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German Pages 534 Year 2005
Bruno Lotter · Hans-Peter Wiendahl (Hrsg.) Montage in der industriellen Produktion
Bruno Lotter · Hans-Peter Wiendahl (Hrsg.)
Montage in der industriellen Produktion Ein Handbuch für die Praxis
Mit 328 Abbildungen und 16 Tabellen
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Professor Bruno Lotter Kirchberg 8 75038 Oberderdingen [email protected] Professor Dr.-Ing. Dr.h.c.mult. Hans-Peter Wiendahl Universität Hannover Institut für Fabrikanlagen und Logistik Schönebecker Allee 2 30823 Garbsen [email protected]
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isbn-10 3-540-21413-5 Springer Berlin Heidelberg New York isbn-13 978-3-540-21413-7 Springer Berlin Heidelberg New York
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Vorwort
Die Globalisierung bedeutet für die industrielle Produktion neue und große Herausforderungen und wirkt sich besonders auf die industrielle Montage aus. Zum Erhalt oder zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit wird häufig zum einen zunächst die Eigenfertigung reduziert, so dass die Fabriken im Wesentlichen nur noch den Zukauf der Produktkomponenten und deren Endmontage betreiben. Zum anderen setzen viele Unternehmen aber auf die Verlagerung der personalintensiven Montage in Länder mit extrem niedrigen Lohnkosten. Damit fallen im eigenen Land Arbeitsplätze meist ersatzlos weg und es werden bedeutende Produkterfahrungen preisgegeben. Eine tiefer gehende Analyse zeigt in vielen Fällen, dass die oft erheblichen Reserven nicht ausgeschöpft wurden, die in der Verbesserung der eigenen Abläufe liegen. Die Verlagerung darf und kann daher nicht die vermeintlich einzige Lösung zur Beherrschung der globalen Herausforderung sein. Das vorliegende Buch hat sich daher zum Ziel gesetzt, methodisch fundierte und praxiserprobte Lösungen zur wirtschaftlichen Gestaltung der industriellen Montage variantenreicher Produkte der Elektro- und Feinwerktechnik, des Maschinenbaus und der Automobilzulieferindustrie aufzuzeigen. Damit soll ein Beitrag zum Erhalt der internationalen Konkurrenzfähigkeit am Standort Deutschland geleistet werden. Dabei dürfen sich die notwendigen Maßnahmen nicht nur auf die Montage beschränken, sondern müssen sowohl die Standortüberlegungen, die Produktkonstruktion als auch die Materialbereitstellung im Sinn eines ganzheitlichen Ansatzes mit einbeziehen. Das gesamte Thema wird dabei nach den drei Gesichtspunkten Montageplanung, Montagesysteme und Montagebetrieb behandelt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem vertieften Verständnis wirtschaftlicher und zugleich flexibler Organisationsformen sowie der Vermeidung von Verschwendung mit dem Ansatz der Primär-SekundärAnalyse. Ausgangspunkt war die 2. Auflage des Buches „Wirtschaftliche Montage – Ein Handbuch für Elektrogerätebau und Feinwerktechnik“ von Bruno Lotter aus dem Jahre 1992. Mit Unterstützung renommierter Autoren haben die Herausgeber das Vorgängerwerk mit gesicherten Ergebnissen aus Forschung und Anwendung zu einem praxisorientierten Handbuch der in-
VI
Vorwort
dustriellen Montage erweitert. Hierbei fanden auch Sonderthemen wie Mikromontage, Hochleistungsmontage und die Montage biegeschlaffer Teile Berücksichtigung. Das Handbuch soll dem Planer, Ausrüster und Betreiber von Montagesystemen auf allen betrieblichen Ebenen einen systematischen und durch zahlreiche Beispiele besonders anschaulichen Leitfaden für deren wirtschaftliche Gestaltung bieten. Den Lehrenden und Studierenden der Produktionstechnik an den Hochschulen vermittelt es einen knappen Überblick über die Montagetechnik sowie die Planungs- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen für ein reales Montagesystem. Um das ganze Feld der Montage für jeden in der Montage Verantwortlichen verständlich und nachvollziehbar darzustellen, haben wir versucht, uns an das folgende Motto von Albert Einstein zu halten. Alles, was erfolgreich ist, ist einfach. Alles was einfach ist, ist anfangs schwierig. Denn der Mensch hat selten gelernt, einfach zu denken und zu handeln. Unser Dank gilt den Koautoren für ihre engagierte Mitarbeit sowie den Firmen und Instituten für die freundliche Bereitstellung ihrer Unterlagen. Besonderer Dank gilt dem Institut für Fabrikanlagen und Logistik der Universität Hannover und dort Frau Schössow-Weber für die Erstellung sämtlicher Abbildungen. Herrn Thomas Lehnert vom Springer-Verlag danken wir für die stets professionelle Betreuung unseres Vorhabens. Unseren Lesern wünschen wir einen möglichst großen Nutzen aus diesem Buch und sind für jede Kritik oder Anregung dankbar.
Oberderdingen und Garbsen, Januar 2006 Bruno Lotter
Hans-Peter Wiendahl
Autorenverzeichnis
Hartmut Buck M.A., Leiter Team Entwicklungsförderliche Organisationsgestaltung im Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart [email protected] Dipl.-Ing Torsten Fiege, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Fabrikanlagen und Logistik, Universität Hannover [email protected] Dr.-Ing. Marko Hartel, Wiss. Mitarbeiter und Oberingenieur am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik der TU Karlsruhe1993–1998, danach Eintritt bei der BMW Group München und seit 2005 Leiter Qualitätsmanagement, Technologiesteuerung, Prototypenteile des Werkzeugund Anlagenbaus der BMW Group [email protected] Dr.-Ing. Matthias Hegenscheidt, Wiss. Mitarbeiter am Institut für Fabrikanlagen und Logistik der Universität Hannover 1998–2003, danach Eintritt in die Volkswagen AG [email protected] Dr.-Ing. habil. Stefan Hesse. Büro Dr.-Ing. Stefan Hesse Plauen [email protected] Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Jürgen Hesselbach. Geschäftsführender Leiter Institut für Werkzeugmaschinen u. Fertigungstechnik, Technische Universität Braunschweig [email protected] Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Günther Höhne, Fachgebietsleiter Konstruktionstechnik Fakultät für Maschinenbau, Technische Universität Ilmenau [email protected] Prof. Bruno Lotter, Industrieberatung Montagetechnik Oberderdingen [email protected]
VIII
Autorenverzeichnis
Edwin Lotter Geschäftsführer LP-Montagetechnik GmbH, Erlangen [email protected] Georg Miedzik, Leiter Kabelverarbeitung INSYS Industriesysteme AG, Münsingen Schweiz [email protected] Dipl.-Ing. Helge Mühlenbruch Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Fabrikanlagen und Logistik, Universität Hannover [email protected] Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil Peter Nyhuis, Geschäftsführender Leiter Institut für Fabrikanlagen und Logistik, Universität Hannover [email protected] Dipl.-Ing. Annika Raatz, Abteilungsleiterin Fertigungsautomatisierung und Werkzeugmaschinen im Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, Technische Universität Braunschweig [email protected] Dipl.-Ing. Michael Richter, Leiter Competence Center Produktionsmanagement im Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart [email protected] Dipl.-Ing. Andreas Schmidt, Wiss. Mitarbeiter Fachgebiet Konstruktionstechnik Fakultät für Maschinenbau, Technische Universität Ilmenau [email protected] Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. mult. h. c. Hans-Peter Wiendahl, 1979–2003 Geschäftsführender Leiter Institut für Fabrikanlagen und Logistik, Universität Hannover [email protected] Dipl.-Ing. Jan Wrege, Wiss. Mitarbeiter Abteilung Fertigungsautomatisierung und Werkzeugmaschinen im Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, Technische Universität Braunschweig [email protected]
Inhalt
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruno Lotter
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1.1 Entwicklung der Montagetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Stand der Montagetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Einfluss veränderter Bedingungen auf die Montagetechnik. 1.4 Strategien zur Rationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Buchaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 5 7 8
2 Montagegerechte Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Hesse
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2.1 2.2
Automatisierungsgerechte Produktgestaltung. . . . . . . . . . . . . . Montagegerechte Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Methodenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Fügbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Strukturieren von Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Produktbauweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Toleranzen und Toleranzausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Gestaltungsbereich Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Gestaltungsbereich Baugruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Gestaltungsbereich Einzelteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Demontagefreundliche Produktgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 18 18 22 24 27 32 36 37 41 43 53 55
3 Die Primär-Sekundär-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bruno Lotter
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3.1 3.2
Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuelle Kleingerätemontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Grundanalyse mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Feinanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Anwendungsbeispiel Feinanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 61 61 64 70
X
Inhalt
3.3
Manuelle Großgerätemontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Grundanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Feinanalyse Großgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Anwendungsbeispiel Feinanalyse Großgeräte . . . . . . . 3.4 Erweiterte Analyse Gesamtmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Halbautomatische und automatische Kleingerätemontage . . . 3.5.1 Grundanalyse Kleingeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Monetäre Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Anwendungsbeispiel halbautomatische Montageanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Anwendungsbeispiel automatische Montageanlage . . 3.6 Feinanalyse Robotereinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Definition Primär-Sekundär-Aufwand . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Primär-Sekundär-Analyse einer Robotermontagezelle Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 Gestaltung der Montageorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Richter 4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Prozessorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Wertschöpfungsfunktionen, Support-Funktionen und Koordinationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Fluss-Prinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Integrierte Qualitätssicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturformen für Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Linien-Montagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Einzelplatz-Montagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Baustellen-Montagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Montageinseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Automatisierte und hybride Montagesysteme . . . . . . . Organisationsprinzipien in der Montage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Individual-Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Gruppenarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Prozess-Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensweise zur Planung der Montage-Organisation . . . 4.4.1 Bewertungskriterien für Montagestruktur und -organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Leitfaden zur Montageplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Führung in der Montage-Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Kennzahlenbasierte Regelungsmechanismen . . . . . . . . 4.5.2 Umgang mit Planabweichungen und Störfällen. . . . . .
73 73 75 77 79 82 82 82 83 84 86 86 90 92 95 95 95 96 97 100 101 102 103 104 104 106 107 110 110 111 112 113 114 117 117 119
Inhalt
4.5.3 KVP-Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.4 Visual Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.5 Dezentrales Informationsmanagement . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
119 120 122 123 124
5 Manuelle Montage von Kleingeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Bruno Lotter 5.1 5.2 5.3
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise zur Arbeitsplatzgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Montageablaufprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Stückweise Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Verrichtungsweise Montage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Einzelplatzmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Einzelmontageplatz für stückweisen Ablauf . . . . . . . . 5.4.2 Wirtschaftlichkeit der stückweisen Montage . . . . . . . . 5.4.3 Einzelmontageplatz für verrichtungsweisen Ablauf. . 5.4.4 Wirtschaftlichkeit der verrichtungsweisen Montage . 5.4.5 Vergleich stückweise und verrichtungsweise Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.6 Einzelmontageplatz nach dem One Piece FlowPrinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Materialflusstechnische Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Manuelle Förderung des Montageobjektes. . . . . . . . . . 5.5.2 Mechanische ungeordnete Förderung . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Mechanische geordnete Förderung. . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.5 Austaktung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.6 Fließmontage für verrichtungsweisen Ablauf mit transportablen kreisförmigen Mehrfachwerkstückträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Ausführungsbeispiele von manuellen Montagen . . . . . . . . . . . 5.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Manuelle Montage von Großgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Bruno Lotter 6.1 6.2 6.3
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Baustellenmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Gruppenmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
XII
Inhalt
6.4
Fließmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Periodischer Bewegungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Kontinuierlicher Montageablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Bevorratungsfreie Fließmontage für Großgeräte . . . . . . . . . . . 6.5.1 Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Materialbereitstellung auf Werkstückträger . . . . . . . . . 6.5.3 Materialbereitstellung auf Materialwagen. . . . . . . . . . . 6.5.4 Fördermittel, Montageablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 182 184 184 186 188 190 191 192
7 Hybride Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Edwin Lotter 7.1 7.2 7.3
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundformen hybrider Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Hybride Einzelmontagesysteme in Rundtaktausführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Verkettete hybride Montageeinrichtungen in Rundtaktausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Hybride Montagesysteme in Längstransferanordnung 7.4 Bewertung hybrider Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Wirtschaftlicher Automatisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.1 Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5.2 Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Automatische Montagemaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Stefan Hesse 8.1 8.2 8.3
8.4
Automatisierbarkeit von Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumliche, zeitliche und funktionelle Grundmuster . . . . . . . . Bauarten von Montagemaschinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Gliederung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Ein-Station-Montageautomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 Mehrstationen-Montageautomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.4 Kontinuierlich laufende Montageautomaten. . . . . . . . . Transfersysteme und Förderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Weitergabesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.2 Werkstückträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.3 Werkstückträgerschnelleinzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.4 Werkstückträgerführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219 220 225 225 227 229 237 238 238 244 248 248
Inhalt
8.5
Prozesstypische Fügeeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.1 Presseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Schraubeinheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Nieteinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.4 Durchsetzfügetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.5 Schweißeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.6 Löteinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.7 Klebeeinheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.8 Prüfeinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Greifer und Fügehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.1 Greifer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6.2 Fügehilfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7 Zuführeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.1 Gliederung und Lösungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.2 Stapelmagazine und Bunker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.3 Schwingfördersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.4 Ordnungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.5 Magazine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.6 Zuteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.7.7 Förderbänder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.1 Bewegungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.2 Einlegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.8.3 Montageroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.9 Sensoren in der Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.10 Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
249 250 251 256 259 261 265 266 268 270 270 274 276 276 278 279 283 287 290 291 292 292 298 300 303 306 307
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Bruno Lotter 9.1 9.2
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau flexibler, programmierbarer Roboter-Montageanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Ausführungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Hybride flexible Roboter-Montageanlagen . . . . . . . . . 9.3.2 Rüsten hybrider Roboter-Montageanlagen. . . . . . . . . . 9.3.3 Hybride Fließmontage mit verrichtungsweisem Ablauf und Robotereinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.4 Roboter-Montageautomat mit verrichtungsweisem Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
309 310 314 314 315 316 317 321
XIV
Inhalt
10 Materialbereitstellung in der Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Peter Nyhuis, Hans-Peter Wiendahl, Torsten Fiege, Helge Mühlenbruch 10.1 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Begriffabgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Anforderungen an die Materialbereitstellung . . . . . . . . 10.2 Einbindung der Materialbereitstellung in die betriebliche Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Beschaffungslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Bedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Materialbereitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Kommissionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Materialsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Verbrauchsgesteuerte Bereitstellung. . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Bedarfsgesteuerte Bereitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.3 Identifikationstechniken in der Materialbereitstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Materialbereitstellung am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323 323 324 325 328 328 331 334 336 336 339 340 342 343 343 344 348
11 Integration der Teilefertigung in die Montage . . . . . . . . . . . . 353 Bruno Lotter 11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Integration der Teileherstellung in die Montage . . . . . . . . . . . . 11.3 Integration der Produktionsendstufe für Einzelteile in die Montageanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Verbundproduktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.2 Vorteile der Verbundproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4.3 Aufbau von Verbundproduktionssystemen . . . . . . . . . . 11.4.4 Praxisbeispiele Verbundproduktionssysteme . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
353 353 356 359 359 360 360 361 368
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Hans-Peter Wiendahl und Matthias Hegenscheidt 12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung. . . . . . . . . . . . . . . 370
Inhalt
XV
12.2.1 Systemkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.2 Fügeteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.4 Anlagenstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Kenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Stationsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Puffergrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.3 Systemgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Messung der Kenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.1 Aufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.2 Schwachstellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.1 Starre Verkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.2 Lose Verkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5.3 Elastische Verkettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Verbesserungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Betriebsphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.2 Planungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Glossar Verfügbarkeit und Nutzungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
372 374 375 376 378 380 384 386 387 387 389 391 392 395 395 401 401 402 403 405
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen . . . . . . . . Marko Hartel und Bruno Lotter 13.1 Planung von Montagesystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1.1 Planungssystematik für Produktionssysteme . . . . . . . . 13.1.2 Planungssystematik für Montagesysteme . . . . . . . . . . . 13.1.3 Absatzsynchrone Montageplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Bewertung von Montagesystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Nutzwertanalytische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Wirtschaftlichkeitsberechnung – Statische Verfahren 13.2.3 Wirtschaftlichkeitsberechnung – Dynamische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
407
14 Überlegungen zum Standort Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . Bruno Lotter 14.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Betriebswirtschaftliche Auswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Beispiel einer Vergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Ausgangssituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
407 407 409 414 420 422 424 428 431 433 433 434 435 437 437
XVI
Inhalt
14.4.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 14.4.3 Risikoabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Hartmut Buck 15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Aufgabenorientierte Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.1 Handlungsanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.2 Auswahl der Qualifizierungsmethode und der Lernmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Qualifikationsplanung und -entwicklung am Beispiel dezentraler Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Vorgehensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.2 Qualifikationsförderliche Montagegestaltung . . . . . . . 15.3.3 Beispiel einer lernförderlichen Arbeitsgestaltung . . . . 15.4 Lernorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
443 444 444 447 450 450 451 452 455 459 461
16 Mikromontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Jürgen Hesselbach, Jan Wrege, Annika Raatz 16.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.1 Einordnung der Mikromontage in das technische Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.2 Abgrenzung der Mikromontage zu konventionellen Montagetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1.3 Motivation automatisierte Mikromontage . . . . . . . . . . . 16.2 Grundlegende Montagestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Geräte der Mikromontage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Montagezellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Präzisionsroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.3 Größenangepasste Handhabungstechnik . . . . . . . . . . . . 16.3.4 Konzepte der Sensorführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 Greifer und Zuführtechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.6 Umgebungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
463 463 467 469 470 473 473 474 476 476 478 480 481 481
Inhalt
XVII
17 Hochleistungsmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Günter Höhne und Andreas Schmidt 17.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Konzepte für Hochleistungsautomaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.2 Getaktete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3 Kontinuierliche Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
483 484 484 485 487 491 493
18 Kabelkonfektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Georg Miedzik 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5
Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kabeltypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatzgebiete der Kabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Maschinenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verarbeitungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.1 Ablängen und Einlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.2 Kabelgrundverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.3 Kontaktbestückung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.4 Gehäusebestückung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.5 Kontrollieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.6 Ablegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.6 BDE (Betriebsdatenerfassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
495 495 499 501 504 504 507 509 511 513 514 515 515
19 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Bruno Lotter und Hans-Peter Wiendahl 19.1 19.2 19.3 19.4
Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Montagegerechte Produktgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung von Verschwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verrichtungsweiser Montageablauf und das Prinzip „One Piece Flow“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Bevorratungsfreie Fließmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Hybride Montagesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.7 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517 518 518 519 520 520 521
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
1 Einführung
1.1 Entwicklung der Montagetechnik Industriell hergestellte Produkte bestehen in der Regel aus einer Vielzahl von Einzelteilen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Fertigungsverfahren hergestellt werden. Es ist Aufgabe der Montage, aus diesen Teilen ein Produkt höherer Komplexität mit vorgegebenen Funktionen in einer bestimmten Zeit zusammenzubauen (Warnecke 1975). Aus dieser Definition ist abzuleiten, dass erst seit dem Beginn der industriellen Produktion von der Montage im Sinne eines separaten Produktionsabschnittes gesprochen werden kann. Grundlegende Betrachtungen zur Systematisierung und Rationalisierung der Montage finden sich in den von Frederic Winslow Taylor sowie Frank und Lilian Gilbreth Anfang 1900 veröffentlichten Arbeiten. Durch das schnelle Wachstum der Automobilindustrie in den USA, den daraus resultierenden Zwang zur wirtschaftlichen Montage und das Fehlen qualifizierter Facharbeiter entstand die extreme Arbeitsteilung in der Montage. Die Fließmontage, erstmals von Henry Ford für das T-Modell im Jahre 1908 eingeführt, war die logische Folge der Arbeitsteilung. Als weitere Folge wurde das Montieren, ausgenommen im Maschinenbau, zur Hilfsarbeitertätigkeit. Bis heute hat sich daran im Bereich der manuellen Montage im Wesentlichen nichts geändert. Bessere Fließbandsysteme, mechanisierte Werkzeuge, nach ergonomischen Gesichtspunkten gestaltete Arbeitsplätze und die teilweise Mechanisierung kraftaufwendiger Vorgänge haben die Arbeit in der Montage – verglichen mit den Fortschritten in der Teilefertigung – relativ wenig verbessert bzw. erleichtert (Lotter u. Schilling 1994). Demgegenüber hat sich die automatisierte Montage für Kleingeräte und Großgeräte unterschiedlich entwickelt. Mit der Erfindung des Mikrowurfprinzips wurde der Einsatz von Vibrationswendelförderern zur Ordnung und Zuführung von Kleinteilen und damit der Bau von Montageautomaten für die Kleingeräteindustrie möglich. Nach dem Vorbild von Verpackungsund Glühlampenmaschinen waren diese Montageautomaten zunächst reine Sondermaschinen mit pneumatisch betriebenen Einzelbewegungen. Der Leistungsbereich lag bei Taktzeiten minimal 5 Sekunden.
2
1 Einführung
Zur Erreichung kürzerer Taktzeiten wurden kurvengesteuerte Montageanlagen bei gleichzeitiger Standardisierung von Grundeinheiten entwickelt. Damit werden Taktzeiten in der Größenordnung von einer Sekunde erreicht. Bei der Montage größerer und komplexer Produkte hat die Einführung von Gurtbandsystemen zum Transfer von Werkstückträgern ein großes Rationalisierungspotential eröffnet. Die Erfolge, die man in den 1970er Jahren durch den Robotereinsatz in der Montage erwartete, konnten jedoch nur zum Teil realisiert werden. Die Kosten für Roboter und im Besonderen für die dazugehörige Peripherie haben deren wirtschaftlichen Einsatz, mit Ausnahme der Schweißroboter im Karosseriebau und beim Lackieren, für Jahre verzögert.
1.2 Stand der Montagetechnik Nach der VDI-Richtlinie 2860 (VDI 1990) ist Montieren die Gesamtheit aller Vorgänge, die dem Zusammenbau von geometrisch bestimmten Körpern dienen. Montagen bestehen im Kern aus Vorgängen des Fügens, wie in (DIN 8593) spezifiziert, und Funktionen der Werkstückhandhabung nach der VDI-Richtlinie 2860. Die Funktionen der Montage umfassen zusätzlich Tätigkeiten des Justierens und Kontrollierens sowie Sonderoperationen wie Markieren, Erwärmen, Kühlen, Reinigen, Entgraten usw. Sie sind zusammenfassend in Abb. 1-1 dargestellt. Montieren
Fügen DIN 8593) Zusammensetzen Füllen Anpressen und Einpressen Fügen durch Urformen Fügen durch Umformen Fügen durch Schweißen Fügen durch Löten Kleben textiles Fügen
Handhaben (VDI 2860)
Kontrollieren (VDI 2860)
Justieren (DIN 8580)
Speichern Mengen verändern Bewegen Sichern Kontrollieren
Prüfen Messen
Justieren durch Einformieren Justieren durch Umformen Justieren durch Trennen Justieren durch Fügen von Ausgleichsteilen Justieren durch Einstellen Justieren durch Nachbehandeln
Abb. 1-1 Funktionen der Montage
Sonderoperationen Markieren Erwärmen Kühlen Reinigen Entgraten Bedrucken Abdecken Abziehen Auspacken Ölen Einsprühen Abdichten
1.3 Einfluss veränderter Bedingungen auf die Montagetechnik
3
Die Montage beansprucht je nach Produkt 15 bis 70% der Gesamtfertigungszeit. Im Maschinenbau liegt der Montagezeitanteil, je nach Komplexität des Objektes, zwischen 20 und 45%. Im Fahrzeugbau beträgt er, abhängig von der Fertigungstiefe, 30 bis 50%. Der höchste Montagezeitanteil mit 40 bis 70% findet sich in der Elektro- und Feinwerktechnik (VDI 1992). Abbildung 1-2 zeigt die groben Auswahlkriterien für unterschiedliche Montagesysteme und lässt erkennen, dass die automatische Montage große Stückzahlen und hohe Investitionen erfordert und die Flexibilität stark einschränkt. Dagegen zeichnet sich die manuelle Montage durch hohe Flexibilität und geringen Investitionsbedarf aus, ist jedoch für große Stückzahlen nicht wirtschaftlich. Dazwischen liegt die halbautomatische Montage, bei der nur qualitätsbestimmende Füge- oder Prüfvorgänge automatisiert ablaufen (Lotter u. Schilling 1994). Investment
Losgröße
Automatische Montage
Halbautomatische Montage (Hybridsysteme)
Manuelle Montage
Flexibilität
Abb. 1-2 Auswahlkriterien für Montagesysteme
1.3 Einfluss veränderter Bedingungen auf die Montagetechnik Der Anbietermarkt hat sich zum Käufermarkt entwickelt; das früher schmale Produktspektrum wird durch eine immer breitere Angebotspalette mit zahlreichen Varianten abgelöst. Die Globalisierung führt zu extremen Wettbewerbssituationen. Als Folge davon sind folgende wesentliche Entwicklungstendenzen zu nennen:
4
• • • • •
1 Einführung
Weitere Verkürzung der Produktlebensdauer; starker Anstieg der Produktvarianten und damit Losgrößenreduzierung; Zwang zur Just in time-Lieferung, teilweise sogar Just in sequence; Erhöhung der Qualitätsanforderungen; Reduzierung der Herstellkosten und damit auch der Montagekosten.
Die Auswirkungen auf die Montage sind: • Die Vollautomatisierung ist Großserienprodukten mit wenig Varianten vorbehalten; • vorherrschend sind steigende Variantenzahlen in kleine Losen; • Durchlaufzeiten und Lagerbestände sind extrem zu reduzieren; • Montagesysteme müssen zur Anpassung an den Mengenbedarf im Lebenszyklus des Produktes nachrüstfähig hinsichtlich Mechanisierung oder Teilautomatisierung sein. Damit gelten für die Gestaltung von zukünftigen Montageeinrichtungen folgende Grundsätze: 1. Die Montage muss flexibler werden. Flexibilität in der Montage kann definiert werden als die Anpassbarkeit eines Systems an die Veränderungen hinsichtlich Art und Menge der zu produzierenden Produkte, der Produktionsanforderungen sowie der Produktionsbedingungen (Schmidt 1992). 2. Der Anteil wieder verwendbarer Komponenten einer Montageanlage muß für eine nachfolgende Nutzung erhöht werden. Das erfordert den Einsatz produktneutraler Grundsysteme und standardisierter Funktionsbaugruppen. 3. Die Variantenbildung hat zum spätest möglichen Zeitpunkt zu erfolgen. Das bedeutet die teilweise Integration von formgebenden Fertigungsverfahren in die Montage (Wiendahl et al. 2004). 4. Montagesysteme müssen schnell die Planstückzahl erreichen. Das gilt sowohl für den Erstanlauf als auch nach Umstellungen auf eine neue Variante oder ein neues Produkt. 5. Die Montagekosten müssen reduziert werden. Diese setzen sich aus Platzkosten (Investition) und Personalkosten zusammen. Es ist das optimale Verhältnis zwischen den beiden Kostenarten zu definieren und hat Einfluß auf die Gestaltung der notwendigen Montagetechnik. 6. Die Teilebereitstellung und -zuführung wird wegen der zahlreichen Varianten und der Just in sequence-Ablieferung zum Qualitäts-, Zeit- und Kostenengpaß der automatisierten Montage. Das lenkt den Blick auf die Werkstückträgergestaltung und Bereitstelllogistik.
1.4 Strategien zur Rationalisierung
5
1.4 Strategien zur Rationalisierung Der hohe Automatisierungsgrad der klassischen Fertigungstechnologien (Zerspanen, Umformen, Kunststofftechnik usw.) hat die Montage zum teuersten Produktionsprozess werden lassen. Damit birgt die Montage auch in Zukunft noch Rationalisierungspotentiale. Abbildung 1-3 zeigt in einer Übersicht Gestaltungsfelder der Rationalisierung, die nach Aspekten der Produktgestaltung, der technischen Montagesystemgestaltung, der Montageorganisation und der Arbeitsgestaltung gegliedert sind. Gestaltungsaspekte
Gestaltungsfelder
konstruktiv
technisch
organisatorisch
arbeitswissenschaftlich
Standardisierung,
Fügeverfahren,
Pufferauslegung
Arbeitsteilung
Baureihenentwickung
Verbindungselemente
Produktionsprogramm
Arbeitsinhalt
Produktgestaltung,
Mechanisierung
Organisationsform
Personal-
Baukastenbauweise
Automatisierung
Leistungsabstimmung
qualifizierung
Einzelteilgestaltung
Pufferauslegung
der Stationen
Arbeitsmethoden-
Toleranzen,
Springereinsatz
gestaltung
Qualitätsmerkmale
Losgrößenfestlegung
Arbeitsplatz-
Fügeverfahren,
Umrüstfolgen
gestaltung
Verbindungselemente
Umstellorganisation
Arbeitsumwelt-
Arbeitsteilung
gestaltung
Abb. 1-3 Rationalisierungsansätze in der Montage
Einige Felder betreffen dabei jeweils zwei Aspekte. So bilden die Verbindungselemente der Fügestellen des Produktes und die dazu gehörenden Fügeverfahren die Nahtstelle zwischen Konstruktion und Montagetechnik. Die Pufferauslegung entscheidet über die Personalbindung und Verfügbarkeit und schließlich ist der personenbezogene Arbeitsinhalt gleichermaßen aus Sicht der Arbeitsorganisation wie der menschengerechten Arbeitsgestaltung von Bedeutung. Untersuchungen der Kostenentstehung und der Kostenverantwortung für ein Produkt haben weiterhin ergeben, dass bei vielen Produkten der überwiegende Teil der Herstellkosten zwar durch die Montage verursacht wird, die Verantwortung dafür jedoch hauptsächlich in der Konstruktion liegt. Abbildung 1-4 zeigt die Zuordnung von Kostenverantwortung und Kostenverursachung zu den wichtigsten Unternehmensbereichen. Damit wird deutlich, dass die Voraussetzung für Montagerationalisierung die montagegerechte Produktgestaltung ist.
6
1 Einführung Kostenverursachung 12%
Konstruktion
70%
Montage
75%
15%
Teilefertigung
13%
3%
Sonstiges
6% 6%
Kostenverantwortung
Abb. 1-4 Kostenverantwortung und Kostenverursachung (Gairola)
Die Zielsetzungen der montagegerechten Produktgestaltung gehen aus Abb. 1-5 hervor und haben nahezu für alle Produktbereiche Gültigkeit. Im Vordergrund steht die Minimierung des Personalaufwandes, die Zuverlässigkeit der Betriebsmittel und die Sicherstellung der Produktqualität, bei der zunehmend eine Nullfehlerqualität gefordert wird. Eine besondere Herausforderung stellt die zunehmende Variantenvielfalt dar. Sie kann dadurch beherrscht werden, dass für den Werker der Montageablauf weitgehend gleich bleibt. Aus diesen Zielen ergeben sich die ebenfalls in Abb. 1-5 genannten Aufgaben der Produktgestaltung. Jedoch sind die Schwerpunkte in Abhängigkeit der Produkte unterschiedlich zu setzen. Im Maschinenbau haben Probleme der Montagelogistik sowie der Anpassungs- und Justiertätigkeiten einen höheren Stellenwert als etwa die Füge- und Prüfverfahren. Daher liefert hier die Montagelogistik bzw. die Materialbereitstellung am Montageplatz einen strategischen Ansatz zur Kostenreduzierung. So bewirkt bei der Baustellenmontage die große Anzahl bereitzustellender Einzelteile extrem lange Handhabungswege. Diese lassen sich durch die Umstellung auf das Montageprinzip „one piece flow“ stark reduzieren, weil das Montageobjekt entlang der Materialstrecke Zug um Zug durch einen Mitarbeiter aufgebaut wird. Teile und Werkzeuge sind dabei für den jeweiligen Arbeitsgang am Arbeitsplatz vorhanden.
1.5 Buchaufbau
Ziele
7
• Minimierung von Montagezeit und Einarbeitungszeit bei der manuellen Montage • Einsatz von möglichst einfachen und zuverlässigen Hilfsmitteln in der automatischen Montage • wirtschaftliche Sicherung der Produktqualität • hohe Wiederholhäufigkeit von Montageabläufen trotz einer großen Anzahl von Produktvarianten
Aufgaben
• montagegerechte Produktstrukturierung • Standardisierung der Bauteile • montagegerechte Teile - und Baugruppengestaltung
Abb. 1-5 Ziele und Aufgaben der montagegerechten Produktgestaltung (nach Witte)
Dagegen sind die Auswahl der Fügeverfahren und der Fügerichtung für Produkte der Elektro und -Feinwerktechnik von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Montage (Lotter u. Schilling 1994). Bei zunehmender Variantenzahl und Just in sequence-Anlieferung bedarf aber auch hier die Teilebereitstellung und -zuführung an den Fügeort besonderer Aufmerksamkeit.
1.5 Buchaufbau Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Der erste Teil beschreibt die Grundlagen. Er beginnt in Kap. 2 mit der montagegerechten Produktgestaltung als Voraussetzung einer wirtschaftlichen Montage. Unterschieden wird zwischen feinwerk- und elektrotechnischen Produkten einerseits und Großgeräten wie z.B. Maschinen andererseits. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, ist mit Hilfe der Primär Sekundär-Analyse der Wirkungsgrad der Montage als quantitatives Beurteilungskriterium zu ermitteln. Optimierungs- und Rationalisierungsmöglichkeiten werden damit deutlich. Die ausführliche Beschreibung dieser Methode findet sich in Kap. 3. Kapitel 4 erläutert danach die grundsätzlichen Organisationsformen der Montage.
8
1 Einführung
Der zweite Teil behandelt die Montageformen mit ihren technischen Elementen. Kapitel 5 bis 9 beschreiben die verschiedenen Ausprägungen der Montage, beginnend mit der manuellen Montage von Klein- und Großgeräten, weiter mit den hybriden Montagesystemen, den automatischen Montagesystemen mit ihren Bausteinen und schließlich den flexiblen Montageautomaten mit Robotereinsatz. Der Teilebereitstellung als kosten- und flächenintensives Element ist Kap. 10 gewidmet. In besonderen Fällen ist die Integration der Fertigung von Teilen in die Montage sinnvoll, wenn die Handhabung, Ordnung und Zuführung dieser Teile in eine Montagestation zu Schwierigkeiten führt. Diesem Aspekt widmet sich daher Kap. 11. Der dritte Teil des Buches behandelt den Betrieb und die Planung von Montagesystemen. Komplexe Montagesysteme neigen zu häufigen, kurzzeitigen Störungen, die sich zu erheblichen Nutzungsverlusten addieren können. Daher erläutert Kap. 12 Grundlagen und Lösungsansätze zur Verfügbarkeitssicherung, während sich Kap. 13 der Planung und Wirtschaftlichkeitsrechnung von Montagesystemen widmet. Schließlich ist die Qualifizierung des Montagepersonals für den zuverlässigen Betrieb von Bedeutung und wird zusammen mit der Beschreibung des Montagefacharbeiters in Kap. 15 behandelt. Zum Schluß dieses Teils folgen in Kap. 14 Überlegungen zur Standortentscheidung einer Montage. Der vierte Teil des Buches behandelt neuere Entwicklungen in der Montage. Diese betreffen zum einen sehr kleine Produkte, die mit Hilfe der sog. Mikromontage produziert werden (Kap. 16). Zum anderen geht es um Massenprodukte aus dem Bereich der Pharma-, Medizin- und Gesundheitstechnik, die in Form der Hochleistungsmontage in sehr großen Stückzahlen mit Taktzeiten deutlich unter einer Sekunde montiert werden (Kap. 17). Der Konfektionierung biegschlaffer Teile widmet sich Kap. 18. Das Buch schließt mit einer Zusammenfassung und der Hervorhebung der strategischen Ansätze einer wettbewerbsfähigen Montage.
Literatur DIN 8580 (1996) Fertigungsverfahren. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Beuth-Verlag, Berlin Köln DIN 8593 (1996) Fertigungsverfahren Fügen. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Beuth-Verlag, Berlin Köln Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage, 2. Aufl. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B, Schilling W (1994) Manuelle Montage. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B et al. (1998) Manuelle Montage wirtschaftlich gestalten. Expert Verlag, Remmingen
Literatur
9
Schmidt M (1992) Konzeption und Einsatzplanung flexibel automatisierter Montagesysteme. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg VDI 2860 (1990) Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg) VDI-Richtlinie 2860: Montage- und Handhabungstechnik; Handhabungsfunktionen, Handhabungseinrichtungen; Begriffe, Definitionen, Symbole. VDIVerlag, Düsseldorf VDI (1992) Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg) Flexible Montage. VDIVerlag, Düsseldorf Warnecke H J (1975) Montagetechnik. Krauskopf Verlag, Mainz Wiendahl H-P, Gerst D, Keunecke L (Hrsg) (2004) Variantenbeherrschung in der Montage. Konzept und Praxis der flexiblen Endstufe. SpringerVerlag. Berlin Heidelberg
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Effektives Montieren setzt eine Produktgestaltung voraus, die den spezifischen Erfordernissen der Handhabung und des Fügens von Teilen zu Baugruppen und Produkten genügt. Um alle Aspekte zu berücksichtigen, brauchen Produktentwickler ein Verständnis für die Vorgänge während der Montage. Komplexe Erzeugnisse werden deshalb vorzugsweise in Teamarbeit entwickelt. Hinzu kommt, dass der Schwierigkeitsgrad der Montage aus Sicht der Konstruktion zunimmt. Das resultiert aus folgenden Ursachen: − − − − − −
steigende funktionale Komplexität der Produkte, erhöhte Anzahl miniaturisierter Fügeteile, steigende Reinheits- und Qualitätsanforderungen, zunehmende Produktvarianten mit kleinen Losen, möglichst späte Variantenbildung in der Wertschöpfungskette und häufigere Produktänderungen durch den Kunden.
Der wesentliche Unterschied in der funktionalen und montagegerechten Betrachtung von Teilen, Baugruppen und Produkten liegt darin, dass im ersten Fall Fragen des funktionalen Zusammenwirkens der Produktbestandteile im Vordergrund stehen. Es werden geforderte Funktionen (z. B. Drehmoment wandeln) mit Hilfe physikalischer Wirkprinzipien (z. B. Hebelprinzip) in eine technische Lösung (z. B. Zahnradgetriebe) umgesetzt, die ihrerseits aus Teilen und Baugruppen besteht (z. B. Gehäuse, Welle, Zahnräder). Daraus resultieren Anforderungen an die Teile hinsichtlich Geometrie, Festigkeit, Verformung, Oberflächeneigenschaften, Korrosionsfestigkeit, Toleranzen usw. Im Fall der montagegerechten Konstruktion geht es demgegenüber um die Frage, wie sich Teile und Baugruppen während des Transports, der Handhabung, des Fügens und Prüfens verhalten. Dadurch treten meist ganz andere Eigenschaften von Teilen und Baugruppen in den Vordergrund, die das Verhalten in Ruhe, in der Bewegung und im Verbund bestimmen. Hierauf geht Abschn. 2.4.3 noch näher ein.
12
2 Montagegerechte Produktgestaltung
2.1 Automatisierungsgerechte Produktgestaltung Grundsätze Ziel der automatisierungsgerechten Produktgestaltung ist eine konstruktive Ausführung von Bauteilen und Erzeugnissen, bei der die geometrischen Formen, Abmessungen, Toleranzen, Werkstoffeigenschaften und technologischen Verfahren eine Automatisierung der Herstellung mit dem geringsten möglichen Aufwand ermöglicht. Als wesentliche Hemmnisse für die Automatisierung der Montage haben sich nach einer Unternehmensbefragung die in Abb. 2-1 in absteigender Bedeutung aufgeführten Gründe erwiesen, die selbsterklärend sind.
nicht vorhandene montagegerechte Produktgestaltung
schlechte Handhabung der Einzelteile hoher Anteil an Anpassund Justiertätigkeiten
Sichtprüfung während des Montagevorgangs notwendig
Datenbasis: • 335 Firmen • Mehrfachnennungen waren möglich
geringe Fertigungsgenauigkeit der Einzelteile 0
5
10
15
20
25
30
35
40
%
50
Häufigkeit der Nennungen
Abb. 2-1 Automatisierungshemmnisse aus Sicht der Produktgestaltung (Bäßler)
Insgesamt geht es um den kleinstmöglichen Fertigungsaufwand, niedrige Fixkosten und geringen Montageaufwand. Das bedeutet für die Montage möglichst wenige Montageschritte von kurzer Dauer, wobei möglichst viele Bauteile je Montageschritt montiert werden. Bei Veränderungen am Produkt muss die Produktqualität mindestens gleich bleiben. Dieses stellt eine anspruchsvolle Optimierungsaufgabe dar, denn es betrifft folgende Stufen der Herstellung mit jeweils spezifischen Forderungen: − Teilefertigung (Toleranzeinhaltung, Norm- und Fertigungsgerechtheit, Vermeidung von Schmutz, Gratbildung, Fremd- und Falschteilen),
2.1 Automatisierungsgerechte Produktgestaltung
13
− Montage (Montagegerechtheit, Produktbauweise, rationelle Verbindungstechnik), − Handhabung (sicheres Erkennen, Greifen, Manipulieren und Positionieren von Objekten), − Prüfung (Prüflagenstabilität, Zugänglichkeit zu Testpunkten, Prüfmerkmale), − Verpackung (flächen- und raumschließende Außenformen, belastbare Griffflächen, stabiles Bewegungsverhalten einzeln und im Verband), − Transport (problemloses Stapeln, Magazinieren, Umschlagen, Einlagern und Transportieren). Hierzu sind zahlreiche Regeln und Empfehlungen für Planer und Konstrukteure verfügbar (Gairola 1981, Andreasen et al 1985, Hesse 1994, Redford und Chal 1994). Für die Konzeption eines allgemeinen Regelwerkes kann man einen dreidimensionalen Speicher verwenden, der die Merkmale „Objektbehandlung“ und „Funktion im Produkt“ zueinander in Beziehung setzt. In den Kreuzungspunkten kann man sich jeweils einen Karteikasten in der 3. Dimension vorstellen, der die dazugehörigen Regeln und Beispiele von 1 bis n vorrätig hält. Abbildung 2-2 zeigt ein solches Schema. Das eingetragene Beispiel betrifft eine „Karteikarte“ zur montagefreundlichen Ausführung von Bolzen für das Verbinden durch Längspressen. Die Zuordnung von Regeln ist allerdings nicht immer zweifelsfrei möglich. Darüber hinaus bestehen auch Empfehlungen und Regeln für ganz spezielle Fertigungsabschnitte oder Produkttypen. Die Prüfung elektronischer Baugruppen verlangt zum Beispiel eine besondere „Prüfgerechte Gestaltung“ (Design for Testability, DFT). Für das Testen digitaler Schaltungen sind u. a. folgende Maßnahmen wichtig: − Zerlegung der Gesamtschaltung in leichter prüfbare Teilschaltungen, − Einführung zusätzlicher Testpunkte und Anwendung von Bus-Architekturen (Ad-Hoc-Design), − strukturierter Entwurf, um die sequentielle Komplexität einer netzwerkartigen Schaltung zu reduzieren. Bezieht man in die Betrachtungen auch mikromechanische Baueinheiten mit ein, dann zeigen sich deutliche Unterschiede gegenüber Teilen aus dem Makrobereich: − Bauelemente sind nur geordnet speicherbar und bewegbar; − Funktionsbaugruppen bestehen häufig nur aus einem Bauelement; − die Werkstoffauswahl ist sehr eingeschränkt, meist ist es Silizium;
12.894SW
1.1 Allgemein 1.2 Urformen Metall 1.3 Urformen Kunststoff 1.4 Zerspanen 1.5 Schweißen 2.1 Zusammenstecken 2.2 Schrauben 2.3 Pressen 2.4 Nieten 2.5 Kleben 2.6 Justieren 2.7 Demontieren 3.1 Speichern 3.2 Zuteilen 3.3 Ordnen 3.4 Sortieren 3.5 Positionieren 3.6 Orientieren 3.7 Weitergeben 3.8 Spannen 3.9 Greifen 3.10 Prüfen 4.1 Füllen, Einlegen 4.2 Ab-/Aufstapeln 4.3 Magazinieren 4.4 Abpacken 4.5 Sonstiges
Operationen im Prozess
A Führen rund
1.1A
B Führen linear
1.1B
C Antreiben (Motor…)
1.1C
D Bewegen (Spindel)
E Leiten
(Kraft, Stoff)
1.1E
F Stützen
(Gestell…)
1.1F
(Schrauben…)
2.3 G1
1.1G
G Verbinden
0,5x45o
H7
r6 e8
(Verkleidung…)
H7
r6
1.1H
(Getriebe…) H7
h6
1.1I
5 3
1.1K
(Optisch…) H7
r6
Regel: Kompensiere Positionierfehler durch Fügeschrägen und/oder Fügeabsätze am Basisteil und am Fügeteil. Erläuterungen und Richtgrößen: Winkel ß = 60 ° bis 75° Bewertung: Bei automatischer Montage zwingend erforderlich.
H7
h6
2.3 G1 Anfädelhilfen
1.1D
H Schützen
Abb. 2-2 Schema zum geordneten Sammeln von Gestaltungsregeln im Makrobereich
4 Verpacken
3 Handhaben
2 Fügen
1 Fertigen
Objektbehandlung
I Wandeln
Objektfunktion (Verwendungszweck) im Produkt
K Anzeigen
ß
14 2 Montagegerechte Produktgestaltung
2.1 Automatisierungsgerechte Produktgestaltung
− −
15
Forderung nach hoher Oberflächenqualität und hohen Reinheitsbedingungen sowie ein extrem hoher Anspruch beim Handhaben und Montieren.
Fertigungsverfahren Neue Fertigungsverfahren eröffnen oft neue Möglichkeiten, komplexe Teile in einem Stück herzustellen, statt sie als Baugruppen aus vielen Einzelteilen zu fügen. Denn jedes nicht mehr existente Einzelteil muss nicht bereitgestellt, montiert und geprüft werden. Als Beispiel sei das Metallpulver-Spritzgussverfahren (Metal Injection Moulding, MIM) angeführt. Als Werkstoff werden Mischungen aus Metallen und Metalllegierungen in Pulverform, thermoplastischen Kunststoffen und Wachsen verwendet. Kunststoffe und Wachse werden nach der Formgebung wieder thermisch ausgetrieben. Eine Anwendung, die aus einer Baugruppe mit 6 Einzelteilen ohne Fügen ein einziges Komplexteil erzeugt, zeigt Abb. 2-3.
Einzelteile
Komplexteil
Abb. 2-3 Multifunktionsteil nach dem MIM-Verfahren hergestellt, anstelle zu fügender Einzelteile (OBI)
Auch die Festlegung des Ausgangswerkstoffes für ein Teil nimmt auf das Herstellungsverfahren und den Anlieferzustand an die Montage Einfluss. Ein Stanz-Biege-Teil, welches einen galvanischen Oberflächenschutz erhalten soll, wird in der Regel ein Schüttgutteil. Das dadurch an der Montagelinie erforderliche automatische Ordnen aus dem Haufwerk ist ein teurer Arbeitsgang und kann zu qualitätsmindernden Verletzungen der Oberfläche
16
2 Montagegerechte Produktgestaltung
führen. Wird ein wertvolleres Material eingesetzt, dessen Oberfläche keine Nachbehandlung erfordert, dann kann das effektiver sein, besonders wenn sich die sofortige Magazinierung anschließt. Manchmal werden solche Teile auch direkt an der Montagemaschine und im Takt hergestellt. Das vermeidet eine Zwischenlagerung und vereinfacht die Handhabung (s. Kap. 11). Ähnliches gilt für die Wärmebehandlung von Teilen. Sind derartige Prozesse notwendig, bei denen die Teile üblicherweise als ungeordnetes Haufwerk im Durchlauf behandelt werden, so ist zu deren Vermeidung vom Produktentwickler zu überprüfen, ob der Einsatz von vergütetem Ausgangsmaterial möglich ist. Formstabile und leicht zu ordnende Einzelteile werden von Zwischenhandhabungen, galvanischen oder thermischen Prozessen weniger beeinträchtigt als empfindliche, schwer orientierungsfähige Teile. In seltenen Fällen wurde auch schon auf der Montagemaschine eine Warmbehandlung am bereits zugeführten und geordneten Teil durchgeführt (s. Kap. 11). Die Herstellverfahren beeinflussen somit den Anlieferzustand der Fügeteile, der diese möglichst in geordneter Form bereitstellen soll. Allgemein gilt: Ein in der Produktion einmal erreichter geordneter Zustand von Objekten soll nicht mehr aufgegeben werden, sondern möglichst erhalten bleiben. Es gibt jedoch viele unempfindliche Kleinteile die sich aus dem Haufwerk leicht neu ordnen lassen. Ein Transport in Magazinen, die vielleicht sogar zum Hersteller über große Entfernungen zurückgeführt werden müssten, wäre dann teurer. „Unter dem Strich“ sind die Kosten entscheidend, die für ein Teil insgesamt, von der Herstellung bis zum Einbau in das Produkt, verursacht werden. Teilequalität In enger Beziehung zueinander stehen auch Teilefertigung und Einzelteilqualität. Eine gleich bleibende Qualität der Teile ist Voraussetzung für eine rationelle Montage. Nicht alles kann vorher zu 100 Prozent geprüft werden. In vielen Fällen muss eine statistische Qualitätskontrolle ausreichen. Bei Schüttgutanlieferung kommt es auf die Reinheit des Haufwerks an. Beimengungen von Fremdkörpern, Abfällen, unvollständigen Teilen, Gewindeteilen ohne Steigung sowie verschmutzten und verölten Teilen können beim automatischen Zuführen zu erheblichen Problemen führen und Anlass zu Stillständen einer Montagelinie oder eines Montageautomaten führen. In der Hochgeschwindigkeitsmontage wirken sich fehlerhafte Teile gravierend negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus.
2.1 Automatisierungsgerechte Produktgestaltung
17
Verbundbauteile Eine andere sehr effektive Möglichkeit der Einteilgestaltung ist die Erzeugung von Verbundbauteilen. Sie bestehen aus einer unlösbaren Verbindung mehrerer Komponenten aus unterschiedlichen Werkstoffen. Typisch ist die Insert- und die Outsert-Technik. Bei der Insert-Technik werden Metallteile mit Kunststoff umspritzt, z. B. eingegossene Metallnaben, Gewindeeinsätze, Lagerbuchsen und sogar komplette Kugellager. Das Prinzip der OutsertTechnik (eine Entwicklung der Firma Höchst) besteht demgegenüber darin, Funktionselemente aus Kunststoff an eine Metallplatine anzuspritzen. Das können Lager, Achsen, Federelemente, Schnapper, Stützen, Führungen usw. sein. Alle erforderlichen Funktionselemente werden somit in einem Arbeitsgang erzeugt. Die Outsert-Technik hat wesentlich dazu beigetragen, dass man bei vielen elektronischen Konsumgütern die Anzahl der Bauteile halbieren konnte. In Abb. 2-4 werden einige Gestaltungsbeispiele gezeigt (BASF 1991). Es ist manchmal aus technisch-organisatorischen Gründen vorteilhaft, wenn Einzelteile oder Baugruppen Fertigungsabschnitte im physischen
Kunststoff Metallplatine
Gleitlager für Wellen und Buchsen
Achse aus Kunststoff
Schieberführung parallel zur Platine
Achse aus Metall in KunststoffVerankerung
Biegefeder senkrecht zur Platine
Schieberführung senkrecht zur Platine
Biegefeder parallel zur Platine schwingend
zentrisch fixierte Säule
Säule mit Flanschbefestigung
Stützauflage mit Schnapphaken
überkragendes Bauelement (Randanspritzung)
drehbewegliches Bauelement (Stellantrieb)
Abb. 2-4 Beispiele für die Ausführung von Funktionselementen aus Kunststoff auf einer Metallplatine (BASF)
18
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Verbund durchlaufen. Das vereinfacht ihre Handhabung und harmoniert dann besser mit den vorhandenen und auf ein Systemmaß abgestimmten Förder- und Zuführkanälen der Produktionsmaschinen. Für diese Art des „Zusammenlegens“ von Objekten zeigt die Abb. 2-5 ein Beispiel, bei dem ein Satz von zusammengehörenden und bereits beschrifteten Drucktasten als Einzelteil gespritzt wird. Erst in der Fügestation werden die Tasten vom Gitter getrennt. Das Orientieren nach der Beschriftung entfällt. Ein anderer Weg wäre die Herstellung unbeschrifteter neutraler Tasten. Die Beschriftung erfolgt dann nach dem Fügen am fertigen Produkt, zum Beispiel mit Laserstrahlbeschriftung (Hesse 1994).
1 * #
Abb. 2-5 Herstellung eines Komplexteils im Verbund zur Erleichterung der Handhabung
Als Ergebnis aller Bemühungen beim Entwurf oder beim Re-Design eines Produkts müssen schließlich folgende Ziele erreicht sein: − − − − −
es funktioniert, es ist (automatisch) herstellbar, es ist wirtschaftlich, es ist ästhetisch und es ist recycelbar.
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung 2.2.1 Methodenübersicht Die Möglichkeiten und die Bedeutung einer montagegerechten Produktgestaltung (Design for Assembly, DFA) sind seit den 1960er Jahren in das Bewusstsein der Technologen, Planer und Konstrukteure gerückt. Aus der
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
19
klassischen Feinwerktechnik waren einige Empfehlungen zur montagegerechten Konstruktion bekannt (Gairola 1981, Boothroyd u. Dewhurst 1987, Miyakawa u. Ohashi 1986). Boothroyd und Miyakawa gehen vorrangig auf die zahlenmäßige Bewertung der Montagetauglichkeit von bereits gefertigten Baueinheiten ein. Sie basieren auf Gestaltungsregeln, die dem Regelwerk von Gairola ähnlich sind. Folgende Hauptziele werden dort aufgeführt: − − − − − − − −
Schaffen von Montagevoraussetzungen, Produkt montagegerecht strukturieren, Baugruppen montagegerecht gestalten, Basisteil montagefreundlich ausführen, Fügevorgänge erleichtern, Verbindungstechnik vereinfachen, Handhabungsvorgänge erleichtern, montagefremde Arbeiten vermeiden.
Alle daraus resultierenden Maßnahmen müssen für eine Entscheidung gegenübergestellt und bewertet werden. Dazu sind verschiedene Methoden entwickelt worden, die im Folgenden kurz kommentiert werden. Die bedeutendste Methode ist die von Boothroyd und Dewhurst über viele Jahre hinweg entwickelte DFA-Methode (Design for Assembly), jetzt Design für Manufacture and Assembly DFMA genannt (Boothroyd u. Dewhurst 2001). Zunächst wird zuerst an Hand der jährlichen Produktionsmenge und der Komplexität des Produktes über den Automatisierungsgrad entschieden (Abb. 2-6). Dann wird die Baugruppe oder das Produkt analysiert und verbessert. Grundlage sind drei allgemeine Punkte, die die Notwendigkeit von Einzelteilen für die Produktkonzeption grundsätzlich hinterfragen und so zur Teilevermeidung anregen sollen: − Bewegt sich das Teil bezüglich der anderen bereits montierten Teile? − Besteht das Teil aus zwingendem Grund aus anderen Materialien? − Ist das Teil von den anderen Teilen deshalb zu trennen, weil sonst die weitere Montage oder Demontage unmöglich wäre? Die Methode erfordert einen Produktentwurf mit hohem Konkretisierungsgrad. Die Beurteilung und Verbesserung erfolgt in iterativen Schritten: 1. Wählen eines Montageverfahrens für jedes Teil; 2. Analyse der Teile für das angenommene Montageverfahren; 3. Verfeinern des Entwurfs an Hand der bei der Analyse erkannten Mängel; 4. Rückkehr zur Stufe 2, bis der Entwurf ausreichend qualifiziert ist.
20
2 Montagegerechte Produktgestaltung a) Auswahl der Montagemethode
b) Analyse der Montageaufgabe Robotermontage
Asynchrone Transfermontagemaschine
Schalttischautomat
106
Robotermontagezelle
106
Robotermontagelinie
10 102 manuelle Montage
2
10
5
Jahresproduktion im Zwischenbetrieb (x 1000)
Gesamtproduktionsmenge (x 1000)
107
Montageautomat Handmontage 1 2 3
c) Verbesserung der Konstruktion a
b
c
100
Anzahl der Montageteile je Produkt
Abb. 2-6 Bewertung der Montagefreundlichkeit, ausgehend von der Montagemethode
Die Bewertung geschieht mit Hilfe vorgegebener Tabellen und mit Tabellenwerten, die alle Teile enthalten und jeweils für die ursprüngliche und die verbesserte Gestaltung kumulative Werte für das Teileminimum, das Kostenminimum und das Zeitminimum ausweisen. Das wird dann zu einer Kenngröße „Gestaltungseffektivität“ zusammengeführt. Eine breite Analyse verschiedener DFA-Projekte in den letzten Jahren brachte eine durchschnittliche Reduzierung der Teile um 51 %, der Montagezeit um 62 % und der Entwicklungszeit um etwa 50 %. Grundsätzlich zielt die Verringerung an Bauteilen auch auf eine Erhöhung der Produktqualität und Zuverlässigkeit. Für alle Abläufe existieren von verschiedenen Anbietern Programme. Ausführliche Informationen auch zu den Erweiterungen der Methode finden sich in den DFMA Forum Proceedings, die jährlich seit 1986 herausgegeben werden, und unter www.dfma.com. Mit der von Lotter entwickelten montageerweiterten ABC-Analyse erhält man eine Antwort auf die Frage: „Was kostet ein Teil, bis es seine Funktion nach durchgeführter Montage erfüllt?“ Die Bearbeitung dieser Fragestellungen setzt bereits detaillierte Gestaltungskonzepte voraus, die im Dialog zwischen Produktentwickler und Fertigungsplaner zu erarbeiten sind. Keine der dort formulierten sieben Grundsatzfragen kann isoliert bearbeitet werden, weil sich alle gegenseitig beeinflussen. Die Bewertung geschieht nach
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
21
Punkten und man kann bei dieser Vorgehensweise ein montagefreundlich aufgebautes Produkt bzw. Teil erwarten (s. auch Abschn. 2.4.3). Am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart wurde eine Methode entwickelt, die in einem DfXLeitlinienkatalog gipfelt, dem ein Kennzahlensystem unterlegt ist. Es werden verschiedene Bereiche berücksichtigt, die während einer Produktentwicklung wichtig sind, wie die Montage, die Prüfbarkeit von Produkten, die Produktionslogistik, Service und Reparatur sowie die Umweltgerechtheit. Das Kennzahlensystem ermöglicht die Bewertung der Produkte schon während der Entwicklung. Bestimmte Werte ziehen dann ein definiertes Handeln nach sich (www.ipa.fhg.de/Arbeitsgebiete/fabrik-produktionsmanagement). Bei der Lucas DFA-Methode, die von Lucas Engineering & Systems Ltd. zusammen mit der Universität Hull in Großbritannien ausgearbeitet wurde, orientiert sich der Ablauf an einer Flussbild-Darstellung der Montage. Die Architektur der Methode beruht auf der Logik der Programmiersprache PROLOG. Es wird zwischen funktionswichtigen Teilen A und funktionsunwichtigen Teilen B unterschieden. In einer relativen Bewertung werden Gestaltungseffektivität, Zuführ- und Montageverhältnis(zahl) berücksichtigt. Handlungsabläufe werden symbolisch beschrieben. Es wird zwischen manueller und automatischer Montage gegliedert. Die Kenngröße „Gestaltungseffektivität“ ergibt sich aus dem Quotienten von A-Teilen zur Gesamtteileanzahl (Constance 1992, Redford and Chal 1994). Die Methode wurde ständig weiterentwickelt. Die AEM-Methode (Assemblability Evaluation Method) der Firma Hitachi analysiert die bei der Montage notwendigen Bewegungen und Arbeitsgänge. Man geht von einem Idealzustand aus und vergibt für jede Abweichung davon „Strafpunkte“. Ideal ist z. B. eine einfache vertikal-abwärts gerichtete Fügebewegung. Zudem werden geschätzte Relationskosten einbezogen. Methode und Datenbasis wurden bereits in den 1970er Jahren entwickelt (Leany and Wittenberg 1972). Aus der Punktebewertung schließt man dann auf die gestalterische Reife im Hinblick auf die Montage und die Schwierigkeit der Montageoperationen. Weitere Analyseverfahren zur Feststellung der Montagegerechtheit haben mehr den Gerätebau oder den Maschinenbau mit mehr oder weniger differenzierenden Kriterien und Bewertungen im Fokus (Hesse 1994). Die Anwendung solcher Methoden und Verfahren ist immer mit beachtlichem Zeitaufwand verbunden. Neben diesen Methoden mit Leitfadencharakter wurde auch versucht, Expertensysteme zu entwickeln, die durch ihre Fähigkeit zur Wissensverarbeitung den Konstruktions- und Planungsprozess unterstützen. Sie sind jedoch an eine wichtige Voraussetzung gebunden: Alle für die Montage we-
22
2 Montagegerechte Produktgestaltung
sentlichen Produktdaten müssen rechnerintern verfügbar sein. Für eine Produktmodellierung genügen rein geometrische Beziehungen nicht, weil hieraus noch keine technische Bedeutung entnommen werden kann. Expertensysteme spielen bisher in der Praxis keine Rolle, da sich die Pflege der Wissensdatenbasis als zu aufwendig erwiesen hat. Moderne rechnergestützte Systeme bieten schließlich die Funktion des Digital Mock Up (DMU), bei dem Teile und Baugruppen in der virtuellen Welt des Rechners bewegt und platziert werden können. Damit lassen sich sehr gut Kollisionsuntersuchungen anstellen und eine Überdeckung von Körpern feststellen. Mit einer zeichnerischen Spurdarstellung lässt sich die Montage gut veranschaulichen. Das kann Ansätze für konstruktive Verbesserungen liefern und eine Vorstufe zur rechnergestützten Montageplanung sein (Holle 2002). 2.2.2 Fügbarkeit Ein wichtiger Aspekt ist die geometrische Fügbarkeit von Bauteilen. Hierzu müssen Paarungsvoraussetzungen für eine Fügeverbindung (Existenz, Lage, Toleranzen, Abmessungen) sowie die Zugänglichkeit an der Fügestelle (Fügeteil, Greifer, Fügewerkzeug) gegeben sein. Die Fügeflächen sind so zu gestalten, dass die Aufnahmeflächen möglichst ausgedehnt, Führungsflächen möglichst schmal und Stützflächen möglichst klein sind. Die Fügewege sollen kurz sein und die Teile möglichst bis zur Endposition exakt geführt werden. Der Fügevorgang soll immer ohne einen weiteren Arbeitsgang, wie zum Beispiel Nachpressen oder Nachschieben, erfolgen. Im Basisteil muss deshalb soviel Freiraum vorhanden sein, dass die zum Fügen erforderlichen Hilfsmittel wie Greiferfinger oder Fügewerkzeuge ohne Behinderung eingesetzt werden können. Abbildung 2-7 zeigt schematisch eine Fügestelle und die erforderlichen Freiräume für das Fügewerkzeug. Der verfügbare Arbeitsraum ist der Raum entlang des Zuführ- und Fügekanals bis zur ersten wesentlichen Störkante. Der Werkzeugarbeitsraum wird durch den Platzbedarf der Fügewerkzeuge, z. B. eine Schraubernuss oder die Backen eines Greifers, gebildet. Er kann entfallen, wenn ein Fügeteil innen gegriffen werden kann und keine Kante über den Zuführkanal hinaus reicht. Es ist also jeder Fügeort auf seine diesbezügliche Eignung zu prüfen. Eventuell sind konstruktive Veränderungen an kritischen Stellen vorzunehmen oder es ist eine andere Fügetechnologie zu wählen.
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
Arbeitsraum Werkzeugarbeitsraum Zuführkanal Fügeraum
1. Störkante 2. Störkante Entlüftungsbohrung
Abb. 2-7 Fügestelle und erforderliche Freiräume (Beispiel)
Produktstruktur
Anlagenstruktur
Verbindungstechnik
Montageverfahren
Bauteilgestalt
Handhabungstechnik
Abb. 2-8 Wechselbeziehungen zwischen Produkt und Montageanlage
23
24
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Die Wechselbeziehungen zwischen Produktstruktur, Verbindungstechnik, Bauteilgestalt und Montageanlage sind in Abb. 2-8 noch einmal grafisch zusammengefasst. Demnach spiegelt sich die Produktstruktur in der Struktur des Montagesystems, die Verbindungstechnik bestimmt das Montageverfahren und die Bauteilgestalt die Handhabungstechnik. Die Planung von Montageanlagen ist deutlich komplexer als ein Automatisierungsvorhaben in der Teilefertigung. Weil sich die Montage am Ende des Auftragsdurchlaufes befindet, stellt sie außerdem das Sammelbecken aller Fehler der Vorstufen dar. 2.2.3 Strukturieren von Produkten Unter einer Struktur versteht man die wirkungsmäßige Zuordnung der Elemente eines Systems zueinander. Die montageorientierte Produktstrukturierung, also der Produktaufbau, beginnt mit der Ermittlung der Teilfunktionen und ihrer Funktionsträger und damit in einem relativ frühen Konstruktionsstadium. Liegt die Funktionsträgerstruktur fest, kann zur Gliederung in funktionsfähige Baugruppen und Unterbaugruppen übergegangen werden. Folgende Regeln sind dabei wichtig: Konstruktionsregeln für die Baugruppenbildung: 1. Der gesamte Montageumfang muss durch entsprechende Baugruppenbildung in überschaubare Abschnitte untergliedert werden. So weit wie möglich, sollten in der Endmontage nur noch vorgeprüfte Baugruppen montiert werden. 2. Eine Baugruppe soll in sich so stabil sein, dass die weitere Handhabung der Baugruppe wie bei einem Einzelteil erfolgen kann. 3. Jede Baugruppe sollte möglichst wenige Verbindungen (mechanisch, elektrisch, elektronisch usw.) mit anderen Baugruppen aufweisen. 4. Variantenabhängige Baugruppen sollten nicht mit variantenneutralen Baugruppen zusammengefasst werden und möglichst gleiche Einbaubedingungen aufweisen. Ein Produkt kann ein- oder mehrstufig aufgebaut sein. Es ist abzuwägen zwischen einem einfachen Produktaufbau, bei dem alle Teile hintereinander gefügt werden. Hier besteht die Gefahr, dass Fehler erst in der Endprüfung oder gar nicht entdeckt werden. Oder man gliedert das Produkt in viele Auflösungsstufen, dann sind u. U. zusätzliche Fügestellen zwischen den Unterbaugruppen erforderlich. Auch sind Zwischengruppen zu lagern, wenn die Montage nicht in einer vernetzten Anlage erfolgt.
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
25
Wird das Produkt in Varianten hergestellt, dann sollten die Bauteile und Baugruppen, welche die Varianten bestimmen, möglichst erst in der Endmontage verbaut werden (Wiendahl et al. 2004). Die Anzahl der erforderlichen Montagerichtungen ist zu minimieren und im Idealfall auf die Fügerichtung „Senkrecht von oben“ zu beschränken. Das Teil mit der größten Masse oder einer komplizierten Form und/oder das Teil mit der größten Anzahl von Fügestellen ist als sog. Montagebasisteil auszubilden. Auf diesem Start- oder Grundfügeteil werden alle weiteren Teile in der Folge des Montagefortschrittes aufgebaut. Der Begriff „Basisteil“ gilt sowohl für Baugruppen als auch für Endprodukte. Als klassisches Beispiel kann die gedruckte Leiterplatte gelten, die alle anderen Bauelemente aufnimmt. Basisteil kann auch der Gehäuseboden einer Uhr sein. Hier werden alle Funktionselemente von oben aus einer Richtung eingebaut, wenn die Konstruktion nach dem sog. Bottom-Up-Konzept erfolgte. Ein bekanntes Beispiel ist die Swatch-Uhr. Das Basisteil kann im günstigsten Fall so gestaltet werden, dass die Weitergabe von Montageplatz zu Montageplatz ohne eine besondere Vorrichtung oder einen Werkstückträger möglich wird. Erfolgt der Durchlauf in automatisierten Transfersystemen, dann spricht man auch von einem Chassisteil. Abbildung 2-9 zeigt ein Beispiel. Hier enthält das Basisteil eine Füh-
Basisteil
Doppelgurtband
Führungsnut Führungsschiene
Abb. 2-9 Beispiel für ein Montagebasisteil
26
2 Montagegerechte Produktgestaltung
rungsnut, um die genaue Positionierung an den Fügepunkten sicherzustellen. Anzustreben ist die Zugänglichkeit von allen Seiten. Im vorgenannten Beispiel ist der Zugang von unten jedoch nicht möglich. Eine weitere Forderung ist, die Basisteile so zu konstruieren, dass sie sich bei der Montage in den Werkstückaufnahmen der Werkstückträger selbst zentrieren. Wenn möglich, sollte auf Spannvorgänge verzichtet werden, weil das die Werkstückträger kompliziert und verteuert. Allerdings entsteht beim Spannen eine einheitliche und genaue Position des Basisteils. In der Abb. 2-10 wird dazu ein Beispiel vorgestellt. Nach dem Einlegen des Basisteils erfolgt in einer Spannstation das automatisierte Spannen mit definierter Kraft.
Werkstückaufnahme
Zentrierbohrung
Basisteil
Werkstückträger
Spannschieber
Zentrierbohrung
Spannexzenter
Abb. 2-10 Gespanntes Basisteil auf einem Werkstückträger (Lotter)
Aber auch die Werkstückträger müssen in den Montagestationen genau positioniert werden. Dafür gibt es verschiedene technische Lösungen. Abbildung 2-11 zeigt ein Beispiel. Man spannt bei dieser Ausführung den Werkstückträger mit zwei Kegelzugbolzen sowohl gegen eine mit dem Gestell der Montagestation fest verbundene Unterlage als auch gegen seitliche Spannschienen. Dadurch werden mit einem einzigen konstruktiven Element das Positionieren und Spannen realisiert. Der Raum unter dem Werkstückträger bleibt bei dieser Lösung frei. Als Ergebnis der Strukturierung können verschiedene Bauweisen vorliegen, die im Folgenden erläutert werden.
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
27
Kegeleinsatz Aufnahme Basisteil
Werkstückträger
starre Spannschiene
Kegelzugbolzen
Abb. 2-11 Indexieren von Werkstückträgern (IEF Werner)
2.2.4 Produktbauweisen Verschiedene Denkansätze bei der Strukturierung von Produkten führen zu unterschiedlichen Bauweisen. Sie spiegeln das konstruktive Gefüge im mechanischen sowie elektrisch-mechanischen Aufbau wider. Man kann eine Gliederung funktionsorientiert oder montageorientiert vornehmen. Eine funktionsorientierte Erzeugnisgliederung entsteht beim Konstruieren, wenn ausgehend von der Funktion Wirkflächen, Lösungs- und Maschinenelemente als Funktionsgruppen entwickelt werden. Als Gestaltungsprinzip verwendet man: • Prinzip der Aufgabenteilung Das führt zur Partial-, Differenzial- und Verbundbauweise. • Prinzip der Funktionsvereinigung Hieraus leiten sich Integral- und Totalbauweise ab. Werden viele Funktionen in einer Baueinheit vereinigt, ist auch der Begriff Multifunktionsbauweise zutreffend. Bei der Partialbauweise wird ein Funktionselement aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt. Das Gegenstück ist die Totalbauweise, bei der ein Element als untrennbares Ganzes entsteht (Abb. 2-12).
28
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Totalbauweise
Partialbauweise
Abb. 2-12 Partialbauweise und Totalbauweise
Bei der Differenzialbauweise wird ein Teil in mehrere kostenmäßig günstigere Werkstücke aufgelöst, die dann verbunden werden. Das macht man aber auch, wenn austauschbare Verschleißteile gefordert werden. Das Gegenstück ist die Integralbauweise, bei der Teile zusammengefasst werden, ohne dass nachträglich Verbindungsverfahren nötig sind. Die Integralbauweise gipfelt im Extremfall in einer „Einzelstückbauweise“. Abbildung 2-13 zeigt das an einem Beispiel.
Differenzialbauweise
Integralbauweise
Abb. 2-13 Differenzialbauweise und Integralbauweise als Einzelstücklösung
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
29
Bei der Verbundbauweise sind mehrere unabhängig voneinander gefertigte Teile aus unterschiedlichen Werkstoffen zu einem Bauteil vereint. Verbundbauweisen haben große Bedeutung z. B. bei Kunststoffteilen, in die Metallteile aus Funktions- und Festigkeitsgründen integriert sind, oder bei verschleiß- und korrosionsbeanspruchten Bauteilen, bei denen Tragstruktur und Oberflächenschicht jeweils Teilaufgaben zu erfüllen haben (Beispiele siehe Abb. 2-4). Aus montageorientierter Sicht ist eine Unterscheidung nach dem Grad der Elementarisierung des Produkts in Komplett- bzw. Kompaktbauweise, Baugruppen- bzw. Modulbauweise und in die Baukastenbauweise wichtig. Bei der Komplettbauweise wird das Produkt allein aus Bauelementen zusammengesetzt, praktisch ohne Funktionsbaugruppenbildung. Die Bauweise ist für Produkte mit geringer Anzahl an Teilfunktionen und Bauelementen geeignet. Die Baugruppenbauweise basiert auf einer Gliederung in Funktionsbaugruppen mit in sich abgeschlossenen Teilfunktionen. Sie eignet sich besonders, wenn Typenreihen entstehen sollen, deren Variabilität der Gesamtfunktion durch Austausch von Funktionsbaugruppen zu erreichen ist. Funktionsbaugruppen eröffnen oft auch herstellungstechnische Vorteile. Die Baukastenbauweise ist die konsequente Weiterführung der Baugruppenbauweise zu einem noch höheren Grad der Baugruppenelementarisierung. Ein Baukasten ist eine Sammlung einer gewissen Anzahl verschiedener Elemente (Bausteine, Module), aus welchen sich verschiedene Erzeugnisse mit unterschiedlichen Gesamtfunktionen zusammensetzen lassen. Typisch ist die große Zahl von Kombinationsmöglichkeiten, wenn man von verschiedenen Baugruppen der Art A, B, C, D, Großbaugruppen der Art K, L, M im Sinne von z. B. Basisteilen, Spezialkomponenten (Nicht-Bausteine) X, Y, Z sowie Verbindungsmitteln der verschiedensten Art ausgeht. Die Konzipierung von Produktvarianten wird in Abb. 2-14 rein schematisch dargestellt. Diese Bauweise ist heute in fast allen Erzeugnisbereichen anzutreffen. Vorteile bei der Produktionsdurchführung sind: – – – – –
parallele Herstellung, Montage und Prüfung der Baugruppen; Kostensenkung durch Realisierung größerer Losgrößen; Entflechtung der Endmontage; niedrigere Kosten bei Variantenprodukten und verbesserte Reparaturfähigkeit durch Austausch ganzer Baugruppen.
Das Baukastenprinzip kann auch mit anderen Strukturierungsprinzipen kombiniert werden.
30
2 Montagegerechte Produktgestaltung Zusammenbau
ohne Großbaugruppe
mit Großbaugruppe als Basis
aus gleichen Baugruppen
A
A
A
aus verschiedenen Baugruppen
A
A
B
B
A
E C
C D D
A
D
D
A
K
aus gemischten Baugruppen
A A
A
B
L
M
C
B B
K
A A mit Spezialkomponenten als Basis
A
X
B
X
Y
C
A
Z B
A
C
D
B
Abb. 2-14 Erzeugung von Produktvarianten aus Bestandteilen eines Baukastens
Montagerelevant ist aber auch eine Unterscheidung der konstruktiven Lösung nach Schicht-, Nest- und Schachtelbauweise: •
•
Schichtbauweise (Sandwich-, Stapelbauweise) Jedes in einheitlicher Fügerichtung zu montierende Teil zentriert sich (oder wird aufgenommen) am Basisteil bzw. am zuletzt montierten Teil. Die Reihenfolge der Montage ist nicht veränderbar. Ein Beispiel wird in Abb. 2-15 in abstrahierter Weise gezeigt. Formelemente zur Selbstzentrierung vermeiden zusätzliches Festhalten der Montageteile beim Fügen. Nestbauweise Einzelteile oder Baugruppen werden weitgehend nebeneinander angeordnet, wie z. B. bei einer elektronischen Leiterplatte. Die Reihenfolge der Montage ist frei wählbar. Daraus ergibt sich eine große Zahl akzeptabler Prozessvarianten und Optimierungsansätze durch Variation der Montagereihenfolge. Der nestartige Aufbau kann durch Formelemente mit Zentrierwirkung kombiniert werden (Abb. 2-16). In vielen Produkten findet sich ein Mix von Schicht- und Nestbauweise.
2.2 Montagegerechte Produktgestaltung
Schichtbauweise
31
Schichtbauweise mit Formelement-Unterstützung
Abb. 2-15 Schichtbauweise
Nestbauweise
Nestbauweise unterstützt durch zentrierende Formelemente
Abb. 2-16 Nestbauweise
•
Schachtelbauweise (Schalen-, Formschlussbauweise) Die Bauteile werden im Basisteil (Hauptteil) formpaarig nach dem Einlegen gehalten und durch ein Sicherungsteil (Deckel, Schale) gegen Herausfallen gesichert. Das Sicherungsteil sollte ein ohnehin erforderliches Bauteil sein. Wie bei einer Schachtel schließt das Deckelement die Baugruppe ab. Ein Beispiel wird in Abb. 2-17 gezeigt.
Schachtelbauweise
Abb. 2-17 Schachtelbauweise
Schachtelbauweise mit integralem Schließelement
32
2 Montagegerechte Produktgestaltung
2.3 Toleranzen und Toleranzausgleich
Nulllinie
N
GuW
GoW
GuB
GoB
TW
EI
es
0
ei
TB
ES
Die Wirtschaftlichkeit der Teilefertigung und Montage wird wesentlich durch die funktionsbedingten Anforderungen an die Genauigkeit der Teile und Baugruppen beeinflusst. Alle Verbindungen, die in der Montage entstehen, lassen sich auch als Maß- und Toleranzketten darstellen. Jedes Bauteil und jede Baugruppe verfügt damit über einen Satz von Maß- und Toleranzketten. Diese sind bei der Planung einer automatisierten Montage zu analysieren. Maßtoleranzen beziehen sich immer auf ein Nennmaß N. Die Differenz zwischen Höchst- und Nennmaß wird als oberes Abmaß ES (Bohrung) bzw. es (Welle) bezeichnet und das untere Abmaß als EI bzw. ei. Bei den Toleranzfeldlagen nach der ISO-Norm 286 bezeichnen die Großbuchstaben die Bohrungstoleranzen und die Kleinbuchstaben die Wellentoleranzen. Das Höchstmaß Go ist das größte zugelassene Grenzmaß und das Mindestmaß Gu das kleinste zugelassene Grenzmaß. Diese Begriffe werden in Abb. 2-18 am Beispiel von Bohrung und Welle dargestellt.
W Welle
B Bohrung
N
Nennmaß
GoB , GuB
oberes, unterer Grenzmaß Bohrung
GoW , GuW
oberes, unterer Grenzmaß Welle
ES, EI
oberes, unterer Abmaß Bohrung
es, ei
oberes, unterer Abmaß Welle
TB , TW
Maßtoleranz Bohrung, Welle
Abb. 2-18 Toleranzen an einer Paarung aus Welle und Bohrung (nach ISO 286)
Treffen bei der Montage mehrere Bauteile aufeinander, summieren sich die Einzeltoleranzen. Daraus können sich sowohl Probleme bei der Montage als auch Funktionsmängel bei der fertig gestellten Baugruppe ergeben. Somit sind zwei Arten von Toleranzen zu unterscheiden:
2.3 Toleranzen und Toleranzausgleich
33
Funktionsbedingte Toleranzen: Damit sind die zulässigen Abweichungen gemeint, die einen Zusammenbau gerade noch möglich machen und festgelegte Funktionsansprüche erfüllen. Die technischen Forderungen an das Fügeteil werden durch die Einbaubedingungen und die im Betriebszustand zu erfüllenden Funktionen bestimmt. Fügeprozessbedingte Toleranzen: Darunter versteht man die an das Fügeverfahren gebundenen zulässigen Positions- und Orientierungsabweichungen der Fügepartner, die durch die Montagemaschine bedingt sind. Die Montagebedingungen stehen in Wechselwirkung mit den diesbezüglichen Forderungen an das Fügeteil. Zur Beurteilung der Montagefähigkeit einer Baugruppe ist eine Toleranzanalyse an den Anfang zu stellen. Darunter versteht man die zahlenmäßige Erfassung der Grenzfälle, die sich als Summe einer Kette von Toleranzen ergeben können. Allgemein gilt: −
−
Die Gesamttoleranz einer Toleranzkette ist gleich der Summe der Toleranzen der Kettenglieder. Die absoluten Beträge der Längen werden addiert. Zur Ermittlung des Größtmaßes einer Toleranzkette sind die positiven Kettenglieder mit dem Größtmaß und die negativen mit dem Kleinstmaß einzusetzen. Zur Ermittlung des Kleinstmaßes wird umgekehrt verfahren.
Dieser Zusammenhang wird in Abb. 2-19 an einem Beispiel sichtbar gemacht. A1
T1
A2 T2
a) Kettenglieder mit Einzeltoleranzen
A
Nennmaß
T
A3 T3
A1
A2
A3
T1 T2 T3
b) montierte Baugruppe mit Schlusstoleranz
Maßtoleranz
Abb. 2-19 Eindimensionale Toleranzkette einer Baugruppe
34
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Werden die für den Fügeprozess bestimmenden Grenzen der Maß- und Formtoleranzen von Teilen überschritten, sind diese für eine automatische Montage nicht mehr brauchbar. Ist der Anteil unbrauchbarer Fügeteile nicht akzeptabel (z. B. mehr als 3 %), sind Maßnahmen zur Verbesserung der Teilefertigung anzustoßen. Die dazu erforderlichen Aussagen über die Verteilungsformen der Toleranzen liefert die Qualitätsprüfung der Teilefertigung. Vorwiegend sind Normalverteilungen anzutreffen, seltener Dreiecksverteilungen, gleichmäßige und gleichmäßig wachsende Verteilungen sowie Kombinationen davon. In Abb. 2-20 werden zwei mögliche Normalverteilungen für die Abmessungen einer bestimmten Größe (z. B. Durchmesser) einer Menge vieler Fügeteile dargestellt. Ausgangspunkt ist die breitere vorhandene Verteilung. Bei der sog. auswählenden Montage werden die in ihrem Toleranzfeld zusammenpassenden Fügeteile ausgesucht. Die verwendbare Menge ist deshalb groß, aber es wird immer noch unbrauchbare Teile geben. Bei der manuellen Montage kann durch geschickte Handhabung oder die Beseitigung kleiner Fehler eine ebenfalls noch vergleichsweise große Teilemenge montiert werden, jedoch sind mehr Teile unbrauchbar als bei der ersten Methode. Ein Montageautomat kann normalerweise keinen Austausch von Teilen oder sonstige Korrekturen durchführen. Deshalb ist dort die Ausfall-
Wahrscheinlichkeit Toleranz auswählende Montage
Toleranz manuelle Montage
Toleranz automatische Montage
+
vorhandene Verteilung
für automatisches Fügen erwünschte Verteilung
Merkmal
Sollwert
Abb. 2-20 Einengung der Fügeteiltoleranzen mit steigendem Automatisierungsgrad (Tipping)
2.3 Toleranzen und Toleranzausgleich
35
quote groß oder man fertigt die Teile genauer, so dass sie dann wieder alle verwendbar, gleichzeitig aber auch teurer sind. Diesen Fall deutet die zweite grau hinterlegte schlankere Verteilung an, die für das automatische Fügen geeignet ist. Für die Paarung von Einzelteilen zu einer Baugruppe sind vier grundsätzliche Methoden bekannt: −
−
−
−
Einzelaustausch: Jedes Bauteil wird so eng toleriert, dass die Summentoleranz genügend klein ist (Berechnung nach dem MaximumMinimum-Verfahren). Das führt in der Regel zu hohen Kosten in der Teilefertigung und ist nur für kurze Toleranzketten zweckmäßig. Die Methode wird in der Großserien- und Massenfertigung angewendet. Die absolute Austauschbarkeit ist gewährleistet. Gruppenaustausch: Die Teile werden mit sicher beherrschbaren Toleranzen hergestellt, anschließend gemessen und in Toleranzgruppen sortiert. Basisteile und Fügeteile werden dann zueinander passend montiert. Es werden also nur Teile gepaart, die ein und derselben Gruppe angehören. Dem Vorteil relativ großer Werkstücktoleranzen steht der Mess- und Sortieraufwand gegenüber. Passzugabe: Von mehreren zu montierenden Fügeteilen wird ein bestimmtes Teil mit einer Passzugabe hergestellt. Nach einem Messvorgang wird die Summentoleranz durch Nacharbeiten dieses Bauteils an der Passzugabe, mitunter auch am Funktionsteil, angeglichen. Dazu gehört auch das Einsetzen von Passscheiben. Diese sind nach Dicke gestuft magaziniert und werden nach Feststellung des Summenmaßes automatisch ausgewählt und gefügt. Daraus resultiert meist ein erheblicher technischer Aufwand. Einstellmethode: Bei dieser Methode ist das Schlussstück einer zu montierenden Baugruppe einstellbar oder selbst einstellend, zum Beispiel durch eine passende Druckfeder oder ein Tellerfederpaket. Vorteilhaft ist, dass ein Messen beim Montieren nicht erforderlich ist. Ein Beispiel wird in Abb. 2-21 vorgestellt.
Besonders vorteilhaft ist es, wenn eine Konstruktion gefunden werden kann, die Fehler gewissermaßen toleriert. Abbildung 2-22 stellt zwei typische Fälle in unzweckmäßiger und guter Ausführung gegenüber. Im Beispiel A wurden die Befestigungslöcher im Basisteil Toleranz ausgleichend durch das Langloch und eine größere Bohrung gestaltet. Das vorher erforderliche gleichzeitige Einführen beider Gewindezapfen (sog. Anschnäbeln) wird durch die unterschiedlich langen Gewindezapfen vermieden. Im Fall B tritt bei der unzweckmäßigen Lösung das Problem der Summentoleranzen auf. Zur Vermeidung wurde ein Komplexteil gestaltet, dessen Toleranzen werkzeugbedingt festliegen und sich daher nicht addieren können.
36
2 Montagegerechte Produktgestaltung
alt: Einstellung durch Justieren
neu: Einstellung durch Druckfeder
Abb. 2-21 Selbsteinstellung einer Spitzenlagerung unzweckmäßig
Beispiel A:
Überbestimmte gleich lange Zapfen
A +- T Beispiel B:
B +- T
gut
Langloch und ungleich lange Zapfen
C +- T
Auftreten von Summentoleranzen
B +- T Komplexteil mit werkzeugbedingter Toleranz
Abb. 2-22 Beispiele für fehlertolerante Konstruktionen
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele Die Gestaltung eines Produktes bezieht alle Aspekte ein, die zu seinem Nutzen und Erfolg beitragen. Ausgangspunkt ist deshalb eine ganzheitliche Betrachtung des Produktgebrauchs (funktionelle Produktanalyse), seiner Herstellung (Automatisierungsfähigkeit) und seiner Entsorgung (Lebenszyklusbetrachtung).
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
37
Zu Beginn einer Konstruktion werden generelle Überlegungen angestellt, die in der einschlägigen Literatur ausführlich beschrieben sind (Gausemeier 2001 et al.; Ehrlenspiel et al. 2002; Pahl/Beitz 2003). − − −
Mit welchen physikalischen Prinzipen kann eine Produktfunktion erreicht werden? Welche formgestalterischen und ästhetischen Aspekte sind zu berücksichtigen? Ist mit einer späteren Ausweitung der Produktvarianten zu rechnen?
So kann beispielsweise der Einsatz von Verbundteilen aus Werkstoffen mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten nach dem Einbau bei Temperaturschwankungen mechanische Spannungen induzieren. In solchen Fällen sind elastische oder dauerhaft plastische Klebstoffe und auch ausgleichende Zwischenlagen zu empfehlen. Die Konstruktion soll auch dazu beitragen, die Montageorganisation zu vereinfachen. Das bedeutet, dass möglichst viele Alternativen für den Montageablauf offen bleiben sollen. Daraus lassen sich folgende Empfehlungen ableiten: Konstruktionsregeln für einen flexiblen Montageablauf 1. Ermögliche weitgehend beliebige Montagereihenfolgen. 2. Vermeide möglichst Zwangsfolgen im Montageablauf. 3. Ermögliche viele eigenständige Baugruppen. 4. Bilde Produktfamilien. Eine weitgehende Produktähnlichkeit erlaubt die Verwendung schon konzipierter oder vorhandener Montagesysteme.
Im Folgenden sollen diese allgemeinen Grundsätze auf Produkt-, Baugruppen- und Teileebene konkretisiert werden. 2.4.1 Gestaltungsbereich Produkt Der Produktaufbau bestimmt ganz wesentlich die spätere Montagetechnologie. Fehler in der Produktgestaltung ziehen in der Regel auch Mängel in der Teile- und/oder Baugruppengestaltung nach sich. Folgende Gestaltungsregeln sind besonders wichtig:
38
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Konstruktionsregeln für die Produktgestaltung 1. Wähle eine Funktionsstruktur, die durch Verwendung möglichst weniger und erprobter Funktionsträger sowie durch eine entsprechende Aufteilung in Baugruppen geprägt ist. 2. Wähle einen montagefreundlichen Produktaufbau, vorzugsweise die Schicht- oder Nestbauweise sowie das Baukastenprinzip, und erleichtere die Bildung von Produktvarianten. 3. Vermeide unnötige Produktfunktionen und spare damit auch Montageoperationen ein. 4. Gestalte ein montagegünstiges Basisteil mit ausgeprägten Stand-, Auflage- und Spannflächen. 5. Vermeide komplexe Bewegungsabläufe von Teilen und Werkzeugen und bevorzuge das Montieren aus möglichst wenigen Richtungen (geradlinig und senkrecht von oben). 6. Vermeide Justiervorgänge und ersetze sie durch Selbsteinstellung bzw. Selbstformung. 7. Gestalte demontage- und recyclingfreundliche Produkte. 8. Verwende umfassend Standard- bzw. Normteile in möglichst wenigen Abmessungen und erhöhe generell den Anteil von Gleichteilen. 9. Gestalte ausreichend große Freiräume (Handhabungskanal, Zugänglichkeit, Störkontur) für Fügewerkzeuge in der Umgebung von Fügestellen. 10. Erleichtere das Greifen und Manipulieren mit Handhabungseinrichtungen durch günstige, gut zugängliche und belastbare Griffflächen. 11. Lasse Verkleidungsteile sowie empfindliche Oberflächenteile für Produktvarianten möglichst spät in den Montageablauf einfließen. 12. Vermeide Fügestellen, die gleichzeitig „anschnäbeln“ müssen. 13. Vermeide federnde Luftpolster, die beim Fügen von Teilen – z. B. Bolzen – in Grundlöcher entstehen und sehe Entlüftungsbohrungen bzw. -rillen vor. 14. Schränke Dichtarbeiten auf ein Minimum ein. 15. Gestalte verpackungs-, stapel- und transportfreundlich.
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
39
Ein besonders montagefreundlicher Produktaufbau wird durch die sog. Falttechnik erreicht. Sie besteht in der Vielfachanwendung von Filmscharnieren an einem komplexen Basisteil. Wie das Beispiel in Abb. 2-23 zeigt, führt das Umklappen mehrerer Teile zu einem räumlichen Körper. Meistens sind außerdem Schnappelemente integriert, die den Zusammenhalt sichern. Nach dem Einsetzen der Einbauteile kann deren Fixierung noch durch Ausschäumen des ganzen Gehäuses mit Kunststoff erfolgen, z. B. mit expandierendem Polypropylen.
Abb. 2-23 Geräteaufbau in Falttechnik (Electrolux)
Ein solches technisches Konzept wurde von der Firma Hewlett Packard unter dem Begriff HP-PAC entwickelt. Es eliminiert eine Vielzahl der traditionellen, diskreten lösbaren und nichtlösbaren Verbindungen durch schrauben, schnappen, kleben, klemmen und nieten. Diese werden durch ein geschäumtes Gerätechassis substituiert, in welchem die Baugruppen und Bauelemente funktional logisch angeordnet sind. Alle Montageteile werden innerhalb der geschäumten Chassisteile in einer ihrer Kontur entsprechenden Negativform eingebettet und ohne zusätzliche Fixierung gehalten. Daraus ergeben sich verschiedene vorteilhafte Produkteigenschaften: − − −
Bauelemente und Baugruppen lassen sich durch eine gezielte Luftführung wirkungsvoller kühlen. Mechanischer Stress auf empfindliche Bauteile wird durch die interne „Verpackung in Schaum“ reduziert. Das Produkt wird kompakter und leichter, weil Stahl und Kompaktspritzguss durch „Schaum“ substituiert werden.
40
− −
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Der Schaum dämpft Eigengeräusche, die z. B. durch Lüfter entstehen. Kundenspezifische Produktausführungen in Kleinserie lassen sich schneller und doch noch wirtschaftlich realisieren.
Netzstecker sind ebenfalls ein anschauliches Beispiel für den Wandel im Produktaufbau im Sinne von Montagefreundlichkeit. Während die UraltVariante viele Einzelteile und Montageoperationen erforderte, ist der Aufbau in Falttechnik günstiger. Ein komplexes Bauteil mit mehreren Filmscharnieren nimmt die Montageteile auf. Schließlich ging man zum vollständigen Umspritzen der Kontaktstifte und der Leitung über. Eine Reparatur des Steckers ist dann allerdings nicht mehr möglich (s. auch Abschn. 18.2). Die gezielte Ausnutzung von Werkstoffeigenschaften kann ebenfalls ein Ansatz sein, um den Produktaufbau zu vereinfachen. Dazu zeigt die Abb. 2-24 die Umkonstruktion eines sog. Bockrades mit Federung. Haltegabel und Feder sind hier zu einem Multifunktionsteil verschmolzen. Das Kopfdrehlager und die Federstahlschwinge werden durch zwei Teile aus Tiefziehblech miteinander verbunden. Die Schwinge wird nur eingelegt und muss nicht mit zusätzlichen Teilen wie Schrauben oder Nieten verbunden werden. Damit vereinfacht sich die Montage und das Produkt (rechts) weist weniger Einzelteile auf. Gleichzeitig wird es leichter und gewinnt an Ästhetik. 4 Kopflager
3 Halteschale
5 Bodendeckel
2 Federstahl
1 angepresste Fläche mit Loch
alt
neu
Abb. 2-24 Umkonstruktion eines Bockrades (AS Rollen)
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
41
2.4.2 Gestaltungsbereich Baugruppe Baugruppen sind geometrisch bestimmte Gebilde, die durch Fügen von mindestens zwei Einzelteilen entstanden sind und in eine Montageeinheit höherer Wertigkeit eingehen. Im Hinblick auf die Montagefreundlichkeit von Baugruppen haben sich die folgenden Gestaltungsregeln bewährt: Konstruktionsregeln für Baugruppen 1. Strebe ein Minimum an Bauteilen an und bilde möglichst Multifunktionsteile aus. 2. Vermeide separate Verbindungsmittel, integriere sie in Einzelteile und Baugruppen oder fasse sie zusammen. 3. Vermeide unnötig enge Toleranzen und Überbestimmungen und vermaße Baugruppen mit Fügetoleranzen zwischen den Montagepunkten. 4. Strebe einfache Bewegungsmuster für das Fügen an. 5. Gestalte prüf- und testfreundliche Baugruppen, die für sich prüfbar sind. 6. Strebe nach rationellen Verbindungsverfahren, wie zum Beispiel Snapin-Verbindungen. 7. Gestalte Wiederholbaugruppen mit vereinheitlichten Schnittstellen. 8. Bevorzuge den einstufigen Baugruppenaufbau ohne Zwischenbaugruppen. Jedoch kann auch das Gegenteil im Einzelfall richtig sein. 9. Reduziere die Anzahl von Fügeteilen. 10. Vermeide fügefremde Arbeitsvorgänge in der Montage oder schränke sie ein. 11. Minimiere die Montagerichtungen. 12. Gestalte fertige Baugruppen standsicher und gut magazinierbar. 13. Gestalte Baugruppen so, dass sie eine abgeschlossene Funktion mit möglichst wenigen Schnittstellen zu anderen Baugruppen erfüllen. 14. Vermeide Fügestellen, die gleichzeitig „anschnäbeln“ müssen. 15. Vereinfache das Positionieren durch Fügefasen und Vorzentrierungen.
42
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Schnappverbindungen sind aus Montagesicht sehr effektiv, weil für das Fügen nur eine geradlinige Presskraft erforderlich ist. Zumindest das Teil mit dem Schnappelement muss aus Kunststoff sein. Schnappverbindungen können lösbar oder unlösbar sein. Die Auswahl hängt von der Funktion des Teiles ab. Die beim Einschnappvorgang auftretende Auslenkung wird als Hinterschnitt f bezeichnet. Er hängt von der Geometrie und der zulässigen Dehnung des eingesetzten Werkstoffes ab. Abbildung 2-25 zeigt einige bewährte Schnappverbindungen im Querschnitt.
L
α
f
f/2
L
Ringschnapper
Schnapphaken
f/2
f/2
Ringschnapper mit Kreissegmenten L Fügelänge
α Fügewinkel
Schnappkugel f Hinterschnitt
Abb. 2-25 Gestaltung von Schnappverbindungen in der Art von Haken, Ringschnappern, segmentierten Kreisquerschnitten und Schnappkugeln (BASF)
Fügepartner, die in der Art „Bolzen in Bohrung“ gestaltet sind, sollten zusätzliche geometrische Elemente (Fügefasen und Zentrierabsätze) erhalten, damit das Anfädeln zu Beginn des Fügens gewährleistet ist. Das Fügen einer Baugruppe wird einfacher, wenn Ausricht- und Zentrierelemente das gegenseitige Positionieren der Fügepartner erleichtern. Ein definiertes stabiles Verhalten während der Montage lässt sich durch maßliche Abstimmung, durch Ausbildung von Formelementen und durch Einrastelemente erreichen. Zwei Beispiele werden in Abb. 2-26 gezeigt.
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele ungünstig
43
besser
a) Einbringen von Nebenformelementen
b) Erleichterung des Einfädelns durch Stehbolzen
Abb. 2-26 Ausricht- und Zentrierelemente zur Erleichterung der Bauteilepositionierung beim Fügen
Bei den hier vorgenommenen konstruktiven Veränderungen erübrigen sich während der Montage Halte- bzw. Fixieroperationen von Bauteilen. Manchmal ist auch eine veränderte Reihenfolge im Montageablauf von Vorteil. 2.4.3 Gestaltungsbereich Einzelteil Einzelteile sind nur durch Zerstörung trennbare Körper, die durch Bearbeitung eines Werkstoffs ohne Fügen mit einem anderen Bauelement entstanden sind. In der Elektrotechnik wird für eine Kombination mehrerer Bauelemente (Bauteile) auch der Begriff Baustein verwendet. Die Herstellkosten eines Teiles bestimmen sich hauptsächlich durch den Werkstoff, das Herstellverfahren, die Oberflächengüte, die Toleranzen und die Produktionsmenge (Losgröße). Gestaltungsregeln für Einzelteile orientieren sich vor allem an Erleichterungen für das Handhaben, Greifen, Spannen bzw. Aufnehmen, am richtigen Tolerieren sowie an Vereinfachung des späteren Fügens. Abbildung 2-27 zeigt hierzu zunächst eine Übersicht von Werkstückmerkmalen aus Sicht der Montage.
44
2 Montagegerechte Produktgestaltung Werkstückeigenschaften
geometrische kennzeichnende Werkstückdaten Formelemente • Form (Verhaltenstyp) • Ausdehnung Abmessungen • Seitenverhältnisse • Symmetrien • Größenklassen
• • • • • • • • •
Bohrung Absatz, Bund Sicke, Wulst Ausschnitt Schlitz Nut, Einstich Fase Haken Ausklinkung
Werkstückverhalten
physikalische Eigenschaften Werkstoff Schwerpunkt Steifigkeit Bruchfestigkeit Masse Oberflächenbeschaffenheit • Temperatur • Bearbeitungszustand • • • • • •
Ruheverhalten • • • • •
Standsicherheit stabile Orientierung Vorzugsorientierung Stapelfähigkeit Hängefähigkeit
Förderverhalten • Gleitfähigkeit • Rollfähigkeit • Richtungsstabilität
Abb. 2-27 Montagerelevante Werkstückmerkmale (IPA Stuttgart)
Hinsichtlich der Werkstückeigenschaften interessieren bei der Geometrie, ob die Form rund, kubisch oder irregulär ist, die Abmessungen extrem groß oder klein und ob die Teile symmetrisch oder asymmetrisch sind. Bei den Formelementen spielt es eine große Rolle, ob sie innen oder außen liegen, weil z. B. innen liegende Elemente schwer erkannt werden können. Die physikalischen Eigenschaften bestimmen wiederum, wie leicht oder schwer ein Teil zu handhaben ist. So ist ein biegesteifes Teil (z. B. Gehäuse) wesentlich einfacher zu handhaben als ein biegeschlaffes Teil (z. B. Dichtungsring). Als besonders schwierig gelten Teile mit extremen Abmessungen (z. B. Großteile und Mikroteile), extremen Seitenverhältnissen (z. B. Nadeln oder Klingen), empfindlichen Oberflächen (z. B. Mikrochips, polierte Teile) und Wirrteile (z. B. Federn oder Sicherungsringe). Beim Werkstückverhalten wird zwischen dem Ruhe- und Bewegungszustand unterschieden. Im ersten Fall ist von Interesse, ob das Teil eine sichere Ruhelage hat oder z. B. leicht wegrollt oder kippt. Beim Fördern ist das Verhalten beim Gleiten des Teils (z. B. eine Rinne abwärts) oder beim Rollen im Hinblick auf einen sicheren Prozessablauf von Bedeutung. Der weitaus überwiegende Teil aller Unterbrechungen an einer Montageanlage resultiert aus Störungen in der Teilehandhabung (s. Kap. 14). Im Mittelpunkt der montageorientierten Überlegungen muss die Frage stehen, was ein Teil kostet, bis es seine Funktion nach durchgeführter Montage und Funktionsprüfung erfüllt. Dies hat Lotter unter den Begriff montageerweiterte ABC-Analyse zusammengefasst Abb. 2-28 (Lotter 1992). Ausgehend von der Ausgangsfrage sind insgesamt 7 Grundsatzfragen zu behandeln, von denen Nr. 3, 4 und 5 ganz maßgeblich die Konstruktion betreffen. Dabei handelt sich zum einen um die Handhabungsfähigkeit, die – wie bereits erläutert – durch die direkt vom Konstrukteur festgelegten
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
45
Werkstückeigenschaften und das daraus resultierende Werkstückverhalten bestimmt wird und zum anderen um die Fügevorgänge, die indirekt aus der gewählten Konstruktion resultieren. Einflussfaktoren
Grundsatzfragen
Grundidee Was kostet ein Teil, bis es seine Funktion nach durchgeführter Montage erfüllt?
Preis der Einzelteile 1 bzw. Herstellkosten
Stoffkosten, Losgröße, Herstellungsverfahren
2 Anlieferungszustand
Schüttgut, geordnet verpackt, magaziniert: Palette/ Schacht, Langteil: Fließgut, gegurtet
3 Handhabungsfähigkeit
Zubringen, Ordnen, Weitergeben
Fügerichtung 4 Fügefähigkeit
Fügerichtung: senkrecht linear, räumlich, Fügehilfen,Fügeraum, Stabilität
5 Fügeverfahren
Zusammenlegen und Füllen, An- und Einpressen, Fügen durch Urformen, Fügen durch Umformen, Stoff vereinigen
6 Qualität
ppm-Wert, Sauberkeit, Störbetriebskosten
7 Montagekosten
Personalaufwand, Betriebsmittelkosten
Abb. 2-28 Montageerweiterte ABC-Analyse (Lotter)
Beim montagegerechten Konstruieren geht man zunächst von einer automatischen Montage der Baugruppen und Produkte aus. Selbst wenn sich bei einer genauen Analyse herausstellt, dass die manuelle oder hybride Montage wirtschaftlicher ist, zeigt die Praxis, dass sich eine automatisierungsgerechte Konstruktion immer auch vorteilhaft auf die manuelle Montage auswirkt. Werden Einzelteile als Schüttgut angeliefert, müssen die Teile Merkmale für das automatische Orientieren in die notwendige Fügelage und Merkmale zum geordneten Weitergeben im Verband aufweisen. Aus der Sicht der Handhabung ist der Schwierigkeitsgrad von der Teilegrundform, der Außen- und Innenkontur und der Zuordnung der Einzelelemente abhängig. Abbildung 2-29 zeigt eine Einteilung von Werkstücken mit nach rechts unten steigendem Schwierigkeitsgrad hinsichtlich der Handhabung. Es sind möglichst einfache Grundformen anzustreben. Schwierig zu erkennende Gestaltmerkmale erhöhen den Aufwand für die Zuführtechnik und schränken deren Zuverlässigkeit ein. Gleichwohl sollen Einzelteile entweder eindeutig symmetrisch oder eindeutig unsymmetrisch
46
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Grundform Formelemente
Kugel
Stange
Flachteil
Pilzteil
Wirrteil
Teile mit glatter Außenform
Merkmale in der Innen- und Außenkontur Werkstücke mit exzentrischen Elementen unregelmäßig zusammengesetzte Formen
Abb. 2-29 Merkmale von Werkstückgrundformen (Beispiele)
a
sein. Abbildung 2-30a zeigt ein Beispiel, bei dem das konstruktive Einwirken auf die Symmetrieeigenschaften deutlich wird. Zu beachten ist, dass sich Formmerkmale in der Außenkontur besser auswerten lassen als wenn sie sich im Teil befinden. Abbildung 2-30 b zeigt demgegenüber ein Beispiel zur Verstärkung der Asymmetrie.
a
a) Verstärkung der Symmetrie
b) Verstärkung der Asymmetrie
Abb. 2-30 Vereinfachung der Handhabung durch Verstärkung der Symmetrie bzw. Asymmetrie
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
47
Schwierige Teile sind Druckfedern als Haufwerk. Zwar sind Entwirrgeräte am Markt verfügbar. Sie sind jedoch nur effektiv einsetzbar, wenn die gegenseitige Verhakung im Haufwerk nicht zu stark ist. Das Verhalten lässt sich durch bestimmte Wicklungsformen und Windungsabstände verhindern, die Abb. 2-31 an zwei Beispielen zeigt.
offene Windungsenden
geschlossene Windungsenden
a) konische Feder alt
d
a
neu
geschlossene Windungsenden
a > d : Eindringen möglich
mittig geschlossene Windungsenden
b) zylindrische Feder a < d: Eindringen unmöglich
Abb. 2-31 Beispiele zur handhabungsfreundlichen Gestaltung von Druckfedern
Ein anderer Weg ist die Verpackung von Federn in der Weise, dass sie sich in einer definierten Lage getrennt voneinander befinden. Dazu zählen beispielsweise Schlauchverpackungen, aus denen die Federn mit Druckluft zur Montagemaschine transportiert werden. Die Einzelverpackung und Anlieferung in sog. Trays, Waben oder Blistern zur automatischen Entnahme sind bei vielen Federnherstellern heute ebenfalls Standard.
48
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Empfehlungen: Konstruktionsregeln für Einzelteile 1. Integriere Komponenten in andere Funktionsträger, um die Teileanzahl zu reduzieren. 2. Vermeide oder erleichtere Orientierungsvorgänge durch deutlich ausgeprägte Formelemente in der Außenkontur oder schaffe gegebenenfalls Nebenformelemente als Ordnungsmerkmal. 3. Erleichtere das automatische Weitergeben bzw. Fördern durch eindeutige und stabile Lagen in der Bewegung (Roll-, Gleit-, Hängefähigkeit) und in der Ruhe (Fall-, Kippverhalten). 4. Unterstütze das Zusammenstecken von Komponenten durch Einführschrägen, Einführhilfen, Zentrierabsätze, Suchstifte und Einweiskanten. 5. Wähle Verbindungsmittel, die für das automatische Montieren günstig sind. 6. Verwende Fließgut (Band) vor Stückgut (Einzelteile), weil sich Fließgut einfacher handhaben lässt. 7. Vermeide Wirrteile, die sich im Haufwerk oder im Verband verhaken, verschrauben oder ineinander setzen. 8. Präge Führungsflächen so aus, dass sicheres automatisches Zuführen ohne Beschädigung bereits fertig bearbeiteter Oberflächen möglich ist. 9. Vermeide Bauteile mit extremen Maßen, Abmessungen und bizarren Formelementen sowie biegeweiche, elastisch und plastisch verformbare Einzelteile. 10. Bilde einfache und gut zugängliche Griffstellen und Griffpunkte in Schwerpunktnähe aus und schränke durch vereinheitlichte Griffstellenabmessungen die Anzahl erforderlicher Greifer ein. 11. Schränke die Vielfalt unterschiedlicher Abmessungen und Teilearten ein. 12. Bilde Teile aus, die in möglichst vielen Dimensionen symmetrisch sind, keine schwach ausgeprägte Unsymmetrie und keine spiegelbildlichen Formen aufweisen. 13. Verwende Zukaufteile, die zu 100 % geprüft sind und im Haufwerk keine Falschteile und Verschmutzungen enthalten. 14. Gestalte die Einzelteile so, dass eine Raum sparende Magazinierung und Bereitstellung möglich ist. 15. Vermeide hohe Oberflächenanforderungen und enge Maß- und Formtoleranzen.
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
49
Von unveränderter Bedeutung sind Schraubenverbindungen zur lösbaren Verbindung. Zu beurteilen sind die Fähigkeit zur Drehmomentübertragung, das Suchverhalten beim Anfädeln, integrierbare Funktionen und der Einsatz spezieller Befestigungsteile. Folgende Fragen müssen beantwortet werden: Konstruktionsregeln für Schraubenverbindungen 1. Ist die Schraube zwingend erforderlich oder kann sie z. B. durch Schnappverbindungen ersetzt werden? 2. Ist eine mehrteilige Schraubverbindung (Schraube, Scheibe, Federring, Mutter) erforderlich? 3. Kann die Schraube dieselben Abmessungen und dieselbe Kopfform erhalten wie andere im Produkt bereits vorhandene Schrauben? 4. Wurde das Länge-Durchmesser-Verhältnis so gewählt, dass sich die Schrauben im Zuführkanal nicht überschlagen können? 5. Ist der Antrieb des Schraubenkopfes automatisierungsfreundlich? Schrauben mit geschlitztem Kopf sind zu vermeiden! Für sehr kleine Schrauben und solche mit ungünstigem LängeDurchmesser-Verhältnis sind Schraubenstangen zu empfehlen. Aus einzelnen Schrauben entsteht so ein Quasi-Fließgut. Wird beim Einschrauben das Anzugsmoment erreicht, dreht es die Schraube am Kopf ab. Außer dem Länge-Durchmesser-Verhältnis sind die Schraubenantriebsform und die Gestaltung des Anfädelbereiches wichtig. In der Automobilindustrie werden automatisierungsfreundliche Schrauben eingesetzt, die mehrere integrierte Funktionselemente aufweisen. Eine solche Schraube wird in Abb. 2.32 a vorgestellt. Eine Fügespitze und ein zylindrischer Schaft vor dem Gewindeanfang gleichen Fügetoleranzen aus. Die Schrauben werden zu 100 % geprüft angeliefert und lassen sich in Schläuchen über eine Entfernung bis zu 20 Meter pneumatisch in den Schrauber fördern (Scharf 1994). Die Zuführbarkeit von Schrauben hängt von der Gewindelänge L, dem Kopfdurchmesser D und dem Innendurchmesser d eines Zuführrohres oder Schlauches ab. Dabei soll die Länge größer sein soll als der Durchmesser plus 2 mm. In Abb. 2-33 werden ungünstige und bessere Merkmalsausprägungen am Beispiel äußerer Formmerkmale herausgestellt. So vermeidet im Fall a) das umlaufende Formelement die Feststellung einer definierten Drehlage beim Einbau des Teils. Im Fall b) erleichtert das (funktional überflüssige) eingeprägte Formelement die Ausrichtung des elektronischen Bauelementes beim Einsetzen in ein Bohrbild.
50
2 Montagegerechte Produktgestaltung Ausrichtzylinder
abgesetzter Spiegel
Fügespitze
angestauchte Scheibe
a) automatisierungsgerechte Schraube
Schlitz
DIN 7962, 7985
Pozidriv
Innentorx
Kombi-Torx
Torq -Set
b) Schraubenantriebsformen
Abb. 2-32 Kleinschraubenformen
ungünstig
besser
a) Vermeiden einer definierten Drehlage
b) Zuordnung eines Formmerkmals zu einem Bohrbild
Abb. 2-33 Beispiele für montagegerechte Werkstückgestaltung
2.4 Gestaltungsgrundsätze und Beispiele
51
Werkstücke nehmen bei freier Bewegung bestimmte Vorzugslagen ein, die ganz wesentlich von der Lage des Schwerpunktes bestimmt werden. Man wird daher Teile möglichst immer aus ihren Vorzugslagen zuführen. Wie man Werkstücke verändern kann, um Handhabungsfunktionen zu vereinfachen, Anforderungen an die Zuführtechnik zu senken und die Zuführsicherheit zu erhöhen, wird in Abb. 2-34 an zwei Gestaltungsbeispielen gezeigt. ungünstig
besser
a) Vermeiden von aufsteigenden Teilen in einer Zuführrinne durch höheren Spiegel
s
s
b) Verlagerung des Schwerpunktes zur Erhöhung der Standsicherheit
Abb. 2-34 Verbesserung der Handhabungseigenschaften von Teilen durch definierte Merkmalsausprägung
Im Fall a) führt die angefaste und relativ dünne angepresste Scheibe an den Schrauben dazu, dass diese in einer Zuführrinne übereinander steigen und sich verklemmen. Die breitere und zylindrische Ausführung vermeidet diesen Effekt. Die Verschluss-Schraube im Fall b) hat infolge der Vollausführung einen hoch liegenden Schwerpunkt; das Teil fällt sehr leicht um und rollt. Durch den Hohlraum der besseren Lösung wandert der Schwerpunkt nach unten, das Teil steht wesentlich stabiler. Problematisch in der Handhabung und deshalb möglichst zu vermeiden sind forminstabile (biegeweiche) Teile wie Kabel, Schläuche, weiche Gummiformteile, Fasermatten, Folien und textile Flächengebilde. Das Verhalten dieser Teile bei der Montage hängt von folgenden Eigenschaften ab: − − −
Grad der Formstabilität und Werkstoffart, Adhäsivität der Bauteiloberfläche, Grad der Luftdurchlässigkeit,
52
− −
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Oberflächenstruktur (glatt, texturiert, beschichtet), Form- und Maßtoleranzen.
Um solche Teile zu verbessern, besteht oft nur wenig Freiheit, weshalb immer noch etwa 90 % der labilen Teile manuell montiert werden. Folgende Empfehlungen allgemeiner Art sind jedoch nützlich: Konstruktionsregeln für biegeschlaffe Teile 1. Vermeide dreidimensionale Formen von Gummiteilen. 2. Gestalte gut greif- und fügbare Enden bei rohrartigen Gummiteilen. 3. Wähle große Griffflächen, damit der Anpressdruck klein wird. 4. Flachzuschnitte und Kabelstücke sollten möglichst vor Ort und von der Rolle (Fließgut) hergestellt werden, um formlabile Zustände zu vermeiden. 5. Randversteifungen (Sicken, Spiegel, Verstärkungsleisten u. ä.) erleichtern die Handhabung. 6. Prüfe die Möglichkeit einer vorübergehenden Versteifung von Formstücken durch Unterkühlung. 7. Wähle statt dünner Flachdichtungen viskoses Dichtmaterial. 8. Fixiere das formlabile Teil bei der Herstellung auf Trägermaterial (z. B. Folie), um den Ordnungszustand zu fixieren und recycle das Trägermaterial.
Diese Maßnahmen sind auch immer im Zusammenhang mit den vorgesehenen Greiforganen bzw. -prinzipen zu sehen (Sauger, Nadelgreifer, Gefriergreifer, Klemmgreifer mit übergroßen Flach- bzw. Formbacken). Bei der Wahl des Greifprinzips ist zu beachten, dass die Greiforgane keine Faltenbildung am Objekt hervorrufen. Mit diesen Überlegungen sollen die Vorschläge zur montagegerechten Produktgestaltung abgeschlossen werden. Vertiefende Hinweise finden sich bei Frankenhauser 1988, Schlaich 1988, Hoßmann 1992 und Bongardt 1999.
2.5 Demontagefreundliche Produktgestaltung
53
2.5 Demontagefreundliche Produktgestaltung Produkte werden nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zum Altprodukt, stellen dann ein Demontageobjekt dar und müssen zerlegbar sein. Die Demontage wird häufig als rückwärts laufende Montage gesehen. Ein Rückschluss von der Montage auf die Demontage ist bezogen auf deren Automatisierung aber nur bedingt möglich. Eine logische Umkehrung der einzelnen Vorgänge gilt nur für die Reihenfolge der Operationen. Eine Übereinstimmung bei den Verfahren zum Fügen und Lösen der Verbindungen besteht aber oft nicht, wie z. B. beim Löten und Schweißen (Beitz 1983, Krause und Neubert 2000). Die Demontagetiefe wird vom Demontageziel bestimmt. Dieses kann zum Beispiel das Herauslösen eines wieder verwendbaren Einzelteils aus einer Baugruppe oder die vollständige Zerlegung eines Altproduktes nach gleichen Werkstoffen sein. Es sind auch Demontagen von weiter verwendeten Produkten üblich, wenn im Zuge von Wartungs- und Inspektionsarbeiten Verschleißteile auszuwechseln sind. Für die Demontage gilt grundsätzlich: Wiederverwendung (Up cycling) vor Weiterverwendung vor Verwertung. Zur Reduzierung des Demontageaufwandes gewinnt deshalb die Entwicklung service- und demontagefreundlicher Erzeugnisse an Bedeutung. Folgende Regeln sind zu beachten: Konstruktionsregeln für die Demontage 1. Lege eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Demontagetiefe fest. Die Teile werden oft nach Materialarten sortiert und weniger nach Teilearten. 2. Schaffe Öffnungen zum Lösen von Hakenverbindungen bei z. B. Snapin-Verbindungen. 3. Stelle die Zugänglichkeit von Demontagewerkzeugen zu den Verbindungsmitteln sicher und erleichtere das Auffinden von Verbindungsstellen. 4. Setze vorwiegend gleiche Verbindungsarten an einem Produkt ein (geringer Werkzeugbedarf). 5. Ermögliche die einfache Demontage-Mechanisierung oder -Automatisierung. 6. Strebe einheitliche Demontagerichtungen an.
54
2 Montagegerechte Produktgestaltung
7. Vermeide bei reparaturfähigen Teilen Beschädigungen bei der Demontage. 8. Ermögliche eine rückstandsfreie Flüssigkeitsentsorgung. 9. Schließe jede Art von Gefährdungen bei der Demontage aus, wie z. B. sich schlagartig entspannende Federn. 10. Stelle die sichere Erkennbarkeit von Werkstoffarten, insbesondere Kunststoffe, aus Gründen der Sortierbarkeit sicher. 11. Unterstütze die sortenreine Erfassung und Sammlung von Werkstoffen. (Vermeide Beschichtungen, vermindere Werkstoffarten, kennzeichne Werkstoffe, ermögliche das Zerlegen von Verbundteilen aus verschiedenen Werkstoffen.) 12. Vermindere die Anzahl von Bauteilen und senke die Werkstoffmenge. 13. Minimiere die Anzahl von Verbindungsstellen, vereinheitliche diese und mache sie gut zugänglich. 14. Gliedere das Produkt in Demontagegruppen mit verwertungsverträglichen Teilen. Das Basisteil soll einer verwertungsgünstigen Materialgruppe zuordenbar sein. 15. Bevorzuge leicht demontierbare oder zerstörbare Verbindungs- und Sicherungselemente, wie z. B. lösbare Schnapper und Schrauben.
Oft sind es auch nur relativ kleine Veränderungen an Bauteilen, die zu einer demontagegerechten Gestaltung beitragen, wie die Beispiele in Abb. 2-35 zeigen. Nicht für alle Produkte sind Demontage und Recycling ein Gestaltungsaspekt. Bei mikromechanischen Strukturen ist das sowohl durch die Baugröße der Objekte als auch durch die eingesetzten Verbindungsverfahren nicht sinnvoll (Henschke 1994). Mit diesen abschließenden Aussagen wird deutlich, dass die montagegerechte Produktgestaltung den gesamten Lebenszyklus betrachten muss, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der ständigen Generierung neuer Varianten. Dies geschieht wie bereits mehrfach betont, zweckmäßig in Entwicklungsteams mit wechselnder Zusammensetzung.
Literatur ungünstig
55
besser Werkzeug
a) Gestaltelemente erleichtern den Angriff des Demontagewerkzeuges
b) Leichteres Lösen der Passfeder durch Keilschräge
Abb. 2-35 Beispiele für demontagefreundliches Konstruieren
Literatur Andreasen M M, Kähler S and Lund T (1985) Montagegerechtes Konstruieren. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg BASF (1991) Konstruieren mit thermoplastischen Kunststoffen. Firmenschrift der BASF, Ludwigshafen Beitz W (1983) Demontagefreundliche Schnappverbindungen. VDI Berichte 493, S. 113-123, VDI-Verlag, Düsseldorf Bongardt T (1999) Bereitstellung formlabiler Bauteile. wt Werkstattstechnik 89(1999)9, S. 419–422 Boothroyd G and Dewhurst P (2001) Product Design for Manufacture and Assembly. 2nd Ed. Marcel Decker 2001 Boothroyd G and Dewhurst P (1987) Product Design for Assembly. Wakefield: Boothroyd Dewhurst Inc. Constance J (1992) Learning to Design for Manufacture and Assembly. Mechanical Engineering 70(1992) p. 70–74
56
2 Montagegerechte Produktgestaltung
Ehrlenspiel et al. (2002) Ehrlenspiel K, Kiewert A u. Lindemann U: Kostengünstig Entwickeln und Konstruieren. Kostenmanagement bei der integrierten Produktentwicklung. 4. Aufl. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Frankenhauser B (1988) Montage von Schläuchen mit Industrierobotern, Diss. Universität Stuttgart Gairola A (1981) Montagegerechtes Konstruieren. Ein Beitrag zur Konstruktionsmethodik. Diss. TH Darmstadt Gausemeier J, Ebbesmeyer P u. Kallmeyer F (2001) Produktinnovation. Strategische Planung und Entwicklung der Produkte von morgen. Hanser Verlag, München/Wien Henschke F (1994) Miniaturgreifer und montagegerechtes Konstruieren in der Mikromechanik. VDI-Fortschritts-Berichte, Reihe 1, Konstruktionstechnik / Maschinenelemente Nr. 242, VDI-Verlag, Düsseldorf Hesse S (1994) Montage-Atlas. Montage- und automatisierungsgerecht konstruieren. Hoppenstedt Technik-Tabellen Verlag, Darmstadt Holle W (2002) Rechnerunterstützte Montageplanung. Carl Hanser Verlag, München/Wien Hoßmann J (1992) Methodik zur Planung der automatischen Montage von nicht formstabilen Bauteilen, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Koller R (1986) Entwicklung und Systematik der Bauweise technischer Systeme – Ein Beitrag zur Konstruktionsmethodik. Konstruktion, Berlin 35(1986)1, S. 1-7 Krause W et al. (2000) Gerätekonstruktion in Feinwerktechnik und Elektronik, 3. Aufl. Carl Hanser Verlag, München/Wien Krause W und Neubert H (2000) Rationelle Demontage – Wie pneumatisch lösbare Verbindungen das Recycling erleichtern. Mechatronik F&M 108(2000)4, S. 48-52 Leaney P G and Wittenberg G (1972) Design for Assembling – The Evaluation Methods of Hitachi, Boothroyd and Lucas, Assembly Automation 12(1972)2, p 8-17 Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage – Ein Handbuch für Elektrogerätebau und Feinwerktechnik. 2. Aufl. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B, Schilling W (1994) Manuelle Montage, VDI-Verlag, Düsseldorf Miyakawa S, Ohashi T (1986) The Hitachi Assemblability Method (AEM). In: International Conference on Product Design for Assembly. Troy Conferences. Rochester, Michigan
Literatur
57
Moritzen K (1990) Montagegerechtes Entwerfen mit wissensbasierten Systemen. Zeitschr. wirtsch. Fertigung, München 85(1990)5, S 248-251 Pahl/Beitz (2003) Pahl G, Beitz W, Feldhusen J u. Grote K H: Pahl/Beitz – Konstruktionslehre. Grundlagen erfolgreicher Produktentwicklung. Methoden und Anwendung. 5. Aufl. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Redford A and Chal J (1994) Design for Assembly – Principles and Practice. McGraw-Hill Book Company, London New York Scharf P (1994) Die automatisierte Montage mit Schrauben. expert verlag, Renningen-Malmsheim Schlaich G (1988) Kabelbaummontage mit Industrierobotern, Diss. Universität Stuttgart Wiendahl H-P, Gerst D, Keunecke L (Hrsg) (2004) Variantenbeherrschung in der Montage. Konzept und Praxis der flexiblen Produktionsendstufe. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
3.1 Einführung Wirtschaftliche Montagekonzepte zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie während der Montage bei sämtlichen Handhabungs- und Fügevorgängen jede unnötige Bewegung des Montageobjektes, des Menschen und der Montagemittel vermeiden. Dazu ist die montagefreundliche Produktgestaltung eine wesentliche Voraussetzung, wie sie in Kap. 2 ausführlich erläutert wurde. Bei der Gestaltung der Montagesysteme selbst hat sich die Unterscheidung der Handhabungs- und Fügeoperationen nach sogenannten Primärund Sekundärvorgängen als einfache und wirkungsvolle Methode erwiesen, um den wirtschaftlichen Wirkungsgrad eines Montagesystems beurteilen zu können. Dies gilt sowohl für neu zu schaffende als auch für die Verbesserung von bestehenden Montagesystemen. Mit Hilfe der aus diesem Gedanken entwickelten Primär-SekundärAnalyse (PSA) kann der sog. wirtschaftliche Wirkungsgrad der Montage als quantitatives Beurteilungskriterium berechnet und so Optimierungs- und Rationalisierungsmöglichkeiten deutlich gemacht werden (Lotter 1992). Es gelten folgende Definitionen: • Primärvorgänge (PV) sind alle Aufwendungen an Zeit, Energie, Informationen und Teilen zur Vervollständigung eines Produktes, die der Wertschöpfung während der Montage dienen. Beispiele sind Greifen, Einlegen oder Einschrauben von Teilen zur Vervollständigung des Produktes. Als Messgröße gilt die Zeitdauer des Vorganges. • Sekundärvorgänge (SV) sind alle auf Grund des gewählten Montageprinzips notwendigen Aufwendungen an Zeit, Energie und Informationen, ohne eine Wertschöpfung des Produktes zu bewirken. Beispiele sind Weitertransportieren, Wenden, Ablegen oder Neugreifen von Teilen, ohne dass sich das Produkt dem Endzustand nähert. Auch hier ist die Messgröße die Zeitdauer des Vorganges. • Der wirtschaftliche Wirkungsgrad WM ist die Summe der Zeitdauern aller Primärvorgänge im Verhältnis zur Summe der Zeitdauern aller Primär- und Sekundärvorgänge. Dann gilt:
60
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
WM =
∑ PV ⋅ 100 [%] ∑ PV + ∑ SV
(Gl. 3.1)
Sekundärvorgänge [s]
Der so berechnete Wirkungsgrad erlaubt eine nachvollziehbare Aussage über die Effizienz eines Montageplatzes, einer Montagestation oder eines Montagesystems. Dies gilt nicht nur für manuelle Montageplätze, sondern auch für höher mechanisierte Montagetechniken bis hin zu vollautomatischen Montagesystemen. Die wesentlichen Optimierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen richten sich in allen Fällen auf die Reduzierung von anfallenden Sekundärvorgängen. Eine anschauliche Deutung des Primär- und Sekundäraufwandes ist in Form eines Aufwandsvektors möglich. Hierzu werden die jeweiligen Zeitdauern einer Montagefolge in ihren Primär- und Sekundäranteil zerlegt und maßstäblich in ein entsprechendes Koordinatensystem eingetragen. Abbildung 3-1 zeigt als Beispiel das Diagramm für 5 aufeinander folgende Einzelvorgänge V1 bis V5. V3 ist ein reiner Primärvorgang (fügen), V5 ein reiner Sekundärvorgang (ablegen). Die übrigen Vorgänge enthalten sowohl Primär- als auch Sekundäranteile. Für die gesamte Montage ergibt sich der Aufwandsvektor |A|. Als primäres Beurteilungs- und Optimierungskriterium |OKP| gilt, dass der Steigungswinkel des Aufwandsvektors zu minimieren ist. Ein sekundäres Optimierungskriterium |OKS| ist die Minimierung des absoluten Betrages des Aufwandvektors |A| (Wiendahl 1989).
V5 A
ϕ V4
V2
V3
V1 Primärvorgänge [s] V1 bis V5 Aufwandsvektor Vorgang 1 bis 5 A Aufwandsvektor gesamt
ϕ Richtung Aufwandsvektor
Abb. 3-1 Primär-Sekundärbewertung einer Arbeitsfolge mit Aufwandsvektoren
3.2 Manuelle Kleingerätemontage
61
Dann gilt:
Ok P = tan ϕ =
∑ SV → Min ∑ PV
(Gl. 3.2)
und Ok S = | A | =
(∑ SV ) + (∑ PV ) 2
2
→ Min
(Gl. 3.3)
Die Grafik ermöglicht „auf einen Blick“, die ungünstigen Vorgänge zu erkennen. Für den Vergleich alternativer Lösungen eignet sich der Betrag des Aufwandsvektors gemäß Gl. 3.3. Darüber hinaus kann die Primär-Sekundär-Analyse dazu dienen, eine gesamte Montage oder Montagefabrik, einschließlich Teilebereitstellung, Transport, Lagerung, Prüfung und Verpackung bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit zu analysieren (Lotter et al. 1998). Die Trennung der untersuchten Vorgänge in primären und sekundären Aufwand sowie deren Bemessung und Bewertung ist zunächst abhängig vom Montageobjekt. Dies erfordert eine unterschiedliche Betrachtung von Kleingeräten und Großgeräten. Weiterhin werden drei Genauigkeitsstufen der PSA unterschieden. Die Grundanalyse fasst alle Vorgänge für einen Montageablauf zusammen, die Feinanalyse betrachtet jeden einzelnen Bewegungsvorgang während einer Teilhandhabung und die erweiterte Analyse bezieht sich auf ein ganzes Montagesystem. Schließlich unterscheidet sich die Analyse von Primär- und Sekundärvorgängen für manuelle Arbeitsplätze, halb- und vollautomatische Montageanlagen sowie von Roboterzellen. Auf diese für die Praxis wesentlichen Einsatzfelder gehen die folgenden Abschnitte näher ein.
3.2 Manuelle Kleingerätemontage 3.2.1 Grundanalyse mit Beispielen
Die Grundanalyse beschränkt sich auf den eigentlichen Montageablauf eines Produktes oder einer Baugruppe. Er beginnt mit der Bereitstellung des zu montierenden Materials an den Montageplatz und endet vor dem Prüfen und ggf. Verpacken des Produktes. Prüfvorgänge, die in den Montageablauf integriert sind, werden jedoch mit erfasst. Zur Erklärung der Begriffe Primär- und Sekundäraufwand für diesen Anwendungsbereich sollen die folgenden zwei Beispiele dienen. Beispiel 1 (manuelle Fließmontage) Ein gedachtes Produkt, bestehend aus acht Einzelteilen T1 bis T8 wird in einer Anordnung gemäß Abb. 3-2 an drei manuellen Arbeitsplätzen AP1
62
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
bis AP3 montiert. Am Platz AP1 wird das Basisteil T1 der zu montierenden Baugruppe vom Werker gegriffen und in die Fügeposition gebracht. Zwei weitere Teile T2 und T3 werden hinzugefügt. Diese Vorgänge fallen unter den Begriff Primärmontage. Das Ablegen der am Arbeitsplatz 1 gefügten Vormontagebaugruppe auf den Zwischenpuffer ZP1 ist demgegenüber ein Vorgang der Sekundärmontage, da es sich um eine Aufwendung handelt, die keine Wertschöpfung des Produktes darstellt, jedoch wegen der gewählten Organisationsform notwendig ist. Am AP1 entstehen also insgesamt vier Vorgänge, von denen drei Primärvorgänge sind und einer ein Sekundärvorgang ist.
T1
T2
T4 T5
T3
T6
ZP1
T7
T8
ZP2
a) Anordnung
AP1 Montagevorgänge
AP2
AP3
AP1
AP2
AP3
Summe
Anzahl PV [-]
3
2
3
8
Anzahl SV [-]
1
2
2
5
Summe Anzahl [-]
4
4
5
13
Dauer PV [s]
10
8
8
26
Dauer SV [s]
2
4
4
10
Summe Dauer [s]
12
12
12
36
b) Analyseergebnisse
AP Arbeitsplatz, ZP Zwischenpuffer, T Teil, PV Primärvorgang, SV Sekundärvorgang
Abb. 3-2 Primär-Sekundär-Grundanalyse (Beispiel manuelle Fließmontage)
Das Greifen der vormontierten Baugruppe aus dem Zwischenpuffer ZP1 am Montageplatz AP2 und Bringen in die Fügeposition ist ebenfalls ein Sekundärvorgang. Das Fügen von zwei weiteren Teilen am AP2 ist dagegen wiederum je ein Primärvorgang. Das Ablegen der bis dahin gefügten Teilbaugruppen vom Montageplatz 2 nach durchgeführter Teilmontage in den Zwischenpuffer ZP2 ist ein Sekundärvorgang. Arbeitsplatz 2 führt also zwei Primär- und zwei Sekundärvorgänge aus. Ebenso ist das Greifen der weiter komplettierten Baugruppe am Montageplatz 3 aus Zwischenpuffer ZP2, um diese in Fügeposition zu bringen,
3.2 Manuelle Kleingerätemontage
63
sowie das Ablegen des fertigen Produktes ein Sekundärvorgang, während die Montage der Teile T6, T7 und T8 Primärvorgänge sind. Arbeitsplatz 3 benötigt demnach drei Primär- und zwei Sekundärvorgänge. Aus der Tabelle in Abb. 3-2 b geht hervor, dass bei diesem Montageablauf in Summe 8 von 13 Handhabungsvorgängen unter den Begriff Primärvorgang und die restlichen Vorgänge unter den Begriff Sekundärvorgang fallen. Unter der Annahme der ebenfalls in Abb. 3-2 b genannten Zeiten für die jeweiligen Primär- und Sekundärvorgänge beträgt der notwendige Arbeitszeitaufwand, um diese Montageprozesse durchzuführen, insgesamt 36 Sekunden. Davon entfallen 26 Sekunden auf Primär- und 10 Sekunden auf Sekundärvorgänge. Hieraus errechnet sich der Wirkungsgrad WM nach Gl 3.1 zu 26/(26+10) = 0,722 entsprechend 72,2%. Rund 28% der aufgewendeten Montagezeit verursachen hier demnach Kosten ohne Wertschöpfung, sind also Verschwendung. Beispiel 2 (getaktete Fließmontage) Ein gedachtes Produkt wird wegen seiner Komplexität und der geforderten Stückzahl an sechs Arbeitsplätzen montiert. Als Montagesystem ist eine getaktete Fließmontage durch mechanisches Fördern des Montagegutes ohne Zwangsführung in Skelettbandanordnung nach Abb. 3-3 a vorgesehen.
