meint, was Weis/Huber als Markenimage bezeichnen.

Kapitel 2: Das Erfahrungsobjekt „Marke*^ im Spannungsfeld

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der „Marke" als hypothetischem Konstrukt schwierig ist, von dem Vorstellungsbild auszugehen (Intrasubjektivitat). Anders driicken dies die Marketingwissenschaftlem WEIS und HuBER aus, in deren Aussage auch schon zu Tage tritt, dass fiir diese Wirkungen, Vorstellungsbilder, Empfindungen (oder eben Sinnesdaten) im Marketingschrifttum der Begriff des Image gepragt wurde: „Demnach besitzt kein Objekt selbst ein Image, sondem es sind immer andere, die einem Meinungsgegenstand in ihrer Vorstellung ein bestimmtes Image geben."^"^^ Aus den aufgefiihrten Grunden scheint es also angebracht, von der Definition der „Marke" als Vorstellungsbild abzusehen. Die Marke als (rechtlich schutzfahiges) Zeichen ist dann ein Symbol bzw. (zunachst vereinfachend) ein Signal'^'*^ und damit zugleich Ausloser der bei der Wahmehmung hervorgerufenen Bedeutungsmuster bzw. Vorstellungsbilder. Diese Sichtweise von Marken ermoglicht es dann, deren Wirkung experimentell zu untersuchen, wie es bspw. im Rahmen neurookonomischer Forschung angestrebt wird.^^^ Wie angedeutet werden diese Vorstellungsbilder von einer Marke im Schrifttum auch als Markenwissen bzw. Markenwirkungen behandelt und vorwiegend als Markenimage bezeichnet,^^' dessen konkrete Auspragung auf unterschiedliche Arten und Weisen operationalisierbar ist. Haufig werden fur diese unterschiedlichen Operationalisierungsversuche eigene Begriffe gebildet. Beispielsweise driickt der Terminus Markenpersonlichkeit diejenigen Bestrebungen aus, bei denen die Bewusstseinswirkungen mit Hilfe von Attributen gemessen werden, die auch zur Beschreibung von Menschen genutzt werden.^^^ Die folgende Abbildung 3 systematisiert die identifizierten und im Folgenden auf diesen Ebenen genutzten Begrifflichkeiten nochmals anhand der Zeichen-, Absatzobjekt- und Wirkungsebene.

Weis/Huber (2000), S. 40, die sich dabei auf Dorenbeck (1985), S. 132 beziehen. Und Hospes (2001), S. 61, merkt an, dass „das Markenwissen (...) grundsatzlich individuell verschieden" ist, wobei er mit Markenwissen das meint, was Weis/Huber als Markenimage bezeichnen. Hier und im Folgenden werden die Worter „Zeichen", „Symbol" und „Signar' zunachst als Synonyme verwendet. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass sie als Termini in der Semiotik zum Teil anders belegt sind, vgl. dazu wiederum N5th (2000), insb. S. 131, S. 178ff. und 185ff. Zudem wird in Kapitel 6 die Marke als Signaling-Instrument einer informationsokonomischen Analyse unterzogen, wobei der „Signal"-Begriff eine abgeanderte Bedeutung erhalt, die Marke darin explizit auch als Index untersucht wird. ' Vgl. dazu Kenning et al. (2002). Siehe hierzu z.B. Wiswede (1992), S. 72, der bereits auf die inkonsistente Begriffsverwendung hinweist und fiir das Konstrukt der Markeneinstellungen pladiert. Dieser Grund, d.h. well fiir die von „Etwas" ausgehenden Wirkungen bzw. den durch „Etwas" hervorgerufenen Vorstellungsbildem bereits ein eingefiihrter Begriff, namlich der des Image und in Bezug auf die Marke der des Markenimage genutzt wird, konnte weiterhin als Argument ftir die Ablehnung der Defmitionen auf der Wirkungsebene herangezogen werden. Lediglich wenn man argumentiert, die Marke sei ein Vorstellungsbild und das Markenimage dann die konkrete, operationalisierte Auspragung dieses Vorstellungsbildes, konnten die Begriffe nebeneinander bestehen. Dies wird von Vertretem der Abgrenzung auf der Wirkungsebene aber so nicht propagiert und wurde auch nicht die hier geauBerte Kritik entkraften. Dazu zusammenfassend auch Weis/Huber (2000), S. 46ff., Aaker, J. (2001), S. 9Iff., oder das in der zweiten Auflage von Baumgarth (2004), S. 244ff., erganzte Kapitel zur „Markenpers6nlichkeitsmessung".

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Teil II: Die „Marke^* als Erfahrungsobjekt

ab Wribi^ji'itiy^gi^^

Begriffs verstandnisse der Arbeit

Abbildung 3: Markenbindestrichbegriffe des Zeichen-Objekt-Wirkungs-Spannungsfeldes in dieser Arbeit Dieses Spannungsfeld wird bei den folgenden Ausfiihrungen immer wieder als Raster fiir die Argumentation herangezogen. Die Bedeutung der drei identifizierten Eckpunkte wird auch dann deutlich, wenn man die im Schrifttum diskutierten Markenfiihrungskonzepte analysiert. Denn obwohl es sinnvoll ist, die drei Eckpunkte bei der begrifflichen Grundlegung zu isolieren, sind sie fiir die Markenfiihrung integrativ zu behandeln. Daher steht die Markenflihrung nun im Fokus des nachsten Abschnitts. Zunachst werden darin die Ziele der Markenfiihrung dargelegt, anschlieBend die grundlegenden Markenfunktionen hergeleitet, die zur Zielerreichung fuhren, um dann die Aufgaben der Markenfiihrung abzuleiten. Bevor aufbauend auf den erarbeiteten Markenfimktionen die okonomisch-theoretische Analyse im Teil III dieser Arbeit erfolgt, werden den Teil II abschlieBend die momentan existierenden Markenerscheinungsformen in das Analyseraster eingeordnet.

Kapitel 3: Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

3

Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen im Wettbewerb

3.1

Markenwertschaffung und Markenwertsteigerung als Markenfuhrungsziele

53^

Aus der Markendefinition des Kapitels 2.2.1, in der Marken als Zeichen bestimmt wurden, die Markenbesitzer im Wettbewerb nutzen, um ihre eigenen Zielsetzungen zu erftillen, ergeben sich die Markenflihrungsaufgaben von Organisationen. Dabei wird den folgenden Ausfiihrungen eine umfassende Definition zu Grunde gelegt und Markenfuhrung als Gesamtheit der Aktivitaten zur Entwicklung und Implementierung von Markenkonzepten fiir Leistungsbundel unter Beriicksichtigung und Sicherstellung des Schutzes der jeweiligen Verfiigungsrechte verstanden. Der Verweis auf die jeweiligen Verfiigungsrechte ist an dieser Stelle notwendig, weil erst die (moglichst unverdiinnte) Zuordnung von Markenrechten einen Anreiz zur Entwicklung und Implementierung von Markenkonzepten bietet. Dies wurde bereits bei der Definition der Marke erarbeitet, wird im Folgenden aber sowohl bei der Darstellung der Markenfunktionen als auch bei deren okonomischer Analyse wieder aufgegriffen. Entwicklung und Implementierung von Markenkonzepten als Aufgabe der Markenfuhrung schlieBt somit zugleich die (erstmalige und/oder modifizierende) Gestaltung von Zeichen als Kennzeichnungsmittel (Markenelementgestaltung, z.B. Markennamensentwicklung etc.) und die Markenpflege, d.h. „die Durchsetzung, Uberwachung und Modifizierung von Strategien der Nutzung von Marken zur Kennzeichnung von (Wirtschafts-) Giitem"^^^, ein.^^"^ Dadurch stellt die Markenfuhrung ein Meta-Instrument des Marketing dar, das alle Marketing-Mix-Instrumente^^^ umfasst bzw. das sich derer bedient.^^^ Das Ziel der Markenfuhrung besteht letztlich - daruber scheinen sich sowohl die Wissenschaft als auch die Praxis inzwischen einig - in der Steigerung des Unternehmenswertes durch eine Markenwertsteigerung,^^^ wobei sich diese gemeinsame Auffassung erst in den letzten Jahren als Reaktion auf die Betonung einer sog. wertorientierten Untemehmungsfuhrung durchgesetzt hat. Weil die Markenfuhrung nach dem hier vorgestellten Verstandnis die Markenentwicklung umfasst, und weil fur die Wert-Steigerung zunachst ein Wert zu Hammann (2001), S. 284, der diese Definition fiir die Markenfiihrung formuliert. Markenpflege konnte daher auch als Markenfiihrung i.e.S. bezeichnet werden. Auch fiir die Termini Markenfiihrung, Markenmanagement, Markenpolitik, Markenpflege u.a. kann Begriffsoder Wortvielfalt festgestellt werden. So unterscheidet bspw. Domizlaff (1939/1951), S. 176ff, die Begriffe Markenschopfiing und Markenpflege und subsumiert diese dem Terminus Markentechnik, bei Maier (1999), S. 184ff., setzt sich das Markenmanagement aus den Teilgebieten Markenkonzeption, Markenbildung und Markenfiihrung zusammen, wahrend Baumgarth (2004), S. 115, unter Markenfiihrung die Bereiche Markenpositionierung, Markenstrategien, Branding (in der ersten Auflage: ,Markenelemente'), Markenanreicherung sowie Umsetzung und Implementierung behandelt. Ohne auf die einzelnen Begriffsfassungen anderer Autoren intensiv einzugehen, soil im Folgenden das hier entwickelte Verstandnis gelten. Zu einem Uberblick uber verschiedene Systematisierungsansatze der Marketinginstrumente vgl. z.B. Becker, J. (2001a), S. 486ff. ' Vgl. zur Interdependenz der Instrumente auch Hammann et al. (2001), S. 128ff. Auf dieses Ziel wird einheitlich bspw. in den Beitragen von Esch (2004), S. 63, Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 8, EschAVicke (2001), S. 44, oder auch Sattler (2001a), S. 37 und 39, verwiesen.

