Marketing und Prozessgestaltung am Baumarkt 3835009281, 9783835009288 [PDF]


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GABLER EDITION WISSENSCHAFT......Page 3
Marketing und Prozessgestaltung am Baumarkt......Page 4
Geleitwort......Page 6
Vorwort......Page 7
Inhaltsverzeichnis......Page 9
1. Einleitung......Page 19
2. Beziehungen am Baumarkt......Page 33
3. Marketing und wertorientierte Unternehmensführung......Page 86
4. Wirkungsweise wertorientierter Unternehmensführung am Baumarkt......Page 125
5. Die Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung zur wertorientierten Unternehmensführung......Page 317
6. Marketing als Ausgangsbasis der wertorientierten Unternehmensführung im BtoB-Bereich des deutschen Baumarktes......Page 352
Literaturverzeichnis......Page 357
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Marketing und Prozessgestaltung am Baumarkt
 3835009281, 9783835009288 [PDF]

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Zitiervorschau

Dieter Köster Marketing und Prozessgestaltung am Baumarkt

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Dieter Köster

Marketing und Prozessgestaltung am Baumarkt Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Armin Töpfer

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität Dresden, 2007 u.d.T.: Köster, Dieter: Marketing als Ausgangsbasis für eine wertorientierte Unternehmensführung im Business-to-Business Bereich am deutschen Baumarkt

1. Auflage November 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Anita Wilke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0928-8

Geleitwort In der letzten Dekade hat die deutsche Bauwirtschaft große Veränderungen erlebt, die von einer Halbierung des Marktvolumens und unzureichenden Erträgen der Bauunternehmen begleitet waren. Hinzu kam ein weiterer kritischer Faktor, nämlich eine ungewöhnlich große Unzufriedenheit der Kunden mit den erhaltenen Bauleistungen. Die Frage ist, ob und inwieweit gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen der fortschrittlichen Betriebswirtschaftslehre auf die Baubetriebslehre übertragbar sind. Hierbei geht es darum, ob die Fragen nach den Ursachen dieser problematischen Entwicklung fundiert beantwortet werden können und vor allem, ob sich wissenschaftlich fundierte Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen ableiten lassen. Genau diese Analyse ist der Ansatz und Anspruch der vorliegenden Dissertation. Der Autor vereint in seiner Person theorie- und insbesondere auch praxisbezogen Wissen und Fähigkeiten der Betriebswirtschaftslehre und der Baubetriebslehre, was für die Behandlung eines derartigen Schnittstellenthemas eine gute Voraussetzung ist, um zu einer umfassenden Sicht und Würdigung zu gelangen. Der Autor basiert dieses Management- und Marketingthema auf einer breiten Perspektive, um so die Probleme bei der Wertentstehung in deutschen Bauunternehmen wissenschaftlich zu untersuchen. Wesentliche Anregungen haben ihm dabei die Ansätze der Neuen InstitutionenÖkonomik und ihre Übertragung auf Baubetriebsprozesse geliefert. Der Fokus liegt auf den Erkenntnissen des fortschrittlichen Investitionsgütermarketings. Aus ihnen hat er schrittweise ein Vorgehens- und Führungsmodell entwickelt, das sich an einem wertorientierten Management und damit an Wertsteigerungen ausrichtet. In einem Benchmarking, das umfangreiche Entwicklungen in anderen Industrien und in verschiedenen Volkswirtschaften berücksichtigt, untersucht er die Möglichkeiten der Übertragbarkeit auf die deutsche Bauwirtschaft. Die vorgestellte Konzeption ist dadurch umfassend und anspruchsvoll. Ich wünsche dem Autor und seiner vorgelegten Dissertation, dass hierdurch eine vertiefte Diskussion in der Bauwirtschaft angeregt wird und dass sie Anlass für weitere, vor allem empirische Forschungsarbeiten ist.

Prof. Dr. Armin Töpfer

V

Vorwort Die Schrumpfung der deutschen Bauwirtschaft seit 1995 und der Verlust ihrer zentralen Rolle in der Volkswirtschaft stellen außerordentliche Entwicklungen dar. So offensichtlich die Gründe hierfür erscheinen, so unerforscht sind deren Ursachen. Wieso wird es allseits akzeptiert, dass die Infrastruktur und die wohnlichen Lebensverhältnisse sich kaum noch zeitgemäß fortentwickeln? Worin liegt es begründet, dass sich die Unternehmen der Bauwirtschaft diesen Veränderungen nicht mit allen Kräften, intensiver Wissensentwicklung und mutigem Willen zur Erneuerung stellen? Wege aus der Krise sind kaum zu erkennen. Verstärken mangelbehaftete Bauleistungen, geringe Effizienzen der Produktion, schlechte Qualität einerseits sowie die Unzufriedenheit der Kunden und ungenügende Führungsinstrumente in den Baubetrieben andererseits den Nachfragerückgang und tragen so dazu bei, dass die Schrumpfung der Bauwirtschaft bedrohliche Auswirkungen für die Unternehmen hat? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen stellte ich fest, dass in der Bauwirtschaft ebenso wie in der sie betreffenden wissenschaftlichen Literatur bisher nur ein geringes Interesse an Themen der Wertentstehung in der baubetrieblichen Leistungserstellung sowie der Erzielung einer nachhaltigen Kundenzufriedenheit zu erkennen ist. Dabei fällt besonders die geringe Durchdringung der baubetriebswirtschaftlichen Literatur mit den Erkenntnissen des Marketings auf. Diese Arbeit soll helfen, die Lücke zu schließen. Sie zeigt, dass sich in einem auf Wertorientierung ausgerichteten Führungsmodell sehr wohl Handlungsoptionen für Bauunternehmen entwickeln lassen, die zu einer langfristigen und nachhaltigen Wertentstehung führen. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. A. Töpfer von der Technischen Universität Dresden. Er hat mich über die Jahre bei den Beobachtungen und Arbeiten an der Schnittstelle von Baubetriebs- und Betriebswirtschaftslehre intensiv begleitet, gefördert und mit kritischem Geist Ursache-Wirkungs-Beziehungen herausgefordert, die die Grundlage für das entwickelte Führungsmodell bilden. Ebenso gilt mein Dank den die Dissertation beurteilenden und den prüfenden Professoren. Daneben möchte ich Frau Ellen Haase besonders danken für die langjährige Unterstützung bei der Aufbereitung der Texte, der technischen Herstellung der Abbildungen und für die Anfertigung der vielen Überarbeitungen, wenn sich Neues entwickelt hatte und eingefügt werden musste. Ebenso bin ich Herrn Gerd Waltermann dankbar, der mir sehr bei der Recherche geholfen und in langen berufsbegleitenden Diskussionen wichtige Impulse vermittelt hat.

VII

Ich widme die Arbeit meiner Frau Elisabeth, die mich immer darin bestärkt hat, die Arbeit – trotz der beruflichen Aufgaben – abzuschließen und mir uneingeschränkten, liebevollen familiären Rückhalt geboten hat, und meinen nun schon erwachsenen Kindern Laura und Nils mit dem Hinweis: Just do it!

Dr. Dieter Köster

VIII

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Einführung in das Thema 1.2 Wissenschaftliche Einordnung und Zielsetzung der Untersuchung 1.3 Gang der Untersuchung 2. Beziehungen am Baumarkt 2.1 2.2

2.3

2.4

Abgrenzung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Baubetriebslehre Bauen im Business-to-Business Bereich 2.2.1 Bauleistung als Produktions- und Investitionsgut oder Dienstleistung 2.2.2 Bauleistung als Leistungsbündel 2.2.3 Die Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern von Bauleistungen in der Analyse der Neuen Institutionen Ökonomik 2.2.4 Das Kaufverhalten im BtoB-Markt 2.2.4.1 Der Einfluss Beratender Ingenieure auf das Kaufverhalten der Nachfrager nach Bauleistungen 2.2.4.2 Der Einfluss der Vergabeverfahren auf das Kaufverhalten Der deutsche Baumarkt im internationalen Vergleich 2.3.1 Statistische Grundlagen über den deutschen Baumarkt 2.3.2 Der Baumarkt in der EU 2.3.3 Der Baumarkt in den USA 2.3.4 Ausblick auf den Baumarkt 2010 Die Hauptprobleme in den deutschen Bauunternehmen im Jahre 2006

3. Marketing und wertorientierte Unternehmensführung 3.1 3.2

Marketing von Bauleistungen Wertorientierte Unternehmensführung 3.2.1 Marktorientierung 3.2.1.1 Kundenorientierung 3.2.1.2 Kundennutzen 3.2.1.3 Erfolgsfaktoren und Werttreiber 3.2.1.4 Bereitschaft zu Wandel und Veränderung 3.2.1.5 Langfristige Ausrichtung des Bauunternehmens im Strategieprozess 3.2.1.6 Der Einfluss des Marketing auf die Wirkungen im Baugeschehen 3.2.2 Ressourcenorientierung

IX XIII XVII 1 1 4 11 15 15 17 18 20 23 36 42 46 51 51 55 58 60 62 69 69 71 74 77 83 86 93 97 104 106

IX

4. Wirkungsweise wertorientierter Unternehmensführung am Baumarkt 4.1 Marktorientierung im Bauunternehmen 4.1.1 Die Analyse der Nachfrage des Kunden und möglicher Angebotsinhalte 4.1.1.1 Die Interaktion mit dem Kunden 4.1.1.2 Kundenzufriedenheit 4.1.1.3 Markt- und Branchenanalyse 4.1.1.4 Marktsegmentierung 4.1.1.5 Leistungsprogramm 4.1.1.6 Beispiele für neue Leistungsbündel am Baumarkt 4.1.1.6.1 Design-Build-Prozess 4.1.1.6.2 Konzessions- / Betreibermodelle 4.1.1.6.3 Facility Management 4.1.2 Elemente zur Gestaltung der Marktorientierung im Baubetrieb 4.1.2.1 Produktmanagement 4.1.2.2 Service 4.1.2.3 Preispolitik 4.1.2.4 Die Analyse der Zusammenarbeit mit dem Kunden 4.1.2.5 Beziehungsmanagement 4.1.2.6 Kommunikation mit dem Kunden 4.1.2.6.1 Corporate Identity 4.1.2.6.2 Werbung /PR 4.1.2.6.3 Marke 4.1.2.7 Vertrieb 4.2 Durch Ressourcenorientierung zur vom Markt gewünschten Bauleistung 4.2.1 Die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter 4.2.1.1 Qualifikation 4.2.1.2 Führung und Zielplanung 4.2.1.3 Motivation 4.2.2 Prozess-Entwicklung 4.2.2.1 Die Prozessgestaltung 4.2.2.2 Die Optimierung von Prozessen / Lean Construction und Work-flow 4.2.3 Die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern / Beschaffung 4.2.3.1 Die Optimierung der Wertschöpfung 4.2.3.2 Supply-Chain-Management (SCM) 4.2.3.3 Logistik 4.2.3.4 Informationsaustausch 4.2.4 Betriebsmittel 4.2.5 Verbesserung der Bauleistung in Qualität, Zeit- und Kostenverbrauch 4.2.5.1 Die Defizite von Qualität, Zeit und Kosten im Baubereich 4.2.5.2 Qualität von Bauleistungen 4.2.5.3 Zeitmanagement 4.2.5.4 Kostengestaltung 4.2.5.5 Die Vernetzung der Wirkungen von Qualität, Zeit und Kosten im Bauleistungsbündel 4.2.5.6 Die Veränderung von Qualität, Zeit und Kosten durch Innovation 4.2.6 Steuernde Prozesse des Ressourceneinsatzes 4.2.6.1 Projektmanagement (PM) 4.2.6.2 Controlling 4.2.6.3 Benchmarking

X

109 109 110 110 113 120 125 129 136 137 140 142 144 145 150 155 161 169 176 179 181 183 188 203 204 206 214 218 222 223 229 241 243 246 247 251 252 253 253 256 266 268 275 281 286 287 293 297

5. Die Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung zur wertorientierten Unternehmensführung 5.1 Steuerung der Wertorientierung mit der Balanced Scorecard (BSC) 5.2 Die Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung 5.2.1 Die Wirkung der einzelnen Elemente der Markt- und Ressourcenorientierung auf die wertorientierte Unternehmensführung 5.2.2 Die Wirkung der wertorientierten Unternehmensführung auf Veränderungen am Baumarkt 5.2.3 Die Zusammenfassung der Elemente der Wertorientierung im System eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements 5.3 Die Entwicklung der wertorientierten Unternehmensführung zu Business Excellence 5.3.1 Die Methodik der European Foundation of Quality Management (EFQM) 5.3.2 Die Methodik Six Sigma 5.4 Dauerhafte Wertorientierung im Bauunternehmen 5.5 Die Wirkung der wertorientierten Unternehmensführung auf die Ansätze der Neuen Institutionen Ökonomik (NIÖ) 6. Marketing als Ausgangsbasis der wertorientierten Unternehmensführung im BtoB-Bereich des deutschen Baumarktes 6.1 Die Prüfung der Forschungshypothesen 6.2 Weiterer Forschungs- und Gestaltungsbedarf

Literaturverzeichnis

301 303 307 308 312 317 324 324 328 332 334

337 337 340

343

XI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 1.3

Die Verbindung theoretischer und gestalterischer technologischer Aussagen Forschungsdesign Untersuchungsdesign

5 9 13

Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9

Einige Begriffsabgrenzungen zwischen Betriebswirtschafts- und Baubetriebslehre Der Weg zum Totalunternehmer Neue Institutionen Ökonomik – NIÖ Kernmodell der Principal-Agent-Beziehung Screening und Signaling als Prozess der Marktinformation Vertrauensbildung zum Kunden Einflussebenen für Transaktionskosten Transaktionskostenanalyse Öffentliche Hand, subjektive Entscheidungskriterien bei der Vergabe von Bauaufträgen Freie Wirtschaft, Entscheidungskriterien (FLZ = Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) Zehn Entscheidungsphasen für Kaufprozesse von Bauleistungen Buying Center vs Selling Center Strukturdaten zur Bauproduktion 2004 in aktuellen Preisen in € Bauproduktion Deutschland (in Preisen von 1991) Mrd. € Bauinvestitionen im Verhältnis zum BIP in konstanten Preisen in Deutschland, Frankreich und Italien Betriebsgrößenstrukturen im deutschen Bauhauptgewerbe 2003 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe nach Betriebsgrößen Strukturdaten des europäischen Baubereiches (inkl. Renovierung, Umbau, Ausbau) 2001 Die Konflikt- und Problembereiche in deutschen Bauunternehmen Ursache-Wirkungsbeziehungen am deutschen Baumarkt

17 21 25 27 29 30 32 33

Marketing-Mix-Pentagon für ein Bauunternehmen Wertorientierte Unternehmensführung Messgrößen der wertorientierten Unternehmensführung Zusammenhang Unternehmenserfolg – Marktorientierung Wie Unternehmen ihre Leistung sehen Wichtigkeit und Zufriedenheit bei Bauherren / Auftraggebern mit wichtigen Leistungsteilen in der Abwicklung von Bauleistungen Hauptdefizite in der Kundenorientierung Kundenanalyse Elemente des Kundennutzen für Käufer von Bauleistungen Mehr-Wert-Leistung des Anbieters und daraus folgender Nutzen für den Kunden Erfolgsfaktoren einer Bauunternehmung Bestimmungsgrößen der Kernkompetenz Werttreiber in einer Bauunternehmung Verbindung von Erfolgsfaktoren und Werttreibern in Bauunternehmen Ursache-Wirkungs-Beziehungen im Bauunternehmen Die gegenseitige Abhängigkeit von Erfolgsfaktoren und Werttreibern Charakteristika sich verändernder Märkte im Baubereich Branchenanalyse: Detailliertes Verständnis der Marktstruktur und -dynamik und ihrer Wettbewerbskräfte Strategien bei Marktschrumpfung im Baubereich

69 73 74 77 79

Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16 Abb. 2.17 Abb. 2.18 Abb. 2.19 Abb. 2.20 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 3.13 Abb. 3.14 Abb. 3.15 Abb. 3.16 Abb. 3.17 Abb. 3.18 Abb. 3.19

37 38 39 42 51 52 53 55 55 56 66 67

80 81 82 84 85 87 89 90 91 92 93 94 97 101

XIII

Abb. 3.20

Die Aufgaben in der strategischen Planung

103

Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4

Kundenzufriedenheit Inhalte unterschiedlicher Grade von Kundenzufriedenheit im Baubereich Marktinformationen im Überblick Zeitverzug – „Time-lag“ – bei einem Bürogebäude (von der Vorplanung bis zum Einzug) Elemente der Branchenstruktur Prozesskette Bauwunsch Kunde und mögliche Wettbewerber eines Generalübernehmers je Prozess Chancen und Risiken der Positionierung im Wettbewerb Zukünftige Kunden-Zielgruppen für Bauunternehmen und ihre veränderten Anforderungen Wirkungen von Leistungsbündeln bei der Gestaltung des Leistungsprogramms Vereinfachte Prozesskette für die Umsetzung eines Bauwunsches im Hochbau Die Ansätze der NIÖ auf Transaktionen zur Umsetzung des Bauwunsches eines Kunden Auswahl ergänzender Dienstleistungen in der Bauwirtschaft Vorteile und Nutzen des Design-Build-Prozesses Unterschiedliche Abläufe in der Bauvergabe des Design-Build-Prozesses oder des deutschen Planung-Vergabe-Bau-Prozesses und divergierende Risikobereiche Arten von Konzessions-/ Betreibermodellen Ein Katalog klassischer Leistung im Lebenszyklus von Immobilien Kundenorientierung durchdringt alle betrieblichen Prozesse Notwendige Schritte zur Realisierung der Kundennähe in der Gestaltung des Leistungsprogrammes Eigenschafts- und nutzenbezogene Leistungsdefinition Aufgaben des Produktmanagements im Bauunternehmen Produkt- / Leistungsbereiche von US-amerikanischen Baufirmen Potentielle Vorteile eines zuverlässigen Service Bauspezifische Besonderheiten und deren preispolitische Konsequenzen Beschwerdemanagement als Schlüssel zur Kundenbindung Beschwerdemanagement Probleme in der Bauprojektabwicklung in Deutschland 2005 Die sozialpsychologischen Inhalte fehlerhafter Projektarbeit Das Partnering-Konzept Aufgaben im Partnering Ziele der Unternehmenskommunikation Kommunikation im Unternehmen Mögliche Wirkung der Corporate Identity von Bauunternehmen Elemente von Werbung und Corporate Design Ziele der Markenpolitik

114 115 121

Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10 Abb. 4.11 Abb. 4.12 Abb. 4.13 Abb. 4.14 Abb. 4.15 Abb. 4.16 Abb. 4.17 Abb. 4.18 Abb. 4.19 Abb. 4.20 Abb. 4.21 Abb. 4.22 Abb. 4.23 Abb. 4.24 Abb. 4.25 Abb. 4.26 Abb. 4.27 Abb. 4.28 Abb. 4.29 Abb. 4.30 Abb. 4.31 Abb. 4.32 Abb. 4.33 Abb. 4.34 Abb. 4.35 Abb. 4.36 Abb. 4.37 Abb. 4.38 Abb. 4.39 Abb. 4.40 Abb. 4.41 Abb. 4.42 Abb. 4.43 Abb. 4.44 Abb. 4.45 XIV

Unausgeschöpfte Marktpotenziale Der Kreislauf des Customer-Relationship-Management (CRM) Ziele des Customer – Relationship – Management (CRM) Vertriebssystem einer Bauunternehmung Mögliche Vertriebsorganisationen für unterschiedliche Segmente im Bauunternehmen Modell eines Sales Cycle im Baubereich Vertriebskonzept für den Baubereich Kunden- und Vertriebsanalysen bilden die Basis für Implementierung eines effizienten Key-Account-Managements Chancen und Risiken von e-Commerce Inhalt und Wirkungen der Ressourcenorientierung Der Wert der Ressource Mensch in einer Bauunternehmung

122 123 124 125 127 133 134 135 136 138 139 141 143 144 146 147 148 149 152 157 166 167 170 171 174 175 177 179 181 182 186 190 191 192 193 193 195 196 200 202 204 205

Abb. 4.46 Abb. 4.47 Abb. 4.48 Abb. 4.49 Abb. 4.50 Abb. 4.51 Abb. 4.52 Abb. 4.53 Abb. 4.54 Abb. 4.55 Abb. 4.56 Abb. 4.57 Abb. 4.58 Abb. 4.59 Abb. 4.60 Abb. 4.61 Abb. 4.62 Abb. 4.63 Abb. 4.64 Abb. 4.65 Abb. 4.66 Abb. 4.67 Abb. 4.68 Abb. 4.69 Abb. 4.70 Abb. 4.71 Abb. 4.72 Abb. 4.73 Abb. 4.74 Abb. 4.75 Abb. 4.76 Abb. 4.77 Abb. 4.78 Abb. 4.79 Abb. 4.80 Abb. 4.81 Abb. 4.82 Abb. 4.83 Abb. 4.84 Abb. 4.85 Abb. 4.86 Abb. 4.87 Abb. 4.88 Abb. 4.89 Abb. 4.90 Abb. 4.91 Abb. 4.92 Abb. 4.93 Abb. 4.94 Abb. 4.95

Ursache-Wirkungs-Diagramm des Wettbewerbsvorteils Mitarbeiterorientierung Personalentwicklungsprozess Zusammenhang zwischen Lernen und Unternehmungswandel Betriebliches Lernen Lernen der Organisation und des einzelnen Mitarbeiters Nutzen einer Corporate University Firmen-Akademie eines Bauunternehmens Elemente der Führung Von strategischen Zielen zu Jahreszielen / Policy Deployment einer Bauunternehmung Prozess der Zielsetzung, Zielerreichung und Leistungsorientierung Unterschiede im Ergebnis von Funktions- zu Prozessorientierung Prozesse in einer Bauunternehmung Grundlagen interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen Die Prozessgestaltung Die Prozesskette zur Leistungserstellung in einer Bauunternehmung Die Optimierung von Geschäftsprozessen Verbesserung von Geschäftsprozessen im Baubereich Ziele des Work-flow-Management Work-flow-Prozess einer Bauunternehmung von der Kundenidentifikation bis zur Gewährleistung/Nutzung Die Prinzipien der Lean Construction Die Integration aller Baubeteiligten und der Hilfsmittel für die Optimierung der Zusammenarbeit Die 5 S im Baubetrieb Die Unterschiede in der üblichen Bauabwicklung zur Lean Construction Veränderte Anforderungen in der Beschaffung seit 1990 Umfeld aktueller Beschaffung Einflüsse auf die Fertigungstiefe Transaktionen in der Beschaffung Anforderungen an die Logistik im Baubetrieb als Teil eines optimierten Herstellprozesses Versorgungswege zu einer Baustelle Entwicklung und Entzerrung von Lieferprozessen auf einer Baustelle Die Beziehung des Generalunternehmers am Bau zu Vorlieferanten Das strategische Dreieck Die Probleme der US-amerikanischen Bauwirtschaft 1983 Die Entwicklung des Qualitätsbegriffes Gliederung der Produktqualität Wichtigkeit der Bewertung von Servicequalität aus Kundensicht Die Erlebniswelt des Kunden im Baubereich, beginnend mit der Werbung z. B. in der Zeitung Wichtigkeit der Einflussfaktoren in der Kaufentscheidung Der PDCA-Cycle nach Shewhart/Deming Grad der Beeinflussbarkeit von Kosten in verschiedenen Phasen des Projektes Kundenanforderungen umgesetzt in betriebliche Prozesse Tätigkeits- zu Zielorientierung Zielkostenfestlegung Planung ausrichten auf Zahlungsbereitschaft des Kunden („design-to-cost“) Die Anwendungsbereiche des Zielkostenmanagements Probleme der Gemeinkosten Ablauf der Prozesskostenrechnung Verursachungsgerechter Ergebnisausweis Beeinflussbarkeit im zeitlichen Verlauf Wofür wenden die Bauleiter wie viel Zeit auf? Unterschiedliche Wirkung der Vernetzung von Gestaltungsmaßnahmen im Baumanagement auf Qualität, Zeit und Kosten

206 208 209 210 210 212 213 215 216 217 223 224 225 226 228 231 232 233 236 237 238 239 240 242 243 244 255 249 249 250 252 253 254 257 258 259 260 260 261 264 266 267 269 269 270 271 272 273 274 275 XV

Abb. 4.96 Abb. 4.97 Abb. 4.98 Abb. 4.99 Abb. 4.100 Abb. 4.101 Abb. 4.102 Abb. 4.103 Abb. 4.104 Abb. 4.105 Abb. 4.106 Abb. 4.107 Abb. 4.108 Abb. 4.109 Abb. 4.110 Abb. 4.111 Abb. 4.112 Abb. 4.113 Abb. 4.114 Abb. 4.115 Abb. 4.116 Abb. 4.117 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. 5.11 Abb. 5.12 Abb. 5.13 Abb. 5.14 Abb. 5.15 Abb. 5.16 Abb. 5.17 Abb. 5.18

XVI

Wirkungskette der Qualität von Planungsprozessen im QFD Ursache-Wirkungsbeziehung im Qualitätsmanagement Auswirkungen der Qualität nach der PIMS-Studie Aufwand je Fehler in Abhängigkeit des Zeitpunktes der Fehlerentdeckung (Studie General Electric) Kostenanfall der Qualitätssicherung im Prozess der Leistungserstellung einer Bauleistung Qualität mindert Kosten und steigert Erlöse Mängel des Innovationsmanagements Innovationsmanagement Ablauf der Produktinnovation Der Lösungsprozess bei KVP Mängel im Ablauf von Bauprojekten Elemente eines Bauprojektes im Projektmanagement Projektmanagement als PDCA-Cycle Ziele des Projektmanagements Inhalt des Projektmanagements eines Bauprojektes Die Wirkung des Projektmanagements im Bauunternehmen Prinzip des Controlling im PDCA-Cycle Prozesscontrolling Anforderungen an Kennzahlen Kennzahlen im Baubetrieb Die Bereiche des Benchmarking Benchmarking in 4 Phasen Ursache-Wirkungsbeziehung zur Wertorientierung Wirkmechanismus für die Veränderung im Bauunternehmen Die Umsetzung strategischer Ziele in Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer Bauunternehmung Balanced Scorecard Die Wirkung der Instrumente zur Entwicklung einer wertorientierten Unternehmensführung Rangordnung der Wirkungen der Instrumente auf die wertorientierte Unternehmensführung Die Wirkung der Instrumente der Markt- und Ressourcenorientierung auf geänderte Anforderungen für Bauunternehmen am deutschen Baumarkt Wirkungsflüsse zur Wertorientierung für Bauunternehmen in Beispielen Die 6 Grundschritte des Total Quality Management 20 Schritte zur Umsetzung von TQM im Bauunternehmen Kriterienraster des EFQM-Excellence-Modells 2001 Vier Phasen zu Business Excellence Der Weg zu Business Excellence Von der Selbstbewertung zu Maßnahmen und KVP Variation im Prozess begrenzen Mittelwert im Prozess zentrieren Zielgrößenbestimmung im Six-Sigma Verfahren DMAIC-Cycle als Grundlage von Six-Sigma

276 277 278 279 279 280 281 283 284 286 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 301 302 303 305 310 311 313 315 319 320 325 326 327 328 329 329 330 331

Abkürzungsverzeichnis

Abb. ABC AktG Aufl. BBL BGB BGH BIP BPR BOT BSC BtoB BWL bzw. ca. CEO CI CRM CSI CTQ DB DBP DBR DCF DIN DL DMAIC DMADV DVGW ECR EDV EFQM EQA et al EN EnEV EU evtl. FAZ FMEA F&E GAP GB GMP

Abbildung Activity-Based-Costing Aktiengesetz Auflage Baubetriebslehre Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Brutto-Inlands-Produkt Business Process Reengineering Build-Operate-Transfer Balanced Score Card Business to Business Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise cirka Chief Executive Officer Corporate Identity Customer Relationship Management Customer Satisfaction Index Critical to Quality Characteristics Deckungsbeitrag Design-Build-Process Deckungsbeitragsrechnung Discounted Cash Flow Deutsche Industrienorm Dienstleistung Define-Measure-Analyse-Improve-Control-Cycle Define-Measure-Analyse-Design-Verify-Cycle Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches Efficient Consumer Response Elektronische Datenverarbeitung European Foundation of Quality Management European Quality Award et alli; (und andere) Europäische Norm Energie-Einsparungs-Verordnung Europäische Union eventuell Frankfurter Allgemeine Zeitung Fehlermöglichkeits- und einflussanalyse Forschung und Entwicklung Lücke Großbritannien Garantierter Maximalpreis

XVII

HGB HOAI Hrsg. i. d. R. inkl. ISO IT KAM Kfm KKV KonTraG KVP LC LV MBQA Mio. MIT MOE Mrd. NBW NIÖ NL NOZ Nr. NU o. g. OLG o. V. p. a. PDCA PIMS PKR PM ppm PPP PPS PR PVBP QFD QM QVP S s SCC SCM SiGE-Plan s. o. sog. SWOT SZ TQM XVIII

Handelsgesetzbuch Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Herausgeber in der Regel inklusive International Standard Organisation Informations-Technologie Key Account Management kaufmännisch Komparativer Konkurrenz Vorteil Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kontinuierlicher Verbesserungsprozess Lean Construction Leistungsverzeichnis Malcolm Baldrigde Quality Award Millionen Massachusett Institute of Technology Mittel-Osteuropäische-Staaten Milliarden Nieuw Burgerlijk Wetboek Neue Institionen Ökonomik Nederland Neue Osnabrücker Zeitung Nummer Nachunternehmer oben genannt Oberlandesgericht ohne Verfasser per annum PDCA-Cycle (Plan-Do-Check-Act) Profit Impact of Market Strategies Prozesskostenrechnung Projektmanagement parts per million Public-Private-Partnership Produktions-Planung-Steuerung Public Relations Planung-Vergabe-Bau-Prozess Quality Function Deployment Qualitätsmanagement Qualitätsverbesserungsprozess Seite siehe Security Conformation for Contractors Supply Chain Management Sicherheits- und Gesundheits-Plan siehe oben sogenannt Strength, Weaknesses, Opportunities, Threats Süddeutsche Zeitung Total Quality Management

UAV UCVP USA USP VdS vgl. VIS VOB/A VOB/B vorh. VW WHG z. B. zit. z. T. V

Uniforme Administrative Voorwarden Unique Customer Value Proposition United States of America Unique Selling Proposition Verband der Sachversicherer vergleiche Vertriebsinformationssystem Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B vorhanden Volkswagen Wasserhaushaltsgesetz zum Beispiel zitiert zum Teil Sigma (griechischer Buchstabe), Wert in der Qualitätssicherung

XIX

1. Einleitung

1.1 Einführung in das Thema Der deutsche Baumarkt befindet sich in einem grundsätzlichen strukturellen Umbruch. Nach rasantem Aufstieg ab 1950 waren drei kleinere konjunkturelle Rezessionen zu überstehen, bis die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und der Aufbau in den fünf neuen Bundesländern den Baumarkt zu einem vorher nie erwarteten Volumen an Bauleistungen geführt hat. Der Höchststand der gesamtdeutschen Bauproduktion lag 1994 bei ca. 300 Mrd. € Bauvolumen und 650.000 fertig gestellten Wohnungen, die im Bereich des Bauhauptgewerbes 1.533.000 Menschen Arbeit und Brot boten (vgl. IZP, 1998, S. 63). Die Vereinigung Deutschlands 1990 hat Veränderungen überdeckt und hinausgeschoben, die zur gleichen Zeit auf dem europäischen Baumarkt stattfanden. In den europäischen Baumärkten außerhalb von Deutschland ging von 1988 bis 1997 die Baunachfrage um bis zu 25% zurück. Der Anteil der Bauleistungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank in den Staaten der EU kontinuierlich; Österreich, Spanien und Portugal ausgenommen (vgl. European Commission 1994). Ab 1995 griff der im europäischen Ausland schon fast abgeschlossene Strukturwandel auf Deutschland über. In einer außergewöhnlichen Dynamik schrumpft der Baumarkt seither in vorher nicht erwartetem Ausmaß, mit zunehmender Tendenz über das Jahr 2006 hinaus. Die Beschäftigtenzahl im Bereich des Bauhauptgewerbes betrug 689.000 Personen (vgl. Bundesanzeiger Nr. 184 vom 28.09.2005), im wichtigsten Markt des Wohnungsbaus wurden noch ca. 260.000 Wohnungen fertig gestellt (vgl. Statistisches Bundesamt, zit. nach SZ vom 22.09.2004). Die gesamte Bauproduktion (in Preisen von 1991) liegt Ende 2005 nur noch bei ca. 50% der Leistung von 1995. Es wurden dann nur noch ca. 230.000 Wohnungen fertig gestellt und nur noch ca. 670.000 deutsche Personen als angestellte oder gewerbliche Mitarbeiter im Bauhauptgewerbe beschäftigt. Der Baumarkt, 1994 noch mit einem Anteil von 15 16% am BIP größter Teil der deutschen Volkswirtschaft, umfasst im Jahre 2006 nur noch ca. 9 - 10% des BIP. Der Anteil des gesamten Baumarktes (inkl. der privaten Renovation) an der Bruttowertschöpfung Deutschlands hat sich gegenüber 1994 bis 2003 von ehemals 7,1% auf unter 4,4% reduziert (vgl. Statistisches Bundesamt, www.d-statis.de v. 12.1.06) Der starke Rückgang der Nachfrage führt bei den Kunden der Bauindustrie zu einem geänderten Verhalten. Sie spüren die Möglichkeiten ihrer Einkaufsmacht. Obwohl die Anforderungen an die Bauunternehmen durch immer kompliziertere Bauvorhaben steigen, die in immer kürzeren Bauzeiten fertig gestellt werden sollen, entscheidet sich der Kunde über den Bauauftrag vornehmlich für jenen Anbieter, der das billigste Angebot vorlegt und nicht für jenen, der der

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qualifizierteste ist. Gleichzeitig werden in umfangreichen Vertragswerken zunehmend Risiken der Bauerstellung vom nachfragenden Baukunden auf die Bauunternehmen übertragen. Gleichwohl muss festgestellt werden, dass die Kunden eine geringe Zufriedenheit über die Art der Erfüllung ihrer Bauwünsche und bei der Durchführung der Bauarbeiten erleben (vgl. Töpfer, Schach, 2000). Zusätzlich muss bei einem Vergleich mit Bauleistungen in europäischen Ausland konstatiert werden, dass Bauwerke in Deutschland nicht optimal geplant, wenig qualitätsvoll erstellt und zu vergleichbar überhöhten Preisen abgeliefert werden (vgl. Blecken, 1995, S. 129 f). Im Wesentlichen stehen die Führungskräfte in den Bauunternehmen dieser Entwicklung gegenüber, ohne an diesen Zuständen bisher wesentliches aktiv zu ändern. Dieses zeigt sich in: x

verspätetem, kontinuierlichem auf den Nachfragerückgang reagierendem Personalabbau von jährlich 5 - 10% der Vorjahresbeschäftigten;

x

hoher Insolvenzquote, auch bei großen börsennotierten Gesellschaften;

x

nachhaltigem Eigenkapitalverlust;

x

jahrelanger Verlustausweise im operativen Geschäft in Deutschland (bei der Mehrheit der Baubetriebe).

In der gesamten Struktur der Bauunternehmen ist eine große Lücke in der Professionalität des Managements zu konstatieren (vgl. del Mestre, 1995, S. 19). In der Führung der Firmen dominieren technisch ausgebildete Personen, zumeist Ingenieure (vgl. Wischhoff, von Windau, 1995, S. 324). Sie sehen ihre wichtigste Aufgabe in der Optimierung der Fabrikationsprozesse, wie sie es in der Baubetriebslehre erfahren haben. Statt sich umfassend auf neue Führungsmethoden, Prozesse und Kundenbeziehungen zu fokussieren, sahen sie noch 2004 als wichtigste Aufgabe für ihre Betriebe die Verbesserung des Projektcontrollings, sich stärker auf die Risiken der Baustellen zu konzentrieren und dem Kunden gegenüber bei Fehlern in der Baubeschreibung ein strengeres Nachtrags-Management für Preisnach-forderungen gegenüber zu stellen (vgl. Seefeldt, Pekrul, 2004, S. 19). Ein Austausch von Ideen der Betriebsführung mit anderen Branchen, die sich dem weltweiten Wettbewerb von Methoden und Instrumenten aussetzen, findet kaum statt. Es gilt im Jahre 2006 für Deutschland, was 1995 für die USA galt: „Both, the construction and design industries are way behind the curve on quality management from what they should be” (B. Predmore, zit. nach Schriener et al., ENR, 5/1995, S. 24). Die Bemühungen vieler Branchen der Volkswirtschaft, im stark zunehmenden Wettbewerb der letzten Dekade im Dreieck von Zeit, Kosten und Qualität weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben, sind offensichtlich in der deutschen Bauwirtschaft wenig beachtet worden. Die Steigerung der Produktivität (gemessen in Leistungspreisen) wurde primär durch den Einsatz billiger Arbeiter aus den MOE-Staaten erreicht, nicht durch Nutzung von technischem Fortschritt. Die Führungskräfte in den Bauunternehmen haben weder die grundsätzliche Veränderung des Baumarktes erkannt, geschweige denn sich auf die neue Situation umfassend eingestellt. Offensichtlich hoffte man auf Besse2

rung im nächsten Wahljahr oder im nächsten Konjunkturaufschwung, entsprechend früherer Erfahrungen. So wurde extrapoliert, dass es bald aufwärts gehen müsse – wofür aber nichts sprach (vgl. Dörner, 2004, S. 46). Obwohl die Bauwirtschaft einen der größten Bereiche der Volkswirtschaft darstellt, ist sie bisher kaum Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Literatur gewesen. Womöglich liegt dieses daran, dass zumindest in der gering vorhandenen bauwirtschaftlichen Literatur die Meinung vertreten wird, dass der Bausektor innerhalb der Volkswirtschaft eine besondere Stellung einnimmt. Die Bauunternehmen behaupten, ein „Bereitstellungsgewerbe“ zu vertreten (vgl. Wischhoff, von Windau, 1995, S. 322), das für die Anforderungen des Kunden und seines Beratenden Ingenieurs zur Verfügung steht, wenn man es braucht. Ein aktives Marktverhalten ist eher die Ausnahme. Die Branche pflegt besondere Kostenrechnungs- und Kalkulationsverfahren und wendet Optimierungsverfahren im Betrieb zumeist nur an, wenn es den Fertigungsbereich betrifft, entsprechend der Anregungen der Baubetriebslehre. Bisher hat die Betriebswirtschaftslehre die Bauwirtschaft eher ignoriert. Es liegen nur wenige Erkenntnisse über Abläufe in Bauunternehmen und der Wirkung betriebswirtschaftlicher Instrumente in ihnen vor. Es ist bisher nicht geklärt worden, welche Einflussfaktoren auf den Baumarkt wirken, ob das Marketing Wirkung auf die Betriebsführung im Baubetrieb haben kann und ob die Betriebswirtschaftslehre Erklärungsmuster und Beurteilungsmaßstäbe bereitstellt, die auch in Baubetrieben mit Erfolg genutzt werden können. Da die Veränderungen des Baumarktes weiter voranschreiten, stellen sich die Fragen: x

Wo bestehen die größten Mängel in der Kundenleistung und der Ausrichtung der Unternehmen auf die Anforderungen des Marktes?

x

Stellen sich die Baubetriebe bisher ausreichend auf Veränderungen ein?

x

Wie wird sich der Baumarkt in 2010 darstellen?

x

Welche Anforderungen bestimmen zukünftig die Arbeit in den Baubetrieben?

x

Wie stellt sich ein Bauunternehmen darauf ein, mit welchen Methoden und Instrumenten kann es seine Geschäfte langfristig profitabel gestalten, trotz der Marktschrumpfung?

x

Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse helfen den Führungskräften im Baubereich, ihre Betriebe auf diese Anforderungen auszurichten und mit ihren Unternehmen im schrumpfenden Markt dennoch Erfolg zu haben?

Die vorliegende Untersuchung will neben anderen auf diese Fragestellungen eine Antwort geben. Dabei erscheint ein nachhaltiger Betriebserfolg nur möglich, wenn die Bedürfnisse des Marktes und die Wünsche des Kunden ebenso erfüllt werden wie in der günstigen Bereitstellung und der optimalen Kombination der Ressourcen des Unternehmens. Ist Marketing deshalb die zentrale Ausgangsbasis für eine Unternehmensführung, die langfristig den Unternehmenswert steigern will? Zeigt diese Führungsaufgabe sich in der Optimierung auf den Markt oder eher in der Gestaltung des Betriebsmitteleinsatzes? Und wie wirken nun diese Zu3

sammenhänge am besonderen Baumarkt im Business-to-Business-Bereich? Bietet die Betriebswirtschaft Erkenntnisse und Verständnis durch die zentralen Aussagen des Marketings, die über die Ansätze der Baubetriebslehre hinausgehen und ergeben sich durch die wertorientierte Unternehmensführung Gestaltungsmöglichkeiten für Bauunternehmen, die Marktkrise zu bestehen? Die bisher noch unzureichend analysierten Einflussfaktoren des Baumarktes auf die Bauunternehmen, die Betrachtung der dazu korrespondierenden Theorien der Betriebswirtschaftslehre und die Prüfung ihrer Eignung als Lösungsansätze für die Führung im Bauunternehmen bilden den Ausgangspunkt der anschließend erläuterten Untersuchungsschwerpunkte. 1.2

Wissenschaftliche Einordnung und Zielsetzung der Untersuchung

Die wissenschaftliche Einordnung der nachfolgenden Untersuchung verlangt die Klärung, welcher wissenschaftlichen Disziplin im wesentlichen diese Arbeit zuzuordnen ist, inwieweit für die Arbeit in der theoretischen Forschung neue Erkenntnisse gewonnen werden und ob nutzbringende Anwendungen gefunden werden können (vgl. Töpfer, 2005, S. 4). Die Inhalte der Untersuchung betreffen mehrere Wissenschaftsdisziplinen. Wesentlich sind die Bereiche der Betriebswirtschaftslehre (BWL) und hier speziell des Marketings sowie die Bereiche der Baubetriebslehre (BBL), die bei der Gestaltung der Ressourcen zur Leistungserstellung im Baubetrieb betroffen sind. Diese „transdisziplinäre“ Zuordnung – wie sie ansatzweise im Lehrgebiet des Wirtschaftsingenieurwesens angetroffen wird – weist auf die Vielfältigkeit der nachfolgenden Betrachtungen hin. Es sind zwei sehr unterschiedlich ausgerichtete Denkansätze und Begriffswelten in einem Lösungsansatz zusammenzuführen. Es werden vor allem die Erkenntnisprozesse der Betriebswirtschaftslehre als Analyseinstrument über die Zustände und häufig behaupteten Besonderheiten des Baumarktes genutzt. Die daraus abgeleiteten Aussagen zur Gestaltung der Unternehmensführung betreffen aber verschiedene Disziplinen wie z. B. die BWL, BBL, die Psychologie, die Arbeits- und die Rechtswissenschaft. Das Hauptprinzip wissenschaftlicher Forschung in der Erfahrungswissenschaft der BWL liegt nicht darin, endgültige Wahrheiten zu erlangen, sondern Fortschritt wird entsprechend der Erkenntnistheorie von K. Popper erlangt, indem gefundene Aussagen durch Erfahrung überprüfbar sein müssen. Durch Prüfungen werden Tatbestände für wahr erachtet oder als Falschaussage gekennzeichnet (vgl. Chmielewicz, 1994, S. 146). In der BWL als Teil der Sozialwissenschaften besteht deshalb der Auftrag zur Aufstellung und Prüfung von Hypothesen, die von generellen Aussagen über vermutete Zusammenhänge zu allgemeingültigen Erkenntnissen führen sollen (vgl. Kromrey, 2002, S. 50). Der Entwicklungsprozess verläuft dabei ebenso kausal-analytisch wie-empirisch. Die aufgestellten Konzeptionen werden einerseits theoretisch hergeleitet und andererseits empirisch überprüft. Da dieses für die Fragestellungen dieser Arbeit nur in wenigen Bereichen des Bauwesens möglich ist, werden auch Erfahrungen aus ähnlich entwickelten anderen Wirtschaftsbereichen mit 4

in die Untersuchung einbezogen. Dabei wird im Einzelnen zu betrachten sein, ob eine Übertragung umfassend erreicht wird oder ob Erkenntnislücken bestehen bleiben. Die wissenschaftliche Forschung verfolgt in der BWL also eine zweipolige Ausrichtung, eine theoretisch-analytische und eine empirisch-erfahrbare Beweisführung zur Suche nach der Wahrheit. Daraus folgt für diese Arbeit eine zweistufige Forschungskonzeption, indem zum einen theoretische Aussagen zu Ursache-Wirkungs-Beziehungen gesucht und geprüft werden und zum anderen „technologische Aussagen“ zum zu erreichenden Ziel bzw. Zweck und den dafür notwendigen Mitteleinsatz getroffen werden (vgl. Chmielewicz, 1994, S. 12). „Technologisch“ meint das zielerreichende Gestalten aus den Erkenntnissen von bewährten oder bewiesenen Ursache-Wirkungsbündeln und der sinnvollen Kombination zu neuen Gestaltungszielen (vgl. Töpfer, 2005, S. 21).

Abb. 1.1 Die Verbindung theoretischer und gestalterischer technologischer Aussagen (eigene Darstellung)

Die in der Wissenschaft erarbeiteten „Wenn-dann“-Beziehungen werden auf die Praxis übertragen, indem einzusetzende Mittel zu gestalten sind, die einen bestimmten Zweck erreichen sollen. Diese zweistufige Forschungskonzeption wird durchgeführt x

in der Darstellung der Ursache-Wirkungszusammenhänge der Analyse der Einflussfaktoren auf den Baumarkt und hier insbesondere durch Nutzung der Ansätze der Neuen Institutionen Ökonomik;

x

in der Betrachtung der Wirkungen des Marketing auf Aktivitäten eines Baubetriebes und seinem Marktverhalten;

x

in der Beschreibung eines Führungskonzeptes zur Umsetzung einer Wertorientierung;

x

in Empfehlungen für die Gestaltung einer Markt- und Ressourcenorientierung nebst der Umsetzungsschritte für konkrete Mitteleinsatz-Zweckerreichungs-Beziehungen.

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Dabei integriert diese Gestaltungsempfehlung Betrachtungsebenen unterschiedlichster Wissenschaftsgebiete, bildet Schnittmengen gleicher Zweckerreichung und wirkt somit transdisziplinär (vgl. Töpfer, 2005, S. 36). Für diese Forschungskonzeption werden Hypothesen formuliert, die in der Folge der Untersuchung dann überprüft werden. Forschungsleitender Grundansatz ist, ob der Baumarkt wesentliche Ähnlichkeiten, Abläufe und Zusammenhänge hat wie die Märkte in anderen Branchen und somit die Erklärungsmuster der BWL auch für ihn gelten. Dabei ist zu prüfen, ob das Marketing der zentrale Stellhebel zur Gestaltung der Inhalte der Unternehmensführung im Bauunternehmen ist. Die BWL hat mit der Wertorientierung ein transdisziplinäres Instrument geschaffen zur Entwicklung von Unternehmen auf einer Ebene besonderer Leistungsentfaltung hin zu Business Excellence (vgl. Töpfer, 2002a). Ist dieses Instrumentarium auch geeignet für die Veränderung der Abläufe und der Arbeit im Bauunternehmen und welche Aufgaben und Gestaltungsinhalte stellen sich für eine wertorientierte Führung? Welche Erkenntnisse können gewonnen werden für eine Umsetzung im Betrieb mit nachfolgender ständiger Verbesserung? Hierzu werden drei Hauptziele angestrebt: x

Die theoretische Analyse von Erkenntnissen aus der BWL und des Marketing soll Aussagen ermöglichen über die wichtigsten Einflussfaktoren, die ein Bauunternehmen gegenüber dem Markt, den Kunden und dem Wettbewerb erfährt. Daraus wiederum sollen Ursache Wirkungsbeziehungen für Zustände am Baumarkt herausgearbeitet werden, aus denen sich Erkenntnisse zur Gestaltung einer Unternehmensführung im Baubetrieb ableiten lassen.

x

Aus den Anforderungen des Marketings und der daraus abgeleiteten marktorientierten Ausrichtung der Unternehmensführung ergeben sich in der theoretischer Betrachtung die wesentlichen Bestimmungsgrößen der Wertorientierung. Aus ihren Inhalten in der Marktorientierung und Ressourcengestaltung sollen für den Baubereich wirkende Methoden und Instrumente abgeleitet werden, die die Ursache-Wirkungsbeziehungen am Baumarkt positiv beeinflussen. Hierfür wird es wichtig sein, die Beziehungen zwischen vom Markt verlangten Erfolgsfaktoren und die im Bauunternehmen bereitgestellten Werttreiber zu klären und daraus Ansätze und Bewertungsmaßstäbe für die Gestaltung der Wertorientierung zu entwickeln.

Für das aus der Theorie entwickelte Gebilde „wertorientierte Führung“ wird letztlich für die Praxis im Baubetrieb eine detaillierte Gestaltung ihrer Inhalte in Methoden, Verfahren und Instrumenten erarbeitet, die spezifisch für den Baubereich geeignet erscheinen und aus denen die „technologischen“ Ansätze von Mittel-ZweckWirkungsbeziehungen der Führungsarbeit im Bauunternehmen sichtbar werden. Ergebnis der Arbeit soll ein in sich geschlossenes Führungskonzept sein mit Prüfung der Möglichkeiten seiner Umsetzung, der Bereitstellung von steuernden Verfahren und einer Mex

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thodik zur fortlaufenden Verbesserung, welches geeignet erscheint, im elften Jahr der Marktschrumpfung Wege aus der Krise zu zeigen. Es wird zur Erreichung dieses Zieles beurteilt werden müssen, ob die theoretischen Erkenntnisse aus der BWL, wie sie im Marketing und in der Neuen Institutionen Ökonomik (NIÖ) bereitstehen, Erfahrungen aus den Abläufen am Baumarkt erklären und daraus UrsacheWirkungsbeziehungen sichtbar werden lassen können, die neue Gestaltungswege für die Unternehmensführung eröffnen. Dazu werden die vielfältigen Geschehnisse am Baumarkt in ihrer Komplexität und auf wenige wichtige Ereignisse reduziert, um aus den Einflüssen aus Transaktionen am Baumarkt, dem Kaufverhalten der Nachfrager und aus möglichen Gestaltungen der Leistungsinhalte Anforderungen an die Unternehmensführung zu definieren. Zusammen mit den Maßstäben der Wertorientierung bilden sie die Beurteilungskriterien, nach denen die später zu erarbeitenden Gestaltungsinhalte bewertet werden. Die in dieser Arbeit beschriebenen Inhalte der wertorientierten Führung werden in Wirkungseinfluss, Umsetzungsmöglichkeit und Optimierungsfähigkeit in der Gestaltungsebene beurteilt. In der Auswirkungsebene ist dann eine Aussage über den Umfang des erreichten Nutzens aus dem dargestellten Instrumentarium zu machen. Es würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, wenn für die Fragestellung dieser Untersuchung alle Bereiche des sehr umfangreichen Baumarktes betrachtet würden. Es werden deshalb eingegrenzte Bereiche analysiert, die letztlich aber für die wesentlichen Teile des Marktes bestimmend sind. Es wird nur jener Teil des deutschen Baumarktes beurteilt, bei dem ein Leistungsaustausch von Unternehmen und Institutionen untereinander stattfindet, auch Business-to-Business (BtoB) Bereich genannt. Hierbei kommt es zum Angebot und zur Nachfrage von Investitionsgütern. Dagegen bleiben spezielle Wirkungen im Baumarkt bei der Renovierung oder dem Neubau von Wohnungen für private Nachfrager unberücksichtigt, weil hier verschiedene Branchen und Märkte außerhalb des originären Baumarktes mitbeachtet werden müssten. Da die Inhalte des Marketings und die Instrumente der wertorientierten Führung in kleinen Bauunternehmen zumeist nur zum Teil gelebt und umgesetzt werden können und sie zumeist weniger im BtoB-Bereich tätig sind, werden in dieser Arbeit deshalb die Wirkungsflüsse in Bauunternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten (Mittel- und Großbetriebe) betrachtet, die den dargelegten Markteinflüssen ausgesetzt sind und die über die Ressourcenpotenziale der wertorientierten Unternehmensführung verfügen können. Die Aussagen zur Gestaltung der Wertorientierung richten sich primär auf jene Unternehmensbereiche, die direkt für Art und Inhalt der Marktleistung verantwortlich sind, nicht also auf unterstützende Bereiche der Unternehmensorganisation. Die getroffenen Feststellungen sind im Grundsatz auf andere Teilmärkte des Bauens übertragbar, soweit zusätzliche spezifische Einflussgrößen berücksichtigt werden.

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Die zweipolige Ausrichtung dieser Untersuchung erfolgte im theoretisch-analytischen Teil durch Sichtung einer umfangreichen Literatur über verschiedene Wissenschaftsdisziplinen hinweg und neuerer Informationen aus Zeitschriften und dem Internet. Die Absicht, im empirischerfahrbaren Teil die Beweisführung auf Befragungen betroffener Bauunternehmen in Deutschland zu stützen, musste aus Mangel an Auskunftsbereitschaft und aus Mangel an Kenntnissen und an konkreten Erfahrungen mit den in dieser Arbeit vorgestellten Methoden und Instrumenten zur Gestaltung der Wertorientierung bei deutschen Bauunternehmen aufgegeben werden. Der sehr geringe Umfang der bauwirtschaftlichen Literatur und die geringeren spezifischen Ergebnisse der umfangreichen Datenbankrecherchen über bauwirtschaftliche Untersuchungen in Deutschland zu den Themen dieser Arbeit brachten nur einen geringen Erkenntnisgewinn. Die hier vorgetragenen Gestaltungselemente werden bisher im deutschen Baubereich wenig genutzt. Soweit dies dennoch in einzelnen Elementen geschieht, betrachten die Nutzer dieses zumeist als strategischen Wettbewerbsvorteil und berichten kaum von ihren Erfahrungen. Aus anderen Wirtschaftszweigen und anderen Ländern bestehen dagegen umfangreiche veröffentlichte Erkenntnisse, die genutzt wurden und deren Übertragung auf den Bausektor im Einzelnen geprüft wurde. Das nachfolgende Forschungsdesign stellt nun die vier Betrachtungsebenen der Arbeit dar.

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Transaktionen am Baumarkt / NIÖ

Einflußebene

Bauleistung als Leistungsbündel

Das Kaufverhalten im BtoB-Baumarkt

Bauen als Erkenntnisgegenstand der BWL

Ressourcenorientierung

Gestaltung der Ressourcenorientierung Beurteilungsraster 1. Defizite am Bau 2. Theoretische Lösungen 3. Mögliche Lösungen am Bau

Mitarbeiter, Prozesse, Beschaffung Verbesserung der Leistung, Qualität, Zeit, Kosten Steuerung des Ressourceneinsatzes, PM, Controlling, Benchmark

Erfolgsfaktoren

Wandel, Veränderung Strategische Ausrichtung

Analyse der Nachfrage

Produktmanagement, Service, Preis, CRM, Vertrieb, Kundenkommunikation

Steuerung der Prozesse durch BSC

Umsetzung der Wertorientierung im System des ganzheitlichen Qualitätsmanagements Optimierung der Wertorientierung zu Business Excellence

Die Optimierung der Prozesse mit Six Sigma

Marketing als Basis wertorientierter Unternehmensführung, Beurteilung der Hypothesen

Auswirkungsebene Marktstellung Kundenzufriedenheit am Bau

Abb. 1.2

Baumärkte EU, USA

Gestaltung der Marktorientierung

Modell der wertorientierten Unternehmensführung und Wirkung am Baumarkt

Die Wirkung entsprechend NIÖ

Abgrenzung von BBL und BWL

Marktorientierung (Kunde, Nutzen)

Werttreiber

Gestaltungsebene

Marketing von Bauleistungen

Wirkungsweise wertorientierter Unternehmensführung

Strategieebene

Hauptprobleme in deutschen Bauunternehmen

Neue Leistungen, Profitabilität am Bau

Qualität, Zeit, Kosten, Innovation am Bau

Mitarbeiterattraktivität am Bau

Weiterer Forschungs- und Gestaltungsbedarf

Forschungsdesign (eigene Darstellung)

In den dargelegten Wirkungsbeziehungen werden die einzelnen Schritte der kausalanalytischen theoretischen Aussagebildung, der Darstellung der daraus abgeleiteten Lösungen und die daraus erkennbaren gestalteten Elemente, Methoden und Instrumente beschrieben sowie empirisch überprüft, ob die vorgestellten Lösungen die aufgestellten Beurteilungskriterien erfüllen und sich Hypothesen bestätigen oder verwerfen lassen (vgl. Kromrey, 2002, S. 87). Aus der Verbindung theoretischer Analyse und gestaltender Aussagen für die betriebliche Praxis entstammen Gestaltungsinhalte, die eine Übereinstimmung von erdachter Wirkung und erwünschtem Ziel bzw. Zweck darstellen sollten. In der Auswirkungsebene wird abschließend der Nutzen der Gestaltung dargelegt.

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Aus dem Forschungsdesign lassen sich die nachfolgend aufgeführten wichtigen Hypothesen dieser Untersuchung ableiten: 1. Hypothese: Wenn die Neue Institutionen Ökonomik (NIÖ) und das Marketing mit Ihren Erklärungsmustern über die Austauschbeziehungen der Marktteilnehmer und der Gestaltung von Leistungsinhalten auch für die Bereiche der Bauwirtschaft gelten, dann bieten die wissenschaftlichen Erkenntnisse der BWL wesentliche Ansätze zur Unternehmensentwicklung im Baubereich und ist das Marketing zentrales Leitbild hierfür. 2. Hypothese: Wenn Wertorientierung bestimmend für eine langfristige Existenz eines Unternehmens und damit Ziel der Unternehmensführung zur Befriedigung aller Anspruchsgruppen ist, dann ist dieses nur durch eine sich gegenseitig bedingende und vom Marketing gesteuerte Orientierung zum Markt mit gleichzeitiger Gestaltung der die Marktleistung erzeugenden Ressourcen zu erreichen. 3. Hypothese: Wenn die wertorientierte Unternehmensführung sich als geeignet erweist zur Entwicklung eines Unternehmens auf ein höheres Leistungsniveau, dann wird sie auch ein weit über die Inhalte der Baubetriebslehre hinausgehendes geeignetes Instrument sein, Bauunternehmen auch im schrumpfenden Markt zu einem nachhaltig guten Ertragsniveau zu verhelfen. 4. Hypothese: Wenn die Ansätze der NIÖ als Beschreibungsmuster für die aktuell wirkenden Abhängigkeiten und Zustände am deutschen BtoB-Baumarkt zutreffen, dann weisen diese drei Ansätze auch Gestaltungsmöglichkeiten zur wesentlichen Verbesserung von Marktleistungen und Marktlage des einzelnen Bauunternehmens. 5. Hypothese: Wenn die Bereiche der Marktorientierung nicht zusammen und gleichgewichtig mit den auf sie wirkenden Instrumenten der Ressourcengestaltung spezifisch für den Baubereich adaptiert und genutzt werden, wird die Wertorientierung im Bauunternehmen nur eingeschränkt wirken. 6. Hypothese: Wenn in anderen Industrien Instrumente zur Markt- und Ressourcenorientierung entwickelt wurden und sich als wertentstehend erwiesen haben, dann sind diese Instrumente auch geeignet zur nachhaltigen Wertentstehung im Bauunternehmen. 7. Hypothese: Wenn sich infolge der jahrelang schrumpfenden Nachfrage und mangelnden Leistung der anbietenden Bauunternehmen starke Defizite in der Wertentstehung zeigen, dann ist zur Änderung dieses Missstandes nur eine grundsätzlich neue, langfristig ausgerichtete Veränderung der Unternehmensführung geeignet.

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8. Hypothese: Wenn die Elemente der Wertorientierung in einer systemisch wirkenden Gesamtheit gestaltet werden, dann ist eine Unternehmensentwicklung zu einem besonders hohen Leistungsniveau möglich. Die aufgestellten Hypothesen sind miteinander vernetzt. Ihre Postulate bauen aufeinander auf. Somit können über die gesamte Forschungsarbeit durchgängige Ursache-Wirkungsbeziehungen betrachtet werden. Der ganzheitliche Erkenntnisprozess wird sichtbar und macht eine Beurteilung der Hypothesen möglich. 1.3

Gang der Untersuchung

Nach der Einführung in das Thema, der Beschreibung des Zieles der Arbeit und der Darlegung des Forschungsdesigns mit seinen zu entwickelnden Hypothesen, werden im Kapitel 2 die Beziehungen am Baumarkt eingehend analysiert. Dazu sind zuerst die Begriffswelten der Baubetriebslehre und der Betriebswirtschaftslehre gegeneinander abzugrenzen, um Missverständnisse zu vermeiden. Mit der Analyse der Bestandteile des Inhaltes einer Bauleistung wird die Basis geschaffen, um bei der Betrachtung der theoretisch erklärbaren Teile des Leistungsaustausches zwischen nachfragenden Kunden und anbietenden Bauunternehmen die zwischen ihnen bestehenden Ursache- und Wirkungsbeziehungen eingehend zu beschreiben. Mit den wesentlichen Ansätzen der Theorie der Neuen Institutionen Ökonomik bieten sich wichtige Erklärungsmuster für das Baugeschehen, woher die bisherigen Schwierigkeiten unter den sich austauschenden Partnern herrühren, wie sie aufgelöst werden können und welche Möglichkeiten sich für Leistungsgestaltungen bieten. Die das Kaufverhalten am BtoB-Markt wesentlich bestimmenden Rahmenbedingungen runden die theoretische Analyse ab. Ein kurzer statistischer Überblick über den deutschen Baumarkt und seine internationale Einordnung geben Hinweise auf bisherige Marktentwicklungen und zeigen die bisherige Situation, ihre Mängel und die Möglichkeiten von zukünftigen Veränderungen. Abgeschlossen wird diese Zustandsbeschreibung durch eine Darlegung der Zusammenhänge in den wichtigsten Problembereichen zwischen den Marktteilnehmern am gegenwärtigen deutschen Baumarkt. In Kapitel 3 werden die grundlegenden Einflüsse der Inhalte des Marketings auf die Ausrichtung des Unternehmens am Markt im BtoB-Bereich des deutschen Bauwesens beschrieben. Diese daraus abgeleiteten Anforderungen einer Marktorientierung bilden die Basis für die Entwicklung einer wertorientierten Unternehmensführung. Aus der Orientierung auf den Kunden und der daraus abgeleiteten Bestimmung des Nutzens, den das Leistungsprogramm für den Kunden bieten muss, entwickeln sich die spezifischen Anforderungen der Nachfrage in einzelnen Marktsegmenten. Aus ihnen werden – nach eingehender Analyse von Ursache und Wirkung – die die Marktleistung sicherstellenden Inhalte entwickelt. Dabei werden die zeitlichen und personellen Randbedingungen der Ausrichtung auf die Marktorientierung kurz erläutert, wodurch die Inhalte der im Unternehmen zu entwickelnden Ressourcen festlegt werden.

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Die in der Theorie erläuterten Beziehungen innerhalb der einzelnen Aspekte der Leistungsgestaltung und zwischen den Austauschpartnern am Baumarkt bieten nun die Grundlage, um umfassend in Kapitel 4 die Methoden, Verfahren und Instrumente der Marktorientierung und Ressourcengestaltung zu beschreiben. Dabei wird jedes einzelne auf seine Eignung in der Entwicklung am Baumarkt untersucht. Der Ablauf der Prüfung der Instrumente auf ihre Wirkung in der Wertentstehung im Baubereich erfolgt in einem dreistufigen Raster der Beurteilung. Nach Analyse gegenwärtiger Mangelsituationen am Baumarkt werden theoretisch Gestaltungselemente entwickelt und hierfür in anderen Industrien schon genutzte Lösungsbeispiele aus der Literatur vorgestellt. Anschließend wird untersucht, ob sich wiederum daraus Gestaltungsempfehlungen für den Baubereich ableiten lassen, um letztlich die aufgestellten Hypothesen zu prüfen.

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M arktorientierung K unde, W andel , S trategie

1

E inführung in das T hem a G ang der U ntersuchung

2

B eziehungen am B aum arkt B auleistung, N IÖ, V ergabeverfahren, S tatistik zum B aum arkt D, U S A, E U

3

G rundlagen M arketing W ertorientierte U nternehm ungsführung

E rfolgsfaktoren und W erttreiber

R essourcenorientierung

G estaltung der w ertorientierten U nternehm ensführung

4

B eurteilungsraster

M arktorientierung

R essourcenorientierung

K unde, M arkt, S egm ent Leistungsbündel M arketing P entagon

M itarbeiter P rozesse, B eschaffung Innovation Z eit, K osten, Q ualität C ontrolling, P M

5

D ie V erbindung von M arkt- und R essourcenorientierung zur w ertorientierten F ührung D ie W irkung der W ertorientierung auf die P roblem e am B aum arkt

D ie S teuerung der P rozesse durch die B S C

D ie Z usam m enfassung im ganzheitlichen Q ualitätsm anagem ent

6

D ie O ptim ierung m it S ix S igm a

M arketing als A usgangsbasis der w ertorientierten F ührung

P rüfung der H ypothesen

Abb. 1.3

D ie O ptim ierung zu B usiness E xcellence

W eiterer F orschungsund G estaltungsbedarf

Untersuchungsdesign

In Kapitel 5 werden die einzelnen Bereiche der Markt- und Ressourcenorientierung erstmals zu einem System eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements verbunden. Die vorgestellten Methoden und Instrumente der Markt- und Ressourcenorientierung werden auf ihre Wirksamkeit überprüft und der Grad ihres Beitrages zu einer Wertentstehung dargestellt. Diese erscheint nur möglich durch ein die wichtigsten Bereiche steuerndes Hilfsmittel, wie es die Balanced Score Card darstellt. Ergänzt wird die Darstellung der Wirksamkeit durch einen Ursache zu Wirkung und Mittel zu Zweck gegenüberstellenden gewichteten Score, der die Intensität einzelner Elemente auf die Messgrößen der Wertorientierung ermittelt. Anschließend

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wird geprüft, inwieweit die Instrumente der Wertorientierung auf aktuelle Anforderungen aus den Problemen der Bauunternehmen wirken. Die gegenseitige Beeinflussung der vorgestellten Elemente bedingt zur umfassenden Wirkung eine systemische Zusammenfassung wie im ganzheitlichen Qualitätsmanagement. Es wird dargelegt, ob dieses nachhaltig auch auf den Baubereich wirken kann. Darauf aufbauend werden Wege und Möglichkeiten untersucht, ein einmal erreichtes Leistungsniveau auch in einem Baubetrieb auf eine höhere Stufe hin zu Business Excellence zu entwickeln. Die Arbeit schließt mit einer Prüfung der eingangs aufgestellten Forschungshypothesen. Letztlich wird kurz auf mögliche weitere Forschungs- und Gestaltungsuntersuchungen hingewiesen, um die Lage der im Baumarkt tätigen Unternehmen durch Einsatz geeigneter Instrumente und Methoden zu bessern und sie auf die zukünftigen Marktveränderungen wirksamer ausrichten zu können.

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2. Beziehungen am Baumarkt Zu Beginn der Untersuchung werden die Sachgebiete der Betrachtung dieser Arbeit näher definiert, weil in der Betriebswirtschaftslehre und der Baubetriebslehre unterschiedliche Begriffe zu ähnlichen Sachverhalten verwendet werden. Um die Ursache-Wirkungs-beziehungen in den Handlungen der Marktteilnehmer am Baumarkt näher betrachten und Wirkungen hierauf beurteilen zu können, erscheint es notwendig, das Wesen einer Bauleistung, die Beziehungen zwischen Bauanbietern und -nachfragern und ihr Verhalten zum Vertragsabschluss kurz zu analysieren und den Zustand der wichtigen Baumärkte in den USA und der EU zu beleuchten. 2.1

Abgrenzung zwischen Betriebswirtschaftslehre und Baubetriebslehre

Das Thema dieser Arbeit spricht Bereiche aus zwei Wissenschaftsgebieten an. Die Betriebswirtschaftslehre (BWL), aus den Sozialwissenschaften abgeleitet, hat als Gegenstand ihrer Betrachtungen „alle Entscheidungen über den Einsatz von Mitteln“, mit denen in Betrieben Güter und Dienstleistungen optimal realisiert werden (Wöhe, Döring, 2005, S. 3). Wesentliche Erkenntnisobjekte sind neben den Menschen oder Haushalten die Unternehmen als Sozialkonstrukte bzw. als Institutionen der bestmöglichen Bedarfsdeckung. In der BWL wird bearbeitet in welcher Art und Weise was, wie, für wen und mit welchen Ressourcen produziert werden soll und wie sich der Austausch zwischen Angebot und Nachfrage vollzieht. Dazu werden die Bestimmungsfaktoren der Betriebsführung (vgl. Schierenbeck, 2003, S. 25) umfassend betrachtet, wie z. B.: x

Die Kombination der Produktionsfaktoren, ihre Gestaltung und Optimierung;

x

Die Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung;

x

Das finanzielle Gleichgewicht;

x

Die Selbstbestimmung, Eigentum und Organgestaltung;

x

Die Analyse der Austauschbeziehungen und Erfüllung der Marktwünsche.

Die Baubetriebslehre (BBL), als Teilgebiet des Bauingenieurwesens, beschäftigt sich in zweierlei Hinsicht mit einem anderen eingeschränkten Erkenntnisgebiet. Einerseits betrachtet sie den Baubetrieb nur als „Ort oder Einheit zum Betreiben des Bauens“ (Brüssel, 2002, S. 59) und andererseits ist es Aufgabe der BBL, „technisch-wirtschaftliche Zusammenhänge des Geschehens in einer Bauunternehmung und die Möglichkeit ihrer Optimierung aufzuzeigen“ (Brüssel, 2002, S. 58). Schwerpunkt der Betrachtung der BBL ist die Gestaltung organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Prozesse, die zum Bauen nötig sind. Wesentlich ist dabei die Betrachtung der Produktivität von Menschen und Maschinen und die optimale Organisation der Herstellung auf der Baustelle (vgl. Mantscheff, Helbig, 2004, S. 7). Die Begriffswelt der BBL entlehnt sich deshalb sehr stark der Bautechnik und des Baurechts. Die Betrachtungsgebiete der BWL gehen weit über diese ingenieurmäßige, technikorientierte und baurechtliche Betrachtung hinaus. Sachgebiete des Marketing, der strategischen Planung,

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der Personalführung, der Finanzierung, der Organisation von Forschung und Entwicklung werden in der BBL nur vereinzelt und am Rande behandelt (vgl. Brüssel, 2002; Mantscheff, Helbig, 2004), während sie äußerst wichtige Sachgebiete der BWL sind. So wird z. B. Marketing in der BBL ausschließlich als Instrument der Absatzförderung betrachtet (vgl. Brüssel, 2002, S. 242). Darüber hinaus bietet die BWL ein ganzheitliches Instrumentarium der Unternehmensführung. Die BBL sieht dieses gar nicht als Untersuchungsbereich an. Andererseits gehen Teilbereiche der BBL weiter über den Rahmen der BWL hinaus, wie Produktionsorganisation, Betriebsmitteleinsatz und Geräte- und Zeitplanung auf Baustellen. Letztere sind nicht Gegenstände der Betrachtungen dieser Arbeit. Die Bereiche der BWL sind grundsätzlich branchenunabhängig und gliedern sich eher in die Bereiche der Haushalte, der Konsum- und der Investitionsgüter. Die Erkenntnisprozesse decken alle Wirtschaftsbereiche ab, versuchen Erfahrungen aus unterschiedlichen Branchen und Gütergebieten gegenseitig zu nutzen und betrachten somit die Einflüsse auf die Führung und Gestaltung von Unternehmen umfassend. Insbesondere werden die Anforderungen der Kunden und die Beziehungen im Austausch zwischen Kunden und Anbieter im Marketing der BWL betrachtet. Die BBL dagegen beschäftigt sich primär mit den Geschehnissen im Baubetrieb und mit dem Teilprozess der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Hersteller der Bauleistung und dem Nutzer bzw. Käufer der Bauleistung. Um Missverständnisse durch unterschiedliche Begriffswelten zu vermeiden, wird zur Bearbeitung des Themas dieser Arbeit deshalb entlang des umfassenderen Instrumentariums der BWL und ihrer Analysenmethoden vorgegangen und werden die Begriffswelten der BWL primär genutzt. Letzteres hat den weiteren Vorteil, für die Probleme des Baubereiches eine weitergehende Betrachtung auf die vielfältigen auch internationalen Lösungsansätze der BWL zu ermöglichen. Es ist gerade Aufgabe dieser Arbeit, vorhandene Lösungen der BWL darauf zu prüfen, ob sie Nutzen für die Unternehmensführung im Bauunternehmen bieten. Zur klaren Einordnung der Begriffe der BWL und der BBL seien einige wichtige in Abbildung 2.1 gegenübergestellt. Begriff in der Betriebswirtschaftslehre Kunde Nutzer, Abnehmer, Käufer einer von einem Bauunternehmen herge- stellten Bauleistung (Sach oder Dienstleistung).

Lieferant

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liefert eine Leistung an den Kunden. Leistung kann eine Bauleistung, ein Baustoff oder eine Dienstleistung usw. sein. Ein Bauunternehmen kann also Lieferant und Kunde zugleich sein.

Begriff in der Baubetriebslehre Auftraggeber Vertragspartner im Werksvertragsrecht, der bei einem Bauunternehmen eine Bauleistung in Auftrag gibt. Bauherr Berechtigte Person zur Veranlassung einer Bauleistung nach deutscher Bauordnung. Auftragnehmer Vertragspartner im Werksvertragsrecht, der verspricht, eine beauftragte Leistung nach Vertrag zu erstellen. NachunterVertragspartner einer Bauunternehmer nehmung, der Teile der Endleistung herstellt.

Ablauf nach Organisation und Zeit von der Anbahnung über den Vertragsabschluss bis zur Übereignung einer Bauleistung. Bestellung Aktivität zum Abschluss eines Kaufes, eines Werkvertrages usw. Absatzhelfer Personen oder Institutionen, die den Nutzer, Käufer, Besteller einer Bauleistung beraten und insoweit Vertragsbeziehungen bzw. Absatz / Austauschprozesse vermitteln und unterstützen. Buying Center Personenkreis beim bestellenden, eine Bauleistung kaufenden Unter-nehmen, der gemeinsam in unterschiedlicher Wichtigkeit über die Bestellung entscheidet. Vertriebsprozess Ablauf aller Aktivitäten, von der ersten Information über die Bestellung bis zum Nachverkauf bei der bestellten Bauleistung. Beschaffung Prozess aller Aktivitäten zur Analyse benötigter Vorleistungen und Stoffe, des Einkaufs und der Vertragsabschlüsse mit Lieferanten. Kauf / Kaufprozess

Abb. 2.1

Vergabe

Verfahren nach unterschiedlichen Rechtsnormen zur Beurteilung eines Angebotes und Abschluss eines Werkvertrages über eine Bauleistung.

Berater

Personen oder Institutionen, die bauinteressierte Laien bei der Umsetzung ihres Bauwunsches fachlich unterstützen (z. B. Architekten, Beratende Ingenieure).

mitwirkende an der Vergabeentscheidung beteiPersonen ligte Personen.

Akquisition Ablauf der Aktivitäten von der Ermittlung eines möglichen Bauinteressenten über die Angebotserstellung bis zum Vertragsschluss. Einkauf Vertragsanbahnung und -abschluss mit Baustoff- und Hilfsstofflieferanten und Nachunternehmern.

Einige Begriffsabgrenzungen zwischen Betriebswirtschafts- und Baubetriebslehre (eigene Darstellung)

Nachfolgend werden die grundlegenden Begriffe der BWL benutzt. Die Kenntnis ihrer Inhalte wird vorausgesetzt. Soweit eine Übertragung in den Baubereich ungewöhnlich erscheint, wird später eine besondere Erläuterung gegeben. Somit ist gewährleistet, dass die Erkenntnisse der BWL Eingang finden können in die Bearbeitung von Problemen des Baubetriebs. So erscheint es z. B. für die Thematik dieser Arbeit nicht wichtig, dass eine Bauleistung im deutschen Werkvertragsrecht kein Kauf als solcher ist. Viel wichtiger ist es, die Erkenntnis der BWL zum Kaufprozess zu analysieren und zu untersuchen, ob hieraus Verhaltensempfehlungen für eine bessere Gestaltung der Beziehungen des Bauunternehmens zu seinen Kunden im Wettbewerbsumfeld abgeleitet werden können. 2.2

Bauen im Business-to-Business Bereich

Unter BtoB-Bereich verstehen wir aus der Sicht der anbietenden Bauunternehmen jene Absatzmärkte, auf denen private, kapitalmarktorientierte oder staatliche Unternehmen bzw. öffentliche Körperschaften als Nachfrager auftreten. Besondere Kennzeichen des Bauens für diese Kundengruppen sind (vgl. Kleinaltenkamp, 2000, S. 173; Meffert, 2000, S. 1203f; Fließ, 2000, S. 254f; Backhaus, 2003, S. 3f): x

Die erbrachte Bauleistung ist eine Investition und wird produktiv genutzt, z. B. um Güter für Dritte herzustellen.

x

Die Nachfrage ergibt sich zumeist, weil eine Nachfrage nach Leistungen besteht, zu deren Herstellung die erbrachte Bauleistung eine Voraussetzung ist (die sog. abgeleitete Nachfrage).

x

Der Kaufentscheidungsprozess wird in der Regel von einer Vielzahl von beteiligten 17

Personen beeinflusst. Es können dabei zusätzliche Personen oder Organisationen

x

(z. B. Beratende Ingenieure) eingeschaltet sein (Multipersonalität und Multiorganisationalität). Die nachgefragte Bauleistung setzt sich aus einer komplexen Problemlösung von Sach- und Dienstleistungen zusammen (spezifische komplexe Angebotsinhalte).

Aus diesen Besonderheiten der Absatzmärkte im BtoB-Bereich erwachsen für die wertorientierte Unternehmensführung eine Vielzahl von Ansatzpunkten für spezielle Leistungsangebote und spezifische Einflüsse für den Marktauftritt. 2.2.1 Bauleistung als Produktions- und Investitionsgut oder Dienstleistung Produktionsgüter sind üblicherweise Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe oder Zulieferteile und werden in der Bauleistung zum Bauwerk gestaltet. Die Austauschbeziehungen zum Markt können bei ihnen sehr unterschiedlich sein. Je nach Finanzbedarf und Zugang zu den Herstellprozessen (Steinbruch, Zementfabrik, Kieswerk), regionalen Abhängigkeiten (Transportbeton, Asphalt, Mischgut) oder globalen Einkaufsmöglichkeiten (Stahl, Fliesen) bestehen völlig verschiedene Beschaffungsabhängigkeiten. Ob die Zulieferteile im Wettbewerb, im Oligopol oder im Monopol beschafft werden können bzw. müssen hat wesentlichen Einfluss auf die Preiswürdigkeit des Angebotes der einzelnen Bauunternehmung, damit Einfluss auf die Gestaltung des Bauwerkes und letztlich Einfluss auf die Marktchancen des einzelnen Anbieters (vgl. Kleinaltenkamp, 2000, S. 174f). Eine komplette Bauleistung kann darüber hinaus selbst ein Produktionsgut sein, wenn es z. B. wesentlicher Teil eines Gesamtherstellprozesses für eine komplexe Industrieanlage ist. Für die Betrachtung innerhalb der BWL erscheint es darüber hinaus sinnvoll, Bauwerke als Investitionsgüter – im Gegensatz zu Konsumgütern – einzugliedern. Dieses sind Gebrauchsgüter, die von Unternehmen, dem Staat oder anderen Organisationen als Basis der eigenen Tätigkeit beschafft werden (vgl. Plinke, 1991, S. 172). Diese Investitionsgüter werden auf spezielle Bedürfnisse und individuelle Nutzungen der einzelnen Kunden gefertigt. Deshalb sind auch die Beziehungen der sich austauschenden Marktpartner zumeist sehr individuelle, wobei im Vertragsabschluss für die Bauleistung und der späteren Baudurchführung die gegenseitigen Interaktionen sehr verrechtlicht und formalisiert sein können, insbesondere wenn eine Partei ein öffentlicher Nachfrager ist. Im Gegensatz zum Kaufentscheid über ein Konsumgut, bei dem der Leistungsnutzen häufig eher nebensächlich ist, stellen beim Investitionsgut der dem Kunden gebotenen Nutzenvorteil und die Unterscheidung der einzelnen Anbieter in ihrer individuellen Leistungsfähigkeit wesentliche Kaufgründe dar. Darüber hinaus wird eine Bauleistung als Investitionsgut zumeist nur angeschafft, wenn sie nötig ist, also wenn der Kunde mit seiner eigenen Absatzleistung am Markt Erfolg hat, seine Produktion umbauen, erneuern oder erweitern möchte und deshalb Bauleistungen nachfragt.

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Dieser abgeleitete Bedarf veranlasst die meisten Anbieter von Bauleistungen, sich reaktiv auf das Baugeschehen einzustellen. Sie warten darauf, dass der Nachfrager einen Bauwunsch äußert. Bezeichnend für dieses Verhalten ist das Verständnis der Baubranche als „Bereitstellungsgewerbe“ (vgl. Marhold, 1996, S. 316). In ihm steht das Bauunternehmen bereit zur Angebotsabgabe, wenn der Kunde Nachfrage hat und um ein Angebot bittet. Bereitstellungsgewerbe meint auch, dass eine Bauleistung sich üblicherweise einer Vorratsproduktion entzieht. Letztlich ist diese Betrachtungsweise für eine wertorientierte Unternehmensführung viel zu produktionsorientiert. In einer aktiven Marktorientierung können frühzeitig Kundenbedürfnisse und darauf abgestimmte spezifische Leistungsangebote ermittelt werden und aktiv darauf zielende nutzenstiftende Leistungsversprechen angeboten werden, lange bevor ein Kunde um ein Angebot bitten würde. Die Bedarfsdeckung im Wohnungsbau und in der Hausrenovation von privaten Nachfragern folgt in vielen Bereichen anderen Gesetzmäßigkeiten und unterscheidet sich wesentlich vom BtoB-Bereich. Sie wird deshalb hier nicht näher betrachtet. Dienstleistungen sind „Verrichtungen (Interaktionen) eines Anbieters am externen Faktor (beim Kunden), um daraus selbständig oder sachleistungsgebunden von dem Kunden gewünschte Ergebnisse zu erzielen“ (Pepels, 1999b, S. 714). Beratung, Planung, Logistik, Projektmanagement, Finanzierung und Betreibung / Unterhaltung sind heute typische Baudienstleistungen. Sie weisen Spezifitäten auf, die im Marktauftritt zum Kunden besonders beachtet werden müssen: x

Die Dienstleistung wird „immateriell“ erstellt, ohne Bindung an den Bauort.

x

Die Herstellung der Dienstleistung erfolgt integrativ zwischen Kunde und Bauunternehmen.

x

Beim Leistungsversprechen zum Vertragsabschluss existiert die erstandene Dienstleistung noch nicht, der Kunde kann höchstens auf ähnliche oder grundsätzliche Erfahrungen mit Beispielen der Vergangenheit hingewiesen werden.

x

Der Aufwand für die Herstellung ist schwer einzuschätzen und oft unbestimmt. Zur Erfüllung der diskontinuierlichen Nachfrage müssen Leistungsressourcen (personell, sachlich) vorgehalten werden. Dies bedingt eine hohe Fixkostenbelastung und damit eventuell eine mangelnde Flexibilität in der Einstellung auf die Nachfrage.

x

Dienstleistungen werden zumeist von sehr qualifiziertem Personal und individuell hergestellt. Die Leistungsqualität schwankt deshalb stärker als bei wiederholbar hergestellten Industrieprodukten.

Obwohl eine Dienstleistung in unendlicher Vielfalt angeboten werden kann, wird die Bauunternehmung als Lieferant zur Minderung o. g. Risiken versuchen, das Leistungsversprechen in individuelle und standardisierbare Bestandteile aufzuteilen. Die Standardleistung kann aus gleichbleibenden Modulen bekannter Leistungselemente, gleichen Prozessen, wiederkehrenden Arbeitsbedingungen (Zeit, Raum, Arbeitsmittel) oder auch aus gleich bleibenden Ange-

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boten von Teilen von Kundenerwartungen bestehen, die immer wieder ähnlich auftreten (vgl. Pepels, 1999b, S. 721). Da bei der Dienstleistung der Kaufentscheid des Kunden vor der Erstellung erfolgt, erfährt dieser eine hohe Unsicherheit, worauf er sich einlässt und ob er die gewünschte Leistung in der erwarteten Interaktion und Qualität auch erhält. Die Probleme in der Transaktion zwischen den Marktteilnehmern erhalten deshalb eine wesentliche Bedeutung (s. Kapitel 2.2.3). 2.2.2 Bauleistung als Leistungsbündel Bestanden bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts Bauleistungen als Investitionsgüter zumeist aus technisch anspruchsvollen Produktleistungen, die höchstens von Dienstleistungen in eng umfassten Sachgebieten wie Planung und Wartung ergänzt wurden, so ist diese strikte Trennung bzw. Eingrenzung in den letzten zwanzig Jahren im Wesentlichen aufgehoben worden. Heute werden Dienstleistungen als Bestandteil eines Leistungsangebotes immer wichtiger; sie gewinnen einen engen Bezug zur Sachleistung, werden ein Teil von ihr und sichern womöglich erst ihre Einsatzfähigkeit. Damit hat die Dienstleistung eine nutzennotwendige Funktion gewonnen (vgl. Engelhardt, Paul, 1998, S. 1324). Bei einem heutigen Autokauf entfallen z. B. aus den die Lebensdauer des Autos begleitenden Transaktionen zwischen Kunde und Händler 31% auf die Autoproduktion, 35% auf Finanzierung und Versicherung und 33% auf die Verwertung des Gebrauchtwagens (vgl. managermagazin 7/2000, S. 59). Aus der Betrachtung einer dreißigjährigen Nutzung einer Immobilie inklusive Wartung, Energieverbrauch und Reparatur machen die Planungs- und Herstellkosten weniger als die Hälfte des gesamten Kostenanfalls aus. Das Zusammenwachsen von vorher fragmentierten Nachfragemärkten (Planung, Bau, Finanzierung, Wartung / Betreibung) und die immer komplexere Abhängigkeit der Sachgüter von nutzungsnotwendigen Dienstleistungen hat nun zur Entwicklung völlig neuer Problemlösungen für den Kunden geführt. Die Integration des Bauens als Sachleistung mit den verschiedenen darum gruppierten Dienstleistungen zu einem komplexen Leistungsbündel kann zu völlig neuen Sichtweisen führen (vgl. Engelhardt, Kleinaltenkamp et al., 1993, S. 416). Die Übergänge von der reinen Sachleistung über die Addition diverser Dienstleistungen hin zum Leistungsbündel sind fließend und vielfältig. Vom Rohbau bis zum BOT-Modell (Build OperateTransfer), bei dem der Anbieter das Objekt plant, baut, betreibt und später dem Besteller übergibt oder an Dritte weiterverwertet, sind viele Angebotsvarianten denkbar (vgl. Girmscheid, Schulte, 1997).

20

Abb. 2.2 Der Weg zum Totalunternehmer (eigene Darstellung)

Der Endnutzer bzw. der Kunde des Totalunternehmers hat letztlich gar keinen Bezug mehr zu einzelnen Sachleistungen (vgl. Schach, Sperling, 2001, S. 28). Aus der Erstellung eines Bauwerkes als Sachleistung ist letztlich die Bereitstellung eines Investitionsgutes geworden. Dessen Nutzer interessieren womöglich primär nur noch die vermietbaren Flächen einer reinen Dienstleistung (vgl. Engelhardt, Paul, 1998, S. 1330), während die reine Produktionsleistung des Bauwerks sekundär ist. Bauleistungen sind heute im BtoB-Bereich zumeist Leistungsbündel mit mehr oder weniger integrativer Verflechtung von Sach- und Dienstleistungen (vgl. Robel, 1983, S. 754; Marhold, 1992, S. 154; Wenig, 1995, S. 43; Herkner, 1993, S. 138). Ursache dieser Verflechtung ist zumeist die Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess. Er bestellt nämlich zumeist nicht ein definiertes fertiges Produkt, sondern wirkt z. B. bei der Planung, bei der Bereitstellung des Grundstückes, bei der Bemusterung, bei der Festlegung des Baubudgets, bei der Bereitstellung vorhandener Bausubstanz oder bei der Herbeiführung von Genehmigungen an der Bauleistung mit. Diese Integration ist vergleichbar mit den Verhaltensweisen im Systemgeschäft des Maschinenbaus, bei dem Kunde und Lieferant gemeinsamen etwas entwickeln, um anschließend komplexe Leistungskomponenten herstellen zu können (vgl. Backhaus, 1993, S. 104). In dieser Integration verbinden sich die Wertschöpfungsprozesse von Anbieter und Nachfrager in „Schnittmengen“ (Kleinaltenkamp, 2000, S. 193) und das gewünschte individuelle Leistungsbündel entsteht so „step by step“. Am Baumarkt sind vielfältige rechtliche Rahmenbedingungen speziell entwickelt worden, in der die Formen der integrativen Leistungserstellung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten vorgegeben sind (vgl. Weng, 1995, S. 44). Zur optimalen Marktorientierung ist es für den Bauanbieter nun wichtig, die möglichen Ausprägungen von Leistungsbündeln und den Umfang der Integration des Kunden in den eigenen Herstellungsprozess und den dahinter stehenden Schnittstellen genau zu analysieren. Einige Beispiele aus dem Bauwesen zeigen die Möglichkeiten des Leistungsaustausches: 21

x

Der Kunde kann Bauart und Bauwerkseigenschaften, Baustoffe und ihre Qualität vorgeben. Er kann während der Bauphase diese Vorgaben ändern. Er kann aber eventuell auch nur im Bauvertrag das grobe Nutzungsziel beschreiben. Aus dem Detaillierungsgrad und der Eingriffsmöglichkeit ergeben sich unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit.

x

Das Bauwerk ist in der Vertriebsphase nicht existent. Nicht nur die Planung sondern auch die Produktion des Bauwerkes wird integrativ mit dem Kunden auf seinem Grundstück und unter Beachtung von ihm festgelegter Vorgaben durchgeführt.

x

Je nach Umfang des Leistungsbündels der Bauleistung bestehen andere Wertschöpfungsabläufe, Interaktionen zum Kunden und andere Zeitpunkte, zu denen man mit dem Baunachfrager in einen Vertriebskontakt kommt.

x

Der Vergleich einer Einzelleistung am Bau zu einem integrativen Leistungsbündel, z. B. eines Totalunternehmers, führt zu unterschiedlichen Wettbewerbssituationen der anbietenden Unternehmen zum Kunden hin. Dies kann auch zu völlig anderen Chancen im Vertrieb führen (vgl. Engelhardt, Reckenfelder et al., 1999, S. 194).

x

Die Verbindung verschiedener Wertschöpfungsbereiche von einzelnen Baugewerken in dem Leistungsbündel eines Totalübernehmers wird zumeist zu einer viel abgestimmteren und optimalen Problemlösung beim Kunden führen als die Addition von vielen baulichen Einzelleistungen. Das umfassende Leistungsbündel kann für den Kunden, der ursprünglich sich mit schwierigen Baufragen auseinandersetzen wollte, zu neuen Lösungsmöglichkeiten führen – wie z. B. statt Bau eines Lagers Miete nach genutzten Palettenplätzen „on demand“ in einem Lagergebäude, soweit der Bauanbieter diese komplette Leistung aus einer Hand bieten kann (vgl. Belz et al., 1997, S. 17).

Die Fähigkeit zur Integration zwischen Nachfragern und Anbietern wird bestimmt von Umfang und Komplexität der Bauaufgabe und von der Intensität, Tiefe, Zeitpunkt, und Dauer der Zusammenarbeit sowie der Anzahl der beteiligten Personen. Sie zeigt wesentlich die Chancen und Risiken des Anbieters (vgl. Engelhardt, Paul, 1998, S. 1333), indem sie einerseits die Handlungsmöglichkeiten des Anbieters durch erweiterte Leistungsbündel zeigt, bei denen andererseits aber auch ehemals vorhandene Marktsegmente einfacher Teilleistungen ganz verschwinden können, weil der Kunde z. B. Bauleistungen nur noch an General- oder Totalunternehmer vergibt (vgl. Backhaus, Weiber, 1987, S. 80). So können aus ehemaligen Wertschöpfungspartnern in einer Zulieferkette Wettbewerber werden, wenn Handwerksbetriebe für einzelne Bauleistungen kooperieren und als Generalunternehmer gegenüber einem Bauunternehmen konkurrieren.

22

Somit wird verständlich, dass die Erbringung einer Bauleistung und ihr Leistungsumfang nicht zufällig das sein sollte, was infolge einer vom Bauunternehmen abgeforderten Ausschreibung verlangt wird. Vielmehr sollte die Bauleistung Ergebnis einer wohlüberlegten, einer Marktanalyse und Strategie folgenden Entscheidung zu einer Leistungsbereitschaft sein, die mehrere Kriterien erfüllen muss: x

Dem Kunden Nutzen bieten und ihn zufrieden stellen;

x

Dem Bauunternehmen nachhaltig Markterfolg sichern;

x

Profitabilität und Attraktivität bieten.

Die Vielfalt eines Bauleistungsbündels kann die Erfüllung von unterschiedlichsten Kriterien ermöglichen. Dazu bedarf es der Gestaltung der Inhalte, ausgerichtet auf die Kundenanforderungen, die Spezifikation der Austauschbeziehungen der Marktteilnehmer, auf die Lage im Wettbewerb und die Leistungsbereitschaft des anbietenden Bauunternehmens. Diese Gestaltung des Leistungsbündels ist damit eine der wesentlichen Aufgaben der Unternehmensleitung im Marktauftritt. 2.2.3 Die Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern von Bauleistungen in der Analyse der Neuen Institutionen Ökonomik Eine wertorientierte Unternehmensführung einer Bauunternehmung im BtoB-Bereich des Baumarktes muss neben der sorgfältigen Analyse des Inhaltes und des Umfanges der angebotenen Bauleistung gleichberechtigt die Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern von Bauleistungen betrachten. Hierzu bietet die Baubetriebslehre keinerlei Analyse oder Erklärungsmuster. Die Art dieser Austauschbeziehungen bestimmt aber ganz wesentlich den Markterfolg eines Bauunternehmens. Die BWL hat deshalb im Marketing und die VWL in der „Neuen Institutionen Ökonomik“ (NIÖ) sehr gut nutzbare Analysemöglichkeiten bereitgestellt, die nachfolgend und im besonderen Hinblick auf das Geschehen am Baumarkt erläutert werden. Üblicherweise werden einfache ökonomische Zusammenhänge in der Gleichgewichtstheorie erläutert. In ihrem Modellansatz treffen Anbieter und Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen auf dem Markt zusammen, wobei in freier Verhandlung der Preis dafür sorgt, dass alle Ressourcen eine effiziente Verwendung finden (vgl. Erlei u. a., 1999, S. 44 ff.). Dieses abstrakte Modell ist heute nicht mehr geeignet, moderne Märkte zu erklären. Hauptmarktteilnehmer im Investitionsgüterbereich sind heute nicht Individuen, sondern komplexe Unternehmen (Institutionen) geworden. Es gibt vielfältige Ungleichgewichte bei den Marktteilnehmern, Bindungen in Verträgen werden sehr unterschiedlich empfunden und Leistungen werden differenziert beurteilt infolge unterschiedlicher Informationen. Die Abläufe in einer arbeitsteiligen Wirtschaft müssen deshalb differenzierter gesehen werden. Im Wesentlichen von R. Coase (Nobelpreis 1991) und von O. E. Williamsen (vgl. Williamsen, 1990) entwickelt und von A. Picot (vgl. Picot, Dietl, 1990) in Deutschland vermittelt, be23

schreibt die NIÖ das ökonomische Verhalten von Individuen und Institutionen bei ihren Austauschbeziehungen untereinander und innerhalb institutioneller Regelungen zur Durchführung wirtschaftlicher Transaktionen. Dabei geht man natürlich davon aus, dass eine Arbeitsteilung oder auch Teilung / Tausch von Verfügungsrechten den Wohlstand steigert, die Interaktion zwischen den kooperierenden Partnern eine Maximierung des Gesamtnutzens zum Ziel hat und der Austausch auf vertraglicher Basis erfolgt (vgl. Heilfort, 2003, S. 83). Aber wie gelangen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt zusammen? Es gibt das Problem der Bereitstellung von Leistungen ohne Nachfrage, der Informationsbeschaffung bei nur beschränkt zugänglicher Quellen und der fairen Vertragsgestaltung unterschiedlicher Marktteilnehmer mit ihren Mess- und Spezifizitätsproblemen und unterschiedlicher Marktmacht. Die NIÖ beschäftigt sich nun mit diesen Regelungs-, Koordinations- und Motivationsproblemen interaktiven Wirtschaftens zwischen Unternehmen. Sie will Wege aufzeigen, welche Arten von Austauschbeziehungen die größte Effizienz haben und stellt Regelsysteme dar, die die Unsicherheit zwischen den Vertragsparteien mindert (vgl. Göbel, 2002, S. 51; Blum, 2004, S. 571). Grundlage der Betrachtung der NIÖ sind die folgenden drei Aspekte des Handelns zwischen Institutionen (vgl. Mann, 1998, S. 120): x

Beim Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Rechten werden Informationen übertragen, die für die Vertragsparteien unterschiedliche Wertigkeiten haben;

x

Die vielfältig notwendigen Transaktionen während des Austausches verursachen Kosten und bestimmen die Effizienz der Handlungen;

x

Die Wirtschaftlichkeit des Leistungsaustausches wird intensiv von den sie steuernden Regelsystemen oder auch Rahmenbedingungen beeinflusst, die jedoch durch ihre Beachtung selbst zu einem Kostenverzehr führen.

Diese Zusammenhänge führen zu den drei wesentlichen Teilbereichen der NIÖ (vgl. Coase, 1937, S. 392; Richter, Furubotn, 2003, S. 53f). 1. Neben den physischen Eigenschaften einer Leistung wird ihr Wert wesentlich von den mit ihr verbundenen Verfügungsrechten bestimmt, die sich aus dem Recht auf Nutzung, Veränderung und Veräußerung und den sie bestimmenden Regelwerken zusammensetzen. Je mehr Verfügungsrechte eine Institution hat, je größer ist ihr Handlungsspielraum (Property-Rights-Ansatz). 2. Bei wirtschaftlicher Tätigkeit sind mindestens zwei Vertragspartner beteiligt, die jeweils eigene Interessen verfolgen. Wesentlich für die Lösung der daraus entstehenden Probleme ist die geschickte Gestaltung der Verträge und die Lösung der Informationsasymmetrie zwischen den Parteien (Suchen, Messen). (Principal-Agent-Ansatz). 3. Die Benutzung des Marktes bei der Transaktion zwischen zwei Vertragspartnern verursacht vielfältige Kosten, die sich aus deren Interaktionsproblemen ergeben. Es gilt, diese Kosten so günstig wie möglich zu gestalten (Transaktionskosten-Ansatz). 24

Abb. 2.3 Neue Institutionen Ökonomik – NIÖ (eigene Darstellung)

Property-Rights-Ansatz in der Neuen Institutionen Ökonomik Das Eigentum an einer Sache, einer Leistung oder auch an immateriellen Gütern wird betrachtet als Bündel von Einzelrechten zum Gebrauch, zur Nutzung der Erträge aus dem Gebrauch, der Veränderung, der Übertragung und aus der Verweigerung der Nutzung. Verfügungsrechte sind nun jede Art von Berechtigungen über Ressourcen (materielle oder immaterielle) zu verfügen, die aus gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen herrühren (Göbel, 2002, S. 67). Der Grad der Nutzung einer Ressource hängt davon ab, welche Nutzungsrechte man hat und welche Kosten aus der Bestimmung, Durchsetzung und Übertragung der Rechte entstehen. Die Verteilung der Verfügungsrechte (umfassend oder nur eingeschränkt) beeinflusst nun das Verhalten der Austauschparteien ebenso wie die Durchsetzung von erworbenen Verfügungsrechten. Regelungen über vertraglich frei vereinbarte und gesetzliche Rahmenbedingungen sind immer sinnvoll, wenn verschiedene Parteien miteinander handeln und letztlich Verfügungsrechte austauschen. Sobald jemand von einer Leistung mehr besitzt als er selber benötigt, ist es sinnvoll, anderen Teile davon Rechte abzugeben und daraus erhöhten Nutzen zu ziehen (der Fall jedes Produzenten). Bei der Teilung dieser Rechte stoßen allerdings laufend unterschiedliche Interessen aufeinander.

25

Betrachtet man nun den Austausch von einem Bauleistungsbündel, so findet die Übertragung von Eigentum an Sachen (Baumaterial usw.) und von Verfügungsrechten (an den Arbeitskräften) zur Erbringung einer Bauleistung statt. Der Kunde erwirbt das Recht an einer Bauleistung, die Bauunternehmung das Recht an der vereinbarten Vergütung. Die grundsätzlichen Probleme zeigen sich darin, dass das leistende Bauunternehmen seine Verfügungsrechte optimieren will, indem es eine möglichst hohe Vergütung erzielt und gleichzeitig wenig Aufwand hat. Der Kunde dagegen möchte eine möglichst hochwertige Leistung, zumal er bei Abschluss des Bauvertrages den Erfolg der Rechteübertragung noch gar nicht bewerten kann und dafür möglichst wenig bezahlen. Hieraus erwachsen vielfältige Disparitäten, wie z. B.: x

Der Kunde von Bauleistungen kann nur schwer messen, welche versprochene Leistung tatsächlich später erbracht wird, da ihm das nötige Wissen fehlt;

x

Die Werthaltigkeit eines Verfügungsrechtes ist sehr schwierig für den Kunden zu beurteilen, weil er häufig die wichtigen Details der Leistungsbeschreibung, -vereinbarung und -bewertung nicht beurteilen kann (Vorliegen des Mess-Problems);

x

Bei Abhängigkeit der Bauanbieter von wenigen Kunden z. B. in schrumpfenden Märkten, die bereit sind, ihre Verfügungsrechte (z. B. Geld) in solche für Bauleistungen zu tauschen, kann Druck auf niedrige Preise, überhöhte Leistungen und vielfältig überhöhte Rechte-Übertragungen ausgeübt werden (wie durch einseitige Vertragsbedingungen);

x

Schwierigkeiten bei Messproblemen können behoben werden, indem der Käufer sich der Dienste eines Beratenden Ingenieurs als dem Anbieter gleichwertigen Fachmann bedient. Aber auch diesem wiederum gegenüber ergeben sich Probleme im Austausch von Verfügungsrechten aus dem Dienstvertrag.

Beim Austausch von Bauleistungen werden auf vielfältige Weise Verfügungsrechte ausgetauscht. Die Übertragung erfolgt zumeist auf der Basis öffentlich-rechtlicher Normen wie des BGB, der VOB, der DIN-Normen, der HOAI, dem öffentlichen Vergaberecht, Bestimmungen der EU oder Regelungen aus höchstrichterlicher Rechtssprechung. Jede Struktur von Verfügungsrechten beeinflusst selbst, in den von ihr induzierten Kosten (Anwälte, Gerichte, Gutachter, Messverfahren, Einschränkungen, Nutzung von Erfüllungsgehilfen / Beratende Ingenieure) und in den daraus wirkenden Information-sungleichgewichten den Austausch der Vertragsparteien und das daraus entstehende Maß an Zufriedenheit zwischen ihnen. Principal-Agent-Ansatz in der Neuen Institutionen Ökonomik In der arbeitsteiligen Wirtschaft und beim Austausch von Verfügungsrechten sind mindestens zwei Vertragsparteien vorhanden, deren Interessenlage unterschiedlich sind und die sich in ihren Handlungen gegenseitig beeinflussen. Dies gilt besonders beim Vertrag über die Erstellung von Bauleistungen, weil Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinander fallen und über die Differenz zwischen gewünschter und gelieferter Leistung schnell Meinungsverschieden26

heiten entstehen können. Ein „Principal“ ist hierbei üblicherweise der Auftragge ber / Kunde, der „Agent“ der Auftragnehmer / Lieferant (vgl. Richter, Furubotn, 2003, S. 173). Grundlegendes Problem ist, dass der Principal vor oder beim Vertragsabschluss die Eigenschaften des Agenten oder seiner Leistung beurteilen möchte, um sie mit seinen Erwartungen abgleichen zu können. Zumeist besteht aber zwischen den Vertragsparteien eine Informationsasymmetrie. Die Eigenschaften der Parteien (characteristics) bleiben z. T. verborgen (hidden) oder unerkannt und es besteht somit die Gefahr der Auswahl eines schlechten Vertragspartners (adverse selection). Später kann dann das Problem der Unfähigkeit des Principals hinzutreten, aus seiner Unkenntnis über Bauleistungen die Arbeit des Agenten nicht umfassend beurteilen zu können („hidden action“). Die verborgenen „hidden information, hidden characteristics und hidden action“ bilden zusammen den „moral hazard“, also das Risiko im Ablauf der Vertragsbeziehung.

Abb. 2.4

Kernmodell der Principal-Agent-Beziehung (Quelle: Mann, 1998, S. 140)

Aus diesem theoretischen Ansatz ergeben sich wertvolle Ansätze zur Gestaltung von Geschäftsbeziehungen am Baumarkt. Dort haben wir es mit folgenden Problemen zu tun: x

Der Kunde kann einerseits die Leistungsfähigkeit des Bauunternehmens schlecht beurteilen, der Agent andererseits eventuell aber auch nicht die finanzielle Solidität des Principals/Kunden.

x

Der Kunde kennt nicht die Art und Weise der Abwicklung des Bauunternehmens, er kann es oft nicht einmal fachkundig beurteilen. Es besteht die Gefahr, dass der Agent die eingeschränkte Überwachung ausnutzt und stillschweigend Leistungsminderungen durchführt (vgl. Spremann, 1989, S. 11f; Ebers, Gotsch, 2002, S. 209). 27

x

Das Leistungsversprechen als Vertragsgrundlage kann unterschiedlich verstanden sein. Aber der Principal kann ebenso bewusst Informationen (nicht tragfähiger Baugrund) verschwiegen haben, wie der Agent (fehlerhafte Baubeschreibung). Es entsteht Streit unter den Vertragspartnern über das geschuldete Bausoll.

x

Beide Parteien wissen eventuell zu wenig von den gegenseitigen Ansprüchen an Fairness und Ehrlichkeit in späteren Interessenkonflikten. Beide Parteien erfahren in der Vertragsbeziehung wechselvolle Abhängigkeiten (Auftragserteilung, pünktliche Lieferung, vertragsgerechte Zahlung).

x

Eine Besonderheit bei der Erstellung von Leistungsbündeln (Sach- und Dienstleistungen) im Bauwesen ist darüber hinaus, dass Kunde und Lieferant integrativ bei der Leistungserstellung zusammenarbeiten müssen. Der Kunde muss eigene Leistungen (evtl. Planungen, Grundstücke, Bemusterungen usw.) in die Bauerstellung einbringen und wird so Teilnehmer im Bauprozess. Die Lösung der Agencyprobleme (vgl. Göbel, 2002, S. 110f) ergibt sich aus den drei wichtigsten Handlungsweisen zum Abbau von Spannungen zwischen Principal und Agent: 1. Reduktion der Informationsasymmetrie Auf üblicherweise bestehenden unvollkommenen Märkten wie im Baubereich haben die Marktteilnehmer unvollkommene, ungenaue und unterschiedliche Informationen über alle Facetten des Austausches. Der Asymmetrie innewohnend ist, dass einer der Partner einen Informationsvorsprung hat. Häufig wird der besser informierte Partner seinen Informationsvorsprung zum Nachteil des anderen ausnutzen, spätestens bei Bekanntwerden der Asymmetrie führt dieses aber zu psychologischen Problemen, zu Vertrauensverlust und Konflikten (vgl. Spremann, 1990, S. 571). Nun können diese Informationsmängel gemindert bzw. abgebaut werden. Dieses geschieht durch Informationsbeschaffung („Screening“) oder durch Informationsübertragung („Signaling“) von dem besser zum schlechter informierten Partner. Das sich um den Kunden bemühende Bauunternehmen wird durch geeignete Kommunikation versuchen, Screening und Signaling intensiv zu fördern, um den Kunden für sich zu gewinnen.

28

Abb. 2.5 Screening und Signaling als Prozess der Marktinformation (Quelle: Mann, 1998, S. 111)

Der Informationsaustausch verursacht Kosten, die wesentlich die Intensität der Informationsübertragung bestimmen (vgl. Kaas, 1991, S. 360). Zur späteren Optimierung kundenorientierter Geschäftsmodelle ist es hilfreich drei Beurteilungsdimensionen des Screening zu unterscheiden: - „Search Qualities“ oder Sucheigenschaften genannte Informationen, die bereits vor der Kaufentscheidung und der Spezifizierung der Leistungsmerkmale zugänglich sind (vgl. Kleinaltenkamp, 2000, S. 224) - „Experience Qualities“ oder Erfahrungseigenschaften genannte Informationen, die erst während des Vertragsschlusses abgeschätzt werden können, wie Referenzen, Zeugnisse, Audits, Erlebnisse mit dem Partner (vgl. Backhaus, 1993, S.103) - „Credence Qualities“ oder Vertrauenseigenschaften genannte Informationen, die erst nach Vertragsschluss oder später nach Bauende aufwendig ermittelt werden können. So bilden sich oft erst nach langjährigen Geschäftsbeziehungen langsam menschliche Bindungen (vgl. Meffert, 2000, S. 1211) der Vertragspartner, entwickelt sich ein Image des Bauunternehmens oder wird das Bild einer Marke geprägt. Screening und Signaling können beidseitig betrieben werden. Sie sind im Baubereich äußerst wichtig. Es darf aber nicht vergessen werden, dass sie statt zum Abbau einer Informationsasymmetrie auch zur Manipulation und Verstärkung des „moral hazard“ angesetzt werden können. 29

2. Minderung und Lösung von Konflikten Die Informationsasymmetrie führt zu unterschiedlichen Zielen von Principal und Agent, die in Konflikten münden können. Seitens des Principals können Anreiz- oder Strafsysteme das Konfliktpotenzial mindern oder beherrschbar machen, seitens des Agenten können dieses beider Parteien Interesse ausgleichende Vertragsbedingungen und Zahlungsgarantien sein. Der Agent als Lieferant wird mit dem Ziel einer hohen Kundenzufriedenheit vorbeugend die Informationsasymmetrie gestalten müssen, um Konflikte zu umgehen bzw. zu vermeiden, da jeder Konflikt die Kundenbeziehung zerstören kann. 3. Bildung von Vertrauen Vertrauen kann als Erbringung von Vorleistungen unter Verzicht auf mögliche Sicherungsmaßnahmen bezeichnet werden. Dabei geht der Vertrauengewährende davon aus, dass der Partner die Erbringung der Vorleistung nicht in seinem Interesse ausnutzt. Vertrauen ist eines der wichtigsten Elemente des Wirtschaftslebens, da unmöglich alle Aspekte von Transaktionen dinglich, Zug um Zug, gegen Sicherheit usw. erfolgen können. Vertrauen stützt sich auf umfassende Information und positive Erfahrung und ersetzt Kontrolle, Sicherungsmaßnahmen und externe Vertragsgestaltung (vgl. Gelbrich, Müller, 2006, S. 454). Der Kunde am Baumarkt benötigt in zwei Richtungen eine hohe Vertrauensbildung. Zum einen ist er selbst unsicher über den Prozess der gemeinsamen Leistungserstellung. Andererseits ist er unsicher, ob die anbietende General-Bauunternehmung die Vielzahl der Einzelkomponenten bzw. Gewerke, die diese zumeist nicht selbst herstellt, sondern oftmals bündelt, qualitativ in dem Leistungsbündel in der zugesagten Qualität auch bereitzustellen in der Lage ist (vgl. Kleinaltenkamp, 1996, S. 152; Koppelmann, 2003, S. 70). Möglichkeiten, mit Leistungsbündel im Bauwesen dem Kunden gegenüber Vertrauen aufzubauen, indem ...

1. 2.

…flexible Änderungsmöglichkeiten bestehen, weil er Null-Problem-Lösung erwartet. …er Bevorzugung erfährt, weil er Schlüsselkunde ist.

3. 4. 5.

…hohe Zuverlässigkeit gesichert ist, weil er vorbeugende Ordnung der Arbeitsprozesse erlebt. …Informationsvorsprung besteht, weil er laufend bauspezifische Verbesserungsvorschläge erhält. …seine Interessen beachtet werden, durch kostengünstige Sondervorschläge, die seinen Nutzen erhöhen.

6. 7.

…er sicher ist, dass schnell eingegriffen wird, falls ungewünschte Abweichungen oder Qualitätsmängel entstanden sind. …er die Preiswürdigkeit aus der bisherigen Zusammenarbeit und den nutzenerhöhenden Elementen kennt.

8.

…er durch Zertifizierung, Eigenüberwachung und hohe Gewährleistungsdauern hohe Qualität zugesichert bekommt.

Abb. 2.6 Vertrauensbildung zum Kunden (eigene Darstellung)

Aus der Analyse der Principal-Agent-Beziehung kann eine Risikobetrachtung für jede Partei durchgeführt werden (vgl. Mann, 1998, S. 154ff): x

30

Funktionales Risiko: Das Leistungsbündel der Bauerstellung liefert nicht den erwarteten Nutzen und die Qualität;

x Physisches Risiko: Die Leistungserbringung führt zu Personen-, Umwelt- und Sachschaden an der Umgebung oder der Neuanlage; x

Ökonomisches Risiko: Unerwartete Mehrkosten aus fehlerhafter Planung, Vertragsdefinition, Änderungen usw. übersteigen das Budget;

x

Soziales Risiko: Die Bauleistungsdurchführung verstößt gegen Sozial- und Umweltnormen und führt beim Principal zu Rufschädigungen; Psychisches Risiko: Das opportunistische Ausnutzen von Informationsvorsprüngen führt beim Gegenüber zu Einstellungsveränderungen, Vertrauensverlusten, Kontrollandrohungen bis zur Vertragsauflösung.

x

Die Summe der Risikofaktoren weist auf die Anforderungen an eine marktorientierte Unternehmensführung hin, die vielfältigen Beziehungen zum Kunden so zu gestalten, dass sich Risiken mindern, Kontrollkosten entfallen, Informationsasymmetrien auflösen und eine vertrauensvolle Kundenbeziehung entstehen kann, die letztlich zu Kundenzufriedenheit führen soll. Der Transaktionskosten-Ansatz in der Neuen Institutionen Ökonomik Als Transaktion sei hier verstanden der Austausch von Rechten an dem Eigentum von Sachen oder Dienstleistungen unter Vertragspartnern. Die Kosten, die bei der Anbahnung, dem Abschluss und dem Vollzug der Transaktion entstehen, sind die Transaktionskosten (vgl. Göbel, 2002, S. 129). Transaktionen sind kaum eingrenzbar. Eine allgemeine Darstellung liefert Coase mit dem Begriff „Marktbenutzung“ (zit. nach Göbel, 2002, S. 130). Er umfasst den Güteraustausch ebenso wie das Arbeitsrecht oder die Zusammenarbeit mit dem Staat. Hier wird die Schnittstelle zwischen Lieferant und Kunde beim Austausch von Bauleistungen direkt betrachtet. Während der Principal-Agent-Ansatz primär die Folgen der Informationsasymmetrie an dieser Stelle beleuchtet, geht der Transaktionskostenansatz weit darüber hinaus. Er beurteilt nicht eine Transaktion nach Zufriedenheit des Principals oder Bestätigung von Vertrauen, sondern allein danach, wieviel Kosten zur Abwicklung nötig sind. Kosten einer Transaktion fallen vor (ex ante), während oder nach (ex post) einem Vertragsabschluss an. Ex ante fallen z. B. im Baubereich Informations- und Kommunikationskosten, Erstellungskosten von Bauleistungsbeschreibungen und Vertragsentwürfen sowie für Vorverhandlungen an. Ex post entstehen z. B. Kosten für Bauüberwachung, Vertragsabsicherung, Änderungsmanagement, Abrechnung, Vertragsanpassung, Lösung von Konflikten, Anreizsysteme oder Strafen und Gebühren für die Gewährung von Sicherheiten. Kosten können beim Anbieter und beim Kunden entstehen, sei es durch eigene Mitarbeiter oder durch hinzugezogene Dritte. Untersucht man nun unterschiedliche Transaktionen bei gleicher Problemstellung (z. B. Verhandlungen mit unterschiedlichen Anbietern von Einzelgewerken zur Bauabwicklung mit Generalunternehmern), so kann über den Vergleich der Transaktionskosten – und der dazu benötigten Zeitdauern Einfluss und Vorteilhaftigkeit der einzelnen Geschäftsabwicklungen beurteilt werden (vgl. Beck, 1997; Balling, 1997, S. 56f; Tomczak, 1994, S. 199).

31

Transaktionskostenansatz

Transaktions- Atmosphäre - Unsicherheit - Häufigkeit

Unvollständige Information InformationsAsymmetrie

Art und Inhalt des Bau-Leistungsbündels

Transaktionskosten vor, während, nach Vertragsschluss

Ausnutzen von Unkenntnis und Schwächen Nutzenmaximierung ohne Vertrauen Dyn. Veränderungen Wettbewerb von alternativen Partnern

Anbahnung, Art, Inhalt, Abwicklung, Kontrolle des Bau-Vertrages

Abb. 2.7

Einflussebenen für Transaktionskosten (eigene Darstellung)

Bei komplexen Bündeln von Bauleistungen, oft in Interaktion mit dem Kunden erstellt, kann die Vorteilhaftigkeit der Investition allein auf Basis der reinen Herstellkosten der Leistung also nicht beurteilt werden. Vielmehr müssen jene Kosten, Erlebnisse und Empfindungen in die Betrachtung mit einbezogen werden, die bei der Transaktion zwischen den Partnern anfallen. Unsicherheit, suboptimale Verträge, Mängel in der Zusammenarbeit mit den Beratenden Ingenieuren und Fehler in allen Definitionsbereichen können im Baubereich wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Herstellkosten des Bauwerkes haben. Die Höhe dieser Kosten ist neben der Komplexität des Bauobjektes und der Größe und Art der Transaktion auch abhängig von der Art und Dauer der bisherigen Beziehung zwischen den Geschäftspartnern und ihrer jeweiligen Marktmacht. So geschieht bei Bauleistungen und der Vorauswahl von Bauunternehmen die Entscheidung zum Auftrag zumeist über das günstigste Preisangebot. Damit ist die Unsicherheit über das einseitige opportunistische Verhalten des Vertragspartners sehr hoch. Die Unsicherheit steigt im umkämpften schrumpfenden Baumarkt umso mehr, als die Anbieter zu hohen Preiszugeständnissen in der Vertragsverhandlungen zur Auftragserteilung gezwungen werden, die sie später während der Bauphase eventuell kompensieren wollen. Also wird in dieser Situation der kaufende Vertragspartner versuchen, die Transaktion umfassend vertraglich abzusichern und mit hohen Kosten überprüfend begleiten zu lassen. Dies führt zu hohen Transaktionskosten, z. B. in der anwaltlichen Beratung, die den günstigen Angebotspreis des Anbieters eventuell relativieren und in der Hinzuziehung durch sog. Projektsteuerer, die ausschließlich den Projektablauf und Kostenanfall überwachen.

32

Produktqualität

Kundenanforderungen

Produktmerkmal

Produktrealisierung

realisierte Produktqualität („conformance quality“)

geplante Produktqualität („design quality“)

Übereinstimmungskosten

Abweichungskosten des Produktes

Abweichungskosten suboptimaler Vertragsbeziehungen

Zielkostenmanagement Lebenszykluskostenmanagement

Fehlerfolgekosten qualitätsbezogene Kennzahlen

Forderungen/Kunde Preisnachlässe erhöhter Marketingaufwand

Abb. 2.8 Transaktionskostenanalyse (eigene Darstellung)

Die Analyse der einzelnen Transaktionskosten (s. Abb. 2.7) zeigt die Vielfältigkeit des Kostenanfalls. Dieser kann durch sehr sorgfältige kundenorientierte Gestaltung minimiert werden. Er kann bei Ignoranz der Wirkungen aber auch zu einer solchen Wichtigkeit in den Entscheidungen des Kunden führen, dass der Anbieter nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Mit zunehmender Dauer und Kontinuität, systematischer Kundenpflege und bindung der Partner untereinander sinkt in der Transaktion das Informationsbedürfnis, das Streitpotenzial und die Unsicherheit. Damit werden die gegenseitigen Interaktionen ausgereifter und fehlerfreier und die Durchführung, Steuerung und Kontrolle der Vertragsabwicklung vereinfacht (vgl. Calaminus, 1994, S. 98). Hier liegt nun auch der Ansatzpunkt der Gestaltung betrieblicher Prozesse. Je kostenwirksamer die „statisch-funktionale Interpretation von Vertragsbeziehungen im Transaktionskostenansatz“ (Beck, 1997, S. 171) ist, desto mehr wird die Schaffung und Erhaltung von Kundenvertrauen über Kundenzufriedenheit zu nachhaltiger Kundenbindung wesentliche Aufgabe der marktorientierten Führung, den Kostenanfall zwischen den Marktteilnehmern reduzieren und wesentlich zur Verbesserung des betrieblichen Erfolgs beitragen. Es darf nicht übersehen werden, dass die Neue Institutionen Ökonomik die Beziehung der Marktteilnehmer auf ihre Position in und den Ablauf während der Transaktion reduziert (vgl. Beck, 1997, S. 165). Das Modell umfasst nicht die vielfältigen Einflussfaktoren der betrieblichen Leistungserstellung (Faktorkosten unterschiedlicher Märkte, staatliche Einflüsse, Innovations- und Strategiefähigkeit). Es betrachtet auch ungenügend die für das Entstehen von Vertrauen so wichtige „personalsoziale Komponente“, welche unerlässlich für das Zustandekommen und die Durchführung von Transaktionen ist (Balling, 1997, S. 62). Dennoch gibt der Ansatz der NIÖ die entscheidenden Impulse, die vertraglichen Beziehungen zwischen 33

Anbieter und Kunde am Baumarkt umfassender zu betrachten und über die gesamte Kontaktzeit zwischen Bauunternehmen und Kunde die betriebliche Wertschöpfung optimal zu gestalten (vgl. Schmalzl, Schröder, 1998; Töpfer, 1996a; Binner, 1997). Die Wirkung der Neuen Institutionen Ökonomik auf den Baumarkt Bei den vielschichtigen Abläufen mit einer Vielzahl von Beteiligten und Schnittstellen in den Leistungsprozessen im Rahmen der Abwicklung von Bauprojekten, dem Austausch von Informationen, den Problemen der Entwicklung von Vertrauen und der generell weltweit zunehmenden „Verrechtlichung“ von Geschäftsbeziehungen sind die Property-Rights-, Transaktionskosten- und Principal Agent-Ansätze eine sehr wichtige Grundlage für die Ausrichtung baubetrieblicher Unternehmensführung. Die Vielfältigkeit von Transaktionen und ihre Wirkung auf den Austausch von Informationen, die Vertrauensbildung, den zugehörigen Kostenanfall und die Folgen auf die rechtlichen Beziehungen der Austauschpartner berühren wesentlich das Marktverhalten der Bauunternehmen. Damit stellt die NIÖ ein gutes Analyseinstrumentarium zur Verfügung mit wesentlichen Einflüssen auf eine am Markt orientierte Unternehmensführung. Obwohl die NIÖ seit über 15 Jahren ein anerkanntes theoretisches Erklärungsmuster darstellt, konnte in der baubetriebswirtschaftlichen Literatur hierzu bisher keinerlei Verweis oder eine konkrete Nutzung gefunden werden. Die drei Hauptaspekte der NIÖ werden deshalb in dieser Arbeit erstmals als wichtige Masseinheit zur Beurteilung der Wirksamkeit von Gestaltungselementen einer wertorientierten Unternehmensführung in einem Bauunternehmen dargestellt. Erst durch die NIÖ öffnet sich der Blick auf Interaktionsprozesse mit entsprechendem Ressourcenverzehr, die bisher häufig völlig vernachlässigt wurden. Drei Beispiele zeigen die Relevanz: 1. Die komplexe Bauleistung wird in Deutschland üblicherweise von einem Architekten geplant und dann für die einzelnen (bis zu 100) Leistungsgewerke den anbietenden Unternehmen in der Vertragsanbahnung in Leistungsverzeichnissen (LV) bekannt gemacht. Nun kann diese Leistungsbeschreibung nach Inhalt, Menge und Qualität fehlerhaft sein und die Kundenerwartung gar nicht voll abdecken. Gleichwohl versieht der Anbieter dieses LV mit seinem Preisangebot, dessen addierte Endsumme zumeist der alleinige Maßstab der Auftragsentscheidung ist. Da der Architekt als Treuhänder das Kunden und Aufsteller des LV nur eine sehr geringe Haftung trägt (vgl. Pastor, Werner, 2005, S. 1016), bleibt nun beim Kunden das umfängliche Risiko der technischen Durchführbarkeit und der Einhaltung des Umfanges der Kosten. Dieses Risiko versucht er nun durch ein umfangreiches Bauvertragswerk abzudecken bis hin zu einem den gesamten Bauablauf begleitenden juristischen Projektmanagement (vgl. Kapellmann, 1997).