AP2
1 TMU
AP6
AP4
= Time Measurement Unit
Ablage Endprodukt
AP1
AP3 Vorgänge
AP5
a) Anordnung
AP1 AP2 AP3 AP4 AP5 AP6
Summe
Anzahl PV [-]
1
1
1
1
1
1
6
Anzahl SV [-]
2
2
2
2
2
2
12
3
3
3
3
Summe Anzahl Dauer PV [TMU]
3
3
380 400 375 430
Dauer SV [TMU]
60
130 130 130
130
130
710
Summe Dauer [TMU]
490
510 530 505 560
540
3.135
Taktausgleich SV [TMU]
70
50
Taktzeit [TMU]
560
560 560 560 560
55
0
410
18
430
30
= 1/100.000 Std = 0,036 s
2.425
20
225
560
3.360
b) Analyseergebnisse
Abb. 3-3 Primär-Sekundär-Grundanalyse (Beispiel getaktete Fließmontage)
64
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
Hier zeigt sich durch das zwölfmalige Abnehmen bzw. Aufnehmen des Montagegutes vom bzw. auf das Förderband sowie die Ablage des Endproduktes gegenüber dem nur sechsmaligen Fügevorgang bereits ein sehr hoher Sekundäraufwand. Da sich die Taktzeit des Bandes nach dem längsten Takt an der Arbeitsstation AP5 ausrichtet (Engpassstation), entsteht an allen übrigen Arbeitsstationen ein zusätzlicher Taktzeitverlust, der als Sekundäraufwand gewertet werden muss. Aus den in Bild 3-3 b dokumentierten Analyseergebnissen ergibt sich hier ein Wirkungsgrad von WM = 2.425/3.360 entsprechend 72,2%. Die Dauer der Vorgänge wurde hier in Time Measurement Units TMU angegeben, wobei 1 TMU 0,036 Sekunden entsprechen. 3.2.2 Feinanalyse
Bisher wurde nicht erläutert, woher die Werte für die Vorgangsdaten der untersuchten Vorgänge – seien sie primär oder sekundär – stammen. Grundsätzlich lassen sich Sollwerte auf der Basis von Beobachtungen festlegen (REFA 1991) oder durch Systeme vorbestimmter Zeiten von Vorgangselementen. In der Montagepraxis ist weitgehend das MTMVerfahren üblich. MTM ist die Abkürzung von Methods-Time Measurement, was mit Methodenzeit-Messung übersetzt werden kann. Methodenzeit bedeutet nach der Definition der MTM-Vereinigung, dass die bei der Durchführung einer bestimmten Arbeit beanspruchte Zeit von der gewählten Methode der Tätigkeit abhängt (www.MTM.de). MTM gliedert sämtliche Bewegungsabläufe in Grundbewegungen. Diesen sind Normzeitwerte zugeordnet, die in ihrer Höhe durch bestimmte, zu erfassende Einflussgrößen variieren (Bitzke 2003). Solche Einflussgrößen sind z.B. die Bewegungslänge oder die Größe eines zu montierenden Teils. Als kleinste Maßeinheit TMU (Time Measurement Unit) für die Zeitdauer wurde ein hunderttausendstel Stunde festgelegt, das entspricht 0,036 Sekunden. Im Folgenden wird erläutert, wie auf Basis der MTM-Methode eine PrimärSekundär-Feinanalyse durchgeführt wird. Ausgangsbasis einer Feinplanung und -analyse von Einzelmontageplätzen nach Primär- und Sekundärvorgängen sind die Grundbewegungen nach MTM, Abb. 3-4. Für die Serienmontage hat sich das MTM- UASSystem (Universelles Analysier System) zur Bestimmung der Vorgangszeiten auf Basis von Standards bewährt, das im Folgenden zugrunde gelegt wird (MTM- UAS 1989). Im Montagebereich gilt, dass voll beeinflussbare Arbeitsabläufe bis zu 85 % aus den in Abb. 3-4 genannten fünf Grundbewegungen bestehen. Die Bewegungsfolge vom Hinlangen bis zum Loslassen ist dabei typisch.
3.2 Manuelle Kleingerätemontage
Loslassen
65
Hinlangen
Greifen
Fügen
Bringen
Abb. 3-4 Grundbewegungen nach MTM
Bei strenger Auslegung der Primär-Sekundär-Definition ist von diesen fünf Grundbewegungen nur die Grundbewegung „Fügen“ als primärer Montagevorgang zu betrachten. Eine Berechnung des Wirkungsgrades eines Montagearbeitsplatzes nach dieser Definition ist grundsätzlich möglich, hat aber keine große Aussagekraft, denn ein Einzelteil gelangt nicht ohne Aufwand lagegerecht an den Fügeort. Um einen manuellen Fügevorgang durchführen zu können, sind daher zwangsläufig die Grundbewegungen Hinlangen, Greifen, Bringen und Loslassen notwendig. Die wirtschaftliche Durchführung dieses Fügevorganges ist also von der optimalen Gestaltung der Grundbewegungen abhängig. Die Feinanalyse nach Primär- und Sekundärvorgängen erfolgt nun in der Weise, dass der notwendige Mindestaufwand als Primärvorgang definiert wird und der darüber hinausgehende Aufwand als Sekundärvorgang gilt. Die Unterscheidung zwischen beiden Aufwandsarten hängt von der Produktgröße und dem Arbeitsinhalt eines Montageplatzes ab. Als Grenzwert wird grundsätzlich die arbeitsplatzgünstigste Werkstückbereitstellung angenommen. Abbildung 3-5 zeigt hierfür ein Beispiel. Von der gezeigten Bereitstellungsanordnung der Einzelteile hat das Teil 3 den kürzesten Greifweg. Die Teile 2 und 4 liegen noch im selben Greifbereich. Demnach bedeutet die Bereitstellungsanordnung von Teil 3 den günstigsten, weil kürzesten Greifweg, hier zum Beispiel 35 cm. Dieser Wert wird für die weitere Analyse als Grenze zwischen dem Primär- und Sekundärbereich angenommen. Die Definition der Grundbewegungen hinsichtlich Primär- und Sekundäranteil für den Anwendungsbereich Kleingerätemontage wird in den folgenden Abschnitten näher erläutert.
66
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
Sekundärbereich T8 Greifbehälter 2. Ebene (oben)
T9
T
1
T
10
T2
Greifbehälter 1. Ebene (unten)
T3
T7 T
T4 T
Primärbereich
6
5
FP
Ablage Fertigprodukt
FP Fügepunkt
T1…T10 zu fügende Teile
Abb. 3-5 Arbeitsplatz mit Primär- und Sekundärbereich für „Hinlangen“
Hinlangen MTM unterscheidet bei der Grundbewegung „Hinlangen“ die Bewegungsfälle A, B, C/D und E. A ist ein Bewegungsablauf mit geringem, B mit mäßigem und C/D mit hohem Kontrollaufwand. Im Fall E ist die Verlegung der Hand in eine unbestimmte Lage erforderlich. Als Beispiel dient im Weiteren der Bewegungsfall B. Der Aufwand für die Bewegung hängt von der Entfernung zwischen der Fügeposition und der Greifstelle des zu fügenden Teiles ab. Je nach Komplexität eines Montagevorganges, der Größe des Fügeobjektes und der Gestaltung des Arbeitsplatzes kann die Entfernung unterschiedlich groß sein. Abbildung 3-6 a zeigt die von MTM festgelegten Normalzeitwerte (in TMU) für die genannten Fälle A bis E in Abhängigkeit von der Bewegungslänge (in cm). In das Diagramm Abb. 3-6 b sind für den Fall R-B als Beispiel zwei unterschiedliche Werte für die Grenze zwischen Primär- und Sekundärvorgängen beim Hinlangen eingetragen (R steht für reach = hinlangen):
− der Fall a gilt mit dem Grenzwert 35 cm für relativ kleine Teile. Dies entspricht einem Zeitaufwand von 14,2 TMU, entsprechend 0,5 s; − der Fall b gilt mit dem Grenzwert 45 cm für etwas größere Teile. Dies entspricht einem Zeitaufwand von 17 TMU, entsprechend 0,6 s.
3.2 Manuelle Kleingerätemontage Beweg.- Normalzeitwerte in TMU länge R-C in cm R-A R-B R-E R-D
2 4 5 8 10
12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80
2.0 3.4 4.5 5.5 6.1 6.4 8.8 7.1 7.5 7.8 8.1 8.5 8.8 9.2 9.5 10.4 11.3 12.1 13.0 13.8 14.7 15.6 16.5 17.3 18.2
2.0 3.4 4.5 5.5 6.3 7.4 8.2 8.8 9.4 10.0 10.5 11.1 11.7 12.2 12.8 14.2 15.6 17.0 18.4 19.0 21.2 22.6 24.1 25.5 26.8
2.0 5.1 6.5 7.5 8.4 9.1 9.7 10.3 10.8 11.4 11.9 12.5 13.0 13.6 14.1 15.6 16.8 18.2 19.6 20.8 22.3 23.6 25.0 26.4 27.7
2.0 3.2 4.4 5.5 6.8 7.3 7.8 8.2 8.7 9.2 9.7 10.3 10.7 11.2 11.7 12.9 14.1 15.3 16.5 17.8 19.0 20.2 21.4 22.0 23.9
67
Beschreibung der Fälle A
Hinlangen (mit Übung) zu einem allein stehenden Gegenstand, der sich immer an einem genau bestimmen Ort befindet, in der anderen Hand liegt oder auf dem die andere Hand liegt
B
Hinlangen zu einem allein stehenden Gegenstand, der sich an einem von Arbeitsgang zu Arbeitsgang etwas veränderten Ort befindet
C
Hinlangen zu einem Gegenstand, der mit gleichen oder ähnlichen Gegenständen so vermischt ist, dass er ausgewählt werden muss
D
Hinlangen zu einem allein stehenden Gegenstand, der klein ist oder vorsichtiges bzw. genaues Hinlangen
E
Verlegen der Hand in eine nicht bestimmte Lage, sei es zur Erlangung des Gleichgewichtes, zur Vorbereitung der folgenden Bewegungen oder um die Hand aus der Arbeitszone zu entfernen
1 TMU = 1 Time Measurement Unit = 1/100.000 h = 0.036 s
a) Tabelle der MTM - Werte für Hinlangen Normalzeitwert [TMU] 30
Sekundär „a“ Sekundär „b“
20
17,0 14,2
Primär „a“ Primär „b“
0 0
60
40
20
80
Bewegungslänge [cm] Fall „a“: kleine Teile Fall „b“: etwas größere Teile
Primär Primär
Sekundär 35 Sekundär 45
b) Primär- und Sekundärbereiche für Hinlangen
Abb. 3-6 Geltungsbereich von Primär- und Sekundärvorgängen für die Grundbewegung Hinlangen
68
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
Der Grenzwert für Primärvorgänge kann je nach Teilegröße und Kontrollaufwand beim Handhaben auch kleiner als 35 cm oder größer als 45 cm sein. Alle Aufwendungen innerhalb dieser Grenzwerte sind Primärvorgänge und alle Aufwendungen jenseits der Grenzwerte sind Sekundärvorgänge. Ein Beispiel soll die Anwendung des Diagramms in Abb. 3-6 b zeigen. Die Entfernung zum Hinlangen, von der Fügeposition aus gerechnet, soll für einen gedachten Bewegungsfall mit dem Schwierigkeitsgrad B 70 cm betragen, was einem Zeitaufwand von 24,1 TMU entspricht. Hierbei sind nach der Grenzwertfestlegung 35 cm „Fall a“ für kleine Teile 14,2 TMU (58,9 %) Primäraufwand und 9,9 TMU ( 41,1 %) Sekundäraufwand. Beim Grenzwert 45 cm „Fall b“ für etwas größere Teile sind es 17 TMU Primäraufwand (70,5 %) und 7,1 TMU (29,5 %) Sekundäraufwand. Für ein aus mehreren Einzelplatzmontageplätzen bestehendes Montagesystem kann, auch wenn Teile unterschiedlicher Größe verarbeitet werden müssen, nur ein einheitlicher Grenzwert für die gesamte Analyse zugrunde gelegt werden. Greifen Jeder Vorgang, bei dem ein Werker ein bestimmtes Teil ohne zusätzlichen Aufwand unter Kontrolle bringen und greifen kann, ist primär. Alle darüber hinaus gehenden Aufwendungen, wie z.B. Nachgriff, Übergabegriff, Auswählgriff, sind sekundär. Das Erfassen eines Teiles mit einem Hilfswerkzeug, wie Pinzette oder Zange, ist nach MTM keine Funktion des Greifens, sondern des Bringens. Bringen Die wesentliche Einflussgröße beim Bringen ist die Entfernung zwischen der Greifstelle und der Fügeposition. Die in Abb. 3-6 als Beispiel angegebenen zwei Grenzwerte für die Zuordnung nach Primär- und Sekundäraufwand gelten ebenfalls zur Analyse der Grundbewegung Bringen. Daraus ergibt sich, dass der Aufwand für die Entfernung über die festgelegten Grenzwerte hinaus sekundär ist. Gegenüber der Grundbewegung Hinlangen ist die Arbeitsweise beim Bringen umgekehrt. In Abb. 3-7 sind unter Annahme einer Primär-Sekundär-Grenze von 35 cm nach Abb. 3-5 die Primär- und Sekundär-Bereiche in die Skizze eines Arbeitsplatzes eingefügt. Ist bei der Grundbewegung Bringen ein Nachordnen von Teilen unter Hilfenahme der zweiten Hand notwendig, so ist dieser zusätzliche Vorgang sekundär.
3.2 Manuelle Kleingerätemontage
69
BWmax
T5 T4
Sekundärbereich
T3
BWmin
T2
Primärbereich
T1
FP
FP Fügeposition
BW min minimaler Bringweg
BW max maximaler Bringweg
T Teile
Abb. 3-7 Geltungsbereich von Primär- und Sekundärvorgängen für die Grundbewegung „Bringen“
Fügen Ein Fügevorgang ist grundsätzlich ein Primäraufwand. Werden bewegliche Montagewerkzeuge, wie Schraubendreher, Eindrückwerkzeuge usw. benötigt, gelten für die Hinlang- oder Bringbewegungen zum bzw. mit dem Montagewerkzeug die erläuterten Grenzwerte der Grundbewegungen Hinlangen und Bringen. Die notwendigen Bewegungen zum Holen und Zurückbringen von Montagewerkzeugen, die über die festgelegten Grenzwerte hinausgehen, sind demnach Sekundäraufwand. Diese Regelung gilt auch dann, wenn die zu fügende Baugruppe zu einer stationären Montageeinrichtung gebracht werden muss. Abbildung 3-8 zeigt zur Erläuterung einen manuellen Einzelmontagearbeitsplatz mit einer seitlich angebrachten Presse. Aus dieser Darstellung geht die Unterscheidung nach Primär- und Sekundäraufwand hervor, der erforderlich ist, um die in einer Vorrichtung gefügte Baugruppe von der Fügeposition FP zur Presse und von der Presse zurück zur Fügeposition zu bringen. Erfordert die Betätigung der Presse beispielsweise eine Auslösung mit beiden Händen, so ist dieser Aufwand sekundär.
70
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
Sekundärbereich T8 Greifbehälter 2. Ebene (oben)
T7
T9
T3
T
1
Primärbereich
T
T
T4
T
10
T2
6
5
Greifbehälter 1. Ebene (unten) Primär
FP
är Sekund
Presse
Ablage Fertigprodukt FP Fügepunkt
T1…T10 Zu fügende Teile
Abb. 3-8 Primär-Sekundäranalyse an einem Einzelmontageplatz mit Presse.
Loslassen
Das Loslassen benötigt von allen Grundbewegungen den geringsten Aufwand. Aus diesem Grund ist zur Vereinfachung der Analyse das eigentliche Loslassen ein Primärvorgang. Sollte jedoch nach dem Loslassen eine Ruhezeit entstehen, so ist diese den Sekundäraufwendungen zuzurechnen. 3.2.3 Anwendungsbeispiel Feinanalyse
Ein feinwerktechnisches Getriebe, wie in Abb. 3-9 schematisch dargestellt, sei zu montieren. Mit Hilfe der Feinanalyse wird das gewählte Montagesystem zur Ermittlung eventuell vorhandener Rationalisierungsreserven analysiert und der Montagewirkungsgrad errechnet. Dieser gibt Anhaltswerte über mögliche Verbesserungen. Das Getriebe besteht aus sieben unterschiedlichen Einzelteilen. Alle notwendigen Fügevorgänge sind senkrecht von oben nach unten in linearen Bewegungen durchzuführen. Der Montageablauf erfolgt in 9 Arbeitsgängen AG1 bis AG 9 : AG 1: Bolzen Teil 1 in Montagevorrichtung fügen AG 2: Basisteil Teil 2 über Bolzen und in Montagevorrichtung fügen, AG 3: Bolzen Teil 1 und drei Gehäusezapfen mit Pinsel fetten, AG 4: Zahnrad Teil 3 über Bolzen Teil 1 fügen,
3.2 Manuelle Kleingerätemontage
71
AG 5: Zahnrad Teil 4 über Gehäusezapfen fügen, AG 6: Zahnrad Teil 5 über Gehäusezapfen fügen, AG 7: Zahnrad Teil 7 über Gehäusezapfen fügen, AG 8: Hebel Teil 6 über Bolzen Teil 1 fügen, AG 9: Getriebelauf durch Drehen prüfen, aus Montagevorrichtung entnehmen und auf Förderband ablegen. T7
T5
T6 T4 T3
T2 (Basisteil)
T1 - T7
Teil1 - 7
T1
Abb. 3-9 Aufbau eines Feinwerk-Getriebes
Der Aufbau des Einzelmontageplatzes geht aus Abb. 3-10 hervor. Die Greifbehälter für die sieben unterschiedlichen Einzelteile sind auf dem Arbeitstisch in einer Ebene nebeneinander angeordnet. Die Nummerierung der Greifbehälter entspricht den Einzelteilnummern in Abb. 3-9. Die mittleren Entfernungswerte für das Hinlangen und Bringen von der Fügeposition zu den einzelnen Greifpositionen der Teile sind in Abb. 3-10 in der Einheit cm eingetragen. Der Arbeitsaufwand wurde nach MTM berechnet. Die Zuordnung nach Primär- und Sekundärvorgängen erfolgte dann nach der Definition in Abschn. 3.1.
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
T2
T3
45
T4
30
T5
26
24
T1
26 30
Fett
T7
40
T6
45
Förderband
72
55 cm
Abb. 3-10 Arbeitsplatzanordnung für das Beispiel Feinwerkgetriebe
Im vorliegenden Fall ist der günstigste Greifweg für Teil 5 mit 24 cm gegeben. Diese Entfernung wird daher als Grenzwert für die Hauptbewegungen Hinlangen und Bringen festgelegt. Abbildung 3-11 zeigt auszugsweise die Ergebnisse der Berechnung für die einzelnen Montagevorgänge und ihre Grundbewegungen sowie die Zuordnung nach Primär- und Sekundärvorgängen. Der Montagewirkungsgrad errechnet sich mit diesen Werten nach Gleichung (3.1) : WM = ( 462,4 / (462,4 + 163,4)) · 100 % = 74 % Der hohe Sekundäraufwand von 26 % resultiert aus der ungeordneten Bereitstellung der Einzelteile (Greifen) und der ungünstigen Arbeitsplatzanordnung (Hinlangen und Bringen). Die Rationalisierungsreserven liegen demnach im Bereich einer besseren Arbeitsplatzgestaltung durch teilweise Bereitstellung von Einzelteilen in geordnetem Zustand mit verkürzten Greifwegen.
3.3 Manuelle Großgerätemontage Montagefolge AG No. 1
MTM Code R26C G1B G2 M26C R2 SE RL1
Aufwand je Arbeitsgang und Grundbewegung [TMU] hinlangen PV SV 12,5 0,5
greifen PV SV 2,0
bringen PV SV
fügen PV SV
loslassen PV SV
1,5 5,6 13,0
0,7 16,2 2,0
Σ AG1 2
9
R45C G4A
G1C1 BA M55B RL1 Summe
PV Primärvorgang
73
12,5
5,7 2,0
5,3
2,0
5,3 25,0
112,5
31
18
93,6
SV Sekundärvorgang
11,8
8,0
128,8
38,8
185,1
2,0 18
Summe PV SV 12,5 0,5 2,0 1,5 5,6 13,0 0,7 16,2 2,0 45,7
8,3
12,5 2,0
5,7 5,3
5,3 2,0 25,0 11,8 8,0 2,0 462,4 163,4
Beispiel MTM Code R26C: Reach (Hinlangen), 26 cm, Fall C
TMU = Time Measurement Unit (1TMU = 0,036 s)
Abb. 3-11 Primär-Sekundär-Feinanalyse (Beispiel Montage Feinwerkgetriebe)
3.3 Manuelle Großgerätemontage 3.3.1 Grundanalyse
Die Grundanalyse beschränkt sich hier auf den Montageablauf und findet vorrangig im Bereich von Maschinen und Haushaltsgeräten zur Ermittlung des Montagewirkungsgrades bei der Reihen- und Fließmontage Anwendung. Als Großgeräte gelten Produkte, die nicht mehr vom Werker ohne Hilfsmittel bewegt werden können. Eine Grundanalyse beginnt mit der Bereitstellung des zu montierenden Materials und endet vor der Abnahmeprüfung und dem Verpacken. Prüfvorgänge, die in den Montageablauf integriert sind, wie beispielsweise eine Funktionsprüfung, sollen jedoch mit erfasst werden. Montagearbeitsplätze der Großgerätemontage haben gegenüber der Kleingerätemontage einen relativ großen Arbeitsinhalt im Bereich von einer und mehr Stunden. Daher empfiehlt es sich, bei der Ermittlung des Montagewirkungsgrades an Stelle der Einheit TMU in der Einheit Minuten zu rechnen. Werden für den Transport des Montageobjektes von einem zum nächsten Arbeitsplatz teure Transportsysteme (Stapler, Hallenkräne usw.) verwendet, erhöht dies den Kostensatz verglichen mit dem der ma-
74
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
nuellen Montage. Für diesen Fall ist zu empfehlen, den Montagewirkungsgrad nicht auf der Basis des Zeitaufwandes, sondern nach dem Kostenaufwand zu ermitteln. Zur Verdeutlichung des Primär- und Sekundäraufwandes für diesen Anwendungsbereich soll folgendes Beispiel dienen: Eine gedachte Maschine wird bei einer Produktionsrate von zehn Maschinen pro Woche im Einschichtbetrieb in einer Fließmontageanordnung gemäß Abb. 3-12 oben an drei manuellen Arbeitsplätzen AP1 bis AP3 montiert. Der Transport von Platz zu Platz erfolgt durch einen Hallenkran. Abbildung 3-12 zeigt im unteren Bildteil den Zeit- bzw. Kostenaufwand für die Montage- und Transportvorgänge. Nach der Grunddefinition der Primär-Sekundär-Analyse gilt der Arbeitsinhalt je Platz als Primäraufwand und der Transport als Sekundärvorgang. AP1
TR1
Primär-Dauer
PV 1 [min]
[min]
Primär-Kosten
[€]
AP Arbeitsplatz
PV 2
AP3
TR3
Teil Montage 3
SV 2
210 30
PV 3
Versand
SV 3
210 30
Summe 630
30
90 720
100
Sekundär-Kosten [€] Gesamtkosten
SV 1
210
Sekundär-Dauer [min] Gesamtdauer
TR2
Teil Montage 2
Teil Montage 1
Aufwand
AP2
100 20
100 20
300 20
[€] TR Transport
60 360
PV Primärvorgang
SV Sekundärvorgang
Abb. 3-12 Grundanalyse Großgeräte (Beispiel Maschinenbau)
Aus Abb. 3-12 geht weiterhin hervor, dass der Primäraufwand insgesamt 630 min, der Sekundäraufwand insgesamt 90 min beträgt. Dann ist der zeitbezogene Wirkungsgrad WMZ = 630 / (630 + 90) · 100 % = 87,5 %. Bei einem Kostensatz von 28,6 €/min für jeden Montageplatz und 40 €/Std. für den Hallenkran ergibt sich der monetäre Wirkungsgrad zu: WMM 300 / (300 + 60) · 100 % = 82,9 %
3.3 Manuelle Großgerätemontage
75
Zwischen dem zeitlichen Wirkungsgrad und dem monetären Wirkungsgrad besteht eine Differenz von 4,6 %. Dies ist auf unterschiedliche Kostensätze für die Montage und den Transport zurückzuführen und macht deutlich, dass die Ermittlung des Wirkungsgrades unter Ansatz der Kostensätze eine wirtschaftliche treffende Aussage ermöglicht. 3.3.2 Feinanalyse Großgeräte
Auch bei der Großgerätemontage wird der Montagewirkungsgrad des Einzelmontageplatzes mit der Primär-Sekundär-Feinanalyse ermittelt. Gegenüber der Kleingerätemontage ist bei der Großgerätemontage der zeitliche Arbeitsinhalt je Einzelarbeitplatz jedoch deutlich größer. Die wesentlichen Unterschiede gegenüber der Kleingerätemontage sind: − Die Massen der zu montierenden Einzelteile verschieben sich aus dem Gramm- in den Kilogrammbereich. − Der Fügevorgang benötigt im Regelfall nicht nur das genaue Platzieren, sondern zusätzlich eine Mehrzahl von Bewegungszyklen. − Durch die Größe des Montageobjektes und der Einzelteile sowie durch deren Masse wird die Teilebereitstellung innerhalb des Greifraumes der Arme des Werkers unmöglich. − Teile holen bedeutet damit eine Bewegungskombination aus Hinlangen und Körperbewegungen wie Gehen, Bücken, Aufrichten usw. − Die Anzahl der je Arbeitsplatz bereitgestellten unterschiedlichen Einzelteile ist deutlich größer und die Stückzahl je Teil deutlich kleiner. Damit wird ein Greifen ohne Blickkontakt und ohne Zuhilfenahme der zweiten Hand unmöglich. Aus der Auswertung der Unterschiede gegenüber der Kleingerätemontage resultiert für den Montagewirkungsgrad bei der Großgerätemontage, dass die Funktionen des Fügens und des Holens (Hinlangen/Bringen) der Einzelteile ausschlaggebend sind. Der Aufwand für Greifen ist nicht beeinflussbar und ist Primäraufwand. Die Hol- und Bringwege für Einzelteile und Werkzeuge sind demgegenüber durch eine entsprechende Arbeitsplatzgestaltung beeinflussbar. Das gleiche gilt für die Aufnahme des Montageobjektes am Arbeitsplatz mittels einer Hebebühne. Während die Feinanalyse der Kleingerätemontage das MTM-Grundverfahren mit seiner feinen Unterteilung der Grundbewegungen z.B. in Stufen von 2 cm bzw. 5 cm für Hinlangen anwendet, würde dies in der Großgerätemontage einen zu großen Aufwand verglichen mit dem praktischen Nutzen verursachen. Daher empfiehlt sich bei der Großgerätemonta-
Primär
Primär
Primär
Primär
Hinlangen, Greifen, Bringen
Vorfügen, einfaches Anfügen
Visuelles Prüfen
Gehen, Beugen, Bücken, Knien inkl. Aufrichten, Setzen, Aufstehen z.B. Schraubenschlüssel aufnehmen/ablegen
Mit Werkzeug Schraube eindrehen Zweihandauslösung einer Einrichtung betätigen
AUFNEHMEN UND PLATZIEREN: Mit Hand oder Finger. Gegenstände unter Kontrolle bringen und an einem bestimmten Ort ablegen.
(NUR) PLATZIEREN: Unter Kontrolle befindliche Gegenstände mit Hand oder Fingern an einem weiteren Bestimmungsort ablegen.
VISUELLE KONTROLLE: Die Augen zeitbestimmend von einer Stelle auf eine andere Stelle lenken, Entscheidung treffen ja/nein.
KÖRPERBEWEGUNGEN: Zeitbestimmende Bein- oder Rumpfbewegungen ausführen.
HILFSMITTEL HANDHABEN: Mit Hand oder Finger ein Hilfsmittel aufnehmen, an der Verwendungsstelle ansetzen und nach Verwendung wieder ablegen.
BEWEGUNGSZYKLEN: Mit Hand, Fingern oder Fuß einen sich zyklisch wiederholenden Bewegungsablauf ausführen.
(STELLTEILE) BETÄTIGEN: Mit Hand oder Finger ein Stellteil unter Kontrolle bringen und einen einfachen oder zusammengesetzten Stellvorgang ausführen.
Sekundär
Primär
Primär
Erläuterung
Grundvorgang
Zuordnung
Tabelle 3-1 Zuordnung von Primär- und Sekundärvorgängen zu den Grundvorgängen nach MTM- UAS
76 3 Die Primär-Sekundär-Analyse
3.3 Manuelle Großgerätemontage
77
ge das MTM-UAS (Universales Analysier System), das auf dem MTMGrundverfahren basiert. Damit können Arbeitsabläufe mit höherer Verdichtung analysiert werden. Die Zeitbausteine des MTM-UAS Verfahrens sind weiter nicht auflösbar, da sie statistisch gebildet wurden (MTM 1989). Das MTM-UAS-Verfahren bietet bezüglich des Zeitaufwandes bei ausreichendem Detaillierungsgrad für die Primär-Sekundär-Feinanalyse große Vorteile im Planungs- und/oder Analysestadium. Wie aus Tabelle 3-1 zu entnehmen ist, wird nach sieben Grundvorgängen unterschieden. Die Entfernungsbereiche sind in drei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1: ≤ 20 cm, Gruppe 2: ≤ 50 cm und Gruppe 3: > 50 bis ≤ 80 cm. Die Grenzwerte der Primär- Sekundär-Feinanalyse für den Anwendungsbereich der Großgerätemontage sind wie folgt definiert: − Aufwendungen ohne Körperbewegungen sind Primärvorgänge. − Auf Grund der Arbeitsgestaltung notwendige Körperbewegungen wie Gehen, Beugen, Bücken einschließlich Aufrichten, Setzen und Aufstehen sind Sekundärvorgänge. Tabelle 3-1 enthält in der letzten Spalte die entsprechende Zuordnung. 3.3.3 Anwendungsbeispiel Feinanalyse Großgeräte
Eine gedachte Arbeitsplatzanordnung einer Fließmontage für Maschinen mit 3 Arbeitsplätzen und einem seitlich angeordneten Materialbereitstellpuffer geht aus Abb. 3-13. Hervor. Das Montageobjekt wird alle 90 min von einem zum nächsten Arbeitsplatz mit einer Krananlage transportiert. Der größte Anteil des Montageaufwandes ist an den Maschinenkopfseiten durchzuführen. Das Material (Einzelteile) wird von einer Seite, parallel zur Transportrichtung des Montageobjektes, bereitgestellt. Zur Erläuterung der Primär-Sekundär-Feinanalyse wird an einem Arbeitsplatz ein einzelner Montagevorgang aus dem Gesamtarbeitsinhalt herausgegriffen. Zwei Flansche von je 6 kg Gewicht sind mit sechs Sechskantschrauben in das Maschinengehäuse zu fügen. Die Höhe der Fügeposition erfordert eine sitzende Tätigkeit. In der Materialbereitstellung lagern die Flansche und Schrauben an zwei unterschiedlichen Orten, die 2 m voneinander entfernt sind. Das Holen dieser Teile erfolgt mit einem kleinen Werkstücktransportwagen. Die Höhe der Ladefläche ist der Fügeposition am Maschinengehäuse angepasst. Die Lagerhöhe der Teile im Materialpuffer entspricht ebenfalls etwa der Wagenhöhe. Das hat zur Folge, dass das Platzieren der Werkstücke in gebückter Körperhaltung vorgenommen werden muss. In Abb. 3-13 sind weiterhin die Folge der Grundvorgänge und die dazu notwendigen Hol- und Bringwege eingezeichnet.
78
3 Die Primär-Sekundär-Analyse Montageplätze
Materialbereitstellung
AP3
AP2
Montageobjekt
Flansche
FP 7 6
2 1
( 6m ) 5 ( 5,5m )
3 ( 2m ) Schrauben
AP1
1
4
bis
7 Grundvorgänge
FP Fügeposition
Abb. 3-13 Fließmontage Maschinen mit Hol- und Bringvorgängen (Beispiel)
Der Arbeitsaufwand zur Durchführung des Fügens dieser zwei Flansche und die Zuordnung nach Primär- und Sekundäraufwand geht aus Abb. 3-14 hervor. Die Detailvorgänge zum Transport der Werkstücke an die Fügeposition sind vollständig beschrieben, die weiteren Vorgänge nur auszugsweise. Der ermittelte Gesamtaufwand beträgt 4407,5 TMU. Hier ist anzumerken, dass die nach dem MTM-UAS-Verfahren ermittelten Zeiten nicht als Akkordvorgabezeiten benutzt werden dürfen. Zur Anwendung als Vorgabezeiten muss ein Zuschlag, abhängig von den jeweiligen tariflichen Vereinbarungen, von 20 bis 35 % hinzugerechnet werden. Vom Gesamtaufwand entfallen 3.720 TMU auf Primär- und 687,5 TMU auf Sekundärvorgänge. Daraus errechnet sich der wirtschaftliche Wirkungsgrad zu: WM = 3.720 / (3.720 + 687,5) · 100 % = 84,4 % Bei dieser Art der Komplettmontage des Montageobjektes und der Bereitstellung der zu montierenden Einzelteile an nur einer Seite der Montagearbeitsplätze entsteht ein hoher Sekundäraufwand. Hier ist zu überprüfen, ob eine Aufteilung der Materialbereitstellung auf beide Seiten der Montagelinie eine Reduzierung des Sekundäraufwandes bringen kann. (Lotter u. Schilling 1994)
3.4 Erweiterte Analyse Gesamtmontage
79
Montageplan für AP2: 2 Flansche mit je 6 Schrauben fügen Grundvorgang
MTM - Code
1. Gehen u. Schieben von Materialwagen von Fügeposition FP zur Bereitstellung Flansche (6 m)
KA
2. 2 mal Flansch (6kg) Aufnehmen u. Platzieren auf Materialwagen (gebückte Körperhaltung)
AH3 KB
3. Gehen u. Schieben von Materialwagen zur Bereitstellung Schrauben (2m)
KA
4. 2 mal 6 Schrauben Aufnehmen u. Platzieren auf Materialwagen (gebückte Körperhaltung)
Aufwand [TMU] Primär Sekundär
150 110 120 50 AG3 KB
5. Gehen u. Schieben von Materialwagen zur Fügeposition (5,5m)
KA
6. Setzen zum Fügen und Aufstehen nach dem Fügen
KC
7. einen Flansch fügen
AK3 PC3 ZB2 VA
160 120 137,5 110
Summe Primär/Sekundär Summe Gesamt
85 45 30 15 3.720,0
687,5 4.407,5
Abb. 3-14 Analyse Primär-Sekundäraufwand Arbeitsplatz Fließmontage (Beispiel Maschinenbau)
3.4 Erweiterte Analyse Gesamtmontage Die Voraussetzung für eine erweiterte Primär-Sekundär-Analyse zur Beurteilung des Wirkungsgrades einer gesamten Montage ist eine Grundanalyse des eigentlichen Montagebereichs und die Feinanalyse der Einzelmontageplätze. Die Grenzen der erweiterten Analyse sind entsprechend der Planungs- oder Verbesserungsaufgabe einer neuen bzw. vorhandenen Einrichtung variabel. So kann beispielsweise der Aufwand eines Montagewerkers für die Wareneingangskontrolle mit einbezogen werden oder aber der Aufwand für die Lagerung der Fertigware unberücksichtigt bleiben, wenn ein Versand direkt aus der Montage heraus erfolgt. Verpacken ist fallweise ein Primär- oder Sekundäraufwand. Dient eine Verpackung nur zum Schutz des Montageobjektes beim Zwischentransport, ist der notwendige Aufwand sekundär. Demgegenüber ist der Verpackungsaufwand für ein Endprodukt (z. B. Bügeleisen) ein primärer, da er
80
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
eine wünschenswerte und für den Endkunden sichtbare Wertschöpfung darstellt. Während der Aufwand der Montagevorgänge bei der Grund- und Feinanalyse üblicherweise in Zeitwerten dimensioniert wird, empfiehlt es sich, bei der erweiterten Analyse mit monetären Werten zu rechnen, da insbesondere bei den Sekundäraufwendungen gegenüber den Primäraufwendungen der Montage erhebliche Lohngruppenunterschiede bestehen. Unter der Voraussetzung einer vorab durchgeführten Grund- und Feinanalyse errechnet sich der Gesamtwirkungsgrad wie folgt: WM =
PVG + PVF ⋅ 100 [%] PVG + PVF + SVG + SVF + SVE
Gl. 3.4
mit: PVG PVF SVG SVF SVE
Primär-Aufwand aus der Grundanalyse der Montage. Primär-Aufwand aus der Feinanalyse der Einzelplätze. Sekundär-Aufwand aus der Grundanalyse der Montage. Sekundär-Aufwand aus der Feinanalyse der Einzelplätze. Sekundär-Aufwand aus der erweiterten Analyse des Gesamtablaufes.
In Abb. 3-15 ist schematisch der Ablauf einer Gesamtmontage einschließlich der notwendigen Personen dargestellt. Eigenfertigung
Fremdteilebezug
Teilelager Teilebereitstellung nach Montageaufträgen
Transport
Vorarbeiter
Montagelinie 1
Endprüfung
Verpacken
Lager Fertigware
Montagelinie 2
Montagelinie 3
Versand Primäraufwand mit Sekundär-Anteilen
Sekundäraufwand
Abb. 3-15 Layout einer Gesamtmontage (Beispiel)
3.4 Erweiterte Analyse Gesamtmontage
81
Zur Umrechnung des Zeitaufwandes in Kostensätze genügt es, nur den direkten Lohnstundensatz anzusetzen, da die Lohnnebenkosten prozentual annähernd gleich und somit bei der Errechnung des Gesamtwirkungsgrades kostenneutral sind. Tabelle 3-2 Primär-Sekundär-Kostenanalyse für eine Gesamtmontage (Beispiel) Aufwand Teilbereich
Personal Anzahl
Aufteilung
Lohnkosten
Kostensatz
Gesamt
[ €/h ]
[ €/h ]
[%]
2
7,15
14,30
Transport
1
6,90
Montage
21
6,40
Endprüfung
3
7,65
22,95
Verpackung
2
6,90
Fertigwarenlager
1
7,15
Vorarbeiter
1
8,20
31
-
[-] Teilelager
Summe
Primär [ €/h ]
Sekundär [%]
[ €/h ]
0
100
14,30
6,90
0
100
6,90
134,40
93
7
9,40
0
100
22,95
13,80
0
100
13,80
7,15
0
100
7,15
8,20
0
100
8,20
207,70
-
-
82,70
125,00
125,00
In Tabelle 3-2 sind die Einzelwerte des Beispiel nach Abb. 3-15 zusammengestellt, woraus sich der monetäre Gesamtwirkungsgrad wie folgt errechnet: WM = (125 / (125 + 82,70) · 100% = 60 % In diesem Beispiel dienen von dem gesamten Personalkostenaufwand pro Stunde nur 60 % der Wertschöpfung. Vom Sekundäraufwand mit 82,70 €/h entfallen 9,40 €/h entsprechend ca. 11 %, ohne Hinzurechnung des notwenigen Vorarbeiters, auf die Montage. 89 % des Sekundäraufwandes fallen also außerhalb des eigentlichen Montagebereiches an. Der Vorarbeiter zählt definitionsgemäß als Sekundäraufwand. Betrachtet man den Gesamtwirkungsgrad von 60 %, so sind zu seiner Verbesserung folgende Grundsatzfragen nützlich: − Ist die Ablauforganisation der Montage optimal? − Entsprechen das Teilelager sowie die Bereitstellung der Teile und Produkte logistisch und organisatorisch noch dem Stand der Technik? − Ist die Endprüfung rationell aufgebaut? − Entspricht die Montagetechnologie den Qualitätsanforderungen?
82
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
− Können Prüftätigkeiten in Montageprozesse integriert werden? − Sind die Verpackungsvorgänge verschwendungsfrei, oder können durch bessere Gestaltung der Verpackung selbst Kosten gespart werden? Untersuchungen in der Praxis haben gezeigt, dass der hier als Bespiel berechnete Montagewirkungsgrad durchaus der Realität entspricht. Damit wird deutlich, dass im Bereich der Montageorganisation noch große Rationalisierungsreserven vorhanden sind.
3.5 Halbautomatische und automatische Kleingerätemontage Unter halbautomatischen Montageanlagen sind Systeme mit einer Kombination aus manuellen und automatischen Montagestationen zu verstehen. Auf automatischen Montageanlagen werden demgegenüber alle Vorgänge automatisch durchgeführt. Es findet lediglich eine Überwachung der Anlage statt, hauptsächlich zur Störungsbehebung und Sicherstellung der Teileversorgung. 3.5.1 Grundanalyse Kleingeräte
Für manuelle Montagestationen einer halbautomatischen Montageanlage gelten dieselben Definitionen der Primär- und Sekundärvorgänge, wie sie in Abschnitt 3.1 definiert wurden. Für den automatischen Teil gilt nur der Anteil an störungsfreier Laufdauer als Primäraufwand. Stillstandszeiten stellen einen Sekundäraufwand dar. Der Aufwand für das Betreuungspersonal der automatischen Stationen ist ebenfalls ein Sekundäraufwand. 3.5.2 Monetäre Bewertung
Halbautomatische und automatische Montageanlagen erfordern einen hohen Investitionsaufwand. Damit wird eine monetäre Bewertung notwendig. Die Bestimmung des Primär- und Sekundäraufwandes erfolgt zunächst in Zeitgrößen, die dann in monetäre Werte umgerechnet werden. Als Basis zur Bewertung des Personaleinsatzes dienen die Stundenlöhne zuzüglich der Lohnnebenkosten und eventueller Schichtzulagen. Für die Bewertung der automatischen Einrichtungen wird der um Raum- und Energiekosten reduzierte Maschinenstundensatz angesetzt. Ist der Maschinenstundensatz der zu analysierenden Anlage nicht aus der Betriebsabrechnung erhältlich, kann dieser wie in Kap. 13 beschrieben, errechnet werden.
3.5 Halbautomatische und automatische Kleingerätemontage
83
3.5.3 Anwendungsbeispiel halbautomatische Montageanlage
Als Basis für das folgende Analysebeispiel dient eine halbautomatische Montageanlage nach Abb. 3-16, die aus 3 manuellen und 7 automatischen Stationen besteht. Zusätzlich ist ein Anlagenführer erforderlich. Für die Ermittlung des Maschinenstundensatzes wurden folgende Werte angenommen: − Wiederbeschaffungswert: € 590.000, − Kalkulatorische Abschreibung: 6 Jahre, − Kalkulatorische Zinsen: 50 % vom Wiederbeschaffungswert mit 10 % p.a, − Instandhaltungskosten: 5 % des Wiederbeschaffungswertes.
AS10
AS1
AS9
AS2
AS8
AS7
AS6
AS4
AS5
AS3
Teilebereitstellung AS1 bis AS3 manuelle Station
AS4 bis AS10 Automatikst ation
Abb. 3-16 Anordnung halbautomatische Montageanlage (Beispiel)
Hieraus errechnet sich unter Annahme eines Einschichtbetriebes mit 7,5 h pro Werktag ein Maschinenstundensatz von 91,20 €/h entsprechend 1,52 €/min. Dem Betriebsverhalten liegen folgende Annahmen zugrunde: − Mittlere Verfügbarkeit Automatikstationen: 83 % entsprechend 50 min/h primäre Laufzeit − Montagewirkungsgrad der manuellen Arbeitsplätze: 76 %
84
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
− Der Personalkostensatz für die Montagewerker beträgt 19,80 €/h. Der Anlagenführer wird mit 24,60 €/h angenommen. Gemäß Definition im Abschnitt 3.5.1 zählen seine Kosten als Sekundäraufwand. Tabelle 3-3 Monetäre Primär-Sekundär-Analyse einer halbautomatischen Montageanlage Aufwand Objekt
• Automatische Station
Gesamt [ €/h ]
Primär [ €/h ]
[ €/h ]
91,20 76,00
Primäraufwand 83% Sekundäraufwand 17% • Manuelle Station
Sekundär
15,20 19,80 15,05
Primäraufwand 76%
4,75
Sekundäraufwand 24% • Anlage 7 Automatische Stationen
638,40
532,00
106,40
3 Manuelle Stationen
59,40
45,15
14,24
1 Betreuer
24,60
Summe Anlage
722,40
24,60 577,15
145,25
Damit errechnet sich auf Basis der Werte in Tabelle 3-3 ein Wirkungsgrad von WM = 121,15 / (121,15 + 54,04) · 100% = 69,1 %. Da bei der halbautomatischen Montageanlage nach Abb. 3-16 die mittlere ungestörte Laufdauer bei 50 min je Stunde liegt und im manuellen Bereich der Primäraufwand nur 45,15 min beträgt, resultiert das relativ schlechte Gesamtergebnis von 69,1 % zum großen Teil aus den Wartezeiten der manuellen Montage, verursacht durch die Stillstandszeiten der automatischen Stationen. Die Verbesserung ist demnach in der Erhöhung der Prozesssicherheit der automatischen Stationen zu suchen. Weiterhin ist eine Reduzierung des Sekundäraufwandes der manuellen Montage durch eine bessere Arbeitsplatzgestaltung notwendig.
3.5 Halbautomatische und automatische Kleingerätemontage
85
3.5.4 Anwendungsbeispiel automatische Montageanlage
Abb. 3-17 zeigt ein reales Montageobjekt und die Reihenfolge der durchzuführenden Montagevorgänge und Abb. 3-18 die dazu notwendige autoT2
T1
T3 T4
T7
T6
T5 ca. 45 mm
T1 T2 T3
= Basisteil = Schaltelement = Kontaktzunge
Schraube Kontaktzunge Kontaktzunge
= = =
T4 T5 T6
T7 = Niet
Abb. 3-17 Aufbau eines Mikroschalters (Beispiel) 6 T4
T5 7
5
T3
4
8 3 9
2
+
10
1
T6
T2
11
T1 Rundtisch 1
12 16 13
15
14
Förderstrecke
20
T8 21
18
T7 17
19
32
Rundtisch 2 Fertigprodukt
22 31
+ 23
30 24
29 25 26
27
28
Abb. 3-18 Vollautomatische Montageanlage (Beispiel)
1 bis 32
Stationen
T1 bis T8
Teilezuführung
86
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
matische Montageanlage, bestehend aus zwei mit einander verketteten Rundtaktmontageautomaten. Die Montageanlage hat einen Wiederbeschaffungswert von € 1.300.000. Zur Ermittlung des Maschinenstundensatzes werden die gleichen Annahmen getroffen wie im vorangegangenen Beispiel. Hieraus errechnet sich ein Maschinenstundensatz von 201,00 €/h. Die mittlere Verfügbarkeit der Anlage liegt bei 75 %. Für die Betreuung der Montageanlage ist ein Mitarbeiter notwendig. Daraus ergeben sich die in Tabelle 3-4 aufgeführten Primär- und Sekundäraufwendungen. Der monetäre Wirkungsgrad ist dann: WM = 150,75 / (150,75 + 74,85) · 100% = 67 %. Tabelle 3-4 Monetäre Primär-Sekundär-Analyse automatische Montageanlage Aufwand Objekt
• Anlagekosten
Gesamt
Primär
Sekundär
[ €/h ]
[ €/h ]
[ €/h ]
201,00
Laufzeit (75%)
150,75
Störzeit (25%)
50,25
• Anlagenbetreuung
1 Mitarbeiter 100% Summe Anlage
24,60 225,60
24,60 150,75
74,85
Aus dem Ergebnis wird deutlich, dass in diesem Fall mit zunehmendem Automatisierungsgrad der monetäre Wirkungsgrad schlechter wird.
3.6 Feinanalyse Robotereinsatz 3.6.1 Definition Primär-Sekundär-Aufwand
Die fünf Grundbewegungen nach MTM und ihre Bewegungsfolgen gelten in vollem Umfang auch für das automatische Montieren mit Hilfe programmierbarer Handhabungsgeräte. Zur Bestimmung des Wirkungsgrades
3.6 Feinanalyse Robotereinsatz
87
Geschwindikeit [m/s]
wird daher auch hier die Primär-Sekundär-Analyse angewendet. Die Zykluszeit eines Montageroboters ist ausschlaggebend dafür, ob die geforderte Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Abbildung 3-19 zeigt die Einzelschritte im Zyklus eines Montageroboters und deren Zuordnung zu den Grundbewegungen nach MTM.
Zykluszeit tz Greifen (Grasp) Hinlangen (Reach) tR
Fügen
Loslassen (Release)
Bringen (Move)
max
0
Zeit [s] tSch1
t B1
tVk1
Zeitanteile: tSch Schaltzeit
t V1
tA1 tG tSch2 tB1
tVk2
t V2
tA2
tF
tL
tB Beschleunigungszeit
tVk Zeit konstanter Geschwindigkeit tA Ausschwingzeit
tG Greifzeit
tV Verzögerungszeit
tF Fügezeit
tL Loslasszeit
Abb. 3-19 Zeitanteile eines Roboter-Fügezyklus (IPA Stuttgart)
Die Zykluszeit tZ eines Montageroboters lässt sich in beeinflussbare und nicht beeinflussbare Einzelschritte unterteilen. Die Schaltzeit tSch, die Beschleunigungszeit tB und die Verzögerungszeit tV sind durch den Typ des Montageroboters bedingte Werte. Die Zeit konstanter Geschwindigkeit tVk ist abhängig von der Länge des zu fahrenden Weges. Die Ausschwingzeit tA wird von der zu handhabenden Masse, bestehend aus Greifer und Einzelteil, bestimmt. Die Greifzeit tG ist abhängig von der geordneten, lagegerechten Bereitstellung der Einzelteile. Die Füge- bzw. Montagezeit tF ist bestimmt durch den Produktaufbau, den Fügeort, die Fügerichtung, den Fügefreiraum und die Fügetoleranz (Lotter et al. 1998). Die Anwendung der Feinanalyse für Montageroboter erfolgt nach den Grundregeln der Primär-Sekundär-Feinanalyse der manuellen Montage. Damit ist der notwendige Mindestaufwand an Bewegungsabläufen Primäraufwand, der darüber hinaus gehende Aufwand ist Sekundäraufwand. Die festzulegenden Grenzen des Mindestaufwandes sind variabel und weitge-
88
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
hend von Produktgröße und Aufbau abhängig. Die fünf Grundbewegungen für einen Roboter werden nun näher betrachtet. Hinlangen
Unter „Hinlangen“ ist der Bewegungsablauf des Robotergreifers nach dem Loslassen eines Objektes in Fügeposition zu verstehen, um ein neues Teil zu greifen. Der gesamte Bewegungsablauf wird dadurch bestimmt, ob der kürzeste Weg von der Loslassposition zur Greifposition ungehindert gefahren werden kann und setzt sich aus waagrechten und senkrechten Bewegungen zusammen. Für die Feinanalyse besteht die Dauer der Grundbewegung „Hinlangen“ nach Abb. 3-19 aus der Summe der Schaltzeit tSch, der Beschleunigungszeit tB, der Zeit konstanter Geschwindigkeit tVk und der Verzögerungszeit tV. Die aufzuwendende Zeit tR für die Grundbewegung „Hinlangen“ ist dann: tR = ( tSch + tB1 + tVk1 + tV1 )
(Gl. 3-5)
Die Definition nach Abb. 3-6 begrenzt den primären Zeitaufwand tR für Hinlangen bei kleinen Teilen auf 0,5 s und für größere Teile auf 0,6 s. Ein darüber hinausgehender Aufwand ist sekundär. Von dem Zeitaufwand tR für „Hinlangen“ ist nur die Zeit konstanter Geschwindigkeit tVk durch die Gestaltung der Bahnstrecke beeinflussbar. Der Zeitaufwand für Schaltzeit, Beschleunigungszeit und Verzögerungszeit entspricht den vom Robotertyp abhängigen Festwerten. Liegt nach der Definition aus Abb. 3-6 der nicht beeinflussbare Zeitaufwand von tSch1 + tB1 + tV1 bei 0,5 s für kleine Teile und entspricht beispielsweise einer Bahnstrecke von 150 mm, so ist dieser Aufwand primär. Dagegen ist der zusätzliche Aufwand, um mit konstanter Geschwindigkeit die Bahnstrecke zu verlängern, sekundär. Liegt jedoch der Zeitaufwand für tSch1 + tB1 + tV1 bei 0,4 s bei einer Bahnstrecke von 150 mm, sind am Beispiel der vorher genannten Grenze zwischen Primär- und Sekundäraufwand von 0,5 s weitere 0,1 s für die Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit tVk Primäraufwand. Bei einer angenommenen konstanten Geschwindigkeit von 1.000 mm/s errechnet sich dann als Grenzwert für den Primärvorgang eine Bahnstrecke von: t r Grenz = tSch1 + tB1+ tV1 = 0,4 s entsprechend 150 mm und tVk Grenz = 1000 mm/s · 0,1 s entsprechend 100 mm. Die gesamte Bahnlänge beträgt demnach 250 mm. Bei diesem Beispiel sind Aufwendungen für Bahnstrecken größer als 250 mm daher Sekundärvorgange.
3.6 Feinanalyse Robotereinsatz
89
Greifen
Der Zeitaufwand für die Grundbewegung „Greifen“ setzt sich aus der Ausschwingzeit tA1 und der Greifzeit tG zusammen. Die Ausschwingzeit ist grundsätzlich Sekundäraufwand. Die direkte Greifzeit, d.h. das Schließen des Greifers, um ein Teil unter Kontrolle zu bringen, ist ein Primärvorgang. Notwendige Bewegungsabläufe des Greifers, wie das Drehen des Greifers in seiner Achse, das Einstellen der Greiferfinger auf den teileabhängigen Abstand und die Schwenkbewegungen des Greiferkopfes bei Revolvergreifsystemen sind Sekundäraufwand, soweit sie nicht als Parallelbewegungen während der Grundbewegungen Hinlagen und/oder Bringen durchgeführt werden können. Wird ein Greiferwechsel notwendig, ist der hierfür notwendige Gesamtaufwand ebenfalls sekundär. Bringen
„Bringen“ ist die Grundbewegung, um ein Teil nach dem Greifen zur Fügeposition zu bringen. Der Bewegungsablauf entspricht der Grundbewegung „Hinlangen“, jedoch in umgekehrter Reihenfolge und wird ebenfalls durch die notwendige Bahnstrecke beeinflusst. Für die Festlegung und Zuordnung der Primär-Sekundär-Anteile gelten für die Grundbewegung „Bringen“ dieselben Parameter wie für die Grundbewegung „Hinlangen“. Fügen
Der Aufwand für die Grundbewegung „Fügen“ setzt sich nach Abb. 3-19 aus der Ausschwingzeit tA2 und der eigentlichen Fügezeit tF zusammen. Die Ausschwingzeit ist ein Sekundäraufwand, die Fügezeit ein Primäraufwand. Werden Hilfswerkzeuge, wie beispielsweise Schraubendreher oder Eindrückwerkzeuge benötigt, die der Montageroboter handhaben kann, so gelten für die Hinlang- oder Bringbewegungen die Grenzwerte der Grundbewegungen „Hinlangen“ oder „Bringen“. Dies bedeutet, dass diejenigen notwendigen Bewegungen zum Holen und Zurückbringen von Hilfswerkzeugen, welche die festgelegten Grenzwerte überschreiten, als sekundärer Aufwand gelten. Diese Regel gilt auch dann, wenn die gefügte Baugruppe von ihrer Fügeposition zu einem Hilfswerkzeug gebracht werden muss. Loslassen
Auch hier ist das „Loslassen“ von allen Grundbewegungen diejenige mit dem geringsten Aufwand. Aus diesem Grunde fällt das „Loslassen“ unter die Begriffsbestimmung Primäraufwand. Entsteht nach dem „Loslassen“ eine Stillstandszeit des Roboters, ist diese ein Sekundäraufwand (Lotter et al.1998).
90
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
3.6.2 Primär-Sekundär-Analyse einer Robotermontagezelle
Als Beispiel sind vier Einzelteile zu einer Baugruppe zu fügen. Diese Baugruppe ist in Sandwichbauweise mit Selbstzentrierung der Einzelteile so gestaltet, dass alle Teile dieselbe Fügeposition haben. Die Fügefolge ist: Teil Nr. 1, 2, 3 und 4. Abbildung 3-20 zeigt die Variante 1 einer hierzu konzipierten Montagezelle. Das Basisteil Nr. 1, mit den Abmessungen 60 mm x 60 mm x 20 mm, wird über ein Förderband 1 lagegerecht an die zugehörige Greifposition geführt. Die Teile Nr. 2, 3 und 4 werden mit Hilfe von Vibrationswendelförderern geordnet und der jeweiligen Greifposition zugeführt. Die Ablage der fertig montierten Baugruppe erfolgt auf ein Förderband 2 zum Weitertransport. Zur Handhabung der vier Einzelteile sind zwei unterschiedliche Greifer notwendig. Der zum Einsatz kommende Montageroboter hat folgende Kenndaten: − − − − −
Höchstgeschwindigkeit der x/y- Achsen: 1000 mm/s, Ausschwingzeit bei einem Greifergewicht von 2 kg: 0,1 s, Greifzeit / Loslasszeit: 0,2 s, Schaltzeit + Beschleunigungszeit + Verzögerungszeit: 0,4 s, Bahnstrecke bei 0,4 s: 150 mm.
Die Bestimmung von Primär- und Sekundäraufwand erfolgt entsprechend den Ausführungen in Abschnitt 3.6.1 und ist für die Bahnstrecken mit 250 mm festgelegt. Variante 1
In Abb. 3-20 ist oben der angenommene Arbeitsbereich des Montageroboters und unten das Layout skizziert. Zur Durchführung der Montageaufgabe sind nach der MTM-Definition 35 Einzelvorgänge notwendig. Diese setzen sich zusammen aus: 4 Einzelteile handhaben und fügen: Ablegen fertiges Produkt: 2 Greiferwechsel:
20 Einzelvorgänge 5 Einzelvorgänge 10 Einzelvorgänge
Der danach berechnete Gesamtzeitaufwand zur Montage der gedachten Baugruppe liegt bei 17,28 s, davon sind 7 s Primäraufwand und 10,28 s Sekundäraufwand. Daraus errechnet sich ein Wirkungsgrad WM = 7 / (7 + 10,28) · 100% = 40,5 %.
3.6 Feinanalyse Robotereinsatz
91
360°
100 z
400 x
180°
a) Roboter Kinematik Förderband Fertigprodukt
Ablageposition Fertigprodukt Teil 4 Teil 3 Roboterzentrum Teil 2 Teil 1 Förderband 1 (Basisteil) Greifposition Teil 1
FP Arbeitsbereich Roboter
G1 G2
b) Aufsicht Roboterzelle
FP G1 G2
Fügeposition Greiferwechsel-Position
Greifposition Teile 2 bis 4
Abb. 3-20 Layout automatische Montagezelle Variante 1 (Beispiel)
Die Analyse der Einzelvorgänge zeigt, dass der hohe Sekundäraufwand durch große Hinlang- und Bringwege sowie durch den zweimaligen Greiferwechsel bedingt ist. Variante 2
Um den Sekundäraufwand zu verringern, wurde eine alternative Lösung entwickelt, die Abb. 3-21 zeigt. Der Montageroboter ist feststehend im Zentrum eines Rundschalttisches mit 8 Stationen und deren Montageaufnahmen aufgebaut. Das Basisteil Nr. 1 wird über ein Förderband zugeführt und läuft auf eine Stoppstelle auf. Auf demselben Förderband befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite der Stoppstelle die Ablageposition der fertig montierten Baugruppe. Die Teile Nr. 2, 3 und 4 werden über Vibrationswendelförderer lagegerecht geordnet und zugeführt. Die Greifpositionen der vier Teile sind auf engem Raum so angeordnet, dass die Greifwege für Hinlangen und Bringen extrem klein sind. Durch die Schalttelleranordnung des getakteten Rundtisches werden die einzelnen Vorgänge jeweils achtmal hintereinander verrichtungsweise durchgeführt. Der Gesamtaufwand für die Montage von acht Baugruppen beträgt bei dieser Anordnung 79,4 s und entspricht pro Baugruppe 9,92 s. Die Reduzierung des Aufwandes von 17,28 s auf 9,92 s resultiert zum Einen aus der
92
3 Die Primär-Sekundär-Analyse
Verkürzung der Greifwege, zum Anderen wirken sich die GreiferWechselzeiten pro Baugruppe nur noch anteilig mit einem Achtel des Zeitaufwandes aus (Lotter et al 1998). Der Wirkungsgrad dieser Anordnung berechnet sich mit WM = 59,85/ (59,85 + 19,85) · 100% = 75 % und stellt damit eine bedeutende Verbesserung dar. Fertigprodukt Greifposition Teil 4
Ablageposition Fertigprodukt
Zuführung Teil 4
S1 S2
S8
Greifposition Teil 3
Zuführung Teil 3
Montageroboter
S7
S3 Greifposition Teil 2
Fügeposition
Greifposition Teil 1
S5
G1 Teil 1
S4
S6
Zuführung Teil 2
G2
S1 bis S8 Automatische Montagestationen Rundtisch
Montagestation Rundtisch getaktet
G1, G2 Greiferwechselposition
Abb. 3-21 Layout automatische Montagezelle Variante 2 (Beispiel)
Mit diesen Ausführungen sind die Erläuterungen der Primär-SekundärAnalyse und ihrer Anwendung im Montagebereich abgeschlossen. Es zeigt sich, dass damit ein vergleichsweise einfaches, aber sehr wirkungsvolles Instrument zur Beurteilung von Montagesystemen und -abläufen in der Planungs- und Nutzungsphase zur Verfügung steht.
Literatur Bitzke B et al. (2003) MTM – gestern-heute-morgen In PERSONALMTM-Report 2003, S 3-10 MTM (1989) Deutsche MTM Vereinigung MTM-UAS-Verfahren. Hamburg
Literatur
93
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4 Gestaltung der Montageorganisation
4.1 Grundlagen Für die Gestaltung der Montageorganisation sind im Vorfeld einige wesentliche Grundlagen zu diskutieren. Sie betreffen die Prozessorientierung, die Unternehmensfunktionen (Wertschöpfung, Support und Koordination), das Fluss-Prinzip und die integrierte Qualitätssicherung. 4.1.1 Prozessorientierung Die kundenorientierte Produktion erfordert das Denken in Geschäftsprozessen und eine hohe Flexibilität. Obwohl der Begriff des Geschäftsprozesses in der Literatur nicht eindeutig definiert wird, kann vielen Publikationen folgendes Grundverständnis entnommen werden: − Prozesse sind definierte Abläufe des Betriebsgeschehens mit Input und Output; sie sind inhaltlich und zeitlich abgeschlossen und können isoliert von vor-, neben- und nachgelagerten Vorgängen betrachtet werden. − Prozessorientierung betrachtet parallel alle prozessrelevanten Parameter wie Personal, Material, Produktionsanlagen, Information und Informationssysteme, Qualität, Durchlaufzeiten und alle Aspekte der Organisation. − Prozesse können Kunden, Lieferanten und andere externe Bezugsgruppen betreffen. − Prozesse sind dynamisch; ständige Anpassungen an Veränderungen des Umfelds und ständige Optimierung sind notwendig. − Prozesse bilden nicht die Organisationsstruktur eines Unternehmens ab, sie „durchlaufen“ sie. Die Mächtigkeit des Prozessbegriffes liegt vor allem in der Unabhängigkeit von der Aufbauorganisation, wodurch die Trennung von technischen und büroorientierten Unternehmensbereichen schwindet. Durch die Fokussierung auf ein Prozessziel reduziert der Geschäftsprozessgedanke die hohe Komplexität eines Unternehmens auf ein überschaubares Maß.
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4 Gestaltung der Montageorganisation
Voraussetzung für transparente und schnittstellenarme Prozesse ist die Funktionsintegration in dezentralen Organisationseinheiten. Zusammenhängende Aufgaben werden an einer Arbeitsstation oder in einer Arbeitsgruppe möglichst komplett bearbeitet. Die Vorteile einer prozessorientierten Organisation liegen im eindeutigen Kunden- und/oder Produktbezug. Schnittstellenarme Informationsflüsse bewirken verkürzte Durchlaufzeiten und die Reduktion von Informationsverlusten. Für die Analyse, Optimierung und Neu-Definition von Geschäftsprozessen werden Modelle erstellt. Die zentralen Modellierungselemente in einem Geschäftsprozess sind „Funktionen“, die Tätigkeiten oder Vorgänge in einem betrieblichen Ablauf repräsentieren. Als Hauptprozesse eines Produktionsunternehmens gelten Markterschließung, Produktentwicklung, Auftragsgewinnung, Auftragserfüllung und Service. Der betriebliche Ablauf wird durch Reihenfolgebeziehungen und Verzweigungen der ProzessFunktionen dargestellt – dadurch entstehen netzartige Strukturen. Ein weiteres wesentliches Element in der Geschäftsprozess-Modellierung ist das Ergebnis einer Funktion, häufig auch als „Output“ bezeichnet – damit wird der eingangs angeführten Zielorientierung Rechnung getragen. Der Output einer Funktion steht natürlich in direktem Zusammenhang mit dem Input, d.h. den Voraussetzungen für die Ausführung einer Funktion. Weitere wichtige Modellierungselemente, die insbesondere für die Arbeitsorganisation von Bedeutung sind, beschreiben die erforderliche Qualifikation und den technisch-methodischen Support für die Ausführung einer Funktion. Komplexe Prozesse werden zur besseren Übersicht in Teilprozesse und Prozessabschnitte unterteilt. In der Regel werden Prozessmodelle nicht mit Zeitleisten versehen, der “kritische Pfad” kann bei Hinterlegung der Durchlaufzeit-Information aber sehr transparent dargestellt werden. Allein die Erstellung eines Prozessmodells mit den Prozessbeteiligten bringt sehr viel Transparenz in die Unternehmensabläufe und bewirkt in der Regel eine Verbesserung der Zusammenarbeit über die Grenzen von Organisationseinheiten hinweg. 4.1.2 Wertschöpfungsfunktionen, Support-Funktionen und Koordinationsfunktionen In einer Prozessmodellierung bietet es sich an, die Funktionen zu klassifizieren. Im einfachsten Fall werden Wert schöpfende und nicht Wert schöpfende Funktionen unterschieden. Eine zusätzliche Unterscheidung der nicht wert schöpfenden Funktionen in „Support-Funktionen“ für die Wertschöpfung, wie z. B. Materialbereitstellung, Rüsten, Prüfen, Instandhal-
4.1 Grundlagen
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tung und „Koordinationsfunktionen“ wie z. B. Disposition, MitarbeiterEinteilung, Auftragsverfolgung, macht aber sehr viel Sinn. Während die Supportfunktionen in der Regel erforderlich sind, um den Wertschöpfungsprozess ausführen zu können, können die Koordinationsfunktionen grundsätzlich hinterfragt werden. Ein Beispiel einer solchen Klassifizierung zeigt Abb. 4-1 am Beispiel der Auftragserfüllung. Die eigentliche direkt produktive Wertschöpfung der Produktion 1 und 2 wird durch die notwendigen, aber nur indirekt produktiven Funktionen des Auftragsmanagements, der Logistik und der Qualitätssicherung unterstützt. Die ebenfalls angedeuteten Supportfunktionen Lohnabrechnung und Lieferantenauswahl liegen außerhalb des Prozessflusses. Indirekt produktive Funktionen Auftragsmanagement Externer Kunde: Auftragserteilung
Qualitätssicherung
Logistik
Auftragserfüllung Produktion 1
Externer Kunde: Ware oder Leistung erhalten
Produktion 2
Direkt produktive Funktionen (Wertschöpfung)
Lohnabrechnung
Lieferantenauswahl
Support-Funktionen (nicht im Prozessfluss)
Abb. 4-1 Klassifizierung von Funktionen am Beispiel Auftragserfüllung
4.1.3 Fluss-Prinzip Die Montage ist in der Regel die letzte Fertigungsstufe, bevor das Produkt auf den Weg zum Kunden geht. Für die folgenden Überlegungen ist es unerheblich, ob es sich dann bereits um den Endkunden handelt, also den Nutzer des Produkts, oder um einen „Zwischenkunden“, wie z. B. den Handel oder ein Unternehmen, das die weiteren Produktionsstufen durchführt. Moderne Montagen werden vom Markt bzw. Kunden „gezogen“, damit ein möglichst hoher Anteil der Produkte kundenspezifisch, d.h. auf vorliegenden Auftrag oder Bedarf hergestellt werden kann. Dieses Prinzip wird dann auf die der Montage vorgelagerten Fertigungsstufen übertragen – die Montage nimmt so die Rolle des Kunden ein, sowohl für Unternehmens-interne Fertigungsstufen als auch für externe Lieferanten.
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4 Gestaltung der Montageorganisation
Ziel ist es, das Material „im Fluss“ zu halten und mit möglichst geringen Pufferbeständen zu arbeiten. Häufig sind es gar nicht die Bestandskosten oder die ungünstigen Lagereigenschaften von Teilen und Baugruppen, die zu diesem Prinzip „zwingen“, sondern das Risiko einer Änderung der Marktsituation (z. B. Produkt läuft aus oder wird geändert). In Abb. 4-2 sind die typischen Flussprinzipien Hauptfluss, Nebenfluss und U-Linie, die wesentlich für die manuelle Montage sind, nach steigender Flexibilität mit ihren wesentlichen Vor- und Nachteilen gegenübergestellt. Vorteile
Nachteile
Hauptfluss
• klarer Materialfluss • kurze Durchlaufzeit • kurze Einarbeitungszeit und hoher Einübungsgrad (starke Artteilung) • geringer Flächenbedarf • hohe Ausbringung möglich
• geringer Arbeitsinhalt bei reiner Artteilung, monotone Arbeit • geringe KommunikationsMöglichkeiten • Springer notwendig • störanfällig durch Verkettung
Nebenfluss
• Arbeitsbereicherung durch Übernahme von Umfeldarbeiten (z.B. Materialbereitsstellung) • individuelle Leistungsentfaltung möglich • Einarbeitung gut möglich • Taktentkopplung gut geeignet für Baugruppen
• hohe Investitionskosten für Verkettung • erhöhter Platzbedarf • erhöhte Durchlaufzeit
• hohe Mitarbeiterproduktivität • flexibler Mitarbeitereinsatz möglich • niedrige MaterialflussInvestitionen • geringer Flächenbedarf • einfach zu rekonfigurieren
• automatisierter Materialfluss nur schwer zu realisieren • in der Regel nur Steharbeitsplätze
U-Linie
Abb. 4-2 Beispiele für Flussprinzipien in der manuellen Montage
Zur Realisierung eines wirtschaftlichen Fluss-Prinzips sind im Wesentlichen die Kapazitäts-Flexibilität in den Wertschöpfungsfunktionen und ein reagibles Logistik-System nach dem Pull-Prinzip von großer Bedeutung. Kapazitätsflexibilität Es gibt nur wenige Märkte, die eine kontinuierliche und gleichmäßige Versorgung abfordern bzw. zulassen. Wenn die schwankende Nachfrage nicht über ein atmendes Lager abgefangen werden soll – mit den bekannten Nachteilen hinsichtlich Kapitalbindung, Bestandskosten und Marktänderungsrisiko – muss die Produktionsstufe davor flexibel entsprechend der Marktsituation reagieren können. Zeiten starker Nachfrage erfordern eine
4.1 Grundlagen
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kurzfristige Erhöhung der Produktionsleistung, während bei schwachem Markt ebenso schnell eine Anpassung nach unten zu erfolgen hat. Grundsätzlich bietet die Montage dafür meist gute Voraussetzungen: die Betriebsmittel sind in der Regel weniger kapitalintensiv und deutlich flexibler als in der Teilefertigung, die Rüstzeiten sind kürzer, und die Produktionsleistung kann nicht nur über die Betriebszeit, sondern meist auch über den Mitarbeitereinsatz variiert werden. Neben der Flexibilität in der Mengenausbringung und beim Mitarbeitereinsatz gibt es weitere Flexibilitätsaspekte, die für Montagesysteme von Bedeutung sind: die Flexibilität bzgl. Typen und Varianten trägt der Breite des Produktionsprogramms und eventuellen zukünftigen Varianten Rechnung und sollte im Montagesystem entsprechend implementiert werden. Weitergehende Änderungen gehen häufig von Produktanpassungen aus, z. B. Angebot zusätzlicher Funktionen mit Folge der Erweiterung des Teileumfangs oder Veränderung der Montagetechnologie (z. B. Kleben statt Schrauben). In diesem Fall ist die Veränderungsflexibilität des Montagesystems gefordert, z. B. durch das Einbringen zusätzlicher Stationen. Zunehmend an Bedeutung gewinnt auch die Flexibilität bzgl. der Ortsbindung. Die damit erreichte Mobilität macht es möglich, Montagesysteme
Standort
VeränderungsFlexibilität
Produkt
5 4 3
Mitarbeitereinsatz
2 1 Idealprofil Ist-Profil
Technologie
Typen und Varianten
Implementierte Flexibilität Mengenausbringung Bewertung: 1 schlecht, 5 sehr gut
Abb. 4-3 Flexibilitätsaspekte für Montagesysteme
100
4 Gestaltung der Montageorganisation
schnell an andere Standorte zu verlegen und dort kurzfristig wieder in Betrieb zu nehmen. Diese wesentlichen Flexibilitätsaspekte müssen spezifisch für das jeweilige Montageszenario analysiert und entsprechend bewertet werden, z. B. wie in Abb. 4-3 dargestellt. Dabei erfolgt die Bewertung in der Regel anhand einer einfachen Skala, z. B. von 1 für schlecht bis 5 für sehr gut. Die Darstellung in einem Spinnendiagramm erlaubt die Gegenüberstellung verschiedener Zustände, z. B. Ist-Zustand, Planungsvariante 1, Idealprofil usw. Reagibles Logistik-System Der Schlüssel für die Wirtschaftlichkeit der Montage im operativen Bereich liegt häufig in der Logistik-Organisation. Die klassischen „Push“Systeme, die durch die in den 1970er Jahren entwickelte PPS-Logik und die entsprechenden DV-Systeme gestützt werden, passen nicht gut zu dynamischen Marktsituationen. Die im PPS-System hinterlegten Datenmodelle gehen von zumindest mittelfristig planbaren und überwiegend stabilen Produktionssituationen aus, und die Methodik der Rückwärtsterminierung sorgt in Verbindung mit festgelegten Losgrößen für lange Durchlaufzeiten und ein unbefriedigendes Reaktionsvermögen. Es ist vorteilhafter, wenn die Versorgung der Montage nach dem PullPrinzip geregelt werden kann. Beispielhafte Verfahren dafür sind eine Just-in-time Steuerung für Endprodukt-spezifische Module/Komponenten, oder eine Kanban-Regelung für Mehrfachverwendungsteile. Meist wird man drei bis vier Materialgruppen unterscheiden müssen, die dann nach differenzierten Logistik-Prinzipien geführt werden. 4.1.4 Integrierte Qualitätssicherung Die Qualitätssicherung spielt in der Montage eine entscheidende Rolle, da häufig erst montierte Baugruppen oder gar Endprodukte vollständig auf ihre Funktion geprüft werden können. Daher sollte die Qualitätssicherung integrierter Bestandteil einer Montage sein, damit nicht erst am Ende des Prozesses eventuell systematische Fehler aufgedeckt und dann mit aufwändiger Nacharbeit behoben werden müssen. Als Grundprinzip kann gelten, dass keine Fehler weitergegeben werden können. In der automatischen Montage stellt man dies durch automatische In-Prozess-Messungen oder Prüfstationen unmittelbar hinter einer Montagestation sicher. In der manuellen Montage sind geeignete Fehlerverhütungsmethoden einzusetzen.
4.2 Strukturformen für Montagesysteme
101
Montagemitarbeiter müssen für eine solche Qualitätssicherung qualifiziert werden und auch für die Qualität ihrer Arbeit die Verantwortung übernehmen. In Konsequenz müssen sie auch „ihre Fehler“ über Nacharbeitsleistungen beheben.
4.2 Strukturformen für Montagesysteme Die Strukturierung von Montagearbeitssystemen war insbesondere in den 1980er Jahren ein Thema, dem sich viele Wissenschaftler und IndustrieExperten widmeten. Beispielhaft seien hier Bullinger (Bullinger 1983, Bullinger 1986) und Refa (Refa 1987) genannt. Die nachstehenden Vorgehensweisen und Strukturierungsprinzipien wurden in zahlreichen Projekten in der Praxis erprobt und weiterentwickelt. Für die Strukturierung von Montagesystemen sind die Montageaufgaben und das geplante Produktionsprogramm die bestimmenden Eingangsinformationen. Die Montageaufgaben werden dann aus der Struktur der zu montierenden Produkte und den vorhandenen oder neuen Montagetechnologien abgeleitet, indem man gedanklich das fertige Produkt schrittweise zerlegt. Über die Erstellung und Analyse der Strukturstücklisten entstehen so genannte Montage-Vorranggraphen, die sich als gutes Hilfsmittel für die Strukturierung und Ausplanung von Montagesystemen erwiesen haben. Da praktisch alle Produkte früher oder später in unterschiedlichen Ausführungen angeboten werden, sind in einer systematischen Vorgehensweise Produktfamilien zu bilden, die mehrere Typen und zahlreiche Varianten umfassen können. Das Produktionsprogramm wird aus dem Vertriebsprogramm abgeleitet und beschreibt in der Regel für einen Jahreszeitraum die geplanten Produktionsmengen für die Produktfamilien und die zugeordneten Typen. Zusätzlich muss zumindest noch die geforderte Maximalausbringung des Montagesystems in einem kürzeren Zeitintervall (z. B. Monat oder Woche) definiert werden. Daraus leiten sich dann die kapazitiven Anforderungen bzgl. einzelner Montageabschnitte und Montageverfahren ab. Auf Basis dieser Informationen kann das Montagesystem strukturiert werden. Dabei können unterschiedliche Strukturformen zum Einsatz kommen, die in engem Zusammenhang zur Arbeitsorganisation stehen. Die wesentlichen Strukturformen in der Montage, nämlich LinienMontage, Montageinsel, Einzelplatz-Montage und Baustellen-Montage werden im folgenden kurz skizziert und diskutiert. In diesem Zusammenhang wird unter „Montageaufgabe“ die Montage eines komplexen Pro-
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4 Gestaltung der Montageorganisation
dukts, z. B. einer Hand-Bohrmaschine, oder einer komplexen Baugruppe verstanden. Eine Montageaufgabe umfasst dann mehrere Montagetätigkeiten. 4.2.1 Linien-Montagen In der Linien-Montage wird die Montageaufgabe auf mehrere Arbeitsplätze verteilt, die in Linienform hintereinander angeordnet und über ein Materialflusssystem miteinander verbunden sind, Abb. 4-4. Das so genannte Basisteil wird an der ersten Station eingesetzt, fließt durch die Linie und an jedem Arbeitsplatz werden weitere Teile angefügt, deren Bereitstellung auch an diesen Arbeitsplätzen erfolgt. Liniensysteme können auch Verzweigungen, Alternativ- und Parallelplätze sowie Zusammenführungen beinhalten. Sehr häufig werden Liniensysteme mit automatischen Materialflusssystemen und geringen Arbeitsumfängen an den einzelnen Arbeitsplätzen realisiert. Liniensysteme erfordern in der Regel eine Abtaktung der Arbeitsumfänge an den einzelnen Arbeitsplätzen. Ein klassisches Beispiel für eine Linienmontage ist die Endmontage von Automobilen oder „Weiße Ware“-Geräten.
AG 2
AG 5
AG 1
AG 3
AG 4
AG 6
AG 7 IR
Förderband
AG
Arbeitsgang
Vorteile • übersichtlicher Materialfluss • kurze Durchlaufzeit • eventuell keine Werkstückträger erforderlich
IR
Industrieroboter
Nachteile • Störanfälligkeit (bei Ausfall einer Station • steht gesamtes System still) • geringe Auslastung einiger Stationen • geringe Flexibilität bezüglich: - Typen und Varianten - Ausbringung - Fertigungsablauf • taktgebundene Resttätigkeiten zwischen Automatikstationen • System schwierig zu erweitern
Abb. 4-4 Prinzip der Linienmontage
Linienmontagen bieten gute Voraussetzungen für hohe Effizienz bei gleich bleibender Qualität, sowie für eine Automatisierung. Der Materialfluss ist eindeutig und die Einarbeitungszeiten für Mitarbeiter sind gering.
4.2 Strukturformen für Montagesysteme
103
Als Nachteile von Linienmontagen gelten schlechte Flexibilitätseigenschaften in Bezug auf Menge und Varianten, hoher Planungs- und Steuerungsaufwand, hohe Investitions- und Betriebskosten für Materialflusssysteme. 4.2.2 Einzelplatz-Montagen In der Einzelplatz-Montage wird eine komplette Montageaufgabe einem Arbeitsplatz zugeordnet. Damit ergeben sich starke Restriktionen hinsichtlich Produktgröße und Montageumfang, da alle erforderlichen Betriebsmittel an diesem Platz installiert werden müssen und alle Montageteile logistisch und ergonomisch sinnvoll bereitgestellt werden müssen. Die Mengenleistung eines Einzelplatzes ist deutlich geringer als in anderen Strukturformen. Bei größeren Leistungen muss die erforderliche Anzahl an Einzelplätzen parallel aufgebaut werden. Dies bedingt die Mehrfachinstallation von Betriebsmitteln. An Einzelplatzmontagen werden häufig mittlere Arbeitsumfänge bei kleinvolumigen Produkten (z. B. Schaltuhren, Modellbahnwagen) realisiert.
Abb. 4-5 Prinzip der Einzelplatz-Montage
Typische Vorteile von Einzelplatzmontagen sind sehr gute Flexibilitätseigenschaften in jeder Beziehung, ein geringer Planungs- und Steuerungsaufwand sowie gute Voraussetzungen für die individuelle Leistungsentfaltung der Mitarbeiter. Die typischen Nachteile von Einzelplatzmontagen sind hohe Investitionskosten und niedrige Auslastung der Montage-Betriebsmittel, unterbrochener Materialfluss, lange Einarbeitungszeiten für Mitarbeiter sowie beschränkte Eignung für großvolumige Produkte oder komplexe Montageaufgaben.
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4 Gestaltung der Montageorganisation
4.2.3 Baustellen-Montagen Die Baustellen-Montage ist dadurch gekennzeichnet, dass das Produkt an einem festen Ort montiert wird. Alle Montageteile und -baugruppen werden an diesem Ort bereitgestellt und die Mitarbeiter sind in wechselnder Einsatzstärke an diesem Montageort tätig. In der Regel werden großvolumige, komplexe Produkte mit hohen Montageumfängen, z. B. Schaltschränke oder Pressen, nach diesem Prinzip montiert. Meist handelt es sich auch um Produkte, die Kunden-individuell ausgelegt und in dieser Ausführung auch nur einmal produziert werden. Die Montagebetriebsmittel sind möglichst universell und mobil ausgelegt und werden von den Werkern an den Montageort gebracht. Die Anforderungen an die Montagewerker sind sehr hoch, da ein umfassendes Produktverständnis gegeben sein muss. Die Montageplanung und -steuerung wird meist nur grob durchgeführt und das Material meist auftragsbezogen kommissioniert.
Aufbaufläche für Anlage 1
Aufbaufläche für Anlage 2
Aufbaufläche für Anlage 3
Abb. 4-6 Prinzip der Baustellen-Montage
Typische Vorteile von Baustellenmontagen sind gute Flexibilitätseigenschaften, insbes. bzgl. des Mitarbeiter-Einsatzes, ein geringer Planungsund Steuerungsaufwand, gute Eignung für großvolumige Produkte oder komplexe Montageaufgaben. Typische Nachteile von Baustellenmontagen sind hoher Platzbedarf, lange Durchlaufzeiten, aufwändiger Materialfluss und lange Einarbeitungszeiten für die Mitarbeiter. 4.2.4 Montageinseln Montageinseln werden häufig als Integration von Strukturierungsprinzip und Organisationsform gedeutet. Im Folgenden wird jedoch nur das Strukturierungsprinzip skizziert. Einer Montageinsel werden meist mehrere Montageaufgaben zugeordnet, z. B. Vormontagen und Endmontage für eine komplette Produktfamilie. Dies erfordert, dass auch die erforderlichen Betriebsmittel vollständig in der Montageinsel vorhanden sein müssen.
4.2 Strukturformen für Montagesysteme
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Materialflusstechnisch ist innerhalb einer Montageinsel in der Regel meist ein Fließ-System realisiert, jedoch vermeidet man die Installation angetriebener Verkettungsmittel soweit als möglich. Die Montageobjekte „wandern“ von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Dort können je nach Arbeitsumfang Montageschritte parallel oder in Reihe ablaufen. Einer Montageinsel werden meist in höherem Maße als in anderen Strukturprinzipien zusätzlich zu den Montageaufgaben indirekt produktive Aufgaben übertragen. Ein Beispiel für den Einsatz von Montageinseln ist die Montage von Heimwerkergeräten in vielen Sondertypen.
parallel
in Reihe
Abb. 4-7 Prinzip von Montageinseln
Typische Vorteile von Montageinseln sind sehr gute Flexibilitätseigenschaften in jeder Beziehung, wenige Schnittstellen zu anderen Bereichen, gute Eignung für kleine und mittlere Stückzahlen und große Handlungsund Optimierungsspielräume für Mitarbeiter. Typische Nachteile sind externer und interner Koordinationsbedarf mit der Folge einer Dezentralisierung der Informations- und Kommunikationssysteme, lange Einarbeitungszeiten für Mitarbeiter und das Risiko von Produktivitätsschwankungen.
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4 Gestaltung der Montageorganisation
4.2.5 Automatisierte und hybride Montagesysteme Automatisierte Montagesysteme stellen keine Strukturform dar, sollen aber aufgrund der anders gearteten Mitarbeiteraufgaben kurz diskutiert werden. Die eigentliche Montageaufgabe, das Fügen von Teilen, wird von Maschinen durchgeführt, die als Einzweckautomaten oder für unterschiedliche Aufgaben einsetzbare, flexible Einheiten realisiert sind. Insbesondere die frei programmierbaren Roboter haben viele Montage- und Handlingsaufgaben in der Großgeräte-Montage übernommen (z. B. im KarosserieRohbau), während für kleinvolumige Produkte verkettete Umlaufsysteme weit verbreitet sind. In der Arbeitsorganisation müssen hier drei Aufgabenbereiche durchdacht werden: die Materialversorgung des Systems, das Umrüsten für unterschiedliche Typen/Varianten und die Anlagenführung mit Behebung einfacher Störungen. Insbesondere die letztgenannte Tätigkeit ist für die Produktivität einer solchen Anlage von entscheidender Bedeutung, da erfahrungsgemäß in kurzen Zeitabständen kleine Störungen auftreten, die einen Anlagenstillstand oder Montagefehler zur Folge haben. Häufig werden für die Materialversorgung angelernte Kräfte mit geringer Qualifikation eingesetzt und im Störungsfall dann der Meister oder die Instandhaltungsmitarbeiter gerufen. Aus den Erfahrungen des Fraunhofer Instituts IAO hat sich demgegenüber gezeigt, dass höher qualifizierte Mitarbeiter, die die Anlage in der Materialversorgung betreuen, einfache Störungen beheben können und vielleicht auch Rüstungsaufgaben übernehmen, auch eine höhere Produktivität erzielen. Der Begriff „Hybride Montagesysteme“, oft auch als teilautomatisierte Montage bezeichnet, beschreibt die Kombination von automatisierten Stationen mit manuellen Arbeitsplätzen in einem System. Diese Montageform gewinnt zunehmend an Bedeutung für mittlere Variantenvielfalt und Montagestückzahlen, da sie gegenüber vollautomatisierten Montagen meist erhebliche wirtschaftliche Vorteile durch niedrigere Investitionskosten aufweisen, wie auch Lotter ausführt (Siehe Kap.7). Hybride Montagesysteme werden häufig in Linienstruktur realisiert, sind aber auch in Form von Einzelplatzsystemen und Montageinseln gebräuchlich. Ein Beispiel für den Einsatz von hybriden Montagesystemen ist die Montage von AutomobilMotoren. Typische Vorteile von hybriden Montagesystemen sind eine hohe, gleichmäßige Ausbringungsleistung, keine logistische Unterbrechung zwischen automatisierten und manuellen Montagevorgängen sowie günstige Voraussetzungen für die Optimierung des Mitarbeitereinsatzes. Bei geeig-
4.3 Organisationsprinzipien in der Montage
107
neter modularer Ausführung ist darüber hinaus eine hohe Stückzahlflexibilität gegeben. Noch Zukunft sind kooperative Roboterstationen, an denen die Arbeitsanteile von Mitarbeitern und Robotern komplementär und synchron ausgeführt werden – der Roboter ist mit entsprechenden Sensorsystemen ausgerüstet und reagiert auf die Bewegungen des Mitarbeiters.
AG 6
AG 6
AG 5
AG 5
AG 2
AG 7
Sonder AG 8
AG 4
AG 3
AG 3
AG 1 IR IR
Abb. 4-8 Prinzip eines hybriden Montagesystems
4.3 Organisationsprinzipien in der Montage Unter den Begriffen Produktion, Fertigung und Montage in industriellen Unternehmen versteht man in der Regel die Kernprozesse oder Wertschöpfungsfunktionen zur Herstellung von Produkten. Für einen geordneten und zuverlässigen Ablauf dieser Teilprozesse sind Umfeldfunktionen erforderlich, die durch die Arbeitsteilung mehr oder weniger ausgegliedert wurden, z. B. Arbeitsvorbereitung, Produktionssteuerung und Qualitätssicherung. Diese Umfeldfunktionen schneiden oder überdecken sich je nach Produktionsaufgabe und -organisation unterschiedlich stark mit Produktionsmanagement-Funktionen. Ein weitere, ganz wesentliche Funktion im Unternehmen, die im Vorfeld der Produktion liegt, wird hingegen eher wenig damit in Verbindung gebracht: die Produktentwicklung und Konstruktion. Hier liegt jedoch der effektivste Schlüssel zur Verbesserung von Leistung und Qualität bei den Wertschöpfungsfunktionen. Sowohl der strukturelle Aufbau als auch die Gestaltung einzelner Komponenten und der Verbindungstechniken können
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4 Gestaltung der Montageorganisation
die Montage massiv begünstigen oder erschweren. Hierauf wurde in Kap. 2 ausführlich eingegangen. Bei der Gestaltung der Montage-Organisation müssen diese Funktionen daher mit betrachtet und anteilig in die Produktionsaufgaben eingebunden werden. Im Folgenden wird die Stellung dieser Funktionen im traditionellen Produktionsunternehmen sowie deren Überschneidung mit dem Produktionsmanagement kurz diskutiert. Die Arbeitsvorbereitung, kurz AV, ist die Schnittstelle zwischen Produktkonstruktion und Fertigung/Montage. Die Stellung im Unternehmen hängt von der Komplexität der Fertigungsaufgaben und -prozesse ab – seit den 1980er Jahren hat dieser Bereich viel von seiner früheren Eigenständigkeit verloren. In vielen Unternehmen wurde die zentrale AV nach strategischen (z. B. Verfahrensauswahl) und produktionsnahen (z. B. Arbeitsplanerstellung) Funktionen gegliedert und die produktionsnahen Funktionen direkt der Produktion unterstellt. Damit fallen bereits heute viele AVAufgaben in den Kompetenzbereich des Produktionsmanagements. Die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) ist die Übersetzungsund Mittlerfunktion zwischen Vertrieb und Produktion. In den meisten Unternehmen ist das keine sehr starke Funktion, aber eine sehr wichtige. In traditionellen Organisationen stellt die PPS oft einen Problembereich dar, da versucht wird, Aufträge und Ressourcen ohne aktuelle Kenntnisse der Situation in den Produktionsstätten termingenau zu planen. In dezentralen Strukturen wird heute die Feinterminierung der Aufträge – meist im Wochenhorizont – sowie die dafür erforderliche Personal- und Technikdisposition dem Produktionsmanagement zugeordnet. Die Stärke der Funktion der Qualitätssicherung ist sehr unterschiedlich, in Abhängigkeit vom Markt, für den produziert wird. Der bisherige Denkansatz, der auch in der DIN/ISO 9000 und der Folgeentwicklungen zu finden ist, ist von einer "unabhängigen" Qualitätskontrolle geprägt. Das führte in der Regel zu einer Qualitätssicherungs-Abteilung, die der Produktion zur Seite steht und in der Hauptsache deren Arbeit kontrolliert. In neueren Denkansätzen, oft in Verbindung mit dezentralen Strukturen, werden die Kontrollfunktionen wieder dem Produktionsmanagement zugeordnet, um die Qualitätsverantwortung eindeutig dorthin zu legen, wo die Qualität auch beeinflusst werden kann. Allerdings muss die Bestimmung der Qualitätsmerkmalswerte von dem ausführenden Mitarbeiter durch einen nicht beeinflussbaren Messprozess erfolgen. Die Qualitätssicherung konzentriert sich dann auf Prozessabnahmen und Auditierungen. Ausgangspunkt für die Gestaltung der Montageorganisation sollte der bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnte Geschäftsprozess „Auftragser-
4.3 Organisationsprinzipien in der Montage
109
füllung“ sein. Im Fall von vordefinierten Produktangeboten (KatalogAnbieter) wählt der Kunde eine Produktvariante aus oder konfiguriert diese im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. Der Geschäftsprozess „Auftragserfüllung“ wird dann durch den Auftragseingang im Unternehmen gestartet. In Abhängigkeit von der zugesagten Lieferzeit muss der Auftrag aus dem Lager bedient werden, die kundenspezifische Produktvariante wird aus bevorrateten Komponenten montiert sowie die Komponentenfertigung und/oder -beschaffung angestoßen und die Montage eingeplant. Wie bereits diskutiert, durchläuft der Geschäftsprozess dann die Aufbauorganisation und ggf. werden die benötigten Support-Funktionen aktiviert. Je nach Aufgabenbildung und Struktur in der Aufbauorganisation des Unternehmens werden dabei unterschiedlich viele Schnittstellen zwischen aufeinander folgenden Prozessschritten oder auch zwischen Hierarchiestufen „passiert“. Abbildung 4-9 verdeutlicht, wie durch die Integration von Leitungs-, Planungs- und Steuerungsfunktionen in die Wertschöpfungsprozesse bei der Prozessorganisation eine flachere Hierarchie mit gemischten Tätigkeiten auf der operativen Ebene entsteht. Grundsätzlich kann die Aufbauorganisation durch die Prinzipien Individual-Arbeit, Gruppenarbeit oder Prozessteam gekennzeichnet sein. Funktionale Organisation
Prozessorganisation Integration von:
Trennung von: Leitungsfunktionen
Leitungsfunktionen
Planungsfunktionen
Planungsfunktionen
Steuerungsfunktionen
Steuerungs- und
Wertschöpfungsfunktionen
Wertschöpfungsfunktionen
Geschäfts-
Geschäfts-
prozess
prozess
Abb. 4-9 Geschäftsprozess-Ablauf in unterschiedlichen Aufbau-Organisationen
110
4 Gestaltung der Montageorganisation
4.3.1 Individual-Arbeit Bei Individual-Arbeit kann der einzelne Mitarbeiter seine Montagearbeit weitgehend unabhängig von anderen Mitarbeitern ausführen. Dieses Prinzip wird häufig in Einzelplatz-Strukturen praktiziert. An den einzelnen Plätzen können dann sehr geringe Arbeitsumfänge realisiert werden, z. B. einfachste Vormontagen, die von einer Linie entkoppelt sind, bis hin zu großen Arbeitsumfängen, wie z. B. die Komplettmontage komplexer Baugruppen oder von Endprodukten. Wesentlicher Vorteil ist die hohe Zeitund Leistungsflexibilität für die Mitarbeiter. 4.3.2 Gruppenarbeit Die Zusammenfassung von planenden, steuernden, ausführenden, kontrollierenden und produktionsunterstützenden Tätigkeiten in dezentralen Organisationsstrukturen führt zum Prinzip der Gruppenarbeit und erfordert ein bestimmtes Maß an Selbstorganisation und Entscheidungsspielraum. Die Gesamtaufgabe der Gruppe setzt sich aus verschiedenen Einzelaufgaben zusammen. Die Grundfunktionen sollen von möglichst vielen Gruppenmitgliedern beherrscht werden, so dass innerhalb der Gruppe Austauschmöglichkeiten entstehen. Dies ergibt eine höhere "OrganisationsVerfügbarkeit" als in hochgradig arbeitsteiligen Strukturen. In Gruppengesprächen werden die anstehenden Probleme besprochen, Maßnahmen zu deren Behebung ausgearbeitet und gemeinsam umgesetzt. Die Verantwortung für die Qualität der Arbeit obliegt der ganzen Gruppe. Im Zusammenhang mit Gruppenarbeit wurde auch der aus Japan stammende Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) eingeführt. Dabei wird einer Gruppe die Aufgabe übertragen, die internen Arbeitsabläufe stetig zu verbessern. Die Gruppe ist für die eigene Arbeitsdisposition innerhalb der vorgegebenen Grenzen zuständig. Erweiterte Qualifikation und ganzheitliche Bearbeitungsaufgaben schaffen attraktive und abwechslungsreiche Arbeitsplätze und in der Konsequenz hoch motivierte Mitarbeiter. In Gruppenarbeitssystemen arbeiten in der Regel mehrere Mitarbeiter mit gleicher oder ähnlicher Qualifikation an einer Montageaufgabe. Häufig wird Gruppenarbeit in Linien-Systemen oder auch in Montageinseln praktiziert. Meist werden in der Gruppe Personaleinsatz, Arbeitszeiten und Urlaubszeiten abgestimmt. In der Praxis wurden einer Gruppe nur selten auch indirekt produktive Aufgaben, wie z. B. Wartung und Instandhaltung oder Disposition/Logistik, mit übertragen.
4.3 Organisationsprinzipien in der Montage
111
Viele Unternehmen beklagen, dass die Gruppenarbeit nicht die erwarteten Effekte bringt. Das hat mehrere Gründe: − Die Arbeitszeit- und Entgeltsysteme wurden nicht an die Organisationsform der Gruppenarbeit angepasst – starre Rahmenbedingungen behindern eine flexible Organisationsform − Die Informationssysteme wurden nicht geöffnet oder nicht auf die spezifischen Bedarfe der Gruppen abgestimmt – dadurch wird die Übernahme von Verantwortung oder Kompetenzen stark eingeschränkt − Die KVP-Abläufe sind nach der ersten Erfolgsphase, in der eine steigende Mengenanforderung mit gleich bleibendem Personalstand realisiert wurde, zum Stillstand gekommen. In einer Gruppe wird Rationalisierung, die zum Arbeitsplatzabbau führt, als unsozial empfunden. 4.3.3 Prozess-Teams Prozess-Teams sind dadurch gekennzeichnet, dass sie möglichst ganzheitliche Abschnitte eines Geschäftsprozesses einschließlich der erforderlichen indirekt produktiven Funktionen übernehmen. Häufig werden dabei auch montagefremde Funktionen, wie z. B. einfache Fertigungsarbeitsgänge, oder logistische Aufgaben dem Prozessteam zugeordnet. Es handelt es sich dabei um die Organisationsform, die am flexibelsten und wirkungsvollsten auf Veränderungen der Auftragssituation oder auf Störungen des geplanten Ablaufs reagieren kann. Die Mitarbeiterbesetzung in Prozessteams ist stabil angelegt – die erforderlichen Qualifikationen sind dauerhaft vertreten. Erforderliche Kompetenzen zur Prozessdurchführung werden dem Team übertragen, möglicherweise bis hin zu Vereinbarungen mit Prozesspartnern und Kunden über Qualität, Zeit und Kosten der Auftragserfüllung. Das Prozessteam ist darüber hinaus weitgehend autonom in der Gestaltung der Arbeitszeit und -einteilung. (Bullinger 2000-2) In der Regel bestehen mehrere parallele Teams, die mengenteilig arbeiten. Die Abstimmung und Standardisierung der Arbeitstechniken erfolgt in Projektarbeit. In der auftragsbezogenen Fertigung von kundenindividuellen Einzelprodukten hat sich eine Teilung zwischen “Auftragsvorbereitung” und “Produktion” mit Bildung entsprechender Prozessteams bewährt. Abbildung 4-10 deutet eine solche Struktur an. Wichtig ist auch die räumliche Konzentration des Teams mit ständigem Sichtkontakt. So werden Störungen im Prozessablauf der Auftragserfüllung schnell erkannt und beseitigt.
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4 Gestaltung der Montageorganisation
Prozessteam Auftragsvorbereitung - Konfiguration, Anpassungskonstruktion - Planung - Beschaffung
te uk od Pr
KundenLieferung
OK
AbstimmungsMeeting
Prozessteam Produktion - Teilefertigung - Montage - Prüfung - Versand
Verkauf und Vertrieb
ia er at M
Kundenbestellung
ge fträ Au
l
Abb. 4-10 Prozessteams zur Auftragserfüllung in der Einzelfertigung
Prozessteams, die ganzheitliche Prozessabschnitte bearbeiten, müssen interdisziplinär besetzt werden. Die Mitglieder entwickeln in der Zusammenarbeit dann eine so genannte T-Qualifikation – sie überblicken einerseits den gesamten Prozess ihres Teams und sind andererseits Experten für spezifische Aufgaben. So stellt beispielsweise ein Teammitglied die technische Machbarkeit kundenspezifischer Produktkonfigurationen sicher und veranlasst ggf. eine Konstruktionsanpassung.
4.4 Vorgehensweise zur Planung der Montage-Organisation Die Montage muss in die gesamte Wertschöpfung des Unternehmens richtig eingebunden werden. In diesem Zusammenhang sind die Konzepte der „Ganzheitlichen Produktionssysteme“ von Bedeutung, die auf Prozessorientierung, Standardisierung von Methoden, möglichst schlanke Produktions- und Logistik-Abläufe sowie Visual Management und Mitarbeiterverantwortung fokussieren. Die wesentlichen Leitlinien dafür wurden vom Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation zusammengefasst (Spath 2003).
4.4 Vorgehensweise zur Planung der Montage-Organisation
113
4.4.1 Bewertungskriterien für Montagestruktur und -organisation Grundsätzlich sollten bei der Planung von Montagestrukturen und -Organisationen mehrere Alternativen entwickelt und anhand eines Zielsystems bewertet werden. Die Bewertungskriterien lassen sich in quantitative und qualitative Kriterien zusammenfassen. Quantitative Kriterien lassen sich mit vertretbarem Aufwand für mehrere alternative Lösungen ermitteln, z. B. die erforderliche Investitionssumme, oder die Flächenbelegung. Qualitative Kriterien werden in einem Arbeitssystemwert beschrieben. Sie lassen sich nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand quantifizieren, z. B. die Flexibilität bzgl. Mitarbeitereinsatz, oder die zu erwartende Prozesssicherheit. Ein systematisches Verfahren dafür wurde bereits 1976 von H. Mezger entwickelt (Mezger 1976). Im Zielsystem für die Ermittlung des Arbeitssystemwertes, der die qualitativen Kriterien repräsentiert, sind in der Regel folgende Kriterien zu finden: − − − − − −
Flexibilität bzgl. Stückzahlen Flexibilität bzgl. Typen und Varianten Flexibilität bzgl. Mitarbeitereinsatz Qualität/Prozesssicherheit Logistik und Materialbereitstellung Qualifikationsanforderungen.
Ein Beispiel für die Zielkriterien einer Montagesystemplanung zeigt Abb. 4-11, bei dem die einzelnen Kriterien mittels paarweisen Vergleichs von einem Planungsteam bewertet und in eine Rangfolge gebracht werden. Beispielsweise ist die Stückzahlflexibilität weniger wichtig gegenüber der Flexibilität hinsichtlich Typen/Varianten oder Personaleinsatz. Qualitätssicherung und Termintreue wurden in dem Beispiel als wichtigste Kriterien bewertet. Aus den Quersummen der einzelnen Zielkriterien ergeben sich deren Gesamtpunktzahl und daraus die Rangfolge. Die Flexibilitätsbedarfe der deutschen Wirtschaft wurden im Jahr 2005 in einer Studie, die gemeinsam von Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation, der MTM-Vereinigung, des REFA-Verbands und des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft durchgeführt wurde, untersucht. Ein interessantes Ergebnis war die Anforderung an die Mitarbeiter-Flexibilität bzgl. der wöchentlichen Arbeitszeit, die im Durchschnitt mit 14,5 Studen angegeben wurde, Abb. 4-12 (Spath 2005).
114
4 Gestaltung der Montageorganisation Zielkriterien
Lfd Nr.
Bewertung Platz
Zielkriterien
1
1 Stückzahl-Flexibilität
2
3
4
5
6
7
8
0
0
1
0
0
1
2
4
7
6
1
2
0
1
1
2
9
16
3
2
0
1
1
2
9
16
3
0
0
1
1
3
5
7
2
2
2
14
25
1
2
2
10
18
2
1
5
9
5
2
4
8
2 Typen-/Varianten-Flexibilität
2
3 Personaleinsatz-Flexibilität
2
1
4 Automatisierungsmöglichkeiten
1
0
0
5 Qualitätssicherung, Nacharbeit reduzieren verkürzen, Termin 6 Durchlaufzeit treue und Materialfluss verbessern
2
2
2
2
2
1
1
2
0
7 Humanaspekte erfüllen
1
1
1
1
0
0
Integration 8 Organisatorische herstellen
0
0
0
1
0
0
…
… Pkt. %
1
… … Paarweiser Vergleich: 0 gleich, 1 wichtiger, 2 viel wichtiger
Summe:
56 100
Abb. 4.11 Beispiel für die Zielkriterien und -Bewertung
Flexibilität 70
Stunden/ Woche
60
Frage: Wie hoch ist die Flexibilitätsanforderung an Ihre Mitarbeiter in der Produktion bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit ?
50 40 Einzelwert Unternehmen X 30 20 14,5 10
Mittelwert
0 Antwortende Unternehmen
Abb. 4-12 Flexibilitätsbedarf wöchentliche Arbeitsszeit (Studie)
4.4.2 Leitfaden zur Montageplanung Der Leitfaden zur Planung von Montagestruktur- und -organisation unterscheidet sich auf der oberen Ebene nicht von einem „klassischen“ Planungsprojekt der Fabrikplanung. Bereits in den 1980er Jahren wurden die
4.4 Vorgehensweise zur Planung der Montage-Organisation
115
Themen Montagegerechte Produktgestaltung, Integrierte Produkt- und Montageplanung, und Simultaneous Engineering entwickelt, die dann in den 1990er Jahren breit behandelt und in die industrielle Praxis überführt wurden. Allerdings bestehen noch immer Potenziale in Unternehmen mit einer strengen Teilung von Produkt- und Arbeitssystementwicklung. Der Auffassung, dass der Aufwand für eine montagegerechte Konstruktion wenig sinnvoll sei, weil die Kosten für Montagearbeit durch das Angebot der Billiglohnländer vernachlässigbar seien, muss widersprochen werden. Eine montagegerechte Konstruktion zielt nämlich nicht nur auf die Reduzierung des direkten Montageaufwandes, sondern auch auf die Erhöhung der Prozesssicherheit, Vereinfachung der Logistik und Sicherstellung der Änderungsflexibilität. In jedem Fall sollte mit der Montageplanung zu einem Zeitpunkt begonnen werden, zu dem noch Einfluss und Änderungsmöglichkeit bei Produktstruktur und Bauteilgestaltung bestehen. Für die Planung von Montagesystemen sind in der Literatur bewährte Leitfäden zu finden, insbesondere z. B. der Planungsleitfaden von B. Lotter, der spezielle montagetechnische Aspekte, wie z. B. die Festlegung der Werkstückträger berücksichtigt (Lotter 1998). Weitere Hinweise finden sich in Kapitel 13. Im Folgenden wird ein Organisations- und Mitarbeiter-orientierter Planungsleitfaden vorgestellt, der in Form einer Checkliste die vier Phasen Zielsetzung und Grundlagen, Strukturplanung, Feinplanung und Implementierung unterscheidet: Zielsetzung und Grundlagen In der Phase Zielsetzung und Grundlagen sind folgende Punkte zu behandeln: − Welche Ziele werden mit der neuen Montage z. B. bzgl. Mengenausbringung, Flexibilität, Automatisierung, Mitarbeitereinsatz, etc. verfolgt? − Welche Randbedingungen sind z. B. hinsichtlich Nutzung vorhandener Flächen, Betriebsmittel, Logistiksysteme, Investitionsbudget gegeben? − Welches Mitarbeiterpotential steht am Montagestandort zur Verfügung? − Welche Kunden- und Lieferantenbeziehungen sind bereits festgelegt? − Welche technischen Randbedingungen sind gegeben, z. B. Einsatz bestimmter Maschinen oder Anlagen? − Erstellung des Produktstrukturmodells, ggf. für repräsentative Produkte, mit Informationen zur jetzigen und absehbaren Variantenbildung. − Erstellung des geplanten Vertriebs- und Produktionsprogramms.
116
4 Gestaltung der Montageorganisation
Strukturplanung In der Phase Strukturplanung müssen insbesondere folgende Punkte bearbeitet werden: − Erstellung eines Tätigkeitsmodells für die Montage auf Basis des Produktstrukturmodells, Integration von Justage- und Prüftätigkeiten. − Erstellung des Prozessmodells für die Auftragserfüllung zur Berücksichtigung der indirekt produktiven Tätigkeiten (Planung, Disposition, Beschaffung, Logistik, Qualitätssicherung, Wartung/Instandhaltung) und der Informationsflüsse. − Definition der Schnittstellen zu den Prozesspartnern. − Bildung von Aufgaben auf Basis des Tätigkeitsmodells und des Prozessmodells. − Festlegung von Montagemodulen (als Modell-Bausteine) für das Montagesystem, Zuordnung von Aufgaben zu Montagemodulen. − Planung und Festlegung des Arbeitszeitmodells. − Entwicklung von alternativen Strukturmodellen mit Berechnung der Materialflüsse und Bedarfe an Kapazität, Flächen und Finanzen. − Bewertung der alternativen Strukturmodelle an Hand der Zielsetzung und Auswahl der zu realisierenden Alternative. Feinplanung In der Phase Feinplanung stehen insbesondere folgende Punkte im Vordergrund: − Festlegung der Organisationsstruktur, Bildung von Verantwortungsbereichen. − Einbettung der Montagemodule in die Organisationsstruktur, Definition von Teams. − Ermittlung der Prozessfaktoren (z. B. Ausschuss, Nacharbeit, Produktivität, usw.) und Dimensionierung der Montagemodule. − Feinplanung der Arbeitsplätze. − Fein-Auswahl und -Dimensionierung des Logistiksystems, Planung der Material- und Informationsbereitstellung am Arbeitsplatz. − Definition von Rollen mit Beschreibung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung. − Planung der Informations- und Kommunikations-Abläufe und -Systeme. − Zuordnung von Rollen zu Mitarbeitern, Ermittlung von Qualifizierungsbedarfen. − Planung der Beschaffungs- und Implementierungsmaßnahmen.
4.5 Führung in der Montage-Organisation
117
− Planung und Festlegung von organisatorischen Details, z. B. Regeln für Kapazitätsaustausch zwischen Teams und/oder Bereichen. Implementierung In der Phase der Implementierung sind insbesondere folgende Punkte zu bearbeiten: − Qualifizierung der Mitarbeiter − Durchführung der Implementierungsmaßnahmen, Bereitstellung von Organisationshilfsmitteln − Durchführung von Optimierungsmaßnahmen − Implementierung eines KVP Die einzelnen Arbeitspunkte sind nach einem straffen Projektplan zu bearbeiten und in regelmäßigen Sitzungen zu überwachen.
4.5 Führung in der Montage-Organisation Die Führung einer Montageorganisation unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Führung anderer Produktionsbereiche wie Fertigung oder Logistik. Zunächst sind Kennzahlen zur Leistungsmessung und das Vorgehen bei unerwünschten Abweichungen zu vereinbaren. Wie bereits erwähnt, gehören die Einführung eines ständigen Verbesserungsprozesses und die Visualisierung von Prozessen und Ergebnissen zur modernen Führungspraxis. Diese vier Aspekte werden kurz erläutert. 4.5.1 Kennzahlenbasierte Regelungsmechanismen Kennzahlen können eine Mitarbeiter-orientierte Führung in einer Montageorganisation nicht ersetzen, aber sie sind ein wertvolles Hilfsmittel hierzu. Empfehlenswert ist es, die Kennzahlen an Prozesse zu koppeln, um die Prozessorientierung durchgängig zu unterstützen. Aufgrund der Probleme, die mit zentralen Planungs- und Steuerungsmethoden verbunden sind, sollten die wesentlichen Kennzahlen dezentral geführt werden. Wenn sie das Verhalten von Mitarbeitern beeinflussen sollen, müssen sie möglichst zeitaktuell und transparent zur Verfügung stehen. Kennzahlen, die von den Mitarbeitern nicht verstanden werden, oder deren Daten-Ermittlung und Berechnung nicht transparent sind, werden nur wenig akzeptiert. Natürlich muss auch die Beeinflussbarkeit durch die Mitarbeiter gegeben sein. Kennzahlen ohne Konsequenz sind wirkungslos – d.h. eine Ver-
118
4 Gestaltung der Montageorganisation
änderung der Kennzahl muss eine Reaktion der verantwortlichen Mitarbeiter oder Führungskraft auslösen und positive oder negative Konsequenzen für die Mitarbeiter haben, z. B. eine zeitnahe Veränderung einer Prämienzahlung. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen werden, besteht eine hohe Chance, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten so ausrichten, dass die Kennzahlen möglichst gut ausfallen. Mit Kennzahlen muss sehr sorgfältig gearbeitet werden – sie müssen sauber definiert und gepflegt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, und zusätzlich müssen natürlich Effekt und Aufwand gegeneinander abgewogen werden. Zur Hilfestellung wird in Abb. 4-13 ein Schema für die Definition und Bewertung von Kennzahlen gezeigt. Produktion / Unternehmen Mitarbeiter Kunde Definition
Bewertungsgröße
Bewertung nach
• Bezeichnung
• Qualität
• Messbarkeit
• Beschreibung
• Kosten
• Beeinflussbarkeit
• Zielwert
• Zeit
• Prozess
• Flexibilität
• Support
Abb. 4-13 Definitions- und Bewertungsschema für Kennzahlen
Bezugsobjekte können der Kunde, die Mitarbeiter und das Unternehmen sein. Hierfür sind Kennzahlen auszuwählen, zu definieren, Zielwerte festzulegen und ein Prozess zu zuordnen. Wichtig ist auch die Frage nach der verantwortlichen Stelle, die die Kennzahl bzw. die Messwerte liefert. Bevor die Kennzahl eingeführt wird, ist sie hinsichtlich der rechts in der Tabelle genannten Kriterien Messbarkeit und Beeinflussbarkeit zu bewerten. Hier ist stets eine Abwägung von Nutzen und Aufwand geboten. Für ein Montageteam sollten nicht mehr als fünf Kennzahlen geführt werden, z. B. Beanstandungsquote des Kunden (intern und extern), Termineinhaltung, Produktivität (Planstunden/gebuchte Stunden), Ressourcenverbrauch (relativ zu Produktionsleistung) und Fehlzeiten.
4.5 Führung in der Montage-Organisation
119
4.5.2 Umgang mit Planabweichungen und Störfällen Planabweichungen und Störfälle gehören zwar zum betrieblichen Alltag, beeinträchtigen aber die Effizienz eines Prozesses. Daher muss es oberstes Ziel der Prozessgestaltung sein, diese soweit möglich zu vermeiden. Das Ziel mit der nächsten Priorität ist, die Prozesse und Organisation so robust und flexibel zu gestalten, dass sie mit Störfällen und erforderlichen Änderungen effektiv und aufwandsarm umgehen können. Dabei lassen sich interne und externe Handlungsfelder unterscheiden. Das Organisations-interne Handlungsfeld umfasst alle Maßnahmen, die ohne Auswirkungen für Kunden, Lieferanten und Partner durchgeführt werden können, z. B. die Behebung von Montagefehlern oder eine Kapazitätsanpassung. Diese Maßnahmen sollten über Kennzahlensysteme und deren Abweichungen geregelt werden. Grundsätzlich sollten die internen Maßnahmen auch aus der Organisation selbst heraus durchgeführt werden können und initiiert werden. Z. B. sollte bei Gefährdung eines Liefertermins durch Mitarbeiterausfälle entweder durch Mehrleistung der anderen Mitarbeiter oder durch Inanspruchnahme von interner oder externer Aushilfskapazität im kurzfristigen Bereich reagiert werden. Dezentral geführte Arbeitsorganisationen sind hier in der Regel im Vorteil, da die kurzen Entscheidungswege eine schnellere und flexiblere Reaktion ermöglichen. Extern verursachte Störfälle, z. B. die kurzfristige Änderung von Aufträgen seitens des Kunden oder eine fehlerhafte Lieferung eines Lieferanten, bedürfen vor allem einer zeitnahen und sachgerechten Information und Kommunikation. Erste Aufgabe sollte es sein, die daraus entstandene Problemsituation zu lösen. In Netzwerken mit dezentralen Strukturen kann das aufwandsarm und schnell durch direkte Kommunikation zwischen den Produktionsverantwortlichen geregelt werden, ohne dass die Zentralstellen „Einkauf“ und „Vertrieb“ zwischengeschaltet werden müssen (Bullinger 2000-1). Insbesondere im Fall von Planabweichungen oder Störfällen kann durch direkte Kommunikation auf operativer Ebene häufig schneller und effektiver reagiert werden. Für „Störfälle“, die mit einer gewissen Häufigkeit auftreten, sollten Prozessabläufe und Checklisten angelegt werden, auf die die Mitarbeiter schnell zurückgreifen können. 4.5.3 KVP-Implementierung In vielen Unternehmen wurde in den 1990er Jahren im Zusammenhang mit Gruppenarbeit auch der aus Japan stammende „Kontinuierliche Verbesse-
120
4 Gestaltung der Montageorganisation
rungsprozess“ (KVP) eingeführt. Die Gruppen bekamen die Aufgabe, ihren Arbeitsablauf stetig zu verbessern. Dazu wurde Freiraum in Form von Arbeitszeit für regelmäßige Gruppenbesprechungen und Workshops gewährt. Häufig wurde aber für die Entscheidung über die Vorschläge das bestehende Verbesserungsvorschlagswesen beibehalten, das langwierig und für die Mitarbeiter nicht durchschaubar war. Es gab viele Erfolgsberichte über Produktivitätsverbesserungen durch KVP. Diese konnten allerdings zumeist vor dem Hintergrund eines starken Wachstums bei gleicher oder nur gering wachsender Mitarbeiterzahl realisiert werden. In der Phase der Stagnation oder des Rückgangs kam der KVP zum Stillstand, weil die Mitarbeiter mit Recht befürchteten, durch die Produktivitätsverbesserungen ihre Arbeitsplätze zu gefährden. Um einen KVP dauerhaft zu installieren, ist eine permanent wirkende Motivation erforderlich. Diese kann, z. B. durch Zielvereinbarungen oder dynamische Entgeltbestandteile, unterstützt werden. Unbestritten wertvoller ist es, wenn diese „Motivation“ in den Organisationseinheiten und bei den Mitarbeitern vorhanden und damit ein Bestandteil der Unternehmenskultur ist. In jedem Fall ist die Führung gefordert, diese Motivation vorzuleben und geeignete organisatorische Instrumente einzusetzen, wie z. B. eine offene Informationspolitik, systematische Prozess-Evaluierung, Verbesserungsworkshops und regelmäßige Mitarbeitergespräche. Es muss das Ziel sein, Mitarbeiter zu „Mitunternehmern“ zu machen. Dies erfordert eine Grundqualifikation in den relevanten wirtschaftlichen Zusammenhängen und eine andere Qualität der Information. Die erforderlichen Entscheidungskompetenzen innerhalb des Rahmens für den Aufgabenbereich müssen übertragen werden, und es müssen Motivationsbausteine für die Annahme der Verantwortung aufgebaut werden. Teamorientierte Prozess-Kennzahlen und innovative Entgeltkonzepte können hier eine wesentliche Rolle übernehmen. In der Montage sollte insbesondere die Verantwortung für Qualitätserfüllung und Termineinhaltung einen hohen Stellenwert haben – dazu müssen Kompetenzen für Teileversorgung, Ressourceneinsatz (Mitarbeiter-Arbeitszeiten, externes Personal) und z. B. auch Betriebsmittel-Wartung und Instandhaltung sowie Optimierung an das Team übertragen werden. 4.5.4 Visual Management Der Begriff Visual Management ist sehr weit reichend – er steht einerseits für Bodenmarkierungen zur Materialbereitstellung, Ampelsysteme in einer verbrauchsgeregelten Logistik, und Gruppen-Informationstafeln mit Aus-
4.5 Führung in der Montage-Organisation
121
hängen zur Entwicklung von Mengen- und Qualitätsleistung sowie Fehlzeiten. Damit werden primär Ordnungs- und Informationsfunktionen im Regelprozess unterstützt. In einer erweiterten Sicht für dezentrale Strukturen sollten durch Visual Management auch „echte“ Management-Aufgaben unterstützt werden, wie die Behandlung von Ausnahme-Situationen. Diese gemeinhin auch als „Störfälle“ bezeichneten Abweichungen vom Regelprozess kosten meist viel Effizienz, da die Mitarbeiter auf diese Situationen nicht vorbereitet sind. Neben den bereits angesprochenen Regelungen für Verantwortung und Kompetenzen ist ein dezentrales Informationsmanagement eine wesentliche Voraussetzung, um schnelle und richtige Entscheidungen im Rahmen eines erweiterten Visual Managements zu unterstützen. Abb. 4-14 deutet eine solche zentrale Informationsdatei an, auf welche die verschiedenen Anwendungen Prozessregelung, Information und Optimierung zugreifen. Vielfach sind heute derartige Systeme als kompatibler Baustein zu einem vorhandenen ERP-System (Enterprise Resource Planning) verfügbar. Auch hier ist immer wieder eine nüchterne Abwägung zwischen Nutzen und Aufwand erforderlich.
Prozess-Optimierung
Prozess-Regelung • Kennzahlensysteme • Tracking- und Abrufsysteme • Entscheidungs-Support • Checklisten für SonderSituationen
Zentrales DV-System
Dezentrale Anwendungen
Prozess-Information • Auftragsdaten • Produktinformation • Kunden- und Lieferanteninformation • Betriebswirtschaftliche Information
Abb. 4-14 Erweitertes Visual Management-Konzept
• Analyse und Szenarien • KVP-Support • Kreativitäts-Support • Wissensbasis für Industrial Engineering
122
4 Gestaltung der Montageorganisation
4.5.5 Dezentrales Informationsmanagement In Produktionsunternehmen dominieren heute noch überwiegend zentral organisierte Informationssysteme, denen die klassische PPS-Philosophie zugrunde liegt. Es wurde zwar erkannt, dass in den meisten Produktionen eine Detailplanung mit diesen Systemen nicht sinnvoll ist, und dass auch die Anfang der 1990er Jahre verfolgten Leitstandsansätze zur DetailPlanung und Steuerung überwiegend gescheitert sind. In einem dynamischen Kundenmarkt ist weniger eine detaillierte Planung und Steuerung, sondern mehr Regelung gefordert, insbesondere in Netzwerk-Produktionsverbünden. Die verbrauchsgesteuerte Materialwirtschaft mit Einsatz von Just-in-time und Kanban-Systemen hat sich auf breiter Front durchgesetzt. Dezentrale Regelkreise dieser Art zwischen den operativen Organisationseinheiten von Kooperationspartnern könnten noch weiter ausgebaut werden, wenn die entsprechenden Systeme für ein dezentral basiertes Informationsmanagement implementiert werden. Abbildung 4-15 skizziert diesen Ansatz im rechten Bildteil und stellt ihn der Lösung in einer funktionalen Organisation gegenüber. Die wesentlichen Anforderungen an solche Systeme sind − − − −
Unterstützung von Prozess-Monitoring und -Auswertung, mehrfache (und gleichzeitige) Informationsbereitstellung, Entscheidungsunterstützung zur Behandlung von „Störfällen“ und integrierte Möglichkeiten zur horizontalen Kommunikation. Funktionale Organisation
Prozessorganisation
mit zentraler Information
mit dezentraler Information Team 1
InfoSystem 1
InfoSystem 2
Team 2
Team 3
Vertrieb
V
V
Entwicklung/ Konstruktion
E
E
E
E
Produktion u. Fertigung Montage
P
P
P
P
Qualitätswesen
Q
Q
Team 4
V
P
Q
Netzpartner A
Netzpartner B
V
Vertriebsspezifische Informationen und Wissen
P
Produktionsspezifische Informationen und Wissen
E
Entwicklungsspezifische Informationen und Wissen
Q
Qualitätsspezifische Informationen und Wissen
Abb. 4-15 Dezentrales Informationsmanagement – Anforderungen
4.6 Zusammenfassung
123
Das Informationsangebot zur Auftragsabwicklung betrifft das Produkt und Material, die internen Produktionsvorgänge zur Abwicklung des externen Kundenauftrags, die zur Verfügung stehenden Arbeitsstationen und Betriebsmittel sowie sämtliche benötigten Unterlagen zur Fertigung eines Produkts in einer Station. Die Daten können größtenteils den vorhandenen PPS- und CAD-Systemen entnommen werden. Im Unterschied zu klassischen PPS-Systemen erfolgt die Einplanung von Produktionsvorgängen nicht für einzelne Stationen, sondern nur für ganze Arbeitsgruppen. Die Zahl der zu planenden Vorgänge wird so erheblich reduziert. Als Beispiel soll ein Team dienen, das Modellbahn-Wagen montiert, die sich aus einer Bodenplatte mit Anbauteilen, Drehgestellen mit Kupplungen und Aufbauten mit Anbauteilen zusammensetzen. In der „klassischen“ PPS-Planung wurden hierfür vier Arbeitspläne vorgesehen und vier Montageaufträge terminlich eingeplant: Vormontage Bodengruppe, Vormontage Drehgestelle, Vormontage Aufbau und Zusammenbau. Die geplante Durchlaufzeit belief sich auf 5 Arbeitstage, bei einem Arbeitsumfang von ca. 200 Minuten für 100 Wagen als typische Losgröße. Nach Umstellung auf einen Arbeitsplan „Komplett-Montage“ mit dezentraler Regelung von Arbeitsfolge, Mitarbeiter- und Betriebsmitteleinsatz konnte die Durchlaufzeit auf einen Tag reduziert werden. Zur Unterstützung der Selbststeuerung und eigenverantwortlichen Disposition benötigen die Teams verdichtete Informationen, z. B. über die zu erwartenden Aufträge, über die Entwicklung der Materialbestände sowie die voraussichtliche Auslastung und Verfügbarkeit von Produktions- und Mitarbeiterkapazitäten. Dabei muss den Teams ein genügend großer Vorschauhorizont gegeben werden, um den erforderlichen Dispositionsspielraum für die dezentralen Einheiten zu schaffen. Die "tägliche Auftragsliste" z. B. ist hierfür ungeeignet. Ohne Kenntnis der anstehenden Aufträge für die nächsten Tage kann kein Team eigenverantwortlich den Kapazitätsbedarf und somit den Mitarbeitereinsatz richtig disponieren.
4.6 Zusammenfassung Die Organisation der Montage unterlag – nicht zuletzt durch Veränderungen der Technologien wie z. B. die Möglichkeiten zur flexiblen Automatisierung – unterschiedlichen Trends, die Spath diskutiert und bewertet hat (Spath 2004). Montagesysteme stehen im internationalen Wettbewerb, und da lauten die Trumpfkarten für den Standort Deutschland „Qualität“ und „Flexibilität mit einem angepassten Automatisierungsgrad“. Bei diesen
124
4 Gestaltung der Montageorganisation
Rahmenbedingungen sind dezentrale Strukturen mit hoher Einbindung der Mitarbeiter in Verantwortung und Kompetenzen nach wie vor zukunftsweisend – aber sie erfordern auch ein Umdenken und innovative Lösungen im Informationsmanagement und in der Führung.
Literaturverzeichnis Bullinger H-J (1983) Vorgehensweise und Realisierung von Fertigungssystemen. In: Wettbewerbsfähige Arbeitssysteme. Tagungsband zur 2. IAO-Arbeitstagung 1983 FPF 1983 Bullinger H-J (1986) Systematische Montageplanung. Carl Hanser-Verlag München Wien 1986 Bullinger H-J, Richter M (1994) Höhere Wettbewerbsfähigkeit durch Kundenorientierung und Kostenreduzierung in der Montage In: Münchner Kolloquium 94 „Unsere Stärken stärken: Der Weg zu Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung“ S 253–280 Milberg/Reinhart (Hrsg) Verlag Moderne Industrie Landsberg/Lech Bullinger H-J u. Richter M (2000-1) Organisationsform Netzwerk – Chancen Risiken Leitlinien In: Tagungsband zum IAO-Produktionsforum „Produktionsmanagement im Netzwerk“ IRB-Verlag Stuttgart Bullinger H –J, Gerlach S, Rally P u. Richter M (2000–2): Prozessgestaltung und dezentrales Informationsmanagement in Montageinseln. In: Landau K (Hrsg): Ergonomie und Organisation von Montageprozessen. Carl Hanser-Verlag München Wien Richter M (2002) Innovative Arbeitswelten und Human Ressources In: Bullinger H -J (Hrsg ) Technologiemanagement – Forschen und Arbeiten in einer vernetzten Welt. Springer-Verlag Berlin Heidelberg Lotter B, Spath D u. Baumeister M (2002) Verrichtungsweise Montage komplexer Produkte in hybriden Montagesystemen In: wt Werkstatttechnik online 92 (2002) 9 Lotter B, Hartel M u. Menges R (1998) Manuelle Montage – wirtschaftlich gestalten. expert-Verlag Renningen-Malmsheim Mezger H (1976) Planung und Bewertung von Arbeitssystemen in der Montage. Diss. Universität Stuttgart Refa (1987) Autorenkollektiv: Refa Methodenlehre der Betriebsorganisation – Planung und Gestaltung komplexer Produktionssysteme. Carl Hanser-Verlag München Wien Spath D (Hrsg) (2003) Ganzheitlich produzieren – Innovative Organisation und Führung. LOG_X Verlag Gmbh Stuttgart 2003
Literaturverzeichnis
125
Spath D, Koch S, Rally P u. Richter M (2004) Lessons Learned – Gescheiterte Trends in der Montage In: Tagungsband zum 18 Deutschen Montagekongress München Spath D (2005) Flexibilität in der deutschen Wirtschaft – Wunsch oder Realität? In: Tagungsband zum 2. Berliner Kongress Arbeit und Organisation „Mit Flexibilität zum Unternehmenserfolg – Deutschland im Wettbewerb der Standorte“. Berlin 09/10.05
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
5.1 Einleitung Wie das Wort „manuell“ (lat. manus: Hand; engl. manual: von Hand) besagt, werden bei der manuellen Montage die Montagevorgänge durch den Menschen ausgeführt. Hier steht der Mensch wie bei kaum einem anderen Fertigungsprozess im Mittelpunkt. Durch den Einsatz seiner Hände, seiner Fingerfertigkeit, seiner Sinnesorgane und seiner Intelligenz führt er unter Inanspruchnahme von Hilfsmitteln, wie Werkzeuge, Vorrichtungen und Lehren, die Montagevorgänge aus. Die Leistungsfähigkeit eines Menschen ist von einer Reihe Faktoren wie Arbeitsplatz- und Raumgestaltung, Klima, Lärm, und – nicht zu vergessen – vom viel zitierten Betriebsklima sowie seiner persönlichen Disposition abhängig. Er ist nicht in der Lage, über eine Schicht von 7 bis 8 Stunden eine gleich bleibende Leistung zu erbringen. Abbildung 5-1 zeigt als Beispiel den typischen Verlauf der individuellen Leistungskurve eines Menschen während einer Normalschicht von 6 bis 14 Leistung [%] 100% = Normalleistung 110
100
90 Mittagspause
Zeit [Std] 1
2
3
4
5
6
7
8
Abb. 5-1 Typischer Verlauf der menschlichen Leistung in Prozent der Normalleistung (Kaminsky)
128
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Uhr. Notwendig ist es, durch eine sinnvolle Pausenregelung diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Um die Arbeitsleistung dauerhaft ohne gesundheitliche Schäden zu erhalten und die Arbeit zu erleichtern, ist die ergonomische Gestaltung der Arbeitsbedingungen gemäß den anerkannten arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen nicht nur notwendig, sondern eine Verpflichtung, die im Betriebsverfassungsgesetz verankert ist (Landau Luczak 2001). Darüber hinaus wird durch diese Gestaltung der Montagearbeitsplätze nicht nur der Ermüdungsgrad der Arbeitenden gesenkt, sondern auch die Ausschussquoten gegenüber nicht optimal gestalteten Arbeitsplätze sind deutlich geringer (Lotter 1992). Neben der menschengerechten Gestaltung sind weitere Anforderungen zu erfüllen, die Abb. 5-2 in einer knappen Übersicht zeigt. Wirtschaftlichkeit • Montageprinzip (stückweise, verrichtungsweise) • Beachtung PrimärSekundäraufwand
Ausrüstung
Lebenszyklus
• Grundaufbau produktneutral • Teileversorgung auftragsgebunden • Mechanisierungsgrad
• Nachrüstungsfähigkeit auf automatisierten Ablauf • Verkettungsfähigkeit • Umrüstfähigkeit
Manueller Montagearbeitsplatz
Mensch • Ergonomie • Arbeitsschutz • Selbstprüfung
Abb. 5-2 Anforderungen an die Gestaltung manueller Arbeitsplätze
Neben den bereits erwähnten menschbezogenen Forderungen ergonomischer und sicherheitstechnischer Art spielt die Qualitätsprüfung durch denjenigen, der die Arbeit durchgeführt hat (sogen. Werkerselbstprüfung) eine große Rolle, da sie die Weitergabe von Fehlern vermeidet. Hinsichtlich der Arbeitsplatzausrüstung ist die Montagetätigkeit durch mechanische Hilfsmittel zu unterstützen, insbesondere bei qualitätsbestimmenden Vorgän-
5.2 Hinweise zur Arbeitsplatzgestaltung
129
gen, wie z. B. Schrauben eindrehen. Der Grundaufbau der Einrichtungen ist weitgehend produktneutral zu wählen und die Teilebereitstellung gewinnt angesichts der zunehmenden Produktkomplexität und der Teilevielfalt einen besonderen Stellenwert. Wegen der Varianten- und Stückzahländerungen im Lebenszyklus eines Produktes sollte die Nachrüstung eines Arbeitsplatzes auf einen automatisierten Ablauf möglich sein, ebenso wie die Verkettungsfähigkeit und Umrüstfähigkeit. Über allem darf die Wirtschaftlichkeit nicht aus dem Blick geraten, wozu insbesondere das Montageprinzip und die ausführlich erläuterte Vermeidung von Verschwendung durch eine sorgfältige Primär-Sekundär-Analyse zählen.