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Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt

schaffen ist, muss das Ziel der Markenfiihrung um die Wertschaffung erganzt werden - aus diesem Grund wurde die Uberschrift des Kapitels um diesen Aspekt erweitert. In Anlehnung an ROEB konnen Werte bei einem gerundiven Wertbegriff^^^ dabei als Indikatoren fur das AusmaB interpretiert werden, in welchem unterschiedliche Bewertungsobjekte in jeweils gegebenen Situationen die vorgegebenen Ziele der jeweiligen Bewertungssubjekte zu erfiillen vermogen.^^^ Das Bewertungsobjekt stellt in diesem Zusammenhang die Marke als Zeichen dar, wahrend als Bewertungssubjekte unterschiedliche Personen bzw. Institutionen in Frage kommen. Diese Begriffsfassung ermoglicht damit die Subsumtion aller in der Literatur vorgestellten Markenwertauffassungen, d.h. sowohl die Verbindung von in der Literatur immer wieder getrennt dargestellten fmanz- und verhaltenswissenschaftlich orientierten Markenwertbegriffen als auch die Deutung des Markenwertes aus Untemehmungs- und zugleich Nachfragerperspektive. Damit wird hier leicht pointiert voN DER GATHEN widersprochen, der feststellte, dass „es den ,einen' Markenwert (brand equity) nicht gibt/'^^^ Denn die Begriffsfassung „Markenwert" ist bei der gegebenen Definition eindeutig, einzig die genaue Messvorschrift kann (und muss) bei einem solchen Verstandnis in Abhangigkeit vom Bewertungssubjekt und seinen individuellen, situativ moglicherweise differenzierenden Zielen, variieren. Bei der Vielzahl in der Literatur vorgeschlagener Markenwertabgrenzungen^^' handelt es sich damit eher um Messvorschriften denn um Definitionen, die wiederum hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien zu systematisieren sind.^^^ Wahrend die vor diesem Hintergrund als ,verhaltensorientiert' bezeichneten Verfahren zur Markenbewertung eher qualitative GroBen wie Markenbekanntheit oder Markenimage fiir die Operationalisierung heranziehen und damit den Markenwert auf Grundlage subjektiver Urteile von (meist) Nachfragem basieren, versuchen finanzorientierte Markenbewertungsverfahren Markenein- und -auszahlungen fiir die Berechnung zu nutzen und eine monetare ErgebnisgroBe auszuweisen.^^^ Sie werden folglich im Hinblick auf die ZielgroBen bewertender Untemehmungen konzipiert. Dabei ist es allerdings wichtig herauszustellen, dass ein aus Nachfragerperspektive operationalisierter Markenwert den Markenwert aus Untemehmenssicht (mit-)bestimmt und dass sich finanzorientierte Bewertungen der Marke auf verhaltenswissenschaftlich fundierte Uberlegungen beziehen miiss(t)en.'^^'^ Insbesondere wenn Markenbewertungsverfahren auf Kapitalwertbasis entwickelt und verwendet werden, ist die InteVgl. zum gerundiven Wertbegriff grundlegend die Arbeit von Engels (1962), S. 62ff, Vgl. hierzu Roeb (1994), S. 30flf., oder auch daran angelehnt ReckenfelderbSumerAVelling (2001), S. 319. Von der Gathen (2001), S. 64. Siehe z.B. die Synopse bei von der Gathen (2001), S. 65. Vgl. auch dazu die sinnvolle Ausarbeitung bei von der Gathen (2001), S. 70ff Vgl. zur Markenbewertung erganzend Sattler (2001a) oder Kriegbaum (2001), die in ihren Monographien ebenfalls diese unterschiedlichen Perspektiven herausarbeiten. Fiir eine situative Deutung des Markenwertes vgl. schon den Beitrag von Hammann (1992), in dem dieser bereits auf die unterschiedlichen Bewertungsverfahren verweist und deren Nutzung von den Zielsetzungen des Bewertungssubjektes abhangig macht, seinen Ausfuhrungen also implizit die hier explizit formulierte Definition eines gerundiven Markenwertes zu Grunde legt. Vgl. hierzu auch Hammann (1992), S. 220f. Den Zusammenhang zwischen Nachfrager- und Anbieterperspektive arbeitet auch Schlaberg (1997), S. 67ff. heraus. Siehe fur eine Integration der fmanz- und absatzwirtschafllichen Ebenen auch Esch (2004), S. 78.

Kapitel 3: Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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gration der Markt- und damit Nachfragersichtweise existenziell, da die zu prognostizierenden Einzahlungen durch Nachfragerentscheidungen bedingt sind. Allerdings ist diese Prognose ein schwer, vermutlich nie ganzlich zu losendes Problem. Grundsatzlich ware immer zu klaren, welche Einzahlungsanteile durch die Marke als Zeichen und welche durch das jeweils zu markierende Absatzobjekt erklart werden. Hier spielt das bereits bei der Abgrenzung der Markenbegriffe thematisierte Ursachenseparationsproblem eine bedeutende Rolle. Schon bei der ex post Analyse stofit man an Grenzen, die nicht uberschreitbar sind, da die Kaufentscheidungen in der „Blackbox" der Nachfragersphare getroffen werden, die zwar durch modeme psychologische oder neurologische Verfahren erhellt, niemals jedoch vollstandig ausgeleuchtet werden kann. Erganzt wird das Problem durch einen zweifachen Zukunftsbezug: So beruhen zum einen die Einzahlungen auf zukunftigen Kaufentscheidungen, zum zweiten sind diese Kaufentscheidungen wiederum durch die zukunftigen Markenftihrungsentscheidungen selbst beeinflusst. Da dieser Markenwert wiederum c.p. umso groBer ausfallen wird, je ,besser' die Marke ihre (sonstigen) Funktionen im Wettbewerb erftillt, besteht die Aufgabe der Markenfuhrung zur Markenwertschaffung und -steigerung vor allem in der Sicherstellung der Markenfunktionen im Wettbewerb, da diese Funktionsfahigkeit dann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil der markenftihrenden Untemehmung ausmacht.^^^ Bevor daher im Einzelnen auf die Markenfuhrungsansatze eingegangen wird, stehen die Markenfunktionen nun im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.

3.2

Funktionen der Marke als Zeichen im Wettbewerb

3.2.1

Nicht-Beriicksichtigung von Interdependenzbeziehungen der Markenfunktionen als systematische Schwdche der Literatur

Aufgrund der bisherigen Ausfiihrungen zur Marke und zur Markenfuhrung sowie der dabei erfolgten Kommentierung des wissenschaftlichen Schrifttums wird es nicht iiberraschen, dass den existierenden Ausarbeitungen zu den Markenfunktionen unterschiedliche Markenbegriffe zu Grunde gelegt sind. Deshalb wird in einigen Beitragen abermals die bereits angesprochene Ursache-Wirkungs-Problematik relevant. Denn die Argumentation auf einer der identifizierten Ebenen bedingt unterschiedliche Funktionsweisen des als „Marke" begriffenen Phanomens - ein Aspekt, der von den meisten Autoren nicht explizit thematisiert wird. So ergibt sich bspw. ein Normativitatsproblem, wenn die Marke als „Zier' bzw. „Ergebnis" absatzpolitischer Bemuhungen interpretiert wird, da dann per defmitionem die aufgeftihrten Markeneigenschaften auch die Funktionen bestimmen. Die Systematisierung der Funktionen wird so aber erschwert, teilweise verhindert. Auch wird haufig etwa von der Qualitatsfunktion

Siehe hierzu ahnlich auch Schlaberg (1997), S. 90ff.

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Teil II: Die „Marke^* als Erfahrungsobjekt

gesprochen, dabei dann aber vor allem auf der Absatzobjektebene argumentiert, obwohl die „Marke" wirkungsbezogen abgegrenzt wurde.^^^ Diese auf der Vielgestaltigkeit des Markenbegriffes beruhenden Griinde scheinen verantwortlich dafiir, dass die Markenfunktionen bislang weder einheitlich noch systematisch erarbeitet worden sind.*^^^ Demnach besteht noch immer Klarungsbedarf, obwohl etwa schon HOHL darauf hingewiesen hat, dass bei der Klarung der Markenfunktionen „bedauerlicherweise"^^^ weder im rechts- noch im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum eine einheitliche Terminologie vorherrscht. Das verdeutlicht auch ein Blick in die aktuellen Lehrbucher zur Markenpolitik, in denen den Markenfunktionen trotz ihrer immanenten Bedeutung weder bei SATTLER^^^, noch bei BAUMGARTH^^^ und auch nicht bei ESCH eigenstandige Kapitel gewidmet sind.^^^ Zudem sind in der Mehrzahl von Uberblicksartikeln und Dissertationen zum Themenbereich der „Marke" Ausfiihrungen zu den Markenfunktionen nicht als Analyseversuche charakterisierbar, sondem beschranken sich lediglich auf beschreibende, Interdependenzen vemachlassigende Aufzahlungen. Der einzige Systematisierungsansatz besteht meist darin, bei der Auflistung Hersteller-, Nachfrager- sowie Handlerperspektive zu trennen, ohne die Zusammenhange zwischen diesen Sichtweisen zu erarbeiten.^^^ Damit scheint sich auch der diskussionswurdige, allerdings nur in einer FuBnote begriindete Vorschlag von SANDER nicht durchgesetzt zu haben, der dafiir pladiert, die Funktionen fur den Markeninhaber, ftir den Absatzmittler und fxir den Konsumenten zu unterscheiden, da dies praziser und zielfiihrender sei.^^^ Zielfuhrender ist vor allem die Betonung der Markeninhaberschaft, da auf diese Weise verdeutlicht werden konnte, dass Hersteller und Handler eigene Marken aus (fast)

; Vgl. statt vieler Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 10. Auf dieses Defizit verweist schon Sander (1994), S. 10, es wird in jungerer Zeit aber auch von Kemper (2000), S. 11, ausgemacht. Sie begrundet dies dadurch, dass sich eine Differenzierung der Markenfunktionen als schwierig erweist. Hohl (1982), S. 12. Bedauerlich ist dies heute vor allem, da gerade Hohl im Rahmen ihrer Dissertation zur Zweitmarke brauchbare Ansatze flir eine Systematisierung und einheitliche Sprachregelung erarbeitet hat, diese bislang aber kaum aufgegriffen wurden. Sattler spricht zwar die rechtlichen Markenfunktionen explizit an, vgl. Sattler (2001a), S. 47f., betont aber, dass es sich dabei „nicht notwendigerweise um die in der Marketingliteratur diskutierten Funktionen", Sattler (2001a), S. 47, handelt und verweist auf sein Kapitel 1.3. Dort befasst er sich unter der Uberschrift „Erscheinungsformen von Marken und Markenpolitik" auf zwei Seiten jedoch mit der Darlegung der Basistermini wie Markenpolitik und Marke, geht auf Markenfunktionen allerdings nicht ein. Baumgarth (2004), S. 2If., widmet zumindest eine Seite dem „Funktionsorientierten Ansatz" der Markenpolitik, beschrankt sich hier aber auf einen knappen Literaturverweis und die unkommentierte Abbildung des Funktionenkatalogs von Bruhn (1994), S. 24. Bei Esch (2004) findet sich - im Gegensatz zu Baumgarth und Sattler - kein Hinweis auf die Funktionen im Stichwortverzeichnis. Allen Autoren kann jedoch zugute gehalten werden, dass sie die Funktionen der Marke implizit betrachten, wenn sie ausfuhren, warum Marken eine herausgehobene Bedeutung besitzen. Siehe in jungerer Zeit bspw. den Beitrag von Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 9ff., die den Nutzen aus Nachfrager- und Anbieterperspektive ausmachen. Siehe aber schon Bruhn (1994), S. 2Iff., der neben der Anbieter- und Nachfragerperspektive noch die Handelssicht integriert. Exemplarisch ftir die Behandlung der Markenfunktionen in Dissertationen siehe Hatty (1989), S. 19f., Riedel (1996), S. lOff., Kriegbaum (2001), S. 45ff., oder Morschett (2002), S. 26ff. Dissertationen ohne explizite Darstellung von Markenfunktionen sind aktuell Casper (2002b) oder Braun, D. (2002). Allerdings wird auch bei ihnen die Funktionsweise von Marken bei den Zielen der Markenfuhrung bzw. den Ausftihrungen zur Bedeutung implizit beschrieben. Vgl. Sander (1994), S. 10, Fn. 10.

