Wertorientiertes Supply Chain Management: Stretegien zur Mehrung und Messung des Unternehmenswertes durch SCM [Andreas Sennheiser, Matthias J. Schnetzler, 1 ed.] 3540745300, 9783540745303 [PDF]

Supply Chain Management (SCM) kann mittels der Werttreiber, hoher Umsatz, niedriger Kapitaleinsatz und geringe operation

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German Pages 450 [461] Year 2008

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Table of contents :
Front Matter....Pages I-XVIII
Supply Chain Management – eine Einleitung....Pages 1-22
Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM....Pages 23-59
Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)....Pages 61-180
Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management....Pages 181-286
Strategieorientierung: Strategisches SCM....Pages 287-349
Fallstudien....Pages 351-381
Back Matter....Pages 383-449
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Wertorientiertes Supply Chain Management: Stretegien zur Mehrung und Messung des Unternehmenswertes durch SCM [Andreas Sennheiser, Matthias J. Schnetzler, 1 ed.]
 3540745300, 9783540745303 [PDF]

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Zitiervorschau

Wertorientiertes Supply Chain Management

Andreas Sennheiser ∙ Matthias Schnetzler † Editors

Wertorientiertes Supply Chain Management Strategien zur Mehrung und Messung des Unternehmenswertes durch SCM Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Paul Schönsleben und Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl

Mit 133 Abbildungen und 16 Tabellen

123

Dr. Andreas Sennheiser Hilti Corporation Feldkirchstraße 100 9494 Schaan Liechtenstein [email protected]

ISBN 978-3-540-74530-3

Dr. Matthias Schnetzler †

e-ISBN 978-3-540-74531-0

DOI 10.1007/978-3-540-74531-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.com

Jene, die die Praxis ohne Wissenschaft vorziehen, sind wie Schiffer, die ohne Steuerruder und ohne Kompass zu Schiffe gehen, sie sind nie sicher, wohin sie gelangen. Die Praxis soll stets auf gute Theorie aufgebaut sein. Leonardo da Vinci

Lieber Matthias, in unzähligen, spannenden und lustigen Stunden haben wir zusammen dieses Buch geschrieben. Dein Herzblut steckt in jeder Zeile dieses Werks und dein Wissen sowie deine Persönlichkeit haben mich maßgeblich in den letzten sieben Jahren geprägt. Deine Gedanken sind unsterblich, auch wenn du dieses Buch niemals selber in den Händen halten kannst. Du warst ein Freund, ein Vorbild, ein wundervoller Mensch. Ich danke dir dafür, denn in meinem Herzen lebst du weiter. Dein Andreas

Geleitwort

Die dramatischen Veränderungen in der produzierenden Industrie sind seit Beginn der 1990er Jahre nicht zum Stillstand gekommen. Die Globalisierung der Wirtschaft ist mittlerweile Realität. Junge aggressive Industrienationen streben mit Billigimporten in scheinbar unangreifbare Märkte. Immer drängender stellt sich die Frage nach den Überlebensstrategien für die Produktionsunternehmen, die in Hochlohnländern beheimatet sind. Neben einer überlegenen Funktionalität ihrer Produkte, der technologischen Exzellenz und einem produktintegrierten Service ist eine Erfolg versprechende Strategie die zuverlässige Beherrschung der Lieferketten. Die Autoren greifen den letztgenannten Ansatz unter dem Begriff Supply Chain Management (SCM) auf, erweitern ihn aber unter dem Gesichtspunkt der Wertsteigerung für das Unternehmen. Damit heben sie SCM deutlich über die noch vielfach zu beobachtende Auffassung als eine reine Dienstleistungsfunktion hinaus. Sie machen deutlich, dass erhebliche kundenseitige Potenziale in der Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität liegen, während die unternehmensseitigen Potenziale aus dem Umlaufvermögen, dem Kostenmanagement, den Materialflusskosten und den Informationsflusskosten zu schöpfen sind. Aus diesem Grundverständnis entfalten die Autoren einen Bezugsrahmen des SCM mit einer normativen, strategischen und operationellen Ebene, die zueinander durch Rückschleifen im Sinne eines ständigen Lernprozesses zueinander in Beziehung stehen. Als Ziel des SCM gilt die Wertsteigerung, Leistungssteigerung und Strategieorientierung im Sinne der Potenzialerschließung. Die Autoren beschränken sich aber nicht auf die zunächst allgemeinen strukturellen Überlegungen, sondern konkretisieren jeden der Teilaspekte in erfreulicher Detaillierung. Ausgehend vom Begriff des Unternehmenswertes zeigen sie auf, wie durch die Logistik-Werttreiber hoher Umsatz, tiefer Kapitaleinsatz und tiefe operationelle Kosten dessen Steigerung bewirkt wird. Als logische Reihenfolge ergeben sich daraus

X

Geleitwort

die Zielbereiche der SCM mit den Begriffen Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Investitionen und operationelle Kosten. Jeder dieser Begriffe wird auf die Grundprozesse Beschaffung, Produktion und Distribution projiziert und anschließend nach den Produktionsfaktoren Material, Information und Kapazitäten weiter untergliedert. Im Sinne eines Performance Management entwickeln die Autoren dann widerspruchsfreie Leistungsgrößen für die Einzelprozesse und stellen ihnen jeweils Lösungsansätze gegenüber. Die damit definierten Kennzahlen werden dann in den Regelkreis des operationellen Performance Managements eingebunden. Bei der Anwendung dieser Kennzahlen stellt sich immer die Frage, inwieweit sie denn „gut“ oder „schlecht“ im Sinne der Wertsteigerung und der Wettbewerbsposition sind. Hierzu hat sich vielfach das Benchmarking bewährt, mit dessen Hilfe sich ähnliche Unternehmen vergleichen. Das Problem besteht in der Definition der Ähnlichkeit. Hier schlagen die Autoren einen Merkmalskatalog vor, der nach Auftragstypen gegliedert ist und durch umfangreiche Befragungen abgesichert wurde. Jedem der Auftragstypen ordnen sie eine Kennzahlenempfehlung zu und geben damit wertvolle Hinweise nicht nur für die Auswahl von BenchmarkingPartnern, sondern auch für eine sinnvolle Anzahl von Spitzenkennzahlen für das eigene Unternehmen. Abschließend beschreiben die Autoren die Entwicklung und Umsetzung einer Supply Chain Strategie und verknüpfen diese einerseits mit der Unternehmensstrategie, der Unternehmenssituation sowie der Stellung im Wertschöpfungsnetzwerk und andererseits mit dem zuvor entfalteten normativen und operationellen SCM. Ein gut strukturierter Vorgehensplan unterstützt diesen Prozess in vorbildlicher Weise. Seine Ergänzung findet er in zwei sorgfältig dokumentierten Fallstudien. Hervorzuheben ist schließlich die als Anhang gestaltete Sammlung von Best Practices, die den Leser in konzentrierter Form mit den Grundgedanken der jeweiligen Methode vertraut macht und die Beziehung zu den vorher entwickelten Leistungskennzahlen herstellt. Insgesamt stellt das Buch eine systematische und praxisnahe Einführung in das Thema Logistikmanagement dar, gibt konkrete Anregungen für ein logistisches Kennzahlensystem und enthält eine ausführliche Literaturübersicht der jeweiligen Teilthemen. Damit wird es zu einem Leitfaden und einer Fundgrube für alle an der Logistik Interessierten, seien es Praktiker, Studierende oder in der Forschung Tätige. Wir wünschen dem Buch weite Verbreitung und eine interessierte Leserschaft. Zürich und Hannover, im Juli 2007 Prof. Dr. Paul Schönsleben und Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl

Vorwort

1.1

Für wen ist dieses Buch gedacht?

Welches ist der Wertbeitrag von Logistik und Supply Chain Management (SCM) im Unternehmen? Wie kann die Logistik-/SCM-Leistung gemessen, verglichen und verbessert werden? Wie können Supply ChainStrategien entwickelt und mittels strategischer SCM-Projekte und Verbesserungsmaßnahmen operationalisiert werden, so dass diese die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie optimal unterstützen? Welche Konzepte, Best Practices, Methoden und Techniken des SCM und der Logistik sollen eingesetzt werden, um die Potenziale des SCM zu heben? Das Buch möchte Ihnen helfen, diese Fragen zu beantworten, denn SCM spielt eine bedeutende Rolle für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Daher soll das „M“ im Wort „SCM“, also das Management, entsprechend konsequent wahrgenommen und „SC“, die Supply Chain, als wertvolle Ressource betrachtet werden. Das vorliegende Werk ist ein Versuch, das zum Teil recht abstrakt behandelte Thema des SCM von einer praxisorientierten Sichtweise her zu beleuchten, ohne die angebrachte theoretische Tiefe zu verlieren. Wir möchten daher Leserinnen und Leser ansprechen, die nicht ganz unerfahren im Bereich der Logistik sind, in ihrem Unternehmen aber eine wachsende Bedeutung der Logistik erkennen und Ideen zur optimalen Ausrichtung des SCM suchen. Das Buch richtet sich daher an Verantwortliche, Projektleiter und -mitarbeiter aus den Bereichen SCM, Logistik, Beschaffung und Operations, aber auch an Wissenschafter, Berater und Studierende. Wir möchten mit diesem Buch Ideen und Anstöße geben, wie SCM einen entscheidenden Mehrwert zu generieren vermag und wie das Potenzial von SCM auch fachfremden Personen im Unternehmen veranschaulicht werden kann. Dafür ist tiefes Fachwissen ebenso wichtig wie

XII

Vorwort

eine managementorientierte Sprache in der Vermittlung der Zusammenhänge. Die Beispiele und theoretischen Ausführungen in diesem Buch können helfen, diesen Spagat erfolgreich zu meistern und SCM als Wert mehrende Tätigkeit im Unternehmen zu verankern.

1.2

Was enthält dieses Buch?

Es gibt theoretische Abschnitte, praxisorientierte Theorie und auch Praxisbeispiele über die verschiedenen Kapitel verteilt. Um Ihnen das Lesen zu erleichtern sind im Kurzinhaltsverzeichnis jene Abschnitte, welche das jeweilige Thema theoretisch behandeln mit „Theorie“ markiert. Praxisorientierte Theorie ist in den Kapiteln mit der Markierung „Praxis/Theorie“ gekennzeichnet. Die Fallstudien im letzten Teil dieses Buches markieren den Praxisteil und sind mit „Praxis“ gekennzeichnet. Die folgende Tabelle soll Ihnen einen Überblick geben. Kurzinhaltsverzeichnis Kapitel

Fragestellung und Stichworte

Theorie/ Praxis

1. Supply Chain Management – eine Einleitung

Was ist SCM? Welche Ziele werden verfolgt? Welches sind die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit? SCM, Logistik, Wettbewerbsvorteile, integriertes SCM

Theorie

2. Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Welches ist der Wertbeitrag von Logistik und Praxis/ Supply Chain Management (SCM) im Theorie Unternehmen? Theorie Economic Value Added (EVA) Ursache und Wirkungen, Axiomatic Design

3. Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Wie können systematisch Ziele und Mittel von SCM miteinander in Beziehung gesetzt und operationalisiert werden? Ziel-Mittel-System von SCM, Best Practices, Konzepte, Methoden, Techniken des SCM

Praxis/ Theorie

4. Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Wie kann die Logistik-/SCM-Leistung gemessen, verglichen und verbessert werden? Kennzahlen, Benchmarking, Best Practices

Praxis/ Theorie

Vorwort

XIII

Kurzinhaltsverzeichnis Fortsetzung 5. Strategieorientierung: Strategisches SCM

Wie können Supply Chain-Strategien entwi- Theorie ckelt werden, welche die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie optimal unterstützen? Supply Chain-Strategien, Erfolgspotenziale, Praxis/ Entwicklung und Operationalisierung von Theorie Supply Chain-Strategien Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien, Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

6. Fallstudien

Wie kann die Anwendung der Methodik exemplarisch veranschaulicht werden? Fallstudien zum Benchmarking und zur Anwendung der SCVD

1.3

Praxis

Wie ist dieses Buch entstanden?

Dieses Buch ist das Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit beider Autoren am ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI). Die Basis dieses Werkes waren zwei Dissertationen, in deren Ausarbeitung Beratungsmandate, Forschungsprojekte und Diplomarbeiten eingegangen sind. Zusätzlich ist die Erfahrung von einigen Jahren Beratungs- und Praxistätigkeit mit eingeflossen. Die vorliegende Arbeit entstand im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt ProdChain „Development of a decision support methodology to improve logistics performance of globally acting production networks“. ProdChain ist ein EU-gefördertes, internationales Forschungsprojekt im „Information, Technology and Society (IST)“-Programm (IST-2000-61205) mit einer Laufzeit von März 2002 bis September 2004 unter Beteiligung von acht Industriepartnern aus der Schweiz, aus Deutschland, Italien, Spanien und Holland, sowie drei Forschungsinstituten (BWI ETH Zürich, FIR RWTH Aachen und ITIA-CNR Milano) bei einem Projektvolumen von 5.81 Mio. Euro. Zudem wurde mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA) eine Kooperation durchgeführt. Das Ziel von ProdChain war die Entwicklung einer Entscheidungsunterstützung („Toolbox“) zur Verbesserung der Logistikleistung in Wertschöpfungsnetzwerken. Wer hat zu diesem Buch beigetragen? Die Arbeit war nur dank der Unterstützung vieler Menschen möglich. Bei ihnen möchten wir uns bedanken. Unser herzlicher Dank gilt unserem

XIV

Vorwort

Doktorvater Prof. Dr. Paul Schönsleben vom Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI) der ETH Zürich sowie Prof. Dr.-Ing. E.h. mult. Dr. sc. h.c. Dr.-Ing. Hans-Peter Wiendahl, Institutsleiter a.D. des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik IFA der Universität Hannover, für Ihre Unterstützung der Dissertationen und des Buchprojekts. Wir danken Prof. Dr. Roman Boutellier, ETH Zürich, für das eine Korreferat. Großer Dank gebührt auch allen Partnern und Unterstützern des ProdChain-Projekts für die wertvolle Zusammenarbeit, den Fallstudienpartnern Sennheiser electonic und Sigpack Systems sowie Dipl.-Ing. Uwe Vogt (Lehrstuhl für Fertigungstechnologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) für die Grundlagen, die er im Rahmen seiner Diplomarbeit geschaffen hat. Unseren Kollegen vom BWI der ETH Zürich danken wir für die zahlreichen interessanten Gespräche und die freundschaftliche Zusammenarbeit. Dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn Thomas Lehnert und Frau Ulrike Butz, danken wir vielmals für die Ermöglichung der Publikation. Zu ganz besonderem Dank sind wir unseren Angehörigen für ihre Unterstützung verpflichtet. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Buches und hoffen, dass es Sie zu noch besseren Ideen inspiriert! Chur und Zürich, Juli 2007 Dr. Andreas Sennheiser und Dr. Matthias J. Schnetzler PS: Ist dieses Buch wissenschaftlich? Ein Hinweis in Sachen „Wissenschaftlichkeit“: Da sich das Buch in erster Linie an interessierte Praktiker richtet, wurde für eine bessere Lesbarkeit auf Fußnoten und Quellenangaben im Text verzichtet. Am Ende der Kapitel sind jedoch die Quellen und weiterführende Literatur angegeben. Weiter sei hier auf die beiden Dissertationen verwiesen: Sennheiser, A. (2004): Determinant-based selection of benchmarking partners and performance indicators. Dissertation ETH Zürich. Schnetzler, M. (2005): Kohärente Strategien im Supply Chain Management – eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien. Dissertation ETH Zürich.

Inhaltsverzeichnis

1

2

3

Supply Chain Management – eine Einleitung ............................. 1.1 Einleitung ............................................................................... 1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik? ... 1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?............... 1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource: Integriertes SCM und Controlling ....................................... 1.5 Ausblick auf die folgenden Kapitel ......................................

1 1 2 7 12 18

Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM ........................................................................................ 2.1 Der Wert von SCM ................................................................ 2.1.1 EVA ............................................................................. 2.1.2 Logistikleistung und EVA ......................................... 2.1.3 Warum Ursachen von Wirkungen unterscheiden? ........................................................... 2.1.4 Methoden und Modelle zur Ursachenund Wirkungs-Analyse ............................................. 2.1.5 Zusammenfassung..................................................... 2.2 Axiomatic Design .................................................................. 2.2.1 Axiome und Design-Matrizen .................................. 2.2.2 Dekomposition und Designprozess......................... 2.2.3 Zusammenfassung und Ausblick .............................

40 46 46 46 54 56

Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) ................... 3.1 Aufbau der SCVD .................................................................. 3.1.1 Einleitung: Zweck der SCVD und Überblick........... 3.1.2 Strategisches SCM...................................................... 3.1.3 Qualität .......................................................................

61 61 61 65 71

23 23 29 32 37

XVI

Inhaltsverzeichnis

3.1.4 Lieferzuverlässigkeit.................................................. 3.1.5 Lieferdurchlaufzeit .................................................... 3.1.6 Flexibilität................................................................... 3.1.7 Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen) ...... 3.1.8 Operationelle Kosten................................................. 3.2 Die SCVD im Detail............................................................... 3.2.1 Strategisches SCM (FR-1) ......................................... 3.2.2 Qualität (FR-Q) .......................................................... 3.2.3 Lieferzuverlässigkeit (FR-R)..................................... 3.2.4 Lieferdurchlaufzeit (FR-L)........................................ 3.2.5 Flexibilität (FR-F) ...................................................... 3.2.6 Investitionen (FR-A) ................................................. 3.2.7 Operationelle Kosten (FR-C).................................... 4

5

Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management..................................................................................... 4.1 Einführung ............................................................................. 4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management .......................................................................... 4.2.1 Auswahl von Kennzahlen im Unternehmen........... 4.2.2 Erweiterung der SCVD .............................................. 4.2.3 Kennzahlwerte und deren Interpretation ............... 4.2.4 Benchmarking als Prozess zur kontinuierlichen Verbesserung ............................................................. 4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern................................................. 4.3.1 Determinanten basiertes Benchmarking................. 4.3.2 Identifizierung von Benchmarkingpartnern und Kennzahlen......................................................... 4.3.3 Kritische Beurteilung der Zuordnung Kennzahlen zu den Typen ........................................ 4.3.4 Anwendung von Best Practices mit der SCVD ....... 4.4 Differenzierung zum strategischen Performance Management .......................................................................... Strategieorientierung: Strategisches SCM................................... 5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale ................................................................... 5.1.1 Strategien in Unternehmen ...................................... 5.1.2 Supply Chain-Strategie .............................................

73 76 78 79 81 83 83 86 95 117 135 142 155

181 182 188 195 196 218 222 251 251 266 276 277 283 287 287 288 289

Inhaltsverzeichnis

5.1.3 Logistische Erfolgspotenziale und SCM-Fähigkeiten................................................ 5.1.4 Effizienz, Effektivität und strategische Prioritäten .................................................................. 5.1.5 Eingangsgrößen einer Supply Chain-Strategie ....... 5.1.6 Strategien entwickeln ................................................ 5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung von Supply Chain-Strategien ............ 5.2.1 Strategieentwicklung als Operationalisierung von Zielen und Mitteln.............................................. 5.2.2 Beeinflussungen: potenzielle Zielkonflikte und Synergieeffekte ................................................... 5.2.3 Implementierung ....................................................... 5.2.4 Fallbeispiel Dell.......................................................... 5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien................................................ 5.3.1 Bausteine der Methodik ............................................ 5.3.2 „Intelligence“-Phase .................................................. 5.3.3 „Design“-Phase .......................................................... 5.3.4 „Choice“-Phase .......................................................... 5.3.5 „Implementation/Review“-Phase............................. 5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik.......................... 5.4.1 Strategische SCM-Projekte initiieren und umsetzen ............................................................. 5.4.2 Verbesserungspotenziale erschließen...................... 5.4.3 Supply Chain Due Dilligence .................................... 5.4.4 Supply Chain-Segmentierung................................... 5.4.5 Erfolgreich IT einsetzen ............................................ 5.4.6 Ausblick: Nachhaltige Unternehmensentwicklung ...................................... 6

Fallstudien ........................................................................................ 6.1 Einleitung ............................................................................... 6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic....... 6.3 Fallstudie II: Benchmarking bei Sigpack Systems .............. 6.4 Vergleich der Fallstudien I und II zum Benchmarking ..... 6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic ...................................................... 6.5.1 Handlungsbedarf ....................................................... 6.5.2 Entwicklung und Implementierung der Supply Chain-Strategie .......................................

XVII

292 295 297 298 300 301 303 306 308 312 312 315 323 330 333 338 340 341 342 343 345 347 351 351 353 360 365 367 367 368

XVIII Inhaltsverzeichnis

6.5.3 Ergebnisse und Erfahrungen .................................... 6.5.4 Zusammenfassung..................................................... 6.6 Schlussbetrachtung zu den Fallstudien...............................

376 379 380

Anhang ......................................................................................................

383

Index ..........................................................................................................

445

1

Supply Chain Management – eine Einleitung

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. Chinesisches Sprichwort

1.1

Einleitung

Dieses Kapitel hat zum Ziel, das Thema Supply Chain Management (SCM) einzuleiten und einen kurzen Überblick über die weiteren Kapitel zu geben. In Abs. 1.2 wird auf den Begriff SCM und dessen Abgrenzung zu Logistik eingegangen. Was möchten wir in diesem Buch unter dem begriff „SCM“ verstehen? Wie hat sich SCM aus der unternehmensinternen Logistik entwickelt? Welche Trends stehen hinter dieser Entwicklung? Im Zentrum von Abs. 1.3 steht die Frage, warum SCM ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Es werden die Zielbereiche von SCM erläutert und wie diese mit Markt- und Kundenanforderungen im Zusammenhang stehen. Hinzu kommen auch Zielbereiche der Kooperation. Einige interessante Ergebnisse aus Unternehmensbefragungen unterstreichen die Bedeutung von SCM für den Unternehmenserfolg. Wenn die Wertschöpfungskette eine wertvolle Ressource darstellt, muss das Management konsequent wahrgenommen werden. Dies ist Thema in Abs. 1.4, wo ein integriertes SCM-Modell vorgestellt wird, das Aktivitäten auf normativer, strategischer und operationeller Ebene einordnet und auf diese Weise einen Bezugsrahmen schafft. Damit ein Unternehmen einen Teil seines Erfolgs aus dem SCM schöpfen kann, muss es sicherstellen, dass die richtigen Werte verankert, die richtige Strategie und die richtigen Maßnahmen umgesetzt werden. In Abs. 1.5 werden im Überblick einige aktuelle Entwicklungen und Trends diskutiert. Die daraus resultierenden Herausforderungen werden in den folgenden Kapiteln aufgegriffen und leiten durch das Buch: Die SCM-Aktivitäten müssen danach ausgerichtet

2

1 Supply Chain Management – eine Einleitung

werden, dass sie zum Unternehmenswert beitragen (Wertorientierung), die SCM-Leistung muss gemessen und systematisch verbessert werden (Leistungsorientierung) und Supply Chain-Strategien müssen konsequent entwickelt und umgesetzt werden (Strategieorientierung). Durch die Befolgung dieser Schritte kann sichergestellt werden, dass die Potenziale von SCM ausgeschöpft werden und es zum Unternehmenserfolg beiträgt.