5.2 Hinweise zur Arbeitsplatzgestaltung Unabhängig von einer bestimmten Montageorganisationsform, wie z. B. Einzelplatzmontage und Linienmontage, muss jeder Einzelarbeitsplatz ergonomischen Grundsätzen entsprechen. Das bedeutet, dass er die individuellen Körpermaße und Bewegungsmöglichkeiten (Mann/Frau, Nordeuropäer/Südeuropäer) zu berücksichtigen hat. Arbeitshöhe, Sitzhöhe, Greifraumweite und -höhe müssen einfach veränderbar sein, z. B. bei Personalwechsel. Wichtig ist weiterhin, dass der Arbeitende nach Möglichkeit zwischen sitzender und stehender Tätigkeit jederzeit frei wählen kann. Abbildung 5-3 zeigt hierzu das Sitz-Stehkonzept mit eingezeichnetem Greifraum für einen Montagearbeitsplatz. Die Arbeitstischhöhe bleibt bei beiden Arbeitshaltungen gleich. Für die sitzende Tätigkeit kommt ein in Sitzhöhe, Sitzneigung, Lehnenhöhe und Lehnenneigung verstellbarer Drehstuhl zum Einsatz. Die Ausrüstungsindustrie bietet für Montagearbeitsplätze modulare Baukastensysteme an, deren wesentliche Merkmale und Abmessungsrichtwerte in Katalogen festgelegt sind und rechnerunterstützt zusammengestellt werden können. Abbildung 5-4 zeigt ein entsprechendes Beispiel. Weitere Beispiele zeigen Abb. 5-9, 5-23 und 5-30. Folgende Grundsätze sind bei der Arbeitsplatzgestaltung besonders zu beachten: − Der Greifbereich sollte innerhalb eines horizontalen Blickwinkelbereichs von 35 Grad nach rechts und links liegen. Die Montagevorrichtung und somit der Fügebereich sollen im optimalen Blickwinkelbereich von 15 Grad nach rechts und links liegen. Dies gilt auch für die Bereitstellung der am häufigsten zu greifenden Einzelteile. Bei einem Blickwinkel und Greifraum deutlich über 35 Grad werden Kopf- und teilweise Körperdrehungen notwendig, die Sekundäraufwand bedeuten.
130
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Abb. 5-3 SitzSteharbeitsplatz mit Greifraum (Bosch Rexroth) Bezeichnung
s s
e
Maße (mm)
Arbeitsflächenhöhe
a
Sitzhöhe
b
900 - 1080 250 - 300
Arbeitsflächenunterc kante bis Arbeitsstelle
möglichst klein halten
Arbeitsstellendistanz
e
0 bis 325
Fußraum bis Arbeitsstelle
f
max. 150
Arbeitshöhe
h1 h2
350 - 550 1000 - 1250
c
h1 max. 300
k
Bezeichnung b
a
Maße (mm)
h2 Fußfreiraum
i
min. 120
Kniefreiraum
k
520 - 270
Sehabstand
s
abhängig von der Sitzflächenhöhe
f
Beinraumtiefe
t1 min. 350
t1
Fußraumtiefe
t2 min. 800
Fußneigung
α
α
i
t2
Abb. 5-4 Standardmaße eines Sitz-Steharbeitplatzes (Bosch)
5 - 10 Grad
5.3 Montageablaufprinzipien
131
− Teilehandhabungen, die zwangsläufig mit Körperbewegungen wie Körperdrehungen, Gehen, Beugen und Aufrichten verbunden sind, sind zu vermeiden. Sie erhöhen die Handhabungszeiten und können zu krankheitsbedingter Leistungsminderung führen. − Greif- oder Fügevorgänge über Herzhöhe sind ebenfalls zu vermeiden. Die Blutzirkulation wird sonst beeinträchtigt und hat zur Folge, dass die Leistung des Mitarbeiters schnell abnimmt. − Eine schattenfreie Beleuchtung ist außerordentlich wichtig. Für die meisten Montageaufgaben liegt die Standardlichtintensität bei 500 Lux. Bei sehr kleinen Bauteilen, komplizierten Montagevorgängen und hoher Fügegenauigkeit werden 1000 bis 1500 Lux benötigt. − Die Einzelteilebereitstellung sollte möglichst mit Greifbehältern erfolgen, die mit einer Greiflippe oder Greifzunge ausgerüstet sind. − Große Teilebehälter, die nicht mehr auf dem Montagetisch platziert werden können, sind auf höhenverstellbaren Kistenhubgeräten oder Materialwagen bereit zu stellen.
5.3 Montageablaufprinzipien Bei einer manuellen Montage hängen die Montagezeit und andere Effektivitätskenngrößen davon ab, wie viele gleichartige Produkte am Arbeitsplatz aufgelegt werden und wie der Arbeitsablauf gestaltet wird. Befindet sich nur ein Produkt am Arbeitsplatz, ist eine Montage Stück für Stück unabdingbar. Können dagegen besonders bei kleinen Produkten mehrere Produkte am Arbeitsplatz aufgelegt werden, dann ist sowohl eine stückweise als auch eine verrichtungsweise Montage möglich. − Bei der stückweisen Montage wird zunächst das erste Produkt eines Loses schrittweise zusammengebaut, und das nächste wird erst dann in Angriff genommen, wenn alle Montagevorgänge am ersten Produkt ausgeführt sind. Der Vorgang wiederholt sich, bis das ganze Los montiert ist. − Bei der verrichtungsweisen Montage wird zunächst der Arbeitsplatz mit einem definierten Satz gleicher Teile bestückt und dann der jeweils erste Montagevorgang an allen aufgelegten Produkten ausgeführt. Der nächste Montagevorgang wird erst dann in Angriff genommen, wenn die vorhergehenden Vorgänge an allen Produkten ausgeführt worden sind. Ist das Los größer als die Anzahl der am Arbeitsplatz auflegbaren Produkte, wiederholt sich der Ablauf entsprechend.
132
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
− Welche der beiden Ablaufprinzipien wirtschaftlicher ist, wird unabhängig von einer Einzelplatz- oder Fließmontage, von der Produktgrundfläche und dem Produktionsvolumen bestimmt. Abbildung 5-5 zeigt als Beispiel eine von der Produktgrundfläche ausgehende Zuordnung zu einer stückweisen bzw. verrichtungsweisen Montage. Montageprinzip
Stückweise Montage
Produktgrundfläche
> 1.500 cm2
Verrichtungsweise Montage
< 1.500 > 250cm2
• Maschinen
• Geräte allgemein
• Anlagen
• KFZ- Komponenten
• Großhaushaltsgeräte
• Elektrogeräte
• Motoren
• Maschinenbaugruppen
• Getriebe
• Hydraulikkomponenten
Beispiele
< 250cm2 • Feinwerktechnische Geräte • Elektronische Baugruppen • Kleinhaushaltsgeräte • Pneumatikkomponenten
Abb. 5-5 Zusammenhang zwischen Produktgrundfläche und Montageprinzip
5.3.1 Stückweise Montage Bei industriellen Produkten hat die stückweise Montage den breitesten 2 Anwendungsbereich. Für Produkte mit einer Grundfläche über 1500 cm , wie z. B. Maschinen oder Großhaushaltsgeräte, besteht insbesondere im Endmontagebereich keine wirtschaftliche Alternative zur stückweisen Montage. Im Kleingerätebereich wird bei der Einzelplatzmontage ein stückweiser Ablauf dann notwendig, wenn der Arbeitsinhalt groß und das Produktionsvolumen gering ist. Im Bereich der Fließmontage für Produkte mit einer Produktgrundfläche 2 über 250 cm und der hieraus resultierenden Werkstückträgergröße ist ebenfalls die stückweise Montage weit verbreitet. 5.3.2 Verrichtungsweise Montage Die verrichtungsweise Montage ist durch die Wiederholung einzelner Montagevorgänge gekennzeichnet und erfordert weniger Zeitaufwand gegenüber der stückweisen Montage, weil sich Sekundäraufwendungen (z. B. Werkzeugwechselzeiten) stückbezogen nur anteilig auswirken. Auch können Kleinteile (z. B. Schrauben, Scheiben usw.) nicht einzeln, sondern
5.3 Montageablaufprinzipien
133
in Mengen (handvoll) gegriffen werden. Damit werden Hinlang- und Bringbewegungen eingespart, und es wird ein hoher Übungsgrad erreicht. Auch besteht die Möglichkeit zur beidhändigen Synchronarbeit, und der Bewegungsablauf wird vereinfacht. Gegenüber der stückweisen Montage verringern sich zum einen die Sekundärvorgänge und durch den höheren Übungsgrad zum anderen die Prozesszeiten. Dadurch sind Produktivitätssteigerungen in Abhängigkeit von der Komplexität des Produktes und vom Schwierigkeitsgrad der einzelnen Fügevorgänge bis zu 40 % erreichbar. Ein verrichtungsweiser Arbeitsablauf beeinflusst jedoch nicht nur die Montagekosten, sondern auch die Montagequalität. So haben Untersuchungen ergeben, dass sich durch die Bewegungswiederholung Mittelwert und Streuung funktionsrelevanter Produktmerkmale deutlich verbessern. Die Effektivität einer Montage mit Bewegungswiederholung wird durch die Art der Arbeitsplatzgestaltung wesentlich erhöht. Abbildung 5-6 zeigt eine Auswahl prinzipieller technischer Lösungen. Lösung a) besteht darin, Mehrfach-Werkstückträgerpaletten auf einem genügend großen Montagetisch manuell in die Fügeposition zu verschieben. Bei den Lösungen b) bis d) werden die Werkstückträger, ausgelöst durch den Werker, mechanisch in die optimale Fügeposition bewegt. Dies geschieht bei der Lösung b) durch einen Drehteller, bei den Lösungen c) und d) durch Transportketten.
Prinzip a) Mehrfachpalette
b) Drehteller
Erläuterung • Unterschiedliche Paletteninhalte an einem Arbeitsplatz einsetzbar
Prinzip c) Werkstückträgerkette oval umlaufend
Erläuterung • bis 50 Werkstückträger • Transferbewegung - intermittierend oder - kontinuierlich
• bis 20 Teileaufnahmen je Palette
• Einfügen von Automatikstationen möglich
• einfache Verkettung
• nicht verkettbar
• manuelle Weitergabe
• flexibler Arbeitskräfte einsatz
• bis 40 Teileaufnahmen je Drehteller • beliebige Drehrichtung • Transferbewegung - intermittierend oder - kontinuierlich • Einfügen von Automatikstationen möglich
d) Werkstückträgerkette mäanderförmig
• 25,50 oder 100 Werkstückträger • Transferbewegung - intermittierend oder - kontinuierlich • einfache Verkettung durch schiengeführte Weitergabe
Abb. 5-6 Technische Lösungen für die Gestaltung von Arbeitsplätzen mit Bewegungswiederholung
134
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Anzahl aufgelegte Produkte [Stück]
Das Prinzip der Bewegungswiederholung ist nicht an bestimmte Organisationsformen gebunden, sondern sowohl für einzelne als auch verkettete Arbeitsplätze geeignet. Es wird bevorzugt für Produkte mit 10 bis 100 Einzelteilen und einer projizierten Produktgrundfläche bis 150 mm x 150 mm angewendet. Dabei ergibt sich erwartungsgemäß eine Abnahme der Anzahl der aufgelegten Produkte mit zunehmender Erzeugnisgröße. Abbildung 5-7 zeigt das Ergebnis einer Erhebung über das Anwendungsgebiet des Prinzips der Bewegungswiederholung bei manueller Montage von 25 unterschiedlichen Produkten. Grenzwerte sind sicher die Armbanduhr mit einer Auflage von 100 Produkten und der Mopedmotor mit der Auflagezahl 8. Ein genereller Trend, ob aus einer mechanisierten Teilebereitstellung eine mehr oder weniger große Auflagenzahl resultiert, lässt sich aus der Erhebung nicht ableiten. Jedoch ist ein erheblicher Einfluss auf die Nebenzeiten und damit den Primäraufwand zu erwarten. Armbanduhr
100 90
mit angepasster Teilebereitstellung ohne angepasste Teilebereitstellung mit Nennung Montageobjekt
80 70 60 el. Wecker
Zähler
Uhrwerk
50 Blinkschalter 40 Leitungsschutzschalter 30
Nockenschalter
20
Motorschutzschalter Lautsprecher Lichtmaschine 100 200 300 400 500
Magnetbaugruppe
10 0
Induktionsmotor
Telefonwählscheibe Entstörkombination Kupplung
Entlüfter 10
20
30
40 50
Mopedmotor Setzstock 1000
2000
Projizierte Grundfläche [cm2]
Abb. 5-7 Anwendungsgebiet des Prinzips der Bewegungswiederholung bei manueller Montage (Al-Kashroum)
Systematische Primär-Sekundär-Feinanalysen der Montage zahlreicher Produkte in mehreren Unternehmen belegen nämlich, dass die Montagezeit von der Art des Arbeitsablaufes (stückweise, verrichtungsweise) und beim verrichtungsweisen Zusammenbau von der Anzahl der aufgelegten Produkte abhängt. Von Einfluss ist ferner die Arbeitsplatzgestaltung, wie sie in Abb. 5-6 skizziert wurde.
5.3 Montageablaufprinzipien
135
Die Zusammenhänge zwischen dem Zeitbedarf pro Stück und der Auflagenhäufigkeit wurden für eine manuelle Montage an konventionellen Arbeitsplätzen ermittelt. Ausgewertet wurden insgesamt 40 Fälle. Um die Einflussgrößen zu verdeutlichen, wurden neben der Auflagenzahl n (= Anzahl gleichzeitig aufgelegter Produkte) die zwei Einflussgrößen A (projizierte Grundfläche des Produktes einschließlich Vorrichtung oder Werkstückträger) und pn (Nebenzeitanteil an der Montagezeit) erfasst. Der Nebenzeitanteil pn ist bezogen auf die Montagezeit pro Stück und definiert als: t tn (Gl. 5.1) pn = n ⋅ 100% = ⋅ 100% (t h + t n ) tt mit t n tt th
Nebenzeit in s Tätigkeitszeit = Montagezeit pro Stück in s Hauptzeit in s
Für die beiden Größen A und pn wurden Klassen gebildet und die Untersuchungsobjekte in diese eingeordnet. Die Mittelwerte aller Objekte einer Klasse bestimmen den jeweiligen Montagezeitverlauf pro Stück, den Abb. 5-8 in Abhängigkeit von der Auflagenzahl n für fünf exemplarische Klassen darstellt. Montagezeit pro Stück [%] 100
4
A = 100 - 1.000 cm 2, pn < 25% A = 10 – 100 cm 2, pn < 25% 2
80
3 60 1
A = 10 - 100 cm 2, pn = 25 - 50% 2 5 A = 100 - 1.000 cm , pn = 25 - 50%
A = 1 - 10 cm2, p n = 25 - 50%
A Projizierte Grundfläche [cm 2] p n Sekundäraufwand bezogen auf t t in % (tt = Tätigkeitszeit nach REFA = Hauptzeit tt + Nebenzeit t n)
40
20
X
5 Objektklassen (Basis: 40 Fälle)
0 1
2
3
4
5
6 7 8 9 10
20
30
40 50 60
Anzahl aufgelegter Produkte
Abb. 5-8 Montagezeitverlauf in Abhängigkeit von der Auflagenzahl (Al-Kashroum)
136
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Die Hauptursache für die anfängliche Montagezeitdegression liegt darin, dass die Nebenzeiten für das Aufnehmen und Ablegen notwendiger Werkzeuge, das Hinlangen und Bringen mengenmäßig (nicht einzeln) gegriffener Bauteile sowie das mengenmäßige Ablegen montierter Baugruppen unabhängig von der Auflagenzahl n nur einmal anfallen. Der im Bereich kleiner Auflagenzahlen typische, degressiv abnehmende Verlauf der Montagezeit ist besonders stark ausgeprägt, wenn beispielsweise zur Ausführung viele Werkzeuge erforderlich sind und damit der Sekundäranteil an der Tätigkeitszeit groß ist (Kurven 1, 3 und 5 in Abb. 5-8). Weiterhin ist erkennbar, dass bei kleinen Produktabmessungen das Zeitaufwandsminimum bei großen Auflagewerten n liegt und umgekehrt. Die Ursache liegt darin, dass eine Erhöhung der Anzahl aufgelegter Produkte bei großen Produkten zu größeren konventionellen Arbeitsplätzen führt als bei kleineren Produkten und damit zur Zunahme des Sekundäraufwandes für längere Greifwege und eventuelle zusätzliche Körperbewegungen. Für die manuelle Montage an Arbeitsplätzen mit technischen Einrichtungen zur Anwendung des Prinzips der Bewegungswiederholung gilt folgender Zusammenhang: p t t = (100 − pn ) + n (Gl. 5.2) n
mit: t t pn n
normierte Taktzeit in % Nebenzeitanteil bei stückweiser Montage in % Auflagenhäufigkeit in Stück
Eine Vergrößerung von n führt zur Abnahme der stückbezogenen Montagezeit ohne späteren Anstieg. Die Nebenzeiten für den Bewegungsvollzug bleiben unverändert, weil die eingesetzten Ausrüstungssysteme jeweils nur eines der am Arbeitsplatz vorhandenen Produkte an konstanter Arbeitstelle im ergonomisch günstigen Arbeitsbereich bereitstellen (Lotter, Schilling 1994).
5.4 Einzelplatzmontage 5.4.1 Einzelmontageplatz für stückweisen Ablauf
Die Einzelplatzmontage für den stückweisen Montageablauf ist die einfachste Form der Montage. Hier werden alle Vorgänge, die für die Montage eines Produktes notwendig sind, an einem Platz aufeinander folgend
5.4 Einzelplatzmontage
137
durchgeführt. Arbeitsplatz und Arbeitskraft sind stationär. Vorwiegend kommen Einzelmontageplätze dann zum Einsatz, wenn die Montageaufgabe auf Grund der vorgegebenen Losgröße und festgelegten Arbeitsinhalte auf einem Einzelplatz durchgeführt werden kann. Die Arbeitsplätze sind in der Regel jeweils für ein Produkt einschließlich seiner Produktvarianten eingerichtet. Die Vorteile der Einzelplatzmontage liegen in ihrem geringen Planungsaufwand, der großen Flexibilität bei Veränderungen von Stückzahl und Typen sowie in der Tatsache begründet, dass Störungen keine unmittelbaren Auswirklungen auf andere Arbeitsplätze haben. Auch das individuelle Leistungsverhalten des Mitarbeiters wirkt sich nicht auf andere Arbeitsplätze aus und variable Kurzpausen sowie gleitende Arbeitszeiten sind möglich. Als Nachteil erweist sich, dass diese Arbeitsplätze bei geringer Auslastung nur sporadisch beschäftigt sind. Auch der umgekehrte Fall wirkt sich nachteilig aus. Wenn in Folge steigenden Produktionsvolumens mehrere Plätze mit teuren Montagevorrichtungen ausgerüstet werden müssen, wird ein hoher Kapitalaufwand erforderlich. Abbildung 5-9 zeigt ergonomisch gestaltete manuelle Einzelmontageplätze aus einem Baukastensystem für vergleichsweise einfache Produkte in verschiedenen Ausführungen. An den linken Arbeitsplatz werden Vorprodukte in Kanban-Behältern auf Rollenbahnen zugeführt, mit unter
Abb. 5-9 Varianten für manuelle Montagearbeitsplätze (Werkbild Bosch Rexroth)
138
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
schiedlichen Werkzeugen verbaut und über die unter dem Tisch angebauten Rollenbahnen zur Abholung bereitgestellt. Der mittlere Arbeitsplatz unterscheidet sich im Wesentlichen durch die Art der Teilebereitstellung. Der rechte Arbeitsplatz zeigt einen einfachen Arbeitstisch mit Armauflagen, der die Kleinteile über fest positionierte Greifbehälter bereitstellt. Alle Arbeitsplätze ermöglichen eine Sitz- oder Stehposition. Werden derartige Arbeitsplatzformen für sehr komplexe Produkte eingesetzt und ist die Bereitstellung einer großen Anzahl unterschiedlicher Teile notwendig, sind Greifbewegungen über Schulterhöhe nicht zu vermeiden. Damit steigt der Sekundäraufwand durch überlange Greifwege, die Wirtschaftlichkeit wird reduziert und es sind negative gesundheitliche Auswirkungen für den Werker zu befürchten. Kurze und gleich bleibende Greifwege bei gleichzeitiger Bereitstellung einer Vielzahl von unterschiedlichen Einzelteilen lassen sich mit Hilfe eines Vertikalumlaufspeichers (sogen. Teilepaternoster) erreichen. In den Arbeitstisch ist dann nach Abb. 5-10 ein Teilepaternoster integriert. Entsprechend ihrer benötigten Reihenfolge können die Teile aus den durch eine Öffnung zugänglichen Teilebehältern entnommen werden. Der Greifweg von der Fügeposition zum Greifbehälter ist dadurch für alle Teile gleich groß. Wurden ein oder auch mehrere Teile aus dem positionierten
Greifweg
Teilepaternoster
Nachfülltür
Abb. 5-10 Teilebereitstellung an einem Arbeitsplatz mit Teilepaternoster
5.4 Einzelplatzmontage
139
Behälter gegriffen, löst der Montagewerker mittels eines Fuß- oder Knieschalters den Antrieb ein und der Teilepaternoster schaltet während der Fügezeit um einen Teilebehälter weiter, um das nächste Teil an der selben Greifstelle anzubieten. Dieser Ablauf wiederholt sich so oft, wie unterschiedliche Teile zur Montage eines Produktes notwendig sind. Bei kleinen Teilen ist es üblich, die Behälterschalen so zu unterteilen, dass zwei oder drei Teile nebeneinander angeboten werden. Das Nachfüllen der Teilebehälter erfolgt durch eine Tür an der Rückseite, um den laufenden Montagevorgang nicht zu stören (Lotter 1992). 5.4.2 Wirtschaftlichkeit der stückweisen Montage
Mit der Primär-Sekundär-Analyse sollen im folgenden an drei exemplarischen Beispielen von Montagearbeitplätzen, eingerichtet für stückweisen Montageablauf und unterschiedlichen Arbeitsinhalt, die Wirtschaftlichkeit untersucht werden, um Ansätze zur Verbesserung aufzuzeigen. Generell gilt, dass nach den Regeln der ständigen Verbesserung jede Verschwendung durch − − − − − − −
Überproduktion, Wartezeiten, Transport, den Arbeitsprozess, Bestände, Bewegungen und Produktionsfehler
zu vermeiden ist. Beispiel 1: Feinwerkgetriebe
Eine feinwerktechnische Baugruppe nach Abb. 5-11 wird auf einem Montagearbeitsplatz wie in Abb. 5-12 dargestellt, mit einer Jahresleistung von ca. 350.000 Stück montiert. Das Getriebe besteht aus sechs Einzelteilen und stellt eine Variante des in Kap. 3, Abb. 3-9 vorgestellten Produktes dar. Nach Einsetzen der Steckachse T6 in das Basisteil T1 werden die Teile T2 bis 6 gefügt. Ein Werkzeug ist bei diesem Beispiel nicht erforderlich. Die Ergebnisse der PrimärSekundäranalyse enthält Tabelle 5-1.
140
5 Manuelle Montage von Kleingeräten T5
T4 T3 T2
T1 (Basisteil)
T6
Abb. 5-11 Produktbeispiel Feinwerkgetriebe
T6
T5
T4
T1
T2 30
Primärbereich
cm
T3
50 cm
Ablage
Abb. 5-12 Montagearbeitsplatz für Feinwerkgetriebe
5.4 Einzelplatzmontage
141
Tabelle 5-1 Primär-Sekundär-Analyse Montage Feinwerkgetriebe Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
115,3
84,6
30,7
73,3
Greifen
91,7
50,8
40,9
55,0
Bringen
123,6
90,6
33,0
73,0
Fügen
90,1
90,1
0,0
100,0
Loslassen
14,0
12,0
2,0
85,7
434,7
328,1
106,6
75,5
Hinlangen
Summe
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Die Analyse zeigt im Einzelnen: Der Einzelwirkungsgrad von 73,3 % der Grundbewegung Hinlangen und von 73 % der Grundbewegung Bringen resultiert aus der Bereitstellungsanordnung der Einzelteile mit einem Sekundäraufwand von 30,7 + 33,0 = 63,7 TMU und entspricht 59,8 % des Gesamtsekundäraufwandes (Anmerkung: 1 TMU = 1/100.000 h = 0,036s). Unter Berücksichtigung eines Zuschlages von 12 % für die sachliche und persönliche Verteilzeit errechnet sich eine Montagezeit von 486,9 TMU entsprechend 17,5 s/Stück. Dies ergibt eine Stundenleistung von 205,7 Stück/h oder 17,5 s/Stück. Bei einem Stundensatz von € 20/h für das Personal resultieren daraus Montagekosten von 0,098 €/Stück. Bei einer SollLeistung von 350.000 Getrieben pro Jahr ergibt dies Montagekosten von 34.300 €/Jahr. Davon stellen 24,5% = € 8.404 keine Wertschöpfung dar. Beispiel 2: Elektrobaugruppe
Eine elektrotechnische Baugruppe nach Abb. 5-13 wird auf einem Montagearbeitsplatz nach Abb. 5-14 mit einer Jahresleistung von ca. 240.000 Stück montiert. Die Baugruppe besteht aus 6 unterschiedlichen Einzelteilen, von denen das Teil T2 zweimal gefügt werden muss. Auf das Basisteil T1 sind die Einzelteile T2 bis T6 zu fügen. Die kraftschlüssige Verbindung zwischen dem Basisteil und den gefügten Einzelteilen erfolgt durch Umformen (Kerben) auf einer pneumatischen Presse. Die Ermittlung der Montagezeit und ihre Gliederung in Primär- und Sekundäraufwand zeigt Tabelle 5-2. Demnach sind 75,1 % des Gesamtaufwandes von 604,3 TMU Primäraufwand.
142
5 Manuelle Montage von Kleingeräten T1
T2
T3
T4
Schnitt A - B B
A
T5
T6
T1 (Basisteil)
Abb. 5-13 Produktaufbau Elektrobaugruppe
Presse T2
T6
T3
T4
T5
T1
40
30
30
50
40
50 60 cm
Ablage
Abb. 5-14 Montagearbeitsplatz für Elektrobaugruppe
5.4 Einzelplatzmontage
143
Tabelle 5-2 Primär-Sekundär-Analyse Montage Elektrobaugruppe Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
197,9
138,3
59,6
69,9
Greifen
69,5
28,3
41,2
40,1
Bringen
164,8
117,4
47,4
71,2
Fügen
154,1
154,1
0,0
100,0
18,0
16,0
2,0
88,9
604,3
454,1
150,2
75,1
Hinlangen
Loslassen Summe
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Im Detail zeigt die Analyse, dass der Wirkungsgrad der Grundbewegung Hinlangen von 69,9 % und der Grundbewegung Bringen von 71,2 % aus der Bereitstellungsanordnung der Einzelteile mit einem Sekundäraufwand von 59,6 + 47,4 = 107,0 TMU resultiert. Das sind 71 % des Gesamtsekundäraufwandes von 150,2 TMU. Der schlechte Wirkungsgrad der Grundbewegung Greifen von 40,1 % resultiert aus der Bereitstellung als Schüttgut. Unter den gleichen Annahmen wie bei Beispiel 1 ergibt sich eine Montagezeit von 676,8 TMU/Stück oder 24,35 s/Stück = 147,8 Stück/h. Mit den gleichen Lohnkosten von 20 €/h errechnen sich personalbezogene Stückmontagekosten von 0,135 €/Baugruppe, entsprechend 32.400 €/Jahr. Davon sind bei dem errechneten Wirkungsgrad von 75,1 % insgesamt 8.068 € keine Wertschöpfung (Werte gerundet). Beispiel 3: Elektroschalter
Ein Elektroschalter nach Abb. 5-15 ist auf einem Montagearbeitsplatz nach Abb. 5-16 mit einer Jahresstückzahl von 125.000 Stück zu montieren. Die Baugruppe besteht aus 11 unterschiedlichen Teilen. In das Basisteil T1 sind sämtliche übrigen Teile in linearer senkrechter Richtung zu fügen. Die Teile T9 und T5 werden durch Umformen (Kerben) kraftschlüssig mit dem Basisteil verbunden. Das Teil T10 wird mit zwei Schrauben T11 auf das Basisteil geschraubt. Für die Umformvorgänge steht eine pneumatische Presse zur Verfügung. Die Schrauben werden mit einem pneumatisch betriebenen Handschrauber eingesetzt. Aus der Analyse geht hervor, dass vom notwendigen zeitlichen Gesamtaufwand 74,4% eine Wertschöpfung und 25,6 % keine Wertschöpfung erbringen (Tabelle 5-3). Wenn die Grundbewegung Hinlangen nur einen
144
5 Manuelle Montage von Kleingeräten T9 (Steckfahne)
T1 (Basisteil)
T10 (Schraubblech)
T6 (Schieber)
T7 (Achse)
T3 (Brücke)
T8 (Klammer)
T5 (Lasche)
T4 (Kugel) T2 (Spule) T11 (Schraube)
Abb. 5-15 Produktbeispiel Elektroschalter
T1
T9
T5
T7
Presse
T6
T8
T4
T3
T2
1 T1 T1
0
30
Primärbereich Schrauber 50 70 c m
Ablage
Abb. 5-16 Montagearbeitsplatz Elektroschalter
Wirkungsgrad von 64,3% und die Grundbewegung Bringen nur einen Wirkungsgrad von 66,2% aufweist, liegt die Ursache in der Komplexität des zu montierenden Produktes und der hieraus resultierenden Arbeitsplatzgestaltung. Unter den gleichen Annahmen wie bei den beiden vorhergehenden Beispielen errechnen sich eine Stückzeit von 46,7 s, eine Stundenleistung von 77 Baugruppen und personalbezogene Kosten von 0,26 €/Stück. Die Jahresmontagekosten ergeben sich entsprechend zu 32.500 €, wovon 8.320 € nicht wert schöpfender Aufwand sind.
5.4 Einzelplatzmontage
145
Tabelle 5-3 Primär-Sekundär-Analyse Elektroschalter Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Hinlangen
336,4
216,4
120,0
64,3
Greifen
158,5
106,1
52,4
66,9
Bringen
360,7
238,8
121,9
66,2
Fügen
270,7
270,7
0,0
100,0
32,0
30,0
2,0
93,8
1.158,3
862,0
296,3
74,4
Loslassen Summe
Zusammenfassung der Analyseergebnisse Beispiel 1 bis 3 Fügeverfahren und sonstige Montageprozesse werden in der Produktentwicklung durch den konstruktiven Produktaufbau weitgehend festgelegt und sind von der Montageplanung nicht, oder nur geringfügig beeinflussbar. Der Aufwand für die Handhabung der Einzelteile und Werkzeuge wird dagegen durch die Arbeitsplatzgestaltung bestimmt. Der Aufwand für die Grundbewegung „Greifen“ resultiert aus der Art der Teilebereitstellung. Werden Teile als Schüttgut bereitgestellt, ist der Sekundäraufwand für den Vorgang „Greifen“ relativ hoch. Können demgegenüber die Einzelteile in der Teilefertigung bereits lagegerecht magaziniert angeboten werden, reduziert sich automatisch der Sekundäraufwand für die Grundbewegung „Greifen“. Tabelle 5-4 zeigt für die drei analysierten Produktbeispiele die Anzahl der jeweils notwendigen Handhabungsvorgänge, unterteilt nach Einzelteilen, Werkzeugen und der Ablage des Produktes nach erfolgter Montage. Ferner wurden aus den Tabellen 5-1 bis 5-3 die Wirkungsgrade und daraus der Zeitaufwand in TMU je Vorgang berechnet und ebenfalls in die Tabelle 5-4 eingetragen. Die Beispiele sind nach der Anzahl Vorgänge geordnet. Tabelle 5-4 Analyseergebnisse Produktbeispiele 1 bis 3 Anzahl Vorgänge Beispiel
Mittlerer
Einzelteile Werkzeuge Ablegen Summe Aufwand Wirkungsgrad [-] [-] [-] [-] [ TMU/Vorgang ] [%]
Nr. 1 Feinwerkgetriebe
6
0
1
7
62,1
75,5
Nr. 2 Elektrobaugruppe
7
1
1
9
67,1
75,1
12
2
1
15
77,2
74,4
Nr. 3 Elektroschalter
146
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Mit steigender Komplexität eines Produktes und damit zunehmendem Arbeitsinhalt eines Montagearbeitsplatzes wird der Zeitaufwand pro Vorgang größer und der Montagewirkungsgrad schlechter. Damit findet der aus zahlreichen anderen Untersuchungen bekannte Zusammenhang zwischen Vorgangsanzahl und erzielbarem Montagewirkungsgrad eine nachvollziehbare Bestätigung (Lotter, Schilling 1994; Lotter et al. 1998). 5.4.3 Einzelmontageplatz für verrichtungsweisen Ablauf
Um einen wirtschaftlichen Montageablauf mit Bewegungswiederholung sicher zu stellen, empfiehlt sich die Arbeitsplatzgestaltung mit Hilfe spezieller Einrichtungen, deren Lösungsprinzipien in Abb. 5-6 bereits vorgestellt wurden. Als preiswerte und bewährte Lösung hat sich der Einsatz von Drehtellern nach Abb. 5-17 bewährt. Jeder Montagevorgang erfolgt dabei nicht in einer Einzelvorrichtung, sondern in einer Vielzahl von Vorrichtungen, deren Anzahl der Teilungszahl des Drehtellers entspricht. Diese ist wiederum durch die Produktgröße bestimmt. • Schrauber • Drehteller 2 (Bereitstellung Einzelteile) • Drehteller 1 (Bereitstellung Einzelteile) • Drehteller mit Werkstückaufnahmen
Abb. 5-17 Montagearbeitsplatz in Drehtellerausführung für verrichtungsweisen Ablauf
5.4 Einzelplatzmontage
147
Der Drehteller des Arbeitsplatzes in Abb. 5-17 ist z. B. mit 20 Werkstückaufnahmen oder Montagevorrichtungen bestückt und wird vom Werker durch Fuß oder Knie um eine Station weiter geschaltet. Wenn synchron mit beiden Händen montiert wird, schaltet der Drehteller bei einem Impuls um zwei Stationen weiter. Zentral über dem Drehteller mit den Werkstückaufnahmen ist ein frei drehbarer oder über das Montagefolgeprogramm gesteuerter Teller mit Greifbehältern zur Bereitstellung der Einzelteile angeordnet. Bei vielen Einzelteilen sind zwei Drehteller erforderlich. Von Vorteil bei dieser Arbeitsplatzgestaltung ist, dass die Bewegungswiederholung zwangsweise vorgegeben wird. Der damit erzeugte Lerneffekt führt zu einer deutlichen Reduzierung der Montagezeit gegenüber der stückweisen Komplettmontage. Weitere Vorteile sind: − Es sind weniger Bewegungen des Hinlangens, Greifens und Bringens, z. B. für die Werkzeughandhabung, oder beim mengenmäßigen Greifen erforderlich. − Die Greifwege können optimal kurz und in einer Arbeitshöhe gestaltet werden. − Die Greifwege sind für alle Teile gleich groß. − Die Einzelteile werden in der Reihenfolge des Montageablaufes angeboten. − Die Produktqualität steigt. − Es ist möglich, den Arbeitsplatz mit geringem zusätzlichen Investment für eine Teilautomatisierung nachzurüsten. An einem Arbeitsplatz nach Abb. 5-17 können auch automatische Prozesse, wie z. B. Eindrücken, Pressen, Prüfen, Schrauben usw. parallel zur manuellen Tätigkeit durchgeführt werden, ohne den Arbeitsrhythmus der manuellen Montage zu stören. Der bei stückweiser Montage anfallende Sekundäraufwand zur Einführung eines Montageobjektes in eine Prozessstation entfällt hier und reduziert so die Montagezeit. 5.4.4 Wirtschaftlichkeit der verrichtungsweisen Montage
Um die Potenziale der verrichtungsweisen Montage aufzuzeigen, werden die im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten 3 Produktbeispiele auf eine verrichtungsweise Montage mit Drehtellern entsprechend Abb. 5-17 umgestellt und mit den Ergebnissen der stückweisen Montage verglichen. Der Montagearbeitsplatz ist bei allen drei Beispielen mit einer Drehtellereinheit für 18 Werkstückaufnahmen ausgestattet. Die Positionierung der
148
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
jeweils nächsten Einzelteile erfolgt in der Reihenfolge der Teilmontagevorgänge auf dem zentralen Drehteller oberhalb der Arbeitstischhöhe mit der optimalen Greifweite. Die Einrichtung wird mit einer einfachen NCSteuerung so programmiert, dass nach jeweils 18 Takten der darüber liegende Drehteller das nächste Einzelteil ebenfalls in optimaler Greifposition bereitstellt. Diese Sequenz wiederholt sich so oft, bis alle Teile montiert sind. Die Steuerung kann auch eventuell integrierte automatische Prozesse dem Montageablauf folgend aktivieren, indem z. B. eine Presse ausgelöst wird. Beispiel 1: Feinwerkgetriebe
Abb. 5-18 stellt den Montagearbeitsplatz für das Produktbeispiel Feinwerkgetriebe nach Abb. 5-11 dar. Die Umstellung vom stückweisen auf den verrichtungsweisen Montageablauf und die entsprechende Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 5-18 zeigt positive Auswirkungen. Tabelle 5-5 fasst die Ergebnisse für die Montagezeit und den Wirkungsgrad zusammen. Drehteller für 18 Vorrichtungen
Montagevorrichtung T5
T4 T3
Teilebehälter (Schüttgut)
T2 T1
T6
16 cm 50
FP
cm
Ablage Fertigprodukt
FP
Fügeposition
T1…T6
zu fügende Teile
Abb. 5-18 Montagearbeitsplatz mit verrichtungsweisem Ablauf für ein Feinwerkgetriebe
5.4 Einzelplatzmontage
149
Tabelle 5-5 Primär-Sekundär-Analyse Feinwerkgetriebe bei verrichtungsweiser Montage Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Hinlangen
59,9
(115,3)
45,0
(84,6)
8,9
(30,7)
83,4
(73,3)
Greifen
91,7
(91,7)
50,8
(50,8)
40,9
(40,9)
55,0
(55,0)
Bringen
51,0
(123,6)
41,4
(90,6)
9,6
(33,0)
81,1
(73,0)
Fügen
90,1
(90,1)
90,1
(90,1)
0,0
(0,0)
100,0
(100,0)
Loslassen
12,7
(14,0)
12,0
(12,0)
0,7
(2,0)
94,5
(85,7)
299,4
(434,7)
239,3
(328,1)
60,1
(106,6)
79,9
(75,5)
Summe
Werte in Klammern beziehen sich auf die stückweise Montage
Der Gesamtwirkungsgrad erhöht sich von 75,5 % auf 79,9 %. Gleichzeitig reduziert sich die Montagezeit um 31 % (von 434,7 TMU auf 299,4 TMU). Die wichtigsten Gründe für die Verbesserungen sind: − Verkürzung der Hinlang- und Bringbewegungen, − mengenmäßiges Greifen von Einzelteilen und − Mehrfachgreifen des fertigen Produktes beim Ausladen und Ablegen. Nicht verändert haben sich der Aufwand für „Greifen“ und „Fügen“, da die Teilebereitstellung nicht verändert wurde und die Baugruppenmontage keinen automatisierungsfähigen Prozess erfordert. Der monetäre Vergleich zeigt: Die Gesamtzeit nach MTM ist zunächst um 12 % für die sachliche und für persönliche Verteilzeit zu erhöhen. Das ergibt 335,4 TMU/Stück entsprechend 12,1 s/Stück und eine Stundenleistung von 298,5 Stück/h. Mit dem auch bei der Stückmontage angesetzten Lohnkostensatz von 20 €/h entstehen 0,07 €/Stück Lohnkosten. Bei 350.000 Stück/Jahr sind das 23.450 € Jahreskosten, von denen 20,1 % Sekundäraufwand entsprechend 4.713 € sind. Gegenüber der stückweisen Montage mit personalbezogenen Jahreskosten von 34.300 € ergeben sich somit Einsparungen von 9.800 €/Jahr entsprechend 28,7% (Werte sind gerundet). Beispiel 2 (Elektrobaugruppe)
Den Arbeitsplatz für das Produktbeispiel Elektrobaugruppe (s. Abb. 5-13) für einen verrichtungsweisen Montageablauf zeigt Abb. 5-19.
150
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Drehteller für 18 Vorrichtungen Presse
Montagevorrichtung
T6
T5 T4
Teilebehälter (Schüttgut)
T3 T2
T1
16 cm
FP 60 c m
Ablage Fertigprodukt
FP Fügeposition
T1…T6
Zu fügende Teile
Abb. 5-19 Montagearbeitsplatz mit verrichtungsweisem Ablauf für eine Elektrobaugruppe
Der Vergleich der verrichtungsweisen Montage mit der stückweisen Montage für dieses Produkt zeigt in Tabelle 5-6, dass sich der Gesamtwirkungsgrad von 75,1 auf 81,8% um 6,7 Prozentpunkte verbessert hat und die Gesamtmonatgezeit von 604,3 TMU auf 343,6 TMU entsprechend 43% erheblich verringert werden konnte. Tabelle 5-6 Primär-Sekundär-Analyse bei verrichtungsweiser Montage Produktbeispiel Elektrobaugruppe Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Hinlangen
62,8
(197,9)
52,5
(138,3)
10,3
(59,6)
83,5
(69,9)
Greifen
69,5
(69,5)
28,3
(28,3)
41,2
(41,2)
40,1
(40,1)
Bringen
58,7
(164,8)
48,3
(117,4)
10,4
(47,4)
82,8
(71,2)
137,9
(154,1)
137,9
(154,1)
0,0
(0,0)
100,0
(100,0)
14,7
(18,0)
14,0
(16,0)
0,7
(2,0)
95,0
(88,9)
343,6
(604,3)
281,0
(454,1)
62,6
(150,2)
81,8
(75,1)
Fügen Loslassen Summe
(Werte in Klammern beziehen sich auf die stückweise Montage)
5.4 Einzelplatzmontage
151
Diese Verbesserung wird prinzipiell durch die bereits in Beispiel 1 genannten Faktoren erreicht. Die stärksten Verbesserungen sind erwartungsgemäß beim „Hinlangen“ und „Bringen“ und aufgrund der Automatisierung des Pressvorganges zu verzeichnen. Beispiel 3 (Elektroschalter)
Die Umstellung vom stückweisen auf einen verrichtungsweisen Montageablauf für das Produktbeispiel Elektroschalter (s. Abb. 5-15) und die entsprechende Arbeitsplatzgestaltung nach Abb. 5-20 hat auch hier positive Auswirkungen. Tabelle 5-7 fasst die Ergebnisse der Primär-SekundärAnalyse für Montagezeit und den Wirkungsgrad zusammen. Drehteller für 18 Vorrichtungen Montagevorrichtung
Presse T6 T3 T4 T8
T7
T11
Teilebehälter (Schüttgut)
T10
Schrauber
T5 T9
T1
T2
16 cm
FP
60 cm
Ablage Fertigprodukt
FP
Fügeposition
T1…T11
zu fügende Teile
Abb. 5-20 Montagearbeitsplatz mit verrichtungsweisem Montageablauf für einen Elektroschalter
Der Gesamtwirkungsgrad erhöht sich von 74,4% auf 86,5% um 12,1 Prozentpunkte und die Gesamtmonatgezeit sinkt von 1.158,3 TMU auf 610,8 TMU entsprechend 48 %. Die Gründe sind im Wesentlichen dieselben wie bei den vorhergehenden Beispielen. Stark ins Gewicht fällt auch der Handhabungsaufwand für den Schrauber, der sich bei verrichtungsweiser Montage von 78,9 TMU auf 78,9/18 = 4,38 TMU pro Vorgang redu-
152
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
ziert. Kaum verändert haben sich demgegenüber der Aufwand für „Greifen“ und „Fügen“, da die Teilebereitstellung nicht verändert wurde. Tabelle 5-7 Primär-Sekundär-Analyse verrichtungsweise Montage Elektroschalter Vorgang
Gesamt [ TMU ]
Primär [ TMU ]
Sekundär [ TMU ]
Wirkungsgrad [%]
Hinlangen
104,4
(336,4)
90,8
(216,4)
13,5
(120,0)
87,0
(64,3)
Greifen
147,6
(158,5)
95,2
(106,1)
52,4
(52,4)
64,5
(66,9)
Bringen
99,2
(360,7)
83,6
(238,8)
15,7
(121,9)
84,2
(66,2)
234,7
(270,7)
234,7
(270,7)
0,0
(0,0)
100,0
(100,0)
24,8
(32,0)
24,1
(30,0)
0,7
(0,0)
97,2
(93,8)
610,8 (1.158,3)
528,5
(862,0)
82,3
(296,3)
86,5
(74,4)
Fügen Loslassen Summe
Werte in Klammern beziehen sich auf die stückweise Montage
Die monetäre Betrachtung ergibt bei analoger Berechnung wie bei den vorhergehenden zwei Beispielen, dass sich die personalbezogenen Jahresmontagekosten von € 32.500 bei stückweiser Montage auf 17.125 € bei verrichtungsweiser Montage entsprechend 47,4% reduzieren. 5.4.5 Vergleich stückweise und verrichtungsweise Montage
Einen Vergleich zwischen stückweisem und verrichtungsweisem Montageablauf aller drei analysierten Produkte zeigt Tabelle 5-8. Man erkennt die beträchtliche Verringerung des Montagezeitaufwandes und die Verbesserung des Gesamtwirkungsgrades. Weiterhin wird deutlich, dass bei Umstellung von einem stückweisen auf einen verrichtungsweisen Montageablauf mit zunehmendem Arbeitsinhalt der Gesamtwirkungsgrad steigt, der Zeitaufwand pro Montagevorgang abnimmt und insgesamt deutliche Verbesserungen nachzuweisen sind. Bei der für die Gesamtwirtschaftlichkeit maßgeblichen Stückkostenrechnung ist allerdings noch die zusätzliche Investition für die Ausrüstung des Arbeitsplatzes einschließlich Teilebereitstellung zu berücksichtigen. Abb. 5.21 verdeutlicht darüber hinaus den Montageaufwand je Vorgang bei stückweiser und verrichtungsweiser Montage in Abhängigkeit von der Anzahl Vorgänge. Auffällig ist bei der Verrichtungsmontage, dass der Aufwand praktisch unabhängig von der Vorgangszahl ist, während er bei der Stückmontage mit der Vorgangszahl steigt.
5.4 Einzelplatzmontage
153
Tabelle 5-8 Vergleich zwischen Stückmontage und Verrichtungsmontage für drei Produktbeispiele Beispiel 1 Beispiel 2 Feinwerkgetriebe Elektrobaugruppe
Kenngröße Anzahl Vorgänge [ - ]
Beispiel 3 Elektroschalter
7
9
15
Zeitaufwand stückweise Montage [ TMU ] [ TMU / Vorgang ] [ s / Vorgang ]
434,7 62,1 2,2
604,3 67,1 2,4
1.158,3 77,2 2,8
Zeitaufwand verrichtungsweise Montage [ TMU ] [ TMU / Vorgang ] [ s / Vorgang ]
299,4 41,8 1,5
343,6 38,2 1,4
610,8 40,7 1,5
Veränderung im Zeitaufwand [ % ]
- 32,7
- 43,0
- 47,0
Gesamtwirkungsgrad stückweise Montage [ % ]
75,5
75,1
74,4
Gesamtwirkungsgrad verrichtungsweise Montage [ % ]
79,9
81,1
86,5
4,4
6,0
12,1
Veränderung im Wirkungsgrad absolut [ % ]
TMU Time Measurement Unit; 1 TMU = 1/100.000 h = 0,036s; 1 s = 27,8 TMU
Montageaufwand [TMU / Vorgang]
Beispiel 2 (Elektrobaugruppe) Beispiel 3 (Elektroschalter)
Beispiel 1 (Feinwerkgetriebe)
80
60
Stückmontage
40
Verrichtungsmontage
20
0 1
5
10
15
Anzahl Vorgänge [-] TMU : Time Measurement Unit = 0,036s
Abb. 5-21 Montageaufwand je Vorgang bei Stück- und Verrichtungsmontage (3 Produktbeispiele)
154
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
5.4.6 Einzelmontageplatz nach dem One Piece Flow-Prinzip
Produkte mit vielen Teilen und Produktvarianten benötigen eine verbrauchsnahe Bereitstellung zahlreicher unterschiedlicher Einzelteile und Werkzeuge. Bei kleinen Losen bietet sich zunächst der Einsatz von klassischen Einzelmontageplätzen an. Jedoch treten folgende Nachteile auf: − Die vielen unterschiedlichen Einzelteile und Werkzeuge sind auf engstem Raum bereit zu stellen. Dadurch wird der Arbeitsplatz unübersichtlich, die Greifwege werden lang und der Suchaufwand groß. Der Gesamtwirkungsgrad ist unbefriedigend. − Eine Aufteilung des Montageinhaltes in der Reihenfolge des Montageablaufes – z. B. auf zwei Arbeitsplätze – führt zu zusätzlichem Sekundäraufwand wie Transport von einem zum nächsten Arbeitsplatz, Wartezeiten, Pufferbildung usw. Eine wirtschaftliche Lösung für derartige Montageaufgaben ist die Einzelmontage nach dem One Piece Flow-Prinzip (engl. Ein Stück fließt), was sich anschaulich mit „Einzelstück-Fließmontage“ übersetzen lässt. Generell versteht man darunter die bestandsminimale Versorgung von Fertigungseinrichtungen, wobei im Grenzfall die Losgröße für einen Fertigungs- bzw. Montageauftrag auf den Wert 1 sinkt. Dieser Idealwert ist jedoch nur bei starrer Verkettung bzw. homogener Taktung zu erreichen, sonst treten Auslastungsverluste an einzelnen Arbeitsstationen auf. Als Beispiel für einen einzelnen Arbeitsplatz zeigt Abb. 5-22 eine Ausführung mit einer Kugelrollenbahn in halbkreisförmiger Anordnung. Die eigentliche Montageplattform ist ein Montageschlitten, der – aufgesetzt auf die Kugelrollenbahn – auf dem ganzen Halbkreis vor und zurück bewegt werden kann. Auf dem Montageschlitten befindet sich eine drehbare Scheibe, die den Werkstückträger aufnimmt und eine optimale Zugriffsposition des Werkers auf den Werkstückträger erlaubt. Die Bereitstellung der Einzelteile und Werkzeuge erfolgt an der Außenseite des Systems. Die Einstück-Fließmontage beginnt am linken Ende der Kugelrollenbahn mit der Aufnahme des Basisteils, danach verschiebt der Monteur den Montageschlitten mit dem zunehmend komplettierten Montageobjekt schrittweise weiter nach rechts und arbeitet so alle Einzelvorgänge ab. Um in eine neue Arbeitsposition zu gelangen, reicht eine einfache und minimale Körperdrehung aus. Bei Produkten mit großem Arbeitsinhalt stehen dem Monteur mit dieser Lösung Einzelteile und Werkzeuge immer in der optimalen Greifposition zur Verfügung. Das bedeutet im Einzelnen:
5.4 Einzelplatzmontage
155
Teilebereitstellung (Schüttgut)
Montageschlitten auf Kugelrollbahn drehbarer Arbeitstisch mit Werkstückaufnahme
Kugelrollbahn
Basisteil
Fertigprodukt
Abb. 5-22 Grundaufbau One Piece Flow – Montagearbeitsplatz (LP-Montagetechnik)
− Kurze Greifwege in der Größenordnung zwischen 20 und 40 cm, − optimale Greifhöhe zwischen 10 und ca. 20 cm über der Arbeitshöhe und unterhalb der Schulterhöhe, − guter Situationsüberblick, weil sich alle Tätigkeiten im ergonomisch bevorzugten Blickwinkel abspielen, − weniger Ermüdung und effizientere Arbeit der Werker sowie − Vorbeugung vor mittel- bis langfristigen Gesundheitsschäden und − Einsatzmöglichkeit auch leistungsgeminderter Personen. Bei einem Innenradius von 450 mm für den Standplatz des Monteurs und einer Spurbreite des Kugelrollentisches von 400 mm ergibt sich eine Länge von ca. 2.700 mm an der Arbeitsplatzaußenseite zur Bereitstellung der Einzelteile. Unter der Annahme von Teilebehältern mit einer durchschnittlichen Breite von 150 mm können 18 Teilebehälter in einer Ebene, bzw. in zwei Ebenen bis zu 36 Teilebehälter angeordnet werden. Für die Montage von Produkten mit noch höherer Komplexität kann das Arbeitsplatzsystem am Anfang und/oder am Ende des Halbkreises durch lineare Kugelrollenbahnen zu Montagearbeitsplätzen in U-Form erweitert werden.
156
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Abb. 5-23 zeigt eine technische Lösung als Baukastensystem. Zu erkennen ist ein halbkreisförmiges Modul mit einer rechts vorgesetzten Linearstrecke. Auf der Kugelrollbahn liegen zwei Ausführungen des Montageschlittens, beide ohne Werkstückaufnahme. An der Peripherie sind unterschiedliche Teilebehälter angeordnet und oberhalb der Arbeitsplattform ist die Werkszeugaufhängung erkennbar (Lotter B, Lotter E 2002).
Abb. 5-23 Manueller Montagearbeitsplatz für One Piece Flow-Montage (LPMontagetechnik)
Durch die Gesamtanordnung reduziert sich gegenüber herkömmlichen Einzelplatzmontageplätzen mit einer stationären Anordnung der Montagevorrichtung die Montagezeit zwischen 12 bis 20 %. Das Prinzip kann auch vorteilhaft für unterschiedliche Produkte mit schwankendem Mengenbedarf eingesetzt werden. Bild 5-24 zeigt eine aus zwei U-Bahnen bestehende One Piece Flow-Montagelinie. In der ersten U-Schleife montieren drei Werker ein Produkt A in drei bzw. vier Montageschritten im Rhythmus „Hand-in-Hand“, während in der zweiten U-Schleife ein Mitarbeiter ein Produkt B in fünf Teilschritten allein fertig montiert. Der Weitertransport des Materials erfolgt auf einem Werkstückträger manuell durch den Werker auf einfachen Schiebetischen.
5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage Kommissionierlager
157
• Kommissionierung an den Arbeitsplatz Kommissionierwagen
• U-förmige Montage • variable Kapazität durch flexiblen Mitarbeitereinsatz • standardisierte Schnittstellen
Waren
Waren
10
9
8
7
5 3
6
4
• Gestaltung der Arbeitsplätze • kontinuierliche Verbesserung durch den Werker
2 Vormaterial
1
5 3
Produkt A
4
Vormaterial
1
2
Produkt B
Abb. 5-24 Mengenflexibles One Piece Flow-Montagesystem für zwei Produkte (Röhrig)
Wenn z. B. der Bedarf für das Produkt B sinkt, kann die Montage auch durch zwei oder einen Mitarbeiter allein erfolgen. Diese können im Sinne der Arbeitserweiterung im Rahmen einer organisierten Gruppenarbeit auch die Arbeitsplätze wechseln. Beide U-Schleifen werden von außen durch einen Kommissionierer aus einem Kommissionierlager mit Nachschub versorgt (Röhrig 2002).
5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage 5.5.1 Materialflusstechnische Verknüpfung
Kann ein Produkt, bedingt durch seine Komplexität und/oder durch das notwendige Produktionsvolumen je Zeiteinheit, an einem Einzelmontageplatz nicht mehr wirtschaftlich montiert werden, muss der Montageaufwand auf mehrere verkettete Arbeitsplätze mit einer definierten Zeitvorgabe je Station verteilt werden. Diese Organisationsform wird als Fließmontage bezeichnet (Warnecke 1984). Prägend für die technische Ausführung ist die Art der materialflusstechnischen Verknüpfung der einzelnen Stationen. Unterschieden wird nach manuellem Fördern des Montageobjektes, mechanischem Fördern des Montageobjektes in ungeordneter Form und mechanischem Fördern des Montageobjektes in geordneter Form.
158
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Für alle Arbeitplätze einer Fließmontage haben die Ausführungen über die Grundlagen der Arbeitsplatzgestaltung in Abschnitt 5.2 volle Gültigkeit. Bei der Fließmontage muss die Anordnung der einzelnen Montagearbeitsplätze der Montagerangfolge entsprechen und die Durchführung der Montagevorgänge erfolgt zeitlich abgestimmt, jedoch nicht taktgebunden. Allen Ausprägungen der Fließmontage gemeinsam ist jedoch die Notwendigkeit eines möglichst gleichen zeitlichen Arbeitsinhaltes pro Arbeitsplatz, dessen Detailgestaltung als Austaktung (engl. line balancing) bezeichnet wird (Warnecke 1984; Lotter 1986). Im Folgenden werden die Aspekte Verknüpfung und Austaktung vertieft. 5.5.2 Manuelle Förderung des Montageobjektes
Bei der Fließmontage mit manuellem Fördern wird das Montageobjekt von Einzelmontageplatz zu Einzelmontageplatz durch den Werker – in der Regel unter Bildung von Zwischenpuffern – weitergegeben. Dies ermöglicht eine Vielzahl von Ausführungsformen der Fließmontage und kann den räumlichen Gegebenheiten leicht angepasst werden. Weit verbreitet ist Linienanordnung, wie sie beispielsweise in Abb. 3-2 vorgestellt wurde und die Karreeanordnung, Abb. 5-25. Auf den Einsatz von kreisförmigen transportablen Mehrfachwerkstückträgern geht Abschn. 5.5.6 gesondert ein.
Fertigprodukt
Basisteil
Abb. 5-25 Fließmontage in Karreeanordnung mit manueller Förderung des Montageobjektes
5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage
159
Die manuelle Fließmontage mit manueller Objektweitergabe hat folgende Vorteile: − Der einzelne Mitarbeiter kann seinen Arbeitsrhythmus in Grenzen durch die atmenden Materialpuffer verändern. − Leistungsschwankungen einzelner Mitarbeiter/innen verändern infolge der Pufferbildung nicht sofort die Gesamtausbringung einer Schicht. − Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter ist relativ einfach. − Kurzzeitige Störungen an Betriebsmitteln wirken sich durch die Pufferbildung nicht auf die Gesamtleistung aus. Die Nachteile dieser Art von Fließmontage sind: − Es entsteht ein hoher Zeitaufwand für das manuelle Fördern des Montageobjektes. Legt man eine mittlere Entfernung zwischen Fügeposition und Ablageposition von 70 cm zugrunde, so fallen für das Ablegen des Montageobjektes in den Zwischenpuffer ca. 60 TMU an. Für das erneute Greifen aus dem Zwischenpuffer, um das Montageobjekt erneut in Fügeposition zu bringen, sind ca. 70 TMU erforderlich, in Summe also 130 TMU oder 4,7 s. Bei einer Fließmontage mit beispielsweise 8 Arbeitsplätzen fällt der Transportvorgang also 6-mal an und stellt damit einen Sekundäraufwand von 28,2 Sekunden dar. − Die Pufferbildung bedingt Zusatzkosten für die Speichereinrichtung sowie durch Bindung von Umlaufvermögen. − Einzelne Montagevorgänge sind nachträgliche nicht automatisierbar (Warnecke 1984). 5.5.2 Mechanische ungeordnete Förderung
Hier wird das Montageobjekt durch den Mitarbeiter manuell in ungeordneter Form auf ein Transportband abgelegt, muss am nächsten Arbeitsplatz vom Transportband gegriffen und erneut in Fügeposition gebracht werden. Die Gestaltungsmöglichkeit dieser Montageform ist durch den Einsatz von Transportbändern gegenüber der manuellen Förderung deutlich eingeschränkt. Abbildung 5-26 zeigt zwei Ausführungen; zum einen die so genannte Skelettbandanordnung und zum anderen die so genannte Schoßbandanordnung. Bei der Skelettbandanordnung sind die Einzelmontageplätze auf beiden Seiten des Transportbandes versetzt angeordnet. Abweiser auf dem Transportband stellen sicher, dass das Montageobjekt am nächsten Arbeitsplatz ausgeschleust wird. Bei der Schoßbandanordnung läuft das Transportband stirnseitig an den Arbeitsplätzen vorbei, also über dem Schoß der Mitarbeiter/innen. Auch hier sind Abweiser vorgesehen.
160
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
2
1
4
3
6
5
a) Skelettbandordnung
b) Schoßbandanordnung
Abb. 5-26 Fließmontage bei mechanisierter, ungeordneter Förderung des Montageobjektes
Eine wichtige Voraussetzung für die störungsfreie Verkettung mit Transportbändern ist die Ablage-, Transport- und Wiederaufnahmefähigkeit des teilmontierten Produktes. Der Fügeprozess muss also so ausgelegt sein, dass beim Ablegen keine Veränderung des vorher erreichten Montagezustandes eintritt. Die Vorteile der mechanischen ungeordneten Objektweitergabe gleichen den Vorteilen der manuellen Förderung, jedoch können nur sehr kleine Zwischenpuffer gebildet werden. Daraus resultiert eine nahezu taktgebundene Durchführung der Montageaufgabe. Von Vorteil ist ferner, dass sich die Durchlaufzeit verkürzt und damit das gebundene Umlaufvermögen geringer wird. Die Nachteile dieser Anordnung sind: – Es entsteht ein hoher Sekundäraufwand für das Aufnehmen des Montageobjektes vom Transportband sowie für die Ablage auf das Transportband. – Das System ist empfindlich gegen Kurzzeitstörungen, die sich wegen der geringen Pufferwirkung sofort auf die Leistung des Gesamtsystems auswirken (Lotter 1992).
5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage
161
5.5.4 Mechanische geordnete Förderung
Die Förderung des Montageobjektes in geordneter Form benötigt Werkstückträger. Diese erhalten zum einen den erreichten, geordneten Zustand des Montageobjektes beim Fördern von Montagearbeitplatz zu Montagearbeitsplatz. Zum anderen müssen sie die Funktion einer Montagevorrichtung im Sinne der genauen Positionierung und Aufnahme von Fügekräften erfüllen. Die Förderung der Werkstückträger erfolgt vorzugsweise auf Gurtbandsystemen. Die detaillierte Beschreibung unterschiedlicher Gurtbandsysteme findet sich in Kap. 8. Der Werkstückträger wird am Arbeitsplatz durch eine Stoppvorrichtung angehalten und der Montagevorgang kann durchgeführt werden. Zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen können abhängig von ihrem Abstand mehrere Werkstückträger auflaufen und damit je nach Arbeitsinhalt der einzelnen Arbeitsplätze eine mehr oder weniger große Pufferkapazität ergeben. Bei sehr komplexen Montagevorgängen, in denen die Zeitdauern einzelner Operationen ein Vielfaches der Einzeltaktzeit der übrigen Montageplätze betragen, ist eine Verkettung der Arbeitsplätze und eine Angleichung der einzelnen Montagezeiten durch die Verteilung der Arbeitsinhalte auf mehrere Arbeitsplätze möglich. Hierzu empfiehlt sich das Herausführen der Werkstückträger von der Hauptförderstrecke auf mehrere gleiche, parallel geschaltete Einzelmontageplätze. Abb. 5-27 deutet eine solche Lösung an. Einem Hauptförderband sind parallel zwei Einzelmontageplätze vorgelagert. Die umlaufenden Werk-
Hauptförderband
Nebenförderband 1
Nebenförderband 2
Werkstückträger
Stopper
Einzelmontageplatz 1
Einzelmontageplatz 2
Abb. 5-27 Ausschleusen und Zuteilen von Werkstückträgern vom Hauptförderband zu zwei parallel angeordneten Einzelarbeitsplätzen
162
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
stückträger auf dem Hauptförderband werden durch Querschieber den Nebenförderbändern mit den Einzelmontageplätzen zugeführt. Eine automatische Abfrage stellt sicher, dass an jedem Arbeitsplatz eine vorbestimmte Anzahl von Werkstückträgern bereit steht. Bei dem gezeigten Beispiel ist die Taktzeit eines Einzelmontageplatzes am Nebenförderband zweimal so groß wie die Taktzeit der hier nicht gezeigten Einzelmontageplätze des Hauptförderbandes (Lotter 1982; Warnecke 1984). Eine Fließmontage mit mechanischer Förderung des Montageobjektes unter Einsatz von Werkstückträgern und Gurtbandsystemen erlaubt neben manuellen Stationen die Mechanisierung oder Automatisierung einzelner Montageprozesse wie beispielsweise Pressen, Schrauben usw. (vgl. auch Abb. 3-16). An den betreffenden Prozessstationen muss der Werkstückträger nach dem Stillstand an der Stoppvorrichtung mit Hilfe separater Zentriereinrichtungen exakt zur Prozesseinrichtung positioniert werden und ggf. auch Prozesskräfte aufnehmen können. Da die automatischen Prozesse parallel zur manuellen Montage ausgeführt werden, entsteht wegen der meist deutlich kürzeren Prozesszeiten gegenüber den manuellen Vorgängen kein Taktzeitverlust. Generell lässt sich zur Fließmontage durch mechanische Förderung des Montageobjektes mit Werkstückträgern feststellen, dass sie vorwiegend in der Großserienfertigung mit weitgehender Arbeitsteilung zu finden sind. Die Anordnung der Montageplätze entspricht der Montagerangfolge, wobei die Montageaufgaben taktgebunden auszuführen sind. Die realisierbare Pufferkapazität reicht für eine Entkopplung von der Taktzeit nicht aus. Die Vorteile dieser Art Fließmontage sind: – kurze Durchlaufzeiten des Montageobjektes, – einfache Umstellung einzelner Teilabschnitte von manuellen auf automatisierte Montagevorgänge und – keine Nebentätigkeiten durch manuelles Fördern des Montageobjektes. Als Nachteile sind zu nennen (Warnecke 1984): – Einsatz einer großen (oft teuren) Anzahl von Werkstückträgern, – geringe Flexibilität bei Stückzahlschwankungen und hoher Typenund/oder Variantenvielfalt, – schnelle Auswirkung von Störungen einzelner Stationen auf die Gesamtausbringung des Systems, – teilweise schwieriger Taktausgleich (zum Teil ist Springereinsatz erforderlich) und – Gefahr der einseitigen Belastung der Mitarbeiter und Monotonie wegen kurzzyklischer Tätigkeiten.
5.5 Arbeitsplatzgestaltung Fließmontage
163
5.5.5 Austaktung
Die Ausbringung einer Fließmontage mit mechanischer Förderung des Montageobjektes wird durch die jeweils längste Ausführungszeit der Engpassstation bestimmt. Mit zunehmenden Unterschieden in den Stationszeiten steigen die Auslastungsverluste im gesamten System. Um diese möglichst weitgehend zu verringern, wird ein Taktzeitausgleich oder eine Taktzeitharmonisierung angestrebt, was auch als Austaktung bezeichnet wird. Als Beispiel sei eine Montageanlage mit 10 verketteten Stationen angenommen. Davon sollen die Einzelarbeitsplätze 3 und 5 die kürzeste Ausführungszeit mit 7,2 s und der Einzelarbeitsplatz 8 die maximale Ausführungszeit mit 12 s benötigen. Zwischen der kürzesten und der längsten Ausführungszeit besteht also eine Differenz von 4,8 s, so dass mit Ausnahme der Engpassstation alle übrigen Arbeitsplätze Wartezeiten haben. Abbildung 5-28a zeigt hierzu die Taktzeitverteilung im Ausgangszustand ohne Taktzeitausgleich. Wie bereits in Abschn. 3.2.1 Abb. 3-2 gezeigt wurde, stellen derartige Wartezeiten einen Sekundär-Aufwand dar. Es ist daher zu untersuchen, ob den Arbeitsplätzen mit den kleinsten Arbeitsinhalten Vorfügevorgänge späterer Stationen zugeordnet werden können, um so den Einzelarbeitsplatz 8 zeitlich zu entlasten. Dies erfordert die Anordnung von sogen. Hilfsaufnahmen auf den Werkstückträgern Abb. 5-28c zeigt hierzu einen Werkstückträger mit der Werkstückaufnahme und einer Hilfsaufnahme. In der Werkstückaufnahme erfolgt die eigentliche Montage, die Hilfsaufnahme dient hier dazu, 2 Bauteile für Vorfügevorgänge aufzunehmen, deren Aufteilung auf die Stationen 3 und 5 aus Abb. 5-28d zu erkennen ist. Wie aus Abb. 5-28a hervorgeht, hat die Station 3 im Vergleich mit den übrigen Stationen die meiste freie Zeit, so dass hier zusätzlich eine Scheibe Teil 1 nach Abb. 5-28d in die Hilfsaufnahme eingelegt werden kann. Der Einzelarbeitsplatz 5 hat ebenfalls freie Zeit, so dass zusätzlich zur dortigen Montageaufgabe die Schraube Teil 2 eingefügt werden kann. Die Verlagerung von Vorfügevorgängen an die Stationen 3 und 5 entlastet nun den Einzelarbeitplatz 8 so weit, dass sich die Ausführungszeiten der zehn Arbeitsplätze weitgehend einander angleichen. Das Ergebnis der damit erfolgten Austaktung ist in Abb. 5-28b zu sehen. Jetzt liegt die Ausführungszeit der zehn Stationen zwischen 9,3 und 10,0 s und insgesamt hat sich die Taktzeit von 12,0 auf 10,0 s, also um 17% verbessert. Allerdings ist zu beachten, dass ein geringer Mehraufwand für die Entnahme der vorgefügten Teilbaugruppe aus der Hilfsaufnahme entsteht. Um einen hohen
164
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Sekundäranteil durch Taktzeitverluste zu vermeiden, sollte die Zeitdifferenz zwischen der kürzesten und der längsten Ausführungszeit 10% der längsten Ausführungszeit nicht überschreiten (Lotter 1992). Taktzeit [s]
Teil 2
Teil 1
14 12 10 8 tmax
6 4
1 Station 3
tmin
2 Station 5
3 Station 8
2 0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
a) ohne Taktzeitausgleich
9 10 Stations-Nr.
d) Vorfügeoperationen
Taktzeit [s] Verlagerung Vorfügeoperation
14 12 10 8 6
tmax
4
tmin
2 0 0
1
2
3
4
5
b) mit Taktzeitausgleich
6
7
8
9
10
Werkstückaufnahme Indexierbohrung
Hilfsaufnahme
c) Werkstückträger
Abb. 5-28 Austaktung einer Fließmontage durch Verlagerung von Vorfügevorgängen
5.5.6 Fließmontage für verrichtungsweisen Ablauf mit transportablen kreisförmigen Mehrfachwerkstückträgern
Um die nachweislichen Vorteile der verrichtungsweisen Montage auf eine Fließmontage mit Rundtakteinheiten zu übertragen, bietet sich für Produkte bis zu einer Grundfläche von ca. 10 x 10 cm und einer Teilezahl bis ca. 40 Stück der Einsatz von speziell gestalteten Rundtakteinheiten an, die mit kreisförmigen transportablen Mehrfachwerkstückträgern nach Abb. 5-29 bestückt sind. Die Werkstückträger sind mit einer Vielzahl von Einzelwerkstückaufnahmen ausgerüstet, deren Anzahl von der Grundfläche des Montageobjektes abhängt. Sämtliche durchzuführenden Montagevorgänge werden entsprechend der Anzahl der Aufnahmen auf dem Mehrfachwerkstückträger unmittelbar hintereinander verrichtungsweise durchgeführt. Dazu drehen sich die Werkstückträger in den manuellen Arbeitsstationen durch
5.6 Ausführungsbeispiele von manuellen Montagen
165
Reibschluss mit einer Antriebsscheibe. Mit Hilfe eines durch den Werker betätigten Schalters bleiben sie stehen bzw. drehen sich weiter. Bei Arbeitsplätzen mit integrierten automatischen Stationen erfolgt die exakte Taktung durch die Prozesssteuerung des Automaten. Auf einen mechanisierten Transport der Werkstückträger kann hier weitgehend verzichtet werden, da der manuelle Transport die Montagezeit kaum beeinflusst. 500mm
Zentrierbohrung Indexierbohrung Werkstückaufnahme
Abb. 5-29 Transportabler kreisförmiger Werkstückträger mit Mehrfachaufnahmen
Zur Begründung diene folgendes Beispiel: 10 unterschiedliche Einzelteile werden auf einem Mehrfachwerkstückträger mit 16 Einzelaufnahmen gefügt. Die durchschnittliche Fügezeit pro Teil betrage 2 s. Daraus errechnet sich ein Arbeitsinhalt des Werkstückträgers von 320 Sekunden. Die manuelle Transportzeit des Werkstückträgers zum folgenden Arbeitsplatz beträgt typischerweise 5 s. Bei 16 montierten Baugruppen entstehen dann 0,3 s Transportzeit pro Baugruppe. Damit ist ein mechanisierter Werkstückträgertransport unwirtschaftlich. Ein Vorteil der Mehrfachwerkstückträger ist neben dem wirtschaftlichen Effekt der verrichtungsweisen Montage die zeitliche Entkoppelung zwischen den Arbeitsplätzen. Nachteilig ist deren Eignung nur für relativ kleine Montageobjekte (Lotter 2000).
5.6 Ausführungsbeispiele von manuellen Montagen Abschließend zur Betrachtung der manuellen Kleingerätemontage sollen einige Praxisbeispiele vorgestellt werden.
166
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Beispiel Nr. 1: Komplexbaugruppe
Eine komplexe Baugruppe, je nach Variante bestehend aus 25 bis 32 unterschiedlichen Einzelteilen, ist in Losgrößen zwischen 50 und 100 Stück manuell zu montieren. Bezogen auf die geforderte Montagekapazität könnte die Baugruppe an einem manuellen Arbeitsplatz vollständig montiert werden. Die Bereitstellung von 32 unterschiedlichen Einzelteilen würde aber keine ergonomisch günstige Gestaltung mehr zulassen. Die Greifwege würden groß und zum Teil wären die Greifpositionen über Herzhöhe. Der dann extrem hohe Anteil an Sekundäraufwand führt zwangsläufig zu einer unwirtschaftlichen Lösung. Bei der in Abb. 5-30 vorgeschlagenen Lösung ist der Arbeitsinhalt auf zwei verbundene Arbeitsplätze aufgeteilt. Damit verkürzen sich die Handhabungswege und Greifpositionen über Herzhöhe kommen nicht vor. Die Aufteilung des Arbeitsinhaltes bedeutet aber auch, dass das Montageobjekt auf seiner Montagevorrichtung zwischen den Arbeitsplätzen bewegt werden muss. Deshalb kann diese auf einem einfachen Werkstückträger von Hand über Rollenbahnen verschoben werden. Um lange Laufwege zu vermeiden, sind die beiden Arbeitsplätze im rechten Winkel zu einander angeordnet. Die Rollenbahnen der Arbeitsplätze sind durch eine Kugelrollenbahn mit einem Winkel von 90 Grad überbrückt.
Abb. 5-30 Manuelle Montagearbeitsplatzgruppe (Werkbild Bosch Rexroth)
5.6 Ausführungsbeispiele von manuellen Montagen
167
Der Montagearbeitsablauf beginnt an der linken Anlagenseite. Das Basisteil wird in entsprechenden Kanban-Behältern auf einer Rollenbahn bereitgestellt. Die fertig montierte Baugruppe wird an der rechten Anlagenseite aus der Montagevorrichtung herausgenommen und abgelegt. Die nunmehr leere Montagevorrichtung auf der Palette wird manuell in die Ausgangsposition nach links vorschoben. Die Arbeitsplätze sind als Sitz/ Steh-Arbeitsplatz konzipiert. Beispiel Nr. 2: PKW-Baugruppe Eine Baugruppe für Personenwagen ist in bis zu 10 Varianten und Losgrößen zwischen 200 und 400 Stück zu montieren und zu prüfen. Der variantenneutrale Grundaufbau der Baugruppe besteht aus 16 unterschiedlichen Einzelteilen. In der variantenspezifischen Endmontage werden 6 bis 10 unterschiedliche Teile hinzugefügt. Als Lösung wurde eine Arbeitsplatzgestaltung nach dem Montagesystem Abb. 5-31 gewählt. Es handelt sich um eine verrichtungsweise Montage nach dem One Set Flow-Prinzip. Kennzeichnend hierfür ist die Positionierung mehrerer Baugruppen auf einem Werkstücksträger; in diesem Fall vier Stück.
Abb. 5-31 Montageanlage nach dem System One Set Flow für eine Baugruppe (Werkbild LP-Montagetechnik)
Die Anordnung der Behälter für die Teile entspricht deren Montagerangfolge. Die größeren Einzelteile werden in Kanban-Behältern über Rollenbahnen und die übrigen Kleinteile in entsprechenden Greifbehältern bereitgestellt. Der Arbeitsplatz ist halbkreisförmig mit einer linearen Verlängerung an der rechten Anlageseite gestaltet. Im Halbkreis erfolgt die
168
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
längerung an der rechten Anlageseite gestaltet. Im Halbkreis erfolgt die Montage der Baugruppengrundausführung und im linearen Bereich die variantenabhängige Fertigmontage und Produktprüfung. Die geplante Montageleistung von etwa 12 Stück pro Stunde kann von einem Mitarbeiter erbracht werden. Für den Fall einer steigenden Nachfrage und einer damit notwendigen Kapazitätserhöhung wird die Arbeit auf zwei Mitarbeiter aufgeteilt. Dann kommt ein zweiter Werkstückträger zum Einsatz und die Aufteilung erfolgt nach Grundaufbau und Variantenbildung. Jeder einzelne Werkstückträger durchläuft die gesamte Anlage. Volle und leere Werkstückträger können sich durch einen Ausweichlatz am Beginn der linearen Strecke aneinander vorbei bewegen. Zur Sicherung der etwas komplizierten Montage der Grundausführung ist eine visuelle Unterstützung der Mitarbeiter durch einen Bildschirm vorgesehen, auf dem die Montagevorgänge detailliert vorgeführt werden. Beispiel Nr. 3: Gasventil Ein Gasventil zur Warmwasserversorgung (z. B. in Etagenheizungen) wurde früher auf Einzelmontageplätzen bei stückweisem Montageablauf montiert. Um der Marktforderung nach einer Preisreduzierung gerecht zu werden, wurde ein verrichtungsweiser Ablauf realisiert. Abbildung 5-32 zeigt die Anordnung. Als Lösungskonzept diente der in Abb. 5-17 vorgestellte Arbeitsplatz für einen verrichtungsweisen Montageablauf.
Werkstückträger mit Gasventil (16-er Teilung)
automatische Einpreßstation
Einzelteilbereitstellung
manueller Schrauber Ablage Großteile
Bereitstellung Großteile
Abb. 5-32 Montagearbeitsplatz mit verrichtungsweisem Montageablauf für Gasventil (wbk Karlsruhe)
5.7 Zusammenfassung
169
Auf dem Drehteller sind in Tischhöhe 16 Doppelwerkstückträger aufgebaut. Ein Werkstückträger dient der Vormontage des Ventiloberteils, auf dem zweiten Werkstückträger findet die Vormontage des Ventilunterteils statt und danach die Endmontage. Das Gasventil besteht, je nach verlangter Ausführungsvariante, aus 60 bis 70 Einzelteilen. Daher erfolgt die Materialbereitstellung aus zwei darüber liegenden programmgesteuerten Drehscheiben. Das Einpressen von drei Teilen in das Gehäuse geschieht durch 3 pneumatische Pressen innerhalb der Taktzeit. Die Umstellung erbrachte eine Montagezeitreduzierung von ca. 40%. Zur Veranschaulichung der Lösung zeigt Abb. 5-33 eine Ansicht des ausgeführten Arbeitsplatzes.
Abb. 5-33 Ansicht Arbeitsplatz für ein Gasventil (iwb Karlsruhe)
5.7 Zusammenfassung Im Rahmen dieses Kapitels wurde eine große Anzahl von Lösungen für die Kleingerätemontage aufgezeigt, angepasst an die zu erwartenden Leistungsbereiche. Eine entscheidende Voraussetzung zur Verwirklichung der gesteckten Ziele ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Produktentwicklung und der Montageplanung. Etwa 70% aller Montagevorgänge sind durch die Produktkonstruktion festgelegt. Damit kommt der montagegerechten Produktgestaltung eine große Kostenverantwortung zu.
170
5 Manuelle Montage von Kleingeräten
Als Grundlage der Arbeitsplatzgestaltung müssen die Regeln der Primär-Sekundär-Analyse beachtet werden. Dabei zeigt sich, dass der Sekundäraufwand in erster Linie durch eine ungünstige Teilebereitstellung und handhabung verursacht wird. Hier kann oft mit geringem Investitionsaufwand eine erhebliche Verbesserung erzielt werden. Insbesondere die verrichtungsweise Montage bietet gegenüber der stückweisen Montage deutliche Vorteile.
Literatur Al-Kashroum O (1998) Einfluss des Arbeitsablaufs bei der Montage. Dissertation TU Chemnitz Grob, Haffner (1982) Planungsleitlinien – Arbeitsstrukturierung. Siemens AG, Berlin Landau K u. Luczak H (2001) Ergonomie und Organisation in der Montage. Carl Hanser-Verlag, München Wien Lotter B (1982) Arbeitsbuch der Montagetechnik. Vereinigte Fachverlage, Mainz Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage, 2. Aufl. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B (2000) Anpassung und Flexibilität der Montagetechnik. Flexible Automation, Heinrich Publikationen GmbH, Gilching Lotter B, Lotter E (2002) Wirtschaftliche Fließmontage von Einzelstück oder Kleinstserienvarianten. MAV- Konradin Verlag, Leinfelden Lotter B, Schilling W (1994) Manuelle Montage. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B et al. (1998) Manuelle Montage wirtschaftlich gestalten. Expert Verlag, Renningen REFA (1991) Methodenlehre der Planung und Steuerung. 6 Bände. Teil 1: Grundlagen – Einflüsse auf das Unternehmen – Informationen und Daten – Erzeugnisse und Ausführungsunterlagen. Teil 2: Programm und Auftrag – Materialplanung und -steuerung – Kapazitätsplanung und -steuerung – Personalplanung und -steuerung – Betriebsmittelplanung und -steuerung. Teil 3: Zeitermittlung, Terminierung – Erstellen von Arbeitsunterlagen. Werkstattsteuerung. Teil 4: Qualitätsplanung und -steuerung. Teil 5: Planung und Steuerung von Kosten und Investitionen. Teil 6: Netzplantechnik – Projektmanagement – Betriebsstättenplanung. Carl Hanser-Verlag, München 1991
Literatur
171
REFA(1975) Methodenlehre des Arbeitsstudiums 6 Bände. Teil 1 – Grundlagen 1975/76 2. Auflage; Teil 2 – Datenermittlung 1975/76 2. Auflage; Teil 3 – Kostenrechnung, Arbeitsgestaltung 1975/76 2. Auflage; Teil 4 – Anforderungsermittlung (Arbeitsbewertung) 1975/76 2. Auflage; Teil 5 – Lohndifferenzierung 1975/76 2. Auflage; Teil 6 – Arbeitsunterweisung 1975/76 2. Aufl. Carl Hanser-Verlag, München Wien Röhrig M (2002) Variantenbeherrschung mit hochflexiblen Produktionsendstufen. Dissertation Universität Hannover Spur G et al. (1986) Handbuch der Fertigungstechnik, Band 5 Fügen, Handhaben und Montieren. Carl Hanser-Verlag, München Wien Takeda (1995) Das synchrone Produktionssystem. Verlag moderne industrie, Landsberg Warnecke HJ (1984) Der Produktionsbetrieb. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
6 Manuelle Montage von Großgeräten
6.1 Einleitung Die manuelle Montage von Großgeräten – wie. z. B. Maschinen, Traktoren, Haushaltsgeräte, PKW-Motoren, LKW-Achsen, Schaltschränke usw. – wird in ihrer Montagestruktur vorrangig durch das Produktgewicht, die Produktabmessung und die Produktionsrate bestimmt. In Abb. 6-1 sind sieben Produktbeispiele für Großgeräte mit Angaben über Gewicht, Abmessung und geplante Stückleistung aufgeführt und ihnen die hierfür geeigneten Montageprinzipien sowie die Bewegungsgrößen für Produkt und Personal zugeordnet. Produktbeispiel
Produkt- und Produktionsparameter Gewicht [Kg]
Werkzeugmaschinen Großbaugruppen Ackerschlepper LKW - Hinterachsen Röntgengeräte PKW - Sitze Geschirrspüler
> 1.000
Montageprinzip
Grundfläche Leistung [cm x cm] [Stück/Jahr] 200 x 300
Bewegungsgröße Produkt
Personal
60 Baustellenmontage/ Gruppenmontage 180 Baugruppenmontage/ Gruppenmontage 20.000 Fließmontage
stationär stationär stationär stationär bewegt
stationär stationär stationär stationär stationär
100 - 300
50 x 60
> 1.500
160 x 250
> 800
50 x 180
60.000 Fließmontage
bewegt
stationär
300
60 x 220
20 - 30
52 x 65
1.200 Baustellenmontage/ One- Piece- Flow 40.000 Fließmontage
stationär bewegt bewegt
stationär bewegt stationär
250
58 x 60
75.000 Fließmontage
bewegt
stationär
Abb. 6-1 Montageprinzipien für Großgeräte (Beispiele)
Generell lassen sich die für Großgeräte geeigneten Montagesysteme in die zwei Organisationsformen Baustellenmontage und Fließmontage mit jeweils zwei unterschiedlichen Ausprägungen gliedern. Die geplante Stückleistung hat dabei eine wesentliche Auswirkung auf die Auswahl des Montagesystems (Eversheim 1989, Lotter u. Schilling 1994). − Bei der reinen Baustellenmontage bleiben das Montageobjekt und das Montagepersonal stationär.
174
6 Manuelle Montage von Großgeräten
− Die Gruppenmontage basiert auf der Baustellenmontage, d.h. das Montageobjekt bleibt stationär angeordnet, das Montagepersonal wechselt jedoch nach vorgegebenem Ablaufplan von Montageobjekt zu Montageobjekt (Schimke 1977). − Bei der Fließmontage wird das Montageobjekt von Montagestation zu Montagestation bewegt. Das Montagepersonal bleibt stationär am Arbeitsplatz. − Beim One-Piece-Flow-Prinzip bewegt sich der Monteur zusammen mit dem einzelnen Montageobjekt an Materialbereitstellungsplätzen vorbei und komplettiert dabei das Produkt. Die einzelnen Montageprinzipien werden nun aus Sicht der PrimärSekundär-Analyse näher betrachtet.
6.2 Baustellenmontage Stationäre Montageobjekte kennzeichnen die Baustellenmontage und sie kommen in der Regel bei einer Einzelstückmontage zum Einsatz. Der Monteur oder die Monteure sind der Baustelle fest zugeordnet. Vorwiegend wird im Zeitlohn gearbeitet – vereinzelt mit Vorgabe einer Richtzeit. Durch die Bereitstellung einer hohen Anzahl von Einzelteilen und/oder vormontierten Baugruppen sowie der notwendigen Zugänglichkeit von allen Seiten zum Montageobjekt hat die Baustellenmontage einen hohen Platzbedarf. Wesentlich ist weiterhin, dass die eigentliche Montagestelle und die Materialbereitstellung räumlich von einander getrennt sind (Augusta et al. 1972). Beide Merkmale wirken sich negativ auf die Handhabungszeiten für Teile oder Werkzeuge aus und die hierfür notwendigen Körperbewegungen, wie Drehen, Gehen, Beugen, Bücken und Aufrichten verursachen einen hohen Sekundäraufwand. Große Baugruppen, die in das Endprodukt eingehen, sollten nicht an dessen Montageplatz vormontiert werden. Hierfür ist ein separater Vormontageplatz in räumlicher Nähe besser geeignet. Bei kleinen Baugruppen mit kleinem Arbeitsinhalt kann die Vormontage im Bereich des Montageobjektes auf separaten Arbeitstellen erfolgen. Der als Beispiel gewählte Arbeitsplatz nach Abb. 6-2 unterscheidet Haupt- und Nebenarbeitsstellen sowie Anlaufstellen zur Bereitstellung von Großteilen. An der Hauptarbeitstelle wird das Objekt montiert. An den Nebenarbeitsstellen erfolgen vorbereitende Tätigkeiten wie z. B. entgraten, säubern, fetten usw. und eventuelle Vormontagen von Unterbaugruppen.
6.2 Baustellenmontage
175
Arbeitstisch Kleinteile
Materialbox
Montageplatz
Schraubstock
Palette
Hauptarbeitsstelle
Palette
Nebenarbeitsstelle
Anlaufstelle
Abb. 6-2 Baustellenmontageplatz für ein Getriebe (nach Schilling)
Wird bei der Baustellenmontage eine große Anzahl unterschiedlicher Kleinteile wie Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben usw. verbaut, so empfiehlt es sich, diese mit fahrbaren Materialwagen nach Abb. 6-3 bereit
Abb. 6-3 Materialversorgungswagen für Kleinteile (nach Bosch)
176
6 Manuelle Montage von Großgeräten
zu stellen. Von Vorteil ist, dass die Materialentnahme von den Werkern jeweils griffgünstig an der Bedarfsstelle erfolgen kann. Wenn keine unplanmäßigen, organisatorischen Wartezeiten entstehen, ist die Montagezeit hier gleich der Durchlaufzeit (Lotter, Schilling 1994).
6.3 Gruppenmontage Das Prinzip der Gruppenmontage besteht darin, dass mehrere Montageobjekte an benachbarten Montageplätzen gleichzeitig montiert werden. Die Montageobjekte bleiben stationär, das Montagepersonal wechselt an den aufgestellten Montageobjekten. Abbildung 6-4 zeigt schematisch mögliche Wechselvorgänge.
GAS 1
GAS
GAS 2
GAS 3
Gruppenarbeitsstation montiert ein Produkt komplett
Abb. 6-4 Personalwechsel bei der Gruppenmontage (Beispiel)
Bei der Gruppenmontage ist eine Arbeitsteilung unumgänglich. Die Unterteilung des Montageablaufes in Arbeitschritte mit zeitlich gleichem Arbeitsinhalt ist schwierig und dann unmöglich, wenn im Montageablauf längerfristige Tätigkeiten auftreten, die einen periodischen Personalwechsel nicht mehr erlauben. Dies gilt auch bei Störungen, wie z. B. Nacharbeiten, Materialmangel usw. Wenn die hierbei anfallenden Wartezeiten nicht durch Nebentätigkeiten genutzt werden können, die nicht an den Ablauf gebunden sind, stellen sie einen Sekundäraufwand dar. Gegenüber der Baustellenmontage ändert sich die Materialbereitstellung nicht. Da bei der Gruppenmontage jedes Montageobjekt stationär fertig montiert wird, muss die Materialbereitstellung auch für jedes einzelne Montageobjekt erfolgen. Eine zentrale Materialbereitstellung hätte zur Folge, dass sich die Hol- und Bringwege für Teile, Baugruppen oder Werkzeuge extrem vergrößern und einen hohen Sekundäraufwand verur-
6.4 Fließmontage
177
sachen würden. Die Kleinteileversorgung kann, wie bei der Baustellenmontage, über Materialversorgungswagen entsprechend Abb. 6-3 erfolgen. Ein Vorteil der Gruppenmontage besteht darin, dass sich die Durchlaufzeit pro Montageobjekt verkürzt und die Zusammensetzung der Personalgruppen mit fachlich unterschiedlicher Qualifikation erleichtert wird (Eversheim 1989).
6.4 Fließmontage Die Fließmontage für Großgeräte ist dadurch gekennzeichnet, dass das Montageobjekt bewegt wird und das Montagepersonal stationär bleibt. Nach der Art des Bewegungsablaufes wird nach periodischem oder kontinuierlichem Ablauf unterschieden. 6.4.1 Periodischer Bewegungsablauf Der periodische, getaktete Bewegungsablauf hat den Vorteil, dass das Montageobjekt während der Montagevorgänge, die einer Station zugeordnet sind, stationär bleibt. Es wird also am ruhenden Objekt montiert. Dies setzt voraus, dass eine Unterteilung des Montageinhaltes in Abschnitte weitgehend gleicher Dauer möglich ist. Arbeitsinhalt und Stückleistung pro Zeiteinheit (z. B. Tag) bestimmen dann durch die Gesamtmontagezeit die notwendige Anzahl an Montageplätzen und deren Arbeitszuteilung. Für den periodischen Bewegungsablauf sind entsprechende technische Ausrüstungen notwendig. Diese richten sich in erster Linie nach dem Gewicht des Montageobjektes. Hierzu werden nun einige Lösungen vorgestellt. Montage von Produkten der Gewichtsklasse größer 1000 kg Bei der Großgerätemontage, wie beispielsweise Werkzeug-, Bau- und Textilmaschinen, ist mit Stückgewichten von über einer Tonne und mit einem hohen Arbeitsinhalt zu rechnen. Bei relativ geringen Stückzahlen kommen zum Transport der Montageobjekte von Montagestation zu Montagestation hauptsächlich Krananlagen zum Einsatz. Der dafür notwendige Zeitaufwand liegt in Abhängigkeit vom Gewicht und der Bewegungslänge bei ca. 5 bis 10 Minuten. Um die Transferzeit an der Gesamtmontagezeit möglichst gering zu halten, sollte der Montageinhalt pro Arbeitsstation ein Vielfaches der Transferzeit betragen (vgl. auch Unterkapitel 3.5.1, Abb. 3-12).
178
6 Manuelle Montage von Großgeräten
Bei einer größeren Stückleistung pro Jahr, beispielsweise 20.000 Traktoren mit einem Gewicht von je 1.500 kg, ist der Einsatz von Krananlagen wegen der hohen Handhabungszeiten sehr unwirtschaftlich und es finden dann in der Regel Palettentransfersysteme Verwendung. Derartige Systeme haben eine Palettennutzfläche von beispielsweise 2 x 3 m und arbeiten nach dem sogenannten Schiebesystem. Die Paletten werden dabei im Verbund, jeweils um die Länge einer Palette, in einem Karree periodisch verschoben. Bei einer Traktorproduktion von 20.000 Stück im Jahr, einer Nutzungszeit von 230 Tagen im Zweischichtbetrieb und einer organisatorischen Verfügbarkeit von 85 % errechnet sich eine Taktzeit von ca. 8 Minuten oder 480 s. Bei einer Palettenlänge von 3 m beträgt die Verschiebzeit 30 Sekunden. Von den 480 s Taktzeit entfallen 450 s auf den stationären Zeitanteil entsprechend 94 % und 30 s auf die Transferzeit entsprechend 6 %. Montage von Produkten der Gewichtklasse um 500 kg Eine Serien-Fließmontage für Produkte mit einer Masse von ca. 500 kg kann, abhängig von der Aufgabenstellung, mit schienengebundenen oder schienenfreien Systemen erfolgen. Die schienengebundene Fließmontage wird für komplexe Produkte (z. B. PKW-Motoren) zur Aufteilung des Montageaufwandes auf eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verwendet. Der Arbeitsinhalt je Platz liegt üblicherweise bei deutlich mehr als einer Minute. Anstelle der bei den Kleingeräten benutzten Werkstückträger sind schienengeführte Transportfahrzeuge üblich. Diese Transportfahrzeuge werden mit den notwendigen Montagevorrichtungen ausgerüstet. Der Fahrzeuggrundaufbau ermöglicht je nach Ausführung ein Drehen und Schwenken der Montagevorrichtung und/oder eine in der Arbeitshöhe einstellbare Aufnahme der Montagevorrichtung. Jedes Fahrzeug verfügt über einen eigenen Elektroantrieb. Die Energie wird dem Fahrzeug über Stromschienen zugeführt. Der Werker aktiviert nach Beendigung seines Montageanteils die Weiterbewegung des Fahrzeugs zum nächsten Arbeitsplatz. Damit wird eine bedingte Entkoppelung vom Taktzwang ermöglicht und eine Staufähigkeit zwischen den Arbeitsplätzen gewährleistet. Die Systeme bilden einen geschlossenen Transportkreislauf und sind allgemein in Ovalform mit Vor- und Rücklaufbahn aufgebaut. Abbildung 6-5 zeigt im Querschnitt das Prinzip eines Transfersystems mit zwei Fahrzeugen, jeweils mit einer dreh- und schwenkbaren Montagevorrichtung, die an einem Führungsrahmen hängt. Durch Weichen, Kreuzungen oder Vertikalelemente können die Fahrkurse flexibel gestaltet werden.
6.4 Fließmontage
179
vertikale Schwenkachse
horizontale Schwenkachse
Montageobjekt
Führungsschiene
Montagevorrichtung
Führungsrahmen
Transportfahrzeug angetrieben
Abb. 6-5 Prinzip eines Transportsystems mit dreh- und schwenkbaren Montagevorrichtungen (nach Fa. Bleichert Förderanlagen)
Eine schienenfreie Fließmontage ist dann von Vorteil, wenn bei der Montage eines Produktes aufgrund der Variantenanzahl und der Losgrößen unterschiedliche Arbeitsplätze in unterschiedlicher Reihenfolge benötigt werden. Vorzugsweise werden hier Flurförderfahrzeuge verwendet. Flurförderfahrzeuge können je nach Montageaufgabe mit einer horizontal angeordneten Dreheinheit oder mit einer vertikal angeordneten Hubeinheit zur Aufnahme der Montagevorrichtung ausgerüstet sein. Jedes einzelne Fahrzeug besitzt einen Mikroprozessor zur Zielsteuerung des Fahrzeuges. Die Führung des Fahrzeuges erfolgt vielfach mit Induktionsschleifen, die im Hallenboden verlegt sind oder mit Hilfe aufgeklebter Metallbänder. Auch die Energieversorgung ist mittlerweile batterielos über Induktion möglich. Zunehmend finden aber auch frei geführte Fahrzeuge Anwendung, die sich an optischen Zielmarken orientieren. Ihr Vorteil liegt gegenüber den vorher genannten Systemen in der einfacheren Umprogrammierung ihrer Wege und Zielorte. Damit lässt sich eine Fließmontage mit einem Montageablauf realisieren, bei der die gewünschten Arbeitsplätze in der gewünschten Reihenfolge angefahren werden. Jedes Fahrzeug gibt mit der Durchführung eines Montagevorganges an einem Arbeitsplatz seine Zustandsmeldung an einen Leitrechner ab und erhält, abgestimmt auf die Montagefolge, neue Befehle. Der Informationsaustausch zwischen Fahrzeug und übergeordneter Steuerung erfolgt drahtlos (Lotter, Schilling 1994).
180
6 Manuelle Montage von Großgeräten
Abbildung 6-6 zeigt schematisch Montageablauffolgen einer Fließmontage von zwei Produktvarianten unter Einsatz von Flurförderfahrzeugen.
Fahrzeugbahn Produktvariante ‘A‘ Start
MontageArbeitsplätze
Ende
1
2
3
4
5
6
Start
7
Ende Fahrzeugbahn Produktvariante ‘B‘
Abb. 6-6 Prinzip einer flexiblen Fließmontage mit Montageflurförderfahrzeugen
Montage von Produkten der Gewichtsklasse um 150 kg Für die Fließmontage von Produkten bis zu einem Gewicht von ca. 150 kg und einer Stückleistung von mehr als 20 Stück pro Stunde kommen Längstransfersysteme mit Gurtbändern und/oder Staurollenketten zum Einsatz. Die Werkstückträgergröße kann bis zu ca. 600 x 1200 mm betragen. Die detaillierte Beschreibung derartiger Transfersysteme enthält Kap. 8. Fließmontage nach dem One Piece Flow-Prinzip Die bisher beschriebenen Fließmontagesysteme sind gekennzeichnet durch bewegte Montageobjekte und eine stationäre Zuordnung des Montagepersonals. Bei der Fließmontage nach dem Prinzip „One Piece Flow“ (EinStück-fließt) bewegt sich sowohl das einzelne Montageobjekt als auch das Montagepersonal (vgl. auch Abschn. 5.4.6). Dabei fährt das Montageobjekt auf einer entsprechenden Vorrichtung an den Bereitstellungspositionen des Materials vorbei, wobei das Montagepersonal dem Montageobjekt folgt. Die Materialbereitstellungsorte entsprechen in ihrer Anordnung der Montagereihenfolge der Produktbestandteile. Die Gesamtmontage des Objektes erfolgt durch einen oder durch mehrere Mitarbeiter. Voraussetzung ist eine der Montageaufgabe entsprechende fachliche Qualifizierung. Das Montageprinzip hat ferner den Vorteil, dass auftretende Montagefehler dem verursachenden Mitarbeiter zugeordnet werden können. Der Transport der Montageobjekte geschieht mit selbst fahrenden Flurförderfahrzeugen oder für Objekte bis zu einem Gewicht von etwa 800 kg
6.4 Fließmontage
181
durch manuell bewegte Montagewagen. Auch der Transport des fertigen Produktes zum Versand sollte mit dem Montagewagen durchgeführt werden. Das Verfahren des Montageobjektes nach jeder Montageoperation erzeugt für die jeweils nächsten Montagevorgänge eine günstige Position zur Materialbereitstellung. Damit sind die Wege der Werkstückhandhabung kurz und verringern den sonst üblichen hohen Sekundäraufwand. Abbildung 6-7 zeigt hierfür ein schematisches Beispiel mit fünf Montagepositionen und den zugehörigen Materialbereitstellungsorten in Form von Behälterrutschen. Materialbereitstellung
Pos 1
Pos 2
Pos 3
Pos 4
Pos 5
Abb. 6-7 Fließmontage nach dem One Piece Flow-Prinzip
Analysen zeigen, dass bei der Großgerätemontage der Anteil an kleinen Teilen, z. B Normteilen, sehr groß ist. Deshalb ist es sinnvoll, die Kleinteile nicht in einer separaten Materialbereitstellungszone, sondern auf dem Montagewagen selbst zu bevorraten. Diese Teile werden dabei in größeren Mengen bereitgestellt, als für ein einzelnes Montageobjekt erforderlich ist. Einen Lösungsansatz hierfür zeigt Abb. 6-8. Dieser Montagewagen besitzt zwei diagonal angeordnete Drehteller mit Fächern zur Aufnahme von Kleinteilen. Abhängig vom Bedarf an unterschiedlichen Teilen kann die Anordnung der Teller mehrstöckig sein. Der Aufnahmebolzen als Drehpunkt der Teller sitzt in einem Gelenkarm. Damit kann der Werker die Kleinteile dem Fortschritt der Montage folgend immer in eine griffgünstige Position bringen. Der sonst notwendige Sekundäraufwand, insbesondere durch Körperbewegungen zum Holen der Teile, wird so ganz vermieden (Lotter, Schilling 1994).
182
6 Manuelle Montage von Großgeräten
Bereitstellung der Kleinteile auf Drehtellern
Abb. 6-8 Montagewagen mit integrierter Kleinteilebereitstellung
6.4.2 Kontinuierlicher Montageablauf Beim kontinuierlichen Montageablauf sind die Montagevorgänge am bewegten Montageobjekt durchzuführen. Üblich ist eine langsame, stetige Bewegung des Montageobjektes mit einer Geschwindigkeit von etwa 0,5 bis 1,5 m/min. Dieses Montagesystem ist für komplexe Produkte bei hoher Stückleistung geeignet. Da sich hier keine Puffer zwischen den Arbeitstationen bilden können, muss die Dauer eines Montagetaktes pro Werker gleich sein, wobei sich geringe Unterschiede nie ganz vermeiden lassen. Da die Teilebereitstellung parallel zum Fließband erfolgen muss und der Werker in Front zum Montageobjekt arbeitet, entsteht durch die notwendigen Körperbewegungen für die Handhabung der Teile zwangsweise ein hoher Sekundäraufwand. Dadurch ist der Werkereinsatz praktisch auf eine Seite des Montageobjektes beschränkt. Wenn von zwei Seiten montiert werden muss, arbeiten in der Regel zwei Werker pro Arbeitsstation und die Materialbereitstellung erfolgt zu beiden Seiten des Fließbandes. Abbildung 6-9 zeigt ein derartiges Anordnungsschema für die Montage von LKW-Hinterachsen. Eine Primär-Sekundär-Analyse dieses Beispiels zeigte, dass hier ein Wirkungsgrad von nur 60 % erreicht wurde.
6.4 Fließmontage Endmontageband 1
183
Vormontagen
Fertigprodukt
Bremsträger
Glockennabe
Montageband Achsgetriebe
Endmontageband 2 Fertigprodukt
Radnabe
Achsschenkel Achsschenkel
Montagewagen Materialbereitstellpuffer
Abb. 6-9 Fließband-Montagesystem mit beidseitiger Materialbereitstellung
Arbeitsinhalt, Produktgröße und Soll-Leistung bestimmen die Fließbandlänge. Reicht diese Länge für die Materialbereitstellung nicht aus, werden Quergänge notwendig. Damit werden für die in den Quergängen
Gitterboxen Regal 3
Montagewagen
Bewegungen : Gehwege einfach
Regal 1/2
Gehwege mehrfach
Schrank/Regal
Körperdrehungen einfach 1m
Körperdrehungen mehrfach
Abb. 6-10 Materialbereitstellung mit Quergängen (Beispiel Endmontage Nutzfahrzeugachse)
184
6 Manuelle Montage von Großgeräten
bereit gestellten Teile die Handhabungswege gegenüber der direkten Bereitstellung um das zwei- bis dreifache größer. Abbildung 6-10 zeigt eine derartige Situation am Beispiel der Endmontage von Nutzfahrzeugachsen. Man erkennt die langen Gehwege und vielfachen Körperdrehungen, die überwiegend Sekundäraufwand bedeuten.
6.5 Bevorratungsfreie Fließmontage für Großgeräte 6.5.1 Prinzip Bevorratungsfreie Montagesysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass die montagesynchrone Bereitstellung aller notwendigen Einzelteile bzw. vormontierter Baugruppen an den Montageort als Teilesatz auf einem Montage- oder separaten Materialwagen erfolgt. Auf die Montage- bzw. Materialwagen werden alle erforderlichen Bauteile entweder verbrauchs- oder bedarfgesteuert kommissioniert. Am Montagesystem entlang selbst befinden sich in beiden Fällen keine Vorräte an Material mehr, wodurch sich der Begriff bevorratungsfreie Montage erklärt. Für komplexe Großgeräte mit hoher Stückleistung ist die bevorratungsfreie Fließmontage trotz des notwendigen Kommissionieraufwandes der Teile wirtschaftlicher als bei einer konventionellen Teilebereitstellung entlang des Montagebandes. Dies gilt sowohl für den getakteten wie auch kontinuierlichen Montageablauf. Die bevorratungsfreie Fließmontage wird in zwei Ausführungen unterschieden. − Materialbereitstellung auf dem Werkstückträger zusammen mit seiner Montagevorrichtung. Diese Lösung ist geeignet für Produkte bis zu einer Produktgrundfläche von ca. 50 x 50 cm. − Materialbereitstellung als separater Materialwagen, der mit dem Montagewagen verbunden ist. Diese Lösung ist erforderlich, wenn der Platz für die Teile auf dem Montagewagen nicht ausreicht. Der Materialwagen kann dabei als Anhänger ausgebildet sein oder parallel zum Montagewagen mitgeführt werden. Die Kommissionierung und Bestückung der Werkstückträger bzw. der Materialwagen erfolgt bei beiden Lösungen in einem zentralen Kommissionierlager, das wie ein Supermarkt mit Einzelentnahme der Teile nach Bedarf und Auffüllung nach Verbrauch funktioniert. In Abhängigkeit vom Kommissionieraufwand wird das Lager in Zonen eingeteilt. Abbildung
6.5 Bevorratungsfreie Fließmontage für Großgeräte
185
6-11 zeigt als Beispiel die Unterteilung eines Kommissionierlagers in drei Zonen. Zone 3 (0,8 m)
Zone 2 (3,0 m)
Zone 1 (4,5 m)
Durchlaufregale
Bereitstellung
Mitarbeiterbewegung pro Teil
Bereitstellplatz Teil A
Bereitstellplatz Teil B
Bereitstellplatz Teil C
Bereitstellplatz Teil n
Teil a
Teil b
Teil n
Teil u
Teil v
Teil w
Zone 1: Kommisioniergröße 1; Weg = (1 •4,5) / 1 = 4,5 m Zone 2: Kommisioniergröße 5; Weg = (1 • 7,5) / 5 = 1,5 m je Teil Zone 1: Kommisioniergröße 25; Weg = (1• 8,3) / 25= 0,33 m je Teil
Abb. 6-11 Aufteilung eines Kommissionierlagers (Beispiel)
In Zone 1 werden die Großteile bereitgestellt und in der Kommissioniergröße 1 auf der Transporteinheit (Werkstückträger oder Materialwagen) platziert. Die Kommissioniergröße ist als Anzahl gleicher Teile je Kommissioniervorgang definiert. Zone 2 bevorratet mittelgroße Bauteile, die beispielsweise in der Kommissioniergröße 5 auf der Transporteinheit liegen. Zone 3 stellt Kleinteile und Normteile in Greifbehältern bereit. Der Kommissionierer tauscht die leeren (oder fast leeren) Behälter gegen volle Behälter aus. Die Bestückung der Durchlaufregale erfolgt an deren Rückseite. Die Kommissioniergröße ist vom Behälterinhalt abhängig, d.h. bei einem Inhalt von 25 Stück ist die Kommissioniergröße 25. Aus den drei Kategorien der Kommissioniergröße (1, 5, und 25) resultiert dann eine unterschiedliche Kommissionierhäufigkeit der einzelnen Bauteile. Unter der Annahme, dass jedes Teil je Objekt einmal benötigt wird, muss die Kommissionierung in der Zone 1 bei jedem einzelnen, in Zone 2 nach jedem fünften und in Zone 3 nach jedem fünfundzwanzigsten Durchlauf der Transporteinheit erfolgen. Dadurch reduziert sich der Kommissionierweg je Teil – wie im unteren Bildteil vorgerechnet – in diesem Beispiel
186
6 Manuelle Montage von Großgeräten
von 4,5 m (Zone 1) auf 1,5 m (Zone 2) bis zu 0,33 m (Zone 3), obwohl die Entfernungen zur Zone 2 bzw. 3 größer werden. 6.5.2 Materialbereitstellung auf Werkstückträger Als Beispiel dient die Montage eines Haushaltsgerätes, das in Fließmontage mit periodischem Bewegungsablauf auf vier Montageplätzen durchgeführt wurde. Abbildung 6-12 zeigt die bisherige Arbeitsplatzgestaltung eines der vier Montageplätze. Die übrigen Arbeitsplätze waren sehr ähnlich aufgebaut.
Fügehilfe T1
T2
T3
55
T3
44
Fett, Pinsel
44
55
55
60
60
T 10
83
FP
T4 T5
65 80
10 0
cm
T6
T9
T7 T8
Körperbewegung mit Last
Körperbewegung ohne Last
FP Fügepunkt
Abb. 6-12 Arbeitsplatzanordnung (Ist-Zustand)
Eine Primär-Sekundär-Gesamtanalyse aller Arbeitsplätze einschließlich der Materialversorgung ergab einen Wirkungsgrad von 35 %. Die Hauptursache für diesen schlechten Wert lag in der Art der Teilebereitstellung. Abbildung 6-12 zeigt deutlich, dass bei dieser Arbeitsplatzgestaltung für die Teilehandhabung ein hoher Aufwand durch lange Greifwege verbunden mit Körperbewegungen entsteht.
6.5 Bevorratungsfreie Fließmontage für Großgeräte
187
Als Ansatz zur Verbesserung wurde die bevorratungsfreie Montage gewählt. Der im Einsatz befindliche Werkstückträger mit einer Abmessung von 500 x 500 mm wird durch einen Werkstückträger mit den Abmessungen 500 x 1200 mm ersetzt. Die Querbänder der bisherigen Doppelgurtanlage wurden auf eine Spurbreite von 1200 mm verbreitert, der Rest blieb bestehen. Die Gestaltung des Werkstückträgers geht aus Abb. 6-13 hervor. In der Zone 1 des zugehörigen Kommissionierlagers wird das Basisteil B in der Kommissioniergröße 1 auf der Montagevorrichtung platziert. Aus derselben Zone kommen weitere 6 unterschiedliche Teile T 1/1 bis T 1/6 in der Stückzahl 1 hinzu. Zone 2 stellt weitere 8 unterschiedliche Teile T 2/1 bis T2/8 in der Kommissioniergröße n = 5 zur Verfügung und in der Zone 3 erfolgt die Vervollständigung mit den restlichen 6 unterschiedlichen Kleinteilen T 3/1 bis T 3/6 in der Kommissioniergröße 25.
T2/3
T2/4
1200
T1/1
T2/2 T2/1
Montagevorrichtung T1/4
T1/2
T1/3 500
Basisteil B T2/5
T2/6
T1/5 T2/8
T2/7
T3/2
T3/3 T3/4
T3/5
T3/6
T1/6
T3/1
Basisteil B und T1/1 bis T1/6 : bestückt in Kommissionierzone 1 T2/1 bis T2/8 : bestückt in Kommissionierzone 2 T3/1 bis T3/8 : bestückt in Kommissionierzone 3
Abb. 6-13 Materialpositionierung auf neuem Werkstückträger
Die Struktur der Gesamtanlage geht aus Abb. 6-14 hervor. Die Werkstückträger werden vom Kommissionierer bestückt und von dort aus auf die drei Arbeitsstationen ausgeschleust. An jedem Einzelplatz erfolgt die komplette Montage eines Gerätes. Danach werden die Werkstückträger mit den fertig montierten Objekten den Prüfstationen zugeführt. Danach erfolgt die Entnahme des Fertigproduktes und der leere Werkstückträger kann wieder bestückt werden.
188
6 Manuelle Montage von Großgeräten
Zone 2 Zone 3
Zone 1
Entnahme Fertigprodukt Kommissionierlager
bestückter Werkstückträger
leerer Werkstückträger
PP2
PP1 AP3
Prüfplätze
AP2
AP1
Montageplätze
Abb. 6-14 Bevorratungsfreie Montageanlage für Haushaltsgeräte (Beispiel)
Diese Lösung hat die Montagezeit einschließlich des Kommissionieraufwandes um 23 % reduziert. Die Berechnung des Wirkungsgrades der Gesamtanlage auf Basis einer Primär-Sekundäranalyse ergab eine Verbesserung von 35 auf 72 % (Lotter et al. 1998). 6.5.3 Materialbereitstellung auf Materialwagen Bei dieser Art der kommissionierten Materialbereitstellung besteht die Montageeinheit aus einem Montagewagen mit aufgesetzter Montagevorrichtung und einem damit verbundenen Materialwagen. Der Materialwagen kann als Anhänger an den Montagewagen gekoppelt, oder bei parallel laufenden Materialwagen über ein Gestänge mit dem Montagewagen verbunden sein. Führt der Montagewagen bereits kommissioniertes Material mit, muss die Einheit Montagewagen-Materialwagen gemeinsam das Kommissionierungslager durchfahren. Welche der beiden Möglichkeiten am besten geeignet ist, hängt von der Montageaufgabe und/oder den räumlichen Bedingungen ab. Sind das Gewicht und/oder die Abmessung des Basisteiles sehr groß, ist das Basisteil am Anfang der Montagelinie durch entsprechende Hilfsmittel auf dem Montagewagen zu platzieren. Um den Handhabungsaufwand für Kleinteile gering zu halten, sollte die Kommissionierung der
6.5 Bevorratungsfreie Fließmontage für Großgeräte
189
Kleinteile direkt auf dem Montagewagen mit einer Kommissioniergröße von 25 oder 50 Stück erfolgen. Zur Nachfüllung bieten sich verbrauchsgesteuerte Kanban-Regelkreise an. Als Beispiel zeigt Abb. 6-15 einen entsprechenden Lösungsvorschlag für die Kleinteilebereitstellung. Die weiteren bereitzustellenden Teile werden auf dem Materialwagen in der Kommissioniergröße 5 Stück bereitgestellt. Montageobjekt Montagevorrichtung Montageplattform Entnahme- und Arbeitsseite
Nachfüllung volle Kleinbehälter Entnahme leere Kleinbehälter
Abb. 6-15 Montagewagen mit Kleinteilebereitstellung
Bei der Gestaltung des Materialwagens sind die ergonomischen Grundsätze der Teilebereitstellung und deren Handhabung zu berücksichtigen. Abbildung 6-16 zeigt einen Vorschlag zur Gestaltung eines Materialwagens. Hier wurden durch unterschiedliche Greifhöhen die HandhabungsPlattform für Teile im Grammbereich
Aufnahme Flachteile ( z.B. Verkleidungen )
Plattform für Teile im Kilogrammbereich
ca. 1,2m Entnahmeund Arbeitsseite
ca. 0,7m
Abb. 6-16 Materialwagen für Teilebereitstellung
190
6 Manuelle Montage von Großgeräten
vorgänge der zu entnehmenden ergonomisch angepasst. Die untere Plattform mit einer vom Boden aus gerechneten Höhe von ca. 70 cm ist für die Platzierung von Einzelteilen der Gewichtsklasse im Kilogramm-Bereich vorgesehen. Damit sind beim Aufnehmen dieser Teile keine oder nur sehr geringe Körperbewegung wie Beugen und Aufrichten notwendig. Die Bereitstellung für Teile der Gewichtsklasse im Grammbereich erfolgt hier auf der oberen Plattform in der Höhe zwischen 110 bis 120 cm. Damit können diese Teile unterhalb der Schulterhöhe gehandhabt werden. Benötigt ein Produkt großflächige Blechteile, zum Beispiel zur Verkleidung, kann der Materialwagen an einer Stirnseite zusätzlich mit einem Fach zur stehenden Aufnehme derartiger Teile ausgerüstet werden. 6.5.4 Fördermittel, Montageablauf Die flexible Gestaltung der Streckenführung einer bevorratungsfreien Fließmontage wird mit dem Einsatz von fahrerlosen Transport- Systemen (FTS) als Montagewagen möglich. Der Streckenkurs kann problemlos den vorhandenen oder geplanten räumlichen Anforderungen angepasst werden. Ein Montagewagen auf der Basis eines FTS kann gleichzeitig als Zugwagen für einen angehängten Materialwagen dienen. Dies ermöglicht einen periodischen und/oder kontinuierlichen Montageablauf. Auch kann die Montageinheit wegen anfallender Nacharbeiten auf einen separaten Arbeitsplatz geschleust und nach Erfüllung der Nacharbeit wieder eingeschleust werden. Die Streckenführung einer bevorratungsfreien Fließmontage wird meistens in Ovalform ausgeführt. Abbildung 6-17 zeigt hierfür ein Beispiel. Die Montageeinheiten, bestehend aus je einem Montagewagen mit angehängtem Materialwagen, durchfahren nach den Montage- und Prüfstationen eine Ladestation, beispielsweise ausgerüstet mit einer Portalkrananlage, zum Entladen des fertigen Produktes und zum erneuten Beladen des Montagewagens mit einem Basisteil (z. B. Maschinenständer). Dieser Vorgang ist wie bei der oben beschriebenen Kommissionierzone 1 bei jedem Durchlauf einer Montageeinheit durchzuführen. Die Kommissionierung der übrigen Teile erfolgt wie bereits beschrieben. Die Anzahl der notwendigen Montage- bzw. Prüfarbeitsplätze resultiert aus der geplanten Stückleistung und der Produktkomplexität. Wird eine Montage an der Außenseite und der Innenseite des Montageovals notwendig, ist eine Aufteilung der Kommissionierlager auf beide Seiten und eine entsprechende Gestaltung der Montagestationen vorzunehmen (Lotter et al.1994, Warnecke, Hrsg. 1996).
Literatur
191
Materialnachschub
Bereitstellung Basisteil Kommissionierzone
Abnahme Fertigprodukt
Portalkran zum Entladen Fertigprodukt und zum Beladen mit Basisteil Montagewagen mit angehängtem Materialbereitstellungswagen
AP3
AP3
AP2
AP1
Abb. 6-17 Anlagenlayout einer bevorratungsfreien Fließmontage
6.5 Zusammenfassung Die bevorratungsfreie Fließmontage von Großgeräten zeigt gegenüber der herkömmlichen Materialbereitstellung folgende Vorteile: − Das auf dem Kanban-Prinzip aufgebaute Kommissionierlager kann bei entsprechender Steuerung ein weiteres Materiallager zwischen Einzelteilefertigung oder Fremdzulieferung zur Montage ersetzen. Damit wird das Umlaufvermögen reduziert. − Die Flexibilität der Stückleistung ist dadurch gegeben, dass bei geringerem Bedarf Montageeinheiten aus dem System herausgenommen werden und der Arbeitsinhalt der verbleibenden Stationen erhöht wird. Bei erneut steigendem Bedarf kann in entgegengesetzter Richtung agiert werden. − Der Sekundäraufwand bei der Teilehandhabung vom Bereitstellungsort zum Fügeort wird durch die Anordnung der Bauteile im unmittelbaren Arbeitsbereich der Mitarbeiter deutlich reduziert. − Gegenüber der herkömmlichen Organisation der Teilebereitstellung verringert sich die Montagezeit unter Einschluss des Kommissionieraufwandes in der Größenordnung von 20 bis 30 %.
192
6 Manuelle Montage von Großgeräten
− Die Montageeinheiten und die Kommissionierlagereinrichtungen besitzen nach Auslauf eines Produktes einen hohen Anteil wieder verwendbarer Komponenten für das nächste Produkt.
Literatur Augusta et al. (1972) Transportieren und Lagern. Technik Verlag, Berlin Eversheim W (1989) Organisation in der Produktionstechnik, Bd. 4 Fertigung u. Montage. VDI Verlag, Düsseldorf Kalde M (1987) Methodik zur Festlegung der Flexibilität in der Montage. Dissertation RWTH Aachen Lotter B, Schilling W (1994) Manuelle Montage. VDI Verlag, Düsseldorf Lotter B et al. (1998) Manuelle Montage wirtschaftlich gestalten. Expert Verlag, Renningen Schimke E (1977) Auswahl der geeigneten Organisationsformen in der Montage. TZ für praktische Metallbearbeitung, Heft 71 Warnecke H J (1996) (Hrsg) Die Montage im flexiblen Produktionsbetrieb. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
7 Hybride Montagesysteme
7.1 Einleitung Hybride Montagesysteme sind Einrichtungen zur Montage von Baugruppen und/oder Produkten, in denen Automatikstationen mit Handarbeitsplätzen kombiniert sind. Sie liegen hinsichtlich Stückzahl, Variantenvielfalt, Produktivität und Flexibilität zwischen der manuellen Montage und automatisierten Montageanlagen, wie in Abb. 7-1 schematisch dargestellt. Solche hybriden Montagearbeitsplätze sind gut geeignet, um bei der Montage von Kleingeräten den mittleren Stückzahlbereich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beherrschen. Die Entscheidung, wann mittlere Stückzahlen vorliegen, die den Einsatz hybrider Montagesysteme rechtfertigen, richtet sich dabei nicht ausschließlich nach der erforderlichen Ausbringung in einem bestimmten Zeitraum, sondern auch nach Faktoren wie Arbeitsinhalt und Komplexität einzelner Fügevorgänge. Unter Berücksichtigung kürzer werdender Produktlebenszeiten bei gleichzeitig zunehmender Produktvarianz sind derartige Mischsysteme von zunehmender Bedeutung. groß
Variantenvielfalt
klein
hoch
niedrig
Produktivität
automatische Montage
Flexibilität
Hybride Montage manuelle Montage
niedrig
hoch niedrig
Stückzahl
hoch
Abb. 7-1 Einsatzbereiche manueller, hybrider und automatischer Montagekonzepte (B. Lotter)
194
7 Hybride Montagesysteme
Basis für die Planung hybrider Montagesysteme ist die rein manuelle Montage. Davon ausgehend ist durch Anpassung des Automatisierungsgrades an die jeweilige Montageaufgabe das richtige Verhältnis von automatischen und manuellen Verrichtungen zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Mitarbeiter mit seinen vielfältigen Fähigkeiten im Sinne der Wertschöpfung am Produkt im Mittelpunkt der Montageaktivitäten steht. Es ist zu verhindern, dass der Mensch zum Lückenbüßer oder Anhängsel der Automatisierung degradiert wird. Durch Einbezug von Überwachungsfunktionen sind angemessene Arbeitsinhalte für die Mitarbeiter zu sichern. Wenn automatisierte Prozesse parallel zu manuellen Fügeoperationen stattfinden, ist darauf zu achten, dass für den Menschen weder Wartezeiten noch Stresssituationen bedingt durch die Takte der Automaten entstehen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die manuellen Arbeitsplätze vom Rhythmus mechanisierter Einrichtungen durch Puffer und oder Bypass-Stationen zu entkoppeln.
7.2 Grundformen hybrider Montagesysteme In Abhängigkeit von der Montageaufgabe und der sich hieraus ergebenen räumlichen Anordnung verschiedener manueller und mechanisierter, bzw. automatisierter Arbeitsstationen lassen sich hybride Montagesysteme in die nach Abb. 7-2 aufgeführten Grundformen gliedern. Diese unterscheiden sich zunächst grundsätzlich nicht von den Ausführungsformen manueller und automatischer Systeme. Einteilung
Ausprägung / Merkmale
• räumliche Anordnung der Arbeitsplätze und Stationen
- Kreis, Oval - Linie
• zeitliche Bindung
- mit Taktzwang - ohne Taktzwang
• Arbeitsablauf
- stückweise - verrichtungsweise
• Flexibilität
- starr verknüpft - flexibel austauschbar
• Art des Umrüstens bei Typenwechsel
- manuell - automatisch
- Karree - kombiniert, sonstig
Bild 7-2 Arten und Formen hybrider Montagesysteme (Lotter et al. 1998)
7.2 Grundformen hybrider Montagesysteme
195
Das wesentliche Merkmal hybrider Montagesysteme ist die systembedingte zeitliche Kopplung zwischen Mensch und Automat. Sie kann durch Pufferelemente zwischen manuellen Arbeitsplätzen und Automatikstationen vermieden, oder zumindest gelockert werden Dann erfolgt die Weitergabe der Montageobjekte nicht taktgebunden, sondern ungetaktet durch den Werker. Von großer Bedeutung für die Produktivität und somit auch für die Wirtschaftlichkeit von hybriden Montagesystemen ist die Art des Montageablaufs. Dieser kann sowohl stückweise, als auch verrichtungsweise erfolgen (siehe hierzu auch die Abschnitte 5.3.1 und 5.3.2). Ein verrichtungsweiser Montageablauf ist zu bevorzugen, da er Sekundärvorgänge minimiert (vgl. hierzu Kap. 3). Modular aufgebaute Hybridsysteme sind gegenüber Montageautomaten flexibler. Die lose Verkettung einzelner Stationen ermöglicht nachträgliche Anpassungen an veränderte Stückzahlen oder technische Änderungen des Montageobjektes durch Einschieben bzw. Austausch von standardisierten Systemkomponenten. Dies können manuelle Arbeitsplätze oder automatisierte Zellen sein. Werden hybride Montagesysteme im manuellen Bereich richtig dimensioniert, besitzen sie eine hohe Stückzahlflexibilität. Durch Veränderung der Arbeitszuteilung an den manuellen Arbeitsplätzen ist so eine auftragsgebundene Anpassung der Fertigungsstückzahlen möglich. Beispielsweise kann eine Montageanlage mit insgesamt vier manuellen Bestückungsplätzen anstelle mit vier Personen auch nur mit zwei Personen besetzt werden, was zu einer Halbierung des Produktionsvolumens führt. In auftragsschwachen Zeiten, wie z. B. in den Urlaubsmonaten, könnte dieses System sogar nur mit einer Person betrieben werden, was einem Produktausstoß von ca. 25 % der maximal möglichen Anlagenleistung entspräche. Darüber hinaus bieten Hybridsysteme den Vorteil, dass sich der anfangs bestehende Automatisierungsgrad während der gesamten Nutzungsdauer in mehreren Ausbaustufen an sich verändernde Stückzahlen anpassen lässt. Erst wenn die Potentiale einer Stufe ausgeschöpft sind, wird in Abhängigkeit von den Anforderungen des Marktes die nächst höhere Ausbaustufe realisiert. Die Gefahr einer Fehlinvestition, besonders in der Anlaufphase, wird dadurch verringert. Besteht bei Hybridsystemen der Grundaufbau aus produktneutralen Komponenten, erhöht sich der Anteil derjenigen Anlagenteile, die nach Beendigung eines Produktlebenszyklus erneut zu verwenden sind. Hybride Montagesysteme ermöglichen insgesamt die rationelle Herstellung von Kleingeräten besonders bei vielen Varianten und kleine Losen.
196
7 Hybride Montagesysteme
Durch den vergleichsweise geringen Investitionsbedarf stellen sie somit eine wirtschaftlich vorteilhafte Alternative zur Verlagerung in ein Niedriglohnland dar (siehe Kap. 14). Im Folgenden werden die Ausführungen hybrider Montagesysteme entsprechend den in Abb. 7-2 genannten räumlichen Anordnungsprinzipien anhand konkreter Ausführungsbeispiele erläutert.