Kapitel 3: Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

57

identischen Grunden einsetzen. Die folgende Ubersicht (Abbildung 4) greift auf die vorherrschende Dreiteilung zuruck und zeigt exemplarisch vier lediglich aus Grunden der Anschaulichkeit gewahlte Funktionskataloge aktueller wissenschaftlicher Publikationen. Anbieterfunktionen • Bekanntheit und Differenzierung •

Morschett (2002), S. 26-41.

Meffert/ Burmann/ Koers (2002), S. 9-13.

Kriegbaum (2001), S. 45-48.

Halo-Wirkungen



Nachfragerfunktionen Identifikation



Entscheidungsvereinfachung



Risikoreduktion

• Verringerung der Preissensibilitat



Demonstration



Erhohung der Effizienz der MarketingmaBnahmen



Emotionale Bindung



Ermoglichung der Marktsegmentierung



Ermoglichung von Markentreue



Ermoglichung des Markentransfers

Ohne explizite Betrachtung



Praferenzbildung



Wertsteigerung des Untemehmens



Entlastung



Preispolitischer Spielraum



Vertrauen



Differenzierung



Prestige



Kundenbindung



Qualitatssicherung



Plattform neuer Produkte



Identifikation



Segmentspezifische Marktbearbeitung •

Orientierung, Ordnung, Sicherheit

• Orientierung bzw. Identifizierung



Absatzfbrderung



Unterscheidung (Herkunft bzw. Identifizierung)



Vertrauensbildung



Werbung



Ideologic



(Produkt-)Profilierung



Synergiebildung bzw. Nachfragergewinnung



Stabilisierung



Monopolisierung

HSndlerfunktionen

Ohne explizite Betrachtung



1

Geschaftsstattenprofilierung

1 1



Unterstiitzung

1



Preisleistung (Handelsmarken)

1 1



Sortimentsleistung

1



Solidarisierung

1

• Giite bzw. Garantie

Weis/Huber (2000), S. 37-39.



Unterscheidung



Orientierung



Monopolisierung



Entlastung



Kommunikation



Wiedererkennung

Ohne explizite Betrachtung

• Qualitatssicherung bzw. Vertrauen •

Demonstration bzw. Prestige

Abbildung 4: Exemplarische Darstellung aktueller Markenfunktionskataloge in der wissenschaftlichen Literatur

1

58

Teil II: Die „Marke^^ als Erfahrungsobjekt

Neben dieser Auflistung in Funktionskatalogen finden sich mit Ausnahme des Vorschlages von KoPPELMANN, der in einer Ubersicht versucht, herstellerbezogene, handlerbezogene und kauferbezogene Markenfunktionen „im Beziehungsgeflecht" darzustellen^^"^, hingegen nur selten Beitrage, in denen die Interdependenz der unterschiedlichen Perspektiven betont wird. Auch erganzende Systematisierungskriterien werden kaum genutzt. Als solche kann neben der Trennung einzel- und gesamtwirtschaftlicher Funktionen,^^^ der Differenzierung hinsichtlich wirtschaftlicher und juristischer^^^ Funktionen^^^ auch noch die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum insbesondere von HOHL vorgeschlagene Unterscheidung in originare und derivative Markenfunktionen herangezogen werden.^^^ Letztere Differenzierung soil inhaltlich modifiziert als Grundlage fur die im folgenden Kapitel zu erarbeitende Systematisierung dienen, bei der ein erster (Diskussions-)Vorschlag dargelegt wird, urn die skizzierten Probleme auszuraumen. Ausgangspunkt der Uberlegungen ist dabei wiederum die bereits bei der Begriffsexplikation in den Mittelpunkt gestellte intentionale Nutzung der Marke als Zeichen durch den bzw. die Zeichenverwender.

3.2.2

Systematisierung konstitutiv-origindrer und derivativer Markenfunktionen unter Beriicksichtigung unterschiedlicher Markennutzer

3.2.2.1

Unterscheidungsfunktion und Intemalisierungsfunktion als konstitutiv-originare Markenfunktionen

Das Wort Funktion stammt etymologisch von dem lat. >fungi< ab, was soviel wie ,ausfuhren' bzw. ,vollbringen' bedeutet. In der Mathematik ist Funktion daher auch ein Grundbegriff flir die Darstellung bestimmter (unterstellter oder tatsachlicher) Abhangigkeitsverhaltnisse.^^^ Somit konnen als Funktionen allgemein diejenigen Eigenschaften oder Wirkungsweisen verstanden werden, die fur die Erreichung (angestrebter) Zielzustande begriindend herangezogen werden konnen. In diesem Sinne hat die Marke als Zeichen durch die intentionale Verwendung Funktionen fiir den Markennutzer zu erfiillen, d.h. sie dient dazu, bestimmte Ziele zu erreichen. Nach Meinung des Semiotikers NOTH liegt einer solchen Auffassung des Funkti-

^^^ Vgl. Koppelmann (1994), S. 222ff. ^^^ Siehe hierzu Sander (1994), S. 16ff., oder Irmscher (1997), S. 28ff. Die Unterscheidung wird hier nicht welter genutzt. ^^^ Als grundlegende Beitrage zur juristischen Diskussion von Markenfunktionen vgl. bereits die deutsche Ubersetzung von Vanzetti (1965), S. 128ff., oder auch Schluep (1964), S. 60ff., mit Schwerpunktlegung auf das alte deutsche Warenzeichenrecht vgl. auch Sack (1972), S. 402ff. Zu einer kurzen Zusammenfassung der juristischen Diskussion siehe aber auch die Ausfuhrungen des Okonomen von der Gathen (2001), S. 62. Im Folgenden stehen dabei die wirtschaftlichen Funktionen im Mittelpunkt der Betrachtung, die - wie gezeigt von den juristischen aber nicht ganzlich loszulosen sind. ^^'' Den Unterschied zwischen juristischen und wirtschaftlichen Funktionen spricht wie erwahnt Sattler (2001a), S. 47f., an. Siehe (vor dem Hintergrund des alten Warenzeichengesetzes) auch schon Hohl (1982), S. 12ff. ^^^ Siehe Hohl (1982), S. 12ff., die scheinbar auf die Arbeit von Schluep (1964), S. 60ff., insb. S. 81-82, rekurriert, der diese Trennung in seiner rechtswissenschaftlichen Habilitationsschrift vomahm und nicht nur sehr ausfuhrlich die juristischen Funktionentheorien darstellt, sondem bei seiner Analyse auch deren teilweise feststellbare Unlogik herausarbeitet. ^^^ Vgl. hierzu ahnlich N6th (2000), S. 199.

Kapitel 3: Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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onenbegriffs eine weite Abgrenzung zu Grunde: „Funktion in diesem allgemeinen Sinn hat die Konnotation von Instrumentalitat, Zweckhaftigkeit oder gar Finalitat."^^^ Damit wird bereits hier ein Bezug zur anschlieBend vorgenommenen okonomischen Analyse vorgenommen, in denen von rational agierenden Akteuren ausgegangen wird.^^' Als Markennutzer kommen dabei unterschiedliche Akteure in Frage, woraus sich die herkommliche Unterscheidung der Markenfunktionen in ,Hersteller', ,Handler' und ,Nachfrager' erklart. Im Folgenden soil auf die Terminologie von SANDER zuriickgegriffen werden, wobei die Sichtweise des ,Markeninhabers' als Anbieterperspektive der Nachfragerperspektive gegenubergestellt wird.^^^ Aufgrund der intentionalen Verwendung stehen die Markenfunktionen aus der Anbieterperspektive in einem engen Verhaltnis zu den Untemehmenszielen und mussten in einem Mittel-Zweck-Bezug auf diese kausal bezogen werden."^^^ Daher finden sich bspw. im Funktionskatalog von MEFFERT ET AL. Hinweise auf eine Untemehmenswertsteigerungs- oder eine Kundenbindungsfunktion von Marken. Allerdings stehen diese eben nicht auf der gleichen inhaltlichen Ebene, denn die Kundenbindung ist ein Mittel (neben anderen), um eine Unternehmungswertsteigerung als (unterstelltes) Oberziel zu erreichen. Hingegen konnen Marken wiederum u.U. als Mittel gelten, Kundenbindung als Zwischenziel herzustellen.^^"^ Daher konnen auch alle Zielpyramiden, die eine Mittel-Zweck-Beziehung besitzen, in anderer Lesart als Funktionenpyramiden aufgefasst werden, sofem es sich um Sachziele handelt.^^^ Geht man von einer solchen Wirkungskette aus, ware die Untemehmungswertsteigerung in der Tat eine Markenfunktion. Der Funktionsbegriff ware dann allerdings unnotig weit gefasst und wiirde die spezifischen Wirkungsweisen von Marken als Zeichen in den Hintergrund riicken. Auch daher wird die oben angesprochene Abgrenzung in originare und derivative Funktionen als maBgebend erachtet, die - wohl basierend auf SCHLUEP - in der betriebswirtschaftlichen Literatur erstmals von HOHL vorgestellt wurde,^^^ vermutlich ursprunglich aber auf den Juristen GHIRON zuriick geht. Die Unterscheidung in originare und derivative Funktionen bezieht sich bei diesem 1915 vorgestellten Ansatz darauf, den „rechtlich geschiitzten" Funktionen die „abgeleiteten Funktionen" gegenuberzustellen.^^^ Die Interpretationen bei den diese Idee aufgreifenden betriebswirtschaftlichen Autoren, neben HOHL sind auch SANDER^^^ und

Noth (2000), S. 199. Die Kennzeichnung von Okonomik durch Rationalitat und somit die vertiefende Bestimmung des Begriffsinhaltes von Rationalitat erfolgt im zweiten Teil (Kapitel 4) der Arbeit. Aus Vereinfachungsgriinden wird hier auf die explizite Diskussion der Absatzmittlerperspektive verzichtet. So stehen etwa auch bei Esch (2004), S. 6Iff., die Untemehmensziele als Globalziele an der Spitze der „Zielpyramide des Markenmanagements". So auch die Argumentation bei Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 12. Vgl. dazu auch Strebel (1981), S. 461, siehe auch Berthel (1973), S. Uff., der explizit von fmalen Relationen spricht und diese auch auf Formalziele iibertragt. Zu Zielhierarchien vgl. fur den Marketingbereich bspw. Becker, J. (2001a), S. 27ff., und zu den Zielsystemen allgemein Heinen (1976). Siehe fiir einen Uberblick auch die Sammelrezension von Strebel (1981), S. 457ff. Siehe Schluep (1964), S. 60ff., insb. S. 81-82, sowie Hohl (1982), S. 12ff. Der Hinweis auf Ghiron (1915), S. 183, wird von Vanzetti (1965), S. 128, Fn. 1, gegeben. Vgl. Sander (1994), S. 14f.