1.2

Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik?

Verehrte Leserin, verehrter Leser, wo steht Ihr Unternehmen hinsichtlich SCM? Dieses Kapitel soll Ihnen dabei helfen, eine grobe Selbsteinschätzung über den Entwicklungsstand des Logistikmanagements in Ihrem Unternehmen vorzunehmen. Ebenso möchten wir Ihnen die Frage stellen, wo mittel- und langfristig die Bedeutung von SCM in Ihrem Unternehmen stehen soll? Überlegen Sie sich, welchen Schwerpunkt die betriebliche Realität in Ihrem Unternehmen und Supply Chain hat und welcher Verständnisgrad zum Thema SCM in Ihrem Unternehmen vorhanden ist! Die Frage, was SCM von der klassischen Logistik unterscheidet, ist sicherlich ebenso oft gestellt wie unterschiedlich beantwortet worden. Dies zeigte sich eindrücklich in einem Gespräch unter Unternehmensvertretern im Rahmen einer Schulung des Supply Chain Council in Berlin im Jahr 2001. Obgleich alle Teilnehmer in ihrem Geschäftsalltag mit Logistik, bzw. SCM zu tun hatten gab es eine intensive Diskussion darüber, ob Logistik ein Teil von SCM sei oder andersherum, oder gar etwas ganz anderes. Nach ungefähr einer Stunde kristallisierte sich dabei heraus, dass die Frage falsch gestellt worden war. Sie hätte vielmehr lauten müssen: Was wollen wir gemeinsam unter SCM verstehen und was bedeutet dieses Verständnis für die einzelnen Funktionen in unseren Unternehmen? Die vielfältigen in der Literatur anzutreffenden Definitionen sind somit nicht falsch oder richtig, sie passen einfach besser oder schlechter für einen bestimmten Anwendungskontext und für eine bestimmte Art zu denken. So beleuchten sie oft bestimmte Aspekte von SCM: Eine Supply Chain ist eine Kette von funktionalen Bereichen (Beschaffung, Produktion, Vertrieb), die über einen durchgängigen Materialfluss vom Lieferanten zum Endkunden miteinander verknüpft sind. Parallel dazu kommt der Informationsfluss. Die Supply Chain kann weiter als Kette miteinander verknüpfter Prozesse oder als System betrachtet werden.

1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik?

3

Darüber hinaus geht der Netzwerkgedanke, der den Kooperationsaspekt einbezieht und anstelle einer linearen Kette ein Netzwerk betrachtet. Letztlich ist die Art, wie Menschen aufgrund ihres Verständnisses handeln, bedeutend wichtiger als die definitorische Grundlage. Wenn SCM bezüglich der angestrebten Wirkung hinterfragt wird, ist das Bild, welches sich ergibt, schon weitaus uniformer als wenn nach der Definition gefragt wird. Häufige Antworten sind: SCM schafft Vertrauen zu den Geschäftspartnern, verkürzt Lieferzeiten, erhöht die Flexibilität, macht Partnerschaften langfristiger und so weiter. Strenge Zeitgenossen beschränken SCM auf den eigentlichen Wortlaut und lassen nur das „Management“ einer Lieferkette gelten. Sämtliche ausführenden Prozesse wären somit der „Logistik“ vorbehalten. Nichtsdestoweniger werden sehr operationelle Konzepte wie das Vendor Managed Inventory (VMI) als Errungenschaften des SCM bezeichnet. Und warum ist Kanban neuerdings auch SCM, obgleich Toyota das Konzept schon in den 70er Jahren erfand, wo noch zwanzig Jahre lang niemand von SCM sprach? Es scheint vermessen, eine knappe Definition für ein Konzept mit derart vielfältigen Zielen zu verlangen. Hier liegt auch die Ursache für die Verwirrung bei der Beantwortung der Frage: Was ist SCM? Für den Einen steht der Kooperationsgedanke im Vordergrund, für den Anderen ist die elektronische Abwicklung von Transaktionen die bedeutendste Errungenschaft von SCM. Letztendlich scheint eine Definition, welche gestützt auf Ziele und dazugehörigen Maßnahmen ist, viel adäquater. Eine der am stärksten sichtbaren Neuerungen durch SCM ist die intensive Nutzung von Informationen zur Optimierung von operationellen Funktionen. Dies reicht von der Sammlung von Point of Sales Daten an den Kassen, über gemeinsame Vorhersageverfahren mit Lieferanten bis hin zur vollautomatischen Konfiguration von Bestellungen durch Kunden und deren direkte Auftragsauslösung im Produktionsbetrieb. Diese Neuerungen wurden durch sind veränderte Kundenanforderungen notwendig, aber erst mit neuen technischen Lösungsmöglichkeiten ermöglicht. Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er Jahre wurden vermehrt Wünsche von Endkonsumenten geäußert, welche vorher bestenfalls von institutionellen Käufern genannt worden waren. Der Kunde verlangte nach mehr Serviceleistung rund um das Produkt! Es musste individueller auf seine Wünsche zugeschnitten sein, schneller verfügbar sein und gleichzeitig den Preis eines Standardproduktes aufweisen. Grundlage für die sehr schnelle Verbreitung diese Forderung in alle Bereiche hinein waren Unternehmen, welche diese Bedürfnisse schon früh zu befriedigen wussten, wie dies beispielsweise bei Dell der Fall ist. Die natürliche Reaktion der Unternehmen waren zunächst Fusionen und Allianzen. Seit einigen Jahren ist auch von der dynamischen

4

1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Kombination von Kompetenzträgern für einzelne Projekte die Rede. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellen und dass je nach aktueller Anforderung in eine Lieferkette integriert werden. Somit muss SCM als Antwort auf die gestiegenen Anforderungen der Serviceleistung um das physikalische Produkt herum verstanden werden. Somit ist die vielfältige definitorische Verwirrung recht einfach erklärt. Durch unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Branchen haben sich unterschiedliche Schwerpunkte und somit auch ein divergierendes Verständnis entwickelt. Die Eingangs gemachte Aussage, dass SCM über die damit verfolgten Ziele definiert werden müsse, wird damit klar bekräftigt. Wir möchten in diesem Buch darauf verzichten einen weiteren Versuch einer eigenen SCM-Definition zu machen. Nichtsdestoweniger scheinen uns einige Definitionen besonders zutreffend zu sein, indem sie mehrere Aspekte des SCM erfassen. Die erste stammt aus den Kindertagen des Begriffs SCM und wurde von Ellram (1991) formuliert: “Supply Chain Management is an integrative approach to using information to manage the materials flow from suppliers to end-users to achieve improved customer service at reduced overall costs. SCM represents a network of firms interacting to deliver a product or service to the end customer.” Von Bedeutung erscheint uns, dass der Autor den Kundenfokus und die Nutzung von Informationen für das Erreichen besserer Leistung bei tieferen Kosten berücksichtigt. Des Weiteren wird in dieser Definition ersichtlich, dass es sich nicht um eine lokale Maßnahme handelt, sondern immer um Konzepte, an denen zwei oder mehr Partner beteiligt sind. Der Managementaspekt von SCM steht im Zentrum der folgenden Definition: SCM ist die langfristige und kooperative Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken. Die Gestaltung der Wertschöpfungsketten und -netzwerke umfasst die Konfiguration, d. h. das Festlegen der Breite und Tiefe des Netzwerks (Anzahl der Partner u. a.) sowie des Zeithorizonts der Zusammenarbeit, die geographische Ausdehnung, die Art der Beziehungen sowie die rechtlichen Verhältnisse. Neben der Konfiguration beinhaltet die Gestaltungsaufgabe auch die Ausgestaltung der Kooperation hinsichtlich des Grades und der Art der Partnerschaft, der Ausrichtung auf Netzwerkstrategie und -interessen sowie Fragen des Vertrauens, der Offenheit der Kultur. Hier spielen auch Machtverhältnisse und allfällige Abhängigkeiten eine Rolle.

1.2 Was ist SCM und was unterscheidet SCM von Logistik?

5

Die Koordination der Zusammenarbeit ist ein weiterer Aspekt der Gestaltung: Sie bezieht sich auf die operationelle Abwicklung und Integration unternehmensübergreifender Prozesse, auf den Informationsaustausch zwischen den Partnern und die Kommunikation. Dazu kann beispielsweise Informationstechnologie eingesetzt werden. Die Lenkung dient der Ausrichtung aller Aktivitäten im Zusammenhang mit SCM auf definierte Ziele. Dazu werden Supply Chain-Strategien erarbeitet und umgesetzt sowie Verbesserungspotenziale identifiziert und ausgeschöpft. Die Entwicklungsaufgabe bedeutet, das Wertschöpfungsnetzwerk längerfristig an veränderte Bedingungen (Kundenbedürfnisse, Marktumfeld, Konkurrent etc.) anzupassen, indem die Gestaltung und Lenkung entsprechend verändert werden, beispielsweise durch Veränderungen bei der Partnern selbst (z. B. neue Lieferanten), aber auch bei den Zielen und Strategien. Streng genommen haben Unternehmen früher auch schon auf veränderte Kundenanforderungen reagiert. Es wurden schon in den 50er und 60er Jahren Arbeitsschritte an Spezialisten vergeben, natürlich ohne diesem Vorgang den wohlklingenden Namen Outsourcing zu geben. Es wäre daher auch möglich gewesen, den Begriff Logistik beizubehalten und die neuen, mit den gestiegenen Herausforderungen verbundenen Konzepte darunter abzuhandeln. Obgleich wir in diesem Buch meist von SCM sprechen, unterscheiden wir bewusst nicht zwischen Logistik und SCM, lediglich wenn von traditioneller Logistik (Spedition, Lagerung etc.) die Rede ist, werden bewusst die Kooperationskonzepte, welche in der jüngeren Vergangenheit entstanden sind, ausgeklammert. SCM hat sich in mehreren Phasen aus der unternehmensinternen, traditionellen Logistik heraus entwickelt (vgl. Abb. 1):

Abb. 1 Entwicklung des Logistikmanagements zum SCM

6

1 Supply Chain Management – eine Einleitung

In der Phase der Funktionalen Integration wurden zuerst die einzelnen segmentierten Funktionen der Logistik (wie Beschaffung, Lagerhaltung und Transport, Vertrieb) unabhängig voneinander konzipiert und optimiert. Verfahren zur Planung, Steuerung und Koordination unterstützten dabei die Ausführung der einzelnen Funktionen. In einem weiteren Schritt wurde man der Bedeutung der Verknüpfung dieser Funktionen miteinander durch den Material- und Informationsfluss gewahr. Die Logistikfunktionen wurden in der Folge zu umfassenderen Aufgaben integriert (beispielsweise zum Material-, Produktions- und Distributionsmanagement) und teilweise auch organisatorisch zu einem eigenständigen Subsystem der Unternehmen neben Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion und Vertrieb zentralisiert. Zielbereiche waren in erster Linie Durchlaufzeiten und Bestände. Später kam die Kostenorientierung im Sinne einer Betrachtung der Gesamtkosten hinzu (Total Cost Management). Der Fokus dieser Phase lag auf der isolierten Optimierung von jedem Bereich. Im Zuge der internen Integration wurden die verschiedenen Logistikaufgaben ausgeweitet (beispielsweise Auftragsabwicklung, Beschaffung) und unternehmensweit miteinander verknüpft, so dass der Logistik eine Querschnittsfunktion zukam. Planung und Steuerung der Logistik wurde integriert durchgeführt. So entstand dann das integrierte Logistikmanagement als ganzheitliche Managementaufgabe der Führung und Gestaltung der betrieblichen Leistungserstellung. Später kam das sogenannte Performance Management zur Kontrolle und Steuerung der Leistungserstellung hinzu. Die zentrale Fragestellung ist der Aufbau von Prozessketten und die ganzheitliche Optimierung des Material- und Informationsflusses. Als Zielbereich stand die Lieferung (Lieferbereitschaft bzw. -treue) im Zentrum. Indem man sich der Bedeutung des Logistikmanagements für die Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg eines Unternehmens bewusst wurde, traten strategische Gestaltungsaspekte in den Vordergrund. Dadurch erlangte die Logistik eine über die Querschnittsfunktion hinausreichende Bedeutung für die Koordination der Wertschöpfungsaktivitäten bzw. der betrieblichen Leistungserstellung. In der externen Integration wird nun die Logistik unternehmensübergreifend mit Kunden und Lieferanten im Rahmen von Kooperationen zu Wertschöpfungsketten verbunden: dies ist der Kerngedanke und Inhalt von SCM. Das Logistikmanagement wurde somit unternehmensübergreifend. Das verbindende Element ist der unternehmensübergreifende Material- und Informationsfluss. Dabei gewinnen Aspekte der Kooperationen stark an Bedeutung (und damit Fragen der Partnerschaft, der Kultur und des Vertrauens etc.). Im Zuge der Netzwerkorientierung fließt der Netzwerkgedanke ein: komplexe Wertschöpfungsnetzwerke treten an die

1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?

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Stelle linearer Wertschöpfungsketten. In dieser Phase stehen Aufbau und Optimierung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken im Zentrum. Reflektierend auf Ihr Unternehmen und Ihre Supply Chain, sind Sie nun sicherlich in der Lage, die Frage nach dem Entwicklungsstands der SCM in Ihrem Unternehmen zu beantworten. Eine Studie von PRTM aus dem Jahr 2003, der eine vergleichbare Unterscheidung von SCM-Entwicklungsphasen zugrunde liegt, zeigt, dass eine klare Mehrheit der Unternehmen sich in den ersten beiden Phasen befindet. Mit anderen Worten: Das Potenzial der externen Integration und damit des SCM ist noch lange nicht ausgeschöpft. Welche Trends stehen hinter dieser Entwicklung? Erstens verstärkt sich die Markt- bzw. Kundenorientierung fortlaufend, zusammen mit dem Trend zu System- und Modulbildung, kundenspezifischen Produkten und Serviceorientierung. Zweitens haben sich zahlreiche Verkäufermärkte zu Käufermärkten entwickelt, womit ein intensivierender Wettbewerb sowie eine Globalisierung der Beschaffungs- und Absatzmärkte einhergeht. Drittens nimmt die Komplexität und Dynamik der Märkte und Anforderungen zu (Beispiele: wirtschaftliche Entwicklungen in Osteuropa und Asien, insbesondere China; Produkte werden immer komplexer, individueller und mit Dienstleistungen gebündelt). Zudem werden aufgrund der technologischen Entwicklung Produktlebenszyklen immer kürzer. Dies führt zu einer Beschleunigung der Unternehmensprozesse. Viertens haben rasante Fortschritte im Bereich der Informationstechnologie, insbesondere durch die Möglichkeiten des Internets, dazu geführt, dass der Informationsfluss entlang der Wertschöpfungskette auf effiziente Art unterstützt werden kann. Fünftens ist als Konsequenz der Konzentration auf Kernkompetenzen und zunehmender Spezialisierung ein genereller Trend zu Kooperationen und Netzwerken zu beobachten.

1.3

Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?

SCM, wie oben eingeführt, ist also eine Antwort auf gestiegene Kundenanforderungen. Von jeher waren und sind Unternehmen, welche entweder schneller auf ändernde Kundenbedürfnisse eingehen konnten oder diese sogar kreierten, erfolgreicher als träge oder rein reaktive Unternehmen. Wettbewerbsvorteile sind somit immer eng mit Kundenbedürfnissen verknüpft. Während nach 1950 in Deutschland jedes Unternehmen, das überhaupt irgendetwas liefern konnte, im Vorteil war, traten in den siebziger Jahren gestalterische Elemente in den Vordergrund. In den

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

80er Jahren verkauften sich insbesondere Produkte mit technischer Überlegenheit. Heute stehen jene Produkte im Vordergrund, bei denen ein physisches Produkt mit Dienstleistungen bzw. Logistikleistungen, ergänzt wird. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass in den 90er Jahren Unternehmen wie General Motors oder SIG bewusst die Logistik als neue, zum Teil noch zu schaffende, Kernkompetenz definiert haben. Ein Auto verkauft sich nicht mehr allein dadurch, dass es funktioniert und in ca. zehn Monaten geliefert wird. Ein Kunde fordert Individualität zu den Kosten und Lieferfristen eines Massenproduktes. Die Frage nach Basisanforderungen und Begeisterungsmerkmalen musste mit Einbezug der logistischen Leistung neu beantwortet werden. Im englischsprachigen Raum werden die so genannten Order Qualifyers und Order Winners unterschieden. Order Qualifiers (Auftrags-Qualifikationskriterien) stellen Basisanforderungen dar, die alle Unternehmen erfüllen müssen, um im entsprechenden Markt überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Sie lassen sich daher aus den Marktanforderungen ableiten. Beispielweise erwarten alle Kunden des Lebensmittel-Detailhandels ein gewisses Mindestmaß an Qualität, denn verdorbene Lebensmittel lassen sich nicht verkaufen. Zudem muss das gewünschte Produkt verfügbar sein, niemand akzeptiert Lieferfristen für Standard-Lebensmittel wie Milch oder Brot. Deshalb stellen hier Qualität und Verfügbarkeit, bzw. „Lieferzeit null“, AuftragsQualifikationskriterien dar. Lebensmittelhändler können sich beispielsweise über die Preise, überlegene Qualität oder Dienstleistungen rund um das Produkt (Frischegarantie, Lieferservice etc.) voneinander abheben. Diese stellen dann Order Winners (Auftrags-Zuschlagskriterien) dar. Sie geben den Ausschlag, dass ein Kunde die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens denen der Konkurrenz vorzieht. Unterschiedliche Kundengruppen haben in der Regel unterschiedliche Bedürfnisse, so dass sich die Order Winners von Unternehmen, die verschiedene Marktsegmente anpeilen, voneinander unterscheiden. Wenn ein Unternehmen die Order Winners eines Marktsegments sehr gut erfüllt, kann es daraus Wettbewerbsvorteile schöpfen. In der Regel sind es ein oder zwei Order Winners, auf die sich ein Unternehmen fokussiert. In Bezug auf Logistik und SCM sind es im Kern folgende fünf Zielbereiche, die den Kriterien der Order Qualifiers und Order Winners zugrunde liegen: • Qualität: Erreichen erhöhter Anforderungen an die Produkt-, Prozessund Organisationsqualität; • Lieferzuverlässigkeit: Pünktlichkeit der Lieferung, d. h. Lieferzuverlässigkeit bzw. -treue;

1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?

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• Lieferdurchlaufzeit: Lieferfrist bzw. Lieferbereitschaft (Verfügbarkeit); • Flexibilität: qualitative und quantitative Flexibilität im Erreichen des Kundennutzens und im Ressourceneinsatz, um auf Termin- und Mengenänderungen effizient reagieren zu können; • operationelle Kosten (als Hebel für den Preis): Kosten für das operationelle Logistikmanagement, d. h. für die Bereiche Informations- und Materialfluss, Bevorratung etc. Order Winners können zu Order Qualifiers werden, wenn es einem Wettbewerber gelingt, die Marktanforderung zu erhöhen, beispielsweise durch das Einführen von höheren Standards. So gibt es zahlreiche Märkte, in denen sich der Preis zum Order Qualifier entwickelt hat, beispielsweise durch Discounter. Empirische Untersuchungen untermauern, dass Lieferzuverlässigkeit, Lieferzeit, Flexibilität und Kosten mögliche Order Winner darstellen, welche die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Dies unterstreicht, dass SCM die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beeinflusst und so zu einem Wettbewerbsvorteil werden kann. Die fünf Zielbereiche Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit bzw. Verfügbarkeit, Flexibilität und operationelle Kosten, die Kunden durch Order Qualifiers und Order Winners wahrnehmen, können durch den Zielbereich „Investitionen“ ergänzt werden, der in erster Linie eine unternehmensinterne Sicht widerspiegelt. Dieser Zielbereich bezieht sich auf das gebundene Kapital im Umlaufvermögen wie Bestände, Liquidität und Verbindlichkeiten und im Anlagevermögen wie Infrastruktur und Kapazitäten. Dieses gebundene Kapital muss angemessen verzinst werden. Das Ziel ist, die damit verbundenen Kosten möglichst gering zu halten. Hier zeigen sich unterschiedliche Lösungsansätze im SCM: Beispielsweise kann ein Unternehmen eine hohe Verfügbarkeit entweder dank hoher Bestände erzielen, oder tiefe Bestände durch zuverlässige, schnelle und flexible Prozesse und Kapazitäten ausgleichen. Das Ziel ist nicht per se, das Kapital zu reduzieren, sondern Investitionen ohne Mehrwert zu vermeiden. Unternehmensübergreifende Aspekte von SCM können in drei weiteren Zielbereichen, den Zielbereichen der Kooperation, die weiter oben bei der Gestaltungsaufgabe von SCM angesprochen wurden, berücksichtigt werden: • Zusammenarbeit: Kooperationsart, Kooperationsfähigkeit; • Koordination: Organisation der Partnerschaft, Kommunikation, Integration, Infrastruktur; • Veränderbarkeit: Anpassung an geänderte Bedingungen, Flexibilität.

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Da in den meisten Branchen heute eher eine Abnahme als eine Zunahme der Wertschöpfungstiefe in Unternehmen zu beobachten ist, werden die Kooperation und Koordination mit Zulieferern und Kunden immer wichtiger. So zeigt eine Umfrage zum Thema „SCM und Unternehmenserfolg“ des ETH-Zentrums für Unternehmenswissenschaften (BWI) aus dem Jahr 2006 im deutschsprachigen Raum, dass in der produzierenden Industrie die Mehrheit (mehr als ein Drittel) der befragten Unternehmen eine Wertschöpfungstiefe zwischen 30% und 50% aufweist und dass bei der Hälfte der Unternehmen die Wertschöpfung weniger als 50% beträgt. Damit nimmt die Bedeutung der Lieferanten für die Leistung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu. Deshalb sind in der gleichen Umfrage auch ein Drittel bzw. 46% der befragten Unternehmen der Meinung, dass Kooperationen für das SCM wichtig bzw. sehr wichtig sind. Welche Bedeutung hat jedoch SCM für den Unternehmenserfolg? Hier setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zunehmend von SCM mitbestimmt wird: Eine Umfrage des ETH-Zentrums für Unternehmenswissenschaften (BWI) aus dem Jahr 2003 bei mehr als 200 Unternehmen verschiedener Branchen aus der Schweiz und Deutschland ergab, dass SCM einen sehr großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg aufweist und einen maßgeblichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens leistet. Als ein großes Hindernis für die Umsetzung von SCM wurde bemängelt, dass den Unternehmen ein ausreichend strukturiertes Vorgehen zur Umsetzung von SCM fehlt. Eine Studie von ELA/Bearingpoint aus dem Jahr 2002 untersuchte unter anderem, welche Bedeutung SCM im Top-Management (CEO, COO, CFO) hat und wie SCM Unternehmensziele und -strategie beeinflusst. Das Ergebnis war, dass SCM eine wichtige Bedeutung in der Unternehmensführung genießt: Das Top-Management leitet Ziele für das SCM ab, gleicht sie mit den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie ab und bricht diese Ziele auf tiefere Ebenen herunter. Es erwies sich weiter, dass SCM maßgeblich zur Erreichung strategischer Zielsetzungen auf Unternehmensebene, beispielsweise Kundenservice, Kosten und Durchlaufzeiten, beiträgt. Eine Herausforderung ist dabei, dass Zielsetzungen im SCM und Unternehmensziele aufeinander abgestimmt werden müssen. Nicht mehr nur die unmittelbaren Kunden und Lieferanten eines Unternehmens stehen im Zentrum des SCM, sondern auch weitere Stufen entlang der Wertschöpfungskette, die Kunden des Kunden und Lieferanten des Lieferanten usw. Damit drängen sich der Integrationsaspekt des SCM entlang der ganzen Wertschöpfungskette und der Netzwerkgedanke zunehmend in den Vordergrund.