7.3 Ausführungsbeispiele 7.3.1 Hybride Einzelmontagesysteme in Rundtaktausführung Bei kleinen Baugruppen mit überschaubarem Arbeitsinhalt, die im mittleren Stückzahlsegment produziert werden müssen, empfiehlt sich ein hybrider Montagearbeitsplatz in Rundtaktausführung. Neben der vergleichsweise niedrigen Anfangsinvestition und dem geringen Platzbedarf bietet er zusätzliche Vorteile. So können geeignete Montageprozesse parallel zu manuellen Arbeitsvorgängen ohne Taktzeitverlust realisiert werden. Ferner favorisiert der Rundtaktaufbau verrichtungsweise Montageabläufe, was die Wirtschaftlichkeit derartiger Systeme deutlich erhöht. Als Beispiel seien in einem Montageablauf neben dem Fügen von Einzelteilen ein Verstemmprozess mit Hilfe einer kraftgeregelten Druckluftpresse sowie die Befettung eines Bauteils durchzuführen. Abb. 7-3 zeigt einen hierzu geeigneten Rundtaktaufbau mit 12 Stationen. An der Vorderseite der Maschine führt der Werker sämtliche Fügetätigkeiten verrichtungsweise aus. Sein zulässiger Bewegungsraum ist durch ein Lichtgitter abgesichert. Auf der ihm gegenüber liegenden Seite befinden sich die automatische Druckluftpresse und Fettdosierung. Zu jedem dieser Prozesse gehört eine Bauteilerkennung mit einer Sensorik, die der Anlagensteuerung das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein der notwendigen Einzelteile meldet. Fehlt ein Bauteil, so wird der Automatikprozess nicht durchgeführt. Obwohl bestimmte einfache Vorgänge, wie beispielsweise das Befetten von Bauteilen, über eine handgeführte Dosiernadel anscheinend wirtschaftlich sind, kann es aus Gründen der Prozesssicherheit durchaus sinnvoll sein, diese Prozesse zu automatisieren. Der Fettauftrag in Form von Fettraupen oder Fettpunkten kann so exakt positioniert, dosiert und falls nötig, überwacht werden. Anders verhält es sich bei Prozessen wie Pressen oder Taumelnieten. Da hier das manuelle Führen der Prozesseinrichtung aus verständlichen Gründen nicht in Frage kommt, muss das Werkstück bzw. die Baugruppe dieser
7.3 Ausführungsbeispiele
197
Prozesseinheit automatisch zugeführt werden. Bei der klassischen Werkbankmontage legt in der Regel der Werker das Montageobjekt in die Presse ein und betätigt die Einrichtung mit beiden Händen. In der Zeit des Prozessablaufs ist er untätig. Somit entsteht ein Sekundäraufwand, der bei der Prozessdurchführung in der Rundtakteinheit komplett entfällt. Presse Fettdosierung Teileabfrage
Drehteller 600 o Auswurf Schlechtteile Greifbehälter Kleinteile
Fertigteile
Greifbehälter Kleinteile
Basisteile
Abb. 7-3 Hybrides Montagesystem in Rundtaktausführung
Ein weiterer Vorteil der gezeigten Lösung aus Sicht der Qualitätssicherung ergibt sich aus der Möglichkeit, Bauteile automatisch auszuschleusen, etwa wenn die Überwachung der Druckluftpresse einen unzulässigen Kraft-Weg-Verlauf erkannt hat. Damit wird verhindert, dass fehlerhafte Baugruppen in die Hand des Werkers und somit möglicherweise in weiterführende Verarbeitungsschritte gelangen. Hybride Rundtakt-Montageanlagen sind in unterschiedlichen Baugrößen von etwa 300 bis 2000 mm Drehtellerdurchmesser und größer verfügbar. Die Wahl der Größe und Bauart hängt von den Abmessungen und der Komplexität des zu fertigenden Produktes sowie der Anzahl der Einzelteile und der zu automatisierenden Prozesse ab. Kleinere Rundschaltmaschinen eignen sich nur für Baugruppen mit einer geringen Anzahl von Einzelteilen, da hier die Möglichkeit der ergono-
198
7 Hybride Montagesysteme
misch günstigen Positionierung der Teilebereitstellung eingeschränkt ist (s. Abb. 7-3). Größere Rundtaktausführungen ab einem Tellerdurchmesser von ca. 900 mm ermöglichen die Bereitstellung einer größeren Anzahl von Einzelteilen durch die Umstellung von der statischen oder stationären in eine so genannte dynamische Teilebereitstellung. Darunter ist eine zweite Drehscheibe zu verstehen, die zentral über der Drehtellereinheit mit den Werkstückaufnahmen angeordnet ist. Mit ihrer Hilfe werden alle dazu geeigneten Bauteile, vorzugsweise in segmentartig gestalteten Greifschalen, in der optimalen Greifposition bereitgestellt. Damit wird sichergestellt, dass: − das gerade benötigte Einzelteil immer die kürzest mögliche Greifentfernung aufweist, − eine Vielzahl von Einzelteilen in einer Arbeitsebene bereitgestellt werden kann und somit das Greifen über Herzhöhe entfällt, − die Einzelteile in der Reihenfolge des Montageablaufs angeboten werden und − Fehlmontagen durch Verwechseln oder Vergessen einzelner Teile vermieden werden. Für diese Art der Bereitstellung eignen sich besonders kleinere Schüttgutteile. Die Drehscheibe kann durch den Werker manuell bewegt oder elektromotorisch angetrieben werden. In diesem Fall hängt der Weiterschaltwinkel von der Größe des jeweiligen Greifbehälters ab und kann mit Hilfe einer NC-Steuerung frei programmiert und dem Montageablauf angepasst werden. Abb. 7-4 a zeigt ein Ausführungsbeispiel für einen manuell bewegbaren Drehteller mit aufgesetzten Greifbehältern, während Abb. 7-4 b den Grundaufbau eines NC-gesteuerten Drehtellers zeigt.
a) manuell bewegter Drehteller (LP-Montagetechnik)
b) NC-gesteuerter Drehteller (Weiss GmbH)
Abb. 7.4 Ausführungsformen der dynamischen Teilebereitstellung
7.3 Ausführungsbeispiele
199
Ein Nachteil hybrider Montageeinrichtungen in Rundtaktausführung ist, dass automatisierte Prozesse längere Zeit dauern können, als die parallel dazu gerade benötigte Zeit für das manuelle Fügen des entsprechenden Einzelteils durch den Werker. Dann entstehen Wartezeiten für das Montagepersonal. Es empfiehlt sich, derartige Prozesse, z. B. durch die Aufteilung auf mehrere Arbeitsplätze von den manuellen Tätigkeiten zu entkoppeln. 7.3.2 Verkettete hybride Montageeinrichtungen in Rundtaktausführung Wenn die Stückleistung, die Komplexität des Produktes und die Anzahl der zu beherrschenden Varianten keine Einzelplatzlösung mehr zulassen, ist eine Fließmontage erforderlich. Dabei werden zwei oder mehr Rundtaktstationen kombiniert. Die einzelnen Arbeitsstationen werden je nach Anforderung produktbezogen ausgerüstet, entweder als: − manuelle Arbeitsplätze ohne getaktete Schalteinheiten, − vollautomatische Arbeitsstationen, oder − Hybridstationen, nach dem unter 7.3.1 beschriebenen Prinzip. Die mit 6 bis 24 Einzelaufnahmen bestückten runden Mehrfachwerkstückträger erzwingen einen verrichtungsweisen Montageablauf. Da immer eine feste Anzahl (oder Sets) gleicher Baugruppen von einer Station zur nächsten weiter gereicht werden, kann man in Erweiterung des One Piece Flow-Prinzips von einem One Set Flow-Prinzip sprechen. Dadurch reduziert sich die als Sekundäraufwand zu wertende Zeit für das Weitertransportieren pro aufgelegte Baugruppe entsprechend anteilmäßig. Das folgende Beispiel verdeutlicht diese Aussage. Zehn unterschiedliche Einzelteile seien in einem Werkstückträger mit 16 Einzelaufnahmen zu fügen. Die mittlere Handhabungs- und Fügezeit betrage 2 Sekunden. Daraus errechnet sich ein Arbeitsinhalt von 10 · 16 · 2 s = 320 s pro Werkstückträger. Die Transportzeit des Werkstückträgers von Arbeitsstation 1 zu Arbeitsstation 2 beträgt bei manuellem Weiterschieben ca. 5 s. Bezogen auf den Gesamtaufwand von 320 s errechnet sich somit ein Sekundäraufwand von lediglich 1,6 % des Arbeitsinhaltes. Eine Automatisierung des Werkstücktransfers hätte demnach keinen wirtschaftlichen Nutzen. Abbildung 7-5 zeigt den schematischen Aufbau eines solchen verketteten 3-Stationen-Hybridsystems nach dem Fließprinzip in Halbkreisform. Station 1 ist als hybrider, Station 2 als rein manueller und Station 3 als automatischer Arbeitsplatz gestaltet. Durch diese Anordnung reduziert sich
200
7 Hybride Montagesysteme
der Sekundäraufwand für das Bewegen des Mitarbeiters von einer Arbeitsstation zur nächsten auf eine einfache Körperdrehung. Wie beim Einzelarbeitsplatz nach Abb. 7-3 ist es möglich, einzelne oder alle automatisierten Vorgänge von den manuellen Arbeitsplätzen zu entkoppeln. Dies ist dann sinnvoll, wenn manuelle Fügezeiten weniger Zeit beanspruchen als dazu parallel ablaufende Automatikprozesse. Teilebereitstellung Kleinteile mit Drehteller
automatische Dosiervorrichtung
automatische Verstemmeinrichtung
+
+
+
+
Teilebereitstellung Gehäuse
+
Station 1 „hybrid“
Station 2 „manuell“
Station 3 „automatisch“
Abb. 7-5 Hybridsystem mit 3 Stationen im Halbkreisaufbau (LP-Montagetechnik)
Zur Entkopplung der automatisierten von den manuellen Prozessen müssen auf dem Montagesystem mindestens zwei baugleiche Mehrfachwerkstückträger im Einsatz sein. Während sich der eine Werkstückträger in einer manuellen Arbeitsstation befindet, damit dort mehrere oder – falls möglich – alle manuelle Arbeitsschritte durchgeführt werden, laufen parallel dazu auf dem anderen Werkstückträger die erforderlichen automatisierten Arbeitsschritte in einer entkoppelten zweiten Arbeitsstation ab. Damit entsteht an der manuellen Station eine Anreicherung des Arbeitsinhalts, die bewirkt, dass im gesamten Montageablauf keine Wartezeiten für den Werker entstehen, da dessen Tätigkeiten nun Zeit bestimmend sind. Zusätzlich ermöglicht die Aufteilung der Arbeitsinhalte auf mehrere Arbeitsstationen bei Baugruppen mit großer Teileanzahl eine ergonomisch optimierte Teilebereitstellung. Diese kann in günstigen Fällen durch eine dynamische Lösung erfolgen, wie sie an der Station 2 in Abb. 7-5 in Form eines zusätzlichen Drehtellers angedeutet ist. Bei Einzelteilen, die nicht als
7.3 Ausführungsbeispiele
201
Schüttgut angeliefert werden, ist häufig die Zuführung über Rollenbahnen in Kanban-Behältern anzutreffen. Der Aufbau dieser Anlagen erfolgt in der Regel durch standardisierte Basismodule, die unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten im Grundaufbau zulassen. In diesem Fall trägt jedes Basismodul ein 60°-Kugelbahnsegment, auf dem der Werkstückträger praktisch ohne Kraftaufwand verschoben werden kann. Bei Bedarf können diese Kreissegmente durch entsprechende Linearmodule ergänzt werden. Jede Grundeinheit besitzt einen Antrieb für die Werkstückträger. Die Drehbewegung wird an den manuellen Arbeitsstationen durch Aufnahme der Werkstückträger auf einer drehenden Scheibe mittels Reibschluss erzeugt, wobei der Werker den Teller über einen Fußschalter kontinuierlich bewegen, oder an jeder beliebigen Stelle stoppen kann. Bei hybriden oder automatischen Arbeitsstationen erfolgt die Taktung der Werkstückträger über Indexiereinheiten. In beiden Fällen fährt die jeweilige Antriebseinheit über eine Hebevorrichtung in den Aufnahmeflansch des Werkstückträgers ein und aus. Die Montagesysteme sind mit Kugelbahn-Spurbreiten (Spurbreite = Tellerdurchmesser) bis max. 600 mm üblich. Für größere Tellerdurchmesser sind diese Systeme aus ergonomischer Sicht nicht mehr sinnvoll. Daraus resultiert, dass derartige Anlagen nur für kleinere Baugruppen mit einer Grundfläche von höchstens 200 mm x 100 mm einsetzbar sind. Abbildung 7-6 zeigt schematisch eine hybride Montageanlage mit drei Arbeitsstationen zur Montage von Baugruppen aus dem Sanitärbereich in mehreren unterschiedlichen Varianten. Ergänzt wird dieses kompakte Hybridsystem durch so genannte Parkweichen, von denen eine zwischen Station 1 und 2 angeordnet ist. Es sind Ausweichplätze in der Kugelrollenbahn, die es ermöglichen, die Mehrfachwerkstückträger aneinander vorbei zu führen, ohne dass sie dabei gehoben oder getragen werden müssen. Alle erforderlichen Montagevorgänge können an der hybriden Station 2 durchgeführt werden. Dabei sind auf der Bedienerseite sämtliche Fügevorgänge manuell zu bewerkstelligen. Parallel dazu finden automatisch ein Schraubvorgang, ein Einpressprozess und eine Kleberdosierung unter einer Schutzabdeckung statt. Nach Beendigung der Montagevorgänge werden die fertigen Baugruppen in die Station 3 umgeladen und vollautomatisch geprüft. Die Arbeitsstation 1 ist ein zusätzlicher manueller Bestückungsplatz, auf dem in Zeiten höherer Nachfrage ein Teil der manuellen Fügetätigkeiten durch eine zweite Montagearbeitskraft übernommen wird. Der Austausch der Mehrfachwerkstückträger zwischen den Stationen 1 und 2 erfolgt dabei über die bereits erwähnte Parkweiche. Durch die Aufteilung
202
7 Hybride Montagesysteme
Schaltschrank Parkweiche
Befettungsstation
Schraubstation Bedienpult Presse
Station 2 Station 3
Station 1
automatische Bauteilprüfstation
600
Abb. 7-6 Hybrides Montagesystem mit Parkweiche für einen oder zwei Werker (LP-Montagetechnik)
der Arbeitsinhalte kann somit kurzfristig auf Anforderungen des Marktes reagiert und der Produktausstoß erhöht werden. Für sehr komplexe Produkte oder bei stark schwankenden Stückzahlen ist es möglich, mehrere verkettete Hybridsysteme zu einer Linienmontage zu verbinden. Die in Abb. 7-7 dargestellte Konfiguration in U-Form eignet sich zur manuellen Weitergabe der kompletten Mehrfachwerkstückträger nach dem One Set Flow-Prinzip. Der Vorteil dieser Anordnung liegt neben der Minimierung des Sekundärmontageaufwandes für das satzweise Weitertransportieren der Baugruppen zur jeweils nachfolgenden Montageinsel vor allem in der möglichen Differenzierung des Ausrüstungsgrades der einzelnen Hybridsysteme innerhalb des Verbundes. Bei der Planung ist darauf zu achten, dass eine gleichmäßige Aufteilung der Arbeitsinhalte und die damit verbundene Austaktung zwischen den Hybridsystemen gegeben sind. Abbildung 7-8 zeigt schließlich einen Lösungsansatz zum Verbund mehrerer identischer Hybridsysteme unter Zuhilfenahme einer Transfereinrichtung, z. B. eines Doppelgurtbandes. Vorteilhaft ist der mögliche variable Einsatz des Monatagepersonals, das stückzahlabhängig einsetzbar ist.
7.3 Ausführungsbeispiele
+
+
+
+
+
+
203
+
+
+
+
+
+
+
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+
Abb. 7-7 Linienmontage mit verketteten Hybridsystemen in U-Form (LP-Montagetechnik)
Endbearbeitung/ Prüfung
Abb. 7-8 Linienmontage mit baugleichen Hybridsystemen für variablen Mitarbeitereinsatz (LP-Montagetechnik)
204
7 Hybride Montagesysteme
7.3.3 Hybride Montagesysteme in Längstransferanordnung Im Vergleich zu Montageanlagen in Rundtaktausführung können bei Längstransfersystemen auch Baugruppen mit größeren Abmessungen und Gewichten montiert werden. Werkstücke mit einer Grundfläche von ca. 300 mm x 400 mm bis zu einem Maximalgewicht von 20 kg sind bei den meisten am Markt angebotenen Systemen problemlos montierbar. Sie sind in der Regel als Doppelgurtbandsysteme in Karree- oder Linienbauweise aufgebaut. Grenzwerte sind Werkstückgewichte bis zu 150 kg mit Abmessungen von 600 mm x 800 mm und darüber. Noch höhere Werkstückgewichte bis in die Größenordnung von 500 bis max. 600 kg lassen sich auf Doppelgurtbandsystemen nicht mehr bewegen. In diesen Fällen kommen Staurollenkettensysteme zum Einsatz. Kennzeichnend für alle hier genannten hybriden Montagesysteme in Längstransferanordnung ist wie bei den Rundtaktsystemen die Möglichkeit, manuelle und automatisierte Montagevorgänge zu kombinieren. Das Fügen der meisten Einzelteile wird an manuellen Arbeitsstationen durchgeführt, die in das Transfersystem integriert sind. Ein verrichtungsweiser Montageablauf ist jedoch trotz der großen Zahl im Umlauf befindlicher Werkstückträger meist nicht oder nur eingeschränkt möglich, weil jeder Werkstückträger in der Regel nur eine Baugruppe transportiert Automatisierte Montagevorgänge werden in speziell dafür konzipierten Automatikzellen abgearbeitet. Diese bieten den Vorteil, dass sie sich in der Regel an beliebigen Stellen in die Montagestrecke einfügen lassen. Voraussetzung hierfür ist die vollständige Kompatibilität mit anderen Einheiten durch einen modularen Aufbau bis ins Detail. Praktisch alle Längstransfersysteme nutzen standardisierte Basismodule. Diese dienen als Plattform für die so genannten Prozessmodule, welche z. B. Schraub-, Schweiß- oder Prüfvorgänge durchführen. Verbunden mit den Basismodulen bilden sie die Automatikstationen. Die Prozessmodule selbst sind wiederum aus produktneutralen Grundplattformen und kundenoder verfahrensspezifischen Prozessaufbauten zusammengesetzt. Der Einschub der Prozessmodule in die Automatikzellen erfolgt mit einem Hubwagen von Hand, wobei der Daten- und Energietransfer über Steckverbindungen realisiert wird. Durch die Mobilität der Prozessmodule ist so ein Anlagenumbau in wenigen Minuten bis deutlich unter eine Stunde möglich, was bei den starren Systemen älterer Bauweise mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nimmt. Weitere wesentliche Komponenten sind die die Handarbeitsmodule, die als manuelle Arbeitsplätze integrativer Bestandteil des Hybridsystems sind, sowie Transfermodule in unterschiedlichen Abmessungen als Linear- oder Kurvenstücke.
7.3 Ausführungsbeispiele
205
Abbildung 7-9 zeigt als Beispiel einen Systembaukasten bestehend aus Basis-, Prozess- und Transfermodulen. Damit sind Handarbeitsplätze und Automatikstationen zu hybriden Anlagen kombinierbar.
Steckverbindungen
Prozessmodul Basismodul Transfermodul Linearstrecke Transfermodul Umlenkung
Abb. 7-9 Systembaukasten für Längstransfer-Montageanlagen (Werkbild teamtechnik)
Längstransfersysteme erlauben eine weitgehend freie Anlagenplanung, so dass prinzipiell auf jede Aufgabenstellung und auf jede Hallensituation eingegangen werden kann. Alle Prozesse, ob manuell oder automatisiert, können im Reihen- oder Nebenschluss in die Montagelinie integriert werden, Abb. 7-10. Die Anordnung der Stationen im Reihenschluss erfolgt bei kurzen Taktzeiten und gleichmäßiger, ausgewogener Stationsauslastung zwischen manuellen Arbeitsplätzen und Automatikzellen. Die Anordnung im Nebenschluss kommt immer dann in Frage, wenn längere Taktzeiten bei Montage- oder Prüfprozessen Puffer oder Bypässe erforderlich machen. Die Fähigkeit hybrider Längstransfersysteme, manuelle und automatische Stationen im Nebenschluss zu betreiben, ermöglicht das Montieren unterschiedlicher Produktvarianten auf einer Anlage. Der bereits erwähnte einfache und schnelle Austausch von Prozessmodulen in den Basismodulen der Automatikstationen erleichtert ebenfalls das Reagieren auf Kundenwünsche hinsichtlich neuer Produktvarianten. Eine zunehmende Forderung des Marktes an derartige Montagesysteme ist die Möglichkeit der bedarfsgerechten Anpassung an die Stückzahlentwicklung im Produktlebenszyklus. So kann die Produktion in der Anlaufphase eines Neuproduktes mit einem relativ kleinen Grundaufbau, bestehend aus ein bis zwei manuellen Arbeitsplätzen und einer Automatikzelle,
206
7 Hybride Montagesysteme
a) Reihenschluss - Anordnung
b) Nebenschluss - Anordnung -
Abb. 7-10 Integration von Montageplätzen in Längstransferanlagen (Werkbild teamtechnik)
begonnen werden. Dies hält die notwendige Investition für die Betriebsmittel in überschaubaren Grenzen. Entwickeln sich in der Folgezeit die Produktionszahlen positiv, kann das Montagesystem in mehreren Ausbaustufen den wachsenden Anforderungen angepasst werden. Umgekehrt ist eine Stückzahl bedingte Anlagenverkleinerung in der Endphase des Produktlebenszyklus genauso möglich. Die in diesem Fall frei werdenden Anlagenkomponenten eignen sich durch ihren standardisierten modularen Aufbau oftmals für die Produktion des Nachfolgeproduktes. Abb. 7-11 zeigt schematisch eine hybride Montageeinrichtung nach dem Längstransferprinzip in mehreren Ausbaustufen. Stufe 1 stellt die Grundausbaustufe einer Montage- und Prüfanlage für eine elektrotechnische Baugruppe dar, ausgelegt für eine Stückzahl von vorerst 360.000 Einheiten pro Jahr im Zweischicht-Betrieb. Hier sind zwei manuelle Arbeitsplätze mit zwei Automatikzellen kombiniert. Steigen die Stückzahlen auf 500.000 Baugruppen pro Jahr, wird das Montagesystem in der Ausbaustufe 2 durch ein zusätzliches Automatikmodul erweitert. Die Anzahl der manuellen Arbeitsplätze bleibt dabei gleich, da auch der jeweilige Arbeitsinhalt für die Werker geringer wird. Schließlich ist in der End-
7.4 Bewertung hybrider Montagesysteme
207
ausbaustufe 3 mit einer Anlagenerweiterung um weitere vier Automatikmodule eine Jahresstückzahl von 1 Million im Zweischichtbetrieb zu erreichen. Der Bedarf an Arbeitskräften bleibt auch in Ausbaustufe 3 mit zwei bis drei manuellen Arbeitsplätzen nahezu unverändert.
Ausbaustufe 1
Ausbaustufe 2
Ausbaustufe 3
Abb. 7-11 Ausbaustufen eines Längstransfersystems (Werkbild teamtechnik)
7.4 Bewertung hybrider Montagesysteme Hybride Montagesysteme erfordern gegenüber einer rein manuellen Montage höhere Investitionen. Im Gegensatz zu den noch weitaus größeren Investitionen für automatische Montagesysteme ermöglichen sie jedoch die Realisierung vergleichbarer Montageaufgaben mit deutlich niedrigerem Kapitaleinsatz bei gleichzeitig höherer Flexibilität. Um eine Bewertung der unterschiedlichen Lösungsansätze durchzuführen, bieten sich zwei Methoden an: − Primär-Sekundär-Analyse zur Ermittlung des Montagewirkungsgrades mit zeitlicher und/oder monetärer Bewertung. Hierzu sind die grundsätzlichen Ausführungen in Kap. 3 und im Besonderen in Abschn. 3.5 zu beachten. − Wirtschaftlichkeitsrechnung auf Basis der Platzkostenrechnung.
208
7 Hybride Montagesysteme
Basis für die Bewertung des Personaleinsatzes bei Montageanlagen sind die Stundenlöhne zuzüglich der Lohnnebenkosten und sonstiger lohnabhängiger Kosten, wie beispielsweise Schichtzulagen. Für automatisierte Anlagenteile hybrider Systeme wird die störungsfreie Laufdauer als primärer und die Stillstandszeiten als sekundärer Aufwand gewertet (siehe Abschn. 3.7.1). Zur Verdeutlichung des Vorgehens soll folgendes Beispiel dienen. Eine Baugruppe aus der Automobil-Zulieferindustrie soll mit einer Jahresleistung von rund 600.000 Stück montiert und geprüft werden. Die Baugruppe besteht aus insgesamt sechs Einzelteilen und weist Abmessungen in der Grundfläche von ca. 70 mm x 50 mm auf. Außer dem Fügen der Einzelteile ist ein mechanisierter Pressvorgang notwendig. Ein weiterhin erforderlicher Schraubvorgang erfolgt ebenfalls mechanisiert, wobei die Schraube manuell vorgefügt wird. Nach der Montage ist die Baugruppe automatisch zu prüfen und anschließend über ein Handhabungssystem, sortiert nach Gut- und Schlechtteilen, in getrennte Behälter zu überführen. Zur Lösung dieser Montageaufgabe ist ein hybrides, verkettetes Montagesystem mit verrichtungsweisem Montageablauf geplant, wie in Abschnitt 7.3.2 beschrieben. Abb. 7-12 zeigt den schematischen Aufbau dieser Montageeinrichtung. Parkweiche für Werkstückträger dynamische Teilebereitstellung mit Drehteller
Bedienpult Einpressstation Gutteile Schlechtteile
automatische Teileprüfung
Werkstückträger Handarbeitsplatz
Entnahme fertiger Baugruppen Schraubstation Automatikstation
Abb. 7-12 Verkettetes hybrides Montagesystem nach dem Rundschaltprinzip (LP-Montagetechnik)
7.4 Bewertung hybrider Montagesysteme
209
Der Arbeitsablauf ist auf zwei Stationen aufgeteilt. Links werden die manuellen Fügevorgänge und rechts die automatischen Montagevorgänge durchgeführt. Vorgesehen sind zwei runde Werkstückträger mit jeweils 12 Aufnahmen. Der Austausch der beiden Werkstückträger zwischen den Arbeitsstationen erfolgt über eine in die Kugelrollenbahn integrierte Parkweiche. Die MTM-Analyse ergab eine Montagzeit von insgesamt 19 Sekunden pro Baugruppe. Das erfordert einen Zweischichtbetrieb mit 15 Stunden Arbeitszeit pro Tag. Pro Schicht kommt jeweils eine Montagearbeitskraft zum Einsatz. Die anschließende Primär-Sekundär-Analyse für den zeitlichen Ablauf bewertet die 19 Sekunden Gesamtmontagezeit zu 17,1 Sekunden als primären Anteil und zu 1,9 Sekunden als sekundären Anteil. Damit errechnet sich ein Montagewirkungsgrad von: WM = 17,1/ (17,1 + 1,9) · 100% = 90%. Für die Wirtschaftlichkeitsrechnung auf Basis einer Platzkostenkalkulation, wie in Kapitel 13 beschrieben, sind folgende Ausgangswerte einzusetzen: Wiederbeschaffungswert der Montageeinrichtung: Abschreibungszeit und Abschreibungskosten pro Jahr: Kalkulatorische Zinsen von 50 % des Wiederbeschaffungswertes (Zweischichtbetrieb) pro Jahr: Instandhaltungskosten pro Jahr (Zweischichtbetrieb): Anlagenkosten pro Jahr: Einsatzzeit pro Tag im 2-Schicht-Betrieb: Arbeitstage pro Jahr: Personalkosten pro Stunde gesamt:
€ 119.000 5 Jahre
€ 23.800
10 %
€
5.950
4%
€
4.760
€ 34.510 15 Std 230 27,75 €
Aus diesen Zahlen ergibt sich ein Maschinenstundensatz von: € 34.510/15 · 230 = 10,00 €/Std und ein Montagestundensatz von 37,75 €/Std. Der Einsatz des geplanten hybriden Montagesystems mit einem Nutzungsgrad von 90 % erbringt eine Montageleistung von: 3600 s · 0,9/19 s = 170 Stück/Std.
210
7 Hybride Montagesysteme
Daraus errechnen sich die Montagekosten mit: € 37,75/170 Stück = 0,22 €/Stück Im Vergleich zu diesem Wert zeigt die Vergleichsrechnung bei herkömmlicher manueller Montage unter Einsatz einer Presse mit Zweihandauslösung und einer handgeführten Schraubereinheit folgendes Ergebnis: Die MTM-Analyse errechnet für diesen Fall eine Montagezeit von 36 Sekunden je Baugruppe. Die Primär-Sekundär-Analyse ergibt einen Primäranteil von 19,8 Sekunden und einen Sekundäranteil von 16,2 Sekunden. Daraus errechnet sich ein Wirkungsgrad von WM = 19,8/(19,8 + 16,2) · 100% = 55 % Die ermittelte Monatezeit bedeutet hier, dass zur Erfüllung der geplanten Stückleistung zwei manuelle Arbeitsplätze im Zweischichtbetrieb erforderlich sind. Für eine Wirtschaftlichkeitsrechnung gelten die gleichen Vorgaben wie für die hybride Montageeinrichtung, jedoch mit der Änderung des Wiederbeschaffungswertes von € 119.000 auf nunmehr € 40.000 für zwei identische manuelle Montagearbeitsplätze. Damit gelten folgende Ausgangswerte: Wiederbeschaffungswert der Montageeinrichtung: Abschreibungszeit Kalkulatorische Zinsen von 50 % des Wiederbeschaffungswertes (Zweischichtbetrieb) Instandhaltung pro Jahr (Zweischichtbetrieb) Anlagenkosten pro Jahr: Einsatzzeit pro Tag im 2-Schicht-Betrieb: Arbeitstage pro Jahr: Personalkosten brutto:
5 Jahre 10 % 4%
€ 40.000 € 8.000 € 2.000 € 1.600 € 11.600
15 Std 230 27,75 €
Die Berechnung ergibt jetzt einen Maschinenstundensatz von: € 11.600/15 · 230 = 3,36 €/Std Für den Personaleinsatz sind pro Stunde einschließlich aller Nebenkosten ebenfalls € 27,75 anzusetzen. Da hier jedoch 2 Arbeitsplätze zu besetzen sind, verdoppeln sich die Kosten für den Personaleinsatz pro Stunde auf € 55,50. Daraus resultiert ein Gesamtmontagestundensatz von € 58,86. Die Montagestundenleistung an zwei Arbeitsplätzen mit einem Nutzungsgrad von 90 % errechnet sich zu: 2 · 3600 s · 0,9/36 s = 180 Stück/Std.
7.5 Wirtschaftlicher Automatisierungsgrad
211
Daraus ergeben sich die Montagekosten von: € 58,86/180 Stück = 0,33 €/Stück. Damit spart die hybride Montage 0,11 €/Stück. Bei einer Jahresleistung von 586.000 Stück resultiert daraus eine Jahreseinsparung von € 64.460. Die statische Amortisationsrechnung ergibt für die Amortisationszeit: € 119.000/€ 64.460 = 1,85 Jahre. Der hier ermittelte Wert berücksichtigt noch nicht die alternativ notwendige Investition für zwei manuelle Montageplätze. Wird der erforderliche Investitionsaufwand von € 40.000,– für die manuellen Montagearbeitsplätze in die Bewertung übernommen, ist die Amortisationszeit auf den tatsächlichen Mehrwert von € 79.000,– zu beziehen. Daraus errechnet sich eine statische Amortisationszeit von € 79.000/€ 64.460 = 1,23 Jahren.
7.5 Wirtschaftlicher Automatisierungsgrad 7.5.1 Grundsätze Das Risiko, dass die einer Planung zu Grunde liegenden Parameter in der Realität nicht eintreffen, birgt die Gefahr von Fehlinvestitionen. Zur Reduzierung des Risikos sollten bei der Planung der Montagegestaltung, bzw. der Montagesystemauswahl folgende Grundsätze der „wirtschaftlichen Rationalisierung der Montage“ berücksichtigt werden: − − − − − −
Montagegerechte Produktgestaltung, konsequente Ausrichtung auf Wertschöpfung, stufenweise Auf- und Ausbaufähigkeit der Systeme, Vermeiden von Sekundäraufwand, möglichst verrichtungsweiser Montageablauf, Befolgen des Prinzips „soviel Technik wie nötig – nicht soviel wie möglich“, − hoher realer Wiederverwendungswert produktneutraler Anlagenkomponenten, − maximale Wirtschaftlichkeit. Für eine Montagesystemauswahl stehen grundsätzlich drei Systemvarianten zur Verfügung:
212
7 Hybride Montagesysteme
Manuelle Montagesysteme bieten die höchste Flexibilität bei geringstem Investitionsbedarf, sind jedoch nur für relativ kleine Lose geeignet. Automatische Montageanlagen benötigen hohe Stückzahlen mit großen Losen und haben einen hohen Investitionsbedarf bei eingeschränkter Flexibilität. Hybride Montagesysteme eignen sich zur Beherrschung kleinerer bis mittlerer Losgrößen bei hoher Variantenanzahl und mittlerem Investitionsbedarf. Grundlage und Ausgangspunkt rationeller Montage ist die montagegerechte Produktgestaltung, die möglichst in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Produktentwicklung und Montageplanung erfolgen muss. Bei der Ermittlung der Montagekosten und der daraus resultierenden Wirtschaftlichkeit von Automatisierungsvorhaben sind die wichtigsten Faktoren der Platzkostenrechnung die Investitionshöhe, der Abschreibungszeitraum, der organisatorische und technische Nutzungsgrad und die Personalkosten. Zur Entscheidungsfindung, ob die ausgewählte Montagetechnik die wirtschaftlichste Lösung darstellt, reicht diese Betrachtungsweise allein nicht aus. Sie gibt keine Auskunft darüber, welcher Anteil des notwendigen Aufwands der unmittelbaren Wertschöpfung dient. Ein praktikabler Ansatz ist die ausführlich in Kap. 3 erläuterte Ermittlung des monetären Wirkungsgrades der geplanten Aufwendungen mit Hilfe der Primär-Sekundär-Analyse. Sie ermöglicht Rückschlüsse und damit Entscheidungshilfen hinsichtlich des Automatisierungsgrades der zu planenden Montagetechnik. Für die Erstellung dieser Primär-Sekundär-Analyse ist eine Platzkostenermittlung, bezogen und umgerechnet auf Tagesaufwand und Mehrschichtbetrieb, getrennt nach Fix- und Personalkosten notwendig. Auch hier soll ein praktisches Beispiel das Vorgehen verdeutlichen. 7.5.2 Praxisbeispiel Ein kleiner Elektromotor entsprechend der Skizze in Abb. 7-13 soll gemäß ursprünglicher Montageplanung auf einer vollautomatischen Montageanlage montiert werden. Geplant sind Montagekosten von 0,20 €/Stück als Zielwert. Der Planung liegen folgende Daten zu Grunde: Ausbringung: Variantenzahl: Losgröße:
10.000 Stück/Tag 8 ca. 1.500 Stück
7.5 Wirtschaftlicher Automatisierungsgrad
Nutzungszeit: Betriebszeit: Investition: Nutzungsgrad: Personalbindung: Fix-Kosten: Personalkosten: € Leistung effektiv:
4 Jahre 14 Std./Tag, 240 Tage/Jahr € 800.000 75 % 1 MA pro Schicht, entsprechend 2 MA pro Tag 102,00 €/Std. = 1.428,00 €/Tag 34,00 €/Std. = 476,00 €/Tag 675 Stück/Std.
Scheibe Gehäuse
213
Scheibe Büchse
Anker
Endlager
Verschluss
Abb. 7-13 Beispielprodukt Elektromotor
Tabelle 7.1 zeigt das Ergebnis der Primär-Sekundär-Analyse dieser Montageaufgabe unter Einsatz einer vollautomatischen Montageanlage bei einer Nutzungszeit von 14 Stunden im Zweischichtbetrieb. Tabelle 7-1 Aufteilung der Betriebskosten in Primär- und Sekundäraufwand einer automatischen Montageanlage im Zweischichtbetrieb
214
7 Hybride Montagesysteme
Damit ergibt sich ein monetärer Wirkungsgrad von 1.071/(1.071 + 833) · 100% = 56 %. Mit Gesamtkosten von 136,00 €/Std betragen dann die Montagekosten bei einer Leistung von 675 Stück/Std 136,00/675 = 0,201 €/Stück. Dieses Ergebnis gilt allerdings nur, solange die Nachfrage und die daraus resultierende Nutzungszeit einen Zweischichtbetrieb garantieren. Reduziert sich die Nachfrage beispielsweise um 50 %, muss die zweite Schicht eingestellt und die Anlage kann nur noch einschichtig genutzt werden. Dadurch verringert sich der Primäraufwand von 1.071,00 auf 536,50 €/Tag und der Sekundäraufwand erhöht sich um den gleichen Betrag von 357,00 auf 892,50 €/Tag. Wegen der einschichtigen Nutzung sinkt allerdings der Sekundäraufwand für die Anlagenbetreuung von 476,00 auf 238,00 €/Tag, so dass die Stunde jetzt 119,00 € kostet. Der monetäre Wirkungsgrad geht von 56 % auf 32 % zurück bei gleichzeitiger Erhöhung der Montagestückkosten von € 0,201 auf € 0,352. Der Vergleich zeigt deutlich das bekannte Risiko einer Investition mit hohen Fixkosten. Die Realisierung der Montage auf hybriden Montagezellen birgt demgegenüber bei einem Stückzahlabfall ein geringeres Risiko. Die Einzelteile werden nicht automatisch, sondern manuell gefügt und der Montageablauf erfolgt verrichtungsweise. Die notwendigen Prozesse werden wie bei der automatischen Lösung ebenfalls automatisiert durchgeführt. Der Planung liegen nun folgende Daten zu Grunde: Ausbringung: Variantenzahl: Losgröße: Nutzungszeit: Betriebszeit: Investition je Zelle Nutzungsgrad: Personalbindung pro Zelle: Fix-Kosten pro Zelle: Personalkosten pro Zelle: Leistung effektiv pro Zelle:
10.000 Stück/Tag 8 ca. 1.500 Stück 4 Jahre 14 Std./Tag, 240 Tage/Jahr € 106.000 90 % 1 MA pro Schicht, entsprechend 2 MA pro Tag 12,62 €/Std = 176,60 €/Tag 34,00 €/Std = 476,00 €/Tag 215 Stück/Std.
Die Ausbringung der automatischen Anlage von 675 Motoren pro Stunde reduziert sich beim Einsatz einer hybriden Montagezelle auf 215 Moto-
7.5 Wirtschaftlicher Automatisierungsgrad
215
ren pro Stunde. Wird die geplante Stückzahl tatsächlich gefordert, sind demzufolge drei derartige Montagezellen im Zweischichtbetrieb einzusetzen. Vorteilhaft ist hier, dass ausgehend von einer Montagezelle die Erweiterung auf drei Zellen absatzsynchron erfolgen kann. Die notwendige Investition reduziert sich von € 800.000 für die automatische Anlage auf maximal € 318.000 für drei Zellen in der Endausbaustufe. Tabelle 7-2 zeigt das Ergebnis der Primär-Sekundär-Analyse für dieselbe Montageaufgabe, jedoch unter Einsatz einer hybriden Montagezelle mit einer Nutzungszeit von ebenfalls 14 Stunden im Zweischichtbetrieb. Tabelle 7-2 Aufteilung der Betriebskosten in Primär- und Sekundäraufwand einer hybriden Montagezelle im Zweischichtbetrieb
Das in Tabelle 7-2 dargestellte Ergebnis zeigt bei einer Nutzung im Zweischichtbetrieb einen monetären Wirkungsgrad von 90%, d.h. dass 90% des Aufwandes eine Wertschöpfung und damit einen Kundennutzen bewirken. Die hier ermittelten Werte bleiben für alle eventuell zusätzlich notwendigen Montagezellen gleich. Ein genauer Vergleich der Stückkosten muss sich auf dieselbe Gesamtausbringung beziehen. Da die Montagezellen zusammen maximal 9.300 Stück pro Tag ausbringen können, muss der Vergleichswert für die automatische Anlage ebenfalls 9.300 Stück pro Tag sein, entsprechend 664,3 Stück pro Stunde. Dann ist der Stückpreis für die automatische Anlage: 136,00 €/Std./664,3 Stück/Std. = 0,205 €/Stück Damit sind die Montagestückkosten der Hybridanlage bei Vollauslastung mit € 0,211/Stück um € 0,006/Stück höher als beim Montageautomat, entsprechend 2,9%.
216
7 Hybride Montagesysteme
Bei einer dramatisch sinkenden Nachfrage, die eine Reduzierung des Montagevolumens auf nur eine hybride Zelle im Einschichtbetrieb zur Folge hätte, würde sich immerhin noch ein monetärer Wirkungsgrad von 63 % bei Montagestückkosten von nunmehr € 0,211 ergeben. Abb. 7-14 stellt die die Entwicklung der Montagestückkosten in Abhängigkeit von der Produktionsstückzahl bei der automatischen und hybriden Montagelösung zusammenfassend gegenüber. Man erkennt eine durchgehende Kostenkurve für den Montageautomaten, die bei 9.300 Stück pro Tag den bereits erläuterten Wert von 0,205 € pro Stück aufweist. Weiterhin sind die Kostenkurven für die Hybridzellen eingezeichnet. 4,0 3,5
Stückzahlbereich Montageautomat
Montagekosten [€ Stück]
3,0 2,5
Stückzahlbereich Zelle 1
Stückzahlbereich Zelle 2
Stückzahlbereich Zelle 3
2,0 1,5
Montageautomat
1,0 Zelle 1
Zelle 1 und 2
Zelle 1,2 und 3
0,5 0,0 1
1.000
2.000
3.000
4.000
5.000
6.000
7.000
8.000
9.000
10.000
Produktion [Stück/Tag]
Abb. 7-14 Montagekostenentwicklung (Zweischichtbetrieb) in Abhängigkeit von der Tagesproduktion (B. Lotter u. Wiendahl))
Bewegt sich die tägliche Produktionsstückzahl zwischen 1 und 3.100, liegt die Kostenkurve weit unterhalb der des Automaten. Damit ist bei der Zellenlösung sichergestellt, dass bereits bei Auslastung der ersten Zelle die geplanten Montagestückkosten praktisch erreicht werden. Steigt die Stückzahl in den Bereich zwischen 3.100 und 6.200, ist eine zweite Hybridzelle erforderlich. Die Kostenkurve für beide Zellen zusammen liegt ebenfalls noch erkennbar unter der des Automaten. Erst im Stückzahlbereich zwischen 6.200 und 9.300, wenn eine dritte Zelle erforderlich ist, liegen beide Kostenkurven praktisch aufeinander, wobei die Mehrkosten für die Zellenlösung pro Jahr rund 14 T€ beträgt. Dieser möglichen Einsparung steht ei-
Literatur
217
ne Mehrinvestition von € 482.000 für den Automaten gegenüber, die wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen ist. Zusammenfassend stellen sich die Vorteile hybrider gegenüber automatischen Montagelösungen im mittleren Stückzahl- und Komplexitätsbereich der Produkte wie folgt dar: − Die Investition ist deutlich geringer, ebenso wie das Risiko einer Fehlinvestition. − Die Montagestückkosten liegen bereits mit Einsatz der ersten Ausbaustufe im Zielbereich einer Endausbaustufe. − Die Investition kann im Rahmen der Nachfrageentwicklung stufenweise erfolgen. − Bei Rückgang der Nachfrage können einzelne Montagezellen anders verwendet werden. − Der Einsatz hybrider Montagetechnik ist beschäftigungsorientiert. Sie ist gekennzeichnet durch eine wirtschaftliche Montage, die nicht durch eine Erhöhung des Leistungsdrucks auf die Mitarbeiter, sondern durch größtmögliche Vermeidung von Sekundäraufwand entsteht.
Literatur Lotter B, et al. (1998) Manuelle Montage wirtschaftlich gestalten. ExpertVerlag, Renningen Lotter B (2004) Marktorientierte Montagesysteme. Vortragsmanuskript IAO-Seminar Kundenindividuelle Montage
8 Automatische Montagemaschinen
Seit den 1950er Jahren werden Produkte in größerem Ausmaß automatisch montiert. Besonders bei ausgesprochenen Massenprodukten wurde inzwischen ein hoher technischer Stand erreicht. Die dazu benutzten Montageautomaten sind Sondermaschinen, die für ein Produkt individuell angepasst sind. Typisch sind mittlerweile ein modularer Aufbau und die Kombination von erprobten Baukastenkomponenten zu einer Anlage. Es gibt verschiedene Bauformen, von denen sich jede in Verbindung mit bestimmten Erzeugnissen und Bedingungen bewährt hat. In manchen Anwendungen mit kleinen Stückzahlen, zahlreichen Varianten oder bei einzelnen diffizilen Arbeitsschritten können Handarbeitsplätze erforderlich sein, was zu sog. hybriden Montagesystemen als Kombination von Hand- und Maschinenarbeitsplätzen führt.
8.1 Automatisierbarkeit von Verfahren Die Schwierigkeit für eine Automatisierung oder Höher-Automatisierung der Montage ergibt sich aus dem Schwierigkeitsgrad der Handhabungsoperationen und des Fügeverfahrens. Dazu zählen die Zugänglichkeit zum Fügeort, die Möglichkeit des Verhakens von Fügeteilen, die Werkstücksteifheit und das Sichern von Teilen während der Montage. Biegeschlaffe Teile erfordern meist besondere Vorrichtungen, was das Automatisieren behindert. Bei den Verbindungsverfahren sind diejenigen leicht automatisierbar, die mit einer einfachen Hauptbewegung auskommen, wie z. B. Längspressen. Ordnet man die Verfahren von „leicht automatisierbar“ bis „schwierig automatisierbar“, erhält man etwa diese Rangfolge: Ineinanderschieben – Einlegen – Pressen – Schnappen – Lappen – Schrumpfen – Schweißen – Nieten – Schrauben – Einrenken – Falzen – Löten – Kleben. Mit besonders ausgelegten Fügewerkzeugen kann sich diese Reihenfolge aber auch verändern. Die technische Realisierbarkeit ist aber nicht allein maßgebend, vielmehr sind immer auch Zeitdauer, Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Kosten
220
8 Automatische Montagemaschinen
der auszuführenden Montageoperationen mit zu betrachten. Um eine Aussage über die Automatisierbarkeit manueller Prozesse zu erhalten, lassen sich Analyseverfahren einsetzen (Spingler und Beumelbarg 2002). Dabei wird z. B. mit Hilfe hinterlegter Algorithmen eine Kennzahl „Automatisierungseignungsgrad“ ermittelt. Sie gibt Auskunft über die technische Machbarkeit der Automatisierung. Das Verfahren lässt sich dann bis zur Bestimmung des dazu erforderlichen Investitionsvolumens fortsetzen. Eine erste Grobabschätzung des finanziellen Aufwandes wird auch nach (Konold und Reger 2003) mit Hilfe von Katalogangaben ermöglicht.
8.2 Räumliche, zeitliche und funktionelle Grundmuster Die Organisationsform beschreibt die Art und Weise, wie eine Montage technisch-organisatorisch durchgeführt werden soll. Zur Gliederung sind folgende Aspekte zweckmäßig: − − − −
Räumliche Anordnung (Verlauf der Hauptförderrichtung) Zeitliche Bindung des Materialflusses Umfang und Art der Arbeitsteilung Bewegungszustand des Objekts während der Montage
In Abb. 8-1 wird eine erste Einteilung in offene und geschlossene Grundformen von Montageanlagen vorgenommen. In allen Fällen erfolgt
a) offene Grundform
b) geschlossene Grundform
Abb. 8-1 Grundformen räumlicher Anordnung von Montagestationen
8.2 Räumliche, zeitliche und funktionelle Grundmuster
221
eine arbeitsteilige Montage über mehrere Stationen, die über ein Transfersystem miteinander verkettet sind. Die geschlossene Grundform ist für Montagesysteme mit Werkstücksträgern typisch. Diese gelangen stets wieder an den Startpunkt. Offene Grundformen reichen von einer linearen Verkettung bis hin zu fischgrätenartigen Mustern, bei denen vormontierte Baugruppen an den Verbindungsstellen zu einer Endmontage zusammenfließen. Sie sind eher für die Montage von Großprodukten und die werkstückträgerlose Technik interessant. Nach der zeitlichen Aufeinanderfolge verketteter Montageoperationen kann man gemäß Abb. 8-2 wie folgt unterscheiden: Reihenverkettung Die verketteten Stationen sind in Serie angeordnet. Die Montage wird am Basisteil zeitlich nacheinander ausgeführt. Parallelverkettung Die Montage wird auf parallelen Stationen durchgeführt und zwar in jeweils gleichen Montageschritten. Das Ziel von Parallelarbeit besteht in der Erhöhung des Ausstoßes.
Reihenverkettung
Parallelverkettung
Rundschalttisch
Duplexstation
Gemeinsamer Maschinentisch
Einzelstationen
Doppelstationen
Abb. 8-2 Formen der Verkettungsfolge
Reihen-Parallelverkettung
Rundschalttisch
Duplexstation
Gemeinsamer Maschinentisch
222
8 Automatische Montagemaschinen
Reihen-Parallel-Verkettung Hierbei erfolgt eine Anpassung der Taktzeiten durch eine montagebezogene Aufteilung des Zustroms an Basisteilen auf mehrere parallel arbeitende Stationen. Andere Stationen sind rein seriell angeschlossen und arbeiten mit entsprechend kleinerer Taktzeit. Nach der Gleichzeitigkeit der ablaufenden Montageoperationen muss man in starre und lose Verkettung unterscheiden, gleichbedeutend mit einer zeitsynchronen (taktweisen) Weitergabe der Montageeinheiten und einer zeitasynchronen Weitergabe (nicht taktweise). Eine lose Verkettung erfordert grundsätzlich geeignete Zwischenpuffer zur zeitlichen Entkopplung der Stationen. Das ist gegenüber der festen Verkettung prinzipiell ertragreicher, weil bei einer lokalen Störung nicht alle Stationen stehen bleiben. Allerdings lassen sich nur kurzzeitige Störungen kompensieren, weil der Vorrat wartender Werkstückträger vor einer Station meist schnell erschöpft ist. Wird er beträchtlich vergrößert, ergibt sich ein wirtschaftliches Problem, weil vergrößerte Speicher wiederum Aufwand verursachen, Werkstückträger binden und selbst wieder eine Störungsquelle darstellen können. Eine lose Verkettung bedeutet, dass bei der Störung einer Station die intakten Stationen solange weiter arbeiten können, wie der stromabwärts liegende Zwischenspeicher nicht voll ist bzw. der stromaufwärts liegende Speicher nicht leer ist. Als Speicherplatz wird oft die freie Transportstrecke vor einer Montagestation ausgenutzt. Deren Speicherkapazität ist aber meist gering. Ist wegen der zu erwartenden Stördauern eine größere Speichermenge erforderlich, sind gesonderte Speicher einzuordnen. Diese Art von „Störungsspeicher“ wird auch als Rücklaufspeicher (last in – first out) bezeichnet. Es gibt aber auch Zwischenspeicher, in denen technologische Vorgänge ablaufen, wie z. B. das Aushärten von Klebestellen, ehe die Montage fortgesetzt werden kann. Solche Speicher müssen nach dem Durchlaufprinzip (first in – first out) konstruiert sein. Als Förderband werden dazu z. B. Mehrrichtungsketten aus Kunststoff eingesetzt. Die technologisch erforderliche „Wartezeit“ muss der Speicherdurchlaufzeit entsprechen. Grundsätzlich wirkt das für die Montage gewählte technischorganisatorische Grundmuster auf Art, Flexibilität und Menge von Ausrüstungskomponenten. Auch die Teilebereitstellung muss einem logistischen Versorgungskonzept entsprechen (s. Kap. 10). Die Montagetechnik wird zweckmäßig in Montagezelle, -linie und -automat gegliedert, wobei innerhalb der Montagelinie nach manueller und automatischer Verrichtung und bei den Taktautomaten mit und ohne Robotereinsatz unterschieden wird.
8.2 Räumliche, zeitliche und funktionelle Grundmuster
223
Dann kann man diesen insgesamt 6 technischen Ausprägungen in erster Näherung die in Abb. 8-3 aufgeführten typischen Ausrüstungskomponenten zuordnen. Der Umfang des Einsatzes wird durch die ausgefüllten bzw. weißen Felder angedeutet.
Taktautomat mit Roboter
Taktautomat ohne Roboter
Montageautomat Hybridlinie mit Roboter
Montagelinie mit Roboter
Montagelinie manuelle Montagelinie
Ausrüstungskomponenten
Montagezelle Zelle mit Montageroboter
Montagetechnik
SCARA - Roboter Senkrechtgelenkarm Linienportalroboter Flächenportalroboter Bewegungsmodule Verkettungsmittel Fügemodul Fügestationen Fügeautomaten Werkstückträger Handhabungsmodule Einzweckgreifer Mehrzweckgreifer Greiferwechselsystem
Abb. 8-3 Typische Ausrüstungskomponenten für Montagesysteme
Montagesysteme sind in aller Regel komplex. Sie erfordern zusätzlich zu den aufgelisteten Komponenten umfangreiche Steuerungen, häufig bestehend aus einer zentralen Steuerung und, je nach Komplexität, unterlagerten Controllern. Beispiele für Controller sind Systeme für die Steuerung von Bewegungen, Schraub- und Einpressvorgängen sowie Mess-, Markierund Identifikationsausrüstungen. Viele Montagesysteme sind ohne manuelle Mitarbeit nicht funktionsfähig. Das menschliche Dispositionsvermögen, die Lernfähigkeit, die Sensibilität und die Beweglichkeit von Händen und Armen sind vielfach technisch noch nicht ersetzbar. Meistens handelt es sich um diffizile Justiervorgänge, die Handhabung sehr empfindlicher Teile und komplexe Sichtkontrollen bzw. Funktionsprüfungen. Dann entstehen teilautomatisierte hybride Montagesysteme (s. auch Kap. 7). Bei einer Abgrenzung der Montageanlagen nach dem funktionellen Inhalt lassen sich folgende Unterscheidungen treffen:
224
8 Automatische Montagemaschinen
Montagestation Typisch ist eine punktuelle Auslegung der Montagevorgänge mit räumlicher Konzentration auf einen Fügeort. Nach dem Automatisierungsgrad kann weiter in manuelle, automatische und flexibel automatisierte Stationen unterschieden werden. Für letztere ist der Montageroboter oder eine programmierbare Handhabungseinrichtung die zentrale Komponente. Sie ersetzt gewissermaßen den Werker. Montagezelle Hierunter versteht man flexibel automatisierte Montagestationen, ergänzt um zelleninterne Systeme zur Werkstück- und Werkzeugversorgung. Das Ziel besteht darin, eine Baugruppe oder ein einfaches Produkt möglichst komplett zu montieren. Die Koordination aller Funktionen und Abläufe werden von einem Zellenrechner gesteuert. Ein Beispiel zeigt Abb. 8-4. Die Bereitstellung der Teile ist hier mit Vibrationswendelförderer, Magazin und Drehteller angedeutet. Sie stellen einen beachtlichen technischen und finanziellen Aufwand dar. Die Montagezelle ist autonom und auch im Verbund mit einem Linientransfersystem einsetzbar.
Montageroboter Umlaufsystem Magazineinheit für Werkstückträger Vibrationswendelförderer Wechselplatte für Peripherieaufbauten
Werkstückträger Gestell
Magazin Drehteller
Abb. 8-4 Montagezelle (Sigma)
Montagezentrum Es entspricht einer Montagezelle, jedoch sind Werkstück- und Werkzeuglager von der Zelle getrennt. Sie ist über eine Verkettungseinrichtung mit diesen verbunden.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
225
Montagesystem Dies ist die Bezeichnung für die Gesamtheit aller Montageeinrichtungen, die von einem übergeordneten Montageleitrechner aus überwacht und gesteuert werden. Ein Montagesystem besteht aus mehreren Montageeinrichtungen, die durch ein Materialflusssystem miteinander verkettet sind.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen 8.3.1 Gliederung Montagemaschinen sind Arbeitsmittel, die neben den mechanisierten Abläufen auch noch taktgebundene manuelle Arbeiten enthalten können. Sie werden zum Montageautomaten, wenn alle Vorgänge automatisiert sind und das Bedienungspersonal nur noch das Überwachen, das Nachfüllen von Magazinen und die Beseitigung von kleineren Störungen erledigt. Eine Gliederung der Bauformen ist nach verschiedenen Gesichtspunkten möglich, Abb. 8-5. Ausgehend von der Stationszahl (eine, mehrere) wird bei den Mehrstationenmaschinen noch nach der zeitlichen Bindung (synchron / asynchron, getaktet / kontinuierlich) unterschieden. Maschinelle Montageeinrichtungen
Einstationen - Maschine
Robotermontageplatz (flexibel)
Sondermaschine (unflexibel)
Rundtischmaschine
Mehrstationen - Maschine
zeitsynchron getaktet
Rundtakt
Längstakt
Ringtischmaschine
zeitasynchrone Weitergabe
Montagezelle
Trommelmaschine
Montagelinie
zeitsynchron kontinuierlich
Rotormaschine
Linientaktmaschine
Längsläufer
Rechtecktaktmaschine
Abb. 8-5 Einteilung maschineller Montageeinrichtungen
In der Regel sind Montageautomaten Einzweckmaschinen. Wird eine gewisse Flexibilität angestrebt, sind Montageroboter einzubeziehen. Deren Bewegungsabläufe und die Art der Fügewerkzeuge sind frei programmierbar. Eine Umrüstung auf ähnliche Aufgaben ist damit erreichbar. Monta-
226
8 Automatische Montagemaschinen
geautomaten können in Baueinheiten für Grund-, Haupt- und Hilfsfunktionen gegliedert werden: Grundeinheiten sind im Wesentlichen Gestelle, Platten und Konsolen, auf denen Arbeitseinheiten und Antriebe angebracht werden. Grundeinheiten müssen vor allem statisch und dynamisch ausreichend steif sein. Haupteinheiten dienen unmittelbar der Realisierung eines Prozesses. Das sind Bewegungs- und Arbeitsmodule, wie z. B. eine Schraubeinheit. Die Ausführung der Haupteinheiten hängt stark von der jeweiligen Montageaufgabe ab. Hilfs- und Zusatzeinheiten übernehmen Funktionen der Steuerung, Teilebereitstellung, Kontrolle und Überwachung. Die Menge an Funktionsträgern einer Montageeinrichtung entspricht etwa der Zahl der Funktionen, die zur Montage von Basis- und Fügeteilen unter Hinzufügung von Hilfsstoffen – z. B. Fett – realisiert werden müssen. In der Montage sind dies das Bereitstellen der Fügepartner, das Handhaben von Füge- und Basisteilen (Trägerwerkstücken) sowie das Fügen und die Ergebniskontrolle. Daraus ergeben sich die in Abb. 8-6 aufgelisteten Teilsysteme, hier Werkstückträger und Systemhardware genannt. Basisteile
Fügeteile
Hilfsstoffe
Werkstückträger
Systemhardware
Bereitstellen
Zuführen Vereinzeln Orientieren Positionieren
Zuführen Vereinzeln Orientieren Positionieren
Zuführen Dosieren
Zuführen Speichern Reinigen
Bereitstelltechnik für Fügeund Basisteile, Verkettungsmittel, Zuführund Magaziniersysteme
Handhaben
Positionieren Fixieren Spannen Weitergeben
Greifen Zentrieren Orientieren Positionieren
Positionieren
Zuteilen Stoppen Führen Rückführen
Greifer, Vorrichtungen, Roboter, Pick-and-PlaceGeräte
Fügen
Toleranzaus gleich
Toleranzausgleich Verbinden bzw. allgemein: Fügen
Dosieren Prüfen
Indexieren Kraftabstützen Positionieren Drehen Freigeben
Fügehilfen, Fügewerkzeuge, Feinpositioniervorrichtungen, Sensoren
Kontrollieren
Prüfen
Messen Anwesenheitskontrolle Prüfen Überwachen
Messen Prüfen
Zählen Vermessen Daten speichern/auslesen
Sensoren, Messgeräte, Prüfdatenauswerter
Abb. 8-6 Funktionen und Teilsysteme von Montageeinrichtungen
Im Folgenden werden zunächst die Montagemaschinen entsprechend Abb. 8-5 näher betrachtet. Für vertiefende Darstellungen sei auf (Hesse 1993a, 2000) hingewiesen.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
227
8.3.2 Ein-Station-Montageautomat Das wesentliche Kennzeichen dieser Maschine ist, dass ohne Weitergabe der Montageeinheit eine oder mehrere Montageoperationen an einer einzigen Stelle ausgeführt werden. Die Anwendung beschränkt sich meistens auf relativ kleine Montageeinheiten, die nur aus wenigen Bauteilen bestehen. Montieren aus mehreren Richtungen ist möglich und üblich. Oft wird auf ein geordnetes Ablegen der montierten Baugruppen verzichtet. Typische Anwendungen finden sich in der Elektrogeräteindustrie und der Feinwerktechnik. Ein Beispiel wird in der Abb. 8-7 gezeigt. Es handelt sich um die Montage eines Rollenstößels. Alle Einzelteile werden aus Vibrationswendelförderern geordnet bereitgestellt und durch Vorrichtungselemente in einer Fügeposition gehalten. Das Fügen von Rolle und Buchse entspricht der Herstellung einer Unterbaugruppe. Diese wird freigegeben und gelangt in die Gabel des Basisteils. Dann wird der Achsstift eingepresst und von unten werden gleichzeitig Schraube und Mutter gefügt. Das Führen, Zuteilen, Halten, Freigeben und Ausschieben der Teile wird in einer eigens gestalteten Vorrichtung vorgenommen. 1 2 3
4 5 6
7
8
9
a) Fügefolge
b) Baugruppe
Abb. 8-7 Schema einer mehrstufigen Montage in einer Ein-Station-Maschine
228
8 Automatische Montagemaschinen
Der gesamte Ablauf kann einer Kurvensteuerung übertragen werden. Diese sind als kompakte Einheit erhältlich. Abbildung 8-8 zeigt einen solchen Kleinantrieb. An die Steuerwelle kann bei Bedarf ein Winkelgeber oder ein Sensorschaltwerk angesetzt werden. Damit können außer den kurvengesteuerten Bewegungen, die mit Zug-Druck-Elementen (Bowdenzug) weitergeleitet werden, auch noch Schaltimpulse präzise zum Drehwinkel der Steuerwelle generiert werden, z. B. zur Aktivierung von Zuteilern in der Teilezuführung. Es gibt solche Kurvensteuerungen mit bis zu 24 unabhängigen Kurvenbewegungen, entweder autark mit eigenem Antrieb oder zur direkten Kopplung an bestehende Systeme mit einer Königswelle. Zur Ablaufsteuerung lassen sich auch pneumatische Aktoren vorteilhaft einsetzen.
1 2 3 4 5 6 7 8
Gehäuse Zug-Druck-Element Getriebe Motor Winkelgeber Sensorschaltwerk Kurvenscheibe Schwingarm
Abb. 8-8 Kurvensteuerung für bis zu vier Bewegungen (AKB)
In dieser Art aufgebaute Automaten haben den Charakter einer unflexiblen Sondermaschine. Wird als ausführendes Organ jedoch ein Montageroboter eingesetzt, entsteht eine flexible Einrichtung, die man als Montagezelle betrachten kann. Ein Beispiel zeigt die Abb. 8-9. Die gesamte Montage erfolgt an einer einzigen Stelle in einer Montagevorrichtung. Der Roboter kann Fügewerkzeuge und Greifer selbst wechseln. Rund um die Montagevorrichtung sind die Zu- und Abführsysteme angeordnet.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
229
1 Zuführung Vordergehäuse 2 Vibrator für Schrauben 3 Vibrator für Lager 4 Magazin für Fügewerkzeuge und Greifer 5 Steuerung 6 Zuführung Riemenscheibe 7 Magazin für Kleinteile 8 Zuführung Rotor 9 fertige Lichtmaschine 10 Zuführung Hintergehäuse 11 Zuführung Lüfterrad 12 Montagevorrichtung 13 Montageroboter mit Fügewerkzeug und Greiferwechselsystem
Abb. 8-9 Montagezelle für Lichtmaschinen (Draufsicht)
8.3.3 Mehrstationen-Montageautomat Bei einer arbeitsteiligen Montage von Baugruppen oder Produkten ergibt sich eine Aufteilung der Arbeit auf mehrere Stationen. Die Verbindung der Stationen wird durch lineare Transfersysteme oder Rundschalttische zeitsynchron (taktweise oder auch stetig) oder zeitasynchron geschaffen. Ein taktweises Weitergeben bedeutet den gleichzeitigen Transport aller Basisteile bzw. Werkstückträger. Man spricht dann auch von Taktautomaten. Bei stetiger Montage (sogen. continuous motion) unterliegt die Montageeinheit einer kontinuierlichen Bewegung. Die Fügewerkzeuge bewegen sich ebenfalls synchron zur Bewegung der Basisteile. Es werden im Vergleich zu den Taktautomaten 4–5mal mehr Baugruppen je Zeiteinheit montiert (s. auch Kap. 17 Hochleistungsmontage). 8.3.3.1 Rundschalttisch-Montageautomaten
Rundschalttischmaschinen sind durch das Kreistransferprinzip und ihre hohe Positioniergenauigkeit für das automatische Montieren gut geeignet. Üblich sind folgende Teilungszahlen: minimal 4, dann 6, 8, 12, 16 und 24 bis max. 48 Stationen. In der Montage ist zu beachten, dass bis zur Hälfte aller Stationen der Qualitätsprüfung dienen. Das ist erforderlich, weil bei Montagefehlern die folgenden Operationen nicht mehr ausgeführt werden dürfen. Der Einsatz erfolgt vorwiegend bei kleineren Baugruppen, bei einer Basisteilmasse bis 1 kg und bis zu 100 Takten je Minute. Die Steuerung wird überwiegend noch über Scheibenkurven realisiert. In der Abb. 8-10 wird eine bewährte Konstruktion gezeigt.
230
8 Automatische Montagemaschinen Mittelsäule
Arbeitseinheit Aufspannkonsole Hebel- und Stößelwerk zur Abnahme von Bewegungen Kurvensatz
Sternrad, ständig laufend
Gestell
Abb. 8-10 Rundschalttischmaschine mit einigen bereits angebauten kurvengesteuerten Montagestationen (OKU)
Ein im Zentrum ständig laufendes Sternrad treibt alle Kurvensätze der außen angeflanschten Montage- und Zuführeinheiten an. Der Schaltteller für die Werkstückaufnahmen fehlt noch. Er wird durch ein Maltesergetriebe getaktet. In der Mitte befindet sich eine zentrale Hubwelle für zusätzliche Montagebewegungen. Alle drei Antriebssysteme sind miteinander synchronisiert. Der Maschinenkörper ist zum Anbau der Arbeitseinheiten polygonartig mit 8 bis 16 Flanschflächen ausgelegt. Die Anbaueinheiten können auch einen eigenen Antrieb besitzen, z. B. für das Längspressen oder Schrauben. Ein wichtiges Merkmal bei den rein mechanisch angetriebenen und gesteuerten Rundtaktmaschinen ist der synchrone Antrieb der Zuführ- und Fügeeinheiten. Kurvenbesetzte Steuerwellen mit horizontaler Achsrichtung oder mit zentraler vertikaler Steuerwelle liefern die Bewegungen, die über Gestänge und Hebel bis zur Arbeitseinheit gelenkt werden. Eine andere Möglichkeit zur Erzeugung von Bewegungen für Hilfs- und Arbeitseinheiten besteht in der Anordnung von sog. Oszillationsscheiben, die in der Ebene eine hin- und hergehende Winkelbewegung ausführen. An beliebiger Stelle lassen sich dann am Umfang Bewegungen ableiten. Die Scheiben können aber auch vertikal oszillieren. Zum Beispiel können Winkelhebel in eine Nutscheibe eingreifen. Die Bewegungen werden über Hebel an die gewünschte Stelle geleitet. Abbildung 8-11 zeigt eine bewährte Konstruktion. Werkstückaufnahmen sind hier noch nicht montiert.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
231
Abb. 8-11 Montageautomat im Baukastensystem (Weiss)
Die Werkstückbereitstellung ist rundum am Umfang des Schalttellers aufzubauen. 8.3.3.2 Trommel-Montageautomaten
Dies sind Montagemaschinen mit einem Werkstückträger, der sich um eine waagerechte Achse meistens taktweise bewegt. Die Montagebasisteile werden während eines Umlaufs automatisch gespannt. Die „Schalttrommel“, die der Maschine auch den Namen gibt, ist kein Vollkörper, sondern besteht aus z. B. zwei Scheiben, wie in Abb. 8-12 ersichtlich. Solche Maschinen werden nicht oft gebaut, sind aber bei langen Basisteilen (lange Wellen, Rohrabschnitte) die richtige Bauform, besonders wenn an den Enden Montagen auszuführen sind. Als Montageteile kommen z. B. Rohrverschraubungen in Frage. Oft werden auch die Bearbeitung der Enden und die Montage in einer Maschine vereint. Die Anzahl von Arbeitsoperationen ist gering, weil der Trommeldurchmesser begrenzt ist und nur wenige Montagestationen zulässt. Werden mehr Stationen benötigt, muss eine linear taktende Montagemaschine konzipiert werden.
232
8 Automatische Montagemaschinen Scheibe („Trommel“) mit Spannstellen Basisteil
Trommelständer mit Antrieb
Vibratorzuführung
Schlitteneinheit
Unterbau
Schlittenträger
Abb. 8-12 Aufbauschema einer Trommelmontagemaschine
8.3.3.3 Ringtisch-Montageautomaten
Bei dieser Maschine takten die Basisteile bzw. Werkstückträger entlang einer Ringbahn um eine stationäre Innenfläche. Von Vorteil ist, dass man auf dieser Fläche Montagevorrichtungen aufbauen kann. Ebenso können die vertikalen Außenflächen des Gestells für den Anbau von Zuführ- und Montagevorrichtungen ausgenutzt werden. Weil sich zentrale Kurvensteuerungen schlecht unterbringen lassen, besitzen die Arbeitseinheiten meistens einen eigenen Antrieb. Abbildung 8-13 zeigt eine modular aufgebaute Ringtischmaschine, in deren Unterbau eine Kurvensteuerung nach Abb. 8-8 installiert ist, die bis auf 24 unabhängige Kurvenbewegungen erweiterbar ist. Jede Station ist einzeln zu- und abschaltbar. Die Arbeits- und Handlingeinheiten sowie Kurvenscheiben lassen sich relativ einfach wechseln. Man erreicht bei diesem Aufbau bis zu 100 Takte je Minute. Ringrundtische sind als Basiseinheit für verschiedene Belastungen und Schaltzeiten handelsüblich. Statt Schaltgetriebe für das Weitertakten des Drehtellers werden besonders für hochdynamische Anwendungen auch elektrische Direktantriebe in der Art von Torque-Motoren eingesetzt.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
233
Abb. 8-13 Modulare Ringtakt-Montagemaschine (AKB)
Für die Organisation der Montage lassen sich bei vorhandener freier Programmierbarkeit der Schaltwinkel verschiedene Konzepte verwirklichen. So kann der Drehteller mit Werkstückaufnahmen für unterschiedliche Basisteile ausgestattet werden. Das Taktregime lässt sich so vorgeben, dass die gerade aktuellen Aufnahmen die jeweils zugehörigen Montageeinheiten erreichen. Es ist auch möglich, Vormontage und Fertigmontage in einem 2-Runden-Zyklus zu absolvieren. Im ersten Umlauf werden Unterbaugruppen erzeugt, die dann im zweiten Durchlauf mit der Basisbaugruppe verbaut werden. 8.3.3.4 Längstakt-Montageautomaten
Die Anzahl nutzbarer Stationen ist beim Rundtransfer baubedingt begrenzt. Entweder werden mehrere Automaten zu einem Montagesystem verkettet oder man ersetzt den Rundtransfer durch das Linienprinzip. Dann ergibt sich eine Längstaktmaschine. Der Werkstückfluss ist offen, d. h. Beginn und Ende der Linie liegen räumlich auseinander. Wird mit Werk-
234
8 Automatische Montagemaschinen
stückträgern gearbeitet, müssen diese über eine Rücklaufbahn zur Startposition zurückgebracht werden. Gegenüber großen Rundschalttischmaschinen wird die Produktionsfläche besser ausgenutzt. Eine Verlängerung der Anlage ist gut möglich. Begrenzend auf die Länge wirken allerdings die zu bewegenden Massen, weil nach jedem Takt erneut die Anfahrkräfte aufgebracht werden müssen. Gegenüber Rundschalttischmaschinen sind die Längstaktautomaten besser zugänglich und für die Eingliederung von manuellen Arbeitsplätzen geeignet. Das Ausschleusen fehlerhafter Baugruppen ist leichter realisierbar, ebenso das Aufstellen der Ordnungs-, Zuführ- und Positioniereinrichtungen. Wegen der Länge ist bei den Längstaktautomaten eine besondere Indexierung nötig, um in den einzelnen Stationen die erforderliche Positioniergenauigkeit sicherzustellen. Häufig werden dazu die Basisteile oder die Werkstückträger von der Transfereinheit abgehoben und gegen ein mit dem Gestell verbundenes Spannelement – z. B. ein Prisma – gedrückt. Eine Linientakt-Montagemaschine mit einem Kettenlauf für den Basisteil-Transfer ist nur eine von mehreren Möglichkeiten der konstruktiven Gestaltung. Es gibt weitere Bauformen, von denen einige kurz vorgestellt werden sollen (Krahn Nörthemann Hesse 1999). Raupentischmaschine Die Maschine ist mit einem waagerecht zur Tischfläche angeordneten raupenförmigen Plattenband zur Aufnahme der Werkstückträger ausgerüstet. Die Fügeeinrichtungen stehen daneben. Kopfstehendes Rückführen der Montagebaugruppen zum Beginnpunkt der Montage ist möglich (Abb. 8-14a). Deckumlaufmaschine Die Werkstückträger laufen als palettenartige Arbeitsflächen meist im gemeinsamen Takt in einem geschlossenen System um. Die Fügeeinrichtungen werden auf einer Tischfläche im Innern des Umlaufsystems aufgebaut (Abb. 8-14b). Die Bauform ist für den mittleren Massebereich typisch. Es gibt aber auch Ausführungen für Massen von 100 kg. Randumlaufmaschine Senkrecht angeordnete Werkstückträger laufen seitlich um das Maschinengestell. Die zu montierende Baugruppe ist dadurch von drei Seiten zugänglich. Die Fügeeinrichtungen werden auf der Tischplatte aufgebaut (Abb. 8-14c). Über zusätzliche Konsolen sind auch Einheiten einsetzbar,
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
235
die senkrecht arbeiten. Wegen des Freiraums ober- und unterhalb der Werkstückträger eignet sich die „Balkonbauweise“ auch zur Montage von Baugruppen mit großem Länge-Durchmesser-Verhältnis. Für die Ausrüstung zum Montageautomaten sind alle drei Bauformen als „Grundmaschine“ handelsüblich verfügbar. Durch mechanische Kurvensteuerung und Indexierung wird eine hohe Wiederholgenauigkeit (± 0,02 mm) erreicht.
Abb. 8-14 Grundmaschinen für die Montage (Ruoff & Maier) a) Raupentischmaschine, b) Deckumlaufmaschine, c) Randumlaufmaschine
Eine ungewöhnliche Lösung für ein Linientaktsystem wird in Abb. 8-15 vorgestellt. Es ist kein Umlaufsystem. Die Rückführung der Werkstückträger besorgt hier ein kolbenstangenloser Pneumatikzylinder mit einer Saugergreifeinheit. Diese übernimmt den letzten (entladenen) Werkstückträger, zieht ihn aus der Längsführung, senkt die Greifeinheit ab, transportiert den Werkstückträger unterhalb der Montagestrecke zurück, hebt ihn an und schiebt ihn in die Längsführung ein. Dabei werden die lückenlos aneinander gereihten Werkstückträger um einen Taktabstand weiter geschoben. Es gibt keinen weiteren Förderer. Das gesamte System ist zum größten Teil aus pneumatischen Standardkomponenten zusammengesetzt.
236
8 Automatische Montagemaschinen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Hubschlitten kolbenstangenlose Lineareinheit Montagebaugruppe Sauger Maschinengestell Vibrator für Kleinteilezuführung Pick-and-Place-Einheit Klemmgreifer Werkstückträger fertige Baugruppe Seitenführung
Abb. 8-15 Montagelinie aus pneumatischen Standardbaugruppen (Festo)
8.3.3.5 Asynchrone Montagelinien
Darunter sind automatisierte oder teilautomatisierte Montagestationen zu verstehen, die durch ein Transfersystem in einem offenen, meist aber geschlossenen Umlauf miteinander verbunden sind. Typisch ist der Transport der Montageeinheiten auf Werkstückträgern. Die Montagelinien haben einen hohen Standardisierungsgrad und sind begrenzt flexibel einsetz- bzw. ausrüstbar. Die Montagelinie wird wesentlich durch die Art des eingesetzten Transfersystems geprägt. Obwohl die Weitergabe der Montageeinheiten asynchron erfolgt, müssen die mittleren Zykluszeiten der Montagestationen übereinstimmen. Erfordert eine Montageoperation z. B. die doppelte Taktzeit, dann sind zwei parallel arbeitende Stationen vorzusehen. Das bedeutet natürlich, dass vor und nach der Doppelstation eine ausreichend freie Förderstrecke vorhanden sein muss, um zwei Werkstückträger gemeinsam ein- bzw. herauszuschieben. Um bei einer Montagelinie einen geschlossenen Werkstückträgerumlauf zu erreichen, werden Rücklaufstrecken vorgesehen. Das können auf gleicher Höhe angeordnete Parallelstrecken sein oder direkt unter der Montagestrecke. Diese Lösung spart zwar Produktionsgrundfläche, erfordert aber Lifteinheiten an den Endstellen der Strecke und schränkt den Bauraum (und die Beinfreiheit bei manuellen Montagplätzen) unter der Montagelinie ein. Ein großer Vorteil aller Linien-Systeme besteht darin, dass sie relativ einfach für zusätzliche Stationen oder Arbeitsplätze zu verlängern sind.
8.3 Bauarten von Montagemaschinen
237
8.3.4 Kontinuierlich laufende Montageautomaten Bei getakteten Maschinen gliedert sich die Zeit je Takt in die Anteile Schaltzeit und Verweilzeit. Nur während der Verweildauer lassen sich Montageoperationen ausführen. Die Schaltzeit lässt sich einsparen, wenn im Durchlauf montiert wird und die Fügewerkzeuge synchron mit dem Basisteil mitlaufen. Abbildung 8-16 macht das Prinzip deutlich. Der Roboter muss so schnell sein, dass der rechtzeitige Rücklauf gewährleistet ist. Gelingt das nicht, müssen mehrere Greifeinheiten oder auch Werkzeuge in einer Schleife ständig umlaufen. Der Roboter muss zur Synchronisation mit dem Band auf Basis von Sensorsignalen oder mittels einer Bilderkennung fähig sein. Montageroboter Zuteiler
V2
Fügeteil
Fügeteilzuführung V1
Förderer
Greifer
V1
Bewegungsbahn Greifer V1,V2 Geschwindigkeit
Werkstückträger
Sichtbereich Kamera
V2 >> V1
Abb. 8-16 Synchronmontage mit Montageroboter
Für die Montage kleiner und einfacher Baugruppen und Massenprodukte (Stückzahl mindestens 10 Millionen pro Jahr) eignen sich Rotormaschinen mit sehr enger Verkettung. Dazu gehören zum Beispiel Automaten zum Füllen von Flaschen und Behältern einschließlich Etikettierung und Aufdrehen von Verschlüssen. Oft werden mehrere Arbeitsrotoren zu einer Linie verkettet. Das ist erforderlich, weil in der Regel je Arbeitsrotor nur ein Arbeitsgang ausgeführt wird. Die hohe Leistung kommt auch deshalb zustande, weil auf einem Rotor mehrere Werkzeuge phasenversetzt gleich-
238
8 Automatische Montagemaschinen
zeitig arbeiten. Systemtechnisch ist eine Rotor-Montagelinie eine ReihenParallel-Schaltung. In Abb. 8-17 wird der Ablauf am Beispiel „Bolzen in Buchse fügen“ gezeigt. Im Sektor I erhält jede Werkstückaufnahme ein Basis- und ein Fügeteil. Im Sektor II, dem Arbeitssektor, erfolgt die Fügeoperation „Längspressen“. Der Sektor III dient dem Ausgeben der Baugruppen oder der Übergabe an einen Transportrotor, der den nächsten Arbeitsrotor speist, wenn die Montage fortgesetzt werden muss. Der Sektor IV wird in der Regel nicht genutzt, was meistens konstruktiv bedingt ist. Hier können aber Werkstückaufnahmen überprüft und gegebenenfalls auch gereinigt werden. Basisteilaufnahme
Montagebasisteil
IV
Abführbahn
I
III Fügeteil
Fügeteil II
Montagebasisteil
Greifer
a
Übergaberotor a) Draufsicht auf den Rotor Sektor II
Rolle V1 feststehende Steuerkurve
Pressstempel
V2
Drehteller
Fügeteil
Montagebasisteil b) Kurvenführung der Fügewerkzeuge (Darstellung als Abwicklung)
V1 Umfangsgeschwindigkeit der Fügewerkzeuge V2 Einpressgeschwindigkeit
Abb. 8-17 Prinzipieller Aufbau einer Rotormontagemaschine
8.4 Transfersysteme und Förderer 8.4.1 Weitergabesysteme Um Montagebaugruppen bzw. Werkstückträger von Station zu Station zu transportieren, werden verschiedene Systeme und Förderer für einen kontinuierlichen oder taktweisen Transport eingesetzt, deren Einteilung Abb. 8-18 zeigt.
8.4 Transfersysteme und Förderer
239
Transfersysteme und Förderer
Zugmittelsysteme
Gurt, Band • Doppelgurt • Förderband • Zahnriemen • Stahlband
Ketten • Plattenbandkette • Segment - Rollenkette • Kegelgelenktransferkette
Rollensysteme
• Rollengänge • Staurollenbahn • Röllchenbahn • Schrägrollenförderer
Mechanische Systeme
• Rundschalttisch • Taktgestänge • Hubbalken • Pilgerschrittsysteme • Schneckenwelle • Schienenbahn • Schubklinke • Luftgleitsysteme
Abb. 8-18 Gliederung der Systeme zur Weitergabe von Montagebaugruppen
Bei einer kontinuierlichen Fließmontage wird das Objekt während der Montage ständig bewegt, bei einer intermittierenden Montage bleibt das Objekt beim Montieren stationär. Bei den Transfersystemen für zeitweilig aussetzenden Betrieb wird zwischen getakteten und ungetakteten Systemen unterschieden. Bei ersteren ist der Werkstückträger fest mit dem Transfersystem verbunden. Die Zykluszeit gliedert sich in die Transport- und die Verweilzeit. Bei ungetakteten Systemen haben die Werkstückträger keine feste Verbindung mit der Transfereinrichtung. Die Verweilzeit ist frei wählbar. Bei großem Arbeitsinhalt einer Station sind mehrere gleichartige parallel arbeitende Montagestationen erforderlich. Ungetaktete Systeme haben den Vorteil, dass sich zwischen den Arbeitsstationen eine limitierte Anzahl von Werkstückträgern ansammeln kann, was eine Speicherwirkung und Entkoppelung von Stationen ergibt. Doppelgurtförderer sind als Verkettungsmittel weit verbreitet. Die zwei parallel angeordneten und stetig umlaufenden Gurte nehmen die Werkstückträger lose aufliegend auf. Vereinzeler und Stopper geben den Lauf der Werkstückträger frei bzw. stoppen ihn. Die Gurte gleiten darunter durch. Beim Positionieren werden die Werkstückträger vom Gurt abgehoben und fixiert. Als Fördergurt stehen verschiedene Gurttypen zur Auswahl, z. B. Polyamidgurt oder Antistatikgurt mit spezieller Beschichtung. Die Gurte laufen in profilierten Schienen. In der Abb. 8-19 wird der Schnitt durch eine Transferstrecke gezeigt. Zum Gesamtsystem gehören neben den Transportstrecken die Werkstückträger, Stopp-, Positionier- und Umlenkeinheiten, Hublifte für übereinander liegende Transportstrecken, Ausschleus- und Codiereinheiten,
240
8 Automatische Montagemaschinen Datenträger
Werkstückträger Seitenführung Gurt
Aluminiumprofil
rücklaufender Gurt
Datenträgerabfrage
Abb. 8-19 Schnitt durch eine Doppelgurt-Transferstrecke (Sibos)
Eckeinheiten für einen Karrè-Umlauf, Wendeeinheiten (Drehen eines Werkstückträgers um 180°), Quertransporteinheiten, Handarbeitsplätze mit und ohne Bypass-Strecke, Bandstützen, Antriebe und Steuerungen. In der Abb. 8-20 wird eine Doppelgurtanlage mit einer von vielen möglichen Streckenführungen gezeigt. Die Abmessungen der Produkte bzw. Basisteile können maximal 400 x 400 x 400 mm betragen, die maximale Masse einschließlich des Werkstückträgers 12 kg. Die Ausrüstung zur spezialisierten Montageanlage geschieht durch Anund Aufbau von Automatikstationen mit und ohne Montageroboter und gegebenenfalls auch mit Handmontageplätzen. Beispiele finden sich hierzu in Kap. 5 und 9. Kettentransferanlagen können als Ein- oder Doppelspur-Fördersysteme ausgelegt sein. Von der Masse und Größe des Fördergutes hängt ab, welche Art von Kette einzusetzen ist. Oft sind es Mehrrichtungsketten (sogen. Seitenbogenketten) aus Kunststoff, die in zwei Raumachsen kurvengängig sind. In Abb. 8-21 wird die Draufsicht auf einige Streckenführungen gezeigt. Es kann auch in die dritte Dimension gefördert werden. Dadurch gelangt das Transportgut in den arbeitsfreien Raum über den Maschinen. Bemerkenswert ist, dass man beim Richtungswechsel meistens keinen weiteren Antrieb benötigt, wie es normalerweise bei der Kombination von reinen Lineareinheiten nötig ist. Die Fördergeschwindigkeit kann z. B. bis 30 m/min betragen und die Masse einer Palette bis zu 30 kg.
8.4 Transfersysteme und Förderer
241
Abb. 8-20 Beispiel für ein Doppelgurt-Transfersystem (Stein)
Antriebseinheit
Gleitbogen
Bogenrad
Kette
Palette
Abb. 8-21 Doppelspur-Förderanlagen mit kurvengängiger Kunststoffkette (FlexLink)
242
8 Automatische Montagemaschinen
Für das Überwechseln von Werkstückträgern oder Produkten in ein anderes Teilsystem sind Weichen üblich. Damit lassen sich Bypass-Strecken, die z. B. zu Handmontageplätzen verzweigen, an das Fördersystem anbinden. Der Erfolg dieses und auch ähnlicher Systeme begründet sich letztlich im breit gefächerten Anwendungsgebiet, das mit passenden Funktionsträgern abgedeckt werden kann, in den technischen Eigenschaften sowie im minimalen Steuerungsaufwand. Staurollenförderer basieren auf einer besonders gestalteten Kette, die mit Laufrollen in Profilrinnen geführt wird. Sie dient als Verkettungsmittel in asynchronen Weitergabesystemen für Tragfähigkeiten bis etwa 240 kg. Die Geschwindigkeiten gehen von 6 bis 12 m/min. Die Tragrollen beginnen sich nur zu drehen, wenn sich das Fördergut an Anschlägen staut. Dadurch ist es möglich, einen Stau von Werkstückträgern ohne Bandabschaltung zu verkraften. Ohne die entstehende Rollreibung würde sonst eine große Antriebsleistung nötig sein bei gleichzeitig hohem Verschleiß. In der Abb. 8-22 wird eine Staurollenkette für drei Geschwindigkeiten des Fördergutes gezeigt. Das wird rein mechanisch durch drei Rollendurchmesser erreicht. Eine alternative Lösung wäre, eine Stausituation zu detektieren und dann einen Teil der Förderstrecke tatsächlich zeitweilig abzuschalten.
a) Aufbau einer Kette
1 2 3 4 5 6 7
Kettenbolzen Kettenlasche Laufrolle Werkstückträger Kettenrolle Rollenkörper Laufprofil
b) Realisierung verschiedener Transportgeschwindigkeiten v
Abb. 8-22 Prinzip des Staurollenförderers
8.4 Transfersysteme und Förderer
243
Rollengänge werden oft als Verkettungsmittel für das Bewegen großer und schwerer Montagebaugruppen eingesetzt. Monteure arbeiten längs der Förderstrecke und vervollständigen die Baugruppe (Abb. 8-23). So ist ein Stop-and-Go-Betrieb möglich. Im Beispiel wird das dadurch gelöst, das man Teilstrecken einzeln einschalten kann. Dazu sind pneumatische Kupplungen in den Zugmittelstrang eingebaut. Die Kupplung wird durch Federkraft gelöst und mit Druckluft betätigt. Druckluftkupplungen halten sechsmal länger als elektrische Kupplungen, sind kostengünstig, stellen sich bei Verschleiß der reibenden Elemente selbst nach und realisieren einen sanften Anlauf.
Montagebasisteil U-Träger Transportwalze
pneumatische Reibungskupplung Zahnriemen oder Kette
Abb. 8-23 Fördersystem mit Reibungskupplung (Nexen)
Linearmotoren können ebenfalls spurgeführte Werkstückträger antreiben. Die Werkstückträger verfahren mit einer Geschwindigkeit von maximal 2 m/s und halten dann ohne mechanische Hilfen, wie z. B. Stopper oder Indexbolzen, mit einer Positions-Wiederholgenauigkeit von ± 0,025 mm an. Man kann in diesem System Richtung, Beschleunigung, Geschwindigkeit und Position für jeden einzelnen Werkstückträger per Programm vorgeben. Eine interessante Lösung für ein Transfersystem besteht aus einem kolbenstangenlosen Pneumatikzylinder, der aus geraden und gebogenen Stücken zu einer Pipeline zusammengesetzt wird. In einem hermetisch geschlossenen System laufen Kolben, die einen Rund-Permanentmagneten
244
8 Automatische Montagemaschinen
hoher Leistung treiben. Dessen Bewegung wird durch magnetische Kopplung auf einen Laufwagen übertragen, der außen auf Leichtlaufrollen geführt wird (SMC). Für die Versorgung von Montagestationen ergeben sich dadurch neuartige Möglichkeiten. Man benötigt an der Wirkstelle weniger Platz. Die Teile werden gewissermaßen über Kopf „eingeflogen“. Gleichzeitig lassen sich die oft kritischen Vorgänge beim Ordnen an eine Stelle außerhalb der Montagelinie verlegen. Metallbänder lassen sich ebenfalls als Transfer-Förderer einsetzen. Sie laufen über Stachelräder schlupffrei und sind sehr widerstandsfähig, z. B. auch gegen erhöhte Temperaturen. Das Band kann auch aus rostfreiem Stahl bestehen (Dicke 0,025 bis 1 mm) und ist perforiert, um die Transportbewegungen einzuleiten. Das Band ist kaum dehnbar und eignet sich besonders für Präzisions-Indexierungssysteme. Auf dem Band können geschweißte, genietete oder geschraubte Werkstückaufnahmen befestigt werden. Es sind auch Beschichtungen mit Polyurethan oder Silikongummi bis 6 mm Dicke möglich. Mittig angebrachte Perforationslöcher lassen sich beim Weitergeben nutzen, um Saugluft wirken zu lassen. Damit können dann aufliegende Werkstücke zusätzlich festgehalten werden (Belt Technologies). Der Transport von Werkstückträgern kann in geeigneten Systemen auch durch magnetisches Schweben unterstützt werden. Eine solche Transferstrecke hat folgende Vorteile: − Kein mechanischer Kontakt und somit keine Schmierung und kein Verschleiß, − reinraumtauglich und − mit verschiedenen Antrieben ausrüstbar vom Weitergeben mit Handkraft bis zum elektrischen Linearmotor. Wird ein berührungsloser elektrischer Linearmotor als Antrieb vorgesehen, dann muss sich dieser nicht über die gesamte Förderstrecke ausdehnen. Es genügt, wenn eine Motoreinheit einen Kraftimpuls erzeugt, dessen Stärke ausreicht, um das Fördergut bis zur nächsten Station (oder zum nächsten Motor) zu bewegen. Dort ist dann eine Brems- und Positioniereinheit erforderlich, die ebenfalls per Magnetfeld wirksam wird. 8.4.2 Werkstückträger Werkstückträger sind gewissermaßen die Lastenesel, die ein Montagebasisteil (mitunter auch Bauteile) von Station zu Station führen, wenn das Basisteil nicht für einen Durchlauf ohne Transportplattform geeignet ist.
8.4 Transfersysteme und Förderer
245
Die Werkstückträger sind somit die Schnittstelle zwischen einer variablen Werkstückform und einem geometrisch unveränderlichen Transportsystem. Außerdem schützt er das Basisteil während des Durchlaufs. Dazu sind verschiedene Funktionen zu erfüllen, die sich auch im Aufbau der Werkstückträger widerspiegeln, Abb. 8-24 Werkstückträger (vollflächig oder Rahmen)
Genauigkeitsklasse
Baugröße
Belastungsklasse
Werkstückaufnahmen (einzeln, mehrfach, Hilfsaufnehmen)
Lauf- und Führungselemente
Stütz-, Spann- und Indexelemente
Codierelemente (optisch, elektronisch, mechanisch)
Abb. 8-24 Bestandteile eines Werkstückträgers
Charakterisierend für Werkstückträger sind zunächst die Genauigkeitsklasse, Baugröße und Belastungsklasse. Der Werkstückträger bestimmt zusammen mit den Spann- und Indexiervorrichtungen wesentlich die Genauigkeit der Fügeoperationen und die Taktzeit einer Anlage. Sie müssen auch nach längerem Gebrauch noch Positioniergenauigkeiten von z. B. ± 0,02 mm in allen Achsen aufweisen. Werkstückträger muss man im Durchlauf um 90° oder 180° wenden, ein- oder ausschleusen sowie umsetzen können. Das Umsetzen auf z. B. Rücklauf- oder Nebenstrecken verläuft gewöhnlich in der Horizontalen, aber auch vertikales Umsetzen ist üblich. Die Werkstückaufnahme soll sich als Element zur Lagesicherung der Montageobjekte oder als gesonderte Formauflage leicht wechseln lassen. Lauf- und Führungselemente stellen die Kontaktflächen zur Übertragung von Fortbewegungskräften mittels Reibpaarung dar. Es können auch Führungskanten zum Einlauf in eine Station vorhanden sein, ebenso Nocken
246
8 Automatische Montagemaschinen
zum Schnelleinzug in die Station. Für Stopper benötigt man Anschlagkanten. Als Nachteile der Werkstückträger sind zu nennen: Bindung an ein Transfersystem, zusätzlicher Platzbedarf, zusätzliche Kosten durch Mindestvorrat an verfügbaren Werkstückträgern sowie die Abhängigkeit von einem Produkttypen. Abbildung 8-25 zeigt zwei Ausführungen als geschlossene Fläche und als Rahmen. Beim linken Beispiel erkennt man die gehärteten Anschlagplatten, Eckenrollen übernehmen im rechten Beispiel die seitliche Führung beim Durchlauf und in den Umlenkbögen. Allen Ausführungen gemeinsam sind Zentrierelemente zur exakten Ausrichtung in der Fügeposition. Arbeitsplatte Aluminium hartcoatiert
Zentrierbuchse Befestigungsschraube eingeklebter Codeträger
Zentrierbuchse
Zentrierstift Anschlagplatte, gehärtet
Rahmen
Mitte Zentrierleiste
EckenArbeitsplatte anlaufrolle Aluminium hartbeschichtet
a) Plattenaufbau (Stein)
b) Rahmenaufbau (Altratek)
Abb. 8-25 Ausführung von Werkstückträgern
Zur Erkennung der Werkstückträger lassen sich Codierelemente einbauen. Das können Nur-Lese-Datenträger sein oder Schreib-Lese-Datenträger. In Laufrichtung sind mitunter elastomere Auffahrdämpfer stirnseitig angebaut. Die Arbeitsplatte ist mit Aufnahmen für das Basisteil auszurüsten. Außerdem können Spannelemente, Hilfsaufnahmen für eine Vormontage und Plätze für mitgeführte Montageteile angeordnet werden. Ein solches Beispiel wird in Kap. 5, Abb. 5-28 vorgestellt. Asynchron laufende Werkstückträger müssen in der Montagestation angehalten, positioniert und gespannt werden. Dafür gibt es verschiedene Lösungen, wie z. B. pneumatische Stopperzylinder für den Einsatz in Doppelgurt-Transfersystemen. Manchmal benutzt man auch Stopper mit integriertem Stoßdämpfer (Kipphebelstopper). Stopper mit einer Anlaufrolle lassen sich schnell wieder in eine Stopp-Position bringen, was bei dicht laufenden Werkstückträgern unerlässlich ist.
8.4 Transfersysteme und Förderer
247
Stoppen allein erfüllt jedoch noch nicht die Funktion der Positionierung. Dazu bedarf es zusätzlicher Funktionsträger, die seitlich oder vertikal angreifen und eine genaue Position erzeugen. Werkstückträger können auch rund sein und bieten dann Platz für viele Werkstückaufnahmen. Solche Mehrfach-Werkstückträger werden in Kap. 5, Abb. 5-29 sowie Kap. 7 vorgestellt. Sie haben den Vorteil, dass sie in einer Station schnell getaktet werden können und damit Sekundäraufwand eingespart wird. Sie werden gern in manuellen und hybriden Montagesystemen eingesetzt (s. auch Kap. 7: Hybride Montagesysteme). Die Taktung kann von einem Rundschalttisch übernommen werden. Eine besondere Form eines Werkstückträgers sind solche mit einem Eigenantrieb. Bei diesem asynchronen System rollen die Werkstückträger auf einer einzigen mittigen Fahrschiene, die in seitlichen T-Nuten die beiden Stromleiter (DC 24 V) enthält. Das Transfersystem besteht aus nur wenigen Komponenten (Abb. 8-26). Das erhöht die Übersichtlichkeit und macht es auch planerisch gut handhabbar. Es ist ein Umlaufsystem, das Montagebasisteile transportiert, aber auch die Werkstückbereitstellung übernehmen kann. Die Steuerung ist vom Anwender frei wählbar. Der Werkstückträger verfügt über eine abnehmbare Arbeitsplatte, ist von der Fahrschiene nach oben abnehmbar und bewegt sich auf Stütz- und Treibrollen selbstständig vorwärts. Der Fahrweg wird je nach Aufgabenstellung aus Geradstücken, Bögen, Weichen und Kreuzungen zusammengesetzt. Der Werkstückträger verfügt über die erforderliche Eigenintelligenz, um selbstständig, kultiviert, zielorientiert und vorausschauend fahren zu können.
Abb. 8-26 Einschienen-Transfersystem (Montech)
248
8 Automatische Montagemaschinen
8.4.3 Werkstückträgerschnelleinzug Um unproduktive Nebenzeiten zu senken, müssen Werkstückträger möglichst schnell in die Montagestation eingezogen werden. Hierfür sind verschiedene Lösungen bekannt. Beim sogen. Schneckeneinzug greift eine am Werkstückträger angebrachte Rolle in den Schneckengang einer längs zur Förderrichtung aufgebauten Schnecke ein (Weiss). Der Werkstückträger läuft dabei in einem Führungsprofil.. Der Einzug erfolgt in 0,5 s stoß- und ruckfrei. Bei einer anderen Lösung ist die Unterseite des Werkstückträgers mit einem Gegenprofil zum Zahnprofil eines gesonderten Antriebsriemens ausgestattet. Weil dessen Antrieb durch einen Servomotor erfolgt, kann der Werkstückträger in der Station auch in programmierbaren Schritten getaktet werden. Die Positioniergenauigkeit liegt dann im Zehntel-MillimeterBereich. Der Einzug erfolgt in weniger als 0,5 s. Die Konstruktion baut auf vorhandenen Doppelgurt-Transfersystemen auf, was eine Nachrüstung solcher Systeme ermöglicht (AKB). Eine weitere Art der Werkstückträgerpositionierung wurde in Kap. 2, Abb. 2-11 vorgestellt, die mit Kegelzugbolzen arbeitet. 8.4.4 Werkstückträgerführung Werkstückträger müssen bei Umlaufsystemen in Ecken umgelenkt werden und bei Verzweigungen im Werkstückträgerfluss sind Weichen oder Querhubeinrichtungen erforderlich. Mitunter muss auch der komplette Werkstückträger um 180° gedreht werden. Für die Umlenkung von Werkstückträgern auf eine Quer- oder Gegenspur sind unterschiedliche Systeme von der Kugelrollenbahn bis zur eigenständigen Fördereinheit in Gebrauch. Von Bedeutung ist wegen der Zugänglichkeit der Außenseiten der Montagebaugruppe, ob der Werkstückträger während eines Umlaufs seine Ausrichtung beibehält oder nicht. Systeme mit Querverschiebung benötigen Greifer, Bordrollenwagen oder kleine Hub-Quer-Förderbänder, die auf ein Signal hin in Aktion treten, während zum Beispiel Schleppteller eine 180°-Drehung im kontinuierlichen Lauf erledigen. Zur Erkennung und Steuerung der Werkstückträger werden diesen Informationen mitgegeben, heute meist in elektronischer Form auf einem Datenchip. Auch mechanische Codierungen werden eingesetzt. Eine einfa4 che Möglichkeit ergibt bereits ein Codierblock mit 4 Stiften, der 2 = 16 Codewerte erlaubt.
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
249
Eine wichtige Frage ist, wie viele Werkstückträger für ein Montagesystem benötigt werden, da sie einen beachtenswerten Kostenfaktor darstellen. Die Anzahl der Stationen und die gewünschte Puffergröße je Station sind dafür bestimmend. Die Anzahl n kann wie folgt als Richtwert ermittelt werden (Konold Reger 2003): n = n1 + n2
(8.1)
n1 = ( K 1 ⋅ z1 ) + ( K 2 ⋅ z 2 ) + ( K 3 ⋅ z3 )
(8.2)
n2 =
L ⋅ 60 vB ⋅ t
(8.3)
Es bedeuten: K1 Anzahl aller Arbeitsplätze und Automatikstationen K2 Anzahl taktunabhängiger Arbeitsplätze K3 Anzahl Transfereinheiten (Hub-Quer-Einheit, Liftstationen u. a.) z1 Anzahl Werkstückträger je Station bzw. Arbeitsplatz bei Anordnung in der Hauptförderstrecke (2 bis 3) z2 Anzahl Werkstückträger bei Anordnung im Nebenschluss (4 bis 6) z3 Anzahl Werkstückträger je Einheit (1 bis 3) L Länge der Zwischenstrecke, Rückführstrecke oder Pufferstrecke in m vB Fördergeschwindigkeit in m/min t
Taktzeit der Anlage in s
Nähere Ausführungen zur Bestimmung der Puffergröße finden sich in Kap. 12.
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten Als Fügeeinheit werden hier mechanisierte Fügewerkzeuge verstanden, die meistens auch den Charakter einer autarken Fügestation aufweisen. Ihre Aufgabe besteht darin, mindestens zwei Einzelteile oder Baugruppen miteinander zu verbinden. Dazu gehören Einheiten für das Einpressen von Fügeteilen, Schraub- und Nieteinheiten, Werkzeuge zum Druckfügen für
250
8 Automatische Montagemaschinen
das Verbinden von Blechen sowie Ausrüstungen für das Schweißen, Löten, Kleben und Prüfen. 8.5.1 Presseinheiten
Presskraft [N]
Das Einpressen erfolgt meistens senkrecht; bei großen und schweren Teilen werden auch Waagerecht-Pressstationen verwendet. Wie beim Schrauben sind auch hier Füge- und Basisteil zueinander in den Achsen auszurichten. Um das Anfädeln zu erleichtern, sollten Fügefasen und Fügeabsätze vorhanden sein (s. auch Kap. 2, Abb. 2-2). Das Einpressen kann grundsätzlich gegen einen festen Bund oder bis zu einer vorgegebenen Tiefe erfolgen, die an einer Presse eingestellt und von einem Wegmesssystem überwacht wird. Die Qualität der Pressverbindung kann nur während des Prozesses selbst beurteilt werden. Die Überwachung und Auswertung geschieht durch Messung und Beobachtung des kompletten Kraft-Weg-Verlaufs mit Hilfe der Fenster- bzw. Hüllkurventechnik. Im Ergebnis wird dann ein IO- (Gut) oder NIO (Schlecht) ausgegeben. Bei der Fenstertechnik werden drei Fenster (Abb. 8-27) oder zwei Fenster und eine Hüllkurve definiert.
Blockfenster
Anfädelfenster
Durchlauffenster
Pressweg [mm]
Abb. 8-27 Prozessüberwachung eines Einpressvorganges mit Hilfe der Fenstertechnik
Am Anfädelfenster ist erkennbar, ob die Fügepartner verkanten, was mit einer Kraftspitze verbunden ist. Das Durchlauffenster kontrolliert, ob die Kurve von der Eintritts- zur Austrittsseite definiert verläuft, d. h. ohne dass
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
251
andere Fenstergrenzen verletzt werden. Das Blockfenster schließlich überwacht Blockmaß und Blockkraft eines Einpressvorganges. Die Kurve muss in die vorgegebene Eintrittsseite einlaufen und darf dort das Fenster nicht mehr verlassen. Die Eintrittsseite ist dabei frei wählbar. Beim Kontrollverfahren mit einem Hüllkurvenband werden nur zwei Fenster (1 und 3) definiert und der Verlauf der Kurve wird mit einem mit Gutteilen eingelernten Toleranzband umhüllt. Gut-Pressvorgänge berühren die definierten Fenster planmäßig und bleiben mit ihren Kraft-WegKurven innerhalb des Hüllkurvenbandes. Voraussetzung ist die Integration entsprechender Sensoren für Kraft und Weg in die Presse (Hesse Schnell 2004). Montagepressen werden in verschiedenen Bauformen hergestellt und eingesetzt. Sie können auf einem Tisch stehen oder mit Zuführeinheiten kombiniert sein. Das ist in der Abb. 8-28 zu sehen. Erfolgt der Pressvorgang innerhalb von Transfersystemen, muss das Basisteil oder der Werkstückträger vom Fördersystem abgehoben und gegen den Fußboden bzw. das Gestell kräftemäßig abgestützt werden.
Presszylinder
Presszylinder
Gestell Pressstempel
Gestell Greifer
Hub
Fügeteil
Hub
Pressstempel
Fügeteil Basisteil
a) Einheit für den Tischaufbau
Basisteil
b) Kombination von Einleger und Presszylinder
Abb. 8-28 Ausführungsformen von Presseinheiten
8.5.2 Schraubeinheiten In der Montage ist das am meisten praktizierte Fügeverfahren die Verschraubung. Dem automatisierten Schrauben kommt deshalb große Bedeutung zu. Bei der Gestaltung eines Produkts legt die Produktentwicklung
252
8 Automatische Montagemaschinen
den Schraubendurchmesser und damit das Anziehmoment, sowie die Schraubenform fest. Für den Erfolg der Montage ist die Verfolgung des Drehmomentverlaufs beim Einschrauben und Festziehen wichtig. Es werden deshalb Drehmoment und Drehwinkel gemessen, mit Referenzdaten verglichen und eventuell auch dokumentiert. Prüfsysteme für hohe Qualitätsansprüche überwachen bis zu 17 Kriterien. In Abb. 8-29 wird das Zusammenwirken der Hardwarekomponenten eines Schraubers im Schema gezeigt. externe Programmiereinheit
Speicherprogrammierbare Steuerung
Schraubersteuerung
Antrieb
Schrauberklinge
Schrauber
Leistungsteil
MD-Sensor
Getriebe
Antrieb
Drehmomentsensor
Abb. 8-29 Blockschaltbild einer Schraubeinrichtung
Das Ziel besteht darin, ein Drehmoment so aufzubringen, dass die Verschraubung eine definierte Vorspannkraft erreicht. Dazu muss der Schraubvorgang gesteuert werden, um auf bestimmte Störgrößen wie Stick-Slip-Effekt reagieren zu können. Diese Art der Störgröße führt zu periodischen Schwankungen des Drehmomentverlaufs, was Gegenreaktionen erforderlich macht. Über das momentane Drehmoment wird die Leistung des Antriebs gesteuert. Auch wenn die Vorspannkraft möglichst groß sein soll, darf die Schraube nicht überdehnt werden. In der Abb. 8-30 werden einige Messdaten „Drehmoment über Drehwinkel“ gezeigt. Aus den Kurvenverläufen lassen sich qualitative Aussagen über den Schraubvorgang ableiten und insbesondere auch Mängel erkennen. Eine Kontrolle der geforderten Vorspannkraft ist auch mit Ultraschall möglich. Während des Schraubens längt sich die Schraube durch die Vorspannung beim Festziehen. In Längsrichtung durch die Schraube geleitete Ultraschallwellen brauchen dann eine geringfügig größere Laufzeit, die direkt zur Vorspannkraft proportional ist.
Drehmoment Md in Nm
Drehmoment Md in Nm
Drehwinkel in Grad b) hohes Einschraubmoment durch Deformation der Verbindungselemente oder beschädigtes Gewinde
Drehwinkel in Grad d) wie c, jedoch in dickes Material
Drehwinkel in Grad e) bis zum Enddrehmoment sind noch nicht alle Bauteile vollständig zusammengedrückt
Drehwinkel in Grad c) schwergängiges Eindrehen bei gewindefurchender Schraube in ein Bohrloch ohne Gewinde Drehmoment Md in Nm
Drehwinkel in Grad a) störungsfreie Montage
253
Drehmoment Md in Nm
Drehmoment Md in Nm
Drehmoment Md in Nm
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
Drehwinkel in Grad f) Schraube wurde überdreht
Abb. 8-30 Schraubverläufe im Drehmoment – Drehwinkel-Schaubild (Schatz)
In der Produktion technischer Massengüter werden vorzugsweise das Drehmoment und der Drehwinkel benutzt, um das Anziehen zu steuern bzw. drehwinkelüberwacht den Abschaltpunkt für das Festziehen der Schraube zu finden. Eine Schraubeinheit hat mindestens folgende Funktionen zu erfüllen: − − − − − − −
Bunkern der ungeordneten Schrauben, Ordnen der Schrauben, Magazinieren der geordneten Schrauben, Vereinzeln und Zuteilen der Schrauben, Positionieren und Halten einer Schraube in der Fügeposition, Schraube eindrehen, Anziehmoment stufenlos einstellen.
Der gesamte Ablauf muss fortwährend kontrolliert werden. Diese Überwachungs- und Steuerungsaufgaben werden in Abb. 8-31 für eine Schraubanlage gezeigt. Im Wesentlichen werden der Füllstand der Zuführeinrichtung, die Anwesenheit der Schraube im Mundstück des Schraubers und der eigentliche Schraubvorgang überwacht. Die Messung der Spindeltiefe entspricht in der Regel auch der Einschraubtiefe (Scharf, Großberndt 1994).
254
8 Automatische Montagemaschinen
Abb. 8-31 Ablauf und Kontrollen in einer Schraubanlage
Die Zuverlässigkeit einer Schraubeinheit hängt ganz wesentlich von der störungsfreien Zuführung der Schrauben, Schraubteile oder Muttern ab. Die Handhabbarkeit wird von folgenden Faktoren beeinflusst: − Schraubengröße; Kleine hochfeste Schrauben sind weniger empfindlich und bequemer zu handhaben als größere Schrauben. − Schwerpunktlage; Sie beeinflusst die Förderlage beim Zuführen. Schaftlastige Schrauben werden hängend geordnet und zugeführt. Kopflastige Schrauben sind auf der Kopfstirnfläche zu fördern, was sich etwas schlechter realisieren lässt. Als Faustregel gilt: Gesamtlänge mit Kopf plus 2 mm minus größter Durchmesser = Grenzwert. Ein negativer Betrag bedeutet Kopflastigkeit, ein positiver Wert kennzeichnet die Schaftlastigkeit. − Länge-Durchmesser-Verhältnis; Ein günstiges Verhältnis liegt etwa bei L/d = 2 bis 10. Überlange Schrauben können Probleme bereiten und erfordern eine besondere Auslegung des Schraubautomaten. − Mindestschraubenlänge; Von Bedeutung ist, ob der Schraubenschaft zu führen ist oder ob das Antriebswerkzeug den Schraubenkopf mit Magnetkraft oder Vakuum halten kann.
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
255
− Kraftangriffsmerkmale; Das Antriebswerkzeug soll sich selbsttätig und schnell ankoppeln sowie den Camout-Effekt vermeiden (Camout = ungewolltes Herausgleiten und Überrasten der Schrauberklinge). Ein einfacher Schlitz ermöglicht das Kuppeln nur jede halbe Umdrehung, Sechskantantriebe alle 60° Drehwinkel. − Oberflächenbeschaffenheit; Abriebspartikel können erheblich zur Störanfälligkeit der automatischen Schrauber beitragen. Das betrifft u. a. gewachste oder verzinkte Schraubenoberflächen. Ein automatischer Schrauber kann stationär oder auch an einer Portaleinheit befestigt sein. Die Schraubpositionen sind dann frei programmierbar und die Schrauben werden von einem Vibrationswendelförderer über einen Formschlauch geordnet bereitgestellt. Das Aufdrehen von Sechskantmuttern kommt in der Montage ebenfalls vor und wird in der Abb. 8-32 an einem Beispiel gezeigt. Die Schraubernuss bewegt sich vertikal auf und ab. In der unteren Position werden Muttern durch einen Ladestößel vom Zuführsystem in die Schraubernuss gebracht. Sie werden dort durch eine federnde Kugelraste gegen Zurückfallen gesichert. Die Drehbewegung wird über die Außenverzahnung der Schraubernuss aufgebracht. Diese bewegt sich nach oben zum Basisteil und dreht die Mutter auf. Es können große Drehmomente übertragen werden. Manchmal müssen diese auch durch eine Drehmomentenstütze abgefangen werden. Fügerichtung
Schraubernuss außenverzahnt
Antriebszahnrad
Gewindebolzen
Schraubspindelhalterung Kugelsperre Magazinzuführung
Sechskantmutter
Fügerichtung Ladestößel
Abb. 8-32 Mutternschrauber (Beispiel)
256
8 Automatische Montagemaschinen
8.5.3 Nieteinheiten Das Verfahren „Nieten“ ist eine Alternative zum Schrauben, wenn auf eine lösbare Verbindung verzichtet werden kann und die Verbindung keinen großen Zugbeanspruchungen unterliegt. Nietverbindungen sind Platz sparend, meist billiger als Schraubverbindungen und vorzugsweise auf Schub zu beanspruchen. Betriebsmittel zum Nieten besitzen im Gegensatz zu Schraubeinheiten oft keine automatische Nietzuführung. Das liegt daran, dass die Niete in der Regel als erstes Teil positioniert werden müssen, so dass die miteinander zu fügenden Teile über den Schaft der Niete gesteckt und zentriert werden können. Dann wird das Umformen der Niete vorgenommen. Abbildung 8-33 stellt verschiedene Nietverfahren mit ihren wesentlichen Einsatzmerkmalen gegenüber. In der Feinwerk- und Elektrotechnik werden z. B. vorwiegend die Verfahren Pressnieten und Taumelnieten eingesetzt.
Schlagen
Verfahren
Pressen
Rollen
Taumeln
Merkmal Werkstoffgerechte Nietverformung
schlecht
befriedigend
gut
gut
Qualität der Verbindung
gut
sehr gut
sehr gut
sehr gut
Oberflächenschutz am Niet
wird zerstört
wird zerstört
wird beschädigt
bleibt erhalten
Reproduzierbarkeit Nietvorgang
befriedigend
gut
gut
gut
Arbeitsgeschwindigkeit
gering
hoch
mittel
gering
Axiale Kraft am Niet
hoch
hoch
mittel
gering
Möglichkeit des Mehrfachnietens
begrenzt
sehr gut
begrenzt
sehr gut
Geräuschpegel
bis zu 130 dB
gering
gering
gering
Abb. 8-33 Gegenüberstellung verschiedener Nietverfahren (nach Bodmer)
Beim Nieten an mehreren Positionen sind CNC-Koordinaten-Nieteinrichtungen mit integrierter Messtechnik verfügbar, die sich auch in Montagelinien eingliedern lassen. 8.5.3.1 Pressnieten
Beim Pressnieten (Abb. 8-34) durch pneumatische oder hydraulische Einrichtungen wirkt eine langsam kontinuierliche oder stufenweise ansteigen-
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
257
de Kraft F auf den Niet. Zur Ausbildung der gewünschten Kopfform werden entsprechende Werkzeuge eingesetzt.
Stempel
federnder Niederhalter Stempel Niet Niet
federnder Niederhalter
Gegenhalter, Nietamboss a) bei indirekter Nietung
Gegenhalter, Nietamboss
b) bei direkter Nietung
Abb. 8-34 Funktionsprinzip Pressnietmaschine
Es können unlösbare feste Verbindungen durch Voll- oder Hohlniete aus unlegiertem und rostbeständigem Stahl, Kupfer, Messing, Aluminium und Kunststoff erzeugt werden. Von Nachteil ist, dass das Fügen von spröden Teilen nur bedingt möglich ist. Beim Pressnieten müssen die miteinander zu fügenden Teile durch einen Niederhalter formschlüssig am Nietkopf anliegen, weil beim Pressvorgang der Nietschaft so verformt wird, dass der Spalt zwischen den zu verbindenden Teilen und dem Nietschaft ausgefüllt wird, bevor es zum Formen des Nietkopfes kommt. Handelsübliche Pressniet-Einheiten werden häufig pneumatisch betrieben und arbeiten bis etwa 20 kN direkt und darüber bis etwa 60 kN unter Verwendung von Kniehebelgetrieben. Beim Einsatz solcher Pressnieteinheiten in automatisierten Montageanlagen ist darauf zu achten, dass die entstehende Reaktionskraft aufgefangen wird, so dass eine Beschädigung der Werkstückträger oder Transfereinrichtungen vermieden wird. Beim Einsatz von Pressen an manuellen Montageplätzen ist es aus Gründen der Arbeitssicherheit empfehlenswert, die Fügevorrichtung auf einem besonderen Schiebetisch aufzubauen. Im ausgefahrenen Zustand befindet sich dadurch der Werkstückträger zur Bestückung mit Teilen außerhalb des Gefahrenbereiches der Presse. Nach
258
8 Automatische Montagemaschinen
dem Bestücken wird der Werkstückträger-Schiebetisch unter den Pressenstößel gefahren. Versehentliches Hineinlangen in den Pressenraum kann so unterbunden werden. Ein Beispiel findet sich in Kap. 5, Abb. 5-16. Ist eine Montagebaugruppe nur von einer Seite zugänglich, kann das sog. Blindnietverfahren eingesetzt werden. Es ist automatisierbar, ebenso das Stanznieten, das ohne Vorlochen durch einen Niet-Schneidvorgang mit Stanznietelementen (Voll- oder Halbhohlniet) ausgeführt wird. 8.5.3.2 Taumelnieten
Im Unterschied zum Pressnieten führt bei diesem Verfahren der Nietstempel infolge der Neigung der Nietspindelachse um einige Grad eine taumelnde Bewegung aus, Abb. 8-35. Es erfolgt eine örtlich begrenzte Umformung der Niete längs der umlaufenden Berührungslinie zwischen Nietstempel und Niet. Dabei wird punktuell die Streckgrenze des Nietwerkstoffes überschritten, so dass das Material in kleinen Schritten in die gewünschte Endform des Nietkopfes fließt. Wesentlich ist, dass der Nietstempel nicht um seine Achse rotiert, sondern sich beim Taumeln unter Druck auf dem Niet abwälzt. Das ergibt eine günstige Materialverformung und eine schonende Behandlung der Nietoberfläche. Das Nietwerkzeug nutzt sich dabei nur geringfügig ab und der erforderliche Druck muss nur relativ gering sein. Das verhindert auch das Knicken bei der Verarbeitung dünnwandiger Rohrniete. Beim Pressnieten neigt der durch das Nieten erzeugte Nietkopf bei Rohr- und auch bei Massivnieten zum Reißen. Das wird grundsätzlich beim Taumelnieten vermieden. Vorteilhaft ist auch die geringe Geräuschentwicklung. Nietstempel
Kugelgelenk Antriebszapfen
Stempel-haltemagnet
Druckfeder Federhülse Taumelkopf Nietstempel
a) Aufbau des Nietkopfes
b) Beispiele für die Nietstempelgestaltung und die damit erzeugbaren Nietköpfe bzw. Randformungen
Abb. 8-35 Taumelnietkopf
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
259
Das Nieten von mehreren, oft unterschiedlichen Nieten in verschiedenen Positionen und Höhen ist beim Pressnieten unproblematisch, da mehrere Niete gleichzeitig in einem Werkzeug vernietet werden können. Das Taumeln mehrerer Niete in einem Produkt nacheinander ist zeitraubend. Der Einsatz von Mehrspindel-Taumelnieteinrichtungen ist vom Abstand der Niete untereinander abhängig. Abbildung 8-36 zeigt den Aufbau einer mehrspindligen Taumelnieteinheit. Anstelle einer Spindel werden von einer zentralen, sich drehenden Antriebsspindel über Zahnräder mehrere Satellitenspindeln angetrieben. Auf diese Art kann man abhängig vom Nietbild bis zu fünf Spindeln unterbringen.
Abb. 8-36 Mehrspindlige Taumelnieteinheit (Herrmann, IPA)
8.5.4 Durchsetzfügetechnik Durchsetzfügen (Druckfügen) ist das Verbinden von Teilen aus Blech-, Rohr- oder Profilstücken durch gemeinsames Durchsetzen in Verbindung mit (oder ohne) Einschneiden und nachfolgendem Stauchen. Eine Weiterentwicklung stellt das sog. „Toxfügen“ dar, das dem Durchsetzfügen ähnelt, jedoch keinen Schneidvorgang einschließt. Die Bleche dürfen beölt oder beschichtet sein. Der Vorgang ist bewegungstechnisch einfach. Das Fügewerkzeug besteht aus einem Stempel (Durchmesser z. B. 6 mm) und einer Matrize, wobei sich letztere aus einem feststehenden Amboss und
260
8 Automatische Montagemaschinen
in Abhängigkeit vom zu erzeugenden Fügeelement aus seitlich nachgebenden Federlamellen bzw. Schiebestücken zusammensetzen (Abb. 8-37). Druckfügewerkzeuge weisen sehr kleine Hauptabmessungen aus, so dass das Fügen auch bei kleinen Kantenabständen unter schwierigen Platzverhältnissen möglich ist. Als Krafterzeuger lassen sich Pressen einsetzen, welche je nach Art der Druckfügung der Blechpaarung pro Einzelelement Fügekräfte zwischen 30 und 70 kN aufzubringen haben.
Abb. 8-37 Prinzip des Rund-Druckfügens
Werkzeugsatz und Presse werden in der Regel von einem Anbieter als Komplettsystem bezogen. Weitere Details über Werkzeuge und Tragverhalten der Verbindungen finden sich in (Scharf, Großberndt 1994). Auch bei diesem Fügeverfahren ist eine Online-Qualitätsüberwachung Stand der Technik. Ein Kraftsensor liefert ein zur wirkenden Kraft proportionales elektrisches Messsignal, dessen Verlauf mit Sollwerten verglichen wird. Änderungen des Blechwerkstoffes sowie Beschädigungen an Stempeln und Matrizen äußern sich in Abweichungen der Kraft-Weg- bzw. der Kraft-Zeit-Verläufe. Das System erkennt diese Abweichungen, löst eine Fehlermeldung aus und analysiert die Störung hinsichtlich ihrer Ursache. Das sichert die Qualität sowohl beim Einzel-Druckfügen wie auch beim
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
261
Mehrfach-Druckfügen (bis zu 50 Fügestellen gleichzeitig) im Großserieneinsatz. Dieses als „PAD-Prozessanalyse Druckfügen“ bezeichnete System steht als Modifikation auch für das Druckfügen mit dem Industrieroboter zur Verfügung 8.5.5 Schweißeinheiten Für das Schweißen wurden mehrere spezielle Verfahren entwickelt, die den Einsatz dieses Fügeverfahrens im Bereich der Feinwerk- und Elektrotechnik erheblich ausgeweitet haben. Von besonderem Vorteil ist das Widerstandsschweißen (Punktschweißen), bei dem ohne Zusatzwerkstoff die Verbindung durch gleichzeitige Einwirkung von Wärme und Druck innerhalb kürzester Zeit hergestellt wird. Seit einigen Jahren findet auch das Laserschweißen starke Verbreitung. Es hat den Vorteil, dass der Schweißvorgang mit einem masselosen „Werkzeug“ berührungslos durchgeführt werden kann. Schweißverfahren haben den Vorteil, mit geringen Kosten eine nicht lösbare Verbindung herzustellen und nicht an eine geometrische Form des Bauteils gebunden zu sein. Zu berücksichtigen sind jedoch beim Schweißen: − − − − −
die Werkstoffpaarung, die Wandstärken der zu verbindenden Teile, Gefügeveränderungen an der Schweißstelle, der Wärmeeinfluss auf die angrenzenden Stellen und die Zunderbildung.
Die Integration von Schweißmaschinen in automatisierte Montageabläufe setzt voraus, dass Werkstückträger oder Montagevorrichtungen auch schweißtechnisch entsprechend ausgebildet sind (Lotter 1992). 8.5.5.1 Widerstandsschweißen
Die wesentlichen Bestandteile einer Widerstandschweißmaschine sind der Schweißkopf und die Elektroden mit Halter, ferner der Schweißtransformator, die Schweißstromsteuerung und die Schweißdrucksteuerung. Die Größe des Schweißkopfes ist abhängig von der zu erfüllenden Schweißaufgabe. Er muss für das Erzielen hochwertiger Schweißstellen eine spielfreie, reibungs- und massearme Führung der beweglichen Elektroden, eine gute Kühlung der Elektroden und Strom führenden Leiter sowie eine leichte Auswechselbarkeit für die Elektroden und Verschleißteile ohne aufwen-
262
8 Automatische Montagemaschinen
dige Neujustierung sicherstellen. Die Elektroden sind als Bearbeitungswerkzeug Verschleißteile, die aus Kostengründen einfach geformt und leicht wechselbar sein sollen. Die Möglichkeit einer mehrfachen Nacharbeit ist von Vorteil. Die Auswahl des Elektrodenwerkstoffes und der Oberfläche hängen vom Werkstück ab. Intensive Kühlung verlängert die Gebrauchsdauer. Die Daten für die Bemessung des Schweißtrafos, der Schweißleistung bei verlangter Einschaltdauer, der Sekundärspannung, des Kurzschlussstromes, der Spannungsstufenzahl und der Außenmaße sind vom jeweiligen Anwendungsfall abhängig. Der Ablauf des Verfahrens beim Punktschweißen lässt sich wie folgt beschreiben. Im Schweißstromkreis (Abb. 8-38) fließt ein Strom hoher Dichte (100 bis 50.000 A), aber mit niedriger Spannung (2 bis 8 V) über die kreisförmigen Elektrodenspitzen (1 bis 12 mm Durchmesser) durch die übereinander gelegten Bleche. Der größte Widerstand im Schweißstromkreis liegt in der Berührungsstelle der beiden Bleche, deshalb tritt dort die größte Erwärmung auf. Den Widerstand zwischen Elektrode und Blech hält man möglichst niedrig, indem man nur Bleche mit metallisch blanker zunderfreier Oberfläche verwendet. Die Verzunderung der Elektrodenspitze wird durch eine innere Wasserkühlung der Elektrode verhindert.
Abb. 8-38 Aufbauschema einer Punktschweißmaschine
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
263
Die in Wärme umgewandelte elektrische Energie erhitzt eine linsengroße Werkstoffzone beider Bleche auf einen schmelzflüssigen Zustand. Das nachfolgende Pressen durch eine Elektrodenkraft im Bereich von 20 bis 100.000 N verbindet punktförmig beide Bleche. Es werden verschiedene Schweißpunktqualitäten unterschieden. In der Feinwerk- und Elektrotechnik werden vorwiegend Widerstandsschweißmaschinen mit pneumatischer Betätigung eingesetzt. Sie eignen sich bis zu 200 Hüben pro Minute und für Elektrodenschließkräfte von 20 bis 20.000 N. Die Schweißdrucksteuerung gewährleistet, dass die Elektroden stoßfrei aufsetzen und über ein Federglied der Werkstoffverformung folgen können. 8.5.5.2 Laserstrahlschweißen
Das Laserstrahlschweißen bietet folgende Vorteile: − − − −
eine lokal begrenzte Energieeinkopplung, eine geringe Wärmebelastung des Werkstücks, eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Strahlführung sowie eine hohe Prozessgeschwindigkeit.
Der Laser ist ein Generator und Verstärker von elektromagnetischen Wellen und erzeugt einen sehr intensiven Lichtstrahl. Das Material wird im Brennfleck einer Fokussieroptik geschmolzen und teilweise verdampft (Abb. 8-39). Der Laserstrahl lässt sich mit Spiegeln nicht nur stationär umlenken, sondern auch über kardanische Gelenke in mehreren Achsen führen. Das ermöglicht es, das Laserstrahlführungssystem bzw. die Laserbearbeitungsoptik auch durch einen Industrieroboter zu bewegen. Die Schweißtiefe steigt nicht linear mit der Laserleistung an. Wird eine minimale Leistung überschritten, besitzt die Schmelze keine Halbkugelform mehr, sondern bildet schmale tiefe Nähte aus. Geschweißt wird unter Schutzgas (Helium, Argon, Stickstoff, Mischgase), wobei an der Nahtoberfläche ein Plasma entsteht. Bei einer ausreichend hohen Energiedichte bildet sich eine Metalldampfkapillare aus, hinter der das flüssige Metall erstarrt. Die Schweißgeschwindigkeit liegt zwischen 2 bis 50 m/min. Sie richtet sich nach dem zu schweißenden Material, der Nahtform und der Blechdicke. Exakte lasergeschweißte Nähte setzen eine gründliche Nahtvorbereitung voraus. Stoßkanten müssen eben, rechtwinklig und scharfkantig sein. Die maximal zulässige Spaltbreite beträgt 0,2 mm bei einer Blechdicke von 10 mm. Die Fügestellen sollten mechanisch-chemisch gereinigt werden. Entscheidende Schweißparameter sind die in das Werk-
264
8 Automatische Montagemaschinen
stück eingebrachte thermische Energie je Schweißnahtlänge, die sog. Streckenenergie. Die Laserparameter sind einfach und schnell veränderbar, wodurch man das Laserverfahren an die unterschiedlichsten Fügeaufgaben anpassen kann. Generell sollten für das Laserstrahlschweißen Überlappund Stumpfnähte vorgesehen werden. In Ausnahmefällen können auch Bördel- und Kehlnähte akzeptable Schweißverbindungen ergeben.
Abb. 8-39 Prinzip des Laserschweißens
8.5.5.3 Ultraschallschweißen
Beim Ultraschallschweißen werden die Stoßflächen von Fügeteilen durch mechanische Schwingungen im Ultraschallbereich mit oder ohne gleichzeitige Wärmezufuhr durch Reibung und Druck miteinander verbunden. Die Schwingungen ermöglichen auch ein Aufreißen von OberflächenOxydschichten. Die von einem Hochfrequenzgenerator erzeugte Schwingungsenergie wird durch den Schallkopf in mechanische Schwingungen gleicher Frequenz (20 bis 22 kHz) umgewandelt. Die Übertragung der Schwingungen erfolgt durch die sog. Sonotrode (Abb. 8-40). Es sind Schweißverbindungen, Nietverbindungen durch Vollniete aus Thermoplas-
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
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ten und das Einsenken von Metallteilen in Kunststoff möglich. Als Vorteile gelten: − spiel- und spaltfreies Fügen von Metallen, Isolierstoffen u. a. mit Thermoplaststoffen, − kein Werkzeugverschleiß, − schnelles sauberes Arbeiten und − die Möglichkeit, Mehrfachwerkzeuge einzusetzen.
Abb. 8-40 Ultraschallschweißen
Die Schweißstellen bzw. Niet- oder Einsenkverbindungen müssen ultraschallgerecht gestaltet sein. Anwendungsbereiche des Verfahrens sind das Verbinden von NE-Metallen wie Aluminium mit Kupfer oder Silber, Aluminium mit Glas sowie die Anschlüsse von Halbleiterbausteinen. 8.5.6 Löteinheiten Löten ist ein Verfahren zum Verbinden metallischer Werkstücke mit Hilfe eines geschmolzenen Zusatzmetalls (Lot), wobei die Schmelztemperatur
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8 Automatische Montagemaschinen
des Lotes unterhalb derjenigen der zu verbindenden Werkstücke liegen muss. Löten wird nach der Arbeitstemperatur unterschieden in: − Weichlöten mit Arbeitstemperaturen unter 450 °C Schmelztemperatur, z. B. mit Lötzinn und − Hartlöten (unlösbare Verbindung) mit Arbeitstemperaturen über 450 °C, z. B. mit Kupfer-, Zink- und Silberlegierungen. In der Feinwerk- und Elektrotechnik verwendet man für das Weichlöten vorrangig Kolophonium-Lötzinn-Draht in Rohrform. Das Röhrchen besteht aus der Lötlegierung und ist mit dem Flussmittel Kolophonium gefüllt. Dadurch entfällt das gesonderte Bereitstellen des Flussmittels. Beim Lötvorgang müssen die miteinander zu verbindenden Teile mit der notwendigen Wärmeenergie und dem Lot versorgt werden. Das geschieht entweder manuell oder mit Hilfe sog. Lötroboter, die statt eines Greif- oder Fügewerkzeuges ein Lötwerkzeug besitzen. Für Einzellötstellen, die eine besonders große Wärmezufuhr erfordern und für die kurze Lötzeiten realisiert werden sollen, eignen sich Flammlötwerkzeuge, die speziell für die Anwendung von Montagerobotern entwickelt wurden. Beim Einsatz von Lötrobotern sind alle für den Lötprozess wichtigen Parameter pro Lötstelle vom Anwender frei programmierbar, wie Anpressdruck der Lötspitze an die Lötstelle, Temperatur der Lötspitze (bis max. 450 °C), Zuführgeschwindigkeit des Lötdrahtes (0 bis 15 mm/s), Lotmenge, Vorwärm-, Löt- und Nachlötzeit sowie Häufigkeit und Dauer des Reinigungsvorganges. 8.5.7 Klebeeinheiten Die Klebetechnik erobert immer mehr Bereiche, die noch Anfang der 1990er Jahre nicht vorstellbar waren, wie Hochtemperatureinsatz, Verklebung kritischer Materialien und Herstellen elektrisch leitfähiger Verbindungen. Kleben hat gegenüber dem Schweißen oder Löten den Vorteil, keine oder nur eine geringe Wärmebelastung der Bauteile zu verursachen. Es kann großflächig angewendet werden und führt zu Verbindungen mit hoher Zugfestigkeit. Weitere Vorteile des Klebens sind: − − − −
keine Veränderung der Bauteil-Oberflächenseite gute Beständigkeit gegen Lösungsmittel und Chemikalien Verbindung unterschiedlicher Werkstoffe weitgehender Ausgleich von Einbautoleranzen
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
267
− erheblicher Gewichtsvorteil gegenüber mechanischen Verbindungsverfahren − Temperaturbeständigkeit einiger Klebstoffe von – 55 °C bis + 200 °C in Grenzfällen bis + 280 °C. Als Nachteile sind zu nennen: − − − −
Möglichkeit der Verunreinigung durch unkontrollierten Klebstoffaustritt Verschleppung von Klebstoffresten an nachfolgende Arbeitsstationen Wartung und Säuberung von Düsen und Klebstoffbehältern Notwendigkeit von Fixierhilfen während der Aushärtung wegen fehlender Anfangsfestigkeit.
Die Herstellung von Klebeverbindungen erfordert jedoch spezielle Vorbereitungen, die sich von den sonstigen Verbindungstechniken erheblich unterscheiden. Es beginnt bereits bei der Konstruktion der Verbindungsstelle. Geklebte Verbindungen sollten vorzugsweise auf Schub oder Druck, weniger auf Zug beansprucht werden, um ein Abschälen der Verbindung zu vermeiden. Am häufigsten werden Einkomponenten-Klebstoffe verarbeitet. Das ist unproblematisch, da diese Kleber unter normalen Umgebungsbedingungen langsam aushärten. Schwieriger sind Mehrkomponenten-Klebstoffe zu verarbeiten, weil sie rasch aushärten, also schnell verarbeitet werden müssen. Die einzelnen Komponenten werden deshalb erst unmittelbar vor der Auftragsdüse gemischt. Die Verfestigung (Vernetzung) der Klebstoffe erfolgt durch eine chemische Reaktion, deren Geschwindigkeit abhängig vom Klebstofftyp von wenigen Sekunden bis zu mehreren Stunden reicht. Bei Klebstoffen mit längerer Aushärtezeit lässt sich meist eine wesentliche Verkürzung erreichen, wenn die Umgebungstemperatur erhöht wird, z. B. auf 150 °C. Metallkleber sind in der Regel Zweikomponentenkleber. Die wichtigsten davon sind Epoxyd-, Polyester- und Acrylharze, Vinylacetat und Metallkitt. Eine dauerhafte Verklebung erfordert saubere und fettfreie Werkstückoberflächen. Anrauen erhöht die Bindefestigkeit zusätzlich. Die Klebefestigkeit wird neben der Aushärtetemperatur durch den Anpressdruck während des Aushärtens beeinflusst. Die Dicke der Auftragsschicht liegt vorzugsweise bei etwa 0,1 mm. Das genaue Auftragen und Dosieren bestimmt somit in großem Maße die Güte der Klebeverbindung. Abbildung 8-41 zeigt eine automatische Kleberauftragsstation, die den Klebstoff in eine vorbereitete Klebefuge einbringt. Dazu wird die Baugruppe zunächst aus dem Werkstückträger gehoben und in Rotation versetzt. Die Klebstoffdüse fährt mittels eines Pneumatikzylinders an die
268
8 Automatische Montagemaschinen
Baugruppe heran. Die Dreheinheit muss über eine Feineinstellung der Drehgeschwindigkeit verfügen und der Kleber darf nach dem Abriss nicht nachlaufen.
Abb. 8-41 Kleberauftragsstation
Aus Qualitätsgründen ist eine ständige Überwachung der Dosierung von meist sehr kleinen Mengen wegen der Gefahr von Luftblasen erforderlich. Zwei Wege sind üblich: − Messen des Kleberauftrags auf dem Werkstück z. B. mit Fluoreszenzmessung über eine Farberkennung oder Prüfung mit mehreren Kameras und einer Bildanalyse, ob die Kleberaupe gerade und durchgehend mit der richtigen Dicke verläuft. − Messung des Druckverlaufs an der Düse im Dosiersystem. Beim Robotereinsatz wird die Düse für den Klebstoffauftrag durch entsprechende Programmierung auf einer werkstückabhängigen Bahn geführt. 8.5.8 Prüfeinheiten Um Fehlmontagen bei automatisierten Montagevorgängen zu vermeiden und die Montage überhaupt fortsetzen zu können, ist die Integration von Prüfstationen üblich, die jeder Arbeitsstationen nachgeschaltet werden. Positive Prüfergebnisse bewirken die Freigabe, negative lassen sich wie folgt verwerten:
8.5 Prozesstypische Fügeeinheiten
269
Sofort-Abschaltprinzip: Die Prüfstation unterbricht die Montage, wenn ein Fehler festgestellt wurde. Ort und Art des Fehlers werden signalisiert. Nachteil: Häufung von Stillständen. Abschaltung nach vorbestimmter Fehlerzahl in Reihe: Erst nach einer vorbestimmten Anzahl von Fehlern, die hintereinander auftreten, wird die Anlage stillgesetzt. Die Anzahl von Stillständen wird damit gesenkt. Nachteil: Es entstehen unvollständige Montagebaugruppen, die Nacharbeit erfordern. Fehlerspeicherung: Erkannte Fehler werden registriert und die betroffenen Baugruppen von den weiteren Montageoperationen ausgeschlossen. Die „Schlecht-Baugruppen“ werden am Ende des Montageablaufs in einen Extrakanal zur Nacharbeit ausgeschleust. Das Prüfen kann berührungslos, z. B. optisch oder induktiv, vorgenommen werden oder durch Antasten von Baugruppenbestandteilen mit einem Koordinatenmessgerät in Form einer Prüfzelle. Die Anwesenheit aller Bauteile lässt sich manchmal auch mit einem programmierbaren Lasersensor ausführen. Damit kann man alle Werkstückbewegungen in der Montagezelle überwachen. Das Prinzip zeigt Abb. 8-42. Der Laserstrahl wird über zwei Spiegel abgelenkt und auf diese Art nacheinander zu allen programmierbaren Prüfpunkten geführt. In einem Suchlauf wird für programmierte Punkte die reflektierte Lichtintensität gemessen und mit einem abgespeicherten Lichtwert verglichen. programmierbarer Lasersensor Wandbefestigung
Werkstückmagazin
Montage und Prüfvorrichtung
Montageroboter
Abb. 8-42 Beobachtung von Aktionen und Zuständen in einer flexiblen Montagezelle mit programmierbarem Lasersensor (iwb, TU München)
270
8 Automatische Montagemaschinen
Die Auflösung kann z. B. 0,4 mm in 3 Meter Entfernung betragen. Als interessante Punkte kommen Magazinfüllstände, Positionen von Bewegungseinheiten, Vollständigkeit fertiger Baugruppen usw. in Frage. Es sind auch Prüfungen der mechanischen Funktion von Baugruppen möglich. So kann ein fertig montierter Tastenschalter in eine Prüfvorrichtung eingelegt und die Tasten gedrückt werden. Per Laserstrahl wird dann kontrolliert, ob die gewünschten Tastenbewegungen tatsächlich stattfinden und der Vorschrift entsprechen.