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Teil II: Die „Marke^^ als Erfahrungsobjekt

IRMSCHER^^^ zu nennen, wurden dann jeweils variiert. Wahrend die Unterscheidung bei SANDER bspw. anhand einer zeitlich-prozessualen Betrachtung vorgenommen wird,^^^ findet bei HOHL eine inhaltliche Abgrenzung statt. Dabei begreift sie bei ihrer Darstellung die Unterscheidungsfiinktion als Grundfunktion fiir den Anbieter und die Identifikations- bzw. Individualisierungsfunktion als Grundfunktion fiir den Nachfrager.^^' Entgegen dieser Abgrenzungen soil im Folgenden jedoch gezeigt werden, dass die konstitutiv-originaren Markenflinktionen sowohl fur den Markeninhaber als auch fur die Nachfrager als Grundfunktion zu sehen sind, aus denen sich derivative Funktionen fur beide ableiten lassen. Dabei wird eine inhaltlich-logische Abgrenzung vorgeschlagen. Die Argumentation basiert darauf, dass die Zielsetzungen des Markenverwenders essenziell fiir das Verstandnis der Marke sind - aus diesem Grund wurde der Aspekt bei der Ableitung des zu Grunde liegenden Markenverstandnisses in die Definition aufgenommen. Die Marke wurde als ein Zeichenbiindel definiert, das ein Anbieter im Wettbewerb verwendet, um seine Leistungsbiindel von denen anderer Marktteilnehmer unterscheidbar, d.h. fur aktuelle und potenzielle Tauschpartner identifizierbar zu machen. Diese Unterscheidungsfunktion ergibt sich dabei aus der Eigenschaft des Zeichens, das es zur Marke werden lasst, d.h. aus der Unterscheidbarkeit selbst. Die Unterscheidungsfunktion kann daher auch als Grundfunktion der Marke bezeichnet werden, der zudem konstitutiver Charakter zukommt.^^^ HOHL meint in diesem Zusammenhang, dass eine „Markierung als notwendige Vorraussetzung der Identifizierung und Wiedererkennung"^^"^ aufzufassen ist. Mit anderen Worten: Ohne Unterscheidbarkeit des verwendeten Zeichens macht die Verwendung fur den Zeichennutzer keinen Sinn bzw. erfiillt einen anderen, jeweils zu spezifizierenden Zweck. Obwohl die Markierung (auch) darauf zielt, eigene Leistungsangebote von denen der Konkurrenz zu differenzieren, wirkt diese konstitutiv-originare Markenfiinktion primar in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung.^^"^ Als weitere konstitutiv-originare Markenfunktion muss zudem die Internalisierungsfunktion genannt werden, welche an der Schutzfahigkeit des Zeichens ankntipft. Sie garantiert rechtlich die Unterscheidbarkeit des Zeichens und ermoglicht erst dadurch die Aneignung der durch diese Eigenschaft erzielbaren Erlose. Wiirde kein Zeichenschutz bestehen, wurden Konkurrenten das Zeichen kopieren und der durch die Unterscheidbarkeit des Zeichens manifeste Wettbewerbsvorteil ware nicht nachhaltig. Darum wirkt diese konstitutiv-originare Zeichenfunktion vorwiegend in der Anbieter-Wettbewerber-Beziehung.^^^

Vgl. Irmscher (1997), S. 28ff., der auch eine tabellarische Verkniipfling versucht. Vgl. Sander (1994), S. 14f, der sich in seiner Argumentation auf Schluep (1964), S. 81f., stutzt. Vgl. Hohl (1982), S. 12ff. Fezer (1996), S. 527, formuliert grundlegend: „Die Unterscheidungsfunktion ist das allgemeine Merkmal eines jeden Kennzeichens." H6hl(1982), S. 7. Im Kapitel 6 wird gezeigt, dass die Marke als ein solches Zeichen vom Anbieter eingesetzt wird, um den Informationsdefiziten des Nachfragers zu begegnen. Die Zusammenhange werden bei der verfiigungsrechtlichen Analyse der Marke im Kapitel 5 verdeutlicht.

Kapitel 3: Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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Aus der Anbieterperspektive sind die bislang erarbeiteten Funktionen als Grundftinktionen zu bezeichnen, well sie erst im Verbund - wenn man so will als derivative Funktion „nach oben" - das angesprochene Wertsteigerungsziel ermoglichen und als Vorbedingung fur die Erfullung aller weiteren derivativen Funktionen gelten, d.h. sich die weiteren in der Literatur aufgeftihrten Funktionen logisch auf diese zuruckfuhren lassen.^^^ Mit anderen Worten: erst bei Vorliegen der Eigenschaften ,Unterscheidbarkeit' und ,Schutzfahigkeit' konstituiert sich ein „beliebiges" Zeichen als Marke. Sie sind der artbildende Unterschied {differentia specified) zu sonstigen Zeichen und sind gleichzeitig die Begrundung fiir die besondere Funktionsfahigkeit, bilden also die Grundflinktionen der Marke, die es erst dem Eigentumer erlauben, weitere nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen. Die Abbildung 5 visualisiert diesen Zusammenhang vereinfacht.

Unternehmenswertsteigerung als unterstelltes Oberziel (derivative Markenfunktion)

Market! als Zeichen mit bestimmten Eigenschaften (als Mittel zur Erreichung von Anbieterzielen)

f

Materielle Anforderung: \^^

Unterscheidbarkeit

N^^

j ^ X^^

y"^

\ konstitutiv-originare Unter scheid ungsfu n kti on

M^ (primSr) Anbieter-Nachfrager-Beziehimg



Formelle Anforderung:

>.

Schutifahigkeit

y^

* konstitutiv-originare Internalisierungsfunktion

M^ (primMr) Anbieter-Wettbewerber-Beziehung

Abbildung 5: Primare Wirkungsrichtung konstitutiv-originarer Markenfunktionen aus Anbietersicht Implizit wurden bei der Bestimmung der Markenfunktionen aus der Anbieterperspektive auch immer Argumente aufgefuhrt, die an der Nachfragerperspektive ankniipfen. Dies resultiert aus der Definition von Marken als Mittel zur Tauschanbahnung und -durchfuhrung, da sich bei Anders als bei Sander (1994), S. 14f. der die Auffassung vertritt, dass neben der Unterscheidungsfunktion auch die Werbefunktion als originar anzusehen sei. Die Garantie- und die Monopolisierungsfiinktion kennzeichnet er hingegen als derivativ. Fiir die vom Anbieter in seinem Sinne intendierte kommunikative Wirkung eines Zeichens ist aber die Unterscheidbarkeit Vorbedingung.

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Teil II: Die „Marke^^ als Erfahrungsobjekt

einer solchen Interpretation die Anbieter- und die Nachfragerebene bedingen: Fiir Anbieter erftillen Marken nur deshalb ihren Zweck, weil sie auch fur Nachfrager einen Nutzen im Tauschprozess stiften, da es nur dann zu intemalisierbaren Gegenleistungen kommt. Die aus Anbieterperspektive dargestellten Grundfunktionen gelten folglich auch als konstitutivoriginare Markenfunktionen aus der Nachfragerperspektive. Denn Grundbedingung fiir die Nutzenstiftung ist abermals die skizzierte, durch die Intemalisierungsfunktion abgesicherte Unterscheidungsfunktion. Diese Funktionserfiillung der Marke bedeutet aus Nachfragersicht, dass Marken als schutzfahige individuelle Zeichen durch ihre Wesensgleichheit die (Wieder-)Erkennbarkeit von Produkten ermoglichen. Die Grundfunktionen sind daher dafiir ausschlaggebend, dass es zu derivativen Markenfunktionen kommt.

3.2.2.2 Derivative Markenfunktionen aus Anbieter- und Nachfragerperspektive Wie dargestellt nimmt die Unterscheidungsfunktion im Rahmen der Systematisierung eine zentrale Stellung ein, die auch durch das Markengesetz hervorgehoben wird indem die fehlende Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2, Nr. 1 MarkenG) von Zeichen als absolutes Eintragungshindemis^^^ gilt. MaBgeblich fiir diese Unterscheidbarkeit sind dabei die Tatbestande fiir das Vorliegen eines relativen Schutzhindemisses, d.h. die in § 9 MarkenG angesprochene Ahnlichkeit und Verwechslungsgefahr, die nach STOLL als „die zentralen Begriffe des Markenrechts gewertet werden."^^^ Wahrgenommene Ahnlichkeiten (und damit die zu verhindemden Verwechslungsgefahren) zwischen Marken als Zeichen konnen aufgrund semantischer (d.h. begrifflicher), aber auch formaler Aspekte entstehen. Den semantischen Ahnlichkeiten kann nach Meinung von STOLL mittels der Synonymic (z.B. Glas vs. Becher), der Hypo- bzw. Hyperonymie (z.B. Ballsport vs. FuBball), der Meronymie (FuB vs. Zeh), der syntagmatisch semantischen Relation (z.B. Brot und Butter, Emi und Bert) und u.U. der semantischen Opposition (z.B. dick vs. diinn, Vater vs. Sohn) naher gekommen werden. Unter formalen Aspekten fiihrt er bei Markennamen grafische (z.B. E-F; P-R: CATMEAL VS. OATMEAL), phonetische (z.B. [n]-[m]; [f]-[s]: GUMMIKOHL vs. BHUMIBOL), phonologische (z.B. AzuBi vs. ALBINO) und morphologische (ADVOKAT VS. ADVOCARD VS. EUROCARD) Grunde fiir Ahnlichkeiten an.^^^ Allerdings sind

Eisenfiihr (1994), S. 71, schlagt die Bezeichnung „absolutes Eintragungshindemis" anstelle des ublichen „absolutes Schutzhindemis" vor, da ein Zeichen Markenschutz „trotz fehlender Unterscheidungskraft" auch durch Verkehrsdurchsetzung erwerben kann. Durch die Verkehrsdurchsetzung ist die Unterscheidbarkeit und somit die Unterscheidungsfunktion jedoch wieder gegeben, d.h. sie ist und bleibt grundlegend fur die Konstituierung von Zeichen als Marke. Stoll (2001), S. 137-138, der diese Einschatzung auch als Begrundung fur seine linguistische Untersuchung von Marken(namen) auffuhrt, Im Einzelnen dazu und mil weiteren Beispielen aus dem Markenrecht Stoll (2001), S. 135ff., der die linguistische Analyse als Erganzung fur Markenrechtsstreitigkeiten sieht. Aber auch aus okonomischer Perspektive kann diese bei der Markennamensgestaltung wichtige Beitrage liefem.