1.3 Warum kann SCM ein Wettbewerbsvorteil sein?

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Diese Resultate werden von einer Studie von Baumgarten und Thoms aus dem Jahr 2002 gestützt, die zeigt, dass die Wettbewerbsrelevanz des SCM heute als hoch und zukünftig weiter zunehmend bewertet wird, und die SCM-Verantwortung in der Unternehmensführung aufgrund der Bedeutung des SCM für den Unternehmenserfolg eine Konsolidierung im Top-Management erfährt. Damit findet SCM – früher primär eher auf der operationellen Ebene angesiedelt – aufgrund des Einflusses auf die Wettbewerbsfähigkeit zunehmend Eingang in das Management eines Unternehmens. Weiter kann bestätigt werden, dass der unternehmensübergreifende und Integrationsaspekt weiter an Bedeutung gewinnen: Ausweitung des funktionalen bzw. internen Fokus zur externen Integration und Kooperation. Welche Potenziale ergeben sich durch SCM? Zahlreiche kürzlich verfasste Studien gehen dieser Frage nach und bieten leicht unterschiedliche Antworten, die meist die größten Verbesserungspotenziale bei den Zielbereichen Kosten und Umlaufvermögen, insbesondere bei den Beständen, lokalisieren. Dies wird auch durch die oben erwähnte Studie des BWI aus dem Jahr 2006 unterstützt. Diese untersuchte drei Fragestellungen in diesem Zusammenhang: In welchen Zielbereichen wurden bisher die größten Erfolge erzielt? Wo liegen heute die Prioritäten? Wo sind die größten Verbesserungspotenziale zu orten? Die Ergebnisse zeigen, dass bisher die größten Erfolge bei der Lieferzuverlässigkeit erzielt wurden, gefolgt von Flexibilität und Lieferdurchlaufzeit (vgl. Abb. 2).

Abb. 2 Erfolge, Prioritäten und Verbesserungspotenziale im SCM (Schnetzler et al. (2006))

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Es zeigt sich, dass die Anstrengungen für Bestandssenkungen (Umlaufvermögen) nicht sehr erfolgreich waren. Die höchsten Prioritäten kommen der Lieferzuverlässigkeit und der Lieferdurchlaufzeit zu. Bei den Kosten, die insgesamt ebenfalls eine hohe Priorität aufweisen, liegt der Fokus klar auf dem Materialfluss. Bedingt durch die zunehmende Dynamisierung der Märkte (Konkurrenz, Internationalisierung, Globalisierung etc.) müssen momentan die größten Verbesserungspotenziale bei der Flexibilität und bei den Kosten insgesamt gesehen werden. Eine Herausforderung in näherer Zukunft ist deshalb die Flexibilisierung des SCM, z. B. flexiblere SCM-Ressourcen (Kapazitäten, Prozesse, Organisation). Dies soll helfen, auf geänderte Rahmenbedingungen schnell und kostengünstig reagieren zu können. Auch bei den Lagerbeständen (Umlaufvermögen) können noch Potenziale erschlossen werden. Insgesamt zeigt sich, dass die erhofften Potenziale noch nicht ausgeschöpft sind.

1.4

SCM als Management einer wertvollen Ressource: Integriertes SCM und Controlling

Wenn SCM eine bedeutende Rolle für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens spielt, müssen das „M“ im Wort „SCM“, also das Management, entsprechend konsequent wahrgenommen und „SC“, die Supply Chain, als wertvolle Ressource betrachtet werden − eine Ressource im Sinne von etwas, das zu einem bestimmten Zweck, für die wirtschaftliche Produktion benötigt wird. Dem Managementaspekt wurde bereits in der eingangs erwähnten Definition von SCM als Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Wertschöpfungsketten und -netzwerken Rechnung getragen (vgl. Abs. 1.2). Die verschiedenen Aufgaben und Aktivitäten von SCM können drei Ebenen zugeordnet werden: der normativen, der strategischen und der operationellen Ebene des SCM. So ergibt sich in Anlehnung an das St. Galler Managementmodell ein integriertes SCM-Modell. Das normative SCM setzt sich mit grundsätzlichen Fragen auseinander. Es dient der Sicherung der Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens im Hinblick auf seine Befähigung, sich als Partner in Wertschöpfungsnetzwerke einbringen zu können. Es beinhaltet eine SCM-Vision, die als Zukunftsbild eine Vorstellung über die angestrebten unternehmensübergreifenden logistischen Strukturen und Prozesse (Netzwerkdesign) gibt und damit eine grundsätzliche Richtung weist. Beispielsweise können in der SCM-Vision Aussagen darüber gemacht werden, welche Position das Unternehmen im Wertschöpfungsnetzwerk einnehmen möchte,

1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource

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mit wie vielen und welchen Partnern es auf welche Weise zusammenarbeiten möchte und wie das Wertschöpfungsnetzwerk geografisch verteilt sein soll. Ein global tätiger Konzern hat eine andere SCM-Vision als ein mittelständisches, national verankertes Unternehmen. Im ersten Fall könnte die SCM-Vision festschreiben, dass der Konzern als Systemintegrator und Modullieferant für eine breite Palette von global tätigen OEMs (Original Equipment Manufacturer: Hersteller, dessen Produkte unter einem Markennamen als Einheit den Endkunden verkauft werden, z. B. Automobilhersteller) agieren möchte. Das mittelständische Unternehmen hingegen möchte sich als flexibler Partner in das Wertschöpfungsnetzwerk einbringen. Zum normativen SCM gehören weiter Wertvorstellungen und grundlegende Zielsetzungen und -ausrichtungen: Es legt die Grundsteine zur Kooperationskultur und bestimmt den angestrebten Grad an Kooperationsbereitschaft mit Partnern im Wertschöpfungsnetzwerk. Auch kann die Grundhaltung gegenüber „Make-or-Buy“-Fragen festgelegt werden: Welche Wertschöpfungsschritte sollen oder können grundsätzlich ausgelagert werden, welche nicht? Dies betrifft insbesondere solche Wertschöpfungsschritte, die eine Kernkompetenz bzw. einen Wettbewerbsvorteil des Unternehmens ausmachen. Beispielsweise kann hier festgeschrieben werden, dass eine bestimmte Komponente eines Produkts, welche für den Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten entscheidend ist und in der das ganze Know-how steckt, nicht fremd vergeben werden sollte, während Standardkomponenten beim günstigsten Anbieter, der die Kriterien erfüllt, beschafft werden sollen. Das normative SCM gibt auf diese Weise einen allgemeinen und langfristigen Rahmen für das strategische SCM vor. Der Zeithorizont ist langfristig (mehrere Jahre, in der Regel fünf bis zehn Jahre). Das strategische SCM befasst sich mit der Verwirklichung der SCMVision mithilfe von Supply Chain-Strategien. Diese stellen Leitplanken dar und zielen auf die Realisierung der SCM-Ziele (vgl. Abs. 1.3) durch den Aufbau logistischer Erfolgspotenziale ab. Als logistisches Erfolgspotenzial können die spezifischen Fähigkeiten und Ressourcen im Bereich der Logistik bzw. des SCM verstanden werden. Ein Unternehmen kann diese über längere Zeit aufbauen und sie erfolgsrelevant im Hinblick auf SCMZielsetzungen nutzen. Logistische Erfolgspotenziale sind damit wettbewerbswirksam. Ebenfalls sind im strategischen SCM die entsprechenden langfristigen Zielsetzungen anzusiedeln (strategische Prioritäten), die aussagen, in welchen Zielbereichen überdurchschnittliche Leistungen erbracht werden müssen, um die Erfüllung der Kundenbedürfnisse zu unterstützen (vgl. Abs. 1.3). Das strategische SCM befasst sich zudem mit der Konfiguration und Organisation von Wertschöpfungsketten und

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

-netzwerken, indem es Maßnahmen einleitet, um die entsprechenden Vorgaben aus der SCM-Vision umzusetzen, beispielsweise durch den Aufbau der Lieferantenbasis und der Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten sowie durch die Auswahl und den Aufbau von Standorten. Zudem sind auf der strategischen Ebene Maßnahmen zur Entwicklung der Kooperationsbereitschaft anzusiedeln. Im oben erwähnten Beispiel des OEM könnte festgelegt werden, dass das Unternehmen mit einigen wenigen Schlüssellieferanten eng und mit den übrigen Lieferanten eher lose zusammenarbeiten will. Weiter soll das Unternehmen global an den Standorten der wichtigsten Kunden vertreten sein und, wenn erforderlich, eine lokale Lieferantenbasis aufbauen. Das erwähnte mittelständische Unternehmen hingegen könnte seine SCM-Vision umsetzen, indem es eng mit Schlüsselkunden zusammenarbeitet und zur Verstärkung seiner Wettbewerbsposition gewisse Produktionsschritte in Länder mit tiefen Lohnkosten verlagert. Auch die grobe Auslegung von Kapazitäten (auf einer aggregierten Ebene) und Ressourcen, die Grobkonzeption von Wertschöpfungsprozessen und das Ausschöpfen von Verbesserungspotenzialen beispielsweise im Rahmen von Restrukturierungs- und Rationalisierungsprojekten sind hier einzuordnen. Das strategische SCM unterstützt die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie und weist einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont auf (ein Jahr bis mehrere Jahre). Das operationelle SCM stellt die Ausführungsebene des SCM dar und ist somit die inhaltliche Konkretisierung und Umsetzung der Supply Chain-Strategien mittels Planzielen und Maßnahmen in Projekten innerhalb eines in der Regel kurz- bis mittelfristigen Zeithorizonts (Wochen bis Monate) sowie im Tagesgeschäft. Es tangiert direkt die Aktivitäten und Prozesse der Wertschöpfung und der Organisation der Logistik bzw. des SCM. Im Kern umfasst das operationelle SCM die Planung und Steuerung des täglichen inner- und zwischenbetrieblichen Geschehens zur Leistungserstellung mit dem Ziel eines effizienten Betreibens der Wertschöpfungsprozesse (Operations Management). Material- und Informationsflüsse in Beschaffung, Produktion und Vertrieb sowie zu Kunden und Lieferanten werden ausgestaltet und die Verfügbarkeit der Produktionsfaktoren Kapazitäten (Arbeit), Material und Informationen wird sichergestellt. Auf dieser Ebene findet auch die konkrete Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden statt, indem Aufträge gemeinsam geplant und durchgeführt werden. Deshalb ist hier das Verhalten in Kooperationen und bezüglich der Leistung einzuordnen. Abbildung 3 stellt den Bezugsrahmen für das integrierte SCM dar, in welchem die normative, strategische und operationelle Ebene jeweils in Strukturen, Aktivitäten und Verhalten gegliedert ist.

1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource

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Abb. 3 Integriertes SCM-Modell als Bezugsrahmen

Die drei Ebenen des integrierten SCM können nicht mit ihren jeweiligen Zeithorizonten gleichgesetzt werden. Beispielsweise können Aufgaben im Rahmen des operationellen SCM lang-, mittel- und kurzfristigen Charakter haben: z. B. langfristige Planung (Programm- bzw. Hauptplanung), mittelfristige Planung (Detail- und Terminplanung) sowie kurzfristige Planung und Steuerung (Durchführung und Arbeitssteuerung). Wohl können diese drei Ebenen in Unternehmen in der Regel einer Führungsebene zugeordnet werden. Die Fragen des normativen SCM werden normalerweise auf der Ebene Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates und auf Geschäftsleitungsebene behandelt und entschieden, während das strategische SCM Sache der Geschäftsleitung und insbesondere der SCMLeitung ist. Für das operationelle trägt auch die SCM- bzw. LogistikLeitung die Verantwortung, während die konkrete Durchführung auf der operationellen Ebene der Beschaffung, Einkauf, Produktionsplanung, Vertrieb etc. angesiedelt werden kann. Verehrte Leserin, verehrter Leser: Unterscheiden Sie in Ihrem Unternehmen die normative, strategische und operationelle Ebene des SCM? Mit dem hier diskutierten Ordnungsrahmen soll nochmals kurz auf die Diskussion des Unterschieds zwischen SCM und Logistik aus Abs. 1.2 zurückgekommen werden. Nach verbreitetem Verständnis bedeutet der Begriff SCM bzw. Logistikmanagement in erster Linie operationelles SCM bzw. Logistikmanagement im Sinne obiger Ausführungen (Operations Management). Durch die Unterscheidung der drei Ebenen erfährt er somit eine Erweiterung in Bezug auf die normative und strategische

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Ebene: Diese ermöglicht es erstens, einen Bezug zum gängigen St. GallerManagementkonzept und damit zur Unternehmensführung zu schaffen. Zweitens können diese drei Ebenen als Bezugrahmen für die Einordnung von Aufgaben und Aktivitäten des Logistikmanagements und SCM herangezogen werden; in der Praxis sind sie sehr oft verschiedenen Führungsebenen und Planungshorizonten in Unternehmen zuordenbar, wie oben erwähnt. Diese Ebenen sind eng miteinander verknüpft: Sie beeinflussen einander nicht nur von oben nach unten, sondern auch umgekehrt, denn es kann sich beispielsweise auf der operationellen Ebene zeigen, dass die Umsetzung strategischer Vorgaben nicht durchführbar ist und diese modifiziert werden müssen. Wie hängen nun strategisches und operationelles SCM zusammen? Wie bereits erläutert, macht das strategische SCM Vorgaben und definiert Supply Chain-Strategien, die im operationellen SCM umgesetzt werden. Es muss sichergestellt werden, dass im operationellen SCM die richtigen Maßnahmen eingeleitet und diese richtig umgesetzt werden. Dadurch ergibt sich ein Regelkreis, der die Zielerreichung und damit den effizienten Einsatz von Ressourcen in Form von Investitionen und Arbeitsaufwand, der für die Implementierung der Supply Chain-Strategie notwendig ist, gewährleistet. In einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess werden die Zielerreichung überprüft und allenfalls Korrekturen vorgenommen. Auf der strategischen Ebene muss hingegen sichergestellt werden, dass die Supply Chain-Strategie die richtige Zielsetzung verfolgt und die Supply Chain-Strategie Effektivität angesichts der Herausforderungen des Umfelds und der Unternehmenssituation aufweist. Hier steht also die Zweckmäßigkeit der Supply Chain-Strategie im Vordergrund: Wird die richtige Supply Chain-Strategie verfolgt? Eine Strategie kann vorbildlich umgesetzt werden, doch wenn sie angesichts der aktuellen Marktsituation ungeeignete Ziele verfolgt oder ungenügend auf die Kundenbedürfnisse eingeht, ist sie zwecklos. Noch einen Schritt weitergehend muss auf der Ebene des normativen SCM sichergestellt werden, dass die grundlegenden Zielsetzungen und -ausrichtungen sowie Werte eingehalten werden. Diese normativen Vorgaben müssen allenfalls langfristig angepasst werden und im strategischen SCM neu berücksichtigt werden. Es ergeben sich somit drei Schleifen, die als Lernprozesse verstanden werden sollen. Sie stellen jeweils eine Rückkopplung der Ergebnisse in Form von Verbesserungen in der Logistikleistung dar, welche sich in einer besseren Erreichung von SCM-Zielen in den entsprechenden Kennzahlen widerspiegeln (vgl. Abb. 4).

1.4 SCM als Management einer wertvollen Ressource

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Abb. 4 Dreifache Rückkoppelung des SCM

Für die Rückkopplungen gibt es drei Möglichkeiten: • Rückkopplung zu den Maßnahmen, die hierzu auf der operationellen Ebene getroffen worden sind (Schleife 1): Die Maßnahmen müssen angepasst werden, wenn sie sich als unzweckmäßig bzw. wenig wirksam erweisen (operationelles Supply Chain Controlling). • Rückkopplung zur Supply Chain-Strategie (Schleife 2), aus welcher die Maßnahmen abgeleitet wurden: Wenn sich beispielsweise die Situation im Unternehmen, im Wertschöpfungsnetzwerk oder im Umfeld (Konkurrenz etc.) geändert hat, kann das Problem bei der Supply Chain-Strategie liegen. Folglich müssen zuerst neue Ziele und Mittel definiert und operationalisiert werden (strategisches Supply Chain Controlling). • Rückkopplung zum normativen SCM (Schleife 3), welches die Supply Chain-Strategie mitbestimmt, wenn die grundlegenden Zielsetzungen und Werte des SCM, beispielsweise die Kooperationskultur und -bereitschaft oder die SCM-Vision, verändert werden müssen. Die SCM-Vision muss beispielsweise dann angepasst werden, wenn sich das Umfeld fundamental geändert hat (z. B. neue Absatzmärkte in China), die Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft gefährdet ist (z. B. zu hohe Kosten im Vergleich zur Konkurrenz, die in Niedriglohnländer auslagert) oder sich das Unternehmen entscheidend neuorientiert (z. B. Systemintegrator mit enger Kooperation statt „anonymer“ Teilelieferant). Die Natur dieser Veränderungen ist grundlegender als bei der Schleife 2, wo Ziele und Mittel angepasst werden müssen, denn hier geht es um das Grundverständnis des SCM.

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Entsprechend können diese Schleifen als operationelles, strategisches und normatives SCM-Controlling aufgefasst werden (vgl. Kap. 4). Mit anderen Worten: Um SCM erfolgreich betreiben zu können, muss ein Unternehmen sicherstellen, dass die richtigen Werte verankert, die richtige Strategie verfolgt und die richtigen Maßnahmen umgesetzt werden.

1.5

Ausblick auf die folgenden Kapitel

In diesem Abschnitt wird ein Ausblick auf die Inhalte der folgenden Kapitel gegeben. Zudem werden die behandelten Themen in knapper Form vor den theoretischen Hintergrund gestellt, um sie besser einordnen und die Zusammenhänge verstehen zu können. Im Themenfeld des strategischen SCM können Entwicklungstendenzen und Herausforderungen in der Theorie unter den Stichworten Wertorientierung, Leistungsorientierung und Strategieorientierung zusammengefasst werden: Die SCMAktivitäten müssen auf den Unternehmenswert ausgerichtet werden, die Logistikleistung muss systematisch gemessen und verbessert werden, und es müssen Supply Chain-Strategien definiert werden, um konsequent die Potenziale von SCM zu realisieren. Auf diese Weise kann unseres Erachtens erreicht werden, dass SCM systematisch zum Unternehmenserfolg beiträgt. Konzepte der Wertorientierung befassen sich mit der Ausrichtung aller Aktivitäten auf die Steigerung des Unternehmenswerts und haben ihren Ursprung in der Finanzwelt. Logistikmanagement bzw. SCM werden als wichtige Werttreiber angesehen, welche den Unternehmenserfolg maßgeblich mitbestimmen. Im Zuge der Wertorientierung werden die Logistik-/SCM-Aktivitäten auf die Steigerung des Unternehmenswerts ausgerichtet. Die beiden primären Ziele der Wertorientierung von SCM sind: Mittel und Wege des SCM aus Zielsetzungen abzuleiten, um den Unternehmenswert zu verbessern, sowie den Beitrag von Maßnahmen des SCM zur Steigerung des Unternehmenswerts zu identifizieren. Mit anderen Worten heißt dies, folgende Fragen zu beantworten: • Welche Konzepte und Methoden von SCM eignen sich, um ein bestimmtes Unternehmensziel, beispielsweise höhere Lieferzuverlässigkeit, kürzere Lieferfristen, tiefere Bestände oder tiefere Kosten, zu erreichen? • Welche Auswirkungen auf Unternehmensziele haben die Einführung und Umsetzung eines bestimmten Konzepts oder einer bestimmten Methode, beispielsweise Kanban, Vendor Managed Inventory (VMI) oder elektronische Beschaffung?

1.5 Ausblick auf die folgenden Kapitel

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Untersuchungen über die Wertsteigerung durch SCM sind erst in Ansätzen vorhanden, detaillierte fehlen bislang. Insbesondere sind die zugrunde liegenden logistischen Zusammenhänge nicht aufgezeigt und ausgearbeitet, so dass ein Verständnis dafür, wie die Wertsteigerung zustande kommt bzw. kommen kann, erschwert wird. Kurz: Der explizite Bezug zwischen konkreten Maßnahmen (Mittel) und den generellen Zielsetzungen des SCM fehlt häufig. Das Kap. 2 geht dem Themenfeld Wertorientierung nach: Wie generiert SCM Unternehmenswert? Es stellt Konzepte der Wertorientierung vor und geht der Frage nach, wie Ursachen und Wirkungen methodisch modelliert und analysiert werden können. Teil davon ist eine Methode zur systematischen Entwicklung von Ziel-Mittel-Beziehungen. Mit dieser Methode wird anschließend in Kap. 3 ein Ziel-Mittel-System von SCM entwickelt, die sog. Supply Chain Value Decomposition (SCVD), mit der insbesondere die beiden Fragen der Wertorientierung beantwortet werden können. Mit Leistungsorientierung soll betont werden, dass Fragen rund um die Logistikleistung an Bedeutung sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis im Zuge von Anstrengungen zu einer effizienteren Logistik zunimmt: Darunter fallen Benchmarking als Methode für den Vergleich mit anderen Unternehmen, Performance Measurement, sowie Supply Chain Monitoring und Controlling zur Leistungsmessung, -überwachung und -steuerung. Diese Ansätze werden im Performance Management zu einem umfassenden Managementansatz für die betriebliche Leistung integriert. Insbesondere das Balanced Scorecard-Instrument, ein sehr umfassender Performance Management-Ansatz, ist weit verbreitet und Gegenstand von Weiterentwicklungen und Anpassungen an spezifische Belange von SCM. Vier zentrale Punkte der Leistungsorientierung sind: Erstens die Balance finanzieller und nicht-finanzieller Messgrößen, zweitens die Modellierung und Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, drittens die Auswahl geeigneter Kennzahlen (methodisches Benchmarking) und viertens die Berücksichtigung SCM-spezifischer Aspekte im Performance Management. Diesem Themenfeld ist Kap. 4 gewidmet. Die Aspekte der Leistungsorientierung müssen mit der Wertorientierung in Übereinstimmung gebracht werden, denn Leistung an sich kann kein Ziel sein, sondern nur dann, wenn sie zum Unternehmenswert beiträgt. Entsprechend wird im Kap. 4 das Ziel-Mittel-System SCVD um Kennzahlen erweitert. Mit Strategieorientierung werden strategische Konzepte von SCM umschrieben. Diese betonen die Bedeutung von Supply Chain-Strategien und sprechen dabei insbesondere die Abstimmung bzw. Ausrichtung der

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Supply Chain-Strategie mit der Unternehmensstrategie („strategic alignment“, „strategic fit“) als zentrale Herausforderung an. Eine konkrete inhaltliche Unterstützung ist jedoch bis heute unzureichend beschrieben worden. Ein einheitliches Verständnis von Supply Chain-Strategie bzw. strategischem SCM hat sich bislang nicht durchgesetzt und gängige Begriffsbestimmungen sind oft nicht neutral bezüglich der Implementierung der Strategie. Einigkeit besteht jedoch darin, dass grundsätzliche Entscheidungen und Zielsetzungen angesprochen werden. Auf der operationellen Ebene werden diese mittels Maßnahmen umgesetzt, wobei die beiden Ebenen kohärent miteinander verknüpft werden müssen. Dies wurde bereits in Abs. 1.4, wo das integrierte SCM-Modell vorgestellt wurde, angesprochen. Ein integriert verstandenes SCM muss zudem in das Unternehmen eingebettet, d. h. mit der strategischen Unternehmensführung abgestimmt werden: Eine Supply Chain-Strategie muss beispielsweise im Einklang mit der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie sowie mit Marketing- und Finanzierungsstrategien stehen. Die Praxis zeigt hier, dass der Supply Chain-Strategie zwar eine hohe Bedeutung für die Unternehmensstrategie und die Wettbewerbsfähigkeit attestiert wird, sie jedoch oft nicht adäquat ausgearbeitet und ausformuliert ist. Das Kap. 5 hat deshalb die Strategieorientierung zum Inhalt. Es stellt eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien vor, die im Einklang mit der Unternehmensstrategie und dem Kontext des Unternehmens sind. Dabei wird die SCVD als Basis verwendet. Zusammenfassend stellen wir fest: Damit SCM konsequent zum Unternehmenserfolg beiträgt, muss SCM die Aspekte Wert-, Leistungs- und Strategieorientierung berücksichtigen: • Alle SCM-Aktivitäten müssen so ausgerichtet werden, dass sie dazu beitragen, den Unternehmenswert zu steigern: Stichwort Wertorientierung, vgl. Kap. 2 und 3. • Es müssen Kennzahlen definiert werden, damit die SCM-Leistung systematisch gemessen und verbessert werden kann: Stichwort Leistungsorientierung, vgl. Kap. 4. • Schließlich müssen Supply Chain-Strategien entwickelt und umgesetzt werden, die im Einklang mit der Strategie, der Situation und dem Kontext des Unternehmens stehen. So kann eine Grundlage geschaffen werden, dass SCM-Ziele erreicht und Potenziale des SCM realisiert werden: Stichwort Strategieorientierung, vgl. Kap. 5. • Fallstudien im Kap. 6 illustrieren die behandelten Konzepte und Methoden.