34

Die Anbieter dagegen wissen aus Erfahrung um die Mängel von Leistungsbeschreibungen, bieten womöglich sehr niedrig an und werden nach Vertragsschluss versuchen, bei Mängeln der Beschreibung und Änderungswünschen seitens des Kunden ihre Position preisverbessernd auszunutzen. Dieses „Claim Management“ (vgl. Witteler, 1996) macht aus Vertragspartnern Gegner. Der Grad der Zusammenarbeit zeigt sich darin, wer wie welche Vertragslücken auszunutzen versteht (vgl. Konermann, 2001, S. 102). Die Lösung der zwangsläufig entstehenden Streitfälle ist nur noch mit Hilfe von Gutachtern und Anwälten möglich. Es ist offensichtlich, dass dieser klassische Typ deutscher Bauabwicklung immense Transaktionsprobleme bei der Übertragung von Verfügungsrechten produziert, unnötige Kosten verursacht und eine Zufriedenheit des Kunden verhindert. 2. Die Analyse des vorliegenden Transaktionstyps und der dortigen Beziehungen des Principals mit dem Agenten kann zu anderen Geschäftsmodellen der Bauabwicklung führen. Im angelsächsischen Raum hat sich das „Partnering-Modell“ entwickelt (vgl. Stephenson, 1996; Hellard, 1995 – siehe Kapitel. 4.1.2.5.1). Hier verpflichten sich Kunde und Lieferant die Informationsasymmetrie zu vermeiden und Differenzen in einvernehmlichen Verfahrensprozeduren beizulegen. Der aus dieser Selbstverpflichtung herrührende Zwang zur Zusammenarbeit und zur offenen vertrauensvollen Klärung von divergierenden Positionen mindert die Transaktionskosten wesentlich (vgl. Beck, 1997, S. 22). „Partnering opens the doors to commitment and communication between the parties and provides the mastic which turns disparate groups with varying aims into a coherent team with common objectives” (Hellard, 1995, S. 1). 3. Die Risiken des Kunden bei der Erstellung eines Bauobjektes steigen, je mehr er selbst Verantwortung trägt (soweit z. B. sein Architekt für ihn Einzelgewerke ausschreibt), je komplexer das Bauwerk ist, je fragmentierter von einzelnen Vertragspartnern die Bauerstellung erfolgt und je integrativer der Kunde selbst am Bauprozess mitwirken muss. Je mehr einzelne Transaktionen entstehen, desto mehr Schnittstellen müssen koordiniert und zu einem Ganzen verbunden werden und umso mehr Fehler bzw. Kosten entstehen. Zur Minderung der immensen Transaktionskosten bietet sich die Erstellung der Bauleistung durch einen Generalunter- oder Totalübernehmer an, der von der Planung bis zur schlüsselfertigen Erstellung dem Kunden ein einziges komplettes Leistungsbündel anbietet. Dieses in den USA unter dem Begriff „Design-Build“ bekannte Verfahren (siehe Kapitel 4.1.1.6.1) hat sich dort wesentliche Anteile am Baumarkt sichern können, weil der Bauanbieter alle Leistungsbestandteile im Bauprozess aufeinander abgestimmt optimiert und im Sinne des „do the things first right“ mit geringstem Transaktionsaufwand zusammenfügt (vgl. Barkley, Saylor, 1994, S. 20; Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 26). Der Bauherr als Kunde erlebt hierbei nur wenige Transaktionen zum Anbieter. Da dieser sich verpflichtet, ein komplettes gebrauchsfertiges Bauwerk zu erstellen, sind

35

die Principal-Agent-Beziehungen auch sehr klar und durchsichtig. Es kann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entstehen. Die grundsätzliche theoretische Betrachtung der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmungen durch die NIÖ wird für die Untersuchung des Business-to-Business Bereiches am deutschen Baumarkt von großer Hilfe sein und für ein geschärftes Verständnis für vorhandene Marktbeziehungen und -entwicklungen sorgen. Die Property-Rights-Theorie wird in den Kapiteln 2.2.4, 2.3 und in den vielfältigen Eingrenzungen der Bauunternehmen durch das Baurecht Wirkungsfolgen erkennen lassen. Der Principal-Agent-Ansatz wird sich in seinen Ursache-Wirkungsbeziehungen in den Kapiteln 3.2.1 und 4.1 widerspiegeln, während der Transaktionskostenansatz bestimmendes Element der in Kapitel 4.1.1 beschriebene Verhältnisse der Interaktionen mit dem Kunden sowie in Kapitel 4.2 der dort dargelegten Ressourcenorientierung ist. Somit werden die in der NIÖ beschriebenen Wirkungsbeziehungen in der wertorientierten Unternehmensführung aufgenommen und in Gestaltungsempfehlungen umgesetzt. 2.2.4 Das Kaufverhalten im BtoB-Baumarkt Neben der Analyse der Inhalte einer Bauleistung z. B. in einem Leistungsbündel und den vielfältigen Problemen in den Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern wird nun das Kaufverhalten der Partner näher betrachtet. Welche vielfältigen Abhängigkeiten und Interaktionen wirken in jener Zeit, in der Anbieter und Nachfrager erste Informationen und Angebote austauschen, bevor letztlich der Bauvertrag abgeschlossen wird? Wie verhalten sich die Käufer von Bauleistungen, was passiert beim Beschaffungsvorgang bei den Nachfragern von Bauleistungen und wie stellen sich die Anbieter in den Bauunternehmungen darauf ein? Die Wichtigkeit, die Komplexität und die finanzielle Auswirkung von Beschaffungsvorgängen macht ihre Analyse für den Markterfolg des Bauunternehmens besonders wichtig. Je nach Marktgegebenheit können vielfältige Abhängigkeiten entstehen, auf die Einfluss genommen werden kann. Um dieses wirtschaftlich erfolgreich tun zu können, ist das Wissen über das Kaufverhalten von Organisationen zu nutzen (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 373f). Der Beschaffungsvorgang kann über den Zeitablauf als Prozess abgebildet werden, indem die Kauf- und Entscheidungsphasen strukturiert sind. Sie sind in ihrem Umfang davon abhängig, ob es sich um einen Erst- oder Wiederholungskauf, den Kauf einer Einzelleistung (ein einzelnes Baugewerk) oder ein Leistungsbündel handelt. Jede dieser Kaufarten oder -inhalte zieht andere Informations- und Sicherheitsbedürfnisse nach sich (Meffert, 2000, S. 1208). Der Käufer trifft beim Kauf von Bauleistungen, noch in hoher Unkenntnis über die Fähigkeiten des Anbieters und in Unsicherheit über die gebotene Leistung befindlich, sukzessive eine Fülle von Entscheidungen, wie z. B. über

36

x

Bauspezifikationen, Design, Leistungsumfang;

x

Lieferbedingungen und -fristen, Lieferort;



Vertragsinhalt, Preis, Zahlungsbedingungen;



Wartung, Garantie, Folgekosten;



Nutzung der Leistung von Beratenden Ingenieuren;



Nutzung von Referenzen, Sondervorschlägen und alternativen Ausführungen;



Maßstäbe, wie Preis, beteiligte Menschen in der Ausführung, Erfahrung aus bisherigen älteren Bauprojekten.

Die Entscheidungen selbst werden ebenso rational wie auch emotional, mit Hilfe von erprobten Arbeitsverfahren und -methoden, durch Einzelentscheider oder in Gruppen, in formalisierten Verfahren oder individuell ausgerichtet gefällt. Zusätzlich sind noch die rechtlichen Bindungen öffentlicher Auftraggeber zu beachten (vgl. Berndt, 1988, S. 133f). Es ist nicht einfach, den Maßstab der Entscheidungsfindung in der entsprechenden Kundengruppe herauszuarbeiten. In einer empirischen Studie zu den Entscheidungskriterien über das Beschaffungsverhalten öffentlicher Nachfrager oder Nachfrager in der freien Wirtschaft (s. die nachfolgenden Abb.) zeigten sich in der subjektiven Selbsteinschätzung der öffentlichen Bediensteten nur graduelle Unterschiede zur freien Wirtschaft.

Kriterien FLZ Image Preis Qualität Termintreue BU durch Aufträge bekannt Beratung vor Auftragsvergabe Referenzprojekt Auch./Berater-Empfehlung lokale Präferenz 1

1,5

sehr gering

Abb. 2.9

2

2,5

3

3,5

Einfluss (arithm. Mittel)

4

4,5

5

sehr groß

Öffentliche Hand, subjektive Entscheidungskriterien bei der Vergabe von Bauaufträgen (Quelle: Speer, 1997, S. 13)

37

Kriterien FLZ Image Preis Qualität Termintreue BU durch Aufträge bekannt Beratung vor Auftragsvergabe Referenzprojekt Auch./Berater-Empfehlung lokale Präferenz 1 1,5 sehr gering

Abb. 2.10

2

2,5

3

3,5

Einfluss (arithm. Mittel)

4

4,5

5

sehr groß

Freie Wirtschaft, Entscheidungskriterien (FLZ = Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) (Quelle: Speer, 1997, S. 14)

Gleichwohl muss – trotz der Ergebnisse in Abb. 2.8 – konstatiert werden, dass 88% der Befragten in öffentlichen Institutionen nur in weniger als 5% der Vergabefälle den Auftrag nicht an den bei der Angebotsöffnung preisniedrigsten Bieter gegeben haben (vgl. Speer, 1997, S. 15). Dennoch wird die Erstellung von Bauleistungen und ihre finanzielle Verwirklichung immer komplexer und werden die staatlichen Nachfrager durch politische, umfeldbedingte, organisationsspezifische und interpersonale Faktoren zunehmend in ihren Beschaffungsverhalten beeinflusst (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 405). Die immer umfangreicheren Vergabeverfahren allein im deutschen Vergaberecht zeigen dies. Eine Einstellung auf diese Einflüsse ist sehr langwierig, aber wenn z. B. für die Wertung eines Sondervorschlages in einem Angebot durch einen öffentlichen Vergabebeamten auch die Fähigkeiten des anbietenden Bauunternehmens beurteilt werden müssen, so ist schnell erkennbar, dass die dafür notwendigen Informationen vom Anbieter bewusst und sorgfältig mit Methoden des Marketings gestaltet werden sollten (vgl. Töpfer, Braun, 1989, S. 21). Privatwirtschaftliche Nachfrager nach Bauleistungen richten sich in ihrer Beschaffungsentscheidung nicht nur nach dem Preis aus, sondern berücksichtigen zusätzliche Aspekte. Sie nehmen die möglichen Beurteilungskriterien ernst und führen eine Lieferantenbewertung durch über seinen Auftritt, seine Qualifikation, über die Angebotspräsentation und die verschiedenen Nutzenausprägungen – technisch wie kaufmännisch (Günther, Kuhl, 2000, S. 395). Bei wiederholten Beschaffungsvorgängen, wie z. B. Postverteilcentern, Antennenmasten, Windkraftanlagen usw. müssen Lieferanten sich umfangreichen Auswahl- und Prüfungsverfahren stellen, bei denen bezogen auf eine langfristige Zusammenarbeit Beurteilungskriterien erörtert werden können, die über den aktuellen einzelnen Kaufvorgang weit hinausgehen. Dies gilt besonders bei Entwicklungspartnerschaften von preisoptimierten wiederholten Bauten oder für BOT-Modelle (vgl. Bleyer, 1993, S. 536; Günther, Kühl, 2000, S. 444) 38

Der Kaufentscheidungsprozess privatwirtschaftlicher Nachfrager gestaltet sich durch die Vielzahl der einzelnen Bauleistungen, der Dienstleistungen oder der Komplexität im Leistungsbündel und der vielen unterschiedlich davon betroffenen Personen im nutzenden Unternehmen als äußerst vielschichtig. Es ist für den sich darauf einstellenden Anbieter unerlässlich, diesen Prozess sehr sorgfältig zu analysieren und somit die Basis zu schaffen für eine klare Ausrichtung seines Angebotes auf diesen Prozess. Einfluss auf den Ablauf der Kaufentscheidung haben (vgl. Fließ, 2000, S. 256): x der zeitliche Ablauf und die Anforderungen der einzelnen Nutzer; x aktuelle Ausprägung der Beschaffungsmärkte und der Angebots- wie Nachfragemacht; x Art der Beschaffungsorganisation; x Auswahl und Zusammensetzung der den Kauf bestimmenden Personen; x Entscheidungsbefugnis der handelnden Personen. Die Kaufentscheidung ist der Abschluss einer Prozesskette für die Beschaffung eines Leistungsversprechens, das ein Problem lösen soll. Sie läuft in zehn verschiedenen Phasen ab, die je nach betroffenen Personen, Bauleistungen und Umfang des Leistungsbündels variieren können. Phase

Prozess

Phase

Prozess

Phase 1: Problemerkennung des Nutzers

Phase 6:

Einholen von Angeboten

Phase 2: Festlegung der Produkteigenschaften der Bauleistung

Phase 7:

Bewertung von Angeboten / Entscheidung über die Lieferanten

Phase 3: Beschreibung des Leistungsverzeichnisses / der Funktionalbeschreibung Phase 8:

Individueller Vertragsabschluss

Phase 4: Lieferantensuche

Phase 9:

Phase 5: Beurteilung der Lieferanteneigenschaften der Bauunternehmung

Baubegleitender Änderungsdienst und Vertragsanpassung

Phase 10:

Ausführungskontrolle und Beurteilung

Abb. 2.11

Zehn Entscheidungsphasen für Kaufprozesse von Bauleistungen (eigene Darstellung)

In jeder der zehn Phasen werden umfangreiche Aufgaben erfüllt zur Klärung des aktuellen Kaufentscheidungsprozesses und für anschließende Käufe. In jeder Phase wirken eine Vielzahl von Einflüssen. Diese können einen sachbezogenen wirtschaftlichen Hintergrund haben, aber ebenso von persönlichen Faktoren wie Sympathie, Abhängigkeit, Respekt und Anerkennung der handelnden Personen bestimmt werden. Letztlich werden Kaufentscheidungen von Menschen gefällt! Besonders wenn die Angebote im BtoB-Bereich sich wenig voneinander in der Leistung unterscheiden, bleibt oft keine rationale Wahl in der Kaufentscheidung selbst (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 384). Es können vielmehr Aspekte hervortreten, die wir im Entscheidungsverhalten auf Konsumgütermärkten kennen, bei denen der Kunde zwar meint, 39

eine rationale Entscheidung zu treffen (z. B. nach der Preishöhe), diese jedoch emotional gesteuert abläuft. „In besonderem Maße scheint diese Tendenz zur nachträglichen Rechtfertigung einer Entscheidung als rational im Bereich von Kaufentscheidungen gegeben zu sein“ (von Rosenstiel, Ewald, 1979, S. 132). So kann die Wertung oder Ablehnung eines Sondervorschlages oder die Gewährung für eine letzte Chance der Preisreduktion, um günstigster Bieter zu werden, ganz wesentlich von der Sympathie der Vertragsparteien abhängen. Verläuft die Kaufentscheidung selbst also bewusst oder unbewusst nach emotionalen Kriterien, so suchen die Entscheider in der nachträglichen Rechtfertigung jene Informationen herauszufiltern und herauszustellen, die die von ihnen emotional getroffene Wahl stützen. Insgesamt ist der Kaufprozess wesentlich geprägt von dem Wissen und den Fähigkeiten der handelnden Personen, ihren Erfahrungen und Erwartungen, dem Verhältnis und den Rechtsbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager und den auf dem Markt vorliegenden Informationen. Der Inhalt der wesentlichen Einflussfaktoren, wie Umfeld, Organisation, handelnde Personen und ihre Individualität sind äußerst vielfältig. Da nie alle notwendigen oder für wünschenswert gehaltenen Daten vorliegen, verspüren die Nachfrager eine subjektive Empfindung der Unsicherheit und des Risikos (s. hierzu auch die NIÖ). Dabei wird zwischen subjektiv wahrgenommenen und real existierenden Risiken unterschieden. Der Kauf wird nur stattfinden, wenn ein Kompromiss gefunden wird zwischen den Ansprüchen rationalen Verhaltens und den Persönlichkeitsmerkmalen des Entscheiders zum konkreten Erleben der einzelnen Unsicherheit bzw. des Risikos (vgl. von Rosenstiel, Ewald, 1979, S. 92). Die Marktbeteiligten versuchen natürlich nun mit unterschiedlichsten Methoden der Empfindung der Unsicherheit und des Risikos zu begegnen, und zwar durch Information und Kommunikation als vertrauensbildende Maßnahme sowie durch vielfältige Vertrags- und Beratungsintensivierung als absichernde Maßnahme. Dabei werden in den „meisten Fällen persönliche Informationsquellen vor unpersönlichen Quellen“ bevorzugt (Fließ, 2000, S. 295) und nach Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften gegliedert und gewertet. In Unternehmen sind üblicherweise eine Vielzahl von Personen am Kaufprozess und der einzelnen Kaufentscheidung beteiligt. Dies können die späteren Nutzer, die Verantwortlichen für die Unterhaltung der Investition, Mitarbeiter des Einkaufs und der Planungsabteilung sein, Finanzierungsfachleute oder Führungskräfte als Entscheider. Man nennt diese im einzelnen Kaufprozess zusammengekommene Gruppe auch „Buying Center“ (Backhaus, 1995, S. 60). Ihre Aufgabe geht weit über die einer Einkaufsabteilung hinaus. Grundidee des Buying Centers ist, dass zum Kauf von Bauleistungen im BtoB-Bereich Mitarbeiter dauerhaft oder temporär zusammenkommen, die Kauf- bzw. Investitionsentscheidung vorbereiten, den Kaufprozess durchführen und die Entscheidung dann auch teilweise fällen. Diese Mitarbeiter können aus unterschiedlichsten Abteilungen der Unternehmung kommen und im Beschaffungsprozess naturgemäß verschiedensten Aufgaben, Motivationen und Abhängigkeiten unterworfen sein, wie z. B. Klärung des Investitionsumfanges, Sicherung des

40

Technologievorsprunges, günstiger Einkauf, günstige langfristige Betreibung usw. Sie können aufgabenbezogene Ziele verfolgen zur Erfüllung ihrer Position im Betrieb, aber auch eher von ihren Interessen, Erwartungen, Anerkennungs- und Machtgefühlen geleitet sein. In der Entscheidung verbinden sich die formalen und die informalen Strukturen des Unternehmens. Die verschiedenen Mitglieder im Buying Center haben aufgrund dieser unterschiedlichen Ziel- und Einstellungsebenen häufig differierende Annahmen darüber, was wichtig ist und welche Kriterien die Kaufentscheidung beeinflussen sollten. Im Wettbewerb wahrnehmbare und sich unterscheidende Komparative Konkurrenzvorteile (KKV) müssen daher „unter Berücksichtigung des Kaufeinflusses einzelner Personen und ihrer spezifischen Präferenzen definiert werden“ (Backhaus, 1993, S. 31). Es ist also vom Anbieter zu klären, wer mit welchem Einfluss beim Kunden an der Kaufentscheidung beteiligt ist und in welcher Beziehung die Mitglieder des Buying Center untereinander stehen. Dabei muss die der Gruppe innewohnende Dynamik während des Kaufprozesses berücksichtig werden (vgl. Fließ, 2000, S. 355). Folgende Fragen können in der Analyse hilfreich sein: x

Wer ist an der Kaufentscheidung beteiligt, welche Rolle gibt er vor zu haben und welche hat er wirklich?

x

Wie verläuft die Kommunikationsstruktur im Buying Center?

x

Welche möglichen Konflikte sind in der Organisation und infolge einer Kaufentscheidung erkennbar bzw. vorhanden?

x

Welcher Entscheider verfügt über die Macht und den Einfluss im Entscheidungsmoment?

x

Welche Prognose über die Kaufentscheidung der Gruppe kann frühzeitig getroffen werden?

Sind auf der Nachfragerseite im Buying Center üblicherweise mehrere Personen betroffen, so trifft dieses – mindestens bei größeren Bauvorhaben – auf der Verkäuferseite der Anbieter ebenso zu. So bezeichnet man jene Gruppe von Mitarbeitern des anbietenden Unternehmens, die am Verkaufsprozess beteiligt sind, als „Selling Center“.

41

Merkmale der beschaffenden Organisation

Kauftyp

Buying Center

Beschaffungsverhalten der Organisation

Selling Center

Umwelt

Abb. 2.12

Buying Center vs Selling Center (Quelle: Backhaus, 2003, S. 64)

Die im Selling Center zusammengefassten Personen sind nun aufgefordert, sich spiegelbildlich auf die Verhaltensweisen ihrer Ansprechpartner einstellen. Sie selbst unterliegen ebensolchen Rollenverhalten und Einflüssen, wie sie im Buying Center bereits beschrieben wurden. Allerdings können wir davon ausgehen, dass die Intensität der gegenseitigen Beeinflussung und womöglich gegensätzliches Verhalten im Selling Center weitaus geringer ist, da die Interessenlage der Mitarbeiter des anbietenden Bauunternehmens einheitlicher auf den Verkauf selbst gerichtet ist. Die hier dargestellten Aspekte des Kaufverhaltens weisen in einer ersten Übersicht auf die vielen Einflussfaktoren auf Anbieter und Nachfrager hin und berühren in jeder Phase des Kaufabschlusses die drei Aspekte der NIÖ. Dazu wird nachfolgend zuerst auf den Einfluss des Property-Rights-Ansatzes eingegangen, um wichtige Teile der Rahmenbedingungen am Baumarkt zu beschreiben. Erst deren sorgfältige Analyse und die detaillierte Betrachtung der Wirkung des Kaufverhaltens einzelner Kunden in der individuellen Entscheidung für Bauleistungen bereiten den Boden für eine Ausrichtung des Bauunternehmens auf die Markterfordernisse, wirken sie nun in die Gestaltung des Leistungsprogramms, der Ressourcen, der Vertriebsleistung und des Bauprozesses bis in die Abnahme der Bauleistung hinein. 2.2.4.1

Der Einfluss Beratender Ingenieure auf das Kaufverhalten der Nachfrager nach Bauleistungen

Die meisten Nachfrager nach Bauleistungen im BtoB-Bereich haben ungenügende Kenntnis über die technischen Anforderungen von Bauleistungen bzw. keine Fachkunde über das Bauwesen. Ihnen fehlen Informationen über die Inhalte des technisch zu definierenden Bauwun42

sches, über die Bauabwicklung, über die dabei auftretenden Probleme und über die Qualifikation der Anbieter. Zwischen den Kunden von Bauleistungen und den anbietenden Unternehmen besteht häufig eine große Asymmetrie von Kenntnissen und Informationen. Deshalb lassen sich Baunachfrager von Beratenden Ingenieuren für Architektur, Tragwerksplanung, Haustechnik, Tief- und Straßenbau, Vermessung usw. beraten oder übertragen ihnen Entscheidungsrechte. Die Beratenden Ingenieure selbst fühlen sich in ihrem Selbstverständnis als Treuhänder ihrer Kunden, die deren Interessen verpflichtet sind und deren Anforderungen und Ziele formulieren und umsetzen helfen. Soweit der Bauherr sie beauftragt, sind sie das wichtigste Verbindungsglied zwischen Kunden / Bauherr und Lieferant / bauausführende Firma. In ihrer Tätigkeit als Treuhänder beeinflussen sie wesentlich dem Umfang der Bauleistung, die Formulierung der Leistungsanforderung an die anbietenden Bauunternehmen, den Umfang des Wettbewerbes, die Auswahl der anbietenden Firmen und unterstützen durch ihre Fachkunde den Kaufvorgang bis zum Vertragsabschluss. Insbesondere die von ihnen beschriebene Leistungsanforderung, die von ihnen wesentlich gestaltete Auswahl der beteiligten anbietenden Firmen und ihr Einfluss im Kaufentscheid führt sie zu einer besonders starken Stellung im Leistungsvergleich der anbietenden Bauunternehmen. Um die Wirkung der Beratenden Ingenieure auf den Wettbewerb der anbietenden Bauunternehmen und die Kaufentscheidung des Nachfragers beurteilen zu können, ist es wichtig die Details der Treuhandschaft zwischen Kunde und Beratenden Ingenieur und die Leistungsfähigkeit dieser Beratenden Ingenieure näher zu betrachten. Nachfrager nach Bauleistungen, also die Bauherren, beauftragen die Beratenden Ingenieure direkt. Eine Auswahl erfolgt selten in einem preislich qualitativen Wettbewerb sondern eher in Folge zufälliger Kontakte und Referenzen. Bei Architekten werden ca. 10% der Aufträge infolge eines primär qualitativen Wettbewerbes entschieden, bei dem Baukosten nur eine untergeordnete Rolle spielen. In Deutschland verbietet die Standesordnung der Beratenden Ingenieure eine aktive Werbung und Herausstellung der eigenen Leistungsmerkmale. Unter den Beratenden Ingenieuren in Deutschland findet ein öffentlicher Qualitäts- und Leistungswettbewerb (nach Umsatz und betreuten Projekten), wie in den USA vielfältig üblich (vgl. ENR Sourcebooks 2005 – Design firms), nicht statt. Beratende Ingenieure leisten ihre Aufgabe und werden bezahlt gemäß einer Honorarvergütung, die für die meisten Leistungsbereiche streng ausgerichtet ist auf das Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen von 1971 und der darauf fußenden Verordnung über Honorare (der HOAI – vom 01.01.1996). Leistungsumfang und -qualität, sowie die Vergütung der Beratenden Ingenieure unterliegt deshalb nicht dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Eine Optimierung ihrer Leistungen und der dahinterstehenden Baukosten im Wettbewerb zu anderen konkurrierenden Beratenden Ingenieuren findet kaum statt. Eine Besonderheit in der Zusammenarbeit zwischen Bauherren und Beratenden Ingenieuren ist darüber hinaus der Kontrahierungszwang, dem Bauherren unterworfen sind, da in Deutschland nur „bauvorlageberechtigte“ Beratende Ingenieure Bauanträge bei staatlichen Bauämtern stellen dürfen. 43

Kontrahierungszwang, Honorarfestlegung und die zumeist traditionelle Bauabwicklung in einzelnen getrennten Werken haben dazu geführt, dass – bezogen auf das Bauvolumen – in Deutschland dreimal so viele Architekten als Teil der Beratenden Ingenieure wie in den Niederlanden und zweimal so viele wie in Frankreich tätig sind (vgl. European Commission, 1994, S. 46). Die Mehrzahl dieser Beratenden Ingenieure sind in Büros mit weniger als zwanzig Beschäftigten tätig. Dieses behindert eine nachhaltige Spezialisierung und schränkt die Bildung von Erfahrung in einer Vielzahl von Bauprojekten wesentlich ein. Marktorientierung am Baumarkt verlangt vom Anbieter ganz wesentlich zu untersuchen, mit welchen Leistungsinhalten er seine Kunden zufrieden stellen kann. Also muss für die anbietende Bauunternehmung eine Analyse der Leistungsbereitschaft der Beratenden Ingenieure für die gemeinsamen Kunden erfolgen. Die große Anzahl von Beratenden Ingenieuren in Deutschland – im Vergleich zu den meisten anderen entwickelten Volkswirtschaften – lässt vermuten, dass die Bauherren besonders umfassend und intensiv und womöglich besonders gut bei der Durchführung von Bauinvestitionen beraten werden. Nachfolgende Aspekte der deutschen Bauwirklichkeit zeigen, dass es aber dennoch wesentliche Lücken in der Beratung und der Optimierung von Bauleistungen für den später nutzenden Kunden gibt: x Die Baukosten pro m² Nutzfläche sind in Deutschland die höchsten in Europa (vgl. Blecken, 1995, S. 130). Dabei ist ein Teil dieser erhöhten Kosten durch ungenügende Koordination der Vielzahl von planungs- und bauausführenden Partnern am Bauprozess verursacht (vgl. Blecken, Gralla, 1998, S. 25). x Die städtebauliche und architektonische Qualität der Bauten in Deutschland hebt sich nicht positiv vom Ausland ab, obwohl in Deutschland besonders viele Architekten tätig sind. x Nach dem Bauschadensbericht der Bundesregierung bestehen mindestens 8% der Baukosten aus fehlerhaften Leistungen, von denen ca. 40% der Planung zugerechnet werden (vgl. Hessing, 1996, S. 17). Trotz dieses Zustandes sind Architektur- und Ingenieurbüros in kaum nennenswertem Umfang nach der ISO 9001 zertifiziert. x Eine Spezialisierung auf bestimmte Bauaufgaben und nachfolgende Kostenoptimierungen sind bei den Beratenden Ingenieuren noch selten vorzufinden. Beispiele finden sich fast nur im Reihenhausbau, in kleineren Bereichen des Gewerbebaus oder in speziellen Industriemarktbereichen (Hochregallager, Nahrungsmittelfabriken). x Trotz umfassender Planung klagen die Bauherren über außerordentlich häufige Kostenüberschreitungen. Die Kostenvorausschätzungen der Beratenden Ingenieure für das geplante Bauwerk richten sich nach den Prozessstufen im Bauablauf. Für den einen klaren finanziellen Rahmen suchenden Investor sind die Kostenermittlungen allerdings nur eine eingeschränkte Entscheidungshilfe. BGH und OLG haben Fehlschätzungen der Beratenden Ingenieure von bis zu 58% als vertragsgemäß betrachtet und den Beratenden Ingenieur von einer Haftung für diese Art von Kostenschätzung weitestgehend freigesprochen (vgl. Pastor, Werner, 2005, S. 1017). Dagegen sind bei üblichen indus44

triellen Beschaffungsprojekten Kostenüberschreitungen von mehr als 10% ungewöhnlich. x Kaum ein Leistungsbereich der Volkswirtschaft arbeitet – von der Definition des Bauwunsches bis zur Endübergabe des Bauwerkes zum Kunden – mit so vielen Schnittstellen wie der Baubereich. Komplexe Investitionsgüter, wie Kraftwerke oder Flugzeuge, werden dagegen in einem einheitlichen Prozess vom Anbieter geplant und unter seiner Verantwortung in komplexer Wertschöpfung aber als einheitliche Verkaufsleistung dem Kunden zur Verfügung gestellt. Im klassischen Planungsprozess gemäß HOAI entsteht ein Bauwerk, geplant ohne Preis- / Leistungswettbewerb, das aber mit „hohem Wettbewerb und minimalem Gewinn der ausführenden Firmen erkennbar teurer erstellt wird als in anderen Ländern, ohne dass die Qualität für den Nutzer signifikant besser ist“ (vgl. Blecken, 1995, S. 130). Wenn berücksichtigt wird, dass bis zur Ausschreibung einer Bauleistung in den Leistungsphasen 1 – 3 der HOAI ca. 78% der Kosten eines Bauwerkes festgelegt sind (vgl. Volkmann, 1998, S. 99), muss im Management des Anbieters von Bauleistungen gefragt werden, in welcher Form sie Einfluss auf die Kundenzufriedenheit bei den von ihnen erstellten Bauobjekten nehmen können. Liegen die Ursachen für häufig empfundene mangelnde Qualität und hohe Kosten allein in der Bauausführung, wenn die Bauunternehmen auf 78% der Kosten eines Bauwerkes nur einen geringen Einfluss haben? Das anbietende Unternehmen ist also am Markt Problemen ausgesetzt, auf das es in der gegenwärtigen Marktsituation nur eine minimale Einwirkungsmöglichkeit hat. Deshalb ist es für den Anbieter von Bauleistungen unerlässlich, sorgfältig zu analysieren, welchen Einfluss in der technischen Leistungsbeschreibung ebenso wie in der letztlich kaufmännischen Kaufentscheidung der Beratenden Ingenieur hat. Der Umfang der angebotenen Bauleistung bis hin zum komplexen Leistungsbündel und der Grad der einzelnen Vertriebsbemühungen des Anbieters wird sich danach auszurichten haben. Der Freiheitsgrad für den Anbieter in der Angebotsformulierung und in der Leistungsoptimierung ist umso größer, je mehr der Beratende Ingenieur beim Kunden als Bestimmungsfaktor der Leistung und als Mitentscheider im Kaufprozess in den Hintergrund tritt. Große Baumärkte in den USA, in Teilen der EU und Asien kennen einen so umfassenden Einfluss von Beratenden Ingenieuren oder Architekten als Treuhänder des bauleistungsnachfragenden Kunden wie in Deutschland nicht. Selbstverständlich haben sie als unterstützende Wertschöpfungspartner an der Seite der Bauunternehmen dort eine äußerst wichtige Funktion zur Sicherung einer hohen Bauqualität und wirtschaftlichen Bauausführung. Aber dort wird ein Bauwerk im Regelfall schlüsselfertig dem Kunden erstellt. Diese Entwicklung nimmt – zeitverzögert – langfristig auch der Bauprozess in Deutschland. Der Schlüsselfertigbau und der Generalunternehmermarkt wuchsen hier von 1991 bis 1999 um über das Doppelte auf 58% der gesamten Hochbauproduktion (vgl. BWI Bau, 2001, S. 45). Dabei werden vielfältige

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Planungs- und Koordinationsaufgaben nicht mehr durch Beratende Ingenieure sondern durch Ingenieure und Architekten in Bauunternehmen übernommen. 2.2.4.2

Der Einfluss der Vergabeverfahren auf das Kaufverhalten

Nachfrage und Angebot nach Bauleistungen tauschen sich im Kaufprozess aus bis eine Entscheidung gefällt wird. Soweit dieser Kaufprozess standardisiert oder für öffentliche Auftraggeber gesetzlich festgelegt ist, wird auch von Vergabeverfahren gesprochen. Die Art der Auftragsvergabe bestimmt wesentlich den Zugang zu Bauaufträgen und die Möglichkeit der Einflussnahme der Anbieter auf die Entscheidung, wer den Auftrag im Vergabeverfahren erhält. Sie ist damit auch ein wesentlicher Teil der Property-Rights der NIÖ. Vergabeverfahren in Öffentliche Institutionen Im Wesentlichen gibt es im Bereich öffentlicher Auftraggeber drei Hauptverfahrensarten zur Vergabe von Bauaufträgen mit einer Vielzahl zusätzlicher spezieller Ausprägungen (Heiermann, Ax, 1997, S. 37 ff; Gralla, 1997). x In Öffentlicher Ausschreibung werden eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Die Aufforderung erfolgt öffentlich z. B. über Zeitung, Internet und die nachfolgende Vergabe erfolgt in Deutschland auf Basis des wirtschaftlich annehmbarsten Angebotes. Dieses ist jedoch fast immer das billigste Angebot mit dem niedrigsten Preis (vgl. Ingenstau, Korbion, 2004, S. 791). Nebenangebote kann der Anbieter vorlegen, sie müssen aber vom Nachfrager nicht angenommen werden. x Bei Beschränkten Ausschreibungen werden in beschränkter Anzahl Anbieter in öffentlicher oder begrenzter direkter Form zur Teilnahme an einem Bieterverfahren aufgefordert. Die Entscheidung über die Vergabe der unter den abgegebenen Angeboten erfolgt wie in Öffentlicher Ausschreibung. x In Freihändiger Vergabe wendet sich der öffentliche Nachfrager infolge einer Aufforderung zur Teilnahme am Bieterverfahren an eines oder nur wenige ausgewählte Bauunternehmen mit der Bitte um Abgabe eines Angebotes. Die Vergabe kann nun nach unterschiedlichsten Kriterien erfolgen, die weit über die eigentliche Bauleistung und deren Beurteilung hinausgehen können und in einem Verhandlungsverfahren entschieden wird. Die beschriebenen Vergabeverfahren sind rechtlich entsprechend der EU-Richtlinien bzw. gesonderter deutschen Verfahrensvorschriften streng reglementiert mit dem Ziel der Chancengleichheit aller Anbieter und der Verhinderung von Manipulationen der Entscheidung durch öffentliche Bedienstete. Dies wird unterstützt durch ein Vergabeprüfverfahren, welches Anbieter anstreben können.

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Vergabeverfahren bei Privaten Investoren Die privaten Investoren im BtoB-Bereich nutzen üblicherweise einzelne Elemente der für öffentliche Institutionen geltenden Verfahren, soweit sie ihnen praktikabel erscheinen, wie z. B. der öffentliche Teilnahmewettbewerb. Sie wenden in der Regel die Vergaberechtsvorschriften der EU-Richtlinien oder der VOB/A nicht an, sondern entscheiden die Wertung der Angebote zumeist in einem intensiven Verhandlungsverfahren nach den unterschiedlichen Kriterien, die sie selbst aufgestellt haben (vgl. Backhaus, 2003, S. 114). Für die weitere Betrachtung ist es wichtig, welchen Umfang an Bauleistungen die Kaufentscheidung des Kunden bzw. welchen Inhalt der spätere Auftrag an das Bauunternehmen haben kann. Der Umfang des Leistungsinhaltes richtet sich nach dem Grad der Detaillierung, der Leistungsbeschreibung, der Bereitstellung der Fachkunde beim Kunden selbst oder in der Hinzuziehung von Beratenden Ingenieuren. Daraus ergibt sich nämlich, ob die komplexe Bauleistung in Einzelgewerke aufgelöst und nach detaillierten Leistungsbeschreibungen angeboten werden soll oder ob sie im Rahmen einer funktionellen Leistungsbeschreibung in einem Generalunternehmerangebot oder inklusive Planungsleistung in einem Totalübernehmerangebot dem Kunden vorgelegt wird. Jede dieser Angebotsarten verlangt vom anbietenden Bauunternehmen andere Fähigkeiten und Bereitschaften zur wirtschaftlichen Risikoteilnahme. Je nach Art und Umfang der Bauanfrage ergeben sich auch unterschiedliche Möglichkeiten des anbietenden Unternehmens innerhalb der Vergabeprüfung des Kaufprozesses durch intensive Vertriebsbemühungen Einfluss auf die Wertung zu nehmen. So erfolgt – bezogen auf alle Bauleistungen – in der Mehrheit der Vergabefälle in Deutschland die Vorbereitung der Entscheidung für einen Bauauftrag auf Basis einer mit Mengen der Teilleistungen versehenen Leistungsbeschreibung durch den Beratenden Ingenieur. Dieser übernimmt für den Kunden als Treuhänder eine wesentliche Leistungsbeschreibungs-, Aufklärungs- und Entscheidungsfunktion. Der Baukunde beauftragt diesen Beratenden Ingenieur in der Hoffnung, dass dieser eine optimale Planung und eine zutreffende Ausschreibung erstellt und gemeinsam mit ihm eine ausführende Baufirma für eine gute technische Bauausführung aussucht, die den vom Beratenden Ingenieur vorher vorgeschätzten Kostenrahmen einhält. Die Entscheidung zur Auftragsvergabe fällt dann aus der Sicht des privaten Investors nach dem ihm am wirtschaftlichsten erscheinenden Angebot (vgl. Wischhoff, von Windau, 1995, S. 322). Während der Bauabwicklung wird zumeist später festgestellt werden, dass die vorgelegte Planung verbesserungsfähig ist, die zutreffende Ausschreibung Lücken aufweist und insbesondere Massenabweichungen zeigt und der vorher geschätzte Kostenrahmen nicht verbindlich ist. Der Bauherr trägt selbst das Massen-, Kosten- und Umsetzungsrisiko der vorgelegten Planung, die der Beratende Ingenieur in des Bauherren Namen den Baufirmen vorgegeben hat. Da insbesondere private Investoren dieses Risiko kaum erträglich finden, hat sich zunehmend in den letzten zehn Jahren die ganzheitliche Auftragsvergabe an Generalunternehmer oder To47

talübernehmer durchgesetzt und umfasst somit insbesondere im Hochbau des BtoB-Bereiches die Mehrheit der Vergabefälle. Es ist offensichtlich, dass die anbietende Bauunternehmung sich bei der Leistung einer schlüsselfertigen Bauleistung völlig anderen Anforderungen nach technologischer Befähigung, Risikotragung und Projektmanagement gegenübersieht als bei der Vergabe in Einzelgewerken. Da die schlüsselfertige Leistung ein viel höheres Leistungsniveau vom Bauunternehmen verlangt, werden bei den unterschiedlichen Leistungsbeschreibungen völlig unterschiedliche Fachgebiete und Arbeitsfelder angesprochen. Daraus ergeben sich divergierende Wettbewerbslagen weit über einzelne Segmente des Marktes der Anbieter von Bau- und Baunebenleistungen hinaus. Vergabeverfahren in den Niederlanden und den USA Eine völlig andere Vergabeart kennt die holländische Baupraxis. Die gegenseitigen Verpflichtungen im Vergabeverfahren öffentlicher Institutionen in den Niederlanden sind ähnlich wie in Deutschland (mit der VOB/A), im NBW (holländ.: Nieuw Burgerlijk Wetboek) und der UAV 89 (holländ.: De Uniforme Administrative Voorwaarden voor de uitvoering van Werken) geregelt (vgl. de Buhr 1994, Seite 1 ff; Moors, 1992, S. 2 f). Es werden üblicherweise 3 verschiedene Vergabeformen angewendet (vgl. Moors, 1992, S. 16; Tijhuis, 1992, S. 217; o. V. Technologiestiftung Berlin, 1996, S. 7): x

Die traditionelle Zusammenarbeit (holländ.: traditionele Samenwerking), bei der in gleicher Weise wie die deutsche Fachlosvergabe nach Leistungsbeschreibung durch einen Beratenden Ingenieur die Auftragserteilung an den billigsten Bieter erfolgt;

x

Die schlüsselfertige Arbeitsweise (holländ.: turnkey-werkwijze), in gleicher Weise wie in Deutschland erfolgt die Vergabe an Generalunter- bzw. übernehmer;

x

Das Bauteam (holländ.: De Samenwerking in een bouwteam).

Das Bauteam ist ein im öffentlichen Bereich zunehmendes, bei privaten Investoren das regelmäßig angewandte Vergabeverfahren. In ihm werden Planungs- und Ausführungsphasen nicht voneinander getrennt, sondern in Wechselwirkung geleistet. Der Bauherr hat mit oder ohne Unterstützung durch einen Beratenden Ingenieur aufgrund Marktkenntnis oder nach Vorentwurf ein Kostenbudget für seinen Bauwunsch nach Flächengröße und Nutzungsart festgelegt. Sodann setzen sich Beratender Ingenieur und Generalunternehmer unter Verantwortung des letzteren zusammen - vorher vom Bauherrn als qualifiziert und fachkundig ausgesucht - und erarbeiten einen Bauentwurf unter Berücksichtigung optimaler Kosten, Verfahren, Prozesse und gewünschter Qualität. Es besteht hohe Gestaltungsfreiheit nach Planungs-, Baustoff- und Verfahrensänderung (Bundesminister für Raumordnung, 1994, S. 120). Einigen sich Bauherr und Generalunternehmer auf einen Preis, ist der Auftrag vergeben. Erscheint dem Bauherrn der Preis immer noch zu hoch, gibt er dem bis dahin mitgestaltenden und mitkalkulierenden

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Generalunternehmer eine Vergütung für seine bisherige Arbeit, die „Abstandserklärung“ und sucht sich im Verhandlungsverfahren einen ihm genehmen anderen Generalunternehmer. Völlig unterschiedlich zur deutschen Praxis ist, dass in den USA in der Vergabeentscheidung das Verhandlungsverfahren die Regel ist, auch bei öffentlichen Verfahren, dem „public-bid“. Die ganzheitliche Betrachtung über alle Aspekte der Bauentscheidung – nicht nur des Preises – wird dadurch festgelegt, dass es in den USA nur eine geringe Anzahl von freischaffenden Architekten und Beratenden Ingenieuren im Vergleich zu Deutschland gibt und deshalb die funktionale Ausschreibung üblich ist. Dazu ist der Bauherr nicht bereit, wie in Deutschland bei einer Fachlosvergabe hohe Risikopotenziale selbst zu tragen. Deshalb haben sich folgende Vergabeverfahren als bestimmend herausgestellt: a) Vergabeverfahren, in denen der Nachfrager eine Vorplanung vor dem Vergabeprozess durch Bauunternehmen oder Beratende Ingenieure hat erstellen lassen, um sie als Basis einer Ausschreibung zu nehmen, wobei die anbietende Bauunternehmung die Durchführbarkeit dieser Planung garantieren muss. Das Risiko liegt eindeutig beim anbietenden Unternehmen. Die Vergabeentscheidung fällt üblicherweise infolge einer beschränkten Ausschreibung, in der die Bauunternehmen anbieten, wie viele „Geschäftskosten“ (engl.: fee) sie zusätzlich zu den reinen Herstellkosten für das Objekt verlangen („cost + fee“-Verfahren). Nur ausnahmsweise wird das in Deutschland zumeist übliche Verfahren einer Ausschreibung gemäß Leistungsverzeichnis mit anschließender Entscheidung über das billigste Angebot getätigt (dem „Traditional Project Delivery“). b) In den meisten Verfahren zur Bauvergabe gibt der Nachfrager in den USA nur das Funktionsprogramm seines Bauwunsches vor. Die Baufirma analysiert dieses Funktionsprogramm und erstellt ihr Angebot aufgrund einer ersten Planstudie. Das Angebot enthält die Leistung von Planung und Baudurchführung im Design-Build-Prozess. Im Vergabeverfahren werden angebotene Leistung und der damit verbundene Preis optimiert. Der Nachfrager fällt letztlich eine ganzheitliche Vergabeentscheidung, die alle Aspekte berücksichtigt (Design-BuildVerfahren) – siehe auch Kapitel 4.1.1.6.1. Soweit der Planungsprozess beim Nachfrager während der Vergabe nicht abgeschlossen ist oder wesentliche Gestaltungen nach der Vergabe geklärt werden müssen, kann das DesignBuild-Verfahren ergänzt werden durch das Instrument des „Garantierten-Maximal-Preises“ (vgl. Cadez, 2000, S. 20). Hierbei entscheidet der Kunde seine Vergabe nicht aufgrund eines festen Preises, sondern er erteilt den Auftrag zu einem Maximalpreis einer festgelegten groben Gestaltung. Beide Parteien wissen, dass im Rahmen des sich daran anschließenden Planungsprozesses die Gestaltung sich fortlaufend konkretisiert mit dem Ziel, zu einem günstigeren Gestaltungsniveau zu kommen. Soweit dieses dann auch zu niedrigeren Kosten führt, teilen die beiden Vertragspartner sich die Ersparnisse zum Maximalpreis quotal.

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Je nach Art des Ablaufes des Kaufprozesses und der juristisch festgelegen Vergabeverfahren ergeben sich für das marktorientierte Bauunternehmen eine Vielzahl von Einflussmöglichkeiten auf die Auftragsentscheidung des Kunden. Mögliche Präqualifikationsverfahren im Teilnahmewettbewerb, wirtschaftlich günstige Produktionsverfahren mit wettbewerbsfähiger Preiswürdigkeit, alternative Baulösungen durch verbindliche Sondervorschläge und Verhandlungsgeschick in sorgfältig vorbereiteten Verkaufsgesprächen sind die wesentlichsten Aspekte, auf die sich ein marktorientiertes Unternehmen ausrichten muss. Wenn dann über die reine Bauleistung hinaus noch Leistungen in der Planung, der Finanzierung, der Wartung und der Betreibung der Bauinvestition vom Kunden abgefordert werden, zieht die Zusammenfassung dieser unterschiedlichsten Leistungsbereiche im Bauprojekt ganzheitliche Vergabeentscheidungen des Kunden nach sich, auf die der Anbieter in einer Vielzahl von Maßnahmen entscheidend eingreifen kann, um den Auftrag für sich zu sichern (vgl. Blecken, Hasselmann, 1997, S. 111ff; Gralla, 1999, S. 230, S. 347). Damit ist die vom Kunden gewählte Art des Vergabeverfahrens für das anbietende Bauunternehmen ein weiterer Einflussfaktor des zu beachtenden Kaufverhaltens. Leistungsumfang, Angebotspräsentation, Preisbildung, Wettbewerbslage und Entscheidungsfindung hängen von der Vergabeart ab und beeinflussen so den Marktauftritt des Anbieters. Die hier empirisch beschriebenen Rahmenbedingungen aus anderen Volkswirtschaften zeigen, dass Transaktionen am Baumarkt sehr unterschiedlich verlaufen können, trotz mindestens gleichwertigem Endergebnis für den nachfragenden Kunden. Die sichtbar werdenden alternativen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen dem anbietenden Bauunternehmen Wege zur Bearbeitung von Märkten, in welchem Umfang und in welcher zeitlichen Wirkungsweise auch immer. Gerade die stetige Zunahme des Schlüsselfertigbaus in Deutschland hat – viel schneller als von vielen erwartet – Vergabeinhalte massiv verändert, das Leistungsbild und den Arbeitsumfang der Beratenden Ingenieure stark verändert und damit in diesem Marktsegment den Auftritt des Bauunternehmens im Kaufprozess wesentlich beeinflusst. Aus den z. Z. bestehenden Besonderheiten der Rahmenbedingungen – der Property-Rights der NIÖ – am deutschen Baumarkt muss das anbietende Bauunternehmen sich sorgfältig ausrichten. Das Kaufverhalten vieler Nachfrager wird durch Vergabeverfahren beeinflusst und durch die Hinzuziehung der Beratenden Ingenieure komplexer. Beide Aspekte können für den Nachfrager eine objektiv wesentlich höhere Qualität und Zufriedenheit mit der erworbenen Bauleistung erzeugen. Aber auch sehr negative Wirkungen von suboptimalen Qualitäten, hoher Kosten und überlanger Bauzeiten sind festgestellt worden. Der Anbieter von Bauleistungen wird deshalb die Aspekte der Property-Rights in Deutschland und in anderen Märkten analysieren und seine Handlungen darauf ausrichten, wie er den zusätzlichen Einfluss und den erweiterten Zwängen begegnet, sich auf sie einstellt oder womöglich sie durch völlig andere Arbeitsweisen teilweise oder ganz umgeht. Beispiele in ande-

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ren Ländern und die Gestaltungsvorschläge der Kapitel 3 und 4 zeigen Möglichkeiten dieser Ausrichtung auf. 2.3

Der deutsche Baumarkt im internationalen Vergleich

2.3.1 Statistische Grundlagen über den deutschen Baumarkt Die Bauwirtschaft – ob in den alten Bundesländern oder im vereinten Deutschland – ist seit Bestehen einer Marktwirtschaft von 1949 bis heute sehr stark von zyklischen Verläufen der Nachfrage geprägt worden. Wachstumsphasen von 1949 – 1964 (mit über 2 Mio. Beschäftigten im Bauhauptgewerbe), von 1978 – 1982 und von 1990 – 1995 wurden von rezessiven Phasen von 1966 – 1969, 1973 – 1975 und 1983 – 1988 sowie letztlich einer schrumpfenden Phase seit 1995 (mit 0,68 Mio. Beschäftigten 2005) im Bauhauptgewerbe abgelöst. Während sich jedoch die Nachfrage von 1949–1995 in Wellenbewegungen auf einen Höchstwert des Bauvolumens hin bewegte, nimmt die seit 1995 eingetretene Schrumpfungsphase einen völlig anderen Verlauf. Die Veränderungen sind nun grundsätzlicher Art. Die Globalisierung der Wirtschaft führt zu anderen Produktionsstrukturen in Deutschland mit sich nachfolgend verändernden Bauwünschen, die öffentlichen Haushalte mindern kontinuierlich ihre Investitionen und durch demografische Veränderungen, anderem Konsumverhalten der Verbraucher und einer zunehmend starken staatlichen Reglementierung der Mietverhältnisse am Wohnungsmarkt müssen Rückgänge von über 70% in der Nachfrage nach Wohnneubauten konstatiert werden. Der Baumarkt ändert sich quantitativ und qualitativ. Seine aktuelle Größe zeigt Abb. 2.20. BIP 2.115 Mrd. € (2004)

Vorleistung

./.

Bauproduktion

=

./.

Baureparatur

=

Bruttowertschöpfung 82,6 Mrd. € (2004)

Bauinvestition 210 Mrd. € (2004) Bauvolumen 231 Mrd. € (2004)

Alte BL Neue BL

Abb. 2.13

82% 18%

Wohnbauten 55,8% Wirtschaftsbauten 28,7% Öffentl. Bauten 15,4%

Strukturdaten zur Bauproduktion 2004 in aktuellen Preisen in € (Quelle: Statistisches Bundesamt, www.d-statis.de v. 12.1.06)

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Im Bauvolumen enthalten sind die umfangreichen Ausgaben besonders der privaten Bevölkerung in der Konsum-Renovation („Do it yourself“, „Schwarzarbeit“ usw.). Betrachten wir allein dagegen die in gewerblicher Form produzierten Leistungen der Bauwirtschaft, so sind daran beteiligt (vgl. BWI, 2004, S. 1): 32,2% erbracht durch Betriebe des Bauhauptgewerbes und der Bauindustrie (Abbruch, Hoch- und Tiefbau, Straßenbau) 38,2% erbracht durch Betriebe aller Ausbaugewerbe (Heizung, Maler, Klempner, Zimmerer usw.) 8,2% erbracht durch Planungsbüros und öffentliche Bauplanungsstellen 21,4% erbracht durch Sonstige Gewerbe (Gartenbau, Montagebau usw.) 100% des Bauvolumens, soweit es in gewerblicher Tätigkeit erstellt wird Die rund um das Bauen beteiligten Industrie- und Gewerbezweige stellen – wenn auch abnehmend – immer noch den größten Wirtschaftszweig in Deutschland dar. Bei einem BIP von 2004 von 2.115 Mrd. € ergibt sich für die Unternehmen im Baubereich allgemein ein Anteil von ca. 4,4% an der Bruttowertschöpfung. Dem gegenüber weisen die Branchen Fahrzeugbau (3,3%), Maschinenbau (3,2%) und Elektrotechnik/Optik/Informatik (3,1%) einen geringeren Anteil an der Volkswirtschaft auf (vgl. Statistisches Bundesamt 8/2002, Statistisches Bundesamt, www.destatis.de v. 12.1.06). Bauproduktion und Bauvolumen haben sich in den vergangenen 15 Jahren außerordentlich einseitig verändert. Die Ausweitung um ca. 46% durch die Wiedervereinigung und die nachfolgende Schrumpfung seither bis 2005 und damit für Gesamtdeutschland auf niedrigere Werte, als sie in der Bundesrepublik von 1989 vorgefunden wurden, zeigt einerseits die Beweglichkeit dieses Wirtschaftszweiges in der Ausweitung seiner Kapazität, andererseits aber auch seine heutigen existenziellen Sorgen.

Bauproduktion Renovation Bauvolumen

1989 (BRD) 165,0 21,3 186,3

1994 246,0 26,7 272,6

1995 235,4 25,8 261,2

2001 163,8 19,8 183,7

2004 ca. 172,8 ca. 25,0 197,8

Abb. 2.14 Bauproduktion Deutschland (in Preisen von 1991) Mrd. € (Quelle: IZP 1/2001, S. 51, Statistisches Bundesamt, Referat II 4, S. 2, 2005)

Begleitet wird die Entwicklung von einer kumulierten Steigerung der Baupreise von 1986 – 1995 um ca. 30% und einer seitherigen Preiskonstanz der Bauleistungen bei ansonsten mit durchschnittlich 2 – 3% steigenden Verbraucherpreisen (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachreihe 17/4 v. 6.1.06). Wurden im wichtigsten Marktsegment, dem des Wohnungsbaus 1988 in Westdeutschland ca. 200.000 Miet-Wohneinheiten erstellt, so waren es in der Spitze der Nachfrage 1995 in Deutschland 610.000 Wohnungen und werden im Jahre 2006 noch ca. 210.000 Wohneinheiten erwartet. Das ist ein Rückgang um über 65% (vgl. Statistisches Bundesamt, Baumarkt und Bauwirtschaft, Heft 9, 2004; vgl. NOZ v. 07.02.2006). Die kommunalen Bauinvestitionen wurden (zu Preisen von 1992) in Deutschland 1990 von ca. 26,6 Mrd. € 52

auf 2004 von ca. 13,86 Mrd. € fast halbiert (vgl. BWI, 2002, S. 48; Statistisches Bundesamt, Ausgabe 226, Januar 2006). Besonders der Vergleich zu anderen europäischen Nationen weist auf einige wichtige Aspekte in der Schrumpfung des Baumarktes hin: x

In Deutschland wurde bisher wesentlich mehr für Bauinvestitionen ausgegeben als in Großbritannien, Frankreich und Italien.

x

Bauinvestitionen im Verhältnis zum BIP liegen trotz einer Reduzierung um ca. 30% seit 1995 in Deutschland immer noch zu Beginn 2003 über 20% höher als in Frankreich und Italien (siehe Abb. 2.14) und über 10% höher zur EU der 15 Mitglieder (in Preisen von 1995).

x

Wenn sich die Bauinvestitionen in Europa auf dem unteren Niveau angleichen, wird also – im Verhältnis zum BIP – der deutsche Baumarkt ab 2003 nochmals um ca. 20% schrumpfen, soweit nicht eine europaweite Belebung eintritt.

x

Im Jahre 2003 lagen die Bauinvestitionen je Einwohner in Deutschland bei 2.520 €. Der Durchschnitt der EU lag bei 2.430 €, Frankreich bei 2.320 €, Großbritannien bei 2.250 € (vgl. Eurostat nach Hauptverband der deutschen Bauindustrie v. 4.3.05).

x

Seit 1996 entkoppelt sich Wirtschaftswachstum und Bautätigkeit. Seither steigt das BIP stetig und mäßig, sinkt aber das Bauvolumen stetig und stark (vgl. Weitz, 2005, S. 12).

x

Der Anteil der Bauinvestitionen an den Bruttoanlageinvestitionen der gewerblichen Wirtschaft sinkt von 1970 durchschnittlich 23% auf 12% in 2002 (vgl. Kraus, 2004, S. 12).

(%/100) 0.16 0.15 Germany

0.14 0.13 0.12 0.11

France

0.10 0.09 0.08 0.07

Italy 1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Source: Thomson Financial Datastream

Abb. 2.15

Bauinvestitionen im Verhältnis zum BIP in konstanten Preisen in Deutschland, Frankreich und Italien (Quelle: Dresdner Kleinwort Wasserstein, 21.10.2003, S. 9)

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Die zurückgehende Bedeutung der Bauwirtschaft zeigt sich auch in der Entwicklung der Bauinvestitionen, trotz der Einbeziehung der fünf neuen Bundesländer seit 1990. Die realen Bauinvestitionen in Deutschland sind seit 1975 um insgesamt 10% real gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt dagegen real um 70%. Parallel ging die Bauwirtschaft (ohne Ausbau) im Anteil der Wertschöpfung an der Volkswirtschaft immer mehr zurück, nämlich von 8% 1975 auf ca. 4,4% 2003. Dabei stieg (seit 1975) in allen Wirtschaftsbereichen die Wertschöpfung jährlich um 2 – 5%, nur in der Bauwirtschaft sank sie seit 1980 mit Jahresraten um 0,5 – 1% im Mittel (vgl. Grömling, 2001, S. 11, S.16). Bauarbeit ist mit langen Wegen zwischen Wohnort und Baustelle verbunden. Die Baubeschäftigten kommen eher aus wirtschaftlich schwächeren ländlichen Randzonen der deutschen Ballungsgebiete – nicht zuletzt, weil Bauarbeit oft auch weniger Qualifikation und Ausbildung benötigt als jene in hoch technisierten Industriebereichen. Die Schrumpfung der Branche seit 1996 und die Öffnung der Arbeitskräftemärkte in der EU und nach Osteuropa hin hat starke Arbeitsplatzverluste für deutsche Beschäftigte in der Bauwirtschaft zur Folge. Im Kernsegment des Bauhauptgewerbes/Bauindustrie waren 1994 1.533.000 Beschäftigte tätig, im September 2005 verblieben davon ca. 689.000. Man schätzt parallel den Einsatz nicht so hoch vergüteter zumeist osteuropäischer Beschäftigte, vornehmlich in Nachunternehmerverhältnissen, auf ca. 200.000 – 250.000 Personen (vgl. FAZ, 27.06.2000, S. 17). Da diese ausschließlich im produzierenden Bereich des Hochbaus tätig sind, kann man z. Z. annehmen, dass im Hochbau ca. 40% aller auf der Baustelle Tätigen Ausländer sind. Dies ist ein Grund für die geringe Arbeitsproduktivität, die 2000 um 20% niedriger als 1975 war (Grömling, 2001, S. 47). Das Bild der Unternehmen in der Bauwirtschaft wird von Kleinbetrieben geprägt. Über 88% der ca. 76.000 Betriebe sind Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigen. Nur ca. 800 Betriebe haben mehr als 100 Beschäftigte. Der größte innerdeutsche Anbieter, die Strabag AG, verfügt über ca. 7.000 Beschäftigte in 2005, während bei der VW AG alleine in Deutschland über 100.000 Mitarbeiter tätig sind.

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1,2 % mit > 100 Beschäftigte

50-99 B. 2,1 %

20-49 B. 7,9 %

76.612 Betriebe

88,8 % mit < 20 Beschäftigte

Abb. 2.16 Betriebsgrößenstrukturen im deutschen Bauhauptgewerbe 2003 (Quelle: Statistisches Bundesamt, Zeitschrift „Baumarkt“, Heft 3/2004)

Es ist auffallend, dass der Beschäftigtenrückgang seit 1995 vonstatten ging bei einer um 5% gestiegenen Unternehmenszahl. Den größten prozentualen Rückgang haben Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitern und dabei insbesondere die fünf größten – zumeist börsennotiertenBauaktiengesellschaften zu vermelden. Unternehmen mit weniger als 100 MA

Unternehmen mit mehr als 100 MA

1995

67,4%

32,6%

2004

80,3%

19,6%

Abb. 2.17

Beschäftigte im Bauhauptgewerbe nach Betriebsgrößen (Quelle: Statistisches Bundesamt, Betriebserhebung Baugewerbe 2005, Zeitschrift „Baumarkt“, Heft 11/2000)

Die Vielzahl der kleinen Unternehmen sind im Reparatur- und Nachunternehmerbereich oder im Einfamilienhausbau tätig. Ca. 88% der Betriebe schafften 1998 25,5% der bauwirtschaftlichen Umsätze, während 1,2% der Unternehmungen, die zugleich mehr als 100 Mitarbeiter hatten, für 42,5% des Umsatzes standen (vgl. Verband der Bauindustrie, 2001, S.25). Die im Alltagsbild – außerhalb des Einfamilienhausbaus – üblichen und bestimmenden Projekte des Hoch- und Tiefbaus sind zumeist diesen 1,2% aller Bauunternehmen zuzurechnen. 2.3.2

Der Baumarkt in der EU

Der Baumarkt in der Europäischen Union bietet zur Jahrtausendwende ein sehr unterschiedliches Bild. Während in Spanien, Portugal und Irland hohe Wachstumsraten zu verzeichnen sind, haben sich die Marktteilnehmer in Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Schweden 55

und der Schweiz nach rezessiven Abschnitten Anfang der 90er Jahre neu positioniert und arbeiten in profitablen, ausgeglichenen Marktstrukturen. Allein der deutsche Baumarkt, der 1995 noch einen Anteil am BIP von ca. 15% hatte (vgl. IZP 1/2000, S. 54), verläuft weiter in einem nachhaltigen Schrumpfungsprozess. Land

Bauinvestitionen Mrd. €

Anteil Bauwirtschaft am BIP

D I F GB SP NL CH SW

208 113 143 134 113 54 30 18

9,8 8,7 9,2 8,4 15,2 11,8 10,6 6,7

Polen Tschechien

21 12

11,4 14,6

Abb. 2.18

Anzahl Erwerbstätige im Baubereich % der Gesamtbeschäftigen

4,4 (2005) 7,9 6,6 (2005) 5,7 (2005) 15,5 (2005) 6,3 7,1 5,5 5,3 7,5

Bevölkerung Mio.

82,5 57,3 59,6 59,3 40,7 16,2 7,3 8,9 38,6 10,3

Strukturdaten des europäischen Baubereiches (inkl. Renovierung, Umbau, Ausbau) 2001, 2005 (Quelle: Deutsche Bauindustrie, Baustatistisches Jahrbuch, 2004, S. 95; Eurostat v. 21.1.06)

Es erscheint realistisch, dass mittelfristig ohne eruptive äußere politische Veränderungen der europäische Baumarkt sich zwischen 7 und 11% des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausrichten wird, wobei die niedrigere Zahl für die entwickelteren nördlichen EU-Staaten, die höhere Zahl für die südlicheren oder östlicheren Mitglieder anzunehmen sein wird (vgl. Weber, 1989). Diese Entwicklungen sind zum Teil schon in den letzten Jahren eingetreten oder brechen sich – wie in Deutschland – aktuell Bahn. Die dabei zu Tage tretenden Mängel, Probleme und Marktverwerfungen sind vorausschauend sehr sorgfältig 1994 von der Europäischen Kommission in ihrem „Atkins-Report“ beschrieben worden (vgl. European Commission, 1994). Der Report sah damals die Gefahr, dass das Bauwesen in der EU sich entwickelt… x

…in eine unwichtige, in viele Einzelteile getrennte Industrie;

x

…in einen Bereich für die Beschäftigung vornehmlich untrainierter Arbeiter;

x

…zu einem Gewerbe, das zum niedrigsten Preis mangelhafte Leistungen für Öffentlichkeit, Gewerbe und Umweltschutz bereitstellt und mit rückgängiger Beschäftigung, abnehmenden sozialen Bedingungen der Arbeit und geringerer Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen hat;

falls nicht wesentliche Änderungen von Seiten des die Rahmenbedingungen festlegenden Staates oder der Marktteilnehmer angefasst werden. Da die europäische Integration stark wachsende Verflechtungen mit sich bringen wird, werden zwar einerseits neue Infrastrukturen und Gebäude gebraucht, ändern sich aber andererseits auch die Rahmenbedingungen der 56

Branche und erhöht sich der grenzüberschreitende Wettbewerb, insbesondere seit der EUErweiterung 2004. Dies zeigt sich besonders darin, dass: x

neue Technologien neue Anforderungen bringen werden;

x

Änderungen im Bauprozess neue Managementtechniken bedingen;

x

der Arbeitsmarkt in Europa sich gravierend mit völlig neuen Angebotsstrukturen ändert durch die Niederlassungsfreiheit spätestens nach 2009;

x

der Umweltschutz immer wichtiger wird;

x

die Kostenunterschiede unter den EU-Staaten sich auf das untere Niveau einpendeln werden.

Während die Nachfrage in staatlichen Sektoren in ganz Westeuropa zurückgehen wird, wäre die Nachfrage in gewerblichen und privaten Sektoren durchaus entwicklungsfähig, wenn das Angebot mehr Qualität und Kosteneffizienz beweisen würde. Große Kostensenkungspotenziale erscheinen nicht ausgeschöpft, laufende Innovation und Standardisierung sind wenig entwickelt, Garantien und Ablaufkontrollen werden ungenügend beachtet. So attraktiv die europäische Landschaft, ihre Städte und Infrastruktur sowie die darin stehenden Gebäude auch sind, die hierfür aufgewendeten Kosten werden mittelfristig in Europa nicht mehr aufgebracht werden können. Während im US-Bauwesen die Standardisierung von Bauteilen und Ausbaukomponenten stark forciert wurde und in Japan ein rigoroses Zeit- und Qualitätsmanagement weit verbreitet ist, zeigt sich das Fehlen beider Elemente als das grundlegende Problem der europäischen und speziell der deutschen Bauwirtschaft. Dazu fehlt in den meisten EU-Staaten, anders als in den USA (z. B. durch das Corps of Engineers der US-Armee), das staatliche Interesse an der Entwicklung des Baubereiches, wie es in anderen Gebieten der Flugzeugindustrie, der Biotechnologie und der Autoindustrie zu sehen ist, obwohl der Baubereich im weiteren Sinn (inkl. Renovation) die meisten Beschäftigten in der Volkswirtschaft hat und hier ca. 10% des BIP der EU erwirtschaftet werden. Die Entwicklung der einzelnen Betriebsgrößen von Bauunternehmen hat zu unterschiedlichen Anbieterstrukturen geführt. In Schweden und den Niederlanden hat es auf der Anbieterseite zu einem raschen Anstieg der Konzentration auf große Bauunternehmen geführt, die häufig als Totalübernehmer alle Leistungen von der Planung über den Bau bis ggf. zur Betreibung anbieten. Die 10 größten Firmen haben in Schweden einen Marktanteil von 60%, in Großbritannien und Frankreich von 20% und in Deutschland von unter 10% vom Marktvolumen (vgl. Girmscheid, 1997, S. 8; Hirschbil, 1988, S. 150; o. V. Europe, 11/1995). Allein die Firma Skanska, Schwedens größte Baufirma, erzielte 1999 mit 10 Mrd. € wesentlich mehr Umsatz als die damaligen größten deutschen Bauunternehmungen Hochtief AG oder Holzmann AG. Aber diese Firma hat auch aus der Veränderung geprägte Ziele, wie Skanska’s CEO Claes Björk feststellt:

57

„What we have always tried to do is to get our customers to look at the broader picture, rather than just competing on price. Only 22% of our turnover comes from the price-competitive part of the market…..We compete on added value.” (Construction Europe, 2000, S. 71) Die Bemühungen der holländischen Bauwirtschaft, z. B. die Kosten im Wohnungsbau durch innovative Konzepte wesentlich zu reduzieren (30% niedriger als ein vergleichbares deutsches Niveau), haben erst Platz gefunden, als durch Wegfall staatlicher Zuschüsse von 1992 – 1994 der Wohnungsmarkt infolge mangelnder Nachfrage fast zusammenbrach und nur für jene Marktteilnehmer neue Absatzmöglichkeiten entstanden, die fundamental bessere und preiswertere Angebote vorstellten (vgl. van Gool et al., 1999, S. 11). Heute, zehn Jahre nach Erscheinen des Atkins-Reports haben sich die befürchteten Missstände, insbesondere in Deutschland, als eingetretene Fakten gezeigt, ohne dass die dort beschriebenen Handlungsalternativen wesentlich im täglichen Geschäft umgesetzt wurden. Das Verhalten der Marktteilnehmer in der Schrumpfung der Baubranche verläuft deshalb entsprechend der in der wissenschaftlichen Forschung beschriebenen theoretischen Abläufe (s. Kapitel 3.2.1.5 dieser Arbeit). Dabei sind neue Strukturen in Deutschland noch nicht nachhaltig sichtbar. 2.3.3

Der Baumarkt in den USA

Der amerikanische Baumarkt hat bis zum Jahre 2000 ein außerordentliches Wachstum in den 90er Jahren hinter sich und mündete ab September 2001 in eine Beruhigung (vgl. ENR 14, 2003, S. 29). Auf der Basis eines nachhaltigen Bevölkerungswachstums und einer sich weiterhin positiv entwickelnden Wirtschaft sind bei einer etwas mehr als dreifachen Anzahl an Bewohnern als in Deutschland die öffentlichen Bauinvestitionen mit 185 Mrd. $ fast siebeneinhalbmal so hoch wie jene in Deutschland mit 25 Mrd. € (vgl. ENR, 2/2001, S. 28). Die stark wachsende Nachfrage im privaten Wohnungsbau und im Gewerbe- und Industriebau haben zu einer überaus positiven Entwicklung der amerikanischen Bauwirtschaft beigetragen. Diese Prosperität hat der Branche geholfen, neue Arbeitsstrukturen zu finden, höhere Qualitäten zu erzeugen und eine Fülle neuer Instrumente zur Befriedigung von Bauwünschen ihrer Kunden hervorgebracht. Seit jeher ist – eben wegen fehlender strenger Ausbildungsverfahren und Regelungen im Handwerk – in den USA die Umsetzung von Bauwünschen ganzheitlich gesehen worden. Beratende Ingenieure sind in der Regel als Dienstleister Nachunternehmer der Bauunternehmen und weniger als Berater des Endkunden tätig. Die wesentlichen Unterschiede zum deutschen Baumarkt zeigen sich: x Seit über 100 Jahren ist der Schlüsselfertigbau die übliche Bauform im Hochbau und zunehmend auch im Tiefbau. x Seit den 40er Jahren beginnt die Entwicklung von Design-Build-Konzepten, der Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren innerhalb der Bauunterneh-

58

x

x

x

x x

mungen mit dem Ziel dem Kunden kostengünstige Angebote trotz hoher Individualität zu bieten. (Design-Build-Institute, 1994). Seit den 60er Jahren (Apollo Programm) werden Verfahren des Projektmanagements und der Zeitplanung umfassend angewendet (Ahuja, Dozzi, Abanrizik, 1994). Seit Ende der 70er Jahre werden qualitätsverbessernde Methoden für das Bauen adaptiert und in den 80er Jahren mit Methoden des Total Quality Managements perfektioniert (Crosby 1980, Chase 1993 a, 1993 b; Hellard 1993). Seit den 90er Jahren werden Vergabeverfahren des Garantierten-Maximal-Preis durchgeführt und werden in der Projektdurchführung neue Methoden der partnerschaftlichen Zusammenarbeit im „Partnering“ angewendet (Stephenson 1996, Hellard 1995). Die Bauunternehmen und Beratenden Ingenieure richten sich zunehmend aus auf genau GH¿QLHUWH0DUNWVHJPHQWHPLWVSH]LHOOHQ$QIRUGHUXQJHQ Die Umsetzung von Werkzeugen des Marketing wie Kommunikation, Produktmanagement, Zusatzangebote baunaher Dienstleistungen und Kostenreduktion bei gleichzeitiger Steigerung des Kundennutzens ist allseits zu erkennen.

Die hier entwickelten Markt-, Produktions- und Angebotsformen haben kundenorientierte Lösungen erbracht, um jene Problemen einer Lösung zuzuführen, wie sie in der Neuen Institutionen Ökonomik beschrieben werden. Amerikanische Bauunternehmen versuchen in einer Vielzahl von Prozessen für ihre Kunden günstige Transaktionsbeziehungen herzustellen und Vertrauen zwischen Kunde (principal) und Anbieter (agent) institutionell entstehen zu lassen. Eine Fülle von Schnittstellen wie am deutschen Baumarkt wird vermieden, Risiken werden sauber definiert und zumeist von den Anbietern getragen. Es fällt auf, dass trotz des sehr viel größeren Baumarktes in den USA die größeren Baufirmen keine größeren Umsätze als ihre Kollegen in den europäischen Staaten erzielen. Der Bechtel Group Inc. als größtem Bauunternehmen mit 19,8 Mrd. $ Umsatz in 2003 folgen die nächsten 30 größten Baufirmen mit einem durchschnittlichen Umsatz von ca. 2,5 Mrd. $ (vgl. ENR Sourcebook Contractors May 17, 2004, S. 65). Diese Unternehmen mit Standorten überall in dem unvergleichlich größeren Land sind völlig anders organisiert als deutsche Bauunternehmen. Aufgeteilt in Profit Center, arbeiten Architekten und Ingenieure unter einem Dach ganzheitlich in Geschäftsbereichen zusammen, die auf spezielle Kundensegmente ausgerichtet sind. Die Umsatzrenditen dieser Bauunternehmen liegen im Durchschnitt über 5% p. a. vor Steuer und damit 2-5 mal höher als die Werte deutscher Baufirmen. Während in Deutschland eine Vielzahl öffentlicher Stellen im Bund und 16 Ländern Einflüsse auf den Bau ausüben, wird der Bausektor in den USA sehr stark entwickelt durch Forschungsbemühungen allein aus dem US-Verteidigungsministerium (Department of Defense) und seinen Abteilungen für Bauingenieurwesen (Corps of Engineers). Darin werden neben 59

der Förderung der Bautechnologie auch neue Angebots- und Vergabeformen und die Anwendung erprobter Managementwerkzeuge aus anderen Branchen gefördert. Ergebnis dieser ganz anderen Strukturen sind wesentlich günstigere Baukosten je Nutzungseinheit, eine klare Risikoverteilung hin zum Bauunternehmen, eine höhere Spezialisierung der Betriebe, die dazu noch über wesentlich höhere Ertragsmargen berichten können. Die Bauzeiten sind kürzer und durch das ganzheitliche Planen und Bauen werden höhere Qualitätsansprüche erfüllt. Der Vergleich des deutschen Baumarktes mit den Märkten in anderen Ländern zeigt, dass… x

…das gesamte Bauvolumen in vergleichbar entwickelten Ländern von Art, Inhalt und Menge sich wesentlich unterscheiden kann, trotz ähnlicher Nutzenerfüllung;

x

…in anderen Märkten Angebots- und Nachfrageformen vorliegen, die durchaus in Deutschland möglich erscheinen und somit Handlungsspielräume eröffnen;

x

…die Konvergenz der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Westeuropa und den USA und der globalisierte Warenaustausch zumindest in der Kundennachfrage zu ähnlichem Ausgabe- und Entscheidungsverhalten führen wird. Somit können Marktsituationen im Ausland für deutsche Anbieter in einem Zukunftsszenario oder in einer strategischen Ausrichtung Hinweise geben für die Auswahl neuer Instrumentarien des Marketings und die Gestaltung einer wertorientierten Führung in deutschen Bauunternehmen.

2.3.4

Ausblick auf den Baumarkt 2010

Die wirtschaftspolitische Entwicklung Deutschland ist mittelfristig eher pessimistisch zu betrachten. Das Frühjahresgutachten der führenden sechs Forschungsinstitute beschreibt, dass sich Deutschland von der Wachstumsentwicklung der USA und der restlichen EU wesentlich unterscheidet. Während für die EU im Mittel 2,5 - 4% Wachstum des BIP in den nächsten Jahren erwartet wird, liegt Deutschland bei 0,7 - 1,5% (vgl. SZ v. 27.4.2005, S. 21). Deshalb kann angenommen werden, dass sich der weitere Rückgang der Baunachfrage in Deutschland fortsetzen wird, bis er sich auf Anteile von 7 - 8% am BIP wie in anderen großen Ländern der EU konvergierend einpendelt. Gleichzeitig wird infolge des weiterhin intensiven Wettbewerbs das Produktivitätswachstum – gemessen am Geldwert der Baukosten – auch bei den wenigen gut geführten Bauunternehmen bei 2 - 4% p. a. liegen. Dies führt aufgrund des mangelnden Mengenwachstums einerseits zu deflationären Preisrückgängen und wird zum Zweiten zu einer völligen Änderung der Anbieterstruktur führen, da leistungsschwache Betriebe aus dem Markt ausscheiden. Andererseits werden ab 2009 neue Wettbewerber aus den osteuropäischen EU-Staaten in Deutschland zusätzlich auftreten – in ihrer günstigen Kostenkalkulation nur ein wenig vom deutschen Mindestlohn behindert.

60

Nach den Erfahrungen der vergangenen Dekade muss weiterhin angenommen werden, dass sich die staatlichen Reglementierungen im Baumarkt fortsetzen werden. Dies trifft besonders den Wohnungsbau, der durch den Wegfall von staatlichen Eigenheimzuschüssen und Beeinflussung der Marktpreise durch den gesetzlichen Mieterschutz mit einem Nachfragewert von ca. 260.000 Wohneinheiten im Jahr 2005 ca. ein Drittel des Nachfragevolumens von 1994 zeigt. Daneben wird er wesentlich von den vielfältigen Auswirkungen demographischer Veränderungen betroffen sein. Die rückläufigen Steuereinnahmen aufgrund verschiedener Wirkungen (Steuerreform, Rückgang der Prosperität) führen dazu, dass die öffentlichen Haushalte sich im Wesentlichen dieser Veränderung durch den Rückgang der Bauinvestitionen stellen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Nachfrage für die Bauten der Infrastruktur zurückgehen. Der Marktrückgang wird mittelfristig in 2010 zu einer Beschäftigung von ca. 500.000 Mitarbeitern im Baubereich im engeren Sinne führen (Angestellte und Arbeiter im Bauhauptgewerbe). Die Osterweiterung der EU wird durch besseren Zugang billigerer Arbeitskräfte spätestens ab 2009 das Beschäftigungsniveau und die Organisation deutscher Baubetriebe noch intensiver beeinflussen, zumal die Anforderungen der Kunden auf Reduzierung der Baupreise sich infolge des Angebotsüberhanges fortsetzen werden. Es wird entsprechend der bisherigen Entwicklung weiter davon ausgegangen, dass der deutsche Baumarkt mit seinen Strukturen und mit seiner Organisation bis 2010 im Wesentlichen unverändert bleibt. Somit wird er wie seit Jahren einer der unwirtschaftlichsten in der EU bleiben (vgl. Blecken, 1995, S. 130; EC, 1994, S. 2 ff): x

Er wird hochgradig reglementiert sein (Handwerksordnung, HOAI, Bauvorlagerecht, Gewerbeordnung usw.);

x

Er bietet hohe Kosten je Nutzungseinheit;

x

Er hat in der Produktion viele Schnittstellen und zeigt eine geringe Verantwortlichkeit der Beteiligten in Planung und Bau bei hohem Verbleib des Risikos beim Kunden;

x

Er bietet eine geringe Kundenzufriedenheit;

x

Er zeigt eine unzureichende Ertragslage für die Anbieter bei gleichzeitig geringer Eigenkapitalausstattung und damit starker Anfälligkeit auf Nachfrageschwankungen.

Die Situation ähnelt damit weiterhin jener der US-Bauindustrie im Jahre 1989: „The construction industry is ill. Productivity has declined significantly. Delays in construction are common and expensive, and litigation related to design and construction continues to increase…The cost of these problems are enormous. Everybody suffers: owners, designers, contractors, subcontractors, suppliers, their managers, their workers and the consumers.” (Chase, 1991, S. 35).

61

Es sieht im Jahre 2006 nicht danach aus, dass sich diese Mangelsituation wesentlich bis zum Jahre 2010 positiv verändert. Die Insolvenzraten bleiben hoch. Veränderungen im Verhalten oder in der Organisation der Anbieter sind kaum erkennbar. Der Kunde selbst, oftmals angeregt durch Erfahrungen im Ausland, wird zunehmend weniger bereit sein, kostenträchtige, unwirtschaftliche Baulösungen zu akzeptieren. Er wird entweder ausländische Bauverfahrensweisen einfordern oder den Bauwunsch in Deutschland zurückstellen, falls er keine ihm wirtschaftlich erscheinenden Angebote erhält, oder seine Baunachfrage durch Umsiedlung ins Ausland dort erfüllen lassen. Damit wird der Wettbewerbsdruck bis 2010 weiter zunehmen (vgl. DGM, 1994, 1999). Die Anzahl der Bauunternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten wird sich wesentlich reduzieren. Eine Konzentration bis 2010 auf einerseits eine Vielzahl von Kleinbetrieben bis 50 Beschäftigte und wenigen ca. 10 größeren Betrieben mit zwischen 1.000 und 8.000 Beschäftigten für den Inlandsbau und speziellen Angeboten erscheint eine realistische Strukturannahme (vgl. Ottnad, Hefele, 2002). 2.4

Die Hauptprobleme in den deutschen Bauunternehmen im Jahre 2006

Wesentlichster negativer Einfluss auf die Lage der deutschen Bauunternehmen und damit größtes Problem ist eine sinkende und zugleich stark schwankende Nachfrage. Ein Ausgleich ist durch eine Tätigkeit im Export mit dem Einsatz deutscher Ressourcen auf Grund der hohen Kosten kaum gegeben. Nachfolgend werden deshalb jene Problembereiche näher betrachtet, die die Unternehmen selbst beeinflussen können. In der betriebswirtschaftlichen oder baubetrieblichen Literatur finden sich nur wenige Analysen über den Zustand der deutschen Bauunternehmen. Die Hinweise beschränken sich zumeist auf Darstellungen der Branchenstatistik oder in Berichten über Jahresabschlüsse der börsennotierten großen Baufirmen, die zudem sehr stark PR-beeinflusst sind. Die nachfolgende Darstellung stellt deshalb nur eine Übersicht der wichtigsten Mangelsituationen dar. Mangelnde Fähigkeiten der Unternehmensführungen Die starke Marktveränderung infolge der Schrumpfung der Nachfrage seit 1995 hat in Deutschland zu außerordentlichen starken Preiskämpfen der anbietenden Bauunternehmen geführt. Da viele Anbieter weder ihre Kosten reduziert noch die Organisation verbessert, noch ihr Leistungsangebot verändert und nicht ihr Angebotsverhalten auf ertragreiche Märkte gerichtet haben, scheiden sie zunehmend durch Insolvenz aus dem Markt aus. Herausragendes Beispiel für die mangelhafte Ausrichtung auf diese geänderte Situation ist, dass die drei größten deutschen Bauunternehmen auch im neunten Jahr des Abschwunges, dem Jahr 2004, nachhaltig operativ Verluste im deutschen Baugeschäft machten (Fa. Hochtief AG, Fa. Bilfinger u. Berger AG, Fa. Strabag AG), während die zu ihrer Zeit jeweils größten Anbieter am deutschen Baumarkt, die Fa. Holzmann AG und Walter Bau AG insolvent gingen. 62

Während in der Schweiz schon 1995 öffentlich auf den Umfang der Marktschrumpfung hingewiesen wurde – „25% muss die Hochbaukapazität noch schrumpfen“ (Weber, 1995, S. 27), erwarteten zur gleichen Zeit deutsche Bauführungskräfte zu 61%, dass ihr zukünftiges Geschäft besser oder gleich bleibend verlaufen werde. In der gleichen Befragung gaben nur 25% der Führungskräfte an, schon einmal Marktanalysen erstellt zu haben, wohin gegen 65% bekannten, über die Inhalte zukünftiger Kundenwünsche wenig zu wissen und auch eine Kunden- und eine Marktbetrachtung als zweitrangig ansehen (vgl. Saam, 1995, S. 39f). In dieser mangelnden Beschäftigung mit den Marktverhältnissen reihte sich noch 2002 der Präsident des Verbandes der deutschen Bauindustrie, Professor Ignaz Walter, ein, der einen kurzfristigen Marktaufschwung nicht zuletzt wegen der anstehenden Bundestagswahl voraussagte (vgl. o. V., Baumarkt, 2/2002, S. 18). Das Gegenteil fand statt. Offensichtlich fällt es vielen Führungspersonen in der Bauwirtschaft, bei den Beratenden Ingenieuren und in den Baugewerkschaften nicht leicht, nachhaltige Entwicklungen am Baumarkt zu erkennen und sich darauf einzustellen. Die Führungskräfte in der Baubranche haben die Veränderungen des Baumarktes ungenügend erkannt und den Wandel in ihren Betrieben und Organisationen unzureichend initiiert (vgl. Wahren, 2000, S. 28f). Wesentlich hierfür sind sicher die Ausbildungsinhalte für die zumeist in der Führung tätigen Diplomingenieure. Ihre Kenntnisse von Unternehmensführung entnehmen sie der Ausbildung der Lehre vom Baubetrieb, die aber gerade dieses nicht lehrt, sondern ihren Arbeitsschwerpunkt in der Gestaltung und Optimierung bautechnischer Prozesse, in der Kostenverfolgung und Kalkulation der Herstellung und in der Analyse speziellem Baurechts sieht (vgl. Brüssel, 2002; Schach, Sperling, 2000). Kenntnisse der Betriebswirtschaftslehre erfährt der Bauingenieur zumeist nur im Selbststudium, vertiefende Kenntnisse im Marketing sind deshalb gering. Es muss festgestellt werden, dass aufgrund der Dominanz der sehr großen einzelnen Leistung – des Bauprojektes – für den Kunden (im sog. Projektgeschäft), üblicherweise in Bauunternehmen nach einem anderen Organisationsmodell als in der sonstigen Industrie gearbeitet wird. Wegen der großen Risiken in der umfangreichen Einzelleistung sind die bautechnischen Führungskräfte oft gleichzeitig verantwortlich für das Operative in Kalkulation, Vertrieb und Produktion. Dies behindert das Entstehen von besonderen Fähigkeiten neben der Bautechnik. So haben im Jahre 2006 die meisten Bauunternehmen in Deutschland weder ein Marketingressort noch eine Vertriebsabteilung, weder einen Bereich Forschung und Entwicklung noch eine Spezialeinheit Produkt- bzw. Leistungsentwicklung. Auch wenn das Vorhandensein einer speziellen Mitarbeitergruppe nicht direkt für eine Problemlösung steht, so ist doch festzustellen, dass das sehr einseitig auf Kalkulation und Produktion ausgerichtete Organisationsmodell der deutschen Bauunternehmen ein Teil des Marktproblems zu sein scheint.

63

Mangelnde Zusammenarbeit mit der Wissenschaft Die Betriebswirtschaftslehre behandelt die Probleme des Bauwesens ungenügend. Die im deutschen Sprachraum bekannten Standardwerke des Marketings oder die vielfältige Spezialliteratur (siehe fast alle entsprechenden Titel dieses Literaturverzeichnisses) behandeln Baufragen so gut wie nicht. Die zum Management von Bauleistungen ausgerichtete Literatur liegt seit 1950 bei unter 50 Titeln – zumeist kleine Bände von speziellen Bauverlagen –, obwohl die Baubranche den größten Einfluss auf das BIP in Deutschland hat. Speziell zum Marketing des Baubereichs gibt es nur wenige Exemplare, die sich zumeist mit Werbung oder Akquisition beschäftigen (Speer, 1997; Arnold, 2002; Kutsch, Schiffers, 1979; Robl, 1983; Sommer, 1999; Renner, 1996). Die erste Dissertation über Fragen des Baumarketings pflegte zwar bestehende Vorurteile („Bereitstellungsgewerbe“, „Marketing assoziiert beim Baukunden einen negativen Sinn“) (Marhold, 1992, S. 238), bemühte sich aber erstmals um eine systematische Darstellung der Inhalte des Marketing und wies auf ihre Gültigkeit im Baubereich hin. Erst Weng (1995) gelang es in der Ausleuchtung des kleinen Bereiches des Absatzmarktverhaltens, eine dem Stand der Marketingwissenschaft angemessene Analyse in seiner Dissertation vorzulegen. Dornach, Schneider (2001) ergänzten dieses, wenn auch nur für Kleinbetriebe. Fehlende Einsicht des Managements in die Gleichwertigkeit des Baubereichs zu anderen Industrien Die Planung, Produktion und Vermarktung von Bauleistungen, weist einige Besonderheiten auf (vgl. Wischhoff, Windau, 1995, S. 322): x

Die Planung ist von der Produktion getrennt, das Bauunternehmen als Produzent hat bisher wenig Einfluss auf die Gestaltung des Bauwerks;

x

Die Produktion findet an wechselnden Standorten beim Kunden statt;

x

Es gibt nur eine geringe Produktion auf Lager. Die Produktion ist sehr individuell;

x

Die Leistungserstellung beginnt erst nach der Auftragserteilung mit häufigen Änderungen durch den Kunden;

x

Es besteht eine starke Saison- und Witterungsabhängigkeit;

x

Ein hohes Kalkulations-, Finanzierungs- und Transaktionsrisiko ist in streng reglementierten Rechtsbeziehungen zu tragen, die der Kunde oft einseitig vorgibt.

x

Lange Projektlaufzeiten sind die Regel;

x

Die Kundenentscheidung über den Kauf erfolgt zumeist allein über den Preis;

x

Die größeren Bauunternehmen gelten in Kundensicht als gleichwertig und austauschbar, Stammkundenbeziehungen und hohe Marktanteile sind selten.

Diese Besonderheiten werden üblicherweise in der Bauwirtschaft fokussiert in dem Begriff „Bereitstellungsgewerbe“. Man steht für Wünsche des Kunden bereit und ist es gewohnt, von ihm oder seinen Beratenden Ingenieuren Anweisungen zu erhalten, was, wann und wie zu 64

bauen ist (vgl. Marhold, 1996, S. 316). Diese Situation wurde nicht als belastet empfunden, solange der Baumarkt sich als Verkäufermarkt darstellte. Ohne ausländische Konkurrenz, geschützt von einem hochkartellierten Arbeits-, Gewerbe- und Handwerksrecht, hatte der Kunde jene Preise zu zahlen, die gefordert wurden. Basis dieser Preisbestimmung waren übliche Herstellkosten, ohne Bemühung um optimale innovative Herstellkonzepte. Doch diese Marktlage änderte sich seit 1983. Das Abfinden mit den Besonderheiten und das Einrichten in wettbewerbsregulierende Branchenregeln verstellten den Blick, ob die heute so beklagten Besonderheiten und Einschränkungen zumeist nicht durch die Branche selbst erzeugt (z. B. über Tarifverträge) oder als bequem hingenommen werden (z. B. die Risikominderung in der Trennung von Planung und Bau). Denn eine Vielzahl anderer Bereiche der heutigen Volkswirtschaften weisen ähnliche Besonderheiten wie im Baubereich auf, wenn auch nicht in dieser Gesamtheit: Jeder Wirtschaftsprüfer produziert an wechselnden Standorten. Hohe Innovationsgeschwindigkeiten und drückende Lagerkosten führen in der Auto- und PC-Industrie zur „production on demand“, also zu einer Produktion erst nach Bestellung des Kunden. Viele Konsumgüterbranchen wie z. B. die Lebensmittel-, Getränke- und Süßwarenindustrie sind von der Witterung und der Saison abhängig. Hohe Risiken in der Erfolgswirksamkeit ihrer Produkte weisen die Pharmaindustrie auf, lange Produktionsdauern können auch im maschinellen Anlagenbau festgestellt werden. Einzig der mangelnde Einfluss der Bauunternehmen in Deutschland auf die Gestaltung und Planung der von ihnen hergestellten Güter ist in anderen Branchen nicht anzutreffen. Gerade dieser Mangel steht seitens der Anbieter zumeist aber nicht im Mittelpunkt der Begründungen, warum es ihnen wirtschaftlich so schlecht gehe. Die vermeintlichen Besonderheiten sind – bis auf die letztgenannte – also gar keine. Aber die „Pflege“ ihrer Inhalte hindern die Branche, sich den Erkenntnissen anderer Wirtschaftsbereiche zu öffnen. Mangelnde Marktorientierung und Kundenzufriedenheit Die Bedürfnisse der Kunden, die diese mit ihrem Bauwunsch befriedigen wollen, werden von den anbietenden Bauunternehmen unzureichend gesehen (siehe Abb. 3.6). Das Denken der vergangenen Jahrzehnte und die Trennung von Planung und Bau hat die Umstellung auf die gemeinsame Wertschöpfung zwischen Bauunternehmen und seinen Kunden gehemmt (vgl. Prahalat, Ramaswamy, 2004, S. 71). Eine umfassende Marktorientierung der Bauunternehmen ist nur in einzelnen Fällen am deutschen Baumarkt sichtbar. Die Probleme in den Transaktionen beim Bauprozess werden ungenügend aktiv bearbeitet, die Folgen in der intensiven Verrechtlichung nicht versucht zu vermeiden. Ungenügender Einfluss auf die Planung Zumeist erhält ein Bauunternehmen einen Auftrag für ein Bauwerk, das vorher ein Beratender Ingenieur geplant hat. Der Produzierende hat somit nur wenig Einfluss auf die Gestal65

tungsinhalte seiner Leistung. Die Trennung von Planung und Bau ist ein wesentliches Hindernis für Bauanbieter, die Gesamtleistung zu optimieren und dafür ein spezielles Know-how zu entwickeln. Der Wettbewerb findet primär im allgemeinen Kampf um die billigste Produktion, nicht um die kundenoptimale Leistung statt. Für die Leistungen der deutschen Bauunternehmen gilt deshalb im Jahr 2006, was für 1998 nach umfangreichen Untersuchungen eine britische Regierungskommission für die dortigen Baubetriebe feststellte (vgl. Egan-Report, 1998, S. 4): “… the industry as a whole is under-achieving. It has low profitability and invests too little in capital, research and development and training. Too many of the industry’s clients are dissatisfied with its overall performance.” Fasst man nun diese Unzulänglichkeiten wie in Abb. 2.18 zusammen, so enthalten die wichtigsten Einflussbereiche (Transaktionen zum Kunden, Anforderungen der Kunden, Produktion nach Vorgaben Dritter, Unternehmensführung) durch eine mangelhafte Gestaltung ein solches Konfliktpotenzial, das sich in den acht wichtigsten Problembereichen darstellen lässt. Dabei sind die Hauptprobleme untereinander verbunden und bedingen sich teilweise.

Transaktionen zum Kunden

Anforderungen der Kunden

Produktion nach Vorgaben Dritter

Unternehmensführung









Konflikt- und Problembereiche in deutschen Bauunternehmen

1.) Schwache Marktstellung 2.) Geringe Kundenzufriedenheit 3.) Schwache Förderung der Mitarbeiter 4.) Unzureichendes Interesse bei Politik und Öffentlichkeit

Abb. 2.19

5.) Geringe Produktivität 6.) Geringe Profitabilität 7.) Ungenügende Qualität von Leistung und Prozessen 8.) Geringe Innovation

Die Konflikt- und Problembereiche in deutschen Bauunternehmen (eigene Darstellung)

Verlässt man diese Position der Betrachtung des Bauunternehmens und schaut auf die von ihm erbrachte Marktleistung, so zeigen die in Abb. 2.18 aufgezählten Konflikt- und Problembereiche auf Mangelzustände zwischen den Marktteilnehmern hin. Was ist nun Ursache, was ist Wirkung? Was folgt zeitlich auf welchen Anstoß? Es ist für die Analyse unverzichtbar, den Blick zuerst zur Marktleistung zu richten. In der nachfolgenden Abb. 2.19 werden deshalb die Ursache-Wirkungsbeziehungen am Baumarkt, dann in der Bauleistung und zuletzt in der sie erzeugenden Bauorganisation beschrieben.

66

Ursache

• Staatliche Rahmenbedingungen

Baumarkt

• Globalisierung der Wirtschaft • Demografische Entwicklung • Planen und Bauen getrennt • Mangelnde Kenntnis der FührungsKräfte über den Kundenwunsch • Geringe Kenntnisse der Marktorientierung

• Reaktive Führung auf Veränderung

Bauleistung

• Keine Kenntnisse von Leistungsbündel • Zu hohe Baukosten – zu geringer Kundennutzen • Fragmentierte Produktion in vielen Einzelgewerken mit vielen Schnittstellen • Schlecht organisierte Transaktionen • Schlechte Bauqualität

Bauorganisation

• Wenig Kenntnisse vom Kaufverhalten der Kunden

• Wenig Produktinnovation und gezielte Leistungsverbesserung • Fehlendes Produktmanagement zur Gestaltung der Leistungsbündel • Wenig Prozessorientierung • Ungenügende Nutzung der Instrumente des Marketing • Ungenügende Ausbildung

Abb. 2.20

Wirkung

• Schrumpfende Nachfrage • Kaufentscheid zunehmend über den Preis • Ungenügende Ausrichtung der Anbieter auf Kundenwünsche • Rückgang Umsätze, Mitarbeiterzahl, Betriebsgröße, Finanzkraft • Kaum Zukunftsperspektive

• Falsches Angebot • Geringe Kundenzufriedenheit viele Rechtsstreite • Geringe Innovation, F & E • Höhere Baukosten als im Ausland führen zu Kaufzurückhaltung • Bauunternehmen ist stark fremdbestimmt mit wenig Einfluss auf wichtige Stellhebel • Reagierend am Markt

•Ungenügendes Leistungsund Preisniveau bedingt Ertragsschwäche •Mangelnde Einflussnahme auf Kunde schafft Unwissenheit über Marktwünsche •Umsatzrückgang beschleunigt Marktsaustritt •Man tut die falschen Dinge führt die Dinge falsch aus

Ursache-Wirkungsbeziehungen am deutschen Baumarkt (eigene Darstellung)

Soweit der Baumarkt bis 2010 sich eher noch wettbewerbsintensiver darstellt, umso drängender werden die hier dargestellten Konflikt- und Problembereiche einer Lösung zugeführt werden müssen, will das Bauunternehmen langfristig am Markt bleiben. Aus den UrsacheWirkungsbeziehungen ergeben sich klar erkennbar die Stellhebel der notwendigen Veränderung. 67

3.

Marketing und wertorientierte Unternehmensführung

Im vorherigen Kapitel wurden aus der Betrachtung des Leistungsaustausches zum Kunden, der Chancen und Risiken aus dem Verhalten der Abnehmer und der Absatzhelfer und der Analyse möglicher Eigenschaften von Bauleistungen die wichtigsten Einflussbereiche für den Leistungsaustausch am Baumarkt beschrieben. Da die Abläufe und Interaktionen sich damit im Grundsatz nicht von anderen Bereichen der Wirtschaft unterscheiden, öffnet sich der Baubereich damit den Analyse- und Erkenntnisprozessen der BWL. Es wird nun zu prüfen sein, ob das Marketing als wichtiges Teilgebiet der BWL geeignet ist, zentrale Kraftquelle für Erkenntnisse, Instrumente und methodische Verfahren zu sein, um die Führungsarbeit im Bauunternehmen positiv zu beeinflussen. 3.1

Marketing von Bauleistungen

Die Nichtbeschäftigung der Marketing-Wissenschaft mit dem Bauwesen in der Vergangenheit lässt es nötig erscheinen, eine kurze Positionsbeschreibung des Marketings zu geben, um sich dann den daraus ergebenden Einflüssen auf den Baubereich zuzuwenden. Die Märkte waren bis 1960 zumeist dadurch geprägt, dass die Nachfrage das Leistungsangebot überstieg. Marketing beschrieb deshalb anfangs vornehmlich die Möglichkeiten optimalen Vertriebs (Kotler, Bliemel, 2001, S. 4). Diese Ausrichtung auf den Vertrieb führte dann sukzessive zur Erarbeitung der wichtigsten absatzpolitischen Instrumente, wie sie Mc Carthy 1964 in den klassischen 4 P’s (Product, Price, Place, Promotion) beschrieben hat, dem sog. Marketing-Mix. Letztlich entwickelte sich aus dieser vornehmlich absatzpolitischen Aufgabe, herrührend von den zunehmend gesättigteren Märkten, eine der wichtigsten betrieblichen Aufgabeneinheiten, wie sie im Wertkettenmodell M. Porters (vgl. Porter, 2000, S. 66 ff.) beschrieben wird. Betrachten wir das aus den 4 P’s entwickelte Marketing-Pentagon (vgl. Töpfer, 1991, S. 196; Buck, 1998, S. 134; Töpfer, 2005, S. 571), so zeigen sich die Fülle der Aufgaben des Marketings von der Gestaltung der Programmpolitik über die Entscheidung der Konditionen, der gewählten Vertriebskanäle, der nach außen wirkenden Kommunikation, erweitert um die die Sachleistung unterstützenden Dienstleistungen. Marketing-Instrumente Leistungs- /Pro-

Preis- /Kondi-

Distributions-

Kommunikations-

Service-/ Dienst-

grammpolitik

tionenpolitik

/Vertriebs-politik

politik

leistungspolitik

Preis Konditionen Zahlungsbedingungen Finanzierung

Absatzwege Absatzmittler Vertriebsorganisation Vertriebsmittel Key-AccountManagement

Produktprogramm Problemlösung Qualität Technologie Produktdifferenzierung Leistungsbündel

Abb. 3.1

Werbung Verkaufsförderung Corporate Identity Marke Public Relations

Betreibung Wartung Verwertung Entsorgung Schulung Garantie Planung

Marketing-Pentagon für ein Bauunternehmen (eigene Darstellung)

69

Bei der Betrachtung des Marketing-Pentagons ist leicht erkennbar, dass die Vielzahl der Aufgaben Wirkung auf fast alle anderen unternehmerischen Leistungsbereiche hat. Marketing weist in seinen Inhalten deshalb heute über die unterstützende betriebliche Leistungseinheit hinaus und ist das zentrale Element der Ausrichtung des Unternehmens auf den Markt. Marketing durchdringt somit alle betrieblichen Wertschöpfungsprozesse und beeinflusst damit alle operativen Leistungsbereiche (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 12; Meffert, 2000, S. 8; Nieschlag, Dichtl, Hörschgen, 2002; Meffert, Bruhn, 2003, S. 5). „The corporation must be viewed as a customer-creating and customer-satisfying organism. Management must think of itself not as producing products but as providing customer-creating value satisfactions” (Levitt, 1960, S. 55). Marketing unterstützt nicht nur durch die Instrumente des Marketing-Pentagons einzelne unternehmerische Aufgaben, sondern richtet das Unternehmen durch die Durchdringung aller anderen betrieblichen Prozesse auf seine wichtigste Aufgabe aus, nämlich Kunden eine optimale Leistung zu bieten. Aber was ist eine optimale Leistung aus Kundensicht? Sie ist nicht allein die vorzügliche technologische Gestaltung der Leistung eines gelieferten Produktes. Eine optimale Leistung geht weit darüber hinaus und muss die Frage beantworten, was der Kunde wirklich wünscht und nicht jene, was der Lieferant meint, optimal herstellen zu können: „Every major industry was once a growth industry ... In every case the reason growth is threatened, slowed or stopped is not because the market is saturated. It is because there has been a failure of management ... Railroads are in trouble today not because the need was filled by others, but because it was not filled by themselves. They assumed themselves to be in the railroad business rather than in the transportation business ... they were product-oriented instead of customer-oriented“ (Levitt, 1960, S. 45). Bekanntermaßen wurde die Eisenbahnindustrie durch die Flugzeugindustrie verdrängt, weil diese das Transportproblem des Kunden besser löste. Dies lässt sich leicht für den Baubereich adaptieren. Während Bauunternehmen bei einer kundenorientierten Hochbauleistung z. B. allzu leicht an die Optimierung von Betonier- oder Mauerwerksleistungen denken, wünscht der Kunden von Bauleistungen z. B. eher behagliches Wohnen, günstige Lagerkosten oder sogar optimale Zinserträge für eingesetztes Kapital seiner Investition in Bürobauten. Neben den Aufgaben im Marketing-Pentagon sind also die Fragen nach den Nutzenerfordernissen des Kunden, seiner Zahlungsbereitschaft, seines Kaufverhaltens und nach der zu erreichenden Zufriedenheit bei Erhaltung der Leistung ebenso wichtig, wie die Fähigkeit des anbietenden Unternehmens, diesen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. Pepels, 1999 a, S. 3). „Marketing concept ... is a corporate state of mind that insists on the integration and coordination of all of the marketing functions which, in turn, are melted with all other corporate functions, for the basic objective of producing maximum longrange corporate profits“ (Felton, 1959, S. 55). 70

Marketing ist somit nicht nur eine Funktion in der Organisation, sondern dient „der klaren Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten, auf die Absatz-, Markt- und Abnehmererfordernisse... und ist eine Denkhaltung der Unternehmensführung“ (Töpfer, 1989, S. 10). Marketing wirkt nach außen durch Aufnahme der Kundeneinflüsse, der allgemeinen Rahmenbedingungen und der Kräfte des Wettbewerbs und wirkt ebenso in das Unternehmen hinein, in dem diese äußeren Einflüsse die Gestaltung betrieblicher Prozesse der Wertschöpfung und ihrer Optimierung erwirken (vgl. Hörschgen, Kirsch, 1993, S. 14). Damit ist Marketing die treibende Kraft zur Gestaltung aller unternehmerischen Prozesse. In den Kapiteln 3.2.1 und 4.1 wird im einzelnen dargelegt, was durch das Marketing in der Unternehmensführung gestaltet und umgesetzt wird und welche betrieblichen Aufgaben benötigt werden, um die vom Marketing ausgehenden Anforderungen erfüllen zu können. 3.2

Wertorientierte Unternehmensführung

Die Beurteilung des Erfolgs einer Unternehmung ist äußerst komplex. Was ist Erfolg und wer definiert die Messgröße? Verschiedenste Anspruchsgruppen (Eigentümer, Kunden, Mitarbeiter, Öffentlichkeit, Staat usw.) haben z. T. völlig gegensätzliche Vorstellungen. Zeitbezogene Kriterien für Gegenwart oder Zukunft können widersprüchliche Auswirkungen auf den Erfolg haben. Die Diskussion – insbesondere nach dem Werteverfall an den Weltbörsen in den Jahren 2001/2002 – über den Shareholder Value (vgl. Rappaport, 1999) oder den StakeholderValue (von R. Cordiner 1952 bei GE entwickelt – vgl. Malik, 3/2003, S. 37) hat heute den Blick erweitert über die ausschließliche Betrachtung von Ergebnissen hin zu den Ursachen des Unternehmenserfolges, aus deren Quellen alle Anspruchsgruppen ihre Nutzen bzw. ihre Werte ziehen. Wertorientierung liegt deshalb nicht allein darin, den „Marktwert des Eigenkapitals“ zu maximieren (Weber et al., 2004, S. 85), indem ein abgezinster Cash Flow (Discounted Cash Flow – DCF) möglichst die Mindestverzinsungserwartungen der Eigenkapitalgeber überschreitet (vgl. Töpfer, Duchmann, 2006, S. 18), wobei diese Erwartungen sich immer beziehen auf den Vergleich zu alternativen Anlagemöglichkeiten. Der Wert eines Unternehmens lässt sich aber nicht allein aus dem Rechnungswesen ableiten. Je nach Position des Stakeholders ergeben sich völlig unterschiedliche Werturteile, deren Maßstab durchaus der Vergleich der betrieblichen Leistungen und Ergebnisse gegenüber alternativer Investition an anderer Stelle ist. Dies kann sein: x

Ein möglichst hoher DCF für den Eigentümer;

x

Ein besonders außergewöhnliches Leistungsangebot für den Kunden;

x

Eine fortlaufende hohe Steuerzahlung für den Staat;

x

Ein hohes Lohnniveau für den Mitarbeiter.

Für die Betrachtung des Unternehmenswertes ist es im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung deshalb wichtig, die Zusammenhänge der Entstehung von Leistungswerten im Unternehmen zu analysieren, auch um sie später bewusst gestalten zu können (vgl. Weber

71

et al., 2004. S. 31). Diese Analyse umfasst die Beuteilung des Ergebnisses im Markt ebenso wie die Art und Weise der Leistungserbringung. Beide Komponenten – von außen wirkend in den vom Markt herrührenden Anforderungen der Kunden und sich im Unternehmen entwickelnd durch Erfüllung der grundsätzlichen Gewinnorientierung der betrieblichen Prozesse – verbinden sich zur Wertorientierung. Dem Ausspruch Maliks folgend, nach dem „das Ziel eines Unternehmens es nicht sein kann wertvoll, sondern konkurrenzfähig zu sein“ (Malik, 1/2003, S. 5) wird die Ursache-Wirkungsbeziehungen der Wertentwicklung im Unternehmen nun näher betrachtet im Bezug auf die Wettbewerber. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sprachen Peters / Watermann (1984, S. 327) von Erfolgsfaktoren und Gälweiler (2005) von Erfolgspotenzialen, die ein Unternehmen haben muss, wenn es in der Konkurrenz am Markt beim Kunden erfolgreich sein will. Porter (1999a) hat zu gleicher Zeit den Blick primär auf die Leistungen der Konkurrenz gerichtet und Wettbewerbsvorteile als wichtige Teile des Unternehmenserfolges beschrieben. Nur der Anbieter, dessen Leistungsangebot vom Nachfrager in seiner subjektiven Wahrnehmung als überlegen gegenüber Alternativen eingestuft wird, behauptet sich am Markt. Sein Angebot muss einen „komparativen Konkurrenzvorteil“ (Backhaus, 2003, S. 36) oder eine „unique selling proposition“ (Kreilkamp, 1994, S. 84; Hilker, 1993, S. 41) verfügen, soll es herausragende Vorteile aufweisen, die die Nutzer zum Kauf überzeugen. Diese eher produktorientierten Unterscheidungsmerkmale wurden später erweitert um den Begriff der „unique customer value proposition – UCVP –“ (Töpfer, 2005, S. 212). Durch dieses Leistungsversprechen definiert sich die Unterscheidung zum Wettbewerb um das erweiterte, verhaltensorientierte Werteempfinden des Nutzers bzw. seinen erlebten Wertvorteil in der Kaufentscheidung und beschreibt ein „einzigartiges kundenwertorientiertes Leistungsversprechen“ (Töpfer, 2005, S. 563). Im Wettbewerb besser zu sein als der Konkurrent gelingt nur durch bessere Erfüllung der am Markt wahrgenommenen besonderen Inhalte einer angebotenen Leistung. Um diese wirksam werden zu lassen, bedarf es der Entwicklung von Leistungen im Unternehmen wie Ressourcen, Fähigkeiten, Technologien und Beziehungen. Diese nennt man auch Werttreiber. Sie sind im Unternehmen die Ursache für den erzielten Wert und die Wirkung der Leistungsbündel zum Kunden hin (vgl. Töpfer, 2000d, S. 34f). Sie zeigen die Güte und den Umfang der spezifischen Marktleistung und wie nahe zum Markt hin das anbietende Unternehmen seine Leistung ausgerichtet bzw. orientiert hat, indem (vgl. Töpfer, Duchmann, 2006, S. 42):

72

x

Seine Ressourcen einen nachhaltigen Kundennutzen bieten;

x

Seine Ressourcen zumeist beim Wettbewerb nicht vorhanden sind oder kaum bzw. nur schwer nachgemacht werden können;

x

Seine Ressourcen in einer wertschaffenden Organisation zu einer besonderen Marktleistung geformt werden.

Die Entwicklung der bereitgestellten Ressourcen erfolgt in den Werttreibern, also in den verschiedensten betrieblichen Stellen des Wertschöpfungsprozesses.

Wertorientierte Unternehmensführung

Abb. 3.2

Ressourcenpotenziale

Marktorientierung

Entwickelte Werttreiber

Wahrgenommene Erfolgsfaktoren

Wertorientierte Unternehmensführung (eigene Darstellung)

Eine wertorientierte Unternehmensführung entwickelt und fördert nun gleichberechtigt die Faktoren Marktorientierung und Ressourcenpotenziale, um den Unternehmenswert zu steigern. Ihre optimale Wirkung entfalten beide Faktoren in einer sinnvollen Gestaltung und Kombination (vgl. Blum, 2004, S. 571). Die zu gestaltenden Handlungsfelder Markt und Ressourcen lassen sich in ihrer Wirkung auf die Wertentwicklung nach unterschiedlichsten Kriterien betrachten, wie z. B. in der Wirkung auf Prozess- und Qualitätsentwicklung, Verhaltensveränderungen, Systemeignung, ökologischer Einflüsse usw. Diese sehr unterschiedlichen Betrachtungsweisen verbinden Erkenntnisse aus verschiedensten Wissenschaftsgebieten, die insgesamt alle die wertorientierte Unternehmensführung beeinflussen. Der Forschungsansatz dieser Arbeit muss somit über die zwei Disziplinen BWL und BBL hinaus auch auf diese Erkenntnisbereiche erweitert werden (vgl. Töpfer, 2005, S. 35). Die Vielfältigkeit der Einflussgrößen wird sichtbar, wenn die wichtigsten Messgrößen für den Erfolg einer wertorientierten Unternehmensführung betrachtet werden (vgl. Malik, 2002, S. 149ff), wie sie in Abb. 3.3 dargestellt sind.

73

Wertorientierung 1. Die Marktstellung - Kundenzufriedenheit - Qualität - Wettbewerbsfähigkeit 2. Die Innovationsleistung 3. Die Produktivität - der Mitarbeiter - der Finanzen, Kosteneffizienz - der Zeit - des Wissens 4. Mitarbeiter - Befähigung - Attraktivität der Arbeitsplätze 5. Prozessqualität, Effektivität 6. Profitabilität - Ertragsstärke, Cash-flow, Liquidität Abb. 3.3

Messgrößen der wertorientierten Unternehmensführung (eigene Darstellung)

Die Gestaltung dieser Wertorientierung als Aufgabe der Unternehmensführung erfolgt nun über die Stufen Werterhaltung, Steuerung und Entwicklung der Wertentstehung bis zur Wertsteigerung. Sie geht entsprechend der Messgrößen der Abb. 3.3 weit über finanzwirtschaftliche Betrachtungen hinaus und wird eher von den immateriellen Leistungsfähigkeiten, den „intellectuel properties“, die im Unternehmen vorliegen, bestimmt (Töpfer, Thum, Uhr, 2006, S. 68). Besonders hervorzuheben sind hierbei der Ausbildungsstand der Mitarbeiter, ihre Marktorientierung, das Prozessniveau ihrer Leistungserbringung, die Innovationsdichte, die Flexibilität des Ressourceneinsatzes und ihre Lernfähigkeit. Die sich damit zeigende umfassende Sicht der BWL wird in vielen Gestaltungselementen der wertorientierten Unternehmensführung auch auf die Arbeitsgebiete der BBL übertragen und wird dort nachhaltige Wirkung erzeugen. 3.2.1

Marktorientierung

Die in den vergangenen Jahrzehnten vorangetriebene Zergliederung der Unternehmensaktivitäten in Objekt- und Verrichtungskomponenten, die häufige räumliche Trennung, im Herstellprozess immer komplexere Wertschöpfungsketten mit ihren Schnittstellenproblemen und letztlich immer unfangreicheren Leistungsinhalten hat oftmals die Anforderungen des Marktes aus den Augen des produzierenden Unternehmens verlieren lassen. „A company will face three hurdles: organizes resistance, slow learning, fast forgetting“ (Philip Kotler, 1997, zit. nach Plinke, 2000a, S. 148). Wenn in Kapitel 3.1 gezeigt wurde, dass Marketing alle betrieblichen Wertschöpfungsprozesse durchdringt und in einer ersten Übersicht im Marketing74

Pentagon die wichtigsten Instrumente hierfür vorgestellt wurden, wird nun die Gestaltung im Unternehmen und die Umsetzung in der konkreten Wertschöpfung betrachtet. Da bisher speziell für den Baumarkt keine erschöpfende Darstellung für die Wirkung des Marketings vorliegt, werden nachfolgend zuerst die Hauptaspekte einer Marktorientierung für ein im Investitionsgüterbereich tätiges Unternehmen herausgearbeitet. Dazu werden besonders die Beziehungen zu den Kunden, die Erfüllung von Nutzenanforderungen im Wettbewerb und mögliche Ausrichtungen im Unternehmen hierauf betrachtet. Erst danach werden die aus diesen Aspekten abzuleitenden langfristigen Auswirkungen auf Bauunternehmen untersucht unter Berücksichtigung von Strategieerfahrungen anderer Branchen. Damit ist mit dieser theoretischen Analyse die Wissensbasis geschaffen, um in Kapitel 4 konkret wirkende Gestaltungselemente der Marktorientierung für Bauunternehmen vorzustellen. Wenn es Aufgabe des Marketing ganz allgemein ist, den Betrieb so auszurichten, dass er dem Kunden eine optimale Leistung bietet und im Marketing-Pentagon die dafür geeigneten Instrumente zur Gestaltung der Beziehungen zum Kunden beschrieben werden, dann wirkt die Marktorientierung darüber hinaus in der zielgerichteten Ausrichtung der Unternehmensführung auf die umfassenden Einflüsse des Marktes und der auf ihn wirkenden Kräfte. Sie enthält drei wesentliche Anforderungen an die Unternehmensorganisation, wie sie Shapiro in seinem grundlegenden Artikel „What the hell is market oriented?“ beschreibt (Shapiro, 1988, S. 120): x

„Information on all important buying influences permeates every corporate function...;

x

Strategic and tactical decisions are made interfunctionally and interdivisionally. The most important strategic decision is to choose the important customer;

x

Divisions and functions make well coordinated decisions and execute them with a sense of commitment.”

Marktorientierung beeinflusst den Betrieb weitgehender als die reine Kundenorientierung, die sich allein aus den Nutzenvorstellungen des Kunden ableitet (vgl. Plinke, 2000 a, S. 124). Sie ist ein Leitwort für verhaltensorientierte Anleitungen, in denen die unternehmensspezifischen Normen und Werte zur Ausrichtung des Unternehmens auf den Markt beschrieben werden. Der Aspekt selbst wird eher empirisch gemessen als theoretisch-konzeptionell formuliert (vgl. J. Becker, 1999, S. 46). Da ein großer Teil der heutigen Absatzmärkte von hoher Dynamik gekennzeichnet ist (siehe z. B. die Baumärkte 1988 – 1995 – 2005), spielen im Wettbewerb die Faktoren Zeit, Kosten, Qualität, Innovation und Service eine immer entscheidendere Rolle, weil sie sich selbst in ihrem Verhältnis zueinander immer schneller verändern. Marktorientierung heißt deshalb in den Ergebnissen einer empirischen Studie (vgl. J. Becker, 1999, S. 202) für darauf ausgerichtete Unternehmen im Einzelnen: x

dass es mehr als andere von Kundenbedürfnissen beeinflusst wird,

x

dass es wettbewerbsintensiver als seine Konkurrenten agiert,

75

x

dass es sich aktiver auf definierte Wettbewerbsstrategien ausrichtet (wie z. B. nach Zeit, Kosten, Qualität),

x

dass es mehr in neue innovative Technologien investiert,

x

dass es ein signifikant größeres Umsatzvolumen erreicht und einen besseren Geschäftserfolg hat.

Eine so verstandene hohe Marktorientierung ist wesentliche Voraussetzung für einen trotz zunehmender Absatzwiderstände dauerhaften Markterfolg und für eine hohe Rendite (vgl. Narver, Slater, 1990, zit. nach Simon, 1991, S. 11; Fritz, 1992, S. 453). Dem gegenüber haben Backhaus / Schlüter (1994) in einer Studie unter mittelgroßen deutschen Investitionsgüterherstellern (mit weniger als 5000 Beschäftigten) ermittelt, dass eine schwache Rendite mit nachfolgenden Mängeln der Marktorientierung einher geht : x Es liegen ungenügende Informationen über Kunden, ihre Bedürfnisse und den Wettbewerb vor; x Die Kundenbindung erfolgt erst nach abgeschlossener Produktentwicklung; x Die Kenntnisse über Methoden der Marktorientierung sind ungenügend – wie Beschwerde-Management, Kundenbefragung, Zufriedenheitsmessung; x Die verantwortlichen Führungskräfte haben kein ausreichendes Marketing Knowhow; x Mit zunehmender Hierarchie tritt die Marktorientierung zurück. Bei vier HierarchieEbenen ist schon 40% der gewünschten Marktdurchdringung verloren gegangen; x Häufig sind mangelnde prozessual gestaltete Abläufe und fehlende Mitarbeitermotivation wesentliche Ursache geringer Marktorientierung. Wegen der Ähnlichkeit der Branchen erscheint es zulässig, die Inhalte dieser Untersuchung als geeignet anzusehen, Zustände in der Bauwirtschaft im Jahr 2006 zu kennzeichnen. Damit sind gleichzeitig wesentliche Aufgabenfelder – reziprok betrachtet – einer Ausrichtung auf die Markterfordernisse angesprochen.