8.6 Greifer und Fügehilfen 8.6.1 Greifer Greifer sind Effektoren von Handhabungseinrichtungen, die in der Montage zum Greifen und Halten von Basisteilen, Fügeteilen, Baugruppen und Produkten eingesetzt werden (Hesse 1991, Hesse u. a. 2005). Nach dem Wirkprinzip bzw. der Kraftübertragung ergibt sich folgende Einteilung: − Mechanische Greifer: Die Teile werden durch Kraft-, Form- oder KraftFormschluss gehalten. Typisch sind 2-Backengreifer (Parallel-, Winkelgreifer) und 3-Backengreifer mit Zentrierwirkung. − Haftgreifer: Die Objekte werden elektrostatisch, magnetisch oder pneumatisch mit Saugluft gehalten. Das Vakuum kann mit Pumpen oder Venturidüsen erzeugt werden. − Verhakende Greifer: Bei diesen Greifern dringen mechanische Elemente in das Greifobjekt ein. Greiforgane sind Bürstenelemente, Nadeln, Kratzen und Spitzbolzen. − Grenzflächen-Haftgreifer: Die Greifer halten die Greifobjekte durch chemische Adhäsion und Klebstoffe. In der Montage werden am häufigsten mechanische Klemmgreifer und Saugergreifer eingesetzt. Um die erforderliche Greifkraft klein zu halten, ist das Greifobjekt möglichst in Fügerichtung formpaarig zu halten, besonders wenn leichte Einpressarbeiten zu bewältigen sind. In der Abb. 8-43 wird das an Beispielen gezeigt. Ein weiterer Gesichtspunkt ist der für Greifvorgänge erforderliche Freiraum, der vom Typ des Greifers beeinflusst wird. Geöffnete Greifbacken erzeugen immer Störkanten. Beim Einsatz eines Parallelgreifers kann der Objektabstand x2 im Magazin kleiner gehalten werden als bei einem Winkelgreifer mit dem Abstand x1. Das wird in der Abb. 8-44 gezeigt. Auch
8.6 Greifer und Fügehilfen
271
Saugergreifer, die ein Objekt zentral von oben anfassen können, sind günstig einsetzbar. Allerdings ist deren Positioniergenauigkeit bedingt durch die weichen Saugerlippen deutlich schlechter.
Backe
Zange
a) reine Kraftpaarung
Werkstück
b) Kraft-Formpaarung
Abb. 8-43 Kraftübertragung vom Greifer zum Fügeteil
Störkante
geöffnete Greifbacke
Greifobjekt Flugkreis der Greiferbacken Magazin Speicherplatzabstand x1
Speicherplatzabstand x2
a) Winkelgreifer
b) Parallelgreifer
Abb. 8-44 Verschiedene Greifertypen mit unterschiedlichen Störkanten
272
8 Automatische Montagemaschinen
Die Auslegung der Greifer bestimmt die Sicherheit und Genauigkeit der Positionierung der Teile am Fügeort wesentlich. Hier sind die Kinematik, die Krafteinwirkungen durch Trägheitskräfte und die Reibungskoeffizienten sorgfältig zu beachten. Einzelheiten hierzu finden sich in (Hesse 1991, Hesse u. a. 2005). Greifer, die in der Lage sind, eine Montageoperation greiferintern durchzuführen, werden gelegentlich als eigentliche Montagegreifer bezeichnet, sind aber eher selten. Meist geht es um das Zusammenstecken von Bauteilen zu einer Baugruppe. Dabei werden die Bauteile nacheinander mit einzeln steuerbaren Greiforganen aufgenommen und dann im Greifer gefügt. Die gefügte Baugruppe wird abgelegt. Die Fügekräfte sind klein und Pressoperationen sind nur mit speziellen Greifern ausführbar. In der Abb. 8-45 wird ein Beispiel für einen derartigen Montagegreifer gezeigt, der eine Schalterbaugruppe mit einem Greifer, der über integrierte Funktionen verfügt, zusammenbaut. Zuerst wird die Welle aufgenommen und mit einer Greifbacke geklemmt. Dann wird der Blechwinkel erfasst, wobei er bereits auf dem Wellenende steckt. Im Innern des Greifers befindet sich eine Stiftzuführ- und -eindrückeinheit, die den Stift einsetzt. Zum Schluss wird die fertige Baugruppe in einem Magazin abgelegt. Weil alles im Greifer abläuft, entfällt eine externe Montagevorrichtung. Sind viele ähnliche Teile schnell hintereinander einzusetzen, empfehlen sich Revolvergreifer. Sie lassen sich vorteilhaft in der Kleinteilemontage Stift
Greiferbacke
StiftZuführkanal
Blechwinkel
Greiferbacke
Stift
Schalterwelle
Blechwinkel
Abb. 8-45 Montagegreifer zum Fügen einer Schalterwelle
8.6 Greifer und Fügehilfen
273
an Transfersystemen einsetzen, z. B. bei der Bestückung von SMDKomponenten in der Leiterplattenbestückung. Kleine Pneumatiksauger werden ringförmig angeordnet, z. B. bis zu 18 Saugern. Der Greifer wird in der Peripherie mit Bauelementen aufgeladen und anschließend die Montage durchgeführt. Der Vorteil besteht darin, dass die ansonsten notwendigen Leerfahrten des Roboters nach jedem Fügevorgang entfallen. Nachteilig ist der große Revolverkopf, der zusammen mit den aufgenommenen Teilen sperrig ist und eine unangenehm große Störkontur besitzt. Eine Alternative zum Revolvergreifer sind Greiferwechselvorrichtungen. Besonders in Roboter-Montagezellen ist der automatische Greiferwechsel meistens unerlässlich. Das Wechselsystem koppelt einen Endeffektor (Greifer, Werkzeug, Mess- oder Prüfmittel) mittels eines Flansches an den Roboterarm. Die Kopplung sichert − − − −
die mechanische Verbindung gegen wirkende Kräfte und Momente, den Energiefluss zum Effektor (Strom, Druckluft), den Informationsfluss (Sensorsignale, Messdaten u. a.) sowie den Stofffluss (Luft und Beschichtungsstoffe, Kühlwasser und Gase für Schweißzeuge).
Automatische Wechselsysteme sind meistens recht anspruchsvolle Baugruppen, weil neben der exakten mechanischen Verbindung auch der Durchgang von Signalen, Energie und gelegentlich auch Stoff sichergestellt werden muss. In Montagezellen ist das Wechselsystem unentbehrlich, weil der Roboter im ständigen Wechsel Handhabungs- und Fügeaufgaben erledigen muss. Aus einer Analyse der Anforderungen lassen sich die Funktionen und die zur Realisierung erforderlichen Funktionsträger ableiten. Sie sind in der Abb. 8-46 aufgeführt. Wechselvorrichtungen
Halteelement • Kugel • Haken • Keil • Bajonett • Bolzen
Zentrierelement • HirthVerzahnung • Bolzen • Kegel • Zylinder
Trennelement • Feder • Arbeitszylinder • Metallbalg
Koppelelement
Adapter
• elektrisch • pneumatisch • hydraulisch • mechanisch • optisch
• rund • rechteckig • quadratisch
Abb. 8-46 Funktionsträger und Lösungselemente einer Endeffektor-Wechseleinrichtung
274
8 Automatische Montagemaschinen
Außer der mechanischen Kopplung sind auch Energie-, Signal- und Druckluftleitungen zu verbinden. Diese Koppelstellen sind satellitenartig um die zentrale Verriegelung angeordnet. Das Ver- und Entriegeln wird mit induktiven Näherungsschaltern kontrolliert. Für die Übertragung von Schweißstrom sind speziell entwickelte Steckverbinder verfügbar. 8.6.2 Fügehilfen Beim Fügen durch Zusammenstecken ist die Positioniergenauigkeit der Fügepartner wichtig, aber in der Regel nicht gesichert. Deshalb sind folgende Wege zu prüfen: − Konstruktive Änderungen am Produkt (Passungen, Einführschrägen, Zentrierhilfen) − Führungen und Anschläge, die Fügeachsenfehler zwangsweise kompensieren − Sensorische Aufrüstung der Montageeinrichtung; Die Fügeachsenfehler werden durch gesteuerten Ausgleich kompensiert. − Ungesteuerter Ausgleich durch nachgiebige Mechanismen zwischen Montagegreifer und Handhabungseinrichtung. In der Abb. 8-47 sind einige technische Montagehilfen aufgeführt. Dabei werden folgende technische Prinzipe ausgenutzt: − Suchverfahren (vorbestimmte Suchalgorithmen bzw. -bahnen), − selbst ausgleichende Verfahren (erfordert Querkraft erzeugende Fügefasen) und − messende Verfahren (Fehlerbestimmung und nachfolgende Positionskorrektur). Die Fügepartner können von selbst Positions- und Winkelfehler ausgleichen, wenn die Fügestellen Anlaufschrägen aufweisen. Dadurch entstehen beim Fügevorgang auf der Schräge Kräfte, die sich in eine senkrechte Kraft und eine Querkraft zerlegen. Letztere bewirkt eine Verschiebung, wenn es die Konstruktion z. B. durch eingebaute Federelemente zulässt. Das trifft auch auf ungesteuerte Fügemechanismen vom Typ RCC (remote center compliance) zu. Darunter versteht man ein Zwischenstück zwischen Greifer und Roboter, um Positions- und/oder Winkelfehler auszugleichen. Ein Eigenbau ist heute nicht mehr erforderlich. Die genaue Ausrichtung der Fügepartner in der Fügeachse ist auch durch eine Zwangsführung zu erreichen. Dabei wird zunächst ein vom Greifer gehaltenes Ringteil über der Fügestelle positioniert. Dann taucht der Führungsdorn des Presswerkzeuges in das Füge- und in das Basisteil
8.6 Greifer und Fügehilfen
275
ein. Letzteres muss bei diesem Vorgang eine gewisse Beweglichkeit haben, damit es dem erzwungenen Achsenausgleich folgen kann. Position suchend
Sensor geführt
zielgerichtet geführt nachgiebige Basisauflage
nachgiebiger Fügegreifer
x
1 Fügeteil 2 Montagebasisteil 3 Basisteilauflage
4 Greifbacke 5 Greifer 6 Druckfeder
7 Sensor 8 optisches System 9 Lichtquelle, x Achsversatz
Abb. 8-47 Ausnutzung nachgiebiger oder nachführender Elemente zur Fügeachsenkorrektur
Werden beim Fügen, insbesondere bei der Montage von Kleinstteilen, sehr hohe Genauigkeiten erforderlich, reichen programmierte Positionsangaben für eine Handhabungseinrichtung allein nicht aus. Die exakte Zielposition wird innerhalb der Wiederholgenauigkeit mehr oder weniger verfehlt. Für viele Prozesse können RCC-Glieder einen Versatz ausgleichen. Je mehr man jedoch in den Bereich der Kleinstteile vorstößt, desto dringlicher werden zweistufige Positionierverfahren. Dem schnellen Bewegen in die Grobposition folgt das Feinpositionieren mit Bilderkennung. Das erfordert zusätzliche fein gesteuerte Achsen. Manchmal helfen auch Kraftfelder als Fügehilfe, indem sie besonders bei Anfädelvorgängen bei der Aufgabe „Bolzen in Loch“ eine Selbstfindung unterstützen. Das kann durch Magnetfelder, Luftströmungen oder Saugluft erreicht werden. Beim Fügen durch Zusammenstecken können auch Schwingungen und Suchmuster das gegenseitige Finden der Fügepartner begünstigen. Stimmen die Achsen an einem Bahnpunkt zufällig überein, dann kann das Fügen eines Bauteils durch Einstecken in das Basisteil vollendet werden. Die
276
8 Automatische Montagemaschinen
Frequenzen liegen im Bereich von 20 bis 400 Hz, die Fügespiele bewegen sich zwischen 0,2 bis 0,001 mm.
8.7 Zuführeinrichtungen 8.7.1 Gliederung und Lösungswege Zuführsysteme verbinden den innerbetrieblichen Materialfluss mit dem Montagesystem und können eine eigenständige Komponente oder maschinenintegriert sein, ebenso werkstückspezifisch oder flexibel. Die wahrzunehmenden Aufgaben umfassen die Teilebereitstellung (Zubringen), das Zuteilen (meist Vereinzeln), Handhaben, Ein- und Ausgeben sowie das Weitergeben und Ablegen (Hesse 1993). Daraus ergeben sich die in Abb. 8-48 aufgeführten Funktionen, nach denen Handhabungseinrichtungen üblicherweise gegliedert werden. Handhabungseinrichtungen
Einrichtungen zum Speichern • Bunkern • Stapeln • Magazinieren • Palettieren • Gurten
Geräte zum Mengen verändern • Zuteilen (Vereinzeln), • Abzweigen • Zusammenführen • Teilen • Sortieren
Einrichtungen zum Bewegen • Drehen • Wenden • Schwenken • Ordnen • Positionieren • Weitergeben
Einrichtungen zum Halten • Greifen • Halten • Aufnehmen • Entspannen
Einrichtungen zum Prüfen • Prüfen • Überwachen • Messen • Zählen • Kontrollieren
Abb. 8-48 Gliederung der Funktionen von Handhabungseinrichtungen
Konzentriert man sich auf die Teilebereitstellung an einer Montagemaschine, dann sind folgende Lösungen unterscheidbar: − Integrierte Teileherstellung an der Maschine (erfordert eine Fließgutzuführung), − Bereitstellung geordnet im Magazin oder teilgeordnet im Stapel sowie − Bereitstellung als Schüttgut in Bunker, Box-Palette oder Kasten. Diese Bedingungen bestimmen die Grundkonzeption für ein Zuführsystem. Erschwerend wirken Forderungen nach Flexibilität hinsichtlich unterschiedlicher Montageteile, die ggf. einen Wandel von mechanisch-konventionellen Lösungen hin zu Systemen mit Sensorausstattung, Bildverarbeitung und Computereinsatz erforderlich machen. Ebenfalls erschwerend wirken sich sehr hohe Leistungsanforderungen aus, weil dann meist meh-
8.7 Zuführeinrichtungen
277
rere Zuführsysteme parallel oder seriell zu einer Einheit zusammengefasst werden müssen. Bunkerzuführeinrichtungen nehmen ungeordnetes Stückgut auf und besitzen Elemente, mit denen sie die Teile ordnen können. Die Werkstücke verlassen die Einrichtungen geordnet und meistens als Werkstückstrang. Für das Entnehmen von Teilen aus der ungeordneten Menge werden folgende Arbeitsprinzipe ausgenutzt: − Schöpfen mit Schwenksegmenten, Stößeln, Flügelschienen oder Rohren, − Gleiten entlang von Richtkanten und Anschlägen, um ein Orientieren zu erreichen, − Fallen in Profilöffnungen und Passieren von Formdurchlässen, − Einleiten von Schwingungen in Kombination mit Ausrichtelementen, − Ausnutzen von Fliehkraftwirkungen und − Entnehmen von Teilen mit Hilfe von Magnetkräften. Abbildung 8-49 zeigt den prinzipiellen Aufbau solcher Handhabungseinrichtungen (Hesse 2000). Die Teile berühren sich im Haufwerk und die
Abb. 8-49 Beispiele für Bunkerzuführungs- und Ordnungseinrichtungen
278
8 Automatische Montagemaschinen
Elemente zur Erzielung einer Wunschorientierung der Teile arbeiten ebenfalls berührend. Dabei können folgende Schäden auftreten: − Raustellen am Teil bzw. Glanzverlust durch Reibung, − Schlagstellen durch herab fallende Werkstücke und − Aufsammeln von Schmutz und Abrieb durch elektrostatische Wirkungen, insbesondere bei Teilen aus Kunststoff. 8.7.2 Stapelmagazine und Bunker Stapelmagazine speichern Werkstücke mit markanter Längsausdehnung teilgeordnet in meist trichterförmigen Behältern. Die Teile müssen durch Schwerkraft bis zum Magazinauslauf gelangen. Dort werden sie von einem sog. Zuteiler (meistens ein „Vereinzeler“) übernommen. Stapelmagazine neigen immer zur Brückenbildung im Werkstückvorrat, wobei sich ein Stützgewölbe ausbildet und den Nachlauf der Teile blockiert. In der Abb. 8-50 werden zwei Lösungen gezeigt. Beide Konstruktionen enthalten integriert auch die Entnahmetechnik.
Zuteilerkette Stapelmagazin
Stapelmagazin
Auslaufbahn
Neigungswinkel
Rückweisband Zuteilrotor Fächerkette
a) Magazinaustrag
b) Elevatorförderer
Abb. 8-50 Teilezuführung aus dem Stapelbunker
Werden Vibrationswendelförderer für die Teilezuführung eingesetzt, so ist zu beachten, dass der Vorratsbunker mit den innen liegenden Förderwendeln zur Sicherstellung seiner Funktion nur zu einem Drittel gefüllt sein soll. Das Nachfüllen kann mit einem vorgeschalteten Bunker (Abb. 8-51) geschehen, der das austragende Förderband mit Hilfe eines Niveaufühlers ein- und ausschaltet, wenn im Bunkeraufsatz der Füllstand unterschritten bzw. überschritten wird.
8.7 Zuführeinrichtungen
279
Abb. 8-51 Schwingfördereinheit mit vorgesetzten Bandbunkern (Intec)
8.7.3 Schwingfördersysteme Elektromechanische Schwingförderer sind periodisch erregte FederMasse-Systeme. Sie sind weit verbreitet und nehmen in der Zuführtechnik aus vier Gründen eine besondere Stellung ein: − Der Antrieb arbeitet ohne gleitende und reibende Bauteile und zählt deshalb zu den anspruchslosen und wartungsfreien Fördergeräten mit sehr geringen Verschleißerscheinungen. − Sie lassen sich in ihrer Förderleistung einfach steuern und regeln. − Sie sind im Energieverbrauch sparsam, weil sie im resonanznahen Bereich arbeiten. − Sie sind robust, einfach im Aufbau und zeichnen sich durch vergleichsweise niedrige Anschaffungskosten aus. Nach der Art der Bewegung der Werkstücke auf der Förderwendel unterscheidet man in Mikrowurfförderung und Gleitförderung (Hesse 2000, Habenicht 1985, Boothroyd u. a. 1978). Bei der Förderung mit Mikrowurf wird eine federnd eingespannte Förderrinne durch einen Elektromagneten
280
8 Automatische Montagemaschinen
periodisch in Schwingungen versetzt. Dadurch heben die Werkstücke während des Fördervorganges zeitweise von der Rinne ab, gehen in den freien Flug über und prallen anschließend wieder auf. Die Fortbewegung des Arbeitsgutes setzt sich gewissermaßen aus einer Summe kleiner ballistischer Hüpfer zusammen. Da die ”Sprünge” klein sind (ca. 0,1 bis 0,3 mm), hat der Betrachter den Eindruck eines scheinbar stetigen Förderstromes. Die Abb. 8-52 zeigt das Prinzip. Federbefestigung Flachfeder
Hublänge
Werkstück Förderrinne
Flugzeit
Kontaktzeit
Zeit
Elektromagnet a) Schwingsystem
Arbeitsgutbewegung
Rinnenbewegung
b) Bewegungsverhältnisse
Abb. 8-52 Prinzip des Mikrowurfs
Der stetige Aufprall (bei 50 Hz Antrieb 50 mal pro Sekunde) ist manchmal problematisch. Zum einen ist die Lage der Werkstücke in dieser Zeit nicht genau definiert, weiterhin treten bei Werkstücken aus sehr spröden Werkstoffen Beschädigungen auf. Es entsteht auch klirrender Lärm, der meist eine Schalldämpfung erfordert. Die erreichbaren Fördergeschwindigkeiten sind aber hoch. Bei der Gleitförderung heben die Werkstücke nicht von der Rinne ab, sondern gleiten auf ihr entlang (Habenicht 1985). Das schließt praktisch unkontrollierte Bewegungen der Teile aus, vermindert entscheidend den Lärmpegel, ist aber auch mit einem Geschwindigkeitsverlust verbunden. Wegen der geringen Leistung und vergleichsweise aufwendigen Konstruktion sind sie nicht stark verbreitet. Während des Förderns wirken bei der Gleitförderung Beschleunigungen 2 von weniger als 1 g (1 g = 9,81 m/s ). Beim Mikrowurf treten dagegen periodisch Beschleunigungen von 9 bis 16 g auf. Trotzdem ist beim Mikrowurf der Verschleiß der Rinnenfläche klein, weil die Teile ”springen”. Vibrationsförderer werden in verschiedenen Bauarten hergestellt. Die Abb. 8-53 zeigt einige Ausführungen. Allgemein bekannt sind die Wendel-
8.7 Zuführeinrichtungen
281
förderer mit Zylinder- oder Stufenaufsatz. Förderer mit Außenwendel dienen dem Vertikaltransport. Sie bestehen aus einem Tragrohr, um das sich die Förderbahn windet. Die Förderhöhe ist theoretisch (nicht aber mechanisch) unbegrenzt. Der Bahnquerschnitt kann rechteckig oder rund sein. Bei Rohrförderern sitzt das Schwingsystem auf dem Rohr. Man kann Schüttgut ebenso fördern wie Stückgut. Angetriebene und nicht angetriebene Rohrabschnitte lassen sich im Wechsel zu langen Pipelines verbinden.
Abb. 8-53 Typische Bauarten von Vibrationsförderern
Sollen mehrere Kleinteile parallel zugeführt werden, finden Turmvibratoren Verwendung, bei denen mit einem Schwingsystem mehrere ”Fördertöpfe” gleichzeitig angetrieben werden. Linearschwingrinnen und Wendelförderer mit vielen Auslaufbahnen sind Modifikationen des Grundprinzips. In der Montage werden Vibrationswendelförderer oft noch mit Vorbunkern zum Bevorraten weiteren Arbeitsgutes kombiniert (vgl. Abb. 8-51). Werden sie mit einer Linearschwingrinne zum Weitergeben des geordneten Fügeteils bis zur Wirkzone der Montagestation ergänzt, entstehen kompakte Geräte auf einer gemeinsamen Grundplatte. Ein besonderes Thema ist das Ordnen von Teilen während ihres Hochlaufens auf der Wendel eines Vibrationsförderes. In die Bahn werden verschiedene Ordnungshilfen eingebaut, die sog. Schikanen. Das sind mechanische Elemente (Höhenabweiser, Formabweiser, Ausklinkung der Bahn, Fallöffnung, Profilschienen, Schrägwendel mit Bord, Wendel mit Längsnut, Überlauf, Kippstufen) und auch Blasluftdüsen. Das Ordnen von Schrauben wird in der Abb. 8-54 als Beispiel gezeigt. Die rechts einlaufenden Teile werden solange mit Hilfe des Höhenabweisers und Überlaufelementes in den Fördertopf zurückgewiesen, bis sie in der Längsnut in der gewünschten Lage hängen. Eine theoretische Berechnung von Schikanen
282
8 Automatische Montagemaschinen
ist bisher nicht möglich und der Einbau und die Sicherung der Funktion erfordern viel Erfahrung. Ausführliche Beispiele zur Wendelgestaltung finden sich in (Hesse 1991). Vibratorwendel
Überlaufelement
Längsnut zum Aushängen
Aussondern parallele Teile
Höhenabweiser
Aussondern stehende Teile
Abb. 8-54 Ordnen von Zylinderschrauben in Vibrationswendelförderern
Das Zuführen und Ordnen aus dem Vibrationswendelförderer werden vielfach mit Bilderkennungssystemen kombiniert. Dann wird der Vibrator zum Fördern, höchstens aber zum Ausrichten eines Werkstücks in eine Vorzugslage benutzt. Beim Durchlauf wird das einzelne Werkstück dann an einer Zeilenkamera vorbeigeführt und ein Schwarz-Weiß-Konturbild gewonnen, das eine Auswertelogik auf die gesuchten Merkmale hin analysiert. Abbildung 8-55 zeigt die einzelnen Schritte schematisch.
1 Aufnahme des in Scheiben eingeteilten Grauwertbildes 2 Wandlung der Teilbilder in Schwarz -Weiß-Konturen 3 Untersuchung des vollständigen Bildes auf Merkmale v Geschwindigkeit, t Zeit
Abb. 8-55 Entstehung eines Schwarz-Weiß-Konturbildes mit Zeilenkamera
Wurde ein Werkstück bzw. seine Orientierung erkannt, führt die Steuerung das generierte Aktorsignal parallel zum Förderweg solange mit, bis das betreffende Teil die Abwurfposition erreicht hat. Dann wird z. B. eine
8.7 Zuführeinrichtungen
283
Blasdüse aktiviert und befördert das Teil in einen entsprechenden Sortierkanal. Teile, die oft nur feine Merkmale im Bereich von Zehntelmillimetern haben, lassen sich so erkennen. Das leisten mechanische Ordnungseinrichtungen im allgemeinen nicht mehr. Schwingungen werden auch mit Erfolg für das Entwirren von Drahtfedern eingesetzt, meistens mit Schwingplatten. Typischerweise wird in mehreren Stufen gearbeitet. Aus einem Vorratsbunker befördert ein Vibrationsantrieb die Federn in eine füllstandsgesteuerte Entwirrstation. Ein Zuführ- und Umlaufsystem versorgt die Vereinzelungsstrecke, überwacht von Sensoren. Ein Übergabearm greift die geordnete Feder und platziert sie auf einem Werkstückträger. Es sind auch andere Entwirrtechniken verfügbar, die z. B. mit Bürsten, getakteten Luftimpulsen, mechanischen Rippen, Trommeln mit Mantelschlitzen und Blasförderung arbeiten. 8.7.4 Ordnungseinrichtungen Als Haufwerk (Schüttgut) angeliefertes Arbeitsgut muss vor der Bereitstellung in einen Montagevorgang vereinzelt und geordnet werden. Als Ordnen wird eine Handhabungsfunktion definiert, bei der ein geometrisch bestimmter Körper aus einer unbestimmten Lage (Orientierung und Position) in eine gewünschte Orientierung und Position gebracht wird. Nach der VDI-Richtlinie 2860 ist die Orientierung eines Körpers vollständig durch Festlegung bezüglich aller drei rotatorischen Freiheitsgrade bestimmt, sonst bleibt die Orientierung teilweise unbestimmt. Der jeweilige Orientierungsgrad lässt sich durch die Kennzahl Orientierungsgrad (OG) ausdrücken. Diese gibt an, in wie viel Freiheitsgraden die Orientierung bestimmt ist, Abb. 8-56. Die Position eines Körpers ist demgegenüber vollständig nur durch Angaben bezüglich aller drei translatorischen Freiheitsgrade bestimmt. Sind die Positionsbedingungen nur für einen Teil der Freiheitsgrade vorgegeben, so bleibt die Position teilweise unbestimmt. Die Kennzahlen OG und PG lassen sich zum „Ordnungszustand OZ“ zusammenfassen. Er ist definiert als OZ = OG/PG. Damit ist es möglich, ausgehend von einem bekannten Ordnungszustand zu bestimmen, wie viel Ordnungsstufen – und damit verbunden wie viel Ordnungsfunktionen – notwendig sind, um von einem bekannten Zustand in einen gewünschten Ordnungszustand zu gelangen. Ein oft benutzter Begriff ist das Sortieren. Darunter versteht man das Zuordnen und Teilen einer Menge von unterschiedlichen Körpern nach bestimmten Merkmalsklassen (Sorten). Als Sortierparameter kann man z. B.
284
8 Automatische Montagemaschinen
Farbe, Abmessungen und andere produktionswichtige Eigenschaften verwenden. Als Ergebnis liegen im immer zwei oder mehr Sorten vor. Orientierungsgrad OG OG 3
2
Erklärung Orientierung des Körpers ist in allen Rotationsachsen bestimmt Orientierung des Körpers ist in zwei Rotationsachsen bestimmt
Positionierungsgrad PG PG
Erklärung
3
Ursprung des körpereigenen Koordinatensystems befindet sich an einem bestimmten Punkt
2
Ursprung des körpereigenen Koordinatensystems ist beliebig auf einer Kurve, z. B. Gerade oder Kreisbahn angeordnet
1
Orientierung des Körpers ist in einer Rotationsachse bestimmt
1
Körper ist beliebig auf einer Fläche, z. B. Ebene oder Zylinder angeordnet
0
Orientierung des Körpers ist in allen Rotationsachsen unbestimmt
0
Körper ist beliebig im Raum angeordnet
Abb. 8-56 Orientierungs- und Positionierungsgrad von Körpern
Je nach von Größe und Masse der zu ordnenden bzw. sortierenden Werkstücke lassen sich folgende allgemeine Aussagen treffen: − Das selbsttätige Ordnen von Teilen mit sehr großer Masse und sehr großen Abmessungen ist meist nicht sinnvoll. In solchen Fällen werden zweckmäßigerweise die Fügewerkzeuge in die entsprechende Position gebracht. − Das Ordnen von Werkstücken mit mittlerer bis großer Masse erfolgt im Allgemeinen mit gesteuerten kraftbetriebenen Vorrichtungen (z. B. Hebezeuge) durch Bewegen der Werkstücke um eine oder mehrere Achsen. − Das Ordnen von Kleinteilen (Massenteile), die in Bunkern bereitgehalten werden, erfolgt meist selbsttätig durch Ausnutzung der Verhaltenseigenschaften der Werkstücke. − Geordnet wird häufig in mehreren Stufen vom Haufwerk über Mehrschicht, Einzelschicht zum Einzelstück in Vorzugslage. Bevor also nach einer konstruktiven Lösung für eine Ordnungseinrichtung gesucht wird, muss geprüft werden, ob man das Ordnen umgehen oder wenigstens vereinfachen kann. Folgende Wege können beschritten werden:
8.7 Zuführeinrichtungen
285
− Die Fügeteile werden bereits magaziniert (gegurtet) angeliefert. Damit würde man dem Grundsatz folgen, dass eine einmal erreichte Ordnung möglichst nicht mehr zerstört werden soll. − Besonders an Montageautomaten wird für schwierig zu ordnende Teile, wie z. B. Federn und Sicherungsringe, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Teile unmittelbar an der Montagestelle im Takt der Maschine herzustellen, um ihre Handhabung zu vereinfachen (s. Kap. 11). − Um das Ordnen zu vereinfachen, kann die Schwierigkeitsstufe verringert werden, indem man erst nach dem Ordnen bestimmte weitere Gestaltmerkmale in das Teil einbringt. − Schließlich können auch zusätzliche oder andere Merkmale am Werkstück das Ordnen begünstigen, wie es im Kap. 2 an Beispielen gezeigt wird. Die Verfahren zum Ordnen von Teilen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: − Ordnen durch Gleichrichten: Teile in falscher Orientierung werden mechanisch mit Greifern oder mit Hilfe von Strömungen in die gewünschte Orientierung gebracht. Alle Teile sind richtig orientiert. Dies erfordert eine Prüfung der Lage in der Bereitstellposition. − Ordnen durch Auslesen: Teile, die zufällig richtig orientiert sind, werden aus dem Haufwerk entnommen. Teile in falscher Lage wandern zurück ins Haufwerk. Beispiele sind Vibrationswendelförderer, Walzenordnungseinrichtungen, Luftblaseinrichtungen oder die Ordnung mit magnetischen Effekten (Blume 1977). Das vollständige Orientieren von Kleinteilen kann auch in einer Luftströmung erfolgen. Das wird in der Abb. 8-57 im Schema gezeigt. Bei dem sog. aerodynamischen Zuführen werden verschiedene physikalische Effekte ausgenutzt, insbesondere Grenzschichtströmungen, das aerodynamische Anström-Paradoxon, der Coanda-Effekt, Strömungsablösungen und der turbulente Freistrahl (Rybarczyk 2004). Im Beispiel ist das Werkstück stark strukturiert. Ein Orientieren um die zwei Achsen wäre allein mit mechanischen Ordnungshilfen schwierig und wohl auch ziemlich störanfällig. Die Teile werden aus einem Hochleistungsförderer zugeführt. In einer ersten Orientierungsstufe wird die Schwerpunktlage ausgenutzt. Teile in Falschlage werden mit Hilfe einer Luftdüse um eine Achse senkrecht zur Förderrichtung um 180° geschwenkt. In der folgenden Stufe erfolgt das Ausrichten um die Längsachse. Die Teile schweben dabei über ein lamina-
286
8 Automatische Montagemaschinen
res Strömungsfeld, wobei die Luft über wabenartige Kanäle zugeführt wird. Beim dargestellten Teil wurden Zuführleistungen bis 500 Teile je Minute im Labor erreicht, in der Praxis wird es mit ca. 250 Teilen je Minute eingesetzt. Fördereinrichtung
Gleitbahn
Punktdüse Durchlaufrichtung Masseschwerpunkt Werkstück
Düsenfeld
Länge L = 42 mm L/ D =7
Führungsschiene
Abb. 8-57 Aerodynamisches Ordnen (nach IFA Uni Hannover)
Inzwischen existieren auch Ordnungseinrichtungen, bei denen Bild gebende Verfahren verstärkt eingesetzt werden (Schmidt 1995). Dafür sprechen folgende Gründe: − − − − − − − − − −
Ausgereifte, in sich autarke Industrielösungen sind verfügbar, einfach und schnell programmierbar durch Anlernen mit Musterteilen, hohe Mengenleistung auch beim „Ordnen durch Auslesen“ erreichbar, kombinierbar mit unterschiedlichen Bunkerzuführungssystemen, tauglich für die Typengruppierung (Sortierung), Auswertungsmöglichkeit von verschiedenen Qualitätsmerkmalen, geringer Anteil werkstückformgebundener Hardware erhöht Flexibilität, hoher Restwert bei Wiederverwendung der Montageautomatisierung, Zählvorgänge für Gutteile bzw. Richtiglagen sind ableitbar und einfache Einbindung in übergeordnete Informationssysteme.
In der Abb. 8-58 wird ein Ordnungssystem gezeigt, bei dem mehrere aktive Elemente und Kameras nacheinander gezielt eingesetzt werden.
8.7 Zuführeinrichtungen Kamera zur Erfassung der Greifposition
Impulsstößel, in x-y-Richtung gesteuert
Kamera zur Positionssteuerung des Impulsstößels
287
Aufgabebunker
Sensoren zur Betrachtung der Haufwerkauflösung Industrieroboter
Werkstückhaufwerk Werkstück
Sichtfeld
x-y-Schlitten
Beleuchtung Rücklauf falsch orientierter und überzähliger Teile
Stoßrüttler
parametrierbarer Förderer mit Rütteleffekt
kontinuierlich laufendes Förderband
Abb. 8-58 Werkstückzuführungs- und Orientierungssystem (Adept)
Rüttelbewegungen lösen das auf dem rechten Förderband liegende Haufwerk im ersten Schritt auf, so dass auf dem zweiten kontinuierlich laufenden Förderband vereinzelte Werkstücke ankommen, wenn auch noch in beliebigen Orientierungen. Dann werden die falsch liegenden Teile mit einem kamerageführten Impulskopf beaufschlagt. Einem ausgewählten Werkstück wird ein gezielter Stoß gegen das Förderband vermittelt, so dass ein Drehimpuls entsteht und sich das Teil umdreht. Anschließend lokalisiert eine weitere Kamera die Greifposition und gibt die Koordinaten für den Abgriff an die Robotersteuerung. Verbleibende falsch liegende und überzählige Teile werden in den Bunker zurückgeführt. Das System ist in weiten Grenzen von der Werkstückform unabhängig. 8.7.5 Magazine Magazine erfüllen die Funktion speichern. Die Randbedingungen für diese Funktion werden in Abb. 8-59 aufgeführt. Speicher gleichen unterschiedliche Ankunfts- und Abrufmengen und -zeitpunkte aus und bewahren Basisund/oder Fügeteile in einer bestimmten Menge auf. Magazine sichern darüber hinaus die Ordnung. Im Speicher berühren sich die Teile gegenseitig (Bunker) oder sie nehmen einzelne Speicherplätze ein (Magazine). Das Entnehmen der Teile besorgt eine Handhabungseinrichtung oder ein bereits angebauter sog. Zuteiler, der oft zugleich als Eingeber gestaltet ist.
288
8 Automatische Montagemaschinen Werkstückfluss
t1
Füllen
Speichern
t2
Zuteilen
Technische Lösung Randbedingungen
Randbedingungen
• Ankunftszeit
• Zeitlicher Abruf
• Füllstand
• Durchlaufzeit
• Sichern der Ordnung
• Zuteilen beim Ausgeben
• Speichermenge
• Mindestfüllstand
t1 Füllzeitpunkt,
t2 Abgabezeitpunkt
Abb. 8-59 Speichern als Werkstückflussfunktion
Schachtmagazine sind sehr einfach und die Werkstücke rücken durch Schwerkraft nach. Sie sollten mit Sehschlitzen durchbrochen sein, damit Störungen leicht behoben werden können. Abbildung 8-60 zeigt einige Schachtformen, deren Profil der Werkstückkontur angepasst ist. Sind die schachtbildenden Elemente des Magazins einstellbar gestaltet, sind begrenzte Größen- und Formänderungen der Teile möglich. Zick-Zack-Magazin Magazinkörper
Werkstück
Entstör- und Sichtschlitz
Abb. 8-60 Schachtmagazine mit umschließender Formanpassung
Viele Schachtmagazine werden manuell nachgefüllt. Daraus ergibt sich eine Begrenzung der Bauhöhe, weil sonst die Einfüllöffnungen nicht mehr erreichbar sind. Man hilft sich dann mit z. B. einer karussellartigen Anordnung von Schachtmagazinen. Damit erreicht man eine größere bediener-
8.7 Zuführeinrichtungen
289
freie Zeit. Das Weiterschalten erfolgt automatisch, wenn ein Sensor einen leeren Magazinschacht in der Entnahmeposition festgestellt hat. Sehr bewährt haben sich Palettier-Systeme für die Werkstückbereitstellung, weil ein ganzer Stapel von Systempaletten abgearbeitet werden kann. Dazu sind ein erstes Manipulationssystem zum Bewegen und Umsetzen der Palette und ein zweites System zum Greifen und Bewegen der Werkstücke erforderlich. Beide Teilsysteme sind in einer autarken Einheit zusammengefasst (Abb. 8-61). Die gerade zur Abarbeitung bereitgestellte Palette wird bei diesem Beispiel zeilenweise getaktet. Der Antransport der vollen Palette sowie das Abführen der Leerpalettenstapel lassen sich ebenfalls automatisieren und in den Materialfluss des Werkes einbinden. Derartige Palettierstationen werden inzwischen modularisiert angeboten, so dass eine Anpassung an die gewünschten Transportwege für die Voll- und Leerpalettenstapel ohne Neukonstruktion möglich ist.
Abb. 8-61 Werkstückbereitstellung mit Palettier- bzw. Depalettiersystem
Die Werkstück-Trägermagazine bestehen überwiegend aus mehr oder weniger genau ausgeführten Kunststoffteilen, aber auch genau gefertigte Flachpaletten aus Stahl- oder Edelstahlblech sind im Einsatz und können auch Informationen mitführen. Ein reibungsloser Materialfluss in der automatisierten Fertigung wird zunehmend durch die eindeutige Identifizierung der Werkstück-Trägermagazine sichergestellt. Lösungen reichen von Barcodes über Transponder bis zu aufwendigen Systemen, wie z. B. das BIS (Balluff-Identifikations-System).
290
8 Automatische Montagemaschinen
Solche Werkstück-Trägermagazine sind besonders für Präzisionsteile in der Elektronik, der Medizin- und Fahrzeugtechnik geeignet, wobei die Positionsfehler innerhalb der Werkstücknester ± 0,02 mm betragen. Künftig wird man sogar jeden Speicherplatz exakt vermessen und die Positionen in einem Datenchip hinterlegen. Damit ist dann auch die Verwendung in der Mikromontage gegeben. Das Zuteilen und eventuelle Eingeben magazinierter Teile in die Montagemaschine erfordert geeignete Aktoren, die schnell und zuverlässig wirken. Häufig werden dazu Pneumatikzylinder eingesetzt, aber auch elektrische Direktantriebe finden sich in der Praxis. 8.7.6 Zuteiler Zuteiler sind Komponenten der Zuführtechnik, die von einem Strang geordneter Teile eine definierte Teilmenge abgrenzen. Meistens handelt es sich um ein einzelnes Teil. Dann spricht man vom Vereinzeln. Die Bezeichnung der Zuteiler geschieht oft nach dem aktiven Element, wie z. B. Schieber-, Rotor- oder Schleusen-Zuteiler. Grundsätzlich sind die in der Abb. 8-62 aufgeführten Wirkprinzipe einsetzbar (Hesse Mittag 1989). Element
Prinzip
Bewegung
Rückhalter
Schieber
Greifer
Abb. 8.62 Zuteilungsprinzipe
Rückhalter besitzen im Allgemeinen zwei Sperrelemente, die alternierend arbeiten und so eine Schleuse bilden. Beim Freigeben eines (oder mehrerer) Werkstücke wird gleichzeitig der Rest der Werkstückschlange
8.7 Zuführeinrichtungen
291
gesperrt. In der Abb. 8-63a wird dazu ein Parallelbackengreifer mit entsprechend gestalteten Sperrelementen eingesetzt. Beim Zuteilen von Schrauben (Abb. 8-63b) wirken Kugeln als Sperrorgan, deren Beweglichkeit von der Stellung eines Rundschiebers bestimmt wird.
Abb. 8-63 Zuteiler in der Ausführung „Sperre mit Rückhalter“
Die gezeigten Sperrorgane arbeiten schlagartig, was nicht immer erwünscht ist. Man kann dann Zuteiler einsetzen, deren aktive Elemente durch ständiges Bewegen einen ruckfreien Durchlauf gewährleisten und trotzdem einen Zuteileffekt erreichen. Manchmal ergibt sich auch die Möglichkeit, das Zuteilen an die Bewegung eines Basisteils zu koppeln. Der Vorgang ermöglicht gleichzeitig auch das Fügen durch Zusammenstecken. Obwohl der mechanische Aufwand sehr gering ist, sollte man in der Anwendung vorsichtig sein. Überall wo Werkstücke Eigenbewegungen durchführen, statt einer Zwangsführung zu unterliegen, besteht eine erhöhte Störanfälligkeit. Außerdem wird für das selbsttätige Nachgleiten der Teile Zeit gebraucht, die bei hohen Stückleistungen nicht verfügbar ist. 8.7.7 Förderbänder Förderbänder für den Baugruppen- und Teiletransport existieren in vielen ähnlichen Ausführungen und werden sowohl zur Teilebereitstellung als auch zur Verkettung von Arbeitsstationen eingesetzt. Typisch ist für den Bereich der Montage ein modularer Aufbau, so dass größenmäßig angepasste Förderer in kürzester Zeit lieferbar sind. In der Abb. 8-64 werden die wichtigsten Komponenten für einen Bandförderer dargestellt. Die Antriebseinheit ist meistens längs des Tragprofils an eine beliebige Stelle verschiebbar.
292
8 Automatische Montagemaschinen
Abb. 8-64 Modulare Förderbandkomponenten
Eine Problemstelle ist das Übergeben des Stückguts von einem Bandförderer zum nächsten. Je nach Größe des Fördergutes kann die Lücke an den Umlenkrollen unüberwindbar sein. Abhilfe schaffen z. B. kleine Pendelrollen oder die kontinuierliche Querübergabe. Das zuführende Band kann auch kurvengängig sein, so dass man den Streckenverbund den räumlichen und technologischen Gegebenheiten gut anpassen kann. Der Übergang zum anderen Förderer kann auch allmählich erfolgen, wenn man die Länge der Übergabestrecke ausreichend groß wählt.
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter Arme und Hände eines Werkers werden in der automatisierten Montage durch Einlegeeinrichtungen ersetzt, die einen kaum veränderbaren Bewegungsinhalt aufweisen und eng auf die jeweilige Montageaufgabe abgestimmt sind. Zum anderen werden bei ständig sinkenden Preisen zunehmend auch Industrieroboter verwendet, die im Bewegungsablauf frei programmierbar sind und die bei einer Verwendung in Montagezellen auch die Greiforgane automatisch wechseln können. 8.8.1 Bewegungseinheiten Beim Montieren sind Bauelementen, Verbindungs- und Basisteilen sowie Montagewerkzeugen und -vorrichtungen sowie fertige Baugruppen und
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter
293
Produkte zu bewegen. Dafür werden verschiedene Bewegungseinheiten benötigt und auch in großer Vielfalt angeboten. Als Bewegung ist die zeitabhängige Lageveränderung (Position, Orientierung) eines Punktes oder eines Körpers in einem Bezugssystem definiert. Jede Handhabungs- und Fügebewegung lässt sich aus kinematischer Sicht grundsätzlich in Linear- und Drehbewegungen zerlegen. Demnach kann auch jede Bewegungsaufgabe mit Linear- und/oder Dreheinheiten gelöst werden. Sie dienen in der Montage als Funktionsträger für das vorbereitende Bewegen zum Positionieren bzw. Orientieren und häufig auch für das Fügen selbst. Bewegungseinheiten sind weitgehend modular aufgebaut und lassen sich zu mehrachsigen Handhabungsgeräten zusammensetzen. Dementsprechend lassen sich folgende Unterscheidungen treffen: Lineareinheiten − − − −
pneumatisch, hydraulisch und pneumo-hydraulisch angetrieben, kolbenstangenloser Pneumatikzylinder, mechanisch-elektrische Antriebe in der Art von Wälzringgetrieben, elektrisch angetriebene Einheiten (Schritt-, Getriebe-, Servomotor) mit Übertragung der Bewegung über Spindel oder Zahnriemen, − elektrischer Linearmotor (hohe Geschwindigkeit und Genauigkeit). Dreh- und Schwenkeinheiten − pneumatisch angetrieben über Drehflügel oder Kolben mit verzahnter Kolbenstange (Zahnstange-Ritzel-Getriebe), − pneumatische Rundschalttische, − Rundschalttische mit Torque-Motor-Antrieb. Positioniertische − elektrisch angetriebene zweiachsige X-Y-Tische. Der Zusammenbau zu mehrachsigen Geräten ist auf vielfältige Weise möglich, je nach Anforderungsbild. In der Abb. 8-65 werden einige Aufbaumöglichkeiten schematisch dargestellt (Hesse 2000). Die Geräte sind aus modularen Komponenten zusammensetzbar. Nach der Häufigkeit der Anwendung lassen sich etwa folgende Anteile abschätzen: Variante 2 etwa 50 %, Variante 2/1 etwa 10 bis 15 %, Variante 4 etwa 3 %, Variante 6 etwa 15 bis 20 %, Variante 6/2 etwa 5 %, Variante 11/1 etwa 5 % und die Variante 11/2 etwa 2 %. Je nach Baukastensystem gestaltet sich der Zusammenbau ohne oder mit Hilfe von Adaptern mehr oder weniger komfortabel hinsichtlich Zeit, Anpassarbeiten, Baugrößenstufung und Greiferart.
294
8 Automatische Montagemaschinen
Abb. 8-65 Kombinationsvarianten für Linear- (L) und Dreheinheiten (D)
Man wird natürlich zuerst versuchen, ein handelsübliches Kompaktgerät einzusetzen, welches das gesuchte Bewegungsverhalten aufweist. Muss eine Handhabungseinheit aus Modulen kombiniert werden, dann kann man auch nach der Methode eines Morphologischen Schemas vorgehen, um die Bestandteile festzulegen. Neben der Funktion spielen weiterhin die Leistungsdaten eine wichtige Rolle. Für die Auswahl einer Positionierachse sind Masse, Verfahrgeschwindigkeit, Wiederholgenauigkeit und Nutzhublänge ausschlaggebend. Jede Bewegung muss ruckfrei beendet werden, auch bei wechselnden Lastverhältnissen. Als Grundsatz gilt deshalb: „Schnell bewegen – gedämpft anhalten“. Die Wirkung soll möglichst ähnlich einer Handbewegung sein, die einen Ball fängt und sich dabei der Geschwindigkeit und Masse des bewegten Objektes anpasst. Es kommt am Ende zum ruhigen und gleichmäßigen Anhalten. Die zur Dämpfung einsetzbaren technischen Mittel arbeiten mit unterschiedlicher Charakteristik. Typische Verläufe sind in der Abb. 8-66 als Überblick zusammengefasst. Industriestoßdämpfer realisieren das Anhalten wohl am besten. Ohne Stoß und Rückprall wird die gesamte Energie bei konstanter Verzögerung abgebaut. Die Belastung maschineller Komponenten ist deshalb klein, auch weil die Masse zu Beginn des Dämpferhubes „weich“ aufgenommen
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter
295
Kraft
wird. Bei kurvengesteuerten Schlitteneinheiten wird ein stoß- und ruckfreier Bewegungsverlauf durch eine entsprechende Gestaltung der Steuerkurve erreicht, denn die Kurve ist sowohl Getriebe zur Bewegungserzeugung als auch Speicher für die Wegdaten.
pneumatische Endlagendämpfung („Luftpuffer“)
Schrauben- oder Gummifeder
progressiv wirkender Stoßdämpfer industrieller Stoßdämpfer
hydraulischer Bremszylinder
Bremsweg
Abb. 8-66 Idealisierter Bremskraftverlauf bei verschiedenen Bremselementen
In der Abb. 8-67 werden zwei Lineareinheiten stellvertretend für ein sehr großes Sortiment solcher Komponenten gezeigt. Bei der pneumatischen Einheit (rechts) kann man auch Zwischenpositionen einrichten, die dann wie die Endpositionen gedämpft angefahren werden. Bei der elektrischen Einheit (links) können wahlweise verschiedene Elektromotoren angesetzt werden, die über einen Spindeltrieb oder integrierten Zahnriementrieb den kugelgeführten Schlitten bewegen.
Elektrische Einheit
Pneumatische Einheit
Abb. 8-67 Beispiele für handelsübliche Bewegungseinheiten (Festo)
296
8 Automatische Montagemaschinen
Für elektromechanische Positionierachsen ist typisch, dass sie mindestens eine zweistufige Wirkungskette erfordern, um eine gewünschte Linearbewegung mit Hilfe einer Spindel oder eines umlaufenden Zahnriemens zu erzeugen. Pneumatikantriebe sind dagegen einstufig und werden deshalb auch als Direktantriebe bezeichnet. Zu einer elektromechanischen Achse gehören: − eine Bewegungsachse mit Getriebemotor, Motorflansch und Kupplung, − ein integriertes oder externes Wegmesssystem, − die Leistungselektronik bzw. Servoverstärker je nach Motortyp (einoder mehrachsig) sowie − vorkonfektionierte Kabelsätze. Weit verbreitet sind Spindel- und Zahnriemenantriebe, von denen der Aufbau in der Abb. 8-68a bzw. b gezeigt wird. Als Antrieb kann z. B. ein Schrittmotor verwendet werden und bei Leistungen von weniger als 1 kW die ideale Lösung sein. Er bildet dann das Verbindungsglied zwischen digitaler Information und inkrementaler Bewegung. Bei einer Auflösung einer Rotorumdrehung von z. B. 500 bzw. 1.000 Schritten je Umdrehung ist eine genaue Positionierung im Bereich von 0,1 mm und weniger möglich.
Abb. 8-68 Aufbau elektromechanischer Positionierachsen
Alternativ können auch Servomotoren angebaut werden, die in einen Regelkreis eingebunden sind. Dazu müssen allerdings die gewünschten Zielgrößen (Drehzahl, Position bzw. Winkel) laufend gemessen und zurückgeführt werden. Damit wird eine sehr genaue Einhaltung der Sollwerte und hohe Dynamik erreicht. Positionierachsen mit Spindeltrieb setzt man vorzugsweise ein, wenn höchste Genauigkeit und hohe axiale Schubkräfte gefordert werden. Für
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter
297
das besonders schnelle Anfahren von Positionen über große Verfahrwege sind die Zahnriemenachsen günstiger. Schließlich lässt sich ein kolbenstangenloser Pneumatikzylinder durch den Anbau eines Wegmesssystems zu einer sehr schnellen, servopneumatischen Positionierachse mit Beschleunigungen bis 10 g gestalten. Eine solche Achse ist bei vergleichbarer Dynamik preiswerter als eine elektrische Positionierachse. Eine derartige Achse zeigt Abb. 8-69. Die Endlagendämpfung erfolgt durch eine elektronische Regelung.
Abb. 8-69 Servo-pneumatische Lineareinheit (Festo)
Schwenkbewegungen werden häufig durch eine Umsetzung linearer Kolbenbewegungen erzeugt, deren Prinzip Abb. 8-70 zeigt. Zwischenanschläge sind (auch nachträglich) in Form von Kolben anbaubar. Sie wirken wie ein verschiebbarer Anschlag. Solche Schwenkeinheiten werden oft auch als Doppelkolbensystem gestaltet. Die Positionen sind in jedem Fall feineinstellbar, z. B. ± 5° in den Endlagen. Bei den Zahnstange-RitzelSystemen ist wichtig, dass in den einzelnen Positionen Spielfreiheit gewährleistet ist, weil sich sonst schon ein geringes Zahnspiel zu deutlichen Fehlern im Bogenmaß eines Schwenkarmes auswachsen kann. Die Schwenkeinheit kann auch ein pneumatischer Drehflügelantrieb sein. Diese sind als Module in vielen Baugrößen, gestuft nach Nenndrehmomenten verfügbar. Im einfachsten Fall genügt ein Auslegerarm, um daraus eine Handhabungseinheit zu entwickeln. Eine klassische Bauform wird in der Abb. 8-71 dargestellt. Interessant ist bei diesem Beispiel, dass die Drehachse hohl ist, so dass man Saugluft bzw. Druckluft (wenn das Vakuum mit einer Venturidüse erzeugt wird) hindurchleiten kann.
298
8 Automatische Montagemaschinen
Abb. 8.70 Prinzip einer pneumatischen Schwenkeinheit mit ansetzbarem Zwischenanschlagsystem für drei Winkelpositionen (Montech) pneumatischer Schwenkmodul
Venturidüse Scheibensauger Druckluftleitung
Abb. 8-71 Pneumatischer Schwenkarmmodul für Saugergreifer (Festo)
8.8.2 Einlegeeinrichtungen Einlegeeinrichtungen sind Bewegungsautomaten zur Handhabung von Fügeteilen in nichtflexiblen Arbeitssystemen der Großserienfertigung. Die Bewegungen verlaufen zwischen zwei meist einstellbaren Endpositionen. Synonyme Bezeichnungen sind: Pick-and-Place Gerät, Festtaktroboter,
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter
299
Transferautomat und im englischen Sprachraum Fixed Sequence Manipulator. Der Antrieb kann elektromechanisch, pneumatisch oder mit Linearmotoren erfolgen. Ein Gerät, das mit Scheibenkurven angetrieben und gesteuert wird, ist in der Abb. 8-72 zu sehen. Hub und Verfahrweg sind in getrennten Kurven abgebildet, eingeschlossen die bewegungsoptimalen Start- und Abbremsrampen für die Endpositionen. Am Wellenstumpf lassen sich weitere Geräte ankoppeln, die dann synchrone Bewegungsabläufe absolvieren.
Getriebemotor
Hebelarm
Greifer
Gestell
Scheibenkurve
Abb. 8-72 Pick-and-Place-Gerät mit Scheibenkurven (Miksch)
Mehrere Getriebehersteller bieten Einlegeeinrichtungen an, bei denen die intermittierenden Dreh- bzw. Pendelbewegungen durch Globoidkurven-, Schritt- oder Pendelgetriebe und die geradlinigen Hubbewegungen über eine Scheibennutkurve erreicht werden. Ein derart angetriebenes Handlinggerät absolviert bis zu 60 Zyklen je Minute und ist stoß- und ruckfrei bei geringer Geräuschbildung. Weil die Hub-Schritt-Getriebe in vielfältigen Gestaltungsvarianten (Bewegungsverlauf, Geschwindigkeit, Schritte am Abtrieb u. a.) marktgängig sind, ist auch der Eigenbau eines Einlegegerätes kein Problem mehr. Handhabungsgeräte lassen sich auch aus pneumatischen Baukastenmodulen zusammensetzen und ermöglichen große Verfahrwege.
300
8 Automatische Montagemaschinen
8.8.3 Montageroboter Seit Beginn der 1980er Jahre wird der Roboter zunehmend auch in der Montage eingesetzt, besonders in der Elektro- und Feinwerktechnik sowie im Automobilbau. Im Gegensatz zu einem Einlegegerät ist er in mindestens 3 Achsen frei programmierbar. In der Elektroindustrie findet der Montageroboter Einsatz beim Zusammenbau von kleineren Baugruppen, Tastaturen und Motoren sowie zur Bestückung von Leiterplatten. Bei letzterem ergänzen Roboter die traditionellen Bestückungsautomaten, die wegen mangelnder Flexibilität nur in der Großserie sinnvoll sind. In der Automobilindustrie sind deutlich größere Massen in großen Arbeitsräumen zu bewegen. Hier sind vorzugsweise Vertikal-Gelenkarmroboter mit 5 oder 6 Achsen im Einsatz. Typische Aufgaben sind Getriebemontage, Rad-, Keilriemen- und Scheibenmontage, Einbau von Schwungrädern und die Zylinderkopfmontage. Ständig erweitert sich der Anwendungsbereich. In der aufstrebenden Montage von Mikrokomponenten ist eine Automatisierung zwingend, weil die Genauigkeitsanforderungen durch eine manuelle Montage kaum einzuhalten sind. Roboter für die Mikromontage können z. B. auf der Struktur geschlossener kinematischer Ketten basieren. Parallele Strukturen lassen sich einfacher miniaturisieren, verfügen über eine hohe Struktursteifigkeit und erreichen eine hohe Genauigkeit. Die Antriebe lassen sich gut kapseln, um den Reinraumanforderungen zu genügen. Für den Einsatz wird außerdem eine geeignete Peripherie und eine angepasste Greiftechnik benötigt. Ein kompletter Roboter lässt sich in folgende Teilsysteme auflösen − − − − − − − −
Führungsgetriebe (Arm, Manipulator), Gestell, Energieversorgung, Steuerung und Programmiersystem, Endeffektor, Sensoren, Schutzsysteme, Datenschnittstellen.
Abbildung 8-73 die das Zusammenwirken von Antrieb, Getriebe, Greifer und Handhabungsobjekt (die durch das Gestell verbunden sind) mit der Regeleinrichtung und dem Meßsystem. Führungsgetriebe und Gestell bilden zusammen die mechanische Struktur des Roboters. Eingeschlossen sind die erforderlichen pneumatischen,
8.8 Handhabungsgeräte und Montageroboter
301
elektrischen oder hydraulischen Antriebe samt Übertragungsgetrieben und Messeinrichtungen. Die Grund- bzw. Hauptachsen bestimmen den Hauptarbeitsraum und die Greiferhandachsen den Nebenarbeitsraum, der hauptsächlich zur Orientierung des Effektors an der Wirkstelle dient. Das Gestell dient der Ableitung von Gewichtskräften in den Untergrund am Aufstellort und als Basis für das Führungsgetriebe. Bei Anbaurobotern kann sich das Gestell auf eine Basisplatte (Konsole) reduzieren. Energie
Antriebsmotor
Bewegungswandler (Führungsgetriebe)
Regeleinrichtung
Stellglied
Führungsgröße
Regelgröße Information Energie
Messsystem Sensor
Stellglied Greifer
Stoff
Stoff
Objekt Umgebung
Abb. 8-73 Teilsysteme eines Roboters
Die Energieversorgung besteht entweder aus einer Baugruppe, die elektrischen Strom entsprechender Beschaffenheit bereitstellt oder durch den Betrieb von Druckerzeugern den Betriebsdruck hervorbringt. Die Regeleinrichtung gibt die programmierten Bewegungen vor und kontrolliert die Ausführung. Es gibt verschiedene Arten der Steuerung, die man in Punkt-zu-Punkt-Steuerung (PTP) und Bahnsteuerung (CP) unterscheiden kann. Bei PTP (point-to-point) bewegen sich die einzelnen Achsen ohne funktionelle Abstimmung zueinander, weil es nur um die Erreichung des nächsten programmierten Punktes geht. Bei CP (continuous path) ist eine funktionelle Abhängigkeit der Achsen vorhanden, damit eine vorgegebene Bahn (sog. Trajektorie) abgefahren werden kann. Die Steuerung ist über Datenschnittstellen mit der Umgebung verbunden.
302
8 Automatische Montagemaschinen
Im Prinzip sind alle Bauformen von Robotern in der Montage einsetzbar (Hesse 1998, Bartenschlager u. a. 1998). Einen besonderen Platz hat sich der Roboter vom Typ SCARA (selective compliance assembly robot arm) erobert (Abb. 8-74a). Das Prinzip wurde Anfang der 1970er Jahre in Japan entwickelt, hat sich aber erst in den 1980er Jahren allmählich durchsetzen können. Der Vorteil dieser Bauart besteht darin, dass in Fügerichtung eine große Steifigkeit besteht und Fügekräfte deshalb gut übertragen werden können. In der waagerechten Ebene zeigt der SCARA dagegen eine große „Feinfühligkeit“ (Nachgiebigkeit) womit der Endeffektor schnell in eine genaue Position gebracht werden kann.
a) vierachsiger SCARA
b) typische Arbeitsraumausprägung (Beispiel)
Abb. 8-74 Waagerecht-Gelenkarmroboter (SCARA)
Es werden Positioniergenauigkeiten von z. B. ± 0,01 mm und Verfahrgeschwindigkeiten bis 11 m/s erreicht. Die Kinematik führt zu dem Arbeitsraum in Abb. 8-74b. Die Achse A4 ist eine Drehachse, mit der Einschraubvorgänge erledigt werden können. Das unterstreicht die Bedeutung dieser Kinematik für Montageoperationen, sofern sie senkrecht von oben erfolgen. Beim SCARA-Roboter verlaufen die Hauptbewegungen in einer horizontalen Ebene. Dadurch sind die statischen Biegebelastungen der Armglieder durch die Eigenmasse und die Nutzlast in allen Armstellungen konstant, was zu einer hohen Genauigkeit beiträgt. Die Positioniergenauigkeit ist am Innenrand des Arbeitsraumes besser als außen, weil das Bogenstück des Fehlers umso kleiner ist, je enger der Radius ist. Die Positioniergenauigkeit, besser als Positionsabweichung bezeichnet, ist die größte Abweichung der Roboter-Istposition von seiner programmierten Zielposition. Weitere Bauformen, die sich für die Montageautomatisierung gut eignen, sind Roboter mit Senkrecht-Gelenkarm (Abb. 8-75a), kartesische Ro-
8.9 Sensoren in der Montage
303
boter (Abb. 8-75b), und solche mit paralleler kinematischer Struktur (Abb. 8-75c). Parallelroboter erreichen hohe Beschleunigungen und damit auch hohe Leistungen beim Fügen durch Zusammenlegen (bis 150 Handhabungen je Minute), was besonders in der Verpackungstechnik benötigt wird. Das Prinzip paralleler Antriebe lässt sich auch in verkleinerter Form für Mikropositioniereinheiten nutzen. Für die Feinverstellung werden dann z. B. Piezo-Stapeltranslatoren als Stellantrieb eingesetzt. Diese Einheit wird dann zwischen Roboterflansch und Greifer angebracht.
a) Drehgelenkroboter
b) Portalroboter
c) Parallelroboter
Abb. 8-75 Roboterbauformen für die Montageautomatisierung
8.9 Sensoren in der Montage Eine qualitätsgerechte und effektive Montage erfordert an vielen Stellen ein Mindestmaß an Wahrnehmungsfähigkeit durch den Automaten. Das gewährleisten technische Fühler und Messwertaufnehmer, die als Sensoren bezeichnet werden. Sie nehmen nicht-elektrische Messgrößen auf und geben sie als elektrisches Signal weiter. Typische Sensoraufgaben nennt Abb. 8-76. Als Sensoren werden überwiegend eingesetzt: − Näherungssensoren zur Anwesenheitskontrolle, − visuelle Sensoren von der einfachen Lichtschranke bis zur CCD-Kamera für die automatische Mustererkennung und − taktile Sensoren, die auf Montagekräfte und -momente reagieren. Bei einigen Montageaufgaben ist die Kraft-Momenten-Überwachung wichtig. Dafür lässt wird ein Sensor eingesetzt, der Kräfte F und Drehmomente M feststellt und zwischen Flansch und Greifer einer Handhabungseinrichtung angeordnet wird. Dazu ist ein Verformungskörper geometrisch
304
8 Automatische Montagemaschinen
Sensormerkmal
Anwesenheit
Identität
Menge
• Vollständdigkeitskontrolle • Füllstände von Magazinen
• Erkennen von Falschteilen oder Falschlagen
• Abzählen von Einzelstücken • Dosieren • Bandvorschub • Drehzahl
Kraftmoment
Schweißparameter
• Presskräfte erfassen • Eindrehen von Schrauben
• Nahtverlauf • Temperatur • Drahtvorschub • Schmelzbadanalyse
Oberflächenmerkmale • • • • •
Graterkennung Fehlstellen Risse Inspektion Glanzgrad
Abb. 8-76 Typische Sensoraufgaben in der Montage
so gestaltet, dass Speichen (Federn) entstehen, die sich unter Kräften und Momenten verformen. Die Speichen sind mit Dehnungsmessstreifen belegt und machen jede Dehnung feinfühlig mit. Damit liegen dann elektrische Messwerte vor, die proportional zur Kraft bzw. zum Moment ausschwingen. Ein wachsender Anwendungsbereich ist die optische Vermessung und Oberflächeninspektion von Bauteilen. So werden z. B. die Oberflächen von elastomeren Dichtringen opto-elektronisch geprüft. Das kann in einer Prüfanordnung geschehen, wie man sie in der Abb. 8-77 sieht. Es ist eine 3D-Prüfstation, die sowohl Flächen als auch Kanten begutachtet. Die Sichtprüfung erfolgt in 12 Drehschritten zu je 30°. Somit sind je Dichtring
Auswertesystem
CCD-Kamera
Drehplatte
Förderband
Transferarm
Werkstück-Trägerplatte
Abb. 8-77 Optische Prüfung von Dichtringen (Omron)
8.9 Sensoren in der Montage
305
12 Bilder von mehreren Kameras auszuwerten. Nach dem Wenden des Teils wird auf der zurücklaufenden Förderstrecke die Unterseite inspiziert. Fehlerhafte Teile werden ausgesondert und nur die Gutteile erreichen die Montagestation oder eine Verpackungsmaschine. In der Abb. 8.78 wird eine Prüfanordnung gezeigt, bei der es darum geht, vor der Montage nochmals die seitenrichtige Lage zu kontrollieren. Liegt die Fase oben, läuft für einen kurzen Moment ein Reflexstrahl zurück und bestätigt damit die Richtiglage. Fehlt die Fase oder ist sie unten, wird der Reflexstrahl in nicht erfassbare Richtungen gestreut. Falschlagenteile werden nach der Kontrolle ausgeworfen.
Laserstrahl Reflexlichtsensor
Werkstück Auswerfer
abgelenkter Laserstrahl
Reflexstrahl
Falschteilrinne
Abb. 8-78 Erkennung einer Fase mit dem Lasersensor
Zunehmende Verwendung finden auch Laser-Scanner, z. B. zur Prüfung von Leiterplatten. Dabei wird nacheinander ein Laserstrahl auf die Montagepositionen gerichtet, an denen ein montiertes Bauteil sitzen soll. Der diffus reflektierte Lichtstrahl wird dann ausgewertet und mit gespeicherten Referenz-Lichtwerten verglichen (Hesse u. Schnell 2004). Es gibt noch viele andere Anwendungen für Sensoren. Die Übergabe von Objekten auf einen Fachbandförderer erfordert z. B. eine Synchronisation. Je nach Sensorinformationen wird entweder das bereitstellende oder das übernehmende System in der Transportgeschwindigkeit beeinflusst. So kann z.B. ein Packstück ohne Crash von einem Band auf ein anderes übernommen werden.
306
8 Automatische Montagemaschinen
8.10 Steuerung Für die Steuerung von Montagesystemen, die durch eine größere Anzahl von Ein- und Ausgängen am Steuergerät geprägt sind, ist der Einsatz von speicherprogammierbaren Steuerungen (SPS) eine gängige Lösung. Die zu regelnde Maschine liefert Informationen, die nach bestimmten Kriterien ausgewertet werden. Mit einer Ausgabefunktion kann die SPS nach Bedarf Befehle an das Montagesystem senden. Um einen hohen Automatisierungsgrad zu erreichen, werden meistens zusätzliche Kommunikationsund Datenbankfunktionen mit integriert. Ein Mikroprozessor übernimmt die Koordination der einzelnen Funktionen. Dabei ist der interne Aufbau einer SPS mit dem eines Computers vergleichbar. Die Steuerung einer Montagezelle erfordert oft mehrere SPS. In der Abb. 8-79 wird ein Beispiel gezeigt. Die Zellen-SPS koordiniert als Master alle unterlagerten Steuerungen. Einzelsysteme ohne eigene SPS werden von der Zellen-SPS mitgesteuert. Der Zellenrechner kommuniziert nach „oben“ über das Netzwerk mit dem Betriebsleitrechner. Serielle Verbindungen vom Zellenrechner zu anderen Systemen als der Zellen-SPS dienen nicht der Steuerung, sondern nur dem Informationsfluss, wie z. B. Laden und Sichern von Roboterprogrammen sowie das Erfassen von Identnum-
Zellenrechner Betriebsleitrechner Datenkonzentrator Kommunikation Kommunikation Zellenebene
Zellen-SPS
Prozessebene
Steuerung Steuerung
Roboter Control
Sy
SPS LS
ME
PW FB
FB Förderhand GS Greifersensorik KF Kleinteileförderer
RS KF
LS ME PE PW
PE
ST
Laserscanner Montageeinrichtung Prüfeinrichtung Palettenwechselsystem
GS
RS ST Sy WI
Rückstausensor Schutztür Synchronisation über digitale E/A Werkstückträgerindexierung
Abb. 8-79 Beispiel für die Steuerungshierarchie einer Montagezelle
Literatur
307
mern von Barcodelesern und Messwerten von Prüfgeräten. Notwendige Reaktionen werden der Zellen-SPS mitgeteilt, die dann Steuersignale ausgibt. Die Zellen-SPS meldet nach jedem Zyklus ein „Zyklusende“, worauf der Zellenrechner mit einem „Lebenszeichen“ antwortet (VDMA 1992). Beim Programmieren einer SPS in umfassenden Automatisierungsanlagen hat sich inzwischen die Standardisierung nach der Norm IEC 61131-3 nahezu weltweit etabliert. Die Norm stellt fünf unterschiedliche Programmiersprachen zur Verfügung. Diese umfassen textuelle Anweisungen wie Anweisungslisten (AWL), strukturierten Text (ST), grafische Anweisungen wie Kontaktplan (KOP), Funktionsplan (FUP) sowie Ablaufsprache (AS). Zudem gibt es noch den erweiterten freigrafischen Funktionsplan (CFC). Mit dieser Beschreibung ist die Darstellung der Montagemaschinen und zugehörigen Peripherieeinheiten abgeschlossen.
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308
8 Automatische Montagemaschinen
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9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
9.1 Einleitung Unter einer flexiblen Montageanlage versteht man eine Montageeinrichtung, mit der in beliebiger Reihenfolge unterschiedliche Produkte oder Produktvarianten montiert werden können. Dies wird durch die Integration programmierbarer Handhabungsgeräte, Füge- und Prüfeinrichtungen erreicht. Damit stehen flexible Montageanlagen in Konkurrenz zur manuellen Montage. Als programmierbare Handhabungsgeräte sind Montageroboter verfügbar. Flexible Montageanlagen müssen folgende Eigenschaften aufweisen: − Komplettmontage einer Produktfamilie: Die Varianten dieser Produktfamilien müssen sich auftragsgebunden in beliebiger Reihenfolge durch Umprogrammierung montieren lassen. − Produktumrüstbarkeit: Flexible Montageanlagen müssen sich schnell von einem Produkt auf ein anderes Produkt umrüsten lassen, im Idealfall zwischen zwei Takten. − Wiederverwendung: Die in einer flexiblen Montageanlage verwendeten Standardbausteine müssen zur Nutzung neuer Montageaufgaben zu einem großen Teil wieder verwendbar sein. Die Wiederverwendbarkeit standardisierter Bauteile ermöglicht im Rahmen der Platzkostenkalkulation die Untergliederung zum einen in Standardkomponenten, deren volle technische Nutzungsdauer gegeben ist, und zum anderen in produktspezifische Komponenten, deren Nutzungsdauer mit der voraussichtlichen Produktionszeit des Produktes endet (Warnecke 1984). Gegenüber der manuellen Montage müssen beim Einsatz eines Montageroboters die Einzelteile geordnet angeboten werden und das Produkt muss der automatischen Montage entsprechend konstruiert sein. Komplizierte manuelle Handhabungs- und Fügevorgänge sind nur eingeschränkt automatisch durch Roboter nachvollziehbar.
310
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
9.2 Aufbau flexibler, programmierbarer RoboterMontageanlagen Die Erfahrung zeigt, dass beim Aufbau von flexiblen Montageanlagen die Kosten der Grundausrüstung, wie Montageroboter, Steuerung, Arbeitstisch und Schutzeinrichtungen, nur einen Teil der notwendigen Investition betragen, um die Anlage produktionsreif zu machen. Die Kosten für die so genannten Peripherieeinrichtungen – bestehend aus den Zuführelementen, um die Einzelteile lagerecht anzubieten, den Montagevorrichtungen zur Fixierung der Teile, den Transportsystemen, Greifsystemen usw. abhängig von der Produktkomplexität und dem Automatisierungsgrad – können die Grundkosten um ein Vielfaches überschreiten So wird in vielen Anwendungsfällen eine Halbautomatisierung (Hybridsystem) eine wirtschaftlichere Lösung gegenüber einer Vollautomatisierung darstellen. Halbautomatisierung heißt, manuelle Tätigkeiten in eine in sich geschlossene Montageanlage einzubeziehen (Lotter 1992). Für die Arbeitsraumgestaltung flexibler Montageanlagen gelten im Prinzip die Richtlinien zur Gestaltung manueller Arbeitsplätze. Das heißt: − Die Greifwege für Hinlangen und Bringen müssen so kurz wie nur möglich gestaltet werden, um den Sekundäranteil möglichst gering zu halten (s. Kap. 3). − Nach der Primär-Sekundär-Definition für Roboter stellt die Greiferwechselzeit einen sekundären Aufwand dar (s. Abschnitt 3.6.1). Zur Reduzierung dieses Aufwandes ist entweder der Einsatz von Mehrfachgreifern zur Handhabung unterschiedlicher Teile bzw. Werkzeuge oder die Umstellung von stückweisem zu verrichtungsweisen Montageablauf notwendig (s. Abschn. 5.3.2). Unter der Taktzeit eines Roboters ist die Ausführungszeit eines kompletten Vorganges bestehend aus den fünf Grundbewegungen zu verstehen. Aufbau, Antrieb und Kinematik des Roboters bestimmen jedoch nur teilweise die Taktzeit. Die von den Roboter-Herstellern genannte kürzeste Taktzeit, beispielsweise für einen SCARA-Typ, liegt bei 0,4 bis 0,5 Sekunden und bezieht sich auf folgenden exemplarischen Bewegungsablauf : Z-Weg 25 mm nach oben, Fahrweg x und y je 300 mm, Z-Weg 25 mm nach unten und zurück zur Ausgangsposition. Zur Ermittlung einer realen Taktzeit reichen diese Angaben nicht aus, da die Greifzeit, das Gewicht von Greifer und Werkstück, oder Greifer
9.2 Aufbau flexibler, programmierbarer Roboter-Montageanlagen
311
plus Werkzeug, die Ausschwingzeit sowie die Fügezeit und das Loslassen nicht berücksichtigt sind. Die Arbeitsraumgestaltung und der festgelegte Montageablauf bestimmen in hohem Maße die erreichbare Taktzeit und damit die Stückleistung der flexiblen Montageeinrichtung. Notwendig hierzu ist: − Anordnung der Teilebereitstellung für kurze Handhabungswege, − Reduzierung des Greifergewichtes zur Verkürzung der Ausschwingzeit, − Vermeiden von Greiferwechsel durch Einsatz von Mehrfachgreifern, oder − Umstellung von stückweisem auf verrichtungsweisen Montageablauf, um die Greiferwechselzeit auf eine Mehrzahl von wiederholten Vorgängen zu verteilen. Handhabungswege Die Handhabungswege Hinlangen und Bringen werden durch die Position der aufzunehmenden Einzelteile relativ zur Fügeposition bestimmt. Abbildung 9-1a zeigt, dass bei einer Bereitstellung der mit einem Vibrationsförderer geordneten und über eine Auslaufschiene bereitgestellten Einzelteile eine feststehende Greifposition vorliegt und so einheitlich kurze Wege erreicht werden. Werden die zu handhabenden Teile demgegenüber in Paletten bereitgestellt, zeigt Abb. 9-1b, dass sich die Hinlang- und Bringwege mit zunehmender Abarbeitung der Palette infolge der wechselnden Greifposition vergrößern (Lotter1985). feststehende Teilepalette Vibrationswendelförderer
minimaler Robotergreifweg
Fügeposition Greifposition
Linearförderer
Robotergreifweg
Fügeposition
a) Bereitstellung mit Zuführeinrichtung (feststehende Greifposition)
maximaler Robotergreifweg
b) Bereitstellung mit Palette (wechselnde Greifposition)
Abb. 9-1 Einfluss der Teilebereitstellung auf die Zykluszeit eines Roboters
312
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
Die Reduzierung der Roboterwege kann dadurch erreicht werden, dass entsprechend Abb. 9-2a die Paletten (in diesem Beispiel Drehteller) in die feststehende Greifposition des Roboter gedreht oder die Paletten nach Abb. 9-2b in X- und Y-Richtung in die ebenfalls feste Greifposition verschoben werden (Barthelmeß 1987). Fügeposition
Greifposition
y
Greifposition
x
Fügeposition
Arbeitsraum Roboter
a) Magazine auf Drehteller
b) Magazin auf x- y- Tisch
Abb. 9-2 Bewegung eines Magazins relativ zum Roboter
Greiferaufbau und Greiferwechsel Greiferwechsel sollte möglichst vermieden werden, da sie einen reinen Sekundäraufwand darstellen und somit den Wirkungsgrad einer flexiblen Montageanlage verschlechtern. Müssen Teile unterschiedlicher Größen gegriffen werden, kann dies abhängig von der Fügesituation mit Mehrfachgreifern durchgeführt werden. Abbildung 9-3 zeigt hierfür ein Beispiel. Es handelt sich um einen Parallelgreifer, der grundsätzlich einen parallelen Greifweg von 0 bis 10 mm durchfahren kann. Auf diesem Grundgreifer sind Greiffinger angeordnet, die drei unterschiedliche Dimensionsbereiche greifen können. Die im Zentrum angeordneten Greiffinger arbeiten im Bereich von 0,5 bis 10,5 mm, so dass mit diesen Fingern z. B. ein Teil mit 0,8, ein Teil mit 5 und ein Teil mit 10 mm Greifbreite gegriffen werden kann. Eine zweite, seitlich angeordnete Greifzange arbeitet im Bereich von 45 bis 55 mm und greift das Beispielwerkstück mit einer Greifbreite von 55 mm. Gegenüber ist das dritte Greiferpaar für den Bereich 10 bis 20 mm angeordnet und wird zum Greifen des rechts im Bild skizzierten Werkzeuges mit einer Greifbreite von 15 mm eingesetzt (Lotter 1985). Der in Abb. 9-3 gezeigte Mehrfachgreifer ist nur dann einsetzbar, wenn der Produktaufbau eine solche Lösung ermöglicht. Andere Mehrfachgrei-
9.2 Aufbau flexibler, programmierbarer Roboter-Montageanlagen
313
fer, wie beispielsweise Revolversysteme, beschränken ihre Einsatzmöglichkeit durch ihr Gewicht und durch ihre Größe. Damit wird es zur Vermeidung von Kollisionen zwischen Werkstück und Greifer teilweise notwendig, bei den Hinlang- und Bringwegen Umwege zu fahren. Dies vergrößert die Wegstrecken und Wegzeiten und damit die Taktzeit.
Mehrfachgreifer
Schrauber
15
W1 W2 W4
W3
50
0,8
5 10
W1…W4
Werkstücke 1…4
Detail Greiferbacken
Abb. 9-3 Mehrfachgreifer zum Handhaben von vier unterschiedlichen Werkstücken und einem Werkzeug
Umstellung von stückweisem auf verrichtungsweisen Montageablauf Ein wichtiger Grund zur Umstellung von stückweisem auf verrichtungsweisen Montageablauf ist die enorme Reduzierung der Greiferwechselzeiten. Ausführlich geht das Ergebnis einer derartigen Umstellung aus Abschn. 5.4.5 hervor.
314
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
9.3 Ausführungsformen 9.3.1 Hybride flexible Roboter-Montageanlagen Zur Vermeidung einer Gefahrenquelle für die Mitarbeiter/innen der manuellen Tätigkeit muss ein genügend großen Abstand zwischen dem manuellen und dem Roboterarbeitsplatz vorhanden sein. Abbildung 9-4 zeigt hierfür eine Lösungsmöglichkeit. Zum Einsatz kommt ein Montageroboter des SCARA-Typs. Zur Entkopplung zwischen Mensch und Roboter dient ein Werkstückträgerumlaufsystem in Karreebauweise. Die zu montierende Baugruppe besteht hier aus acht unterschiedlichen Einzelteilen. Die Teile 1 bis 4 werden manuell von der Mitarbeiterin gefügt. Die Teile a bis d, die mehrfach in der Baugruppe enthalten sind, greift dieselbe Mitarbeiterin manuell und legt jedes Teil in einen Linearförderer ein. Die Teile wandern geordnet zu den Greifpositionen des Roboters, werden dort vom Roboter gegriffen und automatisch gefügt. Der Produktaufbau ermöglicht den Einsatz eines Mehrfachgreifers (ähnlich Abb. 9-3), so dass keine Greiferwechselzeiten entstehen.
Montageroboter SCARA-Typ
Werkstückträger in Fügeposition Stopper Greifposition
Linearförderer
Werkstückträger Umlaufsystem Fügepositon
Werkstückträger
12
a b c
d
34
Teilebereitstellungsbehälter
1 - 4 Werkstücke manuell montiert
a - d Werkstücke manuell geordnet zugeführt, maschinell montiert
Abb. 9-4 Gestaltung einer hybriden, flexiblen Montageanlage
9.3 Ausführungsformen
315
Die Anordnung gewährleistet die sichere räumliche Trennung des Roboters vom Menschen, da der Roboter auch in seiner äußersten Auslenkung nicht in den Greifbereich der Mitarbeiterin hineinreichen kann. Das Werkstückträgerumlaufsystem und die Zuführschienen dienen als Zwischenpuffer zwischen den automatisierten und den manuellen Tätigkeiten und somit zur zeitlichen Entkopplung. Der Arbeitsinhalt sollte für die manuelle und für die automatische Tätigkeit etwa gleich groß sein, um beide Arbeitsplätze gleichermaßen auszulasten. 9.3.2 Rüsten hybrider Roboter-Montageanlagen Hybride, flexible Montageanlagen für Produkte oder Teilbaugruppen müssen sich zur Anpassung an die wechselnden Gegebenheiten des Marktes umrüsten lassen. Die kann bei relativ langen Laufzeiten manuell erfolgen. Bei hoher Rüstfrequenz wird eine automatische Umrüstung notwendig. Sind beispielsweise drei verschiedene Produkte in unterschiedlichen Varianten zu montieren, kann eine programmierbare Umrüstung nach Abb. 9-5 dadurch erfolgen, dass das Transfersystem durch zusätzliche QuerbahWerkstückträgerspeicher für die Produkte A B C
Werkstückträger 1
3 Roboter
Fügeposition
2 G1 G2
Greifer Teilespeicher C
A
B
Schiebetisch Peripheriepalette für Produkt C
Vibrationswendelförderer Bereitstellungsposition für Produkt A
Abb. 9-5 Automatisch umrüstbare flexible Montageanlage für drei Produkte
316
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
nen die unterschiedlichen Werkstückträger der Produkte A, B und C speichert. Die Bereitstellung der Teile und der notwendigen Greifer für die unterschiedlichen Produkte erfolgt mit Hilfe so genannter Peripheriepaletten auf einem programmierbaren Schiebetisch. Wird das Produkt „A“ montiert, werden die leeren Werkstückträger aus dem Werkstückträgerspeicher für das Produkt „A“ in den Umlauf gegeben, und der Schiebtisch verfährt so, dass sich die Palette mit der Peripheriepalette für Produkt „A“ im Roboterarbeitsraum befindet. Mit dem Einfahren der Palette wird das zugehörige Roboterprogramm aufgerufen und das entsprechende Produkt kann montiert werden. Diese Anlagenkonzeption hat den Vorteil, dass sich Rüstzeit gegenüber einer manuellen Rüstung von Stunden auf wenige Minuten reduziert. Benötigt eine Produktvariante keine manuellen Montagevorgänge, kann diese Ausführung auch als vollautomatische Montageanlage betrieben werden (Lotter 1992). 9.3.3 Hybride Fließmontage mit verrichtungsweisem Ablauf und Robotereinsatz Der Aufbau einer hybriden Montagelinie unter Einsatz von Montagerobotern, für ein Beispielprodukt mit einer Außenabmessung von 50 x 50 x 30 mm bestehend aus elf unterschiedlichen Einzelteilen (davon eine Schraube zweifach notwendig) geht aus Abb. 9-6 hervor. In dieser Montageanlage werden runde Werkstückträger (W) mit jeweils 24 Teileaufnahmen eingesetzt, die in Abb. 5-29 vorgestellt wurden. Über ein Gurtbandsystem in Karreebauweise werden die Werkstückträger den vier Arbeitsstationen zugeführt, die aus zwei manuellen Arbeitsplätzen M1 und M2, einer Robotermontagestation IR1 und einer Roboterschraubstation IR2 bestehen. Alle Stationen sind mit Indexiereinheiten In und Stoppern S zur genauen Positionierung der Werkstückträger ausgerüstet. Die Indexiereinheit fährt von unten mit einem geringen Hubweg in den Werkstückträger ein, der dadurch vom Gurtband abgehoben wird und mit der Indexeinheit getaktet werden kann. Der Arbeitsinhalt des Produktes ist zur Vermeidung von Sekundäraufwand nahezu gleichmäßig auf die vier Montagestationen verteilt. An der Roboterstation IR 1 werden zum Beispiel vier Einzelteile 1 bis 4 über Vibrationswendelförderer VWF zugeführt und mit einem Montageroboter gefügt. Jeder Fügevorgang findet 24mal hintereinander statt. Nach dem Fügen von 4 · 24 Teilen entsprechend 96 Fügevorgängen wird der Werkstückträger auf das Gurtbandsystem abgesenkt
9.3 Ausführungsformen
317
und zur Folgestation M1 weiter gegeben, wobei sich ein Pufferbestand bilden kann. IR1 VWF
3
2 1
4
S S PS S M2
10 9
In
W TG
TG In TG
In
5 6
TG
7
M1
S In S
(2-fach) VWF
8
IR2
1…11 M1,2 IR1,2 In S TG PS W VWF
Teile Montagearbeitsplatz Industrieroboter Indexiereinheit Stopper Teilegreifbehälter Pufferstrecke Werkstückträger Vibrationswendelförderer
Abb. 9-6 Hybride Montagelinie mit Robotern für verrichtungsweisen Ablauf
Bei einem Aufwand von 2,5 s je automatischem Vorgang errechnet sich an der Roboterstation IR 1 ein Arbeitsinhalt pro Werkstückträger von 4 · 24 · 2,5 s = 240 s = 4 min. Die Pufferstrecken PS werden so ausgelegt, dass mindestens drei Werkstückträger zwischen den einzelnen Stationen auflaufen können. Bei einem Arbeitsinhalt von 4 min je Werkstückträger ergibt sich eine Pufferkapazität von 12 min. Diese reicht aus, um die manuellen Arbeitsplätze in der Linie vom Takt zu entkoppeln und Kurzzeitstörungen bei den automatischen Stationen abzufangen (Lotter 1992). 9.3.4 Roboter-Montageautomat mit verrichtungsweisem Ablauf Roboter-Montageautomaten mit verrichtungsweisem Ablauf eignen sich zur Montage kleiner Produkte. Abhängig von der Produktkomplexität ist eine Montagekapazität von ca. 200.000 bis 800.000 Stück pro Jahr möglich. Dieser Stückzahlbereich ist für den Einsatz klassischer Montageautomaten zu gering. An Hand eines Praxisbeispiels werden die Aufgabenstellung und deren Lösung beschrieben.
318
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
Produkt-Beispiel Das in Abb. 9-7 gezeigte Produktbeispiel einer Hochdruckdüse mit einer Außenabmessung von 20 mm Durchmesser und 40 mm Länge ist mit ca. 500.000 Stück pro Jahr zu montieren. Das Produkt besteht aus sechs unterschiedlichen Einzelteilen. Die Variantenbildung bezieht sich auf den Düsenfilter. Außer der Teilehandhabung sind zwei Schraubprozesse, eine Fettdosierung und ein Einpressvorgang, sowie zwei Prüfstationen notwendig. Deckel 6 Düsenfilter 5
Bodenschraube 4
40
Kegel 3
Stein 2 Gehäuse 1 20 Ø
Abb. 9-7 Montagebeispiel Hochdruckdüse
Aus dem nachstehenden Arbeitsablauf geht hervor, dass 18 Einzelvorgänge zur Montage des Produktes notwendig sind. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Gehäuse aus Palettenmagazin greifen und in Werkstückaufnahme platzieren, Greiferwechsel, Stein, zugeführt über Vibrationswendelförderer, aufnehmen und in Gehäuse fügen, Greiferwechsel, Kegel, zugeführt über Vibrationswendelförderer, über Stein fügen, Greiferwechsel, Fettdosierventil aufnehmen, Kegel fetten und Dosierventil ablegen,
9.3 Ausführungsformen
8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
319
Greiferwechsel, Bodenschraube, zugeführt über Vibrationswendelförderer, aufnehmen und in Gehäuse vorfügen, Bodenschraube automatisch eindrehen, Prüfen, Düsenfilter, zugeführt über Vibrationswendelförderer, auf Gehäuse mit einer Halbdrehung anfügen, Düsenfilter automatisch eindrehen, Deckel, zugeführt mit Vibrationswendelförderer, auf Gehäuse anfügen, Deckel mit Presse fertig fügen, Prüfen, Greiferwechsel, Ausladen, in Palettenmagazin platzieren.
Lösung – Robotermontageanlage Abbildung 9-8 zeigt das Lösungskonzept der Montageaufgabe in Form einer automatischen Montagezelle. Dabei sind die nicht wieder verwendbaren Komponenten durch Unterstreichen gekennzeichnet.
Produktabhängige Komponenten : sind unterstrichen z.B. VFW 1 6
Presse 2 14
Wiederverwendbare Komponenten : sind nicht unterstrichen z.B. 3 Werkstückaufnahme
13 VFW 6
Prüfstation 2 P
12 Schrauber 2 11 VFW 5 15 Steuerschrank
Palettenmagazin 4 Wechselgreifer 5
VFW 1 6 VFW 2
3
Werkstückaufnahme
2
Montageroboter
1
Ringschalteinheit
7
Fett-Station 8 VFW 4 9
P Prüfstation 1 10 Schrauber 1
VFW
Vibrationswendelförderer
Abb. 9-8 Automatische Montagezelle mit verrichtungsweisem Montageablauf (Werkbild WEISS)
320
9 Flexible Montage mit Robotereinsatz
Auf einem stabilen Maschinentisch ist eine Ringschalttischeinheit (1) mit einer 24er Teilung und 24 Werkstückaufnahmen (3) angeordnet. Der Montageroboter (2) ist im Innenraum des Ringschalttisches platziert. Zur automatischen Montage der Hochdruckdüse werden das Basisteil „Gehäuse“ in einem Palettenmagazin (4) zugeführt und die übrigen Teile mit Vibrationswendelförderern (6, 7, 9, 11 und 13). Die Fettstation (8) besteht aus dem Fettbehälter mit Pumpe und Dosierventil. Die Schraubvorgänge erfolgen durch automatische Schrauber (10 und 12). Die Presse (14) drückt den Deckel in das Gehäuse. Die Prüfstationen (P) sichern die Qualität des Montageablaufes und der Produkte. Nach dem Konzept der verrichtungsweisen Montage wird jeder Vorgang 24mal hintereinander durchgeführt. Sind die 24 Gehäuse in den Werkstückaufnahmen platziert, bleibt das nunmehr leere Palettenmagazin in seiner Position stehen. Nach Beendigung aller Vorgänge wird das fertige Produkt in das leer wartende Palettenmagazin abgelegt, erst dann erfolgt ein automatischer Palettenwechsel. Die Prozesse Schrauben, Pressen und Prüfen werden unmittelbar nach der vorausgegangenen Fügeoperation innerhalb der Taktzeit durchgeführt. Bei einer Greiferwechselzeit von ca. 6 Sekunden und fünfmaligem Wechsel fallen 30 Sekunden für 24 Produkte an, das bedeutet, dass die anteilige Greiferwechselzeit nur 1,25 Sekunden pro Produkt beträgt. Die gesamte Montagezeit wird vom Zeitaufwand des Roboters bestimmt. Er führt acht der 18 notwendigen Arbeitsgänge aus. Die Montagezeit pro Stück liegt bei 19,4 Sekunden. Bei einer angenommenen technischen Verfügbarkeit von 90 % errechnet sich eine Stundenleistung von 167 Stück bzw. bei 7 Stunden pro Tag 1.169 Stück pro Tag. In einem Zweischichtbetrieb ergibt sich bei 235 Tagen eine Jahresleistung von 537.000 Stück. Wirtschaftlichkeit Von Bedeutung für die wirtschaftliche Bewertung dieser Montageanlage sind folgende Kennwerte: − Der Anteil wieder verwendbarer Anlagenkomponenten übersteigt deutlich die 50%- Marke. − Als Sekundäraufwand fällt nur die anteilige Greiferwechselzeit von 1,4 Sekunden pro Produkt an. − Bei einer Schaltzeit der Ringschalttellereinheit von 0,4 Sekunden fallen keine Wartezeiten an. − Die Greifwege sind so extrem klein gestaltet, dass kein weiterer Sekundäraufwand entsteht.
Literatur
321
− Bei einem Gesamtzeitaufwand von 19,4 Sekunden, von dem 18 Sekunden Primäraufwand ist, errechnet sich ein Wirkungsgrad von 93 %. − Die große Anzahl von Werkstückaufnahmen sichern in hohem Maße die Vorteile des verrichtungsweisen Montageablaufes. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei montagegerechter Produktgestaltung und einem entsprechenden Produktionsvolumen der Einsatz von Montagerobotern eine wirtschaftliche und eine sinnvolle Lösung darstellt.
Literatur Konold P, Reger H (1996) Angewandte Montagetechnik. Vieweg Verlag, Braunschweig Lotter B (1985) Aufbau und Einsatz flexibler Montagelinien am Beispiel der Feinwerktechnik. 6. Deutscher Montagekongress, München Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage. 2. Aufl. VDI Verlag, Düsseldorf Lotter B (2002) Eine Antwort auf die ISI-Studie , Teil 1. Automation, Gilching Warnecke H J (1984) Der Produktionsbetrieb. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Wiendahl H P (1984) Stand und Tendenzen der automatischen Montage. Fachseminar IFA, Universität Hannover
10 Materialbereitstellung in der Montage
10.1 Grundlagen 10.1.1 Begriffabgrenzung Die Montage verarbeitet eine sehr große Anzahl unterschiedlicher Teile und Baugruppen in zahlreichen Varianten. Sie müssen mit hoher Zuverlässigkeit am richtigen Ort zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität und zu den richtigen Kosten bereit stehen. Im Gegensatz zum Ausgangsmaterial in einer Fertigung sind sie funktionsfähig und damit meist empfindlich. Bevor sie an einer Montageeinrichtung eintreffen, sind auf dem Wege vom Hersteller zum Verbauort drei unterschiedliche Abschnitte zu erkennen, die von unterschiedlichen inner- und außerbetrieblichen Akteuren geplant, durchgeführt und überwacht werden. − Die Beschaffung reicht vom Warenausgang des Herstellers bis zum Wareneingang des Verbrauchers. Dabei kann das Material über unterschiedliche Transportwege und Lagerstufen laufen, z. B. von der Fabrik in ein Fertigwarenlager des Herstellers, von dort zum Speditionslager eines Logistikdienstleisters und weiter zum Wareneingang des Endverbrauchers. Diese Aufgabe wird üblicherweise vom Einkauf oder der Materialwirtschaft wahrgenommen, häufig unter dem Begriff Beschaffungslogistik. − Die Materialbereitstellung geht vom Wareneingang bis zum Speicherort an der Montageanlage. Dieser kann ein Greifbehälter in der manuellen Montage oder der Vorratsbunker eines Zuführgerätes sein. Auch hier sind teilweise unterschiedliche innerbetriebliche Transport- und Lagerstufen zu überwinden, z. B. Einlagerung nach Wareneingangsprüfung, Kommissionierung und Transport über einen Zwischenbahnhof zur Montageanlage. Diese Aufgabe erfüllt in der Regel die Produktionslogistik mit dem innerbetrieblichen Transport- und Lagerwesen auf Basis eines Produktionsprogramms. − Die Zuführung umfasst die Strecke zwischen dem Speicherort an der Montageanlage und der Fügeposition. Hier muss das Teil in einer räumlich bestimmten Lage zur Verfügung stehen. Im Fall der manuellen
324
10 Materialbereitstellung in der Montage
Montage übernimmt diese Aufgabe der Montagewerker. Erfolgt die Zuführung automatisch, führt ein entsprechendes Gerät die Funktionen Vereinzeln, Ordnen, Positionieren und Prüfen auf Anwesenheit und Lage durch. Diese Aufgabe ist Bestandteil der Montagesystemplanung und des operativen Betriebs des Montagesystems. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass sämtliche Tätigkeiten in diesen drei Abschnitten keine Wertschöpfung bewirken, sie also überwiegend Sekundärvorgänge entsprechend den Definitionen in Kap. 3 sind. Es gilt demnach, alle unnötigen Bestände, Transporte und Handhabungsvorgänge zu vermeiden. Im Idealfall wird das zu fügende Teil erst unmittelbar vor seinem Einbau erzeugt. Beispiele finden sich in Kap. 11. Ist dies nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll, ist die bei der Produktion vorhandene Ordnung möglichst beizubehalten. Die folgenden Ausführungen erläutern die Materialbeschaffung und -bereitstellung, während die Zuführung im Rahmen der manuellen Montage in den Kap. 3 und 5 unter dem Gesichtspunkt der ergonomischen Gestaltung behandelt wird. Hinweise zur automatischen Zuführung finden sich den Abschn. 8.7 (Zuführeinrichtungen) und 8.8 (Handhabungsgeräte und Roboter). 10.1.2 Anforderungen an die Materialbereitstellung Die starke Individualisierung der Kundenwünsche hat eine stetig wachsende Variantenvielfalt zur Folge. Im Zuge eines Variantenmanagements ist man bemüht, bestehende und neue Produkte so zu konstruieren bzw. umzustrukturieren, dass die Anzahl von Variantenteilen für eine Materialbereitstellung beherrschbar bleibt. Dies ist vor allen Dingen wirtschaftlich geboten. Eine ständige Vorhaltung aller Variantenteile ist aufgrund der Kapitalbindung, des Verschrottungsrisikos und des Lageraufwandes nicht mehr bezahlbar. Um Qualitätseinbußen durch Verschmutzung zu vermeiden, wird zunehmend darauf geachtet, Montagebereiche durch kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) und Vermeidung von Verschwendung (Muda) sauber zu halten. Verpackungen für bereitzustellendes Material dürfen nicht mehr in den Montagebereich gelangen. Weiterhin wird versucht, eine einmal während der Produktion hergestellte Ordnung von Bereitstellteilen möglichst beizubehalten, um die mehrfache Handhabung von Teilen einzuschränken. Als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen an die Materialbereitstellung sind folgende Ansätze entwickelt worden:
10.2 Einbindung der Materialbereitstellung in die betriebliche Logistik
325
− Bereitstellung von Zulieferteilen als Dienstleistung durch externe Unternehmen bis an das Montagesystem, − Materialbereitstellung und Montage durch externe Unternehmen integriert in ein Montagesystem, − Reduzierung der Materialflusskomplexität durch technische Maßnahmen, − Reduzierung der Teilevielfalt, − Automatisierung von Bereitstellvorgängen, − Reduzierung von Lagerstufen und − Verbrauchssteuerung der Bereitstellung. Wenn Bereitstellvorgänge an den Schnittstellen unternehmensübergreifender Produktionsstätten liegen, können diese durch Integration von Lieferanten in den Montageprozess nach außen verlagert werden, wie z. B. in der Automobilmontage. Dies setzt hohe Stückzahlen und eine Kontinuität des Verbrauchs voraus. Auch sind für Großserienproduktionen automatisierte Systeme für die Bereitstellung in Kombination mit der Zuführung von Teilen an Montagesystemen im Einsatz.
10.2 Einbindung der Materialbereitstellung in die betriebliche Logistik Die Materialbereitstellung stellt ein wichtiges Glied der logistischen Kette dar, welches einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalbindung und die Durchlaufzeit in der Auftragsabwicklung hat (Wiendahl 2005). Für Unternehmen, die in erster Linie fertigen und montieren, sind Bereitstellvorgänge nicht Wert schöpfend. Ihr Aufwand kann sogar die Wertschöpfung in den Fügeprozessen der Montage sogar übertreffen. Für die Planung und die Organisation der Materialbereitstellung ist daher die durchgängige Betrachtung des Materialflusses vom Lieferanten bis in den Arbeitsplatz des Kunden hinein unumgänglich (Grünz 2004). Abbildung 10-1 zeigt im oberen Teil Lager- bzw. Bereitstellorte des Materials im Unternehmen aus Sicht der Montage und im mittleren Teil die daraus resultierenden Übergabeprozesse. Daraus ergeben sich im unteren Teil so genannte Bereitstellungselemente. Die Orte des Materials zeigen an, an welcher Stelle der logistischen Kette es sich befindet. Dabei durchläuft es verschiedene Lagerstufen hin zum Montagebereich. Über verschiedene Stationen und Puffer im Montagebereich erreicht es dann die Prüfung und die Verpackung und kommt schließlich im Versandlager an.
Bedarfsplanung
Dezentrales Bereitstelllager
Bereitstellungselemente Kommis- Trans- Einsionierung port lagerung
Bereitstellungselemente Kommis- Trans- Einsionierung port lagerung
Prüfung
Verpackung Versand
Versandlager
Transport
Einlagerung
Bereitstellungselemente
Montage
Montagebereich FügeBereitstell FügePuffer position 1 position N -ort
Beschaffung Bereitstellung Bereitstellung Lager Montagebereich Zuführung Vorfertigung
Zentrallager
Abb. 10-1 Einordnung der Materialbereitstellung in den Materialfluss
Elemente der Bereitstellung des Materials
Prozesse der Materialübergabe
Orte des Materials
326 10 Materialbereitstellung in der Montage
10.2 Einbindung der Materialbereitstellung in die betriebliche Logistik
327
Die Prozesse der Materialübergabe beschreiben die einzelnen Funktionen, die den Durchlauf des Materials durch die einzelnen Stufen der logistischen Kette bewirken. Dabei erfährt das Material in der Regel mehrere Mengenbrüche, weil aus einer bestimmten angelieferten Menge, die sich oft nach einer genormten Packungsgröße richtet, mehrere Untermengen entstehen. Ausgehend von der Bedarfsermittlung, Bedarfsauslösung und Beschaffung bzw. der Vorfertigung wird das Material zunächst üblicherweise in einem Zentrallager bereitgestellt. Bei der folgenden Bereitstellung in einem oder mehreren dezentralen Bereitstelllagern wird das Material kommissioniert und erfährt hier seinen ersten Mengenbruch. Im Weiteren wird das Material dem Montagebereich zugestellt. Wiederum erfahren die Bereitstelleinheiten, abhängig von dem gewählten Materialbereitstellungskonzept, wie z. B. „Just in time“ (JIT) oder „Just in Sequence“ (JIS), einen weiteren Mengenbruch. Die Vereinzelung und Ausrichtung von Teilen aus der am Bereitstellort verfügbaren Menge in die Fügeposition ist – wie bereits erläutert – die eigentliche Zuführung. Dabei ist zu unterscheiden, ob ein bereits teilgeordneter Zustand oder ein Haufwerk vorliegt. Trotz der ursprünglichen Ordnung beim Fertigungsprozess liegen die Teile vor der Bereitstellung meist in einem ungeordneten Zustand vor (Rybarczyk 2004), weil der Aufwand, die geordneten Werkstücke in Magazinen bereitzustellen, die Kosten einer Neuordnung überschreitet (Lorenz 1999). Generell sollte jedoch eine einmal erreichte Ordnung unter dem Aspekt der Wertschöpfung nicht mehr aufgegeben werden (Warneke 1992, Sekine 1995). Für die einzelnen Elemente der Materialbereitstellung bedeutet dies, dass sie neben den beschriebenen Mengenbrüchen auch mehrere Ordnungsbrüche durch das Kommissionieren, Transportieren und wieder Einlagern bei ihrem Durchlauf erfahren. Weitere Ordnungsbrüche treten in der Montage selbst auf. Das Material wird hier einer Station entnommen, anschließend transportiert und an der folgenden Station bereitgestellt. Zwischen den Stationen befinden sich in der Regel Puffer, die Störungen oder Taktzeitunterschiede temporär überbrücken. Der Ordnungsgrad der Teile kann hierbei ständigen Veränderungen unterliegen. Wesentlich ist, dass das Material nicht mehr nur innerbetrieblich bereitgestellt wird, sondern dass die Bereitstellung immer stärker über Unternehmensgrenzen hinweg erfolgt und auch vom Montageplaner mit betrachtet werden muss. Im Folgenden werden daher zunächst die Funktionen Bedarfsplanung, Beschaffung und Lagerung der Beschaffungslogistik erläutert.
328
10 Materialbereitstellung in der Montage
10.3 Beschaffungslogistik 10.3.1 Bedarfsplanung Viele Unternehmen konzentrieren sich heute vermehrt auf ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Kernkompetenzen. Dies hat zur Folge, dass die Fertigungstiefe tendenziell abnimmt und die Lieferanten einen immer größeren Leistungsumfang liefern. Statt Einzelteilen werden daher vermehrt Baugruppen und Module beschafft, was zu einem deutlichen Anstieg des Beschaffungsvolumens führt (Wildemann 2004). Im Einzelnen hat dies folgende Auswirkungen für den Produktionsbetrieb: − Es ist ein größeres Volumen hinsichtlich Menge und Art der Materialien zu beschaffen, zu lagern und bereitzustellen. Ferner sind auch in höherem Maße Dienstleistungen zu beschaffen und in den Fabrikbetrieb zu integrieren. − Für die Planung, Disposition und Abwicklung des vergrößerten Beschaffungsvolumens sowie für dessen physische Bearbeitung (Wareneingang, Zwischenlagerung, Materialbereitstellung) entsteht ein höherer Personalaufwand. − Die Liefertreue der Fabrik oder ihrer Bereiche wird hinsichtlich Termin, Menge und Qualität immer mehr durch die Lieferanten bestimmt. − Der Einfluss des Beschaffungsmarktes auf die Gesamtkosten der Erzeugnisse nimmt zu, da sich die Einkaufspreise des Marktes bei größeren Beschaffungsvolumina stärker auswirken (Schenk, Wirth 2004). Die Materialbeschaffung basiert auf der Bedarfsermittlung, die im Rahmen der Planung und Budgetierung festgelegt wird. Prinzipiell werden nach Abb. 10-2 verschiedene Bedarfsarten unterschieden. Der Bedarf an verkaufsfähigen kundenanonymen oder kundenspezifischen Erzeugnissen ist dabei der Primärbedarf. Bei der Zerlegung des in der Regel mehrstufigen Erzeugnisses in seine Baugruppen und Einzelteile entsteht der Sekundärbedarf. Der Bedarf an Betriebs- und Hilfsstoffen wird im Tertiärbedarf zusammengefasst. Wenn Lagerbestände zu berücksichtigen sind, wird zusätzlich noch zwischen dem Brutto- und dem Nettobedarf unterschieden. Der Bruttobedarf ist dabei die benötigte Materialmenge je Periode oder auf einen bestimmten Termin bezogen. Der Nettobedarf ist die Differenz zwischen dem Bruttobedarf und dem in der betreffenden Periode verfügbaren Lagerbestand (Wiendahl 2005). Die Vielfalt und Komplexität des Materialbedarfs erfordert eine Gliederung des Artikelspektrums, um einen der jeweiligen Teilebedeutung angemessenen Planungs- und Überwachungsaufwand zu bestimmen.
10.3 Beschaffungslogistik
329
Materialbedarfsarten
Ermittlung nach Ursprung und Erzeugnisebene
Ermittlung unter Berücksichtigung der Lagerbestände
Primärbedarf
Sekundärbedarf
Tertiärbedarf
Bruttobedarf
Nettobedarf
Bedarf an verkaufsfähigen Erzeugnissen (Marktbedarf)
Bedarf an Rohstoffen, Teilen und Gruppen zur Fertigung des Primärbedarfs
Bedarf an Betriebs- und Hilfsstoffen
Periodenbezogener Primär-, Sekundär- oder Tertiärbedarf
Bruttobedarf abzüglich verfügbarem Lagerbestand
Abb. 10-2 Übersicht über unterschiedliche Materialbedarfsarten (Hartmann)
Der bekannteste Ansatz hierfür ist die ABC-Analyse (Abb. 10-3, oben links) zur Segmentierung des Artikelspektrums entsprechend der Wert-/ Mengen-Relation. Etwa 10 bis 15 % eines Artikelspektrums machen 80 % des Umsatzes bzw. des Lagerbestandswertes (A-Teile) aus.
ABC-Klassifizierung
UVW-Klassifizierung
Umsatzanteil [%]
Streuung der Lieferterminabweichung [BKT]
A
B
U
C
Anteil an Artikeln oder Lieferanten [%] 100
V
W
Anteil an Artikeln oder Lieferanten [%] 100
RUS-Klassifizierung
XYZ-Klassifizierung
Streuung der Lagerabgangsrate [Stk/BKT]
Streuung der Bedarfsterminabweichung [BKT]
R
U
Anteil an Artikeln oder Bedarfsverursachern R regelmäßig
U unregelmäßig
S [%] 100
X
Y
Anteil an Artikeln oder Bedarfsverursachern
Z [%] 100
S stochastisch
Abb. 10-3 Möglichkeiten der logistischen Segmentierung von Artikelspektren
330
10 Materialbereitstellung in der Montage
Für eine weitere Differenzierung ist eine Gruppierung des Artikelspektrums gemäß der Lieferzuverlässigkeit der Lieferanten, also des Lagerzugangs, sinnvoll. Diese wird als UVW-Klassifizierung bezeichnet. Aufgetragen wird hier die Streuung der Lieferterminabweichung über dem relativen Anteil an Artikeln (oder wahlweise der Lieferanten). Sofern vorzeitige Lieferungen als unkritisch eingestuft werden, kann statt der Streuung der Terminabweichung auch die maximale Terminabweichung herangezogen werden. U-Artikel (bzw. U-Lieferanten) zeichnen sich durch überwiegend pünktliche Lieferungen aus, während vor allem im W-Segment von einer stetigen Gefährdung der Versorgungssicherheit ausgegangen werden muss. Für die Materialbereitstellung in der Montage ist gerade diese Klassifizierung von entscheidender Bedeutung, da hieran die in der Praxis häufig anzutreffende „Fehlteileproblematik“ in der Montage messbar und damit transparent gemacht werden kann. Auf der Lagerabgangsseite ist ein wichtiges Differenzierungskriterium zunächst die Streuung der Bedarfsmengenabweichung (hier Lagerabgangsrate genannt), die sich über eine RUS-Klassifizierung (Abb. 10-3, unten links) beschreiben lässt (RUS steht für: Regelmäßig, Unregelmäßig bzw. Sporadisch). Das zweite Merkmal ist die Streuung der Bedarfsterminabweichung. Diese Einteilung gemäß der Vorhersagegenauigkeit des Bedarfs wird als XYZ-Klassifizierung (Abb. 10-3, unten rechts) bezeichnet. Auf die XYZ-Klassifierung hat auch die Länge der Wiederbeschaffungszeit einen spürbaren Einfluss: Je kürzer diese Zeiten werden, desto genauer kann der Bedarf geplant werden. Jede der zuvor genannten Einteilungen kann einzeln angewandt werden, um Planungsmaßnahmen zur Prozessverbesserung abzuleiten. Aber eine geschickte Kombination hilft, die Dispositionsaktivitäten auf erfolgskritische Segmente zu konzentrieren. Abbildung 10-4 ordnet der aus der Wert- und Lieferantensegmentierung entstandenen Matrix die angemessene Methode der Beschaffung zu. Unterschieden wird die bedarfssynchrone Beschaffung für teure Artikel mit konstantem oder Trendverlauf, die bedarfsnahe Beschaffung für mittelwertige Teile mit konstantem und Trendverlauf, die bedarfsfallbezogene Beschaffung für teure und mittelwertige Teile und schließlich die Vorratsbeschaffung, die einen definierten Lagervorrat sicherstellt. Je Methode ist angegeben, wie die Bedarfsermittlung erfolgt (deterministisch, stochastisch oder intuitiv), ob eine Bedarfszusammenfassung für verschiedene Bedarfsträger erfolgen soll und welcher Grad der Rechnerunterstützung (Bestellvorschläge mit und ohne Korrektur, vollautomatische Bestellauslösung) sinnvoll ist.
10.3 Beschaffungslogistik
Verlauf Wert
X (konstant)
Y (trendmäßig)
Bedarfssynchrone Beschaffung A (hoch)
• deterministische Bedarfsermittlung (Stücklistenauflösung) • keine Bedarfszusammenfassung • rechnergestützte Bestellvorschläge
Bedarfsnahe Beschaffung B (mittel)
• deterministische Bedarfsermittlung (Stücklistenauflösung) • Bedarfszusammenfassung (Bestelllosgrößenbildung) • rechnergestützte Bestellvorschläge
331
Z (unregelmäßig)
Bedarfsfallbezogene Einzelbeschaffung • deterministische / intuitive Bedarfsermittlung • keine Bedarfszusammenfassung • rechnergestützte BestellVorschläge mit erfahrungsbasierter Korrektur
Vorratsbeschaffung C (niedrig)
• stochastische Bedarfsermittlung • Bedarfszusammenfassung (Bestelllosgrößenbildung) • vollautomatische Bestellauslösung
Abb. 10-4 Regelwerk Bedarfsermittlungsverfahren und Beschaffungsarten (H.-H. Wiendahl)
Die Kombination aus der ABC- und der XYZ-Klassifizierung kann darüber hinaus z. B. genutzt werden, um Materialien nach ihrer Eignung für eine Kanban-Steuerung zu unterteilen, auf die noch eingegangen wird. 10.3.2 Beschaffung Aufgabe der Beschaffung ist es, die im Bedarfsplan festgelegten Materialien in den erforderlichen Mengen, zum richtigen Zeitpunkt und zu günstigen Kosten auf dem Beschaffungsmarkt einzukaufen (Wiendahl 2005). Die bereits erwähnten Methoden sind die Vorratshaltung, die Einzelbeschaffung im Bedarfsfall und die bedarfssynchrone Anlieferung. Abbildung 10-5 zeigt sechs grundsätzlich verschiedene Beschaffungsmodelle auf, die jeweils andere Anforderungen an die Lagerhaltung stellen und praktisch alle relevanten Fälle abdecken. Dabei hängen die unterschiedlichen Beschaffungsmodelle und die Steuerung der Montage stark voneinander ab. Bestimmte Materialbereitstellungskonzepte wie beispielsweise „Just in time“ (JIT) oder „Just in sequence“ (JIS) lassen sich nur mit einem entsprechenden Beschaffungskonzept realisieren. Die Vorratsbeschaffung zielt darauf ab, eine mengen- und zeitmäßige Entkopplung von Beschaffung und Produktion zu ermöglichen. Der Abnehmer bestimmt bei jeder Einzelbestellung, wann, mit welcher Stückzahl (Losgröße) und durch welche Lieferanten eine Materialanlieferung erfolgen soll. Die Losgröße wird auf der Grundlage unterschiedlicher Disposi-
332
10 Materialbereitstellung in der Montage
tionsmethoden bestimmt. Diese Form der Vorratshaltung wird in der Serienmontage wegen des hohen Durchsatzes möglichst vermieden, lässt sich aber, z. B. für strategisch wichtige Artikel oder wenn der Lieferant nur Absatzmengen akzeptiert, die einer Reichweite von mehreren Monaten entspricht, meist nicht ganz vermeiden. Beschaffung mit Lagerhaltung durch den Abnehmer
Beschaffung mit Lagerhaltung durch Lieferant oder Dienstleister
Kundenauftragsbezogene Beschaffung (ohne Lagerhaltung)
Standardteilemanagement • Vollständige Abwicklung der Beschaffung durch einen Dienstleister (Outsourcing) • Bereitstellung des Materials am Verbrauchsort durch den Dienstleister Vorratsbeschaffung • Vollständige Abwicklung der Beschaffung durch den Abnehmer • Vorratshaltung durch den Abnehmer
Konsignationskonzept • Vertraglich vereinbarte Vorratshaltung des Lieferanten oder eines Dienstleisters beim Abnehmer („vor Ort“) • Abnehmer hat Verfügungsgewalt über den Bestand Vertragslagerkonzept • Vertraglich vereinbarte Vorratungshaltung beim Lieferanten oder Dienstleister
Einzelbeschaffung • Bedarfssynchrone Beschaffung für sporadisch auftretende Einzelbedarfe
Synchronisierte Produktionsprozesse • Versorgungskette ohne Bestandspuffer zwischen Lieferant und Abnehmer durch getakelte Produktionsprozesse • Steuerung der Prozesse durch automatische Abrufimpulse
• Bedarfssynchrone Anlieferung nach Abruf
Abb. 10-5 Lagerhaltung im Beschaffungsprozess: Sechs Standard-Beschaffungsmodelle (Siemens, CIO SCM)
Bei der Einzelbeschaffung wird das benötigte Material erst dann beschafft, wenn ein spezifischer, mit einem konkreten Auftrag verbundener Bedarf vorliegt. Diese Beschaffungsform wird insbesondere dann eingesetzt, wenn die Leistungserstellung beim Abnehmer in Einzelfertigung erfolgt. Beim Standardteilemanagement übernimmt der Lieferant oder ein Dienstleister alle Funktionen der Lagerhaltung, des Bestellwesens, des Warennachschubs sowie weitere organisatorische Aufgaben. Die Auslösung des Warennachschubs erfolgt über eine automatische Warenentnahmemeldung (z. B. als Bewegungsmeldung aus einem Warenautomaten) oder über eine visuelle Bestandskontrolle im Rahmen turnusmäßiger Rundgänge durch den Dienstleister. Die Ware wird unter Umgehung eines Zentrallagers direkt an den Verbrauchsort geliefert. Die Zahlung erfolgt auf der Basis von Sammelrechnungen.
10.3 Beschaffungslogistik
333
Ein Konsignationslager ist ein von einem Lieferanten oder einem logistischen Dienstleister beim Abnehmer produktionsnah unterhaltenes Lager, in das der Lieferant vereinbarte Produkte einlagert, die erst nach dem Verbrauch durch den Abnehmer oder nach Prüfung des Endproduktes berechnet werden. Der Lieferant bleibt bis dahin Eigentümer der Ware, der Abnehmer erhält jedoch die jederzeitige Verfügungsgewalt. Der Lieferant kann verbrauchsentkoppelt produzieren, muss aber jederzeit die Einhaltung eines vereinbarten Mindestbestandes gewährleisten. Ein Vertragslager ist ein vom Lieferanten oder einem logistischen Dienstleister unterhaltenes Lager in räumlicher Nähe zum Abnehmer. Durch das Vertragslager erfolgt eine kurzfristige Belieferung des Abnehmers in hoher Frequenz (JIT-Anlieferung), auch hier kann der Lieferant entkoppelt vom Verbrauch produzieren. Es existiert ein Rahmenvertrag, aus dessen Kontingent per Abruf unter Umgehung eines Zentrallagers die bedarfssynchronen Lieferungen in das Pufferlager am Verbrauchsort des Kunden erfolgen. Der Verzicht auf die Vorratshaltung beim Abnehmer kann zu einer signifikanten Erhöhung der Transport- und Anlieferfrequenz führen. Zur Vermeidung der damit verbundenen Kosten und Aufwendungen kann das Vertragslager auch als Speditionslager geführt werden. In diesem laufen die Lieferungen unterschiedlicher Lieferanten zusammen und werden dort regelmäßig (z. B. täglich) zusammengefasst und gemeinsam zum Abnehmer transportiert. Die stärkste Verknüpfung der Prozesse zwischen Zulieferer und Kunden stellen die synchronisierten Produktionsprozesse dar. Sie zeichnen sich durch eine Versorgungskette ohne Bestandspuffer zwischen dem Lieferanten und dem Abnehmer aus. Das Anliefermodell basiert auf dem Prinzip der Fließfertigung: die Produktion des Lieferanten ist entsprechend der Produktion des Abnehmers getaktet. Das Anliefermodell wird insbesondere dann angewandt, wenn eine Lagerhaltung aufgrund großer Variantenvielfalt und nicht prognostizierbarer Teilebedarfe auf Variantenebene nicht sinnvoll ist, der Bedarf auf Produktgruppenebene jedoch langfristig bekannt ist. Dies ist die Idealvorstellung der Koordination in der Supply Chain und wird heute bereits im Automobilbau erreicht (Nyhuis 2003a). Der entscheidende Unterschied bei der Betrachtung der unterschiedlichen Beschaffungsmodelle ist die Verschiebung des Eigentumsübergangs zwischen Verkäufer und Kunde. Dieser Eigentumsübergang entscheidet darüber, welcher der Partner im Rahmen der Lagerhaltung für die Lagerung und die dadurch entstehende Kosten, die Planung und Steuerung des Lagers, die Kapitalbindungskosten und das Risiko des Wertverlustes verantwortlich ist: Abb. 10-6 verdeutlicht diesen Einfluss der Beschaffungsmodelle auf die Funktion und den Ort der Lagerhaltung.
10 Materialbereitstellung in der Montage
Lieferant
Synchronisierte ProduktionsProzesse
Fertigung Lieferung
Lieferant
EinzelBeschaffung
Warenbereitstellung
Lager
Konsignationslager
Bereitstellung in ein Konsignationslager
Fertigung
Lieferant
StandardteileManagement
Warenannahme
Fertigung
Lieferant
VertragslagerKonzept
Lieferung auf Bestellung
Lieferung auf Abruf
PufferLager
Bereitstellung in verbrauchsnahe Pufferlager
PufferLager
Fertigung
Lieferant
KonsignationsKonzept
Abnehmer
PufferLager
Fertigung Lieferung
VorratsBeschaffung
Lieferant
Lieferant
Vertragslager
Lieferung auf Auftrag
Warenannahme
Lieferung auf automatischen Auftragimpuls
Warenbereitstellung
Fertigung
334
Eigentumsübergang
Abb. 10-6 Auswirkungen der Beschaffungsmodelle auf Funktion und Ort der Lagerhaltung (Siemens)
10.3.3 Lagerung Die Funktion des Lagers wurde bisher nicht betrachtet. Neben der Bevorratung von Artikeln innerhalb der Produktion sind Lager sowohl an den Unternehmensschnittstellen zum Lieferanten (Beschaffung) als auch zum Kunden (Distribution) angeordnet und übernehmen hier wichtige, zum Teil sehr unterschiedliche Entkopplungsfunktionen. Nach der VDI-Richtlinie 2411 ist der Begriff Lagern bzw. Lagerung definiert als „jedes geplante Liegen des Arbeitsgegenstandes im Materialfluss“. Unter einem Lager ist ein Raum bzw. eine Fläche zum Aufbewahren von Stück- und/oder Schüttgut, das mengen- und/oder wertmäßig erfasst wird, zu verstehen. Lagersysteme umfassen die Lagerfläche, die Lagermittel (Palette, Gitterbox, Behälter etc.), die Lagerbauweise, die Lagertechnik, die Fördermittel zum Ein- und Auslagern sowie die erforderliche Handhabungstechnik. In der Regel wird es nicht möglich sein, ein einziges Lager zu betreiben. Solange die Prozesse nicht zeitlich und mengenmäßig synchronisiert sind, bietet die gezielte Bestandsführung in Lagern die Möglichkeit, die Flexibilität des Unternehmens auf dem Markt zu erhöhen. Weiterhin kann durch
10.3 Beschaffungslogistik
335
eine Zwischenlagerung die Wirtschaftlichkeit vorhergehender Prozesse erreicht werden. Lagerungsstufen sind daher ein integraler Bestandteil der Unternehmenslogistik. Ein Industriebetrieb unterscheidet, dem Materialfluss folgend, drei Lagerungsstufen: Rohlager, Fertigungslager und Absatzlager. Die jeweiligen Lagerstufen unterteilen sich dabei, wie in Abb. 10-7 beschrieben, noch weiter in einzelne Segmente (Wiendahl 2005). Rohlager
Fertigungslager Zubehörteilelager
Absatzlager
Produktionsbereich
Wareneingangslager
Hilfsstofflager
Handlager
Zwischenlager Eigenteile
Montage
Lieferant
Teilefertigung
Rohstofflager
Fertigungslager
Versandlager
Kunde
Betriebsstofflager
Reservelager
Abb. 10-7 Lagerungsstufen in einem Industriebetrieb (Hartmann)
Für ein effizientes Beschaffungs- und Bestandsmanagement des Lagers ist es erforderlich, die Abhängigkeiten zwischen den Zielgrößen niedriger Lagerbestand und hohe Lieferbereitschaft genau zu betrachten (Nyhuis Wiendahl 2003). Viele Unternehmen versuchen Bestände zu senken, indem diese zu den Zulieferern verlagert werden. In diesem Fall wird der Zulieferer verpflichtet, bestimmte Bestände vorzuhalten, die innerhalb definierter, möglichst kurzer Zeitspannen zum Abnehmer – Idealerweise direkt in dessen Montage oder Fertigung – geliefert werden können. Durch eine übergreifende Planung zur Verbesserung der gesamten Lieferkette können Planungsunsicherheiten reduziert werden. Moderne Logistikkonzepte planen daher mit Lagerstufen, sofern die Anlieferung nicht im Rahmen einer bedarfssynchronen Einzelbeschaffung oder innerhalb synchronisierter Produktionsprozesse erfolgt (Lutz 2002, Holzner 2000). Zur Bestimmung des notwendigen Lagerbestandes, zur Kontrolle und Verwaltung haben sich das allgemeine Lagermodell, das Lagerdurchlaufdiagramm und Lagerkennlinien bewährt. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Lagerbestand und Servicegrad lässt sich mit Hilfe der Service-
336
10 Materialbereitstellung in der Montage
gradkennlinie einfach berechnen (Abb. 10-8) (Nyhuis Wiendahl 2003, Lutz 2002). Basierend auf der Kennlinie können komplette Artikelspektren so positioniert werden, dass einerseits möglichst geringe Bestände erforderlich sind, andererseits die angestrebte Lieferbereitschaft bzw. der Servicegrad garantiert ist. ideale Servicegradkennlinie 100%
Servicegrad
reale Servicegradkennlinie
0 0
Losbestand
Grenzbestand mittlerer Lagerbestand [Stück]
Abb. 10-8 Servicegradkennlinie
10.4 Materialbereitstellung 10.4.1 Kommissionierung Nach der VDI-Richtlinie 3590 ist „… Kommissionieren das Zusammenstellen bestimmter Teilmengen aus einer bereitgestellten Gesamtmenge. Dabei findet eine Umwandlung eines lagerspezifischen in einen verbrauchsspezifischen Zustand statt“. Die Kommissionieraufgabe umfasst dabei das Zusammentragen und -stellen der angeforderten Lagergüter. Im Einzelnen umfasst das Kommissionieren: − − − −
das Suchen und Finden der Lagerplätze, die Entnahme des betreffenden Artikels, den Transport zur Abgabe und die Abgabe des verlangten Artikels.
Kommissionieren kann nach Auftrag und nach Materialart unterteilt werden (Abb. 10-9).
10.4 Materialbereitstellung
337
Abb. 10-9 Beschreibungsmerkmale und organisatorische Konsequenzen unterschiedlicher Kommissioniermethoden (REFA)
Die Auftragskommissionierung kann dabei sequenziell, d.h. Auftrag nach Auftrag oder parallel erfolgen: • Auftragsweise sequenzielle Kommissionierung: Diese erfolgt auftragsspezifisch. Hierbei werden zunächst alle Artikel für den ersten Auftrag zusammengestellt. Daran anschließend werden alle Artikel für den zweiten Auftrag kommissioniert usw. Dabei ist es möglich, dass der gleiche Artikel für mehrere Aufträge mehrmals geholt werden muss. • Auftragsweise parallele Kommissionierung: Alle Artikel, die für eine Serie von mehreren Kommissionieraufträgen benötigt werden, werden in eine spezielle Kommissionierzone befördert und dort den einzelnen Aufträgen zugeordnet. Zunächst werden also die notwendigen Mengen aller Artikel der relevanten Aufträge gesammelt und daraus dann die einzelnen Kommissionen zusammengestellt. Darüber hinaus kann die Auftragsweise Kommissionierung weiter in die Gesamt- und Einzelauftragskommissionierung unterteilt werden. • Die Kommissionierung nach Materialart richtet sich danach, in welcher Zusammenstellung das Material in die Behälter gelegt wird. Je mehr unterschiedliche Materialien in einen Behälter kommissioniert werden, desto höher ist der spätere Aufwand bei der Weiterverarbeitung des Materials, nachdem es bereitgestellt wurde. Kommissioniersysteme unterscheiden sich prinzipiell darin, ob die Ware automatisiert zum Lagermitarbeiter gefördert wird (Ware zum Mann, Abb. 10-10a) oder ob der Mann zur Ware geht und kommissioniert (Abb. 10-10b).
338
10 Materialbereitstellung in der Montage
2
1
Hochregallager
2
Regalbediengerät
3
Rollenbahn
4
Bereitstellung
5
Kommissionierer
6
Abgabe der Güter
7
Versand
1
2
5
5 6
5
2 4
3
1
Unterflurschleppkettenförderer
2
Kommissionierer
3
Elektrisch angetriebener Kommissionierwagen (Abgabe der Güter)
4
Palettenregal (Bereitstellung)
5
Abgabe der Kommissioniereinheit
6
Versand
7
Kommissionierwagen mit Leerpalette
4
3
4
7
5 6
1
7
a) Dynamische Kommissionierung „Ware zum Mann“
b) Statische Kommissionierung „Mann zur Ware“
Abb. 10-10 Realisierungsbeispiele von Kommissioniersystemen
Wichtig für die Kommissionierleistung, also die Zahl der kommissionierten Artikel in einer bestimmten Zeit, sind unter anderem die Wegezeit – das ist die Zeit, die der Kommissionierer durch das Lager läuft und die Totzeit – das ist die Zeit, die der Kommissionierer benötigt, um den Lagerplatz zu finden und Daten zu aktualisieren. Um diese Zeiten so gering wie möglich zu halten, werden heute folgende Kommissionierungsstrategien nach folgenden Gesichtspunkten angewendet: • Zugriffsart und Automatisierungsgrad, d.h. wie ist der Zugriff am Lagerplatz (innerhalb der Regalzeile, Holsystem) und im ausgelagerten Zustand (im Vorfeld der Regalzeile, Bringsystem). • Wegeoptimierung, d.h. die Artikel werden auf der Kommissionierliste in der gleichen Reihenfolge wie im Lager angeordnet. • Verkettetes Kommissionieren (Holsystem) mit der Optimierung des Kommissionierweges. Mehrere Artikel der Kommission werden hierbei in einem Durchgang entnommen. • Platzgebundene Lagerung bei Kommissionierlagern, d.h. hier sind die Kommissionierlisten einfach geordnet und die Artikelnummern stimmen mit den Platznummern überein. • Berücksichtigung von Korrelationen, d.h. Artikel, die erfahrungsgemäß zusammen angefordert werden, werden in derselben Regalzeile bevorratet. • Gängigkeitszonen, d.h. „Renner" werden am Anfang der Regalzeilen in besonders schnell zugreifbaren Regalen gelagert. • Zwei- bzw. Drei-Kastensystem, d.h. eine Kanban-Steuerung regelt den Nachschub für das Kommissionierlager vom Hauptlager. • Vorabpacken in gängigen Kommissioniermengen. Mit dieser Methode kann die Kommissionierarbeit wesentlich effizienter gestaltet werden.
10.4 Materialbereitstellung
339
• Bildung von Sets, d.h. logisch oder verbrauchsmäßig zusammengehörige Artikel werden in einer gemeinsamen Verpackung zusammengefasst. • Zweistufiges Kommissionieren, d.h. die gesamte angeforderte Menge einer Zeiteinheit wird in einer ersten Stufe ausgelagert und in einer zweiten Stufe auf die Kommissionen verteilt. Das Verfahren wird angewendet bei einer großer Artikelvielfalt und einer hohen Dynamik. • Technisch unterstützte Pick-Verfahren, d.h. dem Kommissionierer wird in einer optimierten Reihenfolge der jeweils nächste zu kommissionierende Artikel angesagt (Pick-by-voice) oder angezeigt, indem ein Signal am entsprechenden Regalplatz aufleuchtet (Pick-by-light). Die Wahl der geeigneten Kommissionierungsstrategie für die Montage hängt dabei stark vom zu montierenden Produkt, dem Montageprozess, der Montagesteuerung sowie von Stückzahl und Losgröße ab. 10.4.2 Transport Transport ist das Bewegen von Gegenständen. Laut Takeda ist jegliche Form des Transportes Verschwendung (Takeda 1999). Ohne Transport kann jedoch keine Produktion stattfinden. In diesem Sinne sollten jegliche Transportvorgänge nach Möglichkeit vermieden werden. Die verbleibenden Transportvorgänge sollten so effizient wie möglich gestaltet und nahtlos in den Produktionsfluss integriert werden. Dazu ist es notwendig, dass neben dem Material die dazugehörigen Informationen transportiert werden. Idealerweise bilden das zu transportierende Material und die Information dazu eine zusammenhängende Einheit. Heute werden bereits verstärkt Ladungsträger wie Kisten, Paletten o.ä. mit den zugehörigen Papieren ausgestattet bzw. mit elektronischen Etiketten wie Transpondern oder automatisch lesbaren (2D-) Barcodes ausgestattet. Die häufigsten Transportmittel sind flurgebundenen und ungeführt. Hier sind besonders alle Formen der Gabelstapler als wichtigste Vertreter dieser Fördermittel zu nennen. Besondere Aufmerksamkeit bei den flurfreien Förderzeugen verdienen die fahrerlosen Transportsysteme (FTS), die mittels eines im oder auf dem Hallenboden verlegten Leitdrahtes induktiv geführt werden oder sich an optischen Wegmarken orientieren. Neben den Fördermitteln sind zur Erfüllung des Transportes Förderhilfsmittel erforderlich. Hierunter versteht man Paletten, Behälter, Kästen und Container. Üblicherweise wird nach ebenen, umschließenden und sonstigen Förderhilfsmitteln unterschieden. Die ebenen und umschließenden Förderhilfsmittel sind überwiegend standardisiert, für das zu transportierenden Material muss aus der Vielzahl von Konstruktionsvarianten die geeignete ausgewählt werden (Kettner 1984).