Kapitel 3: Markenfiihrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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formale Ahnlichkeiten der Konstruktionsebene hierbei irrelevant, da fiir die Bewertung die Nachfragerseite zu betrachten ist. Aus einer Anbieterperspektive ist die Unterscheidbarkeit der verwendeten Zeichen, d.h. also die Nicht-Existenz von Ahnlichkeit und Verwechslungsgefahr, Voraussetzung dafiir, dass Marken auch die in der Literatur hervorgehobenen Differenzierungs- und Kommunikationsfunktionen erfullen. Die Differenzierungsfunktion stellt dabei die konsequente Weiterflihrung des Unterscheidungsgedankens dar, wenn davon ausgegangen wird, dass Anbieter im Wettbewerb versuchen (miissen), ihre eigenen Angebote von denen ihrer Konkurrenz abzugrenzen. Wenn im Extremfall die mit einer Marke als Zeichen angebotene Leistung eines Anbieters mit denen von Konkurrenten identisch ware, wiirde das individuelle Zeichen der Unterschied zwischen den konkurrierenden Leistungsangeboten sein, wiirde also nicht nur zur Differenzierung beitragen, sondem ware der einzige Differenzierungsgrund,^^^ der moglicherweise im primaren, d.h. inharenten Bedeutungsgehalt des Zeichens liegt. Der Rechtswissenschaftler ISAY sprach in seinem friihen Pladoyer fiir die Ubertragbarkeit der Marke ohne Ubertragung des Geschaftsbetriebes bereits 1929 von der originaren Attraktionskraft einer Marke: Seines Erachtens liegt die ,Werbekraft' der Marke u.a. „zunachst in ihrer Eigenart, ihrem Ideen- oder Bildgehalt, der sich sofort mit groBer Eindruckskraft der Phantasie des Betrachters bemachtigt."^^' Aufgrund der also einem Zeichen selbst inharenten Werbekraft sprach er Marken bereits damals die Eigenschaft eines wirtschaftlichen Gutes zu. Zu denken ist hier z.B. an die immanente Asthetik eines Logos. Einen inharenten Bedeutungsgehalt haben aber etwa auch metaphorische oder beschreibende Namen wie z.B. TV TODAY oder FERNSEHWOCHE flir Programmzeitschriften. Durch den Markennamen konnen Nachfrager auf das Angebot schlieBen, was bei einem (hypothetischen) Namen wie ARKOOLS nicht der Fall ware. Wie LANGNER ausfuhrt, haben auch solche Namen durchaus Vorteile im Rahmen der Markenfuhrung,^^^ der in Anlehnung an COLLINS deshalb davon spricht, dass bei der Markennamensgestaltung das sog. JoYCE-Prinzip, wonach bereits der Name den angestrebten Wirkungsbezug unterstiitzt, „die einzig sinnvolle Altemative"^^^ sei. Ein solcher Bedeutungsgehalt von Zeichen ist insbesondere ausschlaggebend fur die Kommunikationsfunktion^^'^ der Marke, denn das Zeichen „transportiert" Inhalte zu den potenOb dies fiir den nachhaltigen Wettbewerbserfolg ausreichend ist, muss jedoch bezweifelt werden. Hier geht es allerdings um die grundiegende Argumentation, d.h. von weiteren Differenzierungsbemiihungen soil hier zunachst abstrahiert werden. Diese Auffassung steht bewusst im Gegensatz zur bei Vanzetti (1965), S. 133f., vertretenen Unterscheidungsfunktion, der explizit darauf abstellt, dass zwischen den mit Marke A und den nicht damit gekennzeichneten Produkten ein Unterschied bestehen muss, der in der Ware selbst begrundet ist. Aber hier ist die Marke der Unterschied, durch Unterscheidung wird Differenzierung herbeigefiihrt. Isay (1929), S. 26. Vgl. Langner (2003), S. 28ff. Langner (2003), S. 289. Vgl. zur Effizienz verschiedener Markennamen(stypen) daneben auch Kohli/LaBahn/Thakor (2001), S.460ff. Die hier dargestellte Kommunikationsfunktion wird haufig auch als Werbefunktion beschrieben, so z.B. etwa bei Kemper (2000), S. 12f., oder Sander (1994), S. lOff., wobei erstere Werbe- und Kommunikationsfunktion als nur teilweise bedeutungsgleich darstellt. Siehe zur Werbefunktion aber bereits Sack (1972), S. 449ff., der auch im Sinne der hier vertretenen Argumentation darlegt, dass die Werbefunktion ohne Unterscheidbar-

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Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt

ziellen Tauschpartnem von Untemehmungen, die diese interpretieren und/oder unbewusst fiir ihre Entscheidungsprozesse nutzen.^^^ Neben dem primaren Bedeutungsgehalt wird die Marke im Rahmen der Markenfiihrung (zwangslaufig) aber auch mit weiteren Assoziationen aufgeladen.^^^ So assoziiert bspw. die Mehrzahl der deutschen Bevolkerung mit TEMPO nicht nur „Geschwindigkeit" (primarer Bedeutungsgehalt) sondem heute auch „Papiertaschentuch".^^^ Dabei ist es im hier interessierenden Zusammenhang, d.h. der Darstellung der Markenflxnktionen, zunachst unerheblich, ob diese Bedeutungszuschreibung vom Anbieter so intendiert ist Oder nicht: Wichtig ist lediglich, dass Marken als Zeichen Assoziationen bei der Wahrnehmung hervorrufen (konnen),^^^ d.h. dass sie den Anbieter, seine Leistungsbiindel und/oder die von ihm vermittelten Werte reprasentieren.^^^ Festzuhalten bleibt aber, dass intendierte kommunikative und zurechenbare Wirkungen des Zeichens an dessen Unterscheidbarkeit gekoppelt sind. Auch flir die derivativen Markenfunktionen aus Nachfragersicht ist wieder darauf hinzuweisen, dass sich aufgrund des Verstandnisses der Marke als Mittel zur Tauschanbahnung und -durchftihrung Anbieter- und Nachfragerperspektive bedingen. Basierend auf die durch Schutzfahigkeit abgesicherte Unterscheidungsflinktion steht dabei als derivative Markenfunktion erster Ordnung die Identifizierungsfunktion im Vordergrund. Denn „Etwas" lasst sich nur identifizieren, wenn es auch unterscheidbar ist. Unterscheidbarkeit eines Zeichens ist dabei eine passive Funktion des Zeichens selbst, wahrend Identifizierbarkeit eine aktive Komponente besitzt, d.h. es losgelost vom Zeichen eines identifizierenden Akteurs, hier: des Nachfragers, bedarf. Alle weiteren derivativen Markenfunktionen sind nur dann denkbar, wenn die aus der Unterscheidungsflinktion abgeleitete Identifizierungsfunktion wirkt. Diese konnen fiir den Nachfrager grob danach differenziert werden, ob die Marke als Zeichen primar im MarkenpToduktbeschaffungs- oder primar im Markenprodukinutzungsprozess ihre Wirkung entfaltet:

keit des Zeichens nicht wirksam sein kann, gleichzeitig aber die Interdependenz herausstellt: „Ohne Werbefunktion ware die Unterscheidungsfunktion fur den Zeicheninhaber uninteressant." Sack (1972), S. 450. Auch wenn dem in weiten Teilen gefolgt wird, d.h. auch wenn insb. die hier angesprochene Kommunikationsfunktion fiir die Verwendung der Zeichen spricht, wird im Kapitel 6.3.3 noch gezeigt, dass die Nutzung eines individuellen, unterscheidbaren Zeichens im Wettbewerb flir Anbieter und Nachfrager informationskostenreduzierend wirkt, sich also auch ohne (weitere) Bedeutungszuschreibung ein Zeicheneinsatz lohnt. Siehe hierzu auch Weis/Huber (2000), S. 39. ' Vanzetti (1965), S. 132, unterscheidet die ursprungliche von der erworbenen Suggestivwirkung des Zeichens und lehnt seine Argumentation folglich an die von Isay (1929), S. 23ff, an. Auf dieses Beispiel verweist auch Hospes (2001), S. 40. ' Diesen Zusammenhang stellen auch Esch/Langner (2001a), S. 442ff, heraus, wenn sie den Markenaufbau durch die Elemente „Markierung" (d.h. die Marke als Zeichen mit primarem Bedeutungsgehalt) und „Kommunikation" (d.h. Implementierung von (Kommunikations-) MaBnahmen zur „Aufladung" des Zeichens) herausstellen. ' Marken gelten folglich auch als sog. Information Chunks, als Informations- bzw. Bedeutungstrager, vgl. dazu Simon, H.A. (1974), S. 482ff Siehe aber auch etwa Bleicker (1983), S. 16ff, m.w.N., oder Kroeber-Riel/ Weinberg (2003), S. 284, bzw. 303ff, die auch von „Schlusselinformation" sprechen. Die Wirkungsweise wird im Kapitel 6 aus einer informationsokonomischen Perspektive noch vertiefend analysiert.