76

Marke Image

Qualität interner KundenLieferantenBeziehungen

Interne Kundenzufriedenheit

Qualität externer KundenLieferantenBeziehungen (Qualität von Leistungsangeboten, Leistungsergebnisse und Interaktionsverhalten)

Fortbestand des Unternehmens

Unternehmenswert

Abb. 3.4

Rendite über Kapitalkosten

Gewinn

Externe Kundenzufriedenheit

Externe Kundenbindung und Vertrauen

langfristig

Umsatz

Zusammenhang Unternehmenserfolg – Marktorientierung (Quelle: In Anlehnung an: Meyer / Oppermann, 1998, S. 995)

Marktorientierung bedeutet also die Wünsche der externen Kunden und die Auswirkungen aus dem Wettbewerb zu verbinden mit der Ausrichtung aller internen – vor allem funktionsübergreifenden – Aktivitäten im Unternehmen auf die Markteinflüsse. Diese letzteren Aufgaben – auch „internes Marketing“ genannt (vgl. Meffert, 1994 b), beschreiben Pflichten der Mitarbeiter, sich Informationen, Qualifikationen und Verhaltensweisen anzueignen und sie in optimale Organisationsformen umzusetzen, um gemeinsam mit den Mitarbeitern in den voroder nachgelagerten Leistungsbereichen eine optimale Marktleistung zu schaffen. Die Qualität dieses internen Marketings bzw. dieser internen Kunden-Lieferantenbeziehungen innerhalb der Mitarbeiterschaft ist wesentlicher Teil einer Marktorientierung, die ansonsten zum externen Kunden ausgerichtet ist. 3.2.1.1 Kundenorientierung Die Aufgabe eines Unternehmens ist es nicht, Güter zu produzieren, sondern Kundenwünsche zu befriedigen. Ganz besonders im BtoB-Bereich gilt, dass Kunden Güter nicht kaufen, um sie zu besitzen, sondern um damit Probleme zu lösen – z. B. in ihrer eigenen Produktion – und um ihre eigenen Kunden zufrieden zu stellen. “There is only one valid definition of business purpose, to create a satisfied customer. It is the customer who determines what the business is. …Marketing is not only much broader than selling, it is not a specialized activity at all. It is the whole business seen from the point of view of its final result, this is, from the customer’s point of view” (Peter F. Drucker, 1954, S. 37). Nicht die reinen Produkteigenschaften sind deshalb allein bei dem Kaufentscheid wichtig, entscheidend ist die nach tiefgreifender Beschäftigung mit den Bedürfnissen der Situation und der Sicht des Kunden gefundene Lösung für sein Problem. Dies ist zumeist eine Mixtur aus Produktleistung und begleitenden Dienstleistungen – eben das Leistungsbündel. Es ist deshalb 77

eine umfassende Aufmerksamkeit und Zuwendung zum Kunden und seinen Wünschen gefragt, will das Unternehmen das Problem des Kunden umfassend lösen. „There is no objective reality, there are no facts, there are no best products – only perception is the reality” (Ries, Trout, zit. nach Adams, 1998, S. 302). Der Kundennutzen geht deshalb weit über den Produktnutzen hinaus. “Das Produkt ist, was das Produkt tut – es ist das ganze Paket von Vorteilen, das der Kunde erhält, wenn er kauft“ (Whitely, 1993, S. 87). Kundenorientierung kann reaktiv geschehen, indem das Leistungsbündel auf bekannte Anforderungen des Kunden – zumeist zu spät – eingestellt wird. Es kann aber auch aktiv gestaltend geschehen, indem neue Leistungen erdacht werden, die die zukünftig erwartbaren oder gegenwärtigen latent vorhandenen und noch nicht ausreichend bearbeiteten Problembereiche des Kunden einer Lösung zuführen. Kundenorientierung muss deshalb ganzheitlich von der geforderten Problemlösung aus gesehen werden. Gerade im Baubereich liegt der Nutzen für den Kunden nicht schon in der Auswahl einer optimalen Planung oder der Gestaltung optimaler Abläufe auf der Baustelle, sondern in dem genau auf seine Problemlösung abgestimmten Leistungsbündel, das es ihm wiederum ermöglicht, sein eigenes Geschäft optimal zu gestalten (vgl. Droege, 1994, S.3; Bellmann, 1994, S. 20; Hofmann, 1996). Diese Nutzenbewertung führte zu einer Vielzahl von Anforderungen an das Leistungsbündel, die weit über die Bestandteile der Sachleistung hinausgehen. „Heute wissen wir, dass die Elemente der Kundenorientierung, wie Nähe zum Kunden, Integration, Zufriedenheit und langfristige Bindung wichtige Erfolgsfaktoren“ in der Nutzenbewertung des Kunden sind (Lingenfelder, Schneider, 1991, S. 109). Kundenorientierung beginnt damit, die unterschiedliche Art und die unterschiedliche Intensität in der Wahrnehmung von nachfragenden Kunden und anbietenden Unternehmen in Einklang zu bringen. Die Unterschiede in der Eigen- und Fremdwahrnehmung behindern nämlich häufig in den Unternehmen eine wirkliche Kundenorientierung.

78

Produktqualität

88% 87%

Qualität der Beratung durch Verkäufer

88% 71%

Offenheit gegenüber Anregungen von Kunden

82% 53%

Offenheit im Informationsverhalten zu Kunden

81% 69%

Dienstleistungsqualität

79% 63%

Qualität der Kundenbezogenen Prozesse

74% 42%

Flexibilität bei der Leistungserbringung

72% 47%

Kundenkontakte von nicht Vertriebspersonal

67% 44%

Selbsteinschätzung der Unternehmen__

Abb. 3.5

Kundenbeurteilung__

Idealwert = 100%

Wie Unternehmen ihre Leistung sehen (Quelle: o. V. , Manager Magazin; Heft 1/1996; S. 144 ff.)

Dort, wo in der Abb. 3.5 die Selbsteinschätzung der Unternehmen mit der Kundenbeurteilung stark differiert, bestehen große Mängel in der Kundenorientierung. Ein zweiter Aspekt einer differenzierten Einschätzung einer empfangenden Leistung zeigt sich, wenn gemessene Beuteilungen vom Kunden verglichen werden mit dem Grad der Wichtigkeit, den das beurteilte Leistungsteil für den Kunden hat. Abb. 3.6 zeigt nicht nur äußerst geringe Zufriedenheitsgrade (kleiner 67%) in allen Beurteilungsbereichen, sondern verstärkt die Einschätzung der Unzufriedenheit noch in jenen Bereichen, die für eine Kundenzufriedenheit besonders wichtig sind. In der später zu untersuchenden Gestaltung von Leistungsinhalten wird es besonderer Aufmerksamkeit im Bauunternehmen erfordern, für die Erreichung einer hohen positiven Kundenorientierung vor allem diese Bereiche intensiv zu entwickeln, die aus Kundensicht besonders wichtig sind.

79

Kosteneinhaltung bei der Durchführung von Bauleistungen Termineinhaltung bei der Durchführung von Bauleistungen Qualifikation des Projekt-/ Bauleiters des Auftragnehmers

57% 96% 61% 95% 61% 92%

Möglichst schnelle Beseitigung von Baumängeln

40% 89%

Kooperationsfähigkeit bei der Mitteilung von Baumängeln

44% 83%

Regelmäßiger Baufortschrittsbericht an den Bauherren

50% 75%

Beauftragung des preisgünstigsten Anbieters

62% 71%

Persönlicher Eindruck des Bauunternehmens bei den Auftragsverhandlungen Dokumentierte Erfahrungen durch eine Referenzliste Kontaktpflege nach der Bauabnahme Bauherren : Einschätzung der Zufriedenheit in%__

Abb. 3.6

67% 69% 59% 60% 56% 53% Bauherren: Einschätzung der Wichtigkeit in%__

Wichtigkeit und Zufriedenheit bei Bauherren / Auftraggebern mit wichtigen Leistungsteilen in der Abwicklung von Bauleistungen (Quelle: Töpfer, Schach, 2000, S. 5)

Unterschiedliche Erkenntnisgrade in der Zufriedenheitsmessung bestehen aber nicht nur zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden, sondern auch innerhalb des Unternehmens, z. B. zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Eine nach außen wirkende Kundenorientierung kann natürlich nur wirken, wenn sie nach innen im gesamten Unternehmen gelebt wird. In einer Befragung über die Kundenorientierung in eigenen Unternehmen musste festgestellt werden, dass nur 25% der befragten Unternehmen selbst nach innen zu den Mitarbeitern als kundenorientiert gelten können, während alle anderen diese innerbetriebliche Problematik weder erkannt, geschweige denn sie zielgerichtet gestaltet haben (vgl. Droege, 1999, S. 33ff). Ursache der Diskrepanzen in den Einschätzungen sind tiefgreifende Wahrnehmungsbarrieren in den Unternehmen gegenüber ihrem Umfeld. Offensichtlich wird zu wenig Information fachkundig über den Kunden gesammelt, verarbeitet und in den Organisationen kommuniziert.

80

konzeptionelle u. methodische Defizite bei d. Messung von Kundenzufriedenheit Gleichsetzung von Kundenzufriedenheit und -bindung

nicht das ganze Unternehmen auf Kunden ausgerichtet

Defizite in der Kundenorientierung

fehlende Fokussierung auf einzelne Marktsegmente Vernachlässigung >weicher< Faktoren d. Unternehmensführung zur Steigerung d. Kundenorientierung

Abb. 3.7

fehlende Ausrichtung des Unternehmens auf wirkliche Kundenorientierung

Hauptdefizite in der Kundenorientierung (Quelle: Homburg, Werner, 1998, S. 21)

Die Ausrichtung auf den Kunden beginnt aber mit der Wahrnehmung von Kundenbedürfnissen. Dazu muss man zuerst zum Kunden Nähe herstellen, Signale aufnehmen und diese verstehen. 60% aller Unternehmen haben keine Vorstellung davon, welche der von ihnen angebotenen Leistungen für den Kunden besonders wichtig sind. Die umfassende Befragung hierzu, dass „Deutsche Kundenbarometer“, vermerkt über Jahre hinweg einen Rückgang der Kundenzufriedenheit – gleichzeitig dazu einen Anstieg des Erwartungsniveaus der Kunden (vgl. Meyer, Dornach, 1996, S. 3). Da Bauleistungen zunehmend als Leistungsbündel angeboten werden, muss ein immer größerer Teil in direktem Kontakt mit dem Kunden erbracht werden. Auch dadurch gewinnt Kundennähe an Bedeutung (vgl. Simon, 1991, S. 9; Peters, Watermann, 1984, S. 189). Es wurde nachgewiesen (vgl. Homburg, 2000, S. 33; Homburg, 2003a, S. 65): x

Kundennähe wirkt sich um so günstiger für den Lieferanten aus, je komplexer die angebotene Leistung ist;

x

Kundennähe lässt sich umso besser optimieren, je langjähriger die Geschäftsbeziehung existiert;

x

Kundennähe ist durch die Organisationsstruktur bedingt;

x

Kundennähe hilft Kosten senken, da Wiederholungskäufer geringeren Aufwand verursachen.

Erst in Kundennähe kann eine umfangreiche Analyse der Kundenwünsche mit ihren vielfältigen Abhängigkeiten erarbeitet werden. Hierzu hat der Japaner Shiba ein Verfahren zur 81

Analyse der Stimme des Kunden erarbeitet – der „voice of the customer“ (vgl. Shiba, Graham, Walden, 1993, S. 202; Homburg, Werner, 1998, S. 169; Töpfer, Mann, 1999, S. 96). Er analysiert die Kundenanforderungen, indem er die Erwartung des Kunden an die Problemlösung ermittelt, diese mit bisherigen erlebten Zufriedenheiten verbindet, um daraus einen konkreten Kundenutzen herauszufiltern. Im nächsten Schritt kann dann erarbeitet werden, welche Eigenschaft die angebotene Leistung für den Kunden haben muss.

Kundenanforderung

Kundennutzen

Kundenintegration

Kundenanalyse

Kundenstruktur

Kundenzufriedenheit Kundenbindung Beschwerde

Ressourceneinsatz PotenzialErgebnisProzessorientiert

Abb. 3.8

Kundenanalyse (eigene Darstellung)

Nun sind die Erwartungen des Kunden oft unermesslich. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was Kunden wollen und dem, wofür sie zu zahlen bereit sind (vgl. Breunemann, 1999, S. 9; Malik, 4/1994, S. 55). Dies gilt nicht zuletzt für Bauleistungen, bei denen der Kunde oft nicht weiß, welche technologischen und finanziellen Auswirkungen seine Erwartungen nach sich ziehen (wie z. B. weitgehende Stützenfreiheit, umfassende Klimatisierung, Grundstückswahl ohne Beachtung von Gründungsproblemen). Eine unkritische, alles erfüllende Kundenorientierung ist deshalb für das anbietende Unternehmen gefährlich (vgl. Joppe, 2000, S. 155). Es müssen deshalb Standards für die Art und Weise des Umgangs mit dem Kunden in der Analyse festgelegt werden und – soweit der Kontakt intensiv betrieben wird – muss die Organisation des Unternehmens auf die Kundennähe hin ausgerichtet sein. Dabei muss definiert sein, wer die Kundeninteressen aufnimmt und sie ins Bauunternehmen hineinträgt, um nicht mehr zu leisten als der Abnehmer braucht und um dennoch eine umfassende Problemlösung zu erreichen (vgl. Droege, 1999, S. 47; Acker, 1998, S. 67). Hilfreich sind hierfür Aufgabenstellungen für Mitarbeiter im Vertrieb, wo in direkter Zuordnung Mitarbeiter des anbietenden Unternehmens auf direkt zugeordnete Kundengruppen oder -segmente ausgerichtet sind (vgl. Kleinaltenkamp, 1994, S. 145; Womak, Jones, Roos, 1994, S. 188f) und sehr differenziert die Kundenwünsche aufnehmen und die dazu korrespondierende Zahlungsbereitschaft ermitteln.

82

3.2.1.2 Kundennutzen Die aus der abgewogenen Kundenanalyse erarbeitete Bestimmung des Kundennutzens ist ein zentraler Punkt der Marktorientierung. Welche Leistung wünscht der Kunde, für welche Inhalte ist er welchen Preis zu zahlen bereit? Ein wichtiges Verfahren zur Bestimmung von Nutzenanforderungen aus Kundensicht ist die „Conjoint Analyse“ (vgl. Töpfer 1999a; Töpfer, Günther, 2004b, S. 122, Homburg, 2003b), bei der der Kunde vorhandene Bauleistungen nach ihm wichtig erscheinenden Eigenschaften und Nutzenkomponenten bewertet. Die einzelnen Ausprägungen werden vom Befragten priorisiert und mit Preisbereitschaft beurteilt. Das Verfahren vertieft die Beurteilung der Kundenerwartungen zu konkreten einzelnen Nutzenbündeln, bei denen wiederum die Zielkosten für die maximale Kaufbereitschaft mitdefiniert werden. Es wird in abgewandelter Weise bei der Planung von Baumaßnahmen genutzt, um die gelieferten Inhalte des Bauwerkes genau auf die Bedürfnisse des Kunden auszurichten (siehe QFD – Kap. 4.1.2.1). Gerade bei unterschiedlichen Preisforderungen der die Bauleistung anbietenden Unternehmen ist es für den Anbieter wichtig, den von ihm gebotenen Nutzen und den von ihm evtl. gebotenen zusätzlichen Wert dem Kunden offensiv darzustellen, will es einen Vorteil im Wettbewerb erlangen. Eine höhere Preisforderung im Wettbewerb wird der Kunde nur dann akzeptieren, wenn er zusätzliche Werte erhält, die ihm seinen erlebten Zusatznutzen bringen (vgl. Dornach, Schneider, 2001, S. 129). Unterschiedliche Kundengruppen entwickeln divergierende Nutzenerwartungen. Dabei nehmen die Anforderungen bei steigendem Nutzenniveau zu, sodass der erfolgreiche Anbieter seine Position nur hält, wenn er seine Leistung laufend fortentwickelt (siehe auch Kapitel 4.1.1.2). Da man nicht in allen Leistungsbereichen eine Spitzenposition erreichen kann, ist es wichtig zu sehen, wo der Anbieter zukünftig mit seinen Fähigkeiten ein Kundenproblem besser lösen kann als der Wettbewerb. „Besitzt ein Unternehmen keinen besonderen Vorteil gegenüber seinen Rivalen, so hat es auch keine Existenzberechtigung.“ (vgl. Hendersen, 1993, S. 84). Eine besondere Stärke in einem spezifischen Vorteil mündet in einer „Unique Customer Value Proposition“, die die Wahrnehmung des Kunden auf bestimmte hervorstechende Eigenschaften der angebotenen Leistung lenkt und damit eine Unterscheidung zum Wettbewerb ermöglicht (Ries, Trout, 1990, S. 58; Töpfer, 2004e, S. 212). Dieser Vorteil kann sich für den Kunden in besonderer Leistung, günstigen Kosten, außergewöhnlichem Service oder besonderer Informationsnähe zeigen.

83

Kundennutzen als

Kundennutzen als Kostenvorteil

Leistungsvorteil qualitativ

quantitativ

bessere Qualität kürzere Bauzeit mehr Sondervorschläge Design-Build

weniger Schnittstellen höherer Leistungswert Nutzen von Bestbesseres Kosten-Nutzen- practice Verhältnis erfahrenes Projektmehr m² je Geldeinsatz management einfache Unterhaltung Kundennutzen als Servicevorteil quantitativ

qualitativ Facility Management schnelle Reklamationsbearbeitung lange Gewährleistung Wartungsverträge

Abb. 3.9

hoher Servicestandard vorhersehbare Kosten

quantitativ

qualitativ

kürzere Bauzeit günstigere Baukosten minimale Änderungskosten geringe Wartungskosten

Kundennutzen als Informationsvorteil qualitativ

quantitativ

gläserne Baustelle Web-eye, lfde.Berichte Änderungsmanagement Baudaten/-pläne auf Wartung abgestimmt

einfache, schnelle Informationen geringe Budgetveränderung einfacher Service

Elemente des Kundennutzen für Käufer von Bauleistungen (eigene Darstellung)

Angebot- und Nachfragebeziehungen sind Interaktionen in komplexen Systemen. In diesen wird die größte Wirkung erzielt, indem man den größten Engpass in diesem System beseitigt. Spiegelbildlich daraus ergibt sich die Stärke des unternehmerischen Vorteils am Markt aus der Fokussierung des Betriebes auf eigene Leistungsstärken und damit seine Ausrichtung auf das brennenste Problem der erfolgversprechendesten Kundenzielgruppe (vgl. EKSUnternehmensstrategie, o. V., 1993, S. 2ff). Im Angebotsbereich sollte sich deshalb das Unternehmen möglichst auf jene Engpässe fokussieren, die überwunden werden müssen, um vor der Konkurrenz erkennbare Leistungsunterschiede zu erhalten. Diese Konzentration auf das Wesentliche und Wirksame hilft eine Verzettelung der einzusetzenden Ressourcen zu verhindern und fokussiert die Bemühungen auf den Kundennutzen. Dies kann zu grundlegend neuen Anwendernutzungen führen, wie z. B. beim Abdichten toleranzbedingter Maßabweichungen im Fensterbau, indem erstarrende Kunststoffschäume hohe Anforderungen an Maurer und Tischler für Maßgenauigkeit zwischen Fenster und Mauerwerk ersetzen (vgl. Wittek, 1998, S. 66). Nun reicht es nicht, nur dem Kunden unmittelbar geforderte Nutzenvorteile zu bieten. Da im BtoB-Bereich der Kunde von Bauleistungen mit dem Bauwerk eigene Wertschöpfungen verbindet, gilt es den Gesamtnutzenvorteil „einer Abnehmer- / Kundenkette synergetisch“ zu optimieren (vgl. Hofmaier, Leutbecher, 1996, S. 106). Dazu ist der Kundennutzen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette bis zum Endverbraucher zu analysieren. So kann z. B. das Bauen mit Fertigteilen zwar dem Bauunternehmer logistische und zeitliche Vorteile auf der

84

Baustelle bringen, aber den Endnutzer kann es durch ästhetische und gestalterische bauartbedingte Einschränkungen so belasten, dass der Nutzenvorteil nicht mehr gegeben ist. Als positives Beispiel möge die Vermarktung einer Immobilie durch eine Bank oder einen Bauträger gelten, die wesentlich leichter abläuft, wenn der Endkunde erfährt, dass ein besonders qualitätsbewusstes gutbeleumundetes Bauunternehmen das Objekt gebaut hat. Es ist zu prüfen, ob die angebotene Leistung nach Art, Umfang und Wirkung für den Kunden einen Wert darstellt bzw. ob der Wert der bis dahin üblichen Leistung durch Veränderungen im Angebot gesteigert werden kann. Aus der Unternehmungssicht stehen diesen Werttreibern aus Sicht der nachfragenden Kunden die sich für ihn ergebenen Zusatznutzen gegenüber, die damit gleichzeitig jene Erfolgsfaktoren des Unternehmens darstellen, auf deren Beurteilung im Wesentlichen die Kaufentscheidung des Kunden beruht. Werttreiber Mehr-Wert-Leistung einer Bauunternehmung Flexibilität bei Änderungen Transparenz nach Zeit und Kosten

Erfahrung bei vielen Projekten Sicherheit, Solidität, Zuverlässigkeit gemäß Referenzen Hohe Standardisierung und Erfahrung in Prozessen Kundenorientierung Fachkompetenz

Abb. 3.10

Erfolgsfaktoren Kundennutzen daraus Änderungen sind kurzfristig umsetzbar und behindern nicht den Endtermin (Sicherheit), Risiken sind jederzeit offengelegt, Kunde weiß immer, wo Projekt nach Zeit und Kosten steht, Primat der proaktiven Gestaltung (Sicherheit), Kostenoptimierung durch Nutzung „best practice“ aus großem Erfahrungsschatz (günstiges Preis/Leistungsverhältnis), Sicherung der Gewährleistung und Vertragserfüllung nach Zeit und Kosten, Keine Sorge über Terminüberschreitung und Budgetverfehlung, Funktionierende Prozesse sichern Qualität, Trainierte Mitarbeiter garantieren Störungsfreiheit bewirkt Entspannung, Man denkt über den Bau hinaus. Das Geschäft des Kunden wird verbessert, Hohes Maß an Entlastung, Hohe Qualität, bereit zu Änderungen, flexibel.

Mehr-Wert-Leistung des Anbieters und daraus folgender Nutzen für den Kunden (eigene Darstellung)

Nutzenvorteile müssen aber nicht nur für den Kunden erkennbar sein, sondern sich auch vom Wettbewerb unterscheiden. Einen absoluten Vorsprung erzielt man zumeist nur kurzfristig. Erkennbare Vorteile erzielt man üblicherweise durch Erarbeitung eines relativen Abstandes zu wichtigen Wettbewerbern. In der Bietung von Nutzen sollte es deshalb das Ziel einer Unternehmensführung sein, „Besser sein, nicht zurückliegen; wenn Bessersein nicht möglich ist, dann Anderssein.“ (Hendersen, 1993, S. 85; vgl. Tracy, Wirsma, 1995, S. 31; Weismann, 1990, S. 115). Da die Markterfordernisse und die Zielkunden sich selbst laufend verändern, ist die Beobachtung eines Kundennutzens nicht eine einmalige, sondern eine fortwährende Verpflichtung im Unternehmen, um aus ihrer Erfüllung eine Kundenzufriedenheit zu entwickeln (vgl. 85

Woodruff, Gardial, 1996, S. 146; Schauenburg, 1997, S. 58). Die Betrachtung der sich fortlaufend dynamisch verändernden Nutzenerwartungen des Kunden werden allerdings dadurch erschwert, dass manchmal Kunden den von ihnen erwarteten Nutzen oftmals im Voraus nicht exakt definieren können. Dies gilt besonders bei Bauleistungen, bei denen der Kunde sich Art und Umfang des später zu erstellenden Bauwerkes und damit seiner Auswirkungen in der Landschaft, zu den Nachbarn, zu spezifischen Emissionen oder in der Interaktion zu ihm selbst gar nicht vorstellen kann. Deshalb muss das Bauunternehmen als Teilnehmer am Markt jene Kräfte möglichst frühzeitig einschätzen, die den Kunden beeinflussen und seine Nutzenvorstellung mitbestimmen.

3.2.1.3 Erfolgsfaktoren und Werttreiber Der Erfolg eines Bauunternehmens hängt einerseits davon ab, ob sein angebotenes Leistungsbündel für den Kunden Nutzen bietet und infolge eines relativen Wettbewerbsvorteils aus dem Marktangebot zum Kauf ausgewählt wird. Andererseits hängt die Wettbewerbsfähigkeit des Angebotes von der optimalen Bereitstellung von Technologien, Ressourcen und Kompetenzen im Unternehmen ab. Das Ausmaß des relativen Wettbewerbsvorteils zeigt sich für den Kunden in einer aus allein seiner Sicht vorteilhaften Leistung. Diese Einschätzung bestimmt, welche Vorteilsmerkmale dem Kunden wichtig sind, von ihm wahrgenommen werden und so dauerhaft wirken, dass sie in der Kaufentscheidung bestimmend sind (vgl. Simon, 1988b, S. 465). Diese Vorteile im Wettbewerb basieren im Wesentlichen auf zwei Grundlagen (vgl. Wurster, 2000, S. 160f): x

Ein zum Wettbewerb differenziertes Leistungsversprechen, also die Erfüllung eines höheren Kundennutzens;

x

Eine im Vergleich günstigere Kostenposition zur Konkurrenz.

Vorteile aus einer günstigen Kostenposition sind im Wettbewerb selten dauerhaft. Die bessere Nutzung der Produktionsfaktoren, die schnellere Umsetzung neuesten Wissens oder eine optimale Fehlervermeidung wird heute infolge weltweitem Informationsaustausches und unverzüglicher Nachahmung sehr schnell vom Wettbewerber eingeholt (vgl. Porter, 1999a, S.49). Nachhaltigeren Erfolg verspricht die Erfüllung eines höheren Kundennutzens. Die vielen Aspekte einer guten Marktleistung, wie Erfüllung der Anforderungen möglicher Zielgruppen im Leistungsangebot und in der Erwartungshaltung der Kunden, sowie die Bereitstellung des optimalen Leistungsbündels durch das anbietende Unternehmen sind langfristig wirkende Vorteile im Wettbewerb und nennt man deshalb auch „Kritische Erfolgsfaktoren“ (vgl. Klinkenberg, 1995, S. 603; Kurfess, 1999, S. 82; Töpfer, 1996d, S. 7; Braun, Kling, 2002, S. 154). Inhalt und Umfang dieser Faktoren bestimmen sich aus eingehenden Untersuchungen der Kaufgründe und Erwartungen des Kunden (siehe Kapitel 2.2, 3.2.1 / 2), aus der Prozessanalyse der Leistungsbereitstellung, sowie der SWOT-Analyse mit Blick auf den Wettbewerb und

86

Betrachtung von Stärken und Schwächen des eigenen Angebotes und den Chancen und Risiken des Marktauftrittes (vgl. Pepels, 1999b, S. 91). Einflussfaktoren können qualitative – kontakt- und einstellungsorientierte – Grundlagen haben oder auf quantitativen Einschätzungen beruhen. Der Grad des Unternehmenserfolges hängt nun davon ab, wie die Erfolgsfaktoren als komprimierte Forderung der Kunden und als Maßstab für den Wettbewerb erfüllt werden. Da aber kaum ein Unternehmen in allen Bereichen Außergewöhnliches leisten und anbieten kann, gilt es sich – je nach den eigenen Fähigkeiten – zu konzentrieren. Die Gestaltung des Angebotes, die Ausrichtung betrieblicher Prozesse und der Einsatz der Ressourcen muss sich danach richten, wo am Markt die größten Engpässe in der Befriedigung der Kundenwünsche liegen. Das Angebot muss auf unbefriedigte Nutzenerwartungen der Kunden ausgerichtet sein und auf nicht erfüllte Leistungsversprechen der Wettbewerber, denn in diesem Bereich „schlummern“ die wichtigsten Erfolgsfaktoren (vgl. EKS, 1993; Töpfer, 2005, S. 552). y

Hohe Kundenzufriedenheit

y

Einhaltung von Budgetkosten

y

Schnelle Reklamationsbearbeitung

Erfolgsfaktoren im Baubereich

y

Enge Kommunikation mit dem Kunden über den Bauablauf

y

Höchste Qualität bei der Baudurchführung durch strikt prozessorientiertes Qualitätsmanagement

y

Garantierte Termineinhaltung - möglichst Unterschreitung - bei der Durchführung von Bauleistungen durch striktes Projektmanagement

y

Einhalten der Qualitätsanforderungen auch durch die Nachunternehmen

y

Planung und Bau aus einer Hand. Beratung über optimale Bauplanung/Objektoptimierung durch Spezialplaner – ("best practice")

y

Absolute Klarheit über Auswirkungen eventueller Änderungswünsche hinsichtlich Termin und Kosten sowie faire und transparente Preisgestaltung

y

Detaillierte sowie verständliche Angebotsausarbeitung und dadurch Gewährleistung höchster Preissicherheit

y

Ein hoch qualifizierter und stets erreichbarer Ansprechpartner für das gesamte Bauprojekt

y

Marktmacht auf dem Beschaffungsmarkt

y

Hohe Vertriebsstärke durch klares Konzept, umfassendes Marketing und geschulte Vertriebsmannschaft

y

Beherrschen der aktuellen Technologien

Abb. 3.11

Erfolgsfaktoren einer Bauunternehmung (eigene Darstellung)

Die in Abbildung 3.11 beschriebenen Erfolgsfaktoren im Baubereich sind deshalb Ausdruck der Erwartung des Kunden an die von ihm gewünschte Leistung und – infolge der integrativen Leistungserstellung – an den Prozess zur Umsetzung seines Bauwunsches, in den er mit einbezogen werden soll. So wie sich natürlich Kundenwünsche, Wettbewerbsangebote und allgemeine Rahmenbedingungen laufend ändern, so ändern sich natürlich Erfolgsfaktoren über die Zeit im Wandel der Märkte ebenso. Ihre Ermittlung und die Ausrichtung des Unternehmens auf sie muss deshalb 87

ein sich ständig wiederholender Prozess sein. Es ist offensichtlich, dass seit den fünfziger Jahren fast unveränderliche Leistungserstellungsprozesse zwischen Bauherren, Beratenden Ingenieuren und Bauunternehmen im Jahre 2006 nicht mehr so erfolgswirksam sind wie seinerzeit. Neben den aktuell erfahrbaren Erfolgsfaktoren müssen deshalb zusätzlich die Erfolgspotenziale späterer Perioden mit in Betracht gezogen werden. Sie dienen dazu, zukünftige Erfolgsmöglichkeiten zu antizipieren und sich frühzeitig auf veränderte Markterfordernisse einzustellen (vgl. Töpfer, 2005, S. 510). Erfolgspotenziale und -faktoren sind somit die wichtigsten Bestimmungsgrößen der Marktorientierung. Will sich ein Bauunternehmen darauf ausrichten, muss es mit seinen Ressourcen sein Leistungsangebot so ausrichten, dass es diese Erfolgsfaktoren möglichst gezielt erfüllt bzw. beeinflusst. Um die optimale Gestaltung zu finden, ist es hilfreich, sich die betrieblichen Fähigkeiten näher anzuschauen, wie sie z. B. in Geschäftssystemen von McKinsey (vgl. Emans, 1988, S. 126) oder der Wertkette von Porter (vgl. Porter, 2000, S. 66) beschrieben sind. Im Unternehmen befinden sich primäre bzw. leistungsbestimmende und sekundäre bzw. unterstützende Prozesse, die miteinander verwoben sind. Die Kosten und die Effektivität der einen Aktivität beeinflusst die Leistung und Handlungen der anderen (vgl. Porter, Millar, 1996). In Kapitel 3.1 wurde beschrieben, dass das Marketing alle betrieblichen Aktivitäten beeinflusst. Eine ähnliche Wirkung hat die Informationstechnik. Eine optimale Marktorientierung kann deshalb ebenso wie eine günstige Informationsverarbeitung wichtiger für den Markterfolg sein als eine gute physische Technologieanwendung. Die Information wirkt auf die Nachfrage- wie die Angebotsseite und verändert fortgesetzt die internen und externen Wertschöpfungsaktivitäten im Betrieb. Jede dieser Aktivitäten und die sie durchdringende Informationsmenge enthält spezielle Fähigkeiten, Kostenfaktoren und Leistungsergebnisse, die bestimmend für Kundennutzen und Wettbewerbsvorteil sein können (vgl. Warning, 1994, S. 79f; Porter, 1999a, S. 90; Porter, 2001, S. 65f). Ob die Gestaltung einzelner Leistungsbereiche im Unternehmen positiv für den Kunden oder überhaupt wertschöpfend für die Endleistung ist, muss geprüft werden. Die Beherrschung großer Bereiche der Leistungserstellung, also eine hohe Wertschöpfungstiefe ist kein Wert für die Marktleistung an sich. Vielmehr muss der Wertschöpfungsprozess nach Art, Länge, Zeitbedarf, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit betrachtet werden. Hierzu hat Porter im Rahmen seiner „Value-Chain-Analysis“ (vgl. Porter, 2000, S. 70f) folgende Grundsätze herausgearbeitet:

88

x

Der Gesamtwert einer Marktleistung ist jener Betrag, den der Kunde dafür zu zahlen bereit ist. Gewinn entsteht, wenn die Kosten darunter liegen.

x

Der Wertschöpfungsprozess ist in primäre und unterstützende Aktivitäten aufzugliedern und die Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit jeder einzelnen Handlung ist nachzuweisen.

x

Die Wertkette ist verknüpft mit einer Branche, Lieferanten und Partnern, deren Beziehungen zu einen Optimum geführt werden sollten.

x

Die Wettbewerbsvorteile ergeben sich nicht allein aus der Optimierung einzelner Elemente der Wertkette, sondern auch in ihrem ganzheitlichen Zusammenwirken (Synergie) in der Leistungserstellung für den Kunden.

x

Die Tiefe des Wertschöpfungsprozesses (vertikale Integration) im Bauunternehmen ist sorgfältig festzulegen. Große Tiefe mag Vorteile in Beherrschung eines ganzen Prozesses mit wenig Schnittstellen und günstigen Kosten, Beherrschung einer gesamten Technologie, der Liefersicherheit und der Unabhängigkeit bieten. Große Tiefe hat jedoch Nachteile einer geringen Flexibilität, hohen Investitionen mit Fixkostenbelastung, geringeren Austausch zu anderen Märkten und mangelnder Möglichkeit zur Optimierung mit leistungsfähigen Partnern.

Erst die genaue Analyse der betrieblichen Leistung entlang des Wertschöpfungsprozesses und dem Vergleich zum Wettbewerb und zu anderen Teilangeboten am Markt zeigen, wo im spezifischen Unternehmen Wert entsteht. Dies geschieht dort, wo das Unternehmen besondere Kernkompetenzen (vgl. Prahalad, Hamel, 1990) aufweist. Sie stehen für ein Bündel von zur Verfügung stehenden Technologien, Fähigkeiten, Ressourcen und Prozessen, die das Unternehmen befähigen, Leistungen mit hoher Kundenzufriedenheit zu schaffen. Kernkompetenzen sind oft Grundlage eines Wettbewerbsvorteils und von der Konkurrenz nur schwer nachahmbar. Die Bestimmung von Kernkompetenzen 1)

Zielgruppe und ihre Forderungen / das Kundenproblem

2)

Wie unterscheidet man sich vom Wettbewerb?

3)

Wo bestehen nachhaltige, schwer nachvollziehbare Wettbewerbsvorteile (USP / KKV / UCVP)?

4)

Wie müssen die Kompetenzen verbunden werden zum optimalen Nutzen durch die Zielgruppe?

5)

Welche Lernprozesse sind nötig zur Entwicklung von Kernkompetenzen?

6)

Welche Leistungen bietet der Wettbewerb?

7)

Welche zusätzlichen Leistungen ermöglicht die Kernkompetenz?

Abb. 3.12

Bestimmungsgrößen der Kernkompetenz (eigene Darstellung)

Langfristige Marktanalysen, die Betrachtung spezifischer Kundenanforderungen, die Analyse betrieblicher Prozesse und das Benchmarking zu Wettbewerbern zeigen, welche Kernkompetenzen wesentlich sind für den Erfolg einer Unternehmensleistung. Sie zeigen aber auch, was im Unternehmen selbst bereitgestellt werden sollte und welche Leistungskompetenzen im Betrieb eher zweitrangig für den Markterfolg sind. Da nicht alles beherrscht werden kann und dieses auch finanziell kaum bestreitbar ist, gilt es, das unnötige Binden von Ressourcen zu 89

vermeiden, die wirkungsvollsten Kernkompetenzen im Wettbewerb herauszufiltern und im eigenen Unternehmen fortzuentwickeln. Diese sind dann wesentlicher Bestandteil der Ressourcenorientierung einer wertorientierten Unternehmensführung. Kernkompetenzen können einzelne Teile einer besonderen Gestaltung der Ressourcen eines Unternehmens darstellen. Sie können sich auch aus der Verbindung von einzelnen Fähigkeiten ergeben und dann z. B. in der Bereitstellung eines besonders kundenorientierten, wettbewerbsfähigen Leistungsbündels münden. Kernkompetenzen wirken also auf die Gestaltung der Marktleistung. Ihre Entwicklung bestimmt wesentlich das Produktmanagement (siehe Kapitel 4.1.2.1) und die Herausarbeitung besonderer Leistungsbereiche einer Bauunternehmung (siehe Abb. 4.21). In diesen Kernkompetenzen wird der wesentliche Wert für die Marktleistung erzeugt. Doch wie wird ein Wert definiert, wenn nur 20% seiner Größe quantitativ erfasst werden kann, während 80% des Wertinhaltes qualitativ das Verhalten und die Leistung von Menschen behandeln, wie z. B. bei Leistungsbündeln (vgl. Haspeslagh et al., 2002, S. 49)? Es müssen also die werttreibenden Faktoren (Werttreiber) in den Wertschöpfungsprozessen betrachtet werden, die in ihrem Ergebnis nach innen in der Bauunternehmung für die Entstehung der Kernkompetenzen verantwortlich sind und die nach außen markt- und kundenbezogene Wirkung in Erfolgsfaktoren entfalten. Diese Werttreiber sind die wichtigsten Elemente der Ressourcenorientierung. Sie können nur wirksam gestaltet und entwickelt werden, wenn sie in ihrer Wirkung in nutz- und aussagefähigen Messwerten und Kennzahlen abbildet werden (vgl. Töpfer, 2000c, S. 32) und auf sorgfältigen Analysen der Kundenerwartungen aufbauen.

Werttreiber Kurze Nutzzeit/Durchlaufzeit bzw. Produktionszeit/Bauzeit Hoher Anteil der Ingenieurkosten an den Gemeinkosten Hohe Anzahl Sondervorschläge / Nebenangebote je Angebot Hohes Qualifikationsniveau der Mitarbeiter, Investitionen in Ausbidung Kurze Dauer der Reklamationsbearbeitung Hoher Customer-Satisfaction-Index Hohe Leistung in Std./Jahr der eingesetzten Maschinen, Nutzungsgrad Niedrige Höhe der Gemeinkosten an den Herstellkosten Große Fähigkeit zur Gestaltung von Leistungsbündeln Hohe Anzahl von Wiederholungskunden

Abb. 3.13

Werttreiber in einer Bauunternehmung (eigene Darstellung)

Je nach Position am Markt und dem Wettbewerb gibt es für das einzelne Unternehmen die unterschiedlichsten Werttreiber. Ihre Wichtigkeit und ihr Einfluss auf die Leistungserstellung verändern sich über die Zeit. 90

Aufgabe einer wertorientierten Unternehmensführung ist es, Markt- und Ressourcenorientierung im optimalen Zusammenspiel im Leistungsangebot zusammenzufügen. Es gilt also, am Markt wirkende Erfolgsfaktoren zu kennzeichnen und die ihnen zugehörigen Werttreiber im Unternehmen zu entwickeln. Doch welche Ursachen- und Wirkungsbeziehungen bestehen zwischen Werttreibern und Erfolgsfaktoren? Was ist zuerst da und wer beeinflusst wen zuerst und wie? Abb. 3.14 zeigt beispielhaft einige gegenseitige Verbindungen. Erfolgsfaktoren für den Kunden Günstige Baupreise

Werttreiber im Bauunternehmen  Fähigkeit zur Optimierung der Konstruktion  Fähigkeit zur Totalübernehmerschaft  Günstige Prozesse mit niedrigen Herstellkosten

Kundenzufriedenheit

 Informationen über Bauablauf  Über die Bauzeit konstante Ansprechpersonen  Schnelle Reklamationsbearbeitung

Keine Störung des Betriebes bei Umbauten

 Überraschende technologische Lösungen oder Abläufe (Nachtarbeit, Just in time)



Abb. 3.14 Verbindung von Erfolgsfaktoren und Werttreibern in Bauunternehmen (eigene Darstellung)

Für die Unternehmensführung ist die Untersuchung von Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen betrieblichen Aktivitäten in den Prozessen und Ergebnissen am Markt nur möglich, wenn eindeutige Prozesse definiert, Zuordnungen geklärt, Kundenverhalten analysiert, Verantwortlichkeiten bestehen und Messgrößen so wie Messverfahren implementiert sind. Ursache-Wirkungsbeziehungen können nach folgenden Kriterien betrachtet werden:

x

Inhalt

-

x

Prozesse

-

x

Organisation

-

x

Lage im Wettbewerb

-

x

Zeit

-

Ganzheitlichen Wirkungen von Maßnahmen auf Ergebnisse unabhängig von der Entstehung im Unternehmen, Prüfung mit Verfahren der Kundenzufriedenheitsmessung. Prüfung der Wirkung der Werttreiber im Prozess der Wertschöpfungskette, Förderung der wirksamsten Werttreiber, Beseitigung von Engpässen. Abläufe in ergebnisverantwortlichen Organisationseinheiten und Zuordnung von Maßnahmen und Wirkungen zu direkt handelnden Personen. Agiert oder reagiert das Unternehmen im Markt? Verbesserung eines Werttreibers oder Neuausrichtung auf einen Erfolgsfaktor.

Je nach Wertentstehung müssen alle Ebenen untersucht werden, z. B. wie sehen im Einzelfall die Schnittstellen aus, wer beeinflusst wen und was, und gibt es neben direkten auch indirekt wirkende Einflüsse? Die Analyse der Ursache-Wirkungsbeziehungen ist die Grundlage für die Betrachtung der Wirkung von Wertschöpfungsprozessen im Unternehmen und damit der Beginn von Verfahren zur Prozessoptimierung (vgl. Töpfer, 2000a, S. 121; Töpfer, 2000c, S. 91

134; Töpfer, 2000d, S. 44). Erst wenn Ursache- und Wirkungszusammenhänge bekannt sind, können von gewünschten Wirkungen aus Kundensicht auf einzurichtende Prozesse und Fähigkeiten im Unternehmen geschlossen werden und natürlich umgekehrt: Welche Wirkung wird die eingeschlagene Gestaltung der Ressourcen am Markt haben?

Mitarbeiter Qualifikation Fortbildung Motivation Ortsungebundenheit dienstleistungsorientiert

URSACHE Prozesse Lieferanten klare Definition Beurteilung Schnittstellen gemeinsame Prozesse Reklamationsdauer Partnerschaft Verschwendung kostenorientiert klare Prozesseigner Kontin. Verbesserung

Kunde Zufriedenheit Wiederholungskauf höhere Preise Cross-Selling einfache Transaktionen

Abb. 3.15

WIRKUNG Markt Marktanteil Wachstum Image

Leistungen Qualität Produktmanagement Innovation Design-Build

Finanzen Umsatz DB / Gewinn Garantieaufwand hohe Wertschöpfung

Ursache-Wirkungsbeziehungen im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

Ursache-Wirkungsbeziehungen können nur langfristig beeinflusst werden. Gewünschte Wirkungen zu einer Wertsteigerung werden zuerst angestoßen von einer strategischen Ausrichtung bei der Gestaltung des Wertschöpfungsprozesses (vgl. Michel, 1997, S. 276) im Rahmen einer Werttreiberanalyse (vgl. Töpfer, 2005, S. 511): x

Wo entstehen Werte und welche Werttreiber haben den größten Einfluss?

x

Wo werden Werte vernichtet und wie kann zusätzlicher Wert geschaffen werden?

x

Sind genügend Erfolgsfaktoren?

x

Zeigt die Ursachen-/Wirkungsanalyse von Produktivität und Qualität mögliche Wettbewerbsvorteile?

Werttreiber

identifiziert für

den

Markterfolg

bestimmende

Die Gestaltung der Werttreiber richtet sich nach eigenen Fähigkeiten und der Lage zu Wettbewerbern (intern orientiert) und bewirkt eine Veränderung der Erfolgsfaktoren (extern orientiert) und wirkt dort wiederum auf den Wettbewerber zurück. Die strenge Ausrichtung nach diesen Ursache-Wirkungsbeziehungen im Unternehmen hat direkte Auswirkung auf die Qualität der angebotenen Leistungsbündel der Bauunternehmung. Bei von Ingenieuren geführten Unternehmen wird im Leistungsangebot zumeist technische Perfektion angestrebt, die schnell in eine sog. „Over-engineering“ mündet (vgl. GroßeOetringhaus, 1996, S. 56ff). Hierzu gehören z. B. hohe Sichtbetonanforderungen in später verkleideten Baubereichen, überhöhte sicherheitsgetriebene Lastannahmen für Bauteile oder 92

die Anwendung neuester Fertigungstechnologien, obwohl altbekannte Verfahren gereicht hätten. Für einen optimalen Kundennutzen muss die bereitgestellte Leistung aber nicht das technisch Beste sein, sondern im Wettbewerb erfolgswirksam sein. Der ehemalige Chef von IBM, J. Watson jr., hat dieses treffend skizziert: “If you really look at the history of IBM, technological innovation wasn’t always the thing that made us successful. Unhappily there were times when we came in second. But in the game I knew, that was less important than sales and distribution methods. We consistently outsold people because we knew how to put the story before the customer, how to install the machines successfully and how to hang on to customers once we had them.“ (zit. nach Simon, 1988a, S. 461). Wertorientierte Führung wird darauf achten müssen, im Wesentlichen nur jene Leistungsbestandteile zu liefern, für die der Kunde zu zahlen bereit ist oder die für die technologische Qualität unerlässlich sind. Um aus Kundensicht unnütze Leistungen zu vermeiden, von denen Ingenieure und Architekten für sich selbst „träumen“, ist es deshalb die Aufgabe, die Ziele der Marktleistung mit ihren Erfolgsfaktoren zu definieren und die innerbetrieblichen Prozesse mit ihren leistungsbestimmenden Werttreibern darauf auszurichten und zu optimieren.

In der Strategie die Ziele der Marktleistung definieren

die für die Marktleistung notwendigen Erfolgsfaktoren identifizieren

die davon beeinflussende Prozesse in der Wertschöpfungskette schaffen

leistungsbestimmende Werttreiber festlegen

Ursache-Wirkungsbeziehungen klären und beeinflussen

Abb. 3.16

Die gegenseitige Abhängigkeit von Erfolgsfaktoren und Werttreibern (eigene Darstellung)

Erst wenn die in Abb. 3.16 beschriebenen Abhängigkeiten klar definiert und die einzelnen Faktoren erschöpfend beschrieben worden sind, ist eine nachhaltige Gestaltung eines wettbewerbsfähigen Leistungsprogramms und ein erfolgreicher Marktauftritt möglich. 3.2.1.4 Bereitschaft zu Wandel und Veränderung Waren- und Dienstleistungsmärkte sind ununterbrochen einem Wandel unterworfen. Kunden haben neue Anforderungen, der Staat setzt andere Regeln und Wettbewerber verändern sich. 93

Am Baumarkt in Deutschland zeigen sich z. B. seit 1995 folgende wesentliche Veränderungen: x

Rückgang der Nachfrage nach Bauleistungen von 1995 – 2006 um ca. 40%;

x

Überproportionaler Rückgang im Wohnungsbau;

x

Durch starken Anstieg der Defizite öffentlicher Haushalte Rückgang der Bauinvestitionen im Infrastrukturbereich;

x

Durch Zunahme der Globalisierung verlegt die Industrie Produktionsbereiche ins Ausland und tätigt weniger Bauinvestitionen;

x

Jahrelange Stagnation der wirtschaftlichen Tätigkeit;

x

Kunde entscheidet immer mehr nur nach dem Preis, ein lokales Stammkundenverhältnis lockert sich zusehend;

x

Anstieg der Nachfrage nach schlüsselfertigen Bauleistungen;

x

Zunehmender Einsatz von Mitarbeitern aus MOE-Staaten.

Diese kleine Auswahl verdeutlicht, wie nachhaltig die Nachfrage am Baumarkt sich gewandelt hat. Die Veränderungen verliefen bisher – anders als infolge Krieg oder Naturereignissen – langfristig und waren zu 1995 oftmals nicht leicht zu erkennen. Ihre Wirkung ist jedoch so nachhaltig, dass sich daraus völlig unterschiedliche Nachfrageinhalte, Marktvolumina je Leistungsbereich, Wettbewerbsbedingungen und Rahmenbedingungen ergeben haben.

- starker Preis- und Kostendruck - wachsende Verkaufserfolge

- steigende Erträge, aber nachfolgend steigende Kosten - Kunden orientieren sich an Kapazitäten statt an Qualität - Steigerung der Produktionsmenge führt allzu leicht zur Vernachlässigung optimaler Prozesse und Kosten

- durch Überkapazitäten zunehmender Wettbewerb - Kunden steigern ihre Anforderungen von allen an Qualität und Zeit - Kunden verteilen mehr Risiko auf das Bauunternehmen - Nachfragerückgang verstärkt sich durch Substitution von Baunachfrage durch Miete

- Vernachlässigung des Marketings

- Die Preisbildung der Bauanbieter tendiert in der Not zunehmend unter die Herstellkosten

Wachsende Märkte (steigendes Bauvolumen)

Schrumpfende Märkte (sinkendes Bauvolumen)

Abb. 3.17

Charakteristika sich verändernder Märkte im Baubereich (eigene Darstellung)

Die in Abbildung 3.17 beschriebene Charakteristika sich wandelnder Baumärkte zeigt einige Hauptwirkungen am Markt für Anbieter und für Nachfrager. Eine Veränderung der Märkte kann sich in der Änderung von z. B. Qualitäten, Zeiterfordernissen, Rahmenbedingungen oder 94

von Absatzmengen je einzelner Bauleistung oder in sich geschlossener Baumarkttypen (Wohnungen, Straßen, Infrastruktur) zeigen. Entgegen der Wirkungen bei üblichen konjunkturellen Schwankungen werden sich die Nachfrage in Quantität und Qualität und damit die Marktbedingungen bei vom Verkaufsvolumen her nachhaltig steigenden oder schrumpfenden Märkten grundsätzlich ändern. Eine Anpassung an größere Absatzmengen erscheint dabei leichter, weil dieses zumeist über die Fortentwicklung bestehender oder zusätzlicher Unternehmensleistungen erfolgen kann. Völlig anders verläuft eine Ausrichtung auf Baumärkten mit stark sinkenden Absatzvolumina. Entsprechend Abb. 3.17 verändern sich fast alle Einflussfaktoren auf das betriebliche Geschehen, so dass die Veränderung aller betrieblichen Prozesse in kurzer Zeit nötig wird, will das Unternehmen durch Verlust seiner Absatzmenge oder seiner Finanzkraft nicht in Not geraten. Trotz dieser Wirkungen und trotz des Postulates „Wandel ist das einzig Konstante im Leben“ heißt dieses jedoch nicht, dass Führungskräfte in Baubetrieben im letzten Jahrzehnt sich stetig mit möglichen Veränderungen in ihren Märkten beschäftigten und massiv versuchten sich darauf einzustellen. Wie wäre es sonst zu verstehen, dass im Jahre 2006, also im elften Jahr der Marktschrumpfung, die größten vier deutschen Bauunternehmen immer noch nachhaltig am deutschen Baumarkt keinen Gewinn erzielen, zwischenzeitlich die zwei Firmen mit der größten Bauleistung im Inland, die Holzmann AG und die Walter-Bau AG Insolvenz anmeldeten und eine generell hohe Insolvenzrate unter allen Baubetrieben darauf hinweist, dass sie sich nicht ausreichend erfolgreich auf die Marktschrumpfung einstellen konnten? Es ist Aufgabe des Managements eines Unternehmens, den Wandel anzunehmen und die daraus abgeleiteten Veränderungen proaktiv zu gestalten (vgl. Balsinger, 1998, S. 151). Dazu gehört die Fähigkeit, den Wandel zu erkennen und seine Bedeutung für das eigene Geschäft abzuschätzen. Der Wandel sollte nicht überraschen, sondern Anlass sein, sich systematisch auf relevante Veränderungen auszurichten. Aus den daraus folgenden Anforderungen sind Programme zum Aneignen neuer Fähigkeiten zu initiieren. Die BWL stellt eine Fülle von Instrumentarien bereit, um beim Erkennen des Wandelns von Märkten zu helfen, daraus Erkenntnisse für die eigene Veränderung zu gewinnen und das Unternehmen neu auszurichten. Voraussetzung für die Nutzung dieser Instrumente ist die Bereitschaft, über langfristige Veränderungen nachzudenken und sich mit verschiedenen Szenarios auf sie einzustellen. Dabei muss bedacht werden, dass die Unternehmensführungen von Betrieben in schrumpfenden Märkten üblicherweise ein einheitliches nachlässiges Verhalten zeigen (vgl. Porter, 1999c, S. 310):

x

Falsche Selbsteinschätzung („Als Starker kann uns nichts passieren.“)

x

Schnelle Aufgabe ganzer Marktsegmente („Klein, aber fein.“)

95

x

Falsche Einschätzung von erzwungenen Preissenkungen („Der Preiswettbewerb ist zwar schädlich und ruinös, aber wir werden es schon schaffen.“)

x

Keine Schwerpunktbildung mit optimalem Leistungsangebot („Wir bieten allen etwas.“)

x

Hoffen auf bessere Zeiten („Wahljahre waren immer gute Baujahre.“)

x

Rücksicht auf Branchenusancen und Verzicht auf neue Angebotsformen („Das schadet der Branche.“)

Es mangelt allzu häufig am Erkennen und der Akzeptanz einer strukturellen Marktschrumpfung. Im Baumarkt der vergangenen zehn Jahre gab man sich der stetigen Hoffnung auf erneutes Wachstum nach erfolgter kurzfristiger Konsolidierung hin (der üblichen konjunkturellen Schwankung), wie man es früher schon erlebt hatte (vgl. Schröder, 1988, S. 26; Linden, 2000, S. 34). So ging man den vordergründig leichten Weg, bisherige Bemühungen zu verstärken („Try harder the same.“), statt neue, kreative andere Wege zu beschreiben („Try something new.“) (vgl. Meffert, 1989, S. 479). Schon vor über vierzig Jahren hat Theodore Levitt ungeschminkt eine solche Verhaltensweise grundsätzlich charakterisiert: „In truth, there is no such thing as a growth industry, I believe. There are only companies organised and operated to create and capitalize on growth opportunities.” (Levitt, 1960, S. 47). Ein engagiertes ideenreiches Management stellt sich frühzeitig auf Veränderungen ein und findet auch in schwierigen Märkten erfolgsträchtige Geschäftsfelder, unerfüllte Kundenbedürfnisse und Möglichkeiten zur Neuausrichtung der betrieblichen Leistung (vgl. Dirrheimer, 1984, S. 331ff; Hoffmann, Schmitt, 1984, S. 476f). Sich auf die Anforderungen des Marktes – seien es Kunden oder Wettbewerber – einzustellen oder die benötigten Ressourcen in der richtigen Qualität bereitzustellen, erfordert eine langfristige Perspektive. Markterfolg wird nur zu einem geringen Teil von zufälligen Ereignissen, kurzfristigen Maßnahmen oder Glück befördert. Vielmehr ist frühzeitige Vorausschau, Analyse und langzeitig wirkende Ausrichtung alternativer betrieblicher Aktivitäten gefragt (vgl. Hendersen, 1993, S. 22). Dabei sind drei Grundelemente zu bestimmen (vgl. Malik, 2000, S. 135): 1. Was benötigt der Markt? Wofür bezahlt uns der Kunde? 2. Worin besteht unsere Überlegenheit? Was können wir besser als andere? 3. Woher kommt unsere Kraft? Woran glauben wir? Welche Ideen bringen uns voran? Welche Fähigkeiten sind nötig? Aus dem Zusammenführen von „Können“ und „Glaube“ entsteht die Fähigkeit, Nutzen zu Gunsten des Marktes für den einzelnen Kunden (engl.: Customer Value) zu stiften. Der Kunde kauft nicht ein Produkt, sondern das, was es für ihn tut – nämlich Nutzen stiften. Es ist also zu klären, welches Kundenproblem zukünftig gelöst werden soll: Häuser bauen oder sichere

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Geldanlagemöglichkeiten bereitstellen (z. B. in Immobilien); neue Straßen bauen oder optimale Verbindungen ermöglichen (z. B. mit der Telematik). Erst die klare Abgrenzung zukünftiger Wünsche der Nachfrage und die Fähigkeit der Konkurrenten bestimmt die Kundenzielgruppe, das Leistungsprogramm und das wettbewerbsorientierte Marktfeld.

3.2.1.5 Langfristige Ausrichtung des Bauunternehmens im Strategieprozess Es ist der Verdienst des Amerikaners M. Porter (vgl. Porter, 1999a, c, 2000), im Rahmen seiner in den 70er Jahren durchgeführten empirischen Studien, die langfristigen Abhängigkeiten des Unternehmens im Markt eingehend beschrieben zu haben. Neben den Anforderungen des Kunden auf das Unternehmen wirken fünf Wettbewerbskräfte in seiner speziellen Branche, auf die es sich einstellen muss. Branchenanalyse: Detailliertes Verständnis der Marktstruktur u. -dynamik Soziodemographischer Rahmen

Bedrohung durch neue Wettbewerber

Technologischer Rahmen

Marktposition der Lieferanten

Markt-/Wettbewerbsdynamik

Marktposition der Abnehmer

Regulativer Rahmen

Substitutionsprodukte/ -dienstleistungen

Wirtschaftlicher Rahmen

Abb. 3.18

Branchenanalyse: Detailliertes Verständnis der Marktstruktur und -dynamik und ihrer Wettbewerbskräfte (Quelle: In Anlehnung an: Porter, 1999b, S. 32)

Für die Ausrichtung eines Unternehmens in diesem Wettbewerbsfeld lassen sich nun Strategietypen erarbeiten, bezogen einerseits auf die Nutzenvorstellung wichtiger Kundengruppen oder andererseits auf die Entwicklung des Marktvolumens spezifischer Kundensegmente. Porter sieht dabei im Wesentlichen zwei erfolgversprechende Strategietypen (vgl. Porter, 2000, S. 38). Das Streben nach Kostenführerschaft mit dem Ziel hoher Effizienz und Effektivität erfordert den Aufbau optimaler Produktionsanlagen und ein Niedrigpreiskonzept mit der Ausnutzung von Mengeneffekten. Generell wird die um Kostenführerschaft bemühte Bauunternehmung versuchen, individuelle kundenspezifische Leistungserstellungen zu vermeiden und möglichst standardisierte wiederkehrende Bauten erstellen wollen. Dies erleichtert zwar das 97

Streben nach Kostenführerschaft, bringt aber andererseits die Gefahr mit sich, ungenügend auf individuelle Kundenanforderungen zu achten und sich in Fokussierung auf die Preismengenstrategie von vielen wichtigen Einflüssen des Kunden und seiner Nutzenerwartungen abzuschotten (vgl. Frese, Hüsch, 1992, S. 182). Fertigteilwerke mit der Ausrichtung auf große Ausbringungsmengen und den damit zwingend großen Produktionskapazitäten unterliegen diesem Problem (vgl. Schröder, 1998, S. 39). Als Alternative zu diesem Verhalten besteht eine Differenzierungsstrategie darin, die dargebotene Leistung des Unternehmens vom Wettbewerb soweit als möglich zu differenzieren, auf den Kunden individuell einzustellen, damit sie von ihm als einzigartig empfunden wird. Die Unterscheidung kann in der angebotenen Leistung, in der verwendeten Kommunikation bis zur Markenbildung, in der Ausrichtung auf bestimmte Kundengruppen, in der gebotenen Qualität oder in der Gestaltung des Leistungsbündels mit nachfolgendem Service liegen (vgl. Homburg, Faßnacht 1998, S. 531; Pepels, 2003, S. 640). Diese Ausrichtung – auch Präferenzstrategie genannt – verfolgen z. B. Bauunternehmen, die Speziallösungen für ihre Kunden anbieten aus der Erfahrung ganz spezifischer Anforderungen (z. B. Umbau von Krankenhäusern oder von Läden des Einzelhandels). Entgegen der Annahme von Porter, dass nur die strenge Verfolgung einer der beiden Hauptstrategien langfristigen Erfolg bringen würde (vgl. Porter, 2000, S. 44), hat sich herausgestellt, dass die Wettbewerbsfelder derart dynamisch und die Kundenanforderungen so vielfältig sind, dass eine einseitige strategischen Ausrichtung hohe Renditen eben nicht sichert (vgl. Hörschgen, Kirsch, 1993, S. 153; Kurfess, 1999, S. 54; Becker, J., 1999, S. 195). Deshalb sind Mischstrategien des gleichzeitigen Einsatzes nach Differenzierung und Kostenführerschaft, in der „Outpacing Strategy“ (vgl. Gilbert, Strebel, 1987, S. 32; Bleicher, 2004, S. 306f) die erfolgversprechenste langfristige Lösung für Unternehmen. So kann z. B. eine individuelle Bauleistung mit hohem Zusatznutzen (Planung, kurze Bauzeit) angeboten werden, wobei sich bei späterer zusätzlicher Nachfrage Kostenvorteile ergeben. Oder bei einer standardisierten Bauleistung (Wohnungsbau) erweitert der Kostenführer mit hohem Marktanteil behutsam die Leistungsbreite mit differenzierten Preisangeboten (Planung, Schlüsselfertigbau, Projektentwicklung). Mischstrategien empfehlen sich auch deshalb, weil eine Kostenführerschaftsstrategie zumeist sehr schnell von Wettbewerbern nachgeahmt wird und der Vorteil sich deshalb nur kurzzeitig auswirkt. Für die Strategieformulierung ist neben der langfristig angestrebten Leistungsbereitschaft auch die Fähigkeit der Wettbewerber zu beachten. So kann eine Pionierstrategie mit völlig neuen Produktionsverfahren oder Leistungsangeboten ebenso wirkungsvoll sein wie eine Nachahmerstrategie, bei der vorhandene Marktleistungen analysiert, adaptiert und günstiger angeboten werden (vgl. Miles, Snow, 1978; Becker, 1999, S. 197). Hilfreich für die Auswahl dieser Strategierichtung können Berichte über empirische Einzeluntersuchungen oder Datenbankprojekte, wie die Langzeitstudie im PIMS-Projekt sein, aus der Erfolgsfaktoren zu bestimmten Marktbedingungen abgelesen werden können. So wurde z. B. ermittelt, dass eine 98

hohe Angebotsqualität und ein hoher Marktanteil zu einem hohen „Return on Investment“ (ROI) führen, wohingegen hohe Investitionen in Technologie und Fähigkeiten wegen der schnellen Marktveränderung durchaus nicht gleichsam automatisch einen hohen Unternehmenserfolg nach sich ziehen (vgl. Peters, Watermann, 1984; von Windau, Schuhmacher, 1996; Simon, 1996; Kurfess, 1999, S. 23ff; Mann, 1998, S. 600). Außerdem wurde nachgewiesen, dass die Erarbeitung und Verfolgung einer generell klaren Strategie zu einem signifikant höheren Unternehmenserfolg führt (vgl. Raffee, Fritz, 1991, S. 1211). Dabei zeigen gemischte Strategien die beste Rentabilität (vgl. Fischer, 2001, S. 80). Dies zeigt sich besonders für mittelgroße Firmen in reifen Märkten (wie z. B. im Baubereich), die ihren Betriebserfolg durch eine starke Kostenausrichtung mit gleichzeitiger Technologie- und Qualitätsausrichtung erreichen, dabei aber eher in Prozesse und Innovationen investieren als in Anlagevermögen (vgl. Töpfer, 1989, S. 11; Mintzberg, 1999). Zur strategischen Ausrichtung des Leistungsangebotes nach den Anforderungen von Technologie, Preis und Kundennutzen ist es unerlässlich, Erfahrungen aus empirischen Studien in vergleichbaren Märkten mit ihren Entwicklungen zu berücksichtigen. Der Baubereich ist seit 1995 ein schrumpfender Markt und kann hier verglichen werden mit Erfahrungen aus der Textil- und Bierbranche (vgl. Harrigan, 1989; Schröder, 1988; Meffert, 1989). Bauunternehmen arbeiten in einer zersplitterten Marktform (vgl. Porter, 2000, S. 274), da selbst die größten Anbieter in Deutschland einen Marktanteil von unter 10% haben. Wie haben sich also in vergleichbaren Märkten Marktteilnehmer und Angebote in der Vergangenheit entwickelt und was kann daraus für die Zukunft abgeleitet werden? Diese Betrachtung ist umso wichtiger als sich oft profitable Nischen zeigen, sich Entwicklungsmöglichkeiten zu benachbarten Märkten ergeben oder die Position der Wettbewerber (z. B. durch Austritt, neue gesetzliche Regelungen) die eigene Lage völlig verändern können. Gerade zersplitterte Branchen bieten dem aktiven Wettbewerber große Chancen, das Wettbewerbsfeld zu seinen Gunsten zu verändern, insbesondere wenn großer Veränderungsdruck entsteht oder eine Branche sich zu konsolidieren beginnt (vgl. Schröder, 1988, S. 52). x

Durch Überwindung der Zersplitterung und neuer Betriebsgrößen können sich neue Absatzmengen und damit Kostenstrukturen ergeben, die jenem Unternehmen Vorteile bringen, die dieses als erstes nutzt;

x

Produktdifferenzierungen und -innovationen können wesentlich zur Änderung der Wettbewerbsposition beitragen und besonders in Nischen einzelner Angebotssegmente Marktführungspositionen erreichbar machen;

x

Hohe Wirkung lässt sich mit einer nachhaltigen Markenpolitik erzielen, da die „mittelständischen“ Wettbewerber oft wenig Kenntnisse über Wirkungen des Marketing haben und die Wirkungen einer nachhaltigen Kommunikationspolitik auf den Kunden unterschätzen.

99

Die Wirkungen von Chancen und Risiken in zersplitterten Branchen erhöhen sich wesentlich, wenn diese gleichzeitig schrumpfen (vgl. Harrigan, 1989, S. 23; Harrigan, Porter, 1983, S. 111f ). In diesen schrumpfenden Märkten findet nämlich ein „End-Game“ vergleichbar dem Schachspiel statt. Die Kräfte der Wettbewerber sind durch Überkapazitäten und nachfolgende Preiskämpfe erschöpft und es erfordert eine umfassende Anwendung betriebswirtschaftlichem Instrumentariums, will man das Spiel am Ende erfolgreich bestehen: „Shrinking industry sales make the decline phase volatile. The extent to which escalating competitive pressure erode profitability during decline, however, depends on how readily industry participants pull out and how fiercely the companies that remain try to contain their shrinking sales.“ (Porter, Harrigan, 1983, S. 112). Dabei stellt der Schrumpfungsprozess am deutschen Baumarkt insoweit eine Besonderheit dar, als hier nicht ein totaler Austritt aller Anbieter zu erwarten ist, wie ehedem mit der Textil- oder Radioindustrie. Vielmehr wird die Schrumpfung bis zu einem wesentlich niedrigerem Marktvolumen als bisher führen (1995 mit 15% vom BIP, 2010 mit ca. 7% des BIP). Die Hauptwirkungen dieser Schrumpfung für den Baubereich sind im Einzelnen (vgl. Porter 1999c, S. 333f): x Eine niedrige Auslastung der Produktionskapazitäten mit stark zurückgehenden Auftragsbeständen wirkt sich aus in einer aggressiven Preiskonkurrenz im Kampf um die wenigen Aufträge; x Ein hohes Fixkostenniveau durch langfristig wirkende Arbeitsverhältnisse und spezifisches nicht leicht verkaufbares Anlagevermögen führen zu geringer Flexibilität bei Beschäftigungsschwankungen und zu hohen Vermögensverlusten bei der Verkleinerung der Kapazitäten; x Es bestehen hohe Austrittsbarrieren aus dem Markt wegen fehlender Verkaufsmöglichkeiten an Wettbewerber, mangelndem Arbeitsplatzabbau infolge rigider Arbeitsschutzrechte und mangelnder alternativer Betätigungsmöglichkeiten (vgl. Scholz, C., 1984, S. 17), sodass sich bei der Schrumpfung die Baukapazitäten nur sehr langsam anpassen; x Die Unternehmen haben austauschbare Leistungsangebote und sind so besonders stark dem Wettbewerb über den Preis als Maßstab ausgesetzt; x Der Markt ist so zersplittert, dass sich die Unternehmen oft über ihre wahre Wettbewerbsstärke im Unklaren sind, sich überschätzen und evtl. plötzlich merken müssen, dass sie dem Marktdruck bisher nicht beachteter preiswerterer Wettbewerber nicht standhalten können; x Die Oligopoloisierung wichtiger Vorliefermärkte (z. B. Teile der Grundstoffindustrie, Heizungsanlagen, Fensterprofile) führt wegen deren langfristiger Fähigkeit, das hohe Preisniveau beizubehalten, zu einer zunehmenden Belastung der Bauunternehmen zwischen fallenden Verkaufspreisen beim Endkunden und unveränderten Beschaffungspreisen;

100

x Die Nachfrager nach Bauleistungen erleben die Zwangslage der Anbieter als Chance und nutzen ihre Marktmacht, um bei sinkenden Preisen ihre Leistungsanforderungen und Risikoverteilung zu erhöhen. Beides beschleunigt den Ertragsverfall bei den Baubetrieben. Trotz dieser für den Unternehmensbestand bedrohlichen Wirkungen können in zersplitterten und schrumpfenden Branchen, wie in Abb. 3.19 gezeigt, verschiedene Strategiearten beschritten werden, die für die wertorientierte Unternehmensführung nachhaltigen Erfolg aus diesen Krisen versprechen (vgl. Harrigan, Porter, 1983, S. 111; Friedrich, 1984, S. 359; Harrigan, 1989, S. 69; Meffert, 1994b, S. 479; Bauer, 1998, S. 1059).

Strategien bei Marktschrumpfung

Marktaustritt

Verkauf Stilllegung Insolvenz

Abb. 3.19

Marktbehauptung

Optimierung der Leistung

Optimierung Vermarktung

Verdrängung Konflikt

Verdrängung Konflikt

Aufgabe alter, Aufbau neuer Leistungen Ausweichen

Verminderung des Wettbewerbs Anpassung Kooperation

Strategien bei Marktschrumpfung im Baubereich (eigene Darstellung)

Die Vielzahl der nachfolgend beschriebenen Möglichkeiten zur Verfolgung von Strategien wird Führungskräfte im Baubereich überraschen, die bisher eher reaktiv am Markt agieren und oftmals Verluste akzeptieren. Die Verfolgung dieser neuen strategischen Lösungen erfordert allerdings einen hohen Einsatz aller Mitarbeiter und ist oftmals nicht ohne finanzielles Risiko: x

Erweiterung des Angebotes um neue Leistungsbündel (vgl. Belz et al., 1991; Hamermesh, Silk, 1980, S. 75f; Meffert, Walters, 1984, S. 5) vom Rohbau zum Totalunternehmer, vom Bauunternehmer zum Bereitsteller der Immobilie mit langjähriger Nutzung;

x

Zeitverkürzung von Entwicklungen und Bauabläufen (vgl. Droege, Backhaus, Weibern, 1993, S. 210; Fischer, 2001, S. 68), wie bei Umbauten in laufendem Weiterbetrieb des Geschäftes, kürzere Vorfinanzierungsphase;

x

Qualitätssteigerung in Sach- oder Serviceleistung zur Überraschung des Kunden – „Customer Perceived Value“ (vgl. Christopher, Payne, Ballantyne, 1991, S. 68), wie durch die Gewähr längerer Garantien, Übernahme von Wartung, Garantie des Energieverbrauches, Bereitstellung der Finanzierung; 101

x

Änderung der Wertschöpfungskette – Erweiterung oder Verkürzung (vgl. Little, 1991, S. 141; Timmermann, 1998, S. 99), wie bei der Entwicklung zum Totalunternehmer, der Schließung der Rohbausparte in einem Hochbaubetrieb, der Erweiterung des Tiefbaus um Hochbau oder Ausbauleistungen;

x

Steigerung der Innovation und Aufbau von Alleinstellungsmerkmalen, um die Probleme des Kunden signifikant besser zu lösen (vgl. Schröder, 1988, S. 71; Backhaus, Weiber, 1987, S. 79; Collis, Montgommery, 1995, S. 119; Kurfess, 1999, S. 245f; Bickel, 1982, S. 169), wie die Entwicklung der Tragkonstruktion für den Schnellzug Transrapid, von Schienenbefestigungen im System „Feste Fahrbahn“;

x

Aufbau einer Markenkommunikation des anbietenden Bauunternehmens auf genau ausgerichtete Segmente (vgl. Hofmaier, 1995, S. 17; Hörschgen, Kirsch, 1993, S. 75; Weissmann, 1991, S. 206; Wangen, 1993, s. 175; Herrmann, C., 2000, S. 49), wie in Märkten für Fertighäuser, für Parkhäuser, Kühlhallen oder Logistikzentren;

x

Entwicklung betrieblicher Ressourcen zu hoher Qualität – Mitarbeiter, Prozesse, Wertschöpfungspartner – (vgl. Treacy, Wiersma, 1995, S. 87f; Hinterhuber, Mak, 1983, S. 92), wie beim MBQ-Award Gewinner Granite Rock in den USA oder wie bei Lean Construction;

x

Verdrängung von Wettbewerbern durch verschiedenste Maßnahmen (Kauf, Insolvenz) (vgl. Simon, 1996, S. 40; Wildemann, 1998b, S. 21) oder Zusammenschluss verschiedener Wettbewerber mit Anstrebung eines gewissen Oligopols und gleichzeitiger Stilllegung nicht ausgelasteter Fertigungskapazitäten wie bei der Produktion von Fertigbeton, Betonfertigdecken, Asphaltmischgut.

Die gefundenen Strategien müssen ausgerichtet werden auf den Zeitablauf einer Marktschrumpfung. Bei plötzlicher Marktveränderung mit schnellem Preisverfall in einem Segment werden vom Unternehmen andere Handlungsweisen gefordert, als wenn in einem anderem Segment von Zeit zu Zeit Wettbewerber ausscheiden oder sich dem noch starken Marktteilnehmer strategischer Alternativen, z. B. durch Übernahmen, bieten (vgl. Welge, Huttemann, 1993, S. 8f). Ebenso ist zu beachten, ob das gesamte Unternehmen von der Marktschrumpfung betroffen ist oder nur einige Geschäftsbereiche. Letzteres könnte den Vorteil haben, dass aus den Erträgen anderer Bereiche Mittel zur Umstrukturierung der schrumpfenden bereitgestellt werden können (vgl. Schröder, 1988, S. 36; Becker, 1994, S. 270). Auch am Baumarkt haben viele Bereiche Subsegmente, in denen Kundenbedürfnisse noch nicht befriedigt werden und in denen sich durch Wegräumen langjähriger Branchenusancen Möglichkeiten für neue profitable Geschäfte ergeben, wie z. B. der Design-Build-Prozess in der einheitlichen Verbindung von Planen und Bauen zeigt (vgl. Simon, 1993; Hamermesh, Silk, 1980, S. 78) – siehe Kapitel 4.1.1.6.1.

102

Die Gestaltung der Strategien darf nicht alleine aus der Fortschreibung bestehender Prozesse mit dahinter stehenden Fähigkeiten in die Zukunft bestehen, sondern muss (vgl. Kim/ Maubogne, 1999, S. 59; Kurfess, 1999, S. 245 ff.) etwas nachhaltig Neues anstreben, indem: x

Bisherige Positionen grundsätzlich infrage gestellt werden;

x

Lösungen in anderen Branchen analysiert und adaptiert werden;

x

Käufergruppen und Marktsegmente mit verschiedenen Blickwinkeln gesehen, Kundennähe und -integration gesteigert werden;

x

Unübliche Produkt- und Serviceangebote auf ihren Beitrag zur Kundenzufriedenheit geprüft werden;

x

Kontinuierliche Prozess- und Leistungsverbesserungen mit Kosten- und Zeitreduzierungen angestrebt werden;

x

Innovationen entwickelt und damit neue Markträume geschaffen werden. Strategie – Gestaltung

1.)

Ist – Situation Eckdaten, Rahmenbedingungen, Abhängigkeiten, Lieferanten, Wettbewerber, Leistungsangebot, Problemstellung, interne Engpässe Spezielle Stärken SWOT-Analyse, Fähigkeiten, Ressourcen, Problem-Lösungs-Fähigkeiten, Beziehungen, Image

2.)

Geschäftsfelder Welche Probleme können gelöst werden? Was kann anders und besser gemacht werden?

3.)

Erfolgsversprechende Zielgruppe mit wichtigstem Problem Zielgruppe, Kundensegment, ihr Problem, externe Engpässe

4.)

Innovation Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, Leistungsbündel

5.)

Reengineering der Geschäftsprozesse, KVP Kernkompetenzen, Outsourcing, Optimierung der Wertschöpfung

6.)

Kommunikation der Problemlösung Profilierung als bester Problemlöser der Zielgruppe Erarbeitung von Mission und Strategie Maßnahmenplan

7.)

Abb. 3.20

Die Aufgaben in der strategischen Planung (Quelle: nach EKS, 1993)

Die Bildung dieser nachhaltigen Erneuerung erfolgt innerhalb einer strategischen, also langfristig wirkenden Planung. Gefragt sind wirksame „Veränderungen am Unternehmen oder am Produkt“, die vom Kunden bemerkt und gewünscht werden. Viele Betriebe am deutschen Baumarkt verzichten darauf und hoffen, dass sich durch politischen Einfluss oder in der Vergangenheit erlebte Ereignisse die Nachfrage steigt, also die Bedingungen der „alten Zeit“ wieder eintreten. Aber es wird nicht reichen darauf zu hoffen, dass sich „die Umwelt verändert“ (Ries, Trout, 1990, S. 96), vielmehr sollte sich das Bauunternehmen den geänderten Marktbedingungen anpassen. Deshalb hat das Management im Unternehmen eine Organisation aufzubauen, die in Ressourcen, Prozessen und Werten befähigt ist, Veränderungen zu be103

merken, anzunehmen und sich darauf auszurichten. Hier liegt die Aufgabe der MarketingAbteilung. Diese Organisation als Klammer aller betrieblichen Tätigkeiten muss Freiräume ermöglichen und Entwicklungspotenziale schaffen, um Innovationen anzustoßen, Fähigkeiten zu entwickeln und um den Wandel an den Märkten angehen zu können. Dieses benötigt viel Zeit und erfordert deshalb eine langfristige Ausrichtung, soll ein Ziel erreicht werden. Dabei müssen die Menschen im Betrieb durch umfangreiche Entwicklungs- und Fortbildungsmaßnahmen auf die Veränderungen ausgerichtet werden. Die Widerstände der Betroffenen müssen aufgenommen und die Defizite in Qualifikation, Organisation, Motivation, und mangelnde Information über den Wandel ausgeglichen werden (vgl. Reis, 1997, S. 17; Streich, 1997, S. 243). Die Angst und Unsicherheit der Mitarbeiter vor neuen Strukturen macht es nötig, im Unternehmen durch geeignete Aktivitäten die Mitarbeiter so auszubilden, dass sie Änderungen akzeptieren und bereit sind, Veränderungsprozesse durchzuführen und umzusetzen. Erst wenn diese Bereitschaft gegeben ist, macht es Sinn, Veränderungsprojekte z. B. durch kontinuierliche Verbesserungsprozesse oder organisationellem Lernen durchzuführen (vgl. Wahren, 2000, S. 15). Dabei ist zu klären, ob die bisher gültigen Unternehmenswerte in dem neuen Marktumfeld überhaupt tragfähig sind. Es muss berücksichtig werden, dass üblicherweise „gerade die Fähigkeiten, die ein Unternehmen lange erfolgreich sein ließen, auch seine Unfähigkeiten in anderen Marktszenarien” definieren können (vgl. Christensen / Overdorf, 2000, S. 76). Die Ausrichtung auf neue Strategien als Antwort auf veränderte Märkte bedingt eine langfristige Vorausschau, frühzeitige Gestaltung und langanhaltende Umsetzung der vielen Details neuer Lösungen zum Markt, zum Leistungsangebot und zum Wettbewerb. Dabei sind Umsetzungsdauern von ca. 3 - 7 Jahren je Strategieschritt als üblicher Zeitbedarf anzunehmen. 3.2.1.6 Der Einfluss des Marketing auf die Wirkungen im Baugeschehen Die in Kapitel 2 und 3.2.1 beschriebenen Zusammenhänge und Erkenntnisse sind in der BWL seit mindestens zwanzig Jahren allgemeiner Kenntnisstand und haben in vielen Branchen zu neuen Gestaltungen und Optimierungen in Veränderungsprozessen geführt (vgl. Peters, Watermann, 1984; Womack, Jones, Roos, 1994; Töpfer, 1989). Diese Entwicklungen sind im Baubereich in Deutschland bisher kaum nachzuweisen. Anders dagegen in den USA, wie Fa. Doyle Wilson Homebuilder (vgl. Womack, Jones, 1997, S. 35) oder dem bisher einzigen Bauunternehmen, welches den amerikanischen Malcom Baldridge Award 1992 (siehe Kapitel 5) erreicht hat, der Fa. Granite Rock, in Watsonville, Ca., USA oder wie viele britische Bauunternehmen beweisen, die sicher auch durch Anstöße aus zwei Studien der Regierung, dem Latham- (1992) und dem Egan-Report (1998) angeregt wurden (vgl. Egan-Report, 1998). Viel zu einseitig wurde bisher in deutschen Bauunternehmen auf die Steigerung der Produktivität durch Nutzung niedriger Löhne osteuropäischer Arbeiter oder auf technologische Produktvorteile der technischen Büros in den Baubetrieben als vermeintlich schnell wirkende

104

Erfolgsgaranten gesetzt, statt vom Kunden erwartete Erfolgsfaktoren zu analysieren und darauf ausgerichtete werttreibende Prozesse zu entwickeln und in langfristiger Strategiefindung für Fähigkeiten zu sorgen, dem Kunden Problemlösungen mit nachhaltigem Nutzen anzubieten (vgl. Töpfer, 1986a, S. 280). Gerade technologische oder herstellungsbezogene Leistungsvorteile, womöglich als Insellösung umgesetzt, bieten einerseits nur kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil und stellen sich andererseits aus Kundensicht bald als selbstverständlich erwartete Basisanforderung heraus (siehe Kapitel 4.1.1.2). Erfolgswirksame Wettbewerbsvorteile entstehen jedoch erst, wenn in weiter Vorausschau den vorher beschriebenen zukünftigen komplexen Anforderungen der Kunden ebenso umfassende Bauleistungsbündel gegenübergestellt werden, die dann neue, dem Kunden bisher unbekannte und evtl. überraschende Lösungen seiner Bauwünsche ermöglichen (vgl. Wurster, 2000, S. 163; Porter, 1997, S. 46). Doch wie gelangt man zur Gestaltung dieses marktorientierten Leistungsangebotes? Damit kommt dem Marketing und allen von der Marktorientierung ausgehenden Analyseinstrumenten eine zentrale Rolle für die Ausrichtung der Unternehmensführung zur Wertorientierung zu. Die bisher hier in der Theorie betrachteten Zusammenhänge und Einflussfaktoren zeigen die Wirkung des Marketings auf die Abläufe im Investitionsgüterbereich. Ohne die Analyse der Austauschbeziehungen am Markt und der Bildung der Nachfrage und damit zusammenhängenden Anforderungen (siehe NIÖ) können die vielfältigen Ursache-Wirkungsbeziehungen am Baumarkt gar nicht erkannt und erfasst werden. Erst hieraus können die für den Baumarkt bestimmenden Erfolgsfaktoren destilliert werden und damit jene Anforderungen für das vom Markt gewünschte Leistungsprogramm erarbeitet werden, die das Bauunternehmen wettbewerbsfähig machen. Das Marketing und die Orientierung auf die Geschehnisse und Inhalte der Marktnachfrage zeigt den anbietenden Unternehmen, welche Leistung entwickelt werden muss, welche Werttreiber dafür nötig sind und welche Ressourcen in welcher Kombination, Güte und Umfang bereitstehen müssen, um Werte im Unternehmen und für den Kunden entstehen zu lassen. Dieses gilt in der theoretischen Betrachtung auch für den Baumarkt. Es wird nun anschließend untersucht, bei welchen Aspekten einer wertorientierten Unternehmensführung sich Defizite in der Gestaltung unternehmerischer Prozesse von Baubetrieben zeigen, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich durch die theoretische Analyse auch in andern Branchen bieten und inwieweit sich diese auf den Baubereich anwenden lassen.

105

3.2.2

Ressourcenorientierung

Innerhalb der wertorientierten Unternehmensführung wachsen aus der Hinwendung zum Markt eine Fülle von Anforderungen an den Inhalt, den Umfang und die Herstellung des bereitzustellenden Leistungsbündels. Dabei geht es nicht nur um die eingesetzten Mitarbeiter, die bereitgestellten Maschinen und die benötigten Finanzen. Je tiefer man den Leistungserstellungsprozess im Unternehmen selbst betrachtet, je komplexer werden die Anforderungen an die Ressourcen und ihre Verbindung. Welche Fähigkeiten sind nötig? Welche Zeitvorstellungen hat der Kunde? Wie ist die Verbindung der Ressourcen organisiert und in welchen Prozessen werden die Ressourcen miteinander verbunden? Welche externen Partner werden im Wertschöpfungsprozess eingebunden? Welche Qualitätsmaßstäbe sollen erfüllt werden? Wie werden all diese Bereiche miteinander zu einem marktfähigen Leistungsbündel verbunden, das zudem noch wettbewerbsfähig sein muss? Wenn es die zentrale Aufgabe eines Unternehmens – auch eines Bauunternehmens – ist, Kundenwünsche zu erfüllen, dann wird im Marketing das Leistungsprogramm und die Orientierung zum Kunden gestaltet. Die Bereitstellung der Marktleistung durch geeignete Ressourcen, Fähigkeiten und nach definierten Zeitvorgaben, also die eigentliche Wertschöpfung, ist die daran anschließende Aufgabe, will das Unternehmen Wertorientierung erreichen. Dem marktorientierten Ansatz des „outside in“ durch die Ausrichtung des Unternehmens auf Erfolgsfaktoren und -potenziale muss die ressourcenorientierte Betrachtung des „inside out“ mit der Entwicklung von leistungsbestimmenden Werttreibern gegenübergestellt werden, um integrativ Wertorientierung zu ermöglichen (vgl. Töpfer, 2005, S. 33). Ressourcenorientierung ist dabei ein sehr umfassendes Untersuchungsfeld. Das Bauwesen ist ein so außerordentlich weitreichendes, alle Lebensbereiche umspannendes Aufgabengebiet, dass die Ausprägungen der Entwicklung und Optimierung der dafür benötigten Ressourcen sehr weiträumig sind. Die Hauptbereiche der Ressourcengestaltung sind: x

Die Bereitstellung von Material nach Menge, Qualität, Wert und Zeitpunkt am richtigen Ort;

x

Die Bereitstellung ausgebildeter Menschen mit angemessenen Fähigkeiten und Bereitschaft zur Zusammenarbeit;

x

Die Entwicklung und Bereitstellung ausreichender Technologien;

x

Die Entwicklung und Bereitstellung von Informationen, Verfahren, Methoden und steuernden Instrumenten zur Entstehung der bestmöglichen Wirkung der obigen Ressourcen in einem integralen Einsatz, also der Optimierung der Wertschöpfung.

Jeder dieser Hauptbereiche besitzt vielfältige Aspekte in der Auswahl, Beschaffung, Bereitstellung, Optimierung und der Ausrichtung auf Zeit- und Kostenverbrauch. In dieser Arbeit werden in Kapitel 4.2 die wichtigsten Bereiche der Ressourcenorientierung, die für die Wertorientierung und Wettbewerbsfähigkeit einer Bauunternehmung bestimmend sind, betrachtet,

106

ihre Wirkung auf das vom Markt geforderte Leistungsversprechen analysiert und damit untersucht, in welcher Form und welchem Umfang ihre Entwicklung und Optimierung für die Wertentstehung im Unternehmen wichtig und entscheidend ist.

107

4. Wirkungsweise wertorientierter Unternehmensführung am Baumarkt 4.1

Marktorientierung im Bauunternehmen

Die Literatur in der BWL und BBL hat sich bisher kaum mit den vielfältigen Beziehungen zwischen Bauunternehmen und ihren Kunden sowie den Auswirkungen auf den Austauschprozess zwischen ihnen beschäftigt. Deshalb wurden ausführlich in Kapitel 2.2.3 die Grundlagen der Beziehungen zwischen Nachfragern und Anbietern am Baumarkt untersucht und in Kapitel 3.2 die Details einer Kundenanalyse mit der Erarbeitung des von Bauunternehmen erwarteten Kundennutzens dargestellt. Nun gilt es aus der theoretischen Analyse die notwendigen Erkenntnisse zur Gestaltung der auf den spezifischen Markt ausgerichteten wertorientierten Unternehmensführung zu ziehen. Voraussetzung für eine Ausrichtung des Bauunternehmens auf den Markt ist das Wissen um die Erwartungen des Kunden, wie der Kontakt mit ihm gestaltet wird und wie sich der Wettbewerb zu anderen Bauunternehmen hin darstellt. Erst daraus können einzelne Marktbereiche ermittelt werden, auf die das Bauunternehmen sein mögliches Leistungsprogramm ausrichten kann. Diese in Kapitel 4.1.1 dargelegte sorgfältige Analyse ist unerlässliche Voraussetzung zur konkreten Ausrichtung des Baubetriebes auf den Markt, das Verhalten zu dem einzelnen Kunden, die Gestaltung in Produkt und Service und der Festlegung der geforderten Preise. Um die Wirkung der einzelnen Elemente der Gestaltung der Markt- und später der Ressourcenorientierung prüfen zu können, wird allen Bereichen des Kapitels 4, beginnend mit Kapitel 4.1.2, ein in drei Teile gegliedertes Beurteilungsraster unterlegt: 1. Beschreibung der gegenwärtigen Situation am Baumarkt und der vorhandenen Defizite; 2. Erläuterung der Gestaltungselemente zur Behebung dieser Defizite aus theoretischen Annahmen oder aus in anderen Industrien schon genutzten Lösungen; 3. Umsetzung dieser Gestaltungsempfehlungen auf den Baubereich, Prüfung der gewünschten Ursache-Wirkungsbeziehungen und besonders der positiven Ausrichtung auf die Aspekte der NIÖ. Diese klare Struktur ermöglicht die schnelle Beurteilung der vorhandenen Leistungsmängel und eine klare Sicht auf mögliche Verbesserungen der Leistung. Das Lernen von anderen „Best practices“ führt zielgerichtet auf die im Baubetrieb geeigneten Gestaltungselemente zur wertorientierten Unternehmensführung. Besonderer Wert wird auf eine Abgleichung der Gestaltungselemente auf die Aspekte der NIÖ gelegt, um mögliche Defizite in der Durchführung von Geschäftsbeziehungen aufzudecken und ihre Beseitigung zu sichern.

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4.1.1 Die Analyse der Nachfrage des Kunden und möglicher Angebotsinhalte Nachdem nun in Kapitel 3.2.1 die Grundlagen der Marktorientierung dargelegt werden, bleibt in der konkreten Gestaltung im Unternehmen die Aufgabe, die für das spezifische Unternehmen wirkenden Marktkräfte genau zu betrachten. Dieses ist am Baumarkt mit Hinweis auf die Besonderheit des „Bereitstellungsgewerbes“ bisher unterblieben. Deshalb wird hier sehr ausführlich auf die konkrete Analyse des betrieblichen Marktumfeldes und der daraus später abzuleitenden Maßnahmen zur Leistungsgestaltung eingegangen. 4.1.1.1 Die Interaktion mit dem Kunden Bauleistungen sind komplexe Leistungsversprechen, die eine vielfältige Problemstellung lösen sollen. Sie werden auf dem Grundstück des Kunden erbracht, zumeist nach von ihm festgelegten Planungen und in integraler Zusammenarbeit mit Gewerkeleistungen Dritter. Es ist offensichtlich, dass deshalb Kundennähe und die genaue Analyse der Kundenanforderungen und -erwartungen für den Geschäftserfolg der Bauunternehmung sehr wichtig sind. Ob es die Lieferung eines kompletten Leistungsbündels ist, wie eine Baustelle in Generalunternehmerschaft, oder es sich um eine erstellte Produktionsleistung innerhalb einer Produktionskette des Kunden (z. B. als Rohbauleistung) handelt, jeder dieser Prozesse beinhaltet eine intensive Integration einzelkundenbezogener Informationen und Handlungen (vgl. Kleinaltenkamp, 1996, S. 15 f). Wenn also die Bauleistung erst mit dem Kunden gemeinsam entsteht und Abläufe und Kosten sich aus der Inanspruchnahme verschiedener betrieblicher Prozesse beim Kunden und beim Bauunternehmen ermitteln, muss ein Austausch – so er erfolgreich sein soll – in eine enge Abstimmung der verschiedenen Fachleute des Bauunternehmens und des Kunden münden. Kundenintegration bedeutet also, Unternehmensprozesse auf die Kundenanforderung auszurichten und ebenso den Kunden dafür zu sensibilisieren, welche Folgen seine Anforderungen haben. Ziel ist die beidseitige Optimierung in einer günstigen den Baubetrieb ausreichenden Ertrag sichernden Bauleistung und hoher Kundenzufriedenheit. Da der Kunde zum Zeitpunkt der Auftragserteilung unsicher ist, ob der Lieferant sein Leistungsversprechen halten wird, kann es durch eine kluge Integration des Kunden in der Vor- und Abschlussphase des Auftrages gelingen, dem Kunden wichtige Einblicke in die Fähigkeiten des Lieferanten zu ermöglichen. Andererseits hilft eine kluge Kundenintegration auch dem Bauunternehmer. Er sieht sich womöglich bedroht von ausufernden Erwartungen, den Missbrauch herausfordernden Vertragsbeziehungen und in Generalklauseln versteckten individuellen Kundenanforderungen (vgl. Fließ, Jacob, 1996, S. 26). Eine hohe Kundennähe hilft hier, klare Nutzenerwartungen zu definieren, die vorgelegten Planungen damit abzugleichen und mögliche Missbrauchsgefahren realistisch einzuschätzen.

110

Ermöglichen sich Kunde und Bauunternehmen als Lieferant in ihrer integrativen Arbeit Einblicke in die bei jedem von ihnen ablaufenden Prozesse, von der Fixierung des Nachfragewunsches bis zu seiner Umsetzung, mindern diese Kenntnisse von Anforderung und Prozesszwängen die beidseitige Unsicherheit und eröffnen Wege zu höherer Effektivität und besserer Effizienz (vgl. Engelhardt, 1996, S. 73ff; Fließ, 1996, S. 98). Beide Partner sollten wissen, wann welche Prozesse ablaufen, was in diesen Prozessen geschieht und welche Informationen wann von wem benötigt werden. Prozessbewusstsein und Prozesstransparenz bilden zusammen die Prozessfähigkeit der Partner – auch Prozessevidenz genannt – und sind unerlässlich, um die unterschiedliche Kenntnisbereiche und Erlebniswelten von Kunde und Lieferant integrativ positiv zu gestalten. Besonders wirkungsvoll ist eine hohe Prozessevidenz, wenn sich das vertragliche Leistungsversprechen während der Auftragsabwicklung durch zusätzliche Anforderungen verändert, wie es im Bauwesen häufig üblich ist. Erst wenn der Kunde weiß, was durch von ihm gewünschte Veränderungen der Leistungen im Bauprozess geschieht, kann er die auf ihn zukommenden finanziellen und terminlichen Folgen verstehen und akzeptieren. Bestes Beispiel im Bereich der Preisfestlegung ist hierfür im Prinzip der „Offenen Bücher“, das Verfahren des garantierten Maximalpreises (GMP-Verfahren), bei dem Kunde und Lieferant gemeinsam den günstigsten Nachunternehmer ermitteln, ohne dass die Kalkulationsbasis des Bauunternehmens geschmälert und das Kostenniveau des Auftrages überschritten wird (vgl. Kapellmann, 2001, S. 31). In der heutigen Praxis des Bauens in Deutschland fehlt die Prozessevidenz der Partner oft. Der stark zunehmende Einsatz von Beratenden Ingenieuren in den Spezialgebieten des Bauwesens oder als Projektsteuerer sowie von Spezialanwälten führt zu stark steigenden Transaktionskosten, die das Bauen generell verteuern, ohne dass das anbietende Bauunternehmen mehr für seine Produktion erlöst. Ein marktorientiert arbeitendes Bauunternehmen wird deshalb die Kundenintegration bewusst gestalten. Voraussetzung hierfür ist zuerst die Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit der handelnden Personen in der Bauunternehmung wie auch bei den Beratenden Ingenieuren und beim Kunden (vgl. Servatius, 1996, S. 153 f). Soweit vorhanden ermöglicht dieses dem anbietenden Unternehmen zu beurteilen, ob der Kunde eine intensive Integration zulässt, einer Zusammenarbeit positiv gegenübersteht und über die Prozessfähigkeit für eine komplexe Bauleistung verfügt (vgl. Weiber, Jacob, 2000, S. 532 f). Ist Kundenintegration möglich, so liegt es nachfolgend an der Gestaltung der Prozesse beider Baupartner, ob eine optimale Zusammenarbeit stattfinden wird. Jenes Bauunternehmen, das klug definierte Prozesse innerhalb eines Projektmanagements besitzt, kann die Kosten in den vielfältigen Transaktionen mit dem Kunden und auf der Baustelle wesentlich reduzieren. Durch koordinierte und korrespondierende Prozesse mit geringen Blindleistungen und hohem Kundennutzen verschafft es sich Kosten- und somit Wettbewerbsvorteile.

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Kundenintegration wirkt neben einer optimalen Bauabwicklung mit dem Kunden sehr stark auf das angebotene Leistungsprogramm einer Bauunternehmung ein. Sie befähigt die Mitarbeiter des Anbieters, die Geschäfte des Kunden tiefgreifend zu verstehen. Dazu muss im BtoB-Bereich bei der Kundennutzenanalyse, über den direkten Nutzen der angebotenen Leistung hinaus, gefragt werden, wie weit die erbrachte Leistung dem Kunden hilft, seine Ziele zu erreichen und selbst profitable Geschäfte zu machen. Das Denken in Kundenerfolgen bedingt die Fähigkeit, „die Leistung des eigenen Produkts in eine Leistung für den Kunden und seinen Erfolg zu übersetzen“ (Große-Oetringhaus, 1994, S. 63). Dazu kann es hilfreich sein, die Geschäftsprozesse, die Zielsetzungen und das Marktverhalten der Branche des Kunden so zu analysieren, damit erkennbar wird, was die gewünschte Investition in dessen Unternehmen bewirken soll. So können Kundenbedürfnisse herausgearbeitet werden, die der Kunde in dieser Klarheit möglicherweise noch gar nicht bemerkt hat. Daraus könnten dann neue Angebotsinhalte entwickelt werden (vgl. Sommerlatte, 1991, S. 146; Dannenberg, 1999, S. 155 f). Dazu muss der Prozess der Leistungserstellung beim Kunden detailliert analysiert werden. Ziel ist es, dem Kunden auf seinen Märkten zu helfen, um mit seinen eigenen Kunden wiederum erfolgreicher zu sein. So schafft die Bauleistung zusätzliche Werte für den Kunden (vgl. Töpfer, 1998b, S. 8). Die Möglichkeiten, dem Kunden auf seinen Märkten zu helfen, sind unerschöpflich. Zusätzliche Leistungsangebote, mit den für den Kunden unbekannten Nutzengeboten, können Bauentscheidungen bei ihm beschleunigen oder Investitionen möglicherweise erst anstoßen: x

x

x

So kann der Umbau eines Kaufhauses erst real werden, weil neue technologische Konzepte angeboten werden, so dass der Umbau besonders schnell oder in den Nachtstunden erfolgt und der Verkauf in abgeteilten Räumen fast unbehindert weitergehen kann; So kann die Erweiterung eines Fußballstadions nur möglich werden, wenn die Bauarbeiten infolge besonderer Verfahren kurzfristig während der Spielpausen erfolgen und das Stadion in der Saison generell nutzbar bleibt; So gibt der Kunde ein Parkhaus erst in Auftrag, als ihm die Last von Betreibung, Unterhaltung und Finanzierung durch zusätzliche Angebote abgenommen wird.

Denken an den Kundenerfolg heißt, die Leistung des Bauunternehmens auf die Suche nach Nutzenvorteilen für den Kunden auszurichten. Wer die Leistung des Kunden auf dessen Märkten, dortige Kundenprozesse und ihre Erfolge individuell beurteilen kann und daraus Angebotsleistungen entwickelt, erarbeitet sich eigene Wettbewerbsvorteile (vgl. GroßeOetringhaus, 1994, S. 66). Gelingen kann dies nur durch hohe Kundenintegration. Letztlich führt dieses Verhalten dazu, frühzeitig für den Kunden Problemlösungen zu entwickeln, bevor dieser die ganze Tragweite des Problems erkennt (vgl. Plinke, 1991, S. 173). Der Kunde wird womöglich begeistert sein von dieser Unterstützung und umso eher bereit sein zu einem Kaufabschluss. 112

4.1.1.2 Kundenzufriedenheit Der schnelle Informationsaustausch am Markt führt dazu, dass Wettbewerber technologische Vorsprünge von Konkurrenten verhältnismäßig schnell einholen. Gerade in schrumpfenden Märkten, wie dem aktuellen Baumarkt, in denen die Nachfrager stark auf den niedrigsten Preis ausgerichtet sind, wird es zunehmend schwerer, langfristig einschneidende Rationalisierungsfortschritte als „komparativen Konkurrenzvorteil“ zu bewahren, verfügen doch viele Anbieter aufgrund erfolgter Organisationsanpassung über vergleichbare Kostenstrukturen (vgl. Müller, Riesenbeck, 1991, S. 67). Die zunehmende Komplexität von Bauleistungen hat die Kunden dazu veranlasst, sich einer Vielzahl von Beratenden Ingenieuren zu bedienen, um ihre Informations- und Kenntnisdefizite auszugleichen. Doch neben den technischen Aspekten tritt zunehmend die Interaktion Kunde-Bauunternehmen in den Vordergrund. Unbekannte Technik, ungewisse Bauabläufe und ein hoher Grad an Unzufriedenheit (siehe Abb. 3.6) lassen viele Kunden zunehmend Hilfe bei Anwälten suchen. Es ist deshalb offensichtlich, dass sich in den Interaktionen zum Kunden und in der Zufriedenheit des Kunden von Bauleistungen große Möglichkeiten der Unterscheidung zum konkurrierenden Anbieter zeigen. Dazu sind die Gründe der Kaufentscheidung des Kunden zu analysieren und sein Verhalten in dem langfristigen Prozess von der Planungsphase des Bauobjektes über die Kaufentscheidung und die Nutzungsphase bis zur Folgeentscheidung für ein neues Bauwerk zu betrachten. In der Kundenzufriedenheit bündeln sich die Beurteilungen des Kunden über Preis- und Produktqualität mit den begleitenden Dienstleistungen des angebotenen Leistungsbündels, dem Markenimage sowie den Wahrnehmungen aus der Planungs-, Bauerstellungs- und Nutzungsphase. An diesen vielen Interaktionsstellen ergeben sich drei hauptsächliche Kriterien der Kundenzufriedenheit: x

Qualitative Erfolgskriterien während der Realisierungsphase des Bauprojektes;

x

Quantitative Erfolgskriterien aus dem Kaufabschluss und der Realisierungsphase aus Produktleistung und Preis;

Qualitative einstellungsorientierte Erfolgskriterien infolge einer optimalen Interaktion zwischen Kunde und Lieferant (vgl. Töpfer, 1996e, S. 64 f). Wer Kundenzufriedenheit als Maß für die Güte unternehmerischen Handels nutzen will, hat zu klären, welche Erfolgskriterien das Urteil beim Kunden prägen, welche Zufriedenheitsgrade in den einzelnen Zielgruppensegmenten üblich sind und welche Ergebnisse das eigene Angebot beim Kunden erzielen soll. Diese Beurteilung ist über sämtliche Prozessschritte des Kundenkontaktes anzustellen. Dabei ist Kundenzufriedenheit ein nach Art, Inhalt und Güte sehr komplexer Begriff. Sie ist das Ergebnis eines Vergleiches zwischen einer erwarteten Soll- und einer erfahrenen Ist-Komponente, zwischen Bestätigung (confirm) und NichtBestätigung (disconfirm). Sie bezieht Kauf- und Nutzenerwartungen, frühere Erfahrungen, x

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das Umfeld objektiver Ereignisse und subjektiver Wahrnehmungen ein (vgl. Meffert, 1997, S. 1f; Töpfer, Mann, 1999, S. 70; Schütze, 1992, S. 205; Kroeber-Riel, Weinberg, 2003; Meyer, Dornach, 1996, S. 489). Kundenzufriedenheit

Kundenzufriedenheit entsteht durch den Vergleich von …

„Erfüllung“ --------------„Erwartung“

„Nutzen“ --------------„Kosten“

mehrdimensionale „Gründe“ für Kundenzufriedenheit

Gestaltungsansatz

Erwartungen identifizieren, erfüllen oder übertreffen

Wertesystem identifizieren und Kundennutzen gestalten

Gründe identifizieren und erfüllen oder verändern

Abb. 4.1

Kundenzufriedenheit (eigene Darstellung)

Neben der Beurteilung des Kundenkontaktes und des Vergleiches des Erfüllungsgrades erwarteter Merkmale gilt als fassbarstes Element der Kundenzufriedenheit gemäß vorstehender Abbildung der Grad der Nutzenerfüllung. Ein Kunde wird Beziehungen zu einem Bauunternehmen nur dann unterhalten, wenn der Nutzen mindestens so hoch ist wie die aufzuwendenden Kosten oder wenn der Nettonutzen seinen Erwartungen entspricht und positiv gesehen wird und wenn es keine konkrete bessere Alternative gibt, die ihm unter Berücksichtigung der Wechselkosten einen zukünftig höheren Nettonutzen verschafft (vgl. Bruhn, Bunge, 1994). Die Quelle der Zufriedenheit liegt im Bauunternehmen selbst, in der angebotenen Leistung und in der Interaktion zum Kunden. Positive Quellen führen beim Kunden zum Nutzenempfinden, negative hingegen zu Kostenempfindungen, weil der Kunde den fehlenden Nutzen nun anderweitig zusätzlich kostenintensiv ausgleichen muss (z. B bei Baumängeln). Allerdings führt wahrgenommener Nutzen nicht grundsätzlich zur Zufriedenheit, wenn z. B. ein empfundener Nutzen hinter den Erwartungen zurückbleibt. Dagegen führen wahrgenommene Kosten in der Regel zu Unzufriedenheit, es sei denn, bei einer zugesicherten Eigenschaft wird der Anfall von Zeit und Kosten wesentlich unterschritten. Die Schwierigkeit der Beurteilung von Austauschbeziehungen bei Leistungsbündeln im Baubereich liegt darin, dass wesentliche Zufriedenheitsaspekte, wie Beratung, Auftragsabwicklung, Qualität, Zusammenarbeit und Service erst lange nach der Kaufentscheidung selbst gebildet werden. Damit dauert der Prozess zur abschließenden Bildung von Kundenzufriedenheit sehr lange, wobei die Sicherheit der Beurteilung entsprechend der „search-experiencecredence qualities“ (vgl. Meffert, 2000, S. 1211; Drosten, Knüwer, 1997, S. 32) über die Dauer zunimmt, das Urteil aber auch entsprechend unverrückbarer sein kann. Die äußerst schlechte Beurteilung der Zufriedenheit mit Bauleistungen durch ihre Kunden (siehe Abb. 3.6) zeigt, wie wichtig die Analyse dieser Entwicklungen für das marktorientiert

114

agierende Bauunternehmen ist. Dabei ist es nicht einfach, die Quellen der Zufriedenheit beim Kunden zu finden. Für Bauingenieure ist es oft schwer zu verstehen, dass technische Qualität eine notwendige aber allein noch keine hinreichende Bedingung für Zufriedenheit ist. Diese entsteht vielmehr erst im Einklang mit der erwarteten psychisch erfahrenen Qualität. Psychologische Einflüsse wirken wesentlich stärker auf die Urteilsbildung von Zufriedenheit als Produkt- und Preisqualität. Bei einer Befragung von Geffroy ergab sich, dass die Ursachen von Kundenzufriedenheit zu 68% in jeglicher Art des Mitarbeiterverhaltens zum Kunden, zu 14% in der Produktqualität und nur zu 9% im Preis zu sehen sind; weitere 9% der Ursachen waren sonstige Gründe (vgl. Schmengler, 1999, S. 561). Kärnä hat in einer Untersuchung über Zufriedenheiten im Baumarkt festgestellt, dass eine niedrige Kundenzufriedenheit sich zumeist bildet in der späteren Bauphase. Die Ursache liegt in fehlerhafter Planung und den daraus folgenden Ausführungsmängeln auf der Baustelle sowie vor allem in mangelnder Zusammenarbeit zwischen Kunde und Bauunternehmen (vgl. Kärnä, 2004, S. 78). Zur Analyse und Gestaltung der Prozesse zum Kunden und der Interaktion mit ihm bietet das Kano-Modell in der Verbindung von Zufriedenheit und Erwartungserfüllung eine gute Grundlage der Betrachtung (vgl. Bailom et al., 1996, S. 117)

Abb. 4.2 Inhalte unterschiedlicher Grade von Kundenzufriedenheit im Baubereich (eigene Darstellung)

115

In Abbildung 4.2 werden die Zufriedenheitsanforderungen aufgegliedert in: x Basisanforderungen Ihre Erfüllung wird vom Kunden als selbstverständlich angesehen und daher nicht ausdrücklich verlangt. Es sind Grundanforderungen, die mindestens so gut wie bei der Konkurrenz erfüllt werden müssen. Für sie gilt: „So gut wie nötig und so kostenoptimal wie möglich.“ x Leistungsanforderungen Diese werden vom Kunden üblicherweise ausdrücklich verlangt und spezifisch bestellt. Es sind detaillierte Fähigkeiten im Vergleich zum Wettbewerb. Sie unterliegen stetigem Wandel und bieten Möglichkeiten zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Für sie gilt: „Etwas besser als vom Markt gefordert, aber nie über dem Kostenniveau der Konkurrenz.“ x Begeisterungsanforderungen Sie werden vom Kunden weder gefordert noch gewünscht, aber durchaus heimlich erwartet. Es sind Leistungen, die sich vom Wettbewerb klar erkennbar unterscheiden und kaufentscheidend sind. Hierbei gilt: „Besser als alle anderen, aber immer im Rahmen der Zielkosten“ (Niemand, 1996, S. 192). Eine Erfüllung der Begeisterungsanforderung hat hohen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Sieht der Kunde seine Grunderwartungen durch die Basisanforderung der Leistung als erfüllt an, ist er lediglich mit dem Gebotenen nicht unzufrieden. Es erwächst aber noch keine Zufriedenheit an sich. Demzufolge muss sehr gut überlegt werden, ob im Bereich der Basisanforderung Zusätzliches geboten werden soll, da es womöglich die Zufriedenheit kaum erhöht. Erfüllen Leistungsanforderungen die geforderten Produktmerkmale, so entwickelt sich die Zufriedenheit proportional, erlebt der Kunde die Erfüllung von Begeisterungsanforderungen, erhöht sich seine Zufriedenheit überproportional (Herrmann, Huber, Braunstein, 2000, S. 48). Das Bauunternehmen sollte also Elemente aus dem letzten Bereich in seine Leistung einbeziehen, will es nachhaltige Wettbewerbsvorteile erreichen. Obwohl es zwischen Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg keinen linearen symmetrischen Zusammenhang gibt, ist die grundsätzliche Erfolgsabhängigkeit doch nachgewiesen. Schwedische Untersuchungen zeigen bei einer Steigerung der Kundenzufriedenheit um 1% eine Rentabilitätssteigerung um 2,4%, bei einer Minderung der Kundenzufriedenheit um 1% dagegen eine Renditeverschlechterung um 5,1% (vgl. Herrmann, Huber, Braunstein, 2000, S. 52). Damit ist die Wirkung der sehr intensiven Betrachtung von Kundenzufriedenheit für Bauunternehmen ersichtlich. Es ist nötig, mit den Anforderungen der Kunden sehr differenziert umzugehen und klar die Abhängigkeiten von Ursache und Wirkung in der Kundenzufriedenheit entlang der Wertkette in der Geschäftsbeziehung zu analysieren. Ohne Prioritätensetzung sollten nicht Bestandteile von Bauleistungen entwickelt werden, die womöglich beim Kunden eher nachrangig in der Kundenzufriedenheit wirken (vgl. Töpfer, Mann, 1999, S. 78). Erschwerend kommt hinzu,

116

dass die multipersonelle Zusammensetzung der Nachfrager im „Buying Center“ bei den Nutzenvorstellungen, Erwartungen und Einstellungen zu einem Bündel an Kriterien führen kann, die sich bei den einzelnen Personen widersprechen können. Darüber sind diese Kriterien oft „sehr stark situativ geprägt und von geringer Stabilität über die Zeit“ (Schütze, 1992, S. 247). Schließlich werden Erwartungen geprägt von Erfahrungen aus bisherigen Situationen der Un/Zufriedenheit, der Versprechungen der Anbieter, der Abhängigkeiten im Markt, der Spezifika üblicher Transaktionsverläufe, der Innovations- und Technologieorientierung sowie von persönlichen Merkmalen. Trotz dieser Probleme ist das Streben nach sehr klug optimierter Kundenzufriedenheit ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Baumarkt, insbesondere, wenn in ihm die Kunden bisher wenig zufrieden gestellt wurden. Ziel hoher Kundenzufriedenheit ist es, den Kunden zu veranlassen, wiederholt beim gleichen Unternehmen zu kaufen, nicht zu einem anderen Anbieter abzuwandern oder zumindest Empfehlungen an andere Käufer abzugeben. Kundenbindung erwächst dann, wenn der Kunde die gekaufte Leistung wohlwollend empfiehlt und eine Bindung zum Anbieter empfindet (Dittrich, Reinecke, 2001, S. 262; Diller, Müllner, 1998, S. 1223). Aus dieser Weitergabe positiver Erlebnisse an Dritte kann letztlich der kommunikative Wert eines zufriedenen Kunden oder auch sein „Referenzpotenzial“ (Gelbrich, Müller, 2006, S. 461) ermittelt werden. Aus ihm können qualitativ oder auch quantitativ die Wirkungen der Empfehlung abgelesen werden. Im Zuge des zunehmenden Wettbewerbs, der Gleichartigkeit von Produkten, der Austauschfähigkeit von technologiegleichen Angeboten und ähnlichem Kontaktverhalten der Bauanbieter werden die Kunden jedoch immer ungebundener. Besonders wenn dieses mit mangelhafter Kundenorientierung der Anbieter zusammenfällt, mindert sich die Kundenbindung (vgl. Dresbach, 1998). Ziel des aktiven Unternehmens ist es deshalb, aus zufriedenen Kunden sehr zufriedene und aus diesen anschließend begeisterte und „anhängliche“ Kunden zu machen, die ihre Meinung und Loyalität nicht so schnell ändern (vgl. Müller, Riesenbeck, 1991, S. 67). „You can’t change a mind, once a mind is made up. Once a mind is made up, it rarely, if never, changes” (Ries, Trout zitiert nach Adams, 1998, S. 303). Dabei hat diese Loyalität im Baumarkt im Gegensatz zu anderen Märkten nur eine eingeschränkte Wirkung. Natürlich bildet sich die Kaufentscheidung nach den technischen und finanziellen Fähigkeiten des Bauunternehmens und früheren Erfahrungen des Kunden mit ihm. Aber gegenwärtig erscheint der Preis als wichtigstes Kriterium. Zwar wird ein unzufriedener Kunde keine erneuten Aufträge an ein Bauunternehmen geben, die Zufriedenheit und Loyalität eines Kunden garantieren hingegen noch keinen Folgeauftrag, vielmehr bieten sie dem Bauunternehmen nur ein hohes Potenzial dieses Kunden, dort einen Auftrag zu erhalten (vgl. Kärnä, 2004, S. 79). Soweit dieses in den Wiederkauf mündet, bietet Kundenzufriedenheit mit folgender Kundenbindung eine erhebliche ökonomische Wirkung auf Unternehmen (vgl. Reichheld, Sasser, 1991, S. 108f; Tomczak, 1994, S. 199; Herrmann, Huber, 2000, S. 54; Bruhn, 1999, S. 385; Hansen, Jeschke, 1992, S. 88), die auch im Baubetrieb nachgewiesen werden kann:

117

x x x x

x

x x x

Zunehmende Wiederholungskäufe mit geringerem Vertriebsaufwand; Steigerung des Cross-Buying über benachbarte Leistungsangebote; Erhöhung der Preisbereitschaft beim Kunden durch höheres Vertrauen; Steigerung der Kundentreue mit leichterer Interaktion und damit günstigeren Transaktionskosten; Steigendes Auskunfts- und leichteres Beschwerdeverhalten, damit geringere Forderungsausfälle; Positives Weiterempfehlungsverhalten; Geringere Verwaltungs-, Betriebs- und Marketingkosten; Durch bessere Kenntnisse der langjährigen Kaufgewohnheiten und Bedürfnisstruktur des Kunden leichteren Vertrieb.

Verschiedene Untersuchungen von PIMS (vgl. Whitely, 1993, S. 22; Malik, 1994, S. 50) und Droege (1999, S. 36) haben nachgewiesen, dass die hohe Ausrichtung von Unternehmen auf Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit und Qualität des Leistungsversprechens sich direkt auszahlt in höheren Erträge und Unternehmenswachstum. Je länger die Beziehung zu einem Kunden anhält und je intensiver die Kaufbereitschaft des Kunden ist, je höher sind die Erträge des Unternehmens (vgl. Reichheld, Sasser, 1991, S. 108 f; Fornell, 2001, S. 58). Im Baubereich können diese Abhängigkeiten ebenso klar betrachtet werden. Häufig muss das Unternehmen Vorleistungen in Planung, Kostenermittlung und in der Bewerbung zur Teilnahme am Wettbewerb erbringen, ehe es durch den Verkauf seines Leistungsbündels Ergebnisse erzielt. Je höher nun die Kundenbindung ist und je umfangreicher der Kunde ordert, je nachhaltiger und höher ist der kumulierte Ergebnisbeitrag (vgl. Malik, 2/2002, S. 24). Analysiert man den Wert eines langjährigen Kunden danach, wie lange er durchschnittlich Stammkunde ist, wie viel Umsätze er in dieser Zeit getätigt hat und wie viel Ertrag daraus generiert wurde, so ergeben sich folgende zum Teil überraschende Beispiele (vgl. Reichheld, Sasser, 1991, S. 115; Zeithaml, Parasuraman, Berry, 1992, S. 24; Töpfer, 1999c, S. 466; Helbig, 1995): x Ein Produktionsbetrieb mit 1000 Mitarbeitern gibt in 20 Jahren durchschnittlich 25,6 Mio. € für Bauinvestitionen aus. x Ein holländischer Wohnungskäufer erwirbt – bei einer Eigentumsquote von 50% im Lande – in seinem Leben durchschnittlich dreimal eine Immobilie (kleines Haus, größeres Haus, innerstädtische Wohnung) mit einem Gesamtvolumen von über € 500.000. x Bei einer Nutzungsphase von 50 Jahren machen die Baukosten nur 15% der Lebensdauerkosten aus. In dieser Nutzungsphase werden außerhalb des Rohbaus fast alle Bauteile einmal ausgetauscht. Es ergeben sich hohe Folgegeschäfte. Bei der Beurteilung der Wichtigkeit eines Kunden in dem einzelnen Kaufvorgang wird viel zu leicht übersehen, welches Verkaufspotenzial bei diesem Kunden über die folgenden Jahre

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besteht, wenn man zu ihm über hohe Kundenzufriedenheit eine starke Bindung zum späteren Wiederkauf aufbaut. Die Wirkung eines langfristigen Kontaktes zum Kunden mit guter und kostengünstiger Möglichkeit zum wiederholten Geschäftsabschluss zeigt sich besonders im Servicebereich (vgl. Kapitel 4.1.2.2). Bei dauerhafter Nähe – z. B. bei Wartungsverträgen (Heizungsanlagen, Aufzüge, Dachdichtung) – erfährt der Anbieter sehr früh neue Investitionsabsichten seines Kunden und kann über die Zeit eine intensive Kundenbeziehung aufbauen, die in der wiederholten Kaufentscheidung bestimmend sein kann. Die Analyse des Kundenlebenszyklus zeigt Wert und Art der einzelnen Phasen und in der Gesamtheit der Kundenbeziehung auf und beschreibt den Kundenwert. Der Kundenwert hat neben den finanzwirtschaftlichen wesentliche nicht-monetäre Bestandteile, die sich aus den langfristigen Interaktionen einer Geschäftsbeziehung ableiten. Dieses sind vor allem (vgl. Gelbrich, Müller, 2006, S. 456f): x

Informationspotenzial von Kundenerfahrungen mit einer erfahrenen Leistung;

x

Referenzpotenzial durch Weitergabe von Kaufempfehlungen;

x

Markentreue als Wertmaßstab wirtschaftlicher Attraktivität, Maßstab einer Vertrauenswürdigkeit und Risikobegrenzung, die zu hoher Kundenbindung führen kann;

x

Wechselbereitschaft zu einem anderen Wettbewerber.

Der Kundenwert zeigt sich als unbestimmter Nutzenwert, den der Kunde für das Unternehmen hat. Er lässt sich in den verschiedenen Phasen der Transaktion zwischen Kunde und Bauunternehmen auch monetär bestimmen im Kundenkapitalwert (Customer Lifetime Value) (vgl. Bergmann, 1998, S. 53f). Er kann vergangenheitsorientiert z. T. aus den Zahlungsströmen des betrieblichen Rechnungswesens abgelesen werden. Für die aktive Gestaltung der Marktorientierung des Leistungsprogramms ist aber das zukünftig langfristig wirkende Potenzial einer Kundenbeziehung viel wichtiger. Hierzu bietet das von Gelbrich, Müller (vgl. 2006, S. 480) beschriebene effizienzorientierte Modell einen praktikablen Weg, die einzelnen Elemente eines Kundenwertes auf ihre Wirksamkeit zu messen und sie dann zu gestalten. In einer solchen Betrachtung lassen sich dann für den Baumarkt gut nutzbare Langzeitbetrachtungen z. B. über die Notwendigkeit und Wirksamkeit von Nachlässen oder kostenlosen Zusatzleistungen in einer Kundenbeziehung machen. Große Bauunternehmen in den USA haben deshalb intensiven „proactive approach with customer“ und weisen daraus resultierend ca. 60% Wiederholungskunden auf. Der Chef des deutschen Baukonzerns Hochtief, Herr Keitel, vermerkt dazu: „By our standard, this is a very high level!“ (ENR vom 14.08.2000, S. 46). Für technisch ausgebildete Führungskräfte ist es häufig eine Überraschung, dass aus der Zufriedenheit eines Kunden mit der erworbenen Leistung nicht direkt eine Wiederkaufabsicht geschlossen werden kann. Wenn z. B. 90% aller Kunden in der Industrie zufrieden bis sehr zufrieden sind, aber durchschnittlich nur 30 - 40% von ihnen zum Wiederkauf bereit sind, gibt

119

dieses Anlass zu intensiver Analyse (vgl. Reichheld, 1997, S. 57). Deshalb müssen, auch bei hohem Zufriedenheitsniveau, die Beziehung zum Kunden immer wieder von neuem vertieft werden. Einstellungen hängen gerade beim Austausch von komplexen Bauleistungsbündeln sehr stark von psychologischen Effekten der Vertrauensbildung ab. Diese werden im Wesentlichen gebildet von Kontinuität und Verlässlichkeit, Stimmigkeit, Fairness, Verständlichkeit und Fassbarkeit sowie geeignet erscheinender Problemlösung (vgl. Meyer, Dornach, 1996, S. 55; Diller, Müllner, 1998, S. 1222). Diese Kriterien von Empathie und Sympathie bewirken nun die Entwicklung des sehr zufriedenen Erstkäufers hin zum wiederholten Käufer, dem sog. Klienten/Advokaten, der durch intensive Kaufrate und Weiterempfehlung einen hohen Grad an Kundenbindung beweist (vgl. Berry, Parasuraman, 1992, S. 159). Zur Erreichung dieses Ziels müssen alle Unternehmensprozesse entsprechend gestaltet werden. Sind dauerhafte konstante Ansprechpunkte zum Kunden nötig, so müssen diese durch eine wohlüberlegte Kommunikation nachhaltig gepflegt werden. 4.1.1.3 Markt- und Branchenanalyse Bauunternehmen bieten Produkte und Dienstleistungen am Markt an, haben Kontakte mit Kunden und Lieferanten und versuchen mit ihnen zu einem Austausch zu kommen. Dies bedingt eine Fülle von Interaktionen, für deren Analyse und Organisation eine Vielzahl von Informationen benötigt werden. Inhalt und Umfang sind häufig unbekannt und müssen deshalb über Tatbestände, Verhaltensweisen oder Prozesse exakt erforscht werden, sollen Marketingaktivitäten sinnvoll und erfolgreich für das Unternehmen eingesetzt werden (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 198).