Quellen und weiterführende Literatur

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Quellen und weiterführende Literatur Baumgarten, H.; Thoms, J.: Trends und Strategien in der Logistik – Supply Chains im Wandel. Berlin: TU Berlin, 2002. Bechtel, C.; Jayaram, J.: Supply chain management – a strategic perspective. In: The International Journal of Logistics Management, 1997, Vol. 8, No. 1, pp. 15–34 Blankenburg, D.: Evaluation von Performance Measurement Systemen: eine empirische Analyse. Dissertation Universität St. Gallen, 1999. Camp R.C.: Global Cases in Benchmarking – best practices from organizations around the world. Milwaukee (WI): ASQ Quality Press, 1998. Cohen, S.; Roussel, J.: Strategisches Supply Chain Management. Berlin (etc.): Springer, 2006. ELA/Bearingpoint: What matters to top management? A survey on the influence of supply chain management on strategy and finance. Brussels: ELA European Logistics Association / BearingPoint, 2002. Ellram, L.: Supply chain management – The industrial organization perspective. In: International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, 1991, Vol. 21, No. 1, pp. 13–22. Harrison, A., New, C.: The role of coherent supply chain strategy and performance management in achieving competitive advantage: an international study. In: Journal of the Operational Research Society, 2002, Vol. 53, pp. 263−271. Hieber, R.: Supply chain management – a collaborative performance measurement approach. Zürich: vdf, 2002. Hill, T.: Manufacturing strategy – test and cases. Boston (MA) (etc.): Irwin, 1989. Morash, E.A.; Dröge, C.L.M.; Vickery, S.K. (1996): Strategic logistics capabilities for competitive advantage and firm success. In: Journal of Business Logistics, 1996, Vol. 17, No. 1, pp. 1–22. Nienhaus, J.; Schnetzler, M.; Sennheiser, A.; Weidemann, M.; Glaubitt, K.; Pierpaoli, F.; Heinzel, H.: Trends im Supply Chain Management – Ergebnisse einer Studie mit mehr als 200 Unternehmen. Zürich: ETH Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2003. PRTM: Supply chain trends 2003 – What is on the management team agenda? Waltham (MA): PRTM, 2003. Ross, D.F.: Competing through supply chain management – Creating marketwinning strategies through supply chain partnerships. 3rd printing; Boston (MA) (etc.): Kluwer Academic Publishers, 2000. Schnetzler, M., Nölle, A., Hasenfuss, K., Iliev, N., Ziegenbein, A.: SCM und Unternehmenserfolg. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006. Schnetzler, M.: Kohärente Strategien im Supply Chain Management – eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien. Dissertation ETH Zürich, 2005.

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1 Supply Chain Management – eine Einleitung

Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007. Weber, J., Wertz, B.: Benchmarking Excellence. Koblenz: Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU), 1999.

2

Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Wer den Zweck will, will auch die Mittel. Horaz

Das zweite Kapitel geht der Frage nach, wie durch SCM Unternehmenswert geschaffen werden kann. In Abs. 2.1 wird erläutert, wie der Wert von SCM bestimmt werden kann. Eine Möglichkeit bietet sich mit dem Konzept des Economic Value Added (EVA) an. Weiter wird betrachtet, weshalb Ursachen und Wirkungen unterschieden werden müssen, um zu verstehen, wie SCM Unternehmenswert schafft. Hierzu werden Methoden und Modelle zur Ursachen- und Wirkungsanalyse vorgestellt. Eine Methode, Axiomatic Design, wird in Abs. 2.2 detaillierter erläutert, da sie die Grundlage für ein systematisch und wertorientiert aufgebautes ZielMittel-System von SCM bildet, das in Kap. 4 vorgestellt wird.

2.1

Der Wert von SCM

Wenn SCM wie eingangs behauptet wirklich einen Wert für und einen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben soll, so muss dieser auch messbar sein. Doch wie kann die ursprünglich als Kostenfaktor betrachtete und auf Materialtransport beschränkte Logistik als Wertetreiber in einem Unternehmen abgebildet werden? Die Antwort scheint denkbar einfach, ist aber schwer umzusetzen. Es muss lediglich bewiesen werden, dass SCM-Ziele einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung von Profitabilitätszielen leisten. Analog zu anderen Unternehmensbereichen müssen wir uns fragen, inwieweit eine ungenügende SCM-Leistung Umsatz verhindernd wirkt, beziehungsweise, eine hervorragende SCM-Leistung sogar als kaufentscheidendes Argument empfunden wird. Jürgen

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Weber von der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar hat zusammen mit Markus Dehler 2001 nachgewiesen, dass Unternehmen, welche eine hohe Logistikleistung erbringen, auch bessere Umsatzzahlen und eine höhere Umsatzrendite aufweisen. Fehlend ist in diesen Studien allerdings jegliche Angaben, wie diese Logistikleistung erzielt wird oder werden kann. Die Frage, wie SCM einen Beitrag zum Unternehmenswert liefert, ist von ungleich größerer Bedeutung als die reine Feststellung, dass sie es kann. Um der Antwort zu dieser Frage näher zu kommen, muss zunächst definiert werden, was letztlich als Wertzuwachs eines Unternehmens verstanden wird. Ein Unternehmen ist ein sozio-technisches System, welches zur Aufgabe hat, die Bedürfnisse der Kunden, der Mitarbeiter, der Eigentümer und der Gesellschaft unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte zu befriedigen. Im Sinne der Nachhaltigkeit muss es somit oberstes Ziel sein, seinen eigenen Fortbestand zu sichern, indem es Gewinn erwirtschaftet und dies mit möglichst ökonomischem Ressourceneinsatz erreicht. Diese beiden Forderungen beinhalten, dass Unternehmen einen Mehrwert an die Gesellschaft abgeben, der den Wert der entnommenen Ressourcen (Arbeitszeit, Energie, Material, Kapital usw.) übersteigt, kurz − das Unternehmen muss einen ökonomischen Mehrwert generieren. Wie kann nun aber ein ökonomischer Mehrwert definiert werden? In einschlägiger Literatur wird ausführlich die Frage erörtert, was der Unternehmenserfolg darstellt; die vorherrschende Antwort ist die Steigerung des Unternehmenswerts, wobei sich die Frage nach der Definition des Unternehmenswerts stellt. Darauf gibt es verschiedene Antworten. Der Begriff Wertorientierung bzw. Wertmanagement (Englisch: ValueBased Management) meint die Ausrichtung der Unternehmensführung auf die Unternehmenswertsteigerung und kommt ursprünglich aus der Finanzwelt. So sind heute in Unternehmen („finanzielle“) Konzepte wie Shareholder-Value, Economic Value Added (EVA) oder Economic Profit verbreitet, um Entscheide und Aktivitäten auf die Steigerung des Unternehmenswerts auszurichten. Bei diesen Ansätzen handelt es sich um Rechensysteme, d. h. um Systeme mit mathematisch (formelmäßig) verknüpften Kennzahlen. Ein solches Rechensystem zeigt anhand von Kennzahlen auf, wie sich der entsprechende Unternehmenswert nach dem Konzept des Shareholder-Value, des Economic Profit oder des EVA berechnet. Betrachten wir als Beispiel das „Strategic Profit Model“, vgl. Abb. 5. Es stellt die Einflüsse von Logistikmanagement bzw. SCM auf die Rentabilität des Unternehmens dar, indem es Werttreiber finanziellen Größen zuordnet.

2.1 Der Wert von SCM

25

Abb. 5 Strategic Profit Model (Lambert und Burduroglu (2000))

So wird beispielsweise dargestellt, dass Logistikmanagement dank höherer Kundenzufriedenheit einen positiven Einfluss auf den Umsatz haben kann (qualitative Zuordnung). Dann wird formelmäßig aufgezeigt (Rechensystem), wie ein Umsatzzuwachs („Sales“) zu einer besseren Brutto-Marge („Gross Margin“) führt. Dies erhöht den Nettogewinn

26

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

(„Net Profit“) und damit auch die Netto-Marge („Net Profit Margin“) und schließlich die Rentabilität („Return on Net Worth“). Die Gemeinsamkeit der wertorientierten Konzepten von SCM liegt darin, dass sie Werttreiber der Logistik und des SCM identifizieren, die den Unternehmenswert beeinflussen. Ein in der Praxis erprobtes und weit verbreitetes Konzept ist der so genannte Economic Value Added (EVA, ökonomischer Mehrwert). Ursprünglich von der Unternehmensberatung Stern Steward & Company entwickelt, hat sich diese Art der ressourcenbetonten Mehrwertrechnung bei vielen Unternehmen durchgesetzt. Die Ressourcenknappheit wird insofern in diesem Konzept berücksichtigt, indem es den Ressourceneinsatz (Kapital, Material, etc.) strenger bewertet als herkömmliche Rentabilitätsformeln. In ähnlicher Art und Weise wie das Strategic Profit Model stellt Abb. 6 die Verknüpfung logistischer Werttreiber mit dem EVA dar. Hier ist beispielsweise dargestellt, dass die Transport-, Lagerhaltungs-, Losgrößen- und Infomationssystemkosten (Kostensenkung als logistische Werttreiber) die Kosten („Expenses“) und somit den Nettobetriebsgewinn („NOPAT Net Operating Profit after Taxes“) und den EVA beeinflussen. Analog beeinflussen Bestände („Inventory“) das Umlaufvermögen („Working Capital“) und über die Kapitalkosten („Capital Charge“) den EVA.

Abb. 6 Economic Value Added (EVA) (in Anlehnung an Lambert und Burduroglu (2000))

2.1 Der Wert von SCM

27

Tabelle 1 Wertorientierte Konzepte im Logistikmanagement Wertorientierte Konzepte für SCM und Logistikmanagement (in Anlehnung an Lambert und Burduroglu (2000)) Total Cost Analysis

Betrachtet werden die Gesamtkosten aller Logistik-/SCM-Aktivitäten (Beschaffung, Transport, Lagerung, Abwicklung, Vertrieb etc.). Dabei fällt außer Betracht, welchen Wert für das Unternehmen als auch für Kunden geschöpft wird.

Strategic Profit Model

Gezeigt wird der (qualitative) Einfluss des Logistikmanagements bzw. SCM auf Umsatz, Kosten, Anlagevermögen und Bestände und wie dadurch eine höhere Kapitalrendite resultieren kann. Vgl. Abb. 5.

Shareholder Value

Sog. Werttreiber („value drivers“) werden identifiziert: Logistik bzw. SCM beeinflusst Umsatzwachstum, operationelle Kosten, Effizienz des Anlage- und Umlaufvermögens. Der Shareholder Value ist der kumulierte Barwert der durch das Unternehmen generierten zukünftigen Cashflows.

Economic Value Added (EVA)

Die EVA-Werttreiber sind analog zum Shareholder Value. Es wird die wirtschaftliche Wertschöpfung (EVA) als Differenz zwischen Betriebsgewinn und Kapitalkosten für Fremd- und Eigenkapital berechnet. Vgl. Abs. 2.1.1.

Kausalmodell von Der Einfluss von Best Practices auf Kennzahlen mehrerer van Landeghem und Ebenen der Zielbereiche Flexibilität, Reaktionszeit, QuaPersoons (2001) lität und Kapitalrendite wird dargestellt mithilfe einer Baumstruktur.

Tabelle 1 gibt eine Übersicht über eine Auswahl von Konzepten des Wertmanagements, die für SCM und Logistikmanagements adaptiert wurden. Die Frage, wie sich gutes SCM auf den Unternehmenswert auswirkt, ist trotzdem noch nicht befriedigend geklärt, obwohl es, wie wir gesehen haben, bereits einige Ansätze dazu gibt. In der Regel werden Werttreiber auf qualitative Art und Weise mit einem Rechensystem verknüpft. Der entscheidende Mangel ist, dass diese Werttreiber nicht weiter ausgeführt sind und kein tiefes Verständnis für logistische Zusammenhänge sowie Ursachen und Wirkungen ermöglichen (darauf wird weiter unten noch näher eingegangen). So zeigt beispielsweise das Strategic Profit Model nicht näher auf, wie gutes Logistikmanagement zu einer höheren Kundenzufriedenheit und zu Mehrumsatz führen kann; die Aussage ist lediglich,

28

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

dass gutes Logistikmanagement zu einer höheren Kundenzufriedenheit und zu Mehrumsatz führen kann. Des Weiteren greift es zu kurz, SCM aus reiner Kostensicht zu betrachten, da durch SCM Wettbewerbsvorteile wie bessere Lieferleistung und damit höherer Kundenservice geschaffen werden können, wodurch wiederum der Unternehmenswert zunehmen kann. Untersuchungen zeigen klar, dass die Logistikleistung eines Unternehmens signifikanten Einfluss auf dessen Erfolg hat. Konzepte des Wertmanagements stellen nun einen systematischen Zusammenhang zwischen Werttreibern bzw. Aktivitäten und dem Unternehmenswert dar, indem sie deren Einflüsse darstellen. Wie steht es um die Wertorientierung des SCM in der Praxis? Eine im Jahr 2005 in Deutschland durchgeführte Studie der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) hat ergeben, dass 59% der befragten Unternehmen die Steigerung des Unternehmenswerts verfolgen. Während heute 63% der Unternehmen fordern, dass die Logistik wertorientiert ist, erwarten dies 81% für das Jahr 2010. Die Wertorientierung hat also bereits heute eine große Bedeutung, die noch zunehmen wird. Die Studie betrachtete zudem Unternehmen, die der Zukunfts-, Risiko- und Marktorientierung der Logistik eine hohe Bedeutung zumessen. Diese Unternehmen sind zu 71% wertorientiert, setzen mehrheitlich (55%) bereits wertorientierte Kennzahlen ein, kennen jedoch erst in 28% der Fälle die Kapitalkosten. Die Studie kommt zum Schluss, dass erst wenige Unternehmen diese geeignet umgesetzt haben, obwohl Wertorientierung von den meisten als möglich und sinnvoll erachtet wird. Herausforderungen sind insbesondere die Verknüpfung von Kennzahlen, sowie die Identifizierung von „Hebeln“ (logistische Werttreiber). Im Folgenden wird EVA im Detail vorgestellt und gezeigt, wie EVA zur Messung einer Logistikleistung herangezogen werden kann. EVA bildet die Grundlage für ein systematisch aufgebautes Ziel-Mittelsystem, das weiter unten vorgestellt wird. Dieses dient der Wertorientierung von SCM und überwindet die erwähnten Mängel der bisherigen Ansätze. Weshalb das EVA-Konzept? Diese Frage wird am Ende des nächsten Abschnitts nach einer detaillierteren Darstellung des EVA-Konzepts beantwortet. Aber soviel kann vorweg genommen werden: EVA ist ein einfaches, transparentes Konzept, das eine oberste allgemeine Kennzahl, den ökonomischen Mehrwert, umfasst und sich eng an das traditionelle Rechnungswesen anlehnt. Es kann deshalb auf einfache Art und Weise mit einem Führungssystem eines Unternehmens verknüpft werden, im vorliegenden Fall mit SCM.

2.1 Der Wert von SCM

2.1.1

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EVA

Economic Value Added (EVA) stellt ein weit verbreitetes Konzept dar, welches die wirtschaftliche Wertschöpfung, d. h. den ökonomischen Mehrwert, als Differenz zwischen dem Betriebsgewinn (netto nach Steuern und vor Zinsen) und den Kapitalkosten für Fremd- und Eigenkapital definiert. Die Kapitalkosten stellen Opportunitätskosten des investierten Kapitals dar, d. h. Verzinsung des Fremdkapitals plus Kosten des Eigenkapitals. In der Regel lässt sich der EVA eines Unternehmens auf einfache Art und Weise anhand des Geschäftsberichts oder anhand der Daten aus dem Rechnungswesen ermitteln. Die leicht vereinfachten Berechnungen lauten folgendermaßen: • EVA = Betriebsgewinn NOPAT (Net Operating Profit after Taxes) – Kapitalkosten • Betriebsgewinn NOPAT (Net Operating Profit after Taxes) = EBIT (Earnings before Interests and Taxes) – Steuern • Allenfalls werden folgende Anpassungen vorgenommen: NOPAT = EBIT + aktivierbare Ausgaben – Abschreibung aktivierter Ausgaben + Korrektur der Bewertung von Abschreibungen – Steuern • Kapitalkosten = Kapitalkostensatz × investiertes Kapital • Kapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital WACC) = Eigenkapitalkostensatz × (Eigenkapital/Gesamtkapital) + Fremdkapitalkostensatz × (1 – Grenzsteuersatz) × (Fremdkapital/Gesamtkapital) • Der Eigenkapitalkostensatz wird nach dem Capital Assets Pricing Model CAPM berechnet, indem der risikofreie Zinssatz, eine marktbezogene Risikoprämie und das spezifische Risiko berücksichtigt werden. Die Größenordnung beträgt in der Regel 10 bis 20%. • Das investierte Kapital berechnet sich folgendermaßen: investiertes Kapital = Bilanzsumme (Gesamtkapital) – operationelle Verbindlichkeiten + kumulierte Aufwandsaktivierung – Abschreibungen Aufwandsaktivierung + Pensionsrückstellungen – nicht operationelles Vermögen Zahlreiche Unternehmen veröffentlichen ihren EVA explizit im Geschäftsbericht. Der EVA stellt also den ökonomischen Mehrwert bzw. die Wertschöpfung eines Untsernehmens dar: Ist er positiv, heißt dies, dass das Unternehmen einen höheren Gewinn erzielt hat als die Opportunitätskosten des investierten Kapitals betragen. Der EVA eines bestimmten Unternehmens kann negativ sein (wenn die Opportunitätskosten des investierten Kapitals den Gewinn übersteigen), obwohl das Unternehmen einen Gewinn ausweist. Dies kann daher kommen, dass im Gewinn nicht die (Opportunitäts-) Kosten des Eigenkapitals berücksichtigt sind.

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM Tabelle 2 Beispiel EVA-Berechnung

Beispiel EVA-Berechnung: Sennheiser electronic, Geschäftsjahr 2004 EBIT

13.14 Mio. EUR

NOPAT

12.36 Mio. EUR

investiertes Kapital

92.85 Mio. EUR, davon Vorräte: 55.69 Mio. EUR

Fremdkapitalkostensatz 1.82% Eigenkapitalkostensatz

15.00%

Eigenkapitalquote

26.60%

Steuersatz

28.63%

Kapitalkostensatz WACC

= 0.15 × 0.266 + 0.0182 × (1 − 0.2863) × (1 − 0.266) = 0.0494 = 4.94%

EVA

= 12.36 – 0.0494 × 92.85 = 7.77 Mio. EUR

Das bedeutet, dass das Unternehmen in diesem Fall den Inhabern des Eigenkapitals keine hinreichende Verzinsung gewährleistet. Ein Beispiel: Das Unternehmen Sennheiser electronic stellt Mikrofone und Kopfhörer her und bietet Lösungen für die Bereiche Konferenztechnik und Audiologie an. Im Geschäftsjahr 2004 wurde ein Umsatz von 262 Mio. EUR erzielt. Anhand der im Geschäftsbericht 2004 veröffentlichten Zahlen kann gemäß Tabelle 2 zuerst der Kapitalkostensatz WACC und dann der EVA berechnet werden. Das Unternehmen hat 2004 einen EVA, d. h. eine positive wirtschaftliche Wertschöpfung oder einen Mehrwert von fast 8 Mio. EUR generiert. Der größte Einfluss von SCM auf den EVA zeigt sich bei den Vorräten von 55.69 Mio. EUR, davon machen etwas weniger als die Hälfte an Lager liegende Endprodukte aus. Isoliert betrachtet kann der negative Einfluss der Vorräte auf den EVA analog berechnet werden: Kapitalkostensatz multipliziert mit dem Wert der Vorräte ergibt −0.0494 × 55.69 = −2.75 Mio. EUR. Könnten also durch Verbesserungen im SCM, beispielsweise durch optimiertes Management der Lagerbestände, die Vorräte um 10 Mio. EUR gesenkt werden, so würde der EVA um rund eine halbe Mio. EUR ansteigen (im Geschäftsjahr 2005 konnten die Vorräte um mehr als 10 Mio. EUR gesenkt werden, bei einer Umsatzsteigerung von rund 15%). Kurzfristig mag es erscheinen, als sei der EVA nur eine rechnerische Größe. Dies ist eine fahrlässige Vernachlässigung der Tatsache, dass die Kapitalgeber bei unzureichender Verzinsung des investierten Kapitals langfristig nach lukrativeren Investitionen Ausschau halten. Die Kostenseite des EVA ist somit recht einfach auszurechnen.