340
10 Materialbereitstellung in der Montage
Für die eingangs beschriebene Forderung nach möglichst hoher Effizienz der Transportvorgänge sind einige Regeln zu beachten. Takeda nennt insgesamt acht verschiedene Ansätze, um die Effizienz der Transportvorgänge nachhaltig zu erhöhen (Takeda 1999): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Standardisierung der Behälter, Transportwagen mit Beladung von gemischten Teilesätzen, Be- und Entladen auf einheitlicher Höhe, Rückholen der Leerbehälter in den Fluss integrieren, Transport in kurzen Intervallen, Transport bestimmter Mengen zu nicht festgelegten Zeiten, Kran und Gabelstapler vermeiden, Das Material ins Laufen bringen.
Der Idealfall liegt vor, wenn das Material während der Bewegung bearbeitet wird und damit die Durchlaufzeit so gering wie möglich gehalten wird.
10.5 Materialsteuerung Zur Variantenbeherrschung ist eine hohe Transparenz der Materialströme zur Unterstützung von Selbstregelmechanismen nötig. Grundlage hierfür sind die Materialbereitstellungsstrategien, welche mit einem Mindestmaß an Steuerung auskommen sollen. Um eine hohe Montageeffizienz zu gewährleisten, muss die Bereitstellmenge so dimensioniert werden, dass der Monteur immer nur die Teile im direkten Zugriff hat, welche er gerade verbauen soll (Wiendahl 2003). Materialbereitstellungsstrategien hängen von physikalischen, logistischen und handhabungsrelevanten Merkmalen ab (Abb. 10-11). Die physikalischen Werkstückmerkmale Volumen Gewicht usw. beeinflussen Transport und Lagerung. Die Handhabungsmerkmale geben Aufschluss über den Ordnungszustand der angelieferten Teile. Die Bandbreite möglicher Ordnungszustände reicht hier von der Anlieferung als Schüttgut bis hin zu einer vollständig magazinierten Bereitstellung am Montagearbeitsplatz. Die logistischen Merkmale haben den stärksten Einfluss auf die Materialbereitstellung am Arbeitsplatz. Einerseits kann die zu montierende Losgröße in der Planung einer Materialbereitstellung ggf. geändert werden und andererseits die Einbeziehung von Lieferanten und die Festlegung von Bestellmengen bei Kaufteilen mit den jeweiligen Partnern individuell verhandelt werden, da diese häufig keinen fertigungstechnischen Einschränkungen unterliegen.
10.5 Materialsteuerung Logistische Merkmale
341
Physikalische Werkstückmerkmale • Empfindlichkeit • Gewicht • Volumen • Form • Qualität
• Kontinuität der Verwendung • Verwendungshäufigkeit (z.B. pro Zeit oder Klein-, Mittel-, Großserie) • Standardteile, Normteile • Produktbezogenheit (Einfach-, Mehrfach-, Vielfachverwender) • Losgröße/Auftragsgröße der Montageaufgabe • Mindestlosgröße bei Eigenfertigung • Teilewert (ABC-Analyse) • Lieferanteneinbeziehbarkeit • (Mindest-) Bestellmengen bei Kaufteilen oder Mindestlosgröße für Fertigung/Vormontage • Gewählte Beschaffungs- und Lagerstrategie
Handhabungsmerkmale • Ordnungszustand (Schüttgut, magaziniertes Gut,…) • notwendige Positioniergenauigkeit
Abb. 10-11 Kriterien zur Zuordnung von Teilen zu Bereitstellstrategien
Materialbereitstellungsstrategien lassen sich grundsätzlich in folgende Bereiche unterteilen: – Art der Bereitstellung, – Bereitstellmenge, – Form der Bereitstellung. Eine Übersicht über die Materialbereitstellungsstrategien zeigt Abb. 10-12 (Bullinger 1994). Sie lassen sich in grundsätzlich in bedarfsgesteuerte und verbrauchsgesteuerte Verfahren unterteilen. Unterschieden nach dem Wert und Bedarf einzelner Teile, können auch beide Strategien parallel Verwendung finden. Im Folgenden werden die beiden Strategien näher erläutert. nach Bedarf
Bereitstellungsart
Bereitstellungsmenge
Aufträge Bereitstellungsform
stückzahlgenau
Einzelprodukt
nach Verbrauch
gebindeorientiert
Einzelteile/ Baugruppen - JIT / JIS
Einzelteile/ Baugruppen - periodisch
Abb. 10-12 Materialbereitstellungsstrategien (Bullinger)
gebindeorientiert
Einzelteile/ Baugruppen - Kanban - Mehrbehälter - Handlager
342
10 Materialbereitstellung in der Montage
10.5.1 Verbrauchsgesteuerte Bereitstellung Die verbrauchsgesteuerte Materialbereitstellung kann für A-, B- und CTeile eingesetzt werden. Grundvoraussetzung ist ein relativ konstanter Teileverbrauch, d. h. das Verfahren eignet sich nicht für Exotenteile, die nur selten benötigt werden. Das geeignete Konzept wird in seiner Ausprägung sehr stark durch die Mengenströme und das Variantenaufkommen bestimmt (Wiendahl 2003). In der Montage stark verbreitet ist die Bereitstellung nach dem Kanban-Prinzip (Abb. 10-13). Produktionsstufe 1
AS
Materialfluss
L
Produktionsstufe 2 L
AS
Informationsfluss
Produktionsstufe n
L
L
AS
Pufferlager
AS
Endkunde
Arbeitsystem
Abb. 10-13 Kanban-Steuerung
Kanban (jap. Schild, Karte) ist eine Methode der Produktionsablaufsteuerung nach dem Hol- beziehungsweise Pullprinzip und orientiert sich ausschließlich am Bedarf einer verbrauchenden Stelle im Montageablauf. Selbststeuernde Regelkreise bilden das Kernelement dieser flexiblen Produktionssteuerung. Im günstigsten Fall kann die gesamte Wertschöpfungskette vom fertig montierten Endprodukt bis zur Bearbeitung des Einsatzmaterials auf der ersten Fertigungs- bzw. Produktionsstufe gesteuert werden (Bichler 2004, Geiger 2003, Günther 2004, Wildemann 2001, Nyhuis 2004, Wiendahl 2003). Grundsätzlich holt beim Kanban-System der nachfolgende Prozess (Senke) die von ihm benötigten Materialien beim Pufferlager des vorgelagerten Prozesses (Quelle) zur richtigen Zeit und in der notwendigen Menge ab (Abb. 10-13). Die dazu notwendige Information wird im klassischen Kanban-System durch die Kanban-Karten übermittelt, die mit den gefüllten Transportbehältern von der vorgelagerten Stelle bei der Senke ankommen. Verantwortlich für die rechtzeitige Bereitstellung des benötigten Materials nach Eingang der Kanban-Karte im Regelkreis ist die Quelle. Oft wird dieses System auch mit einem Supermarkt verglichen. Beim Supermarktprinzip ist die Ware in Regalen an festen Plätzen sichtbar und für die Verbraucher zugänglich untergebracht. Anhand der verbrauchsorientierten Materialbedarfsrechnung wird dafür Sorge getragen, dass im Lager soviel Ware bereitsteht, dass Lücken im Regal umge-
10.5 Materialsteuerung
343
hend aufgefüllt werden können. Der Verbraucher entnimmt die Ware zeitunabhängig in der Menge, die er benötigt. Sobald eine Lücke im Regal bemerkt wird, wird die Ware aus dem Lager aufgefüllt. 10.5.2 Bedarfsgesteuerte Bereitstellung Die bedarfsgerechte stückzahlgenaue Materialbereitstellung wird vorwiegend bei den Hauptkomponenten des Produktes, den sog. A-Teilen, eingesetzt, deren Bestände aufgrund des hohen Wertes gering gehalten werden sollten. Bei der bedarfsgesteuerten Bereitstellung kann nach stückzahlgenauer Bereitstellung und gebindeorientierter Bereitstellung unterschieden werden. Die verbrauchsgesteuerte Bereitstellung erfolgt immer gebindeorientiert. Ein umfassender Ansatz zu einer erheblichen Reduktion der Bestände im Lager und in der Produktion ist der Just-In-Time (JIT) Ansatz. Ziel ist die zentrale Synchronisation mehrerer Stufen des Produktions- bzw. Montageprozesses von der letzten Stufe bis hin zu den Lieferanten. Montageobjekte werden erst dann angeliefert, wenn sie beim Abnehmer benötigt werden (Schulte 1996). Das Just-in-Sequence-Konzept (JIS) ist eine Weiterentwicklung des JITGedankens. Dabei wird neben der Menge auch die Reihenfolge (Sequence) der benötigten Module genau beachtet. Als Beispiel für eine JISAnlieferung kann die Endmontage von Automobilen betrachtet werden. Werden zum Beispiel die Sitze per JIS-Anlieferung bereitgestellt, sind diese bereits so nach ihrer Ausstattung sortiert, wie die Fahrzeuge auf dem Montageband (Schulte 1996). JIS-Anlieferungen benötigen, wie auch die JIT-Anlieferungen, einen direkten Kontakt zwischen Abnehmer und Zulieferer. Die Zulieferwerke liegen daher oft nicht mehr als 30 km vom Werk des Abnehmers entfernt. 10.5.3 Identifikationstechniken in der Materialbereitstellung Zur Unterstützung der Materialbereitstellung werden heute unterschiedliche Identifikationstechniken eingesetzt. Neben diversen anderen Techniken, haben sich insbesondere die Barcode- und zunehmend die RFID Technologie (Radio Frequency Identification Technologie) in diesem Bereich durchgesetzt (Jansen 2004, Finkenzeller 2002). Bei den RFIDEtiketten (auch als Funketiketten und Smart-Label bezeichnet) handelt sich um les- und schreibbare Speicher, die mittels drahtloser Übertragung mit Empfängerstationen in einer Entfernung zwischen 30 cm und 1 m kommunizieren (Finkenzeller 2002, ten Hompel 2004, Schoblick 2005).
344
10 Materialbereitstellung in der Montage
Hierbei ist keine Sichtverbindung zum Objekt nötig und Teile und Behälter können in allen Lagen elektronisch erfasst werden, auch wenn sie sich dicht beieinander befinden. Die RFID Technologie hat das Potenzial, die dominierende Technik für ein Informationsmanagement entlang der gesamten Logistikkette zu werden. Einzig der Preis für einzelne Transponderchips und die international noch wenig ausgeprägten Standards verhindern noch einen flächendeckenden Einsatz dieser Technologie (Dombrowski 2005, Overmeyer 2004, ten Hompel 2004).
10.6 Materialbereitstellung am Arbeitsplatz Die eigentliche Hauptaufgabe der Bereitstellung ist die termin- und artgerechte Ablage von Montagekomponenten am Arbeitsplatz. Sie umfasst die Bereitstelltechnik, den Bereitstellumfang und die Bereitstellstrategie. Bei der Bereitstelltechnik wird zwischen dem Bereitstellmittel und den Bereitstelleinrichtungen unterschieden. Bereitstellmittel sind die Hilfsmittel, die das Abstellen von Arbeitsmaterialien am Arbeitsplatz ermöglichen. Häufig sind Bereitstellmittel und Fördermittel identisch, um die durchgängige und damit schnittstellenfreie und kostengünstige Nutzung eines Behältersystems für Bereitstellung und Materialfluss zu ermöglichen. Ein wichtiges Bereitstellmittel sind Werkstückträger, die in Kap. 5 im Zusammenhang mit dem Montageprinzip betrachtet werden. Dem Bereitstellumfang kommt aufgrund der immer größer werdenden Variantenzahl eine große Bedeutung zu. Neben der Bereitstellung von Material müssen zusätzlich Werkzeuge, Vorrichtungen, Mess- und Prüfmittel sowie Arbeitsunterlagen am Arbeitsplatz bereitgestellt werden. Eine Grundsatzentscheidung für die Optimierung der Materialbereitstellung liegt in der Wahl der geeigneten Bereitstellungsstrategie für den Montagearbeitsplatz. Abbildung 10-14 zeigt fünf typische Formen. Konventionell: Das Material wird in der Gebindegröße, z. B. einer Europalette, an den Arbeitsplatz gebracht bzw. vom Arbeitsplatz geholt. Anwendungsgebiet ist hier die variantenarme Großserienproduktion, bei der der geringe Steuerungsaufwand von Vorteil ist. Der Nachteil besteht in den großen Mengen von Material an dem Produktionssystem, dem Auftreten von Restmengen am Arbeitsplatz sowie dem Vorhandensein von Verpackungsmaterialien in der Produktion. Auftragsweise: Die Teile für Aufträge oder auch Teilaufträge werden im Lager oder Kommissionierbereich zusammengestellt und in das Produktionssystem gebracht. Anhand der innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorliegenden Kundenaufträge werden die Teile ermittelt und artikelorien-
10.6 Materialbereitstellung am Arbeitsplatz
345
tiert ausgelagert. Anwendungsgebiete finden sich in der Serienfertigung bei kleiner und hoher Variantenvielfalt. Die Vorteile sind optimale Losgrößen und ein reduzierter Kommissionieraufwand ohne Restmengen am Arbeitsplatz. Nachteilig sind die aufwendigen Rechnung und die Verwechslungsgefahr der Teile. Bereitstellstrategie artikelweise
auftragsweise
Kanban
setweise
Handlager
Lager
Kommissionierbereich
Produktionssystem
Abb. 10-14 Möglichkeiten der physischen Materialbereitstellung (Röhrig)
Kanban: Die Teile werden je Artikelnummer in der Gebindeform „ein Behälter“ nach dem Kanban-Prinzip bereitgestellt. Der Vorteil des Kanban-Prinzips liegt in dem geringen Steuerungsaufwand und der hohen Transparenz. Da für jede Variante Teile im Pufferlager vorgehalten werden müssen, steigt der Materialbestand jedoch proportional mit der Variantenvielfalt. Zudem erhöhen sich auch die Bedarfsschwankungen pro Variante, was zu einer Erhöhung der Pufferbestände führt und die Wirtschaftlichkeit des Ansatzes vereiteln kann (Nyhuis 2004, Wiendahl 2003). Setweise: Sämtliche Teile, die ein Produkt an einer Station benötigt, werden in einem Behälter bereitgestellt. Dies findet vor allem bei hoher Typen- und Variantenvielfalt sowie bei kleinen bis mittleren Losgrößen oder in Verbindung mit bereitstellkritischen Teilen Verwendung. Abgeleitet aus Fertigungsaufträgen werden über die Stücklistenauflösung die auszulagernden Teile ermittelt, kommissioniert und auftragsbezogen bereitgestellt. Die Vorteile dieser Strategie liegen in der geringen Verwechslungsgefahr, geringen Teilevielfalt und der Vermeidung von Restbeständen am
346
10 Materialbereitstellung in der Montage
Arbeitsplatz. Dem stehen ein hoher Dispositions- und Steuerungsaufwand sowie ein hoher Kommissionieraufwand gegenüber. Für empfindliche Teile können spezielle Bereitstellungsbehälter erforderlich sein. Handlager: Wie auch das Kanban-Prinzip und das Mehr-BehälterSystem ist das Handlager eine verbrauchsgesteuerte, auftragsneutrale Form der Materialbereitstellung. Auslösender Faktor für die Materialbereitstellung ist das Erreichen eines definierten Mindestbestandes oder Zeitpunktes. Die Bereitstellung erfolgt in Standardmengen in Standardbehältern. Allerdings besteht auch hier eine erhöhte Verwechslungs- und Schwundgefahr. Anwendung findet diese Form bei bereitstellungsunkritischen Teilen sowie Kleinteilen (C-Teile) (Bullinger 1994). In der industriellen Praxis sind vorwiegend Mischformen der Materialbereitstellung am Arbeitsplatz anzutreffen. Die angewendeten Strategien werden vornehmlich durch den Wert der Teile bestimmt. Die Materialbereitstellung an der Linie erfolgt in der Regel durch einen Kommissionierer, der mit Hilfe eines Kommissionierwagens die benötigten Teile aus dem Kommissionierlager holt und an den entsprechenden Stationen der Linie bereitstellt. Dies erfolgt in kurzen regelmäßigen Abständen, so dass sich am Montagesystem nur wenig Material befindet. Dieses Prinzip wird auch als „Milk-Run“-Prinzip bezeichnet (Abb. 10-15). Kommissionierlager Kommissionierwagen
Waren
Waren
10
9
8
7
2 Vormaterial
1
5 3
6
4
5 3
Produkt A
4
Vormaterial
1
2
Produkt B
Abb. 10-15 Bereitstellung an einer U-Montagelinie nach dem "Milk-Run"-Prinzip
10.6 Materialbereitstellung am Arbeitsplatz
347
Der Milk-Run ist eine Sonderform des Direkttransportes auf einer festgelegten Route (i.d.R. feste Zeit, feste Menge, feste Strecke) mit vorgegebenen Abholzeiten von Abholadressen und Eintreffzeiten direkt an einem Empfänger. Bei einem Milk-Run wird die Anlieferung so organisiert, dass der Bereitstell-Mitarbeiter eine definierte Auswahl von Montagearbeitsplätzen in einer festen Route anfährt, die Bereitstellkommissionen abliefert, ggf. Leergut einsammelt und zum Materiallager zurückkehrt. Ein Beispiel eines speziell entwickelten, investarmen, fahrerlosen Transportsystems (FTS) für die Materialbereitstellung nach dem Milk-Run Prinzip, zeigt Abb. 10-16 (Röhrig 2002, Hartmann 2000). Teileset
voll
Transportebene Gestell Stopper
leer
Auslöser Antriebseinheit
Abb. 10-16 Beispiel eines investarmen FTS und Teilesets für die Montage einer Tischzugsäge (Festool Engineering)
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die durchgängige Betrachtung des Materialflusses vom Produzenten bis zum Einbau in das Endprodukt wesentlich zum Erfolg eines Montagekonzeptes beiträgt. Die im Kap. 3 dargelegten Grundsätze der Primär-Sekundär-Analyse sind dabei hilfreich zur Erschließung von Verbesserungspotenzialen. Die Einbindung der Logistik in das Gesamtkonzept einer Montage muss diese Überlegungen einschließen.
348
10 Materialbereitstellung in der Montage
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10 Materialbereitstellung in der Montage
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11 Integration der Teilefertigung in die Montage
11.1 Einleitung Die Ausführungen zur montagegerechten Produktgestaltung in Kap. 2 haben deutlich gemacht, dass schwierig oder gar nicht automatisch handhabbare Teile in der automatischen Montage problematisch sind. Dies sind beispielsweise: − biegeschlaffe Teile, wie Kabel, weiche Drahtteile, dünne Isolierpapierteile usw., − dünne Platinen (weniger als 0,3 mm dick) oder platinenähnliche Metallstanzteile, − Wirrteile, wie Haken, Klammern, Schraubenfedern usw. sowie − unstabile Formstanzteile. Zur Lösung solcher Probleme bieten sich im Wesentlichen folgende drei Möglichkeiten an: − Integrierte Teileherstellung in Montageanlagen, − Verlagerung der Produktionsendstufe von Teilen in die Montageanlagen und − Verbundproduktionssysteme.
11.2 Integration der Teileherstellung in die Montage Montageautomaten mit einer Ausbringung von 40 bis 60 Stück pro min gelten nach dem derzeitigen Stand der Technik als Hochleistungsmaschinen. Darüber hinausgehende Ausbringungen stellen ein Sondergebiet der Montagetechnik dar, das in Kap. 17 beschrieben wird. Stanzteile oder Drahtbiegeteilen werden demgegenüber auf Automaten mit 150 bis 600 Stück pro min gefertigt. Aufgrund der Leistungsunterschiede können diese Automaten nicht sinnvoll in Montageautomaten integriert oder direkt angekoppelt werden, da die Herstellung der Einzelteile im Takt der Montagemaschine erfolgen muss. Dann bietet es sich an, die Teilefertigung mit vergleichsweise einfachen Betriebsmitteln durchzuführen.
354
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
Abbildung 11-1 zeigt im Schema den Aufbau einer Stanz-Biege-Einheit zur Ankopplung an eine Montagemaschine. Der Arbeitsablauf ist wie folgt: Eine pneumatisch betriebene Vorschubeinrichtung zieht den Rohmaterialstreifen von einer Haspel taktweise in eine Kniehebelpresse. Nach Betätigung des Werkzeuges zum Frei- und Formstanzen bleibt das Teil über dünne Stege mit dem Streifen verbunden. Im selbem Takt wird der so erzeugte vorgestanzte Blechstreifen dem Trennwerkzeug zugeführt. Das Werkzeug muss so konstruiert sein, dass der Greifer des Einlegegerätes das Teil vor dem Trennvorgang greifen kann, um es danach in die Montagevorrichtung oder in das in der Montagevorrichtung liegende Basisteil zu fügen. Mit dem Trennen des Teils aus dem Streifen wird dieser gleichzeitig zerhackt und fällt als Stanzabfall in einen Behälter. Augrund der für Stanz-Biege-Technik langen Taktzeit ist der Einsatz von Kniehebelpressen oder pneumatischen Pressen mit hydraulischen Druckübersetzern möglich, um die notwendigen Kräfte zu erzeugen. Werkstückträger
Einlegegerät
Kniehebelpresse
Vorschubeinrichtung Rohmaterialstreifen Haspel
Stanzabfall
Abb. 11-1 Stanz -Biege-Einheit für eine Montagemaschine.
Eine schwierige zu ordnende und zu handhabende Teilegruppe sind die so genannten Wirrteile. Typische Vertreter diese Teileart sind Schraubenfedern, die sich in einem Haufwerk ineinander verhaken. Deren Handhabung erfordert das Lösen jeder einzelnen Schraubenfeder aus dem Haufwerk, was in der Regel einen größeren Aufwand erfordert als das Fügen der Schraubenfeder selbst. Manchmal sind Schraubenfedern so konstruiert,
11.2 Integration der Teileherstellung in die Montage
355
dass sie sich nach dem Ineinanderhaken grundsätzlich nicht mehr entwirren lassen. Für derartige Fälle empfiehlt es sich, das Herstellen der Federn in die Montageanlage zu integrieren. Voraussetzung dafür ist, dass der Stückzahlbedarf die dafür notwendige Investition rechtfertigt. Oft erfordert das Herstellverfahren eine thermische Behandlung der gewickelten Feder. Abbildung 11-2 zeigt den schematischen Aufbau einer solchen Einrichtung. Sie besteht aus dem nicht näher gezeigten Federwickelautomaten sowie der Zusatzeinrichtung zur thermischen Behandlung und Vereinzelung der Schraubenfedern. Die Arbeitsweise ist wie folgt: Nach dem Wickeln und Trennen der Schraubenfeder vom Draht fallen diese nicht als Schüttgut in einen Behälter, sondern werden über einen Abführdorn in einen der Federwickelmaschine nach geschalteten Drehteller mit Aufnahmeöffnungen für die Schraubenfedern eingelegt.
Rohr (Schlauch)
von Federwickelautomat über Abführdorn kommend
Elektrode
Energiezuführung
ElektrodenSchließeinrichtung
Vereinzelungsschieber
Druckluft zum Ausblasen
Drehteller
Elektrode
Energiezuführung
Abb. 11-2 Zusatzeinrichtung zur thermischen Behandlung von Schraubenfedern nach Herstellung in einem Federwickelautomaten.
Der Drehteller taktet synchron zur Federwickelmaschine und bringt die Feder zur thermischen Behandlungsstation. Dort werden sie durch eine zangenähnliche Konstruktion zwischen zwei Elektroden eingespannt und mit einem Induktionsstromstoß beaufschlagt. Die dadurch bewirkte kurzzeitige Erwärmung und anschließende Abkühlung bewirken die gewünschte Gefügeveränderung des Federwerkstoffes. In einer weiteren Station wird im nächsten Takt über einen Druckluftanschluss die thermisch gealterte
356
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
Schraubenfeder aus dem Drehteller in ein Rohr oder einen Schlauch ausgeblasen und der Vereinzelungsstation zugeführt (Lotter 1992).
11.3 Integration der Produktionsendstufe für Einzelteile in die Montageanlage Für Bauteile, die in ihrem Fertigzustand nicht mehr – oder nur noch sehr aufwendig – geordnet und zugeführt werden können, besteht die Möglichkeit, diese Teile in einem teilfertigen Zustand in der Montageanlage fertig zu bearbeiten. Voraussetzung ist dabei, dass die Bauteile in diesem Zustand handhabungsfähig sind. Wegen der Mischung aus Teilerestfertigung und Montage wird diese Organisationsform der Montage als Produktionsendstufe bezeichnet. Abb. 11-3 zeigt das Prinzip des Produktionsstufenkonzeptes (Wiendahl et al 2004). Die klassische Trennung zwischen Fertigung und Montage wird aufgegeben und stattdessen zum einen eine Produktionsvorstufe definiert. Diese umfasst die variantenneutrale Fertigung von Teilen und Baugruppen. Zum anderen erfolgen in der Produktionsendstufe die Fertigstellung der Teile durch variantenbildende Fertigungsprozesse und die Endmontage.
Fertigung
Montage Teile lager
traditionelle Sichtweise
Vorstufe: Integration variantenneutraler Montageprozesse in die Vorstufe Endstufe: Integration Varianten bildender Fertigungsprozesse in die Endstufe
Produktionsvorstufe
Produktionsendstufe Puffer
neuer Ansatz
Teil der Baugruppe variantenneutral
Teil der Baugruppe variantenspezifisch
Abb. 11-3 Prinzip des Produktionsstufenkonzeptes (IFA Universität Hannover)
Ein Beispiel, wie die Produktionsendstufe in einer Montaganlage ausgeführt werden kann, wird an einem Bauteilbeispiel nach Abb. 11-4 gezeigt:
11.3 Integration der Produktionsendstufe für Einzelteile
357
Schnitt A - B
A
B
55 mm
3 mm
Abb. 11-4 Anschlussfahne
Die Anschlussfahne ist in einer Montageanlage an drei unterschiedlichen Positionen zuzuführen und zu fügen. Die Leistung der Anlage beträgt 1.200 Stück pro Stunde und pro Position, so dass insgesamt 3.600 Anschlussfahnen pro Stunde benötigt werden. Die Anschlussfahne besteht aus einem Material mit einer Stärke von 0,3 mm und ist instabil. Aufgrund der Form und der Instabilität ist die Handhabung des Teils nicht automatisierbar. Folgende Lösung ist möglich: Die Anschlussfahne wird nicht fertig auf einem Automaten hergestellt, sondern lediglich als Platine gestanzt, deren Form Abb. 11-5 rechts im Bild zeigt. Um Schüttgut zu vermeiden, wird unter dem hier nicht gezeigten Stanzwerkzeug ein Schachtmagazin nach Abb. 11-5 angeordnet und die Platinen werden direkt aus dem Stanzwerkzeug in das Magazin gestapelt. Das Schachtmagazin hat eine Höhe von 500 mm, so dass es bei einer Platinenstärke von 0,3 mm etwa 1.600 Platinen aufnehmen kann. Nach Füllung eines Magazins wird es gegen ein leeres Magazin ausgetauscht. Das Fertigformen der Platinen zu der einbaufertigen Anschlussfahne wird in den Montageautomaten integriert. Hierzu müssen die entsprechenden Montagestationen mit einer Zusatzeinrichtung ausgerüstet werden, die Abb. 11-6 im rechten Bildteil schematisch darstellt.
358
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
3 mm 55 mm 0,3 mm dick
Schachtmagazin
Platine
Abb. 11-5 Schachtmagazin für eine Platine
Montageautomat
Ausstoß Fehlteile
8 Schachtmagazin für Platine
1
7
6
+
+
2
3
5 Einlegegerät 4
Presse zum Fertigformen
Zusatz-Rundschalttisch
Werkstückaufnahme Rundschalttisch
Abb. 11-6 Zusatzrundschaltisch zur Fertigbearbeitung von Platinen
11.4 Verbundproduktionssysteme 359
Diese Zusatzeinrichtung besteht aus einem mit der Montagestation synchronisierten Rundschalttisch. Ein gefülltes Schachtmagazin wird an der Station 1 aufgesetzt. Durch die Weitertaktung des Rundschalttisches wird dabei jeweils die unterste Platine aus dem Schachtmagazin herausgestreift. An der Station 2 wird mit einer pneumatischen Presse die Platine zur Anschlussfahne geformt. Die Stationen 3 bis 5 bleiben frei. Ein Einlegegerät der Montagestation nimmt die fertig geformte Anschlussfahne an der Station 6 aus der Werkstückaufnahme des Zusatzrundschalttisches heraus und fügt sie in die Baugruppe ein, die gegenüber in der Werkstückaufnahme des Montageautomaten liegt. An der Station 7 ist eine Ausblasvorrichtung vorgesehen, um eventuell nicht gegriffene Anschlussfahnen aus der Werkstückaufnahme auszublasen (Lotter B 1992).
11.4 Verbundproduktionssysteme Bei der Produktion elektrotechnischer und oder feinwerktechnischer Komponenten oder kompletter Produkte in großen Stückzahlen können zur montageintegrierten Herstellung und Prüfung von Einzelteilen in einem so genannten Verbundproduktionssystem folgende Prozesse integriert werden: − Fertigung von Stanz-Biegeteilen, − Ordnen, Zuführen und Handhaben extern hergestellter Teile (z. B. Drehteile, Kontakte, Nieten, Schrauben, Kunststoffteile usw.), − spanende Prozesse wie z. B. Gewindeschneiden, − Montage aller hergestellten und zugeführten Teile zu einer kompletten Baugruppe oder zu einem fertigen Produkt, − Reinigungsprozesse von Teilen und Baugruppen, − Verzinnen von elektrischen Anschlussstiften, − Prozesssicherung und deren Dokumentation und − Funktionskontrolle des erzeugten Produktes. 11.4.1 Voraussetzungen Für den wirtschaftlichen Einsatz von Verbundproduktionssystemen müssen Produktaufbau und Produktionstechnik folgende Voraussetzungen erfüllen: − Die Produkte müssen verbundproduktionsgerecht gestaltet sein. Von wesentlicher Bedeutung ist hier die richtige Werkstoffauswahl. Zwi-
360
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
schenprozesse, wie z. B. Aushärten oder eine Oberflächenbehandlung, sind zu vermeiden; statt dessen sind bereits vergütete oder oberflächenbeschichtete Werkstoffe einzusetzen − Der Anteil anlagenintern hergestellter Teile soll mehr als 40 % der Gesamtteilezahl des Produktes betragen. − Die zu produzierende Jahresstückzahl soll größer als 2,5 Millionen sein. − Eine Nutzung der Systeme im Zweischichtbetrieb ist notwendig. 11.4.2 Vorteile der Verbundproduktion Elektrotechnische Produkte bestehen vorwiegend aus komplizierten, meist hochgenauen Stanz-Biegeteilen. Derartige Teile verursachen beim Zuführen und Ordnen in der automatischen Montage vielfach Schwierigkeiten, die sich sowohl auf die Taktzeit als auch auf das Störverhalten negativ auswirken. Dadurch bedingte Störungen mit Stillstandsfolge reduzieren die Wirtschaftlichkeit von Montageanlagen erheblich. In einem Verbundproduktionssystem werden diese Schwierigkeiten dadurch vermieden, dass die Herstellung der Stanz-Biegeteile in das Verbundproduktionssystem integriert ist. Dadurch wird der bestehende, geordnete Zustand erhalten, Schüttgut vermieden und eine erneute Zuführung und Ordnung überflüssig. Je größer der Integrationsgrad der Teileherstellung ist, desto höher wird bei extrem kurzen Taktzeiten die technische Verfügbarkeit. 11.4.3 Aufbau von Verbundproduktionssystemen Bestimmt wird der Aufbau von Verbundproduktionssystem durch die − − − − −
Produktkomplexität, Anzahl der im System zu produzierenden unterschiedlichen Teile, Anzahl der zuzuführenden extern hergestellten Einzelteile, Art der Produktionsprozesse sowie Anzahl und Ausführung der zu integrierenden Qualitätsprüfungen.
Der Anteil der Fertigungsprozesse im Verhältnis zum Anteil der Montageprozesse bestimmt weitgehend die Auswahl der verwendeten Grundsysteme. Liegt der Schwerpunkt bei der Einzelteilfertigung, wird als Grundaufbau zweckmäßig eine Fertigungseinrichtung eingesetzt und die Montageprozesse werden in diese Fertigungseinrichtung integriert. Ist es umgekehrt, sind die Fertigungsprozesse in die Montageeinheit zu integrieren.
11.4 Verbundproduktionssysteme 361
Sind die Gesamtproduktionsprozesse auf zwei oder mehr Systeme aufteilbar, ergibt sich durch deren Kopplung ein Verbundsystem. Die folgenden Praxisbeispiele vertiefen die bis jetzt gemachten Ausführungen. 11.4.4 Praxisbeispiele Verbundproduktionssysteme Einzelmaschinenkonzept mit Schwerpunkt Teilefertigung Eine Kontaktklemme nach Abb. 11-7 sei mit einer Leistung von 120 Stück pro min zu produzieren. Üblicherweise ist das Ausgangsmaterial ein aufgewickeltes Metallband. Bedingt durch die Fertigungsprozesse können unerwünschte Materialverspannungen im Teil auftreten und dadurch die bei solchen Kontakten funktionswichtigen Kraft-Weg-Toleranzen überschritten werden. Um dies zu verhindern, ist eine automatische Kraft-WegMessstation mit integrierter Nachjustierung erforderlich. Teil 2 Kontakt
Teil 1 Kontaktfeder
Laserschweißen NC-Biegen, Messen
Teil 3 Klemme
Montieren und Fertigbiegen
Kontaktschweißen
Reinigen Stanzen
Beschriften Gewinden Biegen
Teil 4 Schraube
Einschrauben
Abb. 11-7 Kontaktklemme (BIHLER)
Bei herkömmlicher Fertigungstechnik müssten folgende Einzelprozesse durchgeführt werden: − Herstellung der Kontaktfeder (Teil 1) mit einem Stanzautomaten − Kontakt (Teil 2) mit einer Kontaktschweißmaschine auf Kontaktfeder aufschweißen
362
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
− Herstellung der Klemme (Teil 3) mit einem Stanzautomaten − Gewindeschneiden in Klemme − Fügen von Kontaktfeder und Klemme durch Vornieten und Laserschweißen sowie Schraube (Teil 4) eindrehen − Reinigen der Baugruppe − Kraft-Weg-Messung an Kontaktfeder vornehmen und nachjustieren. Diese sieben Einzelprozesse lassen sich in einer Verbundproduktionsanlage, beispielsweise in einem so genannten Multiapplikationscenter der Firma BIHLER zusammenfassen. Bis auf die notwendige Schraube werden alle Teile – ausgehend von zwei unterschiedlichen Bandmaterialsorten (St2 bzw. CuSn) – innerhalb der Anlage hergestellt. Die Schraube wird über einen Vibrationswendelförderer zugeführt. Bei der verlangten Leistung von 120 Stück pro min errechnet sich eine Taktzeit von 0,5 Sekunden. Bei einem Nutzungsgrad von 90 % ergibt dies eine Leistung von (3600 s · 0,9)/0,5 = 6.480 Stück/Std. Im Zweischichtbetrieb von 15 Stunden pro Tag und 230 Arbeitstagen pro Jahr liefert die Anlage ca. 22 Mio. Stück pro Jahr.
ST 2 Band 90° biegen Vornieten / Fertignieten Federband abtrennen Schrauben
Laserschweißen NC - Biegen Kraft - Weg - Verlauf messen und justieren Gutteile trennen und in Werkstückträger ausladen
Schraube ordnen und zuführen
Fehlteile ausladen Ausladen zum Palettieren Werkstückträger Transfer Teile beschriften
Band Cu.Sn
Band ST 2 Teilreinigen
Band einziehen
Lappen biegen Gewinde formen
Kontakt schweißen Konturen frei schneiden
Abb. 11-8 Schema und Prozessablauf Verbundproduktionsanlage (nach BIHLER)
11.4 Verbundproduktionssysteme 363
Der hohe Nutzungsgrad von 90 % resultiert aus einer extrem hohen technischen Verfügbarkeit. Einen negativen Einfluss auf die technische Verfügbarkeit haben nur die Wechselzeiten der Schweißelektroden für das Kontaktschweißen (ca. 5 Minuten) und das Nachschärfen der Hartmetallstanzwerkzeuge. Da zwei Stanzwerkzeuge zur Verfügung stehen, wirkt sich nur die Werkzeugwechselzeit als Stillstand aus. Die Nachschärfzeit des ausgewechselten Werkzeuges hat keinen Einfluss mehr auf die technische Verfügbarkeit. Der schematische Aufbau dieser Anlage geht aus Abb. 11-8 hervor. Folgende Prozessschritte werden durchgeführt: − Ausgangsmaterial für die Klemme aus Stahlband (St2) und für die Kontaktfeder aus verzinntem Kupfer-Band (Cu.SN) auf zwei Haspeln bereitstellen. − Beide Materialbänder in die erste Prozessstation durch Bandeinzug bewegen. − Kontaktplättchen aus Silberdraht abschneiden und auf das Bandmaterial aus CuSn der späteren Kontaktfeder durch Widerstandschweißen fügen. Die Kontaktschweißvorrichtung besitzt einen eigenen nicht dargestellten Einzug für den Silberdraht. − Konturen der Kontaktfeder und Klemme aus dem Band frei schneiden. Klemme lochen und eine so genannte Tulpe für das spätere Gewinde ziehen. Die Teile bleiben im Bandstreifen. − Kontaktfederband durch das Maschinenzentrum zur gegenüber liegenden Seite führen. − Am Klemmenteil Gewinde formen. − An frei geschnittener Klemme zwei Lappen anbiegen. − Klemmenband reinigen und im Bogen der gegenüber liegenden Seite zuführen. − Schraube über Vibrationswendelförderer zuführen, in Klemme eindrehen und auf einstellbares Drehmoment anziehen. − Vorderes Klemmenteil mit Schraube um 90º nach unten biegen. − Kontaktfeder über zwei Nietbolzen mit der Klemme fügen und vornieten. − Kontaktfeder mit Klemme fertig vernieten. − Kontaktfeder aus Band trennen. − Kontaktfeder und Klemme durch Laserschweißen verbinden. − Kraft-Weg-Verlauf der Kontaktfeder messen und ggf. NC-gesteuert nachjustieren. − Baugruppe vom Restmaterialstreifen trennen und den Reststreifen zerhacken.
364
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
− Gutteile in Werkstückträger eines umlaufenden Transfersystems umladen. − Technische Daten mit Laserbeschriftung aufbringen. − Fehlteile auswerfen. − Fehlerfreie Baugruppen ausladen und ggf. palletieren. Der Anlagenaufbau erfolgt weitgehend aus standardisierten Baueinheiten. Diese sind die Grundmaschine, der Materialeinzug, die Presse, die Kontaktschweißvorrichtung, die Gewindeschneideinheit, die Schraubeinheit, der Festkörperlaser, das NC-Aggregat mit Lasermessung und der Beschriftungslaser. Damit wird nach Auslauf der Baugruppe ein hoher Wiederverwendungswert der Anlage erreicht. Die Berechnung der Herstellkosten (ohne Material) ergeben pro Baugruppe € 0,016. Als Basis der Berechnung dienen folgende Parameter: Investitionssumme 915 T€, Abschreibung in 6 Jahren, Zweischichtbetrieb mit 15 Stunden pro Tag an 230 Tagen pro Jahr, kalkulatorische Zinsen mit 8 % von 50 % der Investitionssumme und 5 % der Investitionssumme pro Jahr für die Instandhaltung. Zum Einsatz kommt ein Mitarbeiter pro Schicht. Das Schema der Platzkostenrechnung wird detailliert in Kap. 13 beschrieben. Mehrmaschinenkonzept mit Schwerpunkt Montage, Prüfung und Verpacken
Ein Potentiometer nach Abb. 11-9 ist mit einer Leistung von ca. 2.800 Stück pro Stunde zu montieren. Die elektrischen Funktionen sind zu prüfen, die Baugruppe zu beschriften, fehlerhafte Produkte auszusortieren und die fehlerfreien Produkte zu palettieren. Bei einer technischen Verfügbarkeit von 80 % errechnet sich eine Taktzeit von 3600 s · 0,8/2800 Stück = 1,03 s. Das Potentiometer besteht aus 6 unterschiedlichen Einzelteilen. Vier Teile werden über Vibrationswendelförderer (VWF) geordnet und zugeführt. Zwei Teile werden in Platinenform vorgestanzt, im Materialband belassen und in diesem Zustand einer Montagemaschine zugeführt. Ist für diese Teile eine Oberflächenbehandlung notwendig, kann diese am Materialband ausgeführt werden. Das Fertigformen und Trennen aus dem Band erfolgt in der Montagemaschine. Aus Abb. 11-10 geht das Layout der Verbundanlage zur Herstellung der Potentiometer hervor. Die Anlage besteht aus drei Einzelanlagen – dem Montageautomaten, der Anlage zur Funktionsprüfung, Beschriftung und Sortierung sowie der Verpackungs- und Palettiereinheit.
11.4 Verbundproduktionssysteme 365
Feder Hülse Federträger Gehäuse
Widerstand Kontakt
Abb. 11-9 Produktbeispiel Potentiometer (nach Kelz & Settele)
4 Palettierstation
Haspel Rohmaterial
Abtransport beladene Paletten
Stanzpresse
Zufuhr leere Paletten
Haspel vorgestanztes Band
1 Vorfertigung Stanzband SCARA – Roboter zum Palettieren Fertigprodukte VW 3 BeschriftungsStation
Ausschuss
+
Umsetzstation für Ausschuss
VW 4
VW 2 Haspel 1
+ P1
P2
P3
Prüfstationen
P4
Einlegestation Potentiometer
Satelliten - Drehteller VW 1
Pufferstrecke Haspel 2
3 Prüf- und Beschriftungsautomat
+
Haupt - Drehteller
2 Montageautomat
Abb. 11-10 Verbundproduktionsanlage für Potentiometer (nach Kelz & Settele)
366
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
Räumlich getrennt von der Verbundeinheit steht eine Vorfertigungseinheit zur Herstellung der zwei als Platinen vorgefertigten Einzelteile ohne Trennung aus dem Materialband. Diese Lösung wurde gewählt, weil die Taktzeit der Verbundanlage mit einer Sekunde verglichen mit der Taktzeit für das Stanzen extrem lang ist. Durch eine hohe Stanzleistung können auf einer separaten Stanzpresse die beiden Bänder mit vorgestanzten Platinen hergestellt werden. Diese Bänder werden nach dem Stanzen wieder aufgewickelt und als Coil dem Montageautomaten zugeführt. Der Montagautomat ist als Rundtaktmaschine mit 16 Stationen ausgeführt. Der Ablauf aller Hauptbewegungen erfolgt über eine zentrale Steuerwelle mittels Kurvenantrieben. Die notwendige Taktzeit von einer Sekunde teilt sich in 0,8 Sekunden Stillstandzeit und 0,2 Sekunden Schaltzeit auf. Jeder Prozessstation ist eine Prüfstation nachgeschaltet. Positive Ergebnisse bewirken die Freigabe der Folgestationen, negative Ergebnisse stoppen die Ausführung der noch folgenden Prozessstationen bis zum Zeitpunkt des Ausladens des als schlecht erkannten Bauteils. Über die Maschinensteuerung kann durch Vorwahl festgelegt werden, nach wie viel negativen Ergebnissen in Folge die Maschine still gesetzt wird. Der Fehlerort wird dem Betreuungspersonal angezeigt. Zwei Teile müssen vorgefügt werden. Für diesen Zweck ist der Rundtakteinheit des Montageautomaten ein Satelliten-Drehteller mit acht Stationen vorgeschaltet, der im Bild angedeutet ist. Der Ablauf der Prozesse im Montageautomaten ist wie folgt (VWF = Vibrationswendelförderer, WT = Werkstückträger): − − − − −
− − − − −
Hülse mit VWF ordnen, zuführen und in Werkstückträger platzieren. Hülse justieren. Gehäuse mit VWF ordnen, zuführen und auf Baugruppe fügen. Widerstand über VWF ordnen, zuführen, beschneiden und auf Baugruppe fügen. Auf Sattelitendrehteller: Federträger mit VWF ordnen und zuführen, in WT platzieren. Dann vorgestanztes Band „Feder“ von Haspel 1 zuführen, Teil fertig formen, aus Band trennen und auf Federträger fügen. Auf Baugruppe im WT der Rundtaktmontagemaschine fügen. Band mit vorgestanzten Kontakten von Haspel 2 zuführen, Kontakte fertig formen, Kontaktsatz vom Band trennen und auf Baugruppe fügen. Verbindungsstege der Kontakte austrennen. Warmprägen. Fehlerhafte Teile auswerfen Fehlerfreie Teile zum Transport zur Prüfanlage ausladen.
Im Gegensatz zu der Taktzeit der Montagemaschine von einer Sekunde beträgt die Prüfzeit der elektrischen Funktionsparameter des fertigen Po-
11.4 Verbundproduktionssysteme 367
tentiometers vier Sekunden. Daher wird der Prüfvorgang auf vier parallel arbeitenden Prüfstationen durchgeführt. Abbildung 11-10 zeigt ebenfalls das Layout des Prüf- und Beschriftungsautomaten. Der Grundaufbau besteht aus einem Gurtbandsystem mit 24 umlaufenden Werkstückträgern. Die einzelnen Stationen sind durch entsprechende Pufferstrecken entkoppelt. Die Werkstückträger nehmen die Prüflinge auf. Ein aufgebrachter les- und beschreibbarer Datenträger steuert den weiteren Ablauf. Die Prüfanlage führt folgende Schritte durch: − Von der Montagemaschine kommende Potentiometer mit Handhabungsgerät in Werkstückträger platzieren. − Auflaufen der Werkstückträger im Puffer, Freigabe von jeweils vier Stück und Einschieben in die vier Prüfeinheiten. − Durchführung des Prüfablaufs, Prüfergebnis auf Datenträger schreiben. − Geprüfte Einheiten auf Gurtbandsystem zurück schieben. − Durchlaufen der Beschriftungsstation, Gut-Teile mit Tintenstrahlschreiber beschriften. − Fehlerhafte Teile auswerfen, leeren Werkstückträger mit einem Handhabungsgerät durch 1800-Drehung auf Bahnstrecke zur neuen Verwendung absetzen und Codierung löschen. − Nach Auflaufen von vier Werkstückträgern an der Stoppstelle Potentiometer ausladen und verpacken. Die Anlage zum Verpacken besteht aus einem SCARA-Roboter mit einem Zweifachgreifsystem, einer Zuführbahn für leere Paletten in Stapeln zu je 5 Paletten und einer Abführbahn der vollen Paletten ebenfalls mit jeweils 5 aufeinander gestapelten Paletten. Das Zweifachgreifsystem besteht aus einem Greifer zum Handhaben der Paletten und einem Mehrfachgreifer zum Handhaben von jeweils vier Potentiometern. Der Arbeitsablauf ist wie folgt: − Roboter greift leere Palette und legt sie lagegerecht in den Bestückungsplatz. − Roboter greift mit Mehrfachgreifer jeweils vier Potentiometer und platziert diese in die Palette so oft, bis die Palette voll ist. − Roboter setzt bestückte Paletten unter Stapelbildung von je 5 Stück auf die Abführbahn. Bei einer Investitionssummen von 1,5 Mio. € ergeben sich Montage-, Prüf- und Verpackungskosten, unter Ansatz der gleichen Berechnungsparameter wie im vorhergehenden Beispiel, von € 0,04 pro Potentiometer.
368
11 Integration der Teilefertigung in die Montage
Die Gegenüberstellung der beiden Lösungen zeigt, dass bei genügend großer Stückzahl, einem konstanten Bedarf sowie einer entsprechenden Produktgestaltung derartige Verbundsysteme sehr wirtschaftlich sind. Hinzu kommen die kurzen Durchlaufzeiten und die Vermeidung von Beständen durch Zwischenprodukte.
Literatur Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage, 2. Aufl, VDI Verlag, Düsseldorf Rosskopf S (2004) Prozessmodulare Gestaltung von hochflexiblen Produktionsstufen. Deutscher Montagekongress 2004. Verlag moderne industrie, Landsberg Wiendahl H-P, Gerst D u. Keunecke, L (Hrsg.) (2004) Variantenbeherrschung in der Montage. Konzept und Praxis der flexiblen Poduktionsendstufe. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
12.1 Einführung Im Vergleich zur Teileherstellung wird bei einer Montageanlage eine ungleich größere Anzahl verschiedener Teile in verketteten Stationen mit Taktzeiten im Sekundenbereich verarbeitet. Weiterhin sind viele unterschiedliche Füge- und Handhabungsfunktionen zur Montage und Prüfung der teilweise empfindlichen Teile erforderlich. Und schließlich erfordert die Verkettung und Speicherung der Teile und Zwischenprodukte umfangreiche Transport- und Speichereinrichtungen. In der Praxis treten daher vergleichsweise oft Unterbrechungen unterschiedlicher Dauer auf. So zeigt sich bei einzelnen Montagestationen, dass sich die Betriebszeit durch technische Störungen, Rüst- und Wartungszeiten etc. nie vollständig wertschöpfend nutzen lässt. Was für einzelne Stationen gilt, hat für ein Montagesystem mit vielen verketteten Stationen eine noch größere Bedeutung. Zum einen steigt die Anzahl der Komponenten innerhalb des Systems an, die ausfallen können. Zum anderen kann der Stillstand einer Station die Materialversorgung der nachfolgenden Stationen unterbrechen bzw. die Entsorgung der vorhergehenden Station blockieren. Dies führt innerhalb des Systems zu Folgeverlusten, auch Verkettungsverluste genannt. Die Mengenleistung des Gesamtsystems ist dann niedriger als die Leistung der Engpass-Station. Dieses Systemverhalten führt in der Praxis dazu, dass es praktisch unmöglich ist, automatische Montageanlagen ohne Personal zu betreiben, wie es etwa bei Fertigungssystemen in sog. unbemannten Schichten üblich ist. Zeitliche Verluste von etwa 30% sind bei Montageanlagen üblich, weniger als 20% gelten als hervorragend. Als wichtige Kenngrößen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Montageanlage gelten der Gesamtnutzungsgrad und der technische Nutzungsgrad. Darüber hinaus sind die technische Verfügbarkeit, die mittlere Ausbringungsleistung (Durchsatz) sowie die mittlere Stördauer (MTTR) und die mittlere stillstandsfreie Laufdauer (MTBF) von Bedeutung. Auf diese Größen geht Abschn. 12.3 ausführlich ein. Gegenstand dieses Kapitels sind vor allem automatisierte Montagesysteme. Die Überlegungen sind aber in weiten Teilen auf teilautomatisierte
370
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
bzw. manuelle Systeme übertragbar. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt in den systemtechnisch bedingten Aspekten der Leistungsfähigkeit von Montagesystemen im Zusammenspiel ihrer Komponenten, nicht auf der Zuverlässigkeit der eigentlichen Füge- oder Handhabungsprozesse. Dazu erfolgt zunächst eine Beschreibung der wesentlichen Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer von Montagestationen und -systemen. Es werden die bereits erwähnten wichtigsten Kenngrößen definiert sowie Möglichkeiten für deren Messung im Betrieb und ihre Bestimmung im Verlauf der Planung erläutert. Das Aufzeigen von Stellhebeln zur Verbesserung in Betrieb und Planung runden dieses Kapitel ab.
12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung Die relevanten Einflussfaktoren auf die Produktivität von Montagesystemen lassen sich gemäß Abb. 12-1 nach den Aspekten Station, Teile, Organisation sowie System gliedern. Alle für das Arbeitsergebnis notwendigen Verrichtungen sind in der Regel mit dem Ziel eines weitgehend gleichen Arbeitsinhaltes auf die einzelnen Stationen verteilt. Daher müssen alle Stationen möglichst zuverlässig arbeiten. Ursachen für Stillstände sind technische Störungen, die beispielsweise durch den Ausfall einer Komponente einer Station (z. B. Sensor, Antriebsmotor) oder der verbindenden Fördertechnik des Systems verursacht werden. Dieser Einfluss wird durch das Ausfallverhalten der kritischen Komponenten oder der (Gesamt-) Station beschrieben, welches von der Häufigkeit und der Dauer der Störung abhängt. Entsprechend der geplanten Stations- und Systemleistung wird eine notwendige Taktzeit festgelegt. In Montagesystemen mit einer sehr hohen Mengenleistung erfolgt eine Aufteilung der Montageumfänge auf viele Stationen mit einer jeweils geringen Taktzeit von zum Teil einigen Sekunden oder weniger. Bei einer vergleichsweise kurzen Störung kann bei nicht ausreichend dimensionierten Zwischenpuffern der Materialfluss der benachbarten Stationen unterbrochen werden – der Vorgänger blockiert und der Nachfolger wartet. Einen mittelbaren Einfluss haben die zu fügenden Teile. Ist ihre bedarfsgerechte Bereitstellung nicht in ausreichender Qualität und Sauberkeit gesichert, kann es aufgrund eines einzigen fehlerhaften Teils zum Stillstand des Gesamtsystems kommen. Die Bereitstellung hängt von der gesamten vorgelagerten logistischen und fertigungstechnischen Prozesskette ab (s. Abschn. 10 Materialbereitstellung). Die installierten Montageprozesse sind unter der Annahme einer hohen und gleich bleibenden Qualität der zu fügenden Komponenten im Hinblick auf die Handhabungs- und Füge-
12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung
371
vorgänge auszulegen (s. Abschn. 2.1 Montagegerechte Produktgestaltung). Erfüllen die Teilekonstruktion bzw. die Fertigungsvorstufen diese Vorgaben nicht, führt dies bspw. zu Verklemmungen in den Zuführungen oder zu einem fehlerhaften Montageprozess und damit zu sogen. technischen Stillständen. Bereitstellung • Fremd/eigen • Bündelung
Qualität • Konstruktion • Fertigungs vorstufen
Teile
Taktzeit
Personal • Aufgabe • Qualifikation
• Mittelwert • Differenz
Ausfallverhalten
Betrieb
…
• Laufdauer • Stördauer
• Schichtplan • Auftrags steuerung
Montagesystem
Stationen
Organisation
Struktur • Layout • Größe
Elastizität • Puffer kapazität
System
Abb. 12-1 Einflussbereiche auf die Ausbringung eines Montagesystems
Organisatorische Einflüsse beziehen sich auf das Personal und die betrieblichen Abläufe. Die beteiligten Mitarbeiter nehmen Aufgaben der direkten Wertschöpfung sowie der Teilebereitstellung, Wartung und teilweise auch Instandhaltung wahr. Für einen möglichst reibungslosen Betrieb der Anlagen müssen die Einhaltung der Taktzeiten sowie eine schnelle Entstörung im Falle eines Stillstandes gewährleistet sein. Je nach Anteil und Art der manuellen Verrichtungen sind die spezifischen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzubeziehen. Eine Entkopplung von manuellen Arbeitsplätzen, um die persönliche Taktzeit variieren zu können, hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Systemstruktur. Die generelle Belegung des Systems wird z. B. über Schichtpläne vorgenommen. Ist das Team einer Schicht nicht aufeinander eingespielt, kann es zu Abstimmungsverlusten kommen. Weiter kann eine ungeschickte Planung der Auftragsreihenfolge zu unnötig häufigen Rüstvorgängen führen. Einen häufig unterschätzten Einfluss haben die Systemstruktur und die Systemelastizität. Die Struktur legt die räumliche Anordnung sowie die
372
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Anzahl der meist fördertechnisch verbundenen Stationen fest. Beides orientiert sich an den zu verrichtenden Montageoperationen, den dazu notwendigen Prozessen, der erforderlichen Flexibilität und der zu erzielenden Ausbringungsleistung (s. Kap. 13 Planung und Bewertung von Montagesystemen). Diese Einflussgrößen lassen sich hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Gestaltung bzw. Festlegung gliedern. So wird die Anlagenstruktur in der Grob- bzw. Konfigurationsplanung festgelegt, technische Details in der Feinplanung, Entstörstrategien in der Instandhaltungsplanung und der Betrieb durch die operative Produktionsplanung sichergestellt. 12.2.1 Systemkomponenten Technische Ausfälle an Stationen, die nicht aus fehlerhaften Werkstücken oder mangelhaft ausgeführten Reparaturen resultieren, entstehen durch das Versagen von einzelnen technischen Elementen der Station. Für stark belastete Bauteile wird daher eine Überlebenswahrscheinlichkeit im Laufe der Zeit unter gegebenen Funktions- und Umgebungsbedingungen ermittelt. Diese Funktion R (t) legt den oft nur qualitativ verwendeten Begriff Zuverlässigkeit (engl. reliability: Zuverlässigkeit) quantitativ fest (VDA 2000). Betrachtet man ein Bauteil oder eine Maschine im Laufe der Operationszeit, so ist die zu erwartende Ausfallrate in Abhängigkeit von der bereits „überlebten“ Zeit von großem Interesse. Diese Wahrscheinlichkeit wird mit der Ausfallrate λ (t) beschrieben. In der Zuverlässigkeitstheorie ist sie definiert als Quotient aus der Anzahl Ausfälle bis zum betrachteten Zeitpunkt t und der Summe der zum selben Zeitpunkt noch intakten Einheiten. Für die Ausfallrate ergibt sich immer ein ähnlicher Verlauf der Kurve (vgl. Abb. 12-2). Diese sog. „Badewannenkurve“ lässt sich in drei Bereiche unterteilen. Der Bereich der Frühausfälle ist durch eine abnehmende Ausfallrate gekennzeichnet. Das Ausfallrisiko nimmt im Verlauf der Zeit ständig ab. Im Bereich der Zufallsausfälle ist die Ausfallrate konstant und das Ausfallrisiko demnach immer gleich hoch. Zumeist ist dieses Risiko relativ gering. Diese Ausfälle werden durch Bedienungs- und Wartungsfehler, Schmutzpartikel, Schwankungen der Materialeigenschaften, überschrittene Geometrietoleranzen, Lastschwankungen usw. ausgelöst. Sie sind im Allgemeinen kaum im Voraus abzuschätzen (VDA 2000). Die Abnutzungsausfälle stellen den dritten Bereich dar. Hier steigen der Verschleiß und die Ermüdungsausfälle stark an. Sie werden verursacht durch Dauerbruch, Alterung, Verschleiß etc. Das Risiko eines Ausfalls nimmt in diesem Abschnitt mit der Zeit drastisch zu.
12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung
373
Ausfallrate λ (t)
Frühausfälle
Zufallsausfälle
Abnutzungsausfälle
0 0
Operationszeit t
Abb. 12-2 Schematischer Verlauf der Ausfallrate von Elementen in Abhängigkeit von der Operationszeit (VDA 2000)
Bezogen auf eine Montagestation bedeutet die Ausfallrate das jeweils aktuelle Risiko eines technischen Stillstands, dem mit geeigneten Instandhaltungsstrategien begegnet werden muss. Frühausfälle können durch eine intensive frühzeitige Erprobung und eine angemessene Anlaufphase rechtzeitig vermieden werden. Im mittleren Bereich kann eine korrekte Bedienung und Wartung das Ausfallrisiko verringern. Der dritte Bereich wird weitestgehend durch die technische Auslegung des Montagesystems und seiner Komponenten bestimmt, festgelegt durch den Anlagenkonstrukteur. Die Zuverlässigkeit ist immer auf (Ausfall-) Ereignisse bezogen. Bei der Betrachtung von Stationen ergibt sich aus der Anzahl der Ausfälle und deren Dauer ein zeitlicher Bezug zur Betriebszeit, der die Grundlage für die im weiteren Verlauf erläuterte Verfügbarkeitsrechnung darstellt. Überträgt man die Aussagen der Badewannenkurve auf die zeitliche Verfügbarkeit einer Station, so besteht ein Verfügbarkeitsrisiko über die Länge der Operationszeit. Mit geeigneten Instandhaltungsmaßnahmen wird daher versucht, den mittleren Bereich der Kurve möglichst lange auszudehnen. 12.2.2 Fügeteile Die Montage ist – wie bereits erwähnt – gekennzeichnet durch das Handhaben, Fügen und Kontrollieren von zahlreichen Bauteilen aus Vorfertigungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens. Schwankende Bauteileigenschaften beeinflussen den Montageprozess, verursachen Ausfälle und können die Qualität des montierten Produktes stark beeinträchtigen.
374
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Für die gewünschte Leistung einer automatischen Montageanlage ist daher die Anlieferqualität der Bauteile für das Störverhalten der Einrichtungen zum Ordnen, Zuführen, Handhaben und Fügen von großer Bedeutung. Diese betrifft zum einen Überschreitungen der vereinbarten Maßund Geometrietoleranzen bestimmter Teile-Qualitätsmerkmale. Hierfür wird der zulässige Anteil an Schlechtteilen üblicherweise mit sog. ppmWerten (parts per million) festgelegt. Dabei ist zu beachten, dass bei Montageteilen Qualitätsmerkmale wichtig sein können, welche die spätere Funktion des Teils im Produkt kaum beeinflussen. Beispielsweise ist die genaue Kopfhöhe einer zu fügenden Schraube für deren Funktion relativ unwichtig, während sie für die Zuführung in einem Vibrationswendelförderer wegen der engen zu durchlaufenden Ordnungsschikane bedeutsam sein kann. Zum anderen spielt der Verschmutzungsgrad der bereit gestellten Teile eine große Rolle. Darunter wird der Anteil von unsauberen oder verölten Bauteilen an einer Lieferung verstanden. Auch Fremdkörper wie z. B. falsche Teile, Anfangs- und Endstücke von Teilen aus Stangenmaterial, Späne, Stanzabfälle, Grat an Teilen oder Anspritzstücke bei Plastikteilen sind als Verschmutzung zu betrachten. Für den Verschmutzungsgrad sind keine Normen bekannt. Es ist daher bereits im Planungszustand einer Montageanlage unerlässlich, sich über das Qualitätsniveau der Bauteile bei den Vorlieferanten zu informieren, um klare Absprachen festlegen zu können. Ein einfaches Beispiel soll die Problematik verdeutlichen. Ausgehend von der Annahme, dass der zulässige ppm-Wert eines Teiles z. B. mit 1.000 festgelegt sei (d. h. jedes tausendste Teil darf einen störungsrelevanten Qualitätsmangel haben) sollte dieser Wert zur Absicherung des zulässigen Verschmutzungsgrades um den Faktor 2 erhöht werden, so dass auf 1.000 Teile mit zwei Störungen gerechnet werden muss. Bei einer Leistung von 10.000 montierten Produkten pro Tag würden sich bei der betreffenden Station allein durch dieses Teil täglich 20 Störungen ergeben. Da an einer Anlage in der Regel aber mehrere Teile montiert werden, ergeben sich schnell die aus zahlreichen Untersuchungen bekannten mittleren Störabstände einer Anlage von einigen Minuten infolge von Zuführproblemen. Abbildung 12-3 stellt zusammenfassend die Einflüsse der zu fügenden Teile auf die Zuverlässigkeit der Montagefunktionen dar. Ausgehend vom Rohmaterial folgt die eigentliche Teilefertigung. Die Teile werden durch einen Handhabungsprozess der Montage zugeführt und mit weiteren Bauteilen zum Teil- oder Gesamtprodukt komplettiert. Änderungen der Materialeigenschaften des Ausgangswerkstoffes z. B. hinsichtlich des Reibbeiwertes durch Änderung der Oberflächenbehandlung, Abweichungen von der geometrischen Idealform innerhalb der Toleranzgrenzen sowie die er-
12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung
375
wähnte Verschmutzung führen in der Montage beim Handhaben, Fügen, Prüfen und Justieren zu zusätzlichen Ausfall- und Qualitätsrisiken.
Lieferant
Änderungen von Materialeigenschaften • z.B. Reibung
• Abweichungen von der Idealform • Verschmutzung • Fremdteile
Handhabungseigenschaften • in Ruhe • in Bewegung
Rohmaterial
Teilefertigung • Handhaben • Bearbeiten • Prüfen
Teile
Montage • Handhaben • Fügen • Kontrollieren • Justieren
Produkte
Kunde
• Anlagenkonzept • Personalqualifikation • Instandhaltungsstrategie
Abb. 12-3 Einflüsse auf den Montageprozess aus Teilesicht
12.2.3 Organisation Die wesentlichen Einflussgrößen auf die Verfügbarkeit betreffen hier das Personal und den operativen Betrieb. Zu den wesentlichen Aufgaben des Bedienpersonals einer automatischen Montagelinie zählen die rechtzeitige Materialver- und -entsorgung der einzelnen Stationen sowie die schnelle Beseitigung auftretender Störungen und deren vorbeugende Verhinderung. Da automatische Linien mit vielen Stationen vielfach Störungen im Minutenabstand unterliegen, hat das Bedienpersonal offensichtlich einen entscheidenden Einfluss auf das Betriebsverhalten. Die Beseitigung einer Störung erfordert zunächst das Erkennen des Ausfallsymptoms, dann die Ermittlung der Ursache und schließlich die Reparatur und den Wiederanlauf. Die angemessene Reaktionszeit der Bediener, das selbstständige Abstellen von kleineren Ursachen bzw. die Durchführung umfangreicherer Reparaturen durch Instandhalter erfordern insgesamt eine entsprechende Qualifikation. Der Ablauf der Meldekette sowie die Bereitstellung und Verwaltung von Ersatzteilen zählen bereits zur Instandhaltungsorganisation, die hier nicht näher betrachtet wird.
376
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
12.2.4 Anlagenstruktur Die Zusammenstellung einzelner Elemente einer Montageanlage zu einer räumlichen Grundstruktur kann nach verschiedenen Verkettungs- und Anordnungsprinzipien erfolgen. Eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit wird durch einen übersichtlichen Materialfluss der Werkstücke und ggf. der Werkstückträger, eine hohe Anlagenflexibilität (Teile-, Umbau-, Stückzahlflexibilität) sowie eine gute Zugänglichkeit aller Anlagenteile für die Mitarbeiter gewährleistet. Dadurch besitzt die Systemstruktur einen erheblichen Einfluss auf die Produktivität der Gesamtanlage. Sie wird während der Planungsphase entsprechend der spezifischen Aufgabe festgelegt und ausgeplant. Stellt sich in der späteren Betriebsphase heraus, dass die gewählte Anordnung ungünstig oder z. B. die Kapazität von Puffern nicht ausreichend ist, ist eine nachträgliche Änderungen mit einem großem Aufwand verbunden. Bei den Verkettungsprinzipien des Materialflusses einer linearen Fließfertigung unterscheidet man aus Sicht der Verfügbarkeit zwischen der losen, starren und elastischen Verkettung, Abb. 12-4. Bei der starren Verkettung erfolgt der Transport aller Werkstücke zeitgleich. Weil die Stationen ohne Puffer direkt miteinander gekoppelt sind, führt der Ausfall einer Station zum Stillstand des ganzen Systems. Als Beispiel kann eine Stufenpresse gelten, deren einzelne Stationen synchron getaktet sind. Lose Verkettung
Elastische Verkettung
Starre Verkettung
unbegrenzte Pufferkapazität
begrenzte Pufferkapazität
keine Zwischenpuffer
kein Auftreten von Verkettungsverlusten
Verkettungsverluste sind abhängig von Störungen und Pufferkapazitäten
Störungen wirken in vollem Umfang auf alle Stationen
Abb. 12-4 Verkettungsarten der mehrstufigen Fließfertigung
Um dieses Problem zu umgehen, werden Puffer zwischen den Stationen eingesetzt. Diese kompensieren den Anteil von Stationsstillständen, die nicht voneinander abhängig sind, indem sie Produkte aus der Vorgängerstation aufnehmen oder montierte Produkte an die nachfolgende Station abgeben, wenn die Stationen nicht synchron gesteuert werden. Dadurch
12.2 Einflussfaktoren auf die Systemausbringung
377
können Blockade- bzw. Wartezeitverluste reduziert werden. Ist die Puffergröße ausreichend, um die Stationen vollständig zu entkoppeln, spricht man von einer losen oder auch idealen Verkettung. Zwischen diesen beiden Grenzfällen existiert der Bereich der elastischen Verkettung. Die großen Folgeverluste der starren Verkettung einerseits und die hohen Kosten einer losen Verkettung für die Puffer andererseits führen insbesondere bei einer großen Anzahl von Stationen in der Praxis überwiegend zu elastischen Verkettungen. Die Dimensionierung dieser Pufferkapazität in enger Abstimmung mit den erwarteten Ausfällen der Stationen aufgrund von technischen und organisatorischen Stillständen sowie ihren Taktzeiten ist eine wesentliche Aufgabe in der Planungsphase. Die prinzipielle Anordnung der Stationen in linearen Systemen kann in die drei Anordnungsprinzipien Linienanordnung, Karreeanordnung sowie Sonderformen unterteilt werden, Abb. 12-5 (Köhrmann 2000). Bei der Linienanordnung sind die Stationen entlang einer Transfereinrichtung hintereinander aufgereiht. Die Verkettung zwischen den Stationen kann starr oder elastisch erfolgen. Solange keine Werkstückträger eingesetzt werden, die einen Rücklauf erfordern, handelt es sich bei der Linie um ein offenes System; die erste und die letzte Station können sich nicht gegenseitig beeinflussen. Durch den Rücklauf beim Einsatz von Werkstückträgern entfällt dieser Vorteil. Aufgrund der meist langen Rücklaufstrecke und der damit verbundenen starken Pufferung ist in der Praxis trotzdem meist eine weitgehende Entkopplung gewährleistet.
Linienanordnung
Karreeanordnung
• feste Stations- und Werkstückreihenfolge
• feste Stations- und Werkstückreihenfolge
• starr verkettet • offenes System
• starr verkettet • geschlossenes System mit und ohne Werkstückträgereinsatz
Sonderformen • Baumstruktur
• Netz
• elastisch verkettet • offenes System • Fläche
• elastisch verkettet • geschlossenes System mit Werkstückträgereinsatz Station
Puffer
• elastisch verkettet • geschlossenes System mit und ohne Werkstückträgereinsatz
Materialflußrichtung
Abb. 12-5 Anordnungs- und Verkettungsprinzipien von Montagesystemen
378
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Bei der Karreeanordnung sind in der gesamten Transferstrecke Montagestationen enthalten. Dadurch erhält man im Vergleich zur Linie einen kompakteren Aufbau. Jedoch verstärkt sich durch die geschlossene Struktur die gegenseitige Beeinflussung der Stationen und der Zugang zu den Stationen wird erschwert. Sonderformen arbeiten nur bedingt nach dem Linienprinzip. Bei der Baumstruktur fließen die Vorprodukte verschiedener Arbeitsstationen an bestimmten Knotenpunkten zusammen und werden in den nachfolgenden Stationen zu einer Baugruppe höherer Ordnung komplettiert. Netzstrukturen finden sich bei einem variantenreichen Produktspektrum. Die äußeren Stationen des Netzes können entkoppelt vom Hauptmontageumlauf variantenspezifische Vormontagen ausführen, die später von den Stationen im Inneren des Netzes zum endgültigen Produkt zusammengefügt werden. Bei der Anordnung der Stationen in einer Flächenstruktur können die Werkstücke, soweit es die Produktstruktur zulässt, eine beliebige Stationsreihenfolge durchlaufen. Das bewirkt eine hohe Flexibilität, doch mit der Abkehr vom Linienprinzip steigt der Steuerungsaufwand stark an (Köhrmann 2000).
12.3 Kenngrößen Bei der Planung eines Montagesystems legt der Auftraggeber in Form eines Lastenheftes fest, welche Kennwerte die zu realisierende Anlage bzgl. des Betriebsverhaltens und der Leistungsfähigkeit erreichen soll. Der Auftragnehmer bestätigt oder modifiziert diese Werte im Rahmen eines Pflichtenheftes. Die Definition der Kennwerte ist trotz zahlreicher vorhandener technischer Normen häufig ungenau. Wann eine Station oder ein System „verfügbar“ ist oder nicht, wird vielfach unterschiedlich interpretiert, so dass es in der Praxis immer wieder zu Missverständnissen und Konflikten bis hin zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Anhand einiger Auszüge aus dem realen Pflichtenheft einer Fliessfertigungslinie soll diese Problematik aufgezeigt werden: „Die Auslegung der Maschinen und Anlagen erfolgt auf Basis einer Kapazität von 100.000 Einheiten pro Kalenderjahr im 3-Schicht-Betrieb (7,5 Std/Schicht, 220 Arbeitstage, = 5.000 Std/Jahr)....Die technische Verfügbarkeit pro Einzelanlage beträgt mindestens 95%.... Die gesamte Fabrikationslinie muss effektiv 5.000 Std/Jahr (entsprechend 80% technischer Wirkungsgrad) verfügbar sein...“. Zunächst wurde in diesem Pflichtenheft auf keine technische Norm hingewiesen, die die verwendeten Bezeichnungen eindeutig definiert. Daraus entstand ein fundamentales Missverständnis über die Auslegung der Ge-
12.3 Kenngrößen
379
samtanlage. Die Anlage soll effektiv – also stillstandsfrei – 5.000 Std/Jahr produzieren können. Dies kann offensichtlich aber nur mit einer zeitlichen Gesamtlaufzeit von 6.250 Std/Jahr gelingen, da ungeplante Stillstände in Höhe von 20% zugestanden werden. Erst nach Inbetriebnahme der Fertigungslinie wurde dem Auftraggeber aufgrund von Messungen klar, dass die vorgegebene Stundenzahl von maximal 5.000 Std. pro Jahr überschritten werden muss, um die geforderte Leistung von 100.000 Einheiten/Jahr zu erreichen. Die ursprünglich geplante Leistung reduzierte sich daher in der Realität auf 80.000 Einheiten/Jahr. Unscharfe Formulierungen im Lastenheft, mangelnde Überprüfungen des Pflichtenheftes seitens des Auftraggebers und falsche Interpretationen führten zu einem langwierigen Rechtsstreit, der schließlich mit einem außergerichtlichen Vergleich beendet wurde. Zur Vermeidung solcher Vorkommnisse ist es daher wichtig, die wesentlichen Kennwerte für Einzelstationen und ein ganzes System zu kennen. Basis dafür ist die VDI-Richtlinie 3423 „Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen“, deren Zielsetzung eine Vereinheitlichung von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Hersteller und Anwender hinsichtlich der Kenngrößen Gesamtnutzungsgrad und technischer Nutzungsgrad von Stationen und Systemen ist (VDI 2002). Darüber hinaus sind im betrieblichen Alltag weitere Definitionen notwendig, die zur Analyse und Optimierung der geplanten bzw. vorhandenen Anlagen dienen. Dazu gehören die technische Verfügbarkeit, die mittlere Ausbringungsleistung (Durchsatz) sowie die mittlere Stördauer (MTTR) und die mittlere stillstandsfreie Laufdauer (MTBF). 12.3.1 Stationsgrößen Eine Station kann die Elementarzustände funktionsfähig, Funktion beeinträchtigt und funktionsunfähig einnehmen (vgl. Abb. 12-6). Während des funktionsfähigen Zustandes wird fehlerfrei montiert bzw. produziert. Im Falle einer Beeinträchtigung der Funktion treten beispielsweise sogen. Fehltakte infolge einer Ausschussproduktion oder notwendiger Eingriffe durch das Bedienpersonal ohne Stationsstillstand auf. Ein Beispiel für einen Eingriff ohne Stillstand ist die vorbeugende Entstörung einer Zuführstation mit lokalem Puffer, bevor es zu einem Leerlaufen der Zuführstrecke kommt. Auch durch eine Unterbrechung der Materialver- und -entsorgung fällt die Station nach einer bestimmten Zeit in einen Wartebzw. Blockadezustand und kann nicht mehr produzieren. Im funktionsunfähigen Zustand liegt entweder ein organisatorisch bedingter Stillstand (z. B. Teilemangel) oder technischer Stillstand vor (z. B. Verklemmen einer Schraube im Schrauber).
380
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Elementarzustände
Funktionsfähig
Betriebszustände
Produktion
Fehltakt
Funktion beeinträchtigt
Eingriff
blockiert wartet
Funktionsunfähig
Organisator. Stillstand
Technischer Stillstand
Zustandsmerkmale • Produktausbringung
Gutteile
Ausschussteile
Gutteile
keine Teile
keine Teile
keine Teile
• Personaltätigkeit
keine
keine
Entstören
keine
rüsten/instandh.
keine
• Stationsverhalten
läuft
läuft
läuft
steht
steht
steht
• Pufferinhalt
atmet
atmet
sinkt
leer / voll
zufällig
zufällig
Abb. 12-6 Betriebszustände einer Station innerhalb eines Montagesystems
Die verschiedenen Betriebszustände treten in unregelmäßiger Häufigkeit und Dauer auf. Aussagekräftige Kennwerte zur Beschreibung des Betriebsverhaltens werden daher auf Basis ihrer Anteile an einer Referenzdauer ermittelt. Eine Gliederung dieser Zeitanteile entsprechend der VDIRichtlinie 3423 „Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen“ zeigt das in Abb. 12-7 dargestellte Sankey-Diagramm für einzelne Montagestationen. Als Referenzdauer gilt ein definierter Betrachtungszeitraum, der sich nach Abzug aller nicht produktiven Zeiten auf die tatsächlich produktive Nutzungszeit TN reduziert. Nach Abzug der z. B. durch Auftragsmangel nicht belegten und durch arbeitsfreie Tage nicht verplanten Zeitdauer vom Betrachtungszeitraum ergibt sich zunächst die tatsächliche Belegungszeit Betrachtungszeitraum Belegungszeit TB TFS TW TO
Betriebszeit TBetr* Nutzungszeit TN
TT
z.B. Jahr, Monat, Schicht, Garantiezeit nicht belegte Zeit (z.B. Auftragsmangel) nicht geplante Zeit (z.B. Sonn- und Feiertage) Organisatorische Ausfallzeit (z.B. kurzzeitiger Auftragsmangel, Rüstzeit) Wartungszeit (Instandhaltung, Pflege, etc.) Folgeausfallzeit (innerhalb von Systemen) (z.B. Verkettungsverluste) Technische Ausfallzeit (Konzeptions- und Ausführungsfehler)
stillstandsfreie Laufdauer
*:
Ergänzung zur VDI 3423
Abb. 12-7 Sankey-Diagramm der Zeitanteile von Montagestationen nach VDI 3423
12.3 Kenngrößen
381
TB. Nochmalige Minderungen ergeben sich durch unterschiedlich definierte Ausfallzeiten. Die Summe der organisatorischen Ausfallzeiten TO beinhaltet unproduktive Tätigkeiten zur Vorbereitung der Produktion, wie z. B. Rüsten, ablauforganisatorische Wartezeiten, wie beispielsweise verzögerte Schicht- und Pausenbeginne oder einen kurzfristigen Auftragsmangel. Die Summe aller Wartungszeiten TW fasst die nach Wartungsplan vorgesehenen Arbeiten zusammen, wie bspw. geplante Instandhaltungsaktivitäten, die geplante Maschinenpflege und den Probelauf nach einer Wartungsmaßnahme. Weil Fertigungs- und Montagesysteme überwiegend aus einzelnen Arbeitstationen bestehen, die mittels Material- und Informationsfluss miteinander verbunden sind, können zusätzlich zu den lokal verursachten Ausfallzeiten systembedingte Folgeausfallzeiten TFS auftreten. Ursächlich entstehen Folgeausfälle durch die in den benachbarten Einzelstationen auftretenden organisatorischen, technischen und wartungsbedingten Ausfälle. Unabhängig von dieser Zuordnung werden alle Folgeausfälle zusammengefasst. An den davor und dahinter liegenden Stationen des Systems kommt es z. B. bei einer Störung im Materialfluss zu den sog. Verkettungsverlusten mit den Betriebszuständen „warten“ und „blockieren“ der betrachteten Station. Nach Abzug der genannten Ausfallzeiten von der Belegungszeit TB ergibt sich ergänzend zur VDI 3423 die Betriebszeit TBetr. Die technische Ausfallzeit TT ist die Summe aller durch Mängel in der Konzeption oder Ausführung einer Station verursachten Stördauern. Dazu gehören insbesondere der Ausfall technischer Komponenten wie Sensoren und Motoren sowie Mängel aufgrund von Materialfehlern der Anlagenkomponenten, wie z. B. Verschleiß oder Bruch. Zusätzlich wird die notwendige Zeit zur Störungsbeseitigung, das Warten auf Ersatzteile etc. den technischen Ausfallzeiten zugeordnet. Nach Abzug aller Ausfallzeiten von der Belegungszeit verbleibt die Nutzungszeit TN, in der die Montagestation stillstandsfrei mit vollem Leistungsvermögen produziert. Das Verhältnis von Nutzungszeit TN und Belegungszeit TB entspricht dem Gesamtnutzungsgrad NG der Station und beinhaltet alle auftretenden Ausfallzeiten, s. Gl. 12.1. Er ist ein Maß für die Effektivität der Nutzung.
NG =
TN ⎛ TO + TT + TW + TFS = ⎜1 − TB ⎜⎝ TB
⎞ ⎟⎟ ⋅ 100% ⎠
(Gl. 12.1)
Bei Vereinbarungen zwischen Anlagenhersteller und Betreiber ist zusätzlich der technische Nutzungsgrad NT von großer Bedeutung. Er gibt den prozentualen Anteil der Belegungszeit an, in dem die Station störungsfrei zur Verfügung steht. Daher wird die technische Ausfallzeiten TT zur Belegungszeit TB entsprechend Gl. 12.2 in Bezug gesetzt (VDI 2002).
382
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
⎛ T N T = ⎜⎜1 − T ⎝ TB
⎞ ⎟⎟ ⋅ 100% ⎠
(Gl. 12.2)
Wichtig ist hier die Tatsache, dass der Anlagenhersteller diesen Kennwert auf Basis der Referenzgröße „Belegungszeit TB“ maßgeblich beeinflussen und somit in einer vertraglichen Vereinbarung festschreiben kann. Ergänzend zur VDI 3423 werden in der Praxis weitere Definitionen für betriebsinterne Planungen und Optimierungen angewendet. Dazu gehört die technische Verfügbarkeit VT. Sie dient dazu, im Rahmen einer unternehmensinternen kontinuierlichen Verbesserung zwischen technischen und nicht technischen Ausfallursachen zu differenzieren. Als Bezugsgröße zur Berechnung von VT dient die Betriebszeit TBetr als diejenige zeitliche Dauer, in der die Station nach Abzug aller nicht technischen Ausfallzeiten betriebsbereit ist. Die technische Verfügbarkeit gibt den Anteil der Betriebszeit an, in dem die Station ohne technischen Mangel in Form der Nutzungszeit TN zur Verfügung steht (VDI 1992, VDA 2000). Die technische Verfügbarkeit kann nicht einseitig vom Anlagenhersteller garantiert werden, da die Bezugsgröße Nutzungszeit und auch die Reparaturdauer überwiegend vom Betreiber beeinflusst wird. Durch die unterschiedlichen Bezugsgrößen fällt die technische Verfügbarkeit VT damit immer größer aus als der technische Nutzungsgrad NT. Weiterhin sind definitionsgemäß beide Werte deutlich größer als der Gesamtnutzungsgrad NG. Zur eindeutigen Unterscheidung dieser Begriffe wird empfohlen, die hier verwendeten Definitionen für VT und NT zu verwenden. Die VDIRichtlinie 3423 (Stand Januar 2002) hingegen setzt beide Begriffe in den gleichen Zusammenhang, was aufgrund der unterschiedlichen Bezugsgrößen zu Fehldeutungen führen kann. Weiterhin werden zwei wichtige Begriffe zur Kennzeichnung der stillstandsfreien Laufdauer und technischen Ausfallzeit bzw. Entstördauer verwendet. Die Nutzungszeit TN während der Betriebszeit einer Station ist nämlich auch die Summe aller stillstandsfreien Laufdauern TBF (engl. time between failure). Die technische Ausfallzeit TT innerhalb der Betriebszeit besteht demgegenüber aus der Summe der einzeln auftretenden Stördauern TTR (engl. time to repair). Die Anzahl der Laufdauern TBF und Stördauern TTR ist innerhalb der Betriebszeit gleich, so dass aus der Nutzungszeit die mittlere stillstandsfreie Laufdauer MTBF (engl. mean time between failure) und aus der technischen Ausfallzeit die mittlere Ausfalldauer MTTR (engl. mean time to repair) ermittelt werden kann. Die Summe aller stillstandsfreien Lauf- und Ausfalldauern ist dann gleich der Betriebszeit TBetr. Somit berechnet sich die technische Verfügbarkeit ebenso aus diesen beiden Kennwerten (vgl. Gl. 12.3).
12.3 Kenngrößen
⎛ T VT = ⎜⎜1 − T ⎝ TN
383
⎞ T MTBF ⎟⎟ ⋅ 100% = N ⋅ 100% = ⋅ 100% (Gl. 12.3) TBetr MTBF + MTTR ⎠
Der direkte wirtschaftliche Nutzen einer Montagestation wird weniger über Verfügbarkeit und Nutzungsgrad als vielmehr über die tatsächlich produzierte Menge pro Zeiteinheit gemessen. Grundlage für die Ermittlung der Stationsleistung L sind die in einer bestimmten Zeit ausgebrachten Produkte. Jede Station wird entsprechend dem dort durchgeführten Montageprozess mit einer technischen Taktzeit TTZ ausgelegt. Sie gibt an, wie lange die Bearbeitung eines Produktes an einer Station ohne Ausfallzeiten im Mittel dauert. Der Kehrwert der Taktzeit ergibt die technische SollLeistung LSoll der Station. Die reale Ist-Stationsleistung LReal wird ausschließlich während der zur Verfügung stehenden Nutzungszeit TN erbracht, d. h. unter Berücksichtigung aller Ausfallzeiten. Somit ergibt sich die reale Stationsleistung LReal unter Einbeziehung des Gesamtnutzungsgrades NG entsprechend. Gl. 12.1 nach VDI 3649 (VDI 1992) zu:
LRe al =
TN / TTZ N G = TB TTZ
(Gl. 12.4)
Während des Betriebes lässt sich die reale Stationsleistung sehr einfach durch Zählung der Werkstücke über einen bestimmten Zeitraum ermitteln. Somit kann der Gesamtnutzungsgrad NG auch ohne Kenntnis der einzelnen Ausfallzeiten bestimmt werden. Bei der betrieblichen Optimierung spielt der Gesamtnutzungsgrad NG eine entscheidende Rolle, da der Betreiber der Station in der Regel auch alle relevanten Einflussgrößen verantwortet. Der Anlagenhersteller haftet dabei nur für die von ihm garantierte Zuverlässigkeit der Einzelstationen, also die Häufigkeit von technischen Ausfällen, und die technische Taktzeit. Der garantierte technische Nutzungsgrad NT ergibt sich für den Hersteller aus Erfahrungswerten und selbst durchgeführten Reparaturen technischer Ausfälle. Die tatsächlich zu erwartenden Ausfallzeiten aus dem späteren Einsatz sind für den Ausrüster nur bedingt abschätzbar, da im laufenden Betrieb zumeist das Personal des Betreibers für die Behebung aller Stillstände verantwortlich ist. Weichen diese von den Vorgabewerten des Herstellers ab, ergibt sich eine Differenz zwischen den Kennwerten beider Parteien, die häufig zu Streitigkeiten führt. Der Vollständigkeit halber sei hier zusätzlich auf die Kennwerte im Rahmen des Total Productive Maintenance (TPM) hingewiesen. Die dort definierten Kennwerte Overall Equipment Effectiveness (OEE) und Total Effectiveness Equipment Performance (TEEP) dienen überwiegend der Verfolgung interner Optimierungsziele und berücksichtigen neben den
384
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
zeitbezogenen Kennwerten auch produkt- und betriebsabhängige Qualitäts- und Leistungsraten (Hartmann 2001). 12.3.2 Puffergrößen
In der Regel bestehen Montagesysteme neben den Stationen auch aus Systemelementen, die eine „abpuffernde“ Wirkung haben. Dies sind z. B. Förderbänder oder mechanisierte Zwischenspeicher, die die einzelnen Arbeitsstationen voneinander entkoppeln. Entkopplungen zielen – wie bereits erwähnt – in verketteten Montagesystemen vorrangig darauf ab, Störauswirkungen auf benachbarte Stationen durch eine Kompensation der Ausfallzeiten zu reduzieren. Dies ist prinzipiell auch für Rüst- und Wartungszeiten denkbar. Sie betragen allerdings häufig ein Vielfaches der mittleren technischen Stördauer, so dass eine wirkungsvolle Kompensation dieser Verluste sehr große und daher ggf. unwirtschaftliche Puffer erfordern würde. Die wesentliche Kenngröße der Entkopplung ist die Pufferkapazität P. Sie gibt die Anzahl der Teile an, die maximal zwischengespeichert werden können. Eine zielgerichtete Auslegung der Pufferkapazität unter Berücksichtigung der relevanten Einflussgrößen ist Gegenstand zahlreicher analytischer und empirischer Näherungsverfahren (Bullinger, Rieth, Euler 1993). Detaillierte Untersuchungen werden im Regelfall mit Hilfe der Simulation durchgeführt (vgl. Abschn. 12.5). Eine praxisgerechte Methode zur groben Bestimmung der Pufferkapazität zur Kompensation des Störeinflusses schlägt die VDI-Richtlinie 3649 vor (VDI 1992). Danach richtet sich die erforderliche Pufferkapazität nach der Charakteristik der technischen Ausfälle der vor- und nachgelagerten Stationen. Dieses Störverhalten lässt sich im Betrieb messen und in eine diskrete Störverteilung überführen (vgl. Abb. 12-8). Ist diese bekannt, kann daraus direkt die Kompensationswirkung des Puffers in Abhängigkeit von seiner Kapazität abgeleitet werden. Abbildung 12-8a zeigt eine für die Praxis typische Störzeitverteilung mit einer zeitlichen Zuordnung der Ausfallzeiten und deren Auftrittshäufigkeit im Betrachtungszeitraum. Die Gesamtanzahl der dokumentierten Störungen eines bestimmten Zeitraums beträgt hier 100 mit einer Gesamtausfallzeit von 677 min. Aus der Anzahl und Dauer aller Störungen ergibt sich die mittlere Stördauer MTTR mit 6,77 min. Entsprechend der gemessenen Verteilung sind 71 Ausfalldauern kleiner als MTTR, was in Summe einer Ausfallzeit von 258 min entspricht. 29 Störungen sind in ihrer Dauer größer als MTTR. Sie entsprechen einer Ausfalldauer von 419 min. Die Mengenleistung LReal der abzupuffernden Station ergibt sich aus der technischen Taktzeit TTZ = 20s und ihrem Gesamtnutzungsgrad NG = 75%
12.3 Kenngrößen
385
mittlere Stördauer (MTTR) 6.77min
56 50
kompensierte Störzeiten
Anzahl der Störungen
Basisdaten: Gesamtzahl der Störungen Summe aller Störzeiten Taktzeit (T TZ) Nutzungsgrad (NG)
40 30
: : : :
100 677min 20 s 75%
677 min
7
9
3
2
10
15
20
25
40
2/3 aller Störzeiten werden kompensiert
200
7
0 5
60
400 300
13 10
%
500 454
20
100
20
100
1
1 30
35
Stördauer (TTR)
1 40 min 50
0
0
10
20
30
40
50
Stk
70
0
15
Pufferkapazität P
TTR < MTTR TTR > MTTR Anz. TTR = 71 Anz. TTR = 29 ΣTTR = 258min ΣTTR = 419min
a) Störzeitverteilung
b) Störzeitkompensation in Abhängigkeit von der Pufferkapazität
Abb. 12-8 Beispiel einer Störzeitverteilung einer Station (in Anlehnung an VDI 3649)
zu 2,25 Stk/min. Für die Kompensation aller technischen Stördauern kleiner als MTTR berechnet sich die Pufferkapazität P zu:
P = MTTR ⋅ LRe al
(Gl. 12.5)
Für das Beispiel ergibt sich eine notwendige Pufferkapazität von etwa 15 Werkstücken. Dieser Puffer bewirkt die volle Störzeitkompensation in Höhe von 258 min für diejenigen 71 Störungen, die kleiner sind als der für MTTR berechnete Wert. Von den verbleibenden 29 Störungen wird jeweils ein Anteil in Höhe von MTTR = 6,77 min kompensiert. Die gesamte Kompensation innerhalb des Betrachtungszeitraumes beträgt somit 258 + (29 · 6,77) = 454 min. Mit Hilfe dieses Vorgehens lässt sich der Verlauf der Störzeitkompensation über die Pufferkapazität darstellen (vgl. Abb. 12-8b). Die Kompensation im zugrunde gelegten Beispiel einer Puffergröße von 15 Teilen entspricht somit etwa zwei Drittel aller gemessenen Störzeiten. Die Berechungsvorschrift kann nur eine grobe Abschätzung über eine sinnvolle Pufferkapazität sein. Genauere (z. B. simulationsgestützte) Untersuchungen insbesondere bei großen Anlagen sollten detailliert die Verteilung der Störhäufigkeit und -dauern und auch die Dynamik der Folgeausfälle in Systemen berücksichtigen. Neben der Kompensation der genannten Störeinflüsse dienen Puffer in Montagesystemen mit manuellen Verrichtungen auch zum Ausgleich von variierenden Taktzeiten einer Station. Diese sind abhängig von persönlichen Leistungsschwankungen bzw.
386
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
der persönlichen Arbeitseinteilung (Bullinger, Rieth, Euler 1993). Puffer können jedoch nicht dauerhaft unterschiedliche Taktzeiten verschiedener Stationen ausgleichen. 12.3.3 Systemgrößen
Im Gegensatz zur isolierten Betrachtung von Einzelstationen müssen bei der Analyse eines Montagesystems die Wechselwirkungen zwischen den Systemelementen Berücksichtigung finden. Diese sind abhängig von der Art der Verkettung. Im Regelfall sind die einzelnen Stationen elastisch miteinander verkettet, d. h. mit dazwischen liegenden Puffern. Analog zu den in Abschn. 12.3.1 erläuterten stationsbezogenen Zusammenhängen lassen sich diese auf das Gesamtsystem übertragen. Die Kennwerte Gesamtsystemnutzungsgrad NG,S und technischer Systemnutzungsgrad NT,S werden jeweils mit dem zusätzlichen Index „S“ für System gekennzeichnet. Basis für die Berechnung des Gesamtsystemnutzungsgrad NG,S bildet zum einen die Systembelegungszeit TB,S als Summe der Belegungszeiten aller am Arbeitsfortschritt beteiligten Stationen und zum anderen die Systemnutzungszeit TN,S, die sich ebenfalls als Summe der Nutzungszeiten aller beteiligten Stationen berechnet (VDI 2002). Die Summe der systembedingten Folgeausfälle TFS als Ergebnis von organisatorischen, wartungsbedingten und technischen Ausfällen ist bereits in den jeweiligen Stationsnutzungszeiten enthalten (vgl. Abb. 12-7). Der Gesamtsystemnutzungsgrad NG,S berechnet sich daher analog zu Gl. 12.1 zu:
N G ,S =
∑T ∑T
N
⋅ 100% =
B
T N ,S TB ,S
⋅ 100%
(Gl. 12.6)
Für den technischen Systemnutzungsgrad NT,S ergibt sich ein ähnlicher Zusammenhang, wie in Gl. 12.2 beschrieben. Generell werden auf der Systemebene neben den technischen Ausfallzeiten TT auch die zugehörigen technischen Folgeausfallzeiten TFT berücksichtigt. Auf Stationsebene sind diese Bestandteil der summierten Ausfallzeiten TFS und müssen hier separat betrachtet werden. Für die Summe aller technischen Folgeausfälle über alle Stationen, ergibt sich die technische Ausfallzeit TT,S für das System:
TT ,S =
∑ (T
T
+ TFT )
(Gl. 12.7)
Mit ihrer Hilfe berechnet sich der technische Systemnutzungsgrad NT,S zu: ⎛ T N T ,S = ⎜⎜1 − T ,S ⎝ TB ,S
⎞ ⎟ ⋅ 100% ⎟ ⎠
(Gl. 12.8)
12.4 Messung der Kenngrößen
387
Als Ergebnis der Diskussion hinsichtlich der unterschiedlichen Bezugsgrößen zur Berechnung des technischen Nutzungsgrades NT und der technischen Verfügbarkeit VT auf Stationsebene wird empfohlen, die technische Systemverfügbarkeit VT,S nach Gl. 12.9 zu berechnen: ⎛ T VT ,S = ⎜⎜1 − T ,S ⎝ TN ,S
⎞ T ⎟ ⋅ 100% = N ,S ⋅ 100% ⎟ TBetr ,S ⎠
(Gl. 12.9)
Die Systembetriebszeit TBetr,S ist dabei die Summe der Betriebszeiten aller beteiligten Stationen. Die Mengenleistung eines Systems LS ist direkt abhängig von den Stationsleistungen. Wird eine Produktion von Ausschussteilen ausgeschlossen und durchlaufen alle Produkte alle Stationen, so sind die Stationsleistungen identisch und daher gleichzusetzen mit der Systemleistung (vgl. Gl. 12.4): L S ,Re al = L Re al
(Gl. 12.10)
Die beschriebenen Kennwerte lassen sich auf Basis der im Betrieb gemessenen Zeitanteile berechnen. In der Planungsphase können für die Stationswerte Annahmen aufgrund der Zuverlässigkeit der Komponenten getroffen werden. Folgeausfälle treten allerdings erst im Verlauf des tatsächlichen Betriebes auf. Sie sind abhängig von der Auftrittswahrscheinlichkeit und -dauer von Störungen, den Stationstaktzeiten, den Pufferkapazitäten und der Systemstruktur.
12.4 Messung der Kenngrößen 12.4.1 Aufnahmeverfahren
Die Messung der für die Berechnung der Kenngrößen erforderlichen Zeitanteile kann nur an der real existierenden Anlage oder an Teilen davon erfolgen. Sie spiegelt damit das aktuelle Betriebsverhalten wider. Für Änderungs- oder Neuplanungen ist eine „virtuelle“ Messung im Verlauf einer Simulation möglich, die das spätere Anlagenverhalten prognostiziert. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Erfassung von Betriebsdaten an Montagesystemen sind in Abb. 12-9 zusammengefasst. Von den handschriftlichen Notizen im Schichtbuch bis zur vollständig automatisierten Datenerfassung, die z. B. durch eine Kopplung zwischen der Anlagensteuerung und einem PC realisiert werden kann, nimmt der manuelle Eingabeaufwand ab, und die Genauigkeit der Daten wird gesteigert. Gleichzeitig erhöht sich jedoch auch der Aufwand, der für die Installation einer entsprechenden Datenerfassung notwendig ist.
388
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Die einfachste Form der Datenerfassung ist eine handschriftliche Aufzeichnung. Dabei werden besondere Vorkommnisse und Probleme in unstrukturierter oder strukturierter Form z. B. in Schichtbüchern oder Fehlerprotokollen dokumentiert. Die Datenerfassung erfolgt durch Protokolle oder Strichlisten, um die Stillstandsart bzw. die -ursache, das Stillstandsobjekt (z. B. eine Station), den zeitlichen Beginn und das Ende eines Stillstands aufzuzeichnen. Neben der mangelnden Genauigkeit dieses Vorgehens zählt auch der zusätzliche Aufwand für die elektronische Weiterverarbeitung der erfassten Daten zu den gravierenden Nachteilen der Handaufzeichnungen. Eine Vorlage für Fehlerprotokolle findet sich z. B. in der VDI-Richtlinie 3423 (VDI 2002). Automatische Produktionsanlage Informationsfluss SPS
manuelle Erfassung, z.B. Schichtbuch Eingabeaufwand, Auswertungsaufwand
mobile Eingabeterminals, z.B. BDE-Terminal, Laptop, PDA
SPS
automatische Erfassung/ manuelle Kommentierung
automatische Datenerfassung über Steuerung/Sensorik
Genauigkeit, Installationsaufwand SPS : speicherprogrammierbare Steuerung
Abb. 12-9 Möglichkeiten der Datenerfassung an automatischen Montagesystemen (Köhrmann 2000)
Durch die Kombination einer manuellen Erfassung mit mobilen Eingabeterminals wird vermieden, dass die anfallenden Daten zeit- und personalintensiv von der Papierform in die EDV übertragen werden müssen. Mit vorkonfigurierten Eingabemasken und hinterlegten Datenbanken lassen sich häufig wiederholende Störungen und Stillstände mit Kurzwahltasten oder Zahlencodes schnell und einfach eingeben. Zusätzlich wird bei jeder eingegebenen Änderung des Stationszustandes der Zeitpunkt automatisch erfasst, mit dem der neue Zustand (z. B. Produktivzeit) beginnt und der vorherige (z. B. Sensorstörung) endet. Die rechnergestützte manuelle Datenerfassung bietet daher ein hohes Maß an Flexibilität, da nicht auf bestehende Betriebsdatenerfassungssysteme zugegriffen werden muss. Neben Zeitpunkten und -dauern können auch die tatsächlichen Störursachen detailliert erfasst werden (Wiendahl, Bürkner, Lorenz 1999). Als Nachteil
12.4 Messung der Kenngrößen
389
dieser Variante ist der hohe Personalaufwand zu nennen, der für die lückenlose Überwachung des Betriebsverlaufs komplexer Anlagen betrieben werden muss. Die Kopplung einer automatischen Erfassung von Verlustzeiten an die Steuerung mit der Möglichkeit zur nachträglichen, manuellen Kommentierung verringert den Eingabeaufwand weiter und damit auch die Personalbindung bei der Datenerfassung. Das Ergebnis ist eine konsistente, quantitative und qualitative Erfassung aller aufgetretenen Probleme. Die Installation dieser Systeme ist durch die Einbindung der Anlagensteuerungen im Vergleich zur manuellen Erfassung mit einem größeren Aufwand verbunden. Trotz der Automatisierung eines Teils der Erfassung sind Qualität und Aussagekraft der Daten im Wesentlichen durch die Bedienereingaben geprägt. Durch den Einsatz automatischer Datenerfassungssysteme wird der Eingabeaufwand des Bedieners auf ein Minimum reduziert oder ganz vermieden. Die Genauigkeit und Qualität der Daten steigt, da sie nicht mehr durch manuelle Eingaben beeinflusst werden. Der Betriebsverlauf wird zeitlich exakt erfasst, und auftretende Probleme können je nach Auslegung des Erfassungssystems mit detaillierten Ursachenbeschreibungen hinterlegt werden. Die automatische Erfassung wird durch die direkte Kopplung des zu überwachenden technischen Prozesses mit einem Rechner realisiert. Besonders komplexe, hoch automatisierte Montagesysteme, deren Betrieb durch vielfältige und häufige Störungen geprägt ist, sind nur noch mit automatischen, rechnergestützten Systemen wirtschaftlich zu untersuchen. In den meisten Fällen wird die Kopplung mit einer Sensorik durch die zugehörige Maschinensteuerung realisiert und zunehmend als ergänzende Komponente angeboten. Eine weitere Möglichkeit ist der permanente oder temporäre Einsatz einer zusätzlichen Sensorik, deren Umfang und Art gezielt der Aufgabenstellung angepasst wird. Die einzelnen Sensoren (z. B. Lichtschranken, Transponder oder Web-Kameras) senden ihre Daten über Funksignale oder ein Datennetzwerk an einen zentralen Rechner zur Verarbeitung. Der Vorteil dieser Technologie ist die exakte Erfassung ohne Kopplung mit der Steuerung. 12.4.2 Schwachstellenanalyse
Im Anschluss an die Protokollierung und Messung von nicht produktiven Stillständen und ihren vermeintlichen Ursachen erfolgt im Rahmen einer Schwachstellenanalyse die Auswertung dieser Daten. Im ersten Schritt finden die Kennwertermittlung und deren Visualisierung auf Basis der Fehlerprotokolle statt (vgl. Abb. 12-10). Im Anschluss erfolgt eine Bewertung und Priorisierung der bedeutsamen Stillstände. Anschließend müssen die
390
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
tatsächlichen Stillstandsursachen ermittelt werden, um ihre Wirkung zu verringern oder gänzlich zu vermeiden. Zumeist sind die notwendigen Verbesserungsmaßnahmen mit einem Aufwand verbunden, so dass zur Bewertung eine Prognose über die zu erwartende Verbesserung des Systemverhaltens und der Systemleistung erforderlich ist. Die einzelnen zeitbezogenen Datensätze der Messung werden in Betriebszustands- und Sankey-Diagrammen verdichtet. Das Betriebszustandsdiagramm stellt für alle Stationen die jeweiligen prozentualen Betriebszeitanteile, wie z. B. produktiv, gestört, warten, blockiert, rüsten, pausieren dar. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Stationstaktzeit kann zusätzlich die Stations- bzw. Systemleistung eingetragen werden. Für jede Station lassen sich mit Hilfe eines Sankey-Diagramms sehr anschaulich die zeitlichen Verluste aufzeigen. Häufig sind es insbesondere die organisatorischen Verlustzeiten, die die Nutzungszeit eine Station beeinträchtigen (Köhrmann 2000). Eine sehr einfache Methode zum Auffinden der relevanten Stillstandsursachen ist die sogen. Paretoanalyse, welche die Ursachen nach ihrer Häufigkeit sortiert, so dass zielgerichtet die Prioritäten für die weiterführende Ursachenermittlung festgelegt werden können. Die Paretoanalyse kann jedoch nur qualitative Aussagen liefern, da keine zeitliche Bewertung der Fehler erfolgt. Werden die aus dem jeweiligen Stillstand resultierenden Stillstandszeiten (TTR) mit einbezogen, kann eine vergleichbare Darstellung hinsichtlich der Verlustanteile erfolgen und damit der Maßnahmenpriorisierung dienen. Stillstandszeiten visualisieren Betriebszustandsdiagramm 100%
blockiert warten gestört produktiv 1
2
3
Sankey-Diagramm Organisatorische Verluste
Technische Verluste Nutzungszeit
Stat.Nr
Stillstandsursachen bewerten
Station Ereignis Start 1
Sensor 09:40
Ende 09:52
z.B. Paretoanalyse
Anzahl
Häufigkeit in %
Fehlerart
Protokoll
Motor Sensor Greifer Magazin Sonstiges
Ursachenermittlung durchführen FMEA
Ishikawa-Diagramm Mensch
Maschine
Material Fehler
Methode
Milieu
Abb. 12-10 Methoden der Schwachstellenanalyse
• Risikoanalyse • Risikobewertung • Systemänderung • Neubewertung
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen
391
Nachdem Schwachstellen durch unterschiedliche Formen der Datenerfassung und Analyse lokalisiert wurden, kann eine Ursachenermittlung durch verschiedene, standardisierte Methoden erfolgen, die im Qualitätsmanagement entwickelt wurden. Das Ishikawa-Diagramm, wegen seiner Form auch Fischgrätendiagramm genannt, dient der Veranschaulichung von Ursache und Wirkung durch die Verästelung eines Sachverhalts in einzelne Themenbereiche. Im ersten Schritt der Darstellung werden die Haupteinflussgrößen festgelegt. Häufig benutzt man die in Abb. 12-10 angegebenen Kriterien Mensch, Maschine, Material, Methode, Milieu. Im zweiten Schritt werden in einem Brainstorming weitere Ursachen ermittelt, die für die Fehlerentstehung verantwortlich sein könnten. Diese neuen Ursachen werden den Hauptverzweigungen zugeordnet, so dass eine weitere Verästelung entsteht. Dieser Vorgang wird fortgesetzt, bis die Ursachen eines Fehlers eindeutig sind (Köhrmann 2000). Mit einer Fehlermöglichkeits- und -Einflussanalyse FMEA werden potentielle Fehler mit ihren Ursachen und Auswirkungen festgestellt und bewertet. Als Prozess-FMEA lässt sich diese Methode u. a. auch auf Fertigungs- und Montageprozesse anwenden (VDA 2003). Die FMEA ist in die drei Phasen Risikoanalyse, Risikobewertung und Konzeptoptimierung gegliedert. Bei der Risikoanalyse werden alle denkbar möglichen Ausfälle eines Systems gesammelt, die jeweiligen Ursachen bestimmt und die Ausfallfolgen abgeschätzt. Die Risikobewertung erfolgt im Hinblick auf die Aspekte Auftreten, Bedeutung und Entdeckung. Die Ausprägungen dieser Aspekte werden mit Risikozahlen bewertet. Aus dem Produkt der Risikozahlen ergibt sich eine Risikoprioritätszahl. Das Überschreiten eines Sollwertes führt zur Systemänderung im Hinblick auf eine bestimmte Ausfallart. Nach der Änderung erfolgt eine Neubewertung zur Überprüfung der Wirksamkeit der Verbesserung. Wird lokal eine Einzelmaßnahme zur Vermeidung eines technischen Ausfalls umgesetzt, so ist deren Wirkung auf der Systemebene zu bewerten bzw. zu prognostizieren. Hierfür bietet sich eine Simulation an, die es erlaubt, verschiedene Szenarien hinsichtlich ihrer Wirkung zu bewerten.
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen Eine Bestimmung der Systemleistung vorhandener Anlagen kann durch die beschriebenen Messverfahren erfolgen. Im Zuge einer Änderungs- oder Neuplanung muss die Ausbringungsleistung bzw. der Gesamtnutzungsgrad auf Basis der geplanten Systemkonfiguration berechnet oder prognostiziert werden.
392
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Die Methoden und Berechnungsvorschriften für den Planungsfall sind abhängig von der Art der Verkettung. Wie bereits beschrieben, wird dabei zwischen der starren, elastischen und losen Verkettung unterschieden. Während die Bestimmung der Kenngrößen für starre und lose verkettete Montagesysteme vergleichsweise einfach erfolgen kann, ist eine Prognose der Leistung von elastisch verketteten Systemen erheblich aufwendiger und unschärfer. 12.5.1 Starre Verkettung
Häufig wird davon ausgegangen, dass das Störverhalten eines ideal starr verketteten Produktionssystems dem Ausfallverhalten einer elektronischen Schaltung entspricht. Fälschlicherweise wird dabei die technische Systemverfügbarkeit VT,S mit Methoden der Zuverlässigkeitsrechnung berechnet. Mit dieser Annahme wird unterstellt, dass während des durch eine Station verursachten Stillstands zeitgleich, also unabhängig voneinander, auch an anderen Stationen Störungen auftreten können. Bei Messungen an realen Anlagen stellt sich allerdings heraus, dass Montagestationen in der Regel ausschließlich während ihrer Betriebszeit ausfallen. Die Bedingungen für eine vollständige Unabhängigkeit sind somit nicht gegeben. Das Ausfallverhalten ist daher abhängig vom Betriebszustand „produktiv“. Die zeitliche Dauer dieses Zustandes hängt in starren Systemen stark von Verkettungsverlusten ab. Verursacht durch technische Ausfälle von Einzelstationen schlagen diese sofort auf das System durch. Zusätzlich können Taktzeitunterschiede je nach ihrer Höhe einen ebenso starken Effekt haben. Diese zusätzlich entstehenden Wartezeitverluste sind in den folgenden Berechnungsansätzen für serielle und parallele Anordnungen berücksichtigt (vgl. Abb. 12-11, Bullinger, Rieth, Euler 1993).
V1
V2
V3
Vn
V1 V2 Vn
a) serielle Anordnung
b) parallele Anordnung
V i : Verfügbarkeit der Einzelstationen
Abb. 12-11 Serielle und parallele Anordnung von starr verketteten Stationen
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen
393
Unter Berücksichtigung der Taktzeit TTZ,i der Station i, der größten Taktzeit TTZ,Max im System und der Stationsverfügbarkeit VT,i berechnet sich die technische Systemverfügbarkeit eines starr verketteten Systems mit i Stationen in serieller Anordnung nach: VT , S , starr =
1
(Gl.2.11)
n
1 + 1 / TTZ , Max ⋅ ∑ (TTZ ,i ⋅ (1 / VT ,i − 1)) i =1
Zur Berechnung der technischen Systemverfügbarkeit von parallelen Anordnungen gilt demgegenüber: n
∑ (1 / T
⋅ VT ,i )
TZ ,i
VT ,S ,starr =
i =1
(Gl. 12.12)
n
∑ (1 / TZ
TZ ,i )
i =1
Die Anzahl der gekoppelten Stationen hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die technische Systemverfügbarkeit. Für eine serielle Anordnung stellt Abb. 12-12 diesen Zusammenhang für unterschiedliche Werte von Stationsverfügbarkeiten dar. Der Einfachheit halber sind die Einzelverfügbarkeiten jeweils gleich gesetzt. Die Systemverfügbarkeit sinkt demnach mit steigender Stationsanzahl und fallender Stationsverfügbarkeit sehr stark ab.
Systemverfügbarkeit VT,S
100
Basisdaten: V T,i =98%
%
60
VT,i =90% 40
TT,i : 10s V T,i : 50-98%
V T,i : technische Stationsverfügbarkeit V T,S : technische Systemverfügbarkeit
VT,i =70%
20
VT,i =50% 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Stationsanzahl
Abb. 12-12 Einfluss der Stationsanzahl und der Stationsverfügbarkeiten auf die Systemverfügbarkeit bei serieller Anordnung
394
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Zur Bestimmung der Systemkenngrößen kann ein starr verkettetes System als eine Einzelstation betrachtet werden, da alle stationär auftretenden Stillstände direkt auf das System durchschlagen. Nach der Bestimmung der technischen Systemverfügbarkeit VT,S lässt sich der Gesamtnutzungsgrad NG,S berechnet. Dazu ist zunächst eine prozentuale Abschätzung der organisatorischen Ausfallzeit TO und der Wartungszeit TW bezogen auf die Belegungszeit TB notwendig. Die technische Ausfallzeit des Systems ist gleich der Summe aller Einzelstörzeiten und ist anteilig durch die Systemverfügbarkeit berücksichtigt. Es gilt:
⎛ T + TO N G ,S ,starr = VT ,S ,starr ⎜⎜1 − W TB ⎝
⎞ ⎟⎟ ⎠
(Gl. 12.13)
Die Leistung LS,Real des Systems berechnet sich entsprechend Gl. 12.4 aus dem Gesamtsystemnutzungsgrad NG,S und der längsten Taktzeit TTZ,Max im System zu:
LS ,Re al =
N G ,S TTZ ,Max
(Gl. 12.14)
Ein Beispiel soll diese Zusammenhänge verdeutlichen. Es ist der Gesamtnutzungsgrad und die Ausbringungsleistung für ein System mit 10 Stationen, einer jeweils gleichen Stationsverfügbarkeit von 98% und einer über alle Stationen gleichen Taktzeit von 10 s zu berechnen. Zunächst werden die Belegungszeit TB mit 100 % sowie prozentuale Werte für die Wartungszeit von 5% und für organisatorische Ausfälle von 10 % festgelegt (vgl. Abb. 12-13). Es ergibt sich der Betriebszeitanteil TBetr mit 85%. Aus Gl. 12.11 berechnet sich die technische Systemverfügbarkeit zu VT,S,starr = 83,1% und daraus nach Gl. 12.13 ein Gesamtnutzungsgrad des Systems von 70,6 %. Dieser ist gleichzeitig die prozentuale Nutzungszeit TN. Wird diese von der Betriebszeit abgezogen, ergibt sich eine anteilige technische Ausfallzeit TT von 14,4%. Mit der Taktzeit TTZ berechnet sich die Ausbringungsleistung des Systems LS,Real schließlich zu 4,2 Stk/ min. Diese pufferlose, idealtypische Verkettungsart findet man nur vereinzelt, z. B. bei Rundtaktautomaten. In der Praxis ist dies bei linear verketteten Anlagen selten, da allein die Transport- und Übergangszeiten der fördertechnischen Umsetzung und die dadurch entstehende Pufferkapazität eine gewisse Elastizität mit sich bringen. Mit zunehmender Pufferkapazität im System erhöht sich auch der Gesamtnutzungsgrad.
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen
TB =100% TW T O
TBetr = 85%
5% TT
10%
TB TO TW T Betr TT TN
: : : : : :
395
Belegungszeit [%] organ. Ausfallzeit [%] Wartungszeit [%] Betriebszeit [%] techn. Ausfallzeit [%] Nutzungszeit/ Nutzungsgrad [%]
14,4%
T N = 70,6%
Abb. 12-13 Beispiel zur Bestimmung des Gesamtnutzungsgrades eines starr verketteten Systems
12.5.2 Lose Verkettung Die lose Verkettung geht vom Idealfall einer unbegrenzten Pufferkapazität zwischen den Stationen aus, so dass keine Verkettungsverluste entstehen können. Betrachtet man als System eine serielle Anordnung, so wird es durch die leistungsminimale Engpassstation charakterisiert. Für diese kann entsprechend den in Abschn. 12.3 gemachten Ausführungen die technische Verfügbarkeit, der Gesamtnutzungsgrad und die Ausbringungsleistung beschrieben werden. Im Beispiel des vorherigen Abschnitts sind die technischen Verfügbarkeiten für alle Stationen auf 98% festgelegt. Mit den gemachten Angaben ergibt sich ebenfalls eine Betriebszeitanteil von 85% und mit Hilfe der Verfügbarkeit einen Gesamtsystemnutzungsgrad von 83,3% (vgl. Gl.12.1). Die Differenz zur Betriebszeit ergibt eine technische Ausfallzeit von 1,7%. Der technischer Nutzungsgrad berechnet sich nach Gl. 12.2 zu 98,3% und die Ausbringungsleistung nach Gl. 12.4 zu 5 Stk/min. 12.5.3 Elastische Verkettung Das Leistungsverhalten elastisch verketteter Systemen liegt zwischen den beiden skizzierten idealtypischen Verkettungsarten. Bei identischer Systemkonfiguration steigt der Systemnutzungsgrad mit zunehmender Systemelastizität von der unteren Grenze der starren bis zur oberen Grenze der losen Verkettung an. Eine genaue Prognose der technischen Verfügbarkeit oder des Gesamtnutzungsgrades ist nicht ohne weiteres möglich. Problematisch ist das sto-
396
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
chastische Verhalten der Stationsstörungen. Weder ihr zeitlicher Abstand noch ihre Dauer sind genau zu prognostizieren. Die installierten Puffer können die Stillstände teilweise kompensieren. Die Fähigkeit eines Systems zur Kompensation von Stillständen hängt jedoch nicht nur von der jeweiligen Pufferkapazität, sondern ebenso von der Taktzeit, den Abständen und den Dauern der Störungen sowie der Stationsanzahl ab (Hegenscheidt 2003). In welcher absoluten Höhe eine Kompensation tatsächlich gelingt, kann nur modellbasiert ermittelt werden. Wissenschaft und Praxis nutzen folgende Verfahren zur Prognose der Kenngrößen: − − − −
statische Überschlagsrechung, analytische Berechnung, Ablaufsimulation und analytisch-empirische Approximation.
In der Praxis sind einfache Überschlagsrechnungen vor allem bei kleineren Produktionssystemen mit einer geringen Anzahl von Stationen üblich. Eine Abschätzung der Dynamik des Störverhaltens erfolgt dabei mit pauschalen Zuschlägen für die erwarteten Ausbringungsverluste. Obwohl diese Vorgehensweise für ein dynamisches Störverhalten eine unsichere Prognose liefert, ist sie in der Praxis sehr verbreitet. Detailliertere Aussagen lassen sich durch analytische Berechungsverfahren sowie durch eine zeitdiskrete Ablaufsimulation gewinnen. Diesen Methoden gemeinsam ist eine Modellierung und mathematische Beschreibung der funktionalen Zusammenhänge mit einem der Zielsetzung entsprechenden Detaillierungsgrad. Darüber hinaus wurden Approximationsverfahren entwickelt, die mit Modellen das Verhalten von Arbeitssystemen für bestimmte Fragestellungen beschreiben. Die Qualität der Ansätze kann nur im Vergleich zum tatsächlichen Betriebsverhalten der realisierten Montagesysteme beurteilt werden. Grundsätzlich gilt, dass die Prognosegenauigkeit mit steigendem Detaillierungsgrad zunimmt; der Modellierungsaufwand sogar überproportional. Analytische Verfahren
Die klassischen analytischen Verfahren zur Leistungsbestimmung verketteter Anlagen bauen auf Warteschlangenmodellen auf. Sie ermöglichen Aussagen über „wahrscheinliche“ Zusammenhänge zwischen den modellierten Einflüssen und der Leistung der betrachteten Station bzw. des Gesamtsystems. Viele Verfahren verwenden den Dekompositionsansatz, bei dem das System in sich überlappende Subsysteme aufgeteilt wird. Durch diese Verknüpfung werden die Ergebnisgrößen der Subsysteme (z. B. Zwi-
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen
397
schenabfertigungszeiten) an den jeweiligen Nachfolger weitergegeben (Kuhn 1998). Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale sind die hinterlegten Verteilungstypen zur Berücksichtigung der in der Realität vorherrschenden zufälligen Ereignisse. Dies betrifft bspw. das Ankunftsprozessund Abfertigungsprozessverhalten sowie die Zwischenereigniszeiten zur Berücksichtigung der technischen Ausfälle. Aufbauend auf den theoretischen Modellen sind Softwareprodukte verfügbar, die dem Anwender nach Eingabe der Grundstruktur und der jeweiligen Stationsparameter die Ergebnisdaten ermittelt. Weiterhin werden zwecks Optimierungen Alternativen berechnet, die der Anwender im Anschluss technologisch und wirtschaftlich bewerten kann (Kuhn 2002). Durch den eingeschränkten Detaillierungsgrad beschränkt sich die potentielle Anwendung der Warteschlangentheorie auf die Grobplanungsphase von Fertigungs- und Montageanlagen. Die analytischen Verfahren bieten den großen Vorteil eines geringen Durchführungsaufwandes und einer extrem kurzen Rechenzeit. Stehen geeignete Modelle zur Verfügung, können binnen kürzester Zeit unterschiedliche Systemkonfigurationen hinsichtlich der Zielerreichung untersucht werden. Wenngleich es die beschriebenen Modellansätze erlauben, zumindest tendenziell zu richtigen Abschätzungen zu gelangen, mögen der enorme Abstraktionsgrad und das mangelnde Modellverständnis die Gründe dafür sein, dass sich die Verfahren in der betrieblichen Praxis bei der Gestaltung und Auslegung von Produktionssystemen bislang nicht durchsetzen konnten. Simulation
Die ereignisorientierte, rechnergestützte Ablaufsimulation von Logistik-, Materialfluss- und Montagesystemen ist ein weit verbreitetes Verfahren zum „...Abbilden von Systemen mit dynamischen Prozessen zur Erkenntnisgewinnung, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind“ (VDI 2000). Die Simulation ist in der Anwendung sehr viel aufwendiger als die analytischen Verfahren und bietet je nach Zielsetzung sehr detaillierte Modellierungsmöglichkeiten. Angesichts des Aufwandes ist zunächst abzuschätzen, ob ein Problem simulationswürdig ist. Nur wenn sich mit klassischen Planungsinstrumenten und analytischen Berechnungsverfahren keine befriedigende Antwort finden lässt, sollte simuliert werden. Im Gegensatz zu mathematischen Modellen, die den funktionalen Zusammenhang in Variablen und ihren rechnerischen Relationen definieren und eine Proberechnung darstellen, wird in der ereignisorientierten Simulation ein spezifisches Modell erstellt, das der Ablauflogik des untersuchten Systems entspricht und als virtueller Probebetrieb gedeutet werden kann. Eine zwei- oder dreidimensionale Visualisierung der Elemente verringert die Abstraktion des Modells und ermöglicht eine
398
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
ringert die Abstraktion des Modells und ermöglicht eine subjektive Kontrolle der modellierten Prozesse. „Online“ kann bspw. der Weg der Werkstücke auf dem Bildschirm durch das Modell verfolgt und so die hinterlegte Ablauflogik kontrolliert werden. Die Visualisierung zeigt z. B. deutlich die Wirkung von Engpässen auf, d. h. die modellierten Werkstücke stauen sich bzw. Montagestationen fallen in den Wartezustand. Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich erst im Verlauf einer minimalen Simulationszeit erzielen, z. B. die mindestens das 5-fache der Einschwingphase betragen soll. Auch ist zu bedenken, dass der Simulation immer nur ein fester Satz von Parametereinstellungen zugrunde liegt. Für Parameterstudien, z. B. zum Einfluss veränderlicher Puffergrößen, sind entsprechend viele Simulationsläufe erforderlich. Für den Fall, dass z. B. das Störverhalten mit stochastischen Verteilungen modelliert wird, ist es aus Sicht einer statistischen Absicherung der Ergebnisse notwendig, unabhängige Experimentwiederholungen durchzuführen (Krüger 2000, Hegenscheidt 2003). Für ein Investitionsvolumen von 2,5 bis 250 Mio. € liegt der finanzielle Aufwand der Simulation unter 1% der Investitionssumme bzw. unter 10% der Planungskosten (Kuhn, Reinhardt, Wiendahl 1993). Der beeinflussbare Anteil der Investitionssumme wird mit ca. 20% angegeben. Die VDIRichtlinie 3363 (VDI 2000) nennt als Anhaltswert ein Kosten/-Nutzenverhältnis von 1 zu 6. Approximation mit Kennlinien
Um einerseits die Möglichkeiten der Simulation zu nutzen und andererseits ihren hohen Durchführungsaufwand zu vermeiden, kann ein Mittelweg durch die simulationsgestützte Approximation von funktionalen Zusammenhängen beschritten werden. Die Verfahren haben ihren Ursprung in der experimentellen Naturwissenschaft, um Effekte und Phänomene durch einfache Erklärungsmodelle reproduzieren zu können. Als Beispiel möge ein bereits in der Praxis eingesetztes Approximationsmodell dienen, das auf der am Institut für Fabrikanlagen und Logistik entwickelten Kennlinientheorie basiert, welche die Wirkzusammenhänge zwischen Ziel- und Stellgrößen der Produktionslogistik beschreibt (Nyhuis Wiendahl 2003). Die Nutzung des Approximationsmodells für die Verfügbarkeitsberechnung wurde bisher für lineare offene Systeme angewandt (Hegenscheidt 2003). Zielsetzung ist eine schnelle und eindeutige Beurteilung, welchen Einfluss die technische Verfügbarkeit der Engpassstation im System auf den technischen Systemnutzungsgrad besitzt. Dem finanziellen Aufwand für eine Erhöhung der Verfügbarkeit kann dadurch sofort ein Nutzen- bzw. Leistungsgewinn gegenüber gestellt werden.
12.5 Bestimmung der Systemkenngrößen
399
Den Ausgangspunkt für das Grundmodell bilden zunächst ideale Kennlinien. Sie stellen in einem 2-dimensonalen Diagramm den technischen Systemnutzungsgrad NT,S in Abhängigkeit der technischen Verfügbarkeit des Engpasses dar. Die Kennlinien orientieren sich an den bereits beschriebenen idealtypischen Verkettungsarten starr, lose und elastisch. Die lose Verkettung besitzt demnach eine unbegrenzte Pufferkapazität, so dass sämtliche Verkettungsverluste kompensiert werden können. Eine Station besitzt also nur Produktiv- und Störzeiten. Der technische Systemnutzungsgrad NT,S entspricht somit der Engpassverfügbarkeit VT,Eng. Stellt man diesen Zusammenhang als ideale Verfügbarkeitskennlinie dar, so ergibt sich ein gerader Kurvenverlauf mit der Steigung 1 (vgl. Abb. 12-14a). Existiert innerhalb des Systems ein zweiter Engpass – was in der Praxis die Regel ist – begrenzt dieser ab einer bestimmten Engpassverfügbarkeit die Systemleistung. Die Gerade knickt daher ab der Grenzverfügbarkeit VT,Grenz waagrecht ab. Eine weitere Erhöhung der Verfügbarkeit der betrachteten Station erzielt dann keinen weiteren Nutzengewinn für das Gesamtsystem. ?
?
unbegrenzte Pufferkapazität
NT,S
ein Engpass
begrenzte Pufferkapazität
keine Zwischenpuffer
NT,S
NT,S
Reale Verfügbarkeitskennlinie
Nmax zwei Engpässe 45° VT, Grenz
a) Lose Verkettung
VT, Eng
VT, Eng
b) Starre Verkettung
VT, Grenz
VT, Eng
c) Elastische Verkettung
NT,S : technischer Systemnutzungsgrad VT,Eng : technische Engpassverfügbarkeit
Abb. 12-14 Ideale Verfügbarkeitskennlinien
Innerhalb eines starr verketteten Systems können keine Verkettungsverluste abgefangen werden (Abb. 12-14b). Jeder technische Stillstand schlägt auf das Gesamtsystem durch. Die entsprechend Gl. 12.11 berechnete Kurve verläuft daher flacher und auf niedrigerem Niveau. Das Verhalten elastisch verketteter Systeme bewegt sich zwischen diesen extremen
400
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Idealtypen (Abb. 12-14c). Sie stellen für diese Betrachtung obere und untere Grenzfälle dar, so dass der Kurvenverlauf der elastischen Verkettung immer zwischen den aufgezeigten Grenzverläufen liegt. Für eine optimale Systemkonfiguration mit einer möglichst hohen Systemleistung müssen die relevanten Auslegungsparameter systemtechnisch aufeinander abgestimmt sein. Die generelle Wirkung dieser Parameter auf die idealen und die reale Verfügbarkeitskennlinien zeigen die Ergebnisse einer Simulationsstudie in Abb. 12-15 (Hegenscheidt 2003). In der Ausgangssituation sind zunächst die oberen und unteren Grenzen als auch der simulativ ermittelte Verlauf der betrachteten Systemkonfiguration dargestellt (Abb. 12-15a). Sie dienen als Referenz für die durchgeführten Parameteränderungen. Die jeweils eingestellten Änderungen gelten für alle Stationen des Systems. Wie erwartet bewirkt eine Erhöhung der Pufferkapazität eine Annäherung des realen Verlaufes an die obere Grenze (Abb. 12-15b). Die Reduktion des mittleren Störabstandes (MTBF) aller Stationen bringt eine Erhöhung der Störhäufigkeit mit sich und verringert die technischen Verfügbarkeiten der Stationen. Entsprechend verschlechtert sich das Nutzungsgradniveau der drei Kennlinien (Abb. 12-15c). Durch die geringere Verfügbarkeit der anderen Stationen geht die Engpasswirkung früher an eine andere Station über – der Gradient der Kurve verläuft insgesamt weniger steil. Ähnliches gilt für eine Erhöhung der Stördauer MTTR, womit ebenfalls eine Reduktion der Verfügbarkeit aller Stationen im System einhergeht (Abb. 12-15d). f
Taktzeiten
Ausgangssituation
a
b
Pufferkapazität
N T,sys obere Grenze
realer Verlauf
untere Grenze
VT,Eng
e
Anzahl der Stationen
c d
mittlere Stördauer (MTTR); Vi
mittl. Störabstand (MTBF); Vi
Grenzlinien aus a realer Verlauf aus a
Abb. 12-15 Einflüsse von Systemparametern auf Nutzungsgrad-Kennlinien
12.6 Verbesserungsmaßnahmen
401
Die Erhöhung der Anzahl der verketteten Stationen lässt vor allem das Nutzungsgradniveau der unteren Grenze absinken (Abb. 12-15e). Mehr Stationen bewirken insgesamt ein höheres Störaufkommen. Dadurch nimmt auch die Anzahl der auf die Engpassstation durchschlagenen Stillstände zu. Aus demselben Grund sinkt der reale Kennlinienverlauf leicht ab Die obere Grenze hingegen bleibt gleich. Der Einfluss der Taktzeit hat einen ähnlichen Effekt wie die Pufferkapazität (Abb. 12-15f). Bei gleich bleibender mittlerer Stördauer MTTR können die Werkstücke im Puffer eine längere Stillstandszeit kompensieren. Zu beachten ist allerdings, dass mit einer Erhöhung der Taktzeit eine proportionale Reduktion der Systemleistung einhergeht. Für eine Änderung der Taktzeit muss daher die Systemleistung mit in die Betrachtung einbezogen werden. Mit Hilfe dieser Approximationslösung können anhand der wichtigsten Parameter rasch und aufwandsarm systemtypische Kennlinien erzeugt werden. Mit diesen lässt sich der Effekt einer Verfügbarkeitssteigerung am Engpass sofort erkennen und anhand einer Mengenleistungsbetrachtung das Aufwand/Nutzen-Verhältnis berechnen. Zusätzlich verbessert die skizzierte Lösung unmittelbar das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen den Parametern.
12.6 Verbesserungsmaßnahmen 12.6.1 Betriebsphase
Organisatorische Verluste entstehen in der Mehrheit durch ungeschickte Pausen- und Schichtübergänge sowie häufiges Rüsten (Köhrmann 2000). Insbesondere die Übergänge zwischen zwei Schichten können durch eine kurze Abstimmung der Mitarbeiter bei kontinuierlicher Produktion verbessert werden. Verluste aus Rüstvorgängen lassen sich einerseits durch eine Vergrößerung der Lose reduzieren und anderseits durch eine Verkürzung der Rüstdauer, die einen Stillstand erfordert. Eine hohe Variantenvielzahl und bewusst niedrige Lagerbestände mit kurzen Wiederbeschaffungszeiten lassen große Lose jedoch kaum noch zu. Das anzustrebende Ziel ist daher das „Rüsten im Takt“ bzw. eine höhere Flexibilität der Montagestationen. Letztere kann u.U. teuer erkauft sein, da sie meist durch eine komplexere und damit anfälligere Anlagentechnik realisiert wird. Eine mangelnde Bereitstellung einzelner Montagekomponenten verursacht Wartezeiten des gesamten Systems. Das übliche Vorgehen zur Untersuchung der Lieferkette kann durch die Grundsätze der synchronen Produktion (Takeda 1995) sowie das Wertstromdesign (Rother Shook 2000) ergänzt werden.
402
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Technische Ausfallzeiten lassen sich zum einen durch eine Verringerung der Störhäufigkeit (Störreduktion) und zum anderen durch eine Verringerung der Stördauer (Störungskompensation) reduzieren. Das Ausmaß der Störreduktion wird überwiegend in der Planungs- und Konstruktionsphase entschieden. Eine schnelle und effektive Kompensation basiert hingegen u.a. auf kurzen Meldewegen. Als eine Minimalanforderung ist eine sofortige optische und akustische Signalisierung des Störortes und der Ursache erforderlich. Auch empfiehlt es sich, die Anlieferqualität der Bauteile beim Produktionsstart durch das Sammeln von Fehlteilen über 2 bis 3 Wochen zu überprüfen, um daraus entsprechende Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Ein weiterer Aspekt ist eine ausreichende Kapazität des Personals, wodurch unnötige Wartezeiten aufgrund von Überlastung vermieden werden (Krüger 2000). Kurze Wege der Bediener und Instandhalter sind durch eine entsprechend gestaltete Anlage, z. B. mit Durch- und Übergängen über Förderstrecken möglich. Weiterhin hat die Instandhaltungsstrategie einen starken Einfluss auf die technische Verfügbarkeit, wobei heute vorwiegend der Nutzungsvorrat kritischer Komponenten den Instandhaltungszeitpunkt bestimmt. Nicht zuletzt hat die Qualifikation und fachliche Erfahrung des Personals einen erheblichen Einfluss auf die Dauer einer Entstörung. Dadurch verringert sich die Zeit der Diagnose und Behebung und verbreitert das Spektrum selbst zu behebender Störungen. 12.6.2 Planungsphase
Die Planung beeinflusst sowohl die konstruktive Ausführung der Stationen als auch die Konfiguration des Montagesystems. Um verschleißbedingte Ausfälle zu vermeiden, ist vor allem eine ausreichende Dimensionierung der Lebensdauer der mechanischen und elektrischen Elemente notwendig. Diese Voraussetzung wird heute von den meisten Elementen zufrieden stellend erfüllt. Die zufallsbedingten Ausfälle haben einen weitaus größeren Anteil am Störaufkommen. Hier steht die zuverlässige Gestaltung der Prozesse im Vordergrund. Typische Auslöser sind Fehler in der Zuführung bzw. Handhabung von Teilen, eine schlechte Positionierung von Werkstücken, Verschmutzungen usw. Sie lösen zumeist Kurzstörungen von wenigen Sekunden oder Minuten aus, die sich durch unzureichende Meldewege, das späte Erreichen des Störortes und Erkennen des Problems sowie den Wiederanlauf schnell potenzieren. Die Auswahl einer geeigneten räumlichen Anordnung und Systemkonfiguration ist eine Aufgabe der Grobplanungsphase. Eine ausreichend genaue Prognose der Ausbringungsleistung ist eine unverzichtbare Voraus-
12.7 Glossar Verfügbarkeit und Nutzungsgrad
403
setzung zum Übergang in die Feinplanung. Dazu sollte eine Überprüfung alternativer Strukturen mit Hilfe analytischer Methoden und Approximationsverfahren erfolgen. Eine Detaillierung der ausgewählten Alternativen kann anschließend simulationsgestützt durchgeführt und somit das Auftreten dominanter Engpässe vermieden werden. Für Detailsimulationen empfiehlt sich die Verwendung realitätsnaher Störverteilungen, die aus vergleichbaren existierenden Prozessen generiert werden können. Besonders empfiehlt es sich, in der Feinplanung die späteren Anlagenbetreiber und Instandhalter in die Planung und kontinuierliche Verbesserung einzubeziehen.