120

Abb. 4.3

Marktinformationen im Überblick (Quelle: Homburg et al., 2001, S. 212)

Speziell für den Baubereich seien einige der für das Marketing besonders relevanten Forschungsbereiche herausgestellt: x

Demografische Entwicklung (Bevölkerungsentwicklung, Arbeitslosigkeit, Haushaltsgröße);

x

Politische Rahmenbedingungen (Steuer-, Garantie-, Haftungs-, Mietrecht, staatliche Ausgabenpolitik);

x

Bauquote und Zeitablauf der Bauinvestition;

x

Renovierungsaufwand je Wohnung ( Modernisierungsverhalten);

x

Strukturveränderungen bei den Nachfragern (Auslagerungen ins Ausland, Parkhäuser für Mitarbeiter);

x

Trennung von Investition und Nutzung durch Leasing, PPP- und Mietmodelle;

x

Entwicklung des Absatzes von Industriegütern der Baukunden (Nachfrage nach abgeleiteten Gütern);

x

Veränderungen von Mode, neuer Werkstoffe, neuer Technologien;

x

Wandel der Werte (Eigentum, Miete, Finanzierungsarten);

x

Gebiete nach Kaufkraft, Industriebesatz und Arbeitslosigkeit;

x

Veränderung des Beschaffungsverhaltens (Vergaberecht, e-commerce). 121

Aus der Vielzahl dieser Informationen werden qualitative und quantitative Analysen erarbeitet. Diese wiederum haben das Ziel von Trends bis hin zu konkreten Bedarfsanalysen, das Kaufverhalten der Kunden, mögliche Absatzgrößen, die Chancen im Wettbewerb, Preishöhe und Umsatzmenge zu bestimmen. Die Professionalität der Marktforschung, die genaue Eingrenzung von Käuferverhalten und Erwartungshaltung von potenziellen Kunden sind unerlässlich für möglichst zutreffende Aussagen (vgl. Pradel, 1999, S. 46). Für viele Absatzgebiete im BtoB-Bereich gibt es eine Fülle von erforschten Einflussgrößen und Abhängigkeiten, wie z. B. im Verhältnis zur Entwicklung des BIP, zur Arbeitslosenzahl, zum Bauvolumen je Kreis, zum Wirtschaftswachstum usw., aus denen frühzeitig für bestimmte Marktsegmente aussagefähige Absatzprognosen erarbeitet werden können (vgl. Backhaus, 2003, S. 159). Es muss beachtet werden, dass Daten der vergangenheitsbezogenen amtlichen Baumarktstatistik ohne detaillierte Interpretation nicht geeignet sind, in die Zukunft extrapoliert zu werden (vgl. Mausch, Hedfeld, 1995, S. 7). Für den Hoch- und Ausbaumarkt hat Zimmermann in langjährigen Studien aus amtlich zugänglichen Statistiken Abhängigkeiten der einzelnen Aktivitäten im Baubereich mit Auswirkung auf den Absatz über den Zeitablauf, in sog. „TimeLag-Studien“, erarbeitet (vgl. IZP, o. J.). Vorplanung, Käufe Rohbauland, Grundstückserschließung

Monat

-

36

Ausbaubeginn

Monat

Hauptplanung

Monat

-

24

Fertigstellung

Monat

Genehmigung

Monat

-

18

Übernahme

Monat

Baubeginn (Menge aus Neben quantitativen Marktanalysen müssen durchschnittl. Realisierung Monat - 12 von Baugenehmigungen) Rohbaufertigstellung

Abb. 4.4

Monat

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Untersuchungen über qualitative Entwick Abschluss Ausstattung

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Zeitverzug – „Time-lag“ – bei einem Bürogebäude (von der Vorplanung bis zum Einzug) (eigene Darstellung)

Neben quantitativen Marktanalysen müssen Untersuchungen über qualitative Entwicklungen von Kundenverhalten und Kundenwünschen treten. Dabei ist zu beachten, dass Kunden mit ihren Erfahrungen in „eingefahrenen Märkten“ sich häufig nur ungenügend zukünftige Marktentwicklungen vorstellen können. Bei geplanten Umsetzungen neuer technisch innovativer Lösungen kann es deshalb viel erfolgreicher sein, statt durch eine Befragung, Kunden bei der Nutzung „alter“ Lösungen zu beobachten (Wo sind sie behindert? Wo liegt der Vorteil an einer Änderung?). „Beobachtungen der Kunden in ihrer Lebenswelt lassen dann Bedürfnisse erkennen“, die vorher kaum erkennbar waren (vgl. Leonard, Rayport, 1998, S. 75). So hat sich am Baumarkt die zunehmende Nutzung von Projektsteuerern entwickelt, weil Architekten offensichtlich dieses Leistungsbild ungenügend für ihre Kunden bereitgestellt hatten. Unternehmen, in denen die Gewinnung und Verbreitung von sorgfältig erarbeiteten Marktinformationen wichtig sind, operieren nach einer Studie erfolgreicher am Markt als ihre Kon122

kurrenten. 80% der Hersteller von Investitionsgütern messen laut einer Befragung der Marktorientierung hohe Bedeutung zu, wenn auch nur 4% von ihnen in konkreten Handlungen umfassende Marktinformationen sammeln und verarbeiten (vgl. Backhaus, Schlüter, 1994, S. 32). Zur Beurteilung der eigenen Positionen am Markt und der eigenen Potenziale ist es für das Bauunternehmen unerlässlich, die Situation der Hauptwettbewerber, die Marktformen, die Lieferanten sowie mögliche weitere bisher unbekannte Konkurrenten zu beobachten. Dies geschieht durch die Analyse der Branchenstruktur (vgl. Lang, 2003). Eintrittsbarrieren

Determinanten der Rivalität

Economies of scale Unternehmenseigene Produktunterscheider Markenidentität Umstellungskosten Kapitalbedarf Zugang zur Distribution Absolute Kostenvorteile Unternehmensinterne Lernkurve Zugang zu erforderlichen Inputs Unternehmenseigene kostengünstige Produktgestaltung Staatliche Politik Zu erwartende Vergeltungsmaßnahmen

Branchenwachstum Fix-(oder Lager-)Kosten/wertschöpfung Phasen der Überkapazität Produktunterschiede Markenidentität Umstellungskosten Konzentration und Gleichgewicht Komplexe Informationslage heterogene Konkurrenten Strategische Unternehmensinteressen Austrittsbarrieren

Lieferanten

VerhandlungsStärke der Lieferanten

Determinanten der Lieferantenmacht Differenzierung der Inputs Um stellungskosten der Lieferanten und Unternehmen der Branche Ersatz-Inputs Lieferantenkonzentration Bedeutung des Auftragsvolumens für Lieferanten Kosten im Verhältnis zu den Gesamtumsätzen der Branche Einfluß der Inputs auf Kosten oder Differenzierung Gefahr der Vorwärtsintegration im Vergleich zur Gefahr der Rückwärtsintegration durch Unternehmen der Branche

Abb. 4.5

Neue Anbieter

Bedrohung durch neue Anbieter

Wettbewerber in der Branche

Intensität der Rivalität

VerhandlungsStärke der Abnehmer

Abnehmer

Determinanten der Abnehmerstärke Verhandlungsmacht

Bedrohung Abnehmerkonzentration durch Ersatz- gegen Unternehmensprodukte o. konzentration -dienste Abnehmervolumen Umstellungkosten der Abnehmer im Vgl. zu denen Ersatzprodukte des Unternehmens Informationsstand der AbDeterminanten der nehmer Substitutionsgefahr Fähigkeit zur Rückwärtsintegration Relative Preisleistung Ersatzprodukte der Ersatzprodukte Durchhaltevermögen Umstellungskosten Substitutionsneigung der Abnehmer

Preisempfindlichkeit Preis/Gesamtumsätze Produktunterschiede Markenidentität Einfluß auf Qualität/ Leistung Abnehmergewinne Anreize der Entscheidungsträger

Elemente der Branchenstruktur (Quelle: Porter, 1999c, S. 32)

Bezüglich der zentralen Frage zur Position gegenüber vorhandenen oder möglichen Wettbewerbern ist der Kreis beim Angebot von Leistungsbündeln weiter zu ziehen als im Markt einfacherer Produkte. Ausgangspunkte der Analyse sind dabei die Zielmärkte bestimmter Kundensegmente mit ihren Nutzenbedürfnissen. Dazu sind die vor- bzw. nachgelagerten Märkte intensiv in die Betrachtung mit einzubeziehen (vgl. Belz, Biercher, 1991, S. 46f), da aus diesen Branchen sich plötzlich Wettbewerber entwickeln können. Möglichkeiten für Wettbewerber entlang der Prozesskette Bauen zeigt Abb. 4.6 123

Kunde, Architekt, Makler, Unternehmensberater, Projektentwickler

Kunde, Betriebsplaner, Unternehmensbe r ater

Bedürfnisentwicklung beim Kunden

Analyse Orga, Prozessabläufe Kunde Vergleich "Best Practise"

Kunde, Architekt / Ing. Büro, Betriebsplaner

Architekt, Banken, Versicherungen

Kunde, Architekt, Unternehmensberater

Vergleich "Best Practise", "Benchmarking", andere Branchen, Alternativlösungen Architekt

Klärung Bauvolumen, Grundlagener-mittlung, Vorplanung

Kostenkalkulation Finanzierung, Eigentum / Miete / Leasing

Planung, Bauantrag

Kunde, Anlagenbauer, Systemlieferant

Kunde, Anlagenbauer, Industriedienstleister, Facility Management

Kunde, Makler, Architekt

Anlagen, Produktion, Nutzung durch Kunden

Abb. 4.6

Kunde, Unternehmensbe r ater

Gewährleistung, Betreibung, Wartung

Kunde, Kommunen, Architekten, Projektentwickler

Klärung Bauwunsch, Entscheidung Bau

Grundstücksklärung -beschaffung

Bauunternehmer (Roh-, Tiefbau etc.), Baunebengewerbe

Heizung, Klima, Lüftung, Elektro, Anlagenbau

Bau in Einzelgewerken oder schlüsselfertig

Haustechnik in Einzelgewerken oder schlüsselfertig

Verkauf, Umwidmung, Entsorgung

Prozesskette Bauwunsch Kunde und mögliche Wettbewerber eines Generalübernehmers je Prozess (eigene Darstellung)

Die dargestellten Substitutionsmöglichkeiten führen zu weiteren vertiefenden Fragestellungen, wie: x

Welche Eigenleistung wird der Kunden heute bzw. in Zukunft selbst erbringen bzw. auslagern wollen?

x

Welchen regionalen Bezug legt der Kunde in seinem Beschaffungsverhalten fest?

x

Beschränkt sich der Kunde auf einen ihm günstig erscheinenden Anbieter im einzelnen Prozessschritt oder bevorzugt er Lieferanten, die mehrerer Prozessschritte anbieten (Generalunternehmer)?

Diese vielfältigen Entscheidungsmöglichkeiten des Kunden mit unterschiedlichsten Wettbewerbslagen in horizontaler oder vertikaler Sicht entwickeln sich entlang der technologischen Veränderung des Ursprungsproduktes. Wird die nachgefragte Leistung einfacher, erweitert sich der Kreis der Wettbewerber. Wird sie jedoch komplexer, wird der Kunde zunehmend Prozessstufe um Prozessstufe ein umfassendes Leistungsbündel bevorzugen, soweit es ihm nach Leistungsinhalt, Kostenhöhe und Qualität einen höheren Nutzen verspricht und wird dadurch der Kreis der Anbieter eingrenzt (vgl. Backhaus, 2003, S. 184). So kann sich ein Architekturbüro zu einem Totalunternehmer, kann sich ein Lagertechnikspezialist zu einem Generalunternehmer oder ein Bauunternehmen zu einem Projektentwickler entwickeln. Alle Beteiligten arbeiteten ursprünglich in voneinander unterschiedlichen und abgetrennten Märkten und konkurrieren plötzlich im gleichen Marktsegment. Da diese Wettbewerber von jeweils völlig unterschiedlichen Denkansätzen für die betreffende Problemlösung kommen, bieten sie 124

unterschiedliche Kernfähigkeiten in ihren Betrieben und haben je nach Branche und Tarif womöglich völlig unterschiedliche Kostenstrukturen. Alles zusammen kann die etablierten Regeln in einem Segment der Baubranche völlig verändern und am Ende langjährig etablierte Anbieter zur Aufgabe zwingen. Es erfordert deshalb große Sorgfalt, eine klare Positionierung im Wettbewerb der angebotenen Leistung zum Kunden und zum Konkurrenten zu erarbeiten, zumal sich diese auch untereinander in ihrer Positionierung wiederum verändern (vgl. Belz et al., 1991, S. 49 ff, Pepels, 1999d, S. 71f; Kelly, 1988).

1.)

Je spezifischer eine Leistung auf eine Kundengruppe ausgerichtet ist, je nachhaltiger der Wettbewerbsvorteil;

2.)

Je umfassender und komplexer das Leistungsbündel, je nachhaltiger der Wettbewerbsvorteil und je geringer ist die Gefahr einer Substitution;

3.)

Menschliche Vorteilskomponenten sind im Wettbewerb nachhaltiger als technologische;

4.)

Leistungsbündel, die dem Kunden keine Auswahl im Wettbewerb mehr bieten, sind anfällig gegenüber alternativen Angebotsinhalten;

5.)

Marktsegmente mit unterschiedlichen Angebotsinhalten und Wettbewerbsverhalten bieten viele Möglichkeiten für nachhaltige Wettbewerbsvorteile;

6.)

Je stärker und langfristiger eine branchentypische Behandlung der Zielgruppe, je höher ist die Gefahr von plötzlicher außenstehender Konkurrenz;

7.)

Das Erweitern des Leistungsbündel in vor- und nachgelagerte Stufen kann einen Wettbewerbsvorteil bringen, wenn die Zusatzangebote erstklassig beherrscht werden Im Gegenteil verwässern sie die Wettbewerbsfähigkeit (Abhängigkeit von der Stärke der Zulieferer);

8.)

In schrumpfenden Märkten gibt es geringe Eintritts- und hohe Austrittsbarrieren.

Abb. 4.7

Chancen und Risiken der Positionierung im Wettbewerb (eigene Darstellung)

Gerade die Gefahr, Wettbewerbern aus anderen Branchen und Kostenstrukturen mit Substitutionsprodukten plötzlich gegenüberzustehen, muss in der Positionierung des Bauunternehmens die Betrachtung über das nähere Wettbewerbsumfeld hinausführen: „We are most interested in uncovering how customers view our competitors‘ strength and weaknesses. Competitor analysis provide this insight by assessing how well specific value dimensions are being delivered within an industry and by key competitors.“ (Woodruff , Gardial, 1996, S. 39) Letztlich können Markt- und Wettbewerbsanalysen zusammengefasst werden im “Market Opportunity Analysis”-Prozess und bieten so die Basis einer marktorientierten Leistungsgestaltung. 4.1.1.4 Marktsegmentierung Eine aktive Marktdurchdringung ist nur dann möglich, wenn dem Kunden Produkte und Leistungen angeboten werden, die für ihn einen höheren spezifischen Nutzen bieten als jene vergleichbarer Wettbewerber. Dies kann grundsätzlich auf zwei Wegen geschehen; entweder verändert das anbietende Unternehmen die geforderten Preise oder es verdeutlicht klar gebo125

tenen Nutzen, der das Angebot von anderen abhebt. Dabei zeigen empirische Studien, dass zumeist der herausgestellte Kundennutzen einen größeren Einfluss auf die Kaufentscheidung hat als der Preis (vgl. Homburg, Bentin, 2001, S. 23). Wer diesen höheren oder zusätzlichen Nutzen bieten möchte, muss sich demzufolge auf Märkte und Kunden möglichst individuell einstellen. Dies geht erfolgreich in der Ausrichtung auf spezifische in sich homogene Teilmärkte oder Marktsegmente, die aber nach relevanten Kriterien für Leistungsangebot, Kunde und Wettbewerber strukturiert werden müssen. Denn nur wenn ein Unternehmen nicht den gesamten Markt bearbeitet, sondern einige wohl überlegte Segmente, hat es „viel bessere Chancen, einen höheren Nutzen zu bieten und im Gegenzug auf die strikte Beachtung der Bedürfnisse dieser Segmente höhere Preise verlangen zu können.“ (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 446). Die sorgfältige Segmentierung des Marktes ist eine der wichtigsten Aufgaben der Marktorientierung. Darunter ist die Aufteilung eines zu betrachtenden Gesamtmarktes in „interne, homogene und untereinander heterogene“ Marktteile sowie ihrer differenzierten Bearbeitung (vgl. Meffert, 2000, S. 181; Winkelmann, 1999, S. 112; Gröne, 1976; Hofmaier, 1999) zu verstehen. Ziel der Segmentierung ist die Abgrenzung und gleichzeitige Ausrichtung der bisher belieferten bzw. zukünftig zu bearbeitenden Kundengruppen mit ihren individuellen Wünschen (Was schätzen sie, was kaufen sie, welches ist das ertragreichste Angebot?) im Verhältnis zu den Leistungsangeboten des Anbieters und dem Marktverhalten seiner Konkurrenten (vgl. Buck, 1998, S. 80; Belz et al., 1997, S. 99). Mit der Zunahme der Einflüsse des Marktes, der Ansprüche der Kunden und der Intensität der Wettbewerber entwickeln Leistungsangebote eine immer höhere Komplexität. Enthielt ein Angebot einer Hochbauleistung 1975 noch ca. 80% eine eindeutige Rohbauleistung, so setzt sich das heute daraus entwickelte Leistungsbündel eines Totalunternehmers im Baubereich zu 10% aus Beratungsleistung, zu 30% aus Rohbauleistung, zu 50% aus der schlüsselfertigen Erstellung des Gesamtprojektes und zu 10% aus Finanzierungsleistung zusammen. Es ist offensichtlich, dass sich eine Segmentierung in diesem sich veränderten Marktbereich nicht mehr nach den Möglichkeiten der Produktion oder des Produktes, sondern ausschließlich nach Kundenvorteilen, Kundenbedürfnissen und Kaufverhalten der Kunden richten muss (vgl. Schareck, 1988, S. 384; Buck, 1998, S. 83; Belz, 1997, S. 31). Wesentlich sind hierbei ausreichende kundensegmentspezifische Informationen. Dabei kommt es weniger auf die Analyse aller Daten mit exakter mathematischer Hochrechnung in die ferne Zukunft an, sondern auf eine für die Umsetzung am Markt ausgerichtete Auswahl der wichtigsten aussagefähigsten Informationen (vgl. Marhold, Mbotha, Schneider, 1992, S. 28; Drees, 1976, S. 1410). Besonders hilfreich sind Erkundungen aus anderen ausländischen Märkten, in denen eine Marktentwicklung womöglich weiter fortgeschritten ist, wie sich z. B. Baumärkte in Frankreich, England, Schweden und in den USA im Vergleich zu Deutschland darstellen.

126

Die in Abb. 4.21 gezeigte Kundensegmentierung im US-Baumarkt zeigt die Hauptgruppen, die nun in eine Vielzahl von fachlichen Untergruppen und spezifischen Kundengruppen im einzelnen Fachgebiet aufgegliedert werden müssen. Die Segmentierung zeigt Wege zu einer genaueren Analyse der Rentabilität der einzelnen Kundengruppen auf. Damit eröffnen sich exakte Rückschlüsse auf Kosten der Kundenbedienung, die Vorstellung des Kunden von Qualität- und Preisbereitschaft und ihre Kooperationsbereitschaft in der Beziehung zum Lieferanten. Darüber hinaus kann klar untersucht werden, ob langfristige Wirkungen im „Lifetime-Value“-Ansatz Sinn und Zweck haben, indem die Strategie für die Kundenausrichtung über die Gesamtdauer der Geschäftsbeziehung betrachtet wird (vgl. Homburg, Daum, 1997, S. 400). Schließlich müssen Segmente von Kunden mit dauerhaften Abnahmeverträgen und hoher Wiederkaufsrate über Jahrzehnte mit einem ganz anderen Marketingeinsatz bearbeitet werden als kurzfristig sich entscheidende Einmalkunden (vgl. Winkelmann, 2000, S. 8f). Insgesamt kann aus den verschiedenen Kundensegmenten und Bauvolumina im Rahmen einer Portfoliobetrachtung je möglichem Segment die optimale Kundenstruktur erarbeitet werden (vgl. Palloks-Kahlen, 2001, S. 536). So wichtig es in der Branchenanalyse ist, Veränderungen in der Gruppe der Anbieter zu betrachten, so unerlässlich ist es, Veränderungen innerhalb der Marktsegmente zu studieren und zu überlegen, welche Anforderungen Zielgruppen zukünftig haben werden.

Investoren

Developer Banken/ Versicherungen

Verwaltungsnutzer

Produktivnutzer

Bauträger

Seriennutzer Industrie-Einkäufer

Rationalisten Repräsentanten

• Professionelle großanleger, die vor allem größere Projekte abwickeln und Objekte mit feststehender : Verwertung betreuen • Wichtigste Bündlergruppe für Gelegenheitsbauer • Langfristige Orientierung mit genauen Renditevorstellungen für eigenutzte Investitionsprojekte, Betreibermodelle • ,,Zwang” zur jährlichen Anlage bestimmter Beträge in Immobilien • Sehr kurzfristige Orientierung; Bauen ohne stehenden Verwertungsplan; hoher Renditedruck wird an Lieferanten, wie Bauunternehmen, weitergegeben

• Prototypischer Wiederholungsbauer, der Erfahrungsvorteile zu realisieren versucht • Suche nach innovativen Konzepten zur Kostensenkung • Bauen ist nebensächliche Notwendigkeit, soll in Ausführung und Nutzung den Hauptbetrieb nicht stören, Reibungsloses Bauen von großer Wichtigkeit

• Bauen ist nebensächliche Notwendigkeit, muss vor allem schnell und unkompliziert gehen, um dem Unternehmenswachstum Rechnung zu tragen • Bauen mit architektonischem Anspruch und langfristiger Orientierung

Öffentliche

Halböffentliche

Abb. 4.8

Dezentrale Öffentliche

• Kosten- und Termindruck weniger ausgeprägt als in anderen Segmenten • Vergabe noch stark öffentlich geprägt, VOB nutzend • Verhalten in der Ausführung bereits privatwirtschaftlichem Vorgehen angenähert

Zukünftige Kunden-Zielgruppen für Bauunternehmen und ihre veränderten Anforderungen (Quelle: In Anlehnung an: Boston Consulting Group, 1998, S. 15)

127

Die Analyse dieser Anforderungen und ihre Bündelung zu gleichartigen Märkten schafft die Möglichkeit in wirtschaftlicher Weise für diese Märkte spezifische Leistungsangebote zu bilden. Damit ist die Marktsegmentierung das wesentliche Instrument zum effizienten Marketingeinsatz. Dies gilt besonders für mittelgroße Unternehmen, die bei eingeschränkten Mitteln in Innovation, Forschung, Entwicklung und Marketing und gleichzeitiger Ausrichtung auf spezifische Segmente eine hohe Wirkung am Markt erzielen müssen gegenüber großen Betrieben mit hohem Mitteleinsatz über alle Marktsegmente hinweg (vgl. Hörschgen, Krisch, 1993, S. 84; Hofmaier, 1993b, S. 141f). Die außerordentliche Vielfalt der Baunachfrage zwingt das Bauunternehmen geradezu, sich auf einzelne Segmente zu konzentrieren, um dort Vorteile zu entwickeln und besondere Wertbeiträge zu leisten, will es nachhaltig Erfolg erzielen. Eine besondere Marktsegmentierung am Baumarkt kann sich auch ergeben, wenn die Position der Beratenden Ingenieure näher betrachtet wird. Da der Kunde von Bauleistungen als endgültiger Nutzer üblicherweise keine Fachkenntnis im Planungs- und Beschaffungsprozess hat, lässt er sich von Beratenden Ingenieuren in der unterschiedlichsten Weise, von der Klärung des Bauwunsches über die Planung, Beschaffung bis zur Betreuung während der Bauphase, unterstützen. In der Praxis der heutigen Vergabe von Bauleistungen bestimmt der Beratende Ingenieur wesentlich die Aufstellung der Kriterien für den Wettbewerb, die Empfehlung von zugelassenen Anbietern und ihrer Auswahl sowie die Beurteilung der Angebote und die Vergabe selbst mit. Der Beratende Ingenieur hat dazu häufig ein entscheidendes Mitspracherecht. Sein Verhalten im Beschaffungsprozess muss deshalb sehr sorgfältig betrachtet werden. Nur in den seltensten Fällen wird er als stiller Zuhörer im Hintergrund des Buying-Center auftreten (Nieschlag, Dichtl, Hörschgen, 2002, S. 888f). Vielmehr ist er als Absatzhelfer aktiver Teil des Beschaffungsprozesses, da er in der Planung wesentliche Teile des Beschaffungsobjektes definiert hat, es in der Umsetzungsphase häufig betreut und damit wesentlich die Bedingungen des Absatzes der Bauunternehmung beeinflusst. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass auch die Dienstleistung des Beratenden Ingenieurs marktwirtschaftlichen opportunistischen Regeln unterliegt. Er wird seine eigene Leistung optimieren und bei seinem Kunden einen positiven Eindruck hinterlassen wollen. Diese Situation führt nur bestenfalls zu gleichlautenden Interessen mit dem beratenen Kunden. Die Zielrichtungen der Beratenden Ingenieure und ihrer Kunden können sich durchaus auch widersprechen. Dies wird bestätigt durch die hohe Unzufriedenheit der Kunden mit Bauleistungen und die Abhängigkeit der ungenügenden Bauqualität und der hohen Baukosten vom Planungsprozess, die vom Beratenden Ingenieur als Treuhänder des Kunden optimal ge-steuert bzw. erstellt werden soll. So haben ausweislich des zunehmenden Marktanteils bei Schlüsselfertigbauten und Totalunternehmerschaft die Kunden sich häufig entschieden, auf bestimmte Teile der Dienste der Beratenden Ingenieure zu verzichten und ihnen unter Verantwortung des Bauunternehmens nur noch eingeschränkte Aufgaben im Rahmen des Gesamterstellungsprozesses der Bauleistung zu belassen.

128

Verlässt sich der Kunde dagegen umfassend nach dem Leistungsbild der HOAI auf seinen Beratenden Ingenieur, so muss dieses in der Marktsegmentierung seitens der Bauunternehmung besonders berücksichtig und im Marktauftritt nach erfolgter Analyse in einer besondere Strategie umgesetzt werden, will man erfolgreich sein. Dies können z. B. all jene Maßnahmen sein, die die Tätigkeit des Beratenden Ingenieurs erleichtern und fördern und bei ihm wiederum zu einer hohen Kundenbindung zum Bauunternehmen führen. Eine völlig alternative Handlungsmöglichkeit im Marketingauftritt verbleibt für das Bauunternehmen bei totaler Umgehung des Absatzhelfers. In diesem Fall muss jene Leistung, die der Beratende Ingenieur für den Kunden erbringt, aggressiv vom Anbieter selbst am Markt angeboten werden. Dies wird nur gelingen, wenn das anbietende Unternehmen bei gleichem Nutzen aber wesentlich geringeren Kosten und Zeitverbräuchen, den Kunden von der Vorteilhaftigkeit seiner Leistung überzeugen kann (siehe z. B. im Design-Build-Prozess in Kapitel 4.1.1.6.1). Die Ausschaltung der Beratenden Ingenieure als Absatzhelfer birgt andererseits nicht geringe Risiken, da der Anbieter häufig nicht die Grenze kennt, hinter der der Kunde bereit ist, auf seine womöglich langjährige Beziehung zum Beratenden Ingenieur zu verzichten. Dieser kann das Bauunternehmen als seinen Wettbewerber ansehen und ihm im Projekt und darüber hinaus mit aller Kraft in seinen Absatzmöglichkeiten behindern. Deshalb müssen die Anbieter Umgehungsstrategien sehr sorgfältig planen. Dass diese gelingen können zeigt der Markt für Spezialimmobilien, wie Parkhäuser, Sporthallen, Hochregallager und Logistikhallen. Bei ihnen erbringt das anbietende Unternehmen in einer Totalübernehmerschaft die gesamte Leistung inkl. Planung und Überwachung für den Kunden aus einer Hand. 4.1.1.5 Leistungsprogramm Bis in die Gegenwart hinein entsteht der Inhalt eines Leistungsangebotes einer Bauunternehmung wenig lang- oder mittelfristig geplant. Angeboten wird jenes, wofür die Mitarbeiter qualifiziert sind, was seit Jahren Erfolg am Markt gebracht hat und womit die Führung hofft, Aufträge hereinholen zu können. Eine Analyse zukünftiger Marktchancen unterbleibt zumeist. Markterhebungen und -analysen sind zwar für den Baustoffmarkt zugänglich und werden dort genutzt, werden aber von Bauunternehmen wenig beachtet. So wirken dann nachhaltige Marktveränderungen umso nachhaltiger auf das unvorbereitete Management. Die marktorientierte Unternehmensführung dagegen erarbeitet das von ihr geplante Leistungsprogramm nach sorgfältiger Analyse und mit langfristiger Vorausschau. Aus der Analyse der Kundennachfrage, der möglichen Kundensegmente, der Interaktionen mit dem Kunden während des Kontaktes in der Bauphase, der Inhalte der Kundenzufriedenheit und der allgemeinen Markt- und Branchenstruktur folgen nun im Bauunternehmen jene Überlegungen, welche Leistungen zu diesen Analyseergebnissen passen. Unterlässt man diesen Schritt, wird die gegenwärtig angebotene Leistung nur einen zufälligen Erfolg haben. Ein vorhandenes

129

Leistungsangebot muss ebenso laufend überprüft werden wie mögliche neue Leistungen sorgfältig auf ihre Marktfähigkeit ausgerichtet werden müssen. Neben der Beibehaltung und Verbesserung erfolgreicher Leistungen kann sich das Unternehmen auch für neue Angebote entscheiden wie z. B. für eine zunehmende Fokussierung seiner Leistungen hin zu Spezialprodukten oder für eine Erweiterung des bisherigen Angebotes hin zu einer umfassenderen Problemlösung. Erste Überlegungen zur Programmpolitik lassen sich sehr gut auf Basis des „KANO-Modells“ anstellen (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 716f; Pepels, 2003, S. 404). Die Produktionsfähigkeiten und Innovationsmöglichkeiten des Anbieters müssen mit den Bedürfnissen und Anforderungen der einzelnen Käufersegmente in einer wohlüberlegten Leistungsdifferenzierung verbunden werden. Wenn der gebotene Nutzen aufgeteilt wird in Kernnutzen / Basisleistung (Fitness to use), Standardnutzen / Leistungsanforderung (State of the art), individueller Zusatznutzen / Begeisterungsanforderung (Best practice) kann je Marktsegment und Leistungsfähigkeit des Anbieters eine optimale Ausrichtung auf den Markt erfolgen. Nur eine genaue Nutzen- und Segmentzuordnung schafft die Grundlage für Leistungsangebote mit guter Marktorientierung und Vermeidung von überflüssigen Leistungsbestandteilen, wie z. B. durch Over-Engineering (vgl. Große-Oetringhaus, 1996, S. 56ff.). Denn dort – häufig im Investitionsgüterbereich anzutreffen – sind die Produkte „highly complex and sophisticated“ und ist das Management besetzt „topheavy with engineers and scientists“ (vgl. Levitt, 1960, S. 54), die zwar ein technologisches Optimum gestalten, aber allzu oft Marketing-Erkenntnisse ungenügend nutzen und demzufolge kostenintensive Leistungsteile anbieten, für die der Kunde nur wenig zu zahlen bereit ist. Da über die Zeit sich die Nutzenerwartungen der Kunden zumeist steigern und aus ehemaligen Begeisterungs- bald Leistungsanforderungen werden, muss das Unternehmen zusätzlich den Lebenszyklus der angebotenen Leistungen beachten. Je mehr z. B. ab 2000 der Schlüsselfertigbau die Basisanforderung des Baukunden wird, je mehr wird die bis 1990 vorherrschenden reinen Rohbauleistungen im Hochbausegment eine austauschbare Einfachleistung sein, die dem Anbieter kaum ausreichende Ertragsmöglichkeiten bietet (vgl. Wildemann, 1998b, S. 152; Buck, 1998, S. 152). Technischer Fortschritt und zunehmender Wettbewerb haben darüber hinaus zu einer starken Angleichung von Produktqualität und Preis geführt. In diesen Bereichen wird es immer schwieriger, nachhaltige Wettbewerbsvorteile allein über „charakteristische Produktmerkmale“ zu erzielen. Der Anbieter landet schnell in einer „technischen Pattsituation“ (Homburg, Garbe, 1996, S. 68), bei der als Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb vordergründig nur noch der Preis verbleibt.

130

Marktorientierung bedeutet deshalb einerseits, die unterschiedlichen Lebenszyklen der bisher angebotenen Leistungsbereiche zu entwickeln und anschließend so aufeinander abzustimmen, dass die Gesamtheit der Unternehmensleistung ertragreich absetzbar ist. Andererseits führt sie zu einer ausgeprägten Wertschöpfungsstrategie im Bauunternehmen, indem x

der Wertschöpfungsanteil bzw. der Eigenleistungsanteil definiert wird;

x

die Wertschöpfungstiefe als die Festlegung der technischen Fertigungsfähigkeit (z. B. vom Erdbau bis zur technischen Gebäudeausrüstung) bestimmt wird;

die Wertschöpfungsbreite über den ganzen Lebenszyklus eines Bauprojektes (von der Planung bis zur Unterhaltung) festgelegt wird. Es ist die Entscheidung des einzelnen Anbieters, sich für ein enges hochspezialisiertes Marktsegment oder für ein generelles breit gefächertes Leistungsprogramm zu entscheiden. Letzteres kann sich am Markt ganzheitlich präsentieren oder auch aus der Summe einzelner hochspezialisierter Segmentangebote bestehen (vgl. Oepen, 2004, S. 40f). Da der Wunsch von immer mehr Kunden zunimmt, individuelle Anforderungen ebenso wie ganzheitliche Problemlösungen erfüllt zu bekommen, ist diese Wertschöpfungsstrategie sehr sorgfältig zu erarbeiten. Dabei kann es durch zusätzliche Dienstleistungen gelingen, die technische Einsatzfähigkeit der Sachleistung zu sichern und zu ergänzen. Damit erfährt das angebotene Produkt für den nachfragenden Kunden eine individuelle oder auch umfassende Differenzierung, bei der es möglich ist, diesen Kunden für ihn und seine Empfindungen zusätzliche Werte (engl. added value) bereitzustellen, indem es eine auf den Kunden ausgerichtete individuelle Problemlösung enthält (vgl. Meffert, 2000, S. 442). Die Differenzierung des Angebotes und die Verbindung von Sach- mit Dienstleistungen zum Leistungsbündel und zu neuen integrierten Problemlösungen schafft damit oft erst die Möglichkeit, einerseits zielgenaue spezielle Kundensegmente oder andererseits einzelne sog. Schlüsselkunden oder besonders wichtige Abnehmer zu befriedigen und ermöglicht somit Wettbewerbsvorteile (vgl. Belz, 1991, S. 5; Kotler, Bliemel, 2001, S. 797; Homburg, Gabe, 1996, S. 69). Allerdings besteht die Gefahr der weiter unten beschriebenen Komplexitätsfalle einer undifferenzierten Spezialisierung des Angebotes. x

War vor dem Jahre 2000 noch die Produktqualität eines der wettbewerbsentscheidensten Kriterien, so wird dies zukünftig als erstklassig vorausgesetzt und werden die Gestaltung der Kundenbeziehung, das ergänzende Dienstleistungsangebot oder die Spezialisierung des Angebotes erfolgsentscheidend sein (vgl. Frauenhofer IAO, 1998, S. 35). Dabei kann der Inhalt dieser Leistungsbündel je nach Kundensegment unterschiedlichste Ausprägung haben. Als Teil der Gestaltung der Wertschöpfung kann der Umfang der Bündelung (engl. „bundling“) differieren und gezielt nach Wettbewerbskriterien oder Preisoptimierung gesteuert werden (vgl. Engelhardt, Reckenfelderbäumer, 1999, S. 222f):

131

- Unbundling: - Pure Bundling: - Mixed Bundling:

Sämtliche möglichen Dienstleistungen werden dem Kunden separat angeboten, er kann auswählen; Der Kunde erhält nur komplette Dienstleistungspakete, kann nicht auswählen und hat keine Transparenz über die Einzelteile; Der Kunde kann wählen, welche kleineren Servicepakete er wünscht, die er aber auch zu einer Gesamtleistung zusammenstellen kann.

Die begleitenden Dienstleistungen müssen grundsätzlich wie die Sachleistung analysiert und für abgegrenzte Kundensegmente ausgerichtet werden, in denen die Verwendungssituation des Kunden, seine Wertkette und sein Beschaffungsverhalten einfließen (vgl. Belz et al., 1991, S. 28). Besonders die Analyse der Verwendungssituation beim Kunden ergibt Hinweise auf Möglichkeiten für zu verknüpfende Teilleistungen und Nutzenelemente hin zu dem Mix des „bundling“ (vgl. Sebastian, Hilleke, 1994, S. 46). Wenn es letztlich gelingt, einen Teil der Wertkette des Kunden zu übernehmen – also in Arbeitsabläufe des Kunden integriert zu werden – ergeben sich durch die Gestaltung der entsprechenden Leistungsbündel gute Gelegenheiten, in langfristige Beziehungen zum Kunden eintreten zu können. Dies führt dann soweit, dass der Bauanbieter komplette Funktionen des Kunden übernimmt, die dieser vorher im eigenen Hause selbst erfüllt hat (Überwachung und Reparatur von Rohrleitungen für Versorgungsträger, Facility Management bei Büroimmobilien, Wartung von Anlagen) (vgl. Belz et al., 1997, S. 54). Die Inhalte der Sachleistung über die verbundene Dienstleistung bis zum integrativen Leistungsbündel sollten sehr sorgfältig gewählt und mit den Fähigkeiten und Ressourcen des Bauunternehmens abgeglichen werden. Daneben ist zu prüfen, ob die Herstellkosten im Einklang zu bringen sind mit dem, was der Kunde letztlich als Preis zu zahlen bereit ist. Leicht ist die Gefahr der Zufälligkeit, der Undifferenziertheit, der kostenlosen Nebenleistungsflut verbunden mit völlig ungenügender Kommunikation dieses „Added Value“ aufgetreten und tappt der Anbieter in die „Komplexitätsfalle“ (vgl. Homburg, Daum, 1997, S. 151; Kleinaltenkamp, 1994, S. 151). Maßstab der Bündelung kann deshalb nicht alleine das Anstreben einer hohen Kundenzufriedenheit sein. Nur eine sorgfältige Abgrenzung einzelner Leistungsbestandteile und die Fähigkeit zur Standardisierung und klarer Prozessgestaltung und die Einhaltung der Zielkosten (s. a. Kapitel 4.2.5.2) schafft jenes Leistungsbündel, welches ertragreich vermarktet werden kann. In einer begleitenden ausgefeilten Prozesskostenrechnung können Nutzen und anfallende Kosten sauber gegenübergestellt werden (vgl. Anderson, Narus, 1995, S. 107). Die Entwicklung des Leistungsbündels muss also Kundenanforderungen, Fähigkeiten des Anbieters, Wettbewerbsangebote und die Preissituation des Marktes beachten. Abb. 4.14 zeigt eine Auswahl von Wirkungsmöglichkeiten der Leistungsgestaltung.

132

1.

Probleme des Kunden umfassend lösen

2.

Wettbewerbsvorteile realisieren, weil Leistung schwer kopierbar

3.

Attraktive Kunden dauerhaft ans Unternehmen binden durch intensive Kundenintegration in die Leistungserstellung

4.

Aus dem Dialog mit Kunden neue Lernprozesse anschieben

5.

Dienstleistungen rationalisieren, standardisieren, modularisieren

6.

Produktvielfalt reduzieren, Individualität durch Dienstleistung erbringen

7.

Differenzierung durch weitergehende Qualität, Flexibilität, Lebensdauer, Geschwindigkeit, Wirtschaftlichkeit

8.

Austauschbare Leistungen durch attraktive Zusatznutzen profilieren, Cross-Selling ermöglichen

9.

Neue Markträume schaffen mit Wachstum in scheinbar schrumpfenden Marktfeldern

10.

Ansatzpunkte bieten für den Einsatz des Marketing Instrumentariums

11.

Höhere Preise realisieren, Wertschöpfungsmöglichkeiten steigern

Abb. 4.9

Wirkungen von Leistungsbündeln bei der Gestaltung des Leistungsprogramms (Quelle: Belz et al., 1997, S. 34)

Wenn wir aus den theoretischen Möglichkeiten der Gestaltung des Leistungsangebotes erkennen können, dass dieses auch sehr gut für die Entwicklung von Bauleistungen geeignet ist, soll nun in einigen Beispielen der konkrete Nutzen dargelegt werden, wie er aus den Wirkungen des Leistungsbündels erwachsen kann. Betrachtet man die vereinfachte Prozesskette für die Umsetzung eines Bauwunsches im Hochbau aus der Sicht eines Bauunternehmens (siehe Abb. 4.10), so ergeben sich für jeden einzelnen Prozessschritt – so wie für die Bauausführung – eine einzelne Möglichkeit des Leistungsangebotes oder eine Kombination dieses Prozessschrittes mit anderen Prozessbereichen zu einem Leistungsbündel. Die in Kapitel 4.1.1.6.1/3 beschriebenen Beispiele sind z. B. aus dieser Prozesskette ableitbar. Die konkrete Gestaltung ergibt sich aus Markt- und Kundenanalysen (Was könnte zusätzlichen Nutzen bieten? Was bietet Unterscheidungen im Wettbewerb? Was kann kostengünstig geleistet werden…?).

133

Phase 1: Markterkundung / Grundlagenernittlung Abfrage Marketing- Vertrieb; Interpretation Auflistung von von Fakten der abgestrategie, MarketingKonzepten fragten MarktKonzept, Identifikation und Ideen, Informades Kunden/ Informasegment, KundenAnforde-potential; bindung, Ausgangstionen/ tionen, rungen/ Zielgruppe; ProduktAbläufen lage Vergleich Workshop Bauwunsch und OrgaLeistungsmanagemit Best mit dem definition ment nisation Practise Kunden

ZielfestGrundlagenStellung Vorentwurf bestätigung/ endgültige und erste Abschluss Klärung und Optimierung GrundlagenDokumenmit dem tation von ermittlung Kunden im Zielsetzung Workshop und Aufgabenstellung

Phase 2: Objektplanung / Angebot

Entwurf Visualisierung

Koordination Behörden Versicherer Externe

Kalkulation KostenNutzenBewertung / Alternativen

Angebot Target und costing dritte und zweite Optimierung Optimierung mit Kunden

Koordination GenehmiVertragsgungs-/ Klärung erstellung. Gutachter, Fachplaner, Ausführungs Finanzierung Auftragsplanung EinrichLeasing erstellung tungen

Phase 3: Gebäuderealisierung

Genehmigung

AusÄnderungsschreibung, Abnahme und DokumenVergabe, Bauund Nachtragstation Auswahl ausführung Abrechnung management Nachunternehmer

Schulungen Inbetriebnahme

Mängelbeseitigung

Phase 4: Gebäudenutzung

Reklamation, Gewährleistung

Abb. 4.10

Reperatur

Facility Management

Nutzungsberatung

Umbau

Entsorgung

Weiterverkauf

Marketing Nachbereitung Kundenbefragung

Kundenpflege

Vereinfachte Prozesskette für die Umsetzung eines Bauwunsches im Hochbau (eigene Darstellung)

Dabei liegt eine Besonderheit der Gestaltung des Leistungsprogramms im Baubereich in der Beachtung der Interaktionen mit dem Kunden. Sorgfältig muss die Verbindung jener Prozesse des Leistungsbündels gestaltet werden, in denen der Kunde mitwirken soll und muss. Dabei werden die Tätigkeiten im herstellenden Bauunternehmen ablauforientiert betrachtet und exakt jene Stellen definiert, an denen der Kunde beteiligt ist. Diese Bereiche müssen durch geeignete Kommunikation transparent gemacht werden (Kundenterminpläne, work-flowDiagramme, Maßnahmenpläne) und sind die Leistungsinhalte besonders sorgfältig zu gestalten. Durch diese aktive Kundenintegration erhält der Kunde zusätzlich Einblicke in die Qualität der Abläufe und der Arbeit der eingesetzten Mitarbeiter und wird das dringend notwendige Vertrauen aufgebaut, welches für die Zusammenarbeit mit dem Kunden in komplexen Leistungsbündeln, wie z. B. einer schlüsselfertigen Bauerstellung, nötig ist. Die drei Ansätze der NIÖ (siehe Kapitel 2.2.3) können wesentliche Leitlinie für diese Arbeit zur Bestimmung des Leistungsprogramms sein, da in ihnen die vielfältigen Wirkungen von Interaktionen zum Kunden analysiert sind und Wege zur kundenorientierten Gestaltung aufgezeigt werden. 134

Entscheidungsprozess

Zielplanung Bedürfnisklärung Grundlagenermittlung Analyse Prozessabläufe

Information

Abb. 4.11

Entscheidung

Bau

Nutzung

Vorentwurf

Entwurf

Bau

Schulung

Klärungsphase mit Staat

Entscheid der Vergabeart, Präqualifikation Bauunternehmen

Änderungen

Inbetriebnahme

Abnahme

Wartung

Dokumentation

Umbau / Entsorgung

Budgetierung Finanzierung

Angebot

Bedarfsplan / Groblayout

Property-Rights Transaktionskosten

Umsetzungsprozess

Umzug / Einzug

Verkauf

Vertrag / Auftrag

PrincipalAgent

Property-Rights Principal-Agent Transaktionskosten

Principal-Agent Transaktionskosten

bestimmende Ansätze der NIÖ

Die Ansätze der NIÖ auf Transaktionen zur Umsetzung des Bauwunsches eines Kunden (eigene Darstellung)

Das Risiko des Kunden bei den Transaktionen im Bauablauf liegt in der Einschätzung der zugesagten Abläufe, der Professionalität der eingesetzten Personen, der Qualität der gesamten Problemlösung und ist im Zeitablauf davon abhängig, ob Entscheidungen nötig sind oder ob der Kunde die Umsetzung nur begleitet. Deshalb muss der Bauanbieter sehr qualifizierte und laufend fortgebildete Mitarbeiter einsetzen, die in der Lage sind, „Lernprozesse zwischen Unternehmung und Kunde zu verknüpfen und umzusetzen“ (vgl. Belz et al., 1991, S. 101). Wenn die Interaktionen mit dem Kunden sorgfältig analysiert wurden, ergeben sich allein viele Gelegenheiten für die Gestaltung von unterscheidlichsten Leistungsbündeln, die zumeist höheren Nutzen für den Kunden als von ihm evtl. erwartet bieten, wie z. B. kürzere Bauzeiten, umfassendere Garantien, weniger Schnittstellen und optimalere und wirtschaftlichere Baugestaltung. Im Baubereich ist in Deutschland in den letzten fünfzehn Jahren eine Abkehr der fragmentierten Bauerstellung von der Planung über den Rohbau und die Ausbaugewerke zu beobachten hin zur Leistungserbringung durch Generalunternehmer und weiter bis hin zur Systemlieferung durch Totalunternehmer bzw. bis zur Betreibung und Finanzierung (vgl. BWI, 2004). Diese vielgestalteten Leistungsangebote erfordern vom Anbieter allerdings eine viel umfassendere Bereitstellung von Ressourcen (Mitarbeiter, Wissen, Prozesse, Kapital). Soweit diese Ressourcenorientierung gelingt, ergeben sich z. B. wie in Abb. 4.12 eine Fülle von ergänzenden Dienstleistungen, die die Produktleistung des Bauens wesentlich erweitern können (vgl. Engelhardt, Reckenfelderbäumer, 1999, S. 197f; Girmscheid, Schulte, 1997, 1998). 135

Durchführbarkeitsstudien Standortuntersuchungen Logistik-, Materialflussuntersuchungen Organisationsuntersuchungen Vorprojektierung Erstellung der Ausschreibung – Funktional, Leistungsauswertung der Ausschreibung Auswahl von Detail- und Fachplanern Messemitteilung Entwurfs- und Ausführungsplanungen techn. Voruntersuchungen Beratung im Engineering Versicherung, Finanzierung, Leasing Durchführung Genehmigungsverfahren

Umzug, De- und Montage der Betriebseinrichtung Projektmanagement Dokumentation Inbetriebnahme Schulung von Betriebspersonal Wartung, Reparatur Entsorgung Betreibung Integration ehemals getrennter Leistungen Facility Management Vermarktung nach Nutzung Garantieleistungen Weiterbildungsseminare

Abb. 4.12 Auswahl ergänzender Dienstleistungen in der Bauwirtschaft (eigene Darstellung)

Dabei können die die reine Bauleistung ergänzenden Dienstleistungsgeschäfte schnell bis zum zehnfachen des Wertes der ursprünglichen Sachleistung gehen, auch wenn man die Lebensdauer von Bauwerken betrachtet. So haben z. B. die Ausstattungen und die Haustechnik von Büros eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren, die Innenausstattung von Fabriken eine von zehn Jahren, während das Gebäude selbst eine Lebensdauer von ca. 50 Jahren hat. Optimale Nutzenerfüllungen bedingen also eine Fülle von Geschäftsmöglichkeiten zwischen Neubau und Abriss (vgl. Engelhardt, 1993, S. 382f). Der Erfolg des Anbieters von Bauleistungen wird umso größer sein, je wettbewerbsfähiger nach Preis und Leistung sein Angebot ist und je zufriedener der Kunde mit der Leistungserfüllung ist. Damit wird das Angebot einerseits möglichst für den einzelnen Kunden spezifisch leistungsoptimiert sein müssen, wie es andererseits eine umfassende Problemlösung bieten muss. Zwischen diesen Postulaten liegen alle Bereiche der Gestaltung des Leistungsprogramms. All jene, die die Möglichkeiten der aktiven Gestaltung der Leistungen zur Optimierung des Ressourcenverbrauches zur Erfüllung der Marktforderungen nicht nutzen, werden beim Endkunden im Zeitablauf nicht mehr berücksichtigt werden, im Wettbewerb zurückfallen und allenfalls als – leicht austauschbare – Zulieferer für die den Kunden zugewandten Generalunternehmern oder Totalunternehmern eine Marktchance haben (vgl. Graßy, 1998, S. 1345; Frisch, 1989, S. 90). 4.1.1.6 Beispiele für neue Leistungsbündel am Baumarkt Aus den Prozessschritten zur Umsetzung eines Bauwunsches werden nun drei konkrete Leistungsbündel vorgestellt, die dem anbietenden Bauunternehmen zusätzliche und erweiterte Marktchancen zur Wertorientierung bieten. Durch die Verbindung verschiedener Leistungsteile, die zumeist bisher in einzelnen Arbeitsschritten von getrennten Anbietern nach gesonderten Ausschreibungen erbracht wurden, zu einem Leistungsbündel werden dabei die Ansät136

ze der NIÖ berücksichtigt. Durch die Bildung der Leistungsbündel entfallen Schnittstellen, wird die verbundene Leistung im Ergebnis für den Kunden prüfbarer, erübrigen sich z. T. die Nutzung Beratender Ingenieure im Risikobereich des Kunden und entsteht für ihn ein oft bisher unbekanntes ganzheitliches Leistungsangebot. Dadurch werden die Property-Rights einfacher gestaltet, die Informationsasymmetrie zwischen Principal und Agent gemindert und die Transaktionskosten günstiger. 4.1.1.6.1

Design-Build-Prozess

An verschiedenen Stellen dieser Arbeit wird erläutert, wie wichtig es für die Kundenzufriedenheit und die Optimierung der Gestaltung eines Leistungsbündels ist, die Konzeption, das Design, die Konstruktion, die Produktionsplanung, die Produktion und den Vertrieb in eine Hand zu geben. In fast allen Produktions- und Dienstleistungsbereichen der Volkswirtschaft ist die Planung bzw. die Gestaltung der Leistung und ihre Produktion in einer Hand vereint. Nur so ist eine umfassende Produktgestaltung zur Erzielung von Wertorientierung möglich, da alle diese Bereiche wesentlichen Einfluss auf die Kundenleistung haben. Nur in der Verbindung von Planung und Herstellung sind die Defizite – wie sie die Neue Institutionen Ökonomie beschreibt – auszugleichen und zu überwinden. Im BtoB-Baubereich übernimmt bisher zumeist die Planung ein Beratender Ingenieur und definiert den Leistungsinhalt, während das Bauunternehmen davon abhängig die Produktion verantwortet. Bei Leistungsbündeln, die ohne strenge Rücksicht auf den allein bestimmenden Kundenwunsch (und das sind am Bau nicht nur Design, sondern auch Zeit, Kosten, Qualität, Nutzung) gestaltet werden, ist es „unmöglich, hervorragenden Service zu leisten. Ästhetische Motive in der Produktgestaltung führen selten zu brauchbaren Produkten oder Servicesystemen, die pannenfrei arbeiten“ (vgl. Davidow, Uttal, 1992, S. 152). Planende Ingenieure und Designer hören oft unzureichend auf die Wünsche des Kunden, was er maximal zu investieren bereit ist und ignorieren allzu oft die Ideen und Ansprüche der den Bau produzierenden Menschen in ihrem Bemühen um Kosten und Qualität. W. E. Deming musste feststellen: „Arbeiter sind nie für Fehler im Verfahren verantwortlich gewesen“ (zitiert nach Davidow, Uttal, 1992, S. 153). Die Entkopplung von Design / Konstruktion und Produktion / Wartung ist grundlegende Ursache für viele Probleme am deutschen Baumarkt. Nur die einheitliche Verantwortung von der Definition des Kundenwunsches hin zur Umsetzung in einem Leistungsbündel bis zur Übergabe und Nutzung ermöglicht ganzheitlichen Wettbewerb für den Kundenwunsch und ein Bemühen um günstigen Zeitverlauf, niedrige Kosten und hohe Qualität von Design, Ausführung und Nutzung. Es ist deshalb nicht überraschend, dass im Anlagenbau mit dem einheitlichen Planungs-Bau-Prozess die Intensivierung der Planungsqualität und die Erarbeitung von alternativen Ausführungsgestaltungen bei gleichem Kundennutzen wesentlichstes Instrument der Kostenbeeinflussung und der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist. Die wichtigsten Wirkungen sind dabei Standardisierung von Bauteilen, Minderung der Variantenviel-

137

falt, Ausbau von „Value-„ und „Concurrent-Engineering“ zur intensiveren Betrachtung von Nutzenanforderungen und simultaner Planungen (vgl. Seefeldt, Pekrul, 2005b, S. 10). Wie könnte eine ähnliche Wirkung im Baubereich erreicht werden? Im Design-Build-Prozess erarbeitet der nachfragende Kunde eine Beschreibung der von ihm gewünschten Funktionen in einem Lastenheft, in dem die zu erfüllenden organisatorischen und technischen Randbedingungen, die zeitlichen und finanziellen Grenzwerte und die finanziell-juristischen Grundlagen enthalten sind. Die anbietenden Unternehmen müssen nun für diesen Einzelfall ein Designkonzept erarbeiten, notwendige Planungs- und Produktionsprozesse kalkulieren, ihre innovativen und erfahrenen Ausführungsdetails einbringen und ein Angebot vorlegen, das alles vereint: Design, Planung, Produktion, Zeitablauf, Kosten, Qualität, Garantie. Risikoträger ist allein das anbietende Bauunternehmen (vgl. Design-Build Institute of America, 1996, S. 101), welches Architekten und planende sowie für die Produktion verantwortliche Ingenieure unter einem Dach oder in Kooperation vereinigt.

Abgestimmte Kostenreduzierung von Planung-Bau-Qualität Eindeutige Verantwortung aller Bauprozesse Planung und Bau aller Gewerke einer Gewährleistung Kunde kann gleichgewichtig frühzeitig entscheiden über Design, Kosten, Nutzen, Zeit und nicht sequentiell ohne Alternative

Wesentliche Zeitersparnis durch weniger Schnittstellen, SimultanusEngeneering inkl. Garantie Durch weniger Schnittstellen und einheitliche Verantwortung viel weniger Streitmöglichkeiten

Vorteile und Nutzen des Design-Build Prozesses

Grundsätzlicher Wettbewerb im Design, da Bauunternehmen im Wettbewerb steht mit DesignKonstruktion-Kosten-Zeit Wesentliche Risikominimierung für Kunden, da er für Planung und Umsetzungsfähigkeit seines Beraters nicht mehr haftet

Umsetzung Best-practice durch große Bauerfahrung, erprobte Lösungen Einheitliche Qualität, geringere Fehlerkosten da Konstruktion auf Produktion abgestimmt und optimiert wurde Frühzeitige Kostenübersicht, Möglichkeit von Alternativen, günstigere Baukosten von mind. 10%

Geringere Transaktionen und Verwaltungsaufwand mit allen Beteiligten (auch Kostenreduktion)

Abb. 4.13

Vorteile und Nutzen des Design-Build-Prozesses (Quelle: In Anlehnung an: Design-Build Institute of America, 1996, S. 101/1)

In einer 1997 durchgeführten Studie an 351 vergleichbaren Bauprojekten in den USA ergaben sich folgende Vergleichswerte (vgl. www.thehaskellco.com):

138

Design-Build (DB) Kostenüberschreitung seit Vertragsbeginn um% der Plankosten Zeitüberschreitung seit Vertragsbeginn um% der Vertragszeit Zeitdauer

Planung-Vergabe-Bau (VPB)

durchschn. 2 %

durchschn. 6 %

0%

durchschn. 5 %

67

100

88

100

VPB = 100 Planungszeit VPB = 100

Durch die zeitlich späte Hinzuziehung der Bauunternehmen zum Planungsprozess – nämlich erst anschließend in der Vergabe – wird die Entstehung von Werten durch Optimierung und Nutzung des Wissens der Bauunternehmen vernachlässigt. Der in Deutschland zumeist übliche getrennte Prozess von Planung und Auftragsvergabe und anschließender Produktion behindert die Erschließung der in Abb. 4.13 beschriebenen Vorteile und erscheint wesentlich verantwortlich für die gegenwärtig am Baumarkt beklagten Mängel und führt zu schlechterer Versorgung der Kunden mit preiswerten qualitativ hochwertigen Bauleistungen.

Design-Build-Prozess

Bauwunsch Kunde, Lastenheft

Verhandlung mit mehreren Bauunterneh men über DBAngebot

Auftrag, Design, Kosten, Zeit festlegen

Planung und Bau in Verantwortung Bauunternehmen

Ersparte Zeit a 30%

Risikozone Kunde Planung-Vergabe-Bau-Prozess Bauwunsch Kunde Lastenheft

Vorentwurf und Kostenschätzung Architekt

Entwurf und Ausschreibungen durch Architekt/Kunde

Auftrag nur nach Zeit festgelegt

Ausführungsplanung durch Architekt

Bau durch Bauunternehmen

Risikozone Kunde

Abb. 4.14

Unterschiedliche Abläufe in der Bauvergabe des Design-Build-Prozesses oder des deutschen Planung-Vergabe-Bau-Prozesses und divergierende Risikobereiche (eigene Darstellung)

139

Der Vergleich des Planung-Vergabe-Bau-Prozesses mit dem Design-Build-Prozess in Abb. 4.14 zeigt, dass letzterer auch wesentlich schneller die Erwartungen der Kunden erfüllen kann (vgl. Songer, Molenaar, 1997, S. 11). Es ist z. B. deshalb die vorherrschende Angebotsform in den meisten Volkswirtschaften der Welt, wie z. B. in den USA, Großbritannien, Japan, Schweden und den Niederlanden. Deshalb bieten sich auch in Deutschland Chancen für jene Bauanbieter, die mit Hilfe dieses Verfahrens neue Wege aus der Branchenkrise gehen wollen. Es ist nicht zu leugnen, dass die zunehmende Komplexität der Bauherrenwünsche und der im Projekt gegenseitig bestehenden Abhängigkeiten sowie der Risikotragung nebst Haftung und Gewährleistungserfordernissen dem Bauunternehmen als Totalunternehmer im Design-BuildProzess eine vermeintlich starke Stellung im Team aller am Bau Beteiligten gibt. Könnte deshalb der Kunden in Abhängigkeit von diesem Totalunternehmer geraten ohne die Hilfe seines treuhändisch tätigen Beratenden Ingenieurs? Nein, denn hier wirkt die Kraft des Wettbewerbs. Konkurrierende Bauunternehmen kämpfen um die beste Lösung nach Design, Zeit und Kosten. (Der Neubau des Fußballstadions in München – die Allianz Arena – zeigt dies.) Außerdem haben in den entwickelten Volkswirtschaften die Baunachfrager, nicht zuletzt durch Vorgaben der Finanz- und Mietmärkte, exakte Vorstellungen von für sie tragbaren Baupreisen. Bei spezifizierten Bauobjekten (Reihenhäusern, Mietwohnungsbau, Einkaufszentren, Lagerhallen, Parkhäusern usw.) gibt es exakte Nutzungsentgelte je nach Lage und Ausstattung mit exakten Miet- oder Kaufpreiswerten, die als Maßstab für Baupreise gelten und so ein Wettbewerbsregulativ darstellen. Diese Werte werden in Spezial-publikationen veröffentlicht (Immobilenseiten der Wirtschaftspresse). Damit hat der Baunachfrager jederzeit eine Möglichkeit zur Preisprüfung. Der ganzheitlich arbeitende und das komplette Risiko tragende Totalunternehmer ist der einzige Anbieter einer Bauleistung, der dem Baunachfrager ganzheitlich die Optimierung seines Bauwunsches ermöglicht und die Übernahme des Baurisikos nach Leistungsumfang, Kosteneinhaltung, Qualität und Gewährleistung zu geben bereit ist. Er deckt damit die hohen Vertrauens- und Sicherheitsbedürfnisse des Kunden voll umfänglich ab. Die Totalunternehmerleistung wird in einem Wettbewerb beurteilt, der ganzheitlich nach Preis, Leistung und Design entschieden wird und somit die optimalste Lösung für den Kunden herbeiführt. 4.1.1.6.2

Konzessions- / Betreibermodelle

Die zunehmende Komplexität von Bauprojekten, die Unsicherheit der Kosteneinhaltung in der Bauphase, die Schwierigkeit der technischen Betreibung und Unterhaltung inkl. der damit lebenslang zu garantierenden Kostenverbräuche (siehe EnEV) sowie die Sicherung der Finanzierung hat in den letzten Jahren zu neuen Leistungsanforderungen am Baumarkt geführt. Hierbei belastet sich der Kunde nicht mit der „Bauherreneigenschaft“, sondern kauft nur noch die Bereitstellung der Nutzung, die von einer Bauleistung abgeleitet ist, wie z. B. die Über-

140

windung des Ärmelkanals durch einen Tunnel, die Nutzung einer für 30 Jahre bereitgestellten Schule usw. Das Bauunternehmen baut und betreibt, der Kunde nutzt. In nachstehender Abb. sind einige Möglichkeiten von Betreibermodellen dargelegt: x x x x x x x

BOO

Build Own Operate

BOOT

Build Own Operate Transfer

BTO

Build Transfer Operate

DBFO

Design Build Finance Operate

DCMF

Design Construct Manage Finance

ROO

Renovate Own Operate

ROOT

Renovate Own Operate Transfer

Abb. 4.15

Arten von Konzessions-/ Betreibermodellen (eigene Darstellung)

In einem solchen Modell erteilt ein Kunde, eine Konzession bzw. eine Genehmigung, für eine definierte Zeit eine bauliche Anlage (Straße, Tunnel, Fabrik, Büro, Schule, Kläranlage usw.) zu planen, zu erstellen (Neubau, Renovierung), zu betreiben oder zu warten. Dafür erhält er als Entgelt eine definierte Miet-, Pacht-, Leasinggebühr oder die uneingeschränkte Gelegenheit, vom späteren Nutzer eine Gebühr zu verlangen (Maut, Abwassergebühr, Miete usw.). Üblicherweise geht nach einer vereinbarten Frist zwischen 10 bis 99 Jahren die Anlage in das Eigentum des Konzessionsgebers über. Ist dieser eine öffentliche Gebietskörperschaft, spricht man auch von einer „Public-Private-Partnership“ (PPP-Modell). Die in Abb. 4.15 beschriebenen Modelle beschreiben Abwandlungen des sog. „Betreibermodells“ in technischen Aufgaben, finanziellen Regelungen und Eigentümerstrukturen. Diese Varianzen sind so vielfältig wie die Nachfragewünsche der Kunden, seien es private oder öffentliche Institutionen. Durch ein Konzessionsmodell (hier z. B. Build-Own-Operate-Transfer/BOOT-Modell) sind vielfältige Aufgaben für die Umsetzung eines Bauwunsches ganzheitlich in einem Leistungsbündel als Problemlösung zusammengefasst (vgl. Schulte, Girmscheid, 1998, S. 9): x

optimale technologische Umsetzung einer Bauaufgabe mit hoher Effizienz;

x

günstige Herstellkosten, kurze Bauzeiten;

x

Umsetzungsrisiko total beim Konzessionär;

x

Konzessionär finanziert vor und refinanziert sich aus Nutzungsgebühren;

x

Konzessionär garantiert Nutzungsmöglichkeit und –umfang, er bietet Umsetzungsfähigkeit, die zumeist der Konzessionsgeber durch mangelnde Fachkunde und Personal nicht hat;

x

Konzessionär unterhält das Bauwerk und garantiert die Nutzungsfähigkeit;

x Konzessionsgeber bestimmt Nutzung, sichert Eigentums- und Einflussrechte. Für den Konzessionsgeber bietet sich eine Fülle von Vorteilen, wenn er selbst in den nachgefragten Leistungen keine Fachkunde besitzt, das Risiko nicht tragen möchte und auch die Fi141

nanzierung nicht sicherstellen kann. Allerdings muss er sich frühzeitig und umfassend an einen Konzessionär binden. Die Möglichkeiten der Anwendung von Konzessionsmodellen zur Lösung von Bauprojekten sind äußerst vielfältig und werden im Übrigen seit Jahrzehnten genutzt: x

Bau des Panamakanals, Bau des Eurotunnels zwischen Großbritannien und Frankreich;

x

Bau und Betreibung von Kläranlagen;

x

Tunnelbauten (Arlberg, Gotthard, Trave, Weser);

x

Rathäuser, Parkhäuser und Schulen;

x

Siloanlagen in der Chemie-Industrie;

x

Einkaufszentren und Parkhäuser;

x

Altenbetreutes Wohnen.

Die Betrachtung der Konzessionsmodelle geht weit über die reine Bauaufgabe hinaus und nimmt das gesamte Aufgabenspektrum der Problemlösung ins Visier. Damit schaffen sich neue Betätigungsmöglichkeiten für jene Unternehmen, die ursprünglich einen oder mehrere Kernprozesse für diese Problemlösung beherrschen (Bauunternehmungen z. B. für die Bauphase, Dienstleister z. B. für die Nutzungsphase). Sie können durch die Erweiterung der Wertschöpfungskette in die vor- oder nachgelagerten Bereiche ihr Leistungsbündel umfassend gestalten und damit die Nutzenanforderung des Konzessionsgebers erfüllen (vgl. Belz et al, 1997, S. 158 ff; Behnen, Girmscheid, 1998, S. 18; Hellmuth, 1999, S. 6 f; Jacob, Kochendörfer, 2000, S. 71f). Konzessions- und Betreibermodelle fordern damit allerdings vom Bauunternehmen zusätzliche Fähigkeiten. Es müssen durch Ausbildung und zusätzlicher Bereitstellung sonst im Baubetrieb nicht benötigter Fachleute aus dem Rechts- und Finanzwesen entsprechende Kompetenzen aufgebaut werden. Daneben ergeben sich durch Übernahme der Finanzierung völlig baufremde Abhängigkeiten von der Bereitstellung von Finanzmittel, Krediten und Sicherheiten und das über die sehr lange Zeit der Betreibung hinweg. Letztlich erhöht die zum Festpreis garantierte Betreibung über Jahrzehnte ein hohes Leistungs- und Gewährleistungsrisiko, welches evtl. durch Einnahmerisiken (bei Übertragung von Mautrechten) noch erhöht wird. Erfahrungen mit den Anfang der 90er Jahre von vielen Bauunternehmen in Deutschland mit Euphorie durchgeführten Projektentwicklungen und nachfolgenden Wertberichtigungen in Höhe von Milliarden € weisen auf ein Gefahrenpotenzial beim Eingehen neuer, über die Bauproduktion hinausgehende Risiken hin. 4.1.1.6.3 Facility Management Betrachtet man eine Immobilie von der Entstehung bis zum Abriss (50 - 300 Jahre später), so sind eine Vielzahl von Leistungen während der Lebensdauer oder des „Life-Cycle“ dieser 142

Immobilie nötig, um sie entstehen zu lassen, nutzen zu können, für Reparaturen und Unterhaltung zu sorgen, sie umzubauen oder am Abschluss abzureißen und zu entsorgen. Eine große Zahl von fachlichen, organisatorischen, finanziellen und zeitbezogenen Abhängigkeiten und Schnittstellen unterschiedlichster Beteiligter belasten den Eigentümer. Er ist oft überfordert und klagt häufig über die hohen Kosten einer „schlecht organisierten Suboptimalität“ (vgl. Staudt et al, 1999, S. 12). Bei einem Produktionsgebäude werden bei angenommenen 40 Jahren Nutzung ca. 20% der Kosten für Planung und Bau aufgewendet, 35% der Kosten für Zinsen und Amortisation und 45% der Kosten für Betreibung, Renovierung, Unterhaltung usw. (vgl. GEFMA, 1997, S. 9). Ein Bauunternehmen kennt die Einflussfaktoren dieser Kosten über die Lebenszeit einer Immobilie. Es erscheint deshalb sinnvoll viele Leistungen in einem Leistungsbündel zusammenzufassen und optimal zu gestalten, besonders wenn der Besitzer des Bauwerkes unkundig in der Unterhaltung ist. Die Zusammenfassung aller Leistungen, die ab der Bauabnahme bzw. Übergabe an den Kunden anfallen, nennt man „Facility Management“. Der Markt für Facility Management-Leistungen ist entsprechend der dabei anfallenden Kosten mehrfach so groß wie der Baumarkt selbst. Es ist in seinen technologischen und organisatorischen Anforderungen sehr den Aufgaben des Schlüsselfertigbau und seinem projektbezogenen Management nahe und eine geeignete Erweiterung des Leistungsangebotes für Bauunternehmen. Facility Management

Planung

Erstellung techn. GM

Energieplanung

Bauausführung

HOAI-Planungsleistungen wie z.B. • Entwurfsplanung • Genehmigungsplanung • Ausführungsplanung

Bauüberwachung

Abstimmungsgespräche mit Behörden

Vorbereitung der Inbetriebnahme (ggf. Schulungen)

Planung von Brandschutzmaßnahmen, Sicherheitseinrichtungen

Bauabnahmen Projektsteuerung (Termin, Kosten, Qualitäten)

Kaufm. GM

Betreiben (Inbetriebnehmen, Instandhalten, Bedienen) Dokumentieren Energiemanagement Entsorgen Kommunikationsmanagement Modernisieren Optimieren Sanieren Umbauen Verfolgen der technischen Gewährleistung Versorgen

Abb. 4.16

Abriß

Nutzung infrastr. GM

Archivierung Beschaffungsmanagement Flächenmanagement

Catering DV-Dienstleistungen Gärtnerdienste

haltung

Kopier- und Druckereidienste

HausmeisterKostenplanung dienste und -kontrolle Interne Postdienste ObjektbuchProjektmanagement Vertragsmanagement

Außerbetriebnahme Materialverwendung Altlastensanierung Verwertung von Anlagen

Parkhausbetreiberdienste Reinigungs- und Pflegedienste Sicherheitsdienste Umzugsdienste Waren- und Logistikdienste Winterdienste Zentrale (Tele-) Kommunikationsdienste

Ein Katalog klassischer Leistung im Lebenszyklus von Immobilien (eigene Darstellung)

143

Je komplexer die Immobilie, je schlechter die bisherige Problemlösung und je höher der Kostenanfall, umso eher wird der Kunde zukünftig ganzheitliche Systemlösungen für das Facility Management nachfragen, da ihm die Kenntnisse zur optimalen Gestaltung und Betreibung fehlen und ihre Bereitstellung für ihn zu teuer erscheint (vgl. Henk, Thonet, 2000, S. 54). 4.1.2 Elemente zur Gestaltung der Marktorientierung im Baubetrieb Die Orientierung zum Absatzmarkt, die Hinwendung zum Kunden und die Abgrenzung zum Wettbewerb muss nach erfolgter Analyse in allen Bereichen des Unternehmens durch bewusste aktive Gestaltung umgesetzt werden, will das Unternehmen langfristig Erfolg am Markt haben. Kundenorientierung basiert auf Kundennähe. Da eine Bauleistung in besonders intensiver Interaktion mit dem Kunden erstellt wird, hat diese Kundennähe eine besondere Wirkung auf den Erfolg eines Bauunternehmens.

Beschwerdemanagement

Kunden in der Nutzung begleiten

Visionen für den Kunden entwickeln

von den Besten lernen „Benchmarking“

Messung von Kundenanforderung und Erwartung Führung ist Beispiel für Mitarbeiter und Kunden

Kundenorientierung Kundenzielgruppen bilden Organisation (Back Office) auf Leistungsden Kunden hemmnisse für ausrichten Mitarbeiter entfernen

Abb. 4.17

Prozesse optimieren und messen

Leistungsbündel nach Kundenanforderung gestalten

Innovationen mit Kundenintegration verbessern

Kundenorientierung durchdringt alle betrieblichen Prozesse (eigene Darstellung)

Wesentliche Einflussfaktoren sind deshalb, wie nah an den Kundenwünschen orientiert das Produkt- und Leistungsprogramm gestaltet ist, wie die zu fordernden Preise bestimmt werden, in welcher Art und Weise die Beteiligten in der Bauerstellung zusammenarbeiten und wie das Unternehmen mit der Unzufriedenheit der Kunden über die empfangene Bauleistung umgeht. Damit durchdringt Kundenorientierung alle betrieblichen Prozesse und bestimmt wesentlich den Grad der Nutzung der Instrumente des Marketing-Pentagon, die nun vorgestellt werden.

144

4.1.2.1 Produktmanagement Die Gestaltung des Leistungsprogramms einer deutschen Bauunternehmung ist auch 2006 häufig historisch bedingt oder hängt von eher zufälligen regionalen oder personellen Bedingungen ab. Es werden Leistungen angeboten, die von den Kunden durch die Beratenden Ingenieure im Verbreitungsgebiet ausgeschrieben werden und die in die Hauptgruppen Wohnungsbau, Infrastruktur, Hoch- und Tiefbau fallen. Eine darüber hinausgehende Spezialisierung ist eher in kleineren Nachfragebereichen anzutreffen (z. B. Leitungsbau). Damit bildet sich in einem Bauunternehmen nur eine geringe spezifische Kompetenz mit begleitendem Wettbewerbsvorteil oder besonderen Leistungsnutzen für den Kunden heraus. Eine aktive Gestaltung eigener Fähigkeiten in enger Ausrichtung auf die Aspekte der NIÖ unterbleibt. In den meisten anderen Industrien gestalten die Betriebe ihr Angebot viel bewusster, auf den Kundenwunsch ausgerichtet und um Wettbewerbsvorteile ringend. Die verschiedenen Produkte- und Leistungsbündel, die ein Unternehmen anbietet, bilden zusammen das Leistungsprogramm. Produkte können standardisierte Bauteile aber auch komplette Baulösungen sein (Parkhäuser, Kühlhallen, Autohäuser für eine spezifische Marke usw.). Die bewusste, zielgerichtete Gestaltung des im Kapitel 4.1.1.5 dargestellten Leistungsprogramms ist eine der grundlegendsten Ausrichtungen für den Erfolg einer Bauunternehmung. In dieser Gestaltung müssend die Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens mit den Anforderungen des Marktes, wie sie im Marketing ermittelt wurden, verbunden werden. Dies geschieht im sog. Produktmanagement (vgl. Meffert, 2000, S. 335), indem die Ausrichtung des Leistungsprogramms auf Kunden, auf den Wettbewerb und die Leistungsfähigkeit im Unternehmen ausgerichtet wird. Die hier eingesetzten Mitarbeiter müssen enge Kundennähe praktizieren und für ihre Arbeit Instrumente nutzen, die der „voice of the customer“ direkten Einfluss verschafft, da die „wahrgenommene Qualität der eigenen Produkte zu der der stärksten Konkurrenten von ausschlaggebender Bedeutung für Produktentwicklungsstrategien“ ist (Bailom, Hinterhuber et al., 1996, S. 124). Die Abbildung 4.19 beschreibt die wesentlichen Aktivitäten zur Gestaltung eines Leistungsprogramms mit besonderer Berücksichtigung der Wünsche des Kunden.

145

Abb. 4.18

Notwendige Schritte zur Realisierung der Kundennähe in der Gestaltung des Leistungsprogrammes (Quelle: Belz et al., 1997, S. 100)

Die zu erarbeitende Leistung im Produktprogramm – sei es eine für neue Leistungen oder für zu verbessernde Leistungen – muss einen klar definierten Nutzen stiften, also eine Problemlösung beim Kunden bieten, will sie nachhaltig wettbewerbsfähig sein. Dazu ist es hilfreich, die eigenschaftsbezogene Produktdefinition zeitweilig zu ignorieren und den nutzenorientierten Leistungsbegriff zu beachten, um schärfer die langfristig wirkenden Bestandteile der Problemlösung für den Kunden herauszuarbeiten (vgl. Herrmann, 1998, S. 15).

146

Eigenschaftsbezogene Produktdefinition Wir bauen Fertigteile Wir bauen Fabriken Wir bauen Krankenhäuser Wir bauen Flughäfen Wir bauen Wohnanlagen Wir bauen Verkaufsräume um Wir warten Heizungsanlagen

Abb. 4.19

Nutzenorientierte Leistungsdefinition Wir sichern schnelle Baulösungen Wir ermöglichen optimale Produktion Wir sichern Konkurrenzfähigkeit im Medizinbetrieb Wir schaffen Mobilität Wir bieten langfristig sichere Finanzanlagen Wir sichern Einzelhandelsumsätze Wir garantieren sorglose Wärme

Eigenschafts- und nutzenbezogene Leistungsdefinition (eigene Darstellung)

Der Kunde wird seine Kaufentscheidung in der Beurteilung und Wahrnehmung von Nutzenkomponenten fällen. Produkteigenschaften können davon abweichen oder werden womöglich vom Kunden gar nicht bemerkt (z. B. beim Wohnungsmarkt: „Auf der Baustelle bemühen wir uns um optimale Bauteile und -abläufe, denn Kunden verkaufen wir Behaglichkeit, Repräsentation oder Rendite.“). Deshalb muss das Produktmanagement nicht nur die objektive Beschaffenheit der Leistung, sondern die Wirkung in der Wahrnehmung des Kunden beachten. Dieser ist auch im BtoB-Bereich häufig nicht in der Lage, technische Eigenschaften und ihre Vorteilhaftigkeit zu beurteilen und entscheidet nach für ihn wirksamen technologischen oder psychologischen Nutzenvorstellungen (Zeitdauer, Sicherheitsbedürfnis, Vertrauenswürdigkeit). In der Gestaltung des Leistungsbündels muss dieses in vielfältigem Umfang berücksichtigt werden (Wertschöpfungstiefe, Eigen- und Fremdleistung, umfassende Dienst- und Bauleistung aus einer Hand usw.)

147

Produktgrundlagen

Markt- und Zielgruppenanalyse

Vertrieb

Optimierung der Leistung

Entwicklung des Leistungsbündels x

Definition von Produktanforderungen, Pflichtenheft, Spezifikationen;

x

Analyse des Wettbewerbsangebotes möglicher Module und eventueller Substitutionsprodukte;

x

Planung und Durchführung der Leistungsprogrammpolitik (Varianten, Innovation);

x

Entscheid über Wertschöpfungstiefe ( Eigenfertigung und Fertigteilnutzung) einbeziehen;

x

Baubegleitende Dienstleistung (Planung, Wertung, Finanzierung) berücksichtigen;

x

Stärken- / Schwächen- / Chancen- / Risikoanalyse (SWOT);

x

Mitarbeit bei Wertanalyse, Benchmarking, best practice, Optimierung, Target costing, Standardisierung;

x

Aufbereitung von Erfahrungen aus Gewährleistung und Reklamation zur kontinuierlichen Verbesserung;

x

Sicherstellung der Kundenbindung, speziell der Schlüsselkunden;

x

Kundenzufriedenheitsanalyse (Means-End-Chains) durchführen für den KVP;

x

Mitarbeit bei Marketingstrategien und in der Vertriebsschulung.

Abb. 4.20

Aufgaben des Produktmanagements im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

Da fast 80% der Kosten einer Bauleistung in der Planungsphase vor Baubeginn bestimmt werden (vgl. Volkmann, 1998, S. 99), ist es eine besondere Verpflichtung des Produktmanagements – neben der Ausrichtung des Baubetriebes auf eine marktfähige Leistung – das anzubietende Leistungsbündel auf vom Markt erwartete und gewünschte Zielpreise auszurichten (z. B. Kosten je Quadratmeter Nutzfläche). Dazu gehören Entscheidungen zur Prozessgestaltung, zur Wertschöpfungstiefe über Leistungsinhalte entsprechend der Preisbereitschaft des Kunden (Zielkosten) usw. (vgl. Winkelmann, 1999, S. 176; Kuss, 1994, S. 256f). Seit Beginn der 90er Jahre beginnt sich auch in Deutschland die bewusste Gestaltung der anzubietenden Leistung – wenn auch erst in kleineren Marktsegmenten – durchzusetzen. Parkhäuser, Turnhallen, Autohäuser, Kühlhallen und Kläranlagen werden zunehmend als feststehendes Leistungsbündel für den Kunden zwar individuell konfiguriert aber als ganzheitliche Problemlösung angeboten. In den USA ist diese Entwicklung viel weiter fortgeschritten. Seit Ende der achtziger Jahre verlassen die Bauunternehmen dort zunehmend die Position des

148

ganzheitlichen „Alleskönners“ und konzentrieren sich in klar umgrenzten Betriebsbereichen auf definierte Leistungsanforderungen von spezifischen Kundensegmenten. In diesen wird dann jeweils eine besondere Marktstellung angestrebt. Jeder dieser Bereiche hat spezielle Anforderungen und ermöglicht so das Herausarbeiten von Wettbewerbsvorteilen in Kosten, Leistung, Qualität und Marktauftritt. Wenn dieses gelingt, verfügt das anbietende Unternehmen auch über besondere Kompetenzen. Gleichgerichtete Produkt- oder Leistungsangebote oder Kompetenzen werden dann in einem Geschäftsbereich (oder auch Kompetenz-Center genannt) gebündelt und von dort aus in den Markt eingeführt. General Building Retail Education

Highways Bridges Mass Transit / Rail

Health Care Sports Entertainment

Marine, Port Facility Airports Manufacturing

Commercial offices Government offices Hotels, convention centers

Senneouductor Plans Electronic Assembly Auto Plants

Distribution, Warehouses Multi-Unit Residential correctional Facilities

Aerospace Industrial Process Steel / Metal Plants

Transportation Parking Sanitary / Storm Sewers

Pharmaceutical Plants Laboratories Food Processing

Landfills Solid Waste Water Treatment Dams / Reservoirs

Paper Mills Chemical Petroleum Refineries

Telecommunication Hazardous Waste Site Assessment

Pipelines Offshore Power

Clean Air Complainer Chemical Treatment Wastewater Treatment

Cogeneration Fossil Fuel Hydro / Nuclear Power

Water Supply

Abb. 4.21

Produkt- / Leistungsbereiche von US-amerikanischen Baufirmen (Quelle: ENR-Sourcebook 7/2000)

Ein solches Produktmanagement geht also weit über die bisherige Praxis im deutschen Bauunternehmen hinaus. Es beantwortet Fragen, wie: In welchem Bautechnikbereich liegen gute Ertragschancen, verfügen wir dafür über die technologischen Fähigkeiten und erwächst daraus eine Kompetenz für die Erfüllung eines hohen Kundennutzens? Die Findung eines Produktes / Leistungsbündels, die Herausarbeitung von Elementen der Kundenorientierung, Wettbewerbsstärke und Leistungsfähigkeit verlangt eine umfassende Anwendung des Wissens der Marketingwissenschaft. Erst damit ist es auch möglich, die in der NIÖ dargelegten Einflüsse aktiv zu gestalten: Wie richten wir uns auf Vergabezwänge aus, welche Zusammenarbeit wird mit Beratenden Ingenieuren angestrebt, wie gestalten wir die Beziehungen zum Kunden und mindern wir den Umfang der Transaktionen? 149

Bei der Vielfältigkeit des Bauwesens wird ein Betrieb selten in der Vielzahl aller Leistungsbereiche einen Vorsprung erarbeiten können. Vielmehr wird man sich auf wenige spezifische Wettbewerbsfelder, Marktsegmente und Leistungsbereiche konzentrieren müssen, da nur so ausreichend Werttreiber für Erfolgsfaktoren entwickelt werden können. „The critical task for management is to create an organization capable of infusing products with irresistible functionality or, better yet, creating products that customer need but have not yet even imagined.“ Erst mit dem Produktmanagement werden dem Kunden maßgeschneiderte Nutzenbündel angeboten im Gegensatz zur Fähigkeit alle möglichen Bauleistungen bereitstellen zu können; also zu einem „portfolio of competencies“ statt eines „portfolio of businesses“ (Prahalat, Hamel, 1990, S. 80). So individuell das einzelne Bauprojekt erscheint, so offensichtlich wiederholen sich viele einzelne Leistungsteile – zumindest in ihren Nutzenaspekten. Hier öffnen sich durch Standardisierung und Modularisierung große Möglichkeiten der Leistungsverbesserung, Kostenreduktion und Qualitätssteigerung mit starker Reduktion der Variantenvielfalt, ohne dass das letztlich entstehende Bauwerk seine Individualität einbüsst (vgl. Herrmann, Seilheimer, 2002, S. 665). Ein Produktmanagement ist bei deutschen Bauunternehmen noch sehr selten anzutreffen, dagegen ist es in der Bauzulieferindustrie (z. B. Heizungsanlagen – Fa. Vaillant, Fenster – Fa. Velux) ein selbstverständlich genutztes Instrument der Gestaltung des Angebotes. Da ein Produktmanagement die unterschiedlichen Bereiche Marketing (Kundenanforderung, Vertrieb), Forschung und Entwicklung, technologische Fähigkeiten und Anwendungskompetenzen verbindet, erscheint es gerade im Bauwesen ideal geeignet, als Schnittstellen- bzw. Querschnittfunktion das Unternehmen auf Marktanforderungen auszurichten (vgl. Kairies, 2004, S. 10; Matys, 2005, S. 155f). 4.1.2.2 Service Im heutigen deutschen Baumarkt unterscheiden sich die Leistungsangebote der Wettbewerber in der materiellen Ausgestaltung kaum noch. Vorsprünge einzelner Anbieter werden sehr schnell von Konkurrenten eingeholt. Der Nachfrager entscheidet in der Vergabe zumeist über den Preis, da ihm die Angebote der Wettbewerber austauschbar und gleichwertig erscheinen. Dabei werden unterschiedlichste Teile der Bauleistung bzw. der Prozesskette zur Erfüllung des Bauwunsches (siehe Abb. 4.14) von einer Vielzahl von fragmentierten Anbietern unterschiedlichster Branchen und Gewerke in Teilen oder in mehreren gebündelten Abschnitten angeboten. Die Möglichkeit der Zusammenfassung der Gewerke, der Vermeidung von Schnittstellen, der Verringerung des Risikos des Bauherrn und der Optimierung der Gesamtleistung durch begleitenden Service durch eine Bauunternehmung ist offensichtlich. Die historische Trennung der Leistungserbringung zwischen Bauunternehmen und Beratenden Ingenieuren weist letzteren üblicherweise die Erbringung von Service im Bauprozess zu. So positiv und ein wenig unabhängiger von wirtschaftlichen Zwängen dieses erscheint, so führt es zu einer Risikoerhöhung beim Kunden (der Berater arbeitet als Erfüllungsgehilfe des

150

Kunden im Dienstvertrag mit geringer Leistungsgarantie), zu weiteren Schnittstellen im Bauprozess und zu einem ungenügenden Serviceangebot. In einer Befragung gaben 90% von Kunden aus dem BtoB-Bereich an, dass sie produktbegleitenden Service kaum nutzen, weil er ihnen bisher ungenügend angeboten wurde (vgl. Lay, Schneider, 2001, S. 16). Die starke Zunahme von Bauausführungen durch Totalunternehmer beweist das Bedürfnis nach produktbegleitendem Service, ganzheitlicher Erbringung der Bauleistung mit umfassender Risikotragung und einfacherer Transaktion. Die Erweiterung der technischen Leistung um Service bedarf einer sehr sorgfältigen Gestaltung und ist Teil des Produktmanagements. Sie erzielt Wirkung im Wettbewerb nur an genau definierten Eingriffsstellen bei der Wertkette des Kunden, da sonst die Kosten womöglich die Zahlungsbereitschaft des Kunden schnell übersteigen (vgl. Horovitz, 1987, S.63). Die Unterstützung dieser Wertkette, die Wirkung der Nutzenerwartungen, das Vermeiden von Schnittstellen, das Mindern von Risiko und Erhöhen von Sicherheit, die Nutzungsintensität sowie die Lebensdauer des Bauwerkes spielt für die Wirksamkeit des Service eine wesentliche Rolle. Dazu müssen einzelne Serviceelemente sorgfältig variiert werden nach Differenzierung, Modifizierung (Innovation, Elimination), Standardisierung und Modularisierung (vgl. Meyer, Dullinger, 1998, S. 713). Auch sind die Begriffe „Dienstleistung“ und „Service“ sorgfältig gegeneinander abzugrenzen. Während Service mit dem Produkt in einem Leistungsbündel zusammenwächst und eine Einheit bildet, wird unter Dienstleistung eine eigenständige, marktfähige, geldwerte und auch getrennt anzubietende Leistung verstanden (vgl. Rheinbay, Günther, 2000, S. 95; Töpfer, 2004c, S. 170). Das Angebot von Service verfolgt eine Differenzierungsstrategie, die in wachsenden Märkten für die Anbieter zusätzliche Preisspielräume ermöglicht (vgl. Meffert, 1994b, S. 96). In stagnierenden oder schrumpfenden Märkten – wie im deutschen Bauwesen – bietet Differenzierung kaum Preisspielräume, aber sie ermöglicht durch ihren höheren Nutzen zumeist eine größere Absatzchance, vorausgesetzt, der Anbieter kann trotz zusätzlichem Service die Kosten begrenzt halten (z. B. beim Totalübernehmer, der die Planung verantwortlich mitleistet und das Schnittstellenmanagement übernimmt.). Service ist im Baubereich heute eines der wenigen Merkmale, mit denen sich der Anbieter über die technische Basisleistung hinaus profilieren und vom Wettbewerb abheben kann (vgl. Mann, 1998, S. 349; Weiber, 1985). Denn er umfasst alle Merkmale, Tätigkeiten und Informationen, die es dem Kunden ermöglichen, entweder zusätzlichen Nutzen aus der Bauleistung zu ziehen oder weniger Aufwand bei der integrativen Erstellung zu brauchen. Besondere Möglichkeiten ergeben sich dazu nach Fertigstellung des Bauobjektes, bieten sich doch nach der Abnahme der Bauleistung, z. B. im Wartungsbereich, Gelegenheiten für intensivere Kundenbindung und Kundenkontakte, die für eine eigenständige Wertschöpfung aber auch als Kontaktanbahnung für einen Jahre späteren erneuten Bauauftrag genutzt werden können (vgl. Boutellier et al., 1999, S. 24ff) (siehe auch Kapitel 4.1.1.6).

151

Ein besonderes Problem für das technisch orientierte Bauunternehmen ist die Bereitstellung einer hohen Qualität im Service. Da sie wesentliches Maß der Kundenzufriedenheit ist, muss sie in gleichbleibender vorzüglicher Zuverlässigkeit geboten werden. Gelingt dieses, ist die Basis für eine hohe Kundenbindung, eventuelle Alleinstellung und hohe Wiederkaufsabsicht des Baunachfragers gelegt. Wenn bedacht wird, dass die Marketingaufwendungen für Neukunden drei- bis fünfmal höher sind als für das Halten alter Kundenbeziehungen und die Ertragschancen bei Wiederholungskunden höher liegen, erscheinen Anstrengungen für die Qualität im Service als sehr lohnend – siehe auch Kapitel 4.2.5.2 (Zeithaml et al., 1992, S. 31). Steigerung der Servicezuverlässigkeit

Niedrigere Kundenmigrationsrate; mehr Geschäfte mit Altkunden

Mehr mündliche Empfehlungen

Möglicherweiseleichtere Durch setzung von Preiszuschlägen

Einsparung der Wiederholungskosten

Bessere Arbeitsmoral, begeisterte Mitarbeiter

Geringere Mitarbeiterfluktuation

Produktivitätszuwächse; Kosteneinsparungen

Wirksames Marketing; Umsatzsteigerungen

Gewinnsteigerungen

Abb. 4.22

Potentielle Vorteile eines zuverlässigen Service (Quelle: Berry, Parasuraman, 1992, S. 32)

Voraussetzung für eine hohe Servicequalität sind speziell geschulte Mitarbeiter. Vielfach wird im produzierenden Baubetrieb zu wenig Wert auf die ergänzende Ausbildung der Ingenieure und Poliere gelegt, um die beim Service hervortretenden Bedürfnisse des Kunden zu kennen, zu verstehen und in einem Leistungsbündel qualitativ hochwertig erfüllen zu können. Leider wird auch im Jahre 2006 von den Kunden vielfältige Klage geführt über schlechte Servicequalität, die die Bauunternehmen und die mit ihnen zusammenarbeitenden Handwerkergruppen der Ausbaugewerke den Kunden bieten. Eine mangelhafte Gestaltung der Prozesse und schlechte Ausbildung führt das einzelne Bauunternehmen in einen Teufelskreis „sinkender Arbeitsmoral, schlechtem Service, hoher Mitarbeiterfluktuation, rückläufiger Produktivität und eskalierender Kosten“ (Berry, Parasuraman, 1992, S. 33). Mangelnde Qualität zu korrigieren kostet ein Mehrfaches jener Beträge, die für die Bereitstellung einer sofortigen Bestleistung nötig gewesen wären (vgl. Grönroos, 1995, S. 73). Deshalb ist ein besonderes Augenmerk auf die gute Gestaltung der Leistungserstellung der Prozesse zu legen. Dies erfordert eine Abgleichung der optimierten Wertschöpfungskette im 152

Bauunternehmen mit den Problemlösungsanforderungen der Kunden (vgl. Lay, Schneider, 2001, S. 23). Über die Klärung dieser Anforderungen mit ihrer Wirkung auf den Kunden wird verwiesen auf das Kano-Modell (siehe Kapitel 4.1.1.2), welches für spezifische Kundensegmente und Wettbewerbszustände Anleitungen für den anzustrebenden Grad der Anforderungen und den daraus abzuleitenden Gestaltungen zur Wertorientierung des Leistungsbündels gibt. So hat ein Kunde mit eigener Bauabteilung völlig andere Anforderungen an das Bauunternehmen als derjenige, der seine eigene Bauabteilung aufgelöst hat und bei dem der Bauprozess von baufremden Mitarbeitern betreut wird. Deshalb ist die genaue Betrachtung der Erlebniswelt des Kunden bei der Gestaltung des Angebotes und der Erstellung des Bauprojektes die Voraussetzung hoher Servicequalität. Begleitet der Kunde den Prozess der Leistungserstellung, so ist er ein Teil davon. Sind Teile der Leistungserstellung für ihn unsichtbar, so nimmt er nur offensichtliche Zwischenergebnisse oder das Endresultat wahr (vgl. Meyer, Westerbarkey, 1995, S. 88; Stauss, 1995, S. 31). Wichtig ist auch, worauf sich das Qualitätsurteil des einzelnen Kunden oder der Kundengruppe gründet: Auf allgemeine Erwartungen mit anderen Branchen, auf Erfahrungen mit vor langer Zeit abgeschlossenen Baumaßnahmen oder auf Erfahrungen im gerade stattfindenden Bauprozess (vgl. Mann, 1998, S. 373)? Hieraus ergeben sich sehr differenzierte Möglichkeiten entlang der Inter-aktion zum Kunden, Prozesse zu gestalten und spezielle Mangelsituationen und Komponenten der Leistungserbringung als Einflussfaktoren zum Qualitätsempfinden des Kunden zu verändern (vgl. vgl. Zeithaml et al., 1992, S. 134, S. 249), wie z. B.: x

Kundenanforderungen und -erwartungen an den Service werden vom Bauunternehmen nicht richtig erkannt oder falsch eingeschätzt;

x

Für richtig erkannte Kundenerwartungen werden unzureichend umgesetzt;

x

Zwischen für richtig erkannten Service und tatsächlich angebotenen Inhalten bestehen Diskrepanzen;

x

Der kommunizierte Kundennutzen entspricht nicht der erbrachten Serviceleistung;

x

Die vom Kunden wahrgenommene Dienstleistung entspricht nicht seiner Erwartung.

Dienstleistungen generell und vor allem weit entfernt vom Zeitpunkt der Auftragserteilung zu erbringende Servicekomponenten bei Bauleistungen werden in der Beurteilung vom Kunden als unsicher und risikoreich wahrgenommen. Es bedarf intensiver zielgerichteter Kommunikation, um die Befürchtungen des Kunden abzubauen. Leider wird dieser hohe Informationsbedarf des Kunden zumeist vernachlässigt. Die so vom Bauunternehmen zu verantwortende Informationslücke versucht der Kunde in seinem persönlichen Umfeld durch Nutzung vermeintlich persönlich neutraler Quellen zu schließen. Dabei werden dann durch „Mund-zu-Mund“Kommunikation nur noch Schlüsselinformationen des Serviceangebotes als Referenz weitergegeben (vgl. Hentschel, 1992, S. 108; Gelbrich, Müller, 2006, S. 457). Diese einseitigen Informationen werden oft nicht durchgängig positiv für den Lieferanten sein und nicht jene Bereiche des Service abdecken, die das Bauunternehmen für seine Beurteilung und Weiterempfehlung für wichtig hält. Der Anbieter muss sich deshalb nicht wundern, wenn seine Bemü153

hungen um hohe Servicequalität ungenügend wahrgenommen werden. Dies gilt im Baubereich umso mehr, als die Zusammenhänge der Leistungserstellung in vielen Gewerken besonders erklärungsbedürftig sind. Zusätzlich muss in der Kommunikationsansprache zum Kunden berücksichtigt werden, dass der einzelne Kunde sehr spezifisch sich an frühere Bauerlebnisse erinnert und durchaus unterschiedlich zum anderen Kunden mit angenehmen oder unangenehmen Erlebnissen aus bisherigen Bauprojekten umgeht (vgl. Chase, Dasu, 2001, S. 90). Die Wirksamkeit einer Kommunikation über Servicebestandteile hängt deshalb entscheidend von der Frage ab, wie man eine Dienstleistung zum Kunden hin sichtbar und für diesen Kunden spezifisch erlebbar machen kann (vgl. Berry, Parasuraman, 1992, S. 203; Horovitz, 1992, S. 76; Zeithaml et al., 1992, S. 135). Dies kann im Einzelnen beispielhaft geschehen durch: x

Die Betonung der Andersartigkeit der Leistungserbringung bzw. der Serviceunterstützung und der Erfüllung bisher in der Branche üblicher Mangelsituationen (vgl. Töpfer, Schach, 2000, S. 5);

x

Die besondere Ausrichtung des Serviceangebotes auf die individuelle Situation im Betrieb des Kunden;

x

Die Standardisierung von Kommunikationskanälen und Inhalten zwischen Servicepersonal und Kunden durch z. B. wiederkehrende Baustandsberichte, Web-EyeKameras und einvernehmliche Informationsinhalte;

x

Hinweis auf Qualifikationen, Zulassungen und Referenzen, die dem Kunden auf schnellem Blick höchste Kompetenz zusichern und Vertrauen vermittelt;

x

Einheitliches Personal mit klarer Organisationsstruktur zum Kunden über die ganze Bauzeit hinweg.

Mann (1998, S. 238ff) hat nachgewiesen, dass bei hoher Wettbewerbsintensität, ausgeprägter Markttransparenz und bei starker Nachfragemacht der Abnehmer der Einfluss des Service auf den Unternehmenserfolg positiv ist. Die Umsetzung von Serviceattributen im Leistungsangebot ist sehr chancenreich besonders in jenen Branchen wie dem Bau, in denen die Angebote komplex und individuell, langlebig und wartungsintensiv sind (vgl. Droege, 1999, S. 41; Davidow, Uttal, 1992, S. 57; Homburg, 1993). Erfolg kann dabei eine größere Absatzchance, eine höhere Wiederkaufsrate und somit ein höherer Ertrag sein. Soweit die Verbindung von Sachleistung und Service im Leistungsbündel in fast allen Industrien seit über einem Jahrzehnt zunehmende Praxis ist mit einer Wirkung hin zum besseren Leistungsangebot für den Kunden, beginnt im deutschen Bauwesen diese Entwicklung mit nennenswertem Einfluss erst zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Die Zunahme des Schlüsselfertigbaus oder von Leistungserbringungen im Totalunternehmerverhältnis (Design-BuildProzess) – auch außerhalb des Hochbaus – zeigt dieses. Somit bieten sich auch im Baubereich:

154

x

Eine wesentliche Verbesserung der vom Kunden gewünschten Leistungen durch umfassende Problemlösung und Minderung der Probleme schlechter Principal-AgentBeziehungen und hoher Transaktionskosten;

Bessere Möglichkeiten des anbietenden Bauunternehmens zur Differenzierung seines Angebotes auf spezifische Marktsegmente mit besonderen Möglichkeiten der Preisgestaltung und besserer Unterscheidung zum Wettbewerb. Die Anforderungen an Gestaltung und Sicherstellung sind allerdings hoch und bedürfen gesonderter Bereitstellung von Ressourcen. x

4.1.2.3 Preispolitik Die Preisbildung im Bauunternehmen findet im Spannungsverhältnis zwischen den Herstellkosten der eigenen Produktion, den Marktzugängen zu Wertschöpfungspartnern, der Lage im Wettbewerb und der Preisbereitschaft der Kunden statt. Sie basiert bisher – der Handwerkstradition folgend – immer noch viel zu sehr in der Addition der im Herstellprozess anfallenden Kosten. Unterstützt durch die Vertrauensvorschriften des öffentlichen Preisrechts und der VOB/B, dem in Teilen 30% des Baumarktes in Deutschland unterliegen, versuchen die Bauanbieter ihre Preise auf der Basis des von G. Opitz (1894 – 1970) in den 40er Jahren entwickelten Kalkulationsverfahren festzulegen (vgl. Drees, Hirsch, 1972, S. 14). Die Nutzung dieser Verfahrensweise ignoriert völlig die Entwicklung der Kostentheorie in der BWL (vgl. Noosten, 2005, S. 66). Gerade die Vielfältigkeit der anfallenden Kosten im Bauprozess macht es äußerst schwer, einen Preis für die Bauleistung zu finden, der für das anbietende Unternehmen zum Zeitpunkt des Angebotes eine optimale Ertragschance eröffnet. Der in den letzten zehn Jahren eminent zugenommene Wettbewerb führt die Unternehmen sehr schnell dazu, ihren Preis auf oder unter der Untergrenze der Herstellkosten festzusetzen (vgl. Wäger, 1971, S. 141). Hinzu kommt, dass die den Baunachfrager unterstützenden Beratenden Ingenieure in ihren verschiedenen Verfahren zur Kostenermittlung betriebswirtschaftliche Komponenten kaum berücksichtigen (vgl. Schach, Sperling, 2001, S. 128, S. 484f). Die verschiedensten Einflussfaktoren auf die Baukosten während der Kalkulation und später während der Ausführung, insbesondere bei Leistungsänderungen und Störungen, müsste geradezu die Baubetriebe anregen, moderne Ansätze der Kostentheorie zu nutzen, um eine ertragsoptimierte Preisfestlegung zu sichern (vgl. Noosten, 2005, S. 74). Die von den jeweiligen Nachfragern gewählten Beschaffungsprozesse bei Bauleistungen im BtoB-Bereich sind ebenfalls sehr stark preisbildend. Die Vergabeverfahren im Baubereich bestimmen sehr stark den Umfang des Wettbewerbs und die Art der Preisfestlegung. Wenn ein öffentliches Vergabeverfahren mit Auftragserteilung an den vermeintlichen wirtschaftlichsten, der in der Praxis üblicherweise der billigste Bieter ist, erfolgt, hat dieses für die Preisbildung eine andere Wirkung als wenn ein industrieller Baunachfrager nach Analyse strenger Qualifikationskriterien eine beschränkte Anzahl von Anbietern zum Angebot auffordert und der endgültige Preis im Verhandlungsverfahren nach Abgleichung verschiedener 155

Kriterien gefunden wird. So hat die Eigenart eines holländischer Bauvergabeverfahrens, bei dem der preisgünstigste Bieter ausgeschlossen wird, preiserhöhende bzw. preisstabilisierende Wirkung (vgl. o. V. Technologiestiftung Berlin, 1996). Zusätzlich zum Verhalten der Nachfrager hat auch das Verhalten der Marktteilnehmer im Wettbewerb auf die anderen Anbieter einen preisbildenden Einfluss. Ende der siebziger Jahre wurde deshalb in Deutschland versucht, dieses Verhalten in öffentlichen Vergabeverfahren durch statistische Methoden zu beschreiben (Berndt, 1988, S. 139f). In den „Competitive-Bidding-Models“ wurden die die Vergabeentscheidung beeinflussenden Faktoren analysiert und durch mathematische Methoden eine günstige Gewinn – Risiko – Kombination ermittelt. Letztlich sind die Verfahren an der Vielzahl der Einflussfaktoren gescheitert. Je höher der Wettbewerbsgrad einer Branche, je vergleichbarer und gleichartiger die angebotenen Leistungen sind und je mehr das Marktvolumen schrumpft, desto wichtiger wird die Preisfestlegung für das anbietende Unternehmen, da hier für den Kunden die einfachste Vergleichbarkeit liegt. In der Preispolitik verbinden sich die Herstellbedingungen, die Preisbereitschaft der Abnehmer sowie die alternativen Preisforderungen der Konkurrenz und ergeben sich so unternehmensspezifische Entscheidungsspielräume (vgl. Meffert, 2000, S. 485f). Dabei sind die wichtigsten Ziele der langfristige Erhalt des Unternehmens, die Maximierung von Absatz, Umsatz und Gewinn sowie eine optimale Position am Markt zu den Kunden (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 819f). Im BtoB-Bereich des Bauwesens werden Preisentscheidungen zumeist auf der Basis eigener Herstellkosten unter Berücksichtigung des Spielraums getroffen, den das Unternehmen am Markt zu haben meint (vgl. Backhaus, 2003, S. 524): x

Durch eine passive Preispolitik – mit Anpassung der eigenen Kostenstruktur an das Preisniveau des Marktes und konkurrenzbezogene Ressourcenanalyse;

x

Durch eine aktive Preispolitik – mit Gestaltung der Preise durch das anbietende Unternehmen mit vorgegebenen Absatzmengen mit dem Ziel, vorhandene Preise des Wettbewerbs ertragsoptimal zu unterbieten.

Aus diesen Möglichkeiten und den bauspezifischen Besonderheiten ergeben sich eine Vielzahl preispolitischer Konsequenzen.

156

Preispolitische Konsequenzen x x

Konstruktive Merkmale Mensch Externer Faktor

Weitere Eigenschaften - Immaterialität - Konstante Dienstleistungqualität nicht garantierbar; - Problematische Standardisierung - Hoher Fixkostenanteil - Hohe Individualität - Fehlende Speicher-/Lagerbarkeit - Hoher Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften; große Unsicherheit/Risiko für Nachfrager

x

x

x x x x

Abb. 4.23

Preis zur Steuerung der Nachfrage und Kapazitätsauslastung Preis als Maß für die Qualität einer Dienstleistung, zugleich aber auch Einflussgröße auf Kundenerwartungen Hohe Fixkosten müssen durch Preis gedeckt werden; verursachungsgerechte Verteilung der hohen (variablen und fixen) Gemeinkosten schwer möglich; schwierige Kostenzurechnung menschlicher Leistungsfähigkeiten Preis als Anreiz für positive, (aktive) Kundenbeteiligung; Preis in Abhängigkeit qualitativer und quantitativer Kundenbeteiligung Preise müssen glaubhaft und vertrauenserweckend gestaltet und kommuniziert werden „Mispricing“ gewährt keine zweite Chance Angst vor Preismissbrauch ist beim Kunden hoch Preis bei Änderungen

Bauspezifische Besonderheiten und deren preispolitische Konsequenzen (Quelle: Meyer, A., 1998, S. 849, geringfügig abgewandelt)

Der vom Kunden empfundene Wert einer Bauleistung, den er zu zahlen bereit ist, ist eine sehr komplexe Größe. Ihre Analyse bietet dem Anbieter viele Möglichkeiten der Wettbewerbsdifferenzierung. Der Wert eines Investitionsgutes am Bau lässt sich nämlich nicht am Kaufpreis allein, sondern darüber hinaus an den Kosten der Nutzung, der Wertentwicklung der daraus abgeleiteten weiteren Nachfrage, der möglichen Kosten für spätere Entsorgung / Umbau und dem Wertempfinden des Kunden mit Bauleistungen ableiten. So können Wartungsgarantien, Ausfallentschädigungen, 24-Stunden-Service aber auch Vermögenssituationen des Kunden und Zugang zum Wettbewerb den Wert einer Sache wesentlich beeinflussen (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 838). Für die Preisbildung bedeutet dies, dass ein Preis für einen Kunden nicht „unrelativiert zu teuer sein kann, sondern nur im Verhältnis zu dem von ihm wahrgenommenen subjektiven Nutzen“ (vgl. Winkelmann, 1999, S. 189). Wie bildet sich das Wertempfinden bzw. die Preisbereitschaft des Kunden, was nimmt er wie wahr und welche Nutzenbereiche sind wichtig und welche sind nachrangig? Wird sein Wertempfinden nur durch einen Beratenden Ingenieur geprägt oder durch den Wettbewerb womöglich leistungsmäßig nicht vergleichbarer Bauanbieter beeinflusst? In immer größerem Umfang treffen Kunden die Kaufentscheidung von Bauleistungen primär nach ihren Nutzenempfindungen und nicht nach den Kostenbeurteilungen der Bauunternehmen, zumal sie diese oft nicht kennen oder nicht beurteilen können. Basis sind eher Renditevorgaben, Zinshöhen, Mieterträge und auch Erfahrungen mit veröffentlichten Preisen in der Presse oder Erfahrungen aus dem Ausland. Damit unterliegt die Preisbildung einer Vielzahl von Einflüssen, die vom spezifischen Kundeninteresse ausgehen. Da Nachfragesegmente eingegrenzt und unterschiedliche Nachfrager differierende Preisbereitschaft haben und Nutzengrade unterschiedlich gewichten, können 157

selbst für gleichartige Bauleistungen die Preise stark differieren. Dies kann auch an mangelnden Informationen oder an unterschiedlichen Nachfrageerwartungen liegen (vgl. Huckemann, 1997, S. 50; Kapitel 2.2.3). Preisdifferenzierungen erscheinen möglich je nach Auftragszeitpunkt, nach Auftragserfüllungsdauer, nach vertraglichen- und finanziellen Festlegungen, nach regionalen Abhängigkeiten und personellen Einschränkungen (Kunde wünscht bestimmten Bauleiter / Polier). Besondere Preisspielräume ergeben sich im BtoB-Bereich, wenn auftragsspezifische Finanzierungsbedürfnisse entstehen. Da das Bauunternehmen das Herstellungsrisiko und den Finanzierungsbedarf über den Zeitablauf der unsicheren Bauproduktionsphase am besten kennt, kann es dem Kunden vielleicht eine viel günstiger erscheinende Finanzierung bieten und dennoch für sich selbst einen höheren Preis für die eigene Leistung erzielen. Gerade baufremde Investoren (Fonds, Finanzinvestoren) scheuen die Tragung von Risiken während der Bauzeit und die Bereitstellung von Geldmitteln für noch nicht nutzungsfertige Bauwerke. Diese Finanzierungsform können jedoch nur wenige Bauanbieter bereitstellen, womit der Wettbewerb eingeschränkt wäre und sich Spielraum für Preiserhöhungen eröffnen würde (vgl. Backhaus, 2003, S. 550). Während Nachfrager von Bauleistungsbündeln zumeist konkrete Zeitvorstellungen über die Fertigstellung haben, unterliegen die Anbieter von Bauleistungen Zwängen aus der Begrenztheit ihrer Produktionskapazitäten. Beide Bereiche bieten eine Fülle von Einflüssen zur Preisgestaltung, wenn man die Nutzenanforderung des Kunden und die Kostenfaktoren des Anbieters analysiert und zu einem Optimum verbindet. Dies erfordert jedoch vom anbietenden Bauunternehmen eine hohe Kundennähe, um die Abhängigkeiten der Kundenentscheidung vom Zeitrahmen exakt beurteilen zu können (vgl. Meffert, 2000, S. 570; Reinecke, 1997, S. 56). Jener Anbieter, der die umfassendsten Informationen hat, kann seinen Preis optimal gestalten (z. B. ob der Kunde bereit ist, einen späteren Baubeginn hinzunehmen, ob der Kunde besonderen Nutzen daraus zieht, wenn die Bauzeit halbiert wird usw.). Da das Bauunternehmen zumeist die nachgefragte Bauleistung nicht geplant hat, ist es im Angebot wichtig zu prüfen, ob die geplante Leistung der Nutzenvorstellung des Kunden entspricht. Dazu muss der Bauanbieter die Wertkette des Kunden kennen. Was will dieser mit dem Bauwerk erreichen und was geschieht mit dem von ihm selbst darin produzierten Gütern? Welche Kosten also stehen dem Kunden welchem Nutzen gegenüber? „The customer is only going to pay for what he perceives as real added value“ (Sebastian, Lauszus, 1984, S. 27). Leistungsinhalte aus einem „Overengineering“, die der Kunde gar nicht nutzt, sollten vermieden werden. Dazu muss sehr sorgfältig die Anwenderwirtschaftlichkeit des geplanten Bauwerks überprüft werden. Erst in neuerer Zeit bieten Entwicklungen über eine verursachungsgerechte Ermittlung der im einzelnen Herstellungsprozess anfallenden Kosten in der Prozesskostenrechnung Ansätze (vgl. Breuninger, 1996, S. 114), die verschiedensten Kostenverläufe im Unternehmen transparent zu machen, um somit für das spezielle Projekt eine zutreffende preispolitische Grundlage zu bilden und sie den erreichten Nutzen gegenüberzustellen. Schließlich muss beachtet wer-

158

den, dass Kosten nur ein Teil der Preisbildung sind. Eine aktive Preisgestaltung ist über Kosten erst möglich, wenn ihre Entstehung und ihr Verbrauch bewusst gemanagt werden. Hierzu erscheinen vier Aspekte als beachtenswert (vgl. Preißner, 1998, S. 235): x

Das Prozessmodell beschreibt die wertschöpfenden Prozesse im Unternehmen und ihren Kostenanfall nach Zeitpunkt, Verwendungszweck und Beschäftigungsgrad;

x

Die eingeschlagenen grundsätzlichen Strategien – Kostenführerschaft, Differenzierung, Outpacing – beeinflussen die Art der Kostenrechnungssysteme und sollten dort abbildbar sein;

x

Der Kostenanfall bei Bauleistungsbündeln ist besonders komplex und hängt von Unternehmensstrukturen, Fertigungstiefe, Kooperationsfähigkeiten und Sicherheitsbedürfnissen der Kunden, des Produktionsortes oder der eingesetzten Technologie ab;

x

Welchen Nutzen für den Kunden wird ein spezifischer Kostenverbrauch erzeugen?

Unter Beachtung der Aspekte der NIÖ bietet die nutzenorientierte Preisgestaltung eine ganzheitliche oder teilweise Übernahme von Risikopositionen des Kunden an. Dies können z. B. Risiken der Witterung, von Genehmigungsabläufen oder noch unklarer Ausführungsinhalte des Leistungsbündels sein, bei denen der Kunde mit dem Bauunternehmen eine Lösung noch später nach Vertragsabschluss erarbeiten will. So können z. B. die Risikobestandteile je nach Zeitablauf im Bauprozess zwischen den Parteien aufgeteilt werden. Die Parteien könnten auch in gemeinsamen Verhandlungen versuchen, die Risikopotenziale zu mindern bzw. zu gestalten. Eine besondere Form dieser Lösung ist die Preisvereinbarung eines garantierten Maximalpreises, bei dem zum Vertragsabschluss noch unbestimmte Leistungsbestandteile mit einem Maximalpreis definiert werden und die Vertragsparteien während der Konkretisierung der Leistungsinhalte gemeinsam versuchen, eine günstigere Preisgestaltung zu erreichen (vgl. Cadez, 2000, S. 20; Heilford, Strich, 2004, S. 24, Kapellmann, 2001, S. 32). Im BtoB-Bereich sind bei der Erfüllung von Bauleistungen eine Vielzahl gesetzlicher, branchentypischer, versicherungstechnischer und berufsgenossenschaftlicher Gefährdungsabschätzungen durchzuführen und Zulassungen zu erfüllen (DVGW, SCC, VdS, Beton BII, Schweißtechnik, Entsorgungsbereich, WHG, Regelung der Deutschen Bahn). Kunden haben sich in diesen Bereichen auferlegt, Leistungen nur von autorisierten bzw. auditierten Leistungsanbietern zu beziehen. Dadurch wird der Anbieterkreis wesentlich eingeschränkt und ergeben sich somit andere Wettbewerbszustände mit nachfolgend anderen Möglichkeiten der Preisgestaltung. Ein Sonderfall der Preisbildung ist die Preisbündelung, bei der unterschiedliche Leistungsbestandteile nicht mehr detailliert und nachvollziehbar einzeln angeboten werden, sondern als ein gebündelter Gesamtpreis für das gesamte Leistungsangebot offeriert werden (vgl. Meffert, 2000, S. 556). Eine solche Bündelung ergibt sich bei einem Pauschalpreis, den ein Generalunternehmer einem Baunachfrager als eine Preisforderung für die zu erbringende Leistung bietet. 159

Preisfestlegungen aufgrund besonderer Lieferungs- und Ausführungsbedingungen sind ein weiteres Mittel der Preisstrategie. Die gebräuchlichsten sind: x

Preisveränderung wegen anderer terminlicher Bedingungen;

x

Preisveränderung durch langfristige Abnahmegarantien (mehrere Bauwerke gleicher Art über eine definierte Zeit, wie z. B. Discountmärkte, Fast foodVerkaufsräume, Lagerhäuser der Post);

x

Preisanpassung bei anderen Vertragslösungen (Wegfall ungünstiger Bedingungen, Individualvertrag, VOB)

x Preisanpassungen bei unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten. Die Wirkung dieser Instrumente kann mit verschiedenen anderen Ereignissen verknüpft werden (Zusatzmengen, Wiederholungskäufe, Langfristgarantien usw.) und bietet Möglichkeiten zur differenzierten Preisgestaltung und auch in spätere Zeiträume hinein zur längerfristigen Kundenbindung (vgl. Simon et al., 1998, S. 94). Die Gefahr einer vielfältigen Konditionenpolitik liegt in der Gewöhnung der Kunden an einmal gewährte Bedingungen – zumeist Reduzierungen – aus vergangenen Kaufprozessen. Einzelne günstige Konditionen können sich so über die Zeitläufe schmerzlich addieren und den Endverkaufspreis stetig reduzieren. Dies gilt besonders in stetig schrumpfenden Märkten, in denen sich die Anbieter mit stetig höheren Nachlässen zu überbieten versuchen. Die Preisbildung wird dabei von der ehemals dahinterstehenden Nutzenreduktion völlig entkoppelt. Es ist deshalb für den Anbieter besonders wichtig darauf zu achten, dass preisverändernden Konditionen entweder konkrete Nutzenveränderungen oder Anreize für erneute Entscheidungen gegenüberstehen und sie demzufolge in ihrer Wirkung langfristig nicht außer Kontrolle geraten (vgl. Marn, Rosiello, 1993, S. 52). Eine nutzenorientierte Preisstrategie ist nicht nur geeignet, Spielräume für Preisvarianten zu erreichen sondern kann auch ein angemessenes Mittel sein, um gewünschte Preisreduktionen der Kunden zu beantworten. In vielen Fällen ist das Bieten eines Zusatznutzens statt der einfachen Preisreduktion für das anbietende Bauunternehmen optimaler. Der Kunde überschätzt häufig die Kosten des Zusatznutzens und ist daraufhin bereit, auf seine Preisreduktion zu verzichten (vgl. Homburg, Bentin, 2000, S. 44). Wenn der Preis für die Bauleistung sich immer weniger nach den Herstellkosten des spezifischen Anbieters, sondern vielmehr nach der Lage im Wettbewerb und der aus Nutzenempfindung gespeisten Preisbereitschaft des Kunden richtet, wird es für das Bauunternehmen zunehmend wichtiger, jenen Preis in der Leistungserstellung zu ermöglichen, den der Kunde als Zielwert bereit ist, für die Bauleistung zu zahlen. Als zentraler Beginn eines konkurrenzfähigen Produktmanagements wird der am Markt für ein Produkt erzielbare Preis neben den von Kunden erwarteten Leistungsinhalten gesehen. Wesentlich für die Preisfestsetzung ist das spezifische Angebot, das „sich an der Zahlungsbereitschaft des Kunden allein ausrichtet“ (o. V. Wirtschaftswoche, 12/1998, S. 214; vgl. Berry, Yadev, 1997, S. 60). Die Preisbildung bei der Zielkostenorientierung, also dem target costing orientiert sich an der Erwartung des Mark160

tes, was die Leistung kosten darf (siehe auch Kapitel 4.2.5.4). Der Gewinn des Unternehmens ergibt sich dann aus dem Marktpreis minus Kosten. Das Unternehmen muss also seine Herstellkosten und sein Leistungsprogramm ausschließlich auf diesen Marktpreis ausrichten und darf nicht von bisher üblichen Kostenverläufen in der Bauerstellung ausgehen (vgl. Belz et al., 1997, S. 66; Horváth, 1993a; Horváth et al., 1993). Es wurde gezeigt, dass der von den Bauunternehmen beklagte Zustand eines Wettbewerbes „Allein über den Preis“ ungenügend die Möglichkeiten berücksichtigt, die sich am Markt bieten. Die Hinnahme zu gering differenzierter Kostenkalkulationen oder üblicher Vergabeformen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, auf spezifische Nachfragebedingungen mit gezielten Preisangeboten zu antworten. Wenn in dem aktuellen Schrumpfungsprozess der Bauwirtschaft von den Führungskräften geklagt wird, dass der Preis alleiniger Grund im Kaufentscheid ist, so bieten die hier vorgestellten Gedanken eine Fülle von Möglichkeiten, diesen Preis zu differenzieren und vielfältig individuell zu gestalten mit dem Ziel eines „end of blind acceptance of the lowest tender“ (Hellard, 1993, S. 154). 4.1.2.4 Die Analyse der Zusammenarbeit mit dem Kunden In Kapitel 4.1.1 ist in der theoretischen Betrachtung erläutert worden, dass ein wichtiges Element der Marktorientierung in der Unternehmensführung die Analyse der Zusammenarbeit mit dem Kunden ist: War er zufrieden mit der gelieferten Leistung, ist er bereit, erneut bei dem gleichen Lieferanten zu kaufen, werden seine Beschwerden positiv aufgenommen und erledigt usw.? Erst aus dieser Analyse können wesentliche Ansatzpunkte zur kontinuierlichen Verbesserung und zur Optimierung der Unternehmensleistung gefunden werden. Ohne diese Betrachtung ist eine Ausrichtung auf den Kundenwunsch kaum möglich. Wie kann nun der theoretische Anspruch im Betrieb umgesetzt werden? Die Zufriedenheit der Kunden mit Bauleistungen ist außerordentlich schlecht. Die Ursachen sind vielfältig, hierzu einige Beispiele: x

Eine schlechte Leistung der Bauunternehmen mit schlecht geschulten Mitarbeitern (vgl. Egan-Report, 1998);

x

Eine Vielzahl wenig abgestimmter Schnittstellen unterschiedlichster Gewerke zur Endleistung;

x

Ein ungenügendes Projektmanagement (siehe Abb. 4.113, Kapitel 4.2.7);

x

Eine hohe Informationsasymmetrie zwischen Kunde und Bauunternehmen und ungenügende Kenntnisse über Bauablauf und zu erreichende Leistung (siehe PrincipalAgent / NIÖ);

x

Eine ungenügende Aufgabenwahrnehmung durch hinzugezogene Beratende Ingenieure, zunehmende Verrechtlichung der Beziehungen der Parteien mit hohen Transaktionskosten (NIÖ);

161

x

Schlechte Imagewerte der Branche verstärken die Angst des Kunden vor einer Beziehung zum Bauunternehmen.