2.1 Der Wert von SCM

31

Inwieweit sich nun der Einfluss von SCM im oben genannten Beispiel auf den Umsatz ausgewirkt hat, ist weitaus schwieriger abzuschätzen. Im letzten Quartal eines Jahrs wird rund ein Drittel des Jahresumsatzes verkauft. Lieferengpässe wirken sich in dieser Zeit gravierend aus, weil der Umsatz in den meisten Fällen verloren geht. Hat beispielsweise ein Lieferengpass bei einer wichtigen Produktgruppe einen Umsatzverlust von 10 Mio. EUR zur Folge, kann die Auswirkung auf den EVA folgendermaßen beziffert werden: Ein Umsatzverlust von 10 Mio. EUR entspricht rund 3.8% (= 10 / 262). Wenn man davon ausgeht, dass in dieser Größenordnung der EVA proportional zum Umsatz ist, reduziert sich der EVA dadurch ebenfalls um ca. 3.8%, d. h. absolut um ca. 0.30 Mio. EUR (= 0.038 × 7.77 Mio. EUR). Sehr wahrscheinlich wäre aber die Einbuße des EVA sogar höher, da Fixkosten bestehen (womit sich eine schlechtere Marge ergibt und EBIT und NOPAT überproportional abnehmen) und das investierte Kapital ungefähr gleich bleibt (die Infrastruktur besteht ohnehin und die Komponenten sind vielleicht bereits eingekauft). Nehmen wir deshalb zuerst an, dass das investierte Kapital beim Umsatzverlust gleich bleibt und der Betriebsgewinn NOPAT nur proportional abnimmt (Margenverschlechterung nicht berücksichtigt), so ergibt sich ein EVA von (1 − 0.038) × NOPAT − WAAC × investiertes Kapital = 0.962 × 12.36 − 0.0494 × 92.85 = 7.30 Mio. EUR. Dies sind rund 0.47 Mio. EUR weniger als vorher. Würde man eine Margenverschlechterung mitberücksichtigen, so wäre die Einbuße des EVA noch höher. Würde sich aufgrund der Fixkosten durch den Umsatzverlust das Verhältnis von NOPAT zu Umsatz von 0.0472 (= 12.36 / 262) auf 0.046 verschlechtern, so ergibt sich ein NOPAT von rund 11.6 Mio. EUR (= 0.046 × 252). Bei gleich bleibendem investierten Kapital kann der EVA zu 11.6 − WACC × investiertes Kapital = 11.6 − 0.0494 × 92.85 = 7.01 Mio. EUR beziffert werden. Das sind rund 0.76 Mio. EUR. Weshalb wird im Folgenden das EVA-Konzept anderen wertorientierten Konzepten vorgezogen? Diese Frage ist nicht so entscheidend, da EVA-Berechnungen leicht in andere wertorientierte Konzepte wie z. B. Economic Profit überführt werden können. Das EVA-Konzept hat jedoch auch einige Vorteile. EVA stellt eine oberste, allgemeine Kennzahl dar und kein (marktwirtschaftliches) Unternehmen kann behaupten, dass es nicht zumindest implizit das Ziel verfolgt, einen Mehrwert zu generieren, der sich aus der Differenz zwischen Gewinn und Kapitalkosten ergibt. Ein weiterer Vorteil ist, wie bereits kurz angesprochen, dass Ressourcen bzw. das Kapital mitberücksichtigt werden. So werden die Kosten des investierten Kapitals explizit miteinbezogen. Damit verbindet EVA eine kapitalmarktorientierte Leistungsmessung mit einer traditionellen. Weiter ist EVA ein einfaches, transparentes System, das sich ans betriebliche

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Rechnungswesen anlehnt und das sich mit anderen Führungssystemen einfach verknüpfen lässt. Deshalb ist die Erhebung der notwendigen Daten und die Berechnung des EVA unproblematisch. Um einen gesamthaften Überblick über die Steigerung des Unternehmenswertes (EVA) mit Hilfe von SCM zu erlangen, müssen allerdings noch mehr Unternehmensaspekte mit einbezogen werden. Dieses Gesamtbild wird im folgenden Abs. 2.1.2 ausführlich beschrieben.

2.1.2

Logistikleistung und EVA

Um einen Beitrag der Logistik zur Steigerung des Unternehmenswerts nachweisen zu können, müssen wir eine kausale Beziehung zwischen logistischen Zielen und den Komponenten des EVA-Konzeptes begründen. Die im vorherigen Abschnitt vorgestellten Berechnungskomponenten sind, wie nicht anders zu erwarten, durch finanzielle Messgrößen dominiert. Die Herausforderung ist somit, logistische Ziele, welche selten finanziellen Charakter haben, auf deren Einfluss auf die finanziellen Resultate hin zu evaluieren. Wie im Folgenden gezeigt wird, können dies zum einen mathematisch berechenbare Zusammenhänge sein, wie dies auf der Kostenseite zu finden ist. Zum anderen gibt es aber auch logistische Ziele, deren Erreichen zwar logisch argumentativ einen Einfluss hat, welcher aber empirisch belegt werden muss. Dies trifft insbesondere bei der Schaffung von Kundenzufriedenheit zu. Etwas vereinfacht formuliert, erhöht sich der EVA durch einen höheren Betriebsgewinn oder tiefere Kapitalkosten (vgl. Abb. 7). Der Betriebsgewinn kann durch höheren Umsatz oder tiefere Kosten gesteigert werden, während die Kapitalkosten sinken, wenn die Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen reduziert werden können. Wie kann die Logistik dazu beitragen, die positiven Faktoren des EVA zu stärken und die negativen abzuschwächen? Umsatz: Logistik als Umsatztreiber wird in Hochglanzbroschüren insbesondere derer, die Logistikleistungen anbieten, postuliert. Wir wollen uns in diesem Buch konkret die Frage stellen, welche Faktoren der Logistik oder des SCM die ausschlaggebenden sind, um umsatztreibend wirken zu können. Es ist also nötig, ein logisches Abbild der Unternehmenslogik zu modellieren, welches diesen Zusammenhang erklären und nachweisen kann. Der positive Einfluss auf den Umsatz durch Logistik und SCM wirkt über die Verbesserung der Kundenzufriedenheit, indem Logistik bzw. SCM gewährleisten, dass die Ziele der eingangs diskutierten Zielbereiche erreicht werden (vgl. Abs. 1.3): Qualität, Lieferzuverläs-

2.1 Der Wert von SCM

33

Abb. 7 Der Beitrag von Logistik zum EVA

sigkeit, Lieferdurchlaufzeit bzw. Verfügbarkeit, sowie Flexibilität. In der Praxis lässt sich dieser Effekt leider nicht einfach quantifizieren: Wie viel vom Umsatz kommt dank guter Lieferzuverlässigkeit zustande? Wie stark wirkt sich ungenügende Verfügbarkeit umsatzschädigend aus? Kosten: Die Kostenseite der Logistik und von SCM ist die historisch am längsten erfasste und überwachte Komponente. Auf Grund der Tatsache, dass sich Kosten in allen Bereichen immer mit der gleichen Basiseinheit darstellen lassen, sind sie unbeschränkt aggregierbar und somit in vielerlei Hinsicht für Reportings verwendet. Die Erfassung von einzelnen Kostenblöcken ist somit zumindest theoretisch beliebig detaillierbar. Nichts desto weniger ist eine faire Zuschlüsselung von Logistikkosten erst in den letzten 10−15 Jahren möglich geworden, indem externe Logistikdienstleister die Möglichkeit des Outsourcings bieten. Man kann hier von drei Entwicklungsstufen sprechen, die die Logistikkosten transparenter gemacht haben. Anfänglich wurde wie bei allen Gemeinkosten mit Verteilungsschlüsseln gearbeitet, um die anfallenden Kosten auf die Produkte oder Abteilungen zu verteilen. Dies bot kaum eine Möglichkeit, besonders teure Aktivitäten zu eliminieren oder billiger zu gestalten, da diese gar nicht im Einzelnen identifizierbar waren. Mit der Prozesskostenrechnung hat sich dieser Umstand insofern zum Besseren gewandelt, dass für jede Aktivität eine kostentreibende Messgröße definiert wird, durch die sich die bei der Ausführung der Aktivität entstandenen Kosten ermitteln lassen. Obwohl die Prozesskostenrechnung schon seit Jahren

34

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

eine wirksame Verrechnungsmethode in direkt produktiven Unternehmensbereichen ist, fristet sie in der Logistik noch ein Schattendasein. Weitaus verbreiteter sind nach funktionalen Kriterien abgegrenzte Kostenstrukturen wie Transportkosten, Lagerhaltungskosten und Personalkosten, um nur einige zu nennen. Erst mit der genauen Verrechnung der in Anspruch genommenen Leistung durch Dritte lassen sich wirklich zuverlässige Aussagen über Logistikkosten machen. Somit fallen SCM- oder Logistikkosten wirklich als liquiditätswirksame Kosten an und nicht nur als Kostenstelle oder Kostenblock in einem Topf von Allgemeinkosten. Je nach Definition von Logistikkosten fallen im Wesentlichen Kosten für Material- und Informationsfluss, logistische Managementprozesse, Bevorratungsprozesse (Kapitalkosten für Bestände, Obsoleszenz) sowie Kosten infolge mangelnder Prozesszuverlässigkeit (Prävention, Nacharbeit, Konventionalstrafen etc.) an. Investitionen: Die Frage nach der Investitionswirksamkeit von SCMAktivitäten scheint auf den ersten Blick die einfachste der drei Hauptkategorien. Man addiere alle Bestände und die zur Lagerung notwendigen Infrastruktur, und schon hat man die durch die Logistik anfallenden Investitionskosten. In erster Näherung ist dies auch sicher mit hinreichender Genauigkeit richtig. Im Detail betrachtet muss man sich jedoch bewusst sein, dass weit mehr Investitionsblöcke dem SCM zugeordnet werden können. So sind Softwaremodule, welche für das SCM gebraucht werden, oftmals strittige Punkte. Ist ein CRM-System eher dem Marketing oder dem SCM zuzuordnen? Muss die Büroinfrastruktur von Mitarbeitern, welche anteilsmäßig an logistischen Planungsaufgaben beteiligt sind, je nach Aufgabe getrennt verrechnet werden? Wie die beiden obigen Beispiele zeigen, kann man die Diskussion beliebig ins Detail treiben und bei Bedarf auch zu jeder Lösung eine recht gute Argumentation finden. Es ist uns somit ein Anliegen, diese strittigen Punkte nicht mit richtig oder falsch zu beantworten, sondern nur darauf hinzuweisen, dass man sich darüber im Klaren sein muss, dass hier Verwirrungspotenzial vorliegt. Eine doppelte Verrechnung, wie auch das Vergessen dieser Kostenblöcke ist ungleich gravierender als eine nicht ganz gerechte Verteilung. Vereinfacht dargestellt, werden Teile des Umlauf- (Bestände, Ware in Arbeit) und Anlagevermögens (Infrastruktur, Anlagen) durch Logistik bzw. SCM beeinflusst. Im Beispiel des vorherigen Abs. 2.1.1 wurde für das Unternehmen Sennheiser electronic der EVA berechnet. Es zeigte sich, dass Logistikmanagement und SCM einen großen Einfluss auf den EVA durch die Vorräte aufweisen. Der Einfluss von SCM über den Umsatz auf den EVA,

2.1 Der Wert von SCM

35

beispielsweise Mehrumsatz durch kürzere Lieferfristen oder Umsatzverluste durch Lieferengpässe, ist schwieriger abzuschätzen. Beziffert werden kann analog der Einfluss von SCM-/Logistikkosten auf den EVA, da eingesparte Kosten direkt zu einem höheren Gewinn führen. Im Beispiel waren die Vorräte relativ hoch. Hohe Bestände können einerseits dazu dienen, kurze Lieferfristen bzw. eine hohe Verfügbarkeit zu garantieren und damit potenzielle Mehrumsätze zu generieren bzw. Umsatzverluste zu vermeiden, was den EVA erhöht. Andererseits kosten Bestände aber auch, sie reduzieren den EVA. Deshalb müssen alle Maßnahmen und Aktivitäten im SCM ausbalanciert werden, so dass SCM gesamthaft zur Wertgenerierung beiträgt. Mit anderen Worten, alle SCM-Aktivitäten müssen hinsichtlich des EVA konfiguriert werden, so dass der Nutzen in Form höherer Umsätze dank hoher Qualität, hoher Liefertreue, kurzen Lieferfristen, hoher Verfügbarkeit und hoher Flexibilität und die Kosten in Form von Kapitalkosten durch Bestände und Anlagevermögen, sowie operationelle Kosten des SCM optimiert sind. Im Beispiel Sennheiser electronic zeigte eine nähere Analyse, dass die hohen Bestände nicht sonderlich zu einer hohen Verfügbarkeit und kurzen Lieferfristen beigetragen haben, da Kennzahlen wie Lieferbereitschaftsgrad und Servicelevel, welche diese Ziele messen, keine Bestwerte erreichen und unter den angestrebten Zielen liegen. Ein positiver Einfluss der Logistik auf die Kundenzufriedenheit und damit auf den Umsatz wurde also nicht durch hohe Bestände „erkauft“. Vielmehr scheinen die Ursachen für hohe Bestände tiefer zu liegen und ihr Einfluss auf den EVA ist gesamthaft betrachtet eher negativ. Details zu den Ursachen sind in der Fallstudie im Kap. 6 zu finden. Bei der Betrachtung der Wertsteigerung durch SCM ist folgende Überlegung wichtig: Die dargelegten Potenziale zur Wertsteigerung durch SCM können in vollem Umfang erst durch die sowohl kunden- als auch prozessorientierte Betrachtung der ganzen Wertschöpfungskette erschlossen werden. Eine lokale, unternehmensspezifische Optimierung muss somit durch die Optimierung der Wertschöpfungskette unter Einbezug von Kunden und Lieferanten mithilfe von Kooperationen und Integration unternehmensübergreifender Prozesse ersetzt werden. Durch den Einbezug der Kunden und Lieferanten gewinnt das Management der Kunden- und Lieferantenbeziehungen Bedeutung für die Wertsteigerung; die Art der Wirkung kann mithilfe des EVA-Konzepts nachvollzogen werden. Eine weitergehende Betrachtung der Wertsteigerung durch SCM, welche auch auf die logistischen Zusammenhänge näher eingeht, fehlt bislang: Die Frage, „Wie beeinflusst SCM den Unternehmenserfolg?“ ist somit nur zum Teil beantwortet.

36

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

In den bestehenden Konzepten der Wertorientierung sind logistische Zusammenhänge meist unzureichend abgebildet und zu wenig spezifisch dargestellt: Generelle Einflussfaktoren des Logistikmanagements und des SCM werden finanziellen Größen zugeordnet; jedoch wird nicht aufgezeigt, über welche Ursache-Wirkungs-Beziehungen die Logistik bzw. SCM Einfluss nimmt. Nicht dargestellt wird nämlich, wie durch die Logistik Kundenzufriedenheit gesteigert werden kann, beispielsweise durch eine hohe Lieferqualität, die ihrerseits durch die Verfügbarkeit von Kapazitäten, Informationen und Material positiv beeinflusst werden kann, vgl. Abb. 8. Damit fehlt der Bezug zu Maßnahmen auf der operationellen Ebene zur Erreichung der strategischen Zielsetzungen des SCM. Diese Schwierigkeiten gründen prinzipiell darin, dass die Konzepte der Wertorientierung bisher meist Rechensysteme mathematischer Beziehungen zwischen den Kennzahlen aufweisen und sich dadurch die Einflussfaktoren des Logistikmanagements aufgrund ihres vorwiegend qualitativen Charakters nicht einordnen lassen. Der Wert von SCM soll sich also mittels kausaler Ketten als Einfluss auf den EVA eines Unternehmens darstellen lassen. Im Folgenden wird demnach eine Methodik vorgestellt, die es erlaubt, sowohl quantitativ mathematische Verknüpfungen, wie sie in der Kosten- und Investitionsseite anzutreffen sind, abzubilden und gleichzeitig qualitative, logisch argumentierte Einflüsse, wie dies beim Umsatz zu finden ist, korrekt darzustellen. Wir verstehen SCM also im positiven Sinne als Umsatztreiber, Kostensenker und Investitionsoptimierer. Obgleich SCM eine

Abb. 8 Beispiel einer Ursachen-Wirkungskette

2.1 Der Wert von SCM

37

Kostenquelle ist, sind die Kosten nur die Auswirkungen, welche logistische Maßnahmen zur Umsatzsteigerung nach sich ziehen. Es muss also zusätzlich eine Verbindung zwischen der Leistungsseite der Logistik (Umsatzsteigerung) und der Kosten- und Investitionsseite abzubilden sein, um ein Überwiegen der positiven Seite sicherzustellen. Es stellt sich also hier erstmals die Frage, was die Ursache ist und welche Wirkung dadurch erzielt wird. Darf man z. B. Bestände herunterfahren oder läuft man Gefahr, größere Umsatzeinbussen zu provozieren? Was kostet eine Flexibilitätssteigerung der Produktion und wie steht der damit zu erwartende Abbau von Beständen im Verhältnis dazu? Die obigen Fragen setzen zwingend voraus, sich über Ursache und Wirkung von Maßnahmen ein Bild zu machen. Der nächste Abschnitt nimmt sich dieser Frage an und skizziert zuletzt eine Methodik, welche die obigen Anforderungen zur Modellierung eines unternehmensweiten, kausalen und logistischen Zielsystems hinreichend erfüllt.

2.1.3

Warum Ursachen von Wirkungen unterscheiden?

Es ist von großer Bedeutung für ein Unternehmen zu verstehen, warum es gerade erfolgreich ist und die Ursachen des Misserfolgs in schlechten Zeiten zu identifizieren. Für jeden Erfolg gibt es Ursachen, für jeden Misserfolg ebenso. Ein Misserfolg kann durch unüberlegte Änderungen am System „Unternehmen“ provoziert worden sein, oder durch Veränderung der Umgebungsbedingungen (Marktanforderungen) und die fehlende Anpassung des Unternehmens an diese. Gleichwohl umgekehrt kann es sich bei Erfolgen verhalten. In diesem Fall ist das Unternehmen erfolgreich auf wechselnde Anforderungen eingegangen oder war in der Lage, bei konstantem Umfeld, eine vom Kunden wahrgenommene Mehrleistung zu offerieren. In jedem Fall sind Anpassungen am Zustand des Systems „Unternehmen“ verantwortlich für eine gute oder eine schlechte Leistung. Wenn wir gezielte Änderungen an einem System herbeiführen wollen, müssen wir lernen, die Dynamik des Systems zu verstehen. Angewandt auf die Produktion eines Unternehmens würde das heißen, dass man sich der Konsequenzen jeder Parameteränderung bewusst sein müsste. Es ist vermessen zu sagen, dass dies jemals ein Mensch überblicken könnte, ganz gleich, wie gut er „seine Produktion“ zu verstehen glaubt. Man stelle sich beispielhaft nur mal die Änderung einer Vorgabezeit für einen Produktionsschritt vor. Offensichtlich hat man sicherlich die Plandurchlaufzeit geändert, was zu kürzeren Lieferzeiten führen müsste.

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Weniger offensichtlich ist der Einfluss der Änderung der Plandurchlaufzeit auf die Schwankungen der Arbeitsgänge. Dies kann, je nachdem, ob die Änderung eine Reduzierung der Schwankungen oder deren Steigerung zur Folge hat, einen positiven oder einen negativen Effekt auf die Lieferzeit haben. Schon letzterer Punkt ist schwer quantitativ zu erfassen, von daraus erwachsenden Einflüssen auf die Kundenzufriedenheit ganz zu schweigen. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass eine Ursache eine Wirkung erzeugt, welche wiederum Ursache für eine weitere Wirkung sein kann usw. Im besten Fall wird sich so eine Ursache-Wirkungskette fortsetzen, bis ein letztes Glied gefunden wird, welches keinen weiteren Einfluss auf ein Element des Systems hat. In einem solchen Fall kann man von einem stabilen System sprechen. In diesem Fall können wir davon ausgehen, dass sich ein stabiler Zustand des Systems nicht ändert, solange von Außen keine Einwirkung erfolgt. Stabil ist ein System auch, wenn es nach der Änderung wieder einen neuen, aber stationären Zustand einnimmt. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang noch zwischen stabilen und indifferenten Systemen unterschieden. Ein stabiles System kehrt immer wieder in den Ausgangszustand zurück, was für ein Produktionssystem gar nicht wünschenswert wäre, da jede Verbesserung bald wieder zunichte gemacht würde. Ein indifferentes System hingegen wird die Veränderung einschließlich aller daraus resultierenden Sekundär- und Tertiärwirkungen „durchpropagieren“ und anschließend wieder im neuen Zustand verharren. Weniger berechenbar sind zirkuläre Ursache-Wirkungsketten, welche theoretisch niemals zum Stillstand kommen. Es sind Veränderungen des Systems, welche über mehrere Stufen wieder zum ursprünglich veränderten Parameter zurückführen und mit dessen Veränderung den Kreislauf wieder in Gang setzen. Das oben erwähnte Beispiel ist allerdings idealisiert in der Hinsicht, dass der gesamte Kreislauf innerhalb des Einflussgebietes einer Person oder immerhin innerhalb einer Abteilung liegt. Weit häufiger beschränken sich die mannigfaltigen Einflüsse nicht auf den eigenen Einflussbereich. Die Gefahr der „Aus den Augen aus dem Sinn“-Mentalität ist hier besonders groß, ist es doch möglich, hervorragende Verbesserungen in einem Bereich herbeizuführen und gleichzeitig größte Schwierigkeiten an anderer Stelle auszulösen. Hiermit drängt sich natürlich die Frage nach der Verantwortung für entstehende Wirkungen auf. In den meisten Fällen ist sich jedoch die verursachende Person der mannigfaltigen Wirkungen, die seine interne Veränderung andernorts auslöst, gar nicht bewusst. Es ist somit wichtig, dass ein Unternehmen keine lokalen Optima anstrebt, sondern sich der grundsätzlichen Logik, nach der das

2.1 Der Wert von SCM

39

Unternehmen „funktioniert“, bewusst wird. Dies kann nur geschehen, indem Ursachen und Wirkungen unterschieden werden. Oftmals werden Wirkungen schneller gesehen und lassen sich daher auch besser benennen. Folglich werden Ziele und Maßnahmen, welche zur Beseitigung dieser unangenehmen Wirkung führen sollen, definiert und ergriffen. Die Gefahr besteht jedoch, dass bei einer solchen Symptombekämpfung die Ursache gar nicht gesehen wird und somit das Problem im Kern gar nicht richtig angegangen werden kann. Eine Lösung dieses Dilemmas kann gefunden werden, indem Ursachen streng von Wirkungen unterschieden werden. Dies kann in verschiedenster Form geschehen, wie später gezeigt wird, wichtig ist allein, dass sich ein Betrachter über zwei Fragen im Klaren ist: • Aufgrund welcher Ursachen kann der ungewünschte Zustand eingetreten sein? • Welche vielfältigen Wirkungen wird die Änderung eines bestimmten Parameters haben? Genauer betrachtet sind beide Fragen sehr ähnlich, haben aber eine unterschiedliche zeitliche Komponente. Während die erste Frage analytisch nach einer Stellschraube sucht, versucht die zweite, die Konsequenzen abzuschätzen, die durch Drehen an einer Stellschraube verursacht werden. Es muss somit eine logische Analogie zwischen Ursachen und Wirkungen herrschen, ganz gleich, welche Frage gestellt wird. Wenn die Antwort auf die zweite Frage besagt, dass Ursache A die Wirkung X, Y und Z verursacht, so müsste man als Antwort auf die erste Frage zur Wirkung Y die Ursache A und gegebenenfalls weitere mögliche Ursachen identifizieren. Der Nutzen von Unternehmensweiten Ursache-Wirkungsmodellen, um die Dynamik von Unternehmen zu verstehen, wurde von Porter (2000) wie auch Ittner und Larcker (2003) herausgestellt. Letztere konnten belegen, dass von einer statistisch signifikanten Auswahl von Unternehmen jene, welche unternehmensweite Ursache-Wirkungsmodelle einsetzen, um die grundlegende Unternehmenslogik zu beschreiben, ca. 3% höhere Kapitalrendite (ROA) und 5.2% höhere Eigenkapitalrendite (ROE) erwirtschaften können, als andere vergleichbare Unternehmen in der gleichen Branche. Im nächsten Abschnitt werden Methoden zur Abbildung von UrsacheWirkungsketten vorgestellt und deren Vor- und Nachteile knapp diskutiert. In Abs. 2.2 wird die favorisierte Methodik genauer erklärt und deren Anwendung auf ein logistisches Ursache-Wirkungssystem gezeigt.