Kapitel 3: Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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Im Markenproduktnutzungsprozess wird vor allem die Identifikations- bzw. Prestigefunktion der Marke betont. Diese kniipft an der Kommunikationsfiinktion an, weil der Nachfrager durch Besitz und/oder Nutzung der mit einer Marke gekennzeichneten Leistungsbiindel die mit dieser Marke verbundenen Assoziationen auf sich selbst iibertragt und dadurch mglw. auch eine bestimmte Gruppenzugehorigkeit ausdruckt, d.h. er nutzt die kommunikativen Eigenschaften der Marke in seinem eigenen Lebensumfeld.^'^ Die Kennzeichnung von Leistungsbiindeln mit (unterscheidbaren) Marken ermoglicht es Nachfragem aber zunachst auch, ihre Kaufprozesse einfacher zu gestalten. Der Marke kommt somit auch eine Entlastungsfunktion im Markenproduktbeschaffungsprozess zu. Diese Entlastungsfunktion kann dabei als ,Risikoreduktionsfunktion' etwa verhaltenswissenschaftlich interpretiert werden,^'' in der Literatur fmden sich aber auch Hinweise auf ihre okonomisch-theoretische Deutung. Namlich dann, wenn die Informationskosten- oder die Unsicherheitsreduktionsfunktion thematisiert werden.^'^ Dabei wird jedoch kaum herausgestellt, ob sich, und wenn ja, worin sich Informationskosten- und Unsicherheitsreduktionsfunktion unterscheiden und wie diese Wirkung konkret zu verstehen ist. Aus diesem Grunde stehen diese Funktionen im Fokus der Analyse im Kapitel 6.3.3, in dem dargelegt wird, was als Informationskostenreduktions- und was als Unsicherheitsreduktionsfunktion aus einer okonomischen Perspektive zu begreifen ist.^^^ Bevor die okonomische Analyse erfolgt, ist nun zunachst auf die Markenfiihrungsentscheidungen einzugehen, die vom Anbieter getroffen werden konnen, damit die Markenfunktionen ihre Wirkung entfalten.

' Siehe hierzu auch Meffert/Burmann/Koers (2001), S. 1 If., die als ein typisches Beispiel Luxusmarken nennen und die Prestige- und Identifikationsfunktion getrennt darstellen. Fiir eine umfassende Begriindung dieser Funktionsweisen vgl. auch Sommer (1998), S. 8Iff., der diese beiden Funktionen - er spricht von der ,Marke als Selbstinszenierung' bzw. von der ,Marke als Form der sozialen Kommunikation' - ebenfalls unterscheidet, bei der sog. Prestigefunktion aber explizit darauf verweist, dass nicht mehr nur Luxusmarken (wie in den 60er und 70er Jahren) diese Funktion erfiillen, sondem heute fast alle Marken fiir die soziale Kommunikation geeignet sind. Da die Argumentation hinsichtlich Identifikations- und Prestigefunktion auf ahnlichen Sachzusammenhangen beruht, werden die Funktionen hier vereinfachend zusammengefasst. So sprechen etwa Meffert/Burmann/Koers (2002), S. 9f, von Entlastungsfunktion und verweisen auf das Werk von Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 400ff., die von Entlastung durch Komplexitatsreduktion sprechen. Die Entlastungsfunktion wird auch bei Noelle-Neumann genannt, wonach der Markenartikel „seinem Wesen nach Entlastung" Noelle-Neumann (1965), S. 519, ist. Ihr Verstandnis von „Entlastung" basiert dabei auf der Sichtweise des Soziologen Gehlen, der damit „die Fahigkeit des Menschen bezeichnet, durch Hilfskonstruktionen, durch Mechanismen aller Art zu erreichen, daB bestimmte geistige Leistungen nicht immer wieder von neuem erbracht werden miissen, sondem einmal erbracht, dann gleichsam abgewalzt werden, um Energie zu sparen." Noelle-Neumann (1965), S. 519. Der Unterschied zur okonomischen, Entscheidungen analysierenden Theorie wird dann besonders deutlich, wenn sie weiter ausftihrt, dass Entlastung es den Menschen erspare, „sich zu einer Handlung neu zu entscheiden". So etwa bei Meffert/Burmann/Koers (2001), S. 9, die allerdings von der „Vertrauensfunktion" sprechen. Damit die Unterschiede herausgearbeitet werden konnen, sind zuvor einige grundlegende Ausflihrungen zu (informations-)6konomischen Theorieansatzen notwendig, weshalb an dieser Stelle auf das Kapitel 6, dort insb. auf Abschnitt 6.3.2.3 zu verweisen ist.

66

Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt

3.3

Markenfiihrungsentscheidungen zur Gestaltung intendierter Markenwirkungen

3.3.1

Entwicklungsprozess und State-of-the-Art der Theorie der MarkenfUhrung

3.3.1.1 Von fruhen Vorlaufem zu den Ideen umfassender Fuhrungskonzeptionen Fiir die Ableitung der im Rahmen der Markenflihrung zu beriicksichtigenden Entscheidungen hat es im Laufe der Entwicklung des Schrifttums unterschiedlichste Hinweise gegeben, die zunachst von Praktikem, spater dann erganzend auch von Wissenschaftlem, vor allem als Resonanz auf jeweilige Umfeldbedingungen entwickelt wurden.^'"^ Da sich daraus bislang noch keine allgemein anerkannte Markenftihrungstheorie ergeben hat,^'^ die hier als Grundlage herangezogen werden konnte, ist zunachst der Entwicklungsprozess kurz zu skizzieren, um die Basis der momentan diskutierten Konzepte verstandlich zu machen. Betrachtet man dabei die Vorlaufer und somit Anfange der Markenfuhrung ist auffallend, dass sich die beiden im vorherigen Kapitel in den Mittelpunkt gestellten originar-konstitutiven Markenflinktionen ausgesprochen deutlich wiederfmden lassen. Denn im Wirtschaftsleben werden Zeichen urspriinglich verwendet, um das Eigentum und/oder die Urheberschaft von Waren anzuzeigen. Im Altertum wurden diese Verwendungsweisen fur China, Agypten, den mittleren Osten, Griechenland und Rom nachgewiesen.^^^ Aus den im romischen Reich bekannten signa bzw. characteres als Grenz- und Eigentumszeichen oder als signa bzw. signacula mit der Bedeutung als Identitatszeichen einer Person bei der Beurkundung entstanden im Mittelalter dann die, zugleich als Basis der Entwicklung von Wappen zu sehenden, sog. Hausmarken.^'^ LEITHERER arbeitet heraus, dass sich diese seit dem 13. Jahrhundert parallel zur Verstadterung entwickelten, damit „Eigentum, Hauser, Geratschaften, alles feste und fahrende Besitztum mit einem Unterscheidungsmerkmal"^'^ gekennzeichnet werden konnte, und dass die mittelalterlichen Kaufleute ihre diesen Hausmarken vergleichbaren WarenZugleich wurde diesen Entwicklungen entsprechend auch der Markenbegriff jeweils anders und haufig neu interpretiert, siehe hierzu bereits oben Kapitel 2.2,2. Es wird in den foigenden Ausfuhrungen aber bewusst der Begriff der Marke als Zeichen in den Mittelpunkt geriickt. Dadurch kann zum einen die gemeinsame Basis verdeutlicht werden und zum zweiten auch aufgezeigt werden, dass die Neukonzeption von Begriffen nicht notwendig ist. So auch Meffert/Burmann (2002a), S. 37, oder Meffert (2002b), S. 671, in der oben zitierten Textstelle. Siehe hierzu Schluep (1964), S. 33ff., m.w.N., der neben dem Altertum noch das Mittelalter und die Neuzeit behandelt. Esch (2004), S. 1, beginnt sein Lehrbuch mit dem Satz: „Das Markieren von Produkten ist keine Erfmdung unserer Zeit" und weist etwa darauf hin, dass bereits zwei Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung in Kanaan produzierte Kriige von ihren Herstellem mit Zeichen versehen wurden. Vgl. dazu Leitherer (1954/1988), S. 3ff., oder Schluep (1964), S. 37ff. Zur Entwicklung des Namenswesens, das auf den signa als Identitatszeichen aufbaut, vgl. auch Bufimann (1937), S. 2ff., der darin auch die Entwicklung des Namensrechts bis zur Kodifizierung im § 12 BGB nachzeichnet sowie dessen Beziehung zur Idee der Firma als Unterschriftzeichen (,Die Firma ist der Name des Kaufmanns', § 17 HGB) und schlieBlich zum Marken- bzw. Warenzeichenrecht aufzeigt. So weist er etwa darauf hin, dass vor dem ersten deutschen Markengesetz im Jahr 1874 im § 287 des Reichsstrafgesetzbuches „Personen und Firmenmarken vor Verletzung" geschutzt wurden. Vgl. daneben auch hier Schluep (1964), S. 45ff, der bei seiner Behandlung der Geschichte des Markenrechts beim romischen Namensrecht beginnt. Siehe zur gegenwartigen Abgrenzung von Namen und Firma sowie sonstiger Kennzeichenrechte vor dem Hintergrund aktueller Rechtsvorschriften ausfiihrlich auch von der Gathen (2001), insb. S. 129ff Leitherer (1954/1988), S. 5-6.

Kapitel 3: Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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marken dann zudem nutzten, um „auch das in die Feme gehende Kaufmannsgut"^^^ als ihr Eigentum zu markieren. Parallel zu diesen Zeichenformen wurden auch Handwerker- bzw. Zunft- und Stadtemarken verwendet, deren Nutzung „aus rein absatzwirtschaftlichen Motiven (erfolgte, A.d.V.), namlich dann, wenn solche Gewerbe ihren Absatz auch auBerhalb des Stadtgebietes aus„Durch die Markierung war es moglich, nicht nur eine scharfe Kontrolle gegenuber minderwertiger Produktion auszutiben, sondem durch das Bekanntwerden auBerhalb des stadtischen Absatzgebietes konnte die mit einer bekannten Marke ausgezeichnete Ware sich einen Ruf erwerben und so eine Absatzsicherung fiir das einheimische Gewerbe darstellen."^^^ Bereits hier wird deutlich, dass die Ideen der Marke weit iiber das bloBe Anzeigen von Eigentum und/oder Herkunft hinausgingen. Besonders ausgepragt wurde diese Zwecksetzung dabei vom mittelalterlichen Leinengewerbe verfolgt, wobei vor allem die Zunfte unterschiedlicher Stadte miteinander konkurrierten. Den Marken kam als Zeichen die Funktion zu, die Qualitat zu verdeutlichen und so den Warenabsatz zu erleichtem, d.h. die Waren einer Anbietergruppe von denen anderer Anbietergruppen auch im nicht-personlichen Verkauf unterscheidbar zu machen.^^^ Die Ablosung der mittelalterlichen Zunft- und Stadtwirtschaft durch den Merkantilismus fuhrte dann zum Aufkommen erster Manufakturmarken, die aber nicht mehr die (quantitative) Bedeutung der Zunftmarken besaBen. Auch sie wurden vorwiegend im Auslandsabsatz eingesetzt, im Gegensatz zu den Kaufmannsmarken des Mittelalters kam ihnen jedoch auch die Funktion zu, die auch schon Zunftmarken besaBen, namlich die Herkunft der produzierten Waren und somit deren besondere Qualitat anzuzeigen.^^^ Mit dem Ubergang zum Friihkapitalismus gegen Ende des 18. Jahrhunderts und den damit aufkommenden Fabrikmarken sind dann „die ersten Ansatze einer neuen Marken-Absatzmethode"^^"^ zu erkennen. Dabei wird wieder der absatzwirtschaftliche Grundgedanke der Zunftmarken aufgegriffen und - indem die Notwendigkeit der Qualitatskonstanz betont wurde - durch eine Verfeinerung des rechtlichen Zeichenschutzes weiter abgesichert: Diese Entwicklung mundet zunachst im „Reichsgesetz liber den Markenschutz" von 1874 und schlieB-

Leitherer (1954/1988), S. 8. Leitherer (1954/1988), S. 15. Leitherer (1954/1988), S. 15. Vgl. hierzu Leitherer (1954/1988), S. 15ff., der sich hier auf eine Arbeit von Bechtel (1930), S. 177f. beruft. Siehe ahnlich hierzu auch Schluep, der vor allem auf die Bedeutung ,fakultativer Individualzeichen' eingeht, die genutzt werden, um „aus der Anonymitat gegenuber dem Konsumenten herauszutreten" Schluep (1964), S. 43, und der neben den Zunftmarken noch sog. Privilegienmarken erwahnt, die „ersichtlich werden lassen, dafi die Marke von der bloBen ,liability' zum ,asset' wird." Schluep (1964), S. 38. Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 50-60, insb. S. 60. Leitherer (1954/1988), S. 61.