In Abb. 3.6 in Kapitel 3.2.1.1 werden die hohen Grade der Unzufriedenheit mit Bauleistungen dargelegt. In einer repräsentativen Befragung über das allgemeine Image von 177 der namhaftesten größten deutschen Industriebetriebe liegen die vier größten deutschen Bauunternehmen abgeschlagen an 147. bis 165. Stelle (vgl. o. V., Manager Magazin, Heft 2, 2006, S. 83). Ihre Position hat sich zur Voruntersuchung (vgl. o. V., Manager Magazin, Heft 2, 2004, S. 52) weiter verschlechtert. Alle diese Beurteilungen haben nach Kenntnis des Verfassers nicht dazu geführt, dass sich die Branche besonders um Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und hohe Wiederholungskäufe einmal errungener Kundschaft bemüht. Vielmehr wird undifferenziert über die Wertungskriterien der Kunden im Kaufabschluss geklagt mit der Feststellung, dass Vergabeentscheidungen allein über die Preishöhe erfolgen. Dabei wird allzu schnell übersehen, dass am Baumarkt sich die Produktionsqualität auf der Baustelle – soweit für den Kunden sichtbar – nicht sehr unter den Wettbewerbern differenziert. Viel zu häufig stehen für den Kunden erlebbare Aspekte wie Termineinhaltung, Kontakte zu Bauarbeitern, Änderungsbereitschaft, Projektmanagement, Art der Kommunikation im Hintergrund (vgl. Stauss, 1994, S. 236). Auch wird übersehen, dass es den typischen Baukunden nicht mehr gibt. Vielmehr entwickeln sich Einschätzungen von Kundensegment zu Kundensegment anders (vgl. Homburg, Rudolph, 1995, S. 45). Wenn also die Kundenzufriedenheit im Baugeschehen unzureichend ist, die Kundenbindung gering ist und die Kenntnisse der Führungskräfte im Baubereich darüber gering erscheinen, sind Gestaltungsmöglichkeiten aus anderen Branchen zu untersuchen, um Wege zu einer Wertentstehung zu finden. Kundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit ist kein absoluter Maßstab sondern ein Ergebnis aus offenen und hypothetischen Fragen und aktuellen, einer augenblicklichen Stimmung unterworfener Antworten. Die Messung selbst muss auf das zu beobachtende Leistungsbündel und seine Komplexität abgestellt werden. Zur Messung bedient man sich verschiedenster Methoden (vgl. Homburg, 2003b, S. 117f) wie z. B.: x

Analyse der eingegangenen Beschwerden vom Kunden; Hierbei ist zu bedenken, dass nur 30% der unzufriedenen Kunden sich üblicherweise beschweren und davon nur 5% direkt beim Lieferanten;

x

Gespräche mit Kunden;Hier besteht das Problem der qualifizierten Gesprächs- und Fragenführung. Man erhält allzu leicht präzise Antworten auf falsche Fragen (vgl. McQuarrie, 1998, S. 311);

x

Befragungen über standardisierte Fragebögen;

162

Analyse von Kundenanforderungen als CTQ im Verfahren Six Sigma (siehe Kapitel 5.3.2). Es ist zu bedenken, dass der Kunde in BtoB-Bereich häufig multipersonale Ausprägungen hat und somit in der Zusammenarbeit zum Lieferanten sehr differenzierende unterschiedliche Antworten ergehen können. Die verwendeten Messverfahren gliedern sich in objektive Verfahren einer Datenanalyse (Wiederkaufsrate, Anzahl Beschwerden, Dauer der Reklamation) und in subjektive Befragungs- und Beobachtungsverfahren. Letztere können ereignisorientierte Verfahren sein, bei denen das Erlebnis der Kundenzufriedenheit während der Ereignisse der vielfältigen Kontakte zur Bauleistung mit der „Critical Incident Technique“ (vgl. Stauss, 1994b, S. 244) betrachtet wird. Da die Interaktionen mit dem Kunden besonders für den Projekterfolg wichtig sind, sind diese Verfahren besonders zur Unternehmensentwicklung geeignet. Merkmalsorientierte Verfahren ermitteln den Zufriedenheitsgrad aus dem subjektiven Vergleich zwischen erwarteter und erhaltener Leistung (vgl. Töpfer, 1999b, S. 310) und sind geeignet für den Wettbewerbsvergleich. Subjektive Verfahren sind stark auf Erlebnisse des Kunden bei Produktion und Nutzung ausgerichtet. Sie müssen verbunden werden mit einer Analyse der Wichtigkeit, die der Kunde dem einzelnen Erlebnis im Rahmen einer gesamten Zufriedenheit beimisst (vgl. Stauss, Hentschel, 1992, S. 121; Töpfer, 1999d, S. 326). x

Die Durchführung aller Zufriedenheitsmessungen sowie die Gestaltung von Fragebögen sollte unbedingt von Fachleuten erfolgen, die über sozialwissenschaftliche Kenntnisse verfügen (vgl. Meffert, Schwetje, 1998, S. 90). Nachhaltige Beurteilungen über Kundentreue und Zufriedenheit sind – je nach Branche und Zeitraum – äußerst schwierig. Wichtiger als scheingenaue Rechenverfahren erscheinen gezielte kurzfristige Befragungen (vgl. Reichheld, 2004, S. 26). Zufriedenheitsmessungen können für einzelne Bauprojekte, Unternehmensbereiche oder auch für gesamte Branchen ermittelt werden, wie sie z. B. im „Deutschen Kundenbarometer“ seit Jahren veröffentlicht werden und bieten so Vergleiche und Maßstäbe zu anderen Wirtschaftszweigen (vgl. Töpfer, China, 1997, S. 17; Meyer, Dornach, 1992, 1996; Hackl et al., 1996; Formell, Johnson et al., 1996). Zufriedenheit selbst ist kein exakter Begriff. So kann unter „zufrieden“ verstanden werden, dass 37% der Befragten eine Leistung als gut bzw. tadellos (weitgehend positiv) empfinden oder dass 35% der Befragten dieses als ausreichend und unproblematisch (ambivalent) betrachten oder dass 28% der Befragten darunter nur eine passable, erträgliche Leistung verstanden (eher negativ) (vgl. Müller, 1998, S. 202). Die Ermittlung der Kundenzufriedenheit ist in allen Branchen wichtiges und übliches Mittel zur Analyse des Grades der Leistungserfüllung des Angebotes der Unternehmung. Die in Abb. 3.6 dargestellte Untersuchung ist in ihrer umfassenden Betrachtung allerdings die bisher erste und seither einzige für den deutschen Baumarkt.

163

Kundenbindung Die Messung des Grades der auf die Zufriedenheit aufbauenden Kundenbindung stützt sich auf Ergebnisse von Analysen der Kundenzufriedenheit, des Beschwerdemanagements, der Weiterempfehlung oder auf quantitative Messgrößen wie Wiederkauf, Kundenabwanderung und Verkaufsmöglichkeiten über Produktgruppen hinweg. Die Analysen werden ausgerichtet auf die Gestaltung zukünftiger verbesserter Managementprozesse (vgl. Töpfer, 1999d, S. 354): x

Wie zufrieden war der Kunde in der Vergangenheit? Was ist daraus zu entwickeln?

x

Welche Anforderungen wird der Kunde zukünftig haben?

x

Welche Fähigkeiten muss das Unternehmen zukünftig entwickeln?

x Welche Angebote werden Wettbewerber bereithalten? Die Antworten führen direkt zu Prozessoptimierungen mit langfristigen Wirkungen und zur Entwicklung von Werttreibern, die vom Kunden erwartete kritische Erfolgsfaktoren beeinflussen könnten (vgl. Oggenfuss, Lacher, 1999, S. 44; Reichheld, 1997, S. 62; Bergmann, 1998, S. 79f). Die gefundenen Maßnahmen müssen möglichst direkt auf das richtige Kundensegment, das dort beobachtete Kaufverhalten und die im Kundensegment und Art des Leistungsbündels auftretenden Kontaktphasen ausgerichtet werden (vgl. Laker et al., 1998, S. 50). Es gibt eine lineare Abhängigkeit von Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Unternehmenserfolg (siehe Kapitel 4.1.1.2). Weiter wurde nachgewiesen, dass eine erfolgreiche Kundenbindung nur ca. 20% einer Neukundengewinnung kostet und deshalb wesentliche Vertriebskosten mindert und Absatzchancen sichert (vgl. Müller, Riesenbeck, 1991, S. 69; Meyer, Dornach, 1996, S. 183). Beschwerdemanagement In Beschwerden oder Reklamationen während der Leistungserstellung oder in der Gewährleistungsphase drücken Kunden ihre Unzufriedenheit über die ihnen zur Verfügung gestellte Unternehmensleistung aus. Beschwerden können als Signal verstanden werden, dass der Prozess der Leistungserbringung nicht jenen Wert erzeugt hat, den der Kunde erwartete oder sich das Unternehmen wünschte. Die Ursachen für Beschwerden können vielfältig sein, wie z. B. in zugesagten, aber nicht erhaltenen Eigenschaften der Leistung, in schlechter Verbindung von Produkt und Dienstleistung oder in mangelhafter Gewährleistung. Beschwerdemanagement ist deshalb die zielgerichtete Gestaltung aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden ergreifen kann, um dennoch eine hohe Zufriedenheit herzustellen (vgl. Stauss, 1998, S. 1256; Bergmann, 1998, S. 160 f). Dabei muss berücksichtig werden, dass es Menschen offensichtlich nicht leicht fällt, Äußerungen über negative Erlebnisse nach außen zu vertreten. Eine Studie von Bergmann zeigte, dass die Mehrheit der unzufriedenen Kunden nicht persönlich direkt beim Unternehmen reklamiert, sondern ihre negativen Erfahrungen 9-10 anderen Personen mitteilt. Dagegen äußern

164

wohlgesonnene Kunden ihre Zufriedenheit nur gegenüber 4-5 Personen (vgl. Bergmann, 1998, S. 161). Wenn sich nach Aussage des Deutschen Kundenbarometers nur zwischen 4 und 12% der Kunden zu einer Beschwerde entschließen, bedeutet dieses, dass ca. 90% der Kunden dem Lieferanten gegenüber keinen Unmut äußern, sondern zu einem anderen Anbieter abwandern (vgl. Töpfer, Mann, 1999, S. 90f). Die größten Kundenverluste erleben die Lieferanten daher wegen der „weichen Faktoren, der unmerklichen Unstimmigkeiten“ (Scharioth, 1995, S. 33), die vom Kunden erlebt, aber nicht angesprochen werden. Diese Kunden bieten dem Bauunternehmen kaum eine Chance zur Korrektur einer eventuell mangelhaften Leistung. Jeder Kunde, der eine Beschwerde äußert über das die Leistung erzeugende Unternehmen oder die konkret erlebte Leistung selbst, bewirkt zusätzlich bei der späteren Beschwerdebearbeitung durch das Unternehmen für sich einen weiteren Effekt. Seine persönliche Beschwerdezufriedenheit ergibt sich aus dem Vergleich der Erwartungen infolge der Beschwerde mit der Art der Beschwerdebehandlung und dem subjektiv wahrgenommenen Ergebnis aus der Beschwerde. Ein wesentlicher Faktor für diese Zufriedenheit ist, noch vor der Schnelligkeit der Problemlösung, die klare, nachvollziehbare, wahrheitsgetreue und vollständige Beschwerdebearbeitung. Der Kunde erwartet Zuwendung (vgl. Schöber, 1997, S. 18; Benndorf, 1998, S. 146; Günther, 1993, S. 384). So zeigt eine Studie aus den USA, dass bei einer zufriedenstellenden Beschwerdebearbeitung von hochwertigen Gebrauchsgütern 54% der Kunden einen Wiederholungskauf tätigen. Bei nicht erfolgter guter Beschwerdebearbeitung sind es nur 9% (vgl. Töpfer, Mann, 1999, S. 92). Gerade in der Gewährleistungsbearbeitung komplexer Bauleistungen spielt die vom Kunden erlebte Zuwendung eine besondere Rolle. Die Beschwerdebearbeitung nimmt oft lange Zeit in Anspruch, um die Ursache unter verschiedensten Vertragspartnern und die Lösung des Problems mit ihren Auswirkungen auf andere technische Bereiche herbeiführen zu können. Zumeist hat der Kunde wenig Verständnis für diese Zeitläufe (siehe Abb. 3.6). Es bedarf deshalb umfangreicher vorbeugender Kommunikation, um dem Kunden eine kompetente Beschwerdebearbeitung zu zeigen, die allein letztlich zur Zufriedenheit führen kann.

165

Kundenbindung Positives Ergebnis: Dauerhaft erhöte Kundenbindung

Kritisches Ereignis = Beschwerde

Effektive Beschwerdebearbeitung Kundenzufriedenheit vor der Beschwerde Nicht effektive Beschwerdebearbeitung

Negatives Ergebnis: Dauerhaft redizierte Kundenbindung Zeit

Abb. 4.24 Beschwerdemanagement als Schlüssel zur Kundenbindung (Quelle: Homburg et al., 2001, S. 285)

Der Erfolg des Beschwerdemanagements liegt in einer gut durchdachten Gestaltung des Beschwerdeprozesses. Sein Ziel ist die Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit und der Erhalt von Informationen zur Verbesserung der unternehmerischen Wertschöpfungsprozesse. Der Prozess verläuft von der möglichen Beschwerdestimulierung (durch Befragung) über die Beschwerdeannahme, ihre Bearbeitung und Abschluss beim Kunden bis zur Beschwerdeanalyse mit nachfolgendem Controlling. Ein gut strukturiertes Beschwerdemanagement bietet eine Vielzahl von Nutzenaspekten – auch für das Bauunternehmen (vgl. Günther, 2003, S. 302; Schöber, 1997, S. 225):

166

x

Mit steigender Kundenzufriedenheit und höherer Kundenbindung steigt die Wiederkaufsrate eines wiederholten Kaufes beim gleichen Bauunternehmen;

x

Reklamierende Kunden zeigen Schwächen innerbetrieblicher Prozesse auf. Eine Analyse kann Hinweise geben, ob operative, unterstützende oder kommunikative Prozesse betroffen sind, bei denen die Wahrnehmung des Kunden unterschiedlich wirkt;

x

Neue Angebotsformen und Innovationen werden angestoßen;

x

Die Mitarbeiter lernen den Kunden intensiver kennen, beobachten die Unternehmensleistung aus Marktsicht und werden in ihrer Eigenverantwortlichkeit gestärkt.

Unternehmensperspektive Beschwerdeauswertung

Beschwerdemanagement Controlling

Häufigkeitsauswertungen

AufgabenControlling

Zeitdauer der Erledigung

Ursache-WirkungsAnalyse Beschwerde Problemlösung

Kosten-NutzenControlling

Return on Complaint Management

Beschwerde-Reporting zielgruppengerecht

Abb. 4.25

zeitgerecht

Kundenperspektive Aktive Nutzung der Beschwerdeinformationen

"Weniger Probleme"

Kontinuierlicher Wahrnehmung eines Verbesserungsprozess kundenorientierten Unternehmens, das versucht, aufgetretene Probleme im Sinne des Kunden (Un-) Mittelbare Ableitung künftig konsequent zu von Maßnahmen zur vermeiden. kontinuierlichen Verbesserung aller betrieblichen Prozesse und unternehmensweiter Qualitätsstandards Erkennen von marktlichen Chancen

erhöhte Kundenloyalität hohe Wiederkaufsrate

Problemminimierung nutzungsgerecht

Beschwerdemanagement (Quelle: Wildemann, 1997, S. 50)

Üblicherweise wirkt eine einzelne Beschwerde weit über die Problembeschreibung eines konkreten Mangelzustandes hinaus. Soweit die Beschwerde des Kunden proaktiv aufgenommen wird, ist der „konstruktiv unzufriedene“ Kunde häufig gerne bereit, Hinweise auf Verbesserungen der Leistungen oder der Interaktion zwischen dem Unternehmen und ihm zu geben. Erweitert werden kann diese einzelne Beschwerde durch die Zusammenfassung von mehreren unzufriedenen Kunden, die kritisch und meinungsfreudig sind in sog. Kundenkonferenzen, den customer focus groups. In ihnen können diskutierend betriebliche Prozesse zum Kunden hin analysiert werden, Beschwerdeanalysen überprüft werden, neue Strategien angestoßen und neue Ideen überprüft werden. Sie sind somit ein marktforschendes und zugleich kommunikatives Element der Kundenbindung (vgl. Keller, Matzke, 1998, S. 441; Günther, 1996, S. 96; Schlicksup, 1993, S. 59). Diskontinuierlich tagende Kundenkonferenzen können auch ergänzt werden durch regelmäßig sich treffende Kundenbeiräte (engl.: customer-council), in denen in Workshops betriebliche Prozesse vorbeugend besprochen werden und in denen als strategisches Beratungsgremium Beschwerdefälle der Vergangenheit analysiert und Ideen und Variationen für neue Leistungsangebote in der Zukunft angestoßen werden (vgl. Wahren, 1998; Barlow, Möller, 1996, S. 11). Ein spezieller Aspekt des Beschwerdemanagements, insbesondere bei besonders wichtigen Schlüsselkunden, ist die Überprüfung betrieblicher Prozesse mit dem sog. „Lead User“Konzept. Bei ihm werden besonders die Leistungsentwicklung zu einem oder mehreren Schlüsselkunden beobachtet, bevor dieses Leistungsangebot einer Vielzahl anderer Kunden 167

angeboten wird. Dies ist besonders häufig anzuwenden bei innovativen Lösungen (DesignBuild Konzeptionen, Angeboten im Facility Management, Angebote für die Betreibung der Immobilie) (vgl. Herstatt, 1994, S. 298; Kleinaltenkamp, Staudt, 1991, S. 59; Dichtl, 1996, S. 64). Jedes Instrument des Beschwerdemanagements hat seine eigenen optimalen Einsatzbereiche, Analyseschwerpunkte und Aufwandserfordernis. Marktorientierung gelingt nur, wenn die Unternehmensführung sich um das Gespräch mit dem Kunden in Verständnis und Einfühlungsvermögen bemüht. „Don’t expect brilliant insights each time you study a customer. Small operational shifts made from market-focused perspective can also add up to significant involvement.“ (Gouillart, Sturdivant, 1994, S. 127). Nicht erfolgte Beauftragung im BtoB-Bereich des Bauens wird viel zu schnell mit dem billigeren Angebot eines Wettbewerbers begründet als womöglich mit der Unzufriedenheit des Kunden mit einer vergangenen eigenen Leistung. Es ist Aufgabe einer marktorientierten Unternehmensführung, aus der möglichen Unzufriedenheit des Kunden ein wichtiges Potential der Unternehmensentwicklung zu machen. Dieses ist umso leichter, als Kunden im BtoBBereich des Bauens selten anonym sind, sondern zu ihnen sehr konkret und leicht ein persönlicher Kontakt hergestellt werden kann (vgl. Günther, Platzek, 1992, S. 110). Ziel von Messungen der Kundenzufriedenheit und des Beschwerdemanagement sollte es deshalb sein, möglichst nur „konstruktiv unzufriedene“ und nicht „resignativ unzufriedene“ Kunden zu haben. Denn nur der konstruktiv unzufriedene Kunde wird sich wahrheitsgetreu und kritisch in einer Beschwerde äußern und dem Unternehmen Hinweise auf Mängel der Leistung geben und so Chancen zur Änderung eröffnen (vgl. Müller, 1998, S. 206). Veränderungen in der Nachfrage nach Bauleistungen können vom anbietenden Bauunternehmen nicht reaktiv bearbeitet werden, will es erfolgreich bleiben. Die Ausrichtung auf den Kundennutzen schärft den Blick für die Notwendigkeit umfassender Analysen der Kundenzufriedenheit und des Verlaufs der beim Bau notwendigen Interaktion mit ihm und der Betrachtung der sich daraus ergebenden Markt- und Wettbewerbslagen. Dieses zusammen mit einem guten Beschwerdemanagement ermöglicht erst die rechtzeitige Einstellung des Unternehmens auf Kundenanforderungen und bietet der Unternehmensführung eine Vielzahl von wirksamen Eingriffsmöglichkeiten zur Gestaltung des Leistungsprogramms und zur späteren Rückmeldung, ob die am Markt angebotene Leistung wettbewerbsfähig ist und eine Wertorientierung im Unternehmen sichert. Kaum ein Leistungsprozess in der deutschen Volkswirtschaft erfolgt so eng in der Interaktion mit dem Kunden wie jener im Baubereich. Umso intensiver sollten in der marktorientierten Gestaltung der Wertschöpfung im Baubetrieb die hier beschriebenen Erfahrungen zur Bestimmung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung genutzt werden. Die Verfahren wurden so ausführlich dargestellt, um zu zeigen, dass sie auch bei der Beurteilung von Bauleistungen uneingeschränkt nutzbar sind.

168

4.1.2.5 Beziehungsmanagement Die Abwicklung von Bauprojekten verläuft häufig zwischen den beteiligten Parteien in strittiger Auseinandersetzung. Ursache ist eine Reihe von Besonderheiten der Projektabwicklung (vgl. Hellard, 1995, S. 3f): x

Gebaut wird ein Unikat in Wind und Wetter, handwerklich ausgeführt, auf dem Grundstück des Bauherrn, ohne wesentliche technologische Wiederholungseffekte, wie in der Fließbandfertigung;

x

Die Ausführenden, bis zu 100 Gewerke bei einer Vielzahl Beratender Ingenieure, haben unterschiedliche Fachrichtungen und Fachsprachen und werden üblicherweise ungenügend koordiniert;

x

Die den Kunden unterstützenden Beratenden Ingenieure fühlen sich nur in eingegrenztem Umfang für den Projekterfolg verantwortlich. Der Kunde trägt das Risiko einer qualitativ ausreichenden Planung, einer zutreffenden Leistungsbeschreibung und einer exakten Kostenschätzung fast zur Gänze selbst;

x

Alle beteiligten Parteien haben sehr unterschiedliche Projektkenntnisse, kommen aus verschiedenen Fachbereichen und haben in dem Projekt durchaus üblicherweise gegensätzliche Interessen;

Die Leistungsbeschreibung stimmt mit dem Bauwunsch des Kunden und den technischen Notwendigkeiten zur Projektrealisierung oft nicht überein. Der Kunde versucht sich deshalb durch persönliche Rechtsberatung mit nachfolgenden umfangreichen Vertragswerken gegen Risiken zu schützen (z. B. mit sog. Komplettheitsklauseln). Einzelne dieser Besonderheiten gibt es auch in anderen Branchen. Ihre besonders negative Wirkung entfalten sie durch ihr massives Zusammenwirken im Bauprojekt und dadurch, dass viele in der Wirtschaft Tätigen Erfahrungen „mit dem Bauen“ haben, ohne über spezifische Kenntnisse darüber zu verfügen. Gesteigert werden diese Probleme noch, wenn einer der Partner mit dem Projekt an seine eigene wirtschaftliche Belastungsgrenze gestoßen ist. In diesem Fall treten häufig zu den strukturellen Schwierigkeiten noch jene der wirtschaftlichen Abhängigkeit und der Gefahr des Ausnutzens einer eventuell schwachen Position. So spielten in rezessiven Baumärkten (USA ab 1988, Deutschland ab 1995) die Kunden die um Aufträge kämpfenden Bauunternehmen so lange gegeneinander aus, bis der Bauvertrag mit den umfassendsten Pflichten, mit dem niedrigsten Preisangebot und der kürzesten Bauzeit unterzeichnet war. Nur zu häufig hat der Kunde auf Anbieterseite damit die unqualifizierteste Unternehmung als Partner gewonnen, die gegen besseres Wissen, aber der Not gehorchend in unzuträgliche Bedingungen einwilligte. Da alle Parteien wissen, dass die einseitige Ausnutzung von Marktmacht zwar kurzfristig funktioniert, aber dem Projekterfolg langfristig „nicht bekommt“, versucht einerseits das anbietende Bauunternehmen ab Vertragsabschluss mit einer Flut von Nachforderungen und Behinderungsmeldungen bessere Konditionen nachträglich zu erzielen, wohingegen der Kunde andererseits sich mit einer großen Anzahl von Beratenden x

169

Ingenieuren, Projektsteuerern und Rechtsanwälten schützt, deren Honorare oft mehr ausmachen als die Preisreduktion, die im kaufmännischen Vergabegespräch „herausverhandelt“ wurde. „Auf deutschen Baustellen herrscht Krieg.“ (Josef Schlapka, zit. nach „Die Welt“, 30.10.2001). Aus der Beschreibung der Probleme in der Abwicklung von Bauprojekten (vgl. auch Seefeldt, 2003, S. 95) können Ursache-Wirkungs-Beziehungen ermittelt werden, die die Basis für neue Lösungen der Zusammenarbeit sein können. Wesentliche Ursache für wenig erfolgreiche Projektarbeit liegt in der mangelnden Ausrichtung aller am Projekt Beteiligten zu einem einvernehmlichen und wohlmeinenden Team mit einem einheitlichen Projektziel. „We somehow need to take the confrontation out of our industry.” (James Suttle, zit. nach ENR, May 14, 2001, S. 57). x Häufige Überschreitung vorgeplanter Kosten und Bauzeiten

x Keine kontinuierliche Verbesserung

x Hohe Baukosten je Nutzung, ungenügende Optimierung

x Planung zu oft ohne Verantwortung für definierte Ziele

x Geringer Erfahrungstausch aller zum Projektvorteil

x Anstieg des Formalismus, der Rechtsberatung, der Beweissicherung

x Viele undefinierte Schnittstellen x Viele Spezialisten, Verlust der Verantwortlichkeit für das Projekt

x Geringe Kundenzufriedenheit

x Viele Änderungen nach Vertragsschluss x Mangelhafte Qualität Abb. 4.26

Probleme in der Bauprojektabwicklung in Deutschland 2005 (eigene Darstellung)

Gerade die Vernachlässigung der menschlichen bzw. der psychologischen Interessen der Beteiligten und ihrer Ausrichtung auf ein Ziel sind fatal für die Projektdurchführung. Durch die Individualität der Bauausführung und die Interaktionen der Beteiligten sind Bauprojekte in starker Weise vom Engagement und der Übereinstimmung der betroffenen ausführenden Menschen abhängig. Deshalb müssen die humanitären Aspekte den juristischen und technologischen Anforderungen gleichberechtigt zur Seite gestellt werden, soll ein nachhaltiger Projekterfolg eintreten. Dabei treten in der betrieblichen Praxis eine Fülle von Schwierigkeiten auf, die zur Erreichung einer guten Leistung gemeistert werden müssen.

170

x

Es wird mehr Leistung gefordert als vorher spezifiziert wurde;

x

Mangelnde Qualifikation der Beteiligten;

x

Mangelnde Referenzen über Befähigung der Beteiligten;

x

Unklare Führung – kaufmännisch, juristisch, psychologisch;

x

Keine gemeinsame Zielvereinbarung;

x

Hohe Bereitschaft, Konflikte formalisiert auszutragen;

x

Mangel an Verständnis über die Leistung anderer Projektbeteiligter;

x

Unterschiedliche Fachsprachen und Verhaltensusancen;

x

Mangel an Verantwortlichkeit an den Schnittstellen;

x

Habgier auf allen Projektseiten zum einseitigen Vorteil, der Schwächere wird erkennbar geschädigt;

x

Häufig akzeptierte Arbeitsüberlastung;

x

Kein „win-win“-Gedanke.

Abb. 4.27

Die sozialpsychologischen Inhalte fehlerhafter Projektarbeit (eigene Darstellung)

Die Analyse der Zusammenarbeit mit dem Kunden und die Betrachtung der Wirkung der erfolgten Interaktionen beim Bauen im Beschwerdemanagement sind im Marketing Teil einer ganzheitlichen Gestaltung der Beziehung zum Kunden hin. Es genügt nicht, das Kaufverhalten der Kunden zu analysieren und effizient Leistungen bereitzustellen. Im zunehmenden Wettbewerb gilt es, nachhaltige Beziehungen zum Kunden aufzubauen. Damit wird aus einer Kundenbeziehung „weit mehr als eine Folge einzelner Transaktionen“ (Gelbrich, Müller, 2006, S. 452). Die zunehmende Komplexität der Leistung und die Integration von Produkt und Service im Bauleistungsbündel bedingen in der Interaktion des Bauprozesses eine erhöhte Erklärungsbedürftigkeit, um beim Kunden den Abbau von Risiko zu erreichen und ihn beruhigt den Ablauf der Leistungserstellung betrachten zu lassen. Besonders die im Leistungsbündel hohe Unsicherheit des Kunden während der Auftragserteilung über das, was später folgen könnte, weist auf die Wichtigkeit der Vertrauensbeziehung zwischen Kunde und Bauunternehmen hin. Denn ohne Vertrauen wird im Bauablauf der Kunde die von ihm vielseitig empfundenen Unsicherheiten und Risiken durch Ersatzmaßnahmen in umfangreichen Transaktionen (komplexere Verträge, Gutachter, Anwälte, Formalismus) auszugleichen versuchen, die die Wirtschaftlichkeit des Bauens wesentlich behindern. Eine exakte Definition von Vertrauen (Sympathie x Kompetenz) erscheint aus sozialpsychologischer Sicht als schwierig. Die wesentlichsten Bestimmungsfaktoren liegen in Kontinuität und Verlässlichkeit, Fairness und Sicherheit, Stimmigkeit, Verständlichkeit und persönlicher Beziehung sowie fachlicher Kompetenz und Problemlösung (vgl. Belz et al., 1998, S. 74f). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das positive Verhältnis von Kunden und Bauunterneh-

171

men in den Vordergrund der Betrachtung zur Marktorientierung tritt (Geffroy, 1999b; Gründling, 1997). Vom Baustoff über das Produktionsgut zum Leistungsbündel und zum Systemgeschäft der Totalunternehmerschaft entwickelt sich die Kundenintegration in dem Prozess der Leistungserstellung immer intensiver (vgl. Belz et al., 1997, S. 96; Kleinaltenkamp, Fließ et al., 1996). Im Beziehungsmanagement werden deshalb die Gesamtheit aller Maßnahmen zur zielgerichteten Auswahl, Anbahnung, Abschluss und Controlling des Aufbaus von Beziehungen zu den wichtigsten Gesprächspartner, die weit über das persönliche atmosphärische Verhältnis der Menschen hinausgeht, gestaltet (vgl. Tomczak, 1994, S. 201; Diller, 1995, S. 286; Reichheld, 1997, S. 61). Das Beziehungsmanagement im Baubereich ist gezeichnet durch: x

die investive Ausrichtung; Die Geschäftsbeziehung ist für den Anbieter ein Investitionsgut.

x

die interaktive Ausrichtung; Das Verhalten der Geschäftspartner ist ein prozessuales Wechselspiel.

x

die integrative Ausrichtung; Die intensive miteinander verwobene Zusammenarbeit zwischen Bauunternehmen und Kunde ist zu gestalten mit dem Ziel optimaler Planungsabläufe.

die langfristige Ausprägung; Vielfältige Stufen der Beziehungen von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Ausbau zu einem dauerhaften Kundenverhältnis wirken nur langfristig. Gerade im BtoB-Bereich, mit der Fülle anscheinend objektiver Beschaffungskriterien, ist die intensive Betrachtung persönlicher Geschäftsbeziehungen und der sozialpsychologischen Komponenten in der Transaktion von großer Wichtigkeit (vgl. Gelbrich, Müller, 2006, S. 454): x

x

Kaufentscheidungen sind letztlich sehr stark emotional geprägt.

x

Kaufentscheide im Team werden geprägt von Engagement, Einfluss, Motivation und dem Verhältnis untereinander der einzelnen Mitarbeiter.

x

Persönliche Kontakte schaffen durch Vertrauensaufbau einen emotionalen Mehrwert.

x

Angebote von Leistungsbündeln bedürfen in der Beurteilung einer hohen Vertrauensbeziehung zum Kunden, die nur über Personen aufgebaut werden kann.

x

Private Beziehungen genießen höchste Akzeptanz bei Geschäftspartnern.

x

Kundenintegration wird umfassend nur durch persönliche Beziehung möglich.

x

Beschwerdemanagement ist nur im persönlichen Gespräch effizient.

Die Ziele des Beziehungsmanagements liegen deshalb in einem intensiven lang andauernden Verhältnis zum Kunden, das nur dann bestehen wird, wenn dieser mit der gelieferten Leistung nachhaltig aufgrund von ihm aufgestellter Kriterien sehr zufrieden ist (vgl. Töpfer, 1999a). Dann können aus diesem Zustand Folgegeschäfte erwachsen und die Abnahme eines Gebäudes wird nicht der Abschluss eines Geschäftsvorganges sondern der Beginn einer Beziehung zwischen Kunde und Lieferant sein. Langfristige Kundenbindung geht über die reine Gestal-

172

tung der aktuellen Beziehung hinaus und erfordert die Betrachtung von Kunden- und Produktlebenszyklen und einer Kundenwertanalyse (vgl. Winkelmann, 1997; Pepels, 1999b). Aus langfristigen Beziehungen lässt sich eine Fülle von positiven Elementen der Kundenbindung erarbeiten, sodass in vielen Fällen die Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen oder höheren Ertragschancen ermöglicht wird (vgl. Bleyer, 1993, S. 536). Nach der Analyse der NIÖ ist im Bauprojekt alles zu unternehmen, um die Transaktion zwischen Kunde und Lieferant (zwischen Principal und Agent) so einfach, so gering und so abgestimmt wie möglich abzuwickeln und um Kosten der Absicherung und der Konfliktbearbeitung so niedrig wie möglich zu halten. Je besser die einvernehmliche Verhaltensabstimmung verläuft, umso günstiger gestalten sich die Transaktionen und umso zufriedener ist der Kunde (vgl. Beck, 1997, S. 166). Die Bauerstellung in Kooperation und Anstrebung beidseitiger „win-win“-Situationen anstelle von Konfrontation und Konflikt beendet nicht das Konkurrenzverhältnis zwischen Kunde und Lieferant, aber es fördert hohe Qualität, kontinuierliche Verbesserung, bessere Erträge und eine hohe Kundenzufriedenheit. Kunde und Lieferant sind im Projekt durch die notwendige Interaktion aufeinander angewiesen. Ohne Partnerschaftlichkeit ist kein Projekterfolg erreichbar, oder wie könnte, um einen Vergleich der Medizin zu bringen, ein Ärzte/Schwester-Team einen kranken Patienten gesund pflegen ohne die Motivation, wohlwollende Mitarbeit und Hilfe des Patienten, der insoweit ihr Kunde ist (vgl. Hellard, 1993, S. 155)? Partnerschaft ist jedoch auf allen Stufen der Wertschöpfungskette nötig, nicht nur zwischen dem bestellenden Kunden und dem Generalunternehmer. Hohe Leistungsverbesserungen sind nur möglich durch bewusste Gestaltung der Lieferantenkette und des Eingehen einer „Systempartnerschaft“ (vgl. Kleinaltenkamp, 2000, S. 208; Cali, 1992, S. 97). Ein besonderes Beispiel bietet hier der Einzelhandel mit der integrierten Wertkette im „Efficient Consumer Response (ECR)“ (vgl. Renz, 1998, S. 33). Einheitliche Handlingprozeduren reduzieren wesentlich die Kosten für Kunde und Lieferant. Bis heute gibt es in der Wertschöpfungskette im Baubereich keine einheitlichen Lieferungsmodalitäten und keine einheitlichen Berichts- und Belegprozeduren unter den Lieferanten und Nachunternehmern. Partnering Die Probleme und dahinter stehenden Ursachen in der Projektdurchführung veranlassten Ende der achtziger Jahre das US Army Corps of Engineers zur Entwicklung des PartneringKonzepts mit dem Ziel, „to keep the industry out of the courts“ (Hellard, 1995, S. 100). Es ist seither im angelsächsischen Raum zunehmend zwischen Bauherren und Generalunternehmen verbreitet (vgl. Gralla, 1999, S. 272). Hauptaufgabe des Konzeptes ist es, die Beziehungen der Projektbeteiligten weg von der Gegnerschaft hin zu einer Kooperation mit gemeinsamen Zielfestlegungen zu führen. Dazu wird ein Prozess der Konfliktlösung installiert, der auf Vertrauen, gegenseitigem Respekt und einvernehmlicher Verpflichtung zur Zielerreichung basiert (vgl. O’Brian, 1997, S. 100f). Es wird eine freundliche, professionelle Atmosphäre benötigt, 173

in dem modernste Instrumente der Kommunikation und des Managements genutzt werden (vgl. Abudayyeh, 1994, S. 24). Partnering ist nach einer üblichen Definition (o. V., Construction Industry Institute, 1991, S. IV): “A long-term commitment between two or more organizations for the purpose of achieving specific business objectives by maximizing the effectiveness of each participant’s resources. The requires changing traditional relationships to a shared culture without regard to organizational boundaries. The relationship is based upon trust, dedication to common goals, and an understanding of each other’s individual expectations and values. Expected benefits include improved efficiency and cost effectiveness, increased opportunity for innovation, and the continuous improvement of quality products and services.” Der Kunde und der Lieferant gewinnen in einer solchen Zusammenarbeit durch Reduzierung der Beratungs-, Vertrags- und Transaktionskosten sowie der Streitfälle eine Basis für einvernehmliche ertragbringende Arbeit. PARTNERING Vertrauen, Respekt, Fairness, Gleichberechtigung, Offenheit

Eindeutiger Vertrag mit offener angemessener Risikoverteilung

Abb. 4.28

Gemeinsame Projektziele Zeit, Qualität, Kosten, Zusammenarbeit

Festgelegte KonfliktlösungsMethodik Problemlösung vor Ort

Kontinuierliche Verbesserung Jeder bringt sich ein Teilhabe am Erfolg „win-win“

Das Partnering-Konzept (Quelle: vgl. Chase, 1993, S. 145f)

Die Elemente des Partnering und ihrer Ausgestaltung gelten einerseits für ein konkretes Projekt, wirken aber bei erfolgreicher Umsetzung darüber langfristig hin zu einer erhöhten Kundenbindung. Partnering ist eine Arbeitsmethodik, die sicherstellt, dass Projekte konfliktärmer, kostengünstiger, schneller, qualitativ hochwertiger und damit für alle mit besserer Zufriedenheit abgewickelt werden (vgl. Hellard, 1995, S. 47 ff.; Fett, Beyer, 2003, S. 24).

174

Aufgaben im Partnering

Vor Baubeginn Ausbilden in Ziel und Methodik Einvernehmliche klare Zielbildung Einheitliche Führung Vermeidung von Streit Hohe Präsenz, klare Organisation Optimierung von Zeit, Kosten, Qualität Minimierung von Änderungen Minimierung des Schriftverkehrs Verteilung des Erfolges Lösung von Streit auf Baustelle ohne Dritte

Abb. 4.29

Nach Baubeginn Klare Kommunikation Konfliktlösung vor Ort ohne Dritte Permanente Zielkontrolle Teamarbeit Positive Zusammenarbeit mit internen Kunden und Nachunternehmern Kontinuierliche Verbesserung

Aufgaben im Partnering (eigene Darstellung)

Voraussetzung für ein Gelingen des Partnering ist eine einvernehmlich faire Vertragsgestaltung mit möglichst zweifelsfrei erschöpfender Leistungsfestlegung. Die strikte Trennung von Planung und Bauausführung sollte möglichst überwunden werden. Die Ziele des Partnering können nur in einer frühzeitigen Beteiligung des Bauunternehmens am Planungsprozess erreicht werden. Wesentliche Streitpunkte zwischen Kunde und Bauanbieter sind zusätzliche Forderungen von Bauunternehmen für nicht zutreffend beschriebene, falsch geplante Leistungen oder notwendige Änderungen vergessener oder unvollkommener Planungsinhalte, den sog. Nachträgen oder Claims. Sie werden in großem Maße vermieden, wenn der Bauausführende frühzeitig – auch in der Planung – einbezogen wird. Dort, wo der Kundenwunsch im Projektstadium noch nicht ganz oder nur zum Teil abgeklärt ist, lassen sich mit dem aus dem Partnering abgeleiteten Verfahren des „Garantierten Maximalpreises“ sehr fair die Risiken auf die Vertragsparteien verteilen (vgl. Kapellmann, 2001, S. 31; Cadez, 2000, S. 20; Heilford, 2004). Partnering hat nachweislich für Kunden wie Bauunternehmen nutzenstiftende Wirkung. Durch den Wegfall des Streitpotenzials und der nicht leistungsnotwendigen Transaktionszeiten und -kosten, sowie gleichberechtigten Austausch aller Informationen sind Ersparnisse von bis zu 50% messbar (vgl. Egan-Report, 1998, S. 9). Die Methoden des Partnering sind auch im Verhältnis des Generalunternehmers zu seinen Nachunternehmern gleichermaßen einsetzbar. Die zunehmende Fokussierung der Bauunternehmensprozesse auf Kernkompetenzen und das Outsourcing von Betriebsabteilungen verlangt ohnehin neue Formen der Zusammenarbeit mit den Lieferanten. Hier kann der Baubereich von der Gestaltung des „Keiretsu-System“ von Toyota lernen (vgl. Imai, 1996, S. 24, 256). In ihm werden die Lieferanten zu einer Kette zusammengefasst mit dem einigenden Ziel, an der Position der Endmontage im Automobilwerk das richtige Teil in optimaler Qualität und Menge bereitzustellen. Seither wurden besonders in der Metall- und Elektroindustrie 175

vielfältige Instrumente zur Gestaltung partnerschaftlicher prozessorientierter Kooperationen unter Nachunternehmern im „Supply-Chain-Management (SCM)“ gestaltet (vgl. Kuhn, Hellingrath, 2002, S. 23). Das hier beschriebene „Partnering-Modell“ ist optimal geeignet, Teil eines solchen SCM-Modells für Nachunternehmer im Baubereich zu werden und wird in der Methodik der „Lean Construction“ intensiv genutzt (siehe Kapitel 4.2.2.2). 4.1.2.6 Kommunikation mit dem Kunden Wenn die Wichtigkeit der Beziehungen zwischen den Geschäftspartnern hervorgehoben und hierbei bisher die Gestaltung dieser Beziehungen und besonders das Partnering beschrieben wurde, wird nun besonders auf die Kommunikation in dieser Interaktion zwischen Kunde und Anbieter eingegangen. Da die Beziehungen zwischen Menschen zumeist über verbale oder nonverbale Kommunikation verläuft, wird somit eine äußerst vielschichtige Informationsübertragung angesprochen. Diese muss nach Inhalt, Dauer, Zeitverlauf und Übertragungsmedium sehr sorgfältig gestaltet werden. Hierzu wird die vom Unternehmen ausgehende Kommunikation in Corporate Identity, Public Relations, Werbung und Markengestaltung betrachtet. Im Investitionsgüterbereich – wie dem BtoB-Bereich des Bauwesens – wird heute häufig noch davon ausgegangen, dass es im Vertrieb von Leistungsbündeln nur auf technische Leistungsfähigkeit, die Darstellung objektiver Fakten und den Preis ankomme. Kommunikation erschöpft sich bisher demzufolge vornehmlich in Anzeigen von Bauzeitschriften, im Austausch von Prospekten, im Internetauftritt oder durch persönliche Kundenansprache. Die Wirklichkeit im Baumarkt zeigt sich wesentlich differenzierter. Nachfrager von investiven Bauleistungen, seien es einzelne Personen oder Entscheidergruppen, fällen ihre Kaufentscheidung nach einer Vielzahl von Gründen, bei denen die sozialpsychologischen Eindrücke zu den wichtigsten zählen. Sie werden in der Entscheidungsbildung – bei gleichwertigem technologischem Angebot der Baufirmen – allen anderen Entscheidungsvariablen vorangehen. Den entscheidenden Kunden ist dabei dieser Wirkmechanismus wenig bekannt. Zumeist wird eine gefühlsmäßige Entscheidung im Beschaffungsprozess im Nachhinein durch entsprechend ausgerichtete fachlich technologische Begründungen unterstrichen, um die „Ernsthaftigkeit“ der Entscheidungsfindung zu beweisen. Bei Bauleistungen als Leistungsbündel weiß der Kunde wenig über den Prozess der Projekterstellung und jene Probleme, die auf ihn in der Bauphase zukommen können. Die Immaterialität und die Integrativität der Dienstleistungsbereiche des Leistungsbündels sowie die Abhängigkeit der Bauarbeit von vielen externen Einflüssen verunsichern den Kunden und lassen ihn zweifeln an der Richtigkeit seiner Beschaffungsentscheidung. Darüber hinaus ist er häufig latent unsicher, ob – soweit diese beauftragt wurde – er wegen der hohen Spezialität seiner Baunachfrage einen kompetenten Beratenden Ingenieur hinzugezogen hat und ob seine Ausschreibung einen wirksamen Wettbewerb erzeugt hat (vgl. Engelhardt et al., 1993, S. 421). Diese Unsicherheiten können auch als konkrete Wahrnehmung eines Risikos beschrieben werden. Dieses Risiko setzt sich aus unklaren Produkt- und Leistungserstellungsdetails sowie 176

einer unsicheren Einschätzung der handelnden Persönlichkeiten zusammen. Der Kunde versucht in solcher Situation generell eine risikoreduzierende Strategie zu verfolgen (vgl. v. Rosenstiel, Ewald, 1979, S. 99). Dabei wird er einerseits erhöhte vertragliche Absicherung suchen, andererseits wird er sich verstärkt in seiner Kaufentscheidung darauf verlassen, ob das Bild, das er von dem Bauunternehmen hat und die Signale, die es aussendet, seinen Erwartungen entspricht und dadurch bei ihm Vertrauen aufgebaut wird. Die in Kapitel 4.1.2.5 beschriebenen Probleme in der häufig strittigen Projektdurchführung zeigen, dass es offensichtlich auch in der Kommunikation zwischen den am Bau beteiligten Parteien mangelt. Obwohl der Bauablauf eine hohe Interaktion zwischen Produzent und Kunde verlangt, wird in der baubetriebswirtschaftlichen Literatur und auch auf den meisten Baustellen das Problem optimaler Kommunikation ignoriert. Im Marketing versteht sich Kommunikation als Summe aller Maßnahmen zur Gestaltung und Verbreitung von Information mit dem Ziel, Aufmerksamkeit, Erinnerung und Kaufunterstützung sowie eine positive Stimmung während der Nutzung beim Kunden zu schaffen. Kommunikation zielt auf direkte Wirkung im Verkaufsvorgang hin oder auf die indirekte Wirkung einer langfristigen Verhaltens- bzw. Empfindungsänderung (vgl. Meffert, 2000, S. 694; Backhaus, 2003, S. 405). Der Prozess der Kommunikation wird in Komponenten gemäß der „Lasswell-Formel“ zerlegt: Wer sagt was über welchen Kanal zu wem mit welcher Auswirkung (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 884)? Bekanntheit erhöhen Image verändern

Erschließung neuer Zielgruppen Unterstützung Absatzhelfer

Einstellung verändern Hemmfaktoren abbauen Vertrauen entwickeln Motivation aufbauen Kaufabsicht entstehen lassen

Intensivierung vorh. Zielgruppen Produktdifferenzierung Neupositionierung Partnering gestalten Beziehungsmanagement leben Bauprojekte spannungsfrei durchführen

Abb. 4.30

Ziele der Unternehmenskommunikation (eigene Darstellung)

Dabei entsteht in der indirekten Kommunikation kein direkter Kontakt zwischen sendenden Unternehmen und empfangenden Kunden (Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Medieneinsatz), während es in der direkten Kommunikation zu einem persönlichen oder durch Medien unterstützten direkten Kontakt zwischen den Menschen auf Anbieter- und Kundenseite kommt (Beziehungsmanagement, Partnering, Vertrieb). Die Wirkung von Kommunikation verläuft vom Sender über ein Medium zum Empfänger. Auf diesem Weg sind vielfältige Störungen und Förderungen denkbar, zumal verschiedene Menschen sehr unterschiedliche Wahrnehmungsvermögen haben. Der Empfänger nimmt im-

177

mer nur einen Teil der Informationen auf, dabei hängt die Qualität der Übertragung davon ab, ob: x

der Empfänger in der zur Verfügung stehenden Zeit alles aufnehmen kann – Sprache, Fühlen, Riechen, Sehen;

x

die Information auf bekannte Erfahrungen stößt oder sie sich erst neue Erlebniswelten schaffen muss, um wahrgenommen zu werden;

x

dem Empfänger Gelegenheit zur Interaktion zum Sender gegeben wird zur Klärung, Verifizierung und Verstärkung der Information;

x

der Empfänger bereit ist zu einem Empfang.

Hieraus folgt zwingend, dass der Umfang und die Wirkung von Kommunikation vom Kunden als Empfänger aus gedacht und gestaltet werden muss. Zur zielgerichteten Kommunikation sind die Einflussfaktoren zwischen Sender und Empfänger sorgfältig zu analysieren, da sie sich gegenseitig bedingen, verstärken oder schwächen können. Die Wirkung hängt von den beteiligten Personen, der Sendequalität, der Art der fraglichen Situation sowie der Kommunikationsträger und -mittel ab (vgl. Töpfer, 2005, S. 608). Für die Gestaltung der wertorientierten Unternehmensführung beschränkt sich diese Arbeit vor allem auf die Betrachtung jener Kommunikationsbereiche, die wesentlich auf die Probleme im Bauablauf wirken und besonders auf die Aspekte der NIÖ Einfluss nehmen. Unkenntnis über das Baugeschehen, Unsicherheit über zugesicherte Abläufe, notwendige Interaktionen mit vielen Spezialisten und komplexe Abläufe bedingen beim Kunden hohe Risikopotenziale, Vertrauensängste und Sicherheitsbedürfnisse. Signale und Austausch unter Menschen, also Kommunikation, ist das wichtigste Instrument, die Disparitäten zwischen den Vertragsparteien auszugleichen und überhaupt Marktorientierung herzustellen.

178

Unternehmen Corporate Identity

direkte Kommunikation

indirekte Kommunikation Kommunikationsinstrumente

Werbung Corporate Design Direkte/Indirekte Werbung Printmedien Medien / Internet Außenwerbung Gestaltung der Baustellen

Abb. 4.31

Verkaufsförderung

Öffentlichkeitsarbeit Public Relations(PR) Sponsoring Event-Marketing CorporateCommunication Publikationen für Kunde / Mitarbeiter

Verkaufshilfen, -prospekte Messen Präsentationen Internet

Marke

Markenstrategie Markenführung

Kommunikation im Unternehmen (eigene Darstellung)

Der Leistungsaustausch ist ganz wesentlich abhängig vom Vertrauen der Parteien untereinander. Dies gilt besonders im Baubereich mit dem langfristigen Projektgeschäft, in dem sehr viel mehr kommunikativer Austausch unter den Geschäftspartnern als in fast allen anderen Wirtschaftszweigen nötig ist. Vertrauen bilden Menschen am schnellsten, wenn von ihnen als glaubwürdig angenommene Dritte entsprechende Empfehlungen geben (Referenzen) (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 903). Vertrauen wird auch gebildet und gefestigt im persönlichen Umgang der Vertragsparteien untereinander und in der Art, dem Umfang und der Wahrhaftigkeit der betriebenen Kommunikation, besonders während der Zeit der Leistungserbringung. 4.1.2.6.1

Corporate Identity

Betrachten wir im Jahre 2006 in Deutschland eine Baustelle als sichtbarstes Zeichen der Aktivität eines Bauunternehmens, so sieht diese fast immer gleich aus: Eingerahmt von wenig solide wirkenden Umzäunungen, beklebt mit unterschiedlichsten Beschilderungen und in den Freiflächen gestaltet mit eher zufälliger und sehr unordentlicher Lagerung. Der bildhafte Gesamteindruck für den unbeteiligten Dritten ist wenig vertrauensweckend. Empfindungen von Sauberkeit, Perfektion und planvollem Handeln stellen sich nicht ein. Die Unternehmensidentität oder corporate identity (CI) beschreibt als Orientierungsrahmen die Art und Weise, wie das Unternehmen nach innen und außen im Verhalten zum Markt und den Menschen in Erscheinung tritt im Bezug auf Erscheinungsbild (Design) und Auftritt, Leitbild und Führungsverhalten (Behavior), Kommunikation (Communication) und Marke

179

(Branding). Corporate Identity ist die Grundlage der Kommunikationspolitik und die Gesamtheit aller imagebildenden Aktionen eines Unternehmens mit den drei Schwerpunkten: x Vertrauen zu schaffen zum Kunden; x Wir-Bewusstsein zu schaffen für Mitarbeiter im Unternehmen (Führungsstil, Arbeitsbedingungen, Leitbild); x Kooperationsbewusstsein schaffen zu Lieferanten, Dienstleistern, Kapitalmarkt und öffentlichem Leben. Corporate Identity versucht das Erscheinungsbild und das Verhalten des Unternehmens einem einheitlichen Konzept unterzuordnen. Ausgehend von der vorhandenen Identität („Wer sind wir? Wie sieht man uns?“) kann in der Öffentlichkeit eine einheitliche gewünschte Zielidentität erschaffen werden, die dann später am Markt das Image des Unternehmens ausmacht (vgl. Winkelmann, 1999, S. 286). Dieses ist ein „Komplex von Gefühlen, Sachinformationen und Handlungsabsichten“ (Heller, 1998, S. 13). Image verbindet Leistung, Produkterlebnis und Unternehmensverhalten mit Anmutungsgehalten, Eindrucksqualitäten und Ausdruckscharakteren und bedeutet somit die Herstellung von Erlebniszusammenhängen zwischen Tatbeständen, die zunächst kaum zusammengehören (vgl. Gutjahr, Keller, 2002, S. 85f). Diese sozialpsychologischen Aspekte des Images entwickeln sich am Markt und beim Kunden bewusst und unbewusst. Image steuert die Wahrnehmung und die Interpretation der empfangenen Informationen beim Kunden. Es ist damit wichtigster Katalysator für die Kommunikation zwischen anbietendem Bauunternehmen und nachfragendem Kunden. Bei einer Befragung ergab sich, dass bei bewusstem Einsatz von Corporate Identity bei 60% der befragten Unternehmen eine nachhaltige Steigerung von Umsatz, Ertrag und Marktanteilen zu verzeichnen gewesen ist und bei 85% der befragten Unternehmen, die CI intensiver nutzten, eine Steigerung der Mitarbeitermotivation eintrat (vgl. Stark, Gomolka, 1993, S. 89). Um die Ansätze der NIÖ in den Beziehungen Principal-Agent und bei den Transaktionskosten positiv zu gestalten, ist es sinnvoll zur Entsprechung der Erwartungshaltungen der wichtigsten Kundenzielgruppen ein spezifisches Erscheinungsbild des betreffenden Bauunternehmens als grundlegende Leistungsstärke zum Markt hin zu kommunizieren. Diese CI kann dann in der Sicht des Kunden z. B. für das entsprechende Bauunternehmen folgende mögliche Attribute nach außen tragen: Perfekt, warmherzig, freundlich, detailverliebt, arrogant, überheblich, altmodisch usw. Corporate Identity hat nur dann eine optimale Wirkung, wenn das dargestellte Bild der Praxis der Arbeit im Unternehmen und zum Kunden weitgehend entspricht. Corporate Identity verstärkt dann dieses Bild, wenn es der gewünschten Einstellung des Kunden über sein „problemlösendes Bauunternehmen“ nahe kommt. Deshalb wird die bewusste Gestaltung der Corporate Identity und ihre Durchdringung nach innen und außen danach trachten, das Eigen- und Fremdbild des Unternehmens einheitlich positiv zu verändern, die Unternehmensidentität zum gewünschten Ziel hin zu gestalten und die Meinungsbildung der Öffentlichkeit positiv anzuregen (vgl. Willumeid, Heike, 1991, S. 271).

180

Abb. 4.32

Mögliche Wirkung der Corporate Identity von Bauunternehmen (eigene Darstellung)

CI umfasst alle Kommunikationswege im Unternehmen nach innen wie nach außen hin gerichtet. Dies gilt besonders in der Außenwirkung für die Gestaltung der – für den Kunden zumeist zugänglich – Baustelle. Die dortige Lagerung und Produktionsablauf geben einen ersten tiefen Einblick in die Art der Vertragserfüllung zum Kunden und sind wichtiger Teil des CI. 4.1.2.6.2

Werbung / PR

Werbung umfasst alle gestalteten Auftritte des Unternehmens im Marktumfeld und zielt durch den Einsatz von Medien (Print, Radio, TV, Internet) darauf, beim möglichen Kunden Verhaltensweisen im Sinne der Vertriebsziele des anbietenden Unternehmens zu erzeugen. Während in der Konsumgüterindustrie Werbung zumeist indirekt verläuft, erfolgt sie im Investitionsgüterbereich des Bauwesens sehr stark in der direkten Verbindung zum Kunden, der zumeist auch personell (siehe Buying Circle) bekannt ist. Werbung erschöpft sich bei den meisten Bauanbietern auch 2006 noch in der Gestaltung von Briefpapier und Firmenschildern usw. Die üblichen Werbebudgets liegen weit unter einem Prozent des Firmenumsatzes und werden selbst bei börsennotierten Baukonzernen nicht gesondert ausgewiesen, während in sonstigen Industrien Werbeaufwendungen üblicherweise höher als zehn Prozent vom Umsatz liegen. Zentrale Elemente der Werbung sind: x

Die Gestaltung des bildnerischen Auftritts, des corporate design, und seine Umsetzung in allen auf den Kunden ausgerichteten Aktivitäten der Kommunikation;

x

Die Umsetzung der geplanten Werbemaßnahmen nach Inhalt, Zielgruppe, Marktumfeld, Medien und Umfang;

x

Die planmäßige Gestaltung eines Unternehmensimage in der Öffentlichkeit durch PR. 181

WERBUNG / PR Werbezielgruppe Werbeobjekt (Position des beworbenen Produktes) Werbebotschaft (Nutzenversprechen und -beweis) Werbeidee und Werbemotiv / -verpackung Werbemittel und -gestaltung Werbezeitpunkt und -ort / -region Werbeerfolgskontrolle Public Relations intern extern Kunden Öffentlichkeit

Abb. 4.33

CORPORATE DESIGN Logo, Geschäftspapiere, Farbe, Schrift Claim / Merkspruch Beschriftung / Gestaltung von Autos und Baugeräten Arbeitskleidung Baustellengestaltung allgemeine Präsentation zum Kunden und zu Interessierten Anzeigengestaltung Präsentationsmittel Internetportal

Elemente von Werbung und Corporate Design (eigene Darstellung)

Werbung ist zentrales Hilfsmittel zur Bildung einer CI und zum Aufbau einer Vertrauensbeziehung zum Kunden. Es muss nach Umfang und Einsatzort intensiv genutzt werden, um eine Marktorientierung zu sichern. Neben dem Einsatz von Print- oder IT-Elementen sind eine Vielzahl von Kundenveranstaltungen denkbar (Messen, Schulungen, Referenzbaustellen, Musterräume, virtuelle Bauabläufe), um den Kunden Informationen zukommen und Vertrauen entwickeln zu lassen. Sie sind in der sonstigen Investitionsgüterindustrie häufig gebraucht. Der Einsatz gilt gleichlautend für die Nutzung der Werbung in der Verkaufsförderung und im Vertrieb. Ein Sondergebiet der Werbung ist die Öffentlichkeitsarbeit oder „Public-Relations“ (PR). In ihr werden Unternehmensinformationen bewusst gestaltet und so in den Medien platziert, dass sie vom Kunden als Teil einer – als seriös und wahr eingeschätzten – Nachricht empfunden werden. Die Bereitschaft der Kunden, diese Nachricht als objektiven Tatbestand hinzunehmen ist sehr hoch. Damit ist „PR“ eine vielfach effektivere Kommunikation als die reine Werbebotschaft (vgl. Marhold, 1996, S. 16, Meffert, 1998, S. 704). PR wird bisher von Bauunternehmen zumeist in Fachzeitschriften genutzt und erreicht hier maximal die Beratenden Ingenieure als Absatzhelfer. Direkt auf den Kunden wirkende PR wird fast nur von den börsennotierten drei größten Bauunternehmen gemacht, wobei es dort primär dient zur Förderung der Investors Relations und nicht so sehr der Kundenansprache. PR ist also heute im Baubereich ein viel zu wenig genutztes Mittel der Kundenkommunikation. Dies ist umso unverständlicher, als gerade PR für den Leser des Printmediums eine höhere Glaubwürdigkeit besitzt als die übliche Prospektwerbung. Werbung und CI sind deshalb wichtige Bausteine für Baubetriebe, ihre Leistungsfähigkeit darzulegen und die vielfältigen Einschätzungen der Kunden zu beeinflussen mit dem Ziel, sich aus dem Wettbewerb herauszuheben. Der ungenügende Aufbau einer alles durchdringenden CI und ihre Verbreitung durch Werbung und PR führt zu einer Austauschbarkeit des Angebotes der einzelnen Bauunternehmung.

182

4.1.2.6.3

Marke

Wenn Kunden im gegenwärtigen Baumarkt primär ihre Kaufentscheidung nach dem günstigsten Preis ausrichten und letztlich alle Parteien im Bauprozess mit der Leistungserstellung unzufrieden sind, stellt sich wie an anderen Stellen dieser Arbeit auch hier die Frage, warum die Baubetriebe in der Kommunikation zum Kunden es nicht schaffen, ihre Besonderheit und Unverwechselbarkeit zu vermitteln. Gerade die NIÖ hat gezeigt, dass der Kunde aufgrund der Informationsasymmetrie, der Risikoempfindung und des Mangels an Vertrauen Signale zum Abbau dieser Disparitäten sucht, um seine Transaktionskosten so gering wie möglich zu gestalten. Während im Bauzuliefermarkt z. B. die Firmen Caterpillar, Liebherr, Hilti, Doka, Schüco, Halfen für jeweils umfassende Nutzenbündel in ihrem Anwendungsgebiet stehen, gibt es ähnliches bei Bauunternehmen in gesamtheitlich positiver Ausrichtung bisher nicht. Zwar stehen die Firmen Züblin, Hochtief, Strabag usw. für gewisse – zumeist unbestimmte – Kompetenzen für Großprojekte (> 100 Mio. €). Das Erscheinungsbild dieser Unternehmen ist aber zumeist so diffus und in sich gegensätzlich, dass es nicht für die Erfüllung umfassender Kundenanforderungen steht und somit im Verkauf eine besondere Präferenz mit höheren Preisspielräumen eröffnet. Wenn nun einerseits die technologischen Unterschiede zwischen den Anbietern am Baumarkt sich immer mehr angleichen und andererseits festgestellt werden muss, dass die Entscheider vielfältigen Informationsproblemen einer sich zum Teil widersprechenden Kriterienvielfalt und mancherlei Abstimmungsproblemen im Entscheidungsteam unterliegen, ist zu fragen, was der Anbieter tun kann, um diese Informationsfülle zu fokussieren, um sein eigenes Leistungsversprechen in den Vordergrund zu rücken? Wenn der Kunde bei seiner Auswahl am liebsten ein klares alles umfassendes Kennzeichen für Qualität, Vertrauen und die Zusicherung der von ihm erwarteten Eigenschaften wünscht, so bietet ihm die „Marke“ dieses Kennzeichen. In ihr wird das benötigte vielfältige Nutzenbündel mit positiver Ausprägung der einzelnen Elemente kommuniziert. Es wirkt auf alle Einflussgrößen der Entscheidung und richtet den Angebotsinhalt des Anbieters beim Kunden mit einer spezifischen Wort/Bild-Kombination aus. Der Kunde empfindet bei der Entscheidung für diese Marke, dass sie in aller Abgewogenheit seine Vorstellungen in der Investitionsentscheidung am besten erfüllt. Dabei entsteht diese Empfindung im großen Teil unbewusst, aber sie wirkt besonders positiv und intensiv auf Vertrauensängste und Risikoeinschätzungen und bestätigt die Glaubwürdigkeit des Anbieters (vgl. Aaker, 2004, S. 78). Die Marke, die weit über die Firma bzw. den Unternehmensnamen hinausgeht, ermöglicht mit ihrem Bild, ihrem Werbeauftritt und der von ihr vermittelten Botschaft in dem mit ihr erlebten Umfeld einen Wirkungsbezug zu zukünftig erwarteten Erlebnissen. Die Marke ist ein beim Entscheider „verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild eines Produktes oder einer Dienstleistung. ...die markierte Leistung wird dabei über einen längeren Zeitraum in gleichartigem Auftritt und Qualität angeboten“ (vgl. Meffert, 2000, S. 847). 183

Betrachten wir erneut die Aspekte der NIÖ und werden uns den Entscheidungsproblemen der Kunden im BtoB-Geschäft des Baumarktes mit seinen hohen Investitionen zu. In den letzten Jahren haben nun eine Vielzahl von Untersuchungen das Entscheidungsverhalten von Führungskräften in Unternehmungen als Nachfrager von BtoB-Leistungen näher betrachtet (Weidner, 2002, S. 102). Führungskräfte streben danach häufig eine Vielzahl z. T. sogar konkurrierender Ziele an, weil die von der gekauften Leistung zu lösenden Probleme umfangreich sind und sich zudem über den Zeitablauf der Entscheidungsfindung oftmals verändern können. Daneben stehen die Entscheider häufig während des Kaufprozesses unter Zeitdruck und sind innerhalb ihrer Unternehmenshierarchie ängstlich, Fehler zu machen. Deshalb erfolgt eine Investitionsentscheidung zumeist nicht nach klarer rational abgewogener Beurteilung. Dies gilt umso mehr, wenn die Entscheidungsvariablen sehr umfangreich sind und die Entscheidung selbst im multipersonalen Buying-Center gefällt wird. Das Verhalten der Gruppenmitglieder untereinander, ihre fachliche und soziale Hierarchie und die offen festgelegten oder unterschwellig wirkenden Verhaltens- und Entscheidungsnormen beeinflussen wesentlich die Investitionsentscheidung (vgl. Miller, Heimann, 1999, S. 165). Entscheider brauchen Informationen und Wissen für die Entscheidung. Verbunden mit dem Erfahrungsschatz der Betroffenen bildet sich bei ihnen eine vorgeprägte Einstellung zum Kauf, noch bevor der Kaufprozess begonnen hat. In diesem Entscheidungsprozess müssen die Kaufentscheider eine Vorstellung vom gewünschten Zustand, also dem gewünschten Bauunternehmen, entwickeln. Da im Baubereich die Einflussgrößen so umfangreich sind, werden die Entscheider die Komplexität reduzieren und wichtige Bereiche nach Rangfolge auswählen. Deren Festlegung erfolgt nur zum Teil in rationaler Überlegung und strenger Kausalität, sondern diese hängt auch sehr stark von zufälligen Ereignissen ab, wie z. B. auf die Entscheider einwirkenden psychosozialen Einflussgrößen (vgl. Herrmann, 2000, S. 116). Damit ist die Entscheidung intensiv von den Verhaltensprägungen der Führungskräfte und ihren Vorstellungen von dem Problem und den erwarteten Lösungen beeinflusst. Auf ihrer Basis wird das sich anbietende Bauunternehmen geprüft und die „subjektiv wahrgenommene Eignung“ des Unternehmens „zur Befriedigung einer Motivation“ untersucht (vgl. KroeberRiel, Weinberg, 2003, S. 169). Üblicherweise geht diese Prüfung auf verfestigte und gespeicherte Ansichten der Entscheider zurück. Will also z. B. der Kunde eine termingerechte perfekte Bauabwicklung einkaufen (das ist seine Motivation), so meint er zu wissen, dass Fa. XY dafür besonders geeignet ist (das ist seine gespeicherte Leistungsbeurteilung). Diese Ziel- und Mittelbeurteilung zeigt die Möglichkeit der Beeinflussung der hinter der Entscheidung stehenden Einstellung. Der Anbieter muss beim Kunden die Details des Bedürfnisses herausarbeiten (Angst vor Mängeln, Angst vor Zeitüberschreitung usw.) und dann vermitteln, dass die von ihm, dem spezifischen Anbieter, angebotene Leistung besonders geeignet ist, das Bedürfnis zu befriedigen. Diese Prägung von Einstellungen ist besonders wichtig, wenn beide bereits vorab als Vertragsparteien positive Erfahrungen hatten. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Ent184

scheider ein für ihn positiv eingeschätztes Bauunternehmen zur Risikominderung unbewusst präferiert, indem er bei Zweifeln in der Kaufentscheidung sich der hinter dem Unternehmen aus früheren Erlebnissen bekannten Leistung erinnert und die Entscheidung für den fraglichen Bewerber bevorzugt. Eine ihm weniger bekannte Firma wird er im Kaufprozess weniger beachten (vgl. Kroeber-Riel, Weinberg, 2003, S. 185). Ein Anbieter von Bauleistungen wird üblicherweise primär versuchen, den Kunden mit Informationen zu überzeugen. Erfahrungen und Einstellungen eines Kunden bilden sich aus direkt und indirekt empfangenen Informationen und werden innerhalb eines Werte- und Zielsystems gebildet. Die Informationssuche und -beurteilung kostet den Entscheider Zeit und bedroht sogar eventuell von ihm vorgeprägte Vorstellungen für die Entscheidung. Es genügt deshalb nicht, Leistungsangebote objektiv und in klarer Information anzubieten, sondern das Angebot muss so zum Kunden kommuniziert werden, dass die wesentlichen Angebotsinhalte und Vorteile schnell wahrgenommen werden können, den Kunden in seinen Empfindungen beeinflussen und gewünschte Informationen, Vertrauensinhalte und Risikobegrenzungen zumindest dem Anschein nach vermitteln. Genau hier setzt die Bildung einer Marke als umfassendes Zeichen für alle vom Kunden erwarteten Attribute der Leistung an. Der Beginn der Markenbildung liegt im Namen des Anbieters, seiner angebotenen Leistung und ihrer Spezifikation. Namen und Begriffe stehen zuerst für Identifikation, Differenzierung und Zuordnung (vgl. Heller, 1998, S. 29). „A brand is the consumer’s idea of a product“ (David Ogilvy). Eine Marke sollte zu Beginn der Kommunikationsstrategie folgende Eigenschaften besitzen (vgl. Berry, Lefkowith, 1989, S. 14): x Unterscheidbarkeit (vom Wettbewerb, von anderen Leistungen); x Relevanz (Art und Leistung); x Einprägsamkeit (leicht verständlich und verwendbar, unverwechselbar); Daneben muss der Markenname nicht so sehr die Eigentümerstruktur des Unternehmens darlegen, sondern die Empfindungswelt des Kunden treffen (vgl. Ries, Trout, 1990, S. 116). Da der Kunde für die Marke des Bauanbieters eine Vorstellung vielfältiger grundsätzlicher Eigenschaften entwickelt, ist sie für ihn das Erkennungszeichen einer spezifischen Leistung bestätigter Erlebnisse. Somit ermöglicht die Marke, je nach erfahrener Kommunikation und persönlicher Erfahrung (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 736; Meffert, Koers, 2001, S. 295): x eine Identifikation mit einer erfahrenen Leistung; x eine Orientierung an erlebten Maßstäben; x ein Vertrauen infolge Bekanntheit, Reputation und Referenz; x den Beweis von Kompetenz, Sicherheit und Qualität; x die Erfüllung von Image und Prestige. Die Marke ist somit ein Wertindikator. Sie beschreibt die Leistung mit der innewohnenden Identität. Dies ist der Gebrauchswert, eine Fülle von durch die Käufer beigelegten Attributen und den vom einzelnen Käufer empfundenen individuellen Werten entsprechend seiner Einstellungen (vgl. Kapferer, 1992, S. 10). Diese Wertungsebene beschreibt auch die Bedeutung 185

in der Entscheidungsphase des Käufers. Die Attraktivität der Marke, ihre Marktbedeutung aufgrund der Leistungsfähigkeit des anbietenden Bauunternehmens und ihre Einordnung im Wettbewerb kann deshalb wesentlich sein für die Entwicklung von Sympathie beim Käufer zum Leistungsversprechen des Anbieters (vgl. Herrmann, 1999, S. 148). Eine Markengestaltung und -bildung ist nur wirksam, wenn sie sehr sorgfältig, kontinuierlich und langandauernd durchgeführt und insbesondere auf die Erlebniswelt der Zielgruppe und ihres Entscheidungsverhaltens abgestimmt wird (vgl. Wangen, 1993, S.180; Whiteley, Hessau, 1996, S. 200). Nur bei einer solchen sorgfältigen Gestaltung wird sich aus den zahlreichen Elementen eines Markeninhaltes langfristig ein Markenimage bilden. In sonstigen Industrien – auch im Bauzuliefererbereich – stehen Firmen mit ihren Marken für bestimmte und dennoch umfassende Nutzenbündel und versprochene Eigenschaften. Im Baumarkt ist außerhalb Deutschlands Entsprechendes zu finden. Die Ausrichtung amerikanischer Baubetriebe auf spezifische umfassende Kompetenzen inkl. aller notwendigen Dienstleistungen (vgl. ENR-Sourcebook) zeigen die Möglichkeiten einer Markenbildung. Profilierung und Differenzierung vom Wettbewerb Transport der Corporate Identity Kundenbindung Marktdifferenzierung und -segmentierung Preisdifferenzierung Loyalität des Kunden Absatzförderung

Abb. 4.34

Ziele der Markenpolitik (Quelle: nach Meffert, 2000, S. 848)

Angesichts des zunehmenden Dienstleistungsanteils im Leistungsbündel von Bauleistungen und dem gleichzeitigen Problem der Kunden, rational Entscheidungsrisiken zu beurteilen, ist also auch für Bauunternehmen eine unverwechselbare Identität mittels einer Marke unerlässlich - „as a mental representation of reality“ (vgl. Staffelbach, 1988, S. 283). Diese Identität wirkt langfristig, denn die Kaufentscheider „wissen die Sicherheit und Stabilität der Marke zu schätzen und bleiben ihr treu, wenn sie einen emotionalen Zusatznutzen empfinden“ im Rahmen einer subjektiv empfundenen zielgerichteten Differenzierung des Leistungsversprechens des Bauunternehmens (vgl. Mei-Pochtler, 1998, S. 674). Damit werden bei Schaffung einer Marke bzw. besonderen Markierung der Bauleistung eines wertorientiert geführten Unternehmens die in Abb. 4.34 beschriebenen Zielsetzungen erreicht und wesentliche Problembereiche der NIÖ gemindert. Da besonders der Entscheidungsprozess bei der Auftragserteilung für Bauinvestitionen sehr kurzfristig verläuft (d 3 Monate), wird eine umfassende vom Anbieter kommende Informationsmenge nicht ausreichen, langfristige Meinungsbilder des Käufers zu verändern. Die Marke aber, für spezifische Nutzenbündel stehend, kann im Entscheidungsfall sehr schnell die Fülle der Erwartungen des Kun186

den ansprechen, ihn positiv beeinflussen, Vertrauen erwecken und Risiken mindern. Darüber hinaus wirkt sie – ist die Markierung fest verankert – langfristig als Leistungsempfinden, das der Kunde von dem Unternehmen hat. Soweit in einer Vergabeentscheidung für Bauleistungen ein Anbieter eine Marke mit positivem Nutzenversprechen nicht bietet, wird der Kunde, zweifelnd, risikoscheu und unter Entscheidungsdruck stehend, eher die ihm vertraute oder ihm geeignete Marke wählen. Diese Präferenz eröffnet dem Markenunternehmen messbar zusätzliche Verkaufspotenziale bis hin zur Durchsetzung höherer Preisforderungen als die des Wettbewerbes. Auch wirkt sich eine Marke stabilisierend bei kurzfristigen Leistungsschwächen des Anbieters aus und ist positive Hilfe, wenn das Bauunternehmen unter der Marke neue evtl. noch unerprobte Leistungsangebote platzieren will. Damit wirkt eine Marke auf die in den Ansätzen der NIÖ dargestellten Erwartungen der Kunden. Die Bildung einer Marke ist deshalb ein sehr wichtiger Teil der Kommunikation zum Baumarkt. Es sprengt den Rahmen dieser Arbeit, im Detail auf die wesentlichen Inhalte, der Führung und Fortentwicklung einer Marke einzugehen (vgl. Meffert, Walters, 1984, S. 26). Es soll hier nur auf einige bauspezifische Aspekte hingewiesen werden, die für eine dauerhafte Wertorientierung wichtig sind. Bauunternehmen erbringen zumeist eine Fülle verschiedener Bauwerke und Bauleistungsbündel im Gegensatz zu einem bestimmten Produkt in anderen Industrien. Die Markenbildung muss dieses berücksichtigen, indem sehr sorgfältig eine Positionierung der Marke durchdacht wird. Dabei ist vorab grundsätzlich zu klären, ob die Marke für eine spezifische Bauleistung (Kompetenz, Bauwerksart, Baudienstleistung) oder für das gesamte Leistungsspektrum eines Unternehmens steht (vgl. Esch, 2005b, S. 133, Becker, 2005, S. 386). Der Aufbau einer Marke enthält deshalb folgende Klärungen: 1. Soll eine Leistung in einer Einzelmarke oder Leistungsbündel in einer Dachmarke herausgehoben werden? 2. Gibt die Marke am relevanten Markt ausreichend Profilierungsmöglichkeit? 3. Ist die Marke auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichtbar und erscheint sie den Kunden relevant? 4. Wird die Marke mit ihrem Leistungs- und Nutzenversprechen vom Kunden subjektiv als etwas Herausgehobenes wahrgenommen? 5. Ist mit der Marke eine Abgrenzung zum Wettbewerb möglich? 6. Kann eine Marke langfristig beibehalten werden, um eine nachhaltige Wirkung zu sichern? 7. Kann der Inhalt der Marke die Identität des nutzenden Unternehmens darstellen und gleichzeitig die Wertvorstellungen der Kunden berücksichtigen? Diese Fragestellungen verknüpfen die Erlebniswelten der Kunden, die Nutzenangebote des entsprechenden Unternehmens mit nachhaltig am Markt erlebbaren Unterscheidungsmerkmalen zum Wettbewerb. Aus einer darauf folgenden Markenbildung entstehen zu spezi-

187

fischen Zielgruppen Markenbeziehungen, indem sie für bestimmte Kunden mit der Marke klare Wert- und Nutzenvorstellungen bilden. Diese werden in einer wohldurchdachten Markenführung langfristig gepflegt und gesichert. Dieses geschieht nach außen durch entsprechende Kommunikation und muss aber nach innen durch Übereinstimmung der Unternehmensleistung mit dem Markenversprechen gelebt werden. So wirksam eine gefestigte Markeneigenschaft in der Entscheidung im Wettbewerb beim Kunden zu Vorteilen führt, weil sie Vertrauen, Risikoarmut, Harmonie und positive Empfindung verstärkt, so vernichtend wirkt eine Diskrepanz zwischen der versprochenen Markenleistung und gelebter mangelhafter Unternehmensleistung. In diesem Falle sind nicht nur alle Kommunikationskosten verschwendet, sondern ist eine nachhaltige Verschlechterung der Marktposition nicht zu vermeiden. Markenbildung, -führung und -fortentwicklung werden von den hier dargestellten Kommunikations- und Analyseinstrumenten his hin zur Messung von Markenvorstellungen in einem Markencontrolling unterstützt. Die Verfahren sind besonders in der Konsumgüterindustrie erprobt und sind auch – nicht zuletzt wegen der viel häufigeren direkten Anbieter-KundenBeziehungen im Baubereich sehr gut nutzbar. 4.1.2.7 Vertrieb Das Marketinginstrument „Place/Distribution/Vertrieb“ wird in der BWL zumeist aus dem Blickwinkel der Konsumgüterindustrie betrachtet und beschreibt vornehmlich die Prozesse des Warenflusses, der Warenverteiler und der Einbindung der Absatzmittler (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 1074ff.; Meffert, 2000, S. 600). Diese Aufgaben sind im BtoB-Bereich des Bauwesens eher untergeordnet. Für den Vertrieb von Bauleistungen erscheinen Fragen über die Kundenidentifizierung, die spezifische Ausrichtung des Angebotes auf seine Wünsche, die intensiven Interaktionen mit dem Kunden sowie die Wirkung von Absatzhelfern als viel wichtiger (vgl. Belz, Bussmann, 2000, S. 24 ff.; Winkelmann, 1999). Bis in die jüngere Vergangenheit hinein sprach man im Baubereich weniger von „Vertrieb“, sondern eher von „Akquisition“ oder Auftragsbeschaffung (vgl. Wirth, 1985; Sommer, 1999; Arnold, 2002). Die Beschreibung von Vertriebsaktivitäten erschöpfte sich in den Erläuterungen, wie ein Verkaufsgespräch beim Bauherrn organisiert werden sollte. Erst die Geschäftserfolge in neuerer Zeit von Anbietern in Spezialsegmenten (Autohäuser, Parkhäuser, Einfamilienhäusern) mit gut strukturierten Vertriebsmannschaften lassen die Konzeption der Vertriebsaktivitäten in den Vordergrund treten. Erstes Beispiel hierfür war die Arbeit von Weng, der erstmals das Beschaffungsverhalten von Kunden – den „Bauherren“ – im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich untersucht hatte. Dabei wurde herausgefunden, dass die Kriterien, nach denen Nachfrager die Entscheidung der Vergabe von Bauleistungen fällen, von den Bauunternehmen zumeist falsch eingeschätzt werden. Meinen die Anbieter nach objektiven Kriterien ausgewählt worden zu sein, so beruhen in Wahrheit die Kaufentscheidungen der

188

Kunden von Bauleistungen zu 73% auf primär emotionalen Kriterien (vgl. Weng, 1995, S. 55). Eine wichtige Funktion bei den Kaufentscheidungen der Kunden nimmt der Beratende Ingenieur ein. Ist er am Beschaffungsprozess beteiligt, findet der direkte Kontakt vom Anbieter zum Kunden erst sehr spät statt. Eine Diskussion direkt mit dem Kunden über bauliche / technische Alternativen läuft kaum bzw. erst in der Vertragsverhandlung ab. Die Erweiterung der Sach- durch Dienstleistungen wird außerordentlich behindert. Der erste persönliche Kontakt zum Kunden ergibt sich zu 95% durch den Anbieter erst gegen Ende der Ausschreibungsphase, „in der dann der Preis als alleiniges Entscheidungskriterium seine volle Bedeutung ausspielt“ (Weng, 1995, S. 74, S. 117). Die Marktschrumpfung im Baubereich in Deutschland seit 1995 hat allerdings gezeigt, dass jene Firmen, die sich primär auf den Preiswettbewerb ausgerichtet haben, im Verlauf der Marktschrumpfung keine bessere Marktposition erringen konnten als jene Firmen, die differenzierten Strategien gefolgt sind. Wettbewerb, der sich allein auf günstige Preisangebote stützt, ist nicht nachhaltig erfolgreich. Wenn also 63% von befragten Bauunternehmen meinen, dass bei Einsatz eines Beratenden Ingenieurs die direkte Beratung des entscheidenden Kunden in der Ausschreibungsphase nicht die Auftragschance erhöht, so irren sie (vgl. Weng, 1995, S. 117). Selbst im Bereich öffentlicher Aufträge gibt es neben dem Preis eine große Fülle von Entscheidungsvariablen, die vielfältige Möglichkeiten für den optimalen Marktauftritt des Bauanbieters bieten. Es kommt mehr auf „konkrete vor dem Kauf beurteilbare Produkteigenschaften als auf die wahrgenommenen Fähigkeitspotenziale und die Reputation der anbietenden Unternehmen an“ (Burkhardt, zit. nach Weng, 1995, S. 185). Die andauernde Unzufriedenheit der Kunden (siehe Kapitel 3.2.1.1), die in den letzten Jahren stark steigenden Transaktionsschritte bei der Bauabwicklung (Berater, Rechtswerke usw.) und die mangelhaften Beziehungen zwischen den Bauvertragsparteien machen es unerlässlich, die Hinwendung zu dem eine Bauabsicht habenden Kunden anders als bisher zu gestalten. Unter der Voraussetzung der sorgfältigen Analyse des Kunden, der Gestaltung des Leistungsprogramms, der wohlüberlegten Zusammenarbeit und Beziehungspflege zum Kunden ist nun der Vertrieb das abschließende Instrument, um die Anforderungen, die besonders von den Ansätzen der NIÖ beeinflusst sind, zusammenzufassen, den Kaufabschluss herbeizuführen und hierbei Kaufkriterien wirken zu lassen, die neben der Preisfestlegung liegen. Es ist deshalb unerlässlich, zusätzlich zur Erzielung von Vorteilen bei Kosten und Leistungen auch Wettbewerbsvorteile im Vertrieb, in der Kundenbeziehung, in der Kommunikation und im Markenauftritt anzustreben. Gerade diese Wettbewerbsvorteile sind gegen von außen preisaggressiv auftretende Wettbewerber viel stabiler als die reinen Kostenvorteile (vgl. Hamel, Prahalat, 1986, S. 92). Betrachtet man den Marktauftritt eines Bauunternehmens von der ersten Kenntnis eines Bauwunsches bei einem Kunden bis zu einer möglichen Auftragserteilung (siehe Abb. 4.10), lassen sich über den Zeitablauf jene Marktpotenziale ermitteln, die durch ungenügende Ver189

triebsarbeit nicht ausgeschöpft wurden. Dies beginnt bei der völligen Unkenntnis vorhandener oder möglicher Bauwünsche – also den nicht erkannten Chancen – über eine mangelhafte Beurteilung am Markt vorhandener Bauwünsche und verläuft bis zum nicht professionell betriebenen und deshalb nicht erreichten Vertragsabschluss. Soweit Abb. 4.35 eine schematische Darstellung ist, so erscheinen dennoch die Größenordnungen zutreffend. Nur ca. 5% der für das Bauunternehmen erreichbaren Nachfrage erfasst dieses wirklich. Abb. 4.35 zeigt die Wirkung ungenügenden passiven Vertriebes des sog. „Bereitstellungsgewerbes“.

Marktpotenzial wird durch passiven Vertrieb nur in Bruchteilen ausgeschöpft

Chancen identifizieren

Anfragen

Identifiziertes Marktpotenzi al

Gesamtes Marktpotenzi al

Angebote erstellen

Projekte abschließen

Angebote

Objekte qualifizieren

Aufträge verloren verloren

Angebote, die abgelehnt wurden, weil Bauvorhaben, die keine Einflussmöglichselektiert werden keitauf Vergabeentscheidung besteht.

verloren

Folgen: - Preis ist dominantes Differenzierungsmerkmal -

Abb. 4.35

verloren

Bauvorhaben, die aufgrund des reaktiven Vertriebs nicht akquiriert wurden

Bauvorhaben, die aufgrund des passiven Vertriebs nicht identifiziert werden

möglich

Unausgeschöpfte Marktpotenziale (eigene Darstellung)

Will man also diese Passivität durchbrechen, bei dem das Marktpotenzial durch mangelhaften Vertrieb nur zu Bruchteilen genutzt wird, gilt es, die Aktivitäten des Bauunternehmens marktorientiert systematisch auf den Kunden, seine Bedürfnisse, die Absatzbedingungen, die Ansprüche der NIÖ und den Wettbewerb in einem überlegt strukturierten Vertriebssystem auszurichten. Die Basis eines spezifischen Vertriebssystems liegt in der grundlegenden Analyse aller Aspekte des Marketings, wie sie bis heute im Baubereich wenig beachtet werden: 1. Wer sind die Kunden und welche Kunden passen zum Leistungsangebot des Unternehmens? 190

2. Welches sind die grundlegenden Bedürfnisse der Kunden mit welchem Leistungsprogramm? 3. Inwieweit hilft die Segmentierung der Kunden dem Vertriebsauftritt? 4. Nach welchen Kriterien wird die Marktsegmentierung durchgeführt? 5. Wie wird die Marktbearbeitung zwischen den einzelnen Segmenten differenziert und welche Interaktion ist zum Kunden hin nötig? 6. Wie kann Kundenbindung betrieben werden, bei welchem Kunden wird sie angestrebt? 7. Mit welchen Instrumenten/Ressourcen wird Kundenbindung betrieben?

Diese Betrachtungen zeigen, dass der Vertrieb an der Schnittstelle zwischen Bauunternehmen und Kunden Sprachrohr des einen beim anderen und umgekehrt sein muss. Die Mitarbeiter des Vertriebs müssen für den Kunden Partner, Problemlöser und Koordinator zu dem vom ihm vertretenen Unternehmen sein und gleichzeitig die Absatzbemühungen des Baubetriebes sichern (vgl. Winkelmann, 1999, S. 225; Nielen, 1996). Damit wächst der Vertrieb über das Anbahnen und Organisieren des eigentlichen Kaufprozesses hinaus und ist über den gesamten Lebenszyklus der Kundenbeziehung für den Kunden da (vgl. Meffert, 2000, S. 895; Brockelmann, 2000, S. 41). Damit erweitert sich die reine Verkaufstätigkeit des Vertriebs zu einem ausgefeilten Kundenbeziehungsmanagement (also Customer-Relationship-Management, kurz CRM) (vgl. Diller, 1995; Tomczak, 1994) über den Zyklus der Beziehung zwischen Kunde und Bauunternehmen im einzelnen Bauprojekt (siehe Abb. 4.37) wie über die ganze Geschäftsbeziehung über Jahre hinweg.

Entwicklung von Angeboten Kundenanalyse Marketing-MixPentagon

Vertrieb KAM CRM

Kundenbindung Kunden- / Rückgewinnung

Begleitung beim Bauprozess Nutzung unterstützen Aus Erfahrungen mit Kunden lernen Analyse Wettbewerb, neue Leistungen

Abb. 4.36

Der Kreislauf des Customer-Relationship-Management (CRM) (eigene Darstellung)

191

Gute Kundenbeziehungen führen erst dann zu wiederholter Nachfrage, wenn sie entsprechend den Aufgaben des CRM nachhaltig gestaltet und positiv gepflegt werden. Es erfordert systematische Arbeit und konstantes Investment, um die unterschiedlichen Ziele des CRM über die verschiedenen Kunden, ihre Preis- und Nutzenvorstellungen, die Wettbewerbssituation und die sich über die Jahre verändernden Produktionsfähigkeiten möglichst umfassend zu erreichen. Kundenbezogene Ziele: - Individualisierung der Kundenansprache - Hohe Kundenzufriedenheit und Kundenbindung - Erkennen von Kundentrends, bessere Beratung, höhere Leistungstransparenz - Erhöhung Neukunden- und Wiederkaufsrate - Mehr Cross-Selling Prozessorientierte Ziele: - Schnellere Prozesse durch vereinfachte Termin- und Aktivitätenabläufe - Einfachere und wirksamere Kommunikation - bessere Erfolgskontrolle Informationsorientierte Ziele: - Aufbau eines Vertriebsinformationssystems (VIS) - Umfassende Datenerhebung, -pflege und -analyse

Abb. 4.37

Ziele des Customer – Relationship – Management (CRM) (eigene Darstellung)

Ein besonders wichtiger Aspekt der Ausrichtung des Vertriebs und der Durchführung des CRM liegt in den großen individuellen Einzelprojekten im BtoB-Bereich des Bauens begründet. Die Erarbeitung wettbewerbsfähiger Angebote nimmt wegen zunehmender Risiken aus niedrigen Preisen und komplexeren Bauprojekten immer mehr Zeit mit hohem Kostenaufwand in Anspruch. Es ist also unerlässlich, zur strukturierten Angebotsselektion eine eingehende Risikobewertung und Analyse der Beziehungsqualität zum nachfragenden Kunden durchzuführen, um eine Angebotserfolgsquote von 20% und höher zu erreichen. Niedrigere Quoten führen zu hohen Mehrkosten im Vertrieb, überproportionaler Belastung der Gemeinkosten und belasten empfindlich den Gesamtertrag des Bauunternehmens (vgl. Seefeldt, Pekrul, 2005b, S. 17). Die hier dargestellten Vertriebsdefizite, die unausgeschöpften Marktpotenziale und die umfassenden Anforderungen aus der Kundenbeziehung erfordern für eine wirkliche Marktorientierung viel mehr unternehmerische Aktivität, als es die sog. „Akquisition“ durch Führungskräfte und Kalkulatoren in heutigen Bauunternehmen darstellt. Beispiele aus der sonstigen Investitionsgüterindustrie, dem Bauzulieferbereich oder einzelnen Firmen in gesonderten Bausegmenten (Fa. Goldbeck-Bau, Fa. Vollack, Fa. Ofra) zeigen Lösungen zur Behebung dieser Mangelsituation. Das in den nachfolgenden Abbildungen dargestellte Vertriebssystem und seine Organisationsformen erfüllen die hier gestellten Anforderungen und sind eine mögliche Gestaltung eines baubetrieblichen Vertriebs, dessen Prozesse nun der Gestaltung bedürfen. 192

Abb. 4.38

Vertriebssystem einer Bauunternehmung (eigene Darstellung)

Für den Erfolg eines Vertriebes ist es wichtig zu klären, wie dieser sich nach Leistungsangeboten, Regionen, Kundenzielsegmenten oder nach besonders wichtigen Kunden ausrichtet. Individualität und Hinwendung zum einzelnen Kunden verbunden mit der Wirtschaftlichkeit der Durchführung entscheidet über die optimale kundenorientierte Vertriebslösung (vgl. Gündling, 1997, S. 23, 209; Sherman, Justus, Arena, 1997, S. 20). Maßstab der nach Abb. 4.39 gewählten Organisation wird primär der Vertriebserfolg sein.

Regionen

Produkten / Leistungen

Zielgruppen

Kunden

Organisationsform

Regionalorganisation

Produktgruppenorganisation

Geschäftsfeldorganisation

Schlüsselkundenorganisation

Vorteile

optimales GebietsManagement

hohes ProduktKnow-how

hohe Branchenkompetenz

hohe Kundenkompetenz

geringe Rüst- und Reisezeiten

hohe Anwendungskompetenz

klares ZielgruppenManagement

ganzheitlicheBetreuung

geringe Produkt-/ Branchenkompetenz

hohe Rüst- und Reisezeiten

hohe Rüst- und Reisezeiten

hohe Rüst- und Reisezeiten

ggfs. hohe Strukturkosten (bei Niederlassungen)

geringe Kunden-

geringe Produkt-

fehlende regionale

kompetenz

kompetenz

Nähe

Wohnungsbau Kleingewerbe-

Parkhäuser Sporthallen

Kühlhäuser Logistikzentren

Großindustrie Nachfrage

Umbauten im Einzelhandel

Telekomanlagen bundesweit

Nachteile

Beispiele

betriebsstätten

Abb. 4.39

Mögliche Vertriebsorganisationen für unterschiedliche Segmente im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

193

Vertriebsprozess Das gewählte Vertriebssystem wird nun durch konkrete Prozessschritte betrieblich ausgestaltet werden müssen. Zentrales Maß werden die Ansprüche des Kunden sein, wie sie grundlegend mit Hilfe der Ansätze der NIÖ formuliert werden können. Wesentlich sind also aus Sicht des Kunden Informationsbedürfnisse, Risikobetrachtungen, Ablaufprozesse und die daraus abgeleiteten Bedingungen und scheinbar notwendigen Transaktionen und ihre mögliche Optimierung. Im BtoB-Bereich der Investitionsentscheider kann eine Vertriebspräsentation nur wirken, wenn sie diese Anforderungen, die Wettbewerbslage und die Multipersonalität des Entscheiders beachtet (vgl. Engelmann, 1992). Als Gegenüber zum „Buying Center“ beim Kunden sind im anbietenden Unternehmen eine Vielzahl von Personen mit dem Vertrieb beschäftigt. „Selling Teams“ sind funktionsübergreifende Gruppen, die je nach Objektgröße, Leistungsbereich und Kunde zusammengestellt werden (vgl. Huckemann, Bußmann, 2000, S. 126) und können bestehen aus: x

Vertriebsingenieur;

x

Finanzkaufmann;

x

Produktingenieur;

x

Versicherungsspezialist;

x

Kalkulatoren;

x

x

Arbeitsvorbereiter;

x

Projektingenieur;

Key-AccountVerantwortliche Marketing;

x

aus

dem

Profit-Center-Leiter als Projektverantwortlicher.

Buying- und Selling-Center sind im Vertriebsprozess an verschiedensten Stellen in Interaktion. Es ist für den Vertriebserfolg wichtig, alle Möglichkeiten des Kontaktes in diesen Interaktionen genauestens zu betrachten, um diese Kontaktstellen näher nach Zielgruppe, Einzelkunde und Leistungsangebot zu betrachten (Schifferer, 2001, S. 104). Dabei kann die Darstellung eines „Sales Cycle“ hilfreich sein (vgl. Mauch, 1990, S. 16). In ihm sind die möglichen Kundenkontaktstellen beschrieben, für die nun der betroffene Vertriebsmit-arbeiter nach Leistungsangebot und Anforderung des Kunden eine effektive und effiziente Vertriebsarbeit gestaltet kann (vgl. Große Oetringhaus, 1990, S. 8; Huckmann, Bußmann, 2000, S. 12; Dannenberg, 2001).

194

Abb. 4.40

Modell eines Sales Cycle im Baubereich (eigene Darstellung)

Es ist offensichtlich, dass ein sorgfältiger, systematischer und vorausschauend geplanter Vertriebsprozess eine völlig andere Wirkungsdimension für das Bauunternehmen hat als die des reaktiven Bearbeitens von zufällig zugesandten Leistungsverzeichnissen oder die Nutzung vorhandener zufälliger regionaler Kontakte. Allerdings bedarf es zu seiner Bearbeitung eines hohen Aufwands durch die strenge Analyse der zu bearbeitenden Objekte, deren intensivere kostenträchtigere Bearbeitung in einer Vertriebssystematik sich nur rechnet, wenn der Vertriebserfolg später entsprechend höher wäre (vgl. Miller, Heiman, 1999, S. 218). Vertrieblicher Auftritt zum einzelnen Kunden bündelt sich im Gesamtunternehmen zu einem durchdachten Vertriebskonzept. Es verbindet alle Aspekte der Marktorientierung und richtet es auf vorhandene bekannte Kunden oder Neukunden aus. 195

Marketing- / Vertriebsanalysen Kundenbedürfnis Selektion / Segmentierung Sollkunden Basisvertrieb mit: vorh. Kunden vorh. Produkten

Unternehmensanalyse Vertriebssystem Kundennähe-Buying Center KAM Vertriebsstrategien, Leistungsprogramm, Innovation, Sondervorschläge, Kooperation

Vertriebskonzept

Vertriebsinstrumente, Werbung, Schulung Kundenintegration Absatzhelfer (Architekt)

Neugeschäft mit: Neukunden Marktanteilsgewinn Cross-Selling anderer Produkte Neuprodukteinführung Bedarfsweckung mit neuen Lösungen

Vertriebspersonal, Vertriebs-Informations-System CRM, Selling-Center Vertriebsprozess, Taktik, Techniken, Abschluss

Abb. 4.41

Vertriebskonzept für den Baubereich (eigene Darstellung)

Beispielhaft seien einzelne Aspekte der Aufgabenstellungen zu Abb. 4.41 dargestellt: 1. Die Erarbeitung der Sollkunden erfordert eine umfangreiche Analyse der Passung des Leistungsprogramms auf das Kundensegment und danach Suche und Qualifizierung der möglichen Kunden. Angeschlossen muss ein Besuchsprogramm inkl. Vertriebscontrolling sein, um eine Sollkundensegmentierung praktisch im Vertriebserfolge umsetzen zu können. 2. Vertriebliche Kooperationen können sehr hilfreich sein, wenn Lieferanten anderer Investitionsgüter beim gleichen Kundensegment verkaufen (z. B. bei Herstellern von Laboreinrichtungen, Lackieranlagen, Lagersystemen usw.). 3. Wenn der Bauanbieter die langfristige Geschäftsstrategie eines Kunden kennt, kann er integrativ frühzeitig Ideen entwickeln für günstige Bau- und Finanzierungslösungen, ohne dass ein Wettbewerber Kenntnis davon erlangt. Auch wenn am Baumarkt heute das Ausfüllen vorgegebener Leistungsverzeichnisse und die Diskussion über den Preis noch die vorherrschende Vertriebsarbeit ist, muss ein strukturiertes Auftreten innerhalb eines Vertriebsprozesses beginnen mit der Darstellung des zu bietenden Mehrwert bzw. des gebotenen Nutzenergebnisses für den Kunden, um am Wettbewerb auf die vielfältigen Leistungsunterschiede der Anbieter hinzuweisen. Dabei muss für den Kunden eine klar erkennbare Ursache-Wirkungsbeziehung hergestellt werden. Wie viel Mehr-Wert für den Kunden bringt das Bauunternehmen in die Geschäftsbeziehung ein und wie viel Vorteile 196

und Nutzen in konkreten Empfindungen oder messbaren Ergebnissen wird daraus der Kunde erfahren? Nur ein solches positives Verhältnis zum anbietenden Bauunternehmen kann den Kunden dazu bringen, abweichend von der „billigsten“ Offerte sich für den Anbieter zu entscheiden (vgl. Detroy, 2004; Geffroy, 1999; Fett, 2000). Die Umsetzung von Vertriebskonzepten erfordert qualifiziertes Vertriebspersonal. Da dieses wegen der Erklärungsbedürftigkeit des angebotenen Leistungsbündels fast zwingend Bauingenieure sein müssen, bedarf es eines intensiven Schulungsaufwandes, um diesen Personenkreis von der primären Preis und Technologieorientierung wegzuführen hin zu den Vorteilen an Mehrwert- und Zusatznutzen und den Anforderungen der NIÖ, den eine spezielle Baulösung dem Kunden bieten könnte. Es muss unbedingt der Fehler vermieden werden, eine „Diffusion der Angebotsabwicklung zuzulassen, bei der die Projektierungsaufgabe der Konstruktionseinheit des Produktionsbereiches“ zugeordnet wird und das Verkaufen den Kaufleuten obliegt. (Frese, Hüsch, 1992, S. 192). Statt gesamtheitlichen Nutzen zu bieten würde eine solche Trennung in der Qualifikation der Vertriebsmitarbeiter zur Aufgliederung des Angebotes führen und wieder die reine Preisdiskussion in den Vordergrund schieben. Ein besonderer Aspekt der Vertriebsarbeit ergibt sich durch Nutzung von Vertriebspartnern. Diese können im Bereich der Beratenden Ingenieure, bei Kooperationspartner anderer die Bauleistung ergänzender Industrien oder in speziellen Vertriebs- oder Maklerorganisationen zu finden sein. Es darf nicht vergessen werden, dass diese Partner und ihre Handlungen auch den Gesetzmäßigkeiten der NIÖ unterliegen und somit weitere Stufen von Informationsasymmetrien, Transaktionsschritten und zusätzlichen Risiken aus möglicherweise nicht abgestimmten Verkaufszusagen entstehen können (vgl. Töpfer, 2005, S. 872). Die sich laufend in ihrer Personalzusammensetzung verändernden Buying Center bedingen zur Beherrschung der mannigfaltigen Informationen und ihrer Analyse eines ausgefeilten Vertriebs-Informations-Systems (VIS) auf Datenbanklösung, um beliebige Verknüpfungen von Daten im Vertriebsprozess herstellen und somit konkrete Unterstützung für die einzelnen Aufgaben im Vertrieb bieten zu können (vgl. Winkelmann, 1999, S. 229; Marhold et al., 1992, S. 28; Glazer, 2000, S. 33; Gündling, 1997, S. 240). Da viele Anbieter von Bauleistungen eine größere Leistungsbreite über das einzelne Projekt hinaus haben, ist es mit Hilfe von VIS möglich, einen effizienten Vertrieb auch von anderen Bauleistungen für den gleichen Kunden zu gestalten – das Cross-Selling. Beschaffungsstrategien des einkaufenden Kunden können hier allerdings konträr wirken. So kann es einerseits erfolgreich sein, sich auf langjährig eingeführte einzelne Bauleistungen zu beschränken und diese nicht durch weitere Angebote in ihrem Erfolg zu gefährden, wie es andererseits ertragreich sein kann, dem Kunden bisher unbekannte Leistungsangebote durch langjährig gepflegte Kontakte zum Einkauf näher zu bringen und zu verkaufen (vgl. Homburg, Schäfer, 2000, S. 38). Vertriebsaktivitäten sind kostenintensive Leistungen, die zumeist weit über jene Aufwändungen hinausgehen, die ein Bauunternehmen in Deutschland im Jahre 2006 üblicherweise für

197

die „Akquisition“ ausgibt. Dafür müssen sie wie andere Wertschöpfungsprozesse einem intensiven Controlling (Planen, Messen, Regeln, Steuern) unterworfen werden. Eine verursachungsgerechte Kostenzurechnung im Rahmen einer Prozesskostenrechnung ist unerlässlich, um die Wirksamkeit der Vertriebsaufwendungen je Vertriebsprozess prüfen zu können. Es muss dabei – aufgrund der Interaktion zwischen Menschen – darauf geachtet werden, dass die quantitative Messung von Vertriebsaktivitäten ergänzt wird durch eine zusätzliche differenzierte Betrachtungen der Art und Qualität der Interaktion zum Kunden (vgl. Homburg, 1994a, S. 4; Fisser, Esser, 1998, S. 50; Homburg, Daum, 1997). Intensive Kundenbesuche, eine hohe Anzahl von Kundenanfragen und ein guter Kundenmix ist zwar ein wichtiger Gradmesser für Vertriebsproduktivität. Aber erst die hohe Anzahl von Angeboten, die auch letztlich zu Aufträgen führen, zeigt die richtige Vertriebseffizienz. Sie ist nur möglich bei einer hohen Qualität der Vertriebsarbeit, der Optimierung technischer Lösungen, der Beurteilung der Erfolgschancen bei den Mitarbeitern des Kunden und eines gut durchstrukturierten analytischen Verkaufsauftritts. Vertrieb ist nicht zuletzt die Fähigkeit, andere Menschen von der eigenen Position zu überzeugen. Eine Fähigkeit, die sich dem Controlling nur sehr schwer erschließt (vgl. Mende, Stier, 2002, S. 105). Wenn einerseits die Komplexität von Bauleistungen durch den Umfang des Leistungsbündels immer mehr zunimmt und die technischen Aspekte unter den konkurrierenden Bauanbietern nicht so unterschiedlich sind, erfolgen die Kaufentscheidungen beim später nutzenden Kunden aus immer individuelleren Gründen. Die marktorientierte Unternehmensführung bietet mit ihren umfassenden Kommunikations- und Vertriebsmethoden den wertorientiert geführten Bauunternehmen in seiner Branche eine große Anzahl von Möglichkeiten, den Anforderungen der NIÖ zu entsprechen, sich vom Wettbewerb abzuheben, Preisspielräume zu erkämpfen und den Kunden von ganz spezifischen Nutzenbündeln zu überzeugen. Dazu müssen die Informationsasymmetrien gemindert werden, Risiken erkennbar verteilt und Vertrauen für den gemeinsamen Bauprozess aufgebaut werden. Dieses geht nur im intensiven Vertriebsprozess unter Berücksichtigung von CRM. Die Kommunikation mit dem Kunden ist ein wesentliches Element dieser Marktorientierung und bietet dem Bauunternehmen – auch im schrumpfenden Baumarkt – viele Handlungsalternativen, die bisher einzeln oder in ihrem Zusammenwirken kaum genutzt wurden. Key-Account-System In vielen Bereichen des BtoB machen die anbietenden Unternehmen mit wenigen Kunden den größten Teil ihres Umsatzes. Im Baubereich kommt – außerhalb des Einfamilienhausbaus – hinzu, dass im BtoB-Bereich durch das Einkaufsvolumen des einzelnen Bauprojektes die Kaufentscheidung beim einzelnen Kunden außerordentlich wichtig ist und zumeist langwierig und komplex verläuft. Große Bauvolumina und die bedeutende Wirkung von Referenzkunden zwingen deshalb die Unternehmen dazu, sich diesen Groß- oder Schlüsselkunden als KeyAccount besonders zu widmen (vgl. Belz, Senn, 1995; Palloks, Kahlen, 2001, S. 526). Sie 198

haben besondere Informationsbedürfnisse, speziellere Risikoempfindungen und äußerst ausgefeilte – oft auch bürokratisch strukturierte – Transaktionsabläufe. Die Gestaltung des Marketing und die spezielle Ausrichtung des Unternehmens zu diesen Schlüsselkunden nennt man Key-Account-Management (KAM) (vgl. Götz, 1995; Sidow, 2000; Drosten, 1998) mit den nachfolgenden Hauptwirkungen: x

Umfassenden frühzeitigen Informationsaustausch lange vor Planungsbeginn;

x

Mengendegressionseffekte durch hohe Verkaufsmenge (gleichartige Bauten für Großkunden);

x

Dauerhafte Absatzmöglichkeiten zu größeren Kunden;

x

Geringe Vertriebsaufwendungen pro Umsatz;

x

Entwicklungspartnerschaften für günstigere Baulösungen;

x

Bessere Durchdringung und langfristige Bindung des Kunden mit verschiedenen Bauleistungen aus einem breiteren Sortiment / Cross-Selling;

x

Stärkere Kundenbindung durch Weitergabe von Kostenvorteilen;

x

Intensivere Koordination des gesamten Leistungsprozesses auf die Probleme des Key-Accounts hin mit Abstimmung der Wertschöpfungsketten zwischen Kunden und Bauunternehmen;

x

Verbesserung der Wettbewerbspositionen durch enge Kundenintegration;

x

Bekannte Risiko-Verteilungen;

x

Bekannte Transaktions-Prozesse.

KAM wirkt im Bauunternehmen, als ob die für spezifische Schlüsselkunden zuständigen Vertriebsmitarbeiter dessen Anwalt im Betrieb sind und interne Probleme bei der Versorgung des Kunden schnellstmöglich beheben oder helfen zu beseitigen (vgl. Diller, 1993, S. 6; Plinke, Fließ, 1991, S. 104). Durch den zentralen KAM-Mitarbeiter („one face to the customer“) wird eine systematische und umfassende Betreuung des Kunden angestrebt, der alle kundenbetreffenden Aktivitäten in einer Stelle bündelt und zum Kunden kommuniziert und so die Anforderungen aus der NIÖ positiv gestaltet. Durch die optimale „Schaffung und Nutzung von Informationspotenzialen“ wird die Basis zur Erzielung beiderseitiger Erfolge, den sog. „winwin“-Beziehungen gelegt (vgl. Götz, 1995, S. 123). In sog. Kompetenzcentern oder z. B. den Spezialabteilungen für Kaufhausbau bei der Fa. Bilfinger und Berger oder für Kraftwerksbau bei der Fa. Hochtief zeigen sich solche Möglichkeiten.

199

Ziele

Bestimm ungsfaktor „Kunde“

y

Anpassung der Struktur der Vertriebsorganisation an Kundenbedürfnisse

y

Ergebnisorientierte Steuerung des Vertriebs

Kundenentwicklung /Trends

Kundenpotentiale

Kundenstrukturen / -bedürfnisse

Einflussmöglichkeiten auf den Absatz pro Kunde

etc. .

Optimierung

Optim ierungsfelder

„Kundenorientiertes Ergebnis“

Abb. 4.42

Organisation des Key-AccountManagement

Aufgaben für Key-AccountManager

Anzahl der Mitarbeiter

Aktivitätsmöglichkeiten

Zeitbedarf pro Kunde

Besuchshäufigkeit pro Kunde

etc.

O ptim ale G ewichtung der Aktivitäten und des Mitteleinsatzes nach Kunden

Kunden- und Vertriebsanalysen bilden die Basis für Implementierung eines effizienten KeyAccount-Managements (Quelle: Stengel; Wandel,1993, S. 438)

Die Schaffung eines KAM in einem funktional organisierten Bauunternehmen ist allerdings nicht leicht. Die Zusammenfassung aller Kontakte zum Key-Account in einer Vertriebsstelle durchbricht die zumeist übliche Organisation (nach Regionen oder Produkten) und schafft somit neu zu gestaltende Schnittstellen. Da neben den Schlüsselkunden im Unternehmen eine Vielzahl weiterer Kunden herkömmlich betreut werden müssen, wird evtl. ein zweistufiger Vertrieb entstehen, der sorgfältig gegeneinander abgegrenzt sein muss (vgl. Knetsch, 1988, S. 103; Belz, Senn, 1995, S. 46ff). Hier hat sich im Anlagenbau die Hinwendung des Unternehmens zum Kunden durch überschaubare Profit-Center bewährt, die so arbeiten wie kleine Unternehmen mit ihren wenigen Kunden (Gaitanides, Diller, 1989, S. 192). In diesen überschaubaren Einheiten kann Kundenorientierung gelebt werden und ist dennoch genügende fachliche Kompetenz gegeben, um im Profit-Center wie im Gesamtunternehmen das für den Kunden Notwendige umzusetzen (vgl. Rieker, 1993, S. 362; Ludwig, 1996, S. 180). Bisher ist KAM im Baubetrieb eher eine Ausnahme. Wegen der hohen bauspezifischen Individualität der Bauwerke sollten die Mitarbeiter im Key-Account qualifizierte Bauingenieure sein, die eng mit den Ingenieuren in Planung und Ausführung zusammenarbeiten müssen, um ganzheitlich für den Kunden eine erstklassige Leistung darzustellen (vgl. Gruner et al., 1997, S. 238). 200

Absatzwegepolitik Der Absatzweg vom Bauunternehmen zum Kunden als Investor kann im Baubereich verschiedene Ausprägungen haben (vgl. Winkelmann, 1999, S. 217). Im Direktvertrieb entsteht ein direkter Kontakt zwischen Hersteller und Kunde in den Bereichen Business-to-Consumer (Bauleistung für Eigenheimbesitzer) oder Business-to-Business (Bauleistungen für Institutionen). Im indirekten Vertrieb übernehmen Absatzmittler das Eigentum an dem vom Bauanbieter hergestellten Produkt und verkaufen es an den Endnutzer weiter (z. B. bei Bauträgern, Leasinggesellschaften). Diese Absatzmittler entscheiden den Kauf nach Kriterien, wie sie zwar im BtoB-Bereich üblich sind. Diese unterscheiden sich aber oft wesentlich von jenen der Endnutzer. Dies muss in den Vertriebsbemühungen berücksichtigt werden. Eine besondere Ausprägung erfährt dieses, soweit der Endnutzer in der Kaufentscheidung auch noch beteiligt ist (wie z. B. häufig im Leasing). Einen besonderen Einfluss auf die Absatzwegepolitik haben Absatzhelfer. Bei Bauinvestitionen verfügen die Kunden oft nicht über die Fachkunde zur Konzipierung des Bauprojektes, der Beurteilung der Angebote und der Durchführung des Beschaffungsvorganges. Beratende Ingenieure unterstützen deshalb den Kunden bei der Investition und beeinflussen die Kaufentscheidung wesentlich. Zum Teil sieht der Kunde sie als Treuhänder und sie werden als Teil des Buying-Centers des Kunden angesehen (vgl. Pepels, 1999a, S. 304; Backhaus, 2003, S. 484). Beratende Ingenieure haben durch ihre dauernde Arbeit im Baubereich oftmals darüber hinaus eine größere Marktkenntnis auf der Beschaffungsseite von Bauleistungen als ihre Kunden (vgl. Kotler, Bliemel, 2001, S. 1075). Entsprechend des Einflusses der Beratenden Ingenieure auf den Kunden führt dies für den Anbieter zu zwei verschiedenen Möglichkeiten eines optimalen Umgangs mit diesen Absatzhelfern (vgl. Meffert, 2000, S. 605): x

In der Anpassungs- oder Kooperationsstrategie folgt der Anbieter den vom Absatzhelfer gesetzten Regeln (festgelegte Vergabeverfahren, vorgegebene Technik / Planung und Vertragswesen) und arbeitet wohlwollend mit ihm zusammen in der Hoffnung auf Unterstützung bei der Auftragsvergabe. In der Vertriebsansprache wird der Absatzhelfer einerseits Teil des Kunden, andererseits sind gesonderte Marketingstrategien nötig, um den Absatzhelfer zu unterstützen und ihn zu überzeugen, dass dieser Anbieter die beste Wahl ist.

x

In der Umgehungsstrategie wird dagegen bewusst auf eine Kooperation mit dem Absatzhelfer verzichtet. Vielmehr versucht man, ihn zu umgehen und ausschließlich direkt mit dem Kunden zu einem Kaufabschluss zu kommen. Dies kann sinnvoll sein, wenn der Absatzhelfer einen geringen Einfluss hat oder in der Beschaffung gar nicht beteiligt ist. Die Umgehungsstrategie bietet für den Anbieter mehr direkten Gestaltungsraum in der vertrieblichen Ausrichtung auf den Kunden. Da aber der Absatzhelfer seinerzeit seine Kundenbeziehung erhalten will, wird er die Umgehung seiner Po-

201

sition zu verhindern suchen. Dies kann bis zum Ausschluss jenes Anbieters aus dem Wettbewerb führen, der den Absatzhelfer umgehen will. In den letzten Jahren ist am deutschen Baumarkt der Einfluss der Beratenden Ingenieure in der Kaufentscheidung der Kunden geringer geworden. Ihre z. T. fehlende Spezialisierung und Fähigkeit, Projekte umfassend zu steuern sowie die Bereitschaft der Bauunternehmen, als Generalunternehmer aufzutreten, hat dazu geführt, dass Bauunternehmen im Vertrieb sich zunehmend direkt an den Kunden wenden können. Diese Direktansprache wird dann nur noch ergänzt von unterstützenden Maßnahmen für Beratende Ingenieure. Eine neue Entwicklung in der Absatzwegepolitik ergibt sich durch die Anwendung des „eCommerce“. Die Kontaktherstellung über das Internet zwischen Anbieter und Kunden schafft für beide Teilnehmer am Markt einen viel größeren Marktzugang, viel umfassendere und schnellere Informationen und völlig neue Verfahren, um zu Geschäftsabschlüssen zu kommen (im sog. E-Procurement). Chancen und Risiken von e-Commerce Kostengünstiger Vertrieb

besserer Marktzugang für Wettbewerber

guter Marktzugang, bessere Marktdurchdringung Kunde kann zeitlich unbegrenzt informiert werden

größere Transparenz der angebotenen Leistung

Service-Erhöhung

Schnellere Vergleichbarkeit

Vertriebsprozess ist stärker standardisierbar

Ohne persönlichen Kontakt kein transparentes Buying-Center

Präzise Steuerung der Produktinformation Schwierige Preisverhandlung; kaum PreisdifferenzieBeschleunigung der Bearbeitungsprozesse / Rekla- rung möglich mationen / Nachbestellung (Veränderung der ErwarVerlust der Kundenbindung durch Anonymisierung tungshaltung des Kunden) und vermeintliche Vergleichbarkeit Mehr Cross-Selling möglich Markenstärke wird wichtiger als lokale sachfremde Verbindungen

Abb. 4.43

Chancen und Risiken von e-Commerce (eigene Darstellung)

E-Commerce beschleunigt die Entscheidungsvorbereitung von Investitionen im Baubereich wesentlich, es beginnt auch die Entscheidung selbst zu verändern. Je mehr Bauleistungen funktional ausgeschrieben werden und damit eine detaillierte technologische Beurteilung von Einzelleistungen entfallen, umso eher erscheint es möglich, dass die Vergabe von Bauleistungen auf elektronischem Wege im sog. e-bidding oder elektronischem Versteigerungsverfahren geschieht. Versuche in Großunternehmen wie Daimler Chrysler AG und Bayer AG zeigen die Möglichkeiten und Risiken auf. Einerseits eröffnen sich für den Versteigerer weitere Preisreduzierungschancen, andererseits erhöhen sich für ihn die Risiken, wenn seine Funktionalbeschreibung die komplexe Bauanforderung nicht umfassend abdeckt und eine intensive Dis202

kussion darüber in der durch das e-bidding entfallenen Vergabeverhandlung nicht mehr stattfindet. E-Commerce erscheint deshalb für komplexe Investitionsgüter des BtoB-Bereichs wenig erfolgversprechend, zumal es die Aspekte der NIÖ nicht positiv gestaltet, sondern eher zusätzliche negative Belastungen einführt.

4.2.

Durch Ressourcenorientierung zur vom Markt gewünschten Bauleistung

Im Abschnitt 4.1 wurde dargelegt, wie eine marktorientierte Unternehmensführung die Anforderungen des Baumarktes erkennt und daraus folgend für das eigene Unternehmen das entsprechende Leistungsprogramm bestimmt, welches wettbewerbsfähig sein sollte und gleichzeitig einen Markterfolg sichern möge. Beurteilungsmaßstab waren hierfür zusätzlich die Anforderungen aus den Ansätzen der NIÖ. Gelingen wird die Gestaltung dieses Leistungsprogramms nur, wenn das Bauunternehmen im Inneren jene Ressourcen entwickelt oder über sie verfügt, die nötig sind, um das Leistungsprogramm zu den Anforderungen des Marktes bereitzustellen. Markterfordernis und Ressourcenentwicklung sind deshalb untrennbare Bestandteile der wertorientierten Unternehmensführung. Die Baubetriebswirtschaft hat sich primär auf den optimalen technologischen Einsatz der für die Bauerstellung wichtigen Ressourcen, Maschinen, Hilfsstoffe sowie die damit zusammenhängenden zeitlichen Beanspruchungen an Baufachleuten konzentriert. Obwohl die Netzplantechnik schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts detaillierte Anforderungen an die Strukturen von Bauprojekten definiert hatte, sind im Bauunternehmen selbst die in anderen Bereichen der Industrie diskutierten Fragen zur Prozessgestaltung, zur Entstehung der Wertschöpfung, zur Verkürzung von Zeiten, Verminderung von Kosten und Steigerung von Qualität und zur Mitarbeiterausbildung ungenügend vorangetrieben worden. Forschung und Unternehmensführungen haben es in den letzen vierzig Jahren – sicher auch mit Hinweis auf die Besonderheit der Branche – unterlassen, moderne Aspekte einer ressourcenorientierten Unternehmensführung ganzheitlich für Bauunternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Der optimale Einsatz von Ressourcen im einzelnen Bauobjekt ist Aufgabe der Baubetriebslehre und wird nachfolgend eher beiläufig betrachtet. Vielmehr wird in diesem Kapitel vor allem untersucht, ob eine ressourcenorientierte Unternehmensführung, wie sie in vielen Branchen in den letzen zehn bis zwanzig Jahren entwickelt wurde, Elemente bereit hält, die zu einer wesentlichen Fortentwicklung der Gesamtheit der Prozesse von Bauunternehmen führen, sie wettbewerbsfähiger machen und Markterfolge sichern können. Dabei wird als Beurteilungsrahmen der in Kapitel 4.1 vorgestellte Ablauf beibehalten.

In der nun folgenden Betrachtung der Gestaltung der Ressourcen werden zuerst die Entwicklung der Mitarbeiter, der Prozesse und der Zusammenarbeit mit den Geschäftspartnern vorge-

203

stellt. Anschließend wird die gewünschte Wirkung der geforderten Leistung nach Qualität, Zeit und Kosten betrachtet und letztlich jene steuernden Bereiche analysiert, die die optimale Ressourcenorientierung sichern.