40

2.1.4

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Methoden und Modelle zur Ursachen- und Wirkungs-Analyse

Modelle in einer allgemeinen Form sind eine Abstraktion einer Funktion eines Objektes oder einer Tatsache, welche dessen Analyse und Erforschung erlaubt. Ein Modell ist somit bereits beim Entwurf mit einer Intention geschaffen und von der Sicht der Realität der modellierenden Person beeinflusst. Ursache-Wirkungsmodelle können relativ einfach komplexe Zusammenhänge visualisieren und erlauben somit auch Personen, die eigentlich nicht ausreichend Wissen über andere Unternehmensfunktionen haben, die Konsequenzen ihres Handels auf andere Unternehmensfunktionen mit einzubeziehen. Um einen personengerechten Detaillierungsgrad von Modellen zu erreichen, werden häufig hierarchische Strukturen verwendet. Sie sind unserem natürlichen Denken sehr angepasst und helfen uns, komplexe Dinge besser zu überblicken. Wenn wir uns z. B. als Bauherr eine Übersicht über ein zu bauendes Haus verschaffen wollen, wird der Architekt eher ein abstrahiertes Modell als detaillierte Ausführungspläne zeigen. Nur durch das gezielte Weglassen von in der Situation unnötigen Informationen ist es uns möglich, die zurzeit wichtigen Elemente des Modells wahrzunehmen. Somit kann und sollte die Sicht auf ein Modell und die darin abgebildeten Ursachen-Wirkungsbeziehungen auf jede Person im Unternehmen zugeschnitten werden. Für unseren Zweck beschränkt sich die Suche auf eine Methodik oder ein geeignetes Model zur Abbildung logistischer Zusammenhänge in einem Unternehmen. Konkreter noch: das Modell muss in der Lage sein, den Mehrwert, welchen die Logistik in einem Unternehmen schafft, abzubilden. Wie oben erwähnt, steht dabei nicht die quantitative Evaluation von Maßnahmen im Vordergrund, sondern vielmehr das Aufzeigen der vielfältigen Beziehungen und Beeinflussungen der Logistik in einem Unternehmen. Von der Vielzahl der in der Logistik angewandten Modelle kommen daher nur Vertreter der beiden linken Kategorien in Abb. 9 in Frage.

Abb. 9 Unterscheidungen von Modellarten

2.1 Der Wert von SCM

41

• Beschreibungsmodelle fokussieren sich auf die Visualisierung von Beziehungen zwischen Elementen, welche nicht unbedingt kausal oder gerichtet sind. Das Augenmerk liegt dabei grundsätzlich auf der Identifizierung der Beziehungen an sich. Das Supply Chain Operations Reference (SCOR)-Modell oder der Logistik-Würfel von Pfohl sind bekannte Vertreter dieser Gattung von Modellen. • Erklärungsmodelle oder Kausalmodelle geben Aufschluss über die qualitative oder quantitative Beeinflussung zwischen Modellelementen. Dies können Produktionsparameter sein, wenn es z. B. um den Zusammenhang zwischen Lagerbestand und Durchlaufzeit geht. Das Institut für Fabrikanlagen in Hannover (IFA) beispielsweise hat zu diesem Zweck eine Vielzahl von logistischen Kennlinien entwickelt, welche es erlauben, einen quantitativen Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Parametern herzustellen. Der Fokus dieser sehr operationellen Modelle liegt auf der korrekten Wahl von Produktionsparametern und dem Abschätzen eines optimalen Arbeitspunktes. Erklärungsmodelle auf einer gröberen Abstraktionsstufe werden herangezogen um die Art einer Beeinflussung überhaupt erst abschätzen zu können. So ist es mit der Manufacturing Systems Design Decomposition (MSDD) von David Cochran gelungen, die grundlegenden Beziehungen und Gestaltungselemente von Lean Production in einem hierarchischen Ursache- Wirkungsmodell abzubilden. Es sind darin ausschließlich qualitative Beziehungen berücksichtigt; das Augenmerk liegt somit im Erkennen der Modellelemente und den Beziehungen dazwischen. Die darin angewandte Methode, Axiomatic Design, wird im Detail in Abs. 2.2 erklärt, da sie auch die Grundlage des später vorgestellten wertorientierten Ziel-Mittel-Systems von SCM ist. Im folgenden Abschnitt werden einige wichtige Vertreter von Ursache-Wirkungsmodellen aus den beiden oben beschriebenen Kategorien detaillierter beschrieben, um die Anforderungen an ein wertorientiertes, logistisches und kausales Modell genauer herauszuarbeiten. 2.1.4.1 Überblick über Methoden und Techniken Erklärungsmodelle sind die am wenigsten durch Regeln und Modellierungsanweisungen reglementierte Form von Modellen. Es ist somit dem Modellierer überlassen, welche Gestaltungselemente er für sein Modell wählt. Das macht sie auf der einen Seite für jede erdenkliche Applikation brauchbar, auf der anderen Seite ist für die Interpretation des Modells durch Dritte nicht selten eine recht komplexe Anleitung notwendig. Erklärungsmodelle sind häufig in der psychologischen und anthropologischen Forschung anzutreffen, wo durch Beobachtung von Eingangsgrößen

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

(Reize) und Ausgangsgrößen (Reaktionen) eines Systems versucht wird, auf die Funktionsweise im Innern des Systems zu schließen. Diese Modelle sind insbesondere dann geeignet, wenn sich ein sehr komplexes System dem Forschenden nur langsam erschließt und immer mehr Annahmen über Funktionsweisen eines Subsystems in das Modell integriert werden sollen. In diesem Fall ist die uneingeschränkte Wahl der Modellierungselemente, wie sie bei Erklärungsmodellen anzutreffen ist, die einzige Möglichkeit, die Realität geeignet abzubilden. Angewandt auf die Logistik sind Erklärungsmodelle jedoch auch geeignet, um z. B. den Einfluss von einer guten Mitarbeiterauswahl für Verkaufspersonal auf den Unternehmensgewinn zu visualisieren.

Abb. 10 Beispiel einer Kausalkette von der Mitarbeiterauswahl zu zufriedenen Kunden

Im obigen Modell wird die Auswirkung jeder Entscheidung dargestellt. Jede Auswirkung einer Entscheidung wird dann wiederum als Eingangsgröße für die nächste Auswirkung interpretiert. Im Klartext heißt dies: Es werden Annahmen, wie sich die gute Auswahl des Verkaufspersonal auswirkt, gemacht. Sobald diese hinreichend begründet sind, wird diese Auswirkung (im obigen Fall Mitarbeiterzufriedenheit) als neue Änderung angesehen und es wird nach der Wirkung einer besseren Mitarbeiterzufriedenheit gefragt. So wird die Kette durch logische Argumentation bis zum Unternehmensgewinn fortgesetzt. In der Regel werden die Ursache-Wirkungsketten dieser Art rückwärts aufgebaut, d. h. vom wünschenswerten Zustand ausgehend, werden die verschiedenen Kaskaden der Beeinflussung modelliert. Diese Art der Modellierung ist insbesondere zur logischen Argumentation der Bedeutung von

2.1 Der Wert von SCM

43

bestimmten Unternehmensteilen geeignet. Sie wird häufig zur Überzeugung von Vorgesetzten eingesetzt, da sie zeigt, dass die modellierende Person die Unternehmenslogik verstanden hat. Nachteilig wirkt sich das Fehlen einer Größenordnung der Beeinflussung, sowie von eventuellen negativen Einflüssen auf andere Unternehmensbereiche aus. Andere Modelle werden gebraucht, wenn es um die korrekte Bestimmung von Systemparametern, wie beispielsweise Lagerbestände, geht. In der Logistik haben sich die logistischen Kennlinien des Instituts für Fabrikanlagen in Hannover (IFA) weit verbreitet, da sie ebenso leicht verständliche wie präzise Aussagen treffen. Kennlinien sind allgegenwärtig in technischen Beschreibungen als grafische Abbildung von Tabellen zur Beschreibung von Korrelationen zweier oder mehrerer Parameter. Zwei Parameter werden als Kurve, drei Parameter als Kurvenschar abgebildet. Zurzeit hat das Institut für Fabrikanlagen IFA der Universität Hannover 14 logistische Kennlinien publiziert, welche die Verbindung zwischen Lagerbeständen und anderen logistischen Optimierungskriterien herstellen. Diese sind beispielsweise die Durchlaufzeit, die Lieferzuverlässigkeit oder der Service Level, um nur einige zu nennen. Mit der Analyse existierender Produktionssysteme können die heutigen Arbeitspunkte im Diagramm abgetragen werden und so relativ einfach Rationalisierungspotenzial identifiziert werden. So kann beispielsweise, wie in Abb. 11 dargestellt, festgestellt werden, dass mit einer Halbierung der Lagerbestände der Servicegrad nur unwesentlich sinkt.

Abb. 11 Beispiel einer IFA-Kennlinie: Lagerkennlinie (Nyhuis und Wiendahl, 2003)

44

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Die Lagerbestandsreduzierung kann als nächster Schritt in Ersparnisse und als Beitrag zum Unternehmensgewinn umgerechnet werden. Voraussetzung für die Anwendung logistischer Kennlinien sind präzise und korrekte Angaben über Produktionsparameter. Die Anwendung ist daher im operationellen Bereich zu finden, wo eine Person im vornherein bestimmte Parameter verbessern will. Genau betrachtet ist schon die Abschätzung eines Beitrages zum Unternehmensgewinn nicht mehr von der Kennlinie erfasst, sondern fordert das Wissen der verantwortlichen Person über die genaue Zusammensetzung der Lagerkosten. Eine korrekte Aussage macht die logistische Kennlinie nur über die zwei oder drei abgetragenen Parameter. Es sind somit weitere Auswirkungen, die die Bestandesreduzierung an anderer Stelle verursachen kann (ob positiv oder negativ) mit der logistischen Kennlinie nicht direkt erfassbar, sondern müssen separat abgeschätzt werden. Die logistische Fehler-Möglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) hebt sich von der operationellen Betrachtung der Produktion etwas ab und versucht, generischere Zusammenhänge zu identifizieren. Wie alle FMEA versucht auch die Logistik-FMEA, die Konsequenzen vom NichtErreichen einer gewünschten Leistung abzuschätzen. Es werden daher mögliche Fehlerzustände angenommen, um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können, die die Eintrittswahrscheinlichkeit reduzieren. Des Weiteren müssen die mit dem Eintreten verbundenen Konsequenzen untersucht werden, um das Risiko jedes Fehlerzustands abschätzen zu können. Die Logistik-FMEA fokussiert sich auf eine qualitative Verbindung von Ursachen und Wirkungen. So wird als Ausgangspunkt immer ein möglicher Fehlerzustand angenommen, welcher sich dann in die negativ beeinflussten Bereiche verzweigt. Da die FMEA eine Methodik zur Risikoabschätzung ist, können nur solche Zustände evaluiert werden, an die im Vorfeld gedacht worden ist. Sie ist ein wertvolles Mittel, um die Effekte, welche die Nicht-Erfüllung einer Leistungsanforderung an anderer Stelle zur Folge hat, zu analysieren. Daraus resultiert aber auch, dass die Logistik-FMEA keine zu erreichenden Ziele, sondern vielmehr Aufgaben und Zustände abbildet. Grundsätzlich ist die Methodik der FMEA in drei Schritte unterteilt, wobei der erste, die Strukturierungsphase, eine hierarchische Dekomposition der Aufgaben und Zustände in einem logistischen System darstellt. In der ersten Phase wird man sich der Frage, welche logistischen Prozesse im Unternehmen existieren stellen. Was hier nicht bereits berücksichtigt wird, wird auch bei Fehlerzuständen nicht weiter erfasst. In der nachfolgenden zweiten Phase werden mögliche Abweichungen von den Zuständen, welche in der vorgängigen Phase definiert wurden, dargestellt. In dieser zweiten Phase gilt es, Abweichungen vom Soll und deren Auswirkungen abzuschätzen.

2.1 Der Wert von SCM

45

Abb. 12 Logistik-FMEA

Somit wird eine mögliche Propagation eines jeden Fehlerzustandes skizziert. In der letzten Phase wird die Auswirkung mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtet, um das Risiko jedes Fehlerzustandes abschätzen zu können. Da diese Propagation von Fehlern keineswegs zwingend ist, sondern nur eine mögliche Auswirkung des Fehlers darstellt, fällt die Logistik-FMEA in die Klasse der Erklärungsmodelle. In der Abb. 12 ist die Logistik-FMEA schematisch skizziert. Die FMEA kann indirekt auch als Zielsystem gelesen werden, wenn man davon ausgeht, dass die Fehlerzustände immer zu vermeiden sind und das Ziel somit sein muss, in den entsprechenden Prozessen höchste Leistung zu erbringen. Eine Priorisierung, welches Ziel am wichtigsten für den Unternehmenserfolg ist, kann aber daraus nicht gelesen werden. Es wäre zwar naheliegend, aber sicherlich nicht in jedem Fall richtig, wenn man die Einhaltung der Leistung in jenem Prozess, welcher das größte Risiko beinhaltet, zum wichtigsten Ziel erklärte. In der Logistik-FMEA kann eine geeignete hierarchische Struktur für die Abbildung eines logistischen Zielsystems erkannt werden, dennoch setzt ihr „Fehler-Fokus“ der Brauchbarkeit als ein unternehmensweites Zielsystem enge Grenzen. Ein Zielsystem, welches den Wert der Logistik abbildet müsste darüber hinaus über eine Verknüpfung der Leistungsseite mit der Kostenseite erlauben. Des Weiteren ist die dreistufige Methodik der Logistik-FMEA eng auf den ihr eigenen Zweck zugeschnitten und ist somit als Modellierungsmethodik für andere Modelle ungeeignet. Eine Modellierungsmethode, welche zur Beschreibung von kausalen Zusammenhängen in Unternehmen angewandt worden ist, ist das von Nam P. Suh entwickelte Axiomatic Design (AD). Ursprünglich wurde die

46

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Methode für die systematische Ableitung von Konstruktionselementen bei der Produktgestaltung entworfen, sie hat sich aber in vielerlei Anwendungen als erweiterbar und somit universell zur Abbildung von UrsacheWirkungsketten geeignet erwiesen. Ziel von AD ist es, eine hierarchische Dekomposition beliebiger Zielsysteme aufzustellen und diese mit zielerfüllenden Maßnahmen zu ergänzen. Die dem Konzept zugrunde liegende Idee geht davon aus, dass für jedes Ziel eine Maßnahme gefunden werden muss, welche mit der Zielerreichung kausal verknüpft ist, und sei sie auch noch so abstrakt. Erst, wenn diese Maßnahme gefunden ist, darf ein Dekompositionsprozess weitergeführt werden und dürfen weitere Unterziele definiert werden. Eine Besonderheit von AD ist die strikte Verwendung von Lösungen, welche nach Möglichkeit nur ein Ziel erfüllen und somit die Zielerreichung an anderer Stelle nicht beeinflussen können. Details der AD-Methode im Hinblick auf die Verwendung in der Logistik sind in Abs. 2.2 ausgeführt.

2.1.5

Zusammenfassung

Die Übersicht über Modelle und Methoden zur Beschreibung der Unternehmenslogistik hatte zum Ziel, die verschiedenen Aspekte der Logistik in ihrer modellhaft abstrahierten Form zu skizzieren. Jedes Modell beleuchtet das Unternehmen so, dass es vorteilhaft ist zur Erreichung des Ziels des Modellierers. Unser Ziel ist es, den Zusammenhang des Unternehmenswerts und dessen Steigerung durch logistische Leistung darzulegen und die grundlegenden Beziehungen zu visualisieren. In den folgenden Abschnitten wird daher die Methode des Axiomatic Design für die Anwendung auf ein unternehmensweites logistisches Ziel-MittelSystem im Detail beschrieben.

2.2

Axiomatic Design

2.2.1

Axiome und Design-Matrizen

Axiomatic Design (AD) wurde von Nam P. Suh am MIT als Methode für das Design (Entwurf bzw. Entwicklung) von Produkten, Systemen und Prozessen entwickelt mit dem Ziel, Design als Disziplin auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen und alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Design durch die theoretische Fundierung auf logische und rationale

2.2 Axiomatic Design

47

Abb. 13 „Domain“-Konzept von AD (in Anlehnung an Suh (2001))

Prozesse und Instrumente zu unterstützen. Suh definiert Design als Wechselspiel zwischen „Was soll erreicht werden?“ und „Wie soll es erreicht werden?“. Diese Definition beinhaltet die zentrale Idee von AD: die fundamentale und konsequente Unterscheidung zwischen Zielen (was) und Mitteln (wie), denn meist stehen mehrere Mittel, die unterschiedlich geeignet sind, zur Verfügung, um ein Ziel zu erreichen. Diese Unterscheidung ist in sog. „Domains“ konkretisiert, vgl. Abb. 13: Jede „Domain“ kann als eine Sichtweise auf das gleiche Problem verstanden werden. Die Kundenbedürfnisse der sog. „Customer Domain“ werden als „Customer Attributes“ (CAs) beschrieben, wobei jedes CA ein Kundenbedürfnis repräsentiert. Daraus werden die funktionale Anforderungen („Functional Requirements“, FRs) der „Functional Domain“ abgeleitet, die spezifizieren, was erreicht werden soll. Die Formulierung von FRs aus CAs entspricht weitgehend der Übersetzung eines Pflichtenheftes in ein Lastenheft. FRs stellen voneinander unabhängige Anforderungen dar, welche die funktionalen Eigenschaften eines Produkts oder Systems etc. vollständig beschreiben. Die Lösung, wie diese Anforderungen erfüllt werden sollen, wird mittels Designparametern („Design Parameters“, DPs) der „Physical Domain“ beschrieben, indem die technische Lösungsmöglichkeit zur Erfüllung der FRs definiert wird. In der „Process Domain“ werden schließlich die Designparameter in Form von Prozessvariablen („Process Variables“, PVs) übersetzt, welche die konkrete Realisierung der Designparameter mithilfe von Prozessen, Ressourcen, Methoden etc. betreffen. Design stellt damit in AD die Generierung und anschließende Auswahl von Lösungen (Produkte, Systeme, Prozesse) dar, welche den vom Kunden gestellten Anforderungen am besten genügen. Mögliche Lösungen werden dabei durch die Abbildung der FRs aus der sog. „Functional Domain“ auf die DPs der sog. „Physical Domain“ generiert. Die beste Lösung ist nun diejenige, deren DPs die FRs am besten erfüllt. Die Tabelle 3

48

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM Tabelle 3 Beispiele für das „Domain“-Konzept von AD

Beispiele für das „Domain“-Konzept von AD Beispiel

„Customer Domain“ CAs

„Functional Domain“ FRs

„Physical Domain“ DPs

„Process Domain“ PVs

Produkt Kunden(allgemein) bedürfnisse

Spezifikation ProduktHerstellder Funktionen spezifikationen prozesse, Ressourcen

Automobil- Mobilität hersteller

Verkehrsmittel Auto

Aktionäre

Wertsteigerung

Economic Value Added (EVA)

Optimierung Performance der Werttreiber Management

Kunden

Kundenzufriedenheit

Spezifikation der Kundenbedürfnisse

Qualität, Leistung, Preis

Customer Relationship Management

Software

gewünschte Spezifikation Eigenschaften der Funktionalitäten

Algorithmen, Datenstrukturen, Module

(ausführbarer) Maschinencode, Programmierung

Produktionsressourcen

zeigt ein paar (unvollständige) Beispiele zur Illustration. Auf den Designprozess wird weiter unten noch detaillierter eingegangen und im Folgenden werden primär die funktionalen Anforderungen (FRs) und Designparameter (DPs) betrachtet. Für jeden Übergang zwischen den verschiedenen „Domains“ kommt die bereits angesprochene Unterscheidung von Zielen und Mitteln zur Anwendung, indem die vorgelagerte „Domain“ vorgibt, was erreicht werden soll, und die nachgelagerte dies in das „Wie“ übersetzt. Die „Kunst des Designs“ macht gerade diese Übersetzung aus. Das ZielMittel-Denken ist ein bewährter Ansatz und hat den entscheidenden Vorteil, dass es bei der Formulierung von Zielen bzw. Anforderungen lösungsneutral ist und damit das Lösungsspektrum nicht einschränkt, um möglichst optimale Lösungen zu erhalten. Zudem kann ein Ziel gleichzeitig ein Mittel für ein übergeordnetes Ziel sein. Sind einmal die funktionalen Anforderungen spezifiziert, gibt es in der Regel eine Vielzahl möglicher Designparameter, die in Frage kommen. Deshalb ist es von fundamentaler Bedeutung, erstens die funktionalen Anforderungen korrekt zu formulieren und zweitens die „richtigen“

2.2 Axiomatic Design

49

Designparameter auszuwählen. AD postuliert hierzu zwei Axiome (Grundsätze), welche „gutem“ Design zugrunde liegen und dadurch als Designprinzipien den Designprozess bestimmen: • Unabhängigkeitsaxiom: „Die funktionalen Anforderungen müssen stets unabhängig voneinander sein.“ Das bedeutet, dass jede funktionale Anforderung FR erfüllt werden soll, ohne eine andere zu beeinflussen. Dies stellt sicher, dass ein gutes Design generiert wird. • Informationsaxiom: „Der Informationsgehalt eines Designs soll minimal sein.“ Der Informationsgehalt wird mit der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der FRs quantifiziert, (genauer: negative Summe über die Zweierlogarithmen aller Wahrscheinlichkeiten für die Erfüllung der einzelnen FRs durch die DPs). Mit anderen Worten, minimaler Informationsgehalt heißt maximale Wahrscheinlichkeit, dass die FRs erfüllt werden. Daraus folgt, dass das beste Design jenes mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, die FRs zu erfüllen, ist. Einfach gesagt heißt dies, dass man die am besten geeigneten Mittel auswählen muss bzw., dass in der Regel ein einfaches Design das beste ist. Auf diese Weise kann das beste Design ausgewählt werden (siehe weiter unten). Der Zusammenhang zwischen funktionalen Anforderungen (FRs) und Designparametern (DPs) kann mithilfe von sog. Design-Matrizen dargestellt werden. Eine Design-Matrix [A] zeigt auf, welcher DP zur Erfüllung welcher FR beiträgt: {FR} = [A] {DP}. Ein kleiner mathematischer Exkurs zur Illustration: {FR} und {DP} stellen n-dimensionale Vektoren dar, wobei n die Anzahl DPs und FRs darstellt (nur wenn gleich viele FRs wie DPs vorhanden sind, ist ein ideales Design möglich, siehe weiter unten). Damit ist [A] eine n × n-Matrix, in der sich die Spalten auf die DPs und die Zeilen auf die FRs beziehen. Ein Element (eine Zahl, welche den Zusammenhang quantifiziert, oder 0/1 bzw. 0/X) in der Spalte n und der Zeile m zeigt damit die Relation zwischen DPn und FRm. Die Elemente der Matrix [A] stellen dar, welcher DP welche FR beeinflusst bzw. welche FR durch welchen DP beeinflusst wird. Vgl. Beispiel in Abb. 14 mit grafischer Darstellung und der Design-Matrix.