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Teil II: Die „Marke*^ als Erfahrungsobjekt

lich im „Warenzeichengesetz" von 1894.^^^ Diese Gesetze sichem bereits die „modemen Markenformen"^^^ ab, die mit Beginn der Massenproduktion aufkommen und zunachst mit einer Ent-Individualisierung sowie einer Ent-Personalisierung des Wirtschaftslebens einhergehen.^^^ Die wirtschaftliche Bedeutung, die diesen „modemen Markenformen" beigemessen wird und sicherlich auch begiinstigt durch die Institutionalisierung der Betriebs- bzw. Privatwirtschaftslehre an deutschen Hochschulen^^^ - kann dann als Grund dafiir gesehen werden, dass verstarkt Wissenschaftler damit begannen, sich Fragen des Markenwesens zu widmen. Von ihnen und von Praktikem wurden in der Folge erste Beschreibungen des Phanomens vorgelegt und vor allem Empfehlungen fur die Gestaltung abgegeben.^^^ Wahrend die Idee einer ,Markenflihrung' vorher noch nicht als „betriebswirtschaftliches Managementkonzept existierte",^^^ wurden seitdem unterschiedlichste Konzepte entwickelt und mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen propagiert. Im Fokus eines ersten, als instrumentell bezeichneten Markenfiihrungsansatzes, stand dabei zunachst die bereits bei der Abgrenzung der Begrifflichkeiten angeftihrte Idee, Produkte anhand konstitutiver Merkmale als Markenartikel zu konzipieren.^^' Diese auf die Ansatze zum Einsatz von Zunftmarken zuriickgehenden Uberlegungen fmden sich auch heute noch begleitend in nahezu alien Ansatzen, doch wurde die Grundidee des instrumentellen Ansatzes durch den sog. funktionsorientierten Ansatz erweitert. Diese Konzeption manifestierte sich darin, dass auch produktentwicklungs-, distributions- und preispolitische Fragen zum Aufgabenspektrum der Markenfuhrung gezahlt wurden.^^^ Ab Mitte der 1970er Jahre konkurrierten im Schrifttum dann mit dem sog. verhaltensorientierten und dem technokratisch-strategieorientierten Ansatz zwei noch relativ klar abgrenzbare Konzepte mit unterschiedlicher Schwerpunktlegung um die Deutungshoheit. Dabei wurde von Vertretem des verhaltensorientierten Ansatzes die Bedeutung des (Marken-)Image als Ergebnis aller Marketingbemiihungen betont, wahrend der technokratisch-strategieorientierte Ansatz eine umfassende Untemeh^^' Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 60ff. ^^^ So die Bezeichnung von Leitherer (1954/1988), S. 66. ^^^ Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 68ff. ^^^ Vgl. hierzu Schneider, D. (2001), S. 189ff. ^^^ Vgl. Leitherer (1954/1988), S. 74ff. Dabei macht er u.a. Sombart (1924) und Jessen (1940) als eher volkswirtschaftlich orientierte Autoren aus und nennt mit Bezug auf Schmierer (1940) als betriebswirtschaftliche Vertreter der ersten, d.h. der monistischen Phase Moller (1914) bzw. (1922), Lotze (1919), GarbatyRosenthal (1922), Schulte (1923), Findeisen (1924), Szapiro (1924), Sellert (1927), Astheimer (1932) sowie Adolf Schneider, A. (1934). Dass bei spateren Veroffentlichungen vor allem immer auf Findeisen (1924) als einen ersten wissenschaftlichen Vertreter der Markenforschung verwiesen wird, vgl. dazu z.B. Meffert (1979), S. 20f, Graumann (1983), S. 49, Kelz (1989), S. 44, Weis/Huber (2000), S. 30, mag auch daran liegen, dass die von Leitherer aufgeftihrten Arbeiten heute - wenn iiberhaupt - nur sehr schwer zuganglich sind. Vgl. auch Leitherer in seinem Vorwort zum Wiederabdruck seiner Dissertation im Jahr 1988. ^^^ Meffert/Burmann (2002a), S. 18. Aufgrund der Vorbemerkungen zu den Vorlaufem, bei denen die Nutzung von Marken bereits daruber hinaus ging, nur als Eigentumszeichen bzw. Herkunftsnachweis zu dienen, wird ihnen hier allerdings darin widersprochen, wonach bis Anfang des 20. Jahrhunderts keinerlei absatzmarktlichen Zielsetzungen mit der Verwendung verfolgt wurden. ^^' Vgl. hierzu nochmals die oben angeftihrte „klassische" Definition von Mellerowicz (1955/1963), S. 39. "^ Vgl. zu dieser Charakterisierung Meffert/Burmann (2002a), S. 21-23.

Kapitel 3: Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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mungsfuhrungsperspektive einnahm.^^^ Mit den erleichterten Veroffentlichungsmoglichkeiten aufgrund der technischen Entwicklungen zum einen, der zunehmenden Relevanz von durch Untemehmensberater gepragter Managementliteratur zum zweiten sowie schlieBlich des eingangs skizzierten Bedeutungsgewinns des Themas Marke und Markenfuhrung zum dritten, sind die vorgeschlagenen Konzeptionen seitdem weniger trennscharf voneinander abzugrenzen. Momentan dominiert dabei zwar die Sprachregelung von der sog. „Identitatsorientierung" das Schrifttum zur Markenfuhrung,^^"^ doch zeichnen sich die unter dieser Bezeichnung propagierten Markenfiihrungsansatze durch eine ausgesprochene Heterogenitat aus, die bereits bei der Unbestimmtheit der grundlegenden Begrifflichkeiten beginnt, daruber hinaus aber auch fur die Aussagenfolgen festzustellen ist. Die Fragmentierung, vor allem aber auch die Gemeinsamkeit in der Grundidee wird daher im folgenden Kapitel kurz dargestellt.^^^ Zuvor zeigt die Abbildung 6 den skizzierten Entwicklungsprozess im Uberblick.

' ' ' Siehe dazu Meffert/Burmann (2002a), S. 23-25. ^^"^ Nach Auffassung von Meffert/Burmann (2002a), S. 25ff., konkurrieren zwar seit Beginn der 1990er Jahre mit dem im Folgenden vorgestellten Ansatz und der sog. fraktalen Markenfuhrung wiederum zwei unterschiedliche Ansatze. Obwohl sie zwar in ihrer grundlegenden Ausgestaltung grofie Unterschiede aufweisen, fmdet aber der hochst umstrittene, vgl. dazu Meffert/Burmann (2002a), S. 27 sowie auch die von ihnen zitierte Kritik bei Paulus (1995), S. 80ff., und auf Gerken (1994) zurUckgehende Ansatz der fraktalen Markenfuhrung in der wissenschaftlichen Literatur inzwischen kaum mehr Beachtung. Beispielsweise fmden sich weder im Lehrbuch von Baumgarth (2004) noch von Sattler (2001a) Hinweise auf diesen Ansatz. ^^^ Vgl. ausfuhrlich Welling (2003). Dort ist die im Folgenden dargestellte Kritik ausftihrlich hergeleitet und dokumentiert. Aus Ubersichtlichkeitsgriinden und um die Orientierung des Lesers zu erleichtem, werden die Aussagen in den folgenden Abschnitten leicht modifiziert wiedergegeben. Die Modifikation bezieht sich dabei vor allem auf die Abstimmung der Begrifflichkeiten mit den im Kapitel 2.2 erarbeiteten Defmitionen.

Teil II: Die „Marke*' als Erfahrungsobjekt

70

Identltiitsorientierte Markenfuhrung a) Verhaltens- und Imageorientierte Markenfuhrung b) Technokratlsch- strategieorientierte Markenfuhrung Funktionsorientierte Markenfuhrung

Muster, Zunft und Stadtmarken als Qualitatsmerkmal

Instrumentelle Markenfuhrung Fabrikmarken des FrUhkapitallsmus

Manufakturmarken als Qualltiitsmerkmal Hausmarken und Warenmarken als Elgentumszeichen SIgna/Characteres als Elgentumszeichen

Entwicklung des Markenrechts

Signa/Signacula der Urkunden als Identlt^tszeichen von Personen

500

1400

Entwicklung des Namensrechts

1600

-h-

-h

1800

1900

-^

1-

1975

2000

Abbildung 6: Entwicklungsprozess der Markennutzung und -fuhrung

3.3.1.2

Fragmentierung „identitatsorientierter" Markenfuhrungsansatze als momentan zu beobachtendes Phanomen

Die angesprochenen Ansatze einer als „identitatsorientiert" bezeichneten Markenfuhrung, die im deutschen Sprachraum etwa von HERIBERT MEFFERT und seinen Mitarbeitem und seit neuestem auch von FRANZ-RUDOLF ESCH besonders propagiert werden,^^^ scheinen sich in Wissenschaft und Praxis momentan verstarkt durchzusetzen, wozu auch die „Personenmarken" der Autoren beitragen.^^^ Dieser erfolgreiche Diffusionsprozess verwundert zum gegenwartigen Zeitpunkt vor allem deshalb, weil es sich bei der „identitatsorientierten" Markenfuhrung bislang eher um eine „Idee", weniger um eine ausformulierte Theorie der ' So lautet der Untertitel des mehrfach angesprochenen Herausgeberbandes „Markenmanagement" von Meffert/Burmann/Koers gleich „Grundfragen der identitatsorientierten Markenfuhrung". Siehe zu den Grundlagen und einer Nachzeichnung des Entwicklungsprozesses ausftihrlich insb. die Beitrage Meffert/Burmann (2002a), Meffert/Burmann (2002b) und Meffert/Burmann (2002c), in denen das bereits in Meffert/Burmann (1996a) und (1996b) skizzierte Konzept ausfuhrlich beschrieben wird. Auch Esch (2004), S. 83ff., stellt, u.a. auf Meffert/Burmann rekurrierend, ein - wenngleich anderes - identitatsorientiertes Markenfiihrungskonzept vor. Sowohl die Beitrage von Meffert/Burmann als auch die Ausflihrungen von Esch Ziehen als wissenschaftHche Vorlagen Kapferer (1992) und Aaker (1996) heran. Siehe zu einer Darstellung dieser Grundlagen und ftir eine umfassende Kritik Welling (2003), S. 9ff. Siehe hierzu etwa den Beitrag von Meier-Kortwig/Stiiwe (2000), S. 190ff., oder die Monographien von Ahlert/Kenning/Schneider (2000), S. 17-23, und Baumgarth (2004), S. 23f.