Abb. 4.44

4.2.1

Inhalt und Wirkungen der Ressourcenorientierung (eigene Darstellung)

Die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter

Wenn Produktionsgüter und technologische Prozesse durch die weltweiten Verpflichtungen in kürzester Zeit überall bereitgestellt werden können, wenn Baumaschinen und Bauverfahren weltweit jederzeit zur Verfügung stehen und mietbar sind, kommt es immer mehr darauf an, wie diese leicht erreichbaren Verfahren, Maschinen und Hilfsmittel zur einer wertschöpfenden Leistung geformt werden. Dies geschieht durch das Wissen der Mitarbeiter. Ein Unternehmen ist deshalb umso wettbewerbsfähiger, je besser es das Wissen seiner Mitarbeiter in Kundennutzen umsetzt und kontinuierlich steigert (vgl. Malik, 2002, S. 100). Lester Thurow ging noch weiter, als er formulierte: „People become the only sustainable competitive advantage” (zit. nach Shiba et al., 1993, S. 534). Der jahrelange Abschwung der Baubranche hat diesen wichtigen Aspekt verdrängt. Kostendruck und mangelnde Wechselmöglichkeit der Mitarbeiter hat den Wettbewerb um diese kostbare Ressource verringert. Die mangelnde Leistungsfähigkeit der Baubetriebe und ihre geringe Fähigkeit, sich wandelnden Bedingungen schnell anzupassen, liegen auch wesentlich an der ungenügenden Qualifikation aller dort tätigen Menschen. Deshalb müssen wichtige Aspekte der Personalentwicklung hier besonders betrachtet werden.

204

Das Wissen der Mitarbeiter bündelt sich im “intellectual capital” eines Unternehmens und ist die wichtigste Ressource eines Bauunternehmens (vgl. Töpfer, 1999e, S. 32f). Gemeint ist jenes Wissen, jene Fähigkeiten und jene Art der Interaktion, die durch die Mitarbeiter im Unternehmen gebunden sind. Dieser in den Mitarbeitern liegende Wert wird ergänzt von den aufgebauten Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Kunden sowie Lieferanten. Der Mitarbeiter- und Kundenwert wird ergänzt durch die Fähigkeiten, sich eine ihren Nutzen steigernde Organisation und Kultur zu geben, um letztendlich die betrieblichen Ressourcen zu einer speziellen Leistungserstellung zusammenzufassen. Dies ist dann der Betriebswert.

„Intellectual Capital“

Mitarbeiterwert x Qualifikation (Facharbeiter, Poliere, Ingenieure) x Motivation x Partizipative Führung x Fortbildung x Beteiligung

Abb. 4.45

Kundenwert x Kundenart und -anzahl x Kundenbindung x Beziehungsmanagement x Kundenintegration

Betriebswert x Prozesse x Qualität x Lieferantenbeziehungen x Kommunikationsverhalten x Leistungsbündel x Markenauftritt

Der Wert der Ressource Mensch in einer Bauunternehmung (eigene Darstellung)

Im „Intellectual Capital“ sind jene Ressourcen enthalten, die nicht physischer Natur sind. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass es neben dem offenkundig vorliegenden, dem „expliziten“ Wissen, auch das eher verborgene, in den Prozessen gebundene, also „implizite“ Wissen zu entwickeln gilt (vgl. North, 2002, S. 50), da das implizite Wissen für das Zusammenfügen der Ressourcen im Unternehmen wichtig ist. Dieses in Mitarbeitern und der Organisation gebundene Wissen muss sorgfältig dokumentiert und aufbereitet werden, um es fortlaufend zu vertiefen und in einer „spiral of knowledge“ (Nonaka, 1991, S. 97) leicht an neue oder andere Mitarbeiter weitergeben zu können. Die verschiedenen Wissenskomponenten im Unternehmen unterliegen – je nach allgemeinem Fortschritt, Sorgfalt der Dokumentation und Ausbildung der Mitarbeiter – einem verhältnismäßig schnellen Verfallsprozess. Wenn gelerntes Wissen in zehn Jahren zu ca. 60 % veraltet (vgl. Bühner, Breitkopf, Stahl, 1996, S. 145), sind umfangreiche Maßnahmen zur Mitarbeiterorientierung im Betrieb nötig, will das Unternehmen erfolgreich am Markt sein. Es ist deshalb notwendig, die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Veränderung zu wecken, ihre Qualifikation dauerhaft zu heben, ihre Zufriedenheit und ihre Gefühle zu achten und in einer wohldurchdachten Führung sie dazu zu bringen, eine wettbewerbsfähige Leistung 205

zu schaffen. Nur dann werden sie bereit sein, aus sich heraus kontinuierlich Arbeitsplatz und Unternehmen zu verbessern und sich neues Wissen anzueignen. „The key to this process is personal commitment, the employees’ sense of identity with the enterprise and its mission” (Nonaka, 1991, S. 97). Mitarbeiter in allen Betrieben – auch in der Bauwirtschaft – sind bereit, eine hoch qualifizierte und qualitativ gute Arbeit zu leisten. Die unternehmerischen Prozesse müssen sie dazu befähigen. Qualifikation

Motivation

hohes Bildungsniveau

betriebliche Fortbildung

nicht endende Weiterbildung

Personalentwicklung

offene Mitarbeiterbeurteilung

einvernehmlich gestaltete Prozesse

Eigenverantwortung Sicherheit

Fairness und Offenheit

Wertschätzung

Freiheit

Ressource

MENSCH

gute interne Kunden-LieferantenBeziehungen

klare Ziele flache Hierarchie Flexibilität

offene Ergebnisse Pflicht des Managements zur Information

Personalbeurteilung

lebenslanges KVP Lernen

Bereitschaft zur Veränderung

Wettbewerbs vorteil

Mitarbeiter Partizipation Selbstkontrolle Gruppenarbeit Erfolgsbeteiligung

Führung

Abb. 4.46

Ursache-Wirkungs-Diagramm des Wettbewerbsvorteils Mitarbeiterorientierung (eigene Darstellung)

4.2.1.1

Qualifikation

Gute Mitarbeiterorientierung führt zur Zufriedenheit des im Betrieb arbeitenden Personals. Und nur der zufriedene, gut ausgebildete Mitarbeiter beeinflusst die Marktorientierung des Bauunternehmens, denn er wird Interesse für Kundenwünsche und –zufriedenheit entwickeln und zeitgerecht und qualitativ hochwertig Bauleistungen bereitstellen. Viel zu häufig muss konstatiert werden, dass Mitarbeiter weit entfernt von den Anforderungen der Kunden stehen und Desinteresse an ihm haben. Wenn in einer Untersuchung festgestellt wurde, dass 63 % der Mitarbeiter ihre externen Kunden nicht kennen (vgl. Droege , 1995, S. 31), darf sich die Unternehmensführung über eine womöglich schlechte Marktleistung nicht wundern. Informierte, qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter sind dagegen in der Lage, eine „ServiceGewinn-Kette“ zum Kunden aufzubauen. In dieser prägt das Verhalten der Mitarbeiter positiv das Verhalten des Kunden und seinen Zufriedenheitsgrad und führt zu wesentlich größeren Markterfolgen (vgl. Heskett, Jones et al., 1994, S. 50; Töpfer, 1997 b, S. 25). 206

In den Bauunternehmen sind beim Personal im Büro wie auf den Baustellen zumeist Mitarbeiter beschäftigt, die eine einseitige auf technische Aspekte ausgerichtete Ausbildung erhalten haben. Diese hat bis heute nur einen geringen Bezug zu den Anforderungen aus der Zusammenarbeit mit den Kunden, zu den Möglichkeiten der Prozessgestaltung, zu den Aspekten der BWL und des Bau- und Vertragsrechts. Damit fällt es diesen Mitarbeitern nicht leicht, sich aktiv der Gestaltung der Marktbedingungen zu stellen und für ihr eigenes Unternehmen eine angemessene Position mit optimaler Ausrichtung auf den Wettbewerb zu finden. Der außerordentlich hohe Personalabbau im Baubereich von 50 % aller Beschäftigten über die letzten elf Jahre mit nicht endender Umstrukturierung in den Betrieben führt über eine fortdauernde Angst um den Arbeitsplatz zur Lähmung notwendiger neuer Aktivitäten. Sie führt außerdem zu einer Abschottung gegenüber neuem Wissen, da Arbeitskräfte aus anderen Branchen mit z. B. Kenntnissen über die Gestaltung einer Wertorientierung wegen der Unattraktivität des Baubereiches von einer Zusammenarbeit abgehalten werden. Fortbildung hat darüber hinaus in den Baubetrieben, soweit es über technologische Notwendigkeiten hinausgeht, einen geringen Stellenwert. Besondere Bildungsberichte werden – wie sonst üblich – bei den großen börsennotierten Baukonzernen nicht veröffentlicht. Die neben der Bautechnik liegenden Tätigkeiten in Büro und auf der Baustelle werden zu schnell als leicht – on the job – anlernbar betrachtet. Die hohe Fluktuation behindert ein kontinuierliches Fortbilden und der Kostendruck in der „Baukrise“ reduziert den ohnehin geringen Fortbildungsaufwand zur Befähigung für zukünftige Anforderungen (vgl. European Commission, 1994, S. 114). Besonders die in dieser Arbeit dargestellten Aspekte der Marktorientierung und der nachfolgend zu erläuternden Zusammenhänge in der Prozessgestaltung mit Verbesserung der Qualität und Veränderung der Zeit- und Kostenbedarfe sind auch 2006 den wenigsten Mitarbeitern in den Baubetrieben bekannt. Somit fehlt die grundsätzliche Befähigung in den Unternehmen, sich auf die Marktanforderungen auszurichten und Gestaltungen umzusetzen, die z. B. die Ansätze der NIÖ berücksichtigen. Aber die besonders starke Konkurrenz in einer schrumpfenden Branche, der Verfall von Wissen über die Jahre und die zunehmende Veränderung von Kundenanforderungen sowie der zur Verfügung stehenden Technologien zwingt die Mitarbeiter im Bauunternehmen dagegen, schneller zu lernen als jene der Konkurrenz, wollen sie Wettbewerbsvorteile ihres Unternehmens herausarbeiten und sichern (vgl. Nagel, 1997, S. 276). Oft beginnen Unternehmen sich zumeist auf Veränderungen einzustellen, indem sie zuerst neue Technologien oder neue in sich abgeschlossene Prozesse einführen. Allzu oft werden notwendige Verhaltensveränderungen, zusätzliche Wissensv-ermittlung und Entwicklung der Lernfähigkeit der Mitarbeiter zurückgestellt. Dabei ist es nach Festlegung der Ziele der strategischen Planung unerlässlich, zuerst zu überlegen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die

207

Mitarbeiter im Unternehmen heute besitzen und welche sie zukünftig aufweisen müssen, um die Inhalte dieser langfristig für wichtig gehaltenen Aufgaben umsetzen zu können. Erst wenn daraus der Fortbildungsbedarf ermittelt und erfüllt wird, macht es Sinn, neue Technologien und Prozesse bereitzustellen.

Strategische Planung Personalentwicklung Strategie

Nachfolgeplanung

Auditierung

on the job

Abb. 4.47

JobRotation neue Aufgaben

Training

Firmen-Akademie

Weiterbildungsbedarfsanalyse

Zertifizierung

Coaching

Personalentwicklungsprozess (eigene Darstellung)

Eine durchdachte Entwicklung des Personals im Unternehmen analysiert die zu erwartenden Defizite und definiert die für die Zukunft erwünschten Kompetenzen. Diese setzen sich aus vier Teilbereichen zusammen:

208

x

Fachkompetenz Kenntnisse, Wissen und Fertigkeiten für die Ausübung des Berufes. Sie enthält Fähigkeiten, Wissen zu verknüpfen und zu bewerten, Probleme zu analysieren und zu lösen.

x

Methodenkompetenz Es ist die Fähigkeit, neues Wissen und neue Methoden sich anzueignen, Lernstoff zu strukturieren, Unwichtiges zu trennen und zielorientiert zu arbeiten.

x

Sozialkompetenz Sie zeigt sich in guten Beziehungen am Arbeitsplatz, lässt gemeinsam Ziele erreichen, teamfähig zu sein, aktiv zuzuhören, Respekt zu bekunden und eigene Gefühle offen aussprechen zu können.

x

Selbstkompetenz Fähigkeit zur Erkenntnis eigener Stärken und Schwächen, offen für Veränderungen, selbstmotivierend, selbstbewusst und eigeninitiativ (vgl. Graf, 2002, S. 111f).

Die Personalentwicklung muss jedoch nicht nur klären, welcher Kompetenzbereich entwickelt werden soll, sondern muss auch berücksichtigen, wo der einzelne Mitarbeiter im Unternehmen oder das einzelne Unternehmen am Markt sich im allgemeinen Wandel befindet. Je nachdem ob der Mitarbeiter sich an für ihn neue Fähigkeiten anpassen, ob er sich neuen Problemen stellen und daraus Lernanforderungen erarbeiten oder ob er ein völlig neues Verständnis von seinem Arbeitsumfeld entwickeln will, aus dem sich ebenfalls völlig neue Anforderungen für seine Fortbildung entwickeln, ergeben sich unterschiedliche Lerninhalte und Aspekte der Personalentwicklung.

Abb. 4.48

Zusammenhang zwischen Lernen und Unternehmungswandel (Quelle: Krüger, Bach, 1997, S. 29)

Die drei Lernstufen (Anpassungs-, Veränderungs- und Verständnislernen) bauen aufeinander auf und bilden eine „Lernhierarchie“ (Stähli, 1995, S. 38). Diese ist mit den vier o. g. Kompetenzbereichen zu verbinden, um dann daraus spezifisch für die einzelne Mitarbeitergruppe individuelle Lernformen und –methoden zu erarbeiten. Wenn Wissen sich laufend verändert, können spätere Anforderungen durch die schulische, universitäre oder betriebliche Erstausbildung offensichtlich immer weniger abgedeckt werden. Deshalb nimmt die Bedeutung des lebenslangen Lernens in den drei Lernstufen zu, sei es außerhalb der Arbeit oder im Betrieb.

209

Lernen außerhalb der Arbeit

Lernen in der Arbeit

Kurse, Seminare

Lernorganisation

Arbeitsorganisation

Schule/Universität

lehren, unterweisen, Coaching

Gruppenarbeit

Workshops Qualifizierungszentrum

Qualitätszirkel

Projektarbeit

Benchmarking

Lernstadt, Lerninsel

KVP

Interaktives Lernen, Lernen an Problemen

Einarbeitung

Job-Rotation

case studies Firmen-Akademie Abb. 4.49

Betriebliches Lernen (Quelle : nach Dybowski et al., 1999, S. 242)

Aus Sicht des Unternehmens sollte es einen intensiven Abgleich zwischen dem Lernen innerhalb und außerhalb des Unternehmens geben. Dort, wo man diese Aufgabe annimmt und umfassend und ständig für alle Beschäftigten das betriebliche Lernen als wichtige Aufgabe ansieht, nennt man den Betrieb auch eine „lernende Organisation“ (vgl. Horn, 1997, S. 297).

Lernen des Einzelnen Wissen und Fähigkeiten erwerben Beurteilung des Bisherigen, Bedarf ermitteln

Probleme erkennen, Lösungen entwickeln

Bewerten u. Synthese für neue kreative Wege

Wissen anwenden zur Erreichung von Zielen Erfassung Analyse komplexer Ergebnisse

Lernen der Organisation Abb. 4.50

210

Lernen der Organisation und des einzelnen Mitarbeiters (eigene Darstellung)

Analyse, Erwerb und Vermittlung von Wissen sind die zentralen Aufgaben dieser lernenden Organisation. Sie gliedern sich in: x

Systematische Analyse der heutigen und zukünftigen Wissensdefizite der Organisation und des einzelnen Mitarbeiters

x

Systematisches Suchen und Prüfen neuen Wissens

x

Lernen aus den Erfahrungen anderer – Kunden, Wettbewerber, Wissenschaft

x

Lernformen und Lerninhalte entwickeln

x

Wissen schnell und wirksam vermitteln

Maßgeblich für die Wirksamkeit der Wissensvermittlung ist nicht die intellektuelle Höhe oder der Umfang des Wissens, sondern die Qualität ihrer Vermittlung und ihrer Nutzbarmachung in neuen Prozessen (vgl. Probst, Romhardt, 1997, S. 132; Pfiffner, Stadelmann, 1999, S. 373). Die für notwendig erachtete Ausbildung wird in kleineren Unternehmen zumeist bei externen Organisationen oder Fachverbänden durchgeführt werden. Dabei kommt zumeist die sorgfältige Ausrichtung auf den spezifischen Unternehmensbedarf zu kurz. Für mittlere oder größere Unternehmen sind deshalb betriebseigene Fortbildungsinstitutionen unerlässlich, bei denen zumeist das Lehrpersonal aus dem Betrieb oder von außen kommt. Diese „FirmenAkademien“ oder „Corporate Universities“ bieten einen genau auf die Personalentwicklungsstrategie ausgerichteten Nutzen und sind, obwohl kostenaufwändig, eine außerordentlich wirksame Methode zur Personalentwicklung und werden heute in den meisten größeren Industriebetrieben (> 5.000 Mitarbeitern) genutzt.

Corporate University x

Vermittlung von Basiswissen, um den Mitarbeitern eine einheitliche Arbeitsbasis zu geben

x

Wissen wird in konzentrierten Lerninhalten angeboten, ausgerichtet auf den Bedarf des Unternehmens und den zukünftigen strategischen Notwendigkeiten.

x

Kern des Wissens sind Erfahrungen des Unternehmens, seines Umfeldes und seiner Lernfähigkeit.

x

Fallstudien aus der Unternehmenspraxis bieten neben der Analyse auch das Training von Problemlösungen und Entscheidungsprozessen.

x

Führungskräfte sind Lernende und Lehrende.

x

Durch unternehmenseigene Trainer wird die aktuelle Strategie und die Art der Arbeit im Unternehmen authentisch vermittelt. Wissenstransfer über Geschäftsbereiche hinweg erfolgt viel leichter in gemischt besetzten Kursen.

211

x

Eigene Fortbildung lässt ein intensives Ausbildungscontrolling zu.

x

Schnelle Anwendung neuester Lerntechnologien und –methoden, ausgerichtet auf spezifische Mitarbeiterqualifikation.

x

Intensivierung des Lernens durch Standardisierung der Lerninhalte.

Abb. 4.51

Nutzen einer Corporate University (Quelle: nach Töpfer 1999 e, S. 28)

Eine besondere Wirkung zeigt eine Firmen-Akademie bei baufachlichem Personal auf der Baustelle und bei Bauingenieuren, die üblicherweise für spezifische technische Qualifikationen ausgebildet wurden. Bei ihnen fördert eine betriebsinterne Ausbildung Kompetenzen, wie sie eine wertorientierte Unternehmensführung von den Anforderungen des Marktes herrührend verlangt und die Voraussetzung ist, um sich mit den Ursache- Wirkungsbeziehungen der NIÖ zu beschäftigen und daraus Gestaltungen ableiten zu können. Eine firmeneigene Ausbildung kann Defizite der staatlich geprägten Grundausbildung ausgleichen und den Mitarbeiter befähigen, sich mit den Anforderungen des Kunden und des Marktes auseinander zu setzen (vgl. Späth, 1992, S.391; Späth, Grube, 1991, S. 146 f). Die in Abb. 4.52 dargestellte Möglichkeit eines betrieblichen Ausbildungssystems in einer Bauunternehmung ist in Deutschland in Einzelfällen eingeführt. Praktische Erfahrungen z. B. einiger amerikanischer Bauunternehmen (Gilbane Building Co, TD Industries und Turner Construction Co) zeigen, wie wichtig für einen nachhaltigen Markterfolg fortwährende Bemühungen für die Ausbildung aller Mitarbeiter sind (vgl. Rubin, Powers, 2005, S. 28).

212

Bauunternehmen Akademie Grundlagen Allg. Management

Zusatzmodule Allg. Management

Allg. Lerngebiete

EDV

Strategische Planung

Bautechnik

Unternehmensphilosophie

Konfliktbeherrschung

Sicherheitsschutz

Projektmanagement

Mitarbeiterbeurteilung

Techn. Prozesse

Terminplanung

Führungskräfteentwicklung

Baustoffwesen

Zeitmanagement

Präsentation

Produktionsverfahren

Moderation

Gesprächsführung

Baurecht

Kaufm. Grundlagen

Vertriebstraining

Qualitätsmanagement

Projektcontrolling

Verkaufsgespräch

Beschaffung

Führung/Zielplanung

Neukundengewinnung

Effektive Besprechungen

Beschwerdebearbeitung

Mitarbeiterführung, KVP

Schule + (gewerbl. Ausbildung/ Fachhochschule/Techn. Universität)

Abb. 4.52

Firmen-Akademie eines Bauunternehmens (eigene Darstellung)

Mitarbeiter, die Defizite in den vier Kompetenzbereichen aufweisen, sind über die Zeit zunehmend ungeeignet für eine marktfähige Leistungserstellung. Bauunternehmen müssen deshalb ihre Aufwendungen für die Weiterbildung wesentlich intensivieren, sei es in speziellen Schulungseinrichtungen oder direkt bei der Arbeit, immer orientiert an realen Problemen und möglichst gelehrt durch das persönliche Einbringen und Überzeugen der Führungskräfte als Trainer (vgl. Wahren, 2002, S. 171; Tichy, 2001, S.108). „Praktisch sämtliche Fertig-keiten, die ein Mensch im Laufe seines Lebens zu beherrschen lernt, erwirbt er letztendlich ausschließlich auf eine einzige Weise durch reales praktisches Tun.“ (F. Malik, zit. nach Pfiffner, Stadelmann, 1999, S. 368). Dieses praktische Tun – auch erfolgreich simulierend praktiziert in den „case studies“ amerikanischer Business Schools – erfolgt effizient in Gruppenarbeit: „Working in a team usually accelerate learning“ (Shiba et al., 1993, S. 533). Dieses Lernen in der Gruppe kann in einer Firmen-Akademie optimal gestaltet und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und den spezifischen Anforderungen des Unternehmens ausgerichtet werden. Es kann durch elektronische Hilfsmittel wirkungsvoll und kostengünstig unterstützt werden. Die für eine Wertorientierung benötigte Qualifikation der Mitarbeiter bringen diese nicht mit und sie entsteht auch nicht von selbst. Sie ist in einer lernenden Organisation fortlaufend zu gestalten, zu erneuern und zu verbessern. Ihre Umsetzung ist wesentliche Voraussetzung für eine gelebte Wertorientierung. 213

“Protecting the culture of learning, of improving, of being the best – that’s the most critical task. After all, the company has done nothing that its competitors couldn’t emulate, and it will always face wage costs that are a little higher than the competitors. It’s competitive edge is only: the ability to learn faster than everybody else.” (Bruce Woolpert, CEO Fa. Granite Rock, zitiert nach Welles, 1992, o. S.).

4.2.1.2

Führung und Zielplanung

Die in dieser Arbeit erläuterten Zustände von mangelnder Kundenzufriedenheit, schlechtem Image und unzureichendem Markterfolg zeigen als eindeutige Ursache in den Baubetrieben das Fehlen einer qualifizierten Führung und die Umsetzung deren wichtigster Elemente. Führungskräfte in Bauunternehmen sind üblicherweise Bauingenieure mit den für diese Aufgaben weiter vorne dargelegten Ausbildungsdefiziten, zu denen auch eine zeitgemäße Mitarbeiterführung gehört. Durch die Unattraktivität des schrumpfenden Baubereiches kommt es auch kaum zu einer Befruchtung durch den Austausch mit Quereinsteigern von Führungskräften aus anderen Branchen. Es wird zur Ressourcenorientierung deshalb nötig sein, richtiges Führungsverhalten und seine fachlichen Inhalte zu vermitteln, um anschließend die daraus abzuleitenden Handlungen im Betrieb sicherzustellen. Die Ausrichtung auf Markterfordernisse, die Formulierung von Strategien, der Einsatz der richtigen Personen an der richtigen Stelle, die Bereitstellung von Ressourcen und Finanzmitteln und das Entscheiden über divergierende Ziele macht klare Führung notwendig. Führungslosigkeit nimmt dagegen jede Orientierung und führt über Mitarbeiterunzufriedenheit in eine Unternehmenskrise. Führung regelt, wie im Unternehmen das Management arbeitet, welche Instrumente und Methoden eingesetzt werden und welche Werte als Maßstab für den Unternehmenserfolg dienen. Die Führung im Unternehmen ist nicht dafür da, operativ die Erstellung des Leistungsbündels zu sichern (vgl. von Diemer, 1996), sondern Ziele zu setzten, Organisationsrahmen zu vereinbaren, Menschen zu entwickeln und zu fördern, Außergewöhnliches zu entscheiden und die Einhaltung der gemeinsam festgelegten Ziele und Standards zu überwachen. Glaubwürdigkeit, Authentizität und Beispiel sind wichtigste Mittel der Führung, um anvertraute Mitarbeiter zu überzeugen (vgl. Goffee, Jones, 2001, S. 50).

214

FÜHRUNG

Grundsätze 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Aufgaben

Erzielen von Ergebnissen (für Menschen, in Werten) Einen Beitrag für das Ganze leisten (Spezialisten integrieren; wem nutzt es, was getan wird?) Konzentration auf Wesentliches (Zeitmanagement, Führen mit Zielen) Stärken nutzen (Menschen einsetzen, wo sie Stärken haben, Schwächen kompensieren) Defizite an Kompetenzen beseitigen (Lernen, Verständnis für die Aufgabe wecken) Vertrauen schenken (Anstand, Manieren, Loyalität) Positiv und konstruktiv denken (Nutzen von Chancen)

1.

2. 3.

4.

5. 6.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Für Ziele sorgen (strategisch-operativ EntwicklungsSachziele, Messen, wenige aber wichtige Ziele, Ziele-Mittel-Maßnahmen) Organisieren (Kundenorientierung, Effizienz, Effektivität, flache Hierarchie) Entscheiden (Partizipativ, überlegt nach Klärung aller Alternativen, Realisierung mit Maßnahmenplan messen) Kontrollieren (Selbstkontrolle, Vertrauen, aber lückenlos bei Unerledigtem, Prüfung vor Ort, persönlich) Personalentwicklung (Stärken entwickeln, dosiertes Lob, Fordern in anspruchsvollen Aufgaben) Kommunikation und Information

Finanzwirtschaftliche Planungsinstrumente Optimale Besprechungsführung (was soll es beim Empfänger bewirken) Job, Design und Einsatzsteuerung (fordern und fördern, Chancen sehen, Innovation anschieben) Persönliche Arbeitstechnik Mitarbeiterbeurteilung Systematisches Aussondern (wovon sollen wir uns trennen, was sollten wir nicht mehr tun, wenn wir neu begännen, was könnte entfallen? Budgetplanung (Kennziffern, Verantwortung, welche Resultate streben wir an? Werkzeuge „Die Dinge richtig tun“

Abb. 4.53

Elemente der Führung (Quelle: nach Malik, 2005)

Der Führung innewohnend ist eine zielorientierte Beeinflussung des Verhaltens der Mitarbeiter. Die Wirkung einer hohen Leistungsbereitschaft tritt aber nur ein, wenn der Mitarbeiter informiert wird, an der Zielformulierung mitarbeiten darf und mit ihm ehrlich eine Konsensbildung angestrebt wird. Ein gemeinsames Verständnis entsteht nur bei gelebter Wahlfreiheit in der Zieldiskussion, in konkreter Mitbeteiligung oder Partizipation. Erst diese Gemeinsamkeit sichert den Wunsch des Mitarbeiters nach Selbstverwirklichung und Achtung seiner Fähigkeiten, lässt aber auch genug Raum für die Führungskraft, ihre eigenen Ideen einzubringen. „Ziele sind soziale Konstrukte, die in einem dialogischen Prozess entwickelt werden müssen“ (Wahren, 2002, S. 25; vgl. Hinz, 1994; Rückle, 2001). 215

Es ist Aufgabe der Führungskraft, aus den langfristigen Unternehmenszielen zusammen mit den Mitarbeitern ein jährlich ausgerichtetes Zielsystem für die unterschiedlichen Hierarchiestufen im Unternehmen zu entwickeln. Es sollte die Gedanken aller Beteiligten umfassend sammeln, transparent in der Zielentscheidung und für alle Beteiligten einsichtig und messbar sein (vgl. Bungard, Kohnke, 2002).

Abb. 4.54

Von strategischen Zielen zu Jahreszielen / Policy Deployment einer Bauunternehmung

Es werden Sach- und Entwicklungsziele unterschieden. Erstere beschreiben das Erreichen einer spezifischen Leistung, zweite beschreiben den Weg eines definierten Prozesses. Sachziele sind nach Leistungserfordernis und Verbesserungspotential leichter zu erreichen, wohingegen Entwicklungsziele, deren Inhalt das Verändern und Entwickeln von Verhalten und Kompetenzen ist, sehr viel schwieriger zu erreichen sind. Aus der NIÖ sind unschwer jene konkreten Sachziele abzuleiten wie ebenso klar die nur langfristig wirkenden Entwicklungsziele erkennbar sind, seien es Veränderungen der Rahmenbedingungen, Änderung der Unternehmensstrategie oder Verhaltensanpassungen bei Mitarbeitern in den Baubetrieben. Ziele müssen klar definiert sein, soll eine Erreichung gelingen: Sind sie spezifisch, messbar, verständlich, realistisch aber herausfordernd, terminiert und nutzenbringend? Eine solch definierte Zielvereinbarung ist Basis für eine spätere Prüfung der Zielerreichung mit nachfolgender Leistungsbeurteilung, -bewertung und -honorierung.

216

Zielvereinbarung

Leistungsmessung

- Zieldefinition/-art

- Messkriterien

- Vorschlag Zielhöhe/ Wunschziel

- Messgrößen/ Werttreiber

- Zielaushandlung mit Maßnahmenund Ressourcenbezug - Festlegung Zielhöhe/Planziel

- Messort - Messergebnis

Leistungsbewertung

Leistungshonorierung

- Wertbeitrag/ -steigerung

- Ursächlicher Bezug zu Leistungsergebnis

- Zielerreichungsgrad

- Gerechtigkeit im Vergleich zu Kollegen

- Persönliche Entwicklung/ Lernfortschritt - Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

- Kombination aus kurzfristigem Erfolg und längerfristiger Potenzialentwicklung - Anreiz für zukünftige Leistung

Abb. 4.55

Prozess der Zielsetzung, Zielerreichung und Leistungsorientierung (Quelle: Töpfer, 2000c, S. 282)

Im Baubetrieb sind klare Zielvereinbarungen und strenge Prüfung der Zielerreichung nach wie vor die Ausnahme, zumal die außerordentlichen Anforderungen in den Bauprojekten häufig die Tätigkeit in der Unternehmensentwicklung in den Hintergrund treten lassen. Der Prozess der Zielsetzung, -erreichung und nachfolgender Leistungshonorierung benötigt deshalb ein sorgfältig ausgerichtetes Führungsverhalten im Bauunternehmen. Dazu gehört einerseits eine angemessene Beteiligung am erschaffenen Mehrwert aus der Zielerreichung, andererseits aber auch einer konkreten Sanktionierung bei Zielabweichung. Gerade am letzteren mangelt es in der Schrumpfungsphase der Baubetriebe. In vielen Fällen in Schwierigkeit geratender Firmen ist zu sehen, wohin eine fehlende Einhaltung von Zielverpflichtungen, die sich zuerst aus dem Erkennen von Marktveränderungen ableiten, durch Führungskräfte führt. Eine Prüfung der Zielerreichung im Bauunternehmen macht nur Sinn, wenn sich zum einen auch die Führungskräfte persönlich selbst diesen Kriterien unterwerfen und wenn zum anderen die Mitarbeiter genügend Freiräume zur Erledigung ihrer spezifischen Aufgabe haben und nicht in technologischen und bürokratischen Regeln ersticken (vgl. Droege, 1999, S. 47). Es ist stringent im Unternehmen darauf zu achten, dass Ziele messbar sind und im Wesent-lichen auch erreicht werden können. Nur in der Dualität entwickeln sich Ansätze von Unternehmertum – empowerment – und verbindet sich Markt- mit Ressourcenorientierung, indem sich die Bedürfnisse der Menschen im Unternehmen, die Entwicklung von Kompetenzen und die Zielsetzung zur Kundenorientierung treffen (vgl. Shiba et al., 1993, S. 533; Töpfer, 1999f, S. 426; Juhl et al., 1997, S. 109). 217

Ein auf Zielplanung, -bestimmung und -einhaltung ausgerichtetes Führungsverhalten ist Voraussetzung für die wirksame Nutzung vieler Instrumente der wertorientierten Unternehmensführung. Prozessgestaltung, Innovation, kontinuierliche Verbesserung und Veränderungen nach Qualität, Zeit und Kosten sind ohne klare Führung nach vereinbarten Zielen kaum vorstellbar. Für die später vorgestellten Steuerungs- und Messverfahren sind Zieldefinitionen grundlegende Notwendigkeit.

4.2.1.3

Motivation

Die Schrumpfung der Baubranche mit umfangreichem Arbeitsplatzabbau führt die Mitarbeiter eher zu fortlaufenden Existenzängsten als zu motivierender Begeisterung für neue Arbeitsinhalte und überraschende Lösungen für Kunden. Viel zu sehr wird die von allen Firmen gemeinsam ertragene schlechte Baukonjunktur als lähmende Decke über alle betriebliche Aktivität ertragen, als dass in einzelnen Betrieben und von deren Mitarbeitern in klarer Abgrenzung zu den Wettbewerbern Wege zu einer leistungssteigenden motivierenden Gestaltung befriedigender Arbeit gesucht werden. Für eine Entwicklung der Ressource Mitarbeiter ist es im Baubereich besonders wichtig zu wissen, wie die Menschen im Unternehmen angeleitet, gefördert und überzeugt werden können, um die Anforderungen der wert-orientierten Unternehmensführung umsetzen zu können. Als Voraussetzung für zielorientiertes Verhalten der Mitarbeiter und damit als ein wesentlicher Aspekt der Personalarbeit mit dem Ziel der Leistungssteigerung gilt es, Mitarbeiter zu motivieren. Über den Inhalt dieses Anspruches gibt es nur sehr ungenaue Vorstellungen. Motivation gilt als ein „hypothetisches Konstrukt“ (Staehle, 1999, S. 219), denn nur der Input und der Output eines motivierenden Verhaltens ist messbar. Was in einer Motivation selbst vor sich geht, entzieht sich bis heute eindeutig abgrenzbaren Erklärungen. Theorien zur Analyse haben versucht, diesen Bereich zu klären (vgl. Staehle, 1999, S. 221). In der Inhaltstheorie, von Maslow, Juran und Herzberg entwickelt, wurde untersucht, was bei einem Menschen Motivation erzeugt, seien es Bedürfnisse oder der Wunsch nach Zufriedenheit. Es konnte keine eindeutige Erklärung gefunden werden, wie aus diesen Wünschen das erwartete Verhalten zustande kommt. In der Prozesstheorie von Vroom und Porter wurde versucht zu bestimmen, wie eine Motivation erzeugt wird. Dabei gehen sie von einem rationalen Mittel-Zweck-Denken der Menschen aus, wonach diese ihre Entscheidungen danach treffen, wie sie ihren subjektiv erwarteten Nutzen maximieren können. Dazu werden für notwendig erachtete Anstrengungen mit dem zu erwartenden Ergebnis verglichen. Diese Rationalität wird in der Realität aber nicht durchgängig gelebt. Die beiden Theoriegruppen betrachten nur das Verhalten des Einzelnen bei irgendeiner Motivation, während im Unternehmen die Entstehung jener Motivationsreize für Mitarbeitergruppen interessieren, die für klar definierte Zielerreichungen wirksam sind. Deshalb untersucht die angewandte Motivationsforschung eine Verbindung zwischen der Persönlichkeit mit 218

ihren Motivations- und Handlungswirkungen und einer erwünschten Leistungserreichung herzustellen. Es kann als gesichert angesehen werden, dass die Zufriedenheit des Mitarbeiters am Arbeitsplatz eine wichtige Voraussetzung für eine positive Einstellung zur Arbeit und für eine gute Marktleistung darstellt. Was hingegen den Mitarbeiter bewegt, eine bestimmte Leistung zu erbringen, ist bis heute nicht geklärt. Die Wichtigkeit der einzelnen Einflüsse bei der intrinsischen Motivation (aus dem Menschen wirkend) oder bei der extrinsischen Motivation (von außen, vom Kunden und vom Unternehmen wirkend) oder bei den Hygienefaktoren (wie Verdienst, Arbeitsinhalt und -gestaltung) sind in den einzelnen Wirkungen, insbesondere auf die Arbeitsleistung, bis heute unklar (vgl. Radtke, 2000, S. 68f; Frey, Osterloh, 1997, S. 307f). So hat man aus den verschiedenen theoretischen Analysen Schlüsse für eine mitarbeiterorientierte Arbeitsgestaltung, -varietät, -anreicherung, Partizipation und Kommunikation gezogen, die letztlich mit der Zufriedenheit des Mitarbeiters am Arbeitsplatz korrelieren. Eine kausale Beziehung zwischen Zufriedenheit und erbrachter Leistung konnte dabei bisher nicht nachgewiesen werden (vgl. Staehle, 1999, S. 260; Steinmann, Schreyögg, 2002, S. 506). Die zunehmende Komplexität der Arbeit, schnelle Innovationen und hoher Wettbewerbsdruck verlangt nach Mitarbeitern, die aus sich heraus flexibel, selbständig und aktiv handeln. Die Wirkung der intrinsischen Motivation ist hierbei offensichtlich und verstärkend. Wie wird sie erzeugt und gefördert? Intrinsische Anreize (eine Sache um ihrer selbst willen tun) bewirken direkt eine Bedürfnisbefriedigung, während extrinsische Anreize (Sanktionen, Belohnung, Prämien) als Mittel zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung dienen. Die Prozesstheorie von Vroom in der Verhaltensforschung (vgl. Staehle, 1999, S. 231) und auch die Betriebswirtschaft unterstellt (siehe hierbei die Transaktionskostentheorie von Williamson, 1990) dem Mitarbeiter Eigennutz und opportunistisches Verhalten, welches z. B. über monetäre extrinsische Anreize gesteuert werden könne. Diesen einseitigen Modellen widersprechen Forschungen in der Psychologie, nach der die Leistungserbringung des Mitarbeiters auch sehr stark abhängig ist von intrinsischer Motivation. Einer der intensivsten Kritiker einer vom Unternehmen durch finanzielle oder sonstige Zuwendungen bewusst gesteuerten extrinsischen Motivation ist Reinhard Sprenger, weil sie seiner Ansicht nach auf statische Methodik, permanentes Misstrauen vor Leistungsverweigerung und die Einschätzung des Mitarbeiters als „Reiz-Reaktions-Modell“ basiert (vgl. Staehle, 1999, S. 258, Sprenger, 2002a, S. 38ff). „Motivation ist die Energie, die menschlichem Handeln Richtung, Stärke und Dauer verleiht." (Frey, Osterloh, 1997, S. 310). Die Wirkung einzelner extrinsischer und intrinsischer Aspekte ist beim spezifischen Mitarbeiter offensichtlich. In der vorausschauenden Gestaltung der Personalarbeit ist es schwer zu sagen, welche Ereignisse welche Wirkung auf beide Aspekte einzeln, zusammen verstärkend oder sich gegenseitig schädigend haben. Wenn ein Ziel z. B. nur als Mittel zur Erreichung eines anderen Zieles angesehen wird, büßt es an Wirkung ein. Belohnungen können durch Missachtung der Selbst219

bestimmung, der Fairness und freiwilligen Leistungsbereitschaft die Motivation der Mitarbeiter verdrängen. Andererseits können Lohnanreize auch als Mitbeteiligung am Geschaffenen, als Anerkennung und Verstärkung eines Selbstwertgefühls oder einer Kompetenz empfunden werden (vgl. Steinmann, Schreyögg, 2002, S. 749). Es kommt auf die richtige Mischung extrinsischer und intrinsischer Elemente an, um den Mitarbeiter zu bewusst koordinierter Leistung zu veranlassen. Positiv intrinsisch wirken persönliche Beziehung und Kommunikation, Partizipation, reichhaltige Arbeitsinhalte, gemeinsame Zielvereinbarungen und hoher Freiheitsgrad am Arbeitsplatz. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass es weder einen generellen Zusammenhang zwischen Leistung und Zufriedenheit noch eine klare Ableitung von Leistung aus gewählten motivationeller Handlungen gibt. Schlüsse können, wenn überhaupt, nur bei konkreten Personen in konkreten Situationen gezogen werden. Was bedeutet dieses nun für Bauunternehmen, deren Personal unter stark unterschiedlichen Belastungen in immer wechselnden Gruppen an wechselnden Standorten gefordert ist? Es ist hier nicht der Platz, die Spezifitäten des Verhaltens von Gruppen und ihrerseits in Organisationen zu untersuchen. Emotionale Aspekte, Konfliktverhalten, Vertrauen und Arbeitsstruktur sind einflussreich. Ein Betrieb muss hier, um die Wertentstehung zu fördern, für sich geeignete pragmatische Lösungen finden, die dennoch die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigen. Mitarbeiterorientierung konzentriert sich deshalb auf das Entwickeln von Leistungsfähigkeit, das Schaffen von Leistungsmöglichkeiten, das Fördern von Leistungsbereitschaft und die Beteiligung an messbaren Erfolgen. Je qualifizierter die Mitarbeiter sind und je intensiver sie Mitgestaltungsmöglichkeiten haben, je besser können sie Prozesse gestalten und verbessern, Kunden verstehen und innovative Techniken umsetzen und umso wettbewerbsfähiger ist die Organisation (vgl. Malik, 2005, S. 30; Kohnke, Reimann, 2002, S. 138; Kobjoll, 2000). Eine US-amerikanische Untersuchung zeigte, dass 75 % aller Arbeitnehmer meinten, sie seien unterfordert und könnten mehr leisten. In einer deutschen Untersuchung sagten 60 % aller befragten Mitarbeiter im mittleren Management, sie fühlten sich in ihrem Denkpotenzial unausgelastet (vgl. Sprenger, 2002a, S. 189). Personalarbeit in einer Unternehmensführung muss diese Fehlentwicklungen vermeiden. Leistungserbringung erfordert zwar klare Zielhierarchien, aber Ziele dürfen kein Selbstzweck sein. Menschen wollen Freiräume für ihre Leistungsmöglichkeiten erleben und sich ernsthaft entscheiden können. Für sie ist die Art des Weges zum Ziel, die Atmosphäre am Arbeitsplatz, das Umfeld zu den Kollegen und die Ehrlichkeit der Führungskräfte wichtig für eine hohe Leistungsfähigkeit (vgl. Sprenger, 2001, S. 147; 2002b, S. 173). Somit wird die Art und Weise, wie Menschen in der Organisation miteinander umgehen und sich zur Leistungsfähigkeit motivieren zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Dieses gilt natürlich für alle Qualifikationsbereiche und damit auch für die Mitarbeiter auf der Baustelle. Einfache Systeme des „Shop-Floor-Managements“ in japanischen Fabriken des Maschinenbaus haben interessante Möglichkeiten der Selbststeuerung gezeigt. Es wurden 220

hohe Verbesserungen an Qualität und Leistung erzielt, als endlich den produzierenden Arbeitern Einflüsse und Wirkungen ihrer Arbeitsprozesse informativ, bildhaft und mittels EDV permanent zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Suzaki, 1994, S. 16f). Das Erbringen einer guten Marktleistung hängt nicht nur von Fortbildung, Kompetenzentwicklung und Motivation der Mitarbeiter ab. Vielmehr kann der Mitarbeiter die vom Kunden verlangten Leistungen im Unternehmen in hoher Qualität nur bereitstellen, wenn alle Tätigkeiten im Unternehmen auf eine intensive Kundenorientierung hin ausgerichtet sind. Diese Gestaltung der betriebsinternen Organisation wird auch als „internes Marketing“ bezeichnet (vgl. Bruhn, 1999, S. 27f; George, Grönroos, 1999, S. 48f; Töpfer, 1999f, S. 411), die sich zeigt in: x

Entwickeln einer Dienstleistungskultur im Unternehmen nach innen (interne Kunden/ Lieferantenbeziehung) wie nach außen;

x

Gestaltung aller Prozesse als Dienstleistung für den Kunden;

x

Definition der Arbeit des einzelnen Mitarbeiters von den Anforderungen des Marktes her;

x

Die Erzeugung einer intensiven Qualitätskultur durch umfassende Kundenorientierung inkl. eines Beschwerdemanagements.

Mitarbeiterorientierung ist deshalb ohne umfassende Information und Kommunikation nicht denkbar. Erst wenn der Einzelne über alle für seine Entscheidung notwendigen Informationen verfügt, kann er kompetent arbeiten, indem er sein eigenes Leistungsvermögen optimal in den Gruppenprozess einbringt. Nur eine umfassende Information ermöglicht Selbst-kontrolle (vgl. Engelhardt, Schütz, 1989, S. 211). Ob diese umfassende Kommunikation im Unternehmen gelebt wird, kann mittels einer der Kundenbefragung methodenähnlichen Befragung von Mitarbeitern analysiert und gemessen werden (vgl. Töpfer, 1999a; Homburg, 2003b; Töpfer, Gabel, 2000, S. 51f). Diese Befragungen geben anschließend wertvolle Anregungen zur Gestaltung betrieblicher Prozesse. In Modellversuchen des Projektes „Humanisierung der Arbeit – HdA“ der Bundesregierung in den achtziger Jahren sind für Mitarbeiter auf der Baustelle eine Fülle von Adaptionen – vor allem aus skandinavischen Erfahrungen über die Bedingungen der Baustellenarbeit – für den deutschen Baumarkt gefunden worden (vgl. ifA, 1990). Leistungssteigernde Wirkung hatten diese Arbeiten auf Arbeitsbedingungen und die Arbeitssicherheit. Da die komplexe Erstellung von Leistungsbündeln durch verschiedenste Gewerke im Bauwesen vorherrschend ist, ist es besonders fördernd, Gruppenarbeit zu unterstützen, eine umfassende Informationsbereitstellung von Arbeitsgruppe zu Arbeitsgruppe zu sichern, um im Rahmen einer aufeinander abgestimmten Prozesskette eine optimale Leistung zu erreichen (vgl. Schildknecht, 1992, S. 136; Bay, 2002). All diese Bemühungen schlagen jedoch fehl, wenn im herkömmlichen Baupro-

221

zess mit verschiedenen Beratenden Ingenieuren und einer Vielzahl von Einzelgewerken die einzelnen Bauhandwerker nicht in eine ganzheitliche Lösung eingebunden sind: „Within construction, we have created several large islands, namely the designer, the owner and the constructors. We must bridge these islands also, so we can learn of each other’s expectations and communicate freely in helping each other improve the design and construction process.” (Chase, o. J., S. A 5). Die Überwindung der fraktionierten Erstellung der Bauten, eine ganzheitliche Verantwortung für die Gestaltung der Kundenzufriedenheit und eine bewusste Ausrichtung des Bauens auf die Aspekte der NIÖ würden die Beziehungen aller Parteien am Baugeschehen verbessern und wesentlich zu einer Verbesserung der Motivation und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten am Bau beitragen. Insbesondere Mitarbeiter, die mit Kundenanforderungen in Berührung kommen – dies betrifft im Baubereich besonders die interaktive Arbeit mit dem Kunden durch die Bauleitung und Poliere auf der Baustelle –, sollten darüber informiert sein, welche Wünsche und Anforderungen der Kunde hat und wie das Unternehmen seine Leistungserbringung darauf einstellen will. An diesen „Kontaktpunkten“ muss der Mitarbeiter entscheiden können, was zur Erfüllung der Kundenanforderung nötig ist und wie er es umsetzen will (vgl. Stauss, 1995, S. 33). Kundenbefragungen im Baubereich haben gezeigt, dass hier in den Bauunternehmen große Defizite bestehen. Die Personalentwicklung vom gewerblichen Personal in sog. „Dead End Jobs“ hat bisher deutlich die Ausrichtung auf die Anforderungen von Kunden vernachlässigt (vgl. Schlesinger, Heskitt, 1991, S. 72). Die Motivation – wie die Qualifikation – der Mitarbeiter ist im interaktiven den Kunden einbeziehenden Produktentstehungsprozess des Bauens ein wichtiges Element der wertorientierten Führung. Markt- wie Ressourcenorientierung werden im Wesentlichen von den Menschen im Betrieb gestaltet. Sie dazu zu befähigen und zu motivieren ist einer der zentralen Stellhebel zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Wertorientierung. 4.2.2

Prozess-Entwicklung

Mitarbeiter im Baubetrieb benötigen zu einem optimalen Ressourceneinsatz genau auf das Ziel einer hohen Kundenzufriedenheit abgestimmte Prozesse. Seit jeher ist die Leistungserstellung im Baubereich in aufeinander folgenden Arbeitsschritten geschehen. Schon in den sechziger Jahren hat die Netzplantechnik geholfen, die vielfältigen Abhängigkeiten in der Bauherstellung darzustellen und sichtbar zu machen. Ihre Wirkung ist dabei begrenzt gewesen auf die Abläufe auf der einzelnen Baustelle und nur ungenügend genutzt worden bei der Optimierung der Abläufe im gesamten Geschehen der Wertschöpfung in einer Bauunternehmung. Obwohl ein Bauwerk Schritt für Schritt in Prozessen entsteht, sind die Abläufe in den meisten Bauunternehmen auch im Jahre 2006 noch traditionell technologisch ablauforientiert. Deshalb ist eine Werkstatt, ein Bauhof und eine Lohnbuchhaltung vorhanden, eine Kundenoder Vertriebsabteilung fehlt hingegen. Die Gründe hierfür werden zumeist nicht hinterfragt. 222

Die Ergebnisse dieser schlechten Organisationen sind bekannt. Wertorientierung bedingt das Wissen darum, wo Werte entstehen oder vernichtet werden. Deshalb müssen im Bauunternehmen sorgfältig die Prozesse analysiert und gestaltet werden, um die Wertentstehung bewusst und nachhaltig zu ermöglichen. 4.2.2.1

Die Prozessgestaltung

In grundlegenden Gedanken einer funktionalen Arbeitsteilung hatte E. Kosiol 1960 vorgeschlagen, Aufgabenpositionen gleichen Inhalts in optimal strukturierten speziellen Abteilungen zusammenzufassen. Die hohe Komplexität heutiger Arbeitsumfänge führt allerdings dazu, dass zwischen diesen Abteilungen und in ihnen stattfindenden Arbeitsvorgängen hohe Informations-, Ablauf- und Zeitverluste an den Schnittstellen auftreten mit nachfolgend mangelnder Transparenz und stetigem Verlust der Kundenorientierung. Funktionsorientierung

Teiloptimum viele Schnittstellen hohe Koordination kleine Aufgaben je Mitarbeiter statische Rationalisierung

Abb. 4.56

Prozessorientierung

Gesamtoptimum wenig Schnittstellen Selbstmanagement ganzheitliche Arbeitsinhalte motivierte Mitarbeiter kürzere Durchlaufzeiten

Unterschiede im Ergebnis von Funktions- zu Prozessorientierung (eigene Darstellung)

F. Nordsiek hatte schon 1932 damit begonnen, betriebliche Tätigkeiten als „fortwährenden Prozess einer ununterbrochenen Leistungskette“ zu betrachten (Nordsiek, 1972, S. 8; Schnetzer, 1998, S. 23). Die Ideen im Qualitätsmanagement von Deming, Juran und Ishikawa im Japan haben zu fast gleicher Zeit die Entwicklung der betrieblichen Organisation entlang von Arbeitsprozessen vorgeschlagen (vgl. Töpfer, 1996c, S. 3). Die MIT-Studie zur Automobilindustrie (vgl. Womack, Jones, Roos, 1994) hat den japanischen Wettbewerbsvorsprung im Wesentlichen auf die nachhaltig effizientere Art der betrieblichen Zusammenarbeit entlang von Prozessstrukturen zurückgeführt. Es entstanden völlig neue Arten der Zusammenarbeit und eine viel höhere Leistungsqualität (vgl. Pischetsrieder, 1993, S. 117). M. Porter in seinem Wertkettenmodell (vgl. Porter, 1999a, S. 66) und zeitgleich Gaitanides mit seiner Beschreibung betrieblicher Prozesse (vgl. Gaitanides, 1983, S. 65) haben wesentlich dafür gesorgt, dass die Funktionsorientierung betrieblicher Leistungserstellung in den Hindergrund trat und eine Beschreibung aller betrieblichen Tätigkeiten im Prozessablauf und die Klärung der räumlichen, zeitlichen und Input- / Output-Abhängigkeiten in den Vorder223

grund traten. In der Prozessgestaltung werden die betrieblichen Aktivitäten – ohne Bindung an eine Funktion – hinsichtlich des Ablaufes der Wertschöpfung fortschrittsbezogen zusammengefasst, ein Input durch Transformation bzw. Bearbeitung im Wert erhöht und als Output bzw. Ergebnis an einen nachfolgenden Prozessschritt weitergegeben. In dieser Prozessgestaltung wird die Aufgabenanalyse integriert in die Klärung der Abläufe. Somit wird das Erkennen von Wirkungsmechanismen über einzelne betriebliche Funktionen möglich und werden Schwächen aber auch Potenziale in der Wertschöpfungserstellung sichtbar. Die unternehmerischen Aufgaben werden gegliedert in Kernprozesse, die erfolgskritische Bedeutung haben und in unterstützende Prozesse, die die Kernprozesse begleiten oder sie steuern (vgl. Gaitanides, Scholz, Vrohlings, 1994, S. 8). Kernprozesse Marketing Planung Vertrieb/Kalkulation Beschaffung Produktion Abrechnung Service/Reklamation

Unterstützende Prozesse Finanzen/Controlling Personal/Ausbildung Werkstatt Bauhof Innovation Organisation EDV für Betriebswirtschaft

EDV für Technik Abb. 4.57 Prozesse in einer Bauunternehmung (eigene Darstellung)

Wesentlich für die Betrachtung und Gestaltung der Kern- und unstützenden Prozesse ist die Frage, wozu dieser Prozess dient, ob er für die Wertschöpfung wichtig und erfolgskritisch ist, ob er Kundennutzen erzeugt, ob der Kunde für ihn zahlt und ob das Unternehmen für diesen Prozess die optimalen Ressourcen und Fähigkeiten besitzt. Ein Bauunternehmen sollte sich nur mit unerlässlichen Wertschöpfung schaffenden Prozessen beschäftigen und sich darauf konzentrieren wettbewerbsfähig zu bleiben. Alle nicht wertschöpfenden Prozesse können eventuell entfallen oder besser durch dritte Externe geleistet werden (vgl. Löbert, 2000, S. 50). Aber auch der Wertschöpfungsbeitrag selbst muss untersucht werden auf die Wirkung auf andere Prozesse der Leistungserstellung. Ein Rechtstreit mit dem Kunden über eine Abrechung kann für das Unternehmen mit einer Rechtsabteilung Wert schöpfen. Für den Prozess hin zu einer optimalen Kundenversorgung im Sinne der NIÖ mit möglichst geringen Transaktionen kann z. B. diese Rechtsabteilung eine falsche Prozessorganisation darstellen. Wesentliche Aspekte der Prozessgestaltung sind: x

Welche Prozessteile sind wertschöpfend und unter Beachtung der NIÖ wichtig für die Kundenversorgung und -zufriedenheit?

x

Verfügt das Unternehmen über die Ressourcen und Fähigkeiten, einen optimalen Prozess durchzuführen?

224

x

Können Externe den Prozess billiger und ausreichend gut bereitstellen?

x

Sind alle Aspekte des Prozesses bekannt und beherrschbar?

Sind Prozessinhalte nicht zu komplex und beherrschbar nach Varianz, Kommunikation, Schnittstellen? Weiter ist es die Aufgabe einer Prozessgestaltung, Kompetenzen und Verantwortung von Schnittstellenqualitäten und Zeitabläufen sichtbar zu machen. Jeder Prozess hat dabei einen Lieferanten und einen Kunden. Am Baumarkt ist das Bauunternehmen der Lieferant und der „Bauherr“ der Kunde. Kunde und Lieferant können auch interne Unternehmensbereiche sein bei abgebenden und empfangenen Leistungsfunktionen. Man bezeichnet dieses auch als „interne Kunden-Lieferanten-Beziehung“ (vgl. Binner, 1997, S. 5.19; Malorny, 1999, S. 345). x

Mitarbeiter als Kunde und Lieferant 1)

Prozesse und Schnittstellen müssen klar definiert sein

2)

Zuständigkeiten, Kompetenz und Verantwortung sind eindeutig festzulegen

3)

Jeder Mitarbeiter ist für die Zufriedenheit seines internen Kunden verantwortlich und ist als Kunde selbst zur Beschwerde aufgefordert und berechtigt

4)

Übergabeprozeduren an der Schnittstelle sind einvernehmlich und eindeutig festzulegen

5)

Ziele des Prozessergebnisses sind abzugleichen, Ergebnisse selbst eindeutig zu übertragen

Abb. 4.58

Grundlagen interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen (eigene Darstellung)

Die Prozessgestaltung im Bauunternehmen unterscheidet sich wesentlich von derjenigen in anderen Industriebereichen mit ihren wiederholten, häufig gleichartigen Produktionsbedingungen in definierten Räumen. Die Einmaligkeit des einzelnen Bauobjektes an unterschiedlichen Orten mit zumeist jeweils anderen und neuen Wertschöpfungspartnern führt zu wichtigen Problemen in der Prozessgestaltung: x

unterschiedliche Produktionszeiten bedingen Wartezeiten an der Schnittstelle;

x

unterschiedliche Leistungsqualitäten erzwingen Prüfaufwand und Nacharbeit;

x

Leistungsteile werden an andere Teile der Lieferantenkette weitergegeben, ohne dass dort die gleiche Prozessqualität gesichert ist (doppelter Prüfaufwand);

x

Leistungen werden mehrfach erbracht, obwohl im Gesamtprozess nur einmal nötig sind (Vermessung, Qualitätskontrolle usw.);

x

Firmen unterschiedlicher Größe, Prozessfähigkeit und Qualifikation verbinden sich zum Endprodukt ohne Abgleichung der Prozessqualität;

x

unnötige Transporte und Zwischenlagerungen belasten die Kosten für Logistik; 225

x

doppelte Planungsaufwendungen und Änderungsanpassungen durch Trennung von Planung und Bau schaffen Zeit-, Abstimmungs- und Kostenprobleme;

x

mangelnde Nutzung von Best-practice-Erfahrungen der unterschiedlichen Lieferanten erschöpft nicht das Potenzial des SCM;

x

große Zeitverluste an den Schnittstellen verlängern die Bauzeit;

x mangelnde Integration des Kunden in definierte Prozesse mindern seine Zufriedenheit. Es ist offensichtlich, dass diese Probleme nur gelöst werden, wenn durch aktive Analyse und Gestaltung jedes Bereiches Chancen zur Verbesserung der Leistung, Vermeidung von Verschwendung und Optimierung der Wertentstehung genutzt werden. Das Spezifische des Bauprozesses verlangt eine spezifische Ausrichtung aller Tätigkeiten des Bauunternehmens auf die optimale Entwicklung von Werten in jedem einzelnen Prozessschritt. Dies gelingt nicht, wenn weiterhin jahrzehntelange Gewohnheiten gepflegt werden, sondern durch aktive Prozessgestaltung, so schwer und belastend sie anfänglich auch sein mag. Analyse der Kundenanforderung / Kundenpfad Klärung von Kompetenzen Kernprozess oder unterstützend Gestaltung des Prozesses und Optimierung Festlegung des Prozesseigners Prozesscontrolling Einbinden mit anderen Prozessen Umsetzung und kontinuierl. Verbesserung

Abb. 4.59

Die Prozessgestaltung (eigene Darstellung)

Neben der Gestaltung der betrieblichen Prozesse als Teil der Ressourcengestaltung darf nicht die Klärung der Anforderungen des Kunden und sein Erlebnisempfinden im Bauprozess vergessen werden (vgl. Schäfer, 1995, S. 117). Der Bereich „Bauausführung“ ist ein Prozess unter mehreren anderen. Nur zu selten ist den auf der Baustelle arbeitenden Mitarbeitern bekannt, welche Leistungsbestandteile ein Kunde für seine Nutzenanforderung erwartet und welches Erlebnis er bei der Nutzung der von ihm gekauften Marktleistung hat. Die Analyse der Verwirklichung des Bauwunsches eines Kunden – von der Idee bis zur Abnahme der Bauleistung – gibt Hinweise darauf, welche Prozessschritte während der Planung und Realisierung für den Kunden wichtig sind (siehe Abb. 4.14). Gerade bei der Interaktion in der Bauerstellung zusammen mit dem Kunden und dem von ihm evtl. beauftragten Beratenden Ingenieuren kann detailliert geprüft werden, an welchen Prozessschritten der Kunde beteiligt ist und 226

was er dort erwartet. Diese Kontaktpunkte im sog. „Kundenpfad“ sind wesentlich für die gesamte Prozessgestaltung (vgl. Stauss, 1995, S. 30). Schließlich beeinflusst der Kunde durch sein Handeln und durch die zwischen ihm und dem Bauunternehmen verlaufene Kommunikation den Bauprozess und das Ergebnis. Gleichzeitig beeinflussen Art und Inhalt der mit ihm gemeinsam durchzuführenden Prozesse sehr stark das Zufriedenheitsempfinden des Kunden über den Bauablauf als Ganzes. Nach Analyse der Leistungsprozesse, der Kunden-Lieferantenbeziehungen und der Kundenanforderungen auf dem Kundenpfad können nun die Prozesse in der einzelnen Bauunternehmung gestaltet und zu einem ganzheitlichen Organisationsablauf zusammengesetzt werden. Eine besondere Herausforderung im Baubetrieb ist die Einbindung der Baustellen – oftmals vom Umfang her eigene kleine Betriebe – in die Gesamtheit der Prozesse im Unternehmen. Für die Produktion auf der Baustelle gilt es dabei, separate Prozesse der einzelnen beteiligten Unternehmen zu einer Wertschöpfungskette bis zum fertigen Bauwerk so miteinander zu verbinden, dass sie möglichst wie ein einheitlich gestalteter Prozess wirken (vgl. Hammer, 2002, S. 45 f) (siehe auch Kapitel 4.2.2.2). Die Prozesse auf den Baustellen wiederum müssen zum Prozess im gesamten Bauunternehmen abgeglichen werden.

227

228

Abb. 4.60

Gesch.bereichs

Q-Sicherung des

Projektbezog.

Termin- und Ablaufplanung

Marketing Strategie; Marktsegment, -potenzial; Zielgruppe; Leistungsdefinition

Planungsphase und Genehmigungsverfahren

.

Kfm. Service/ Controlling

Beschaffung Ausschreibung Vergabe

Bauausführung

Entwurf /Angebotserstellg. Entwicklung/Innovation Vertragserstellung

Wertschöpfungsprozess

Geräteeinsatz Bauhof / Werkstatt

Vertrieb: Marketinkonzept, Kundenbindung, Produktmanagmt

Dokumentation

Die Prozesskette zur Leistungserstellung in einer Bauunternehmung (vereinfachte Darstellung mit linearen Abläufen)

Auftragserteilung / Projektvorbereitung

Kundenwunsch

Begleitende Q-Sicherung des Geschäftsbereichs

Unterstützende Prozesse

ÄnderungsManagement

Qualitätssicherung/ -prüfung

Produktion

entwicklung

Personal-

Bauabnahm e

Abrechnung

Reklamation/ Gewährleistung

Abschluß und Bewertung NU

Kundenzufriedenheit

Statistik, Korrektur und Vorbeugung

Denn die Prozesse auf der Baustelle sind nur ein Ausschnitt aus dem Wertschöpfungsprozess der Bauunternehmung, der von unterstützenden Prozessen begleitet wird. Da die einzelnen Baustellen oder Produktionsinseln sich in unterschiedlicher zeitlicher Abwicklung befinden, muss vermieden werden, dass unternehmensweite Prozesse immer wieder unterbrochen, angehalten oder zurückverwiesen werden. 4.2.2.2 Die Optimierung von Prozessen Lean Construction und Work-flow

In dieser Arbeit werden die Verbesserungen einzelner Bauabläufe auf den Baustellen nicht näher betrachtet. Ihnen widmet sich intensiv die BBL. Hier wird vielmehr dargestellt, wie die vielfältigen Prozesse im Bauunternehmen, seien es Bauabläufe, Kundenprozesse, sowie die Erreichung von Qualitäts-, Kosten-, und Zeitzielen in ihrer Gesamtheit mit nutzbaren Verfahren zur optimalen Gestaltung geführt werden. Ungünstige Bauprozesse führen nicht nur zu Zeitverlusten sondern auch zu vielfältigen Arten von Nichtnutzung bzw. Verschwendung – muda – von Ressourcen (vgl. Suzaki, 1989, S. 13; Kobayashi, 1994, S. 67). Nicht dauerhaft genutzte oder fehlgeleitete Ressourcen bedeuten Kostenverzehr im Betrieb, weisen auf falsche Bauplanung oder Prozessabläufe hin und vernichten Werte. Dabei sind die Verschwendungen im Bauprozess sehr hoch. Studien in den USA, Großbritannien und Skandinavien haben ergeben: x

30% der Bauleistung muss wiederholt werden, um die zugesicherte Leistung zu erreichen;

x

Das Leistungspotenzial in der Bauherstellung wird nur zu 40 - 60% effizient genutzt;

x

Vermeidbare Unfälle liegen bei 3 - 6% der Projektkosten;

x 10% der Materialwerte gehen durch Verschwendung und Unordnung verloren. „The message is clear – there is plenty of scope for improving efficiency and quality simply by taking waste out of construction.“ (Egan-Report, 1998, S. 15). In Dienstleistungs- wie Fertigungsprozessen ist aus Kundensicht das Verhältnis von Durchlaufzeit (als Zeitspanne von der Auftragserteilung bis zur Übergabe der Leistung an den Kunden) zur reinen Bauzeit entscheidend für die Prozesseffizienz (vgl. Gaitanides et al., 1994, S. 68). In der Bauabwicklung sind, insbesondere bei üblichen Planungsverzügen und Abstimmungsproblemen der verschiedenen zumeist nicht vertraglich miteinander gebundenen Leistungsersteller, reine Produktions- und Bearbeitungszeiten von unter 25% der Durchlaufzeit bzw. Gesamtbauzeit je Bauabschnitt häufig anzutreffen (vgl. Kamiske, 1996, S. 75; Malorny, 1999, S. 455). Um den Ressourceneinsatz zu optimieren, liegt deshalb eine der wichtigsten Stellschrauben in der Minderung der Komplexität der Bauabläufe und der Anzahl der Schnittstellen der vielfältig Beteiligten. Schnittstellen sind zwar unerlässlich im Produktionsablauf, aber Menge und zeitliche wie inhaltliche Ausgestaltung sind intensiver

229

Bemühungen wert. Schlecht gestaltete Schnittstellen sind die größten Verursacher von Qualitätsmängeln und Kundenunzufriedenheit (vgl. Johnke, Eichler, 1997, S. 32f; Wildemann, 1993, S. 72). Obwohl im amerikanischen Einfamilienhausbau in Holzbauweise große Anstrengungen zur Modularisierung und Standardisierung unternommen wurden, bestehen dort immer noch 75% der Bauzeit aus Warten, Untätigkeit anderer verbundener Gewerke und Nacharbeit von fehlerhafter Arbeit (vgl. Womack, Jones, 1997, S. 63). Howell hat die Probleme der gegenwärtigen Bauerstellung analysiert und daraus Ansätze für eine bessere Lösung entwickelt. Die wichtigsten Problembereiche in der Bauproduktion sind seiner Ansicht nach (vgl. Howell, 1999): x

Die Anforderungen des Kunden werden allein von der Projektleitung definiert. Die Produktion richtet sich auf die Vorgaben und die gegebenen Grenzwerte aus;

x

Das Projekt wird durch Zerlegung der Vorgänge und frühzeitige Festlegung der Logik von Zeitabläufen und Ressourceneinsatz organisiert. Die Projektleitung gestaltet den Zeitplan und überwacht;

x

Die Projektleitung gibt jeden Bauvorgang frei und regelt die Abwicklung und Zusammenarbeit auf der Baustelle. Sie wird aktiv bei Abweichungen und nutzt ein strenges Kontrollsystem mit der Begleitung durch juristische Konsequenzen;

x

Kosten werden eher zufällig und gering durch Verbesserungen in einzelnen Bauabschnitten reduziert, Zeiten durch schnellere einzelne Vorgänge. Es besteht keine Beachtung des Work-flow und der optimalen Wirkung der Gesamtherstellung;

x Qualität und Sicherheit werden durch Inspektion und Kontrolle angestrebt. Letztlich wird zu lange produziert mit zu hohen Kosten, mäßiger Qualität unter allzu häufiger Hinnahme mangelnden Engagements der produzierenden Bauarbeiter und zu autoritärer Festlegung aller Details durch die Projektleitung. Neben Ressourcenverschwendung und Zeitverlusten müssen dysfunktionale Abläufe mit häufigem Informationsaustausch und nachfolgenden -verlusten, wenig kundenorientierte Prozesse mit nachfolgender hoher Unzufriedenheit (siehe Kapitel 3.2.1.1), nicht optimierte Kostenverbräuche (siehe Kapitel 2.3.4) und mangelhafte Qualität trotz mehrfacher Kontrollen nach der Produktion festgestellt werden. Dabei spielt die Fragmentierung der Produktion in verschiedene Gewerke ebenso eine Rolle wie die Planung durch vom einheitlich verantworteten Bauprozess getrennt wirkende Beratenden Ingenieure. Es wurde eingangs darauf hingewiesen, dass Gründe für die ungenügende Prozessqualität nicht in der Spezifität des deutschen Bauwesens zu anderen Industrien liegen, sondern eher zu suchen sind in der mangelnden Bereitschaft zum Wandel und der Nutzung sich inzwischen gebildeter Ver-fahren zur Verbesserung betrieblicher Prozesse in anderen Industrien. Um die Ursachen dieser Probleme beurteilen zu können, ist es wichtig den Bauprozess sorgfältig zu beobachten. Im Gegensatz zur stationären Industrie, in der die herzustellenden Güter an den Maschinen entlang geführt werden, müssen am Bau die Produktionsfaktoren 230

(Menschen, Geräte, Material) sich am herzustellenden Gut entlang bewegen. Der Produktionsfluss am Bau wird nur in Ausnahmefällen (z. T. im Straßenbau) direkt von den Abläufen und Abhängigkeiten wie bei den Maschinen in der Werkhalle, sondern von den Anweisungen der die Baustelle führenden Personen beeinflusst. Es gibt also weniger maschinenbestimmte Abläufe, vielmehr ist für ein Bauprojekt der „Process-work-flow“ maßgebend. Dies gilt umso mehr, als die Arbeit auf der Baustelle heute eine Verbindung von körperlicher Herstellung von Teilen des Bauwerkes und das Zusammenfügen mit der Montage von Vorprodukten ist. Obwohl zur besseren, unabhängigeren und effizienteren Produktion (Wetter, Ort usw.) die Vorfertigung in den letzten Jahrzehnten sehr zugenommen hat, muss die letzliche Montage der vorgefertigten Teile auf der Baustelle passieren. Damit liegt der wesentliche Ansatz einer optimalen Herstellung in der Gestaltung der Prozesse und der Informationsweitergabe innerhalb der definierten Baubereiche, ihrer Kontrolle und der Fähigkeit, dieses in einen „fließenden“ Ablauf zu organisieren. Liegen beschriebene Prozesse nach Inhalt, beteiligten Personen, Schnittstellen, Störquellen, Zeitablauf und räumlichen Festlegungen definiert vor – sei es ein gerade neu gestalteter oder ein seit längerem bestehender Prozess – so müssen beide Prozessarten fortlaufend optimiert oder geänderten Bedingungen angepasst werden. Benchmarks Vergleich mit den Besten

Kundenanforderungen analysieren u. priorisieren

optimaler Geschäftsprozess

Aufwandtreiber eliminieren, Werttreiber fördern

Abläufe gestalten in kontinuierlicher Verbesserung

Abb. 4.61

Die Optimierung von Geschäftsprozessen (eigene Darstellung)

Der Optimierung geht eine zweitstufige Analyse voraus. Zuerst sollten aufgrund von Marktorientierung und Marktanalysen, Kundenbefragungen sowie Wettbewerbsbeobachtungen die Zusammenhänge zwischen womöglich ungenügender Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsfähigkeit und nachfolgendem Absatzmangel mit seinen Ursachen und Folgen untersucht werden. Die Analyse der konkret ablaufenden Prozesse (Warum ist das passiert? Wer ist verantwortlich? Was würde der Kunde sagen, wenn er diesen Prozess kennen würde?) beschreibt dann die Ursache, die die Wirkung beim Kunden erzeugt, wenn er die angebotene Leistung beurteilt. Dabei ist es sehr wichtig, ob die Kundenbeurteilung infolge langjähriger Beziehung 231

zum Bauunternehmen erfolgt oder allein oder zusätzlich aufgrund von Erfahrungen mit Wettbewerbsleistungen (vgl. Töpfer, 1999a, S. 100; Mangold, 2000, S. 210; Töpfer 2000c, S. 40ff). Anschließend wird innerhalb der Ressourcenorientierung der einzelne Prozess mit der darin stattfindenden Wertschöpfung auf den erfolgten Nutzwert für den Kunden und seinen Kostenverbrauch analysiert. Die unterstützenden, fehlerhaften oder verschwendeten Leistungsteile müssen bestimmt und der Nutzleistung gegenüber gestellt werden. Prozesse sind nur dann effizient, wenn Doppelarbeit, Wartezeiten und Rückfragen weitgehend entfallen. Einzelne Prozessschritte sollten dann erfolgen, wenn sie benötigt werden, nicht früher oder später. Es macht wenig Sinn, Teilprozesse durch hohe Investitionen zu beschleunigen, wenn begleitende Prozessschritte davor oder danach mangelhaft bleiben oder wenn sie an anderer Stelle eine getätigte Beschleunigung verpuffen lassen, weil sie z. B. nicht auf dem „leistungskritischen Weg“ der Projekterstellung liegen. Ansatzpunkte zur Prozessverbesserung x

Standards messbar einführen

... Prozesse

x

Änderungen reduzieren

... eliminieren

x

Arbeitsteiligkeit im Unternehmen verringern, Teamarbeit verstärken

... vereinfachen

x

Informationen verfügbar machen

... zusammenfassen,

x

Entscheidungsspielräume vergrößern

x

Kontrollen abbauen, Messstellen zur Eigenüberwachung einrichten

x

Doppelfunktionen verhindern, Arbeitsfluss herstellen

x

Störungen reduzieren

x

Selbststeuernde Regelkreise schaffen

x

Mitarbeiter einbeziehen

x

Kostentreiber kennzeichnen und fortlaufend mindern, Verschwendung reduzieren

x

Werttreibern Freiräume schaffen

Abb. 4.62

232

Maßnahmen zur Prozessverbesserung

... beschleunigen ... parallelisieren integrieren ... auslagern (Outsourcing) ... modellieren (Schnittstellenminderung) ... optimieren (Wartezeiten mindern) ... messen (zur Eigenüberwachung)

Verbesserung von Geschäftsprozessen im Baubereich (Quelle: nach Binner, 1997, S. 5.9)

Bei der Optimierung der bisherigen Prozesskette werden die einzelnen Prozesse so modelliert und untereinander ausgerichtet, dass sie durch eine systematische Neugestaltung in einen „fließenden Ablauf“ gebracht werden (vgl. Womack, Jones, 1997, S. 64; Binner, 1997, S. 12.2; Deckert, 1997). Bei diesen als „Work-Flow“-Management beschriebenen Verfahren, welche zuerst Anfang der neunziger Jahre in der Autoindustrie genutzt und seither in vielen Industrien üblich sind, werden die Arbeitsschritte zur Herstellung einer Leistung zueinander geordnet und in Ablauf gebracht, so dass einerseits keine Wartezeiten, Doppelarbeit und Verschwendung jeglicher Art anfällt und andererseits eine nach Zeit und Kosten optimale Produktion entsteht. Alle Informationen werden bei ihrem Eintreffen nur einmal abschließend verarbeitet und später dann allen nachgelagerten Bearbeitern zur Verfügung gestellt, wann immer sie in der Prozesskette diese Informationen benötigen. Gleichzeitig werden Rücksprünge, Wartezeiten, Rückfragen und unnötige Bearbeitungen völlig vermieden („die Arbeit fließt“), indem jeder Betroffene alle für seine Arbeit nötigen Informationen laufend einer EDV-Datenbank entnehmen kann (vgl. Scheer, Jost, 1996, S. 31). Wesentlich für den work-flow-Prozess ist es, dass Informationen, Materialien oder vorgelagerte Produktionsschritte zwar rechtzeitig bereitgestellt werden, aber erst dann, wenn sie durch den nachgelagerten Prozess angefordert („gezogen“ – Pull-Prinzip) werden. Dadurch ist automatisch dem Arbeitsfluss ein „Wert-Fluss“ (engl.: Value Stream) zugeordnet. In ihm wird sichergestellt, dass Verschwendung an Zeit, Lagerhaltung, Qualität, Kostenverzehr usw. vermieden wird. Ein Vorgang also, der im „Work-flow“ der Produktion dient, aber keine Werterhöhung erzeugt, sollte in der Optimierung eliminiert werden. Work-flow-Management 1) Verkürzung der Vorgangs-, Warte- und Durchlaufzeit 2) Vermeidung von Doppelarbeit, Mehrfachbearbeitung und Verschwendung 3) Informationssortierung und -bearbeitung an den Anfang des Prozesses beim ersten Auftreten mit Zugriff für alle späteren Prozessbeteiligten 4) Informationen gleichzeitig und aktuell für alle Betroffenen bereitstellen

5) Erhöhung der Entscheidungsqualität 6) Folgeaktivitäten genauestens aufeinander abstimmen, damit die Produktion kontinuierlich fortschreitet, keine unnötige Wartezeit/Beschleunigung mit intermittierendem Prozessablauf zulassen 7) Funktions- und hierarchieübergreifend Arbeitsabläufe entsprechend des Prozesszieles modellieren

Abb. 4.63 Ziele des Work-flow-Management (eigene Darstellung)

Die Durchdringung des Baubetriebes mit einer geeigneten Methodik sowie Prozessgestaltung und -verbesserung braucht Zeit, zumal wenn sie fortlaufend optimierend in kontinuierlichen 233

Verbesserungsprozessen (KVP) geschieht. Die sich bis 2006 zunehmend verstärkenden Veränderungen am Baumarkt zwingen allerdings manches Bauunternehmen zu schnellen und grundsätzlichen Verbesserungen. Hier bietet sich das Verfahren des „Business-ProcessReengineering“ (BPR) an, das einen radikal grundsätzlichen Neubeginn anregt. Ausgehend von der Fragestellung: „Wenn ich dieses Unternehmen heute mit meinem jetzigen Wissen und beim gegenwärtigen Stand der Technik neu gründen müsste, wie würden dann die Prozesse aussehen?“ (Hammer, Champy, 2003, S. 47), sind die wesent-lichen Elemente des BPR (vgl. Hammer, 1995, S. 95; Hammer, Stanton, 1995, S. 171f): x

Fundamentales Überdenken aller betrieblichen Prozesse;

x

Radikale völlige Neugestaltung dieser Prozesse;

x

Verbesserungen um mindestens 30 % nach Zeit und Kosten;

x

Neue Prozesse nicht durch KVP, sondern durch abrupte Neugestaltung;

x

Massiver Einsatz der EDV zur Informationsverteilung;

x

Radikale Kürzung von Abstimmungen und Kontrollen.

BPR hat eine besondere Wirkung im Baubereich, weil gerade hier durch jahrzehntelange Vernachlässigung von Verfahren der Prozesssteuerung besonders viele unwirtschaftliche Betriebsabläufe vorhanden sind (vgl. Boston Consulting Group, 1993, S. 67). Durch die Nutzung von BPR, dem Aufbrechen von ineffizienten funktionalen Organisationen und der Überführung in optimale Prozesse werden anfangs sehr große Verbesserungen in Betriebsabläufen erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert (vgl. Schalcher, 1997, S. 18; Hermal, 1997, S. 140; Pereira, Aspinwall, 1997, S. 37). Diese Veränderungen werden üblicherweise ohne die Mitarbeiter im Unternehmen angestoßen und von externen Beratern herbeigeführt. Man wird also deshalb sehr darauf achten müssen, dass die neuen Prozesse nach der Einführung stabil bleiben. Diese Stabilität wird weniger erreicht durch einen verbesserten IT-Einsatz, neue Produktionstechnologien oder ein verändertes Lieferantenmanagement, sondern vielmehr durch Mitarbeiterqualifizierung, flexible Arbeitszeitmodelle und Veränderung von Führungsverhalten (vgl. Hauk, 1998, S. 68ff). Ein weiteres Verfahren zur Optimierung von Prozessen allerdings unter primärer Betrachtung von Kostenreduktionen bei Dienstleistungen ist die Gemeinkostenwertanalyse. Erbrachte Prozessleistungen werden untersucht auf Kostenanfall und Nutzenerbringung mit dem Ziel einer Reduzierung der anfallenden Kosten. Vergleiche mit anderen Firmen in Benchmarks unterstützen diese Optimierung (vgl. Töpfer, Effenberger, 1996, S. 186). Aus der Verbindung projektbezogener Arbeitsteams, einmaligem Produkt, möglichst hoher Vorfertigung und möglichst kurzen Bauzeiten und geringer Verschwendung bei der Herstellung auf der Baustelle zum Endprodukt ergeben sich nun zwei Aufgabenstellungen für die Entwicklung von Bauprozessen: 234

x

Soweit als möglich herkömmliche vermeintliche Zwänge des Bauprozesses zu mindern und sich für neuzeitliche Produktionsverfahren der stationären Industrie zu öffnen (vgl. Wildemann, 1993).

x

Nutzen der Gedanken der z. Z. effizientesten Produktionsmethode, des „Lean Managements“ der Fa. Toyota (vgl. Womack, Jones, 1997) und Versuch der Nutzung einer ähnlichen für den Bau geeigneten völlig neuen Methodik. „What has changed manufacturing, and sharply pushed up productivity, are new concepts. Information and automation are less important than new theories of manufacturing, which are an advance comparable to the arrival of mass production 80 years ago. Indeed, some of these theories, such as Toyota’s “lean manufacturing”, do away with robots, computers and automation.” (Peter F. Drucker, “The Economist”, 3.11.2001, S. 12, zit. nach www.leanconstruction.org).

Der Amerikaner G. A. Howell hatte Mitte der Neunziger Jahre als einer der ersten das Konzept einer „Lean Construction“ entwickelt (vgl. Howell, 1999), welches versucht, die Spezifität des Bauablaufes mit modernen Verfahren der Prozessoptimierung, des work-flow und darauf abgestimmter Beschaffungsprozesse zu verbinden. Beginnend mit dem Arbeitsfluss im Betrieb wird in der nachfolgenden Abb. 4.64 ein Workflow-Prozess für eine Bauunternehmung von der Kundenidentifikation im Vertrieb bis zur Gewährleistung / Nutzung des Projektes entwickelt und beschrieben. Dabei verlaufen die Prozesse einerseits in neun Schritten innerhalb einer Prozessphase und werden mit einem Übergabegespräch abgeschlossen, das gleichzeitig den Beginn der nächsten Prozessphase darstellt. Alle in der vorhergehenden Phase gefundenen Informationen werden in einer Datenbank gespeichert und stehen damit der nächsten Phase uneingeschränkt zur Verfügung.

235

236

Abb. 4.64

K alkulationss chlus s ges präch

Kalkulation/Angebot / Sondervorschläge

Kalkulationsrisiko

• Angebotsmappe

• Baustartpaket

• Sondervorschläge

K ick-OffG es präch

Bauvertrag

Wettbewerbsrisiko Preisrisiko

• Musterdetails • Ablaufvisualisierung

• Vertragsterminplan

• Referenzdatenbank

Projekt- Check Vertrieb

• Kalkulations terminplan • Gewerkeliste

• Kalkulation

• Bauverfahrens Ananlyse

Projekt-Check Kalkulation

Vertragsabschluss

Vertriebsteam

Zeitdauer der Vertragsverhandlung

Kalkulation/ Angebot

III . V ertrieb

B aus tartges präch

Arbeitsvorbereitung Terminplanung

Produktionsrisiko

• Baustellenanmeldung

• Aktenordnung

• Zahlungsplan

• SiGE- Plan

• Baustelleneinrichtungsplan

• Internes Organigramm • Produktionsterminplanung

• Rückmeldung Vergabewerte

• NU-Prüfpläne

• NU-Terminplan

• NU-Vertrag

• Verhandlungs protokoll

• Teilleistungsverzeichnis

• NU- Datenbank

Projekt - Check Nachunternehmer

P artner s tartges präche

Nachunternehmervergabe

Beschaffungsrisiko

Projekt- Check Produktionsvorbereitung

Einkauf von Stoffen und Vergaben an Nachunternehmer

Projektleitung / Bauleitung / Einkauf

Projektleitung / Bauleitung

Produktionsvorbereitung

Projektlaufzeit

Bauvertrag Kunde

V . E inbindung von P artnern (NU)

Zeitdauer der Arbeitsvorbereitung

Bauvertrag Kunde

IV. P roduktions vorbereitung

Abnahme vorbereitung

Baustatusbericht / Leistungsmeldung

Qualitätsrisiko

• Abschlagsrechnung

• Aufmass

• Prüfpläne QM

• Termin - Controlling

• Kosten- Controlling

Qualitätsrisiko

• Rückmeldung NU- Bewertung

B aus chlus s G es präch / K V P

Bürgschaftsrückgabe durch Kunde

Gewährleistungs risiko

• Archivierung

• Rückmeldung ? an

• Kundenbefragung

• Mängelliste

G ewährleis tungss chlus s bericht

• Schlussrechnung

• Bestandspläne

• Wartungsanleitung

Projekt - Check Gewährleistung

Mängelbeseitigung

Projektleitung

Gewährleistungs laufzeit

Bauvertrag Kunde Abnahmeprotokoll

V III . G ewährleis tung

• Betriebseinweisung

• Dokumentation

Abnahmeprotokoll

• Vertrags- Controlling

• Prüfplan

Projekt -Check Abnahme

Übergabe der Leistung an den Kunden

Projektleitung

Zeitdauer der Abnahme

Bauvertrag Kunde

V II. Abnahme

• Bautagebuch / Protokolle • Mannschaftsmeldung

Projekt- Check Produktion

Bauausführung, QS, Budget-und Terminkontrolle

Projektleitung / Bauleitung / Polier

Projektlaufzeit

Bauvertrag Kunde

V I . P roduktion

Work-flow-Prozess einer Bauunternehmung von der Kundenidentifikation bis zur Gewährleistung / Nutzung (eigene Darstellung)

K alkulationss tartges präch

Konkrete Anfrage des Kunden

8.Dokumentation der Ergebnisse der Prozessphase durch

9.Übergabe an die nächste Prozessphase

Bonitätsrisiko

• Kundenveranstaltungen

• Prospekte

• Internetauftritt

7. Risikomanagement

6.Werkzeuge für die Prozessphase

• Sollkundenprofil

• Vertriebs - Infosystem

• Vertriebshandbuch

Projekt - Check Marketing

5.Erstellung und Fortschreibung der Prozesschecklisten

Angebotserstellung

Kalkulationsteam

Kalkulationslaufzeit

Anfrage des Kunden

II. K alkulation

Kundenidentifikation

Vertriebsteam

Vertriebslaufzeit

Allgemeine Kunden infos / Datenbanken

I. Marketing

4. Konkrete Aufgaben in der Prozessphase

3.Organisation der Prozessphase

2.Zeitbedingungen der Prozessphase

1. Grundlagen der Prozessphase

Soweit es gelingt Work-flow-Abläufe zu modellieren, ergeben sich Reduzierungen von über 50 % bei Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten und wesentliche Reduzierungen bei benötigtem Personaleinsatz (vgl. Österle, 1996, S. 4). Im deutschen Baubereich gibt es bisher nur wenige Erfahrungen mit solchen Optimierungsverfahren. In den Niederlanden werden dagegen für den Reihenhausbau EDV-gesteuerte Produktions-, Planungs-, Steuerungssystematiken in sog. PPS-Verfahren, genutzt, wie sie in Deutschland im Maschinenbau üblich sind. Es wurden damit Bauzeiten von 50 % unter den in Deutschland üblichen Zeitverbräuchen erreicht. Diese PPS-Verfahren und eine ergänzende Informationssteuerung infolge von bestellauslösenden Handlungen im Rahmen des „Efficient Consumer Response (ECR)“ direkt zu den Bauzulieferern unterstützen wesentliche Work-flow-Prozesse. Sie sind zurzeit aber im deutschen Bauwesen noch nicht umgesetzt (vgl. Kuhn, Hellingrath, 2002, S. 125f). Für nicht standardisierbare und durch hohe Wiederholungseffekte wie im Reihenhausbau geprägte Baustellen mit spezifischer Planung reicht die Gestaltung der Prozesse in einem Arbeitsfluss allerdings nicht aus. Hier bietet das in England und den USA seit ca. zehn Jahren genutzte Verfahren des Lean Construction eine umfassende Lösung als Antwort auf die eingangs dieses Kapitels beschriebenen Problemstellungen. Die Zusammenarbeit von Spezialisten aus Planung, Vorlieferung und Herstellung dient allein der Wertentstehung beim Kunden Bauarbeit als Prozess im workflow organisieren Bewusste Gestaltung des Work-flow und Überwachung der Wirkung ist wichter als Zeit- und Kostenreduktion einzelner Vorgänge Reduziere Verschwendung durch Gestaltung der Zulieferung

Identifiziere den Wert der Leistung und ihre Teile für den Kunden

LEAN CONSTRUCTION Optimiere das Gesamtsystem; Beteilige alle an der Verbesserung des Prozesses der Wertentstehung

Nutze die 5 S Sort, Straighten, Shine, Standardize, Sustain

Abb. 4.65

Kläre, wie der Wertstrom für den Kunden in jedem Leistungsbereich entsteht und fließt

Die Wirkung von Planung und Kontrolle muss gemessen und verbessert werden

Strebe nach Perfektion und Kontinuierlicher Verbesserung

Die Prinzipien der Lean Construction (eigene Darstellung)

Es baut auf der grundlegenden Methodik der Produktionsverfahren der japanischen Industrie auf, wie sie sich in ihrer Optimierung im „Toyota-System“ zeigen (vgl. Suzaki, 1999; Wildemann, 1993; Liker, 2004) und gestaltet seine Umsetzung für die Produktion im Baubereich. Oberster Maßstab der Prozessgestaltung ist es, alles in der Leistungsherstellung zu vermeiden, was der Kunde für seine dauerhafte Zufriedenheit nicht benötigt. Darauf folgend wurde eine effiziente Verfahrensmethodik entwickelt unter Vermeidung jedweder Verschwendung. Die Systematik des Lean Construction sorgt für eine neue andere 237

Zusammenarbeit auf der Baustelle, nutzt andere Planungsverfahren und erzielt signifikant bessere Ergebnisse. Basis dieser Methodik ist eine integrale Sicht auf die Prozessbeteiligten in der Bauabwicklung.

Abb. 4.66

Die Integration aller Baubeteiligten und der Hilfsmittel für die Optimierung der Zusammenarbeit (eigene Darstellung)

Die in Abb. 4.64 dargestellten Parteien Kunde, Bauunternehmen und Lieferanten / Nachunternehmen tauschen sich über eine einheitliche Informationsplattform laufend über die BauSoll-Definition aus. Ihre Zusammenarbeit wird geregelt durch ein einheitliches später zu erläuterndes Ablaufplanungsinstrument wie „Last Planner“. Die Bauplanung wird zur optimalen einheitlichen Leistungserstellung im Design-Build-Verfahren erstellt (siehe Kapitel 4.1.1.6.1) und spezifisch auf die Vorgänge auf der Baustelle ausgerichtet, um die Anforderungen des Kunden mit denen einer kosten- und zeitgünstigen Produktion bestmöglich zu verbinden und um die Entwicklung der Standardisierung von Bauteilen und Bauprozessen zu fördern. Die dazu im Bereich Beschaffung notwendigen Hilfsmittel werden z. T. im nächsten Kapitel erläutert. Die Prozessoptimierung in der Produktion durch „Work-flow-„ oder „Value-Stream-“ Gestaltung ist nur in dieser integralen Zusammenarbeit aller Parteien sinnvoll und ermöglicht eine strenge Minderung jeder Art von Verschwendung durch die Verfahren der „5 S“.

238

5S (1) (2) (3) (4) (5)

Abb. 4.67

Schaffe Ordnung (Seiri) Sortiere und trenne das Nützliche vom Unnötigen (Seiton) Sauber halten (Seiso) Standardisieren von Systemen und Abläufen (Seiketsu) Selbstdisziplin (Shitsuke)

Die 5 S im Baubetrieb (Quelle: Linker, 2004, S. 151)

Die 5 S könnten auf einer Baustelle leicht beachtet werden, indem unnötige Warte- oder Liegezeiten entfallen, keine Lagerbestände vorhanden sind, Fehlerproduktion und Blindleistung vermieden wird und Nacharbeit entfällt, unnötige Transporte und Zwischenlagerung nicht anfallen und es fehlerhafte Prozesse nicht gibt. Es bedarf jedoch einer strengen Beachtung der Regeln, gesichert durch Eigenüberwachung und Messung der festgelegten Leistungswerte, soll Verschwendung nachhaltig gemindert werden. Das wesentliche Instrument zur Abstimmung, Gestaltung und Optimierung der Zusammenarbeit aller Beteiligten während des Bauprozesses innerhalb des Verfahrens Lean Construction ist das von H. G. Ballard geformte Verfahren des „Last Planner“ (vgl. Ballard, 2000). In ihm werden – ausgehend von einer ersten Zeitplanung durch den Projektleiter – durch Zusammenarbeit aller Beteiligten ein Projektoptimum nach Zeit, Kosten und Qualität erarbeitet durch KVP, wöchentliche gemeinsame Überwachung und Unterstützung zur Erreichung der Wochenziele und eine ausgeklügelte Baustellenlogistik. Dabei wird wöchentlich der Bauprozess unter Beteiligung aller fortwährend interaktiv optimiert.

239

übliche Bauabwicklung

Abwicklung mit Lean Construction

Planung

Vorgabe der Details durch Projektleitung

Gemeinsames Lernen aller Beteiligten

Ungewissheit

Für Außenstehende (Kunde etc.) mit hoher Unsicherheit über Zielerreichung

Für Prozessbeteiligte, aber gering, da sie direkt informiert und beteiligt sind

Kontrolle

Ins Detail gehende Überwachung

Anleitende Steuerung

Koordination

Fortgesetzte Anordnungen

Schließen und halten von Vereinbarungen

Ziel der Aufsicht

Beschleunigung des einzelnen Vorganges

Prozessoptimierung Reduktion Varianten Erhöhung der Leistung des Systems

Kaufm. Vertragsbeziehung

Ausgehandelte Abläufe mit Effizienz und für offenkundige Sicherheitsstandards

Auf definierte Interessen ausgerichtete Ziele und einvernehmliche Produktion

Wirkung

Einhaltung von Zeit und Kosten

Reduktion von Zeit und Kosten

Die derUnterschiede Lean Construction (LC) ist nachweisbar zur undLean führtConstruction zu Abb.Wirkung 4.68 Die in der üblichen Bauabwicklung (Quelle: Lean Construction institute; www.leanconstruction.org, 2001)

Die Wirkung der Lean Construction (LC) ist nachweisbar und führt zu wesentlichen Verbesserungen der Projektleistung „Lean thinking presents a powerful and cohirent synthesis of the most effective techniques for eliminating waste and delivering significant sustained improvements in efficiency and quality” (Egan-Report, 1998, S. 22). In den USA, Großbritannien und Dänemark wurden bei ca. 30 Bauunternehmen sehr positive und zunehmend bessere Erfahrungen gemacht (vgl. Egan-Report, 1998; www.constructioninstitute.org, 2005):

240

x

Die Fa. Pacific Constracting, San Francisco, CA. steigert durch Nutzung von LC in 18 Monaten die Leistung um 20%;

x

Die Fa. Neenan Comany, Denver, Colorado senkt Zeit und Kosten um 30 % durch Nutzung von LC;

x

Die Fa. Boldt Co hat bisher bei 300 Projekten Erfahrung mit LC und erreicht üblicherweise 20% Prozessverbesserung;

x

Die Fa. Linbeck Construction, Houston, Texas erreichte vor Nutzung von LC im Durchschnitt nur bei 40 % der vorgeplanten Vorgänge die definierte Zielzeit; nach Nutzung von LC sind es nun ca. 75 - 80%;

x

Erfahrungen der britischen Firmen Warnigs Construction Group und NG Bailey & Co bei einem Airport-Terminal in London-Gatwick sowie der Fa. Pearce Retail bei einem Einkaufszentrum in Warrington im Frühjahr 2005 bestätigen Prozessverbesserungen von 30% (vgl. www.waringsgroup.com/ngbailey.co.uk, www.pearce.co.uk );

Ballard hat in seiner Studie auf verschiedenen Baustellen nach Nutzung von LC einen Wert von durchschnittlich 80% jener Prozessschritte gemessen, deren Leistung in definierter Zeit erfüllt war, gegenüber sonst unter 50% (vgl. Ballard, 2000, S. 103). Lean Construction ist somit ein in den letzten Jahren neu entwickeltes und erprobtes Instrument der Prozessoptimierung, welches gezielt auf die Abläufe auf der Baustelle ausgerichtet ist. Es vereinigt wichtige Elemente der Wertorientierung. x

Die verschiedenen Methoden zur Optimierung von Geschäftsprozessen haben eine über die Ressourcensteuerung weit hinausgehende Wirkung. Die kosten- und nutzenorientierte Betrachtung einzelner Teile der Prozesskette bietet der Leistungsprogrammgestaltung außerordentlich wichtige Anregungen zu Art und Umfang des Leistungsbündels (vgl. Jung, 1996, S. 140f). Die Anreicherung von Grundleistungen mit kundenbegeisternden Zusatzleistungen kann viel zielgerichteter auf den Kundenerfolg ausgerichtet werden, wenn eine umfassende Datenlage über die einzelnen Prozessschritte vorliegt und bekannt ist, welche Ressourcen mit welchem Aufwand für welche Bereiche des Leistungsbündels nötig sind (vgl. Benett, Hauser, 1997, S. 186 f). Damit hat die Prozessoptimierung nicht nur Wirkung auf die Produktivität des Baubetriebes sondern auch wesentlichen Einfluss auf Umfang und Güte der angebotenen Leistung und der Erfüllung des Kundennutzens. Dies gilt somit ebenso für alle Bereiche der Umsetzung des Bauwunsches, wie sie in den Aspekten der NIÖ für eine optimale Bauleistung für den Kunden vorstellbar ist. Klare gute fließende Prozesse machen den Bauablauf für den Kunden nachvollziehbar und vereinfachen viele Transaktionen, letztlich auch jene der Qualitätskontrolle. Vermiedene Verschwendung und stringente Abläufe zeigen Professionalität und schaffen Vertrauen. Die völlig andere Zusammenarbeit in Lean Construction zeigt neue Verfahrenswege der Umsetzung einer Bauabsicht auf (z. B. Totalunternehmerschaft), die Kunden anregen kann, über andere Rahmenbedingungen der Bauauftragsvergabe zu entscheiden.

4.2.3

Die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern / Beschaffung

Neben der Gestaltung der Ressourcen Mitarbeiter und Prozesse ist die gleichgewichtige Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern (Lieferanten, Nachunternehmer) der dritte wichtige Bereich der Ressourcenentwicklung innerhalb der Wertorientierung. Die Wichtigkeit der Beschaffung von Gütern und Leistungen hat sich in den letzten 20 Jahren in der Bauwirtschaft grundsätzlich geändert. Bei einem Anteil an der Gesamtleistung von 15 bis 20 % für Materialbezüge und von 40 bis 70 % aus Leistungen von Nachunternehmern, wird die Bedeutung einer optimalen Beschaffung für den richtigen Einsatz der Ressourcen offensichtlich.

241

Vom einmaligen Einkauf zum ..........

…..Beschaffungsmanagement

niedrigstes Angebot Einkauf basiert auf Angebotspreis Einmalgeschäft einseitiger Vorteil Auswahl und Prüfung Eingegrenzte Anforderung

niedrigste Gesamtkosten Einkauf basiert auf Nutzen langfristige Betrachtung Win-Win-Situation, Vertrauen Vorbeugung und Selbstüberwachung gleiches Verständnis vom Ziel und Ansprachen viele Zulieferer Konzentration auf qualifizierte Partner Vorgabe von Qualität, aufwendige Kon- einbezogen ins Qualitätsmanagement trolle keine Mitwirkung bei Produktentwick- Teil des KVP und der Entwicklung lung und KVP Abb. 4.69

Veränderte Anforderungen in der Beschaffung seit 1990 (eigene Darstellung)

Die Anforderungen eines Beschaffungsmanagements kann ein traditioneller, zumeist von Kaufleuten geführter Einkauf nicht erfüllen, der oft das Ziel hat, die gewünschte Qualität und den nötigen Leistungsinhalt zu niedrigsten Kosten zu beschaffen. „End the practice of awarding business on the basis of price tag. Instead, minimize total cost. More toward a single supplier for any one item, on a long-term relationship of loyalty and trust.” (Deming, zitiert nach Chase, 1993b, S. 155). Die Zusammenarbeit zu Vorlieferanten und Nachunternehmen ist nach wie vor zumeist von Abhängigkeit, ausgefeilten Vertragspflichten, hohen Transaktionskosten und Ausnutzung von schwachen Marktpositionen auf „Spot-Märkten“ geprägt. Bisher sehen die am Bauprozess Beteiligten noch ungenügend ihre gemeinsame Verpflichtung, Qualitätsund Leistungsstandard zu steigern mit dem Ziel einer höheren Kundenzufriedenheit (vgl. Chase, 1993, S. 155). Die Zusammenarbeit ist geprägt von gegenseitigem Aufspüren möglicher Ertragspotenziale, beim Hauptunternehmer oder beim Zulieferer. Alle in der NIÖ dargelegten Störbereiche zwischen Kunden und Lieferant sind auch 2006 noch tägliche Praxis auf deutschen Baustellen zwischen Baubetrieben und ihren Nachunternehmern. Komplexität und Dynamik der Nachfrage nach Bauleistungen haben so zugenommen, dass das Bauunternehmen die gesamte Bandbreite der Bauleistungen gar nicht mehr bereitstellen kann. Deshalb entsteht eine optimale Gesamtleistung für den Kunden nur, wenn die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstofflieferanten über den Nachunternehmer bis zum Generalunternehmer unter Einschluss des Kunden und seine Beratenden Ingenieure in der Beschaffung bewusst gestaltet wird. Dabei erhält der Fremdbezug einer Leistung zunehmend eine andere wichtigere Qualität. An der Nahtstelle zwischen Bauunternehmen und Vorlieferant liegen die größten Möglichkeiten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Markt (vgl. Kraljic, 1988, S. 482). Konnte ein Lieferant früher anonym und häufig beliebig austauschbar eingesetzt werden, so muss die heute zumeist komplexe Vorlieferung als partnerschaftliche 242

Leistung des Nachunternehmers betrachtet werden. Soll die Endleistung erfolgreich sein, haben das Leistungsvermögen und die Preis- / Leistungsqualität des Nachunternehmers daran oft einen wesentlichen Anteil oder sind für die Wettbewerbsfähigkeit der Endleistung entscheidend (wie z. B. bei Betonfertigteilen oder in der Haustechnik). Je komplexer die Bauleistung, desto enger und verlässlicher muss die Partnerschaft zwischen Bauunternehmen und Nachunternehmer / Vorlieferant gestaltet werden. Jeder der Partner muss dabei überzeugt sein, in der Partnerschaft zu gewinnen (die sog. „win-win“-Situation), sonst wird er nicht bereit sein, in gegenseitiger Abhängigkeit an der optimalen Endleistung zu arbeiten (vgl. Cali, 1992, S. 96). Diese Überzeugung wird entstehen, wenn sich vorher ein Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern entwickelt hat, langfristig miteinander arbeiten zu wollen und sich umfassend fair zu informieren (vgl. Principal-Agent-Ansatz) und die beiderseitigen Prozesse aufeinander abzustimmen (vgl. Kappelmann, 2003, S. 70; Schifferer, 2001, S. 87). Deshalb ist es heute notwendig, alle Abhängigkeiten des zu beschaffenden Gutes in der gesamten Wertschöpfungskette zu betrachten und dann die optimalen Partner auszuwählen (vgl. Töpfer, 2002a, S. 50). K on zen tration auf K ernprozesse

K om p le xitätsreduzie rung

F rem dle istung santeil

P rozessorientierung

= E inflüsse

B e sch a ffun gsm an age m ent Lieferantenintegratio n/ entw icklung

Lieferantenbew ertung

W ertsch öpfung soptim ieru ng

Z ielkosten

Logistik, Just in tim e

Inform ationsfluss

Inno vation

Q ualitä tssicherung

Abb. 4.70

= A ufgaben

Umfeld aktueller Beschaffung (eigene Darstellung)

Damit gewinnt die Beschaffung eine wesentliche Kernfunktion in der Wertschöpfung und steht neuen zusätzlichen Anforderungen gegenüber (vgl. Oswald, Burati, 1992, S. 96; Huppertsberg, Kirsch, 1978). 4.2.3.1

Die Optimierung der Wertschöpfung

Zu Beginn des Produktionsprozesses ist zu klären, welche Teile im Wertschöpfungsprozess das Bauunternehmen selbst produzieren will und was es an Vorleistungen dafür benötigt. Dieses können Rohmaterialien, Hilfsstoffe, Komponenten oder komplette Leistungen von Nachunternehmern sein. Die Optimierung dieses Wertschöpfungsprozesses unter Beachtung sich gegenseitig beeinflussender Abhängigkeiten ergeben Aufgaben für die Beschaffung. Der 243

Fremdleistungsanteil ist sorgfältig mit der Fertigungstiefe abzustimmen, bestimmt er einerseits wesentlich die Herstellkosten und andererseits den Umfang und die Qualität der Marktleistung mit. Komplexitätsreduzierung Personalbereitstellung

Risikoverlagerung

Know-How Transfer

Gestaltung der Prozesskette

Make or or Make Buy? buy?

Lieferantenabhängigkeit Entwicklungsfähigkeit

Abb. 4.71

Image, Kundenerwartung

geringerer Kapitaleinsatz geringere Kosten, Löhne, Organisation Qualität

Flexibilität bei Bestelländerung

Sicherheit der Belieferung

Einflüsse auf die Fertigungstiefe (eigene Darstellung)

Die Entscheidungen zur Leistungstiefe oder zum „make-or-buy“ haben langfristige Wirkung zum Kunden und im Unternehmen selbst. Wesentliche Haupteinflüsse sind (vgl. o. V. Frauenhofer Institut IAO, 1998; Töpfer, Mehdorn, 1996, S. 26f; Töpfer, Kurfess, 1998, S. 6f; Wildemann, 1993, S. 35):

244

x

Gründe für eine Erhöhung der Leistungstiefe Kostenreduktion durch Ersparnis in der Logistik, Werbung, Vertrieb verschiedener Herstellerstufen; schnellere Leistungserstellung in einem Prozessfluss bei definierter Qualität; mehr Einfluss auf Leistungsbestandteile; Erweiterung des Prozesswissens;

x

Gründe für eine Senkung der Leistungstiefe Erhöhung der Flexibilität; Kostenvorteile des globalen Marktes; Mengendegression; andere Tariflöhne; Nutzung speziellen Lieferantenwissens; Nutzung des Fachwissens der Systempartner;

x

Gründe aus reiner Kostenbetrachtung Preiswerte Beschaffung ist zu vergleichen zur eigenen Leistungserstellung. Die Kostenrechnungssysteme müssen dabei vergleichbare Werte liefern. Bei kurzfristig wirkenden Entscheidungen ist eventuell nur ein variabler Kostenverzehr zu vergleichen;

x

Gründe der Beschränkung auf Kernkompetenzen Einfache Prozesse; beschränkte Ressourcen; hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in der Branche; extremer Konkurrenzkampf in Teilmärkten; Ausrichtung aller Kräfte auf die Prozessoptimierung; weniger Schritte; Gefahr der Beschränkung bei dynami-

scher Veränderung der Kundenanforderungen und des Wettbewerbs; Gefahr der Marktregulierung in Beschaffungsmärkten durch Oligopole/Monopole; Gründe des Umfangs der Transaktionen Der in Kapitel 2 erläuterte Transaktionskostenansatz beschäftigt sich mit der optimalen Gestaltung von Beziehungen/Transaktionen beim Austausch von Leistungen. Es fallen umso mehr Transaktionen mit entsprechendem Kostenanfall an, je mehr Einzelleistungen zu einem Gut zusammengefasst werden, je mehr einzelne Kunden/Lieferanten-Bezie-hungen mit ihren Schnittstellen für die Endherstellung benötigt werden und somit je komplexer die Leistungserstellung ist.

x

Transaktionen in der Beschaffung Anbahnung von Kontakten, Marketing Informationssichtung, Beurteilung der Beschaffungsmärkte Entwicklung der Lieferanten, Bildung des Supply-Chain Ausschreibung Vereinbarung / Vertrag Vertragssicherung / -abwicklung Qualitätsüberwachung Änderungswesen Sicherung der Gewährleistung

-

Abb. 4.72

Transaktionen in der Beschaffung (eigene Darstellung)

Eine Transaktion wird generell umso vorteilhafter sein, je unspezifischer bzw. austauschbarer ein Vorprodukt ist, je geringer seine strategische Bedeutung und je einfacher es ersetzbar ist (vgl. Picot/Hardt, 1998, S. 630 f). Die Analyse von Transaktionen in der Beschaffung muss entlang des Wertschöpfungsprozesses erfolgen. So werden z. B. im Maschinenbau die Kosten des Überganges von einer Produktionsstufe auf die Nächste auf bis zu 50 % der Gesamtkosten der Leistungserstellung geschätzt (vgl. Wildemann, 1993, S. 171). Dabei geben herkömmliche Kostenrechnungssysteme kaum Auskunft über die Transaktionskosten, die zudem noch beurteilt werden müssen auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintreffens (z. B. Umfang von Gewährleistung, Folgen von Vertragsbruch usw.) x

Gründe strategischer Entwicklung Gerade in schrumpfenden oder sich wenig technologisch entwickelnden Märkten wie dem Bauwesen bilden sich leicht in Teilmärkten Oligopole oder Monopole. Diese müssen in der Beschaffung umgangen werden. Dabei werden oligopole Strukturen nur durch eine hohe Eigenfertigung umgangen. Andererseits lassen sich durch mutige Neuentwicklungen selbst schrumpfende Märkte völlig neu gestalten. Die neuen Lösungen müssen der Vertraulichkeit wegen im eigenen Hause erarbeitet werden. 245

Die Entscheidung über die Leistungstiefe ist viel umfassender abzustützen als alleine anhand des Einkaufswertes der bezogenen Leistung. Alle Bereiche der Prozesskette mit ihrem Abhängigkeiten, Einflüssen und Fähigkeiten sind zu beachten (vgl. Baumgarten, Wolff, 1993, S. 273; Gräb, 1995, S. 168; A. D. Little, 1988, S. 140f). Je nach Leistungsbündel und Markterfordernis muss bei den sich gegenseitig ausschließenden Gründen für eine Beschaffungsentscheidung eine sorgfältige Auswahl getroffen werden (vgl. Cali, 1992, S. 65). Auch können die Empfindungen des Kunden in der Leistungsbeurteilung und die Wichtigkeit von Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften innerhalb eines Leistungsbündels bei der Beschaffung von Bedeutung sein, da der überhöhte Einsatz von Nachunternehmern z. B. den Kunden verunsichern und ihn an der Leistungsfähigkeit seines Bauunternehmens zweifeln lassen können. 4.2.3.2

Supply-Chain-Management (SCM)

„Den Falschen gewählt zu haben, kostet Wettbewerbsfähigkeit; den Richtigen nicht genügend an sich gebunden zu haben, kostet den Wettbewerbsvorsprung“ (Weinke, 1998, S. 92). Die Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers hat heute eine direkte Wirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Bauunternehmung und die Zufriedenheit von deren Kunden. Es ist deshalb unerlässlich, abgestuft auf Beschaffungsart und –umfang, eine kontinuierliche Lieferantenbewertung zur fachgerechten erstmaligen Auswahl und späteren fortgesetzten Überwachung durchzuführen, wie es z. B. auch in der DIN EN ISO 9001 verlangt wird (vgl. Wildemann, 1998, S. 131). Diese Lieferantenbewertung schließt Messstellen des Controllings zur Prüfung der Einhaltung der gegenseitigen Verpflichtungen, Fortentwicklung und Unterstützung des Lieferanten zur kontinuierlichen Verbesserung, aber auch konsequentes Ausschließen von der Beschaffung bei Fehlverhalten ein, will das Bauunternehmen seinen Kunden gegenüber Leistungs-, Erfolgs- und Qualitätsziele erreichen. Die Lieferantenbewertung kann sogar in eigene Zertifizierungsverfahren einer Branche münden, wie der VDA 6.1 (vgl. Kaufmann, 1998, S. 26) oder der GW 301 des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (vgl. DVGW, 1999). Innerhalb der Beschaffung wird deshalb in der Prozessgestaltung der betrieblichen Wertschöpfung der Lieferant einbezogen. Prozesse müssen verstanden werden als „Kette von Tätigkeiten, die von verschiedenen Organisationen ausgeführt werden“ können (Hammer, 2002, S. 44). Daraus ergeben sich neugestaltete zumeist schlankere Prozesse, indem Aufgaben, die üblicherweise beim Abnehmer angesiedelt sind, nun vom Lieferanten erledigt werden, der dafür oftmals mehr Kenntnisse und Erfahrung hat. Dies gelingt nur, wenn man sich von althergebrachten hintereinandergestellten Lieferantenketten löst und zusammen mit den Nachunternehmern und Vorlieferanten nach viel effizienteren Lösungen sucht. So können Logistik-, Abrechnungs- und Entwicklungsprozesse neu gestaltet werden. Oder mehrere kleinere Lieferanten eines Bauunternehmens schließen sich zu einem Untersystemlieferanten (wie z. B. in der Haustechnik – Elektro, Heizung, Klima, Sanitär) zusammen.

246

Das aus dieser Zuliefererkette erwachsene „Supply-Chain-Management“ (SCM) (vgl. Schönsleben et al., 2001, S. 16; van Gool et al., 1999, S. 12b) ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess unter sich beliefernden Unternehmen. Die Summe der Lieferanten, die diese Wertschöpfungskette gestalten, sollte so strukturiert und organisiert werden, dass die Optimierung des Gesamtsystems besser ist als jene der aufeinander gereihten Teilsysteme (vgl. Kuhn, Hellingrath, 2002, S. 11). Dazu müssen die einzelnen Firmenprozesse aufeinander abgestimmt sein, um an den Schnittstellen Wartezeiten, Zwischenlager, Übergabeprozeduren und Qualitätsmängel zu vermeiden. Dabei bieten sich wesentliche Möglichkeiten zur Steigerung der Leistung, Senkung der Kosten und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch (vgl. Liker, Choi, 2005, S. 64): x

Verständnis entwickeln, wie der Zulieferer arbeitet und die Einbauprozesse abstimmen;

x

Aus dem Wettbewerb verschiedener Zulieferer lernen;

x

Die Prozesse der Zulieferer entwickeln, steuern und im Sinn der geforderten Qualität frühzeitig kontrollieren;

x

Die Fähigkeiten der Zulieferer (technisch, prozessual) fördern;

x

Frühzeitigen und gleichgearteten Informationsaustausch sichern (PPS-Steuerung, Datentransfer);

x

Gemeinsam mit dem Zulieferer KVP umsetzen.

Im SCM sind Lieferant und Bauunternehmen aufgefordert, gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Endkunde ein zu günstigen Kosten beschafftes Produkt erhält. Dabei erscheinen fünf Aspekte der Zusammenarbeit besonders wichtig: 1. Erarbeitung einer gemeinsamen Plattform des Informationsaustausches (Pläne, Abläufe usw.) und der Prozessorganisation für die gemeinsame Bauarbeit wie es im System der Lean Construction geschieht (vgl. www.leanconstruction.org); 2. Kontinuierliche Entwicklung und Optimierung der für den Kunden zu erbringenden Leistung durch Erbringung des jeweils eigenen gewerkespezifischen Know-how; 3. Erreichung und Einhaltung von Zielkosten (siehe Abschnitt 4.2.5.2); 4. Bereitschaft zur kurzfristigen Produktion „auf Abruf“ (On Demand) ohne Lagerhaltung und Pufferung in der Logistik. Dies bedeutet definierten Informationsaustausch, Standardisierung der Bauteile und langfristige Vereinbarung; 5. Optimierung der Lagerung und Logistik vom Herstellprozess beim Vorlieferanten bis zum Einbau in der Baustelle des gemeinsamen Kunden. Die Aspekte 1 - 4 werden an anderen Stellen dieser Arbeit ausführlicher betrachtet. 4.2.3.3

Logistik

Die Gestaltung der Kosten für Logistik und Lagerung verlangen zunehmend eine intensivere Betrachtung. Mit steigendem Vorfertigungsgrad, wachsenden Wegekosten („Toll Collect“),

247

kürzeren Bauzeiten und beengteren Baufeldern außerhalb des Bauwerkes und innerhalb der eigentlichen Produktion werden Logistikkosten einen immer größeren Anteil an den Zielkosten der Bauleistung einnehmen. Hinzu kommt, dass im Bereich der Wege und der Lagerung von Baustoffen und Zulieferteilen ein großes Volumen an Verschwendung und Wertvernichtung besteht (vgl. Womack, Jones, 1997). Dieses liegt in mangelndem Warenfluss, häufiger Zwischenlagerung mit hohem Kosten- und Zeitverzehr, mehrfach unterbrochenen Arbeitsprozessen und hohen Blindzeiten. Durch das Fehlen eines einheitlichen EDV-gestützten Baustoffkataloges zur Ermöglichung eines durchgehenden Informationsflusses wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Nebenunternehmer intensiv behindert (vgl. Kuhn, Hellingrath, 2002, S. 104). Wenn die Logistik als einer der wichtigsten Kostenverursacher im Baubetrieb eine zentrale Position einnimmt, kommt es in der Gestaltung logistischer Prozesse in der gesamten Wertschöpfungskette am Bau darauf an, die logistischen Erfolgsfaktoren und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten zu analysieren (vgl. Lasch, Lemke, Schindler, 2006, S. 293). Jeder dieser Faktoren wirkt in den Prozessen zur Bauherstellung. Damit wird die Wichtigkeit ihrer vorbeugenden Gestaltung offensichtlich. Sie beginnt mit der intensiven partnerschaftlichen Zusammenarbeit zum Vorlieferanten. Angestrebt wird die „Just-in-time“-Belieferung, in der die für die stattfindende Produktion auf der Baustelle erforderlichen Vorlieferungen in der gewünschten Menge, zur gewünschten Zeit und am entsprechenden Produktionsort exakt angeliefert werden ohne wesentliches Zwischenlager beim Produzenten oder auf der Baustelle. Diese ist durchaus schon heute im Baubereich verbreitet, wird aber zumeist manuell durch Entscheidungen des Bauleiters individuell gesteuert. Wesentliche Verbesserungs-potenziale würden sich ergeben, wenn das in Japan erfundene „Kanban-System“, bei der die Nutzer in der nachgelagerten Produktionsstufe durch frühzeitige Bestellsignale Anweisung zur Nachlieferung in einer vorher definierten Menge geben, für den Baubereich nutzbar gemacht würde (vgl. Suzaki, 1989, S. 140; Töpfer, John, 1996, S. 351; Imai, 1996, S. 119; Wildemann, 1996, S. 39). Die Verbindung des „Kanban-Systems“ mit einem EDV-gestützten PPS-System reduziert Lieferprozesse am Bau um mehr als 50% (vgl. van Gool et al., 1999). Hierbei sind die Vorbestellungen durch die Kunden, die Produktionsabläufe und die Zulieferungen von den externen Lieferanten genau bestimmt und die gegenseitigen Abhängigkeiten in einer EDV hinterlegt. Die Bestellung durch den Endkunden löst nun in einem Work-flow-Prozess automatisch die Nachricht über Zeitpunkt, Lieferort und Menge sowie bereitzu-stellende personellen Ressourcen aus (vgl. Binner, 1997, S. 15.2 ff). Es ist deshalb notwendig, Lagerung und Logistik als wesentlichen Teil des Herstellprozesses zu betrachten und ihn bewusst zu gestalten, um Werte zu sichern und nicht – wie bisher – leichtfertig zu vernichten.

248

Logistik im Baubereich

x Gleiches Verständnis der Anforderungen von Lieferanten und Bauunternehmen; x Partnerschaft zum Lieferanten und Nachunternehmer Reduzierung der Anzahl, Auswahl nach Wertentstehung; x Einheitliche Informationsplattform für Daten- und Planungsaustausch; x Einheitliches System der Materialsteuerung (wie z. B. Barcode, Baustoffnummernkatalog) Prüfung Soll/Ist Materialverwendung; x Definition und Reduzierung der Lieferwege vom Lieferanten bis zur Baustelle; x Definierte Anlieferung am Arbeitsplatz auf der Baustelle (evtl. über Zwischenstation / Consolidation Centre), um Transporte und Verschwendung am Arbeitsplatz zu mindern; x Reduzierung von Materialausschuss, Verschwendung, Rücklieferung, Verlust durch Wartezeiten; x Ausrichtung der Anlieferung an den Bauablaufplan je Einbaustelle; x Nutzung von Arbeitspausen und Bauabschnitten für störungsfreie Anlieferung.

Abb. 4.73

Anforderungen an die Logistik im Baubetrieb als Teil eines optimierten Herstellprozesses (eigene Darstellung)

Einige der in Abb. 4.73 vermerkten Anforderungen wurden bei außergewöhnlichen Baustellen in sehr beengten Lagen auch in Deutschland praktiziert, z. B. beim Ausbau des Potsdamer Platzes 1993 - 2003. Dieses sind Einzelfälle geblieben, die zögerlich eine Entwicklung angeschoben haben, sich mit den Problemen der Logistik und Lagerung intensiver zu beschäftigen. Die Gestaltung beginnt individuell bei den äußeren und inneren Bedingungen einer Baustelle, der Bauwerksart, der Produktionsverfahren und der sich daraus ergebenden Versorgungs- und Entsorgungswege.