Abb. 14 Design-Matrix und grafische Darstellung (Beispiel)

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Abb. 15 Beispiel Wasserhahn: Design a (links) und Design b (rechts)

Das Beispiel eines Wasserhahns soll verdeutlichen, wie AD beim Design von Alltagsgegenständen hilfreich sein kann, vgl. Abb. 15. Saubere Hände sind ein (Kunden-) Bedürfnis, gehören also als „Customer Attribute“ zur „Customer Domain“. Um eine Lösung zu entwickeln, müssen nun funktionale Anforderungen FRs abgeleitet werden. Die funktionalen Anforderungen beim Händewaschen sind: FR1 „gewünschte Wassertemperatur“ und FR2 „gewünschte Wassermenge“. Bei einem herkömmlichen Wasserhahn (Design a) mit je einem Drehventil für heißes und kaltes Wasser werden die Wassermengen für heißes und kaltes Wasser unabhängig voneinander geregelt; die Designparameter sind somit DP1a „Wassermenge kalt regeln“ und DP2a „Wassermenge heiß regeln“. Die gesamte Wassermenge ergibt sich aus der Summe von kaltem und heißem Wasser und die Temperatur aus dem Mischverhältnis. Somit beeinflussen beide DPs jeweils die Erfüllung beider FRs: Wird beispielsweise die Menge heißes Wasser verändert, so ändern sich gleichzeitig die Temperatur und die Gesamtmenge Wasser, die aus dem Hahn kommt. Das Unabhängigkeitsaxiom ist verletzt und es handelt sich damit gemäß AD um ein schlechtes Design. Warum sich sog. Mischbatterien (Design b), wo unabhängig voneinander Wassermenge und -temperatur eingestellt werden können, in letzter Zeit durchgesetzt haben, lässt sich mit AD erklären: Die Designparameter sind DP1b „Wassertemperatur regeln“ und DP2b „Wassermenge regeln“ und beeinflussen jeweils unabhängig voneinander FR1 bzw. FR2. Gemäß AD ist dies das überlegene Design, denn hier ist das Unabhängigkeitsaxiom erfüllt. Allerdings ist die technische Realisierung ungleich komplexer. Abbildung 16 zeigt für das Beispiel die Zusammenhänge von FRs und DPs grafisch und als Matrix.

2.2 Axiomatic Design

51

Abb. 16 Beispiel Wasserhahn: Design-Matrizen und grafische Darstellung

Durch Analyse einer Design-Matrix kann festgestellt werden, ob das Design das Unabhängigkeitsaxiom erfüllt oder nicht. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten (vgl. Abb. 17 mit Beispielen): • „uncoupled“: Wenn jede FR von genau einem DP erfüllt wird, sind alle Elemente der Matrix, die nicht auf der Diagonalen liegen, Null. (Es handelt sich dann um eine sog. Diagonalmatrix.) In diesem Fall können die FRs unabhängig voneinander erreicht werden und das Unabhängigkeitsaxiom ist erfüllt. Im Beispiel oben war dies für die Lösung b der Fall. • „partially coupled“ (auch: „decoupled“) liegt vor, wenn die Elemente der Matrix spaltenweise und zeilenweise umgruppiert werden können, so dass eine sog. Dreiecksmatrix entsteht (oberhalb oder unterhalb der Diagonalen sind alle Elemente Null). Dies ist zulässig, weil sich dadurch in den Zusammenhängen zwischen FRs und DPs nichts ändert, sondern lediglich die DPs bzw. FRs konsistent umnummeriert werden. Das Unabhängigkeitsaxiom ist jedoch nur dann gewahrt, wenn die DPs in einer bestimmten Reihenfolge festgelegt werden und so die FRs unabhängig voneinander erfüllen. Deshalb spricht man

52

2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

auch von einer Pfadabhängigkeit („Path Dependency“): Die Matrix wird zu einer linken Dreiecksmatrix (rechts oberhalb der Diagonalen stehen nur Nullen) umgruppiert und dann werden die DPs in der entsprechenden Reihenfolge implementiert. Dadurch werden die DPs in der Reihenfolge festgelegt, in der ihr Einfluss auf die FRs abnimmt. Die dahinter liegende Logik ist folgende: Durch das Festlegen der DPs in dieser Reihenfolge werden die FRs nacheinander erfüllt, so dass kein DP ein bereits festgelegtes FR beeinflusst; der letzte DP beeinflusst dann nur noch eine FR, so dass diese unabhängig davon, wie sie zuvor von den anderen DPs beeinflusst wurde, erfüllt werden kann. Wenn wir im Beispiel oben beim Händewaschen anstelle der funktionalen Anforderung FR1 „gewünschte Wassertemperatur“ die einfachere Anforderung FR1' „Hände nicht verbrühen“ erfüllen müssen und einen herkömmlichen Wasserhahn (Design a) zur Verfügung haben, so ergibt sich mit den Designparametern DP1a und DP2a eine Pfadabhängigkeit: Zuerst muss das kalte Wasser eingestellt (DP1a) und dann vorsichtig das heiße Wasser aufgedreht werden (DP2a). Damit kann FR1' erreicht werden (keine verbrühten Hände), aber wahrscheinlich könnte die gewünschte Wassermenge (FR2) nicht genau erreicht werden. Wir hätten zwar „decoupled“ Design, jedoch für reduzierte Anforderungen. Zudem wäre das Design unbefriedigend, weil die Wahrscheinichkeit, FR2 (gewünschte Wassermenge) zu erfüllen, gering und daher das Informationsaxiom nicht erfüllt ist (es gäbe bessere Lösungen). • „coupled“ Design ist dann der Fall, wenn die Matrix nicht in Dreiecksform gebracht werden kann (und sie damit auch keine Diagonalmatrix ist). Ein solches Design verletzt das Unabhängigkeitsaxiom und ist demzufolge „schlecht“, weil die FRs nicht unabhängig voneinander erfüllt werden können, d. h. das Erreichen einer FR beeinflusst immer eine bereits erfüllte FR. In diesem Fall beeinflusst immer mindestens ein DP eine bereits festgelegte FR in einer Art Rückkopplung. Dadurch können die FRs nur iterativ durch mehrfaches Verändern der DPs im gewünschten Ausmaß erreicht werden (sozusagen im Herantasten). Im Beispiel mit dem Händewachen oben war das bei der Lösung a (herkömmlicher Wasserhahn) der Fall: Man muss mit Vorsicht in mehreren Schritten sowohl das das kalte (DP1a) als auch das heiße Wasser (DP2a) regeln, um die gewünschte Temperatur (FR1) und Menge des Wassers (FR2) zu erhalten. Für ein besseres Design müssen alternative DPs gefunden werden. Beispielsweise war die Dampfmaschine von James Watt dank einem „decoupled“ Design effizienter und daher erfolgreicher als ihre Vorgänger.

2.2 Axiomatic Design

53

Abb. 17 „Uncoupled“, „partially coupled“ und „coupled“ Design (Beispiele)

Welche Bedeutung hat die Anzahl von FRs und DPs? Hier gibt es wiederum drei Unterscheidungen: • Stimmen die Anzahl FRs und DPs miteinander überein, so handelt es sich um ein ideales Design, wenn zudem das Unabhängigkeitsaxiom erfüllt ist. Im Beispiel oben mit dem Händewaschen die Lösung b (Mischbatterie). • Mehr FRs als DPs ergibt stets ein „coupled“ Design, denn das Unabhängigkeitsaxiom ist zwingend verletzt, weil die FRs nicht unabhängig voneinander erfüllt werden können. Entweder gibt es mindestens eine FR, die nicht erfüllt werden kann, weil sie überhaupt nicht beeinflusst wird, oder mindestens ein DP beeinflusst mindestens zwei FRs, so dass diese nicht unabhängig voneinander erfüllt werden können. Dies wäre der Fall beim Händewaschen, wenn wir nur kaltes Wasser zur Verfügung hätten (DP2a bzw. DP1b stehen nicht zur Verfügung): Wir könnten die gewünschte Wassertemperatur (FR1) nicht erreichen, es sein denn, wir wünschten nur kaltes Wasser. • Bei weniger FRs als DPs ist das Design überbestimmt, d. h. redundant bzw. „coupled“, falls das Unabhängigkeitsaxiom nicht erfüllt ist. In diesem Fall könnten wir Dinge einstellen, die angesichts der Anforderungen keinen Sinn machen; beispielsweise brauchen wir bei einem Hydranten für die Feuerwehr keine Möglichkeit, die Wassertemperatur zu regeln.

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Auf das bereits erwähnte Informationsaxiom soll hier nur kurz eingegangen werden. Sind mehrere Designs möglich, stellt sich die Frage, welches das beste ist. Hierzu wird das Informationsaxiom herangezogen, welches das Kriterium für die Auswahl von Lösungen sowie die theoretische Grundlage für die Entwicklung robuster Designs und für die Optimierung bildet. Gemäß dem Informationsaxiom ist jenes Design das beste, welches die minimale Information zur Erfüllung der FRs benötigt. Der Informationsgehalt wird dabei mithilfe der Wahrscheinlichkeit, dass die DPs die FRs erfüllen, ausgedrückt. Vereinfacht heißt dies, dass ein einfaches Design bzw. eine einfache (zuverlässige, robuste) Lösung besser ist. Das Informationsaxiom wird im Folgenden nicht explizit angewandt, weil aufgrund der Komplexität und der Kontextabhängigkeit der logistischen Zusammenhänge keine Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden können. Jedoch werden im Sinne des Informationsaxioms systematisch Ziele und Mittel (Best Practices, Methoden etc.) betrachtet, die gemäß dem neusten Stand der Theorie und Praxis als die am besten geeigneten angesehen werden, also eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit, die FRs zu erfüllen, aufweisen. Damit versprechen sie ein einfaches, robustes Design und erfüllen somit das Informationsaxiom implizit.

2.2.2

Dekomposition und Designprozess

In der Regel sind FRs auf einer hohen Ebene abstrakt und damit für eine unmittelbare Realisierung mithilfe der DPs zu wenig detailliert (vgl. dazu auch die Beispiele in der Tabelle 3 auf Seite 47), weil diese weniger eine konkrete Lösung als vielmehr einen Lösungsweg bzw. ein Lösungsprinzip skizzieren. Um ein realisierbares Design zu entwickeln, müssen die FRs und DPs der höchsten Ebene auf einer detaillierteren Ebene dekomponiert (zerlegt) werden, wobei dies auf eine strukturierte und konsistente Weise zu erfolgen hat. Die Dekomposition ist charakterisiert durch Hin- und Herwechseln zwischen der „Functional Domain“ und der „Physical Domain“ („Zigzagging“), vgl. Abb. 18. Man beginnt bei der obersten FR, konzipiert einen geeigneten DP und kehrt dann wieder zurück, um mindestens zwei FRs der nächst tieferen Ebene zu kreieren, die zusammen die übergeordnete FR erfüllen und in engem Zusammenhang mit dem DP stehen. Diese FRs sind dann Ausgangspunkt für die Konzeption von mindestens zwei DPs, welche eine Dekomposition des übergeordneten DPs darstellen und jeweils zur Erfüllung einer dieser FRs beitragen. Durch solche Zuordnungen entstehen

2.2 Axiomatic Design

55

Abb. 18 „Zigzagging“ zwischen „Functional“ und „Physical Domain“ (in Anlehnung an Suh (2001))

FR-DP-Paare, wobei zu jeder FR nur ein DP zugeordnet wird, andernfalls wäre kein ideales Design möglich (siehe oben). Dieses Verfahren wird solange fortgesetzt, bis ein adäquater Detaillierungsgrad erreicht ist, so dass das Design auf der operationellen Ebene realisiert werden kann. Das Ergebnis der Dekomposition stellt eine bereits oben angesprochene Ziel-Mittel-Hierarchie dar: Die FR-DP-Paare stellen Ziel-Mittel-Relationen dar, die über mehrere Ebenen strukturiert und konsistent miteinander verknüpft sind. Weiter kann die Dekomposition auch als Modell für Ursachen-Wirkungs-Beziehungen aufgefasst werden. Die wesentlichen Elemente von Axiomatic Design sind nun dargelegt, so dass in knapper Form der vereinfachte Designprozess dargestellt werden kann; vgl. Abb. 19. Im Wesentlichen stellt der Designprozess die Formalisierung der Dekomposition unter Berücksichtigung des Unabhängigkeitsaxioms dar. Nach der Bestimmung der FRs werden mögliche DPs identifiziert. Dann wird die Designmatrix analysiert; ist sie „coupled“, müssen neue, alternative DPs gefunden werden, falls nicht, wird überprüft, ob die DPs genügend konkret sind oder weiter dekomponiert werden müssen. In diesem Falle wird der Prozess erneut durchlaufen, indem zuerst untergeordnete FRs bestimmt werden.

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Abb. 19 Designprozess (in Anlehnung an Cochran et al. (2001))

2.2.3

Zusammenfassung und Ausblick

AD stellt einen strukturierten Ansatz für die Konzeption von Designs (verstanden als Erfüllung funktionaler Anforderungen durch sog. Designparameter) und die Dekomposition von Anforderungen bis auf die operationelle Ebene (Operationalisierung) zur Verfügung. Die Grundmerkmale sind die strikte Unterscheidung von Ziel und Mittel, die beiden Axiome sowie die Dekomposition. Als Vorteile von AD können folgende identifiziert werden: • Unterscheidung von Zielen bzw. Anforderungen und Mitteln bzw. Lösungen: Dies erlaubt einen methodisch strukturierten, logischen Designprozess, der zuerst Ziele bzw. Anforderungen definiert und erst dann an Lösungen herangeht. Somit werden Ziele nicht mit Lösungen vermengt und Ziele können lösungsneutral formuliert werden. • Strukturierter Ansatz für die Dekomposition: Auf Basis der Unterscheidung von Zielen und Mitteln ermöglicht er eine schrittweise, konsistente Operationalisierung und Konkretisierung von Zielen und Mitteln über mehrere Ebenen mit unterschiedlichem Abstraktions- und Detaillierungsgrad. Dies stellt auch sicher, dass Ziele und Mittel auf einer tieferen Ebene im Einklang mit den übergeordneten Zielsetzungen stehen. • Zusammenhänge können in Form von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, Ziel-Mittel-Relationen bzw. -Hierarchien und Einflüssen mithilfe der Dekomposition strukturiert und so einem einfachen Verständnis zugeführt werden. • Visualisierung und Kommunikation: Die Zusammenhänge können klar und einfach dargestellt und damit gut kommuniziert werden.

2.2 Axiomatic Design

57

Weitere spezifische Vorteile weisen Ziel-Mittel-Hierarchien auf: • Durch die Ziel-Mittel-Hierarchie können Ebenen gebildet und mittels Ursachen-Wirkungs-Beziehungen miteinander verknüpft werden. Dies liefert vor allem auch für Ziele auf tieferen Ebenen, die damit in einen größeren Gesamtzusammenhang gestellt werden können, strukturierte Begründungszusammenhänge. • Ist auf einer übergeordneten Ebene ein Mittel festgelegt, kann man sich auf der nächst tieferen Ebene dessen Realisierung zum Ziel setzen. Es genügt, sich dann im Sinne einer Komplexitätsreduzierung bei der Erarbeitung von Lösungen darauf konzentrieren. Mögliche Nachteile von AD sind: • Die verwendeten Begriffe und Definitionen können teilweise etwas verwirrend (nicht intuitiv) sein; AD erfordert eine Einarbeitung in die Methodik. • Die Anwendung von AD auf Objekte mit hohem Abstraktionsgrad wie Produktionssysteme und SCM ist anspruchsvoll, weil Designparameter nicht konkrete Designelemente repräsentieren, sondern konzeptioneller Natur sind und es so oft schwierig ist, aussagekräftige Designparameter auf einer hohen Ebene zu identifizieren, die nicht einfach eine Umschreibung der zugeordneten Anforderung darstellen. Zusammenfassend kann AD als eine sehr mächtige und allgemein anwendbare Methode für die Strukturierung und Dekomposition von Zusammenhängen im Kontext der Entwicklung von Produkten, Systemen und Prozessen betrachtet werden. Im vorderen Teil dieses Kapitels wurde der Wert von SCM diskutiert. Es zeigte sich, dass sich der Einfluss von SCM auf den Unternehmenserfolg mit dem EVA-Konzept strukturieren lässt. Dabei ist es entscheidend, Ursachen von Wirkungen zu unterscheiden. AD kann nun genutzt werden, um logistische Wirkungszusammenhänge aus wertorientierter Sicht darzustellen: • Durch welches Mittel (DP) kann zu einem bestimmten Ziel (FR) beigetragen werden? • Über welche Stufen beeinflusst ein bestimmtes Mittel, beispielsweise eine Maßnahme im Rahmen von SCM, welche Ziele des SCM und schließlich den Unternehmenswert? • Wie können geeignete Maßnahmen zur Erreichung eines bestimmten Zieles identifiziert werden? • Wie können Ziele des SCM operationalisiert werden?

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2 Wertorientierung: Generierung von Unternehmenswert durch SCM

Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden, indem AD auf SCM angewandt wird. Dies ist Thema des nächsten Kapitels.

Quellen und weiterführende Literatur Der Wert von SCM (Wertorientierung, Abs. 2.1.1, 2.1.2) Chopra, S.; Meindl, P.: Supply chain management – Strategy, planning, operation. 2nd ed., int. ed., Upper Saddle River (NJ): Prentice-Hall, 2004. Christopher, M.; Ryals, L.: Supply chain strategy: its impact on shareholder value. In: The Interntional Journal of Logistics Management, 1999, Vol. 10, No. 1, pp. 1–10. Copeland, T.; Koller, T.; Murrin, J.: Unternehmenswert – Methoden und Strategien für eine wertorientierte Unternehmensführung. 2., aktual. u. erw. Aufl., Frankfurt: Campus, 1998. Dehler, M.; Weber, J.: Der Einfluss der Logistik auf den Unternehmenserfolg. Forschungspapier Nr. 79, WHU Koblenz, 2001. Ehrbar, A.: EVA Economic Value Added – Der Schlüssel zur wertsteigernden Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler, 1999. Evans, R.; Danks, A.: Strategic supply chain management – Creating shareholder value by aligning supply chain strategy with business strategy. In: Gattorna, J.L. (ed.): Strategic supply chain alignment – Best practice in supply chain management. Hampshire (UK): Gower, 1998, pp. 18–38. Hostettler, S: Economic Value Added (EVA). 5., unveränd. Aufl.; Bern (etc.): Paul Haupt, 2002. Lambert, D.M.; Burduroglu, R.: Measuring and selling the value of logistics. In: The International Journal of Logistics Management, 2000, Vol. 11, No. 1, pp. 1–17. Rappaport, A.: Shareholder Value – ein Handbuch für Manager und Investoren. 2., vollst. überarb. u. aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1999. Straube et al. (Hrsg.): Trends und Strategien in der Logistik. (BVL-Studie). Hamburg: Deutscher Verkehrs-Verlag, 2005. Thommen, J.-P.; Achleitner, A.K.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. 5., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2006. van Landeghem, R.; Persoons, K.: Benchmarking of logistical operations based on a causal model. In: International Journal of Operations & Production Management, 2001, Vol. 21, No. 1/2, pp. 251–266.

Quellen und weiterführende Literatur

59

Ursachen und Wirkungen (Abs. 2.1.3, 2.1.4) Arnold, D.; Isermann, H.; Kuhn, A.; Tempelmeier, H. (Hrsg.): Handbuch Logistik. 2., aktual. u. korr. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2004. Ittner, Ch.D.; Larcker, D.F.: Coming up short on non financial performance measurement. In: Harvard Busines Review, November 2003, Vol. 81, No. 11, pp. 88−95. Kaplan, R.S., Norton D.P.: The balanced scorecard – translating strategy into action. Boston (MA): Harvard Busines School Press, 1996. Nyhuis, P.; Wiendahl, H.-P.: Logistische Kennlinien: Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen. 2., erw. u. neubearb. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2003. Pfohl, H.-Chr.: Logistikmanagement – Konzeption und Funktionen. 2., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2004. Ruta, A.: Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse FMEA für die Produktionslogistik. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1999. Porter, M.E.: Wettbewerbsvorteile – Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 6. Aufl., Frankfurt/Main: Campus, 2000. Saaty, T. L.: The analytical hierarchy process. New York: McGraw-Hill, 1980. Saaty, T.L.: Decision Making for Leaders – the analytic hierarchy process for decisions in a complex world. Pittsburg: RWS Publications, 1995. Schönsleben, P.: Integrales Informationsmanagement – Informationssysteme für Geschäftsprozesse. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2001. Ulrich, P., Hille, W.: Wissenschaftliche Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre (Teil und Teil II). In: WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Juli u. August 1997, 5. Jg., Nr. 7 u. Nr. 8. Wiendahl, H.-P.: Erfolgsfaktor Logistikqualität: Vorgehen, Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung der Logistikleistung. 2. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2002.

Axiomatic Design (Abs. 2.2) Cochran, D.S.; Arinez, J.F.; Duda, J.W.; Linck, J.; A decomposition approach for manufacturing systems design”. In: Journal of Manufacturing Systems, 2001, Vol. 20 No. 6, pp. 371−389. Suh, N.P.: Axiomatic design – advances and applications. New York (NY) (etc.): Oxford University Press, 2001. Suh, N.P.: Complexity. New York (NY) (etc.): Oxford University Press, 2005. Suh, N.P.: The Principles of Design. New York (NY) (etc.): Oxford University Press, 1990.