12.7 Glossar Verfügbarkeit und Nutzungsgrad Die folgende Zusammenstellung der wesentlichen Kenngrößen für die Leistungsbetrachtung einer Montagestation geht von einem Betrachtungszeitraum aus und gelangt durch Abzug der Verlustzeiten infolge technischer und organisatorischer Ursachen zum Nutzungsgrad und zur Verfügbarkeit der betrachteten Einheit. Begriff
Definition
Abkürzung
Betrachtungszeitraum
Referenzdauer für eine Auswertung z.B. Schicht, Tag, Woche, Monat, Garantiezeit
T
Nicht belegte Zeit
nicht zur Nutzung belegte Zeit, z.B. wg. Auftragsmangel
TnB
Nicht geplante Zeit
nicht zur Nutung geplante Zeit, z.B. Sonnund Feiertage
TnP
Belegungszeit
Theoretisch zur Verfügung stehende BeTB triebszeit (ohne Ausfälle)
Organisatorische Ausfallzeit
Stillstand aus organisatorischen Gründen, z.B. TO Rüstzeit, Auftragsmangel
Gleichung
TB = T − TnB − TnP
404
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Begriff
Definition
Abkürzung
Wartungszeit
Stillstand zur Wartung und Pflege
TW
Folgeausfallzeit
Stillstand durch AusfälTFS le vor- oder nachgelagerter Stationen
Betriebszeit
Zur Verfügung stehende Betriebszeit (ohne Ausfälle)
TBetr
Technische Ausfallzeit
Stillstand durch technische Störung, z.B. in der Zuführung oder Steuerung
TT
Nutzungszeit
Effektiv zur Verfügung stehende Produktionszeit
TN
GesamtNutzungsgrad
Maß für die Effektivität NG der Nutzung
Technischer Nutzungsgrad
Prozentualer Anteil der Belegungszeit, in dem die Einrichtung stöNT rungsfrei zur Verfügung steht
Anzahl der Laufdauern
Anzahl der störungsfreien Laufdauern in der n TBF Betriebszeit
Mittlere stillstandsfreie Laufdauer (mean time between failure)
Nutzungszeit dividiert durch die Anzahl Störungen
Mittlere Ausfalldauer (mean time to repair)
Technische Ausfallzeit dividiert durch die Anzahl Störungen
Gleichung
TBetr = TB −TFS −TW −TO
TN = TBetr − TT
NG =
TN ⎛ TO + TT + TW + TFS = ⎜1 − TB ⎜⎝ TB
N T = (1 −
TT ) TB
MTBF
MTBF =
MTTR
MTTR =
TN n TBF
TT nTBF
⎞ ⎟⎟ ⋅ 100 % ⎠
Literatur Begriff
Definition
Technische Verfügbarkeit
Prozentualer Anteil der Nutzungszeit an der Be- VT triebszeit
Technische Taktzeit
Mittlere Bearbeitungszeit ohne Ausfallzeit
TTZ
Technische Soll-Leistung
Theoretische Leistung ohne Ausfallzeit
LSoll
LSoll = (
Reale Leistung Leistung während der Nutungszeit
Lreal
Lreal = (
P
P = MTTR ⋅ Lreal
Puffergröße
Anzahl der speicherbaren Teile
Abkürzung
405
Gleichung VT = (1 −
TT MTBF ) ⋅ 100% = ⋅ 100% TBetr MTBF+ MTTR
1 ) TTZ
TN / TTZ N )= G TB T TZ
Literatur Bullinger H-J, Rieth D u. Euler H-P (1993) Planung entkoppelter Montagesysteme. Verlag B. G. Teubner, Stuttgart Hartmann, E H (2001) Effiziente Instandhaltung und Maschinenmanagement, Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech Hegenscheidt M (2003) Kennliniengestützte Leistungsbestimmung verketteter Produktionssysteme, Diss. Universität Hannover, FortschrittBerichte VDI, Reihe 2, Nr. 646, VDI-Verlag, Düsseldorf Köhrmann C (2000) Modellbasierte Verfügbarkeitsanalyse automatischer Montagelinien, Diss. Universität Hannover, Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 2, Nr. 538, VDI-Verlag, Düsseldorf Kuhn A, Reinhard A u. Wiendahl H-P (1993) Handbuch Simulationsanwendungen in Produktion und Logistik, Vieweg-Verlag, Wiesbaden Krüger Th (2000) Nutzungssteigerung verketteter Produktionssysteme, Diss. Universität Hannover, Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 2, Nr. 549, VDI-Verlag, Düsseldorf Kuhn H (1998) Fließproduktionssysteme – Leistungsbewertung, Konfigurations- und Instandhaltungsplanung, Physica-Schriften zur Betriebswirtschaft Nr. 67, Physica-Verlag, Heidelberg
406
12 Verfügbarkeit von Montagesystemen
Kuhn H (2002) Analyse des Nutzungsgrades verketteter Produktionsanlagen, ZWF Jahrg. 97 (2002) 3, S 116-120 Nyhuis P, Wiendahl H-P (2003) Logistische Kennlinien – Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen, 2. Aufl. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Rother M, Shook J (2000) Sehen lernen – mit Wertstromdesign die Wertschöpfungskette erhöhen und Verschwendung beseitigen; LOG_X Verlag GmbH, Stuttgart Takeda H (1995) Das synchrone Produktionssystem: Just in Time für das ganze Unternehmen“, Verlag Moderne Industrie, Landsberg VDA (2000) Verband der Automobilindustrie: Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie; Band 3: Zuverlässigkeitssicherung bei Automobilherstellern und Lieferanten, VDA VDA (2003) Verband der Automobilindustrie e.V. Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie. Band 4 – Sicherung der Qualität während der Produktrealisierung – Methode und Verfahren VDI (1992) VDI-Richtlinie 3649: Anwendung der Verfügbarkeitsrechnung für Förder- und Lagersysteme, VDI-Handbuch Materialfluss und Fördertechnik, Beuth Verlag, Berlin VDI (2002) VDI-Richtlinie 3423: Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen, VDI-Handbuch Betriebstechnik, Beuth Verlag, Berlin VDI (2000) VDI-Richtlinie 3633 Blatt 1: Simulation von Logistik-, Materialfluss- und Produktionssystemen, VDI-Verlag, Düsseldorf Wiendahl H-P, Bürkner S u. Lorenz B (1999) Schwachstellenanalyse an hochautomatisierten Anlagen – der Mensch ist nicht ersetzbar, Industrie-Management 2/99, GITO-Verlag, Berlin
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Die Gestaltung von Montagesystemen ist eine wesentliche Aufgabenstellung an die planenden Bereiche eines Unternehmens. Anhand von Praxisbeispielen werden Planungssystematiken und Bewertungsverfahren – sei es für die Effizienzsteigerung einer bestehenden Montage oder die Entscheidung zwischen Varianten eines geplanten Montagesystems – aufzeigt. Die folgende Planungssystematik nach REFA wird für Produktionssysteme im Allgemeinen angewandt; die Planungssystematik nach Lotter ist speziell auf Montagesysteme ausgelegt.
13.1 Planung von Montagesystemen 13.1.1 Planungssystematik für Produktionssysteme Mit der Planungssystematik nach REFA steht ein verfahrens- und anlagenneutraler Leitfaden für die Planung komplexer Produktionssysteme – und damit auch für industrielle Montagesysteme zur Verfügung. Die Planungssystematik gliedert sich in sechs Stufen. Generell gilt, dass jede Planungsstufe verschiedene Analyse- und Planungsaufgaben beinhaltet, die nach der Erarbeitung von Ergebnissen eine Entscheidungsphase durchlaufen. Hierdurch wird vor jedem Folgeschritt eine Eingrenzung der Ergebnisse bzw. Alternativen herbeigeführt (REFA 1987). In der Stufe 1 erfolgt der Anstoß zur Planung, der durch produktbezogene Faktoren wie z. B. Modifikation der Produktpalette, veränderte Absatzerwartungen, neue Produkteinführung oder durch produktionsbezogene Faktoren, z. B. Effizienzsteigerung, Schwachstellenbeseitigung oder neue Produktionstechnologien ausgelöst werden kann. Die Planung beginnt dann mit einer detaillierten Analyse des Ausgangszustands (Situationsanalyse). Aus den Erkenntnissen dieser Analyse heraus wird in der Stufe 2 ein Zielsystem entwickelt. Die Zielkriterien können in Muss-Kriterien und Kann-Kriterien unterteilt werden, wobei eine weitere Aufteilung der Ziele in bestimmte Zielarten wie z. B. organisatorische, technische, kostenrele-
408
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
vante und personelle Ziele erfolgen kann. Mittels einer Gewichtung der Ziele zueinander können zusätzlich Prioritäten festgelegt werden (vgl. Abschn. 13.2.1) Analyse Ausgangssituation
Planungsstufe 1 Vorgehen
Situationsanalyse durchführen Planungsanstoß Planungsverantwortliche bestimmen Entscheidung
Vorgehen
Ziele konkretisieren und gewichten Aufgabe abgrenzen Entscheidung
Vorgehen
Produktionsabläufe erarbeiten Produktionssysteme entwickeln
Konkretisierung Planungsaufgabe
Planungsstufe 2
Grobplanung Produktionssystem
Planungsstufe 3 Lösungsvarianten bewerten und auswählen Entscheidung
Feinplanung Produktionssystem
Planungsstufe 4 Vorgehen
Teilsysteme detaillieren Personaleinsatz planen
Realisierungsplan erstellen Entscheidung
Planungsstufe 5
Systemeinführung
Vorgehen
Beschaffung veranlassen Personalschulung durchführen
Vorgehen
Systemverhalten analysieren Abschlussdokumentation erstellen Entscheidung
Systembetrieb
Produktionssystem installieren Produktionssystem in Betrieb nehmen Entscheidung
Planungsstufe 6 Erfolgskontrolle durchführen
Abb. 13-1 Planungssystematik nach REFA
Die Stufe 3 dient der Grobplanung des Produktionssystems, indem die Produktionsabläufe erarbeitet werden und daraus die Grobstruktur des Produktionssystem abgeleitet wird. In der Regel werden Lösungsvarianten erarbeitet, die dann mittels einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (vgl. Abschn. 13.2.2 und Abschn. 13.2.3) zur Auswahl des favorisierten Produktionssystems vor dem nächsten Planungsschritt führen. In der Stufe 4 erfolgt die Feinplanung des Produktionssystems. Die einzelnen Subsysteme werden detailliert geplant und aus technischer und ergonomischer Sicht spezifiziert. Darüber hinaus wird der Personalbedarf, die Form der Arbeitsorganisation sowie die eventuell nötigen Qualifizierungsmaßnahmen festgelegt und ein zeitlicher Realisierungsplan aufgestellt. In der Stufe 5 erfolgt die Beschaffung der Systemkomponenten. Das Produktionssystem wird installiert (Realisierungsphase), die Schulungen werden durchgeführt und der Testbetrieb begonnen.
13.1 Planung von Montagesystemen
409
In der Stufe 6 wird schließlich das Systemverhalten analysiert und eine umfassende Abschlussdokumentation erstellt. Während des Systembetriebs wird anhand der ermittelten Systemdaten eine Nachkalkulation zum Zwecke einer Erfolgskontrolle durchgeführt. In der industriellen Praxis kommen weitere Planungssystematiken zum Einsatz. An dieser Stelle sei auf die Vorgehensweisen nach Eversheim (Eversheim 1989), Bullinger (Bullinger 1986) und Feldmann (Feldmann et al. 2004) verwiesen. 13.1.2 Planungssystematik für Montagesysteme Eine speziell auf die Montage ausgerichtete Planungssystematik wird von Lotter (Lotter 1992) beschrieben. Sie beinhaltet 11 Schritte, die jedoch aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen eines Produkts i.d.R. an die Erfordernisse der Montage angepasst werden. Diese Anpassung ist im Wesentlichen abhängig von der Produktgestaltung, der Komplexität und dem Produktionsvolumen. Die Planungssystematik nach Lotter hat sich aufgrund zahlreicher Erfahrungen und der hohen Anwendungsflexibilität in unterschiedlichsten Branchen als generelle Vorgehensweise bewährt.
Montagesysteme
+
+
+
+
+
+
+
+
+
4. Funktionsanalyse der Einzelvorgänge und der Zeitbestimmung
10. Investitionsrechnung
+ +
5. Taktzeitermittlung
- Teilequalität - Stationenzahl - Einzelverfügbarkeit der Stationen - Anlagenstrukturierung - Anlaufverhalten - Personalqualifizierung
11. Bewertung und Auswahl - Platzkostenvergleich
+
6. Layoutplanung
8. Verfügbarkeitsermittlung
+
3. Montageablaufanalyse - Produktaufbau und Fügesituation - Fügerangfolge - Werkstückträgerkonstruktion
7. Personalbedarfsbestimmung
+
2. Produktanalyse - Teileanzahl - Anlieferungszustand - Handhabungseigenschaften - Fügerichtungen - Fügeverfahren - Qualitätsanforderungen
Optimierte Gesamtlösung
+
1. Anforderungsliste - Mengengerüst - Nutzungsdauer - Nutzungsgrad - Soll-Leistung - Amortisationszeit
9. Pflichtenheft
Abb. 13-2 Planungssystematik nach Lotter (Lotter 1992)
Im ersten Schritt wird eine Anforderungsliste, in der die Eckdaten festgelegt werden, erstellt. Diese beinhaltet in erster Linie Plandaten über die Produktionsmenge und die zu erwartende Lebensdauer des Produkts. Hier-
410
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
aus ergeben sich unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Arbeitszeitregelungen (Schichtmodell) die maximale Nutzungsdauer und ein Zielwert für den Nutzungsgrad des Montagesystems. Als wirtschaftliche Planungsvorgabe kann beispielsweise die Amortisationszeit vorgegeben werden, welche abhängig von der Nutzungsdauer (sie entspricht meist der Produktlaufzeit) die Investitionshöhe begrenzt. Diese ist so ausgelegt, dass innerhalb der zu erwartenden Produktlaufzeit ein Gewinn aus der getätigten Investition erzielt wird (Berechnung der Amortisationszeit, siehe Abschn. 13.2). Die Anpassungsfähigkeit des Montagesystems an marktseitige Stückzahlschwankungen ist hierbei ein weiteres Ziel, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Die erweiterte Vorgehensweise für eine Planung absatzsynchroner Montagesysteme wird in Abschn. 13.1.3 beschrieben. Die Produktanalyse ermittelt auf Basis der Produkteigenschaften wie Teileanzahl, Anlieferungszustand, Fügerichtungen und -verfahren, Handhabungseigenschaften und der Qualitätsanforderungen den wirtschaftlich sinnvollen Automatisierungsgrad des Montagesystems. Die Produktanalyse kann mit Hilfe der erweiterten ABC-Analyse (Kap. 3) durchgeführt werden. Diese liefert Antworten auf die Fragen: − Wie können oder müssen die einzelnen Teile der Montage zur Verfügung gestellt werden (Schüttgut, Magaziniergut usw.)? − Welche Teile sind aufgrund oben genannter Produkteigenschaften für die automatische bzw. die manuelle Montage geeignet? − Welche Anforderungen sind an die Teilequalität zu stellen, um automatisch oder manuell montieren zu können? Die folgende Montageablaufanalyse ermittelt anhand des Produktaufbaus und der daraus resultierenden Fügesituation die sog. Fügerangfolge. Sie ergibt sich aus dem konstruktiven Aufbau des Produktes. In der Regel muss dieses, ausgehend von einem Basisteil, von Arbeitsstation zu Arbeitsstation bewegt werden. Dies erfolgt mit einem sog. Werkstückträger, der die Fixierung des Produktes in den Montagestationen sicherstellt und damit die Schnittstelle zwischen Produkt und Montagesystem bildet. Die beste Übersicht über den Produktaufbau ist durch eine zeichnerische Darstellung zu erhalten, da hieraus die Fügerichtungen der einzelnen Teile hervorgehen. Abbildung 13-3 zeigt als typisches feinwerktechnisches Produkt den Aufbau eines Thermoschalters. In den bereits vormontierten Thermoschalter sind fünf weitere Teile zu fügen. Aus der Darstellung geht hervor, dass die Fügerichtungen nicht einheitlich sind und dass Vormontageprozesse notwendig sind. So muss die Schraube (Teil 9) zunächst in die Klemme (Teil 8) gefügt werden, bevor
13.1 Planung von Montagesystemen
411
die Klemme mit Schraube im vorgefügten Zustand auf den Gegenkontakt (Teil 7) gefügt werden kann. Erst die komplette, vorgefügte Baugruppe, bestehend aus den Teilen 7, 8 und 9, kann in den vormontierten Schalter (Teil 1) eingesetzt werden. Teil 10 Schraube
Teil 8 Klemme
Teil 7 Gegenkontakt Teil 9 Schraube
Teil 1 vormontierter Thermoschalter Teil 4 Vierkantmutter
montierter Thermoschalter
Abb. 13-3 Produktaufbau und Fügesituation eines Thermoschalters
Die Analyseergebnisse lassen sich grafisch in einer Fügerangfolge darstellen (siehe Abb. 13-4). Wie der Begriff sagt, zeigt die Darstellung, welches Teil vor welchem Teil gefügt werden muss.
Teil-Nr.
Bezeichnung
10
Schraube
4
Vierkantmutter
1
vormontierter Thermoschalter
7
Gegenkontakt
8
Klemme
9
Schraube
Abb. 13-4 Fügerangfolge des Thermoschalters
Werkstückträger A
Teil 1= Basisteil
Werkstückträger B
412
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Aus den unterschiedlichen Fügerichtungen geht hervor, dass die Fügevorgänge in zwei Werkstückaufnahmen durchgeführt werden müssen. Abbildung 13-5 zeigt den Aufbau des zugehörigen Werkstückträgers in einer vereinfachten Draufsicht. Eine detaillierte Darstellung und Beschreibung findet sich bei (Lotter 1992). Der Werkstückträger ist funktional in zwei Teile I und II unterteilt. Teil I ist für das Vorfügen von Teil 7 mit der Baugruppe bestehend aus Teil 8 und 9 ausgerüstet. Teil II ist zum Vorfügen von Teil 4 mit Teil 1 und für die Fertigmontage vorgesehen. Der Werkstückträger ist bereits in einer frühen Planungsphase zu planen. Es empfiehlt sich, bereits detaillierte Konstruktionszeichnungen anzufertigen, welche Aufschluss über Baugröße, Anzahl und Anordnung der erforderlichen Werkstückaufnahmen geben, da die Werkstückträger einen nicht unerheblichen Anteil an den produktspezifischen Investitionen darstellen.
Aufnahme Teil I
Aufnahme Teil II
Abb. 13-5 Werkstückträger des Thermoschalters
Im Rahmen der anschließenden Funktionsanalyse gemäß Abb. 13-2 werden die Einzelmontagevorgänge in ihre Funktionsfolgen gegliedert und der zeitliche Aufwand für die einzelnen Montageschritte bestimmt. Eine Funktionsfolge besteht grundsätzlich aus den Vorgängen Ordnen, Zuführen, Fügen und Prüfen. Für automatisierte Vorgänge ist die hieraus ermittelte Taktzeit einschließlich Schalt- und Haltezeiten maßgeblich. Für manuelle Vorgänge kann die Montagezeit einer Funktionsfolge mit Hilfe vorbestimmter Zeiten, wie z. B. das in der betrieblichen Praxis häufig zum Einsatz kommende MTM Verfahren (Methods-Time Measurement) ermittelt werden. Kapitel 3 stellt das Verfahren und seine Anwendung vor.
13.1 Planung von Montagesystemen
413
Die Ermittlung der Taktzeit erfolgt, indem aus dem Mengengerüst und der Nutzungsdauer die Soll-Leistung LS ermittelt wird. Aus der SollLeistung und der angestrebten Verfügbarkeit VSTA (vgl. Kap. 12) wird die Taktzeit TT berechnet. Die längste Einzeltaktzeit einer Station ergibt damit die Taktzeit des Gesamtmontagesystems.
TT [ s] =
3600 ⋅ VSTA LS [Stck/Std]
Gl. 13-1
In der Layoutplanung (Schritt 6, Abb. 13-2) werden die optimale Anordnung der Montageanlage und -arbeitsplätze in Bezug auf den Materialfluss und die Materialbereitstellung festgelegt. Die Ergebnisse der Planungsschritte 1 bis 5 gehen in die Layoutplanung wie folgt ein Produktaufbau, Fügerangfolge und Taktzeit bestimmen die Größe des Montagesystems. Der Produktaufbau, die Fügesituation und die daraus resultierende Werkstückträgerkonstruktion sowie die Verfügbarkeitserwartung bestimmen, ob das Montageobjekt in einer einzigen Anlage montiert werden kann oder ob mehrere gleiche Stationen im Sinne einer Mengenteilung erforderlich sind. Fügesituation und Funktionsanalyse bestimmen den Grad der möglichen Automatisierung und somit den erforderlichen Einsatz manueller Vorgänge. Abschnitt 13.1.3 beschreibt ein Layoutbeispiel für die Hybridmontage eines Gasventils. Zur Bestimmung des Personalbedarfs (Schritt 7, Abb. 13-2) wird in manuelle Tätigkeiten, die in das Montagesystem integriert sind und in Tätigkeiten zur Anlagenüberwachung unterschieden. Letztere umfassen die Überwachung der Funktionssicherheit, den Eingriff und die Beseitigung von sog. Kleinstörungen und das Sicherstellen des Materialvorrats in den Zuführsystemen. Der Personalbedarf für die manuellen Tätigkeiten wird mittels der Zeitvorgaben aus Planungsschritt 4 ermittelt. Um eine gleichmäßige Verfügbarkeit des Montagesystems über einen möglichst langen Zeitraum zu erreichen, ist eine Verfügbarkeitsermittlung erforderlich. Es werden insbesondere die Teilequalität, Stationsanzahl, Einzelverfügbarkeit der Stationen, Anlagenstruktur, Anlaufverhalten und Personalqualifizierung betrachtet (vgl. Kap. 12). Die Erkenntnisse können eine erneute Bearbeitung der vorgelagerten Schritte Funktionsanalyse, Taktzeitermittlung, Layoutplanung und Personalbedarfsbestimmung zur Folge haben, falls die geforderte Ausbringung mit der geplanten Montagestruktur nicht erreicht werden kann. In der Regel wird man sich nicht mit einer einzigen Lösung zufrieden geben, sondern mehrere Varianten durchplanen, vor allem vor dem Hintergrund unsicherer Absatzerwartungen. Hierauf geht Abschn. 13.1.3 näher ein.
414
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Die Ergebnisse der Planungsschritte 1 bis 8 werden in einem Pflichtenheft (Schritt 9, Abb. 13-2) dokumentiert. Es enthält die Taktzeit, Angaben zur Integration manueller Tätigkeiten, die Anlagenstruktur sowie Anforderungen an das Vorfeld der automatisierten Montage. Anhand des Pflichtenheftes können Montagesysteme bei Herstellern angefragt werden. Bei Eigenleistungsumfängen wird zusätzlich eine Feinplanung zur Ermittlung des Investitionsbedarfs und der Beschaffungszeit durchgeführt. Hierzu ist eine erneute detaillierte Layoutplanung durchzuführen. Dabei ist es zweckmäßig, das Gesamtlayout in Detaillayouts einzelner Montagestationen zu zerlegen und eine Kurzbeschreibung und Auflistung der einzusetzenden Bausteine zu erstellen. Im Rahmen der Investitionsrechnung (Schritt 10) werden die Anlagenkosten von der Planung über die Fertigung und den Aufbau bis hin zur Inbetriebnahme kalkuliert und der Eigenbau und die Fremdbeschaffung miteinander verglichen, so dass die kostengünstigste Lösung bestimmt werden kann. Ein Beispiel für eine Investitionsermittlung ist in Abschn. 13.2.3 aufgeführt. Zur abschließenden Bewertung und Auswahl der Montagesysteme wird die Montagestückkostenrechnung (siehe Abschn. 13.2.2) herangezogen, die sich in den investitionsabhängigen Maschinenstundensatz und den Personalkostensatz gliedert. Darüber hinaus kommen Verfahren der Wirtschaftlichkeitsrechnung gepaart mit der Nutzwertanalyse zum Einsatz. Diese Methoden werden anhand eines Praxisbeispiels in Abschn. 13.2 detailliert beschrieben. Als Ergebnis der Bewertung der unterschiedlichen Montagesysteme kann entweder eine direkte Auswahl erfolgen oder es kommt zu einer Überarbeitung und Optimierung einer der alternativen Gesamtlösungen. Damit startet der Planungsablauf auf Basis der erzielten Ergebnisse gegebenenfalls erneut. Zunehmend wird die Rechnerunterstützung bei der Planung von Montagesystemen zum Stand der Technik. Zum einen finden Verfahren Anwendung, die den Planungsprozess selbst bei der Layouterstellung mittels CAD-Systemen unterstützen, als auch solche, welche die Prozessabläufe simulieren, um Puffergrößen und Transportstrecken auszulegen oder die ergonomische Optimierung von manuellen Arbeitsstationen zu unterstützen (Lotter 1992). 13.1.3 Absatzsynchrone Montageplanung Prinzip
Vor dem Hintergrund der Unsicherheit des Käuferverhaltens auf der einen Seite sowie der verschärften Wettbewerbssituation durch Niedriglohnlän-
13.1 Planung von Montagesystemen
415
der auf der anderen müssen unternehmerische Investitionsentscheidungen bereits in der Planungsphase neuer Montagesysteme stärker abgesichert werden. Insbesondere möchte man möglichst wirtschaftlich dem Absatzverlauf im Produktlebenszyklus folgen können. Diese wird als absatzsynchrone Montage bezeichnet. Im Folgenden wird das Vorgehen der absatzsynchronen Montagesystemplanung anhand eines Fallbeispiels der Kleingerätemontage erläutert. Dazu seien zunächst die Anforderungen beschrieben. Produktivitätssteigerungen durch Rationalisierungs- und Automatisierungs-maßnahmen sind meist nur mit hohem Investitionsaufwand zu erzielen. Die Sicherheit dieser Investitionen ist gering, wenn auf eine zeitlich fixe Stückzahlobergrenze geplant wird. Durch die Planung von stückzahlflexiblen Lösungsalternativen und deren Bewertung im Rahmen einer dynamischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung soll dieses Investitionsrisiko möglichst klein gehalten werden. Da jedoch meist keine Erweiterbarkeit und Schrumpfungsmöglichkeit des Montagesystems vorgesehen wird, ist eine verlustfreie Reaktion auf nicht eingetretene Absatzverläufe wegen der hohen Fixkosten meist nicht möglich. In Ergänzung zur bisherigen „klassischen“ Montagesystemplanung ergeben sich bei der Planung absatzsynchroner Montagesysteme daher zusätzliche Lebensphasen abhängige Anforderungen. Dabei werden in Ergänzung zu einer weitgehend auf einer fixen Soll-Stückzahl (Sättigungsphase) basierenden Planung die Anlauf- bzw. Auslaufphase besonders berücksichtigt (Lotter u. Hartel 1995; Projekte Hymos und PeFlex in Wiendahl, et al. 2004). Abbildung 13-6 zeigt im oberen Bildteil die drei genannten Phasen eines Produktlebens mit dem geplanten und tatsächlichen Absatzverlauf. Zusätzlich ist der Hochlauf des Folgeproduktes angedeutet. Diesen Phasen sind Ausbaustufen zugeordnet, die zu planen sind. Die Anlaufphase des Produktes am Markt weicht in der Regel von dem idealisierten Planverlauf ab. Bereits im Planungsstadium eines Montagesystems ist daher ein stückzahlflexibles Montagesystem zu gestalten, das die Anpassbarkeit an Markt- bzw. Absatzschwankungen ermöglicht. Die Sättigungsphase ist charakterisiert durch ein hinsichtlich der Stückzahl in etwa konstantes Absatzverhalten. Jedoch ist hier die Variantenflexibilität zu berücksichtigen. Anforderungen des Marktes, sichtbar durch Stückzahlschwankungen innerhalb der Varianten unterschiedlicher Produktbaureihen, müssen aufgefangen werden können. Darüber hinaus ist zu gewährleisten, dass Varianten unterschiedlicher Produktbaureihen auf den Montagesystemen ausgetauscht werden können.
416
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Absatzmenge
Ist Folgeprodukt Plan
Anlauf
Sättigung
Auslauf
stückzahlflexibel
variantenatmend
wiederverwendungsflexibel
Lebensphasen
Ausbaustufen
Abb. 13-6 Anforderungen der absatzsynchronen Montagesystemplanung
In der Auslaufphase bzw. Anlaufphase des Nachfolgeproduktes sinken die Stückzahlen stark ab. Hier geht es darum, beim kurzzyklischen Wechsel der Produktgenerationen eine möglichst hohe Wiederverwendung der Montagekomponenten zu gewährleisten, da diese in der Regel eine technisch längere Lebensdauer besitzen als die Lebensdauer des Produktes am Markt. Zielsetzung ist daher der Einsatz möglichst weitgehend produktneutraler Investitionen. Dabei wird die Montage der Nachfolgegeneration auf dem selben Montagesystem der Auslaufgeneration unter Minimierung der Stillstandszeiten und Umbaukosten angestrebt. Praxisbeispiel
Im Folgenden wird anhand eines Praxisbeispiels die Vorgehensweise erläutert: Das Unternehmen ist Hersteller eines neuartigen Gasventils als Zulieferkomponente für Etagenheizungen. Die angestrebte Absatzentwicklung des im Anlauf befindlichen Produktes über den geplanten Produktionszeitraum zeigt Abb. 13-7. Der Vertrieb schätzt eine mittelfristig erreichbare Stückzahl, welche um 330% über der Markteinstiegsstückzahl (hier mit 100% gekennzeichnet) liegt. Langfristig werden bei günstigem Marktverlauf und entsprechender Wettbewerbssituation sogar 1.000% für möglich gehalten. In dieser Situation empfiehlt sich ein stückzahlflexibles Montagesystems mit Ausbaustufen.
13.1 Planung von Montagesystemen Absatz
langfristige StückzahlObergrenze
1000
417
1000
% 800 700 mittelfristig erreichbare Stückzahl
600 500 400
MarkteinstiegsStückzahl
300
330 250
200 100
130
100 0 IST
1
2
3
n
Jahr
Abb. 13-7 Stückzahlvorgabe für die Anlaufphase (Produktbeispiel)
Die Baugröße des Produktes, die Komplexität der Montageprozesse, die Absatzvorgaben und die Forderung der gezielten Reduzierung des Sekundäraufwandes legen das verrichtungsweise Montageprinzips nahe, dessen genaue Beschreibung sich in Kap. 5 findet. Zum Einsatz kommt ein teilautomatisierter Handarbeitsplatz in Drehtelleranordnung (vgl. Abb. 5-32 und Abb. 5-33). Durch das Aufteilen der Montagevorgänge von einem Montageplatz auf drei bzw. vier Montagetische einerseits sowie durch eine schrittweise Steigerung des Automatisierungsgrades einzelner Arbeitsgänge andererseits entstehen Ausbaustufen. Abbildung 13-8 zeigt ein solches Ausbaustufenkonzept mit neun Ausbaustufen, die eine Stückzahlveränderung im Bereich von 1 zu 10 erlauben. In der Grundausbaustufe G1 erfolgt die gesamte Vor- und Endmontage an einem Einzelmontagetisch von Hand. Lediglich für kraftaufwendige Einpressvorgänge sind Automatikstationen vorgesehen. Bei den automatisierten Ausbaustufen werden in einem ersten Schritte die Schrauben automatisch verschraubt, jedoch weiterhin manuell eingelegt (G2). Die Zuführung der Schrauben ist bei der folgenden Ausbaustufen G3 an allen Drehtellern zusätzlich mit Hilfe von Vibrationswendelförderern automatisiert. In den Zwischenausbaustufen Z1 bis Z3 verteilen sich die einzelnen Vormontagen und die Endmontage auf drei Montagetische. Die Details der Stufe Z1 zeigt Abb. 13-9. Die Vormontagen der Baugruppen Deckel und Mittelteil finden auf den beiden Arbeitsplätzen mit Drehtellern statt. Das Gasventil wird anschließend mit dem Unterteil auf dem Endmontagetisch
418
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen zunehmende Anzahl Arbeitsplätze ZwischenAusbaustufe (Z)
EndAusbaustufe (E)
Manuell (1) G1 +
Z1 +
E1
+
automatisch schrauben (2)
+
+
+
+
+
Z2
G2 +
+
automatisch zuführen und schrauben (3)
E2
+
+
+
+
+
+
zunehmender Automatisierungsgrad
GrundAusbaustufe (G)
Z3
G3
E3
Abb. 13-8 Ausbaustufenkonzept für eine stückzahlflexible Montage
ebenfalls nach dem Verrichtungsprinzip komplettiert. Die Stationen 10, 11 und 12 führen die abschließenden Funktionsprüfungen durch. In den Stationen 6, 7 und 13 werden weitere Vormontagen von Unterbaugruppen – z. B. das Wickeln von Kupferspulen – durchgeführt. Endmontage
Materialzufluss Materialzufluss 7 Magnetantrieb montieren 6 Spulen in Leiterpl. löten
Vormontage Deckel Vormontage Antrieb
Materialfluss der Segmente
Vormontage Mittelteil
13 Spulen wickeln
1 O-Ring Montage
12 Justage und Funktionsprüfung
Abb. 13-9 Layout der Zwischenausbaustufe
Schaltschrank
10 Dichteprüfung
11 Hochsp.prüfung
1m
13 Spulen wickeln
1m
13.1 Planung von Montagesystemen
419
In den Endausbaustufen E1 bis E3 verteilt sich die Montage entsprechend Abb. 13-8 auf vier Einzelmontagetische. Der Arbeitstisch mit der längsten Taktzeit in der Zwischenausbaustufe wird verdoppelt (Mengenteilung). Somit erfolgt die Unterteil- und Endmontage auf zwei identischen Montagetischen. Um Taktzeitverluste zu minimieren, werden einzelne Montagevorgänge zwischen den vier Montagetischen so verlagert, dass gleiche Montagezeiten auftreten. Für die neun Ausbaustufen wurde die Ausbringung für den Ein- und Zweischicht-Betrieb berechnet und in Abb. 13-10 aufgetragen. Man erkennt, dass die 9 Stufen den geforderten Stückzahlbereich vollständig abdecken und damit eine kontinuierliche Ausbringungssteigerung ausgehend von der Anfangsstückzahl ermöglichen. Stückzahl 1500
%
1430
2 Schichten
Leistung
1000
1.240
Wirtschaftl. Stückzahlsprung
1 Schicht
0 100% = Stückzahl Markteintritt
technische Grenze (1.430)
1060 980
970
660
lang fristig (1.000)
500 330
mittel fristig (330%)
310
370
240
100
Markteintritt
Stückzahlbereiche
G1
G2
G3
Grundstufen Beispiel: G1 : manuell
Z1
Z2
Z3
Zwischenstufen G2 : G1+ automatisch schrauben
E1
E2
E3
Ausbaustufen
Endstufen G3 : G2+ automatisch zuführen
Abb. 13-10 Stückzahlsprünge und Realisierungsstufenfolge
Dadurch, dass die geforderten Stückzahlen wegen der sich überlappenden Leistungsbereiche mit alternativen Ausbaustufen erreicht werden können, muss die wirtschaftlichste Rangfolge gefunden werden. Als Entscheidungsgrundlage dienen die eingesparten, ausgabewirksamen Kosten gegenüber dem Ausgangszustand. Dann wird man die Ausbaustufe mit der jeweils höchsten Kosteneinsparung wählen. Dieser Wert wird als Stückzahlsprung bezeichnet und ist ebenfalls in Abb. 13-10 eingetragen. Zur besseren Übersicht ist in Abb. 3-11 der Verlauf der Kosteneinsparung für jede der in Abb. 13-8 gezeigten Ausbaustufen G1 bis E3 in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Leistungsbereich dargestellt. Die zusätz-
420
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
lich eingetragene sog. wirtschaftliche Grenzkurve markiert die Reihenfolge der Ausbaustufen mit der jeweils höchsten Kosteneinsparung. Daraus ergibt sich die Folge G1, G2, G3, Z2, Z3 und E3. Von den möglichen 9 Ausbaustufen erweisen sich damit die Ausbaustufen Z1, E1 und E2 als relativ unwirtschaftlich. Das gesamte Ausbaustufenkonzept kann damit einen Stückzahlbereich von 1:10 mit durchweg steigender Kosteneinsparung je Teil realisieren. Kosteneinsparung : Kosteneinsparungskurve der einzelnen Ausbaustufen (xxx) : Wirtschaftlicher Stückzahlsparung : Wirtschaftliche Grenzkurve x : Wirtschaftliche Ausbaustufenfolge
3,5 €/Stck Z3
3,0
E3
(600)
G3
(330)
G2
2,5
E2
Z2
(470)
(160)
2,0
Z1
E1
G1 (130)
1,5 100
200
400
600
800
1.000 1.400%
Leistung
Abb. 13-11 Wirtschaftliche Ausbaustufenfolge eines Montagesystems
Dieses Montagesystem ermöglicht es, den am Markt tatsächlich realisierbaren Absatz schrittweise zu realisieren. Damit können Investitionsentscheidungen zum spätest möglichen Zeitpunkten erfolgen und das Risiko wird deutlich verringert. Eine vorhergehende Ausbaustufe verdient so gewissermaßen das Geld für die jeweils nächste Stufe.
13.2 Bewertung von Montagesystemen Die Begriffe Bewertung und Auswahl werden wie folgt definiert (Breiing 1989): Unter Bewertung ist die Zuordnung einer Vergleichsgröße zu einem Objekt zu verstehen. Die anschließende Auswahl ist die systematische Suche nach einer möglichst optimalen Lösung aus mehreren zulässigen Lösungen.
13.2 Bewertung von Montagesystemen
421
Für die Bewertung alternativer Montagesystemlösungen im Rahmen von Planungsprozessen wird häufig die duale Bewertungsmethodik eingesetzt. Sie besteht aus einer Wirtschaftlichkeitsrechnung und einer Nutzwertanalyse. Letztere bewertet die schwer bzw. nicht monetär quantifizierbaren Ziele. Die generelle Vorgehensweise der Bewertung alternativer Montagelösungen, einzelner Investitionsvorhaben oder Rationalisierungsprojekte ist in Abb. 13-12 dargestellt (Breiing 1989). Wesentlich sind die Festlegung der Kriterien vor der Lösungserarbeitung und die Auswahl eines fachlich repräsentativen Teams. Vorgaben Anforderungsliste Layout n Lösung 1
Lösung 2
Lösung 3
Lösung n
….
Bewertung in Bewertungsgruppe (4-8 hierarchisch gleichgestellte Personen)
Bewertungskriterien - technisch - wirtschaftlich - organisatorisch - personell
Auswahl/Beurteilung
Entscheidung zugunsten „optimaler“ Lösung
Abb. 13-12 Vorgehen bei der Bewertung von Montagealternativen
Im Allgemeinen werden mehrere Lösungen erarbeitet, welche anschließend getrennt nach den erwähnten monetären bzw. nicht oder schwer monetär fassbaren Kriterien bewertet werden. Die endgültige Entscheidung erfolgt auf Basis einer Gegenüberstellung der wirtschaftlichen und der nutzwertanalytischen Betrachtung (Grob 1983). Der Ablauf ist wie folgt: 1. Definition der Anforderungsliste (Muss-, Kann- und Wunschanforderungen) 2. Aufstellung eines Kriterienkatalogs und Einteilung in technische, wirtschaftliche, organisatorische und personelle Bewertungskriterien 3. Bewertung der Lösungsalternativen durch die Ermittlung von vergleichbaren Wertungszahlen
422
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
4. Entscheidungsfindung (Auswahl) anhand der Gegenüberstellung der Kennzahlen 13.2.1 Nutzwertanalytische Bewertung
Die Nutzwertanalyse bewertet alternative Lösungen qualitativ nach nicht monetären Kriterien. Die Bedeutung der zu erfüllenden Anforderungen in Bezug auf den Gesamtnutzenwert wird durch Gewichtungsfaktoren ausgedrückt. Die Strukturierung der Bewertungskriterien erfolgt in Form eines hierarchischen Zielsystems (Zangenmeister 1976). Ein Beispiel soll das Vorgehen verdeutlichen. Die Planung eines Montagesystems für Möbel führte zu drei Lösungsvorschlägen. In Abb. 13-13 sind die aus der Anforderungsliste abgeleiteten Bewertungskriterien aufgeführt. Diese reichen von der Gefahr von Fehlteilen über Flexibilitätsanforderungen bis hin zur Überschaubarkeit des Auftragsfortschritts.
Gefahr von Fehlteilen Bestände im Arbeitssystem Produktverantwortung Durchlaufzeit Ergonomie Personalflexibilität kurzfristige Flexibilität Materialfluss-Steuerung Überschaubarkeit des Auftragsfortschritts Monotonie Stückzahlflexibilität Materialfluss-Schnittstellen Typenflexibilität absoluter Nutzwert [Punkte] relativer Nutzwert [%] Werteskala für Erfüllungsgrad E :
Variante
Gewicht Istzustand
Bewertungskriterium
G 0,14 0,13 0,12 0,11 0,11 0,09 0,09 0,06 0,05 0,05 0,03 0,02 0,01
E 2,0 2,3 7,7 3,3 1,7 5,0 6,0 6,0 2,0 8,0 4,0 3,7 4,0
E·G 0,3 0,3 0,9 0,4 0,2 0,4 0,5 0,4 0,1 0,4 0,1 0,1 0,0 4,1 100
0
5
10
nicht erfüllt
befriedigend erfüllt
voll erfüllt
1
E 7,0 6,7 5,0 7,0 7,3 3,0 3,7 5,7 6,0 5,0 5,3 6,0 8,0
3
2
E·G 1,0 0,9 0,6 0,7 0,8 0,3 0,3 0,4 0,3 0,3 0,2 0,1 0,1 5,8 142
E 8,7 7,0 5,0 5,0 7,3 4,7 5,3 3,7 8,0 4,3 6,7 7,3 9,0
E·G 1,2 0,9 0,6 0,5 0,8 0,4 0,5 0,2 0,4 0,2 0,2 0,2 0,1 6,2 151
E E·G 9,3 1,3 8,3 1,1 9,3 1,1 8,7 0,9 9,0 1,0 7,0 0,6 8,0 0,7 7,3 0,5 5,7 0,3 9,3 0,5 8,3 0,3 7,7 0,2 4,7 0,0 8,3 203
Abb. 13-13 Formblatt zur Ermittlung der Erfüllungsgrade alternativer Montagesysteme (Beispiel)
Zur Ermittlung der Rangreihenfolge der einzelnen Bewertungskriterien besteht die Möglichkeit, diese durch paarweisen Vergleich systematisch zu ermitteln (Zangenmeister 1976). Jedes Bewertungskriterium wird mit jedem anderen Kriterium bezüglich seiner Wichtigkeit verglichen. Hierbei werden folgende Gewichtungsmöglichkeiten verwendet.
13.2 Bewertung von Montagesystemen
1,0 : 0,0 0,5 : 0,5 0,0 : 1,0
423
Kriterium 1 ist viel wichtiger als Kriterium 2 Kriterium 1 ist gleich wichtig wie Kriterium 2 Kriterium 1 ist weniger wichtig wie Kriterium 2
Da dieses Verfahren bei einer größeren Anzahl von Bewertungskriterien sehr aufwendig wird, kann alternativ die Festlegung der Rangfolge und der Gewichtungen im Planungsteam erfolgen. Im Beispiel ergab die Gewichtung der Einzelkriterien Werte zwischen 0,14 und 0,01. Die Summe aller Gewichtungsfaktoren beträgt 1,0. Im nächsten Schritt wird der Erfüllungsgrad jeder Alternative bzgl. jedes Bewertungskriteriums festgelegt. Der Erfüllungsgrad wird im Wertebereich zwischen 0 (nicht erfüllt) und 10 (voll erfüllt) vergeben. Die anschließende Multiplikation der Gewichtung G mit dem Erfüllungsgrad E ergibt den Teilnutzen. Der Arbeitssystemwert oder auch absolute Nutzwert (ANW) ergibt sich dann als Summe der Teilnutzen zu. n
ANW = ∑ (Ei ⋅ Gi)
Gl. 13-2
i =1
Der relative Nutzwert (RNW) kann entweder auf den Wert des Ausgangszustandes (IST) oder auf die Variante mit dem niedrigsten absoluten Nutzwert normiert werden. Der relative Nutzwert ergibt sich dann zu:
RNW =
ANWi ⋅100% ANWIST
Gl. 13-3
Im Formblatt der Abb. 13-13 sind die Ergebnisse der Nutzwertanalyse der Möbelmontage aufgeführt. Die Normierung der relativen Nutzwerte ist auf den Istzustand des Montagesystems bezogen. In diesem Fall weist die Lösungsalternative 3 mit 203% den höchsten relativen Nutzwert bezüglich der monetär schwer zu quantifizierenden Bewertungskriterien auf. Zur anschaulichen Darstellung der Ergebnisse ist auch das Spinnendiagramm geeignet (siehe Abb. 13-14). Die Winkel in den Tortenstücken entsprechen den Gewichtungsfaktoren der Bewertungskriterien. Die Erfüllungsfaktoren bestimmen den Radius, so dass die Fläche der Tortenstücke dem Teilnutzengrad des jeweiligen Bewertungskriteriums entspricht. Die sich aus dem umschließenden Linienzug ergebende Gesamtfläche ist ein Maß für den absoluten Nutzwert der Alternativen. Der äußere Kreis stellt den Idealzustand bei vollständiger Erfüllung aller Zielkriterien dar. Vorund Nachteile der Alternativen lassen sich anschaulich erkennen.
Kurz fr Flexibistige ilität
nomie Ergo
n r vo fah en Ge hlteil Fe
Typenflexibilität Materia lflusssch nittstelle Stüc n kzah lflex ibilit Mo ät no ton ie
it ke ar ub gs ha tra s sc uf itt er A chr Üb es orts d f luss rialf Mate uerung ste
Typenflexibilität Materia lflusssch nittstelle S n Mo tückzah lflex no ibilit ton ät ie
Durc hlau fzeit
P fle erso xib n ilit alät
on rv n fah ile Ge ehlte F
Typenflexibilität Mater Stü ialflussschnitts tellen Mo ckzahlf lexib no ilität ton ie
B Ar estä be nd its e sy im ste m
P fle ers xi on bi a litä lt Kurz fristig Flex ibilitä e t
Variante 3
it ke ar ub gs ha tra s sc uf ritt er s A ch Üb de orts f alfluss Materi erung steu
P fle erso xib na ilit lät Kurz fristig Flexib e ilität
nomie Ergo
omie Ergon
on rv n fah ile Ge ehlte F
it ke ar ub gs ha tra s sc uf itt er s A chr Üb de orts f alfluss Materi rung steue
tuk ng od rtu Pr ntwo ra Ve
Dur chla ufze it
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t- g uk un od ort Pr ntw ra Ve
Variante 2
on rv n fah ile Ge ehlte F Typenflexibilität Materia lflus Stüc sschnittstellen kzah lflex ibilit Mo ät no ton ie
it ke ar ub gs ha tra s sc uf itt er A chr Üb des orts f alfluss Materi rung steue
P fle ers xi on bi al lit ät Kurz fr Flex istige ibilitä t
mie Ergono
B Ar est be än its de sy im ste m
Durc hlau fzeit
Variante 1
tuk od tPr eran ng v rtu wo
tuk od tPr eran ng V rtu wo
Ist-Zustand
B Ar est be än its de sy im ste m
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
B Ar estä be nd its e sy im ste m
424
Abb. 13-14 Visualisierung der Ergebnisse einer Nutzwertanalyse im Spinnendiagramm (Beispiel)
13.2.2 Wirtschaftlichkeitsberechnung – Statische Verfahren
Die wesentlichen Verfahren zur wirtschaftlichen Beurteilung alternativer Planungslösungen werden im Folgenden kurz dargestellt. Statische Amortisationszeit Bei Rationalisierungsmaßnahmen wird oftmals eine bestimmte Amortisationszeit des eingesetzten Kapitals als ein Planungsziel festgelegt (vgl. Abschn. 13.1.2). Die Einhaltung dieser Vorgabe ist von der Nutzungsdauer der geplanten Montage und der Investitionssumme abhängig. Mit der statischen Amortisationszeitrechnung wird der Zeitraum ermittelt, in dem der Kapitaleinsatz für eine Investition über die Erlöse wieder zurückgeführt ist. Zur Entscheidungsfindung ist diese statische Betrachtung oftmals ausreichend. Die statische Amortisationszeit (AZs) berechnet sich nach folgendem Zusammenhang: AZs = KE / ES Gl. 13-4 Mit: AZs = statische Amortisationszeit in Jahren KE : Kapitaleinsatz in € ES : Einsparung in €/Jahr
13.2 Bewertung von Montagesystemen
425
Die Einsparung errechnet sich aus der Differenz zwischen den ausgabewirksamen Kosten der bisherigen und den ausgabewirksamen Kosten des geplanten Montagesystems. Ausgabewirksame Kosten sind alle laufenden Kosten, die aufgrund des vorhandenen bzw. geplanten neuen Montagesystems anfallen. Die Hauptanteile der Kosten entfallen auf Personalkosten für das operative Montagepersonal, die Materialbereitstellung, die montagebezogene Qualitätssicherung sowie individuelle Zulagen wie beispielsweise Schichtzulagen. Darüber hinaus müssen Kostenanteile wie Energie- und Instandhaltungskosten, Nacharbeits- und Ausschusskosten sowie Bestandskosten dann berücksichtigt werden, wenn eine Kostenreduzierung gegenüber dem Ausgangszustand zu erwarten ist. Montagestückkostenkalkulation Als Entscheidungskriterium für eine Auswahl zwischen mehreren geplanten Montagelösungen ist neben der statischen Amortisationszeit die Ermittlung der Montagestückkosten von Bedeutung (Lotter 1992). Diese sind Bestandteil der Herstellkosten und dienen in zunehmendem Maße dazu, Zielkosten für die Montage bei neuartigen Produkten zu bestimmen. Der Berechnung der Montagestückkosten liegt eine Platzkostenkalkulation zugrunde. Die Kosten teilen sich in die beiden Anteile Maschinenstundensatz und Personalkostensatz auf. Das Kalkulationsschema zur Berechnung der Montagestückkosten ist in Abb. 13-15 dargestellt. Eingangsgrößen KWB n NL TN p
Wiederbeschaffungswert Nutzungsdauer Nettoleistung Nutzungszeit Kalkulatorischer Zinssatz
Maschinenstundensatz
[€] [Jahre] [Stck/h] [h/Jahr] [%]
Personalkostensatz
KWB [€/Jahr] Kalk. Abschreibung KA= n KWB [€/Jahr] p Kalk. Zinsen KZ= 2 [€/Jahr] Raumkosten KR [€/Jahr] Energiekosten KE [€/Jahr] Instandhaltungskosten KI KA+KZ+KR+KE+KI [€/h] Maschinenstundensatz KMH= TN
Lohn-/Gehaltskosten Personalnebenkosten Personalschichtzuschlag
LK, GK LNK, GNK KS
Personalkostensatz KP=(LK+LNK) MAdirekt+(GK+GNK) MAindirekt+KS
Ausgangsgrößen Montagekosten
KM=KMH+KP
[€/h]
Montagestückkosten
KMH+KP KST= NL
[€/Stck]
Abb. 13-15 Kalkulationsschema Montagestückkosten
[€/h] [€/h] [€/h]
[€/h]
426
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Ermittlung des Maschinenstundensatzes:
Es sind fünf Kostenarten zu berücksichtigen: 1. Die kalkulatorische Abschreibung KA wird aus dem Quotienten des Wiederbeschaffungswertes KWB des Montagesystems und der Nutzungsdauer n gebildet. Der Wiederbeschaffungswert setzt sich aus dem Anschaffungswert (das ist die Investitionssumme des Montagesystems) sowie den Installations- und Anlaufkosten zusammen. Die Nutzungsdauer wird meist durch den Produktionszeitraum des Produktes vorgegeben. Bei einem hohen Investitionsanteil wieder verwendungsfähiger Betriebsmittel sollte die Nutzungsdauer individuell festgelegt werden. Die Nutzungsdauer eines Betriebsmittels ist über den Produktionszeitraum dann zu verlängern, wenn die realistische Chance besteht, diese Einrichtung für die Montage des Nachfolgeproduktes zu verwenden. 2. Die kalkulatorischen Zinsen KZ für das in Investitionsgütern angelegte Kapital werden unter der Voraussetzung einer linearen Abschreibung mit 50% des Wiederbeschaffungswertes berechnet. Die kalkulatorischen Zinsen ergeben sich dann aus der Multiplikation mit dem kalkulatorischen Zinssatz p. 3. Die Raumkosten KR hängen von der beanspruchten Fläche und den Kosten pro Flächeneinheit ab. Die beanspruchte Fläche berücksichtigt die Betriebsmittelgrundfläche, den Bedienungsraum einschließlich der Fläche für Reparatur- und Wartungszwecke des Montagesystems, sowie den erforderlichen Bereich für die Materialbereitstellung. 4. Die Energiekosten KE berücksichtigen alle Energiearten wie Strom, Druckluft, Wasser und eventuell auch Gas. Deren Verbrauch ist pro Jahr zu errechnen. Bei investitionsintensiven Betriebsmitteln ist für eine erste grobe Abschätzung der Montagestückkosten dieser Anteil meist vernachlässigbar. 5. Die Instandhaltungskosten KI berücksichtigen Aufwendungen an Wartung und Reparatur innerhalb der Nutzungsdauer zur Erhaltung der geplanten Funktionsfähigkeit der Betriebsmittel. Für eine grobe Abschätzung der Instandhaltungskosten kann ein Wert zwischen 3 bis 5% des Wiederbeschaffungswertes im Einschichtbetrieb und ein Wert zwischen 6 und 10% im Zweischichtbetrieb oftmals als hinreichend genau angenommen werden. Diese fünf Kostenarten ergeben in Summe die Anlagenkosten pro Jahr. Zur Berechnung des Maschinenstundensatzes KMH ist dieser Wert durch die Nutzungszeit TN pro Jahr zu dividieren.
13.2 Bewertung von Montagesystemen
427
Ermittlung des Personalkostensatzes:
Bei den personalabhängigen Kosten werden sowohl die direkt in der Montage tätigen Werker (MAdirekt) als auch das indirekt benötigte Personal (MAindirekt) berücksichtigt. In den indirekten Personalkosten sind beispielsweise die entsprechenden Anteile zugeordneter Vorarbeiter und Meister zu berücksichtigen. Der Personalkostensatz ergibt sich nach der in Abb. 13-15 rechts unten genannten Beziehung demzufolge aus den Lohnund Gehaltskosten (LK, GK), der Personenanzahl (MAdirekt, MAindirekt), sowie den entsprechenden Personalnebenkosten (LNK, GNK). Die Personalkosten der Gehaltsempfänger sind auf einen Stundenlohn umzurechnen. Bei einer Betriebsmittelnutzung im Mehrschichtbetrieb sind die Schichtzulagen KS mit einzurechnen. Ermittlung der Montagekosten und -stückkosten:
Die Montagekosten KM ergeben sich schließlich als Summe des Maschinenstundensatzes KMH und des Personalkostensatzes KP und die anteiligen Montagestückkosten KST als Quotient aus Montagekosten und Nettoleistung. In Abb. 13-16 ist ein Formblatt zur Montagestückkostenkalkulation dargestellt, im Rahmen dessen drei Montagesystemalternativen am Praxisbeispiel der bereits genannten Möbelmontage betrachtet werden. Die Alternative 3 ergibt hier die geringsten Stückkosten. Kenngrößen Eingangsgrößen erreichbare Stückzahl Wiederbeschaffungswert KWB Nutzungsdauer n Nettoarbeitszeit Nettoleistung NL Maschinenstundensatz Kalkul. Abschreibung K A Kalkul. Zinsen KZ= KWB*10%/2 Instandhaltungskosten KI Summe Maschinenkosten Maschinenstundensatz KMH Personalkostensatz Anzahl Mitarbeiter Personalkosten Personalkostensatz KP Montagekosten KM Montagestückkosten KST
Alternativen [Stck/a] [€] [Jahre] [Std/Tag) [Stck/h]
1 10.800 772.166 6 12,4 4
2 10.800 660.026 6 12,4 4
3 10.800 511.211 6 12,4 4
[€/Jahr] [€/Jahr] [€/Jahr] [€/Jahr] [€/h]
128.694 38.608 23.165 190.468 64,00
110.004 33.001 19.801 162.806 54,70
85.202 25.561 15.336 126.099 42,40
[MA] [€/h] [€/h] [€/h] [€/Stck]
15 30,00 450,00 514,00 128,50
15 30,00 450,00 504,70 126,18
15 30,00 450,00 492,40 123,10
Annahmen: 1. Montagestückkosten ohne Energie- und Raumkosten 2. Instandhaltungskosten = 3% des Investitionsbedarfs 3. Personalkosten = 30,00€/h (inkl. Lohnnebenkosten)
Abb. 13-16 Formblatt Montagestückkostenkalkulation (Beispiel)
428
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
13.2.3 Wirtschaftlichkeitsberechnung – Dynamische Verfahren
Die beschriebenen Verfahren „statische Amortisationszeitrechnung“ und „Montagestückkostenkalkulation“ stellen eine Entscheidungsbasis zur Verfügung, welche auf den zum Zeitpunkt der Berechnung gültigen Parametern beruhen. Eine dynamische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird angewandt, sobald die zeitliche Entwicklung der Kostenanteile über den Nutzungszeitraum von Bedeutung ist (Abb. 13-17) (Warnecke 1980).
Erträge 1 Kosten 1
Erträge 2 Kosten 2
1. Nutzungsjahr
2. Nutzungsjahr
Kapitaleinsatz
Erträge n * Kosten n
n. Nutzungsjahr
* einschließlich Liquidationswert
Abb. 13-17 Grundlage der dynamischen Verfahren
Die dynamischen Bewertungsverfahren berücksichtigen im Gegensatz zu den statischen Verfahren die zeitlichen Unterschiede im Anfall der Kosten und Erträge wertmäßig durch eine Diskontierung auf den Entscheidungszeitpunkt. Erträge einer Investition, die im ersten Nutzungsjahr anfallen, werden höher bewertet als Erträge aus späteren Nutzungsjahren. Dies ist damit zu begründen, dass Erträge in frühen Nutzungsjahren durch die Möglichkeit der Reinvestition höhere Erträge erwirtschaften können als die Erträge, die in den letzten Jahren anfallen. Zu den in der Praxis häufig zum Einsatz kommenden Verfahren zählen die dynamische Amortisationszeitrechnung, die Kapitalwertmethode und die interne Zinsfußmethode (Götze u. Bloech 1993). Dynamische Amortisationszeit Die dynamische Amortisationszeit liefert eine Aussage über das Risiko des Kapitaleinsatzes und über die Auswirkungen der Investition auf die Liquidität.
13.2 Bewertung von Montagesystemen
429
Die Rückflüsse (Erträge) werden im Gegensatz zur statischen Amortisationszeitrechnung über die Nutzungsdauer der Betriebsmittel abgezinst. Damit ist die dynamische Amortisationszeit durchweg länger als die statische Amortisationszeit, da nicht nur das eingesetzte Kapital zurück gewonnen werden muss, sondern zusätzlich eine kalkulatorische Verzinsung der eingesetzten Mittel gefordert wird. Im Rahmen von Rationalisierungsplanungen ergeben sich die Rückflüsse durch die erzielbare ausgabewirksame Kosteneinsparung gegenüber dem Ausgangszustand. In Abb. 13-18 ist eine Graphik zur Veranschaulichung der dynamischen Amortisationszeitberechnung dargestellt. In diesem Beispiel ist eine Investition von 7,2 Mio. € geplant. Die erwarteten Rückflüsse aus den Erlösen werden über die Nutzungsdauer der Anlage von 10 Jahren mit einem kalkulatorischen Zinsfuß von 5% abgezinst. Die abgezinsten Rückflüsse pro Jahr ergeben sich aus der Multiplikation des Zeitwertes (voraussichtlicher tatsächlicher Rückfluss) mit dem Abzinsungsfaktor. Die dynamische Amortisationszeit, d.h. der Rückfluss der eingesetzten Investitionsmittel liegt in diesem Beispiel bei 3,8 Jahren. Für die rechnerische Ermittlung der Amortisationszeit ist eine numerische Interpolation erforderlich. Diese kann vereinfacht auch graphisch ermittelt werden, wie Abb. 13-18 andeutet. Wert T€ 6933
Kalkulatorischer Zinsfuss 5% Nutzungsdauer 10 Jahre 1903 741
812 995
812
AZ=3,8 Jahre 995
14133
1144 249
0 0
1
3 1330 4
2
5
6
7
8
9
10
a
1857
b
AZ=3, a/b 1857
2720 2720
1330 1542
1542
7200 Zeitwert
Kapitalwert 6.933 T €
1089
1089 1144
Investition
1903 741
2720 1950
1700
1540
1460
1460
1400
1200
1150
3100
Abzinsungsfaktor 1,0 0,9524 0,9070 0,8638 0,7835 0,7462 0,7107 0,6768 0,6446 0,6139 Az Amortisationszeit
Abb. 13-18 Graphische Ermittlung der dynamischen Amortisationszeit und des Kapitalwertes
430
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Kapitalwertmethode Eine weitere wichtige Entscheidungskennzahl ist der Kapitalwert einer Investition. Darunter versteht man den abgezinsten Gegenwartswert der gesamten Überschüsse (Erträge oder Kosteneinsparungen) nach der vorgesehenen Nutzungsdauer. In Beispiel von Abb. 13-18 ergibt sich ein Kapitalwert von 6.933 T €. Ein Kapitalwert von null bedeutet, dass sich die Investition in entsprechender Nutzungsdauer in der Höhe des angesetzten kalkulatorischen Zinsfußes gerade amortisiert. Bei einem Kapitalwert kleiner Null wird die geforderte kalkulatorische Verzinsung nicht erreicht, bei einem Wert größer Null überschreitet sie die kalkulatorische Verzinsung. Interner Zinsfuß Der interne Zinsfuß stellt die tatsächlich erreichte Verzinsung des eingesetzten Kapitals einer Investition dar. Hierbei ist diejenige Verzinsung zu ermitteln, bei der der Kapitalwert der Investition gleich null wird. Er liefert damit eine Aussage über die Priorität alternativer Investitionsvorhaben bei knappen Mitteln. Der interne Zinsfuß kann ebenfalls über eine numerische oder graphische Interpolation ermittelt werden. Im Rahmen des Praxisbeispiels der Möbelmontage wurden die drei Alternativen mit Hilfe der statischen Amortisationszeit bewertet. Sie errechnet sich aus dem Verhältnis der geschätzten Investitionskosten und der jährlich sich ergebenden Einsparung an ausgabewirksamen Kosten. In Abb. 13-19 sind die ermittelten Investitionen sowie die jährlichen Lohnkosteneinsparungen und die statische Amortisationszeit gegenübergestellt. Kennzahlen Investitionen Aufbau auf FTF Teilewagen/Anhänger FTF Band angetrieben Regale KANBAN Regale Vorrichtungen Kosten der Ausprobe Gesamt Personalkosten Lohnkosten IST Lohnkosten NEU Einsparung jährlich Statische Amortisationszeit (Jahre) AK Anzahl Arbeitskräfte
Alternative 1 €/ Einheit Einheiten
3.000
23
15.000 23 3.000 57 500 15 300 22 58.448 8 735.396 0,05
Alternative 2 €
69.000
2.700 1.500
345.000 171.000 500 7.500 6.600 300 136.296 58.148 36.770 628.596
26 12 26 15 22 8 0,05
772.166 €/AK
80.000 80.000
AK
€/Jahr
€/ Einheit Einheiten
AK
63.000 27.000 315.000
500 15 7.500 22 6.600 300 136.296 58.148 4 31.430 446.868 0,05
7.500 6.600 67.768 24.343
3.000 2.700 15.000
€/Jahr
511.211 €/AK
1.760.000 14,8 1.184.000 80.000
536.000
€
21 10 21
70.200 18.000 390.000
660.026 €/AK
22 1.760.000 15,3 1.224.000 80.000
1,44
Alternative 3 €
€/ Einheit Einheiten
AK
576.000 1,15
€/Jahr
1.760.000 15,3 1.224.000 536.000 0,95
Geforderte Ausbringung: 10.800 Stück/Jahr
Abb. 13-19 Berechnung der statischen Amortisationszeit
13.2 Bewertung von Montagesystemen
431
900
1,8
T€
Jahre
700
1,4
600
1,2
500
1,0
400
0,8
300
0,6
200
0,4
100
0,2
0
0,0 Alternative 1
relativer Nutzwert
Amortisationszeit
Kosten
Die Ergebnisse der dualen Bewertung werden für das Beispiel in Abb. 13-20 zusammenfassend dargestellt. Die Entscheidungsfindung wird durch diese übersichtliche Darstellung der wirtschaftlichen Kennzahlen (Investition, Einsparung, statische Amortisation) und der Nutzwerte (vgl. Abb. 13-13) der Alternativen erleichtert. Der relative Nutzwert wird als Bezugsgröße zum Ausgangszustand der Montage (=100%) definiert. Die Alternative 3 ist aufgrund der kürzesten Amortisationszeit von etwas unter einem Jahr, des geringsten Investitionsbedarfs und auch des besten relativen Nutzwertes zu realisieren. Darüber hinaus ergaben auch die Montagestückkosten (vgl. Abb. 13-16) der Alternative 3 mit 123,10 €/Stück den geringsten Wert.
Alternative 2
Alternative 3
0 50 100 150
142
151
%
203
250
Investitionskosten
Amortisationszeit
Einsparung/Jahr
relative Nutzwerte
Abb. 13-20 Duale Bewertung der Lösungsalternativen
Literatur Breiing A (1989) Analyse und Sensibilitätsuntersuchung der wichtigsten Bewertungsverfahren. Bewertung technischer Systeme, ETH Zürich, S. 133–199
432
13 Planung und Bewertung von Montagesystemen
Bullinger H J (1986) Systematische Montageplanung – Handbuch für die Praxis. Carl Hanser Verlag, München, Wien Eversheim W (1989) Organisation in der Produktionstechnik Band 4, VDIVerlag, Düsseldorf Feldmann K, Gergs H J, Slama S, Wirth U (2004) Montage strategisch ausrichten – Praxisbeispiele marktorientierter Prozesse und Strukturen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Götze U, Bloech J (1993) Investitionsrechnung. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Grob R (1983) Erweiterte Wirtschaftlichkeits- und Nutzenrechnung: Duale Bewertung von Investitionen für Planungsalternativen. Verlag TÜV Rheinland, Köln Lotter B (1992) Wirtschaftliche Montage. VDI-Verlag, Düsseldorf Lotter B, Hartel M (1995) Keine Mark für Eintagsfliegen – Absatzsynchrone Montage Investitionen vorausschauend absichern. Produktion 6:3 REFA (1987) (Hrsg.) Methodenlehre der Betriebsorganisation, Teil 4: Planung und Gestaltung komplexer Produktionssysteme, Carl HanserVerlag, München Wien Warnecke HJ (1980) Wirtschaftlichkeitsrechnung für Ingenieure, Carl Hanser-Verlag, München Wien Wiendahl, Gerst, Keunecke (2004) Variantenbeherrschung in der Montage, Springer-Verlag 2004, Berlin Heidelberg Zangenmeister C (1976) Erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalyse, Wirtschaftsverlag, Dortmund
14 Überlegungen zum Standort Deutschland
14.1 Einleitung Die Entscheidung für eine Verlagerung von Montagebereichen ins Ausland basiert im Wesentlichen auf folgenden Gründen: − Markterschließung: In dem betreffenden Land soll ein neuer Käufermarkt erschlossen werden. Die im Ausland montierten Produkte werden dort auch verkauft. − Following the customer: Ein Großkunde im Ausland wird direkt an dessen Standort beliefet. Die montierten Produkte bleiben aus Sicht des Zulieferers in diesem Land. Der Großkunde liefert sein Endprodukt aber möglicherweise auch in andere Länder. − Kostenreduzierung: Die Verlagerung in ein so genanntes Niedriglohnland soll die Herstellkosten reduzieren. Die montierten Produkte werden zum Verkauf entweder nach Deutschland oder in andere Absatzländer zurückgeführt. Der erstgenannte Grund beruht auf der Marktausweitung in einer globalisierten Wirtschaft. Die Globalisierung ist auch der Treiber für eine Verlagerung aus dem Grund „following the customer“. Die Nähe zum Großkunden ist besonders für die Zulieferindustrie nahezu unumgänglich. Wenn in einem Land eine PKW-Produktion aufgebaut wird, verlangt der PKW-Hersteller die lokale Ansiedlung der wichtigsten Zulieferer. Nur über die Nähe zum Großkunden kann eine Lieferung „just in time“ oder „just in sequence“ – aller Produktvarianten sichergestellt werden. Mit größer werdender Entfernung zwischen einem Großkunden und seinen Zulieferern nimmt die Möglichkeit einer „just in time“ Belieferung ab. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Zulieferung aus China. Hier wird aus Gründen der Logistikkosten die kleinste Losgröße einer Variante durch das Fassungsvermögen eines Containers bestimmt. Der dritte Grund liegt in den tatsächlich oder vermeintlich zu hohen Personalkosten, die in der Montage naturgemäß einen größeren Teil als in der Teilefertigung ausmachen. Ob dabei wirklich immer bis „unter den
434
14 Überlegungen zum Standort Deutschland
Strich“ gerechnet wird, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Die folgenden Überlegungen sollen hierzu Anhaltspunkte vermitteln. Die Entscheidung über eine Verlagerung von Montagebereichen kann und darf nicht immer unter reinen Kostengesichtspunkten erfolgen. Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: − − − −
Strategische Ausrichtung, betriebswirtschaftliche Auswirkungen, soziale Auswirkungen und Risikoabsicherung.
14.2 Entscheidungskriterien Zum Aufbau einer Produktionsstätte oder eines Montagebetriebes zur Erschließung eines neuen Marktes gelten grundsätzlich die Richtlinien einer Neuplanung. Von Vorteil ist, dass in den zur Verlagerung vorgesehenen Ländern die gewünschte Entfaltung und Betriebsstruktur teilweise weniger durch staatliche Vorschriften behindert wird. Allerdings steigt mit zunehmender Wirtschaftsentwicklung erfahrungsgemäß auch die Regulierungsdichte der Behörden. Die Standortwahl einer Verlagerung aus Gründen der Nähe zum Großkunden ist stark eingeschränkt. Der Standort ist entweder auf dem oder angrenzend an das Gelände des Kunden oder in seiner Nähe im Umkreis von einigen Kilometern zu wählen. Ist der Wunsch nach Kostenreduzierung der Verlagerungsgrund, kann die Standortfrage weitgehend frei entschieden werden. Nachstehende Parameter sind dabei einer genaueren Analyse zu unterziehen: − Stabilität der politischen und wirtschaftlichen Situation, wie z .B. Inflationsrate, Währungsrisiko, Lohnkostenentwicklung und Mitarbeiterqualifikation. − Infrastruktur wie z .B. Logistik, Anbindung an Verkehrsnetze, Dienstleistungen, medizinische Versorgung, Schulwesen und Nähe zu Hochschulen. Zur Errichtung einer Auslandsmontage ergeben sich folgende Möglichkeiten: − Gründung einer eigenen Gesellschaft. Die Gesellschaftsform muss nach den Richtlinien des Landes gewählt werden. − Teilhaberschaft an einem bestehenden Unternehmen. − Kooperation mit einem bereits am Standort bestehenden Unternehmen.
14.3 Betriebswirtschaftliche Auswirkung
435
Eine eigene Produktionsstätte garantiert einen hohen Freiheitsgrad in der Gestaltung, bindet jedoch Kapital- und Managementkapazität. Der Lösungsansatz Teilhaber oder Kooperationspartner bedeutet demgegenüber eine eingeschränkte Entscheidungsfreiheit. Zu beachten sind nicht nur die Stärken des Partners, sondern auch seine Schwächen. Weiterhin bedeutet die Verlagerung einer Montage die räumliche Trennung von Produktentwicklung und Montage. Das enge Zusammenwirken dieser Bereiche ist jedoch für die kontinuierliche Produkt- und Montageablaufverbesserung unerlässlich. Dazu ist ein häufiger persönlicher Kontakt dieser Bereiche notwendig, der nur teilweise durch elektronische Kommunikation wie e-mail, sowie Telefon- und Videokonferenzen ersetzt werden kann.
14.3 Betriebswirtschaftliche Auswirkung Nach erfolgter Standortwahl ist zur Entscheidungsfindung eine Bewertung durchzuführen. Bei Standortbewertungen wird zum Vergleich in der Regel der Ist-Zustand des deutschen Standortes mit seinen gewachsenen Strukturen herangezogen. Bei diesem Vorgehen konkurriert der deutsche Standort mit dem optimal ausgelegten Auslandsstandort ohne die Berücksichtigung unausgeschöpfter Potentiale zur Kostensenkung. Durch die Vernachlässigung noch unbekannter – jedoch meist vorhandener – Rationalisierungsmöglichkeiten des bisherigen Standortes wird dieser systematisch benachteiligt. Es wird häufig zu wenig oder gar nicht berücksichtigt, ob der deutsche Standort mit eventuell geringeren Investitionen als bei einer Auslandsinvestition das gleiche oder gar ein besseres Ergebnis bringen könnte (Kinkel 2004). Eine Entscheidung, die lediglich auf einem Vergleich der Montagekosten im Ausland mit den derzeitigen Montagekosten in Deutschland basiert, würde zu einer Fehlentscheidung führen (Lotter, Volkholz 1995). Um diese zu vermeiden, ist daher dringend zu empfehlen, parallel zu einer Standortplanung im Ausland eine Analyse und Optimierung der in Deutschland vorhandenen Montage durchzuführen. Hierzu eignet sich eine PrimärSekundär-Analyse, wie sie in Kapitel 3 vorgestellt wurde. Eine fundierte Vergleichsrechnung ist auf der Basis des Jahresaufwandes und der Jahreskosten zu erstellen. Als erstes sind die direkten Montagekosten der geplanten Auslandsmontage mit dem Ist-Zustand der vorhandenen Montage in Deutschland und mit dem möglichen Zustand nach erfolgter Rationalisierung der vorhandenen Montage zu ermitteln. Als Basis dienen die Montagezeiten unter Berücksichtigung der Produktivität der drei aufgezeigten Möglichkeiten. Die Montagestückkosten multipliziert
436
14 Überlegungen zum Standort Deutschland
mit der geplanten Jahresstückzahl ergeben die Montagejahreskosten – jedoch ohne die bei einer Verlagerung entstehenden Zusatzaufwendungen bzw. Zusatzkosten. Die bei einer Verlagerung entstehenden zusätzlichen Aufwendungen bzw. Kosten, die in einer Vergleichsrechnung zur Bewertung nicht fehlen dürfen, werden in folgendem beschrieben und gleichzeitig die Art ihres Eingangs in die Vergleichsrechnung genannt. 1. Erhöhte Bevorratung an Einzelteilen und Materialien für die Auslandsmontage zur Absicherung unsicherer Transportzeiten. Eine realistische Reichweite von ca. 20 Arbeitstagen führt zu einer spürbaren Erhöhung des Umlaufvermögens gegenüber einer optimierten lokalen Montage mit 4 bis 5 Tagen Reichweite. Die hieraus resultierenden kalkulatorischen Zinsen (z .B. 8 %) und Logistikkosten (z .B. 15 %) gehen in die Vergleichsrechnung ein. 2. Vorhalten von fertigen Produkten im Fall einer Just in Time Lieferung an Kunden in Deutschlande in der Regel für 30 Arbeitstage. Dies bedeutet gegenüber 4 bis 5 Tagen bei einheimischer Montage eine spürbare Erhöhung des Umlaufvermögens. Die hieraus resultierenden kalkulatorische Zinsen und Logistikkosten gehen in die Vergleichsrechnung ein. 3. Überlieferung an Einzelteilen und Materialien von 1-2 % zum Ausgleich für erhöhten Montageausschuss. Der Gegenwert der Selbstkosten geht zu 100 % in die Vergleichsrechnung ein. 4. Die anfallenden Transportkosten für die Zulieferung von Vormaterial an die Auslandsmontage und die Rücklieferung montierter Produkte. Diese gehen zu 100 % in die Vergleichsrechnung ein. 5. Die Sicherung der Qualität am Auslandstandort. Sie erfordert sowohl eine entsprechende Unterstützung am Auslandsstandort als auch eine verschärfte Qualitätsprüfung im Wareneingang in Deutschland. Die anfallenden zusätzlichen Kosten belasten die Vergleichsrechnung voll. 6. Der zusätzliche Gemeinkostenaufwand für die Managementbetreuung. Diese betrifft die Produkte und die Produktion sowie das häufig schwierige Controlling der Auslandsmontage. Die anfallenden Kosten sind zu 100 % in der Vergleichsrechnung zu berücksichtigen. 7. Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter/innen. Sie gehen ebenfalls in die Vergleichsrechnung ein, können jedoch anteilig auf mehrere Jahre verteilt werden. 8. Entfallene Deckungsbeiträge im Stammwerk. Die durch die Verlagerung entstehende Unterdeckung ist zu 100 % den Montagekosten der Auslandsmontage hinzuzurechnen.
14.4 Beispiel einer Vergleichsrechnung
437
9. Nicht mehr absorbierte Fixkosten. Werden durch die Verlagerung Betriebsmittel und/oder Hallenflächen und Räume frei, gehen sie zu 100 % in die Vergleichsrechnung ein. 10. Sozialkosten. Bewirkt eine Verlagerung einen Personalabbau in der Montage, sind die entstehenden z .B. für den Sozialplan, Abfindungen usw., zu 100 % in die Vergleichsrechnung einzubeziehen. Mit der monetären Bewertung der 10 Faktoren wird der gesamte Finanzbedarf einer geplanten Verlagerung ermittelt, der im wesentlichen aus der Erhöhung des Umlaufvermögens für die Materialbevorratung bei der Auslandsmontage und der Bevorratung fertiger Produkte zur JIT – Lieferfähigkeit in Deutschland resultiert. Hinzuzurechnen sind die für die Verlagerung entstehenden Vorbereitungskosten wie z .B. Betriebsmittelüberholung, Transportkosten der zu verlagernden Einrichtungen, Neuaufbau der Montage, Einrichtungen im Auslandswerk sowie die Neuqualifizierung der Prozesse, teilweise verbunden mit Abnahmeprozeduren des Kunden. Zur Entscheidungsfindung sind weiterhin der Investitionsbedarf zur Rationalisierung der derzeitigen Montage und die hieraus resultierenden Montagekosten zu ermitteln und sind Bestandteil der Vergleichsrechnung.
14.4 Beispiel einer Vergleichsrechnung 14.4.1 Ausgangssituation Zur Entscheidung über eine wirtschaftlich sinnvolle Verlagerung einer Montage von Spannelementen, bestehend aus 14 bis 18 Einzelteilen bei 24 Produktvarianten, ist zu überprüfen, welche Kostenreduzierung durch eine Verlagerung in ein Niedriglohnland in etwa erreicht werden kann. Gleichzeitig ist eine Analyse über die vorhandenen Rationalisierungspotenziale der bestehenden Montage zu erarbeiten. Die folgende Planungsbasis ist gegeben: Verlagerungsstandort − − − − − − − −
Jahresleistung 1.400.000 Stück / Jahr Stundenaufwand Montage Deutschland z. Zeit 48.222 Std /Jahr Montagestundensatz Deutschland 26,00 € / h Einzelteilekosten 3,10 € / Satz Standortvorauswahl Auslandsmontage: Europa Notwendiges Personal: Qualifiziert z. T. Facharbeiter Geschäftsform: Kooperation mit bestehendem Unternehmen Einzelteilefertigung: bleibt in Deutschland
438
14 Überlegungen zum Standort Deutschland
− Personalbezogene Zusatzaufwendung in Deutschland im Falle einer Verlagerung: Keine, da Ausgleich des Personalabbaus durch altersbedingtes Ausscheiden möglich. Standort Deutschland Für die Montage in Deutschland sind folgende Maßnahmen durchzuführen: − Montageablaufstudie nach Primär-Sekundär-Aufwand, − Planung neuer Montageeinrichtungen mit dem Ziel der Montagekostensenkung auf ca. 50 %, − Bestimmung des notwendigen Investitionsbedarfs sowie − Erstellung eines Projektplans für eine Umsetzung der jeweiligen Lösung. 14.4.2 Ergebnisse Auslandsmontage − Die Standortsuche verbunden mit der Anforderung nach qualifizierten Mitarbeitern ergab, dass sich der Großraum Bukarest in Rumänien anbietet. Qualifizierte Mitarbeiter und Facharbeiter stehen zur Verfügung. − Die logistische Anbindung an den Standort ist gut. Die Personalkosten für qualifizierte Mitarbeiter liegen einschließlich aller personalabhängigen Nebenkosten bei € 4,50 / h. − Als Kooperationspartner bieten sich zwei Unternehmen an, die auf Grund ihrer Produktion, Firmengröße und Gebäude für die Montage von Spannelementen geeignet sind. − Die vorhandene Infrastruktur genügt allen Anforderungen. − Die Produktivität bei manuellen Tätigkeiten liegt gegenüber der Produktivität am deutschen Standort bei 75 %. − Rationalisierung der Montage in Deutschland Eine durchgeführte Primär-Sekundär-Gesamtanalyse der Montage zum Zeitpunkt des Vergleichs ergab einen Wirkungsgrad von 54 %. Aus den Detailanalysen ging hervor, dass der Montageablauf und die Arbeitsplatzgestaltung die Hauptursache für dieses schlechte Ergebnis sind. Es wird grundsätzlich stückweise montiert und an jedem Montageplatz werden nur ein bis max. zwei Montagevorgänge durchgeführt. Von Nachteil ist ebenfalls, dass durch die Aufteilung des gesamten Montageinhaltes auf eine Mehrzahl von Arbeitsplätzen ein hoher Sekundäraufwand durch Ablegen und Neugreifen von Teilen bzw. Teilbaugruppen entsteht. Hinzu kommt noch der Transport zwischen den Arbeitsplätzen, die teilweise weit von einander stehen. Der gesamte Ablauf bindet entsprechend viel Personal.
14.4 Beispiel einer Vergleichsrechnung
439
Eine Neuplanung der Montage zeigte, dass die Umstellung der bisherigen Einzelplatz-Teilmontagen mit stückweisem Montageablauf auf die Montage in Montagezellen hybrider Bauart auf einen verrichtungsweisen Montageablauf möglich und sinnvoll ist. Diese Montagezellen sind mit je zwei Mitarbeitern besetzt und eine Produktvariante wird in einer Zelle fertig montiert und geprüft. Die Montagezeitreduzierung liegt auf Basis einer MTM-Analyse bei 45 bis 50 %. Vergleichsrechnung In Tabelle 14-1 sind die Analyseergebnisse in einer Vergleichsrechnung zwischen Auslandsmontage, dem Ist-Stand der Montage in Deutschland und einem rationalisierten Montageablauf in Deutschland gegenüber gestellt. Tabelle 14-1 Vergleichsrechnung unterschiedlicher Montagestrategien Bewertungsfaktor Lohnstunden für 1,4 Mio Einheiten [h] Lohnkosten Montage und Prüfung [€/h] Lohnkosten Montage und Prüfung [T €/Jahr] Materialbevorratung für 20 Tage [T €/Jahr] (116 T Stück · 3,10 €/Stück ? 8 % Zinsen)
Standort D Ist-Zustand 48.200 26.00 1.254
Standort D rationalisiert 23.300 28.00 654,0
Standort Ausland 64.800 4.50 292,0 28,8
Fertigwarenbevorratung für 30 Tage [T €] (163 Stück · 3,53 €/Stück ? 8 % Zinsen)
4,6
0 (JIT)
Materialbevorratung für zusätzlich 3 Tage [T €] (17,4 T Stück · 3,10 €/Stück ? 8 % Zinsen)
4,3
4,3
46,1
Transportkosten [T €] (48 Transporte · 1000 €/Transport)
48,0
Zusatzaufwand Qualitätssicherung [T €] (1.200 h 30 €/h)
36,0
Personalqualifizierung Auslandsstandort [T €] (25.000 € verteilt auf 5 Jahre)
5,0
Zusatzaufwand Gemeinkosten [T €] (Produkt, Produktion, Management, Controlling) (1.200 h · 36 €/h) Zwischensumme [T €]
43,2 1.262,9
658,3
499,1
1.262,9
658,3 60,5
597,8
0,90
0,47 - 48
0,43 - 52
Fehlende Deckungsbeiträge [T €] (15 % von 657,3 T €) Summe [T €] Mehraufwand Montage am Standort D [T €] Montagestückkosten [€/Stück] Veränderungen gegenüber Standort D Ist [%]
98,7
Neben der Stückkostenrechnung ist der Kapitalbedarf für die beiden Alternativen zu betrachten. Der aus der Vergleichsrechnung nach Tabelle 14-1 resultierende Kapitalbedarf für eine Auslandsmontage und für die Investition in eine neue Montage geht aus Tabelle 14-2 hervor.
440
14 Überlegungen zum Standort Deutschland
Die Vergleichsrechnung zeigt, dass die Montagekosten der rationalisierten Montage in Deutschland 0,47 €/Stück und bei einer Auslandsmontage 0,43 €/Stück betragen. Das bedeutet bei 1.400.000 Stück/Jahr und einer Differenz von 0,04 €/Stück insgesamt Mehrkosten der Montage in Deutschland von 56.000 €/Jahr. Dem steht ein Kapitalbedarf bei einer Verlagerung ins Ausland von 979.990 € und beim Verbleib in Deutschland ein Investitionsbedarf für eine neue Montagetechnik von 550.000 € gegenüber. Das bedeutet eine Einsparung von 429.990 €. Tabelle 14-2 Kapitalbedarf alternative Montagestrategien (Beispiel) Kostenfaktor
Standort Ausland [ € ]
Bevorratung Materialsätze im Ausland (116.000 Teilesätze ? 3,10 € / Teilesatz)
359.600
Bevorratung Fertigprodukte in Deutschland für JIT -Lieferung (163.000 Stück ? 3,53 € / Stück)
575.390
Überholung Betriebsmittel, Transport und Neuaufbau im Ausland
45.000
Neuinvestition hybride Montagetechnik in Deutschland Summe
Standort D rationalisiert [ € ]
550.000 979.990
550.000
Rechnet man den Mehraufwand der Montage in Deutschland gegen die Kapitaleinsparung, ist die Einsparung von 429.900 durch die jährlichen Mehrkosten von 56.000 € nach 7,7 Jahren verzehrt. Die Personalsituation ist folgende: Die Auslandsmontage würde 34 Mitarbeiter binden, die bisherige Montage in Deutschland benötigt 26 Mitarbeiter und die neue Montagetechnik in Deutschland nur noch 13. Die Analyse zeigt, dass eine Verlagerung aus reinen Kostengründen nicht notwendig ist. Die Ergebnisse zeigen aber auch, wie wichtig es ist, mit einer Primär-Sekundär-Analyse Fehlentscheidungen zu vermeiden. 14.4.3 Risikoabsicherung Die bisherigen Betrachtungen basieren auf monetären Werten. Das Risiko einer Auslandsverlagerung selbst lässt sich jedoch kaum monetär bewerten. Mögliche zu erwartende Risiken können sein: − Verlust an Produkterfahrung durch räumliche Trennung von Produktkonstruktion und Montage.
14.4 Beispiel einer Vergleichsrechnung
441
− Marktverluste durch eventuellen Nachbau des verlagerten Produktes. − Auftreten verdeckter Qualitätsprobleme mit der Folge von Garantiekosten, Rückrufaktionen, Lieferengpässen und Imageverlust. Wie weit derartige Ereignisse durch Risikoversicherungen abgedeckt werden können, ist im Einzelfall zu prüfen. Ist dies möglich, müssen die Versicherungskosten in die Vergleichsrechnung eingehen. Diese Risikobewertung verschlechtert in jedem Fall die Wirtschaftlichkeit einer Auslandsverlagerung.
Literatur Kinkel S (2004) (Hrsg) Erfolgsfaktor Standortplanung. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg Lotter B (1998) Wirtschaftliche Montage. In: Tagungsband Deutscher Montagekongress. München Lotter B, Schilling W (1994) Manuelle Montage. VDI Verlag, Düsseldorf Lotter et al. (1998) Manuelle Montage wirtschaftlich gestalten. Expert Verlag, Renningen Lotter B, Volkholz V (1995) Abschlussbericht HYMOS. GfAH, Dortmund
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
15.1 Einleitung Ein langfristiger Wettbewerbsvorteil kann nicht nur durch die Neuorganisation der Strukturen und Prozesse in der Montage erlangt werden, sondern auch durch die systematische Entwicklung der Mitarbeiterqualifikationen. Durch qualifizierte und engagierte Mitarbeiter entstehen Leistungsvorteile, die durch Wettbewerber schwer zu imitieren sind. Eine darauf ausgerichtete Unternehmensentwicklung beinhaltet in diesem Zusammenhang immer auch eine Personal- und Qualifikationsentwicklung. Die existierenden Auffassungen von Qualifikation reichen von einem Begriff mit engem Bezug auf fachliche, in Prüfungen darstellbare Leistungen bis hin zu einem weiten Verständnis, welches das komplexe Arbeitsvermögen von Personen im Sinne aller arbeitsbezogenen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse und Einstellungen umfasst. Anstelle des Qualifikationsbegriffs wird auch der Begriff der Kompetenz verwendet. Teilweise wird der Kompetenzbegriff sehr ähnlich wie Qualifikation im Sinne eines komplexen, personellen Arbeitsvermögens, d. h. als Handlungskompetenz verstanden. Dabei werden neben den Befähigungen im fachlichen Bereich vor allem auch solche im sozial-kommunikativen, methodischen oder persönlichkeitsbezogenen Bereich hervorgehoben werden (Bullinger, Witzgall 2002). Unter dem Einfluss der teilweise gravierenden und fortlaufenden Veränderungsprozesse in der Montage ist nicht nur der „Lerndruck“ generell gewachsen. Es hat sich auch herausgestellt, dass immer dann, wenn ein Betrieb gezielte unterstützende Vorleistungen im Bereich der Lernorganisation und Lernmotivierung erbringt, auch die notwendigen Lernprozesse erfolgreich in Gang kommen können. Allerdings vollzieht sich Lernen in vielen Montagen immer noch ohne didaktische Anleitung und ohne systematisch aufbereitetes Wissen. Grundlage von Lernprozessen ist die unmittelbare Arbeitserfahrung, die Unterweisung durch Kollegen oder der Arbeitsplatzwechsel. „Die auf diese Weise erworbenen Kompetenzen bleiben jedoch sehr lückenhaft. Zudem werden Lernprozesse durch die zeitlichen Anforderungen der Produktion unterbrochen und verzögert. Infolgedessen
444
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
fehlt es den Beschäftigten an Hintergrundwissen und an theoretischer Vertiefung“ (Gerst 2003). Die jeweiligen Qualifikationsanforderungen in der Montage differieren erheblich in Abhängigkeit von der Art des Montagesystems und der gewählten Art der Arbeitsorganisation. Lotter u.a. unterscheiden Montagen beispielsweise nach der Größe der zu montierenden Produkte, der Produktkomplexität, der zu beherrschenden Variantenzahl und den zu montierenden Stückzahlen (Lotter u.a. 2002).
15.2 Aufgabenorientierte Qualifizierung 15.2.1 Handlungsanleitung In der Serienmontage wird Qualifizierung in vielen Fällen in Form eines mehr oder weniger gezielten Anlernens durchgeführt. Dies sieht in der Praxis oftmals so aus, dass das Anlernen durch eingearbeitete Mitarbeiter/Innen nach der Methode des Vormachens – Nachmachens betrieben wird. Zwar ist für das Anlernen in der Regel ein Meister verantwortlich, welcher hierfür auch ausgebildet ist; die Durchführung des Anlernens wird von diesen Meistern jedoch häufig an erfahrene Mitarbeiter delegiert. Allen anlernenden Mitarbeiter/Innen ist jedoch gemeinsam, dass sie nicht die Kenntnisse besitzen, wie sie ihr Wissen und Können bzw. ihre Fertigkeiten vermitteln können. Sie verfügen in der Regel nicht über die notwendigen didaktischen und methodischen Hintergründe und sind somit durch das Anlernen überfordert. Zusätzlich stehen diese anlernenden Mitarbeiter/Innen häufig unter Produktionsdruck, d. h. sie werden für den Anlernvorgang keineswegs von ihrer normalen Arbeit freigestellt, sondern müssen diese nebenher erledigen. Im Vergleich zum schulischen Lernen ist das Aufgabenlernen eine viel stärker praxisgebundene und damit auch „natürlichere“ Lernform. Vor allem bei relativ einfachen Arbeitsaufgaben entwickelt sich das Können im Wesentlichen durch praktisches Üben. Das Wissen entsteht hier eher nebenbei entweder durch spezielle Unterweisungen oder aber durch die während der Aufgabenausführung ablaufenden Erklärungsprozesse des Kollegen oder die Selbsterklärungsprozesse des Lernenden. Die Qualifizierung erfolgt in dem Beziehungsdreieck Sollen, Tun und Können, Abb. 15-1 (Bullinger, Witzgall 2002). Ausgangspunkt sind Montageaufgaben, die aus den betrieblichen Zielen resultieren und sich mit der Entwicklung von Technik und Organisation verändern (Sollen). Daraus entstehen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern (Tun). Hierbei ist auf die richtigen Methoden und Medien zu achten. Auf-
15.2 Aufgabenorientierte Qualifizierung
445
gabenbezogenes Lernen hat den grundsätzlichen Vorteil, dass das Lernen vor allem auch im normalen Arbeitsprozess möglich ist. Die Gestaltung und Zuweisung von lernrelevanten Aufgaben ist eine Voraussetzung für die Qualifikationsentwicklung. Im dritten Schnitt ist zu prüfen, ob die Aufgabenstellungen von den Mitarbeiter/Innen auch tatsächlich beherrscht werden (Können). Er ist die Voraussetzung der Qualifizierungsplanung. Ist die Zuordnung von Personen zu Aufgaben (wer soll was tun?) definiert, kann überprüft werden, wer in welchem Ausmaß die ihm zugeordneten Aufgaben beherrscht. Sollen Betriebliche Ziele
Aufgabenstellungen formulieren
Anpassung/ Weiterentwicklung von Technik und Organisation
Aufgabenbeherrschung prüfen
Vereinbarungen zur Aufgabenwahrnehmung treffen
Können
Tun
Qualifizierung
Abb. 15-1 Beziehung zwischen Arbeitsaufgaben und Qualifizierung
Der Grad der Aufgabenbeherrschung wird in der Regel in einer so genannten Qualifikationsmatrix dokumentiert, deren Prinzip Abb. 15-2 (Harsch 2002) zeigt. Je Mitarbeiter ist ersichtlich, ob er die je Arbeitsplatz erforderten Fertigkeiten kennt und versteht, in der geforderten Qualität ausführt, darüber hinaus auch die Menge erbringt und schließlich fähig ist, sein Wissen auch weiter zu geben. Eine möglichst genaue Beschreibung der Aufgaben bzw. Tätigkeiten ist gerade für die Anlernphase erforderlich. Diese Beschreibung sollte eine genaue Durchführungsanleitung, deren schrittweise Begründung und die diversen Fehlermöglichkeiten und Fehlerfolgen enthalten. Dies ist deswegen notwendig, weil auch das Anlernen sensu-motorischer Teiltätigkeiten anfangs intellektuelle Anteile beinhaltet und Denkprozesse benötigt. Im Lernprozess wird ein umfassendes Abbild der Bewegungsfolgen im Ge-
446
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
hirn gespeichert. Ein umfassendes, methodisch korrektes Abbild der Aufgabe, welches auch die Begründungen für die einzelnen Handlungsschritte enthält, ist als Orientierungsgrundlage deshalb unabdingbar. Das Fehlen einer solchen Grundlage hat Auswirkungen auf die Flexibilität der Mitarbeiter bei Abweichungen vom normalen Montageprozess. So können schon geringfügige Abweichungen in der Qualität der Montageteile zur Verunsicherung der Mitarbeiter führen. Sind jedoch Begründungen, Fehlermöglichkeiten und Konsequenzen bekannt, kann der Mitarbeiter durch die Bildung von Querverbindungen und Assoziationen sein Handeln bewusst flexibel an auftretende Störungen anpassen, ohne dass gleich ein erheblicher Leistungseinbruch stattfindet. Mitarbeiter
AP1
AP2
AP3
Markus Franz Heike
Kennt und versteht alle Tätigkeiten am Arbeitsplatz
Führt die Tätigkeiten in der geforderten Qualität und Quantität aus
Führt die Tätigkeiten in der geforderten Qualität aus
Beherrscht alle erforderlichen Fertigkeiten des Arbeitsplatzes und gibt sein Wissen an die übrigen Teammitglieder weiter
Abb. 15-2 Qualifikationsmatrix – Messung der Aufgabenbeherrschung
Die Entwicklung einer Handlungsanleitung erfordert eine gründliche Analyse zur Identifizierung und Aufgliederung der Tätigkeit in Teilschritte. Jeder der Teilschritte wird gründlich beobachtet, stichwortartig notiert und nachher so bearbeitet, dass eine genaue Beschreibung des Ablaufs eines jeden Teilschritts entsteht. Die so genannten W-Fragen „Wie?“, „Womit?“ und „Warum?“ bilden die Gliederung der Handlungsanleitung. Wenn also das Wie des Arbeitsablaufs geklärt ist, werden die benötigten Werkzeuge und Hilfsmittel je Teilschritt (Womit?) erfasst. Danach muss eine Begründung für jeden Teilschritt (Warum?) ermittelt werden, sowie die Summe der möglichen Montagefehler und der Fehlerfolgen erfasst werden.
15.2 Aufgabenorientierte Qualifizierung
447
Um ein möglichst umfassendes Bild der Tätigkeit zu ermitteln und die gesamte Varianz von Arbeitsdurchführung, Begründungen und möglichen Fehlern abbilden zu können, sollte die Analyse möglichst an parallelen Arbeitsplätzen durchgeführt werden. Dabei wird besonderer Wert auf die Fehlermöglichkeiten und Fehlerfolgen gelegt, um eine vollständige Beschreibung der möglichen Auswirkungen des eigenen Arbeitshandelns darzustellen. Ebenso können Kriterien einer effizienten Montagearbeit (z. B. Anteil wertschöpfender Tätigkeiten am Gesamtaufwand oder optimale Greifräume) in den Qualifizierungsunterlagen dargestellt werden. Aus der Menge qualifizierungsrelevanter Aufgaben sollte bei knappen Ressourcen eine Rangreihe gebildet werden, um die dringendsten Qualifizierungsbedarfe zuerst zu bedienen: − WOZU soll die Qualifizierung dienen (Ziel)? − Um WAS soll es bei der Qualifizierung gehen (Inhalt)? − WER soll zur Zielgruppe gehören (Adressaten) und wer kann diese Zielgruppe qualifizieren (Trainer)? − WIE und WO soll qualifiziert werden (Methoden und Lernorte)? − WAS passiert NACH der Qualifizierung (Umsetzung, Transfer und Motivierung)? 15.2.2 Auswahl der Qualifizierungsmethode und der Lernmedien In Abhängigkeit von der Komplexität der Aufgabenstellung und dem Qualifikationsstand der Lernenden sollten unterschiedliche Qualifizierungsmethoden zur Anwendung kommen. Abbildung 15-3 (Bullinger, Witzgall 2002) zeigt 3 Stufen zunehmender Aufgabenkomplexität, denen 6 unterschiedliche Qualifizierungsmethoden zugeordnet sind. Eine bewährte und verbreitete Standardmethode der Unterweisung ist die REFA-4-Stufen-Methode, welche sowohl Elemente der Vorbereitung als auch der Durchführung der Qualifizierung enthält (REFA 1987): Analyse und Vorbereitung durch Unterweiser: − − − − −
WOZU soll gelernt werden? WAS soll gelernt werden? WIE soll gelernt werden? In welchen SCHRITTEN soll gelernt werden? In welcher Weise soll die Erreichung der Lernziele KONTROLLIERT werden?
448
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
Qualifizierungsmethode
Aufgabentyp
Methoden- und wissensbasierte Gruppenarbeit Problemlösungs- und Moderierte und visualisierte Gruppenarbeit
Verbesserungsaufgaben
Lernen durch Regelnutzung Bild- und sprachgestütztes Training
Komplexere Aufgaben
Unterweisung Definierte Aufgaben Anlernen
Abb. 15-3 Wahl der Qualifizierungsmethoden in Abhängigkeit von der Komplexität der Arbeitsaufgaben
Aufgabenbeschreibung und -zergliederung Auf der Grundlage der Aufgabenbeschreibung erfolgt die Unterweisung in vier Stufen: 1. VORBEREITUNG: Den Lernenden vorbereiten, z. B. Lernziele nennen. 2. VORFÜHRUNG: Dem Lernenden die Arbeitsaufgabe vorführen und begleitende mündliche Erklärung und Begründung geben. 3. AUSFÜHRUNG: Den Lernenden die Arbeitsaufgabe nachmachen und mitsprechen lassen. 4. ABSCHLUSS: Die Unterweisung abschließen mit Überleitung zum selbständigen Üben. Unterschiedliche Beschäftigtengruppen haben verschiedene Lernerfahrungen und -möglichkeiten, die bei einer erfolgreichen Weiterbildung berücksichtigt werden müssen. Angelernte sind kaum an beruflicher Weiterbildung beteiligt und von daher oftmals lernentwöhnt. Mit langjähriger Lernabstinenz verfestigen sich oftmals Negativhaltungen und Defizite wie Abwehrhaltung und mangelndes Selbstvertrauen, aber auch reale Schwierigkeiten, sich wieder oder erstmals in organisierte und theoretische Lernformen hineinzufinden. Angebote zur (außerbetrieblichen) Nachqualifizierung sowie konventionelle Schulungen und Weiterbildungsangebote (inkl. E-Learning) sprechen nur den kleineren Teil der Geringqualifizierten an. Ein größerer Teil kann oder will diese Angebote aus verschiedenen Grün-
15.2 Aufgabenorientierte Qualifizierung
449
den nicht wahrnehmen. Damit aber bleiben Un- und Angelernte zuerst auf der Strecke, wenn betriebliche Umstrukturierungen oder technologische Entwicklungen schnelles Lernen und Umstellung auf neue Gegebenheiten verlangt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für den Erfolg oder Misserfolg einer Qualifizierung ist der Einsatz von geeigneten Medien zur Unterstützung der Qualifizierungsmaßnahmen. Bei mehrfacher Durchführung der gleichen Maßnahme ist ohne Medienunterstützung – selbst wenn die Person des Trainers bzw. Lerners in allen Durchgängen dieselbe ist – in den seltensten Fällen eine gleichbleibende Qualität der Qualifizierung zu erwarten. Das Lernalbum (Bullinger, Witzgall 2002) ist ein Beispiel für ein solches bei Un- und Angelernten erprobtes Lernmedium, Abb. 15-4. Lernalbum
Bilder / Skizzen / oder Grafiken bezeichnen / visualisieren
4
4 VORREINIGUNG
5
5 VORREINIGUNG
Lernkarten versprachlichen - orientiert an W-Fragen (WAS, WIE, WARUM,…) - orientiert an Regeln (Wenn …dann …-… unter Voraussetzung, dass …)
- Situationen - Signale - Eingriffspunkte - Handlungsschritte - regelgerechtes Vorgehen
Inhalt 4
Inhalt 5
VORREINIGUNG (Produkt)
VORREINIGUNG (Arbeitsmittel)
WAS: Produktreste entfernen -Wasserspülung WIE: Beobachten, ob Wasserspülung läuft
WAS: Füller reinigen - Reinigungswerkzeug holen
ACHTUNG:
ACHTUNG: Reinigungswerkzeuge müssen sauber sein!
WIE: Eimer, Neutralseife, Wurzelbürste, Lappen, Flaschenbürste aus dem Reinigungslager holen
Abb. 15-4 Struktur eines Lernalbums
Für die lernfreundliche Informationsdarstellung kombiniert das Lernalbum visuell-bildliche mit verbal-begrifflichen Darstellungsformen. In einem Lernalbum wird die Arbeitsaufgabe in elementare Aufgabeneinheiten, vornehmlich in Arbeitsschritte oder auch in Handlungsregeln zergliedert und jede dieser Arbeitseinheiten durch ein Foto (bzw. Zeichnung, Flussdiagramm etc.) und einen Textteil dargestellt. Zudem kann ein Lernalbum sehr leicht für unterschiedliche Zielgruppen oder an Veränderungen im Arbeitsablauf angepasst werden. In diesem Beispiel wird die Vorreinigung einer Arbeitsstation mit Ablauf und Hilfsmitteln beschrieben.
450
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
15.3 Qualifikationsplanung und -entwicklung am Beispiel dezentraler Montagesysteme 15.3.1 Vorgehensschritte Im Kern dezentraler Montagekonzepte wird einem Arbeitssystem für ein Produktsegment die weitgehende Kompetenz für die Produkterstellung und -verantwortung übertragen. Um diese Verantwortung ausfüllen zu können, werden alle relevanten Aufgaben und Funktionen, wie z. B. Auftragssteuerung, Mitarbeitereinsatz und Bestellung in das Montagesystem integriert (Buck 2001). Die Funktionsintegration führt zu einer deutlichen Verringerung von Schnittstellen und damit zu kürzeren Regelkreisen. Interne und externe Lieferanten sind gemäß Qualitäts-, Kosten- und Zeitzielen optimal an das Montagesystem anzubinden. Durch diese weitgehende Verantwortungszuordnung und entsprechende Entscheidungsbefugnisse ergeben sich im ersten Schritt neue Handlungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume, welche die Mitarbeiter im Sinne der Organisation der eigenen Arbeit einsetzen und zur Optimierung des Gesamtsystems nutzen können. Im Rahmen des Dezentralisierungsprozesses und der Schnittstellenintegration ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, welche Veränderungen der Qualifikationsanforderungen sich ergeben. Um die vorhandenen Mitarbeiter effizient einzusetzen, sind die vorhandenen Qualifikationen – wie schon weiter oben beschrieben – zu analysieren und entsprechend der sich verändernden und zu gestaltenden Aufgabenstruktur zu entwickeln. Anknüpfend an die Abschätzung der sich verändernden Qualifikationsanforderungen erfolgt unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten die Planung der Qualifikationsentwicklung. Für das Montagesystem wird dann eine arbeitsplatznahe und arbeitsaufgabenorientierte Qualifizierungsstrategie entworfen und umgesetzt. Der Ist-Stand der Qualifikationen im Montagebereich wird im dritten Schritt von den Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Meister oder Planer erhoben und eingestuft. Die entstandene Qualifikationsmatrix ist nicht nur einmalig zu erstellen, sondern kontinuierlich weiter zu pflegen. Die Veränderungen des Qualifikationsstandes innerhalb des Pilotsystems sind schon vor der Reorganisation von den Mitarbeitern transparent und anschaulich zu dokumentieren.
15.3 Qualifikationsplanung und -entwicklung
451
15.3.2 Qualifikationsförderliche Montagegestaltung Um die notwendigen Qualifizierungsaufwände beurteilen zu können, sind die Qualifikationsanforderungen im Ausgangszustand mit den zukünftigen Anforderungen schon in der Planungsphase abzugleichen. Dies bedeutet, dass die sich aufgrund der Montagerestrukturierung ergebenden neuen Tätigkeitsprofile und -kombinationen abgeschätzt werden müssen. Um die Veränderungen der Qualifikationsanforderungen messen und bewerten zu können, kann das von Hacker entwickelte Tätigkeits-Bewertungs-System eingesetzt werden (Hacker u.a. 1995). Er berücksichtigt:
Hierarchische Vollständigkeit
− − − − −
Vollständigkeit der Tätigkeit, Kooperations- und Kommunikationsanforderungen, Verantwortung für das Arbeitsergebnis, Erforderliche Denk- und Problemlösungsprozesse und Lernanreize und -erfordernisse durch die gestellte Arbeitsaufgabe.
O
r ga
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en
ng it u be r a P r ve ns me tio a ah rm u fn o f a n s In ne t on ren se Pla gkei ren en ati , m n i en llie n is ri e or hr ite T ät pe izier tro geb e ü o I nf f n r n s K o m un K o r Er rb e ne Au e Vo eige om en K g r i e e d le r ob
ml
Sequentielle Vollständigkeit
Abb. 15-5 Prinzipielle Tätigkeitsklassen (nach Hacker)
Die bei den Tätigkeitsanalysen erfasste Gesamtheit der Tätigkeiten und Teiltätigkeiten (z. B. Vorbereiten, Ausführen, Prüfen, Planen, Organisieren etc.) im Arbeitssystem werden in Tätigkeitsklassen eingestuft und bezüglich ihrer zeitlichen Struktur analysiert und bezüglich der jeweiligen Zeitanteile erfasst. Analysiert und bewertet werden die objektiven Möglichkeiten, welche die Arbeitsaufgabe für den Erhalt oder die Weiterentwicklung der Qualifikation der Arbeitnehmer bietet. Der Erhebungsgegenstand ist damit nicht die individuelle Art der Arbeitsausführung (Arbeitsgeschwindigkeit, Zeitstudie), sondern die Arbeitsaufgabe als objektive Bestimmungsgröße der im Arbeitsvollzug einsetzbaren Qualifikation.
452
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
Im Rahmen dieses Bewertungssystems sind Mindestanforderungen für qualifikationsgerechte Arbeitsaufgaben definiert, die sich am Durchschnitt der Qualifikationsausstattung gewerblicher Arbeitnehmer orientieren. Eine Unterschreitung des 100%-Wertes bedeutet, dass die durchschnittlich vorhandenen Qualifikationen durch die Anforderungen der gestellten Arbeitsaufgabe nicht voll genutzt werden und dass längerfristig die Gefahr einer Dequalifizierung von Facharbeitern besteht. Eine Überschreitung der 100%-Marke zeigt demgegenüber an, dass die Voraussetzungen für eine Qualifikationsentwicklung gegeben sind. 15.3.3 Beispiel einer lernförderlichen Arbeitsgestaltung Ausgangssituation Nachfolgend werden lernförderliche Arbeitsgestaltungsmaßnahmen sowie die Planung der Qualifikationsanforderungen und der Qualifizierung anhand eines Beispiels aus der elektrotechnischen Industrie dargestellt. Das Montagesystem ist als Linienmontage mit 6 Montagewerkern und einen Bandführer aufgebaut. Die Montagewerker sind für die 6 Montageplätze qualifiziert. Abbildung 15-6 zeigt hierzu die Aufgaben und das Qualifikationsprofil der Montagewerker und des Bandführers im Ist-Zustand. Aufgaben Montagewerker (job rotation), 6 Mitarbeiter: • Endmontage Linie • Prüfen • Verpacken
Qualifikationsprofil Vollständigkeit
46
Kooperation
57%
Verantwortung
44
Denken
44
Lernen
36 0
10
20
30
40
50%
60
Qualifikationsnutzung
a) Montagewerker (deutliche Unterforderung)
Aufgaben Bandführer 1 Mitarbeiter: • Teiledisposition • Materialbereitstellung • Qualitätssicherung, Nacharbeit • Umrüsten, Warten • Organisieren, Koordinieren
Qualifikationsprofil Vollständigkeit
127
Kooperation
157%
Verantwortung
106
Denken
131
Lernen
118 0
20
40
60
80
100
120 140% 160
Qualifikationsnutzung*)
b) Bandführer (lernförderlich mit teilweiser Überforderung) *)
100% Qualifikationsnutzung bedeutet Erhalt der Facharbeiterqualifikation
Abb. 15-6 Beispiel Qualifikationsanforderungen im Montagesystem: Ausgangszustand
15.3 Qualifikationsplanung und -entwicklung
453
Es sind zwei deutlich unterschiedliche Anforderungsprofile erkennbar: − Das typische Aufgabenprofil der Montagewerker unterforderte die im System eingesetzten Facharbeiter qualifikatorisch deutlich. − Hingegen hatte der Bandführer, der alle dispositiven und organisierenden Aufgaben bearbeitete, eindeutig lernförderliche Arbeitsbedingungen, die teilweise schon in den Bereich der Überforderung tendierten. Nach handlungstheoretischen Annahmen über die psychische Gesundheit wirken hohe qualifikatorische Arbeitsanforderungen persönlichkeitsförderlich. Hierunter wird nicht etwa ein quantitativer Aspekt wie z. B. die Arbeitsmenge, sondern das Ausmaß der Denk- und Planungserfordernisse verstanden, welche die Arbeitsaufgabe den Mitarbeitern stellt. Insbesondere im Bereich der Denkanforderungen und der Lernanreize an die Montagearbeiter zeigte sich in diesem Beispiel eine deutliche Unterforderung. Dies bedeutet, dass es bei langfristiger Ausübung solcher Tätigkeiten zum dauerhaften Abbau von Qualifikationen kommt. Zusätzlich fehlte die Möglichkeit einer dynamischen Qualifikationserweiterung im Sinne der Herausbildung von Lernprozessen im Arbeitsvollzug. Diese Tatsache ist als problematisch einzustufen, da ständige Arbeit mit niedrigen Qualifikationsanforderungen dequalifizierend wirkt und zu Lernungewohnheit führt. Dieser Aspekt verdiente hier besondere Beachtung, da in der Ausgangssituation ausschließlich Mitarbeiter mit Facharbeiterabschluss im Montagesystem einsetzt wurden. Planung der Qualifikationsanforderungen Die Diskussion um lernende Organisationen und lebenslanges Lernen baut auf der Voraussetzung auf, dass es am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess Lernanreize gibt. Das größte Lernhindernis ist nach Hacker eine Tätigkeit, in der es objektiv nichts zu lernen gibt (Hacker, Richter 1990). Ein entscheidender Bestandteil der Gestaltung von Arbeitssystemen besteht in der qualifikationsgerechten Ausformung der Arbeitsaufgabe als objektive Rahmenbedingung für abgeforderte Qualifikationen sowie für die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter. Mit der Gestaltung vollständiger Arbeitsaufgaben besteht für die Mitarbeiter die Möglichkeit, vorhandene Qualifikationen durch regelmäßige Nutzung zu erhalten und durch Lernanreize weiterzuentwickeln. In diesem Sinne wurde nach einer veränderten arbeitsorganisatorischen Lösung gesucht, die drei Bedingungen erfüllt: − Es sollten zusätzliche Tätigkeiten wie z. B. die Vormontagen integriert werden.
454
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
− Es sollte neben der Linie zusätzliche Komplettmontagearbeitplätze mit umfangreicheren Arbeitsinhalten geben. − Die dispositiven und organisierenden Aufgaben sollten im Wechsel von mehreren Mitarbeitern wahrgenommen werden. Als Ergebnis zeigt Abb. 15-7 das Layout sowie die veränderten Aufgabenumfänge der Montagewerker und des neu definierten Disponenten. Die zukünftigen Qualifikationsanforderungen der neuen Tätigkeitsprofile und -kombinationen wurden anschließend abgeschätzt. Aufgaben Disponent
• Mitarbeiter koordinieren u. qualifizieren • Aufträge u. Teile disponieren
• Absprachen andere Abteilungen • Material am Arbeitsplatz bereitstellen
• Stücklisten überprüfen
• Null-Serie montieren Disponent
Linienmontage Zentraler Transport
Prüfen
Verpacken
Plätze einrichten und umrüsten Vormontagen
Montagewerker
Zentraler Transport
Teilnahme Audit und Nacharbeit Komplettmontage
Prüfen
Verpacken Layout
Abb. 15-7 Rotation über die Aufgaben im reorganisierten System
Im Ergebnis konnte in diesem Beispiel prognostiziert werden, dass sich die durchschnittlichen Qualifikationsanforderungen für alle Montagewerker erhöhen würden. Weiterhin würde der Disponent immer noch eine sehr lernförderliche Aufgabe ausführen, Abb. 15-8. Es wurde weiterhin festgelegt, dass nicht jeder Mitarbeiter sämtliche Aufgaben des zukünftigen Montagesystems bewältigen muss. Es wurden vielmehr unterschiedliche individuelle, qualifikatorische Entwicklungsoptionen eingeplant. So erhielten die Montagewerker ein deutlich breiteres Aufgabenprofil als im jetzigen Montagesystem. Die Qualifikationsanforderungen erhöhen sich damit deutlich. Da die dispositiven Aufgaben von mehreren Mitarbeitern im Rotationsverfahren wahrgenommen werden sollten, war ein geringfügig niedrigeres Anforderungsniveau als beim ehemaligen Bandführer zu erwarten. Wie Abb. 15-7 durch die eingezeichneten Ellipsen andeutet, sollten diese Mitarbeiter allerdings auch alle ande-
15.4 Lernorganisation
455
ren im System anfallenden Aufgaben bearbeiten können, so dass eine deutlich verbesserte Integration der dispositiven Funktionen in die Gruppe zu erwarten war. Aufgaben Montagewerker (job rotation), 6 Mitarbeiter: • Endmontage Linie • Komplettmontage • Vormontagen, Verpacken • Umrüsten, Warten • Prüfen, QS, Nacharbeit
Qualifikationsprofil Vollständigkeit
80
Kooperation
86%
Verantwortung
89
Denken
56
Lernen
91 0
20
40
60
80%
100
Qualifikationsnutzung
a) Montagewerker (Verdoppelung der Qualifikationsanforderungen) Aufgaben Disponent (job rotation), 3 Mitarbeiter: • Teiledisposition • Materialbereitstellung • Organisieren, Koordinieren + • Tätigkeiten der Montagewerker
Qualifikationsprofil 119
Vollständigkeit Kooperation
121%
Verantwortung
111
Denken
113
Lernen
136 0
20
40
60
80
100
120%
140
Qualifikationsnutzung*)
b) Disponent (Lernförderliche Arbeit mit teilweise leichter Überforderung) *) 100% Qualifikationsnutzung bedeutet Erhalt der Facharbeiterqualifikation
Abb. 15-8 Qualifikationsanforderungen im Beispiel-Montagesystem: Sollzustand
15.4 Lernorganisation Im Gegensatz zum einfachen Anlernen soll hier anhand eines Beispiels die Lernorganisation eines dezentralen Montagesystems dargestellt werden. Die Entwicklung der Qualifizierungsstrategie folgte dabei mehreren Anforderungen: − Die Qualifizierung sollte arbeitsnah, ohne Schulungen außerhalb des Systems stattfinden. Die individuelle Bereitschaft zur Teilnahme an außerbetrieblichen und verschulten Lehrgängen ist in der Regel äußerst gering. − Die Qualifizierung sollte aufwandsarm und kostengünstig stattfinden. − Das Qualifizierungskonzept sollte auf andere Montagesysteme übertragbar sein, um einen gemeinsamen Standard zu begründen. − Die Qualifizierung sollte zu einer geistigen Durchdringung der Aufgaben durch Aneignung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen führen,
456
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
um ein selbstständiges Übertragen und Adaptieren des Gelernten auf wechselnde Randbedingungen zu ermöglichen. − Es sollten sich nur Mitarbeiter qualifizieren, welche die notwendige Motivation und die qualifikatorischen Voraussetzungen mitbringen. In einem ersten Schritt war ein Verständnis dafür zu erzielen, dass Lernen nicht als bloße Übernahme von Wissen verstanden werden kann. Diese Meinung ist für die heutige betriebliche Weiterbildung typisch. Vielmehr vollziehen sich Lernprozesse in einem Aufbau von Wissensstrukturen als aktives Konstruieren: − Lernen wird als aktiver Prozess der Wissenskonstruktion verstanden. Wissensaufbau entsteht immer nur in Verbindung mit bereits vorhandenem Wissen. Der Lerner muss beim Wissensaufbau aktiv sein, er muss Fragen stellen und sich mit dem angebotenen Material auf seine Weise beschäftigen können. − Wissen gilt hier nicht mehr als grundsätzlich vermittelbar; es kann dem Lernenden nicht direkt weitergegeben werden. Vielmehr besteht die Aufgabe des Lehrers oder entsprechender Lernsysteme darin, dem Lernenden mittels Hinweisen, Fragen und Informationen dabei zu helfen, selbst Wissen zu konstruieren. − Um einen (selbstgesteuerten) Lernprozess in Gang zu bringen, ist es nach diesem Ansatz von zentraler Bedeutung, beim Lerner das Stellen der richtigen Fragen anzustoßen. − Die während des Lernprozesses auftretenden Lernschwierigkeiten und Probleme werden nicht als Störfaktoren betrachtet, die es möglichst schnell abzustellen gilt; vielmehr bieten sie die Chance, die wesentlichen Fragen und somit auch das Thema in der ganzen Tiefe zu verstehen. − Der Lernende wird nicht mehr als Informationsempfänger betrachtet, vielmehr ist er „Forscher“, der zusammen mit dem Lehrer oder dem entsprechenden Lernsystemen das Wissensgebiet entdeckt. Aus diesem Verständnis heraus ergeben sich die folgenden Anforderungen an eine Lernorganisation: − − − − − − −
flexibler Zeitplan, flexible Raumnutzung, Minimum an Frontalunterricht, flexible Lerngruppenbildung, flexible Schwerpunktsetzung bei Lerninhalten, individuelle Planung der Vorgehensweise und eigenverantwortliche Nutzung von externen Lernquellen.
15.4 Lernorganisation
457
Die Mitarbeiter des dezentralen Montagesystems hatten in diesem Beispiel schon vor der Reorganisation einen hohen Qualifikationsstand erreicht. Andere Montagesysteme oder auch Kundendiensttätigkeiten wurden mit Mitarbeitern dieses Bereichs besetzt. Dadurch kann es in diesem Bereich immer wieder zu Fluktuationen und damit zu neuem Anlernaufwand. Aus diesem Grund und wegen der Multiplikatorenwirkung wurde ein Lernaufgabensystem entwickelt. Es basiert auf einem System von Lernaufgaben, die sich an der realen Arbeitsaufgabe orientieren und in ihrem Schwierigkeitsgrad aufeinander aufbauen. Charakteristisch ist hierbei, dass bereits die erste Lernaufgabe einen vollständigen Arbeitsauftrag enthält, wie er auch in der betrieblichen Praxis vorkommt, Durch die Mischung von fachlichen, sozialen und methodischen Anforderungen in jeder Lernaufgabe wird eine systematische und auf bereits Erlerntes aufbauende Weiterbildung unterstützt. Abbildung 15-9 zeigt das daraus entstandne Lernaufgabensystem gegliedert nach den Anforderungsarten und Komplexitätsstufen. Anforderungen Fachlich
Komplexitätsniveau
Stufe 5
Stufe 4
Stufe 3
Stufe 2
Stufe 1
Sozial
Systemübergreifende Abstimmung und Kommunikation
Auftragsverwaltung, Materialabrufe extern Komplettmontage Prüfen, Fehlersuche, Nacharbeit
Verpacken Vormontagen
Vormontagen, Linienmontage
Koordination mit Kollegen
Methodisch
EDV, Null-Serie montieren
Integration mehrerer Teilaufgaben
Koordination Qualitätsbeauftragter
Funktion Prüfmaschine, Hochspannungsunterweisung
Abstimmung mit Transporteur und Prüfer
Beschilderungsanweisung, Begleitpapiere
Absprache mit Kollegen
Varianten kennen, Arbeitsfolgekarte u. Stückliste lesen, Lohnkarte ausfüllen
Abb. 15-9 Beispiel einer Strukturierung der Qualifikationsanforderungen für ein Lernaufgabensystem
Insbesondere im Rahmen der beruflichen Weiterbildung und des zunehmend geforderten „Lebenslangen Lernens“ kann der individuelle Ar-
458
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
beitsplatz als eine authentische Lern- und Erfahrungswelt dienen. Die Implementierung dynamischer Lernsysteme ermöglicht es, selbstorganisierte Lernprozesse am Arbeitsplatz in Gang zu setzen. Lernaufgaben und -inhalte orientieren sich hierbei an den gegebenen Arbeitsaufgaben in der jeweiligen betrieblichen und unternehmerischen Umwelt. Diese Arbeitsaufgaben unterliegen beschleunigten Veränderungsprozessen, sind häufig neuartig und enthalten verstärkt auftrags- und kundenspezifische Merkmale. Die Bewältigung solcher Aufgaben erfordert zunehmend flexible und rasche Lösungsstrategien für die selbstorganisierte Lernprozesse, kurzzyklische Wissensinhalte und ein arbeitsplatznahes Lernen und Handeln. Hierbei bieten Lernsysteme den Nutzern Strukturen an, die dem Lerner Orientierungspunkte und Strukturierung bieten. Im Verlauf dieses Prozesses können Vorkenntnisse aktiviert und neue Informationen situations- und problembezogen aufgenommen und verarbeitet werden. Die Forderung nach einer starken Individualisierung des Lernens berücksichtigt die Tatsache, dass Lernende unterschiedliche Lerngewohnheiten und -techniken sowie Aufnahmefähigkeiten in den Lernprozess einbringen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird in diesem Beispiel ein Lernaufgabenpool für Systemführer vorgestellt, welcher es erlaubt, sich die Kompetenzen zur Bewältigung dieser Aufgabe eigenaktiv anzueignen. Hier sind die Hauptthemen der Lernaufgaben Personaleinsatz, Nacharbeit, Qualität sichern, Auftragsbearbeitung, Reklamation fehlerhafter Teile und Null-Serien montieren, Abb. 15-10. Die Lernaufgaben orientieren sich an den genannten Arbeitsaufgaben. Sie werden in einzelne Teilaufgaben gegliedert, beispielsweise besteht die Aufgabe „Auftragsbearbeitung“ aus den in Abb. 15-10 rechts oben genannten Teilaufgaben. Zu jeder Teilaufgabe steht ein Erklärungstext zur Verfügung, hier am Beispiel „Verfügbarkeitsprüfung/Fehlteilehandling“. So ist es möglich, schrittweise die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen. Die jeweilige Lernaufgabe ist so aufgebaut, dass sie möglichst realitätsnah und nachvollziehbar ist. Der Fragenkatalog zu jeder Lernaufgabe stellt dem Lernenden Fragen und Aufgaben. Er muss die Lösungen suchen oder erfragen, sie mit den Kollegen besprechen und dann die Lösungen dokumentieren. Zur Vermittlung des Vorgehens und der Inhalte stehen sowohl schriftliche Materialien als auch ständige Ansprechpartner zur Verfügung. Bei der Bearbeitung des Lernaufgabensystems steht das Lernen durch eigene Aktivität im Mittelpunkt. Die Lernenden sollen in zunehmendem Maße lernen, die Lernaufgaben selbstständig zu lösen und sich die notwendigen Informationen zu beschaffen.
15.5 Schlussfolgerungen
459
Personaleinsatz Nacharbeit Qualität und Quantität sichern
Hauptthemen Auftragsbearbeitung
• Verfügbarkeitsprüfung/ Fehlteilehandling • Bestellungen durchführen • Fertigware abschreiben • Auftragsänderung
Untergliederung des Hauptthemas
Reklamation fehlerhafter Teile Null-Serien montieren
Verfügbarkeitsprüfung/ Fehlteilehandling
Erklärungstext
Um einen Montageauftrag zu bearbeiten, muss man zunächst wissen, welche Teile man zur Montage braucht. Hierzu braucht man die Stückliste, in der alle benötigten Teile aufgeführt sind. Außerdem kann man über SAP ersehen, in welchem Lager die Teile vorhanden sind, also wo man sie bestellen muss.
• Woher kommt der Montageauftrag? • Was passiert, wenn Teile im System fehlen?
Fragenkatolog, Verweis auf Quellen und Ansprechpartner
Abb. 15-10 Struktur einer Lernaufgabe (Beispiel Systemführer Montage)
In diesem Beispiel wurde aufgrund der zu erwartenden qualifikatorischen Anforderungen mit den Mitarbeitern ein Qualifizierungsplan festgelegt, der die konkreten Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des Betriebes berücksichtigt, da die Qualifizierung bei laufender Produktion stattfinden musste. Bereits gut qualifizierte Mitarbeiter aus dem Montagebereich haben die Möglichkeit, die Funktion des Systemführers zu erlernen. Sie sollen auch die Verantwortung für den gesamten Qualifizierungsprozess des Montagesystems übernehmen. Die Qualifikationsentwicklung ist auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Mitarbeiter hinsichtlich Vermittlungskonzept und Lerngeschwindigkeit abzustimmen. Insofern eignet sich die hier dargestellte Qualifizierungsstrategie auch für ältere, lernungewohnte Mitarbeiter.
15.5 Schlussfolgerungen Die Erarbeitung einer langfristig stabilen, lernförderlichen Arbeitsorganisation setzt voraus, dass der Arbeitsplatz zum Lernplatz wird. Durch einen aufgabenorientierten Ansatz werden aus Produktionsaufträgen Lernaufträge, welche eine strukturierte Qualifizierung fachlicher, methodischer und sozialer Kompetenzen erlauben. Um die vorhandenen Mitarbeiter effizient einzusetzen, sind die vorhandenen Qualifikationen zu analysieren und
460
15 Mitarbeiterqualifizierung in der Montage
entsprechend der sich verändernden und zu gestaltenden Aufgabenstruktur zu entwickeln. Anknüpfend an die Abschätzung der sich verändernden Qualifikationsanforderungen erfolgt unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten die Planung der Qualifikationsentwicklung. Für das Montagesystem werden dann arbeitsplatznahe und arbeitsaufgabenorientierte Qualifizierungsstrategien entworfen und umgesetzt, welche einen selbsttragenden Prozess des Lernens in der Arbeit initiieren und ermöglichen sollen. Qualitativ neue Leistungen, z. B. an der Schnittstelle zum Kunden oder in Bezug auf den technisch-organisatorischen Wertschöpfungsprozess, setzen eine solide Qualifizierung voraus. Die Hervorbringung und Nutzbarmachung neuer Leitungspotenziale verlangt jedoch zusätzlich nach Führungs- und Lernmethoden, welche auf den Aufschluss von versteckten, isolierten oder erfahrungsgebundenen Qualifikationen und Wissenspotentialen abzielen. Aber hier gilt, dass handlungs- und veränderungsrelevantes Wissen nicht durch kurzfristiges Expertenhandeln geborgen werden kann, sondern nur durch langfristiges, auf Praxisrelevanz abzielendes Bemühen der „Experten vor Ort“. Nicht mehr der hochspezialisierte und erfahrene Einzelkämpfer ist gefragt, der sein Wissen weder weitergeben kann noch will, sondern eine Organisation, welche die Entwicklung und Weitergabe von Qualifikationen und Erfahrungen zu ihrer ureigensten Aufgabe macht. Eines der wesentlichen Ergebnisse von Modellversuchen und Betriebsexperimenten besteht in der Erkenntnis, dass die „neuen“ Qualifikationen in der Regel nicht „eingekauft“ oder extern bereitgestellt werden können, sondern „vor Ort erzeugt“ und in Anwendung gebracht werden müssen. In vielen Montagen hat bereits eine umfassende Optimierung stattgefunden – dabei stand allerdings die Versorgung eines Marktes mit vordefinierten Herstellervarianten unter Gewährleistung einer eingeschränkten Stückzahl- und Variantenflexibilität im Vordergrund. Die künftig in Deutschland vorhandenen Montagesysteme werden zum einen intern durch eigenverantwortliche, dezentrale Einheiten geprägt und zum anderen intensiv mit den Umfeldbereichen verknüpft sein. Für alle Mitarbeiter ergibt sich die Notwendigkeit, die eigenen Kompetenzen zu steigern. Hinsichtlich der qualifikatorischen Anforderungen ergeben sich Auswirkungen für die Führungskräfte und Mitarbeiter in der Montage selbst wie für die vorund nachgelagert tätigen Fachkräfte. Während bis Mitte der 1990er Jahre die Qualifizierungsfähigkeit vor allem der Angelernten und älteren, lernentwöhnten Werker in der Montage von nicht wenigen Führungskräften grundsätzlich angezweifelt wurde, hat sich auch hier mittlerweile ein Einstellungswechsel vollzogen. Unter dem Einfluss der teilweise gravierenden und fortlaufenden Veränderungsprozesse in der Produktion ist nicht nur der „Lerndruck“ generell gewachsen,
Literatur
461
sondern es hat sich auch herausgestellt, dass immer dann, wenn der Betrieb gezielte unterstützende Vorleistungen im Bereich der Lernorganisation und Lernmotivierung erbringt, auch die notwendigen Lernprozesse erfolgreich in Gang kommen können.