Zulieferteile-/Ausbau (bis 40 Gewerke)

Bauteile

Baustoffe

Nachunternehmer Ausbau

Zwischenlagerung / Consolidation Centre Baustelle Einbauort

Abb. 4.74 Versorgungswege zu einer Baustelle (eigene Darstellung)

249

Betrachtet man die in Abb. 4.74 grundsätzlich gekennzeichneten Versorgungswege auf einer Baustelle näher, sieht man sofort die zwei wichtigsten Problembereiche. Wie funktioniert die Anlieferung der großenteils gleichzeitig arbeitenden bis zu 40 Gewerke auf einer Baustelle und was passiert an der eigentlichen physischen Produktionsstelle, am Arbeitsplatz? Arbeitsplatz des Unternehmers

Zulieferer

Arbeitsplatz des Unternehmers

Zulieferer

Gipskartonwand

Aufzug 1

Gipskartonwand

Aufzug 1

Schaltanlage

Innenausbau 1

Schaltanlage

Innenausbau 1

Liftkabine

Dachbau 1

Liftkabine

Dachbau 1

Türelemente

Innenausbau 2

Türelemente

Isolierung

Dachbau 2

Isolierung

Dachziegel

Aufzug 2

Dachziegel

Aufzug 2

Kabel

Elektrik

Kabel

Elektrik

Fassadenteile

Abb. 4.75

Innenausbau 2 Zwischenlager Consolidation Center

Dachbau 2

Fassadenteile

Entwicklung und Entzerrung von Lieferprozessen auf einer Baustelle (Quelle: Young, 2004, S. 13)

Die Entzerrung der sich gegenseitig beeinflussenden, behindernden und nur schwer abstimmbaren Anlieferungen durch Anlieferung an ein Zwischenlager, dem sog. „Consolidation Centre“, ermöglicht definierte Abläufe und hohe Ersparnisse auf der Baustelle. Damit ist die gesamte Anlieferung am Bauort unter Kontrolle. Ein solches Anliefersystem ist nicht neu. Alle Einzelhändler im Lebensmittelbereich in Deutschland arbeiten für den größten Teil ihrer Verkaufsware so. Schließlich wäre es in einem Supermarkt mit bis zu 5000 Artikeln kaum möglich, wenn über 1000 Einzellieferanten Zugang zum speziellen Supermarkt haben. In diesem Einzelhandel, dem Retail-Business, liefern die Zulieferer an ein Zentrallager, indem pro Supermarkt die Ware „kommissioniert“ und dann definiert zugestellt und eingelagert wird. Dies geschieht zumeist in Zeiten, in denen der Kunde nicht im Supermarkt anwesend ist. Daraus kann die Bauwirtschaft lernen. Das System des Zwischenlagers oder Consolidation Centre verursacht Kosten. Erfahrungen britischer Bauunternehmen zeigen, dass die ihnen gegenüberstehenden Erträge durch Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Ersparnis an Verschwendung usw. wesentlich höher sind (vgl. Young, 2004, S. 13). Darüber hinaus ermöglicht diese Einrichtung dem Generalunternehmer 250

neue Gestaltungen der Wertschöpfungskette. So könnte er – verfügt er doch zumeist über eine größere Nachfragemacht als seine Nachunternehmer – die Vorlieferungen und Stoffe auf eigene Rechnung günstiger einkaufen und diese Güter im Consolidation Centre oder erst am Einbauort dann dem Nachunternehmer zur Verfügung stellen. Dabei könnte das Centre von einem großen Händler betrieben werden, wie es Erfahrungen der schwedischen Bauunternehmung Skanska AB (vgl. Olssen, 2000, S. 10) gezeigt haben. Auch am Arbeitsplatz auf der Baustelle ergeben sich mit dieser Einrichtung neue Möglichkeiten der Versorgung. Das in der Industrie vielfach verwendete System des „Kanban“, also einer definierten Nachschubversorgung des Arbeitsplatzes, lässt sich auch auf Baustellen übertragen, vornehmlich in den Ausbaugewerken. Es sichert die definierte Bereitstellung von Vorproduktion (z. B. alle sechs Stunden) und mindert wesentlich die Verschwendung. Ein wichtiger Optimierungsaspekt besteht in der Anlieferung in Arbeitspausen oder in speziellen – später kaum zugänglichen – Bauteilen. So könnte in der Anlieferung von Trockenbau-Wandplatten in arbeitsfreien Nachtstunden oder vorab mit schweren Hochbaukränen auf die gerade fertige Rohbaudecke alternativ zur späteren Lieferung durch das Treppenhaus Logistikkosten um bis zu 50 % reduziert werden. 4.2.3.4

Informationsaustausch

Wesentlich für das Gelingen des Work-flow und die Gestaltung des SCM ist der Informationsaustausch zwischen der Vielzahl der in der Entstehung des Bauprojektes Beteiligten. In größeren Projekten hat sich der Einsatz von sog. Elektronischen Planmanagementsystemen bewährt, bei denen eine zentrale Stelle im Bauunternehmen oder als externer Dienstleister die Versorgung aller Beteiligten mit jeweils aktuellen Plänen sicherstellt. Dadurch werden Kosten gespart und Fehler in der Übertragung von Daten und in der Bauerstellung wesentlich gemindert (vgl. Haenes, Welsch, 2001, S. 1). Dieses benötigt allerdings die Befähigung zur Nutzung entsprechender EDV-Systeme, die manchem kleinen Lieferanten nicht leicht fallen wird. Daneben wurden, angestoßen von größeren Baustoffhändlern in Deutschland, internetbasierte Plattformen entwickelt, bei denen Bestellungen von Stoffen und Leistungen – als ersten Schritt zu einer durchgängigen PPS-Steuerung – online von der Baustelle getätigt und abgerufen werden können (vgl. Rüppel, Klaner, 2004, S. 93; www.kappella.de). Die hier beschriebenen Gestaltungen von SCM, Logistik und Informationsaustausch bedürfen einer sorgfältigen Auswahl und Schulung der Partner in der Bauerstellung, also einer sehr bewussten Gestaltung des SCM. Dies gilt besonders, wenn z. B. der Generalunternehmer sich zunehmend als Dienstleister um die Umsetzung des Bauwunsches seines Kunden kümmert und Personal (Ingenieure, Poliere, Teil der Facharbeiter) auf der Baustelle bereitstellt und alle übrigen Sachgüter von Vorlieferanten und Systemleistungen von Nachunternehmern am Bauort bereitstellen lässt. Die Optimierung der Wertschöpfungskette greift deshalb wesentlich in die Prozessgestaltung hinein. Aktive Vorlieferanten entwickeln dann im Interesse des Endkunden ihre Produkte weiter, sind um Kostenreduzierung und Qualitätsverbesserung bemüht 251

und fördern mit ihrer Innovationskraft die Wettbewerbsfähigkeit der Bauunternehmung am Markt.

Information Qualitätssicherung Prozessverbesserung

Vorlieferanten und Nachunternehmer

Kostenreduzierung Fortbildung

Generalunternehmer am Bau

faire Anforderungen abgeschlossene Planung laufende Rückmeldung Win-Win -Situation Die Anforderungen des Kunden

Abb. 4.76

Die Beziehung des Generalunternehmers am Bau zu Vorlieferanten (eigene Darstellung)

Die Erfahrungen in den USA und Großbritannien zeigen, dass das Beschaffungsmanagement von den Erfahrungen anderer Industrien lernen kann. Dort stehen Verfahren bereit, die eine völlig andersartige und bessere Leistungserstellung ermöglichen. 4.2.4

Betriebsmittel

Verwendete Technologien, Bauverfahren, Maschinen und die Bereitstellung der dafür benötigten Finanzmittel sind ein weiterer wichtiger Bereich der Ressourcenentwicklung eines Bauunternehmens. Die richtige Auswahl dieser Komponenten kann in speziellen Bauaufgaben (Großbrückenbau, Sondergründungen, Hochhausbau größer 100 m, Tunnelbau mehr als 10 km) entscheidend für den Markterfolg sein. Diese Aufgaben liegen zumeist – für Deutschland betrachtet – in wenigen Projekten des Infrastrukturbaus. Für die Themenstellung dieser Arbeit ist die Entwicklung und Bereitstellung von Betriebsmitteln eher nachrangig. Die im BtoB-Bereich des deutschen Baumarktes zu über 90% benötigten Betriebsmittel sind in hervorragender neuwertiger Qualität und ausreichender Menge an jedem Ort verfügbar. Eine zunehmende Anzahl von Bauunternehmen besitzen selbst diese Betriebsmittel nicht mehr und leiht sie projektbezogen in optimaler Zusammensetzung an. Da somit jeder Wettbewerber – abgesehen von seinen finanziellen Möglichkeiten – über die gleiche Ressource Betriebsmittel verfügen kann, wird sie hier als Gestaltungsbereich der Wertorientierung nicht näher betrachtet.

252

4.2.5

Verbesserung der Bauleistung in Qualität, Zeit- und Kostenverbrauch

Das Bauunternehmen ist im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung zweifach in einem Dreieck langfristig wirkender gegenseitiger Abhängigkeiten eingebunden. In der Marktorientierung ist der Kundennutzen zum Nachfrager zu optimieren, in der Wertschöpfungskette sind Alleinstellungsmerkmale zum Konkurrenten zu erarbeiten, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen und die Unternehmensorganisation muss ganzheitlich auf den Kunden ausgerichtet sein. In der Ressourcenorientierung dagegen muss sich das Unternehmen ständig umfassend bemühen, bessere Qualität in kürzerer Zeit zu günstigeren Kosten bereitzustellen (vgl. Ohmae, 1986, S. 72; Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 11).

Kunde

Nu

Nu tz W en er t

Qualität

n t er W

e tz

Innovation

Zeit

Abb. 4.77

Preis Leistung

Kosten

Das strategische Dreieck (eigene Darstellung)

Es müssen die Anforderungen der Kunden erfüllt oder übertroffen und die eigenen aus der Strategie abgeleiteten Standards im Unternehmen umgesetzt werden sowie ein positiver Unterschied zum Leistungsangebot des Wettbewerbs gesichert bleiben. 4.2.5.1

Die Defizite von Qualität, Zeit und Kosten im Baubereich

In Deutschland wird Qualität in der Bauleistung von den Kunden sehr vermisst (vgl. Blacken, Gralla, 1998, S. 25; Töpfer, Schach, 2000, S. 5). Die Bauherstellung ist geprägt von fragmentierter Produktion vieler einzelner Fachgewerke, Trennung von Planung und Ausführung und zumeist individueller Gestaltung in handwerklicher Einzelfertigung. Eine ganzheitliche und 253

einheitliche Verantwortung bei der Bauerstellung von der Ideenfindung über die Planung bis zur Produktion ist die Ausnahme. Standardisierung und kontinuierliche Verbesserungen der Produktangebote sind selten zu bemerken. Die Lage im Jahre 2006 gleicht jener in den USA um 1983, wie sie in der folgenden Abbildung beschrieben wird. The construction industry is beset with problems which range from the inability of owners to properly define their objectives, to the failure of designers to properly illustrate what it is that is to be constructed and to contractors, frequently providing an end product which does not meet owner expectations. Key problems are..... .....Lack of teamwork .....Lack of communication .....Inadequate planning and scheduling .....Inadequate training .....Poor quality of materials, installed equipment and workmanship .....Poorly defined work and scope .....Inadequate project leadership Abb. 4.78

Die Probleme der US-amerikanischen Bauwirtschaft 1983 (Quelle: Chase, 1991, S. 33)

Auf den Baustellen wird Qualität vermeintlich erzeugt durch immer tiefgründigere Spezifikationen, juristische Festlegungen und sich addierende Überwachungen. Dadurch steigen die Projektkosten für den Kunden unaufhörlich, ohne dass das Ergebnis für ihn merklich besser wird. Gleichzeitig sinken die Erträge der Bauunternehmen. Laut einer Analyse der amerikanischen Bauindustrie (vgl. AGC, 1992, S. 6) entstammen 12 % der Herstellkosten eines Bauwerkes aus vermeidbaren Fehlern: x

3% infolge kurzfristiger Änderungen durch den Kunden;

x

3% durch Planungsmängel;

x

3% durch Konstruktions- und Ausführungsmängel;

x

3% durch mangelhafte Vorstoffe und Wartung.

Die vielfältigen Folgen der Qualitätsabweichung durch höheren Zeitaufwand bei allen Beteiligten, umfangreiche Rechtsstreitigkeiten, Kosten Dritter und mangelhafter Kundenzufriedenheit mit nachfolgendem Umsatzausfall sind in diesen Fehlerkosten nicht enthalten. Ähnliche Werte finden sich auch in Bauschadensberichten der Bundesregierung (vgl. Hessing, 1996, S. 17). Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die aktuellen Herstellkosten eines Bauwerks um bis zu 25% bei wirtschaftlicher Planung, günstiger Zeitorganisation und vorbeugender Qualitätssicherung mindern ließen. Infolge der vielen Schnittstellen der am Bau Beteiligten haben in den letzten Jahren die Mitarbeiter in vielen Baubetrieben in Deutschland große Anstrengungen unternommen, die Feh254

ler der anderen Projektbeteiligten am Bau im Rahmen des Nachtrags- oder „Claim“Managements zur eigenen Ertragssteigerung auszunutzen. Die damit einhergehende Unzufriedenheit des Kunden wird hingenommen. Zusammen mit den Qualitätsmängeln, dem so empfundenen „Pfusch am Bau“, setzt sich eine Spirale stark steigender Transaktionskosten für den Kunden und die anderen Beteiligten und somit auch eines Ertragsverfalls bei den Bauunternehmen in Gang. „The quality and value – for – money of construction in most countries can be improved. Clients are often dissatisfied … There are large potential savings in cost” (European Commission, Atkins-Report 1994, S. 2). Es ist deshalb unerlässlich, intensiv die Wirkung von Qualität auf das Baugeschehen ebenso wie für die Wertorientierung zu untersuchen sowie für die Erfüllung hoher Anforderungen nach optimalem Zeit- und Kostenverbrauch. Im Baubereich in Deutschland ist ein durchgängiger zeitbasierender Wettbewerb eher die Ausnahme. Der Druck auf kürzere Projektzeiten stammt zumeist von dem Kunden, weniger vom Konkurrenten. Ungenügend sind bisher die Bemühungen der meisten Bauunternehmen, die Durchlaufzeiten der Projekte zu verkürzen und die Wertschöpfungszeiträume wesentlich zu erhöhen. Viel zu häufig wird durch Nichtbearbeitung, Warten auf Prozesse der Vorstufe und Warten auf überarbeitete Planungen nicht gearbeitet (siehe hierzu Kapitel 4.2.2.2). Während in der Autoindustrie (z. B. BMW-Werk Regensburg) Nutzungszeiten der Produktionsanlagen von über 90 % erreicht werden – das sind ca. 6.000 Stunden pro Jahr –, wird auf Deutschlands Baustellen im Durchschnitt nur an 1.500 - 1.600 Stunden pro Jahr gearbeitet. Somit liegt die Nutzungszeit für das Anlagevermögen bei ca. 25 %. Damit ist das Flexibilisierungspotenzial der Arbeits- und Betriebszeitgestaltung in der Bauwirtschaft noch nicht ansatzweise ausgeschöpft worden (vgl. Wildemann, 1992, S. 171f; Istvan, 2000, S. 649). Die in Kapitel 2.2.4.1 beschriebene Kostenineffizienz zeigt sich in zweierlei Weise. Der Kunde erhält eine nicht seinen Wertvorstellungen entsprechende kostenaufwändigere Leistung und dennoch verdienen die Bauunternehmen kaum Geld. Letzteres von allem, weil offenbar die Kostenstrukturen in den Betrieben ungenügend auf die Marktverhältnisse ausgerichtet sind. Auch im Jahre 2006 ist es im Baubereich noch überwiegend üblich, dass sich der am Markt verlangte Verkaufspreis nach den Herstellkosten zuzüglich eines gewünschten Gewinns richtet. Insbesondere die Systematik der DIN 276 als Standardprozess der die Kosten prüfenden Architekten regt das Bauunternehmen dazu an, die sukzessiv anfallenden Kosten des Bauprozesses zu addieren und daraus den Verkaufspreis zu bestimmen (vgl. Schach, Sperling, 2001, S. 134f). In diesem Verfahren wird zu wenig daran gedacht, ob die am Schluss der Addition sich entwickelnde Summe für den Kunden annehmbar ist. Eine andere, kundenorientierte Betrachtung – von Japan herrührend – analysiert dagegen, welchen Preis der Markt für das nachgefragte Gut akzeptieren würde und dass sich die Herstellkosten an dem Saldo von Verkaufspreis minus geplantem Gewinn auszurichten hätten. „The Japanese assume that the market sets the price, and that you have to include the next features within that price. In US and 255

Europe we think, we can get higher price if we add features” (Shiba et al., 1993, S. 13). Eine solche Preisfestlegung durch den Markt ist heute auch in Deutschland seit längerem bekannt. Der Preis je Quadratmeter Eigentumswohnung oder Reihenhaus, je Quadratmeter Büro oder je Palettenstellplatz im Lagerhaus ergibt sich aus der Nutzenerwartung des Kunden, seiner Kostentragfähigkeit oder der erwünschten Rendite des eingesetzten Kapitals für die Bauleistung. Ausgehend von den aktuellen Marktanforderungen bestimmt sich der Ziel-Preis danach, was der Kunde bei angenommenem Mengengerüst und analysiertem Nachfrageverhalten zu zahlen bereit wäre. Die wenig optimal gestalteten Prozesse im Baubereich mit ungenügender Qualität, hohem Zeitverbrauch und hohem Kostenverzehr führen über eine nachhaltige Unzufriedenheit der Kunden zu wesentlichen negativen Auswirkungen auf die in der NIÖ beschriebenen Anforderungen. Die Kunden misstrauen der schlechten Leistung und fühlen sich wenig verstanden. Die Folge sind ansteigende Transaktionskosten aus stetig steigenden Überwachungen, Gutachten und juristischen Regelungen, um die Diskrepanzen von Anspruch und Wirklichkeit zu begrenzen. Die sehr stark ausgeweiteten Regelwerke in der Vergabe öffentlicher Bauaufträge oder in den gesetzlichen Garantiefristen zeigen die sich aus den Mangelsituationen abgeleiteten Wirkungen des Property-Rights-Ansatzes der NIÖ. Es werden deshalb nachfolgend für diese drei aus der Ressourcenorientierung abgeleiteten Leistungsanforderungen die grundlegenden Konzepte zur Behebung dieser Defizite beschrieben. Bisher wurden im Baubereich die in den letzten Jahrzehnten in vielen Industrien dazu entwickelten Methoden und Instrumente wenig beachtet. 4.2.5.2 Qualität von Bauleistungen So unverändert seit Jahrzehnten die Qualitätsentwicklung am deutschen Baumarkt erscheint, so intensiv ist in anderen Volkswirtschaften und anderen Branchen in den letzten fünfzig Jahren die Qualitätsentwicklung vorangetrieben worden. Es war das Kennzeichen der Produktion in den vierziger Jahren, dass Qualität erst am Ende des Produktionsprozesses überwacht und festgestellt wurde und Defekte daran anschließend aufwendig nachgearbeitet wurden. Forscher wie Deming, Juran, Feigenbaum, Ishikawa, Taguchi und Crosby haben die Ursachen von Qualitätsmängeln untersucht und eine Fülle von Messanalysen, Methoden und Verfahren entwickelt, wie sie zukünftig vermieden werden könnten. Begann man anfangs mit zunehmend ausgefeilten Prüfkonzepten am Ende des Herstellprozesses, ging man später besonders in Japan dazu über, die Qualität während des Produktionsprozesses zu überwachen und den Hauptaugenmerk auf die Ursachenermittlung des gerade festgestellten Mangels zu legen. Ziel war eine präventive Qualitätsüberwachung (vgl. Barkley, Saylor, 1994, S. 14; Schildknecht, 1992, S. 62 f; Weber, Nippel, 1996, S. 109). Feigenbaum erweiterte den Begriff der Qualität dann über die vom Hersteller beigegebenen Produkteigenschaften hinaus, indem in ihm Anforderungen der Kunden berücksichtig werden sollten (vgl. Feigenbaum, 1956, S. 98). Dies führte letztlich zur umfassenden Bedeutung der Qualität: „Im weitesten Sinn ist Qualität et256

was, das verbessert werden kann. In diesem Kontext bezieht sie sich nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen, sondern auch darauf, wie Menschen arbeiten, wie Maschinen bedient werden und wie man mit Systemen und Richtlinien umgeht“ (M. Imai, 1996, S. 31). Qualität ist auch definiert durch die Güte aller Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Kunden. Diese zeigt sich in den gelieferten Leistungsbündeln, im Lernen aus Qualitätsmängeln, der Gestaltung betrieblicher Prozesse und der Berücksichtigung der Anforderungen externer Anspruchsgruppen (vgl. Nischlag, Dichtl, Hörschgen, 2002, S. 600f; Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 9). Somit beschreibt der Qualitätsbegriff über die Güte der Produkteigenschaft hinaus heute die Gesamtheit dessen, was ein Leistungsbündel für einen Kunden bietet. Producer Focus

Customer Focus

Fitness to standard Fitness to use

Fitness to cost Fitness to latent requirement

Abb. 4.79

Die Entwicklung des Qualitätsbegriffes (Quelle: Shiba/Graham/Walden, 1993, S. 19)

So vielfältig eine Bauleistung als Leistungsbündel aus Sach- und Dienstleistung und den dahinter stehenden Kommunikationsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden ist, so umfassend muss deshalb die Betrachtung von Qualität durchgeführt werden. „Quality is more than engineering and manufacturing“ (vgl. Morgan, Piercy, 1992, S.115). Qualität ist ein äußerst umfassender Wertmaßstab mit verschiedensten Betrachtungsebenen (vgl. Garvin, 1983, zit. Schmalzl, Schröder, 1998, S. 16; Alber, 1994, S. 14; Töpfer, Greff, 2000, S. 94). Betrachten wir z. B. besonders die Produktqualität eines Bauwerks, so gliedert sie sich in eine Betrachtung der physischen Eigenschaften der Sachleistung und in eine Analyse der Faktoren, die den Kaufprozess beeinflussen.

257

Produktqualität physisches Produkt

Aspekte aus dem Kaufprozess

Technisch-funktionale Qualität Ausstattungsmenge und -güte Dauerhaftigkeit Normgerechtigkeit Design Wartungsfähigkeit

Image Kundenkontaktqualität Integrationstiefe/Kundendienst Umweltverträglichkeit Preis Innovation, Modernität, Zukunftsorientierung

Abb. 4.80

Gliederung der Produktqualität (eigene Darstellung)

Das erstellte Bauprodukt wird in irgendeiner Weise über eine Dienstleistung zum Kunden gelangen. Dieses Leistungsbündel und die Interaktion zwischen Bauunternehmen und Kunden im Auftragserteilungs-, Planungs- und Herstellprozess macht es schwierig, einzelne Qualitätsaspekte gesondert zu beurteilen. Nicht zuletzt, weil der Kunde auch noch Teil der Leistungserstellung ist, deren Ergebnis er erst später beurteilt. Dabei tangiert sein eigenes Verhalten wesentlich die eigene Qualitätswahrnehmung. Levitt hat in den siebziger Jahren schon darauf hingewiesen, dass Kunden „in erster Linie Erwartungen“ und nicht Produkt und Dienstleistung kaufen (vgl. Levitt, zit. Nach: Davidow, Uttall, 1992, S. 32). Deshalb ist es nötig, die Qualität einer Dienstleistung nach dem Ausmaß der Diskrepanz zwischen den Erwartungen und Wünschen der Kunden und seinen Eindrücken von der tatsächlichen Leistung zu beurteilen (vgl. Zeithaml et al., 1992, S. 32).

258

Entgegenkommen (Responsivness) 22 %

Materielles Umfeld (Tangibles) 11 %

Zufriedene Kunden --ServiceQualität 100 %

Souveränität

Verläßlichkeit (Reliability) 32 %

Einfühlungsvermögen (Empathy) 16 %

(Assurance) 19 %

Abb. 4.81

Wichtigkeit der Bewertung von Servicequalität aus Kundensicht (Quelle: Zeithaml et al., 1992; Töpfer, 1999 c, S. 316)

Dabei erscheint es sinnvoll, im Baubereich das prozessuale Qualitätserleben der Kunden im Zeitablauf zu ermitteln (vgl. Stauss, 1995, S. 28). Qualität muss nämlich nicht nur vorhanden sein, sondern auch vom Kunden wahrgenommen werden (siehe auch Abschnitt 4.2.1 und 4.2.2.6.5).

259

Werbung,

Service-Besuch, Kontrolle auf Mängelfreiheit

Erster Kundenkontakt – Telefongespräch, persönl., erstes Vermittlungsart Prospekt Referenzen, Produktpräsentation

Schnelligkeit der Reklamationsbearbeitung

Verkäuferkontakt, Beratung

Rechnungsstellung, Mahnwesen

Kunde Angebotspräsentation, Angebotsumfang

Einhaltung von Zusagen, Abnahme

Abschlussgespräch, Vertragsinhalt festlegen

Information über Kosten und Ablauf Termineinhaltung, Umgang mit Änderungen

Abb. 4.82

Auftritt der Mitarbeiter, Ausstattung

Bauphase, durchdachter Ablauf, Ordnung und Sauberkeit, Sicherheit

Die Erlebniswelt des Kunden im Baubereich, beginnend mit der Werbung z. B. in der Zeitung (eigene Darstellung)

An diesen vielen Kontaktpunkten in der Erlebniswelt des Kunden zum entstehenden Bauwerk wird einerseits Qualität erlebt und muss andererseits Qualität gestaltet werden. Die Wahrnehmungswelt des Kunden rückt die Qualitäten für verschiedenste Leistungsbereiche (Produkt, Dienstleistung, Kontakt usw.) untrennbar zusammen. Je mehr sich die bautechnologischen Fähigkeiten der Bauunternehmen angleichen, umso eher ist in der Kaufentscheidung die technologische Kompetenz des Anbieters eine Basisleistung zur Entscheidungsvorbereitung. Wenn der Kunde eine Kaufentscheidung fällt, sind für ihn Entscheidungsfaktoren wie Kosten und späterer objektiv-realer Nutzen, Dienstleistungsgüte und Herstellerimage (psychologischer Nutzen) von viel höherer Wichtigkeit. Produkt/Service

40 %

Herstellerimage

Zuverlässigkeit Qualität Einsatzbereitschaft

10 % Technologie Know How Innovation techn. Kompetenz

Abb. 4.83

260

20 %

Kosten

30 %

Preis Betrieb Wartung Reparatur

Wichtigkeit der Einflussfaktoren in der Kaufentscheidung (Quelle: Hillke-Daniel, Sebastian, 1991, S. 184)

Das in Kapitel 4.1.1.2 vorgestellte Kano-Modell weist durch Verbindung von Kundenanforderungen und Kundenzufriedenheit den Weg zu einer qualitätsorientierten Gestaltung des Ressourceneinsatzes. Hierzu wird in der später dargestellten Methodik des „Six Sigma“ (siehe Kapitel 5.3.2) ein wichtiges Gestaltungsinstrument zur Qualitätsentwicklung im Detail enthalten sein, welches die Anforderungen des Kunden nach Wichtigkeit reiht, die „Critical to Quality Characteristics – CTQs“. Methoden der Qualitätssicherung Die Sicherstellung der vom Kunden in seinem Kauf bzw. seiner Bestellung geforderten Anforderungen an die Leistung ist ein besonderes Problem der Gestaltung des Ressourceneinsatzes. Dieses Problem berührt in vielerlei Art die in der NIÖ beschriebenen drei Ansätze. Dabei beschäftigte sich die bis ca. 1980 in der Industrie übliche „klassische“ Qualitätssicherung mit einer im wesentlich der Produktion nachlaufenden Prüfung der Ergebnisse und ihrer Reparatur. Qualität wurde durch immer aufwendigere Maßnahmen herbeigeprüft und eine Fülle von Transaktionen sicherten für den Kunden Mängel dieses Verfahrens ab. Im Baubereich ist dieser Zustand bis heute vorherrschend. In der sonstigen Industrie dagegen hat sich die Sicherung von Qualität in den letzten Jahrzehnten schrittweise und nachhaltig (vgl. Kamiske, 1996, S. 150; Zink, 1994, S. 81; Malorny, 1999, S. 139; Schildknecht, 1992, S. 27) verändert. Der Amerikaner W. E. Deming erkannte, dass Produktionsprozesse bewusst qualitätsorientiert gestaltet werden sollten. Er propagierte als wesentliches Hilfsmittel hierzu Abläufe entsprechend des von W. Shewhart vorher entwickelten „PDCA-Cycle“. „Inspection is not eliminated, it is used to provide information to process improvement“ (Chase, 1993b, S. 3).

„Was haben wir gelernt? Wie führen wir verbesserte Prozesse ein?“

„Wie erfolgreich waren die Maßnahmen? Was ging schief?

ACT (Überdenken) CHECK (Überprüfen)

Analysiere Prozesse und Daten.“

Abb. 4.84

„Erarbeite ei-

nen Plan für Veränderung/ Verbesserung mit klarem Ziel in eindeutigen Prozessen.“

PLAN (Planen) DO (Ausführen)

„Kläre mögliche Art von Qualität, dann führe den Plan aus,

zunächst im kleinen Maßstab.“

Der PDCA-Cycle nach Shewhart/Deming

261

In Demings 14 Punkten (vgl. Deming, 1982, S. 16) wurde die Qualitätsgestaltung um die Mitarbeiterorientierung erweitert und auf das Training der produzierenden Beschäftigten und ihre Einflüsse hingewiesen. Der Japaner Ishikawa wies als erster auf die Verknüpfung der Qualitätsherstellung hin, nach der jeder Mitarbeiter seinen Kollegen im nachfolgenden Prozess als Kunden ansieht (die sog. interne Kunden-Lieferanten-Beziehung). A. Feigenbaum fasste die einzelnen Aspekte der Qualitätssicherung im Produkt zu einer Qualität der gesamten Unternehmensleistung zusammen. „An effective system for integrating the quality development, the quality maintenance and quality improvement efforts of the various groups in an organisation so as to enable marketing, engineering, production and service at the most economical levels which allow full customer satisfaction.“ (vgl. Feigenbaum, 2004, S. 6). Maßstab der heutigen Qualitätssicherung sind die Postulate des Amerikaners Philip Crosby (vgl. Crosby, 1990, S. 68 f): x Qualität muss als Erfüllung von Anforderungen definiert werden; x Das Grundprinzip der Qualität ist Vorbeugung und aktive Prozessgestaltung; x Null Fehler muss Leistungsstandard werden; x Ein Maßstab für Qualität sind die Kosten für die Abweichung von den Anforderungen. Es ist Aufgabe aller Unternehmensbereiche, die geforderte Qualität bereitzustellen. Die Prozesse sind so zu gestalten, dass sofort eine fehlerfreie Leistungserstellung möglich ist („Do the things right the first time“). Wesentlich zur Umsetzung der Qualitätssicherung ist die Kenntnis, was ein Fehler ist. Dazu ist neben der Kundenanforderung zu definieren, welche langfristigen Standards an die Güte der Leistung der Markt allgemein anlegt, welche Leistungen der Wettbewerb bietet, welches Selbstverständnis der Leistungsersteller selbst von Qualität hat und welches Maß die allgemeinen Regeln der Technik über die Zeit gesetzt haben. Erst danach stellt sich die Frage – gemessen an diesen Standards – nach den Abweichungen der angebotenen Leistung des Unternehmens und in welchem Prozess in der Wertschöpfungskette diese Abweichungen auftreten. Der Fakt des Auftretens einer Abweichung ist noch zu unterscheiden von den Wirkungen, die daraus folgen für die ausführenden Mitarbeiter, das Unternehmen oder für den Kunden am Markt. Es zeigt sich dabei einmal mehr, wie wichtig eine sorgfältige Prozessgestaltung im Unternehmen ist. Ohne die Analyse der betrieblichen Abläufe sind Fehlererkennungen und Veränderungen nicht zuordenbar und ist Qualitätssicherung nur unvollkommen möglich. Zur Qualitätssicherung gibt es eine Vielzahl von Methoden und Instrumente, die in unterschiedlicher Weise einen gestaltenden oder mehr dokumentierenden Charakter in der Qualitätssicherung haben. Die einzelnen Instrumente haben ihre Stärke in spezifizierten Anwendungsbereichen und finden so nach Qualifikation der Mitarbeiter und Art der Qualitätsabweichung und des dahinter stehenden Prozesses ihre spezifische Anwendung. Die Wesentlichsten sind:

262

x

Die Normenreihe DIN EN ISO 9001 : 2001 (vgl. H. G. Meyer, 1994, S. 44; Malorny, 1999, S. 32; Homburg, 1995b, S. 12; Töpfer, 1998b, S. 423; Zink, 1996, S. 8; Botschen, Webhofer, 1997, S. 71; Hellard, 1993, S. 39; Bläsi, 1992, S. 21; Ebel, 2002, S. 71);

x

Verschiedene technische Zertifizierungen einzelner Fachgruppen im Bauwesen, wie z. B. den Regeln des Deutschen Vereins für Gas und Wasser, des Deutschen Verbandes für Schweißtechnik oder der Güteüberwachung von Beton nach dem Deutschen Betonverein;

x

Managementhilfsmittel spezieller statistischer Methoden, Checklisten oder UrsacheWirkungs-Diagramme, wie sie besonders in der japanischen Wirtschaft gerne gebraucht werden (vgl. Imai, 1996; Malorny, 1999);

x

Qualitätsverbesserungsmethoden durch systemische Problembearbeitung, KVPAbläufe oder Mind-Mapping-Verfahren (vgl. Spitzer, Evens, 1998; Senge, 1996; Schott, Weißenfeldt, 1998; Buzan, North, 2002);

x

Qualitätszirkel und Wertanalyseverfahren (vgl. Wellenreuther, 1986; Schmalzl, Schröder, 1998);

x

Fehler- und Wirkungsanalyse – FMEA (vgl. Wildemann, 1997; Henes, Welsch, 2002);

x

Poka-Yoke-Methode (vgl. Sondermann, 1994);

x

Design-Revue (vgl. Schmalzl, Schröder, 1998);

x

Six Sigma als wichtiges Verfahren zur qualitätsorientierten Verbesserung von Prozessleistungen (siehe Kapitel 5.3.2);

x

Quality-Function-Deployment.

Ein besonderes Verfahren zur vorbeugenden Qualitätssicherung bietet das „Quality-FunctionDeployment“ (QFD) (vgl. Akao, 1992). Angesichts der Komplexität vieler Leistungen und der Abhängigkeiten der Leistungserstellung von vielen mitwirkenden Parteien ist eine frühzeitige Klärung aller Einflussfaktoren wichtig, will man kostengünstig, schnell und qualitativ hochwertig produzieren. Es ist z. B. bei Bauleistungen bekannt, dass bis zum Abschluss der Planung ca. 80 % der später anfallenden Anforderungen und Kosten unveränderlich festgelegt sind. Deshalb lassen sich nur in dieser Planungsphase die späteren Qualitäten und die aus den Produktionsprozessen herrührenden Kosten für die spätere Marktleistung noch wirkungsvoll beeinflussen (vgl. Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 75).

263

100% Kostenanfall: Zeitliche Aufsummierung der Herstell- und Nebenkosten

23%

1

Festlegung der Aufgaben und Ziele

Abb. 4.85

2

Verbleibende Beeinflussbarkeit der Kosten:

10%

5% 3

Konkretisie- Konzeptrung des DetailVorhabens planung

4

Bauausführung

5

6

Abnahme Gewährleistung und Inbetriebnahme

Grad der Beeinflussbarkeit von Kosten in verschiedenen Phasen des Projektes (Quelle: Volkmann, 1998, S. 99, leicht verändert)

Da der Kunde nur für etwas bezahlt, was ihm Nutzen bringt und ihm wichtig erscheint, muss der Kundenwunsch im Planungsprozess besonders berücksichtigt werden, sollen Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden (vgl. Min-Hua, Chu-Hua, 1995, S. 90). Die Methode des QFD setzt genau hier an. Es „entwickelt Kundenanforderungen in den Produktentwurf“ (vgl. Akao, 1992, S. 13) und „ist ein System aufeinander abgestimmter Planungs- und Kommunikationsprozesse mit dem Ziel, die Stimme des Kunden in die Qualitätsmerkmale der Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zu übersetzen und einzuplanen“ (TQU, zit. Saatweber, 1997, S. 9). Ausgangspunkt des QFD ist die gezielte Herausarbeitung der für den Kundenerfolg wichtigen Anforderungen. Herkömmliche Verfahren bieten im Blick auf die optimale Leistungsgestaltung die oft wenig nutzbare Aussage, dass der Kunde maximale Leistungen zu geringstmöglichen Preisen wünscht. Neuere Befragungstechniken wie z. B. die „Conjoint Analysis“ liefern dagegen aussagefähige Ergebnisse über die Wichtigkeit von einzelnen Leistungseigenschaften und ihrer Kombination. Sie erlauben somit Rückschlüsse auf eine optimale Baugestaltung (vgl. Wildemann, 1997, S. 150; Homburg, Gruner, 1996, S. 20). Dabei muss berücksichtigt werden, dass Kunden oftmals weder ihre Anforderungen oder den Bedarfsumfang kennen, noch die Wichtigkeit einzelner Attribute einschätzen können. Dies gilt z. B. sowohl für geschmackliche „Design“-Komponenten wie für technologische Notwendigkeiten in der Tragwerksgestaltung oder in der Haustechnik eines Gebäudes. Wenn die Kundenanforderungen ermittelt sind, ist in der Leistungsgestaltung ein zweites Problem zu bearbeiten. Die verschiedenen Bereiche im Unternehmen und besonders jene, die für die Leistungsgestaltung wesentlich verantwortlich sind, arbeiten oft ungenügend zusammen. „Marketing people have their domain, engineers theirs“ (vgl. Hauser, Clausing, 1988, S. 264

64). Architekten sind zumeist interessiert an ästhetischen Fragestellungen, während Bauingenieure an Produktionsprozesse und Zeitplanung denken. Über diese Trennung geraten schnell die Ziele des Kunden aus den Augen. „If a customer need does not translate into an aesthetic or performance attribute, this customer need experiences a reduced priority or is completely ignored“ (vgl. Mallon, Mulligan, 1993, S. 518). QFD setzt an, Kundenanforderungen durch eine geeignete Methodik direkt an das Vertriebspersonal, Architekten und Ingenieure heranzuführen und initiiert Untersuchungen über Details der Kundenanforderungen und ihrer Wichtigkeit, über mögliche Zeitverkürzungen, Qualitätsverbesserungen und Kostenreduktionen. Die Zusammenarbeit aller am Bau beteiligten Fachleute wird zwingend, wenn man eine einheitliche Leistung anstrebt. Es wird ver-mieden, dass einzelne Festlegungen ein Übergewicht erhalten. Die Folge hiervon ist, dass die Entwicklungs- und Planungsphase zu Beginn eines Bauprojektes wesentlich umfangreicher ausfällt. Sie entspricht damit dem in Abb. 4.95 beschriebenen Kostenverlauf. „These drawbacks include an enormous upfront planning effort before the real work of product design can begin.“ (Griffin, 1992, S. 184). In der besonderen Methodik des QFD werden folgende Hauptaufgaben abgearbeitet (vgl. King, 1994; Saatweber, 1997; Swoboda, 1997): x

Untersuchung vorhandener oder latenter Qualitätsanforderungen des Kunden;

x

Anforderungskriterien des Kunden nach Wichtigkeit bezogen auf Nutzung und Kostenanfall;

x

Betrachtung möglicher Konkurrenzprodukte und alternativer Bauverfahren;

x

Alternative Produkte und Verfahren werden qualitativ untersucht. Die Wichtigkeit der geforderten Qualitätseigenschaften werden bestimmt;

x

Reklamationen und Beschwerden infolge von Erfahrungen bisheriger Kunden werden einbezogen;

x

Die mögliche Qualitätssicherung wird festgelegt.

Durch die Konzentration auf Prioritäten des Kunden und darauf abgestimmte Qualitäten, soweit sie für wichtig erachtet werden, verbunden mit intensiver Beteiligung aller Betroffenen, macht sich der anfängliche Mehraufwand des Verfahrens im weiteren Projektablauf bis zur Abnahme hin bezahlt. Probleme werden frühzeitig im Planungsprozess erkannt und gelöst, die Entwicklungszeit bei hoher Qualität wird verkürzt und eine hohe Kundenzufriedenheit wird erzeugt (vgl. King, 1994, S. 36). Insbesondere die verschiedenen Interessen im Buying Center des Bauens im BtoB-Bereich werden frühzeitig berücksichtigt und machen den Projektablauf widerspruchsärmer (vgl. O’Neal, La Fief, 1992, S. 137). Im QFD gelingt die Optimierung von Kosten-/ Nutzenanforderungen im Bauprozess viel umfassender als mit üblichen iterativen Verbesserungsverfahren und werden Kosteneinsparungen von bis zu 47% des ursprünglich vorgesehenen Ausführungsbudget erreicht (vgl. Pötz, 1993, 1999; Gargione, 1999, S. 365; Malorny, 1999, S. 446).

265

Verbindet man QFD mit Befragungstechniken, dem Zielkostenmanagement und einer Risikobzw. Fehlerbetrachtung in einer FMEA, ergibt sich ein abgerundetes Konzept zur Umsetzung von Kundenanforderungen in ein optimiertes Bauleistungsbündel.

QFD x Kundenanforderungen gewichten x technische Lösungen finden

Abb. 4.86

Conjoint Analyse

Target Costing

x gewünschte Nutzenbündel ermitteln x dazu Preisbereitschaft abgrenzen

x Zielkosten der Kunden gewünschten Bauteile

FMEA x Fehlervermeidung x Begrenzung der Qualitätskosten

Kundenanforderungen umgesetzt in betriebliche Prozesse (Quelle: Töpfer, Günther, 2004b, S. 122, leicht verändert)

4.2.5.3 Zeitmanagement Alle Bereiche der Leistungsentwicklung, -herstellung und -vertreibung im Bauwesen haben eine Abhängigkeit von der Zeit. Der Wettbewerb über die Zeit wirkt auf allen Feldern des Marktauftrittes und verändert in jedem Bereich die Markt- und Wettbewerbslage (vgl. Roventa, 1993, S. 206): x

Kürzere Realisierungszeiten bisher gewohnter Leistungsabläufe verändern Qualitäten und Kosten und können die Wettbewerbsfähigkeit wesentlich erhöhen;

x

Durch wesentlich verkürzte Produktionszeiten können sich neue Nachfragesituationen ergeben. Um- und Neubauten werden durch andere Ablaufkonzepte und kürzere Bauzeiten oftmals überhaupt erst möglich, wie z. B. Umbau in Ruhepausen einer Produktionsstätte, an Feiertagen oder im Betriebsurlaub, um den Geschäftsablauf nicht zu stören (vgl. Homburg, Daum, 1997, S. 121);

x

Schnelle Reaktion auf Veränderungen im Wettbewerb durch parallele Innovation oder kurzfristige Nachahmung und Umsetzung dieser Ideen in benachbarten Marktsegmenten führt zu höherem Markterfolg. Die schnellere Reaktion auf neue Kundenwünsche (Planen und Bauen, Bereitstellung von Finanzierung und Betreibung) ermöglicht Wettbewerbsvorsprünge;

x

Im Vertrieb erreicht jener den größten Absatz, der am schnellsten Bedarfswerte am Verkaufsort kennt bzw. als erster latente Kundenwünsche erfährt, um in schneller Reaktion ein nach Preis und Zeitablauf verbindliches Angebot vorzulegen.

Wer im Wettbewerb nicht in der Lage ist, Zeitverkürzungen aktiv umzusetzen, fällt in zweierlei Hinsicht zurück. Einerseits verliert er Aufträge und muss darauf folgend später unter Druck seine Preise senken, andererseits fehlen ihm zunehmend dringend benötigte Mittel, um die sich kumulierende fortlaufende Zeitverkürzung der Konkurrenz durch geeignete Maßnehmen in der Entwicklung und Prozessgestaltung aufzuholen (vgl. Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 57; Aue-Uhlhausen, 1994, S. 62). Unternehmen sind deshalb gezwungen, sich aktiv dem Zeitwettbewerb zu stellen. Dazu müssen die Betriebsabläufe prozessual gestaltet sein und 266

fortlaufend optimiert werden. Eine Informationstechnik muss alle Prozesse durchdringen mit Integration der Vorlieferanten. Ein partnerschaftliches Kunde-Lieferanten-Gesamtsystem muss gemäß SCM entwickelt werden. Im Unternehmen ist eine ganzheitliche Zeitmanagementkultur zu implementieren (vgl. Kuhn, Hellingsrath, 2002, S. 127; Frantz, 2000, S. 654f; Binner, 1993, S. 303). Zeitmanagement beginnt beim einzelnen Mitarbeiter und bei der Selbstorganisation der Führungskräfte im Unternehmen. Im Spannungsbogen von Effizienz und Effektivität gilt es, erst die richtigen Dinge zu tun und dann anschließend diese Dinge von Anfang an richtig zu erledigen.

Tätigkeitsorientierung - Effizienz -

Zielorientierung vs

- Effektivität -

Manager ziehen es vor: Dinge richtig zu tun



statt die richtigen Dinge zu tun

Probleme zu lösen



statt kreative Alternativen zu schaffen

Mittel zu bewahren



statt die Mittelnutzung zu optimieren

Pflichten zu erfüllen



statt Ergebnisse zu erzielen

Kosten zu reduzieren

Abb. 4.87



statt den Gewinn zu erhöhen

Tätigkeits- zu Zielorientierung (Quelle: Seiwert, 1993, S. 15)

Dabei wird Effizienz als Maß der Leistungsfähigkeit und als Quotient von Ergebnis zu Einsatz bzw. von Output zu Input gebildet. Das Ergebnis sollte größer als eins sein, wenn von Mehrwert oder Wertschöpfung im Wortsinn gesprochen werden soll. Für die grundsätzliche Ausrichtung der Aktivitäten des einzelnen Mitarbeiters und seiner Leistungswirksamkeit ist aber die Beurteilung der Effektivität wichtiger. Hier wird gemessen, ob das geforderte Ziel erreicht wird, indem der Quotient aus erreichtem Ergebnis zum Ziel bzw. Output/Ist zum Soll ermittelt wird. Ein Wert von eins würde hier also 100 %ige Zielerreichung bedeuten (vgl. Töpfer, 2005, S. 75f). Methodisches Wissen und überlegtes Anwenden vermindert das Scheitern im Zeitwettbewerb (vgl. Helfrecht, Wehner, 1989, S. 163). Aus einem persönlichen Zeitmanagement kann so sukzessive durch eine Verbesserung zeitlicher Abläufe eine Optimierung der einzelnen Leistungsprozesse erfolgen. Dazu müssen in einer Ablaufplanung zeitliche Komponenten ebenso beachtet werden wie Qualität, Menge und Abhängigkeiten des Ressourceneinsatzes. Hierzu sind seit Jahren moderne EDV-gestützte Planungssysteme nutzbar, die es ermöglichen, Wertschöpfungszeiten zu erhöhen und die meisten Vorgänge auf einem sog. „kritischen Weg“ zu organisieren (vgl. Volkmann, 1998, S. 131; RKW, 1999, S. 525). Es muss beachtet werden, dass es eine stringente Zeitüberwachung einzelner Teilprozesse auf der Baustelle seit Jahrzehnten gibt und diese zumeist auch genutzt wird. Diese Zeitplanung – 267

wesentlicher Bestandteil der BBL – ist aber weder genutzt worden, den aus Kundensicht gesamten Bauprozess zu optimieren, noch sind daraus Veränderungen in der Befähigung zum Zeitwettbewerb entwickelt worden. Hier setzt das in Kapitel 4.2.2.2 beschriebene System der Lean Construction mit seinem wichtigsten Hilfsmittel „Last Planner“ an. Es hat durch andere Prozesse und intensive Nutzung der Zeitablaufsteuerung unter den Beteiligten der Bauerstellung Zeitverkürzungen von über 30 % erreicht – ohne sonstige technologische Neuerungen (vgl. Ballard, 2000, S. 10.1), aber mit völlig erweiterten Zielrichtungen. 4.2.5.4 Kostengestaltung Zurückgehender Absatz in schrumpfenden Märkten, mangelnde Zufriedenheit der Kunden, zunehmende Menge an Transaktionen und ständige arbeitsaufwendigere Rahmenbedingungen einerseits sowie generell höhere Kundenanforderungen nach günstigeren Nutzenangeboten andererseits führen zu einem stark zunehmenden Wettbewerb mit der Wirkung sinkender Angebotspreise. Will der Anbieter von Bauleistungen im Markt bleiben, muss er bei den einzelnen Bestandteilen der Herstellkosten die Kosten der gesamten Wertschöpfung reduzieren. Die herkömmlichen Kostenrechnungssysteme bilden Kostenverläufe rückblickend ab. Kostenanfall je nach Prozess oder Ressourcenverbrauch und Wirkungen von Kostenreduzierungen aufgrund von Leistungs-, Qualitäts- oder Zeitveränderungen sind direkt schwierig darstellbar. Letztere aber haben durchaus unterschiedliche Auswirkungen auf das Erhöhen oder Mindern von Kosten. So führt das Unterlassen von Leistungsverbesserungen nicht zu Ersparnissen, sondern durch die Folgewirkungen z. B. bei Absatzrückgängen zu stark steigenden Opportunitätskosten, Ertragsausfall und steigenden Kosten in Produktion und Beschaffung (vgl. Homburg, Daum, 1997, S. 125). Eine auf den Markt ausgerichtete Ressourcenorientierung im Unternehmen verlangt deshalb, den Kostenverbrauch der betrieblichen Prozesse vorausschauend zu betrachten, um die Leistungsgestaltung aktiv angehen zu können. Dies geschieht in der Festlegung der Zielkosten. Aus dem Zielpreis und der Gewinnerwartung des Herstellers – seiner Zielrendite – ergeben sich die maximal zulässigen Herstellkosten. Aufgabe eines Zielkostenmanagements ist es nun, die gewünschten Herstellungskosten mit der Realität im Produktionsprozess in Verbindung zu bringen. Dazu müssen die Zielkosten aufgespaltet werden auf einzelne Bestandteile der Herstellprozesse. Kosten und Werttreiber sind zu kennzeichnen, um das Kosten-, Zeit- und Leistungsgefüge so durch kostengerechte Konstruktions- und Produktionsabläufe zu verändern, dass die abweichenden Kosten beseitigt und die Zielkosten erreicht werden (vgl. Homburg, Daum, 1997, S. 155f).

268

Zielpreis

-

Zielgewinn

=

vom Markt erlaubte Kosten

Zielkosten „Target cost“ Vergabe für KVP, Wertanalyse und Kostensenkung

Abweichung „Drifting cost“

Vom Anbieter ursprünglich beabsichtigte Kosten

Abb. 4.88

Zielkostenfestlegung (eigene Darstellung)

Zielkostenmanagement ist ein interaktiver Prozess. Er beginnt mit der Ermittlung der Zielkosten und endet erst, wenn die Abweichung in den „drifting cost“ durch wesentliche Verbesserungen im Ressourceneinsatz verschwunden ist (vgl. Belz, Schuh et al., 1997, S. 71). Da im Bauwesen ca. 78 % der Kosten eines Bauwerks in der Planung festgelegt werden (vgl. Volkmann, 1998, S. 99), ist Zielkostenmanagement zuerst einmal Überprüfung der Planung, Optimierung der Bauinhalte und Ausrichtung allein auf den Kundenwunsch („design-to-cost“). „Design-to-cost“ x Wissen, was der Kunde will

x Wissen, für was der Kunde zu zahlen bereit ist

Planen

Optimieren

x Bauen, was der Kunde will und zahlt

Ausführung planen Ressourceneinsatz

x Bauen, wann und bis wann der Kunde will

kostengünstig produzieren

Abb. 4.89

Methoden Zielkostenmanagement QFD Prozessoptimierung Best practise Benchmark FMEA-Methode Qualitätssicherung Beschaffung-SCM Design-Build KVP Zeitmanagement Projektmanagement

Planung ausrichten auf Zahlungsbereitschaft des Kunden („design-to-cost“) (eigene Darstellung)

Gerade in Zeiten schrumpfender Märkte, in denen viele Bauunternehmen – unter Hinnahme von Vermögensverzicht und trotz hoher Herstellkosten – „billig“ anbieten, zeigt sich der 269

Wirkmechanismus des Zielkostenmanagement. Es beschreibt nicht, wie effizient eine Produktion sein sollte, sondern beschreibt ausschließlich, was eine Produktion maximal kosten darf, soll sie am Markt erfolgreich sein und Gewinne freisetzen. In der Kostenrechnung muss deshalb aus der vergangenheitsorientierten Ergebnisbetrachtung hinausgetreten werden, um aktiv Kostenreduzierungen für die Zukunft zu erreichen (vgl. Hiromoto, 1989, S. 131). Das Zielkostenmanagement zeigt unbestechlich, welchen Problemen das Bauunternehmen im Herstellprozess gegenübersteht und hindert es, die Augen vor Marktrückgängen und Preissenkungen zu verschließen, um auf bessere Zeiten zu hoffen. Zielkostenmanagement zwingt zur Beantwortung der Fragen (vgl. Shank, Fisher, 2000, S. 104; Niemand, 1996, S. 196): x

In welchen Marktsegmenten will das Bauunternehmen mit welchen Produkten und Leistungsbündeln tätig sein?

x

Welche Wettbewerbsvorteile kann es mit seiner Prozessfähigkeit den Kunden bieten?

x

Welches Kostenniveau und welche Kostenstrukturen entsprechen dieser Marktanforderung?

x

Welche Kosten fallen über die gesamte Lebens-Nutzungszeit des Bauwerks an? Was für Preisstrategien ergeben sich dadurch? (vgl. Coenenberg et al., 1994, S. 29)

Zielkosten-Management

Produktentwicklung und Planung

Abb. 4.90

Neue bessere Produktionsprozesse

Kostensenkung bestehender Produktionsprozesse

Zielfestlegung in der Beschaffung

Effizienzsteigerung im Gemeinkostenbereich

Die Anwendungsbereiche des Zielkostenmanagements (eigene Darstellung)

Damit ermöglicht ein Zielkostenmanagement im Bauunternehmen die kurzfristige Steuerung des Ressourceneinsatzes ebenso die langfristige Ausrichtung des Unternehmens auf zukünftige Kundenanforderungen. Die Gestaltung eines Zielkostenmanagements bedarf eines speziellen Kostenrechnungssystems. Die Mängel der Vollkostenrechnung mit der Kostenzuteilung der Gemeinkosten nach willkürlich gewählten Hilfsgrößen und fehlerhafter Abbildung bei Beschäftigungsschwankungen sowie jener der Deckungsbeitragsrechnung (DBR), die keine Zurechnung der Gemeinkosten (bis zu 20% der Herstellkosten eines Bauwerks) vorsieht, lassen nach alternativen Verfahren suchen. Da die Bauobjekte immer komplexer werden, steigen die Kosten für die entwickelnden, vorbereitenden, planenden, steuernden und koordinierenden Tätigkeiten (den Gemeinkosten) an, umso wichtiger ist es, sie planvoll vorausschauend zu gestalten.

270

1) Beschäftigungsschwankung 2) Unterschiedliche Leistungsbeanspruchung unterschiedlicher Erlösträger 3) Kaum exakte Beurteilung von Kostenanfall und Leistung der einzelnen Gemeinkostenstelle 4) Gemeinkostennutzen ist abhängig von :

Abb. 4.91

x

Baustellengröße

x

Kunde (Kontakt, Zusammenarbeit)

x

Entfernung der Baustelle vom Unternehmenssitz

x

Qualität des Personals

x

Komplexität des Bauobjektes

x

Betriebsorganisation

x

Prozessabläufe

Probleme der Gemeinkosten (eigene Darstellung)

Will ein Kostenrechnungssystem die Steuerung von Betriebsprozessen begleiten, müssen die Gemeinkosten den einzelnen Betriebsprozessen zugeordnet werden. Dies kann in einer stufenweisen DBR geschehen (vgl. Riebel, 1994, S. 585; Plinke, Rese, 2000, S. 746) oder nach dem Verfahren „Activity-Based-Costing“ (ABC), bei dem die Fertigungsgemeinkosten mit Zuschlagssätzen einzelnen Fertigungseinflussgrößen zugeteilt werden (vgl. Töpfer, Effenberger, 1996, S. 192). Letztlich bietet eine Prozesskostenrechnung (PKR) allein die Gewährleistung, alle anfallenden Gemeinkosten verursachungsgerecht prozessorientiert zu erfassen und zuzuordnen. Kostentreiber werden bekannt, die Kalkulation erfolgt nach Prozessnutzung und alle Bereiche der Leistungserstellung im Unternehmen – auch die der Beschaffung – werden vorausschauend mit Kosteninformationen versorgt. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein exakt beschriebener Prozesse. Die Analyse leistungsmengenabhängiger oder -neutraler Kostenanfälle gestattet die Betrachtung von fixen und variablen Abhängigkeiten. Darüber hinaus können zeitliche Verläufe in den einzelnen Prozessen in ihren Kostenauswirkungen beobachtet werden (vgl. Horváth, 1993b, S. 613; Gaitanides, Scholz, Vrohlings, 1994, S. 78f; Dräger, Sadeghi-Esfahlafni, 1994, S. 173). Der innerbetriebliche Leistungsaustausch wird somit transparent und öffnet den Blick auf die Verursacher, wobei vor allem nicht wertschöpfende Tätigkeiten aufgedeckt werden (vgl. Noosten, 2002, S. 33).

271

Prozess-Kostenrechnungsverfahren für Gemeinkosten (Planung, Steuerung und Verrechnung von Gemeinkosten-Prozessen) Analyse der abteilungsübergreifenden Prozesse im Gemeinkostenbereich und deren Kostentreiber Ð

Zuordnung von Teilprozessen aus den Kostenstellen einschließlich deren Kapazitäten und Kosten Ð

Strukturierung des gesamten Gemeinkostenvolumens nach Prozessen, deren Kosten und Kosteneinflussfaktoren Ð

Verwendung der Prozesskosten x

für die Budgetplanung und -steuerung in den Gemeinkostenbereichen

x

für das Kostenmanagement

x

für die verursachungsgerechte Produktkalkulation

x

im Rahmen des Target Costing, um Neuprodukte gemeinkostenoptimal zu gestalten Ð

Aufbau eines integrierten Gemeinkostenmanagements auf Basis von Prozesskosten Abb. 4.92

Ablauf der Prozesskostenrechnung (eigene Darstellung)

Eine PKR erfordert allerdings wesentlich höhere Aufwendungen zur Durchführung als eine klassische Vollkostenrechnung. Deshalb ist sie weder intensiv in der Industrie, noch im Baubereich eingesetzt. Dennoch ist die PKR im Bauunternehmen nutzbar. Da die Hauptprozesse und ihre Organisation nicht so schnell wechseln wie in Teilen der sonstigen Industrie, können einzelne „Untersuchungsinseln“ für eine temporäre oder sachlich eingegrenzte PKR guten Nutzen bieten. So können wiederkehrende Bauleistungen mit ähnlichen Prozesskosten im jeweiligen Profitcenter mit über Monate stabilen Abläufen ohne großen Aufwand betrachtet werden. Oder es werden Zeitanteile für schwer erfassbare Kapazitäten geschätzt, um dennoch nutzbare Kostenwirkungen betrachten zu können (vgl. Kaplan, Anderson, 2005, S. 90). Da besonders im Schlüsselfertigbau, bei dem der Generalunternehmer evtl. nur noch eine Managementleistung erbringt, die Ergebnisbeeinflussbarkeit zu einem ganz anderen Zeitpunkt gegeben ist als das Ergebnis ausgewiesen wird, ist eine Gemeinkostenanalyse hilfreich, die die Managementkosten an jedem Punkt – dem sog. „Profit-Point“ – ermittelt, an dem eine Schnitt- oder Übergabestelle zwischen General- zum Nachunternehmer (NU) besteht. Der Kostenverlauf zeigt exakt den Prozessaufwand zum jeweiligen NU und bietet so Möglichkeiten einer Prozessverbesserung (vgl. Kim, Ballard, 2002, S. 3).

272

(nur Produktion)

-

Abb. 4.93

Bau

Verursachungsgerechter Ergebnisausweis Beeinflussbarkeit im zeitlichen Verlauf (Quelle: Breuninger, 1996, S. 64)

Es erscheint auch denkbar, den erhöhten Aufwand einer PKR für kleinere Baubetriebe dadurch zu reduzieren, dass man für gewisse Bereiche eine PKR nur zeitweilig durchführt. Betrachtet man z. B. den größten Block der Gemeinkosten am Baubetrieb die Kosten der Bauleitung, so können je nach Einsatz vier bis fünf Hauptprozesse je Tag berichtet und verarbeitet werden. Eine Analyse ist nur z. B. alle drei bis vier Jahre sinnvoll. 273

Sonstiges: z.B. Marketing, öffentl. Institutionen, Abrechnungsverfahren, Vermessung

Abstimmung mit kfm. Abteilung für Leistungsmeldung Berichtswesen bearbeiten, Rechnungsstellung an Kunde Besprechung mit Bauherr

16 % 16 %

12 %

4%

BauleiterBesprechung

6% 11 %

8%

Fahrt zur Baustelle

11 % Unternehmerrechnungen prüfen, Kleinleistungen abrechnen

Abb. 4.94

Baustellenvorbereitung und Zeitplanung

16 % Baustellenpersonal betreuen

Wofür wenden die Bauleiter wie viel Zeit auf? (Quelle: Horvath & Partner, 1998, S. 19)

Mit der PKR ist ein gutes Instrument zu Simulation von Folgerungen aus Schwankungen einzelner Kosten- und Ertragsgruppen gegeben (vgl. Spitzer, Evans, 1998, S. 138). Es fallen aussagefähige Führungsinformationen an, Entscheidungshilfen werden geboten und die Gefahr unterlassener Handlungen wird gemindert. „Fix sind Kosten nur dort, wo Manager nichts unternehmen, um sie zu senken“ (Cooper, Kaplan, 1991, S. 94). Kosten / Leistungen können im Zeitablauf Kunden- / Lieferantenverhältnissen zu Marktpreisen gegenübergestellt werden. Daraus können Anstöße zur Optimierung von Prozessen oder zu ihrem Wegfall führen (vgl. Mayer, 1991, S. 81; Wäscher, 1994, S. 17; Cooper, Kaplan, 1999, S. 84). Eine besondere Wirkung kann die PKR auf die Kalkulation haben. Die in der Bauwirtschaft übliche zeitabhängige einzelfallbezogene Kalkulation ist mit einer PKR sehr genau darzustellen (vgl. Weiler, 1996, S. 133). So offensichtlich ein Zielkostenmanagement und eine zugrunde liegende PKR alle Kosten für die gewünschte Marktleistung sichtbar machen, so notwendig ist es für die Wirksamkeit dieser Verfahren, dass das Bauunternehmen auch die Kosten in allen Prozessen in der Herstellung der Marktleistung beeinflussen kann. Selbstverständlich ist dieses möglich bei der eigenen Produktion und zum Teil bei den Prozessen mit den Vorlieferanten und Nachunternehmern. Wenn aber berücksichtigt wird, dass fast 80% der Baukosten im Planungsprozess durch den vom Kunden festgelegten Beratenden Ingenieur bestimmt werden (vgl. Volkmann, 1998, S. 99), zeigen sich einerseits die Grenzen des Zielkostenmanagements oder andererseits Aufgabenfelder für eine Bauunternehmung, will es sinkende Marktpreise für seine Leistung „managen“. Zielkostenmanagement im Baubereich erscheint nur umfassend wirksam, wenn das Bauunternehmen die Planung des vom Kunden gewünschten Bauwerkes in seiner Verantwortung durchführt. In diesem Fall können Volumen, Bauart, Gestaltung und Herstellprozess umfassend aufeinander abgestimmt werden und kommen innovative Konzepte und kreative Baulösungen zweifach zur Geltung. Sie bieten dem Kunden eine wettbewerbsfähige Bauleistung und dem Bauunternehmen die Chance zum nachhaltigen Markterfolg. 274

4.2.5.5 Die Vernetzung der Wirkungen von Qualität, Zeit und Kosten im Bauleistungsbündel Die hier beschriebenen Wirkungen nach der Beeinflussung der Qualitätsgestaltung und infolge des Zeit- und Kostenmanagements haben je nach Einsatz, Art und Umfang der verwendeten Instrumente unterschiedliche Ausprägung. Da diese sich beeinflussen und Abhängigkeiten bestehen, können sie einzeln wirken, sich verstärken oder ihre Wirkung mindern. In Abb. 4.95 sind beispielhaft die Wirkungen von einzelnen Gestaltungsmaßnahmen dargestellt. Eine sorgfältige Analyse der Ursache- / Wirkungsketten und ihrer vernetzende Wirkung ist deshalb wesentlicher Bestandteil einer hohen Qualität von Bauleistungen. Gestaltungsmaßnahme Produktmanagement Design-Build Lean Construction Logistik mit Zwischenlager Zeitplanung nach "Last planner" Zeitverkürzung durch Flexibilität und Erhöhung der Nutzzeiten Outsourcing von Bauhof und Baustelleneinrichtung Outsourcing von Baumaschinen Zielkostenmanagement Datenaustausch mit Lieferanten- und Nachunternehmern Elektron. Planmanagement Schulung der Mitarbeiter in Kundenzufriedenheit vorbeugende Qualitätssicherung mit QFD, Six Sigma vorbeugende Qualitässicherung mit strategischen Maßnahmen FMEA, ISO usw. Einsatz nicht qualifizierter Arbeitnehmer aus MOE-Staaten

Abb. 4.95

Qualität

Wirkung auf Zeit



 



   

      

r r r      

  r        r

             r  r





Kosten



Unterschiedliche Wirkung der Vernetzung von Gestaltungsmaßnahmen im Baumanagement auf Qualität, Zeit und Kosten (eigene Darstellung)

Hohe Auftragsbestände passen nicht zu kurzen Lieferzeiten, eine flexible Lieferbereitschaft ist kaum mit geringen Personalstand zu leisten und hohe Maschinenauslastungen widersprechen eventuell minimalen Durchlaufzeiten. Nur ein klar strukturiertes Zeitmanagement verbindet die Nutzenhierarchie beim Kunden und die Prozessabläufe des Bauunternehmens zu einem Optimum im Zeitverzehr. Eine zeitbasierte Wettbewerbsstrategie wird dabei bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Grenze erreichen, dass durch Zeitverkürzung die Qualität steigt und die Kosten sinken. Das Herantasten an diese Grenze gelingt nur bei umfassender Ablauf- und Prozessgestaltung. Der Zeitwettbewerb ist insoweit eine Kostenführerschaftsund Differenzierungsstrategie zugleich (vgl. Fischer, 2001, S. 79). Stalk hat in seinen Untersuchungen – außerhalb der Baubranche – vier wesentliche Stellhebel herausgefunden, deren Nutzung die Lage des Unternehmens im Zeitwettbewerb wesentlich verbessern würde (vgl. Stalk, 1997, S. 575): x

Für den Wertschöpfungsprozess der meisten Leistungen werden lediglich 5 % der Zeit aufgewendet, die die Leistungserbringung in der Wertschöpfungskette des Unternehmens insgesamt benötigt; 275

x

95 % der Zeit im Produktionsprozess ist nicht wertschöpfend. Stütz-, Blind- und Fehlleistungen erfolgen zumeist unbeobachtet, die Wartezeit zu Vorlieferungen ist ungenügend gestaltet;

x

Jede Viertelung der Zeit einer Leistungserbringung verdoppelt die Produktivität von Arbeit und Kapital und senkt die Kosten um bis zu 20 %;

x

Unternehmen, die den Zeitverbrauch signifikant um mehr als 30 % mindern, erzielten nachweisbar relevante Wettbewerbsvorteile, wachsen dreimal schneller als die Konkurrenz und haben doppelt so hohe Gewinnmargen.

Bei der Beeinflussung des Qualitätsniveaus der Leistung zeigt sich besonders im Baubereich mit den außerordentlich intensiven Verflechtungen der verschiedensten Gewerke die vielfältige Wirkung untereinander. Beispielhaft ist dieses Nachfolgende bei einem Planungsprozess nach der Methode des QFD dargestellt. höhere Mitarbeiterzufriedenheit mit erhöhter Motivation u. Kreativität

Qualität gleich produzieren

Mitarbeiter mit Kundenwunsch konfrontieren

Arbeitsplatz Ebene

QFD Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Einbeziehung von Kundenanforderungen

Verbesserte Prozesse mit geringeren Schnittstellen

Bereichsebene

bessere Information und Dokumentation

Vermeidung von Änderungen aus mangelnder Einbeziehung Betroffener

durch intensive Planung Optimierung der Bauleistung

geringere Änderungen

Steigerung der Qualität

Verkürzung der Planungszeit

geringere Reklamation und Garantie

Verkürzung der Bauzeit

Unternehmensebene

Senkung der Kosten

hohe Wettbewerbsfähigkeit

hohe Kundenzufriedenheit und Image

hohe Verkaufserfolge

Markt

Abb. 4.96 Wirkungskette der Qualität von Planungsprozessen im QFD (Quelle: nach Kamiske, Theden, 1996, S. 47)

Die Erfolgswirksamkeit einzelner Maßnahmen zur Veränderung von Qualität, Zeit und Kosten in der Prozesskette wird eindeutig zugeordnet. Wirkungsketten können für Anweisungen an die Organisation im Betrieb für die Verfahren zur Qualitätsmessung und für die Zielfindung in der Qualitätsverbesserung genutzt werden. Ursachen der Qualitätsmängel können 276

Wirkungen in der Qualitätssicherung direkt zugeordnet werden. Folgewirkungen auf Zeit und Kosten werden erkennbar. Betrachten wir Abb. 4.96, so sind allerdings die Wirkungen im Baubereich wenig ermutigend. So positiv die Wirksamkeit von QFD vor allem in der Autoindustrie nachgewiesen wurde (vgl. Herrmann, 1998, S. 255), letztlich hat der Zeitaufwand für die Schulung der beteiligten Partner und der darauf folgenden Planung im einzelnen Bauprojekt eine umfassende Durchdringung dieses Verfahrens im Bauprozess bisher behindert (vgl. Engelhardt, Freiing, 1997, S. 16). Ein Grund hierfür ist in Deutschland auch die Trennung von Planung und Bau sowie der Umstand, dass über die Inhalte der Planung kein Preiswettbewerb stattfindet. QFD bietet dennoch in umfassendster Weise eine optimale Wirkungsbeziehung von geforderter Qualität mit optimierten Kosten und Zeitverläufen. „The key to shortening overall design time and attendant cost is to better define and design. This results in the reduction or elimination of redesign“ (Mallon, Mulligan, 1993, S. 530).

Ursache

Qualitätsmängel

Wirkung Qualitätsorganisation

Qualitätsmessung

Qualitätsverbesserung

Marktanalyse

Personen

Standards

Ursachenanalyse

Kostencontrolling

Verantwortung

Verkaufsanalyse

Prozessablauf

Messverfahren, Messstellen

Nutzung von Instrumenten und Methoden

Regelkreise

Abweichungsanalyse Rückkopplung

Abb. 4.97

Umsetzung von Verbesserungen in organisatorischen Prozessen und Personal

Ursache-Wirkungsbeziehung im Qualitätsmanagement (eigene Darstellung)

Um die Wirkung von Qualitätssicherungsmethoden beurteilen zu können, sind geeignete Messstellen und -verfahren herauszuarbeiten. Nur wo gemessen wurde, erarbeitet man Stellgrößen, schafft Vergleiche und ermöglicht die Basis für zukünftige Qualitätsverbesserungen. Dabei ist die Erfüllung von Erwartungen und Ansprüchen der Kunden verhältnismäßig schwer zu messen. Sachansprüche (was bewirkt die Leistung für einen Nutzen zu welchem Preis?) und Anmutungsansprüche (welche Empfindungen und Antriebe bestimmen das individuelle Kundenurteil?) vermischen sich zu einem oft schwer zu messenden und anschließend zu interpretierenden Urteil (vgl. Koppelmann, 1995, S. 196fff). Die vom Kunden direkt wahrgenommene Produkt-, Kontakt- und Lieferqualität und die vom Kunden nur indirekt wahrgenommene Fertigungs- und Prozessqualität verlangen deshalb eine wohl abgewogene Verbindung mehrerer Verfahren der Qualitätssicherung (vgl. Töpfer, 1999f, S. 412; Davidow, Uttal, 1992, S. 214) und der Kostenrechnung. In der Wirkung von Qualitätsniveau zu entsprechendem Kostenverzehr zeigen sich besonders die vernetzenden Wirkungen. Früher wurde hohe Qualität mit hohen Produktionsaufwendun277

gen oder niedrige Herstellkosten mit eingeschränkter Kundenzufriedenheit gleichgesetzt. Es ist der Erfolg der PIMS-Studie von Buzell / Gale, 1987 und der Studie von General Electric, dass es heute eine gesicherte Erkenntnis gibt, dass die frühzeitige Sicherung von Qualität im Produktionsprozess im wesentlichen Kosten senkt (vgl. Fischer, 2001, S. 114). Ein nach dem Abschluss der Planung entdeckter Mangel führt z. B. zu 20 - 30fach höheren Kosten der Mängelbeseitigung, wenn dieser Mangel im fertigen Bauwerk behoben wird, als wenn dieser Mangel im Planungsprozess korrigiert worden wäre (vgl. Seghezzi, Hansen, 1993, S. 132). Damit erfüllt das Anstreben des optimalen Qualitätsstandards das sog. generelle Extremumprinzip der BWL, d. h., mit einem Minimum an Input ein Maximum an Qutput, also höchste Qualität zu erreichen bei abschließend günstigen Herstellkosten (vgl. Töpfer, 2005, S. 65).

Abb. 4.98 Auswirkungen der Qualität nach der PIMS-Studie (Quelle: Bruhn, Georgi, 1999, S. 5)

278

100

60

30

3

Fehler im Review entdeckt

Fehler im Entwicklertest entdeckt

Fehler im Pilotbetrieb entdeckt

Fehler im Feldbetrieb entdeckt

Abb. 4.99 Aufwand je Fehler in Abhängigkeit des Zeitpunktes der Fehlerentdeckung (Studie General Electric)

Es muss deshalb größter Wert auf die frühzeitige fehlerfreie Planung mit einem „Hereinproduzieren“ von Qualität angestrebt werden. Erst dann verlaufen die Entwicklung und Gestaltung von Qualität und Kosten gleichgerichtet. Darüber hinaus muss der Anfall von Qualitätskosten über alle Arbeitsabläufe und -verfahren hinweg von der Grundlagenermittlung bis zur Abnahme und Nutzung der Bauleistung betrachtet werden. Unterhaltung Garantie

Marktleistung Marktforschung Grundlagenermittlung

Abnahme Dokumentation

Planung

Produktion auf Baustelle Produktion der Vorprodukte

Abb. 4.100

Optimierung Variantenprüfung Einkauf

Arbeitsvorbereitung Zeitplanung

Kostenanfall der Qualitätssicherung im Prozess der Leistungserstellung einer Bauleistung (eigene Darstellung)

Zur weiteren Prozessverbesserung ist dann zu überprüfen, welcher Art diese Qualitätskosten sind. Sind es Konformitäts-, Nichtkonformitäts-, Mangel- und Gewährleistungs-, oder Mangelfolgekosten? Wo fallen sie mit welcher Wirkung und in welcher Weise an und welchen Aufwand wird es machen, diesen Kostenanfall zu mindern (vgl. Gerberich, 1995, S. 320). Allgemein kann davon ausgegangen werden, je später Abweichungen im Produktionsprozess erkannt werden, je höher werden die Wirkungen einer vorbeugenden Qualitätssicherung sein. 279

Qualität als Unternehmensziel dient ……

... zur Reduktion von Kosten bei Nutz-, Stütz-, Blind-, Fehlleistungen

... zur Erhöhung der Erlöse ... für mehr Verkäufe ... für höhere Kundenbindung

1. Qualitätsmanagement Techniken nutzen 2. Prozessoptimierung 3. Kontinuierliche Verbesserung 4. Mitarbeiterorientierung Qualifikation 5. Kundenorientierung 6. Innovation 7. Verbindung KundenwunschPlanung-Bau 8. Ziel- und Zeitplanung 9. Wettbewerbsorientierung Benchmark

Leistung nur nach x x x x x

Kundenanforderung langfristige Kundenbeziehung optimale Preispolitik Qualitätsziele kommunizieren absolute Serviceorientierung

Abb. 4.101 Qualität mindert Kosten und steigert Erlöse (eigene Darstellung)

Qualität senkt Kosten; aber wo, wie und wann? Dieses muss sorgfältig untersucht werden (vgl. Grönroos, 1995, S. 72; Coenenberg, Fischer, 1996, S. 184 f), wobei dabei die Prozesskostenrechnung hilfreich ist. PKR „enables managers to determine where to spend on service quality, how much to spend, and the likely financial impact from service expenditures, in terms of revenues, profits and return on investments in quality improvement - the return on quality“ (Rust et al., 1995, S. 68). Damit öffnet sich der Blick auf die Gestaltung der Kosten bei unterschiedlichen Qualitätsniveaus. Jedes einzelne bedingt spezifische Fehler- und Fehlerfolgekosten. Im traditionellen tätigkeitsorientierten Qualitätskostenansatz Mitte des vorigen Jahrhunderts sind geringe Fehlerkosten nur bei extrem steigenden Prüf- und Verhütungskosten möglich. Im zeitgemäßen Ansatz wirkungsorientierter Qualitätsgestaltungen fallen durch die vorbeugend gestaltete Qualität zwar dauerhaft durch die genutzten Qualitätssicherungsverfahren (siehe Kapitel 4.2.5.2 und hier besonders QFD und Six Sigma) Kosten der Herstellung und der Übereinstimmung mit den Anforderungen an, aber dafür reduzieren sich fortlaufend die Abweichungskosten. Die im traditionellen Ansatz erlebte Kostenfalle entfällt und Wege zu höherer Effektivität und Effizienz sind gewiesen (vgl. Töpfer, 2006, S. 419). Gleichzeitig entstehen Gestaltungsspielräume in den drei Ansätzen der NIÖ. Eine wirkungsvolle vorbeugende Qualitätssicherung gestaltet deshalb bewusst und aktiv die PrincipalAgent-Beziehung, mindert unnötige Transaktionskosten und wird langfristig infolge nachhaltiger Kundenzufriedenheit auch die Rahmenbedingungen der Property-Rights positiv verändern.

280

4.2.5.6

Die Veränderung von Qualität, Zeit und Kosten durch Innovation

Wertorientierung entsteht durch bewusste Vernetzung von Qualität, Zeit und Kosten. Die Gestaltung und besonders die Optimierung geschieht durch Nutzung innovativer neuer Handlungsweisen. Das Bemühen, Prozesse und Ergebnisse zu verändern, zu verbessern und nutzenstiftender zu machen, wird „Innovation“ (vgl. Staudt, 1986, S. 17, S. 289) genannt. Vom Markt her betrachtet ist „Innovation ein Produkt oder eine Dienstleistung, die jemand als neu wahrnimmt“ (Buck, 1998, S. 150), das heißt dass ein Leistungsbündel einen als neuen Mehrwert empfundenen Inhalt hat. Der bisherige „Nutzencharakter des Produktes“ ist verbessert worden (Kurek, Schindler, 2002, S. 60) oder die Gestaltung der bisher verwendeten Ressourcen wurde optimiert. Innovationen werden gegliedert in Veränderungen von Produkten, von Prozessen, von Qualitäten, von Marketingaktivitäten und Führungsverhalten und Ressourcenverbrauch. Im deutschen Bauwesen war die Produktivitätsentwicklung in den letzten Jahren eher schwach entwickelt (vgl. Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie, 1998a). Kostenreduzierungen wurden im Wesentlichen durch den Einsatz von preiswerten Arbeitern aus Osteuropa erzielt. Eine ähnliche Entwicklung hatte schon vor über zehn Jahren der Atkins-Report für ganz Europa vorhergesagt und vor den Folgen gewarnt (vgl. European Commission, 1994, S. 103). Obwohl bekannt ist, dass zur Erzielung von langfristiger Kundenzufriedenheit und zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen ein Innovationsmanagement mit kontinuierlichen Budgets für Forschung und Entwicklung nötig ist (vgl. Marsch, 1996), haben die größten deutschen Bauunternehmen das schlechteste Image zur Innovationsfähigkeit, die geringsten Aufwendungen für F&E und die niedrigste Profitabilität unter den großen Unternehmen in der deutschen Volkswirtschaft (vgl. Wirtschaftswoche, 23/2000, S. 113). Abgesehen von wenigen Bereichen des Infrastrukturbaus (Tunnel, Gleisbau – feste Fahrbahn, Flüsterasphalt) sind in den letzten zehn Jahren kaum neue Innovationen entstanden. Dies liegt offensichtlich in der schwachen Ausbildung eines Innovationsmanagements. 1)

Zu geringe Informationen über Kundenbedürfnisse

2)

Zu geringe Informationen über die Fähigkeiten des Wettbewerbs, insbesondere im Ausland

3)

Keine Innovationsbereitschaft der Führungskräfte

4)

Keine Mitarbeiterbeteiligung an Innovationen

5)

Zu lange Entwicklungszeiten

6)

Keine kontinuierliche Innovations- und Entwicklungskultur

7)

Kein Messen der Innovationserfolge

8)

Kein systematisches Innovationsmanagement

9)

Keine Nutzung externen Wissens

Abb. 4.102 Mängel des Innovationsmanagements (Quelle nach: o. V., Manager Magazin 1/99, S. 120; o. V., Markt und Mittelstand 6/98, S. 54 f)

281

Die fehlende Innovationsfähigkeit und fehlende Produktivität im deutschen Bauwesen hat allerdings auch ihre Ursache in starr fraktionierten Entscheidungsebenen des Planungs- und Bauprozesses, die das Bauunternehmen primär als technischen Umsetzer der Planungen der Beratenden Ingenieure ansehen. Wenn heute in diesem System Bauunternehmen dem Kunden langfristig angelegte innovative Konzepte vorliegen, werden diese – soweit sie bei der fortgeschrittenen Planungsarbeit überhaupt noch genutzt werden – zumeist verwendet, um sie schnellstens den anderen Wettbewerbern zur Kenntnis zu gegeben mit dem Ziel einer preiswerteren Auftragsvergabe. Allzu oft geht der Innovator leer aus und es gewinnt der billigste Nachahmer. Dies behindert langfristig die Bereitschaft, in Forschung und Entwicklung investieren. Diese Problematik wird im Marktmodell des Design-Build vermieden. Ihm ist deshalb eine wettbewerbswirksame innovative Komponente innewohnend. Im Konsumgüterbereich ist es besonders wichtig, als erster eine Innovation auf den Markt zu bringen. Nur der Pionier der Erneuerung wird als Erstverkäufer über hohe Preise seinen Innovationsaufwand gedeckt bekommen und zusätzliche Gewinne erzielen. „Die Marke des Erstanbieters wird ... bereitwilliger wahrgenommen, besser erinnert und günstiger bewertet“ (v.d. Oelsnitz, 1998, S. 25). Im BtoB-Bereich dagegen ist der Zeitpunkt des Markteintrittes einer Innovation nicht alleinbestimmender Faktor für den späteren Markterfolg (vgl. Clement et al., 1998, S. 206). Schließlich kommt es dem Investitionsgüterkunden nicht so sehr auf Neuigkeitseffekte an, sondern mehr auf bewiesene erfahrene Nutzungsverbesserungen. Hier kann es erfolgreicher sein, Neuentwicklungen nachzumachen und zu optimieren, mit besserer Qualität auszustatten oder intelligenter zu vermarkten, zumal die Kosten einer Imitationsstrategie bis zu 65% unter jener einer originären Innovationsstrategie liegen (vgl. v. d. Oelsnitz, Heinecke, 1997, S. 36 ff). Erstinnovatoren (Pioniere) dagegen benötigen finanziellen Durchhaltewillen, glückliche Marktumstände und hochqualifizierte Mitarbeiter. Folger bzw. Nachahmer hingegen nutzen die Leistung des Marktaufbaus durch den Pionier, suchen sich spezielle Kundensegmente heraus oder verfolgen eine rigorose Niedrigpreis-strategie dank fehlender F&EAufwendungen. „The trouble with being a pioneer is the pioneers get killed by the indians.” (Th. Levitt, zit. nach: v. d. Oelsnitz, 1998, S. 24). Die Bereitstellung einer bahnbrechenden neuen Innovation ist kein Garant für Wettbewerbserfolg. Bestes Beispiel hierfür ist IBM, deren ehemaliger Leiter J. Watson jr. äußerte: „If you really look at the history of IBM, technological innovation wasn’t always the thing that made us successful. Unhappily there were times when we came in second. But in the game I knew, that was less important than sales and distribution methods. We consistently outsold people because we knew how to put the story before the customer, how to install the machines successfully and how to hang on to customers once we had them.” (zit. Simon, 1988a, S. 461). Ob als „Pionier“ oder als „Folger“: Um die Wettbewerbsposition zu verbessern, ist es unerlässlich, das Leistungsprogramm und seine Entstehung innovativ laufend fortzuentwickeln. Denn Innovationen bieten z. B. die Chancen: 282

x

Beim Kunden Erwartungen und Verhaltensweisen zu verändern und ihn von neuen Nutzenangeboten zu überzeugen, den der Wettbewerb nicht abdeckt.

x

Die Ausgangslage im Wettbewerb durch die Befriedigung neuer Kundenwünsche zu verändern.

x Die Wirtschaftlichkeit von Teilen der Branchenleistungen völlig zu verändern. Innovationen erhöhen den Druck auf den Wettbewerb, eröffnen dem Innovator Marktchancen und Auswege aus einem ruinösen Preiskampf (vgl. Perlitz, 1988, S. 54; Hammer, 2004, S. 86; Hamel, Getz, 2004, S. 17). Unabhängig davon, ob Innovationen Ergebnis einer langfristig angelegten Forschungs- und Entwicklungspolitik oder eine gezielte Verbesserung bekannter Lösungen sind (vgl. Tomczak, Reinecke, 1998, S. 73ff), die Bemühungen für Erneuerungen werden nur erfolgreich sein, wenn für das einzelne Unternehmen wohlüberlegte Prozesse im Innovationsmanagement gestaltet werden. Da der Einfluss auf alle Wertschöpfungsstufen des Unternehmens besteht, muss die Wirkung möglicher Innovationen sorgfältig bedacht werden. Dazu dient eine systematische Informationsbeschaffung (vgl. Pepels, 2003, S. 37; Schischke, 1996, S. 264) und der Ablauf in einem klar strukturierten Projektmanagement (vgl. Hörmann, Tiby, 1991, S. 77; Göpfert, Steinbrecher, 2000, S. 25).

Ideenfindung

Kundenanalyse Lead-User Informationsbeschaffung Innovationsmethodik

Realisierung

Prozesse Technologie Optimierung Planung Beschaffung Machbarkeit Produkt-/ Fortbildung Leistungsstrategie Bewertung

Vermarktung

Marke Nutzenvorteile Zeit Kosten Qualität

Abb. 4.103 Innovationsmanagement (eigene Darstellung)

Ziel jeder Innovation sind entweder neue Lösungen für Kundenprobleme oder günstigere Produktionsmöglichkeiten. Im ersteren Fall hilft es fortschrittlichere Kunden zu finden, die ihre heutigen und zukünftigen Bedürfnisse als erste artikulieren (sog. „Lead User“) und somit im Bauunternehmen neue Lösungen stimulieren. Dieser Erstkunde hilft Ziele zu setzen, wichtige Innovationsfelder zu definieren, Zeit- und Kostenrahmen festzulegen sowie die innovative Lösung auf ihre Marktfähigkeit und -nutzen zu testen (vgl. Gerybadse, 1988, S. 111; Herstatt, 1994, S. 300; Gruner, 1997, S. 218; Herstatt et al., 2002, S. 62). „Lead User“ können als Teilnehmer von Kundenkonferenzen herausgefiltert werden, bei denen sie in größeren Gruppen Marktanforderungen allgemein formuliert haben, die man dann später mit ihnen allein zur Lösung führt (vgl. Töpfer, 1986 b, S. 550). Ein Beispiel hierfür ist der Wunsch vieler Besitzer 283

von Großwohnanlagen, ihre Wohnungen zeit- und kostengünstig zu renovieren und als Ergebnis ein Verfahren – mit einem „Lead User“ erarbeitet – diese Totalrenovation im Urlaub des Mieters in zwei Wochen durchzuführen. Gerade im BtoB-Bereich führt dieser direkte Kontakt der Entwicklungsingenieure zum Kunden zumeist zu kostengünstigen und wettbewerbsoptimalen neuen Lösungen und vermeidet Overengineering (vgl. Keller, Matzke, 1998, S. 445). Günstigere Produktionsmöglichkeiten können durch andere Technologieeinsätze (z. B. sich selbst verdichtender Beton, einlagiger Einbau von dicken Asphaltmischgutschichten statt mehrlagiger Einbringung) oder durch andere Prozessabläufe entstehen, wie z. B. in der Lean Construction (siehe Kapitel 4.2.2.2). Innovationen für günstigere Produktionsverfahren oder besseren Ressourcenverzehr sind nur durch nachhaltige strategisch ausgerichtete Investitionen möglich. Diese Arbeit bedarf einer strengen Systematik, wie sie z. B. von der Prozessgestaltung her bekannt ist, soll kostengünstig und zugleich eine nutzbare Innovation entstehen.

Umwelt, Konkurrenzangebot, Markterfordernisse ändern sich Ø Analyse des bisherigen Angebotsprogramms Ø Durchführung einer strategischen Neuausrichtung Neuprodukte, Varianten, Differenzierungen zum Schließen der Angebotslücke Ø Strategische- und Zielplanung konkret erarbeiten Ø Aufbau der Suchfelder, Kundenprobleme, Marktziele, Ressourcen, Visionen Ø Ideenfindungsverfahren / Kreativitätstechniken anwenden und Bewertung durchführen Ø Produktentwicklung durchführen Ø Kunden-Einbindung realisieren Rentabilität für Markt und Unternehmen klären Ø Produkt zum Markt einführen

Abb. 4.104 Ablauf der Produktinnovation (eigene Darstellung)

Innovation entsteht aus bewusster Investition in Forschung und Entwicklung (F & E) oder durch Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP). Es ist die Aufgabe von F & E – zumindest in gesondert dafür ausgewählten Betriebsabteilungen – kontinuierlich unter Nutzung allen verfügbaren Wissens neue Produkte, Verfahren, Technologien oder Prozesse zu finden, 284

die dem Unternehmen neue Marktchancen und Wettbewerbsvorteile bieten. F & E findet in der Grundlagenforschung zumeist in staatlichen Organisationen oder in der angewandten Forschung in der privaten Industrie statt. Im Baubereich findet F & E zumeist in universitären Instituten oder in der angewandten Forschung der Zuliefererindustrie statt (z. B. Tunnelbohrmaschinen, Dichtungsmittel, Stahlqualitäten, Zementarten, Flüsterasphalt). Verbesserungen in der Bauverfahrenstechnik oder in den Prozessen im Baubetrieb sind eher einem Verbesserungsprozess zuzuordnen, der bis Anfang der 80er Jahre in Deutschland zumeist von der Unternehmensführung oder wenigen Mitarbeitern angestoßen wurde. Die japanische Industrie hat dagegen schon seit den 50er Jahren bekannte Problemlösungstechniken in einer Methodik der „Kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen – KVP“ (jap. Kaizen) genutzt, die das Potenzial der Mitarbeiter integrativ nutzt. KVP zeigt einen systematischen Weg zur Einbeziehung aller Mitarbeiter mit ihrem Wissen, Ideen und Engagement zur Verbesserung von Prozessen, insbesondere bei funktionsübergreifenden Problemstellungen. In einem sich laufend verändernden Umfeld des Marktes und der Produktionsverfahren können Werte des Anlagevermögens von Bauunternehmen schnell veraltern. Letztlich bieten nur die aus dem Wissen der Mitarbeiter entwickelten Innovationen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Dieses Wissen auf allen Ebenen zu nutzen, gelingt nicht durch autoritäre Anordnung der Führung mit diskontinuierlicher Hinwendung zu den Problemen am Arbeitsplatz (vgl. Nonaka, 1991, S. 97) sondern durch die Anregung aller Mitarbeiter, kontinuierlich in einer großen Anzahl von kleinen Verbesserungen die betriebliche Leistung zu optimieren. KVP entwickelt das Unternehmen zu einem lernenden System, indem alle Mitarbeiter und die Gemeinschaft sich fortlaufend verändern. KVP regt Betroffene an, innovativ zu werden und die gefundenen Lösungen mit großer Überzeugungskraft umgehend umzusetzen. Grundlage der Methodik ist die Akzeptierung des stetigen Wandels und die Verpflichtung für alle Mitarbeiter, sich darauf täglich einzustellen (vgl. Imai, 1996, S. 18; JHRA, 1995, S. 35f; Shimbun, 1989; Kurfess, 2000, S. 28; Dixten et al., 1995, S. 114). „Die Verbesserungsaktivitäten finden kontinuierlich und systematisch statt, es werden reproduzierbare Problemlösungsmethoden eingesetzt, die Erarbeitung der Ideen erfolgt in Gruppen, an denen Mitarbeiter aller Hierarchiestufen teilnehmen und es besteht eine Verpflichtung des Managements zur Steuerung aller Aktivitäten“ (Wahren, 1998, S. 1). Basis jedes KVP-Prozesses sind wohldurchdachte Verfahrensschritte auf der Basis des Shewhart- oder Deming Cycle. Aus ihm wird ein Problemlösungskreis entwickelt, der die Verfahrensschritte systematisch darlegt (vgl. Chase, 1993, S. 113; Greif, 1998, S. 269; Shiba et al., 1993, S. 52; Oakland, 1994, S. 15; Wahren, 2002, S. 140).

285

Auswahl des zu verbessernden Problems neuen Prozess reflektieren, standardisieren oder neu verändern

die Ergebnisse messen, prüfen und analysieren

Sammlung und Analyse der Daten und Ursachen

KVP

Umsetzung der neuen Lösung

Suche kreativer Lösungen

Bewertung und Abgleich mit Ziel und Umsetzung Planung der Umsetzung und Präsentation

Abb. 4.105

Der Lösungsprozess bei KVP (eigene Darstellung)

Die KVP-Lösungsschritte werden in fast nie endender Wiederholung durchgegangen, bis innovative Lösungen gefunden wurden, der betrachtete Prozess optimal ist oder anschließend aufgrund von neu aufgetretenen Veränderungen nachjustiert werden muss (vgl. Binner, 1997, S. 6.5). Sie können angewendet werden in der Prozessoptimierung, Erreichung von Innovationen oder auch in der Optimierung von Baustellenprozessen, wie in der „Lean Construction“. Die grundlegende Bereitschaft zur Innovation mit einer Mittelbereitstellung für kontinuierliche Forschung und Entwicklungsprozesse und die Einrichtung von KVP auf allen Hierarchiestufen des Unternehmens sichert eine durchgängige und laufende Verbesserung des Ressourceneinsatzes im Bauunternehmen. Es schützt dieses Unternehmen gleichzeitig in seiner Marktorientierung davor, Rückstände zu den Anforderungen des Marktes oder zum Wettbewerb erleben zu müssen, die dann später nur durch grundlegende einschneidende neue Prozesse (wie z. B. BPR) gemeistert werden können. Damit ist die Nutzung innovativer Elemente der Unternehmensführung ein wichtiger Hebel zu Leistungssteigerung bei Qualität, Zeit und Kosten und somit zur Entwicklung jener Ressourcen, die eine Wertorientierung benötigen. Ohne Bereitstellung von Mitteln und der personellen Ressourcen in speziellen Einheiten oder im KVP-Prozess ist eine Ressourcenoptimierung nicht möglich. Die vorgestellten Gestaltungen – zumeist in der Fahrzeug-, Elektro- und Chemieindustrie seit langem genutzt – sind in ihrer Wirkung deshalb auch umfassend für den Baubereich nutzbar. 4.2.6. Steuernde Prozesse des Ressourceneinsatzes Die Verbindung der verschiedenen Gestaltungselemente der Ressourcenorientierung wird nur dann zu einer Wertentstehung führen, wenn sie entsprechend der Ziele der Marktorientierung 286

und der strategisch zu formulierenden Wertmaßstäbe für das Unternehmen selbst ausgerichtet, gesteuert, gemessen und falls notwendig korrigiert werden. Dabei haben sich auf der Basis des PDCA-Cycle aufgabenspezifische Methoden entwickelt, die für spezifische Anwendungen eigenständige Wirkungen erzeugen. Das nachfolgend vorgestellte Projektmanagement steuert und regelt den Einsatz bauprojekttypischer Ressourcen und sichert die Einhaltung der erwarteten Leistungsziele. Das Controlling wirkt weniger auf die Prozesse im einzelnen Bauprojekt sondern untersucht alle über die Projektarbeit hinausgehenden Aktivitäten im Unternehmen und steuert sie. Das Benchmark letztlich ist ein wesentliches Steuerungselement, als es den im Unternehmen nun gewählten Ressourceneinsatz und seine Wirkungen vergleicht mit Marktleistungen Dritter und hilft, daraus Veränderungen abzuleiten. Der Erfolgsbeitrag dieser Steuerungselemente zur Wertsteigerung zeigt sich darin, ob sie die Aktivitäten der Unternehmensführung wesentlich optimieren oder z. B. durch bürokratische Ausprägung eher hemmen. 4.2.6.1 Projektmanagement (PM) Ein Projekt ist in einem Bauunternehmen das zentrale Element der betrieblichen Tätigkeit. In ihm wird der Wunsch bzw. der Auftrag des Kunden erfüllt. Mit einem Projekt werden die unterschiedlichsten Ziele verfolgt: x

Für den Kunden ist es das Ergebnis seines Investments und Ziel seiner Bestellung;

x

Für das Unternehmen ist es die Gelegenheit, Wert zu schaffen, Mitarbeiter zu beschäftigen und Erträge zu erwirtschaften;

x

Für die Mitarbeiter ist es die Basis ihrer Anstellung und ihres Einkommens sowie die Möglichkeit, den Kunden zufrieden zu stellen;

Für die Lieferanten ist es die Chance für Absatz, Ertrag und die Gewinnung eines guten Kunden-/Lieferantenverhältnisses. So unterschiedlich die Interessen und die Notwendigkeiten sind, aus denen Projekte entstehen, so verschieden sind die Bedingungen der Umsetzung und so differierend sind die Projektinhalte. Dennoch gibt es für alle Arten von Projekten Gemeinsamkeiten der Entstehung, der Umsetzung und der Nachsorge, um die dargestellte Komplexität der Interessen und der Einflüsse von den verschiedensten Seiten zu erfüllen und das Projektziel zu erreichen. In einer repräsentativen Umfrage im Jahre 2002 maßen 94% der befragten Bauunternehmen dem Einsatz eines projektsteuernden Instrumentariums des PM eine sehr hohe Bedeutung für die Geschäftsoptimierung zu, sahen befragte externe Fachleute 50% die genutzten PMSysteme als nur mittelmäßig effizient, 41,7% als nur gering nutzbar an (vgl. Seefeldt, 2003, S. 98f). x

287

Mängel im Ablauf von Bauprojekten

x x x x x x x x x x

Mangelnder Einsatz der Geschäftsleitung; Ungenügende Kontrolle auf Einhaltung der Standards; Mangelnde Projektorganisation, mehrdeutige Verantwortlichkeiten; Schlecht definierte Prozesse mit unklarer Schnittstellenabgrenzung; Mangelhafte PM-Systematik; Mangelhaftes IT-Instrumentarium; Unterschätzen der gestiegenen Komplexität der Bauprozesse; Primat der Handlung auf der Baustelle vor der umfassenden Vorbereitung vor Baubeginn; Ungenügende Messverfahren für Prozesseinhaltung; Ungenügende Kenntnis für Fehlerfolgen.

Abb. 4.106 Mängel im Ablauf von Bauprojekten (eigene Darstellung)

Die Ursachen für die Mängel im PM und in seiner Umsetzung im Baubetrieb liegen in der ungenügenden Kenntnis und in der mangelhaften Bereitstellung von Methoden und Werkzeugen des PM durch die Unternehmensführung. Daraus leitet sich eine fehlende Prozessgestaltung und organisatorische Ausrichtung auf das PM ab mit allen Folgen eines Mangels an Wertorientierung. In einer Studie ergab sich, dass ca. 58 % der Bauführungskräfte kaum Kenntnisse von PM-Systemen haben (vgl. Seefeldt, 2003, S. 179). In einer anderen Untersuchung von Führungskräften wurde dagegen – fast widersprüchlich – festgestellt, dass für eine optimale Projektabwicklung und damit letztlich für die Wertentstehung im Bauunternehmen ein ausgefeiltes PM-System notwendig ist und dieses „eine erhebliche Hebelwirkung für das operative Ergebnis“ hat (vgl. Seefeldt, Pekrul, 2005b, S. 12). Es ist damit Aufgabe einer wertorientierten Führung, jenes PM-System bereitzustellen, die Mitarbeiter dafür zu qualifizieren und für seine Umsetzung zu sorgen. Die Optimierung des Managements von Projekten begann mit dem Einsatz besonderer Werkzeuge während des 2. Weltkrieges bei den immensen Rüstungsanstrengungen der USA, wie dem „Manhattan Project“ (vgl. Barkley, Saylor, 2001, S. 15). Während in der damaligen Zeit Projektmanagement (PM) verstanden wurde als Einsatz verschiedenster Werkzeuge zur Erledigung hoch komplexer Aufgaben im vereinbarten Zeit-, Kosten- und Qualitätsrahmen zur Umsetzung des Gesamtprojektes, hat sich das Aufgabenfeld der Projekterfüllung in der wertorientierten Unternehmensführung wesentlich erweitert. Nun rückt die Beachtung der Kundenwünsche, der Mitarbeiterinteressen und der kontinuierlichen Verbesserung von Abläufen und Technologien in den Vordergrund: Es ist „customer driven“ (vgl. Barkley, Saylor, 1994, S. 20). Projekte können die unterschiedlichsten Vorhaben sein, die im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen und ihres Zusammenwirkens zu einer Gesamtheit gekennzeichnet sind, wie z. B. Ziele, zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen gegenüber 288

Dritten, anderen Vorhaben oder Organisationen (DIN 69901; Volkmann, 1998, S. 3; Diederichs, 1996). Projekte können – wie im Bau üblich – genau definierte Ziel- und Problembeschreibungen beinhalten, aber auch – z. B. bei IT, Forschung, Prozessoptimierung – unklare Problemdefinitionen aufweisen, wobei das exakte Ziel erst bei der weiteren Problembearbeitung erkennbar wird. Es handelt sich dann um sog. „schlecht definierte Probleme“ (Simon, zitiert nach: Kühl et al., 2005, S. 26), deren Lösung anderen Gesetzen folgt als beim Bauprozess. Besonders die sozialpsychologischen Belastungen eines ungewissen Zieles belasten die Arbeit der Projektmitglieder außerordentlich. Nachfolgend werden ausschließlich die Zusammenhänge in Bauprojekten betrachtet. Projektmanagement ist nach der weiteren Formulierung in der DIN 69901 definiert als „die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisationen, -techniken und -mittel für die Abwicklung eines Projektes. Dabei ist Führung die Steuerung der verschiedenen Einzelaktivitäten im Hinblick auf das übergeordnete Ziel“. Die vielfältigen Einflüsse in einem Projekt wiederum sollten systemisch betrachtet werden. Eine Vielzahl von Aufgaben und Interessen bilden Elemente, die untereinander vielfältig verknüpft sind und durch ihre Beziehungen das System bilden. Diese Elemente können in einzelnen Sachverhalten in Phasen strukturiert und in Problemlösungsprozessen abgearbeitet werden (vgl. Brandenburger, Ruosch, 1996, S. 14). Elemente des Projektmangements Definiertes Ziel

Beteiligte

Zeitliche Festlegung

Kundenintegration

Einmaligkeit

Kundenzufriedenheit

Komplexität

Planungsverantwortung

Budget

Schnittstellen

Spezifische Organisation

Qualität

Interdisziplinarität

Größe und Wichtigkeit

Kontinuierliche Verbesserung

Abhängigkeiten von Umwelt, Wetter, staatliche Rahmenbedingungen

Informationsverteilung

Abb. 4.107 Elemente eines Bauprojektes im Projektmanagement (eigene Darstellung)

Diese systemischen Überlegungen sind besonders zutreffend für die Problemstellung in großen Investitionsvorhaben wie in Bauprojekten (vgl. Schelle, 1999, S. 27ff). Hierbei gibt es – zumeist in gleichartigen Bauprojektgrößen – systemisch gleichartige Projektabläufe, für die das Bauunternehmen wohldurchdachte Prozessgestaltungen, Hilfsmittel und Werkzeuge bereitstellen muss (siehe Abb. 4.62). Die optimale Projektdurchführung ist eine große Herausforderung, die nur erfüllt werden kann, wenn die wiederkehrenden Aufgaben der Projektarbeit herausgearbeitet, standardisiert, optimiert, der Informationsaustausch IT-gestützt verläuft und in intensiver Kommunikation von allen Projektbeteiligten erfüllt werden (vgl. Tyler, Frost, 1993, S. 17). Da sich die Anforderungen an das Projektmanagement über die Zeit verändern 289

und die Ansprüche daran steigen, muss in kontinuierlicher Verbesserung an der Optimierung der Prozesse im PM gearbeitet werden, soll die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Ein Werkzeug hierzu ist der mehrfach erwähnte PDCA-Cycle.

PLAN

Ziele Organisation, Abläufe Teilnehmer Verantwortlichkeiten Zeit Kosten Qualität definieren Messgrößen / Kriterien Projektphasen Grundsätze ACT

Korrektur an Kosten, Termin, Qualität Schulung Neue Vorgaben Dokumentation Kreativitätstechniken CHECK Abweichungen Soll – Ist Information Kontinuierliche Verbesserung Projektteile Ergebnisanalyse Änderungsmanagement Vertragswesen Risikoabwägung

DO Teamarbeit Kundenintegration Informationsregelung / EDV Kommunikation Kontrolle des Ist Koordination der Beteiligten Selbstmanagement Konfliktregelung Termine, Finanzen, Ressourcen Steuerung der Abläufe

Abb. 4.108 Projektmanagement als PDCA-Cycle (Quelle: Binner, 1997, S. 20.3, leicht verändert)

Die Aufgabengröße und Zeitdauer eines Projektes verlangt eine vom üblichen Betriebsgeschehen stark gelöste neue Organisationsstruktur. Mitarbeiter aus verschiedensten Unternehmensbereichen oder Hierarchiestufen oder anderen Bauprojekten werden in einer neuen Gruppe zusammengefasst und strukturiert. Gerade die Integration unterschiedlichster Menschen mit ihren Tätigkeiten, ihren oftmals völlig verschiedenen Aufgaben und Wissengebieten und darüber hinaus divergierenden Interessen ist eine wesentliche Aufgabe dieses Instrumentes (vgl. Kimbler, Ferrell, 1997, S. 19). Die Besonderheit eines Projektes ist dabei seine geringe Hierarchie, die Gleichwertigkeit und Partizipation der Teammitglieder und zumeist das Fehlen von Führungskämpfen, da nach Abschluss des Projektes die Organisation aufgelöst wird und jedes Mitglied wieder seinen angestammten Platz in der Unternehmenshierarchie einnimmt (vgl. Töpfer, Mehdorn, 1995, S. 146 ff.). Dennoch wird es zu Beginn der Projektarbeit schwierig sein, dass sich alle Teammitglieder jenseits ihrer Hierarchiestufe dem Projektziel unterwerfen und integrativ einvernehmlich daran mitarbeiten (vgl. Malorny, 1999, S. 488). Projektteilnehmer benötigen deshalb mehr persönliche, kommunikativ-integrierende, methodische und soziale Kompetenz für die Teamarbeit als in sonstigen Hierarchien tätige Mitarbeiter. Dieses gilt auch, weil im PM viele Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen in 290

einem systematischen Prozess zusammenarbeiten (vgl. Pfiffner, 2001, S. 75f; Grote, 1988; Vester, 1989, S. 168). Deshalb müssen vor allem in der ersten Projektphase die notwendigen Planungs- und Strukturierungsaufgaben sorgfältig und erschöpfend erfüllt werden. Ziele des Projektmanagements Erfüllung von Produkt- und Technologieanforderungen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Einfach Prozessabläufe Kurze Projektdurchlaufzeiten Niedrige Kosten, hohe Qualität, Vorbeugende Q-Sicherung Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmenserfolg Prozessstabilität: Do the things first right Schnelle Konfliktbewältigung Flexibilität Mitarbeiterengagement und -zufriedenheit Klare Zuständigkeiten und Kommunikation, Teambildung Sicherheit der Aufgabenerfüllung

Abb. 4.109 Ziele des Projektmanagements (eigene Darstellung)

Um die vielfältigen Ziele in einem Projekt, an einem Ort und mit einer definierten Anzahl von oftmals neu zusammenkommenden Menschen zu erreichen, bedarf es eines wohlüberlegten Systems an Maßnahmen und Handlungsschritten. Diese müssen auf die Aufgabenart, -größe und -komplexität ausgerichtet sein. Betrachtet man die häufig auftretenden Probleme in Bauprojekten (siehe Kapitel 4.1.2.5.1 und 2.4), so entwickeln sich die in Abb. 4.111 beschriebenen Ziele daraus zwangsläufig. Basis des Inhaltes eines Projektmanagements ist die Ausgestaltung der betrieblichen Prozesse, die möglichst im work-flow fließend (siehe Kapitel 4.2.2.2) angeordnet sein sollten. Die einzelnen Prozessschritte ergeben sich je nach Projekt und Unternehmensorganisation unterschiedlich. In der Literatur werden vielfältigste Formen erläutert, dennoch muss der einzelne Betrieb die für seine Zwecke angemessene finden (vgl. Ahuja, Dozzi, Abourizik, 1994; Barkley, Saylor, 1994; RKW, 1999; Volkmann, 1998; Stiftung BWI, 1999). Die wesentlichen Hauptprozesse im Projektmanagement von Bauleistungen und die sie erfüllenden Prozessaufgaben und -methoden sind nachfolgend beschrieben.

291

Projektmanagement Hauptprozess

Aufgaben und Maßnahmen

Projektziele

Kundenwunsch

Projektgrundsätze

Leitbild, Qualität, Kosten, Zeit, Sicherheit, Partnering, Berichtswesen, Kundenzufriedenheit

Projektphasen

Bauteile, Zwischentermine, Fachaufgaben

Projektorganisation

Projektbeteiligte, Verantwortung, Protokolle, EDV-Management der Information, Organisation der Arbeit

Team-Building

Information, Struktur, Arbeitszeiten, Schulung, Selbstmanagement, Kommunikation

Konfliktmanagement

Partnering, juristisches PM, Moderation

Ablauf- und Zeitsteuerung

Zeitplanung für alle Betroffenen, Ressourcenplanung, Bautenstandsberichte

Qualitätswesen

Normen, Lastenheft, Prüfpläne, Messgrößen, Arbeitssicherheit

Vertragsmanagement

Vertragsanalyse, Risikoabschätzung, Versicherung, Änderungen, Behinderungen, Abnahme/Übernahme

Beschaffung

Eigen-/Fremdbezug, Ausschreibung, Vergabe, Lieferantenauswahl und -beurteilung, Logistikprozesse, SCM

Kostenmanagement

Ist-Kostenerfassung, Leistungsmeldung, Controlling, Budgetplanung

Rechnungsstellung

Massenermittlung, Vermessung, Mahnwesen

Projektüberwachung

Controlling, Risikomanagement Soll-Ist-Analyse, Messverfahren, Produktionskontrolle, KVP, Kundenbetreuung, Zufriedenheitsanalyse

Dokumentation

Management-Informations-System, Nutzungsanleitungen, Wartungsaufgaben

Abb. 4.110 Inhalt des Projektmanagements eines Bauprojektes (Quelle: Ahuja, Dozzi, Abourizik, 1994, S. 396; Barkley, Saylor, 1994, S. 157; RKW, 1999)

Es hat sich bisher am Baumarkt kein einheitliches mit IT-Programmen unterstütztes PMSystem als Grundrahmen der Projektarbeit herauskristallisiert. Vielmehr integriert z. B. ein unternehmensspezifisches PM verschiedenste Einzelelemente des Qualitätswesens, der Vertragsanalyse, des Controlling, der Dokumentation und der Ablaufsteuerung innerhalb der Lean Construction (siehe Kapitel 4.2.2.2) zu einer Gesamtheit, ohne dass es für alle Bauprojekte automatisch sinnvoll und nutzbar wäre. Dieses PM muss dann noch für das spezifische Bauprojekt konfiguriert werden.

292

Die Wirkung des Projektmanagements im Bauunternehmen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Ganzheitliches Steuerungssystem; Definierte einheitliche Prozesse; Klare Messwerte; Frühwarnsystem als Risikominderung; Basis für Controlling und Transparenz; Leitlinie für das Produktmanagement; Grundlage aller Optimierungsverfahren; Kundenzufriedenheit; Teambildung, guter interner Kunden-Lieferantenprozess.

Abb. 4.111 Die Wirkung des Projektmanagements im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

Die Wirkung eines PM-Systems und die Erreichung der Ziele durch die unternehmensspezifische Gestaltung von work-flow-Prozessen wird allerdings nur erreicht, wenn nachhaltig und grundsätzlich eine Veränderung der Arbeit im Baumanagement erfolgt. Dazu wird es in der Regel nötig sein, vor Beginn der Einführung des PM das Bauunternehmen und seine Abläufe prozessorientiert zu gestalten und z. B. die Wirkung der Methodik der Lean Construction zu nutzen, die im wesentlichen Erfahrungen aus anderen Wirtschaftszweigen für den Bauablauf nutzbar gemacht hat. PM muss mehr sein als Zeitplanung und Kostenkontrolle, es soll umfassend die Produktion nach den definierten Zielgrößen gestalten (vgl. Howell, 2000, S. 112). Dann ist es das wichtigste Steuerungsinstrument der wertorientierten Unternehmensführung in einer Bauunternehmung.

4.2.6.2 Controlling Das heute übliche Controlling (messen, regeln, steuern) ist historisch im Wesentlichen aus kostenrechnerischen Systemen abgeleitet worden und befasst sich zumeist mit der Analyse rein finanzwirtschaftlicher Größen (vgl. Horváth, 2003). Controlling in der wertorientierten Unternehmensführung dagegen geht über die Betrachtung monetärer Größen hinaus und analysiert alle Tätigkeitsbereiche eines Unternehmens inklusive der von den Kunden extern wirkenden Einflüsse. Deshalb sind die wesentlichen Gebiete dieses Controllings die Analyse von Prozessen, Ergebnissen (finanzwirtschaftlichen und kostenrechnerischen), Terminen, Qualitäten und Vertriebsaktivitäten. In den meisten Bauunternehmen sind Elemente des finanzwirtschaftlichen Controllings üblich, wobei dieses in den größeren Betrieben wie in anderen Industrien sehr aussagekräftig gestaltet ist. Ein Prozesscontrolling und eine Steuerung über prozessgestaltende Kennzahlen allerdings wird kaum genutzt. Als Begründung dient die Besonderheit der Bauprojekte, die individuelle nicht wiederholbare Ereignisse seien. Dabei wird übersehen, dass auch Baupro293

jekte in ihrem Ablauf sich wiederholende gleichartige Vorgänge enthalten, die durchaus einem Controlling zugänglich sind. Es ist nicht einfach, neben den finanzwirtschaftlichen Zahlen andere Leistungsparameter zu kennzeichnen, messbar, wirtschaftlich erfassbar und letztlich regelbar zu machen. Deshalb erscheint es sinnvoll zur Analyse des Verhaltens von Größen wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Leistungen der Organisation, Innovation und Vertrieb, prozessorientiert zu beginnen und für den PDCA- Cycle oder im Ishikawa-Fischgrät-Diagramm Einflussfelder zu definieren und Messstellen zu suchen. PLAN (Planung, Ziele) Ziele festlegen Mittel definieren und bereitstellen Messgrößen festlegen Vergleich vorbereiten ACT (Korrektur)

DO (Ausführung)

Abweichungen mindern Zielerreichung stabilisieren kontinuierl. Verbesserung neue Lösungen

Controlling-Instrumente Ursachen-Wirkungsanalyse messen vergleichen CHECK (Prüfen) Kennzahlen bilden Abweichung von den Zielen definieren Maßnahmen treffen

Abb. 4.112 Prinzip des Controlling im PDCA-Cycle (eigene Darstellung)

Da gerade bei qualitativen Zielen die Qualität der Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen entscheidend von den Aussagen der Messwerte und Indikatoren als Ausmaß für Verhaltensänderungen abhängt, müssen die Maßstäbe sorgfältig abgegrenzt, eindeutig definiert und in einer messbaren Größe strukturiert werden. „If you can’t measure it, you can’t manage it“ (Kaplan, Norton, 1996, S. 21). Die Messungen müssen dabei unternehmensspezifisch laufende Aussagen über das Verhalten von Kosten-, Leistungs- und Wertetreiber machen und eine Analyse von Wirkungsmöglichkeiten eröffnen. Prüfungen von Qualität und Zeit im Rahmen eines PDCA-Cycles sind besonders wirkungsvoll (vgl. Bruhn, Georgi, 1999, S. 17; Töpfer, 1998b, S. 436). Im Gegensatz zum zentralistischen kostenrechnerischen Controlling ist das Messen und Regeln eines Prozesscontrollings Aufgabe jedes Prozesseigners. Er selbst soll seine Arbeitsabläufe und Ergebnisse messen und prüfen, um nach den Sollwerten selbststeuerend den Prozess verbessern zu können (vgl. Butz, 1996, S. 187). Somit vermeidet man zentrale Datenermittlungen und für die Überwachung auf der nächst höheren Ebene im Bereich reicht die Verdichtung der Abweichungen oder die der Endwerte in einer Zeitbetrachtung aus (vgl. Binner, 1997, S. 193). Diese Selbstüberwachung ist in der Automobilproduktion heute selbstverständlich, im Bauwesen dagegen nur in Zulieferbetrieben – z. B. des Fertigteilbaus – 294

üblich, während sie in Bauunternehmen kaum gebräuchlich ist. In besonders schwierigen Untersuchungsbereichen können auch Messungen durch diskontinuierliche Fremdüberwachung (vgl. Wilmes, 2000, S. 159f) oder durch Sonderanalysen wie durch Beratungsfirmen sinnvoll sein. Prozess-Controlling Grundsätze Was ist wichtig, wie müssen wir uns ausrichten? Ziele Was soll erreicht werden, wie soll z. B. Kundenzufriedenheit geschaffen werden? Standards Was muss erreicht und eingehalten werden, wie erreichen wir es, wieso wird es gemacht? Messung Welche Kennzahlen werden wie oft, womit ermittelt, Was folgt daraus? Verbesserung Analyse der Messergebnisse, KVP, Optimierung

Messung von: x Leistung x Kosten x Durchlaufzeit x Qualität x Wirkung an Schnittstellen x Zufriedenheit x Mengen

Abb. 4.113 Prozesscontrolling (eigene Darstellung)

Prozessgestaltung, -controlling und -optimierung stehen in Wechselwirkung. Ziele in den Prozessen müssen sorgfältig formuliert werden, um sie messbar zu machen. Messgrößen müssen so gewählt werden, dass sie vergleichbar sind, um Zielabweichungen zu erkennen und Änderungen erarbeiten zu können. Messgrößen müssen darüber hinaus Aussagen im Zeitablauf machen, um eine eventuelle Prozessstabilität oder die Wirksamkeit von Verbesserungsmaßnahmen erkennen zu können (vgl. Wildemann, 1996, S. 112; Fischer, Schmitz, 1997, S. 385; Garvin, 1993, S. 89; Töpfer, 1996f, S. 109). Soweit Messpunkte grundsätzlich sind und wiederkehrend angesteuert werden, sprechen wir von Kennzahlen. Diese sind in Absolut- oder Relativwerten gebildete Verhältniszahlen, die zur Beschreibung von Zusammenhängen, Ursachen und Wirkungen dienen. Sie können sich auf einen Zeitpunkt (z. B. Auftragsbestand) oder auf ein sich bewegendes Ereignis (Reklamationen in Zeiteinheit) beziehen. Der Ist-Wert sollte mit dem Soll- oder Ziel-Wert vergleichbar sein (vgl. Malchione, 1997, S. 516; Horváth, 1993a, S. 77). Die Systematik der Kennzahlen sollte eine logische Verbindung in einer Ursache- / Wirkungskette aufweisen, um daraus Entscheidungen ableiten zu können (vgl. Wolter, 2000, S. 213f).

295

Kennzahlen müssen ... ... wichtige Parameter des Gesamtergebnisses zeigen; ... die Wirkung definierter Maßnahmen erkennbar werden lassen; ... quantifizierbar sein; ... Anregungen für Veränderungen geben können; ... akzeptierbar und zugleich anspornend wirken; ... alle Stellgrößen abbilden ohne Lücke und dennoch einfach sein; ... gegenseitige negative Abhängigkeiten ausschließen Kriterien sollten beachtet werden: x

Leichte Messbarkeit nach Qualität, Quantität und Zeiteinhaltung

x

Erreichbarkeit des Zieles unter gegebenen Prozessmöglichkeiten und Ressourcenzugang

x

Relevanz für den externen Kunden

x

Selbststeuerbar und dennoch verdichtbar zu übergeordneten Einheiten

Abb. 4.114 Anforderungen an Kennzahlen (Quelle: Whitely, 1993, S. 169, leicht verändert)

Voraussetzung zur Erarbeitung von Messgrößen ist die Schaffung von Zielvorstellungen und Steuerungskriterien (Wo messen wir? Was wollen wir verbessern? Was müssen wir dafür tun? Wie müssen wir es messen und nachsteuern?). Hierfür bedarf es über die Zeit eindeutiger Prozesse und Datenstrukturen, die sich bald im betrieblichen Alltag finden lassen werden (vgl. Töpfer, 2000d, S. 39). Dabei sollten die erarbeiteten Daten kritisch beurteilt werden. Gerade weiche Steuerungsgrößen aus psychologischen Erlebnissen bestehen oft aus „sozialen Informationen, die aus physikalischen, chemischen und biologischen Informationen mit sozialer Brechung bestehen“ (Friedag, Schmidt, 2002, S. 49). Sie durchlaufen bis zur Weitergabe mehrere Filter und werden von der Messperson zumeist nur weitergegeben, wenn diese meint, dass sie wichtig und nutzbar sind. Letztlich bestehen diese Probleme aber bei allen qualitativen Messverfahren und sprechen somit eher für eine sorgfältige Messwertgestaltung und wohlüberlegte Interpretation der Ergebnisse. Die Festlegung der Kennzahlen ist individuell für jedes Unternehmen nach Problemlage und Analysebedürfnis zu gestalten.

296

Finanzperspektive

Kundenperspektive

GeschäftsprozessPerspektive

Mitarbeiterperspektive

Cash-flow

Kundenzufriedenheit

Anzahl neuer Kundenwünsche

Zufriedenheit

Ertrag

Anteil nachbetreuter Kunden

Produktivität

Rendite

Kundentreue/Wiederholungskauf

Projekterfolgsrate

Betriebszugehörigkeit

Umsatz

Neukunden

Krankenstand

Wertschöpfung

Kundenrentabilität

Verhältnis Bearbeitungs- zu Durchlaufzeit

Deckungsbeitrag

Marktanteil/Kundenanteil

Mängelfreiheit

Fluktuation

Kostenanteil der Ressourcen

Weiterempfehlungen

Einhaltung Liefertermine

Ausbildungsteilnahme

Umsatz mit neuen Angeboten

Produkt- und Serviceeigen-

Nutzung Recyclingstoffe

Anzahl Verbesserungsvor-

Vertriebskosten

schaften

Qualitätsmängel

schläge

Vollständige, mängelfreie

Dauer der Zahlungseingänge

Anzahl EDV-Nutzung

Lieferung

Anzahl Zusatzleistungen

Entwicklung der Mitarbeiter-

Pünktliche Lieferung

Anzahl bezahlter Änderungen

anzahl je Qualifikation

Budgeteinhaltung

Risikobewertung

Verteilung der Qualifikation

Reklamationsumfang/-dauer Anzahl der Änderungen

Messwerte aus Six Sigma

Zielerreichungsgrad

Liquidität Wachstum Projektrentabilität

Image Anzahl PR-Artikel

Servicequalität

Wartezeit bis Bauanfang

Logistikkosten

Freundlichkeit der Mitarbeiter

Reparaturaufwand

Anteil Key-Account am Ge-

Angebotserfolgsquote

samtumsatz

Umsetzung Standards in Qualität- und Projektmanagement

Beschwerdemenge, Zufrie-

Unfallhäufigkeit

denheit nach der Beschwerde Anzahl des Cross-Selling Mit Kunden verbrachte Zeit

Abb. 4.115 Kennzahlen im Baubetrieb (eigene Darstellung)

Eine Fortentwicklung zur Optimierung des Ressourceneinsatzes ist nur möglich, wenn die qualitative Nutzung der Ressourcen gemessen wird. Erst anschließend können Analysen erfolgen und Maßnahmen ergriffen werden. Die in Kapitel 5 als wichtige Maßnahmen beschriebenen Instrumente BSC und Six Sigma arbeiten sehr stark mit Kennzahlen und haben in der Industrie nachhaltige Wirkung erzeugt. Wenn – wie erläutert – Bauprojekte als Grundlage immer wiederkehrende Prozessmuster haben, ist die positive Wirkung kennzahlensteuernden Controllings auch im Bauunternehmen wirkend. 4.2.6.3 Benchmarking Das Vergleichen eigener Leistungen und Erfahrungen mit anderen ist eines der wichtigsten menschlichen Maßnahmen zur Veränderung. Ist der Vergleichsmaßstab allerdings ein schwächerer Partner, verführt er zu Selbstüberheblichkeit und Selbstüberschätzung. Ist er dagegen im Vergleich haushoch überlegen, kann er den Vergleichenden mit Blick auf den unerreichbaren Maßstab blockieren. 297

Der grundsätzlichste Vergleich der Unternehmensleistung ist zwangsläufig der Markt: Hier werden Nutzen und Angebote zwischen verschiedenen Anbietern laufend verglichen und wird eine Kaufentscheidung getroffen. Dabei gibt das gekaufte Angebot den Maßstab vor, an dem sich die anderen Marktteilnehmer messen lassen müssen. „Benchmarking“ heißt aus dem Englischen übersetzt „Maßstäbe setzen“ und geht weit über das Vergleichen von Leistungen am Markt hinaus: „Der Vergleich von Produkten, Dienstleistungen, Strategien, Prozessen, Kosten und Methoden mit mehreren Unternehmen gleicher oder anderer Branchen nennen wir Benchmarking. Ziel ist es, die Leistungslücken zu den klassenbesten Unternehmen systematisch zu schließen. Dabei gilt es festzustellen, welche Leistungsunterschiede vorhanden sind, warum diese Unterschiede bestehen und welche Verbesserungsmöglichkeiten sich durch die Orientierung am Klassenbesten für das eigene Unternehmen ergeben.“ (Joas, Prommer, 1998, S. 264)

Die volle Wirkung zeigt sich in langjährigen Betrachtungen und beim Vergleichen zu externen Marktpartnern aus gleichen oder ähnlichen Branchen (vgl. Moorwind, 1995, S. 26; Camp, 1989, S. 21; Homburg, Werner, Englisch, 1997, S. 50). Umfang - Prozeßteile - Gesamtprozeß - Gesamte Organisation

Verstehen der Praktiken - Arbeitsmethoden - Prozeßstrukturen - Strategie / Kernkompetenzen

Wo? Warum?