Kapitel 3: Markenfilhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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Markenfuhrung handelt,^^^ da die grundlegenden Begrifflichkeiten (noch) nicht ausreichend definiert^^^ und (auch deshalb) die Aussagenzusammenhange, d.h. der Strukturkem^'^^ (noch) nicht deuthch genug ausformuliert worden sind.^"*^ Zwar bezeichnen selbst die Vertreter dieses Konzeptes die identitatsorientierte Markenfuhrung nicht explizit als „Theorie", erarbeiten aber „theoretische Grundlagen"^'*^, auf deren Basis eine Ableitung erklarender und gestaltender Aussagen erfolgt. Daher miissen sie sich auch an den an eine Theorie gestellten Anforderungen messen lassen, wobei der momentane Status der identitatsorientierten Markenfilhrung polemisch als „Theoriegebrosel" gekennzeichnet werden kann.^"^^ Denn indem der - selbst vieldeutige^'^'^ - sozialwissenschaftliche Identitatsbegriff auf Marken iibertragen wird, ist zwar eine Problemlosungsidee vorhanden, das Wort „Markenidentitaf' wird auch fiir Aussagenfolgen verwendet und es werden Musterbeispiele gegeben, doch die logische Verknupfung ist allein schon deshalb nicht vorhanden (und nicht moglich), weil die grundlegenden Begrifflichkeiten nicht eindeutig geklart und mehrdeutig verwendet werden.^"^^ Dies ist fur den Begriff der Marke bereits explizit dargelegt worden, kann aber auch fur den Begriff der Markenidentitat aufgezeigt werden. Denn ein Begriff „Markenidentitat" wird momentan weder einheitlich in alien als „identitatsorientiert" bezeichneten Ansatzen genutzt noch wird er in den einzelnen Konzeptionen selbst ausreichend bestimmt und wird dort mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Dabei ist die Ursache des Problems vor allem darin zu sehen, dass der „Identitatsbegriff' selbst aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen entlehnt wurde, wo er bereits seit Jahrhunderten Gegenstand der Diskussion ist. Als Mutterdisziplin muss dabei - wie wohl fiir alle Das Defizit der fehlenden Markentheorie beklagen dabei Meffert/Burmann (2002b), S, 37, auch selbst. Vgl. hierzu explizit mit Quellendokumentation auch Welling (2003), S. 20ff. ' Siehe zum Begriff des Strukturkems Schneider, D. (1995), S. 164ff, insb. S. 169ff, der neben dem Strukturkem (als „Ausformulierung der Problemlosungsidee in einem Modell", Schneider, D. (1995), S. 167) die Elemente Problemstellung, Musterbeispiele und Hypothesen als Bestandteile einer Theorie ansieht. Einzelne Autoren sind sich dieser Problematik mittlerweile jedoch bewusst, vgl. dazu etwa das mehrfach uberarbeitete Arbeitspapier von Burmann/Blinda/Nitschke (2003), in dem versucht wurde, die bei Welling (2003) geauBerte Kritik z.T. aufzugreifen. Meffert/Burmann (2002b), S. 37ff Diese polemische Bezeichnung fmdet sich bei Schneider, D. (1995), S. 212ff. Siehe dort auch zu den skizzierten Anforderungen und den darauf basierenden Giitestufen. Siehe hierzu ausfuhrlich Gugutzer (2002), S. 19. Auch das die Kritik bereits beriicksichtigende Arbeitspapier von Burmann/Blinda/Nitschke (2003) hat die Probleme noch nicht uberwunden. So hat bereits das dort explizierte Markenverstandnis, wonach die Marke defmiert wird als „ein Nutzenbiindel mit spezifischen Merkmalen, die dafiir sorgen, dass sich dieses Nutzenbiindel gegeniiber anderen Nutzenbiindeln, welche dieselben Basisbedurfnisse erftillen, aus Sicht relevanter Zielgruppen nachhaltig differenziert", Burmann/Blinda/Nitschke (2003), S. 3, weiterhin mit den bereits dargelegten Schwierigkeiten der Eindeutigkeit zu kampfen. So bleibt etwa der Genus selbst, hier „Nutzenbiindel" ungeklart. Wenn „Nutzen" als subjektives Konstrukt zu gelten hat, ware die Definition auf der Wirkungsebene angesiedelt. Die vorher verwendete Vorstellungsbilddefinition ware dann nur mit einem anderen Wort umformuliert, die Probleme fur die Konzeption waren identisch. Unklar bleibt jedoch, ob die Autoren eigentlich diese Wirkung meinen oder eher von einem auf der Ursachenebene angesiedeltem Biindel sprechen (wollen), das potentiell als nutzenstiftend begriffen werden kann. Da dann nicht zwischen Zeichen und Absatzobjekt getrennt wird, waren wiederum die angesprochenen Separationsprobleme nicht gelost. Das Arbeitspapier von Burmann/Blinda/Nitschke (2003) wurde aufgrund des „Work-in-process"-Charackters hier nicht weiter beriicksichtigt.

12

Teil II: Die „Marke^^ als Erfahrungsobjekt

modemen Wissenschaften - die Philosophic gelten, aus welcher der Begriff Eingang in die sozialwissenschaftliche, d.h. insb. soziologische und psychologische Forschung, erlangte^"^^ und doit von betriebswirtschaftlichen Autoren entlehnt wurde.^"^^ Dabei drehte sich die betriebswirtschaftliche Diskussion zunachst um das Schlagwort „Corporate Identity", bei der man allerdings bereits eine Parallele zur Begriffsvielfalt erkennt, die heute auch die Forschungsarbeiten zur Markenidentitat kennzeichnet.^"^^ Einzig MEFFERT/BURMANN bieten mit einer Bezugnahme auf die sozialwissenschaftliche Forschung eine theoretische Herleitung des Begriffes Markenidentitat an, wobei bereits fiir die sozialwissenschaftliche Forschung konstatiert wurde, „dass die Verwendung des Terminus Identitat inflationare AusmaBe angenommen und zu einer Begriffsverwirrung gefiihrt hat, die geradezu als Identitatsmerkmal der Identitatsforschung bezeichnet werden kann."^"^^ Die Vieldeutigkeit des Identitatsbegriffes in den „Ursprungsdisziplinen" hat sich also bei der Adaptation durch betriebswirtschaftliche Forscher fortgepflanzt, wobei dieses Problem bereits die Ubemahme aus der Philosophic in die Sozialwissenschaft begleitet. STROSS schliefit ihre umfangreiche Analyse: „Aus dieser Perspektive erscheint der Identitatsbegriff, wie er in sozialwissenschaftlichen Theorien des 20. Jahrhunderts formuliert worden ist und offensichtlich an Uberlegungen Lockes ankniipft, allerdings in einem neuen Licht: namlich als ahistorische Adaption eines empiristischen Identitatsbegriffes des ausgehenden 17. Jahrhunderts, der ehemals einer juristischen Fassung des Personenbegriffs diente."^^^ Ungeachtet der Tatsache, dass es in den einzelnen Disziplinen unterschiedliche Entwicklungsstrome und Fragmentierungen gibt, gehoren die betriebswirtschaftlichen Identitatsvorstellungen mit all ihren Mutationen disziplinar also der 3. Generation an, wodurch sich die problematische und vielgestaltige Verwendung erklart. Eine Analyse der Begrifflichkeiten, die sich an den unterschiedlichen Bedeutungen von Identitat in den Vorlauferwissenschaften orientiert, setzt dabei an der Unterscheidung zwischen dem Identitatsobjekt, d.h. dem Gegen-

Vgl. hierzu auch Frey/HauBer (1987), S. 5, die den Bezug zu Fragen personaler Identitat (Ich-Identitat) als einen der altesten Forschungsbereiche der Philosophie herstellen. Bei seiner Analyse des Personbegriffs, der mit der Idee der Identitat einhergeht, verweist Sturma (1997), S. 47, bereits auf Arbeiten der mittleren Stoa (150 bis ca. 50 v. Chr.). Als ,modeme' Vorlaufer sind insbesondere die Arbeiten der Empiristen John Locke (1694/1979) und David Hume (1739/1978) sowie von Gottfried Wiliielm Leibniz (1704/1923) zu nennen. Erstere beiden haben die Identitatsvorstellungen von James (1890) und Mead (1934) beeinflusst, letzterer diejenigen von Karl Jaspers. Siehe zu den Vorlaufem vor allem Stross (1991), insb. S. 104ff. Siehe zum Begriff der Markenidentitat vor allem Meffert/Burmann (2002b), S. 4 Iff. Vgl. Achterholt (1988), insb. S. 29ff., die schon einen „Begriffswirrwarr" in der Literatur zur „Corporate Identity" bzw. zur „Untemehmensidentitat" ausmacht. ' Gugutzer (2002), S. 19, Fn. 1 (Hervorhebungen nicht im Original). Siehe erganzend Frey/HauBer (1987), S. 3, die zur Definition des Begriffes konstatieren: „Es gibt keine, zumindest keine allgemein akzeptierte. Eher das Gegenteil scheint der Fall." ' Stross (1991), S. 107.

Kapitel 3: Markenfuhrung zur Sicherstellung von Markenfunktionen

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stand, dem Identitat als >Wesenseinheit; vollige Gleichheit

>1 (Mehr-Markenfiihrung)

T3 X!

^ g

Einzelmarkenkonzeptionen

Co-/Multiple-Branding bzw. 1 Tandemmarkierungs1 konzeptionen 1

1 1 1

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