Literatur Buck H (2001) Entwicklungsfähige Arbeitsorganisation in der Montage In: Westkämper E, Bullinger H-J Horvath u. P Zahn E (Hrsg): Montageplanung – effizient und marktgerecht. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg; S. 113–135 Bullinger H-J, Witzgall E (Hrsg) (2002) Qualifikationsmanagement in der Produktion. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart; S. 51–63 Gerst D et al. (2003) Qualifizierung von Produktionspersonal in flexiblen Montagesystemen. In: wt Werkstatttechnik online Heft 5/2003 Hacker W et al. (1995) Tätigkeitsbewertungssystem (TBS) Verfahren zur Analyse Bewertung und Gestaltung von Arbeitstätigkeiten. Hochschulverlag AG/Teubner, Zürich Stuttgart Hacker W, Richter P (1990) Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. Ein Konzept in Entwicklung. In: Frei F, Udris I (Hrsg): Das Bild der Arbeit Bern u.a.: Huber Harsch (2002) Präsentationsunterlagen – Das Valeo-Produktions-System Lotter B, Spath D u. Baumgartner P (2002) Primär-Sekundär-Analyse. expert-Verlag, Renningen REFA (1987) Methodenlehre der Betriebsorganisation – Arbeitspädagogik Carl Hanser-Verlag, München Reif A, Buck H (Hrsg) (2003) Innovationsfähigkeit in der Montage bei sich verändernden betrieblichen Altersstrukturen. IRB Verlag, Stuttgart
16 Mikromontage
16.1 Einleitung Die Mikromontage stellt seit einigen Jahren ein herausforderndes Themengebiet für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Montagetechnik dar. Eine klare, allgemein anerkannte Definition des Begriffes Mikromontage existiert zurzeit noch nicht. Der Normentwurf DIN 32564 des Normenausschusses Feinmechanik und Optik (NAFuO) ist bemüht, durch die Definition von Begriffen zu Fertigungsmitteln für Mikrosysteme Abhilfe zu schaffen (DIN 32564 2003). Der Begriff „Mikromontage“ wird durch DIN 32564-2 wie folgt definiert: „Mikromontage ist der Zusammenbau mikrotechnischer Bauteile, Aufbau von Mikrokomponenten auf Montageflächen oder deren Einbau in Gehäuse einschließlich elektrischer Kontaktierung und Erstellung sonstiger Anschlüsse (z. B. Medien)“. Diese Definition umfasst prinzipiell die Gesamtheit der seit den 1990er Jahren durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die unter dem übergeordneten Begriff Mikromontage durchgeführt wurden. Die Antwort auf die Frage „Was ist die Mikromontage?“ erschließt sich aus einer Definition jedoch erst mit der Kenntnis dieser Hintergründe. Bevor auf die einzelnen Aspekte der Mikromontage im speziellen eingegangen wird, soll daher einleitend der Begriff Mikromontage in das technische Umfeld eingeordnet werden und eine Abgrenzung gegenüber speziellen Technologien erfolgen. 16.1.1 Einordnung der Mikromontage in das technische Umfeld Miniaturisierung Die Miniaturisierung bei gleichzeitiger Funktionsintegration ist unstrittig ein zentrales Thema der Produktentwicklung in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern. Ohne dass es dem Konsumenten bewusst ist, sind heute schon in vielen Produkten, sei es der Airbagsensor im Automobil oder in multifunktionalen Mobiltelefonen und Armbanduhren, winzige
464
16 Mikromontage
sensorische Komponenten, wenn auch meist nicht sichtbar, ein wichtiger Bestandteil. Die Mikroelektronik hat in der Vergangenheit eine führende Position in Hinsicht auf die Miniaturisierung eingenommen. Die rasante Entwicklung im Bereich der Halbleiter in Richtung höherer Funktionsdichte bei gleichzeitig sinkenden Preisen verliert kaum an Geschwindigkeit. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die Etablierung von Herstellverfahren mit durchgängigen Prozessfolgen. Hierbei wird eine Vielzahl von Systemen gleichzeitig (parallel) auf einem Substrat (Siliziumwafer) einem Prozessschritt unterworfen, wodurch trotz hoher Prozesskosten geringe Stückkosten der Einzelbauteile erzielt werden können. Das parallele Fertigen auf einem Siliziumwafer wird auch als Batch Processing bezeichnet. Mikrotechniken Die Mikrosystemtechnik (MST), die sich seit den 1970er Jahren dynamisch fortentwickelt, baute zunächst auf den Fertigungsverfahren der Mikroelektronik auf. Aus den Halbleitertechnologien wurden mikrotechnische Verfahren abgeleitet, die es ermöglichten, kleinste mechanische Strukturen einerseits in den Siliziumsubstraten und andererseits in Schichten zu strukturieren, die auf den Siliziumsubstraten aufgebracht sind. Die Verfahren werden auch in die Verfahrensgruppen der Volumenmikromechanik (Strukturierung des Substratmaterials) und der Oberflächenmikromechanik (Strukturierung von Schichtsystemen) eingeordnet. Abbildung 16-1 zeigt ein Beispiel für einen mikromechanischen Greifer, der einmal in Volumentechnik und einmal in Oberflächentechnik ausgeführt wurde. Mikrosysteme können hierbei durch die Kombination von Beschichtungs-, Lithografie- und Ätztechniken parallel im Batch Processing gefertigt werden. Dadurch sind diese Verfahren insbesondere zur Fertigung großer Stückzahlen geeignet.
a) Volumen-Mikromechanik
b) Oberflächen-Mikromechanik
Abb. 16-1 Mikromechanische Greifer (MEMSPI)
16.1 Einleitung
465
Die LIGA Verfahren, die eine Kombination aus Lithografie-, Galvanikund Abformtechniken darstellen, ermöglichen das Herstellen von Mikrokomponenten aus Kunststoff und Metall. Hierbei ist prozessbedingt ebenfalls das parallele Fertigen gleichartiger Bauteile im Verbund möglich. Mikrosystemtechnik Ein vollständiges Mikrosystem besteht nach Menz aus Sensoren und/oder Aktoren einer Einheit zur Datenverarbeitung sowie externen Schnittstellen (Menz Mohr 1997). Zu Beginn der Entwicklung von Mikrosystemen wurde die monolithische Integration, bei der „…die Integration von Mikrokomponenten und Funktionseinheiten auf einem Substratmaterial durch Mikrostrukturierungsprozesse erfolgt“ (DIN 32564 2003), bevorzugt. Dies lag daran, dass die Mikrosystemtechnik aus der Mikroelektronik heraus entwickelt wurde und deshalb zunächst deren Bearbeitungsverfahren und Entwurfswerkzeuge zur Verfügung standen (Menz Mohr 1997). Bei der monolithischen Integration verschiedener Funktionalitäten auf einem Chip treten allerdings sowohl prozesstechnische als auch wirtschaftliche Grenzen auf. Die Fertigungsprozesse der einzelnen Systemkomponenten sind zum Teil inkompatibel zueinander und verhindern so eine monolithische Fertigung. Zunehmend wird bei der Herstellung von Mikrosystemen die hybride Integration verwendet. Das dadurch entstehende hybride Mikrosystem ist definiert als „…Mikrosystem, bei dem die Integration von Mikrokomponenten und Funktionseinheiten mittels spezieller Mikromontage-, Mikrojustage-, Aufbau- und Verbindungstechniken erfolgt“ (DIN 32564 2003). Ein solches Mikrosystem besteht demnach aus einzelnen Komponenten, die jeweils ihrer Funktion entsprechend mit Hilfe von unterschiedlichen Fertigungsverfahren aus den jeweils am besten geeigneten Materialien hergestellt werden können. Subfeinwerktechnik Neben den ursprünglich siliziumbasierten Fertigungstechnologien für Mikrosysteme wurden mit dem Einsatz neuer Werkstoffe alternative Fertigungstechnologien, basierend auf den klassischen feinwerktechnischen Fertigungsverfahren, für die Herstellung miniaturisierter Produkte wissenschaftlich weiterentwickelt. Diese subfeinwerktechnischen Verfahren eignen sich insbesondere zur Mikrokomponentenherstellung hybrider Mikrosysteme. So lassen sich mit Hilfe von Verfahren der Mikrozerspanung, der Mikrofunkenerosion oder der Mikrolaserbearbeitung komplexe dreidimensionale Geometrien aus fast allen Materialien fertigen. Aufgrund ihrer Flexibilität, der nicht erforderlichen Maskentechnik und der kurzen Ferti-
466
16 Mikromontage
gungszeiten zeichnen sich bei der Fertigung von kleinen Stückzahlen Vorteile ab. Mikroproduktionstechnik Miniaturisierte Systeme und Einzelkomponenten werden in sehr unterschiedlichen Stückzahlen benötigt, von Massenprodukten im Automobilbau bis hin zu Kleinserien im Maschinen- und Anlagenbau. Da ein Großteil der Herstellkosten in der Produktion anfällt, ist es notwendig, eine wirtschaftliche und auf die jeweils zu fertigende Stückzahl zugeschnittene Lösung zu realisieren. Ganz allgemein wird unter Produktion „…die Gesamtheit wirtschaftlicher, technologischer und organisatorischer Maßnahmen, die unmittelbar mit der Be- und Verarbeitung von Stoffen zusammenhängen“ verstanden. Die Produktionstechnik ist die Gesamtheit der in einem beliebigen Produktionsprozess angewandten Techniken. Die Mikroproduktionstechnik ist daher die Gesamtheit der zur Erzeugung von Mikroprodukten angewandten Techniken (Hesselbach 02). Abbildung 16-2 ordnet die Verfahrensgruppen, die allgemein zu der Mikroproduktionstechnik gezählt werden, hinsichtlich ihrer stückzahlbezogenen Eigenschaften und ihrer Eignung zur Systemintegration ein. Mikroproduktionstechnik OberflächenMikromechanik
Mikrosystem
VolumenMikromechanik Fertigungsmesstechnik
Mikrofügen LIGA Verfahren Mikromontage Mikrosubsystem Mikrourformen / Mikroumformen Abtragende Verfahren Spanende Mikrobearbeitung Einzelfertigung
Mikrokomponente Einzelfertigung im Nutzen
Verfahren und Methoden der Qualitätssicherung Fertigungsverfahren der Subfeinwerktechnik Fertigungsverfahren der Mikrosystemtechnik
Abb. 16-2 Einordnung der Mikromontage in die Mikroproduktionstechnik
16.1 Einleitung
467
16.1.2 Abgrenzung der Mikromontage zu konventionellen Montagetechniken Im vorangegangenen Abschnitt erfolgte eine Einordnung in eine übergeordnete Begriffskategorie. Eine Abgrenzung zu konventionellen bzw. etablierten Montagetechniken, wie den in der Elektronikproduktion eingesetzten Oberflächenmontagetechniken, auch als Pick & Place Techniken bekannt, und den Verfahren der Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT) steht an dieser Stelle noch aus. Konventionelle Montagetechniken Eine Abgrenzung der Mikromontage gegenüber den konventionellen Montagetechniken lässt sich über die Bauteilgröße der zu montierenden Objekte und deren damit verbundenen Eigenschaften sowie den erforderlichen Montagegenauigkeiten vornehmen. Abbildung 16-3 gibt eine Einteilung der Montagetechniken in fünf Kategorien wieder (Greitmann 1998). Neben der konventionellen Montagetechnik werden die Kategorien der feinwerktechnischen Montage, der Präzisionsmontage, der Mikromontage und der Mikropräzisionsmontage aufgestellt. In der Literatur wird der Begriff Mikromontage für die in Abb. 16-3 dargestellten Kategorien „Mikropräzisionsmontage“, „Mikromontage“ und „Präzisionsmontage“ häufig angewendet. Dies ist auf die zwei wesentlichen Trends Miniaturisierung und Funktionsintegration in der Produktentwicklung zurückzuführen.
Erforderliche Montagegenauigkeiten
Mikropräzisionsmontage < 25 µm Präzisionsmontage
25 bis 200 µm
Mikromontage
Fernwerktechnische Montage > 200 µm Konventionelle Montage < 2 mm
2 bis 5 mm
> 5 mm
Bauteilabmessungen
Abb. 16-3 Einordnung der Präzisions- und Mikromontage (Greitmann 1998)
468
16 Mikromontage
Einerseits werden bei abnehmender Bauteilgröße die zulässigen Fertigungstoleranzen und damit auch die erforderlichen Montagegenauigkeiten kleiner. Anderseits ergeben sich bei steigender Funktionsintegration auch für größere Bauteile häufig geringere Strukturabmaße bzw. Anschlussmaße und damit hohe Anforderungen an die Montagegenauigkeit. Oberflächenmontagetechnik / „Pick & Place“ Technik In der Elektronikproduktion hat sich zum Aufbau elektronischer Schaltkreise die Surface Mount Technology (SMT) etabliert. Diese Technologie basiert auf einer hoch standardisierten Bauteilgestaltung der Surface Mount Devices (SMD), welche für Bauteile unterschiedlichster Funktion gleich bleibende Anschlussmaße garantiert. Die elektrische Kontaktierung durch Kleben oder Löten der Bauteile auf einen Leitungsträger stellt in der Mehrzahl der Fälle auch die mechanische Schnittstelle zur Baugruppe dar. Der hohe Standardisierungsgrad und die begrenzte Anzahl der eingesetzten Fügetechnologien ermöglichte die Entwicklung von Montageautomaten, die nur eine begrenzte Anzahl von Handhabungsoperationen durchführen müssen. Das Aufsetzen der Bauteile auf einer Montageebene und die Orientierung derselben in der Ebene werden in der Regel mit Portalsystemen und einer Orientierungsachse realisiert. Der Ausdruck Pick & Place bringt für diese spezielle Montagetechnik die Einfachheit der Handhabungsoperationen besonders zum Ausdruck. Die Montageautomaten verfügen in der Regel über einen modularen Aufbau, der es erlaubt, diese durch bauteilspezifische Zuführmodule und definierte Schnittstellen mit sehr kurzen Rüstzeiten auf neue Produkte anzupassen. Standard SMD-Montageautomaten (SMD-Bestücker) verarbeiten derzeit über 60.000 Baueinheiten pro Stunde und lassen sich bezüglich Montagegenauigkeit und Bauteilgröße in Abb. 16-3 in die Kategorie feinwerktechnische Montage einordnen. Der Trend zu zunehmender Miniaturisierung und gesteigerter Funktionsintegration führte aufgrund geringer Bauteilgrößen und kleinerer Anschlussraster auch zu höheren Anforderungen hinsichtlich der Montagegenauigkeiten. So haben die so genannten 0201-SMD-Bauteile Abmaße von 0,5 x 0,25 mm. Insbesondere die Montage unterseitenstrukturierter Flip Chip-Bauteile, die als nackte Siliziumbauteile mit zum Teil noch geringeren Bauteilabmessungen verbaut werden, weist Anforderungen auf, die auch unter Aspekten der Kategorien der Mikropräzisionsmontage und Präzisionsmontage (Abb. 16-3) diskutiert werden (Jacob 2002). Die hierbei eingesetzte Maschinentechnik der Hochpräzisions-Diebonder weist hinsichtlich der Sensorführungskonzepte und Bauteilhandhabung bereits wesentliche Ähnlichkeiten zu den Techniken der Mikromontage auf. Insbe-
16.1 Einleitung
469
sondere bei der Montage sensorischer oder optoelektronischer Bauteile ist hier der Übergang zur Mikromontage als fließend anzusehen. Aufbau- und Verbindungstechnik Unter der Aufbau- und Verbindungstechnik werden in der Mikrosystemtechnik allgemein alle Fertigungsschritte verstanden, die mit der Montage, Kontaktierung und Gehäusung von Mikrosystemkomponenten verbunden sind (Büttgenbach 1994). Die Aufbau- und Verbindungstechnik stellt damit die Gesamtheit der notwendigen Fügeverfahren bereit, die zum Aufbau von Mikrosystemen aus einzelnen Systemkomponenten, sowie der Schnittstellengestaltung zwischen dem Mikrosystem und der makroskopischen Umwelt benötigt werden. Zum Verbinden von Systemkomponenten kommen vorrangig die stoffschlüssigen Grundverfahren Kleben, Löten und Schweißen zum Einsatz, deren einzelne Verfahren zum Teil Mikrofügetechniken darstellen. Zum Aufbau eines Mikrosystems gehören zusätzlich die Verfahren zum Umhüllen und Verschließen von Mikrosystemen. Zum Aufbau unterschiedlichster Gehäusebauformen aus Keramik, Metall, Glas oder Kunststoffen werden zusätzlich urformende und umformende Fertigungsverfahren eingesetzt (Fischer 2000). In Abgrenzung zu den in der Aufbau- und Verbindungstechnik enthaltenen Mikrofügetechniken werden im Themengebiet der Mikromontage in der Regel gerätetechnische Aspekte der Handhabungstechnik diskutiert. Analog zu der VDI-Richtlinie 2860 (VDI 2860 1990), die das Handhaben als das Schaffen, definierte Verändern oder vorübergehende Aufrechterhalten einer vorgegebenen räumlichen Anordnung von geometrisch bestimmten Körpern in einem Bezugskoordinatensystem definiert, beschreibt der Begriff der Mikrohandhabung das im Folgenden aufgezeigte Themengebiet der Mikromontage präziser. 16.1.3 Motivation automatisierte Mikromontage Die Montage von miniaturisierten Systemen bzw. Mikrosystemen stellt hohe Anforderungen an die Handhabungstechnik. Nach (Sauer et al. 1999) liegen die Fügetoleranzen in der Mikrosystemtechnik hauptsächlich im Bereich zwischen 0,1 µm und 5 µm, wobei 15% der Fügetoleranzen sogar unterhalb 0,1 µm liegen werden (Bauer 1999). Die Produktion derartiger Mikrosysteme findet seit den 2000er Jahren meist an Handarbeitsplätzen mit Hilfe von Mikroskopen und Montagehilfen statt. Der niedrige Automatisierungsgrad wirkt sich in zweierlei Hinsicht aus: Zum einen unterliegen die hergestellten Produkte einer schwankenden Qualität, da diese sehr von der Leistungsfähigkeit der jeweils montierenden Person abhängt. Zum
470
16 Mikromontage
anderen ist die Montage von Mikrosystemen aufgrund des hohen Personaleinsatzes teuer und meist nur auf geringe Stückzahlen ausgelegt. Daher wird die Montage von Mikrosystemen als ein typisches Flaschenhalsproblem in Bezug auf die industrielle Umsetzung aktueller Forschungsergebnisse gesehen (Fatikow 2000). Potenziale zur Reduzierung der Kosten, die durch die Montage entstehen, werden vor allem in stückzahlangepassten Produktionskonzepten, einer montagegerechten Produkt- und Bauteilgestaltung und nicht zuletzt in der Entwicklung einer den besonderen Randbedingungen der Mikromontage angepassten Gerätetechnik gesehen. Im Gegensatz zur Oberflächenmontagetechnik als Aufbau- und Verbindungstechnik der Elektronik, bei der eine stückzahlangepasste Automatisierung heute Stand der Technik ist, sind bei der Produktion miniaturisierter Systeme viele Fragestellungen noch ungeklärt. Empfindliche elektrische, optische, mechanische und fluidische Komponenten mit gegebenenfalls ungünstigen Geometrien müssen magaziniert, transportiert, bereitgestellt, gegriffen und verarbeitet werden. Im Gegensatz zu den elektronischen Bauelementen existiert eine Standardisierung von Mikrokomponenten in Hinblick auf eine montagegerechte Gestaltung derzeit nicht.
16.2 Grundlegende Montagestrategien Die Ansätze für eine automatisierte Mikromontage können in zwei generelle Strategien aufgeteilt werden: serielle und parallele Montage. Je nach Produktaufbau ist auch eine Kombination beider Strategien möglich (siehe Abb. 16-4). Serielle Mikromontage Eine serielle Montage kommt meistens dann zum Einsatz, wenn vereinzelte Teile, die häufig aus unterschiedlichen Herstellprozessen stammen, montiert werden sollen. Der Vorteil der seriellen Montage besteht darin, dass es möglich ist, jedes Teil individuell zu justieren. Allerdings bedingt diese Montagestrategie nach dem derzeitigen Stand der Technik noch eine relativ lange Montagezeit. Zunehmend geht es in der Mikromontage nicht mehr nur darum, die erforderlichen Genauigkeiten im Mikrometerbereich zu erreichen, sondern es wird auch die Forderung nach kurzzyklischen Prozessen gestellt, um die automatisierte Montage von hybriden Mikrosystemen wirtschaftlich zu gestalten. Probleme bereitet in der seriellen Mikromontage die Tatsache, dass die Gewichtskräfte gegenüber anderen Kräften nicht dominieren, wie es in der
16.2 Grundlegende Montagestrategien
471
makroskopischen Montage normalerweise der Fall ist. Mit kleiner werdenden Bauteilen wird der Einfluss von Van-der-Waals-Kräften, sowie elektrostatischen und Adhäsions-Kräften immer größer. Dies macht sich in einem veränderten Teileverhalten bemerkbar. Die Teile neigen dazu, an Greifern oder Magazinen haften zu bleiben und üben darüber hinaus auch untereinander Kräfte aufeinander aus, die zu Änderungen der Bauteilpositionen führen können.
Serielle Montage diskreter Bauteile
Parallele Montage
Serielle Montage auf Nutzen
• Bereitstellen strukturierter Nutzen
• Bereitstellen strukturierter Nutzen und diskreter Bauteile
• Bereitstellen diskreter Bauteile
• Montage diskreter Bauteile auf Nutzen
• Montage diskreter Bauteile
• Montage der Nutzen
• evt. Montage eines Nutzen
• Montage diskreter Bauteile
• Trennen der Nutzen
• Trennen der Nutzen
• Montage diskreter Bauteile
Abb. 16-4 Schematische Darstellung der Montagestrategien für die Mikromontage
Parallele Mikromontage Parallele Montagestrategien entstanden aus der Überlegung heraus, dass auf einem Wafer eine große Anzahl von Baugruppen enthalten sein kann. Eine serielle Montage dieser Systeme wäre – abhängig von der Montagegeschwindigkeit des Handhabungsgerätes – relativ zeitaufwändig. Deutlich verkürzen lässt sich die Zeitdauer für die Montage aller Systeme, wenn diese mit Hilfe einer geeigneten Handhabungseinrichtung gleichzeitig montiert werden. Dieses Verbinden vieler Einzelobjekte – meist ohne vo-
472
16 Mikromontage
rangegangenes Vereinzeln der im Nutzen hergestellten Objekte – wird als parallele Montage bezeichnet. Dabei wird versucht, die Methode der Batch-Fertigung aus der Mikrotechnik in die Montagestrategie zu übertragen. Nachteilig ist hier, dass sich die parallele Montage nur auf eine geringe Anzahl von konstruktiv entsprechend ausgelegten Baugruppen anwenden lässt. Eine Alternative dazu ist die serielle Montage auf einem sog. Nutzen. Diese Montageform bietet die Möglichkeit, notwendige nachfolgende Prozessschritte wie Beschichtung, Reinigung oder auch weitere Montagevorgänge wie Häusungen im Nutzen und damit kostengünstig durchführen zu können. Die parallele Montage lässt sich weiter unterteilen in einen deterministischen und einen stochastischen Ansatz. Beim oben bereits beschriebenen deterministischen Ansatz ist die Position aller Teile vor dem Beginn der Montage prinzipiell bekannt. Der deterministische Ansatz bringt den Vorteil mit sich, dass die zu handhabenden Teile relativ groß sind und somit die Gewichtskräfte die sonstigen Kräfte (Elektrostatik, Van-der-Waals, Adhäsion) noch überwiegen. Als Beispiel lässt sich das Verbinden zweier Wafer zu einem Verbund mit anschließendem Vereinzeln auf einer WaferSäge anführen. Im Gegensatz zum deterministischen sind beim stochastischen Ansatz die Positionen der Bauteile unbekannt. Hier sollen sich die Bauteile durch eine spezielle Gestaltung in einem stochastischen Prozess an bekannte Positionen bewegen. Durch Einbringen einer ungerichteten Bewegungsenergie, beispielsweise durch vibrierende Oberflächen oder das Einbringen in ein fluidisches Medium werden die Bauteile zu einer stochastischen Bewegung angeregt. Durch geeignete physikalische Effekte, beispielsweise durch lokal erzeugte elektrostatische Kräfte, werden die Bauteile, die zufällig in die richtige Position gelangt sind, fixiert. Die stochastischen Ansätze der parallelen Montage haben bisher noch keine wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Die im Folgenden betrachteten gerätetechnischen Aspekte sind auf die Strategien der seriellen Montage fokussiert. Allgemein wird diese Montagestrategie als besonders flexibel hinsichtlich der Adaption unterschiedlicher Stückzahlen und Montageaufgaben angesehen. Dies liegt darin begründet, dass für die deterministischen Ansätze der parallelen Montage zurzeit nur ein beschränktes Anwendungsgebiet existiert. Die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Material und Design sind beschränkt. Die eingeschränkte Anzahl anwendbarer Fügeverfahren, wie beispielsweise das Silicon-Fusion-Bonding, erfordert hohe Prozesstemperaturen und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten rentieren sich die hohen Prozesskosten bei geringer Flexibilität nur für hohe Stückzahlen.
16.3 Geräte der Mikromontage
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16.3 Geräte der Mikromontage 16.3.1 Montagezellen Unabhängig von den jeweiligen Montagestrategien werden automatisiert durchgeführte Mikromontageaufgaben meist innerhalb einer Montagezelle realisiert. Montagezellen sind hoch integrierte Funktionseinheiten, die aus einzelnen Makromodulen bestehen. Durch einen modularen Systemaufbau erlauben es flexible Montagezellen, unterschiedliche Produkte oder Baugruppen mit unterschiedlichen Fügeverfahren zu montieren. Einzelne Bestandteile einer flexiblen Montagezelle sind Präzisionsroboter, Greifer und Montagewerkzeuge sowie Prozessstationen (Fügeverfahren), Speicher und Zuführeinrichtungen. Nach dem Stand der Technik in 2005 werden für industrielle Anwendungen in der Mikromontage überwiegend Montagezellen aus dem Halbleiter-Backend-Bereich eingesetzt, die für eine 2D-Chipmontage entwickelt wurden. Die Montagezellen lassen sich hinsichtlich erreichbarer Montagegenauigkeiten grob in drei Klassen einordnen: Die Positioniereinrichtungen der ersten Klasse sind meist kartesisch aufgebaute Pick & Place-Automaten, die sequentiell die Bauteile unter Unterstützung mehrerer Kameras auf ein ebenes Substrat setzen. Typischerweise liegen die Bestückgenauigkeiten dieser Systeme zwischen 30 und 60 µm bei 3σ. Bei der Bestückgenauigkeit handelt es sich um einen in der Branche üblichen Begriff, der mit der erreichbaren Montagegenauigkeit vergleichbar ist. Die Klasse der Diebonder erreicht mit hochpräzisen Linearantrieben, steuerungstechnischen Temperaturkompensationen und hochauflösenden Kamerasystemen Bestückgenauigkeiten zwischen 10 und 12 µm bei 3σ. Die Ultrapräzisions-Diebonder können eher als eine Klasse von Sondermaschinen angesehen werden, die insbesondere für die Montage von mikrooptischen Bauteilen, Lichtleitern oder speziell für die FlipChip-Montage entwickelt wurden. Die damit erreichten Montagegenauigkeiten liegen bei ± 1 µm bei 3σ. Diese Genauigkeiten können nur mit Hilfe spezieller Kamerasysteme und Positionierstrategien erreicht werden. Für Montagezellen zur automatisierten aktiven Montage von Mikro-Linsen und optischen Lichtleitern werden erreichbare Montagegenauigkeiten von bis zu 0,3 µm angegeben. Die automatisierte aktive Montage erfolgt über eine Grob-Fein-Positionierung mit einem Präzisionsroboter und einer Piezo-Positionierungseinheit mit 3 bis 6 Achsen, die mit einem Lichtintensitäts-Analyser gekoppelt ist. Das Erreichen höchster Montagegenauigkeiten ist immer mit einer sehr produktspezifischen Auslegung der Montagezelle verbunden. Daher gibt es in der Forschung und Entwicklung für Montagezellen, die für Mikro-
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montageaufgaben eingesetzt werden sollen, zwei hauptsächliche Tendenzen: Einerseits soll durch Genauigkeitssteigerungen von einzelnen Komponenten einer Montagezelle eine Produktflexibilität hochgenauer Montagezellen erreicht werden. Andererseits wird nach Lösungen für flexibel rekonfigurierbare Systementwürfe geforscht. Letztere Ansätze realisieren durch Modularität und Miniaturisierung Stückzahlflexibilität, Produktflexibilität und Standortflexibilität. Diese Entwicklungen ordnen sich in den Gedanken der „Tisch- oder Micro-Factory“ ein. 16.3.2 Präzisionsroboter Die Handhabungsaufgabe der Positionierung und Orientierung von Werkzeugen und Bauteilen übernimmt innerhalb einer Montagezelle ein Präzisionsroboter. Um die für Mikromontageaufgaben erforderlichen Montagegenauigkeiten erreichen zu können, wurden große Anstrengungen unternommen, um Roboter zu entwickeln, die über hinreichende Genauigkeitskenngrößen verfügen. Die wesentlichen Ansätze sind angepasste kinematische Strukturen, eine größenangepasste Handhabungstechnik und Konzepte der Sensorführung. In Bezug auf Roboter wird entsprechend zwischen seriellen Robotern und Parallelrobotern unterschieden, Abb. 16-5. Endeffektor
Arbeitsplattform
Arbeitsplattform
Glied Passives Gelenk Aktives Gelenk
Führungskette 1
Aktives Gelenk
Gestell
Gestell
a) serielle Anordnung
Führungskette 2
b) parallele Anordnung
Abb. 16-5 Kinematische Strukturen von Präzisionsrobotern
Die Strukturen der meisten Industrieroboter basieren auf offenen kinematischen Ketten zwischen Gestell und Arbeitsplattform, bei denen alle Gelenke einen einfachen Freiheitsgrad besitzen und aktive Gelenke (angetriebene Gelenke) sind. Mit diesem Prinzip lassen sich ein großer Arbeits-
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raum im Verhältnis zur Größe des Roboters sowie eine hohe Gelenkigkeit erreichen. Bedingt durch ihre Bauart sind serielle Handhabungsgeräte relativ groß, da die Motoren der nachfolgenden Antriebsachsen jeweils mitbewegt werden müssen. Große bewegte Massen führen in der Mikromontage zu massiven Konstruktionen der Gestelle und Roboterarme. Demgegenüber bilden die so genannten Parallelroboter ein Getriebe, das aus mehreren geschlossenen kinematischen Ketten zwischen Arbeitsplattform und Gestell besteht. Unter einer geschlossenen kinematischen Kette versteht man einen Aufbau, der mehr als zwei Glieder besitzt und in sich über Gelenke oder das Gestell geschlossen ist. Für die Mikromontage sind Parallelroboter insbesondere aufgrund der hohen Struktursteifigkeit bei gleichzeitig geringen mitbewegten Massen interessant. Diese Eigenschaften lassen prinzipbedingt eine hohe Wiederholgenauigkeit bei kurzen Einschwingzeiten erwarten. Da die Antriebe meist gestellfest gelagert sind, entfällt die Beeinflussung der Position des Endeffektors durch mitgeführte Kabel, Energieketten und andere Versorgungseinrichtungen. Aufgrund passiver Gelenke lassen sich derartige Roboter einfach miniaturisieren (Pokar 2004). Allerdings haben Parallelroboter gegenüber den seriellen Robotern auch einige Nachteile: Der Arbeitsraum ist im Verhältnis zur Baugröße meist relativ klein. Dies muss jedoch in der Mikromontage nicht notwendigerweise nachteilig sein, da aufgrund der geringen Größe der Bauteile häufig nur ein kleiner Arbeitsraum benötigt wird. Ein weiterer Punkt ist die geringe Gelenkigkeit von Parallelrobotern. Der maximale Drehwinkel der einzelnen Achsen ist zudem abhängig von der Position des Endeffektors im Arbeitsraum. Dieses Problem lässt sich durch hybride Strukturen lösen, bei denen beispielsweise der Endeffektor mit einer seriellen Drehachse orientiert wird. Bisher hat sich im Bereich der Mikromontage keine bestimmte Klasse kinematischer Strukturen eindeutig durchgesetzt. Industrielle Präzisionsroboter basieren häufig noch auf seriellen Strukturen. Sowohl im Forschungsbereich als auch im industriellen Einsatz sind Präzisionsroboter zu finden, die auf der Kombination von mehreren Präzisionslinearmodulen beruhen. Serielle kartesische und Portalstrukturen werden in der Regel durch Linearachsen mit elektrischen Direktantrieben und hoch auflösenden direkten Messsystemen aufgebaut. Die Wiederholgenauigkeit der Einzelachsen ist dabei häufig besser als 1µm. Portalsysteme, wie sie in den Pick & Place-Bestückmaschinen in der Elektronikproduktion eingesetzt werden, versprechen aufgrund günstigerer Auflagerlastverteilungen eine höhere Steifigkeit der Strukturen. Beidseitig angetriebene Portalstrukturen sollen zusätzlich ein Verkippen der Struktur durch Reaktionskräfte der Antriebe verhindern.
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16.3.3 Größenangepasste Handhabungstechnik Eine Grundthese dieses Ansatzes ist, dass Miniaturprodukte auch mit entsprechend kleinen Produktionsmaschinen gefertigt werden können. Miniaturmaschinen versprechen geringe Maschinenkosten durch geringen Platzund Energiebedarf und sind aufgrund geringer Strukturabmaße robust gegenüber systematischen Fehlereinflüssen, die durch thermische Ausdehnung im Betrieb entstehen. Im Bereich der Präzisionsroboter existieren zurzeit unterschiedlichste Ansätze von mobilen Mikrorobotern über Miniaturpräzisionsrobotern bis hin zu produktspezifischen Montagezellen. Verschiedene Forschergruppen entwickeln Mikroroboter, die sich innerhalb einer definierten Umgebung selbsttätig fortbewegen und mit Hilfe geeigneter Greifwerkzeuge Handhabungs- und Montageaufgaben durchführen können. Die Vision dieser Ansätze ist es, dass zukünftig mehrere dieser mobilen Mikroroboter, die beispielsweise über Infrarotschnittstellen miteinander und mit übergeordneten Leitrechnern kommunizieren können, in einem flexiblen, verteilten und dezentralisierten Verbund Mikrosysteme montieren (Martel 2001). Die Konzepte der mobilen Mikroroboter werden im Forschungsbereich bis hin zum „Mikro U-Boot“ diskutiert, das im menschlichen Blutkreislauf chirurgische Eingriffe vornehmen kann. Sie haben bisher jedoch noch keine industrielle Relevanz. Im Gegensatz zu den mobilen Mikrorobotern handelt es sich bei den Miniaturpräzisionsrobotern um ortsfeste Handhabungsgeräte. Sie stellen mechanisch miniaturisierte Versionen von Industrierobotern dar, die auf den bekannten kinematischen Strukturen basieren und als Bewegungseinrichtung mit mehreren Achsen frei programmierbar sind. Als miniaturisierte Handhabungsgeräte stellen sie Komponenten für größenangepasste Produktionssysteme dar, die in Fertigungslinien in der Größenordnung von „Tischfabriken“ zur Montage miniaturisierter Produkte eingesetzt werden können (Slatter 2004). Sowohl im industriellen als auch im Forschungsbereich existieren bereits Miniaturpräzisionsroboter auf Basis offener und geschlossener kinematischer Ketten. 16.3.4 Konzepte der Sensorführung Eine Sensorführung wird in der automatisierten Mikromontage zur Unterstützung der verschiedenen Prozesse in einer Montagezelle eingesetzt. Ein sensorgeführter Präzisionsroboter kann als ein freiprogrammierbares Positioniersystem mit automatischer Anpassung des Programms beschrieben werden, die bei Detektierung von Veränderungen der Rand- und Umgebungsbedingungen durch Sensoren ausgelöst wird. Durch geeignete Sen-
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sorführung wird es möglich, Prozessparameter zu ermitteln oder Fehlereinflüsse im Prozess zu erfassen und steuerungstechnisch zu reagieren. Eine Sensorführung zielt auf die Genauigkeitssteigerung des Montageprozesses, indem sie entweder bestimmte Grenzen für Prozesskenngrößen einhält oder Positionsabweichungen im Prozess erfasst und korrigiert. Sie kann dabei an unterschiedlichsten Stellen in das Steuerungssystem einer Montagezelle eingreifen, siehe Abb. 16-6 (Dittrich 2004).
Sensorsystem I Programmbearbeitung
II
III Rückwärtstransformation
Interpolation Stützwerte der Sollpose
IV
Sollpose
Lageregler Antriebe
Mechanische Struktur
Lagemesssystem
Istpose
Abb. 16-6 Eingriffsmöglichkeiten der Sensorführung (Dittrich 2004)
Im einfachsten Fall ermöglicht ein Sensor die Veränderung der Programmbearbeitung (I) über binäre Signale. Ein externer Sensor steuert in diesem Fall einen fest programmierten Ablauf an. Wird vor der Interpolation (II) eingegriffen, können Offset-Korrekturen der Stützwerte von Sollpunkten und damit eine Anpassung der Zielpose an die durch das Sensorsystem gemessene Abweichung durchgeführt werden. Im Fall von dynamischen Messungen wird, durch raumorientiert messende Sensoren, nach der Interpolation das Sollsignal verändert. Bei achsorientierter Messung (IV) ist der Eingriff nach der Transformation möglich. In der Mikromontage unterscheidet man zwischen zwei grundsätzlichen Ansätzen zur Erfassung von Prozessdaten mit einem Sensorsystem. In dem Fall, dass ein zu montierendes System in Funktion montiert werden kann, lassen sich Messgrößen aus dem System direkt verwenden. Dieses auch als aktive Justage oder intrinsische Regelung bezeichnete Verfahren wird beispielsweise bei der Montage mikrooptischer Systeme verwendet. In den meisten Fällen findet die Montage von Systemen jedoch nicht in deren Funktionszustand statt, so dass der Einsatz externer Sensoren zur Bestimmung relevanter Messgrößen erforderlich ist. Die wichtigsten Messgrößen sind dabei Montagekraft, Abstände und mehrdimensionale Positionen. In den industriell eingesetzten Montagezellen, die in der Regel über vier Bewegungsfreiheiten verfügen, kommen eindimensionale Kraftsensoren zur Ermittlung von Montagekräften zum Einsatz. In einigen Anwendungen ist das Einhalten bestimmter Bauteilabstände notwendig. In diesen Fällen
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werden in der Regel berührungslos messende Wegmesssensoren eingesetzt (Heuer 2004). Hinsichtlich der Positionierung von Bauteilen werden Verfahren zur Messung von Position und Orientierung im Prozess verwendet. Hierzu verfügen die Montagezellen in den überwiegenden Fällen über geeignete Kamerasysteme und Bildauswerteverfahren. Diese Verfahren dienen neben einer Objekterkennung auch der Ermittlung von deren Position und Orientierung in einer Ebene. Diese stehen in Bezug auf das durch die Ausrichtung des Bildsensors vorgegebene Koordinatensystem. Zum Erreichen hinreichender Messauflösung kommen so genannte Subpixel-Interpolationen zum Einsatz. In Einzelfällen wird auch durch die Verwendung von speziellen Kameras oder auch mehrerer Kameras das photogrammetrische Prinzip angewendet. Durch die überlagerte Betrachtung eines Objektes aus zwei oder mehreren Richtungen kann ein Objektpunkt im Raum bestimmt werden. 16.3.5 Greifer und Zuführtechnik Greifer sowie Speicher-, Ordnungs- und Spanneinrichtungen stellen die Schnittstelle zwischen Handhabungsgerät und Handhabungsobjekt dar und stehen somit im direkten Kontakt mit den zu handhabenden Bauteilen. Das an diese Techniken gestellte Anforderungsprofil ist einerseits stark bauteilspezifisch und andererseits durch die eingesetzte Montagezelle bedingt. Im Bereich der seriellen Montagekonzepte sind Greifer-, Spann- und Zuführkonzepte erforderlich, die folgende Randbedingungen und Anforderungen erfüllen: – Da die Gewichtskraft der Objekte im Vergleich zu den Oberflächenkräften mit abnehmenden Abmessungen (< 1mm) an Bedeutung verliert, bleiben die Mikrobauteile an Oberflächen aller Art haften. Dies erschwert die Handhabung kleinster Bauteile. Die Adhäsionseffekte müssen berücksichtigt, das heißt gegebenenfalls reduziert oder ausgenutzt werden. – Die Einzelteile sind sehr empfindlich, bedingt durch kleine Flächen und berührempfindliche Oberflächenstrukturen. – Bei den meisten Montageaufgaben sind Bauteile unterschiedlicher Form und Abmessung zu montieren. Deshalb müssen Greifer-, Zuführ- und Spanneinrichtungen entsprechend flexibel oder flexibel umrüstbar sein, um ein möglichst großes Spektrum an Bauteilen handhaben zu können. – Da die Mikromontage häufig in reiner Umgebung stattfindet, dürfen die Greifer, Zuführ- und Spanneinrichtungen auf keinen Fall Quelle von Verschmutzungen sein.
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− Die Abmessungen von Greifer, Speicher-, Ordnungs- und Spanneinrichtungen müssen sich an den Abmessungen des Mikrosystems orientieren und gegebenenfalls eine Beobachtung der Objekte mit einem Sensorsystem zulassen. − Die Greifer sollen die Objekte zentrieren bzw. definiert greifen können. In industriellen Anwendungen kommen für Mikromontageaufgaben in der Mehrzahl der Fälle immer noch Vakuumgreifer mit speziellen Saugpipetten zum Einsatz. Im Bereich der Greifer für die serielle Montage miniaturisierter Komponenten < 200 µm lassen sich grob zwei Ansätze unterscheiden, um Probleme wie Adhäsionseffekte, Reinraumtauglichkeit oder Teileempfindlichkeit zu lösen: Zum einen wird versucht, Greifprinzipien einzusetzen, die bei der konventionellen Montage wenig erfolgreich, aber in der Mikromontage bereits viel versprechend angewendet wurden. Dazu zählen die Adhäsionsgreifer und Kapillargreifer. Ein anderer Weg besteht darin, Greifprinzipien, die bereits in der konventionellen Handhabungstechnik erfolgreich eingesetzt werden, an die besonderen Bedingungen der Mikromontage anzupassen. Dazu zählen vor allem Vakuumgreifer und mechanische Greifer. Im Bereich der Speicher-, Ordnungs- und Spanneinrichtungen für Mikrobauteile gibt es zurzeit ebenfalls unterschiedliche Ansätze. Konventionelle Ordnungs-, Speicher- und Zuführeinheiten, wie sie beispielsweise auch in der feinwerktechnischen Uhrenindustrie eingesetzt werden, sind bei der Montage von Mikrobauteilen in der Regel nicht einsetzbar, da diese fast ausschließlich auf der Gewichtskraft bzw. Massenträgheit der Teile basieren. Konventionelle Spanneinrichtungen können bei der Mikromontage ebenfalls nicht verwendet werden, da diese Geräte nicht an die empfindlichen Mikrobauteile angepasst sind und diese durch zu hohe Spannkräfte zerstören würden. Diese Kräfte müssen also genau wie beim Mikrogreifer extrem klein und sehr genau dosierbar sein. Ansätze, das Speichern und Transportieren der Mikrobauteile an die geforderten Randbedingungen anzupassen, gibt es bislang nur wenige. In den meisten Versuchsanlagen werden die Mikrobauteile manuell in Flächenmagazinen, wie den standardisierten Waffle-Packs, oder Magazinen mit bauteilangepassten Formnestern einsortiert, die ebenfalls manuell im Arbeitsraum des Roboters positioniert werden. Alternativ zu den bauteilspezifischen Formnestern kommen auch adhäsive Trägerfolien zum Einsatz. Dieses Vorgehen ist für Versuchsanlagen noch ausreichend, für industrielle Anwendungen ist es wirtschaftlich nicht darstellbar. Notwendig sind vielmehr Magazine, Werkstückträger und Transportbehälter, die sowohl für eine automatisierte Zuführung von Mikrobauteilen als auch für den Einsatz in Reinraumumgebung geeignet sind. Hierzu ge-
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hört auch die exakte und trotzdem schonende Fixierung der empfindlichen Mikrobauteile, verbunden mit einer hinreichenden Flexibilität, z. B. hinsichtlich Form und Größe der Teile. Einen ersten Ansatz in Richtung Standardisierung stellt das SMIF-Konzept (Standard Mechanical Interface) dar, bei dem einzelne Magazinträger zu Carriern zusammengefasst und in einer SMIF-Box verschlossen werden. Diese Box schützt den Inhalt vor Umgebungseinflüssen (Grimme 1997). Für die Werkstückträger existiert bereits eine Norm, welche die äußeren Abmaße festlegt (DIN 32561 2000). Automatisierte Zuführsysteme existieren nur für Bauteile ausgewählter Referenzsysteme und basieren häufig auf dem Prinzip der Aufrechterhaltung der Teileordnung aus dem Fertigungsprozess. Die aus dem Herstellprozess vorgegebene Ordnung der Bauteile wird dabei bis zur Entnahme bei der Montage aufrechterhalten. Diese Vorgehensweise lässt sich z. B. für mikromechanische Komponenten auf Siliziumbasis und Mikrostrukturbauteile aus Kunststoff-Spritzguss, die in Batch-Prozessen hergestellt werden, anwenden (Nienhaus 1999). 16.3.6 Umgebungsbedingungen In der Mikromontage kann eine Kontamination der zu handhabenden Bauteile durch Staubpartikel die erreichbaren Genauigkeiten und -qualitäten beeinflussen. Deshalb wird davon ausgegangen, dass die Montage von Mikrosystemen in einer 'reinen' Umgebung stattfindet. Einige Forschergruppen arbeiten beispielsweise in Vakuumkammern von Rasterelektronenmikroskopen (Fatikow 2000), in der Mehrzahl der Anwendungen findet jedoch eine Mikromontage in einer reinen Umgebung statt. Im Versuchsbetrieb, aber zunehmend auch in industriellen Montagezellen, werden häufig lokal reine Umgebungen geschaffen, die mit Hilfe von Flow-Boxen realisierbar sind. Andernfalls werden die Montagesysteme in Reinräumen aufgebaut die nach U.S. Fed. Std. 209 und DIN EN ISO 14644-1 in verschiedene Klassen eingeteilt werden. Für die Mikromontage werden in der Regel Reinräume der Klassen 5 oder 6 verwendet. In diesen Klassen sind lediglich einige wenige Partikel in der Größenordnung der erforderlichen Montagegenauigkeiten vorhanden. Ein höherwertiger Reinraum wird meist nicht wirtschaftlich zu betreiben sein, da der durch Partikel bedingte Produktionsausschuss kostenmäßig deutlich unter den Mehrkosten für die Bereitstellung reinerer Umgebungsbedingungen liegt. Zusätzlich ist für Gerätetechnik, die in reinen Umgebungen eingesetzt wird, eine Überprüfung der Reinraumtauglichkeit erforderlich (Gail 2002).
Literatur
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16.4 Zusammenfassung Aufgrund des Mangels an allgemein anerkannten Definitionen wurde das Thema Mikromontage in sein technisches Umfeld eingeordnet und gegen konventionelle Montagetechniken abgegrenzt. Mit einem Fokus auf die automatisierte Mikromontage erfolgten die Diskussion der Montagestrategien und eine Einführung in die gerätetechnischen Grundlagen der Mikromontage. Ein Schwerpunkt lag auf den Ansätzen zur Genauigkeitssteigerung für einzelne Komponenten einer Montagezelle. Während in der nahen Vergangenheit in der Mikromontage ein Fokus auf der Realisierung des Montageprozesses an sich lag, zielen zukünftige Entwicklungen auf die wirtschaftliche Gestaltung des gesamten Montageprozesses.
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16 Mikromontage
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17 Hochleistungsmontage
17.1 Einleitung Mit dem Begriff „Hochleistungsmontage“ wird eine Entwicklung benannt, die erhebliche technologische Leistungssteigerungen mit neuen Konzepten erreicht. Beim Vergleich der derzeit üblichen Montagesysteme erscheint die Klassifizierung von Systemen mit einer Leistung von mehr als 150 montierten Einheiten/min als „Hochleistungsmontagemaschinen“ sinnvoll. Die Hochgeschwindigkeitsmontage findet ihren Anwendungsbereich in der Produktion von Massenartikeln aus unterschiedlichen Branchen, wie z. B. Gesundheit, Pharma, Automobilzubehör und Verpackungen. Einige Beispiele sind in Abb. 17-1 dargestellt. Charakteristisch für die Mehrzahl dieser Produkte ist, dass es sich um „Einwegprodukte“ handelt, die unter starkem Kostendruck stehen. Den-
Einwegspritzen
Automobilzubehör
Dentalpflege
Verpackungen
Abb. 17-1 Produktspektrum für Hochleistungsmontage
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17 Hochleistungsmontage
noch werden bei der Fertigung dieser Produkte hohe Anforderungen an die Montagequalität gestellt. Dabei sind insbesondere die Montagegenauigkeit, die Reinheitsanforderungen während der Montage und die Integration hochpräziser Prüfprozesse mit einer 100%-Prüfung zu nennen. Durch den steigenden Bedarf auf dem Markt der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik werden in Zukunft auch Produkte aus diesem Bereich (z. B. Mobiltelefone) zum Produktspektrum der Hochleistungsmontage zählen. Mit der zunehmenden Produktkomplexität werden die Anforderungen besonders in der Hochleistungsmontage steigen. Dazu gehören eine größere Anzahl der zu fügenden Teile, unterschiedliche Werkstoffe (Kunststoff-, Metall-, Gummi- und Glasteile), Funktionsprüfung und Konfektionierung.
17.2 Konzepte für Hochleistungsautomaten 17.2.1 Übersicht Bei der Betrachtung von Automaten für die Hochleistungsmontage ist eine Gliederung nach ihren Arbeitskonzepten sinnvoll. Es werden sehr unterschiedliche Leistungsparameter erreicht. Die Auswahl des Bewegungskonzeptes wird in erster Linie durch die Bauteilgeometrie und die notwendiBewegungsprinzip Getaktet
Kontinuierlich
Bewegungsbahn
Kreis
Marktanteil: ca. 70% Leistungslimit: 200 Takte/ min
Marktanteil: ca. 3% Leistungslimit: 1000 Stck/ min
Linie
Marktanteil: ca. 20% Leistungslimit: 100 Takte/ min
Marktanteil: ca. 1% Leistungslimit: ? 200 Stck/ min
Abb. 17-2 Gliederung von Montageautomaten
17.2 Konzepte für Hochleistungsautomaten
485
gen Bearbeitungsoperationen und deren Zeitbedarf bestimmt. Abb. 17-2 zeigt die derzeit eingesetzten Automatenkonzepte. Sie sind zum einen nach dem Bewegungsprinzip (getaktet/kontinuierlich) und zum anderen nach der Bewegungsbahn der Werkstücke bzw. Werkstückträger (Kreis/Linie) geordnet. Die nachfolgenden Abschnitte beschreiben Vorzüge und Leistungsgrenzen der jeweiligen Systeme, die entscheidend bei der Auswahl eines Maschinenkonzepts für eine definierte Montageaufgabe sind (Riley 1996, Nof 1997). 17.2.2 Getaktete Systeme Mit etwa 90% sind diese Automaten marktbeherrschend. Erreicht werden bei Rundtaktautomaten Leistungen bis zu 200 Takte/min, bei Lineartaktautomaten nur etwa die Hälfte. Limitierende Faktoren sind die Bewegungsabläufe, die während jedes Einzeltaktes ablaufen. Diese sind: − − − −
Beschleunigung der Werkstückträger, Verfahren in die nachfolgende Montageposition, Abbremsen und Indexieren der Werkstückträger.
Dabei müssen in jedem Taktzyklus große Massen (Rundtisch mit Werkzeugträgern) beschleunigt und abgebremst werden, was zu einer hohen dynamischen Beanspruchung der Gesamtmaschine führt. Ähnlichen Bewegungsabläufen unterliegen auch die Werkzeuge und Handhabungseinrichtungen. Aufgrund der zu beschleunigenden Massen und des erforderlichen Raumbedarfs für Werkzeuge und Werkstückträger ist die Anzahl der Stationen bei Rundtaktautomaten typischerweise auf etwa 18 begrenzt (vgl. Abschn. 5.4). Die Taktrate wird durch die Arbeitsstation mit dem größten Zeitbedarf bestimmt. Eine Steigerung der Produktionsrate ist durch den Parallelbetrieb mehrerer Einzelautomaten möglich. Der dabei erheblich gesteigerte Investitions- und Raumbedarf stellt wiederum einen großen Kostenfaktor dar. Eine andere Art der Leistungssteigerung ist durch eine Anordnung mehrerer zu bearbeitender Teile auf einem Werkstückträger und deren zeitlichparallele Bearbeitung möglich. Hierfür bieten sich Längstaktsysteme an. Abbildung 17-3 zeigt ein Beispiel mit 3 Montageobjekten auf jedem Werkstückträger. Die Handhabungssysteme benötigen hier MehrfachGreifer. Die Anwendungsgrenzen ergeben sich durch den Raumbedarf der Handhabungssysteme, der die Platzierung der Werkstücke im Werkstückträger bestimmt.
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17 Hochleistungsmontage
Werkstückträger-Transportsystem
Werkzeugträger mit Mehrfachbestückung
Werkzeuge und Handhabungssysteme für Mehrfachbearbeitung
Abb. 17-3 Längstakt-Automaten mit zeitlich-paralleler Bearbeitung
Die in Abb. 17-4 dargestellte Lösung besteht gegenüber dem zuvor beschriebenen Ansatz im gleichzeitigen Einzug mehrerer Werkstückträger mit je einem Montageobjekt. Dies ermöglicht sowohl die Einzelbearbeitung als auch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Teile. Die Werkzeugträger werden im Transportsystem zunächst einzeln gefördert. Vor den
Werkstückträger-Transportsystem Bearbeitungsabschnitt Mehrfacheinzug von Werkstückträgern
Gruppierung der Werkstückträger
Werkzeuge und Handhabungssysteme für Mehrfachbearbeitung
Abb. 17-4 Längstakt-Automat mit Mehrfacheinzug von Werkstückträgern
17.2 Konzepte für Hochleistungsautomaten
487
Stationen mit Mehrfachbearbeitung sind Abschnitte angeordnet, in denen sich die Werkstückträger ohne direkte Ankopplung an das Transportsystem zu Blöcken von beispielsweise 3 Werkstückträgern gruppieren können. Anschließend erfolgt der gemeinsame Einzug in den getaktet arbeitenden Bearbeitungsabschnitt. Der Vorteil dieses Konzeptes liegt in der Möglichkeit, zeitintensive Operationen zeitlich parallel durchführen zu können, ohne auf die positiven Eigenschaften von Einzelwerkstückträgern zu verzichten. Ein weiteres Konzept ist die räumlich parallele Bearbeitung, die ebenfalls eine Steigerung der Montageleistung bei einer vergleichsweise geringen Vergrößerung des Bauraumes ermöglicht. Die Werkstückträger verteilen sich über ein Weichensystem auf parallele Bearbeitungsabschnitte und werden nachfolgend wieder auf ein gemeinsames Transportsystem zusammengeführt (Abb. 17-5). Innerhalb der parallelen Bearbeitungsabschnitte erfolgt der Werkstückträgertransport nach dem Anlagentakt, außerhalb ist auch ein ungetakteter Transport möglich. Werkstückträger-Transportsystem
Werkzeug und Handhabungssystem Werkstückträger
Bereich mit paralleler Bearbeitung
Weiche
Abb. 17-5 Längstakt-Automat mit räumlich-paralleler Bearbeitung
17.2.3 Kontinuierliche Systeme Bei diesen Montagesystemen erfolgen die Montage- und Bearbeitungsprozesse während einer kontinuierlichen synchronen Bewegung der Werkstückträger mit dem darauf befindlichen Montageobjekt und den Werkzeugen. Im Gegensatz zu den getakteten Maschinen treten hohe Beschleunigungen für große Massen nur beim Anfahren der Automaten und als Radialbeschleunigungen auf und haben damit deutlich geringere dynamische Einflüsse auf die Gesamtmaschine. Die markttypischen Systeme arbeiten in der Mehrzahl nach dem Rundläuferprinzip. Dabei bewegen sich an einem Montageturm Werkstückträ-
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17 Hochleistungsmontage
ger und Werkzeuge synchron zueinander auf einer Kreisbahn und führen senkrecht dazu Arbeitsbewegungen aus (Abb. 17-6). Erreicht werden Leistungen bis zu 1.000 Produkten pro Minute.
Steuerkurven
Werkzeuge
Rotor für die Teileentnahme Teilezufuhr
Abb. 17-6 Kontinuierlich arbeitender Rundläufer-Montageautomat (Lagniel Inc.)
Bei diesem Prinzip ist wie beim Rundtaktautomaten die Anordnung von Werkstückaufnahmen und Werkzeugen durch den zur Verfügung stehenden Bauraum (Umfang des Montageturms) begrenzt. Die maximale Anzahl von Werkstückträgern bei marktgängigen Automaten beträgt 48. Die Anzahl der Bearbeitungsoperationen pro Montageturm ist abhängig von dessen Umlaufgeschwindigkeit und Durchmesser. Insbesondere bei schnell laufenden Maschinen ist zwischen Einlauf- und Auslaufsektor des Montagerotors aufgrund des begrenzten Umfangs der Montagetürme nur eine Bearbeitungsoperation möglich. Derzeit eingesetzte Montagetürme besitzen Durchmesser zwischen 400 und 800 mm. Die Antriebsdrehzahlen liegen im Bereich von 20 bis 40 U/min. Damit ergeben sich Umfangsgeschwindigkeiten von 50 bis 100 m /min. Sind weitere Montageoperationen erforderlich, werden diese auf nachfolgenden Montagetürmen durchgeführt. Die Übergabe der Teile oder teilmontierten Baugruppen zwischen den Türmen erfolgt durch so genannte Übergabesatelliten (Abb. 17-7).
17.2 Konzepte für Hochleistungsautomaten Zuführsatellit 2 Zuführung 2
Zuführsatellit 1 Montageturm 1
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Übergabepunkt Positionsüberdeckung für t = 0 (Tangentendeckung)
Übergabesatellit
Montageturm 2
Zuführung 1
Abb. 17-7 Aufbauschema eines Montageautomaten mit 2 Montagetürmen
Die Übergabe der Montageobjekte zwischen den Montagetürmen sowie die Zuführung der Einzelteile zu den Montagetürmen stellen die größten Probleme bei der kontinuierlichen Montage auf Rundläufermaschinen dar. Nur in einem theoretischen Zeitintervall von Null ist eine vollständige Positionsüberdeckung zwischen den Werkstückaufnahmen vorhanden. Eine Teileübergabe ist in diesem Zeitraum nicht möglich. Es müssen daher zusätzliche Vorrichtungen (Leitkonturen) integriert werden, um diesen Bereich zu erweitern. Diese zusätzlichen, teilespezifischen Führungselemente unterstützen die Übergabe der Teile zwischen den Bearbeitungsrotoren. Ein Beispiel für den Aufbau eines Montageturms eines kontinuierlichen arbeitenden Montageautomaten mit Rundläuferprinzip ist in Abb. 17-8 dargestellt. Der Hauptantrieb bewegt den Turm rotatorisch. Die Erzeugung der vertikalen Bewegungen der Montagewerkzeuge, Auswerfer und Klemmwerkzeuge erfolgt über gestellfeste Steuerkurven. Sie werden von den mit dem Montageturm rotierenden Montagewerkzeugen abgetastet. Horizontale Werkzeugbewegungen erreicht man über eine Umkehr der Bewegungsrichtung durch Hebelgetriebe. Für Rotationsbewegungen der Werkzeuge ist ein mit dem Werkzeug verbundenes Ritzel mit einem am Montageturm gestellfest montierten Zahnkranz im Eingriff.
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17 Hochleistungsmontage Steuerkurve für Auswerfer
Hauptantrieb
Steuerkurve für vertikalen Werkzeughub Zahnkranz
Ritzel
Montagewerkzeug
Steuerkurve für Klemmwerkzeug
Abb. 17-8 Technisches Prinzip eines Montageturms
Ein in der Montagetechnik noch selten eingesetztes Prinzip ist die kontinuierliche Längstransfer-Montage während einer parallelen und synchronen Längsbewegung von Werkstück und Werkzeug. Dieses Bearbeitungskonzept ist aus der Verpackungs- und Abfüllindustrie bekannt. Bei der Anwendung für die Montage ergibt sich der in Abb. 17-9 dargestellte Aufbau. Ein Transportsystem fördert die Werkstückträger mit definiertem Abstand und kontinuierlicher Geschwindigkeit. Hier ist ein Transportsystem in Ovalbauweise dargestellt, welches den Rücktransport der Werkstückträger oder den Durchlauf durch eine weitere Bearbeitungsstrecke auf dem gegenüberliegenden linearen Anschnitt ermöglicht. Die Werkzeuge sind auf einem ebenfalls kontinuierlich bewegten Satelliten-Transportsystem angeordnet, das hier auch eine Ovalform besitzt. Während der Bearbeitungsoperationen muss aufgrund der entkoppelten Antriebe von Werkstückträger- und Werkzeugtransport eine exakte Positionierung von Werkstück und Werkzeug zueinander durch zusätzliche Indexiereinrichtungen erfolgen. Damit wird die erforderliche Montagegenauigkeit im Bereich von 0,05 bis 0,1mm realisiert. Das Prinzip der Längstransfer-Montage bietet gegenüber der kontinuierlichen Montage auf Rundläuferautomaten eine Reihe von Vorteilen: − Bearbeitungsoperationen mit unterschiedlichem Zeitbedarf können durch Anpassung der Bearbeitungsabschnitte (Länge der Abschn. mit
17.3 Zusammenfassung und Ausblick
491
synchroner Bewegung von Werkstückträger und Werkzeug) innerhalb eines Montageautomaten realisiert werden. − Es können mehrere Bearbeitungsoperationen seriell durchgeführt werden. − Die Übergabeproblematik konzentriert sich auf die Übergabe der Montageteile auf den Werkstückträger. Werkzeugsatellit Werkzeuge
Werkstückträger
Werkstückträgertransportsystem
Abb. 17-9 Prinzip kontinuierlicher Längstransfer-Montageautomat
17.3 Zusammenfassung und Ausblick Die Entwicklung immer leistungsfähigerer Montageautomaten hat für getaktet arbeitende Systeme die technischen Grenzen weitgehend erreicht. Weiterentwicklungen werden sich daher auf das Gebiet der kontinuierlich arbeitenden Montageautomaten konzentrieren, da hier noch ein großes Entwicklungspotential hinsichtlich der Ausbringungsraten vorhanden ist. Kernpunkte der Entwicklung werden dabei die genannten Probleme der Teileübergabe sowie die Ansteuerung der Werkzeuge sein. Besonders bei der Gestaltung der Werkzeugantriebe mit Direktantrieben sind noch Probleme der Steuerung und der Kosten zu lösen. Diese Antriebe bieten gegenüber konventionellen Antrieben eine Reihe von Vorteilen (Abb. 1710), die beim Antrieb von Werkzeugen in kontinuierlich laufenden Montageautomaten genutzt werden können. Allen voran sind dabei die Flexibilität bei der Generierung von Bewegungsprofilen sowie die hohe Dynamik
492
17 Hochleistungsmontage
zu nennen. Die erzielbare hohe Positioniergenauigkeit wird aber auch die Entwicklung von getaktet arbeitenden Montageautomaten ohne Indexiereinrichtungen ermöglichen. Dies führt zu einer weiteren Senkung der Montagezeiten sowie der zu bewegenden Massen. Vorteile
Nachteile
• Übertragungselemente und ihre Nachteile entfallen
• ungünstiger Wirkungsgrad (abhängig vom Luftspalt)
• hohe Steifigkeit bewirkt hohe Eigenfrequenz
• hoher Energiebedarf
• hohe Zuverlässigkeit
• Steuerungsaufwand
• hohe Beschleunigung und Geschwindigkeit
• keine Selbsthemmung
• hohe Positioniergenauigkeit,
• höhere Anschaffungskosten (50 - 100%)
• hohe Reproduzierbarkeit nur vom MessSystem abhängig
• Problematik der Energie- und Signalzufuhr am bewegten Werkzeugträger
• flexible Gestaltung von Bewegungsprofilen („elektronische Kurvenscheibe“) • Vereinfachung der Maschinenkonstruktion
Abb. 17-10 Merkmale von Direktantrieben
Dass Montageautomaten mit Direktantrieben nicht stärker am Markt vertreten sind, ist insbesondere den noch hohen Kosten für diese Systeme zuzuschreiben. Diese werden insbesondere durch den notwendigen Steuerungsaufwand und die erforderlichen Messsysteme verursacht. Ein Beispiel für ein bereits realisiertes Projekt mit Direktantrieben ist in Abb. 17-11 dargestellt. Dabei bilden die Werkstückträger des Montagesystems die Läufer eines Linearmotors. Jeder Werkstückträger ist in Position und Geschwindigkeit einzeln ansteuerbar. Die Positioniergenauigkeit wird vom Hersteller mit 0,02mm angegeben. Das System wird gegenwärtig im getaktetem Modus betrieben, ein Einsatz ist aber ebenfalls für kontinuierlich laufende Montageautomaten denkbar. Als peripheres, aber dennoch entscheidendes Entwicklungsgebiet ist abschließend noch das Gebiet der Zuführtechnik zu nennen. Ohne weiteren Fortschritt bei der Steigerung der Zuführleistung ist eine weitere Erhöhung der Ausbringung von Montageautomaten unmöglich. Die Anforderungen bestehen in der lagerichtigen Zuführung von Teilemengen ≥ 1000 Stück/ min sowie der sicheren Übergabe auf die Montagemaschinen in sehr kurzen Zeitintervallen. Eine bereits in der Praxis eingesetzte Lösung besteht in der so genannten Aerodynamischen Zuführtechnik (s. Abschn. 8.7.4, Bild 8-57), mit der für einfache Teile Zuführraten aus dem Haufwerk bis zu 800 Teile/min erreicht werden (Lorenz 1999, Rybarczik 2004).
Literatur
1 Steuerplatine 3 Rahmen a) Gesamtsystem
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2 Werkstückträger 4 Linearmotor
b) Detail
Abb. 17-11 Werkstückträgertransport mit Direktantrieb (ATS)
Literatur Lorenz B-M (1999) Aerodynamische Zuführtechnik. Diss. Universität Hannover. In: Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 2, Fertigungstechnik. VDI-Verlag, Düsseldorf Nof S Y (1997) Industrial Assembly. Chapman & Hall, London Riley F J (1996) Assembly Automation: A Management Handbook. 2nd ed. Industrial Press Inc., New York Rybarczyk A (2004) Auslegung aktiver aerodynamischer Zuführverfahren. Diss. Universität Hannover
18 Kabelkonfektion
18.1 Einführung Grundsätzlich unterscheidet sich eine Kabelkonfektionslinie kaum von einer automatischen Montagelinie. Sämtliche automatischen Montageprozesse können auch bei einer Kabelkonfektionslinie zum Einsatz kommen. Der wesentliche Unterschied liegt im Montageobjekt Kabel, da es als biegeschlaffes Teil nicht wie ein Montageteil vollständig fixiert werden kann. Generell gilt, dass man ein Kabel nicht mehr loslassen darf, wenn man einen Teil davon fixiert hat. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass die Raumtemperatur, die Temperatur des Kabels und die Luftfeuchtigkeit einen Einfluss auf die Position der Kabelenden verursachen. Dadurch müssen bei sämtlichen genauen Montage- und Fügeprozessen zusätzliche so genannte Litzen- oder Kabelfänger vorgesehen werden, damit das frei hängende Kabel vor dem Prozess genau positioniert werden kann.
18.2 Die Kabeltypen Folgende Kabeltypen werden in der Industrie verwendet. Je nach Kabeltyp unterscheidet sich auch die Art und Weise, wie ein solches Kabel automatisiert verarbeitet werden kann. Die Einzellitze Unter Einzellitzen versteht man einzelne Kupferdrähte oder Kupferlitzen (bestehend aus mehreren dünnen Kupferdrähten) die mit einer Isolation – in den meisten Fällen aus Kunststoff – überzogen sind (Abb. 18-1). Der häufigste Anwendungsbereich für die Einzellitzen sind die Weißwaren (Waschmaschinen, Geschirrspüler, etc.) und die Elektroindustrie (Unterhaltungselektronik, Industrieelektrik, Schalttafelbau, Elektroinstallationen, etc.). Die Litzen stellen eine Verbindung zwischen zwei Anschlusspunkten her. In den meisten Fällen wird jedes Kabelende nur mit einem Crimp (Kontakt) bestückt, mit bleifreiem Lot verzinnt, verdrillt oder sogar nur
496
18 Kabelkonfektion
abisoliert. Zum Teil gelangen auch neue Verbindungstechniken zum Einsatz wie das Klemmen, wobei die Litze für diesen Anwendungsfall nur abgeschnitten wird. Litzenisolation
Litze A
Einzeldrähte
Litze B
Einzellitze
Twisted Pair Litze
Abb. 18-1 Aufbau von Litzen
Die Querschnitte werden in Quadratmillimeter angegeben; bei mehradrigen Litzen entspricht er der Summe der Einzeldrahtquerschnitte. Die Stärke der Isolation ist abhängig vom Isolationsmaterial und vom Anwendungsbereich der Einzellitze. Die Einsatzbereiche sind etwa: 2
2
2
2
für Steuerungsleitungen: 0,15 mm , 0,25 mm , 0,35 mm , 0,50 mm , 2 0,75 mm und 2 2 2 2 für Hauptstromleitungen: 0,50 mm , 0,75 mm , 1,00 mm , 1,50 mm , 2 2,50 mm . Die Litze zeichnet sich gegenüber dem Draht durch die höhere Flexibilität aus. Aus diesem Grunde werden Drähte vor allem beim Schalttafelbau eingesetzt. Bei einer losen Verdrahtung wie beispielsweise im Automobil finden sie Einsatz als Einzelkabel in einem Kabelbaum oder bei der Verbindung von zwei Anschlusspunkten bei Elektrogeräten. Das Twisted Pair Kabel Das Twisted Pair-Kabel besteht aus zwei verschiedenfarbigen, bereits verdrillten Einzellitzen, Abb. 18-2. In vielen Anwendungsfällen besitzen die Einzellitzen eine mehrfarbige Isolation, wobei auf einer Grundfarbe ein Längsstreifen in einer zweiten Farbe aufgedruckt wird. Je nach Anwendungsfall wird das Kabel bereits verdrillt auf einer Kabelrolle der Anlage zugeführt. Bei kurzen Leitungen wird das Kabel auf der Kabelkonfektionslinie aus zwei einzelnen Litzen verdrillt und so das Twisted Pair-Kabel hergestellt.
18.2 Die Kabeltypen
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Schlaglänge
Abb. 18-2 Aufbau eines Twisted Pair-Kabels
Ein Problem der automatisierten Kabelkonfektion beim Twisted-Pair Kabel liegt in der so genannten Schlaglänge der Leitungen. Ein enger 2 Schlag liegt bei einem 0,75 mm -Kabel bei ungefähr 16 mm und ein relativ weiter Schlag bei 32 mm. Die Toleranzen der Schlaglänge liegen aber bei der Herstellung bei mehreren Millimeter. Die Hauptanwendung der Twisted Pair-Kabel liegt im Bereich der Automobilindustrie, sofern ein zweiadriges Kabel im Innenraum verwendet werden muss. Das Mantelkabel Das Mantelkabel besteht aus einer oder mehreren isolierten Einzellitzen, die in gedrillter oder gestreckter Form mit einem Mantel umschlossen sind (Abb. 18-3). Die häufigsten Mantelmaterialien sind PVC, Polyurethan oder Gummi. Je nach Anwendungsfall bestimmt die Flexibilität, die Scheuerfestigkeit, die Brandfestigkeit oder ein anderes technisches Merkmal das Mantelmaterial. Mantelmaterial Litzenisolation Litze
2-adrig
Abb. 18-3 Aufbau Mantelkabel
3-adrig
498
18 Kabelkonfektion
Das Koaxialkabel Das Koaxialkabel wird hauptsächlich im Bereich der Kommunikationstechnik verwendet (Abb. 18-4). Es besteht aus einem Innenleiter mit teils mehreren Isolationen und Abschirmungen. Die Abschirmung besteht aus einem Metallgeflecht, das bei der automatisierten Kabelkonfektion das größte Problem darstellt. Für das Abmanteln gemäß Skizze existieren auf dem Markt verschiedene Abmantelgeräte, welche die einzelnen Abisolierstufen rotierend abmanteln. Diese Geräte werden ebenfalls in großer Stückzahl bei Handarbeitsplätzen eingesetzt. Leiter
Abschirmung Innenisolation
Aussenisolation
Abb. 18-4 Aufbau Koaxialkabel
Der anzubringende Stecker oder Kontakt muss einerseits mit dem Leiter und andererseits mit der Abschirmung verbunden werden. Die Verbindung mit dem Leiter erfolgt wie bei einer Verbindung einer Einzellitze durch Löten, Pressen, Schweißen, usw. Die Verbindung mit der Abschirmung ist deutlich schwieriger, da die Abschirmungshülse des Steckers zwischen die Innenisolation und die Abschirmung geschoben werden muss. Dazu ist die Abschirmung nach dem Abmanteln maschinell aufzuweiten. Die Verbindung zwischen der Steckerabschirmung und der Kabelabschirmung wird mehrheitlich mechanisch gepresst oder gelötet. Das Flachkabel Das Flachkabel besteht aus mehreren Einzellitzen, die nebeneinander angeordnet sind und gemeinsam von einem Mantel umschlossen sind (Abb. 18-5). Man unterscheidet zwischen einem Rippenmantel und einem Vollmantel. Beim Rippenmantel ist die Lage der einzelnen Litzen von Außen ersichtlich. Die einzelnen Litzen sind – wie in Abb. 18-5 gezeigt – entweder separat isoliert, oder direkt von einem Rippen- bzw. Vollmantel umschlossen. Der Vorteil des Rippenmantels liegt darin, dass die Litzen inklusive Ummantelung leichter und präziser getrennt werden können. Das
18.3 Einsatzgebiete der Kabel
499
ist vorteilhaft, wenn einzelne Litzen eine separate Länge aufweisen müssen, zum Beispiel bei einem Erdungs- oder Massenkabel. Hauptsächlich wird das Flachkabel im Liftbau und im IT-Bereich eingesetzt, wo das Kabel keinen Verdrehungen ausgesetzt wird.
Rippenmantel
Vollmantel
Abb. 18-5 Flachkabel-Formen
Das Lichtwellenkabel Das Lichtwellenkabel entspricht in seiner Bauart einem Koaxialkabel, besitzt aber keinen metallischen Innenleiter, sondern einen Innenleiter aus Glas oder Kunstglas. Sein Einsatzgebiet ist hauptsächlich die Datenübertragung.
18.3 Einsatzgebiete der Kabel Die Einsatzgebiete der beschriebenen Kabel sind sehr vielfältig. Die Massenproduktion und somit auch der Anteil, bei dem die automatisierte Kabelkonfektion auch wirtschaftlich ist, kann wie folgt gruppiert werden. Netzkabel Der Bereich Netzkabel beinhaltet 2- bis 5-adrige Mantelkabel mit Litzenquerschnitten von 0,75mm2 bis 2,5mm2. Die Hauptmengen in diesem Be-
500
18 Kabelkonfektion
reich stellen genormte Anschlusskabel für elektrische Geräte wie Haushaltgeräte, Unterhaltungselektronik und Computer dar. Einige Beispiele zeigt Abb. 18-6. Die Netzkabel sind einseitig mit genormten 240 V-Steckern bestückt, wobei der Stecker in den meisten Fällen angespritzt wird und sich nicht demontieren lässt. Die zweite Kabelseite beinhaltet einen genormten Geräteanschlussstecker, der ebenfalls direkt an das Kabel angespritzt wird. Je nach Gerät unterscheidet sich diese Kabelseite. Unter dem Begriff Netzkabel werden auch alle Stromverteilleisten, alle Verlängerungskabel, Spiralkabel und Verlängerungstrommeln eingeordnet, sofern diese Verteilkabel für das 240 V-Stromnetz verwendet werden.
Abb. 18-6 Beispiele für Netzkabel
Unterhaltungselektronik Im Bereich Unterhaltungselektronik werden mit Ausnahme der Geräteanschlusskabel im Geräteinnenraum hauptsächlich kurze Einlitzenkabel, Flachkabel und vermehrt auch Koaxialkabel verwendet. Weißwaren Weißwaren umfassen Waschmaschinen, Wäschetrockner, Staubsauger, Kaffeemaschinen und die übrigen Haushaltgeräte. Dieser Bereich verbraucht vor allem große Mengen der mittleren bis langen Einlitzenkabel. Die in diesen Geräten an unterschiedlichen Orten platzierten Netzgeräte, Steuergeräte und Bedienpanels werden mit Einzellitzen verbunden. Automobilindustrie Der Bereich Automobil stellt das größte Potenzial der automatisierten Verarbeitung mehradriger Kabel dar. Vor allem bei Sicherheitsbordnetzsystemen wird gefordert, dass die konfektionierten Kabel bereits auf der Pro-
18.4 Der Maschinenaufbau
501
duktionsanlage vollautomatisch geprüft und entsprechend gekennzeichnet werden, damit sie anschließend vom Kabelbaumhersteller als fertige Baugruppe in den Kabelbaum integriert werden können. Hinzu kommt, dass die Automobilindustrie bis 2006 noch keine übergeordnete und Länder übergreifende Normierung wie im Bereich der Netzkabel aufweist, was zu einer großen Auswahl von Airbag-, ABS-, Gurtschloss-, und Gewichtssensor-Stecksystemen geführt hat. Wenn man berücksichtigt, dass pro Jahr weltweit zwischen 50 und 60 Millionen Automobile produziert werden und neuere Automobile bis zu 12 und Automobile der Oberklasse bis zu 24 Airbags aufweisen, ist das Rationalisierungspotential in diesem Bereich sehr groß. Im Innenraum werden sehr viele nicht ummantelte Einzellitzen oder Twisted-Pair Kabel verwendet und außerhalb des Innenraums meistens Ein- oder mehradrige Mantelkabel.
18.4 Der Maschinenaufbau Kurze Kabel (bis ungefähr 300mm Länge) können auf konventionellen Montageautomaten wie Rundtische oder Längstransfersysteme verarbeitet werden. Problematisch sind längere Kabel, die beidseitig bearbeitet, montiert und geprüft werden müssen. Bewährt haben sich hierbei vertikal umlaufende Shuttle-, Riemen- und Kettensysteme. Auf einem Grundaufbau sind in Längsrichtung die verschiedenen Stationen aufgebaut. Die Kabelschlaufe hängt einseitig bis zum Boden oder kann auch mehrfach geschlauft werden, wenn längere Kabel zu verarbeiten sind. Auf die Grundmodule werden nun nach einem definierten Stationenplan die Verarbeitungsstationen montiert. Diese Stationen können fix sein oder auswechselbar montiert werden. Abbildung 18-7 zeigt das Modell einer solchen Anlage
Abb. 18-7 Längstransfer-Konfektionierautomat (INSYS)
502
18 Kabelkonfektion
Die Leistung und die Verfügbarkeit hängen stark von der Komplexität der einzelnen Schritte und von der Anzahl der Verarbeitungsschritte ab. Grundsätzlich sind drei Leistungsparameter wesentlich. Taktzeit Die Taktzeit ist die Zeitdauer, in der eine Anlage ein Kabel ausstößt. Das entspricht der Anzahl Sekunden, die vergehen, um einen Werkzeugträger von einer Station zur nächsten zu befördern inklusive der Verarbeitungszeit der einzelnen Station. Diese Taktzeit ist abhängig von der langsamsten Station der Anlage. Damit diese Taktzeit bereits bei der Planung einer Anlage optimiert werden kann, müssen die teilweise komplexen Prozesse auf mehrere Stationen aufgeteilt werden. Bei einem Vollautomat sind Taktzeiten zwischen 3 und 6 Sekunden üblich. Technische Verfügbarkeit Die technische Verfügbarkeit einer Anlage ist abhängig von der Verfügbarkeit der einzelnen Stationen und von der Anzahl der Stationen auf einer Anlage. Damit die Anlage eine akzeptable Verfügbarkeit zwischen 75 und 90% aufweisen kann, müssen bei der Planung einer Anlage bestimmte Parameter berücksichtigt werden. Zum Beispiel können für die Verbesserung der Verfügbarkeit gewisse Vormontageprozesse von der Linie separiert und mit einem Pufferband der Anlage zugeführt werden. Dann beeinflussen Störungen der Vormontagestationen nicht direkt die Verfügbarkeit der Hauptlinie. Materialwechsel wie der Austausch einer Kabelrolle oder eines Crimpbandes beeinflussen die technische Verfügbarkeit ebenfalls nicht. Diese Wechsel sind aber in der Berechnung der Gesamtverfügbarkeit zu berücksichtigen. Es ist in der Konzeption einer Anlage darauf zu achten, dass wenn immer möglich das zu verarbeitende Material während der Produktionszeit der Anlage nachgefüllt werden kann. Dies ist beim Auffüllen eines Wendelförderers problemlos möglich. Schwieriger und kostenintensiver ist dies beim Kabelrollenwechsel oder allgemein beim Wechseln von Zuführteilen, die der Anlage auf einem Band zugeführt werden. Durch den Einsatz von zum Beispiel 2 Abrollgeräten kann die Unterbrechungszeit für den Rollenwechsel aber stark reduziert werden. Ausschussquote Die Ausschussquote ist stark von der Qualität der Zuführteile und von der Komplexität der einzelnen Prozesse abhängig. Bei der automatisierten Kabelkonfektion sind 0,5 bis ca. 3% Ausschuss gängige Werte. Bei einer Monoanlage, auf der nur 1 Produkt erzeugt wird, ist diese Quote im unte-
18.4 Der Maschinenaufbau
503
ren Bereich und die Quote erhöht sich, je mehr Produkte auf ein und derselben Anlage gefahren werden müssen und je kleiner die einzelnen Losgrößen pro Produkt sind. In den letzteren Fällen können die einzelnen Produkte an der Anlage nicht optimal eingefahren werden. Abmessungen Bei einem Vollautomaten mit beidseitiger Steckermontage benötigt man für sämtliche Prozesse Anlagen bis zu 10 m Länge mit teils separaten Vormontagezellen wie Rundschalttische usw. Der Werkzeugträger Das Kernelement einer Kabelkonfektionslinie bildet der Werkzeugträger, unabhängig davon, ob die Anlage aus einem Shuttle-, einem Riemen- oder einem Kettenantrieb besteht, Abb. 18-8. Kabelklemmung Kabeltrommel
Gehäusenest
Werkzeugträger
Litzengabel
Transferschlitten Rücklaufmitnehmer
Gefederte Klemmbacke
Abb. 18-8 Werkzeugträger eines Kabelkonfektionierautomaten (INSYS)
Der Werkstückträger besteht aus meist mehreren so genannten Nestern, die einerseits das Kabel aufnehmen und andererseits die zu montierenden Gehäuse oder Stecker. Im Bild ist beispielsweise das Gehäusenest zu erkennen. Da der Werkzeugträger ein entscheidendes Qualitätsmerkmal ist
504
18 Kabelkonfektion
und immer in größerer Stückzahl gebraucht wird, ist der Genauigkeit eine sehr hohe Bedeutung zuzumessen.
18.5 Die Verarbeitungsschritte Die Verarbeitungsschritte bei der Kabelkonfektion sind sehr vielfältig und je nach Kabeltyp unterschiedlich. Grundsätzlich kann man aber folgende Montageschritte zusammenfassen: − − − − − −
Ablängen und Einlegen, Kabelgrundverarbeitung, Kontaktbestückung, Gehäusebestückung, Kontrollieren und Ablegen.
Im Folgenden wird die vollautomatische Konfektion eines einfachen Kabels nach Abb. 18-9 für ein Automobil genauer erläutert und beschrieben.
Abb. 18-9 Beispielkabel
18.5.1 Ablängen und Einlegen Das Ablängen besteht aus mehreren Prozessen. Je nach Verarbeitungsart wird das Kabel ab Kabelrolle abgerollt, über einen Kabelspeicher geführt, geglättet, bedruckt, ausgemessen und anschließend geschnitten, damit es in der korrekten Länge in einem Transfersystem oder einem Werkzeugträger eingelegt werden kann.
18.5 Die Verarbeitungsschritte
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Abrollen Das Abrollen kann von einer Kabelrolle, einem Coil oder einem offenen Ring erfolgen. Bei einadrigen Kabeln (Litzenverarbeitung) wird am häufigsten vom Coil abgewickelt und bei mehradrigen Kabel (Mantelkabel, Twisted Pair Kabel) von einer Kabelrolle. Pro Schicht müssen manchmal mehrere Kabelrollen gewechselt werden und daher ist das Einlegen der Kabel möglichst einfach zu gestalten. Da in der automatisierten Kabelverarbeitung Taktzeiten zwischen 3 und 5 Sekunden üblich sind, ist ein gesteuertes Abrollgerät mit Kabelspeicher erforderlich. Hierzu findet man auf dem Markt sehr gute Standardgeräte inklusive Kabelspeicher. Je nach Dauer und Umgebungstemperatur der Lagerung der Kabeltrommel kann ein so genannter Memory-Effekt auftreten, aufgrund dessen das Kabel den Aufwickelradius beibehält und daher nicht in einer geraden Form in den Werkzeugträger eingelegt werden kann. Ein Kabelrichtgerät ist daher zwingend erforderlich und besteht aus verschiedenen Rollen, die das Kabel während des Ausrollens ausrichten. Ausrollen Das Ausrollen ist sicherlich die komplexeste Station vor der Einführung des Kabels in die Transferstation. Je nach Kabeltyp (Mantelkabel oder Twisted Pair-Kabel) und Ausrollgeschwindigkeit hat der Schlupf eine große Bedeutung. Bei Ausrollen kommen verschiedenen Prinzipien zum Einsatz (Abb. 18-10).
Reibräder
Reibriemen
Abb. 8-10 Prinzipe zum Ausrollen von Kabeln
Reibräder: Bei einem Reibradausrollgerät wird das Kabel zwischen zwei beschichteten Rädern hindurchgeführt. Die Räder klemmen das Kabel ein und über die Reibung wird das Kabel auf die korrekte Länge gezogen. Die Geschwindigkeit wird in den meisten Fällen mittels Servo- oder
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18 Kabelkonfektion
Schrittmotoren gesteuert, damit ein sanftes Anfahren des Kabels mit so wenig Schlupf wie möglich gewährleistet wird. Reibriemen: Bei Reibriemenantrieben wird die Anpresskraft nicht punktförmig, sondern linienförmig auf das Kabel übertragen, Dies reduziert den nicht berechenbaren Schlupf auf ein Minimum. Zusätzlich kann über verschiedene Riemenbeschichtungen wie Moosgummi, Silikon und Hartgummi der Schlupf bei unterschiedlichen Kabeln reduziert werden. Für die Korrektur dieses Schlupfes können Korrekturparameter bestimmt werden. Bewährt haben sich ein Schlupffaktor in Prozent der Kabellänge und ein genereller Kabelschlupffaktor pro Kabeltyp. Für sehr genaue Kabellängen wird zusätzlich zu den gesteuerten Reibrädern oder Reibriemen ein Messrad eingesetzt. Dieses wird direkt vom ausgerollten Kabel angetrieben und steuert über einen Inkrementalmessgeber die Ausrollräder. Schneiden Grundsätzlich stellt das Schneiden der Kabel keine besonderen Schwierigkeiten dar. In den meisten Fällen kommt ein V-Messer zum Einsatz, Abb. 18-11. Dieses Messer kann auf einer Anlage auch für verschiedene Kabeltypen verwendet werden. Die Schwierigkeit beim Schneiden liegt in der Koordination zwischen der Schneidstation und dem vorgelagerten Ausrollen und dem nachgelagerten Einlegeprozess. Offen Zu
Antrieb
Schnitt
Abb. 18-11 Kabelschneiden mit V-Messer
Einlegen Das Einlegen des auf Maß geschnittenen Kabels in das Montagewerkzeug erfolgt bei einem Halbautomaten von Hand. Bei einem Vollautomaten wird das Kabel von der Schneidestation mit einem Handlinggerät über-
18.5 Die Verarbeitungsschritte
507
nommen und in den Werkzeugträger eingelegt. Bei einem Vollautomaten unterscheidet man ein gerades Einlegen und ein geschlauftes Einlegen. Gerades Einlegen: Bei kurzen Kabeln (je nach Kabeltyp mit einer Maximallänge zwischen ca. 250 und ca. 400 mm) wird das Kabel vor dem Schneiden von der Einlegestation am Kabelende gefasst, nach dem Schneidevorgang von der Einlegestation übernommen und in einer gestreckten Form auf dem Werkzeugträger fixiert. Geschlauftes Einlegen: Bei längeren Kabeln (je nach Kabeltyp mit einer Minimallänge zwischen ca. 250 und ca. 400mm) kann das Kabel als Schlaufe im Werkzeugträger fixiert werden. Somit liegen beide Kabelenden nebeneinander und lassen sich in dieser fixierten Form weiter verarbeiten. Bei Halbautomaten wird das bereits geschnittene Kabel von Hand eingelegt. Wichtig beim Einlegen ist die Positionierung der Kabelenden im Werkzeugträger. Lange Kabel (über 2.000mm) werden vorteilhaft in einer bereits gerollten und gebundenen Form auf dem Werkzeugträger fixiert. 18.5.2 Kabelgrundverarbeitung Die Kabelgrundverarbeitung beinhaltet die Vorbereitung des Kabels bis zur Verbindung des Kabelendes mit einem Kontakt. Damit der Kontakt angebracht werden kann, muss das Kabel zuerst abgemantelt, gereinigt, ausgerichtet, gespreizt und abisoliert sein. Abmanteln Beim Abmanteln kommen zwei Verfahren zum Einsatz. Beim Vollabzug wird das Kabel mit einem V-Messer oder Formmesser eingeschnitten und der Mantel mit den eingefahrenen Messern in einem Zug entfernt. Beim Teilabzug wird der Mantel nur wenige Millimeter zurückgezogen. Dieses Verfahren ist dann zu empfehlen, wenn die Mantel-Abzugslänge das maximale Abzugsmaß der Station überschreitet. Bürsten Sofern ein Mantelkabel verwendet wird, besteht die Möglichkeit, dass bei der Produktion des Mantelkabels Talg verwendet wurde, damit die Litzen nicht zu fest mit dem Mantelmaterial verbunden werden. Dieser Talg kann das anschließende Farbrundrichten mit einem Vision-System beeinträchtigen. Aus diesem Grunde ist ein Platz für eine Abbürststation vorzusehen. Je nachdem, ob ein Teil- oder ein Vollabzug bei der Abmantelstation er-
508
18 Kabelkonfektion
folgt, unterscheidet man hier ein Längsbürstsystem für abgemantelte Kabel und ein Vertikalbürstsystem für Kabel mit einem Teilabzug. Farbrichten Bei der automatisierten Kabelverarbeitung muss nach dem Abmanteln sowie bei einem mantellosen Kabel vor der weiteren Verarbeitung bestimmt werden, welche Litze sich wo befindet, damit die Kontakte korrekt angebracht werden können. Bewährt haben sich für dieses so genannte Farbrichten Bilderkennungs-Systeme. Die Station besteht aus einer Kabeldrehvorrichtung und einem Vision-System. Die Digitalkamera überprüft die Lage der einzelnen Litzen und gibt der Drehvorrichtung einen entsprechenden Drehimpuls. Anschließend überprüft das Vision-System die Lage und übergibt solange einen weiteren Drehimpuls, bis die Litzen die korrekte Lage aufweisen. Mantelrest entfernen Sofern bei einem Mantelkabel nur ein Teilabzug erfolgte, wird nach dem Farbrundrichten der Mantel entfernt bzw. abgezogen und entsorgt. Spreizen Beim Spreizen der Kabelenden werden die einzelnen, bereits durch das Vision-System ausgerichteten Litzen auf dem Werkzeugträger positioniert. Die Litzen werden mit Greifern an genau der Stelle gegriffen, wo das Vison-System die Litzen ausgerichtet hat. Da die Schlaglänge der Litzen in den meisten Fällen schwankt, kann die Greifposition nicht über die theoretische Schlaglänge berechnet werden. Beim Spreizen sind Litzenverletzungen unbedingt zu vermeiden. Je nach Isolationsmaterial müssen die Greifer vollständig entgratet und poliert sein. Ebenfalls sollte die Greiferkraft einstellbar sein. Die Litzen neigen dazu, nach dem Loslassen in die ursprüngliche Form zurück zu springen. Dies kann mit einer leichten Überspreizung vermieden werden. Abisolieren Die durch das Spreizen fixierten Litzen werden in einer Station abisoliert und nachgeschnitten. Analog wie beim Abmanteln kann hier ein Voll- oder ein Teilabzug erfolgen. Ein Teilabzug wird meistens nur angewendet, wenn die Litzen nicht weiter verarbeitet werden müssen. Damit bildet der teilabisolierte Mantel einen mechanischen Schutz der Litzen bei den weiteren Verarbeitungsprozessen.
18.5 Die Verarbeitungsschritte
509
Damit die Litzen für die weitere Verarbeitung einen genauen Null-Punkt gegenüber der Verarbeitungsanlage aufweisen, können sie nach der Abisolierung nachgeschnitten werden. Die Abisolierung kann wie beim Abmanteln mit verschiedenen Messertypen erfolgen. Zusätzlich zu den bereits beschriebenen V-Messern und Formmessern sind beim Abisolieren ebenfalls Flachmesser gebräuchlich. Diese Flachmesser werden bei mehradrigen Litzen verwendet, die ein sehr kleines oder sogar kein Spreizmaß aufweisen. Verdrillen Je nachdem, welche Verarbeitungsprozesse folgen, muss die Litze verdrillt werden, um die so genannte Besenbildung zu verhindern. Je mehr Einzellitzen pro Litze vorhanden sind, je größer ist die Gefahr der Besenbildung. Das Verdrillen verkleinert den durch die Besenbildung vergrößerten Litzendurchmesser wieder und festigt ihn für die weitere Verarbeitung. Diese Verdrillung wird häufig angewendet, wenn die Litze anschließend verzinnt wird. Bei einer Litze, die anschließend kompaktiert oder gecrimpt wird, darf aber kein Verdrillen erfolgen. 18.5.3 Kontaktbestückung Je nach Anwendungsfall und Einsatzgebiet der Kabel kommen verschiedenen Arten der Kontaktbestückung zum Zuge. Man unterscheidet folgende Verfahren: Crimpen Der Begriff Crimpen stammt vom Englischen "to crimp", was soviel bedeutet wie pressen, eindrücken, falten oder auch faltend verformen. In der Elektroinstallation bezeichnet man mit Crimpen das mechanische Zusammendrücken einer Hülse zur Herstellung einer festen mechanischen Verbindung zwischen Leiter und Verbinder. Crimp-Verbindungen haben die Lötverbindungen wegen des vergleichsweise einfachen, zuverlässigen und schnellen Prozesses weitgehend abgelöst. Sie sind aber nur dann zulässig, wenn sie den geforderten DIN-Anforderungen entsprechen und gasdicht sind. Bei einer gasdichten Verbindung sind Leiter und Verbinder so fest miteinander verpresst, dass keine Zwischenräume mehr vorhanden sind. Weder ein flüssiges noch ein gasförmiges Medium kann unter normaler atmosphärischer Umgebung in den Crimp eindringen. Eine Oxidation zwischen den verpressten Einzeldrähten wird so unterbunden und dadurch eine Er-
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18 Kabelkonfektion
höhung des Crimpwiderstandes nahezu ausgeschlossen. Im Grenzfall können vereinzelt noch kleine Hohlräume auftreten. Aufgrund der verdrillten Leitung dürfen diese als in sich geschlossen angesehen werden. Die Prüfung des dichten Crimps erfolgt mittels Schliffbild. Die Schliffbildebene liegt vorteilhaft im mittleren Drittel der Leitercrimphülse und zwischen den eingeprägten Rillen. Eine Crimp-Verbindung zeigt Abb. 18-12. Es handelt sich um eine rein mechanische Verbindung, die durch Umformung hergestellt wird. Isolationscrimp
Drahtcrimp
Abb. 18-12 Crimp-Verbindung
Beim Crimpen wird zwischen Einzelkontakten und Bandware unterschieden. Einzelkontakte sind meist mit einem Drehautomaten hergestellte Kontakte, die mittels eines Wendelförderers der Presse zugeführt werden. Unter Bandware versteht man ein Blechband, bei dem die einzelnen Crimp aus dem Band gestanzt werden und durch einen stehen gelassenen Steg miteinander verbunden sind. Dieses Crimpband wird auf eine Rolle gewickelt und so der Crimppresse zugeführt. Das Crimpwerkzeug ist bei der Bandware so gestaltet, dass es bei jeder Crimpung zusätzlich den einzelnen Crimp von Band trennt. Das leere Blechband wird anschliessend automatisch abgetrennt und entsorgt. Die Bandware kann ihrerseits quer- oder längs gegurtet sein. Je nach Kontaktart kommen unterschiedliche Zuführmechaniken und Crimpwerkzeuge zum Einsatz. In den meisten Fällen wird zur Qualitätssicherung der Kraftverlauf während des Crimpvorganges überwacht. Schweißen Der Schweißkontakt wird hauptsächlich dort angewendet, wo keine Normkontakte eingesetzt werden. Je nach Anwendungsfall müssen die Litzen
18.5 Die Verarbeitungsschritte
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vorher kompaktiert (verdichtet) werden. Das Kompaktieren erfolgt ähnlich wie ein Schweißprozess durch zwei Elektroden. Die Litze wird durch diese zwei Elektroden zusammengepresst und mit einem Strom in eine meist 4kantige Form zusammengebacken. Durch diese Kompaktierung erhält man beim Schweißen bessere Resultate, da diese Schweißung einer normalen Schweißung von 2 festen Teilen entspricht. Sowohl beim Kompaktieren wie auch beim Schweißen können die Strom- und Wegparameter überwacht werden und man erhält eine Aussage über die Qualität der Schweißung. Gegenüber dem Crimpen ist das Schweißen jedoch eine aufwendigere und teurere Verbindungsart, da einerseits die Kosten der Kompaktierund Schweißstation deutlich höher sind als eine Crimppresse und anderseits dem Verschleiß der Elektroden beim Kompaktieren wie auch beim Schweißen besondere Beachtung geschenkt werden muss. Löten Damit der Kontakt gelötet werden kann, ist ebenfalls eine Vorbereitung der Litzen erforderlich. Diese Litzen sind zu reinigen (so genanntes fluxen) und mit bleifreiem Lot zu verzinnen, damit eine saubere Verbindung gewährleistet werden kann. Im Gegensatz zum Crimpen oder Schweißen stellt die Prüfung einer gelöteten Verbindung etwas höhere Ansprüche. Hierzu dienen indirekte Parameter wie Löttemperatur, Einsinktiefe des Lotes und/oder des Kontaktes, Messung des Lötdrahtes nach der Lötung etc., damit über diese indirekten Parameter eine Aussage über die Güte der Lötung gemacht werden kann. Kombinationen Häufig werden auch Kombinationen von verschiedenen Verbindungen realisiert. So kann zum Beispiel ein Kontakt gecrimpt und anschließend verschweißt oder gelötet werden. 18.5.4 Gehäusebestückung Der Fügeprozess für die Gehäusebestückung ist als Kernprozess einer Kabelverarbeitungsanlage zu betrachten. Sofern das Gehäuse anschließend mit Kunststoff umspritzt wird, kommen so genannte Vorfixiergehäuse zur Anwendung. Andernfalls wird der fertige Stecker aus einem oder mehreren Teilen vor dem Bestückungsprozess vormontiert oder direkt am Kabel zusammengesetzt. Zunehmend werden die Stecker mit zusätzlichen Elementen wie Verriegelungen, Dämpfungen, Widerständen oder Platinen
512
18 Kabelkonfektion
bestückt, die eine zusätzliche Herausforderung für den Montageprozess darstellen. Vorfixiergehäuse Vorfixiergehäuse bestehen in den meisten Fällen aus einem Stück. Diese als Schüttgut bereit gestellten Teile werden über einen Vibrations-Wendelförderer auf einer Linearstrecke vereinzelt und dem Fügeprozess zugeführt. Das Vorfixiergehäuse stellt sicher, dass die Kontakte in der korrekten Lage fixiert sind, um sie anschließend einer Spritzgießmaschine zuzuführen. In den meisten Fällen haben diese Vorfixiergehäuse keine Verriegelungen für die Kontakte. Somit ist nicht sichergestellt, dass sie in der korrekten Längslage im Vorfixiergehäuse positioniert sind. Deshalb muss der Fügeprozess in jeder Lage gesteuert werden. Da der Kontakt in den meisten Fällen ganz im Vorfixiergehäuse verschwindet, muss der Fügeprozess mehrstufig erfolgen. Abbildung 18-13 zeigt den Ablauf. Steckergehäuse Crimp
Mantel
Litzen
Vorstufe / Bereitstellung Klemmung / Positionierung der Kontakte
Fügen 1. Stufe Klemmung / Positionierung der Litzen
Fügen 2. Stufe
Abb. 18-13 Fügeprozess Gehäusebestückung
Im ersten Schritt wird das bereits ausgerichtete Vorfixiergehäuse (im Bild Steckergehäuse genannt) über die gecrimpten Kontakte gefahren, wobei letztere mechanisch in einer Linie zum Vorfixiergehäuse positio-
18.5 Die Verarbeitungsschritte
513
niert sind. Sobald sich der Kontakt in der Gehäuseführung befindet, kann der Kontakt losgelassen werden. Anschließend wird der Kontakt mittels einer Klemm- und Schiebevorrichtung an der Litze in die richtige Lage geschoben. Montierte Gehäuse Sofern sich die Gehäuse vor dem Fügeprozess montieren lassen, kommen unter anderem bewährte Automaten wie z. B. Rundschalttische zur Anwendung. Generell ist es das Ziel, möglichst nur ein Teil auf die Kontakte zu fügen und so viele Vormontagen wie möglich vorgelagert durchzuführen. Beim Fügeprozess muss sicher gestellt sein, dass der Kontakt verriegelt oder eingerastet wurde. Die Crimp-Kontakte enthalten dazu spezielle Verriegelungshaken. Diese stellen sicher, dass sämtliche auf Position gebrachten Kontakte nicht mehr aus dem Gehäuse herausgezogen werden können. Dazu ist es notwendig, die Kontakte nach dem Fügeprozess auf das Einrasten hin separat zu kontrollieren. Je nach Steckertyp müssen jedoch nach dem Fügeprozess zusätzliche Teile auf den Stecker oder auf die Kontakte angebracht werden. 18.5.5 Kontrollieren Neben den üblichen elektrischen Durchgangskontrollen werden immer häufiger umfassendere Kontrollen inklusive der Aufzeichnung der Ergebnisse gefordert. Eine Grobaufteilung der Kontrollen kann wie folgt erfolgen. Maskenkontrollen Die Maskenkontrolle beinhaltet eine mechanische Maßüberprüfung in der Art eines Grenzlehrdornes. Mit der Maskenkontrolle kann z. B. überprüft werden, ob ein Gehäusedeckel auch tatsächlich verrastet ist. Als Resultat wird ein I.O. (in Ordnung) oder ein N.I.O. (nicht in Ordnung) gemeldet. Durchgangskontrollen Bei einer Durchgangskontrolle wird mittels eines Stromes gemessen, ob die Kontakte korrekt angebracht wurden und ob die Pinbelegung stimmt. Hierzu muss die Gegenseite kontaktiert werden. Das Resultat kann eine I.O./N.I.O.-Meldung sein oder eine Stromstärke, die mit einem BDESystem (Betriebsdatenerfassungssystem) separat ausgewertet wird.
514
18 Kabelkonfektion
Hochspannungstest Beim Hochspannungstest wird der Kontakt mit einer hohen Spannung (500V/1000V) belegt und es wird kontrolliert, ob die Kontakte oder die Litzen durchschlagen. Visuelle Kontrollen Die Spanne der möglichen Kontrollen mit einem Kamerasystem (kurz: Visionsystem) geht von einer Farbkontrolle der zugeführten Teile bis zur Überprüfung, ob einzelne Litzen vom Crimp abstehen oder ob eingesetzte Ferritkerne Risse aufweisen. Der große Vorteil der Vision-Kontrolle besteht darin, dass die Bildaufnahme sehr schnell erfolgt und das Bild anschließend durch eine Steuerung oder ein separates System ausgewertet werden kann. Somit wird die Taktzeit nicht unnötig verlängert. Da ein Visionsystem sehr wenig Platz beansprucht, kann es auch in einer späteren Phase in eine Anlage integriert werden. Eine besondere Aufmerksamkeit muss beim Einsatz eines Visionsystems der Beleuchtung gelten. Sie muss auf die Lichtverhältnisse an der Anlage (Fremdlichteinflüsse) und die eingesetzte Kamera abgestimmt sein. 18.5.6 Ablegen Aufgrund der teilweise sehr vielen Prozesse an den biegeschlaffen Teilen ist bei einer vollautomatischen Kabelkonfektionslinie mit Ausschussquoten von 0,5% bis 3,0% zu rechnen. Erkennt eine Station einen Fehler, wird das betreffende Kabel bei den folgenden Stationen nur noch weitergetaktet, aber nicht bearbeitet. Es muss am Ende der Anlage separat über eine Ausschussweiche abgelegt werden. Das Ablegen erfolgt mit einer zusätzlichen Kette, einem separaten Riemenantrieb oder mit einer langen Linearachse. Ein Ausschusskabel wird vom Werkzeugträger entnommen und in einen Ausschussbehälter geworfen. Ein Gutkabel wird über die Ausschusskiste gezogen und in einen Behälter oder auf ein Stegband abgelegt. Bei Sicherheitskabeln wie Airbag-, ABS- oder Gurtschlosskabel wird ein Ausschuss-Kabel vor dem Ablegen in einer separaten Station zerschnitten oder zerstört, damit auf keinen Fall ein als Ausschuss erkanntes Kabel in den weiteren Produktionsprozess gelangen kann.
18.7 Zusammenfassung
515
18.6 BDE (Betriebsdatenerfassung) Die Betriebs- und Prozessdaten werden immer häufiger ein Bestandteil der Produkte. Zunehmend werden nicht nur einwandfreie und geprüfte Produkte verlangt, sondern auch Prozessdaten und statistische Auswertungen. Diese Daten werden während der Produktion in einer Datenbank gesammelt und statistisch ausgewertet. Zusätzlich helfen diese Statistiken, die Anlage zu optimieren und die Leistung der Anlage zu erhöhen, weil ersichtlich wird, welche Taktzeiten die einzelnen Stationen erreichen, an welchen Stationen welche Störungen auftreten und wo wie viel Ausschuss produziert wird (vgl. auch Kap. 12).
18.7 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Hauptprozesse einer Kabelkonfektion beschrieben. Ähnlich wie in anderen Bereichen der Montagetechnik können auch die hierfür eingesetzten Anlagen erweitert werden. Seien es Automaten, die mehrere Produkte verarbeiten oder Automaten, die eine Weiterverarbeitung der Produkte ermöglichen. Ein Beispiel ist eine Kabelkonfektionslinie mit automatischer Übergabe der konfektionierten Kabel in eine Spritzgussanlage für die vollautomatische Herstellung von gespritzten Steckern, Knickschützen oder Kabeltüllen. Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass die Anlagen nicht zu komplex werden, weil sonst erfahrungsgemäß der Nutzungsgrad infolge der raschen Fortpflanzung von Einzelstörungen sinkt. Ausführungen hierzu finden sich in Kap. 12.
19 Zusammenfassung
19.1 Ausgangssituation Im Vorwort wurde bereits auf die Veränderungen durch die Globalisierung hingewiesen. Die Auswirkungen auf die industrielle Montage lassen sich im Wesentlichen in vier Aussagen zusammenfassen: − Die Produktlebensdauer verkürzt sich bei gleichzeitig extremem Anstieg der Produktvarianten und der Produktqualität. − Importe aus den so genannten Niedriglohnländern erhöhen den Kostendruck. − Der Planungshorizont der Kundendisposition wird permanent kürzer. − Die Forderung zur Belieferung nach dem Just in Time - Prinzip mit der Tendenz zur Just in Sequenz-Lieferung steigt. Für die industrielle Montage bedeutet dies im Wesentlichen: − Mit kürzer werdender Produktlebensdauer reduzieren sich in gleichem Maße die Nutzungszeiten der erforderlichen Betriebsmittel. Die Abschreibungszeiträume von bisher mehreren Jahren reduzieren sich vielfach bereits auf ein bis zwei Jahre und erhöhen damit das Investitionsrisiko erheblich. − Dem vorhandenen Preisdruck kann nur durch erhöhte Rationalisierung der Montage und des Montageumfeldes begegnet werden. − Die notwendige Reaktionsfähigkeit der Montage erfordert den Einsatz einer hochflexiblen Montagetechnik und von qualifiziertem Personal. Zur Beherrschung der genannten Anforderungen wurden in den 18 Kapiteln dieses Buches umfassende Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Im Folgenden sollen die fünf strategisch wichtigsten Ansätze für wirtschaftliche und schnell realisierbare Lösungen kurz zusammengefasst werden, ohne dass die übrigen Maßnahmen vernachlässigt werden dürfen. Diese sind: – Montagegerechte Produktgestaltung (Kap. 2), – Vermeidung von Verschwendung: die Primär-Sekundär-Analyse (Kap. 3),
518
19 Zusammenfassung
– Verrichtungsweiser Montageablauf und das One-Piece-Flow-Prinzip (Kap. 5), – Bevorratungsfreie Fließmontage (Kap. 6) und die – Hybride Montagesysteme (Kap. 7).
19.2 Montagegerechte Produktgestaltung. Aus den Ausführungen in Kap. 2 geht hervor, dass die Produktentwicklung bis zu 75% der Produktionskosten durch die Produktgestaltung festlegt und es wurden umfassende Richtlinien zur montagegerechten Produktgestaltung vorgestellt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die montagegerechte Produktgestaltung nicht nur ein technisches Problem ist, sondern die Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Montageplanung berührt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Entwicklung detaillierte Fachkenntnisse der Montagetechnik und die Mitarbeiter der Montageplanung detaillierte Fachkenntnisse der Entwicklung besitzen. Diese Lücken können nur durch eine persönliche Zusammenarbeit geschlossen werden. Die beste Voraussetzung hierzu ist die räumliche Zusammenlegung der betroffenen Fachabteilungen. Der direkte Gedankenaustausch ist mit elektronischen Mitteln wie e-mail, Telefon oder Videokonferenzen nicht zu ersetzen. Nach Henry Ford ist das Zusammenkommen der Anfang – das Zusammenarbeiten der Erfolg.
19.3 Vermeidung von Verschwendung Mit der in Kap. 3 beschriebenen Primär-Sekundär-Analyse (PSA) wird der wirtschaftliche Wirkungsgrad als wesentliches Beurteilungskriterium der Vorteilhaftigkeit einer Montagelösung ermittelt und zeigt die Optimierungs- und Rationalisierungsmöglichkeiten vom einzelnen Montagearbeitsplatz bis zu einer Gesamtmontagefabrik auf. Sie ist ein einfacher und leicht nachvollziehbar methodischer Denkansatz, der von jedem Mitarbeiter auf allen Betriebsebenen verstanden werden kann. Es muss jedoch betont werden, dass die Primär-Sekundär-Analyse nicht das Ziel hat, den Leistungsdruck der Montagemitarbeiter zu erhöhen, sondern den Sekundäraufwand zu reduzieren. Der Primäraufwand stellt dabei den Anteil aller Tätigkeiten im Sinne des Kundennutzens dar – seien sie manuell oder automatisch erbracht. Dagegen erzeugt der Sekundäraufwand keinen Kundennutzen und ist demnach Verschwendung. Der wirtschaftliche Wirkungsgrad als Verhält-
19.4 Verrichtungsweiser Montageablauf
519
nis von Primäraufwand zum Gesamtaufwand ist ein Maßstab für die Effizienz und der ausgewiesene Sekundäraufwand zeigt im Einzelnen die Schwachpunkte und damit die Ansätze für Verbesserungsmaßnahmen. Es empfiehlt sich für betriebswirtschaftliche Entscheidungen, die Ergebnisse der Primär-Sekundär-Analyse darüber hinaus in monetäre Werte umzurechnen. Eine Gesamtanalyse – ausgehend vom einzelnen Montagearbeitsplatz bis zum gesamten Montagebereich einschließlich der Materialversorgung, der notwendigen Qualitätssicherung, Planung und Steuerung bis hin zur Leitung zeigt, dass mit der Erweiterung des Untersuchungsbereichs der Primäraufwand abnimmt und der Sekundäraufwand zunimmt und damit insgesamt eine Reduzierung des Wirkungsgrades eintritt.
19.4 Verrichtungsweiser Montageablauf und das Prinzip „One Piece Flow“ Das Prinzip des verrichtungsweisen Montageablaufs ist in Abschn. 5.3 ausführlich beschrieben. Es ist durch die Wiederholung einzelner Montagevorgänge direkt hintereinander für eine Anzahl gleicher Produkte gekennzeichnet. Damit werden gegenüber der stückweisen Montage nachstehende Vorteile realisiert: − Durch die Bewegungswiederholung wird ein hoher Übungseffekt mit entsprechender Zeitreduktion erzielt. − Der Zeitaufwand zur Handhabung von Werkzeugen wirkt sich, abhängig von der Anzahl aufgelegter Produkte, nur noch anteilig stückbezogen aus. Demgegenüber versteht man unter dem One Piece Flow-Prinzip (anschaulich übersetzt mit „Ein Stück fließt“) die bestandsminimale Versorgung von Fertigungseinrichtungen, wobei im Grenzfall die Losgröße für einen Fertigungs- bzw. Montageauftrag auf den Wert 1 sinkt. Dieses Prinzip war lange Zeit nur im Bereich der Großgerätemontage im Einsatz. Durch neue Arbeitsplatzlösungen können nun auch Einzelmontageplätze für komplexe, mittelgroße Produkte (Grundfläche von 150 mm x 300 mm bis ca. 300 x 600 mm) nach diesem Prinzip realisiert werden. Die erzielbare Montagezeitreduzierung ist wegen der damit erzielten kurzen Greifwege zur Teilehandhabung erheblich.
520
19 Zusammenfassung
19.5 Bevorratungsfreie Fließmontage Die Großgerätefließmontage ist durch eine Materialbereitstellung entlang der Montagestrecke gekennzeichnet. Bei dieser Anordnung werden zur Handhabung der Einzelteile vom Bereitstell- zum Fügeort Körperbewegungen des Montagewerkers notwendig, wie z.B. Gehen, Beugen, Aufrichten usw. Damit entsteht ein hoher Sekundäraufwand. Eine beachtliche Reduzierung dieses Sekundäraufwandes wird durch eine so genannte bevorratungsfreie Fließmontage erreicht, wie in Kap. 6.5 beschrieben. Die Materialbereitstellung erfolgt hier synchron zum Montageablauf. Auf die Montage- bzw. Materialwagen werden die erforderlichen Bauteile entweder verbrauchs- oder bedarfsgesteuert kommissioniert. Trotz des notwendigen Kommissionieraufwandes der Bauteile ist die bevorratungsfreie Montage wirtschaftlicher als bei einer konventionellen Lösung.
19.6 Hybride Montagesysteme Hybride Montagesysteme kombinieren auf intelligente Weise manuelle und automatische Montagevorgänge. Die detaillierte Beschreibung enthält Kap. 7. Die Lösung ermöglicht eine beträchtliche Montagekostensenkung und stellt eine rechenbare Alternative gegenüber der automatisierten Montage oder einer Verlagerung in ein Niedriglohnland dar. So sind bei der automatischen Montage auf Grund der hohen Investitionen die anlagebedingten Fixkosten hoch und die variablen Personalkosten vergleichsweise gering. Bei den hybriden Montagesystemen sind durch die weitaus geringeren Investitionen die Fixkosten gering und die variablen Kosten durch verstärkten Personaleinsatz hoch. Die Wirtschaftlichkeit der hybriden Lösung ist dann erreicht, wenn die Montagestückkosten zwischen automatisierter und hybrider Montage keinen nennenswerten Unterschied aufweisen. Aus dem Erreichen gleicher oder nur geringfügig abweichenden wirtschaftlichen Montageergebnisse lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: − Die erreichten Montagestückkosten erzwingen keine automatisierte Lösung. − Der reduzierte Investitionsbedarf senkt das Risiko einer Fehlinvestition. − Zur Erreichung gleicher Stückleistung automatisierter Montage wird der Einsatz mehrerer Hybridsysteme notwendig. Das hat den Vorteil, dass diese Anpassung erst erforderlich wird, wenn die Nachfrage sicher ist.
19.7 Schlussfolgerung
521
− Bei sinkender Nachfrage können einzelne Hybridsysteme (so genannte Zellen) einer neuen Weiterverwendung zugeführt werden. − Der Personalbedarf der automatisierten Montage ist auf die Anlagenbetreuung beschränkt, bei hybriden Montagesystemen kommt zusätzlich produzierendes Personal zum Einsatz. Damit ergibt sich auch unter wirtschaftlichen Bedingungen ein Beschäftigungseffekt. − Hybride Montagesystem reduzieren gegenüber der manuellen Montage die Montagezeiten, abhängig vor der Anzahl integrierter automatischer Prozesse, bis zu 60 bis 70%.
19.7 Schlussfolgerung Der durch die Globalisierung steigende Kostendruck stellt eine der größten Herausforderung an die produzierende Industrie und somit auch an die Montage dar. Nur mit einem komplementären Zusammenwirken aller Unternehmensbereiche, ausgehend von der Produktentwicklung über die Fertigung und Montage bis hin zum Kunden, kann erreicht werden, dass auch in Zukunft in Deutschland noch wirtschaftlich produziert werden kann. Der personalintensiven Montage kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Das vorliegende Buch beschreibt eine große Anzahl von Systemen zur Rationalisierung der Montage und des Montageumfeldes. Diese gilt es nun in unternehmensspezifische Anwendungen umzusetzen und damit zum Erhalt des Montagestandortes Deutschland beizutragen.
Sachverzeichnis
A ABC-Analyse 329 –, montageerweiterte 20, 410 absatzsynchrone Montage 414 ff AEM-Methode (Assemblability Evaluation Method) 21 Aerodynamisches Zuführen 286 Amortisationszeit –, dynamische 428 f –, statische 424 f Anlagenstruktur von Montagesystemen 376 f Anordnung von Montagestationen, Grundformen 221 ff Anordnungsprinzipien verketteter Montagesysteme 377 Arbeitsorganisation, lernförderliche 459 Arbeitsplätze mit Bewegungswiederholung 133 Arbeitsplatzgestaltung, Fließmontage 157 ff Arbeitsplatzgestaltung, Hinweise 129 f Arbeitsvorbereitung 108 Arbeitsystemwert 423 Asynchrone Montagelinien 236 f Aufgabenlernen 444 Auftragserfüllung 97, 108 f Aufwandsvektor 60 Ausbaustufen eines Montagesystems 207, 417 ff Ausfallrate 373
Ausrüstungskomponenten für Montagesysteme 223 ff Austaktung 163 f Auswahlkriterien für Montagesysteme 3 Automatikzellen 204 Automatische Montagezelle 319 Automatisierungseignungsgrad 220 Automatisierungsgrad, wirtschaftlicher 211 ff Automatisierungshemmnisse 12 B Bahnsteuerung 301 Basisteil 102 Baukastenbauweise 29 Baustellenmontage 104 Baustellenmontageplatz 175 Bedarfsermittlungsverfahren 331 Bedarfsplanung 328 ff Bereitstellstrategien 341 Bereitstellung –, bedarfsgesteuert 343 –, verbrauchsgesteuert 342 f Beschaffung 323, 331 ff –, bedarfsfallbezogene 330 –, bedarfsnahe 330 –, bedarfssynchrone 330 Beschaffungsarten 331 Beschaffungslogistik 328 ff Beschaffungsmodelle 332, 334 Bestückgenauigkeit 473
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Sachverzeichnis
bevorratungsfreie Fließmontage 184 ff Bewegungseinheiten 292 f Bewegungswiederholung 133 f Bewertung von Montagesystemen 420 ff –, duale 431 Bewertungskriterien Montageorganisation 113 f Bremselemente 295 Bruttobedarf 328 Bunker 287 Bunkerzuführeinrichtungen 277 C CP-Steuerung (continuous-path) 301 crimpen 509 Crimp-Verbindung 510
E Einflussfaktoren der Montagesystemausbringung 371 Einkomponentenklebstoffe 267 Einlegeeinrichtungen 298 ff Einschienen-Transfersystem 247 Ein-Station-Montageautomat 227 Einzelplatzmontage 103 f, 136 ff –, stückweiser Ablauf 136 –, verrichtungsweiser Ablauf 146 f, 148 Einzelstück-Fließmontage 154 ff Einzeltoleranzen 33 Entscheidungskriterien Verlagerung 434 erweiterte ABC-Analyse nach Lotter 410 erweiterte Primär-SekundärAnalyse, Gesamtmontage 79 f
D Deckumlaufmaschine 234 Design for Assembly 18 DFA-Methode 19 Differenzialbauweise 27, 28 Digital Mock Up 22 Direktantriebe, Merkmale von 492 Doppelgurtförderer 239 f Doppelspur-Förderanlagen 241 Dreheinheiten 293 Drehteller 133, 146 f, 181, 198, 200 Druckfügen 259 duale Bewertung von Montagesystemen 431 Durchsetzfügetechnik 259 f dynamische Teilebereitstellung 198 dynamische Wirtschaftlichkeitsberechnung 428 ff dynamische Amortisationszeit 428 f
F Fahrerloses Transportsystem 190 Falttechnik 39 Feinanalyse Großgeräte 77 –, Robotereinsatz 86 ff Feinplanung 116 f Fenstertechnik (bei Schraubvorgängen) 250 Festtaktroboter 298 Flexibilitätsaspekte der Montage 99 f Fließmontage 177 ff –, Arbeitsplatzgestaltung 157 ff Fließmontage, bevorratungsfrei 184 ff, 191 Fließmontage, getaktet 63 Flip Chip-Bauteile 468 Fluss-Prinzip 97 f FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) 391 Förderbänder 291 f Förderbandkomponenten 292
Sachverzeichnis
Förderung, manuell 158 f –, mechanisch geordnet 161 f Förderung, mechanisch ungeordnet 159 f Fügbarkeit 22 ff Fügeeinheiten 249 f Fügehilfen 274 ff Fügerangfolge 410, 411 Führung einer Montageorganisation 117 f Funktionale Organisation 109 Funktionsanalyse Montagevorgänge 412 G Ganzheitliche Produktionssysteme 112 Gesamtmontage, erweiterte Analyse 79 f Gesamtnutzungsgrad 381 f Geschäftsprozesse 95 ff Geschäftsprozess-Ablauf 109 Gestaltung von Montageeinrichtungen 4 Gestaltungsanforderungen an manuelle Arbeitsplätze 128 Gestaltungsgrundsätze 36 ff Gleitförderung 280 Greifer 270 f –, mikromechanische 464 Greifer, verhakende 270 Greiferaufbau 312 Greiferwechselsysteme 273 Greiferwechselzeit 310 Greiffinger 312 Grenzflächen-Haftgreifer 270 Großgeräte, Feinanalyse 77 ff –, manuelle Montage 173 ff Großgerätemontage, manuelle 73 ff Grundbewegungen nach MTM 65
525
Grundformen hybrider Montagesysteme 194 f Gruppenarbeit 110 f Gruppenarbeitsstation 176 H Haftgreifer 270 Halbautomatisierung 310 Handhabungseinrichtungen, Funktionen 276 Handlungsanleitung 446 Hartlöten 266 Hauptfluss 98 Hilfsaufnahmen 163 f Hochleistungsmontageautomaten 484 f Hüllkurventechnik 250 Hybride Montagelinie 316 f Hybride Montagesysteme 106 f –, Bewertung 207 f –, Formen 194 I Identifikationstechniken 343 f Indexiereinheit 316 Individual-Arbeit 110 Informationsmanagement 122 Insert-Technik 17 Integralbauweise 28 Interner Zinsfuß 430 J Just-In-Sequence-Konzept (JIS) 343 Just-In-Time-Konzept (JIT) 343 K Kabelkonfektion, Verarbeitungsschritte einer 504 ff Kabeltypen 496 ff Kanban-Steuerung 342, 345 Kapazitätsflexibilität 98
526
Sachverzeichnis
Kapitalwertmethode 430 Kenngrößen der Verfügbarkeit 378 ff Kenngrößenmessung 387 f Kennzahlen 117 f Kettentransferanlagen 241 Klebeeinheiten 266 f Kleberauftragstation 268 Kleingeräte, Grundanalyse 82 f Kleingerätemontage, manuelle 61 Kleinteilebereitstellung 189 Klemmgreifer 270 Kommissionierlager 185, 188 Kommissionierung 184 f, 336 f Kompetenzbegriff 443 Komplettbauweise 29 Konfektionierautomat für Kabel 501 Konsignationslager 333 Konstruktionsregeln Baugruppen 41 Konstruktionsregeln Baugruppenbildung 24 Konstruktionsregeln biegeschlaffe Teile 52 Konstruktionsregeln Einzelteile 48 Konstruktionsregeln Montageablauf 37 Konstruktionsregeln Produktgestaltung 38 Konstruktionsregeln Schraubenverbindungen 49 Konstruktionsregeln, demontagefreundliche 53 f kontinuierliche Montagesysteme 487 f kontinuierlicher Längstransferautomat 491 kontinuierlicher Montageablauf 182 ff kontinuierlicher Verbesserungsprozess KVP 110, 119 f
Koordinationsfunktion 97 Kurvensteuerung 228 KVP 110, 119 f L Lagerung 334 ff Lagerungsstufen 335 Längstakt-Montageautomaten 233 f Längstransferautomat, kontinuierlicher 491 Längstransfer-Montageanlagen 205 f Laserstrahlschweißen 263 f Leitfaden Montageplanung 114 ff Lernalbum 449 Lernanreize 453 Lernaufgabe, Struktur einer 459 Lernaufgabensystem 457 lernförderliche Arbeitsorganisation 459 Lernorganisation 455 ff Lernprozesse 443 Lineareinheit 293, 295, 297 Linearschwingrinnen 281 Linienmontage 102 f Löteinheiten 265 f Lötroboter 266 Lucas DFA-Methode 21 M Magazine 287 ff Maschinenstundensatz 426 Maßtoleranzen 32 Materialbedarfsarten 329 Materialbereitstellung 323, 344 f Materialsteuerung 340 ff Materialübergabe, Prozesse der 327 Materialversorgungswagen 175 Materialwagen 188 f mechanische Greifer 270
Sachverzeichnis
Mehrfachgreifer 313 Mehrfachwerkstückträger 164 f Mehrfach-Werkstückträgerpaletten 133 Mehrkomponentenklebstoffe 267 Mengenbruch 327 Metallbänder (als Transportförderer) 244 Mikrohandhabung 469 Mikromechanik 464 Mikromontage, Definition der 463 –, parallele 471 f –, serielle 470 f Mikropräzisionsmontage 467 Mikroproduktionstechnik 466 Mikroroboter 476 Mikrosystemtechnik 464 f Mikrotechniken 464 f Mikrowurf 279 f Milk-Run-Prinzip 346 f MIM-Verfahren (Metal Injection Moulding) 15 Miniaturisierung 463 f Miniaturpräzisionsroboter 476 Montage, absatzsynchrone 414 ff –, auswählende 34 –, Organisationsprinzipien 107 ff –, stückweise 132 –, verrichtungsweise 132 f Montageablauf, kontinuierlich 182 ff Montageablaufanalyse 410 Montageablaufprinzipien 131 ff Montageanlage, automatische 84 f –, halbautomatische 83 Montagearbeitsplätze, manuelle 137 Montagebasisteil 25 f Montageeinrichtungen, Funktionen 226 –, Teilsysteme 226
527
montageerweiterte ABC-Analyse 20, 45 f Montagefreundlichkeit, Bewertung 20 Montagefunktionen 2 Montagegreifer 272 Montageinseln 104 f Montagekosten, Berechnung der 427 Montagemaschinen 225 ff –, Grundeinheiten 226 –, Haupteinheiten 226 –, Hilfseinheiten 226 Montageorganisation, Bewertungskriterien 113 f Montageplanung, Leitfaden 114 ff Montageroboter 300 ff Montagestruktur, Bewertungskriterien 113 f Montagestückkostenkalkulation 425 f, 427 Montagesysteme, Ausrüstungskomponenten 223 ff –, Bewertung von 420 ff –, hybride 106 f –, Strukturformen 101 ff –, teilautomatisiert 106 Montageturm 488 ff Montagewagen 181 f Montagezelle 224, 229 –, automatische 319 Montagezellen für Mikromontage 473 Montagezentrum 224 f MTM (Methods Time Measurement) 64 MTM UAS-System (Universelles Analysier-System) 64 f MTM-Grundbewegungen 65
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Sachverzeichnis
N Nebenfluss 98 Nebenschluss-Anordnung 206 Nestbauweise 30 Nettobedarf 328 Nieteinheiten 256 ff Nietverfahren 256 f Nutzungsgrad, technischer 381 Nutzwertanalytische Bewertung 422 O Oberflächenmontagetechnik 468 One Piece Flow 154, 180 f One Set Flow 167, 199 Ordnungsbruch (in der Materialhandhabung) 327 Ordnungseinrichtungen 283 ff Ordnungshilfen 281 Ordnungszustand 283 Organisationsformen der Montage 220 ff Organisationsprinzipien der Montage 107 ff Orientierungsgrad 284 Outsert-Technik 17 P Paarung von Einzelteilen 35 Palettiersysteme 289 Parallelgreifer 312 f Paretoanalyse von Stillstandsursachen 390 Parkweiche (in einem Montagesystem) 201 Partialbauweise 27 periodischer Bewegungsablauf 177 ff Peripheriepaletten 315 Personalbedarfsbestimmung 413 Personalkostensatz, Berechnung des 427 f
Pflichtenheft 414 Pick & Place Technik 468 Pick-and-Place-Gerät 298 Planungssystematik 407 ff Platzkostenkalkulation 209, 425 f Positionierachse 296 Positioniertische 293 Positionierungsgrad 284 Positionsabweichung 302 PPS (Produktionsplanung und -steuerung) 108 Präzisionsmontage 467 Präzisionsroboter 474 f Presseinheiten 251 Pressnieten 256 f Primärbedarf 328 Primärbereich 66 Primär-Sekundär-Analyse 59 ff –, Roboterzelle 90 f Primär-Sekundär-Feinanalyse 64 ff Primär-Sekundär-Grundanalyse 61ff Primärvorgänge 59 Produktbauweisen 27 ff Produktgestaltung, demontagefreundliche 53 f Produktionsplanung und -steuerung (PPS) 108 Produktionsstufenkonzept 356 programmierbare Umrüstung 315 Prozessorganisation 109 Prozess-Teams 111 f Prüfeinheiten 268 f Prüfgerechte Gestaltung 13 PTP-Steuerung (point-to-point) 301 Pufferkapazität, Bestimmung der 384 f Punktschweißen 262 Punkt-zu-Punkt-Steuerung 301
Sachverzeichnis
Q Qualifikation 443 f Qualifikationsanforderungen, Beispiel 452 ff Qualifikationsmatrix 445 f Qualifikationsplanung 450 f Qualifizierungsmethode 447 f Qualitätssicherung 108 –, integrierte 100 f R Rationalisierungsansätze in der Montage 5 Raupentischmaschine 234 RCC Glieder (remote center compliance) 274 REFA-Planungssystematik 407 ff Reihenschluss-Anordnung 206 Revolvergreifer 273 RFID (Radio Frequency Identification) 343 Ringtisch-Montageautomaten 232 f Roboter, Teilsysteme 301 Roboterbauformen 303 Robotermontageanlagen 310 ff Rollengänge 243 Rollensysteme 239 Rotormontagemaschine 238 Rundläufer-Montageautomat 488 Rundschalttisch-Montageautomat 229 f Rundtaktsystem 196 ff, 208 Rundumlaufmaschine 235 RUS-Klassifizierung (regelmäßig, unregelmäßig, stochastisch) 329 f S Saugergreifer 270 SCARA-Roboter (selective compliance assembly robot arm) 302
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Schachtelbauweise 31 Schachtmagazine 288 Schichtbauweise 30 Schikanen (in Vibrationswendelförderern) 281 Schlusstoleranz 33 Schnappverbindungen 42 Schraubanlage 254 Schraubeinheiten 251 f Schwachstellenanalyse 389 ff Schweißeinheiten 261 ff Schwenkeinheiten 293, 298 Schwierigkeitsgrad Handhabungsoperationen 219 Schwingfördersysteme 279 ff Segmentierung von Artikelspektren 329 Sekundärbedarf 328 Sekundärbereich 66 Sekundärvorgänge 59 Sensoraufgaben 304 Sensoren 303 ff Servicegradkennlinie 336 Simulation von Montagesystemen 397 Sitz-Steharbeitsplatz 129 SMD (Surface Mount Devices) 468 SMT (Surface Mount Technology) 468 Sortieren 283 f Speichern 288 SPS (speicherprogrammierbare Steuerung) 306 f Standardteilemangement 332 Standortbewertung 435 Stapelbunker 278 Stapelmagazine 278 statische Wirtschaftlichkeitsrechnung 424 f Staurollenförderer 242 Steuerung 306 f
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Sachverzeichnis
Steuerungshierarchie 306 Stopper (in Fördersystemen) 246 Störungsspeicher 222 Störzeitverteilung 384 Strukturplanung (einer Montageanlage) 116 Stückkostenkalkulation 425 f stückweise Montage 132 –, Wirtschaftlichkeit 139 ff stückzahlflexible Montage 418 Subfeinwerktechnik 465 f Supportfunktion (in einem Unternehmen) 96 Synchronarbeit, beidhändig 133 Synchronmontage 237 Systembaukasten 205 Systemnutzungsgrad 386 f T Taktzeitausgleich 163 Taktzeitermittlung 413 Taktzeitverluste 164 Tätigkeitsklassen 451 Taumelnieten 258 technische Verfügbarkeit 382 technischer Nutzungsgrad 379, 381 Teile, biegeweich 51 Teilebereitstellung 276 –, dynamische 198 Teilepaternoster 138 Tertiärbedarf 328 TMU Time Measurement Unit 64 Toleranzanalyse 33 Toleranzausgleich 32 ff Toleranzen 32 –, fügeprozessbedingte 33 –, funktionsbedingte 33 Toleranzkette 33 Totalbauweise 28 Trajektorie (Bahnkurve) 301 Transport 339 f
Trommel-Montageautomaten 231 Turmvibratoren 281 U U-Form (einer Montagelinie) 98, 203 Ultraschallschweißen 264 f Umfeldfunktionen 107 Umrüstung einer Montageanlage 315 UVW-Klassifizierung (eines Artikelspektrums) 329 f V variabler Mitarbeitereinsatz 203 Verbesserungsmaßnahmen Verfügbarkeit 401 f Verbundbauteile 17 Verbundbauweise 27, 29 Verbundproduktionssystem 359 f Vereinzeln 290 Verfügbarkeit, technische 382 Verfügbarkeitskenngrößen 378 ff Verfügbarkeitskennlinien 399 f Vergleichsrechnung Verlagerung 437 f Verhakende Greifer 270 Verkettung, lose 222 Verkettungsarten (von Montagestationen) 376 Verkettungsfolge, Formen der 221 Verlagerung Montagebereiche 433 verrichtungsweise Montage 132 f –, Wirtschaftlichkeit 147 f Verschmutzungsgrad von Teilen 374 Vertragslager 333 Vibrationswendelförderer 278 Visual Management 120 f Vorfügeoperation 164 Vorratsbeschaffung 330 Vorzugslage von Werkstücken 51
Sachverzeichnis
W Weichlöten 266 Weitergabesysteme 238 ff Wendelförderer 281 Werkstückaufnahme 163 f Werkstückgrundformen, Merkmale von 46 Werkstückmerkmale, montagerelevante 44 Werkstückträger 26 f, 226, 244 ff, 412 Werkstückträgerbestandteile 245 Werkstückträgerkette 133 Werkstückträgerschnelleinzug 248 Werkstückverhalten 44 Wertschöpfung 59 Wertschöpfungsfunktion 96 Widerstandsschweißen 261 f Wirkungsgrad, monetär 59
531
Wirkungsgrad, zeitlich 59 Wirrteile 48, 354 Wirtschaftlicher Wirkungsgrad 59 Wirtschaftlichkeit der stückweisen Montage 139 ff Wirtschaftlichkeit der verrichtungsweisen Montage 147 f Wirtschaftlichkeitsberechnung, dynamische 428 ff X XYZ-Klassifizierung 329 f Z Zuführsysteme 276 ff Zuführung 323 Zugmittelsysteme 239 Zuteiler 290 f Zuverlässigkeit 372