Wie?

Anwendbarkeit von Praktiken - Interne Besonderheiten - Externe Determinaten - Wettbewerbsumfeld

Was? Leistungsindikatoren - Auslastung, Verläßlichkeit, Ergebnis, Kosten - Wirksamkeit, Effektivität, Qualität, Produktivität - Wettbewerbsposition, Kundenzufriedenheit, Innovation

Abb. 4.116

Die Bereiche des Benchmarking (eigene Darstellung)

Nun gibt es eine Reihe von Vergleichen in Erfahrungsgruppen oder Bilanzvergleiche von Banken oder Ratingagenturen. Das Hauptziel des Benchmarking geht über diese ausschließlichen Abgleiche hinaus zum aus Vergleichswerten abgeleiteten Anstoßen und Beschleunigen von Veränderungen, damit betriebliche Prozesse optimiert werden und die Leistung erhöht wird. Benchmarking ist deshalb „search for best industry practices“ (Shiba et al., 1993, S. 393; vgl. Malorny, 1996a). Der Vergleich endet nicht in der Betrachtung der Endergebnisse einer zufälligen Gesamtheit, sondern besteht in der Analyse der Prozesse, ihrer

298

Gestaltung und der Antwort, warum die Leistungen der Wettbewerber so viel besser sind. Deshalb sind Benchmarks Kriterien quantitativer oder qualitativer Art (vgl. Watson, 1993, S. 116; Leibfried, Mc Nair, 1996, S. 201). Sie können genutzt werden in der Überwachung einzelner wiederkehrender Vorgänge in einem Projekt (Soll-Ist, Vergleich zu anderen Projekten), als Vergleich ähnlich gearteter Projekte zwischen Firmen oder als Vergleich zwischen Unternehmen.

1

Vorbereitung

Benchmark festlegen; kritische Erfolgsfaktoren ermitteln; Identifizierung von Vergleichsunternehmen; Suche nach „Best Practice“;

2

Analyse

Klärung seiner Stärken und Schwächen und Vergleich mit Benchmark; Analyse des besten Zustands; Festlegung, wo kann man besser werden;

3

Bewertung und Vergleich

4

Veränderung

Wer / was ist wie und wo besser? Kommunikation der Vergleichswerte; Aktivitäten mit Hebelwirkung; Festlegung der Veränderungen; Wie wird das gewünschte Niveau erreicht? Maßnahmepläne zur Zielerreichung; Realisierung; Ergebnisvergleich mit den Benchmarks; Eventuell Rücksprung zu (2).

Abb. 4.117 Benchmarking in 4 Phasen

Nur wenn ein Unternehmen es für möglich hält, dass es Defizite zum Wettbewerb besitzen könnte (heute oder zukünftig), wird es zum Vergleich bereit sein. Aus dieser Erkenntnis können dann neue Wege und Lösungen entwickelt werden. Damit erzeugt Benchmarking einen nötigen Handlungsdruck. Mängel in den Betriebsabläufen werden aufgedeckt und können anhand von nachprüfbaren Fakten verglichen und analysiert werden. Die Maßstäbe zeigen, was verbessert werden kann. Dabei gibt es Benchmarking für eine Vielzahl von Kriterien und Branchen (vgl. Kleinfeld, 1997, S. 108; Töpfer, Gabel, 2000, S. 51). Letztlich aber müssen die Vergleichswerte auf das eigene Unternehmen adaptiert werden, um für eine schnelle Prozessverbesserung sorgen zu können. Benchmarking stachelt jedes Unternehmen an. Es zeigt, welchen hohen Standard es erreicht hat, indem es sich gleichzeitig verpflichtet fühlt, besser zu werden, weil es fürchtet, dass Wettbewerber es später überholen könnten. Insoweit ist Benchmarking dann „ein Rennen ohne Ziel“ (Hauser, 1996, S. 33). Die Akzeptanz eines immer währenden Fortschritts bedingt eine nie endende kontinuierliche Verbesserung. Deshalb ist Benchmarking auch ein 299

wesentliches Element des exakten Beobachtens und Verstehens als Voraussetzung eines daraus abgeleiteten immerwährenden organisatorischen Lernens (vgl. Töpfer, Mann, 1997, S. 36). Es gibt für die verschiedensten Nutzungen unterschiedliche Benchmarkstellen. Die Zufriedenheit der Kunden mit Dienstleistungen werden im „Nationalen Kundenbarometer“ gemessen (vgl. Meyer, Dornach, 1996, S. 251f; Bruhn, Mormann, 1998, S. 4). Die Wechselwirkungen von Strategie, Qualität und Effizienz bei Großfirmen untersucht das PIMS-Benchmarking-Council (vgl. Hildebrandt, Strasser, 1990, S. 127f). Ganzheitliche Betrachtungen der Unternehmensführung werden verglichen in nationalen Qualitätspreisen, wie Deming-Prize (Japan), Malcolm Baldridge National Quality Award (USA) oder im European Quality Award (EU) (vgl. Malorny, 1999, S. 137ff). Bauunternehmen können an den unterschiedlichsten Benchmarkermittlungen teilnehmen, so bald sie eine entsprechende Unternehmensgröße besitzen und die nicht unerheblichen Kosten der einzelnen Studien tragen können. In Deutschland gibt es Benchmarkstudien für z. Zt. ca. 500 mittelständische Bauunternehmen (vgl. z. B. Schott & Partner), die allerdings nur auf quantitativen Controlling-Daten beruhen. Wie kann es dem im Baumarkt Tätigen gelingen, seine eigene Position zu überprüfen, aus Vergleichen zu lernen sowie Wissens- und Erfahrungslücken zu schließen? Die umfangreichen Untersuchungen für diese Arbeit haben ergeben, dass weder in Datenbanken, im Internet oder in der Literatur nennenswerte Hinweise auf die hier vorgestellten Instrumente der wertorientierten Führung speziell für den Baubereich zu finden sind. Es verbleibt deshalb für die Bauunternehmen nur der Ausweg, Benchmarks aus anderen Wirtschaftsbereichen zu suchen und zu sichten. Schon 1998 hatte der Egan-Report darauf hingewiesen, dass die außerordentlichen Verbesserungen in der betrieblichen Effizienz in der Dekade vorher in den Branchen außerhalb des Bauwesens Ansporn sein müssten, von den Erfahrungen in anderen Industrien zu lernen (vgl. Egan-Report, 1998, S. 11). Offensichtlich hat dieser Hinweis in Großbritannien gewirkt. Der Managing Director der großen britischen Baufirma Mansell stellte fest: „The industry has a lot to learn from nonconstruction markets – it can be quite blinkered in its outlook. There’s enormous scope for improvement” (Woodman-Bailey, in Construction Excellence, Building Success, London, 2005, S. 4). Dieses bedingt natürlich eine Bereitschaft von Anderen lernen zu wollen und Ideen von anderen Branchen prüfen und bei Eignung umsetzen zu wollen. Es ist für britische Führungskräfte in größeren Baubetrieben deshalb üblich, Erfahrungen aus anderen Wirtschaftsgebieten zu nutzen und im Baubereich adaptierend umzusetzen (vgl. www.constructionexcellence.org.uk). Das amerikanische Forschungsinstitut der dortigen Bauindustrie hat 2004 ein sehr praxisbezogenen Werkzeug-Set verschiedenster BenchmarkAnwendungen erarbeitet, um den KVP in den Firmen zu fördern und zu unterstützen. Er wird inzwischen intensiv genutzt (vgl. www.construction-institute.org, Austin, 2004; www.dibenchmarking.org). Damit ist es ebenso gut nutzbar und wirkungsvoll für die Unternehmen des deutschen Baumarktes. 300

5.

Die Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung zur wertorientierten Unternehmensführung

Die in Kapitel 4 beschriebenen Analysen, Elemente und Instrumente haben jeweils eine spezifische Wirkung auf die Markt- oder Ressourcenorientierung. Diese voneinander abgegrenzten Darstellungen ermöglichen eine vertiefende Betrachtung einzelner Wirkungsbeziehungen. In der Gestaltung der wertorientierten Unternehmensführung sind diese einzelnen Bereiche nun zu Wirkungsbündeln zusammenzufassen, um für die spezifische Lage der einzelnen Bauunternehmung das gewünschte Ziel erreichen zu können. Mitarbeiter Prozesse

Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern

Kundenanforderung

Bauleistungs Bündel Qualität,Zeit,Kosten Innovation

Kundenorientierung Interaktion mit dem Kunden Vertrieb

Markterfolg Wettbewerbsposition

Wert entstehung Wert steigerung

Betriebsmittel

Abb. 5.1

Ursache-Wirkungsbeziehung zur Wertorientierung (eigene Darstellung)

Die Wirkungsmechanismen der vorgestellten Bereiche beeinflussen sich nämlich gegenseitig, bedingen sich zum Teil und fördern oder behindern sich. Erst die sinnvolle Kombination ergibt die gewünschte Wirkung, die zum geplanten Ziel hinführt. Die Aufgaben der Markt- und Ressourcenorientierung decken Wissensfelder des Ingenieurwesens, der Finanzwissenschaft und des Marketing ab und werden darüber hinaus in der betrieblichen Organisation noch durch andere speziellere Wissensgebiete, wie z. B. der Baubetriebslehre oder die Sozialpsychologie beeinflusst. In der Verbindung dieser Wissensfelder ist es deshalb fast zwingend, dass es große Probleme bei der Umsetzung dieses Wissens im betrieblichen Alltag gibt. Unterschiedliche Sprachen in den einzelnen Wissensgebieten, diverse Betrachtungsweisen (qualitäts-, prozess-, verhaltensorientiert etc.), unterschiedliche Einflüsse vom Markt, vermeintlich technologische Zwänge und Beharrungsvermögen der Mitarbeiter gegenüber jeder Veränderung erschweren eine wertorientierte Unternehmensführung außerordentlich. Untersuchungen bei der Umsetzung neuer Strategien haben gezeigt (vgl. Norton, 1999, S. 3): x

Bei 90% der Firmen scheitert die Strategieumsetzung;

x

Nur 5% der Facharbeiter kennen und verstehen die Strategie ihres Unternehmens;

x

85% der Führungskräfte verbringen weniger als eine Stunde im Monat mit Diskussionen über die Strategieformulierung;

x

In 60% der Unternehmen sind Budgets nicht auf die Strategie abgestimmt;

x

Nur bei 25% der Führungskräfte sind die Tantiemen an das Erreichen strategischer Ziele geknüpft. 301

Dies zeigt sich besonders in der gegenwärtigen Marktschrumpfung. Obwohl die Veränderungen und ihr Ausmaß sich seit 1995 immer klarer und quantifizierbarer darstellen, richteten sich die meisten Führungskräfte ungenügend darauf ein und nur wenige führten ihre Unternehmen wertsteigernd durch die Krise. Grund für die Untätigkeit ist neben vielen Aspekten insbesondere fehlendes Denken in Ursache-Wirkungsbeziehungen. Dieses wird in Strukturen althergebrachter Bauunternehmen oft als unbequem oder als bedrohlich empfunden, denn in sorgfältiger Analyse werden Fehler von gestern und überflüssige oder wenig wirksame und nicht kundenorientierte Prozesse unnachsichtig aufgedeckt. Allzu häufig sind langjährig tätige Führungskräfte nicht bereit, ihre Entscheidungen von gestern in Frage zu stellen. Das Ausrichten des Unternehmens auf das Wirkungsziel Wertorientierung erfordert in der Ursachenbestimmung die grundsätzliche Infragestellung bisheriger Prozesse. Es reicht deshalb nicht – evtl. mit Hilfe externer Berater –, für die Neuausrichtung des Betriebes eine wohlüberlegte Strategie zu formulieren. Diese muss im Unternehmen verstanden und kommuniziert werden, die Gestaltungsinhalte müssen geschult, die Führungskräfte sollten davon überzeugt und Kennzahlen zur Messung der Veränderung sind zu entwickeln usw. Umsetzung bedeutet: „Translate strategy to action“ (Norton, 1999, S. 10). Nach der Festlegung der Strategie zur Erreichung der Wertorientierung besteht der erste wesentliche Engpass in dieser „Übertragung in Aktion“ darin, Erfolgsfaktoren und Werttreiber zu identifizieren, um damit die grundsätzlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen im einzelnen Geschäftsbereich zu klären und zu beobachten (vgl. Anders, 2000, S. 192). Die sie steuernden Kennzahlen sind in Bauunternehmen mit wechselnden Produktionsstandorten weniger als in der stationären Industrie verbreitet. Prozesskontrollen, wie z. B. in der Autoindustrie, wurden in der Vergangenheit zumeist mit Hinweis auf die Einmaligkeit des betreffenden Bauprojektes abgelehnt. Lange Projektlaufzeiten zeigen nur eingeschränkt, z. B. quartalsweise, in sich geschlossene Messwerte. Eine Prozesskostenrechnung liegt zumeist nicht vor. Somit wird es schwierig, im Bauunternehmen eine durchgängige Kultur von Prüfwerten für Erfolgsfaktoren und Werttreiber zu finden (vgl. Görbing, 2003, S. 39), die mit der Korrektur durchgeführter Maßnahmen abschließen kann.

Strategie

Abb. 5.2

302

Erfolgsfaktor / Werttreiber

Zielplanung

Prozessgestaltung

Messgröße Kennzahl

Soll-IstVergleich

Wirkmechanismus für die Veränderung im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

verantwortliche Person

Korrektur Maßnahmen

Um den in Abb. 5.1 dargestellten Wirkungsmechanismus für eine langfristige Veränderung in klarer Abfolge zu erreichen, ist es also unerlässlich – getreu der Devise „Was nicht gemessen wird, wird nicht verändert“ –, Verfahren zur Steuerung und Kontrolle der Veränderungsprozesse zu nutzen (siehe dazu Kapitel 4 und 5.2), um die erheblichen Schwierigkeiten bei den Mitarbeitern und in der Umsetzung zu mindern. Instrumente der Eigenüberwachung sind deshalb wichtige Schritte im Lernen und Entwickeln der Mitarbeiter, um strategische Ziele in klaren Ursache-Wirkungsbeziehungen definieren zu können. Abb. 5.3 stellt beispielhaft hierzu eine Fülle von einzelnen Aufgaben zur Umsetzung von Veränderungen dar und gliedert sie in vier Perspektiven. Die Wirkungsbeziehungen werden sichtbar und zeigen auch den Weg auf, wie Veränderungen umgesetzt werden können.

Perspektiven Finanzen

Kosten senken Ressourcen nutzen

höhere Kundenzufriedenheit

Kunde

Interne Geschäftsprozesse

Lernen und Entwicklung (Mitarbeiter)

Abb. 5.3

Ursache-Wirkungs-Beziehungen

Reklamationswesen aufbauen

schnellerer Geldfluß

Zeitverkürzung

einfache Tätigkeiten ausgliedern

Prozesse optimieren Ausbildung Mitarbeiter technisch verstärken

geringere Beschwerden

höherer Marktanteil, Wachstum

Controlling Daten jedem MA zugänglich machen

Arbeitsabläufe verkürzen

Entlohnung an Zielerreichung binden über Prämien

höherer Ertrag

Vertrieb höherwertiger Leistungen Design / Build

Meßstellen auf jedem Arbeitsplatz einführen

neue Leistungen einführen

Schulung in Kundenverhalten, Arbeitskleidung und Teamarbeit einführen

Zielplanung auf allen Ebenen

Die Umsetzung strategischer Ziele in Ursache-Wirkungs-Beziehungen einer Bauunternehmung (Quelle: nach Kaplan, Norton, 1997, S. 234)

Nachfolgend wird erläutert, welche steuernden Instrumente diese Ursache-Wirkungsbeziehungen entwickeln und welche konkreten Aufgaben sich daraus im Bauunternehmen stellen. 5.1

Steuerung zur Wertorientierung mit der Balanced Scorecard (BSC)

Die über die verschiedenen Perspektivebenen verlaufenden Ursache-Wirkungsbeziehungen werden von einer Vielzahl hier beschriebener Methoden und Instrumente beeinflusst, gefördert und optimiert. Die daraus entstandenen Hauptprozesse müssen sinnvoll geordnet und

303

strukturiert werden, um die unterschiedlichen Einflüsse, Wertigkeiten und Wirkungen so zu verbinden, dass Wert entsteht und eine Optimierung der Wertorientierung erfolgen kann. In vorherigen Kapiteln sind Defizite der Strategieumsetzung, mangelnde Ausrichtung auf notwendige Veränderungen und eine Vielzahl von fehlenden Prozessentwicklungen im Baumarkt beschrieben worden. Wie werden Leistungswerte (nach Stück, Stunden usw.), monetäre Größen, quantitative Daten (Fehlermengen usw.) oder qualitative und psychosoziale Einschätzungen (z. B. der Kundenzufriedenheit) so verbunden, dass erkennbar ist, welche Werte „getrieben“ und verändert werden und welche Wirkungen wie erreicht werden? Eine gute Methodik, finanzielle Kennzahlen und nicht monetäre Leistungswerte in einem System in Bezug zu setzen, zeigt die Balanced Scorecard (BSC) auf: „The Balanced Scorecard should translate a business unit’s mission and strategy into tangible objectives and measures. The measures represent a balance between external measures for customers and internal measures of critical business processes, innovation and learning and growth.” (Kaplan, Norton, 1996, S. 10) In der BSC werden die unternehmerischen Prozesse nach Ziel, Kennzahl, Vorgabe und Maßnahmen beschrieben, die für die Erfolgswirksamkeit beim Kunden und für das Unternehmen am wichtigsten sind. Die BSC verbindet strategische Zielsetzungen mit den zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Hauptaktivitäten. Die gebildeten Messgrößen sind durchgängig und können deshalb zur Steuerung der Zielerreichung auf allen Ebenen genutzt werden (vgl. Töpfer, 2000 c, S. 72). Die Messgrößen sind vergleichbar zur Vergangenheit und können objektive quantifizierbare Ergebnisse ebenso abbilden wie die Einflüsse der subjektiven Leistungstreiber dieser Ergebnisse. Die BSC geht weit über die reine Abbildung von Messgrößen hinaus, indem sie aufbaut auf die erarbeiteten Ursache-Wirkungsbeziehungen (vgl. Weber, J., 1998, S. 187).

Ä,QWKHYDVWPDMRULW\RIFDVHVFRVWDQGPDQDJHPHQWDFFRXQWLQJDUHDVDUHLJQRUHG ZKHQLWFRPHVWRVXSSO\LQJDVHUYLFHWKDWPHHWVWKHLUFXVWRPHUUHTXLUHPHQWVWKDWLV WLPHO\XVHIXODQGDFFXUDWHLQIRUPDWLRQ,QVWHDGRIDQLQWHJUDWHGDSSURDFKWRRSHUDWLRQDOSHUIRUPDQFHPHDVXUHPHQWZKDWLVPRUHRIWHQIRXQGLVDPHDVXUHPHQWV\VWHP FRQ¿QHGWRIXQFWLRQDOVLORV´ 0DUWLQ6

304

Finanzielle Perspektive Strategisches Ziel

Messgröße

Zielwert

Maßnahme

Welche Finanzziele sind zu erreichen?

Kundenperspektive Strategisches Ziel

Messgröße

Zielwert

Prozessperspektive Maßnahme

Strategie

Strategisches Ziel

Welche Leistungen sollten wir gegenüber Kunden erbringen?

Messgröße

Zielwert

Maßnahme

Welche Prozesse müssen wir hervorragend beherrschen?

Lern- und Wachstumsperspektive Strategisches Ziel

Messgröße

Zielwert

Maßnahme

Wie sichern wir unsere Zukunftsfähigkeit?

Abb. 5.4

Balanced Scorecard (Quelle: nach Kaplan, Norton, 1997, S. 9)

Die BSC richtet im Bauunternehmen den Blick auf die Bereiche Finanzen, interne Geschäftsprozesse, Lernen und Entwicklung sowie den Kunden und bildet damit ein Gleichgewicht von kurz- und langfristigen Zielen, zwischen monetären Werten und subjektiv wirkenden Kennzahlen bzw. zwischen erwarteten Ergebnissen und dafür notwendigen Leistungstreibern. Damit wird die einseitige Betrachtung finanzwirtschaftlicher Zahlen vermieden und Bereiche wie Produktmanagement, Prozessgestaltung, Kundenzufriedenheit und Personalentwicklung gleichgewichtig mitbetrachtet. Damit verknüpft die BSC die Strategie mit der Veränderung der Ursache-Wirkungsbeziehung von Werttreibern und Erfolgsfaktoren und sorgt für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen und ihrer Überwachung zur Erreichung der Wertorientierung. Die Erarbeitung konkreter Inhalte der BSC – zumeist auf der Ebene der Geschäftsbereiche im Bauunternehmen – verändert das Unternehmen insoweit, weil die Methodik einen stringenten Ablauf der aufeinanderbezogenen Elemente nach Ursache und Wirkung vorschreibt, die es zumeist vorher nicht gegeben haben wird. Erleichtert wird die Umsetzung der BSC, wenn das Unternehmen prozessorientiert gestaltet ist, da dann inhaltliche und zeitliche Messgrößen leichter zu finden sind (vgl. Meyer, H., 2000, S. 70; Kaplan, Norton, 2001, S. 64). Neben der Überwachung ganzer Geschäftseinheiten bzw. des Gesamtbetriebes können auch für einzelne betriebliche Hauptprozesse – insbesondere, wenn sie in großen Veränderungsvorhaben befindlich sind – mit einer eigenen BSC gesteuert werden, wobei die Methodik jeweils die glei-

305

che bleibt (vgl. Friedag, Schmidt, 2002, S. 223; Bühner et al., 1996, S. 167; Bühner, Akitürk, 2000, S. 47; Homburg, Jensen, 1998). Es ist zu berücksichtigen, dass einige Bereiche in dem Grundmodell der vier Perspektiven der BSC ungenügend abgebildet sind, wie interne Kommunikation / interner Kunde-Lieferant, Beschaffung, SCM und Qualitätssicherung (vgl. Sauer 2000, S. 95; Schwolgin, 2000, S. 20; Töpfer, 2001a, S. 67). Praxisberichte namhafter Unternehmen zeigen, dass eine kreative Weiterentwicklung der BSC diese Mängel ausgleichen kann (vgl. Töpfer, 2000d, S. 65 ff.). Eine BSC fokussiert die jährlichen Aktivitäten auf klar definierte Ziele, Messgrößen, Zeiträume und Maßnahmen. Sie verbindet zwingend langfristige strategische Überlegungen mit der kurzfristigen Zielplanung. Gerade die vielen Analysen, Elemente und Instrumente zur Erreichung der Wertorientierung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit im speziellen Anwendungsfall einer sorgfältigen Gestaltung. Durch die Festlegung von Kennzahlen jeglicher Art bietet die BSC eine Systematik, diese verknüpfende Gestaltung zielgerichtet durchzuführen und zu überwachen (vgl. Kaplan, Norton, 2001a, S. 331). Ohne diese Steuerung bleiben allzu oft einzelne Verbesserungen Insellösungen. Wie häufig werden z. B. Geschäftsprozesse verändert ohne Wirkung zum Kunden, wird die Kundenzufriedenheit erhöht, aber nicht der Absatz, geschweige das Betriebsergebnis? Eine Studie im Großanlagenbau, der in seinen Betriebsabläufen sehr den Tätigkeiten des Bauens im BtoB-Bereich gleicht, hat festgestellt, dass die BSC in den meisten Unternehmen des Anlagebaus bekannt ist und auch genutzt wird. Dabei liegt der Schwerpunkt der Messwerte immer noch im leicht zugänglichen finanziellen Bereich, während die anderen drei Betrachtungsfelder ungenügend beobachtet werden (vgl. Seefeldt, Kramarczik, 2003, S. 16). Damit werden die möglichen Wirkungen einer BSC zur Steuerung gewichtiger Größen der Wertentstehung im Unternehmen („Performance Measurement“) noch zu wenig genutzt. Der Nutzungsgrad der BSC im Baubereich ist wesentlich geringer. Obwohl das Instrument nun fast zehn Jahre bekannt ist, sind nur zwei Nutzungen bei größeren Betrieben bekannt. So begann die 2005 in Insolvenz geratene Fa. Walter Bau AG im Jahre 2003 eine BSC einzuführen. Die Fa. Heitkamp, Herne, nutzt die BSC seit 2003 zur Steuerung von 14 Erfolgsfaktoren über 35 Messgrößen (vgl. Görbing, 2003, S. 39; Meyer, 2004, S. 11), von denen allerdings auch 50 % finanzwirtschaftlichen Hintergrund haben. Die sehr positiven Erfahrungen in Unternehmen verschiedenster Industrien (vgl. Kaplan, Norton, 2001) zeigen, dass die BSC – auch neben dem Bereich Finanzen – ein sehr wirksamer Steuerungsprozess im Bauunternehmen sein kann. Zum einen ähneln die Perspektiven zu Prozessen, Lernen und Kunden grundsätzlich denen der stationären Industrie. Zum anderen sind Führungskräfte im Bauwesen es gewohnt, Leistungen, Qualitäten und Abläufe in Messwerten zu steuern und zu prüfen. Diese Arbeitsweise unterstützt eine BSC.

306

5.2

Die Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung

Die Verbesserung der einzelnen in Kapitel 4 dargestellten Bereiche der Markt- und Ressourcenorientierung führt für einzelne Unternehmensprozesse zu einer nachhaltigen Optimierung, letztlich aber nicht zu einer besseren ganzheitlichen Unternehmensleistung. Wertorientierung wird erst durch systematische Reihung und Verbindung sowie gleichzeitigem und ganzheitlichem Einsatz aller notwendigen Instrumente erreicht. Doch wie gelingt die sachgerechte Verbindung aus Markt- und Ressourcenorientierung, zumal jedes Unternehmen sich in einer anderen Mangelsituation zum Optimum befindet? Die Marktorientierung richtet die Unternehmensaktivitäten auf den Markt aus, sorgt für eine Befriedigung der Kundenbedürfnisse und hilft bei der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Marketing ist somit das Leitkonzept des Managements (vgl. Meffert, Bruhn, 2003, S. 5) für wirkende Einflüsse des Marktes und der Kunden und hält gleichzeitig zur Analyse dieser Einflüsse eine Vielzahl von Methoden und Instrumenten bereit. Aus dieser Marktorientierung leiten sich Aufgaben der praktischen Unternehmensführung ab (vgl. Meffert, 1997, S. 3) und hier besonders die Gestaltung der Ressourcen, aber so sehr sich die Marketingforschung mit der analytischen Perspektive des Marketings beschäftigt hat, so wenig hat es sich in der Vergangenheit um deren Umsetzung gekümmert. „Das im Marketing vorhandene kundenbezogenen Know-how wird nur unzureichend für die kundenorientierte Ausrichtung des Unternehmens genutzt.“ (Stauss, 1994a, S. 150; vgl. Homburg, 1997, S. 284) Wenn Marketing sich mit den Austauschbeziehungen zwischen Kunde und Lieferant befasst und diese um so positiver verlaufen je mehr die Anforderungen und Ansprüche der Austauschpartner berücksichtigt werden, um so mehr rückt die Frage nach der Qualität dieses Austausches in den Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Koppelmann, 1995, S. 173). Sinn dieses Austausches ist es, dem Kunden Nutzen mit vielen wichtigen Vorteilen aus der Marktleistung zu bieten. Also ist die Beurteilung der Qualität dieser nutzenstiftenden Leistung wesentlich (vgl. Töpfer, Greff, 2000, S. 31). Marktleistungen sind aber nicht grundsätzlich und absolut schlecht oder gut, uninteressant oder stark nachgefragt. Es kommt auf die Bewertung des Kunden an, seiner Analyse, seiner Ansprüche, seiner Beurteilung, seiner Nutzungsintensität und damit insgesamt auch seiner Qualitätserfordernisse. Diese wiederum werden beeinflusst von der Produkt-, Fertigungs- und Prozessqualität beim Lieferanten sowie von der Qualität des Kontaktes zwischen Kunden und Lieferant und des kommunizierten Eindruckes über den Lieferanten, wie seine Leistung beim Kunden ankommt. „Wer schlecht mit mir im Kontakt umgeht, der kann auch kein gutes Produkt haben“ (Töpfer, Greff, 2000, S. 95; vgl. Morgan, Piercy, 1992, S. 112). Alle Eindrücke beeinflussen einander und wirken auf die Kaufentscheidung. Insoweit ist es selbstverständliche Aufgabe der marktorientierten Unternehmensführung, eine Unternehmensorganisation auf die vielfältigen Qualitätsanforderungen eines Leistungsbündels auszurich307

ten. Eine Analyse des Marktes reicht dazu nicht aus, sondern es müssen die Fähigkeiten des Unternehmens entwickelt werden, diese Anforderungen umzusetzen (vgl. Oakland, 1992, S. 11). Die Verbindung von Nutzenanforderungen des Kunden und die Fähigkeiten des Lieferanten, diese zu erfüllen, kann man als „operationalize of the marketing concept“ bezeichnen (O’Neal, La Fief, 1992, S. 133). „Marketing has always lacked a method of making operational the connections between what the customer wants on the one hand and the activities of a firm on the other.” (Christopher et al., 1991, S. 75). Für beide Bereich müssen geeignete Prozesse im Bauunternehmen vorhanden sein. Damit ist die Qualität der Kundenbeziehung ganz selbstverständlich eng mit der Qualität der betrieblichen Leistung verknüpft (vgl. Kordupleski et al., 1993, S. 85). Somit verbinden sich Markt- und Ressourcenorientierung zur Wertorientierung. Von den Einflüssen des Marktes bzw. der Kunden über die Austauschbeziehungen zwischen Kunde und lieferndem Bauunternehmen führt eine wertorientierte Unternehmensführung nun zur Gestaltung vielfältiger Prozesse im Unternehmen selbst, um die Ansprüche des Marketings umzusetzen. Hier zeigt sich nun ein besonderes Spannungsfeld, wenn Elemente der Markt- und Ressourcenorientierung zu verbinden, zu verknüpfen, zu reihen und sich gegenseitig verstärkend zu ergänzen sind, um Werte zu entwickeln und zu schaffen. 5.2.1 Die Wirkung der einzelnen Elemente der Markt- und Ressourcenorientierung auf die wertorientierte Unternehmensführung Das betriebliche Geschehen in der Organisation ist von einer unübersehbaren Vielzahl von internen und externen Einflüssen und Abläufen bestimmt, die sich nicht zueinander linear verhalten, sondern ineinander verwoben sind, sich also „systemisch“ verhalten (vgl. Pfiffner, 2001, S. 75f). Die Ursache dieser Komplexität liegt in der Unbestimmtheit von Problemen, der Unübersehbarkeit der einzelnen Problemkomponenten und der Ungewissheit des Eintreffens von Erwartungen konkurrierender Ziele. Der „Abbau von Komplexität“ geschieht durch „Zerlegen und Ordnen von Problemen“, Gewinnen und Verarbeiten von Informationen und Organisation von Bewertungs- und Entscheidungsvorgängen“ mit Hilfe von speziellen Methoden, die Wertskalen bzw. Bewertungsregeln enthalten (Strebel, 1986, S. 171). Auch bei unvollkommener Information und unterschiedlicher Zielbetrachtung muss eine rationale Entscheidung angestrebt werden, besonders wenn nicht nur monetär bestimmte Ziele, sondern auch andere ablauforganisatorische oder sozialpsychologische Ziele einbezogen werden sollen. Bei mehreren Zielen können aber Konsequenzen in Handlungen nur durch verschiedene Kriterien erfasst werden. Den materiellen Inhalt dieser gewichteten Zielerfüllungsgrade / Kriterien kann man nun als reelle Zahl einem partiellen Nutzenwert – dem „Score“ – zuordnen. Unterschiedliche Scores weisen auf divergierende Erfüllungsgrade der betrachteten Ziele hin. Dies ermöglicht schließlich die Entscheidung danach zu fällen, welche Handlung die vorteilhaftere ist.

308

Die Einflüsse auf ein Bauunternehmen aus den Maßstäben der Wertorientierung und speziell aus den Anforderungen des Marktes sind nun ebenfalls äußerst komplex. Die Vielzahl der Ursache-Wirkungsbeziehungen belasten eine Unternehmensführung – insbesondere in Krisenzeiten wie denen des seit zehn Jahren schrumpfenden Baumarktes – besonders stark, weil unter Marktdruck Entscheide über zu treffende Maßnahmen dringend erfolgen müssen, alle für wichtig erachteten Aufgaben auch sofort umgesetzt werden sollten, dafür aber die Ressourcen in dieser Zwangslage zumeist nicht reichen. Die Vielfalt der Gestaltungselemente der Markt- und Ressourcenorientierung in der wertorientierten Unternehmensführung zwingt die Unternehmensleitung – generell und in der Krise besonders – deshalb zu einem sehr abgewogenen Einsatz dieser Instrumente, denn eine optimale Wirkung nach innen und außen ist nur im geeigneten Zusammenspiel der einzelnen Bereiche und bei hohem Umsetzungsgrad gegeben. Technologische, verhaltensprägende und finanzwirtschaftliche Wirkungen sind mit Anleitungen aus der Baubetriebslehre von optimalen Prozessen zu verbinden, fortlaufend zu überprüfen und anschließend zu optimieren. Hierbei muss beachtet werden, welche Instrumente zu welchem Zeitraum für welche Bereiche der Wertorientierung Einfluss haben und welcher gewichtete Wertbeitrag von ihnen für die Unternehmensentwicklung ausgeht. Dazu sind in Abb. 5.5 die in Kapitel 4 erläuterten 26 Instrumente aufgeführt und den in Abb. 3.3 aufgestellten Messgrößen zur Wertorientierung gegenübergestellt. In der Verbindung der beiden Merkmale wurde dann in Spalte 7 ein Nutzenwert erarbeitet, dessen Größe sich nach der Höhe des Einflussgrades eines Instrumentes auf die Wertorientierung bemisst.

309

4 5 5 3 5 5 5 3 5 3 2 3 3 4 4 5 4 1 4 3 5

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Mitarbeiterentwicklung Prozessgestaltung Beschaffung, SCM Innovation KVP Zeitmanagement Kostengestaltung QS-Systeme QFD Controlling / Benchmarking Projektmanagement BSC Six Sigma

Qualitätssteigerung 3 4 2 0 5 4 3 2 4 3 4 3 3 1 0 5 3 1 4 4 4

4 3 4

4 3

1b

4 2 2 0 3 3 3 3 3 2 4 5 5 3 2 4 4 2 1 4 4

0 4 5

3 4

2

Produktivität

3 2 4 0 4 4 1 3 5 4 3 4 5 2 2 2 2 4 5 5 5

4 2 2

4 4

3a

5 5 2 5 2 3 1 2 0 4 3 3 4 1 5 3 4 5 4 5 5

2 4 3

2 3

3b

5 5 2 4 2 3 1 2 3 4 3 2 4 5 0 1 3 4 5 5 5

0 4 3

4 3

3c

5 3 2 3 3 3 1 0 4 3 4 5 4 3 3 3 3 4 4 4 5

3 2 3

3 4

3d

des Wissens

3 2 4 0 4 4 2 3 5 2 3 3 5 2 2 2 3 4 5 3 4

4 0 0

3 4

4

5 5 3 2 4 3 2 4 4 5 5 4 5 4 4 5 4 4 4 4 5

4 3 3

5 3

5

42 37 28 20 34 35 22 26 38 33 36 35 41 27 26 33 33 31 40 40 47

28 26 29

37 34

Positionswert Score 7

Summe der Wirkungen auf die Wertorientierung

2 6 13 17 9 8 16 15 5 10 7 8 3 14 15 10 10 11 4 4 1

13 15 12

6 9

Rang 8

Summe der Wirkungen auf die Wertorientierung

6 Stufen: 0 = keinen Einfluss, 5 = hoher Einfluss

5 4 2 3 2 3 3 4 5 3 5 3 3 2 4 3 3 2 4 3 5

2 0 3

5 2

6

Mitarbeiter- Prozessqualität befähigung Effektivität Profitabilität

Die Wirkung der Instrumente zur Entwicklung einer wertorientierten Unternehmensführung (eigene Darstellung)

5 4 3

3 4 5

Abb. 5.5

4 4

1 2

1a

Kundenzufriedenheit

Werttreiber- / Erfolgsfaktorbestimmung Strategische Planung Meßverfahren zur Kundenzufriedenheit Marktanalyse Segmentierung der Nachfrage Leistungsprogramm / Produktmanagement Design-Build Service Preispolitik Beschwerdemanagement CRM / Partnering Kommunikation, Marke Vertrieb

Die Instrumente der wertorientierten Unternehmensführung

Innovationsleistung

der Mitarbeiter

Marktstellung

der Finanzen/ Kosteneff.

Meßgrößen der Wertorientierung

der Zeit

310

Die Summe der Wirkungswerte in Spalte 7 ergibt in der Addition eine Rangreihe nach Einfluss und Wirkung des einzelnen Instrumentes auf die Wertorientierung einer Unternehmensführung. Da die einzelnen Werturteile subjektive Maßstäbe des Verfassers darstellen, dürfen ihnen bzw. dem Summenwert nicht eine absolute Qualität in der Rangreihe zugemessen werden. Es erscheint aber zulässig, die 26 Instrumente in drei Abschnitte einer wertenden Rangordnung zusammenzufassen, um eine generelle Wichtigkeit erkennen zu können.

Wertorientierung I. Six Sigma Leistungsprogramm/ Produktmanagement KVP BSC Projektmanagement

Werttreiber- / Erfolgsfaktorbestimmung

II. CRM / Partnering Beschwerdemanagement Innovation Strategische Planung

QS-Systeme QFD Prozessgestaltung Controlling / Benchmarking

III. Messverfahren zur Kundenzufriedenheit Segmentierung Marktanalyse Service

Abb. 5.6

Mitarbeiterentwicklung Design-Build Beschaffung / SCM

Kostengestaltung Zeitmanagement Kommunikation / Marke Preispolitik Vertrieb

Rangordnung der Wirkungen der Instrumente auf die wertorientierte Unternehmensführung (eigene Darstellung)

In der in Abb. 5.6 beschriebenen Rangordnung werden nun die „Haupttreiber“ einer Wertorientierung sichtbar: Rangbereiche I - Analysierende, entwickelnde und steuernde Instrumente; Rangbereich II - Marketing-Instrumente zum Kunden, Gestaltungen für Qualität, für Prozesse und des Controllings und langfristige Ausrichtung; Rangbereich III -Instrumente für einzelne Sachgebiete des Marketings, der Kosten- und Zeitgestaltung. Die Rangfolge beschreibt den Grad des Einflusses auf die Gestaltung und Veränderung der Wertorientierung und eine Abhängigkeit unter den einzusetzenden Instrumenten. Der Rangbereich I hat also den wesentlichen Einfluss und die Einführung seiner Instrumente ist Vorraussetzung dafür, dass die Inhalte der Rangebereiche II und III überhaupt erst umfassend wirksam werden können. Entsprechendes gilt für Rangbereich II zu Rangbereich III. Von Rangbereich I bis zu III werden die Inhalte der Instrumente immer spezieller und auf ein direkt wirkendes Sachgebiet bezogen. Die in Rangbereich I vermerkten Instrumente gestalten den Ressourceneinsatz. Zur Wertorientierung sind sie äußerst wichtig, schließlich bestimmen sie Inhalt, Qualität und Niveau der 311

zu verkaufenden Leistung. Die im Bereich II und III angeordneten Marketinginstrumente bestimmen z. T. die Entwicklung der Ressourcen und ihre Qualität und sind insoweit höher angeordnet. Betrachten wir jedoch die betriebliche Wertentstehung, schafft die Gestaltung der Ressourcen mehr Wert als die sie unterstützenden und steuernden Marketinginstrumente. Einmal mehr zeigt sich die Verbindung von Markt- zur Ressourcenorientierung. Die Einhaltung einer Rangreihe ist aber nicht ausreichend für die gezielte Umsetzung vielfältiger Instrumente, um eine nachhaltige wertorientierte Unternehmensführung zu erreichen. Da die einzelnen Instrumente sich in einem Gesamtsystem finden, bestehen systemische Beziehungen unter ihnen. Teilweise sind sie in der Umsetzung unabhängig voneinander, teilweise sich bedingend, teilweise fördernd oder behindernd. Es bestehen unter ihnen spezifische Wirkungsflüsse: So wird eine bessere Kundenbetreuung umfassend ausgebildete Mitarbeiter brauchen; eine erhöhte durch Flexibilität, Bevorratung und Bereitstellung bessere Leistungsbereitschaft höhere Kosten erfordern; Service- und Produktionsabläufe unabhängig voneinander gestaltet, aber erst in der Addition wirksam sein; ein Reduzieren von Leistungsqualitäten dem Marktauftritt evtl. wesentlich schädigen. Um diese Ursache-Wirkungs-beziehungen sowie die Folgen der Umsetzung auf Qualität, Zeit und Kosten beurteilen zu können, bedarf es deshalb einer zusätzlichen spezifischen Betrachtung der Wirkung der die Wertorientierung herbeiführenden Instrumente auf die Probleme bzw. notwendigen Veränderungen in der einzelnen Bauunternehmung und ihrer Ausrichtung auf den Markt. 5.2.2 Die Wirkung der wertorientierten Unternehmensführung auf Veränderungen am Baumarkt Eine wertorientierte Unternehmensführung versucht im konkreten Unternehmen in einer spezifischen Branche Werte zu entwickeln, zu schaffen und zu sichern. Erst im konkreten Betrieb können die systemischen Abhängigkeiten analysiert und gestaltet werden. In Abb. 5.7 sind in Ergänzung zu Abb. 5.5 die Wirkungen der Instrumente der Markt- und Ressourcenorientierung auf geänderte Anforderungen für Bauunternehmen am deutschen Baumarkt dargestellt. Da nun die Bedingungen des einzelnen Bauunternehmens sehr verschieden von einem zweiten sein können, wurde bewusst auf einen wertenden Score verzichtet und deshalb vermerkt, welche Instrumente einen normal wirkenden und welche einen besonders intensiven Einfluss auf die Anforderungen an Bauunternehmen haben. Die dreizehn in der Waagerechten dargestellten Anforderungen – einerseits nach außen zum Kunden gerichtet, andererseits in den Gestaltungen in den Unternehmensprozessen wirkend – wurden abgeleitet aus den in den Kapiteln 1 – 4 beschriebenen Mangelsituationen am deutschen Baumarkt und in den Bauunternehmen des Jahres 2006.

312

313

Abb. 5.7

O z z z O

O z z z z O O z O

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 O O O O O O

O z z O z z z

z- intensiver Einfluss

z z z

z z

O

O

O

O

z z O O O O

O O z

O O

5 O

Mehr Zusammenarbeit, schnelle Mängelbeseitigung

O - Einfluss

z z z O O

O z

O O

O O z O O z O z z z z O

4 O

Bessere Streitkultur, mehr Vertrauen

3 O

intensivere Kommunikation zum Kunden

O z O O O

z

z z z

3 4 5

2 O

1 z z

Erhöhung der Qualität Fehlerfreiheit

1 2

Bessere Kundenzufriedenheit O O

Zum Kunden hin

Besseres Preis-LeistungsAngebot O O z z z O z O z O z z z

z z O z O O

O z z

6 z z

Mehr und schnellere Innovation O

z O z O z O

O

z O

O O z

7 O z

In den Bauunternehmen

Qualifiziertes Personal O O z O

O

O

z z O z z

O O z

z O O

8 O z

Kostenoptimierung und -einhaltung O z O O O z O z O O O z

O z

O z O O O z

O z O O z

O

O O

O

10 O O

Zeitoptimierung und -einhaltung

O O

O

9 O O

Gute Prozesse, geringe Schnittstellen höhere Qualität z O O O O O O O z z z O O z O z O z z O z

O

z

11 O O

O O O O O z O O O

O O O O O O O z z z z

O z O

12 z z

Klare Zielorientierung

z O O O z O z z z O O z O O z O z z

z z

O

O

13 z O

Die Wirkung der Instrumente der Markt- und Ressourcenorientierung auf geänderte Anforderungen für Bauunternehmen am deutschen Baumarkt (eigene Darstellung)

Die Instrumente der wertorientierten Unternehmensführung Werttreiber-/ Erfolgsfaktorbestimmung Strategische Planung Messverfahren zur Kundenzufriedenheit Marktanalyse Segmentierung der Nachfrage Leistungsprogramm / Produktmanagement Design-Build Service Preispolitik Beschwerdemanagement CRM / Partnering Kommunikation, Marke Vertrieb Mitarbeiterentwicklung Prozessgestaltung Beschaffung, SCM Innovation KVP Zeitmanagement Kostengestaltung QS-Systeme QFD Controlling / Benchmarking Projektmanagement BSC Six Sigma

Veränderte Anforderungen für Bauunternehmen

Mehr Profitabilität

Abb. 5.7 zeigt, dass die Instrumente, die die wertorientierte Unternehmensführung gestalten und treiben, den wichtigsten Anforderungen zugeordnet werden können, denen sich Bauunternehmen gegenüberstehen. Wirkungsfluss, Zeitrahmen, Kostenanfall und Umsetzung in der Nutzung der Instrumente können nun im individuellen Betrieb beurteilt werden. Der Wirkungsfluss der Wertorientierung erfolgt von allgemein wirkenden analytischen Instrumenten, wie z. B. der Werttreiber- / Erfolgsfaktorenbestimmung, über die Marktanalyse zur Bestimmung des Leistungsprogramms bis hin zu speziellen Aufgaben der Mitarbeiterentwicklung oder der Gestaltung der QS-Systeme. Ein allgemeines Beispiel möge den Wirkungsfluss der Instrumente zur Wertorientierung erläutern: Ein gutes Betriebsergebnis kann nach erfolgter Durchsetzung eines höheren Preises entstehen. Die Preisforderung könnte durch intensive Kommunikationsmaßnahmen inkl. Markenbildung durchgesetzt werden. Dieses bedingt das Vorhandensein eines Markenkerns mit z. B. hoher Qualität und vorzüglichem Leistungsprogramm mit hohem Nutzen. Dieser bedarf zu seiner Entstehung intensiver Innovation, erzeugt durch langfristig geschulte Mitarbeiter, die in bewusst gestalteten Prozessen arbeiten. Die Entwicklungen sind nur möglich, weil diese durch KVP und Six Sigma verbessert wurden. Je nachdem welche Anforderungen des Marktes in einem Bauunternehmen nun besonders ungenügend abgedeckt sind, werden unterschiedliche Instrumente in einem Wirkungsfluss untereinander verknüpft und in Beziehung gesetzt werden müssen. Es sind z. B. andere Wirkungsabläufe nötig, wenn primär die Kundenzufriedenheit erhöht werden soll als wenn die Produktionskosten oder die Fehlerrate gesenkt werden sollen. In Abb. 5.8 werden für einzelne Beispiele die Wirkungsflüsse von Veränderungsprozessen zu verschiedenen Anforderungen an das Bauunternehmen hin zur Wertorientierung beschrieben. Die Vorgangsfolge ist nur scheinbar eine lineare. Vielmehr sind die einzelnen Aufgaben wiederum systemisch verbunden. Es gibt vielfältige Wechselbeziehungen mit intermittierend notwendigen Rücksprüngen bzw. loops zur wiederkehrenden Verbesserung. Deshalb muss in der Gestaltung sehr auf die Berücksichtigung der systemischen Abhängigkeiten geachtet werden.

314

315

Mitarbeiterentwicklung

Zielkostenentwicklung

Preis politik Kostengestaltung

Entwicklung Design Build, QFD

DesignBuild QFD

DesignBuild QFD

Strateg. Ausrichtung

Ausrichtung des Leistungsprogramms

Leistungsprogramm

WerttreiberErfolgsfaktorbestimmung

WerttreiberErfolgsfaktorbestimmung Vertrieb

Prozessgestaltung Six Sigma

Partnering

Vertrieb

Abb. 5.8 Wirkungsflüsse zur Wertorientierung für Bauunternehmen in Beispielen (eigene Darstellunng)

WerttreiberErfolgsfaktorbestimmung

Mitarbeiterentwicklung

Optimierung des Leistung s programms, Service, QFD

Entwicklung von Mesverfahren

WerttreiberErfolgsfaktorbestimmung

Prozessgestaltung Six Sigma, KVP

Beschaffung SCM

Beschaffung SCM

Nutzung von Six Sigma, QS-Systeme, KVP

Beschaffung SCM

Innovation

Innovation

Beschwerdemanagement

Innovation

QS-Systeme Projektmanagement

Projektmanagement

Projekt management

Controlling Benchmarking gestaltung

Benchmarking

Prozessgestaltung Six Sigma

Partnering

Profitabilität

Niedrige Baukosten

Kürzere Bauzeiten

Höhere Kundenzufriedenheit

Die Umsetzung der wertorientierten Unternehmensführung hat neben und in der Nutzung der einzelnen Instrumente wichtige Zeit- und Kostenauswirkungen. Je kleiner die geplanten Veränderungen, die notwendigen Wirkungskreise und die betroffenen Mitarbeiterbereiche sind, je geringer ist der Kostenanfall. Die terminlichen Auswirkungen der Umsetzung richten sich eher danach, ob klar definierte – anderswo erprobte – Prozesse und Abläufe neu eingerichtet werden müssen oder ob nur langfristig wirkende Verhaltensprägungen der Mitarbeiter oder z. B. Markenempfindungen der Kunden verändert werden sollen. Hat ein Unternehmen die Marktentwicklung zu lange vernachlässigt, werden die Maßnahmen zur Erreichung einer angemessenen Wertorientierung umso umfassender, nachhaltiger und langandauernder verlaufen, als wenn nur einzelne Betriebsbereiche fortentwickelt werden sollen. Zeit- und Kostenanfall müssen daneben noch aus der Perspektive der Kunden und der Wettbewerber gesehen werden. Wertorientierte Unternehmensführung hat die Messgrößen der Abb. 3.3 unentwegt so zu entwickeln, dass die Marktstellung der Bauunternehmung nachhaltig gut ist – zum Kunden und zum Wettbewerb. Bestehen nun Mängel in dieser Marktstellung, ergibt sich der Zeit- und Kostenbedarf nicht nur aus den gewünschten neuen Leistungsanforderungen, sondern auch daraus, wie lange Kunden die Leistungsdefizite akzeptieren und wie lange Wettbewerber kein besseres Leistungsangebot vorlegen. Der Handlungsbedarf des sich verändernden Unternehmens bestimmt sich deshalb aus dem nach innen wie nach außen gerichteten Blickwinkel. Erst wenn die individuelle Lage der einzelnen Bauunternehmung nach innen und außen analysiert worden ist, kann beurteilt werden, welche der hier dargestellten Instrumente in welcher Faktorkombination besonders schnelle und nachhaltige Wirkung auf eine Wertorientierung haben. Wenn allerdings eine sorgfältige Gestaltung und Instrumentenauswahl unterbleiben, dann werden sich die Wirkungen der einzelnen Instrumente der Wertorientierung mindern, aufheben oder ins Gegenteil verkehren: Vollmundige Kundenversprechen ohne entsprechende Leistungsbereitschaft vernichten eher Werte im Unternehmen als dass sie eine bessere Marktposition schaffen. Hilfreich für die richtige Kombination der Instrumente sind deshalb abgewogene Handlungsanweisungen in einem ausgewogenen Rahmen bzw. Gesamtsystem, um die Ziele der Wertorientierung nicht nur zu verkünden sondern auch im einzelnen Betrieb umzusetzen. Veränderungsprojekte im einzelnen Bauunternehmen sind zeit- und kostenintensiv, soweit die Anforderungen in Abb. 5.7 betrachtet werden. Eine am Markt und im Wettbewerb nachhaltig bessere Position bei den dort beschriebenen einzelnen Anforderungen benötigt mindestens 2 4 Jahre und verursacht pro Jahr und einzelner Anforderung Kosten von 1 - 3 % vom Umsatz. In der Literatur wurden an verschiedenen Stellen die Erfolge, die Zeitdauern und die Kosten der unterschiedlichsten Maßnahmen berichtet von Industriebereichen außerhalb des Bauwesens (vgl. Kamiske, 1996a; Töpfer, Mehdorn, 1995; Welch, 2002; Töpfer, 2002a). Eine Beurteilung der Wirkung der Summe aller Maßnahmen ist nicht zugänglich, sie wird hier nur geschätzt. Eine ganzheitliche Wertorientierung mit Veränderung in allen Anforderungsbereichen 316

und Nutzung der meisten Instrumente wird wahrscheinlich für die Erreichung eines ersten hohen Niveaus 4 - 7 Jahre dauern und erfordert Kosten von mehr als 5% des Umsatzes. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die sukzessiv umgesetzten Verbesserungen ihrerseits die Profitabilität und Marktstellung verbessern und somit zunehmend den Veränderungsprozess fördern und durch höhere Erträge die Umsetzungskosten leichter tragbar erscheinen bzw. sich womöglich selbst finanzieren. 5.2.3

Die Zusammenfassung der Elemente der Wertorientierung im System eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements

Eine umfassende Wertorientierung wird also nur erreicht, indem alle Bereiche der Markt- und Ressourcenorientierung ganzheitlich systemisch entwickelt werden und insgesamt ein höheres Niveau der Unternehmensführung angestrebt wird. Wie verbinden sich nun die vielfältigen Instrumente (siehe Kapitel 4) zu einem ganzheitlichen System mit aufeinander abgestimmten Entwicklungsstufen? Um die in Kapitel 5.2.2 beschriebenen Probleme zu beheben, müssen viele Felder gleichzeitig bearbeitet werden (vgl. Miyabayashi, 1996, S. 211): x

vorhandene Nutzungswünsche und Qualitätsanforderungen der Kunden sind zu erfüllen;

x

der Betrieb muss sich auf den Wettbewerb ausrichten, sich vergleichen und gute Lösungen schneller als andere umsetzen;

x

das Unternehmen muss sich fortentwickeln und seine Mitarbeiter fördern;

x

Wertschöpfungsketten und -partnerschaften sind zu bilden und zu entwickeln;

x

die erbrachten Leistungen müssen im Wettbewerb nach Zeit, Kosten und Qualität außerordentlich günstig sein;

x

alle Prozesse müssen auf Wertentstehung ausgerichtet werden.

Es bedarf also möglichst einer systematischen Folge aller Instrumente und eines abgestimmten Wirkungsflusses, um den umfassenden Anspruch der Wertorientierung für alle Bereiche im Unternehmen umsetzen zu können. Es besteht somit ein „totaler“ Anspruch. „Total Quality Management“ (TQM) kann man deshalb als ein System innerhalb der wertorientierten Unternehmensführung verstehen, in dem alle betrieblichen Leistungen oder Ressourcen integrativ ausgerichtet werden auf Kundenanforderungen und die Erfüllung der von Kunden gewünschten Qualität (vgl. Shiba et al., 1993, S. 22). Der Begriff TQM ist in der DIN EN ISO 8402 klar beschrieben (vgl. DIN, 1995, S. 18): „Auf die Mitwirkung aller ihrer Mitglieder gestützte Managementmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und die Gesellschaft zielt.“

317

Noch zutreffender beschreibt „The British Quality Association“ TQM als (vgl. Hellard, 1993, S. 27): „A corporate business Management philosophy which recognizes that customer needs and business goals are inseparable. It ensures maximum effectiveness and efficiency within a business and secures commercial leadership by putting in place processes and systems, which will promote excellence, prevent errors and ensure that every aspect of the business is aligned to customer needs and the advancement of business goals without duplication and waste of effort.” Heute hat sich der Begriff des TQM verändert hin zum „ganzheitlichen Qualitätsmanagement“. Denn aus der Qualität der Marktleistung und der Kundenorientierung folgt eine direkte Wettbewerbsfähigkeit, aus deren abgeleiteter Wirkung sich die Wertsteigerung des Unternehmens ergibt (vgl. Malik, 1/2003, S. 5). Somit ist ein solches Qualitäts-ManagementSystem, in dem vielfältige Elemente verschiedenster Wissensgebiete zu einem Managementsystem zusammengeführt sind, wesentlicher Teil eines in sich geschlossenes Führungssystem zur Unterstützung der wertorientierten Unternehmensführung (vgl. Malorny, 1999, S. 578; GAO, 1991, S. 9). Die Entwicklung des TQM und der Beginn einer intensiven Nutzung in der Industrie außerhalb des Baubereichs beginnt in den achtziger Jahren. Die einzelnen Bereiche sind nicht immer neu und erweitern oftmals nur altvertraute, seit Jahrzehnten bekannte Führungsinstrumente, wie z. B. „W. E. Deming’s 14 principles“ (vgl. Rogers, 1997, S. 45). Dennoch ist TQM als System gerade in der wertorientierten Unternehmensführung für Baubereiche ein neue Wirkungsbeziehungen aufzeigendes, aktuelles und angemessenes Managementsystem. Die Wirkung einer nachhaltigen Verbesserung der unternehmerischen Leistung wird nur erreicht, wenn die verschiedenen Instrumente in einem einheitlichen Wertesystem mit klarer Zielhierarchie zusammengefasst werden. Erst wenn alle Bereiche des Unternehmens vom Marketing gesteuert und in abgestimmter Weise grundlegend verbessert worden sind, steigert sich die Marktleistung, erhöht sich die Kundenzufriedenheit und der Unternehmenswert. TQM stellt somit eine ideale systemische Verbindung von Markt- und Ressourcenorientierung her(vgl. Braun, Lawrence, 1993, S. 77; Fleig, Kinkel, 1999, S. 240; Schmalzl, Schröder, 1998, S. 42; Fahlbusch, 1998, S. 190).

318

1. Kunde

6. Vorsprung KVP Kostenführerschaft Innovation Six Sigma

An Kundenbedürfnissen orientieren, Kundenzufriedenheit, QFD

TQM

5. Abläufe Qualität Verfahren optimieren Zeit verkürzen optimale Qualität Prozesse gestalten BSC

2. Mitarbeiter Alle Kollegen einbeziehen interne KundenLieferantenbeziehung

3. Führung

4. Fakten

Als Vorbild wirken, offen miteinander reden, Potentiale freisetzen Ziele setzen

Exakt messen und sich messen Controlling, Kennzahlen Fehlervermeidung durch Vorbeugung

Abb. 5.9 Die 6 Grundschritte des Total Quality Management (eigene Darstellung)

Die sechs Grundschritte des TQM zeigen nun den Ablauf zur Erreichung der Markt- und Ressourcenorientierung und werden unterstützt von Methoden und Hilfsmitteln, wie sie die BWL und die Baubetriebslehre entwickelt haben, um dann letztlich ein Managementsystem entstehen zu lassen, das speziell Nutzen für die wertorientierte Entwicklung eines Bauunternehmens bietet. Jede Nutzenlösung, jede verwendete Technologie und Teile der Wertschöpfungskette haben nämlich unterschiedliche Stellschrauben zur Fortentwicklung. Speziell für Bauunternehmen sind in Abb. 5.9 beispielhaft 20 Handlungsfelder herausgearbeitet worden, in denen die wichtigsten Bereiche des TQM zur Erreichung einer wertorientierten Unternehmensführung zusammengefasst sind. Sie decken die in Kapitel 4 und Abb. 5.7 dargestellten Instrumente ab.

319

Lernen, Führung Prozesse

„Von Anfang an richtig“

Überwachungsfreie Produktion

Ergebnisse

Personalentwicklung

Immerwährende Fortbildung Hohe Produktionsvielfalt durch Fachleute

Projektmanagement

KVP, Six Sigma PDCA-Cycle

Klare Zielplanung

Bessere Qualität

Prozessgestaltung Benchmarking

Preisorentierte Kostensteuerung

Innovation

Beschwerdemanagement CRM Partnering

günstigere Kosten

Produktmanagement

kürzere Zeit

Kommunikation, Marke

Supply Chain Mangement

PreisProduktServicegestaltung

PPSSteuerung, Just in time Belieferung Vertriebssystem

Kunde

Nähe, Zufriedenheit, Vertrieb

Abb. 5.10

Teamorientierung Partizipation Verantwortung des Einzelnen

Markt- und Kundenanalyse

Qualitätssicherung

Zeitplanung für alle auf allen Ebenen

Partner

Technologien und Qualität

20 Schritte zur Umsetzung von TQM im Bauunternehmen (eigene Darstellung)

TQM gleicht die mangelhafte Ausrichtung des Marketings in der Umsetzung seiner Postulate aus und stellt geeignete Methoden zur Umsetzung von Markt- und Ressourcenorientierung bereit. TQM ist die Verbindung (engl.: „mission link“) zwischen Ingenieurwesen, Finanz wirtschaft und Marketing. Es integriert diese Pole zu einem gemeinsamen Ziel für die Kunden, die erwartete Qualität zu erhalten und zufrieden mit seiner Wahl zu sein (vgl. Gummeson, 1993, zit. nach Stauss, 1994a, S. 152), und sichert so die Entstehung von Wert im Unternehmen. TQM ist also fern davon, einseitig Interessen des Kunden im Unternehmen vorrangig durchzusetzen (vgl. Hilker, 1993, S. 184; Kotka, 1993). Folgende Beispiele aus dem Baubereich verdeutlichen diese verbindende Wirkung und zeigen, dass Anforderungen des Marketings immer abzugleichen sind auf die Ressourcen des Unternehmens. x

320

Im Quality Function Deployment werden gewichtete Wünsche und Bedürfnisse des Kunden in messbare Leistungsspezifikationen umgesetzt. Dabei muss die „Stimme des Kunden“ ungefiltert eingebracht werden, anstatt dass der Produktverantwortliche dies allein entscheidet und ins „Overengenieering“ abgleitet;

x

Anforderungen aus der Marktorientierung werden qualifiziert umgesetzt, soweit die Ressourcen dies ermöglichen und die Wettbewerbslage es erfordert. Allein der Kundenwunsch darf nicht bestimmend sein;

x

Benchmarking ist eine Ergänzung der Markt- und Konkurrenzforschung um Dimensionen. Es zeigt auf, was in den Prozessen im Unternehmen geleistet werden kann und wie Ziele des Marketings bei Wettbewerbern konkret erreicht werden;

x

Das auf alle betrieblichen Aspekte unter Ausrichtung auf die Kundenanforderung optimierende Verfahren „Six Sigma“ lässt kaum denkbare Qualitätsniveaus erreichen;

x

Erreichte Anforderungen des Marketings, die in Strategien und Zielplänen definiert sind, werden mit Hilfe des Steuerungsinstruments BSC in ihrer Umsetzung überwacht und diese so sichergestellt.

Das Marketing bietet damit umfassende Analyse- und Informationsinstrumente („was ist zu tun“) und TQM setzt diese daraus abgeleiteten Ziele durch eigene Methoden und Instrumente um in die Ebene der Kundenzufriedenheit („wie muss man es machen“). TQM hebt somit die Gegensätze zwischen Marketing und betrieblicher Organisation auf, indem es Lösungen bereitstellt, die die Anforderungen beider Seiten enthält (vgl. Lovelock, 1993, S. 69). Wertorientierte Unternehmensführung ist ein immerwährender Prozess. Die Ausrichtung der betrieblichen Aufgabenerfüllung auf das TQM ist deshalb kein einmaliger Vorgang. Vielmehr ergeben sich über den Zeitablauf Veränderungen im Wettbewerb, in Technologien, in den Rahmenbedingungen oder bei veränderten Kundenanforderungen. Gerade Qualitätsurteile des Kunden bilden sich langfristig in einem vielfältigen Prozess zwischen Erwartungen und Wahrnehmungen, die wiederum auf andere Bereiche der Kaufbeziehung übertragen werden. Beim Phänomen der „Irradiation“ (vgl. Töpfer, 1995b, S. 93) wird die wahrgenommene Dienstleistungsqualität als Unterschied von Erwartungen und Wünschen des Kunden zusätzlich geprägt von dem Eindruck, die die tatsächlich gelieferte Leistung beim Kunden erzeugt (vgl. Zeithaml et al., 1992). Dies betrifft besonders Bauleistungen, bei denen Kaufentscheidung und Leistungsrealisierung weit auseinander liegen. So ergibt sich für Bauunternehmen eine äußerst wichtige Verbindung von Qualitätsmanagement und Kommunikationspolitik, um extrinsische Leistungsmerkmale wie Service, Garantie, Vertrauen positiv in der Gestaltung der Ressourcen entwickeln zu können. Hieraus können sich auch zum Wettbewerb wichtige Differenzierungen bis zur Alleinstellung einer Marke ergeben (vgl. Sander, 1995, S. 218). TQM selbst stellt kein Verfahren zur optimalen Steuerung der Gestaltung und Umsetzung der 20 Handelsfelder zur Verfügung. Hierzu ist die in Kapitel 5.1 beschriebene BSC sehr gut geeignet (vgl. Kaplan, Norton, 2001a, S. 331). Sie stellt die langfristige Einhaltung der Maßstäbe des TQM sicher, überprüft sie laufend und gibt Hinweise für weitere Optimierungsschritte. Damit bieten die 20 Handlungsfelder kurzwie langfristig ein geschlossenes System von Methoden und Instrumenten aus sich ergänzenden Wissensgebieten und sichern die Ziele der Wertorientierung in: 321

x

Qualität und Kundenzufriedenheit;

x

Nutzen und Zufriedenheit der Mitarbeiter;

x Langfristigen Geschäftserfolg und Wertentstehung. Die hier speziell auf ein Bauunternehmen ausgerichteten Handlungsfelder decken die vom Atkins-Report der Europäischen Kommission 1994 oder dem Egan-Report der britischen Regierung 1998 aufgestellten Defizite in der Unternehmensführung und Kundenorientierung von Bauunternehmen ab, wie sie in Deutschland heute 2006 wie 1994 noch aktuell sind. Bevor jedoch eine wertorientierte Unternehmensführung mit den Instrumenten des TQM im Unternehmen umgesetzt werden soll, müssen einige grundsätzliche Klärungen vorab erfolgen. Da die Neuausrichtung des Unternehmens so umfassend, zeitaufwendig und kostenintensiv ist, müssen die Führungskräfte bereit sein zu erkennen, dass die Baumärkte sich nachhaltig verändert haben und weiter verändern werden und dass das Unternehmen, will es langfristig erfolgreich tätig sein, sich auf diese rasanten Änderungen aktiv einstellen muss. Dabei muss diese Neuausrichtung auf einem soliden Wissens- und Methodenfundament stehen (Deffenbaugh, 1993, S. 384). „The first step is to issue a Total Quality Message. People must know…how they will be involved in the TQM-Process, what the process is and the successes and benefits achieved” (Oakland, Porter, 1994, S. 17). Einerseits muss dabei die fehlerhafte Deutung, ein „Bereitstellungsgewerbe“ zu sein, das auf die Entscheidungen des Kunden wartet, zur Seite geschoben werden und andererseits muss verstanden werden, dass eine Bauleistung eine komplexe Mischung von Sach- und Dienstleistungen ist und dieses Leistungsbündel in seiner ganzen Vielfältigkeit optimiert werden muss. Bauen ist kein Warengeschäft mit seinen einfachen Austauschbeziehungen (vgl. Zeithaml et al., 1992, S. 196), sondern eine differenzierte Leistungserstellung für den Kunden, die mit ihm und in seinem Einflussbereich erstellt wird. Hierbei gibt es über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von Kontaktpunkten mit einer Vielzahl von menschlichen Interaktionen, die aktiv gestaltet werden müssen. „In construction the teamwork must have its emphasis on the clients project.” (Hellard, 1993, S. 155). Diese grundlegenden Zusammenhänge müssen bei allen Mitarbeitern vermittelt werden. Sie zeigen auch, dass Bauleistungen vergleichbar mit dem Output anderer Industrien sind und in diesem Sinne keine Sonderrolle mehr beanspruchen können.

Weiterhin ist im Baubetrieb eine grundsätzliche Neuausrichtung durch die Minderung des Primats der Technik und die Hinwendung zu einer gleichgewichtigen Befruchtung der Bereiche Ingenieurwesen, Finanzwirtschaft und Marketing anzustreben, wobei die Instrumente des TQM diese Integration und Befruchtung wesentlich fördern. Diese gleichgewichtige Betrachtung verändert besonders die Aufgaben der Führung und die Inhalte der Arbeit in der Organisation. Andere Branchen haben diese breitere Sicht der Dinge schon früher aufgenommen. Der Baubereich muss dieses nun nachholen (vgl. Hammer, Stanton, 1995, S. 141). Es ist deshalb vor allem für Führungskräfte im Baubetrieb wichtig, bei der Umsetzung des TQM die grundlegenden Gestaltungsprinzipien des Kennen/Verstehen, des Können und des Wollen zu berücksichtigen (vgl. Hilker, 1993, S. 189). Es müssen die Inhalte der wertorientierten Unternehmens 322

führung zuerst erkannt und gelernt werden, Prozess- und Kundenorientierung verstanden und umgesetzt und letztlich die Bereitschaft entwickelt werden (besonders bei dem Mitarbeitern), sich neuen Anforderungen zu stellen und das Unternehmen zu verändern. Gerade letzteres ist der wesentlichste Schritt zur erfolgreichen Einführung des TQM. Die Umsetzung geschieht umso schneller, je umfassender die Führung des Unternehmens selbst die Inhalte kommuniziert und im Training die Lerninhalte persönlich vermittelt (vgl. Oakland, Porter, 1994, S. 18 f; Schriener et al., 1995, S. 24). Die Mitarbeiter verlangen Orientierung (Was müsste getan werden?), Ausbildung und Befähigung (Wie macht man es?) und Vermittlung von Begeisterung und Unterstützung zur Umsetzung (Alle bewegen, es auch zu tun!) (Shiba et al., 1993, S. 392).Der Blick für die Marktorientierung ermöglicht es, gemeinsam Zielvorgaben je Markteinheit zu erarbeiten, die in den Zielvereinbarungen / Policy Deployments (vgl. Hilker, 1993, S. 195), im Hoshin-Management (vgl. Shiba et al., 1993, S. 411f) oder im BSC dann im Einzelnen beschritten werden sollen. Er verstärkt auch die Beobachtung der Wettbewerber und bereitet vor, sich Vergleichen zu stellen, befähigt, gezielt Wettbewerbsvorteile zu suchen und entwickelt somit die Bereitschaft zu immerwährender Veränderung und kontinuierlicher Verbesserung (vgl. Welch, 2002, S. 120f). Wertorientierte Unternehmensführung ist im einzelnen Bauunternehmen mit seiner unterschiedlichen Ressourcenentwicklung und den sehr differenzierten Anforderungen des Marktes eine komplexe Aufgabe. Es erscheint sinnvoll, die Anforderung des TQM in einem Managementhandbuch zusammenzufassen, in dem die Ziele, Verfahrensschritte, Lernaufgaben und Messmethoden für die einzelnen Unternehmensbereiche festgelegt sind (vgl. Bläsing, 1996b, 1997, S. 34; Oswald, Burati, 1992, S. 14; Kobayashi, 1994, 2000). Die in drei Hauptgruppen zusammengefassten Instrumente zur Wertorientierung (siehe Abb. 5.9) finden sich im TQM-System der 20 Schritte zur Umsetzung wieder (siehe Abb. 5.13). Die Umsetzung – in Anlehnung an die Arbeitsvorschriften der BSC – erfolgt nach den Bereichen: Prozesse; Kunde; Lernen / Fühlen; Ergebnisse nach Geld, Zeit, Qualität; Partnerschaften in Technologie und Qualität. Sie verläuft je nach Kenntnisstand des Unternehmens in verschiedenen Entwicklungsstufen und genau abgestimmt auf erwünschte Wirkungsflüsse, Zeitbedarfe und tragbare Kostenverbräuche. Zuerst müssen die grundlegendsten Instrumente zur Veränderung bekannt sein (Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarung, Marktanalyse, Segmentierung, Analyse des Kundenkontaktes, Beherrschung der Qualitätsinstrumente usw.), um dann die Hauptinstrumente der Unternehmensentwicklung einzuführen (Leistungsprogramm, Geschäftsprozesse, KVP, Beschwerdemanagement, Benchmarking, interne KundenLieferantenbeziehungen, SCM usw.). Wenn diese einzelnen dann ganzheitlich als TQM im Unternehmen gelebt und genutzt werden, kann danach in einem weiteren Schritt eine Steigerung der Unternehmensqualität durch Optimierung der Geschäftsprozesse, durch Messung von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheiten, durch Nutzung von Six Sigma angestrebt werden, um eine weitere Stufe hin zu einer optimalen Wertorientierung im Business Excellence

323

im Unternehmen zu erreichen (vgl. Töpfer, 2002a, S. 30). Dabei wird das Ziel immer ein relatives bleiben, welches sich im Zeitablauf selbst wieder stetig ändert – alles fließt! 5.3

Die Entwicklung der wertorientierten Unternehmensführung zu Business Excellence

Die umfassende Einführung der TQM-Methodik, ohnehin nicht zu einem kurzfristigen spezifischen Zeitpunkt umgesetzt, sondern erst in einem langen Zeitabschnitt erfüllt, bedarf einer kontinuierlichen Umsetzung und Fortentwicklung. Die Ansprüche der Kunden wechseln ebenso wie sich die Ressourcen und Verfahren im Unternehmen fortlaufend verändern. Wertorientierte Führung ist deshalb ein sich ständig verändernder und erneuernder Prozess, so wie sich über die Zeit die für den Kunden geschaffenen Werte verändern. 5.3.1

Die Methodik der European Foundation of Quality Management (EFQM)

Um diesem Prozess Rechnu ng zu tragen, wurden in den letzten 15 Jahren in den Industrienationen Wettbewerbe entwickelt. In diesen nationalen Qualitätswettbewerben entstanden Methoden, wie über die Jahre sich fortentwickelnd die Güte einer Unternehmensleistung im Wert der Marktleistung gemessen und verglichen werden können. Besondere Wirkung haben der seit 1988 bestehende Malcolm Baldridge National Quality Award und der 1992 gegründete European Quality Award (EQA) der European Foundation of Quality Management (EFQM) (vgl. Malorny, 1999; NIST, 2001; EFQM, 2003). Die sich ähnelnden europäischen und amerikanischen Modelle bringen zum Ausdruck, dass erfolgreiche Organisationen und eine umfassende Wertorientierung mit nachfolgendem Markterfolg ein abgerundetes wohlüberlegtes Managementkonzept benötigen. Diese Modelle enthalten Methoden und Instrumente als Werkzeuge zur Umsetzung der Optimierung der wertorientierten Unternehmensführung in der täglichen Arbeit im Betrieb sowie Kriterien, an denen der Grad und die Güte der Umsetzung durch Selbst- oder Fremdüberwachung geprüft werden können. Die hier vorgestellten 20 Handlungsfelder der TQM in einer Bauunternehmung lassen sich leicht in die neun Kriterien des EFQM-Modells übertragen, wobei die Inhalte der Handlungsfelder sowie die sie beeinflussenden Instrumente und Methoden einzeln oder z. T. gemeinsam Maßstab für die Beurteilungskriterien des EFQM sind. Die Addition der Umsetzung der einzelnen Bereiche des EFQM-Modells zeigt ganzheitlich die Qualität des Managementsystems im einzelnen Unternehmen an. Dabei werden die einzelnen Bereiche in vier aufeinander abgestimmten Schritten, auch „RADAR“ bezeichnet, fortlaufend optimiert (vgl. EFQM, 2003): 1) Results (Ergebnisse) Hier wird die Leistung der Organisation gemessen. Ziele sind angemessen und werden mit positiven Ergebnissen lang anhaltend erreicht. Die Leistung besteht im Vergleich. Sie ist Folge des Managements in der TQM-Methodik. 324

2) Approach (Vorgehen) Hier sind das geplante Vorgehen und die Gründe für den Einsatz klarer, definierter Prozesse beschrieben, die auf eingegrenzte Interessen ausgerichtet sind. Das Vorgehen ist auf klare Strategieformulierung und Zielplanung abgestellt. 3) Deployment (Umsetzung) Systematische und gleichgewichtige Umsetzung in allen Bereichen des Modells. 4) Assessment and Review (Bewertung und Überprüfung) Das Vorgehen und die Umsetzung müssen regelmäßig bewertet, überprüft und Lernprozesse müssen angestoßen werden. Die Ergebnisse sind Basis eines KVP- oder Six Sigma-Prozesses. Die beschriebenen Hauptkriterien des EFQM-Modells werden in einer Vielzahl von Unterbereichen mit unternehmensspezifischen Kennzahlen / Messwerten hinterlegt, laufend überprüft, nach den Kriterien des EFQM bewertet und so verbessert.

Abb. 5.11

Kriterienraster des EFQM-Excellence-Modells 2001 (Quelle: EFQM 2005)

Die Beurteilungen im EFQM-Modell bewerten zu 50 % die Anforderungen an die Befähiger (das sind die Ursachen für eine Betriebsleistung) und zu 50 % die Leistungsergebnisse (das sind die Wirkungen bei Kunden, Mitarbeitern und bei den Finanzen). Diese Beurteilungen können in einer Eigenüberwachung des betreffenden Unternehmens oder durch eine Fremdüberwachung erfolgen, soweit das Unternehmen sich am EQA Qualitätspreis des EFQM beteiligt (vgl. Töpfer, 1998a, S. 51; Homburg, 1994b, S. 7). Mit dem EFQM-Modell und den enthaltenen umfangreichen Beurteilungsmaßstäben und Verfahrensanweisungen (vgl. EFQM, 2003) besitzt die wertorientierte Unternehmensführung und das sie ausfüllende TQM eine genau strukturierte Verfahrensanweisung zur Optimierung 325

und anhaltenden Verbesserung. Die Umsetzung hin zu außergewöhnlichen Markt- und Geschäftserfolgen geht weit über die bloße Optimierung der einzelnen Handlungsfelder des TQM hinaus. Da diese Felder sich untereinander bedingen und beeinflussen, ist das gesamte TQM viel mehr als die Summe der einzelnen Handlungsfelder. Die Synergien sind beträchtlich. Dieses ist gerade die Stärke des TQM, welches keine isolierten Problemlösungen anstrebt, sondern für das gesamte Unternehmen in seinem umfassenden Marktauftritt Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen mit dem Ziel einer wertorientierten Unternehmensführung erzielen will. TQM kennzeichnet somit in „ umfassender Sichtweite des Mar ketings die Fähigkeit, frühzeitig Kundenanforderungen zu erkennen, Kundennutzen zu schaf fen, Kundenvorteile zu kommunizieren und Kundenzufriedenheit zu vergrößern, um so Kun denbindung zu erreichen“ (Töpfer, 2001a, S. 55), indem es dafür sorgt, dass die not wendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Es ist damit offensichtlich, dass nicht nur einzelne Handlungsfelder des TQM beherrscht werden müssen. Vielmehr sollte nach Realisierung des TQM-Modells im Rahmen einer systemischen Entwicklung des Unternehmens eine ganzheitliche Optimierung sichergestellt werden hin zu einer besonderen Güte, dem sog. „Business Excellence“. Vorbereitung auf TQM

x TQM-Elemente schulen x Veränderungen beginnen x ISO 9001 zertifizieren x Prozesse einführen x Pilotprojekte starten

Abb. 5.12

Realisierung der TQMHandlungsfelder Qualitätssicherung

x Parallele Einführung des TQM in allen Handlungsfeldern x Kundenorientierun g gestalten x Qualitätssicherung x Zeitwettbewerb x Kostenreduktion

Umsetzung des ganzheitlichen TQMModells, Prävention

x Überprüfungszykl en x Strategiesicherun g durch BSCSteuerung x Innovationen forcieren x Vorbeugung sichern x PM, Controlling, Benchmark

TQM zu Business Excellence weiterführen

x EFQM erreichen x Six Sigma in allen Prozessen x Ständige Weiterentwicklung x Selbstüberprüfung x 100 % Qualität x zu den Besten gehören

Vier Phasen zu Business Excellence (eigene Darstellung)

Der Maßstab für Business Excellence geht über die Handlungsfelder des TQM hinaus und erweitert in den acht Elementen des EFQM die Erfüllung der Wertorientierung auf einem außerordentlich hohen Niveau. Beginnend mit dem PDCA-Cycle im einzelnen Prozess der Umsetzung des TQM werden die Elemente des EFQM fortlaufend durch Eigen- und Fremdüberwachung mit den in dieser Arbeit vorgelegten Instrumenten hin zu Business Excellence verbessert (vgl. Kolbe, 2002, S. 313; Malorny, 1997, S. 73). Es ist nachgewiesen, dass Unternehmen, die den Qualifikationsgrad der jährlichen Preisträger des EQA erreichen, schließlich neben hoher Qualität auch eine nachweislich höhere Umsatzrendite aufweisen (vgl. Töpfer, 2002a, S. 30ff) und damit wertorientierte Unternehmensführung praktizieren. 326

327

Abb. 5.13

„Kläre mögliche Art von Qualität,dann führe den Plan aus, zunächst im kleinen Maßstab . “

DO (Ausführen)

(Planen)

PLAN

„Erarbeite einen Plan mit Veränderung / Verbesserung mit klarem Ziel in eindeutigen Prozessen. “

Der Weg zu Business Excellence (eigene Darstellung)

„Wie erfolgreich waren die Maßnahmen? Was ging schief ? Analysiere Prozesse und Daten.“

CHECK (Überprüfen)

ACT (Überdenken)

„Was haben wir gelernt? Wie führen wir verbesserte Prozesse ein?“

Marktanalyse

KVP

Prozessgestaltung

Qualitätssicherung

Marke

Kommuni kation

SCM

Beschaffung

Strategie

CRM

Beschwerde management

Zufriedenheitsmessung

TQM

Steuerung mit BSC

Innovation mehr Nutzen

Benchmark Projekte

Gruppenarbeit

Audits Assessment Review

EFQM

Six Sigma

Business Excellence

Die Verfahren zur fortlaufenden Verbesserung hin zu Business Excellence sind so gestaltet, dass sich auf allen acht Feldern des EFQM gleichzeitige Verbesserungen in Produktivität und Kundenorientierung ergeben, also Markt- sowie Ressourcenentwicklung betreiben. In einer ungeschminkten Selbstbewertung wird analysiert, wird priorisiert, wird Verantwortung festgelegt und Maßnahmen nach stringenten Plänen in Maßnahmenplänen umgesetzt. Selbstkritik und das Bemühen, besser zu werden, treiben den Prozess voran.

Selbstbewertung durchführen

Überprüfung des Fortschrittes und KVP

Stärken und Verbesserungspotentiale zusammenstellen

Klare Maßnahmenpläne, Prozessablauf und Zeitplanung

Kriterien für Priorisierung festlegen und Prioritäten setzen

Strategie und Verantwortung festlegen für Management des Wandels

Abb. 5.14

Von der Selbstbewertung zu Maßnahmen und KVP (eigene Darstellung)

Zusammengefasst werden all diese Bemühungen in einem „Excellence-Handbuch“ dokumentiert und bilden so nun die Basis für die laufende Selbstbewertung und Fortentwicklung in der nächsten Geschäftsperiode (vgl. Töpfer, 2001a, S. 56; Schulze, 2002, S. 203; Braun, Kling, 2002, S. 156) und weitergehender Wertsteigerung. 5.3.2

Die Methodik Six Sigma

Während die BSC eine auf langfristige Zielfestlegung ausgerichtete Ursache-Wirkungsanalyse ist, die das Bauunternehmen befähigen soll, Verbesserungen bei den definierten Werttreibern anzugehen und umzusetzen, ist die Bewertung nach dem EFQM einerseits ein Benchmarking bzw. ein Vergleich des erzielten Leistungsniveaus zu den besten Unternehmen und wird andererseits in den Assessment-Center als eine Methodik vorgestellt, sich fortzuentwickeln, um das Niveau der Besten zu erreichen. Auf dem Weg zu Business Excellence werden diese beiden Elemente nun wesentlich ergänzt und in ihrer Wirkung auf einzelne Leistungsprozesse wesentlich übertroffen von der Methodik „Six Sigma“. Unterschiede am Baumarkt lassen sich bei Bauleistungen immer weniger über Gestalt und Ausstattung, sondern eher über Qualität und lang anhaltende Fehlerfreiheit der Prozesse von der Planung bis zur Ausführung erzielen. Bei Leistungen im Bauwesen ist eine Fehlerquote von ca. acht bis zwölf Prozent an der Bauleistung Praxis (vgl. AGC, 1992, S. 328

6; Hessing, 1996, S. 27), bei den Vorprodukten zum Bau oder bei deutschen Industriegütern ist allgemein eine Fehlerquote von ein Prozent üblich. Dieses bedeutet in der Fehler-statistik ein Sigma-Niveau von ca. 10.724 ppm (parts per million) fehlerhafte Teile pro eine Million ausgelieferter Teile. Abweichungen in Herstell- oder Planungsprozessen beeinflussen wesentlich das Ziel einer wertorientierten Unternehmensführung. Sie lassen sich statistisch durch Varianz oder Abweichung vom Zielwert erfassen. Ausgangspunkt ist das Erkennen von Schwachstellen in der Marktleistung des Unternehmens und dem schlechten Ressourceneinsatz in den einzelnen Bereichen. Dazu wird zuerst die Analyse der Kundenanforderungen durchgeführt, indem sorgfältig die „Critical to Quality Characteristics“ (CTQ) ermittelt werden, die am Markt für das gewünschte Leistungsbündel die Erfolgsfaktoren beschreiben. Aus ihnen lassen sich die darauf wirkenden Werttreiber im Unternehmen finden, entwickeln oder verbessern. Damit verbindet sich der marktorientierte Ansatz (Outside-in) mit dem ressourcenorientierten Ansatz (Inside-out) der wertorientierten Unternehmensführung (vgl. Töpfer, 2004b, S. 45). Das Hauptziel des Verfahrens „Six Sigma“ ist die Verbesserung von Prozessleistungen auf ein Fehlerniveau von 3,4 Fehler ppm. Da jede Leistung das Ergebnis einer Serie mehrerer zusammenhängender Prozesse ist, konzentriert sich das Verfahren in der Analyse darauf, wie diese Prozesse funktionieren, ineinander greifen und gestaltet werden können. Die Schwierigkeit liegt im Finden der die Prozesse bestimmenden Merkmale, damit sie zuerst gemessen werden können, um dann zu einer Veränderung zu kommen. Insoweit geht das Six SigmaVerfahren sehr tief in die Details einzelner Prozessbereiche hinein. Die Qualität der Prozesse hängt nun ab von der Varianz der Messwerte bzw. der den Prozess bestimmenden Merkmale. Diese sind in zeitlicher Hinsicht und ihrer Wirkung zu betrachten, z. T. klar vorhersehbar, aber auch manchmal in ihrer Wirkung unvorhersehbar, wie z. B. Mängel der Lieferantenleistung auf der Baustelle. Verbesserungen bei diesen Variationen können auf drei Wegen der nachhaltigen Fehlerverhütung erreicht werden: Durch Reduzierung der Streuung, durch Verbesserung der Zentrierung und durch Verbesserung der Prozesse, ihrer Komplexität und Vorausschaubarkeit.

Abb. 5.15

Variation im Prozess begrenzen (eigene Darstellung)

Abb. 5.16

Mittelwert im Prozess zentrieren (eigene Darstellung)

Aus dieser statistischen Analyse werden Einflussbereiche von Qualitätsabweichungen gekennzeichnet und lassen sich Ursachen für Fehler und Möglichkeiten zur Prozessoptimierung finden. Alles mündet in einen Qualitätsverbesserungsprozess mit dem Ziel weitgehend stabi329

ler, störungs- und fehlerfreier Abläufe (vgl. Töpfer, 2002a, S. 324f). Das Six SigmaVerfahren geht weit über die in Abschnitt 4.3 erläuterten Verfahren zur Prozessgestaltung hinaus. Gerade im Bauwesen sind nachhaltige Verbesserungen durch die Kontrolle des gesamten Planungs-, Bau- und Nutzungsprozesses (Optimierung der Planung, Standardisierung der Bauteile, Erkennen der Schnittstellen mit ihrem Störpotenzial usw.) und der Verbindung von statistischen Prozesskontrollen bis hin zur Einbeziehung des SCM ein ganzheitliches Instrument zur Markt- und Ressourcenorientierung möglich.

1.) Ermittlung der Qualitätskriterien des Kunden

2.) Messung der Qualitätskriterien

x Welche Qualitätsanforderungen hat der Kunde? x Was erwartet und honoriert der Kunde? x Welche Kriterien sind bestimmend? x Welche Fehlerdefinition ergibt sich aus Kundensicht?

x Bestimmung Sigma Ist-Wert x Messung der Qualitätskriterien x Ermittlung von Varianz, Streubreite und Mittelwert x Ansatzpunkte zur Verbesserung

Abb. 5.17

Zielgrößenbestimmung im Six-Sigma Verfahren (eigene Darstellung)

Die integrative Verbesserungswirkung von Six Sigma zeigt sich darin, dass es die Optimierung der Prozesse in der Produktion ebenso wie im Planungsbereich oder für Service und Dienstleistung unterstützt und somit ein fehlerarmes Leistungsbündel sichert. Anlass für das Six Sigma-Verfahren für die Bauproduktion können mangelhafte fehlerbehaftete Leistungen auf der Baustelle, ungenügende Markterfolge vor allem durch ungenügende Kundenzufriedenheit, zu hohe Kosten und zu niedrige Erlöse sein. Ziel ist es, Prozesse mit fast Null-Fehler-Qualität (6 σ) zu gestalten. Voraussetzung ist, dass Abläufe prozessual darstellbar, Stör- und Einflussgrößen eindeutig und Qualitätsniveaus, Fehlerrate, Zeitabläufe und monetäre Größen klar messbar sind. In dem fraglichen Prozess werden dann kritische Erfolgsfaktoren und Werttreiber analysiert und danach eine Prozessgestaltung oder -optimierung in Erweiterung des PDCA-Cycle gemäß dem Kreislauf des „Define-Measure-Analyse-ImproveControl (DMAIC)“ bearbeitet (vgl. Shiba et al., 1993, S. 401f; Magnusson et al., 2001, S. 15; Slater, 2000, S. 297; Töpfer, 2004b, S. 78).

330

" "

Anforderungen des Kunden bestimmen (CQT) Ist Prozesse beschreiben

Define " "

Dauerhafte Verbesserung sichern Neue Meßwerte und Sollgrößen bestimmen

Measure

Meßwerte bestimmen Wirkungsgrößen messen Abgleich zu Prozessanforderungen

" " "

Ursache analysieren Prozesse bewerten Verbesserungspotential ermitteln

Control Analyse Improve "

Abb. 5.18

" " "

Neue Lösungen und bessere Prozesse finden

DMAIC-Cycle als Grundlage von Six-Sigma (eigene Darstellung)

Dieser Regelkreis ist ein gutes Entwicklungsinstrument für alle industriellen Leistungsentstehungsprozesse. Er wird in einer Vielzahl von Unternehmen angewendet (vgl. Töpfer, 2004a). Bisher wurde eine Nutzung im deutschen Baubereich nicht bekannt, trotz gleicher Prozessarten. Six Sigma analysiert sehr genau die Art und Ursache von Qualitätsmängel in Prozessen und sorgt für deren Beseitigung durch Nutzung unterschiedlichster Werkzeuge. Im Baubereich nimmt ab Beginn der Planung der Beeinflussungsgrad auf die konstruktive Gestaltung und damit auf die finanziellen Kostenverläufe schnell ab (siehe Abb. 4.85). Für eine wettbewerbsfähige qualitätsbewusste Bauleistung ist es deshalb wichtig, die spätere Nutzungs- und Marktanforderung des Kunden schon in der Planung optimal zu berücksichtigen. Qualität, günstige Produktionsprozesse und Fehlerfreiheit müssen in ein Bauprojekt hineingeplant werden (siehe auch Kapitel 4.2.5.5). Damit ist die Güte des Planungsprozesses wichtig für den Markterfolg. Hier setzt als spezielles Verfahren „Design for Six Sigma“ an. Es verbindet die Aspekte des QFD in günstiger Gestaltung, Materialnutzung und fehlerfreier Konstruktionsmöglichkeiten mit der optimalen Gestaltung der Wertschöpfung (vgl. Töpfer, Günther, 2004b, S. 99). Der für die Produktion festgelegte Prozess wird für die Planung abgewandelt im „Define-Measure-Analyze-Design-Verify (DMADV)“-Prozess. Wichtig ist die Überwachung in der „Verify“-Phase. Hier wird das geplante Produkt auf Einhaltung der Kostenziele, Produktionsmöglichkeiten und Kundenanforderungen geprüft und ggf. in einen neuen Optimierungsdurchgang geleitet, um dort weiter verbessert zu werden. Six Sigma im Planungsbereich von Bauleistungen ist nur möglich, wenn Planung und Bau eines Projektes in einer – evtl. auch nur kooperierenden – Verantwortung liegen (Design-Build-Verfahren). Es lässt dann wesentliche Leistungserhöhungen bzw. Kostenreduzierungen erwarten. Prozesse für die Einbringung von Service (im Leistungsbündel) oder von Dienstleistungen (als eigenständige Leistung mit gesondertem Marktpreis), weisen eine hohe Streuung in der Leistungsqualität auf. Sie sind deshalb ebenso für das Six Sigma-Verfahren zur Optimierung geeignet, wie die Planungsprozesse für die Gestaltung der Bauleistung. 331

Das Six Sigma-Verfahren ergänzt die anderen in dieser Arbeit erläuterten Verfahren zur Qualitätssicherung von Prozessen und verbindet diese in einem nachhaltigen Wirkungsverbund (vgl. Töpfer, Günther, 2004a, S. 339). Durch seine Nutzung werden Kosten und Zeiten wesentlich gesenkt und Qualität und Prozessgüte, verursacht durch die statistische Prozesskontrolle, langfristig nachhaltig gesteigert. Es bedingt aber zu seiner Durchführung speziell ausgebildete Mitarbeiter. Die Wirkung ihrer Arbeit ist umso eher spürbar, wenn eine große Anzahl der Mitarbeiter (bis zu 10 % der Belegschaft) einbezogen ist. Wenn dieses Verfahren nicht nur einmalig, sondern fortlaufend durchgeführt wird, sichert es langfristig am wirkungsvollsten eine Leistungserstellung höchster Güte. Es ist damit ein besonders wirksames Instrument der wertorientierten Unternehmensführung (vgl. Bucher, 2004, S. 362). Da es in vielen Prozessverbesserungen üblicherweise genutzt wird und dabei die messbare Steigerung des Kundennutzens im Vordergrund steht, wirkt es über viele Unternehmensbereiche gleichzeitig intensiv. Die erzielten Prozessverbesserungen wirken somit in großer Breite gleichzeitig auf eine Optimierung der Betriebsergebnisse. Innerhalb dieser Prozessgestaltungen können wiederum viele Elemente des TQM zur Steigerung der Wirkung einbezogen werden. So könnte an Schnittstellen wiederkehrender Kundenunzufriedenheit ein spezifisches Beschwerdemanagement eingerichtet werden (vgl. Töpfer, 2004a, S. 372). Damit wird die Wirkung der hier vorgestellten Elemente verviel-fältigt und eine über die Entwicklung nach der Eigenbewertung des EFQM hinausgehende Leistungsfähigkeit zu Business Excellence erreicht. Das Six Sigma Verfahren ist erstmals 1987 angewendet worden in der amerikanischen Elektroindustrie und wurde besonders bekannt durch die außerordentlichen Leistungserfolge bei der Fa. General Electric (vgl. Magnusson et al., 2001, S. 5). Prozesse in der Bauerstellung und Bauplanung sind ebenso für diese Art der wesentlichen Verbesserung geeignet und könnten wesentlich zur Wertentstehung im Baubereich beitragen. Dennoch liegen in Deutschland z. Z. noch keine Erfahrungen vor (vgl. von Hagen, 2004, S. 233). Dagegen berichtete die größte US-amerikanische Bauunternehmung, The Bechtel Corp. von sehr wirksamen Erfahrungen bei der Anwendung von Six Sigma bei Kraftwerks-, Wasserbau- und Tunnelprojekten (vgl. www.bechtel.com, San Francisco, 2005). 5.4

Dauerhafte Wertorientierung im Bauunternehmen

Für alle in Kapitel 4 beschriebenen Methoden und Instrumente wurde nachgewiesen, dass sie auch am Baumarkt und für Bauunternehmen geeignet sind, die Ausrichtung auf den Markt und dort speziell auf den Kunden zu verbessern, zu unterstützen und die Entwicklung neuer oder die Optimierung vorhandener Ressourcen zu ermöglichen. Die Gestaltung eines einzelnen Instruments der wertorientierten Führung verbessert somit zwar einzelne Aspekte der Leistung des Betriebes, allerdings führt dieses nicht zu signifikanten langfristig wirkenden Verbesserungen. Zwei aktuelle Studien zu Handlungsstrategien im Bau- und Anlagenbau haben darüber hinaus gezeigt, dass nur die Verfolgung einzelner Opti-

332

mierungsmaßnahmen nicht ausreichend ist für eine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Seefeldt, Pekrul, 2005a, 2005b). Sie zeigen auch, dass im Jahre 2005 befragte Führungskräfte aus Bauunternehmen immer noch allein zur Zukunftssicherung auf die Ressourcenorientierung setzen und den zentralen Einfluss des Marketings nicht erkennen. Führungskräfte aus dem Anlagenbau sehen dagegen die Verknüpfung von Markt- und Ressourcenorientierung und streben gleichrangig eine Vielzahl von Maßnahmen zur langfristigen Erreichung beider Zielpostulate an. Es ist deshalb gesicherte Erkenntnis, dass die einzelnen hier vorgestellten Methoden und Instrumente erst in einem sich bedingenden ganzheitlichen System die Wirkung zu einer alle Bereiche des Unternehmens umfassenden Wertorientierung entfalten. Die Nutzung nur einzelner Bereiche oder die falsche Abstimmung des Einsatzes der einzelnen Instrumente kann ihre Wirkung mindern oder kontraproduktiv sein. Wenn z. B. der Schwerpunkt der Unternehmensentwicklung auf das Controlling gelegt wird, um mögliche Planungsmängel des Kunden und seines Beratenden Ingenieurs und Zeitverzögerungen durch seine fehlenden Entscheidungen zu dokumentieren und eine Basis für ein stringentes Nachtrags- / Claimmanagement mit nachfolgender Ergebnisverbesserung zu erreichen, wird dieses nicht zu einer langfristigen Wertentstehung führen (vgl. Seefeldt, Pekral, 2005a, S. 19). Dieses von deutschen Bauunternehmen so häufig vorrangig gefördertes Instrumentarium führt zu hoher Unzufriedenheit des Kunden, ständigem Streit und ausufernden Transaktionskosten. Kundenbindung wird so systematisch unterbunden. Erhöhte Erträge an einer Stelle werden durch steigende Kosten an einer anderen kompensiert. Wertorientierte Führung muss in diesem Fall – soweit das Controlling entsprechende Probleme aufgedeckt hat – versuchen, beim Kunden andere Entscheidungsverläufe und Kontrollprozesse der Planung zu initiieren oder z. B. im DesignBuild-Prozess dem Kunden einen anderen Leistungsumfang aktiv anbieten, um das Problem unklarer Bau-Soll-Festlegungen und folgenden Nachtragsstreit grundsätzlich zu vermeiden. Damit bieten sich Ertragssteigerungen ohne einhergehende Kostenerhöhungen. Erst die systemische Verknüpfung der für den Einzelfall eines spezifischen Bauunternehmens geeigneten Methoden und Instrumente und die abgewogene gleichgerichtete Ausrichtung auf Markt und Ressourcen verbessert die Unternehmensleistung nachhaltig und erfüllt die Beurteilungskriterien der Wertorientierung mit ihren Wirkungen: •

Einer verbesserten Marktstellung durch hohe Wettbewerbsfähigkeit und die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Bauleistungen, die zu einer umfassenden Kundenzufriedenheit führen;



Der Entwicklung neuer marktfähiger Leistungen, die wettbewerbsfähig sind und mit gutem Ertrag vertrieben werden können;



Der Gestaltung optimierter Prozesse und der Entwicklung vielfältiger Innovationen zur Leistungserstellung mit wettbewerbsfähigen Leistungsinhalten;



Einer wesentlich verbesserten Produktivität im Baubetrieb, auf der Baustelle und im gesamten den Kunden dienenden Prozess von der Planung bis zur Nutzung; 333



Der Entstehung einer hohen Attraktivität für Mitarbeiter durch eine gute Marktstellung, Profitabilität, Zuwendung zum Kunden und nachfolgender wirksamen Bemühung zur Gestaltung von Arbeitsplätzen und laufender Fortbildung und Personalentwicklung. Diese fünf Bereiche zeigen die Auswirkungen der in den Kapiteln 3 bis 5 dargestellten Methoden, Instrumente und Verfahren. Sie stimmen überein mit den Messgrößen der Wertorientierung, wie sie eingangs dieser Arbeit vorgestellt worden sind (siehe Abb. 3.3), führen das Unternehmen ganzheitlich zu Business Excellence und sichern langfristig seine Wettbewerbsfähigkeit und seinen Markterfolg.

5.5

Die Wirkung der wertorientierten Unternehmensführung auf die Ansätze der Neuen Institutionen Ökonomik (NIÖ)

Die Ursache-Wirkungsbeziehungen der Marktorientierung als Teil der Wertorientierung haben als Maßstab für ihre Einflussintensität jene Anforderungen, die sich aus den drei Ansätzen der NIÖ ergeben. Die aus den Property-Rights-Ansatz, der Principal-Agent-Theorie und dem Transaktionskosten-Ansatz ausgehenden Forderungen zu einem kundenorientierten Verhalten werden jeder für sich durch die in Kapitel 3 und 4 dargestellten Instrumente und Methoden beeinflusst. Im Einzelnen wurde darauf hingewiesen. Die drei Ansätze der NIÖ beeinflussen sich zusätzlich gegenseitig und wirken aufeinander. Wenn z. B. die von vielen Kunden erlebte Informationsasymmetrie zu hoher Benachteiligung ihrer Ansprüche und als Schutz vor Benachteiligung zu einem hohem Transaktionsaufwand führen, würden sicher mittelfristig die aus dem Property-Rights-Ansatz abgeleiteten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Lasten der schlecht leistenden Leistungsanbieter verändert. Die wertorientierte Unternehmensführung durchbricht in ihrem Anstreben eines Leistungsniveaus des Business Excellence diese sich zunehmend für die Anbieter negativ entwickelnde Wirkungskette. Durch die Bereitstellung einer Bauleistung mit Null-Fehler-Qualität und hoher Kosteneffizienz entwickelt sich über eine fortdauernde Kundenzufriedenheit ein Vertrauen zwischen den Vertragspartnern, welches die Transaktionsbeziehungen zwischen ihnen zunehmend vereinfachen wird. Angebotsformen des Schlüsselfertigbaus und des Design-Build vermeiden Schnittstellen und bieten eine klare Risikoverteilung, die ungeteilt in der Verantwortung des Bauunternehmens liegt. Damit entfällt eine Fülle heute in Deutschland üblicher Transaktionsschritte. Diese ganzheitlich den Produktnutzen garantierende Angebotsform erleichtert den Informationsaustausch zwischen Principal und Agent außerordentlich, da die zu erfüllenden Leistungskriterien nicht mehr in der vom Kunden häufig nicht verstehbaren Fachsprache Bau mit detaillierten Leistungsverzeichnissen, sondern eher einer kaufmännisch geprägten Funktionalbeschreibung entstammen. Die Informationsasymmetrie verringert sich. Letztlich werden sich mittelfristig daraus auch einfachere Property-Rights entwickeln. Im Kundenbeziehungsmanagement entsprechend des Partnering-Modells zeigen sich z. B. im amerikanischen Baumarkt wesentlich einfachere, kostengünstigere und mehr Zufriedenheit

334

erzeugende Rechtsbeziehungen als in der in Deutschland allzu sehr auf Gegnerschaft basierenden Regeln der VOB, des BGB oder des Vergaberechts. Die hier dargestellten Konzepte lassen in sich verstärkender Wirkung eine Wertorientierung im Bauunternehmen entstehen und wirken umfassend auf die positive Gestaltung aller Ansätze der NIÖ. Die sich daraus entwickelnde optimale Austauschform unter den Vertragspartnern lässt eine wirkliche Marktorientierung entstehen, die durch die vorgelegten Konzepte mit Inhalt gefüllt wird. Allerdings werden gegenwärtig am deutschen Baumarkt die in dieser Arbeit beschriebenen Methoden und Instrumente als Einzelanwendung und in systemischer Bündelung völlig ungenügend genutzt. Während sie in anderen deutschen Industrien seit Jahren geübte Praxis sind, wurden im Baubereich z. B. kaum erste Erfahrungen mit Six Sigma, Lean Construction, SCM und Markenbildung gemacht. Demzufolge können Wirkungen durch die ganzheitliche Vernetzung und Zusammenführung aller in Abb. 5.7 genannten Konzepte nur ungenügend bisher am deutschen Baumarkt – im Gegensatz zu GB und den USA – festgestellt werden.

335

6. Marketing als Ausgangsbasis der wertorientierten Unternehmensführung im BtoB-Bereich des deutschen Baumarktes 6.1

Die Prüfung der Forschungshypothesen

Die Situation der deutschen Bauwirtschaft ist bedrohlich. Seit 1995 ist die Anzahl der Mitarbeiter halbiert worden, das Bauvolumen wesentlich geschrumpft und eine Vielzahl von Bauunternehmen durch Insolvenz aus dem Markt ausgeschieden. Die Nachhaltigkeit der Veränderung der Märkte wurde seitens der Führungskräfte am Baumarkt zumeist nicht vorhergesehen. Alternative Bauleistungen mit günstigerem Preis-Leistungsverhältnis wurden bisher ungenügend angeboten. Dem sinkenden Preisniveau für Bauleistungen konnte durch optimalere Produktionsverfahren und Leistungsangebote nicht ausreichend begegnet werden. Die in den Baubetrieben verbleibenden Mitarbeiter sehen sich zunehmend gezwungen ihre Verdienstansprüche zu mindern, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Die Eigenkapitalrentabilität der noch im Markt verbleibenden Betriebe reduziert sich fortlaufend. Eine das hohe Risiko im Projektgeschäft abdeckende Rendite wird seit Jahren nicht erreicht. Selbst im elften Jahr der seit 1995 sich entwickelnden Veränderung schreiben die vier größten deutschen Bauunternehmen in ihrem operativen Geschäft in Deutschland immer noch Verluste. Die Kunden sind in vielen Bereichen des Bauwesens mit den von Bauunternehmen bereitgestellten Leistungen unzufrieden. Sie zahlen immer noch in Deutschland höhere Preise als in den anderen Ländern und erhalten dennoch nur ein durchschnittliches Preis-Leistungsverhältnis. Das Image der anbietenden Bauunternehmen ist schlecht, Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern verrechtlichen sich zunehmend und die Streithäufigkeit steigt. Die staatlichen Reglementierungen nehmen für die Vergabe der angebotenen Bauleistungen ebenso wie für die darauf folgende Bauerstellung zu. Gleichzeitig erhöht sich neben dem Angebotsüberhang durch die EU-Osterweiterung der Wettbewerb durch das Hereinströmen von Arbeitskräften mit wesentlich geringeren Lohnansprüchen aus den MOE-Staaten. In dieser Arbeit sollte geklärt werden, ob es in einem solchen Szenario für die am Markt teilnehmenden Bauunternehmen Möglichkeiten und Verfahren gibt, sich aus diesen unbefriedigenden Zuständen zu befreien und entgegen der bisherigen Entwicklung zu Prosperität zu gelangen und Werte im Unternehmen zu schaffen. Dazu war ursprünglich beabsichtigt, einzelne am Baumarkt benutzte Lösungen explorativ in ihrer Wirkung zu betrachten, um weitere Ableitungen finden zu können. Versuche des Verfassers, ca. 30 größere deutsche Bauunternehmen über die in Kapitel 3 und 4 dargestellten Analyse- und Gestaltungselemente zu befragen, scheiterten. Bis auf wenige – in der Arbeit dargestellte – Einzelbeispiele wurden schriftliche Fragen und persönliches Nachfragen damit beantwortet, dass entsprechende Analysen unbekannt, nicht geeignet oder zu teuer für eine Nutzung wären und entsprechende Gestaltungselemente für die besondere Lage des Baubetriebes nicht nutzbar erscheinen.

337

Deshalb mussten sich die Bemühungen dieser Arbeit noch intensiver auf einen konzeptionellen Weg ausrichten. Die Forschung wurde so angelegt, dass aus der Betrachtung von Mangelzuständen am Baumarkt und daraus folgenden Ursache-Wirkungs-beziehungen über die Feststellungen in den Hypothesen konkret nutzbare Aussagen über empirische Erfahrungen in anderen Branchen oder aus anderen Ländern gefunden wurden, aus denen dann letztlich eine Konzeption für den deutschen Baumarkt vorgelegt werden konnte (vgl. Kromney, 2002, S. 87). Dazu erschien es besonders wichtig, die vermeintliche Sonderstellung des Baubereichs in der deutschen Volkswirtschaft zu überprüfen. Hierzu wurden in den Kapiteln 2.2, 3 und 4.1 ausführlich die Bestimmungskräfte und Wirkungen am Baumarkt analysiert mit dem Ergebnis, dass die Sonderstellung nicht besteht. Die in Kapitel 1.2 aufgestellten Forschungshypothesen wurden im Verlauf dieser Arbeit untersucht und geprüft, ob die darin behaupteten Ursache-Wirkungsbeziehungen zutreffend bestätigt oder ablehnend verworfen werden. Hier soll nun zusammenfassend ein Überblick dargestellt werden.

Hypothese Nr. 1

2

3

338

Text

Bestätigungsgrad

Bearbeitet im Kapitel 2.1 2.2 3 4.11

Wenn die Neue Institutionen Ökonomik (NIÖ) und das Marketing mit Ihren Erklärungsmustern über die Austauschbeziehungen der Marktteilnehmer und der Gestaltung von Leistungsinhalten auch für die Bereiche der Bauwirtschaft gelten, dann bieten die wissenschaftlichen Erkenntnisse der BWL wesentliche Ansätze zur Unternehmensentwicklung im Baubereich und ist das Marketing zentrales Leitbild hierfür.

Eine Sonderstellung der Bauwirtschaft gibt es insoweit nicht, als die Erkenntnisse der BWL

Wenn Wertorientierung bestimmend für eine langfristige Existenz eines Unternehmens und damit Ziel der Unternehmensführung zur Befriedigung aller Anspruchsgruppen ist, dann ist dieses nur durch eine sich gegenseitig bedingende

3

und vom Marketing gesteuerte Orientierung zum Markt mit gleichzeitiger Gestaltung der die Marktleistung erzeugenden Ressourcen zu erreichen.

Wertorientierung ist ein umfassender Maßstab nachhaltig erfolgreicher Unternehmensführung für verschiedene Anspruchsgruppen. Erreicht wird sie nur, wenn gleichzeitig die vom Markt kommenden Anforderungen in Übereinstimmung gebracht werden mit den im Unternehmen vorhandenen Ressourcen. Marketing übernimmt dabei eine wesentliche Steuerung dieser beiden Aspekte.

Wenn die wertorientierte Unternehmensführung sich als geeignet erweist zur Entwicklung eines Unternehmens auf ein höheres Leistungsniveau,

Die Analyse der Entwicklungen in schrumpfenden Märkten zeigt Ursachen, deren Wirkungen mit den Instrumenten und Methoden

dann wird sie auch ein weit über die Inhalte der Baubetriebslehre hinausgehendes geeignetes Instrument sein, Bauunternehmen auch im schrumpfenden Markt zu einem nachhaltig guten Ertragsniveau zu verhelfen.

der BWL – die weit über die BBL hinausgehen – umfassend beeinflusst und verändert werden können.

2.3.4 2.4 3.2.1.4 3.2.1.5 3.2.1.6

und des Marketings umfassend für ihre Abläufe und Ursache-/ Wirkungsbeziehungen wirken. Die Forschungsansätze der NIÖ gelten uneingeschränkt und bieten eine Fülle von Erklärungsmustern für Gestaltungen am Baumarkt.

4

Wenn die Ansätze der NIÖ als Beschreibungsmuster für die aktuell wirkenden Abhängigkeiten und Zustände am deutschen BtoB-Baumarkt zutreffen, dann weisen diese drei Ansätze auch Gestaltungsmöglichkeiten zur wesentlichen Verbesserung von Marktleistungen und Marktlage des einzelnen Bauunternehmens.

Die Ansätze der NIÖ sind gültig für die Geschehnisse und Beziehungen am Baumarkt. Daraus folgen Anforderungen an die Gestaltung von Geschäftsprozessen. Die erarbeiteten Gestaltungsempfehlungen wiederum wirken direkt auf eine Wertorientierung.

2.2.3 2.2.4 4

5

Wenn die Bereiche der Marktorientierung nicht zusammen und gleichgewichtig mit den auf sie wirkenden Instrumenten der Ressourcengestaltung spezifisch für den Baubereich adaptiert und genutzt werden, wird die Wertorientierung im Bauunternehmen nur eingeschränkt wirken.

Wertorientierung beginnt mit Ausrichtung auf den Markt. Das Marketing allein reicht – insbesondere bei der schlechten Ressourcengestaltung in deutschen Baubetrieben 2006 – nicht, um nachhaltig Werte entstehen zu lassen. Die Marktorientierung muss direkt auf die Entwicklung und Gestaltung der Ressourcen wirken, um diese entsprechend den Markt- und Ertragserfordernissen zu bilden

3.1 3.2 4.1.1.5 4.1.2 4.2

6

Wenn in anderen Industrien Instrumente zur Markt- und Ressourcenorientierung entwickelt wurden und sich als wertentstehend erwiesen haben, dann sind diese Instrumente auch geeignet zur nachhaltigen Wertentstehung im Bauunternehmen.

Instrumente zur Markt- und Ressourcenorientierung konnten für den deutschen Baumarkt nur ungenügend gefunden werden. Deshalb wurde eine Vielzahl von Beispielen aus ande-

4 5

7

Wenn sich infolge der jahrelang schrumpfenden Nachfrage und mangelnden Leistung der anbietenden Bauunternehmen starke Defizite in der Wertentstehung zeigen, dann ist zur Änderung dieses Missstandes nur eine grundsätzlich neue, langfristig ausgerichtete Veränderung der Unternehmensführung geeignet.

Defizite in der Wertentstehung haben viele Ursachen, die dargelegt wurden. Das Verändern einzelner Ursache-Wirkungsbeziehungen wirkt kaum auf die Missstände. Die Veränderung muss erkannt und angenommen werden und kann nur über ein ganzheitliches langfristig zu strukturierendes systemisch wirkendes Konzept neuer Gestaltungselemente zur Wertorientierung führen.

3.2.1 4.1.1 4.2 5.1 5.2

8

Wenn die Elemente der Wertorientierung in einer systemisch wirkenden Gesamtheit gestaltet wer-

Da die einzelnen Bereiche der wertorientierten Unternehmensführung sich gegenseitig bedingen, fördern oder behindern, ist zur Ausrichtung auf ein angestrebtes Niveau eine systemische Verknüpfung nötig. Erst diese Gleichrichtung ermöglicht eine Fortentwicklung.

4.2 4.2.5

den, dann ist eine Unternehmensentwicklung zu einem besonders hohen Leistungsniveau möglich.

ren Industrien erläutert und ihre Umsetzung auf das Baugeschehen explorativ vorgestellt. Dazu wurden Nachweise von Anwendungen in internationalen Baumärkten vorgestellt.

5

Mit der Vorlage der Arbeit und der Beurteilung der Forschungshypothesen können nun die in Kapitel 1.2 beschriebenen drei Hauptziele beurteilt werden. Erstmals wurden unter Nutzung eines wissenschaftlichen Instrumentariums außerhalb der BBL umfassend die Einflussfaktoren dargestellt, denen sich ein Bauunternehmen im BtoBBereich am Markt, zu seinen Kunden und zum Wettbewerb gegenübersieht. Damit wurden Ursache-Wirkungsbeziehungen erkennbar, die in den Unternehmensführungen bis ins Jahr 339

2006 bisher zumeist nicht gesehen wurden. Somit ist die Grundlage gegeben zur Entwicklung und Gestaltung einer Wertorientierung am Baumarkt. Die Umsetzung einer Marktorientierung mit der Gestaltung durch Instrumente des Marketings, speziell auf Baubetriebe adaptiert, zeigt Wege zur wesentlichen Verbesserung der Markt- bzw. Kundenversorgung und verändert nachhaltig bisher beklagte UrsacheWirkungsbeziehungen. Sie führt – vom Marketing angestoßen – zu Bemühungen, die Entwicklung und Gestaltung der im Betrieb genutzten Ressourcen völlig zu verändern. Maßstab sind die vorherige Analyse und Anregungen aus anderen Industrien oder aus anderen Ländern. Letztlich werden mit der Vorstellung der wichtigsten Gebiete der Markt- und Ressourcenorientierung die wesentlichen Bausteine eines ganzheitlichen Führungskonzeptes vorgestellt und ihre Wirksamkeit in vielen Details nachgewiesen. Die in einer systemischen Vernetzung wirkenden Elemente des TQM zeigen die Kraft einer gleichzeitigen Ausrichtung auf die Wertorientierung. Ein solches Führungskonzept ist wirkungsvoll, mit einer BSC steuerbar und mit den dargestellten Systemen des EFQM oder Six Sigma nachhaltig zu optimieren, ohne sich der Gefahr der Vernachlässigung wichtiger Teilbereiche auszusetzen. Mit der Darlegung der wichtigsten Aufgabenfelder der wertorientierten Führung und ihrer Beeinflussungsgrößen, der Analyse ihre Ursache-Wirkungsbeziehungen und der Bewertung bzw. des Nachweises ihrer Wirksamkeit auf die Problembereiche, deren sich Bauunternehmen im deutschen Baumarkt gegenüberstehen, wurde ein geschlossenes Führungskonzept vorgestellt, das bereit ist, sich umfassend einer empirischen Überprüfung zu stellen. 6.2

Weiterer Forschungs- und Gestaltungsbedarf

Die vorgelegte Arbeit stellt nach Wissen des Verfassers erstmals eine grundlegende detaillierte Analyse der Missverhältnisse am Baumarkt vor mit den sich daraus ergebenden UrsacheWirkungsbeziehungen für die darin tätigen Unternehmen. Die erläuterten Gestaltungselemente werden zumeist explorativ aus anderen Industrien oder aus ausländischen Erfahrungen abgeleitet. Hieraus ergeben sich explizit wichtige weitere Forschungs- und Gestaltungsschwerpunkte: 1. Die Politik hat in den letzten elf Jahren einen – neben der Textilindustrie – beispiellosen Niedergang einer Branche mit dem Abbau von ca. 1,5 Mio. Arbeitsplätzen (inkl. aller abhängigen Bereiche) hingenommen. Es wäre wichtig, in umfassender Breite und Tiefe die Analyse dieser Arbeit fortzuführen und makroökonomisch entsprechend des Egan-Reports und des EU-Atkins-Reports Ansprüche und Herausforderungen an die Wirtschaftspolitik zu formulieren, die Maßstäbe zur Prosperität dieser immer noch wichtigen Branche der Volkswirtschaft sein können. 2. Die unzureichende Markt- und Ressourcenorientierung erfordert in den Bauunternehmen grundlegend andere Führungsinstrumente. Hier könnten Verbände, Forschungseinrichtungen und Universitäten aktiv werden, um die Wirkung der in dieser Arbeit

340

explorativ vorgestellten Methoden und Instrumente viel umfassender zu untersuchen und zu messen, auch um weitergehende Gestaltungsempfehlungen vorlegen zu können. 3. Der Baumarkt ist außerordentlich geprägt von seit Jahrzehnten gewohnten Abläufen unter den Marktteilnehmern. Eine Nutzung der Erfahrungen aus anderen Ländern wird außerordentlich erschwert – nicht zuletzt durch die abgeschotteten nationalen Baumärkte (Normen, Arbeitsrecht, Bauen am Nutzungsort). Hier müssten die wichtigsten Marktteilnehmer prüfen, wie ndere Rahmenbedingungen bei gleichem Wettbewerb zu niedrigeren Kosten und besserer Kundenversorgung führen könnten. 4. Die extreme Ertragsschwäche der deutschen Bauunternehmen hat zu sehr niedrigen Kapitalisierungen der Betriebe geführt. Ausländische Baubetriebe – dank prosperierender Baukonjunktur gut verdienend – können leicht mit geringen Mitteln das Herz einer Branche kaufen, die dann wesentlich von externen Bestimmungsfaktoren geleitet würde. Außerordentlicher dringlicher Gestaltungsbedarf zeigt sich deshalb in der Ressourcenorientierung in den Baubetrieben. Die Durchdringung der UrsacheWirkungsbeziehungen in der betrieblichen Wertschöpfung mit nachfolgender Gestaltung der Ressourcen entsprechend der hier vorgestellten Leitlinien ermöglicht einerseits eine dringend nötige empirische Überprüfung der in dieser Arbeit explorativ vorgestellten Lösungen und wird sicher andererseits zur nachhaltigen Wertorientierung führen. 5. Die Ausbildung des Führungspersonals in Bauunternehmen ist einseitig und unzureichend. Der Schwerpunkt liegt in technologischen Fertigkeiten, die häufig die systemischen Wirkungen in Prozessen und die psychosozialen Verknüpfungen zu den Mitarbeitern ignorieren. Hier sind neue Bewertungen zu erarbeiten und Wirkungsmechanismen zu erforschen, um eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Baufachleute zu erreichen. Die Veränderungen des Baumarktes in Deutschland waren seit 1995 bis 2006 im Wesentlichen von einer Marktschrumpfung geprägt. Diese war nur teilweise begleitet von qualitativ höheren Anforderungen der Kunden. Andere Märkte (Auto, Elektronik, Chemie) zeichnen sich zu Beginn des dritten Jahrtausends durch grundsätzlich qualitative umwälzende Marktveränderungen aus wie z. B. jährliche Produktivitätsfortschritte um mehr als 10 %, umfassende Globalisierung mit massiven Preissenkungen und völlig neuartige Wertschöpfungsketten. Dieses wird sicher auch bald auf den Baumarkt einwirken. Bisher haben sich die Bauunternehmen in Deutschland schon auf die erste Stufe der Veränderung (in der Marktschrumpfung) ungenügend eingestellt. Es bleibt deshalb zu wünschen, dass weitergehende Forschungen und abgesicherte überzeugende Gestaltungsempfehlungen der Wertorientierung die Führungskräfte in den Bauunternehmen veranlassen, grundlegende Änderungen herbeizuführen mit dem Ziel nachhaltiger Kundenzufriedenheit, Wettbewerbsfähigkeit und Prosperität.

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