3

Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Die Lösung ist immer einfach, man muss sie nur finden. Alexander Solschenizyn

In diesem Kapitel wird ein Ziel-Mittelsystem von SCM, die Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD), vorgestellt, die mit Hilfe von der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Methode von Axiomatic Design (AD) erarbeitet wurde. Die SCVD setzt systematisch Ziele und Mittel von SCM zueinander in Beziehung und zeigt, wie logistische Zusammenhänge zur Steigerung des Unternehmenswertes genutzt werden können. In Abs. 3.1 wird zuerst dargelegt, wie die SCVD grundlegend aufgebaut ist. Anschließend werden die verschiedenen Bereiche der SCVD als Überblick erklärt. Die vollständige SCVD ist in Abs. 3.2 im Detail zum Nachschlagen dokumentiert. Die SCVD wurde im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts ProdChain erarbeitet und im Hinblick auf Konsistenz, Vollständigkeit und Praxisbezug in Zusammenarbeit mit den akademischen und Industriepartnern in mehreren Fallstudien und Workshops validiert. Die SCVD stellt einerseits ein Erklärungs- oder Kausalmodell dar, welches UrsacheWirkungs-Beziehungen darstellt, und ist andererseits ein Zielsystem zur Erschließung logistischer Erfolgspotenziale.

3.1

Aufbau der SCVD

3.1.1

Einleitung: Zweck der SCVD und Überblick

Die Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) stellt eine wissenschaftlich fundierte und systematische Anwendung der Axiomatic

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Design Methode auf die Thematik des SCM dar. Im Folgenden soll ein Überblick über die SCVD gegeben werden. Zuerst werden die Prinzipien, welche der SCVD zugrunde liegen, erklärt, dann die Herleitung der einzelnen Äste erläutert und exemplarisch an Ausschnitten der SCVD dargestellt. Die vollständige SCVD ist, wie bereits erwähnt, in Abs. 3.2 dargestellt. Die SCVD stellt ein generisches, hierarchisch strukturiertes ZielMittel-System von SCM dar. Die SCVD wurde unter Beachtung des Unabhängigkeitsaxioms erarbeitet, so dass sie ein „partially coupled“ Design darstellt; das Informationsaxiom wurde nur punktuell herangezogen, denn aufgrund der zahlreichen Elemente und Beziehungen ist die Komplexität zu groß. Die SCVD kann für folgende Zwecke genutzt werden: • Identifizierung von geeigneten Mitteln des SCM (Konzepte, Methoden, Best Practices etc.), um SCM-Ziele zu erreichen; • Identifizierung von Werttreibern des SCM und Bestimmung des Wertbeitrags von SCM-Konzepten, -Methoden und -Best Practices zum Unternehmenswert; • Operationalisierung von SCM-Zielen durch Ableitung konkreter Unterziele; • Verständnis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen im SCM. Die SCVD ist strukturell wie folgt aufgebaut (vgl. Abb. 20):

Abb. 20 Strukturierung der SCVD

3.1 Aufbau der SCVD

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• Der oberste Teil bezieht sich auf das strategische SCM und ist wertorientiert nach der Logik von Economic Value Added (EVA) (vgl. Abs. 2.1.1) aufgebaut. • Horizontal ist die SCVD gemäß den Zielbereichen von SCM (vgl. Abs. 1.3) gegliedert: Qualität, Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue, Pünktlichkeit), Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität, dann weiter Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen) sowie operationelle Kosten. Unter operationellen Kosten werden jene Kosten verstanden, die in einem Unternehmen im Zusammenhang mit der betrieblichen Leistungserstellung entstehen Die Reihenfolge der Zielbereiche folgt der Pfadabhängigkeit aufgrund des „partially coupled“ Designs (vgl. Abs. 2.2.1), die empirisch durch das sog. „Sand Cone Model“ untermauert werden kann, das weiter unten in Abs. 3.1.2 erklärt wird. Diese Aspekte ermöglichen die Anknüpfung an das auf den strategischen Ebenen angewandte EVA-Konzept (siehe oben). In der Folge wird dann nur der Einfluss von SCM auf diese Zielbereiche betrachtet. • Die nächste Untergliederung erfolgt gemäß den Prozesstypen, „Source“, „Make“ und „Deliver“ für die Beschaffung, die Produktion bzw. die Distribution (Vertrieb). • Als viertes erfolgt die systematische Gliederung nach den Produktionsfaktoren bzw. Ressourcen Material (betrifft den Materialfluss: Rohmaterial, Komponenten, Baugruppen, Fertigprodukte), Information (aller Art für die Planung und Steuerung; betrifft den Informationsfluss) und Kapazitäten (Mitarbeitende, Infrastruktur, Betriebsmittel etc.). Über den Material- und Informationsfluss sind die Prozesse „Source“, „Make“ und „Deliver“ miteinander verknüpft; ihnen können jeweils Kapazitäten zugeordnet werden. • Zur Identifizierung der FRs und DPs werden sodann sog. Inhibitoren (hemmende Faktoren) betrachtet, welche die optimale Effizienz und Effektivität einer Supply Chain verhindern. Sie stellen demzufolge keine Wertschöpfung dar und müssen verhindert werden: Verschwendung („Waste“: Überproduktion, Warten, Transport, ungeeignete Produktionsverfahren, überflüssige Lagerbestände, unnötige Manipulationen, Qualitätsmängel), Schwankungen und Inflexibilität. Dies folgt den Prinzipien von Lean Manufacturing. Die Zielbereiche sind in der Reihenfolge des „Sand Cone Model“ an das EVA-Konzept angeknüpft. Im dargestellten Beispiel wird für die Qualität der „Make“-Prozess näher betrachtet und dabei Qualitätsmängel infolge von beispielsweise nicht verfügbaren Kapazitäten, falschen Informationen und fehlerhaftem Material unterschieden.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Die erläuterten Strukturierungsprinzipien werden in der Dekomposition solange verfolgt, bis • ein Detaillierungs- und Konkretisierungsgrad erreicht ist, der es erlaubt, die entsprechenden Maßnahmen im Rahmen des operationellen SCM bzw. Logistikmanagements umzusetzen; • die FRs und DPs nicht mehr als generisch betrachtet werden können, d. h. bis sie in ausgeprägtem Maße vom spezifischen Unternehmenskontext abhängig sind. Mit diesen Strukturierungsprinzipien sind den Anforderungen für die Konzeption der SCVD Rechnung getragen worden: • Als Ausgangspunkt der SCVD soll ein breit akzeptiertes Konzept der Wertorientierung dienen, um den Einfluss von SCM bzw. des Logistikmanagements auf den Unternehmenswert als Werttreiber darzustellen. • Mit dem Bezug zu den Prozesstypen des SCOR-Modells soll die Einordnung und Anknüpfung der FR-DP-Paare bezüglich der Geschäftsprozesse erleichtert werden. • Die SCVD soll ein „Exzellenz-Modell“ darstellen, das eine optimale Ausgestaltung der Logistik bzw. des SCM beschreibt. • Für ein Performance Management sollen die FR-DP-Paare mittels Kennzahlen messbar sein. Wie wurde die SCVD erarbeitet? Der in Abs. 2.2.2 erläuterte Designprozess wurde mehrfach durchlaufen, indem durch „Zigzagging“ zwischen der Betrachtung der funktionalen Anforderungen (FRs) und den Lösungen (DPs) gewechselt wurde. Dieser Prozess wurde durch die eingangs erläuterte Strukturierung mit dem EVA, den Zielbereichen, „Source“, „Make“ und „Deliver“, den Produktionsfaktoren und den Inhibitoren geleitet. So wurde in den Schlaufen des Designprozesses zuerst das EVA-Konzept aufgegriffen, dann mithilfe der Zielbereiche die untergeordneten FRs bestimmt usw. Bei der Identifizierung der DPs wurde der neuste Stand der Theorie und Praxis berücksichtigt, um allgemeine und zweckmäßige DPs zu bestimmen. Hinter den DPs stehen konkrete Konzepte, Methoden, Techniken und Best Practices von SCM. Die Zweckmäßigkeit der DPs und der Ableitung untergeordneter FRs wurde jeweils im Detail anhand wissenschaftlicher Literatur validiert und verifiziert. Im Folgenden werden im Überblick wesentliche Ausschnitte der SCVD dargestellt.

3.1 Aufbau der SCVD

3.1.2

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Strategisches SCM

Der Bereich des strategischen SCM der SCVD ist, wie bereits erwähnt, nach dem wertorientierten Konzept des Economic Value Added (EVA) als Maß für den Erfolg bzw. Wert des Unternehmens aufgebaut (vgl. Abs. 2.1.1), um den Wertbeitrag von Logistik bzw. SCM einordnen und abschätzen zu können. Im Prinzip kann die Struktur einfach in andere Konzepte der Wertorientierung wie beispielsweise Economic Profit überführt werden, ggf. durch Ergänzung fehlender Berechnungsgrößen. Die Abb. 21 gibt einen Überblick über die ganze SCVD, gegliedert nach den Zielbereichen als Hauptäste. Die Abb. 22 zeigt den das strategische SCM betreffenden Teil der SCVD. In Bezug auf Logistik und SCM soll das oberste Ziel des EVA-Konzepts, den Unternehmenswert zu steigern („FR-1 High Economic Value Added (EVA)“), mit der Optimierung der Logistik-Werttreiber erreicht werden („DP-1 Optimize Value Drivers in Terms of Logistics“). Damit ist nicht gemeint, dass der EVA um jeden Preis maximiert werden soll, vielmehr sollte er ein Ausmaß erreichen, so dass die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen eines Unternehmens (Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft etc.) in ausgewogener Art und Weise befriedigt werden. Um langfristig überlebensfähig zu sein, muss ein Unternehmen auf die Dauer einen positiven EVA generieren. Die Logistik-Werttreiber werden gemäß dem EVA-Konzept identifiziert und dann weiter in die SCM-Zielbereiche aufgeteilt: „FR-11 High Sales Revenue“ (Umsatz), „FR-A Low Assets“ (Investitionen ins Umlaufund Anlagevermögen bzw. Kapitaleinsatz, entspricht FR-12), „FR-C Low Operational Costs“ (tiefe operationelle Kosten, entspricht FR-13). Diese Zielsetzungen tragen zur Steigerung des EVA bei, denn einerseits führen höherer Umsatz und tiefere operationelle Kosten zu einem höheren Betriebsgewinn und andererseits hat ein geringerer Kapitaleinsatz tiefere Kapitalkosten zur Folge. Das Mittel, mehr Umsatz zu erzielen (FR-11), ist die Kundenzufriedenheit infolge einer guten logistischen Leistung („DP-11 Increase Customer Satisfaction as Result of Logistics Excellence“) zu steigern, indem die logistisch beeinflussten Kundenanforderungen optimal erfüllt werden. Langfristig kann dadurch auch die Kundenbindung gestärkt werden. Die Kundenanforderungen können gemäß den Zielbereichen des SCM weiter dekomponiert werden: „FR-Q High Quality“ (hohe Qualität, entspricht FR-111), „FR-R High Delivery Reliability“ (hohe Lieferzuverlässigkeit bzw. -treue, entspricht FR-112), „FR-L Short Delivery Lead Time“ (kurze Lieferdurchlaufzeit bzw. hohe Lieferbereitschaft, entspricht FR-113) sowie „FR-F High Flexibility“

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 21 SCVD im Überblick

3.1 Aufbau der SCVD

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Abb. 22 Strategisches SCM in der SCVD

(hohe Flexibilität, um beispielsweise auf Nachfrageänderungen und -schwankungen reagieren zu können, entspricht FR-114). Zusammen mit FR-A (Investitionen) und FR-C (operationelle Kosten) spiegeln sie die Gesamtheit der SCM-Zielbereiche wider und stellen Äste in der SCVD dar. Diese Äste werden in den folgenden Abschnitten jeweils weiter dekomponiert und im Überblick erläutert. Die horizontale Reihenfolge der Zielbereiche in der SCVD (vgl. Abb. 23) zeigt das „partially coupled“ Design und damit eine Pfadabhängigkeit auf (vgl. Abs. 2.2.1). Die Reihenfolge gibt keine Gewichtung vor, denn eine solche würde vom betrachteten Unternehmen, dessen Umfeld und Wertschöpfungsnetzwerk abhängen. Sie stellt aber die logische Abfolge bzw. die Prioritäten, wie Entscheide gefällt und die Designelemente in der Umsetzung berücksichtigt werden.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 23 Reihenfolge der SCM-Zielbereiche in der SCVD

Als Erstes muss ein gewisses Maß an Qualität sichergestellt werden (FR-Q) – wobei das Qualitätsniveau im Unternehmensvergleich je nach Ausrichtung stark variieren kann –, damit die entsprechenden Kunden überhaupt angesprochen werden können. Deshalb müssen Abweichungen von den Qualitätsanforderungen minimiert werden (DP-Q). Dies bedeutet keine Untererfüllung und höchstens eine geringe Übererfüllung der Kundenanforderungen (was Verschwendung wäre). Daraufhin werden die weiteren SCM-Zielbereiche relevant: Erst wenn die Qualität in ausreichendem Maße sichergestellt ist, kann die Lieferzuverlässigkeit optimiert werden (FR-R), da mangelhaft beherrschte Prozesse der Steigerung der Lieferzuverlässigkeit entgegenwirken. Um die Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue bzw. -pünktlichkeit, FR-R) zu gewährleisten müssen Schwankungen (zeitliche Abweichungen) minimiert werden (DP-R), indem beispielsweise die Dauer eines bestimmten Arbeitsgangs vorhersehbar ist und er immer gleich lang dauert. So können Pünktlichkeit erreicht und Liefertermine eingehalten werden. Die Minimierung von deterministischen Schwankungen müssen dabei im Hauptfokus liegen, da sie im direkten Einflussbereich des Unternehmens liegen. In zweiter Instanz müssen dann stochastische Schwankungen soweit wie möglich eliminiert werden. Erst wenn die Lieferzuverlässigkeit zu einem genügenden Grad gewährleistet ist, ist es sinnvoll, die Lieferdurchlaufzeit zu reduzieren (FR-L), d. h. die Lieferfristen bzw. die Verfügbarkeit zu optimieren, und dann die Flexibilität zu optimieren (FR-F). Geringe Schwankungen der Durchlaufzeiten von Prozessen sind eine gute Ausgangsbasis, um Prozesse zu beschleunigen, indem jegliche Zeitverschwendung eliminiert wird (DP-L). Eine hohe Flexibilität bedeutet keinen Mehrwert, wenn die kundenseitigen Anforderungen bezüglich Qualität, Lieferzuverlässigkeit und -durchlaufzeit (und als Folge davon Lieferfristen) nicht erfüllt sind. Flexibilität (qualitative und quantitative Anpassung an geänderte Bedingungen bzw. Reaktionsfähigkeit) wird durch anpassbare und skalierbare Ressourcen und Prozesse erreicht (DP-F).

3.1 Aufbau der SCVD

69

Erst dann sollen Investitionen (FR-A) und zuletzt Kosten (FR-C) reduziert werden. Zahlreiche Unternehmen ziehen Projekte in erster Linie zur Reduzierung von Beständen und Kosten in Betracht ohne vorgängig sicherzustellen, dass die Voraussetzungen dazu geschaffen sind. In vielen Fällen können Bestände und Kosten gesenkt werden, indem in den vorgelagerten Zielbereichen Verbesserungen erzielt werden, beispielsweise durch Verbesserung der Zuverlässigkeit und Reduzierung von Zeitverschwendung, woraus tiefere Bestände und Kosten resultieren. Die Ursachen von zu hohen Kosten oder Beständen liegen zu fast 100% in den operationellen Zielbereichen. So kann beispielsweise der Abbau von Beständen bei mangelnder Zuverlässigkeiten der Prozesse in der Beschaffung und Produktion und bei langen Durchlaufzeiten zu Lieferengpässen führen, die wiederum Umsatzeinbussen und erhöhte Kosten zur Folge haben können. Eine sture Reduzierung von Beständen, ohne die Ursachen vorgängig zu identifiziert und beseitigt zu haben, führt zwingend zu verminderter Leistung und zu unzufriedenen Kunden. Investitionen und Kosten werden reduziert, indem nur Investitionen ohne Mehrwert beseitigt (DP-A) und jegliche Art von Verschwendung in Prozessen eliminiert werden (DP-C). Diese Reihenfolge heißt daher nicht, dass beispielsweise Qualität a priori höhere Priorität genießen soll als Kosten, sondern dass Fragen (Entscheidungen über Maßnahmen, Ressourcenzuteilungen etc.) bezüglich der Qualität vor Fragen, die Kosten betreffen, beantwortet werden sollen, weil man zuerst die Qualität in den Griff bekommen sollte, bevor man sich den anderen Zielbereichen widmet. Investitionen und Kosten an erster Stelle zu optimieren, wäre nicht nachhaltig, weil dann schlechte Voraussetzungen für die Erfüllung der Kundenanforderungen bezüglich Qualität, Lieferzuverlässigkeit etc. geschaffen würden. Diese Pfadabhängigkeit zeigt sich damit auch in den gegenseitigen Abhängigkeiten der SCM-Zielbereiche: Die DPs, in der SCVD die relativ gesehen links stehen (z. B. Qualität), beeinflussen jeweils FRs, die rechts von ihnen stehen (z. B. Investitionen oder Kosten), was in den Darstellungen der SCVD (wie Abb. 22) jeweils durch die gestrichelten Pfeile von links unten nach rechts oben gezeigt wird. Demnach gehen die Beeinflussungen generell von links nach rechts. Damit kommt zum Ausdruck, dass Kosten von zahlreichen Faktoren bestimmt werden und daher als Resultierende betrachtet werden können. Ausgehend von einer Kostenrationalisierung kann daher auch kein Design erreicht werden, das nachhaltig zum obersten Ziel (EVA) des Systems beiträgt, weil die anderen Bereiche wie Qualität und Flexibilität wiederum Auswirkungen auf die Kosten haben und somit das Unabhängigkeitsaxiom von AD verletzt wäre, was ein „schlechtes“ Design bedeuten würde.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 24 „Sand Cone Model“ (in Anlehnung an Ferdows und De Meyer (1990))

Dabei ist anzumerken, dass kein genereller Einfluss von Maßnahmen zur Kostensenkung (DP-C) auf den Umsatz (FR-11) besteht, da ein Unternehmen Kostenvorteile unterschiedlich nutzen kann, beispielsweise zur Verbesserung des Gewinns oder zur Preissenkung; unter sonst gleichen Umständen führen Kostensenkungen jedoch zwingend zu einem höheren EVA. Empirisch kann diese Reihenfolge untermauert werden: So weisen Ferdows und De Meyer (1990) nach, dass im Bestreben, nachhaltige Fähigkeiten aufzubauen, zuerst die Qualität beherrscht werden soll, dann Lieferzuverlässigkeit, Flexibilität und zuletzt die Kosten bzw. die Kosteneffizienz; daraus entstand das sog. „Sand Cone Model“; vgl. Abb. 24. Die Qualität stellt den Unterbau für die Zuverlässigkeit dar. Diese ist ihrerseits Voraussetzung für Flexibilität und als Letztes folgt die Kosteneffizienz. Obschon sich diese Studie auf die Produktion bezog, liegt es nahe, dass sich die Erkenntnisse verallgemeinern und auf SCM übertragen lassen. Eine weitere Bestätigung für diese Sachverhalte findet sich bei den empirischen Forschungsarbeiten von Filippini et al. (1998): Sie untersuchen die Beziehungen zwischen den Zielbereichen und kommen zum Schluss, dass eine konsistente Qualität eine Vorbedingung für die Zuverlässigkeit und Beschleunigung der Lieferung darstellt und sich positiv auf die Effizienz auswirkt. Wie wir in Abs. 2.1.1 gesehen haben, beeinflusst der Kapitalkostensatz ebenfalls den EVA, da er mit dem investierten Kapital multipliziert wird, um die Kapitalkosten zu erhalten. Der Kapitalkostensatz widerspiegelt die durchschnittlichen Kosten für das Fremdkapital (meistens in Form von Zinsen, die bezahlt werden müssen), sowie die Opportunitätskosten für das Eigenkapital (vgl. Abs. 2.1.1). SCM hat auch hier einen Einfluss, der aber nicht in der SCVD abgebildet ist, weil er primär eine Frage der Unternehmensfinanzierung ist und insbesondere vom Kapitalmarkt abhängt. Tendenziell kann aber festgehalten werden, dass effektives und effizientes SCM zumindest folgende zwei Einflüsse auf den Kapitalkos-

3.1 Aufbau der SCVD

71

tensatz hat: Erstens verbessern sich die Finanzierungsbedingungen in Form tieferer Zinsen und geringeren Risikoprämien, wenn Supply ChainRisiken beherrscht und minimiert werden, da somit auch geringere finanzielle Risiken für die Kapitalgeber bestehen (z. B. weniger Kreditausfälle, geringere Verschuldungsgefahr). Dieser Einfluss ist in erster Linie die Folge einer hohen Lieferzuverlässigkeit (FR-R). Zweitens sind tendenziell die Finanzierungsbedingungen vorteilhafter, wenn das Umlaufvermögen verhältnismäßig tief ist. Daher haben tiefe Bestände an Rohmaterial, Zwischen- und Endprodukten sowie Ware in Arbeit (FR-AS1, FR-AM1, FR-AD1) tendenziell einen günstigen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen, weil auch in diesem Falle geringere Risiken für die Kapitalgeber resultieren. So sind beispielsweise Kapitalbindung und Obsoleszenzrisiken (z. B. unverkäufliche Produkte) geringer, was auch die Risiken für die Kapitalgeber reduziert. Wie bereits gesagt hängt es von der Unternehmensfinanzierung und dem Kapitalmarkt ab, in wieweit sich diese positiven Einflüsse des SCM in besseren Finanzierungsbedingungen und damit in einem tieferen Kapitalkostensatz niederschlagen. In den folgenden Abschnitten werden Ausschnitte der Hauptäste der SCVD, welche die Zielbereiche abdecken, als Überblick dargestellt. In Abs. 3.2 ist die SCVD im Detail zum Nachschlagen erläutert. Eine Anmerkung zur Notation: Die FRs und DPs sind hierarchisch nummeriert (FR-1, FR-11 etc.); der besseren Lesbarkeit und Zuordnung der SCM-Zielbereiche halber wird auf den tieferen Ebenen der Dekomposition die Nummerierung des jeweiligen Hauptastes durch Buchstaben ersetzt: Q („Quality“) für 111, R („Delivery Reliability“) für 112, L („Delivery Lead Time“) für 113, F („Flexibility“) für 114, A („Assets“) für 12 und C („Operational Costs“) für 13. Weiter stehen S für „Source“, M für „Make“ und D für „Deliver“.

3.1.3

Qualität

Der Qualitätsast der SCVD (FR-Q „High Quality“) deckt den Zielbereich Qualität ab, verstanden als Erreichen von erhöhten Anforderungen bezüglich Produkt-, Prozess- und Organisationsqualität. Wie bereits erwähnt, stellt die Qualität den wichtigsten Faktor für die Kundenzufriedenheit dar. Dies ist beispielsweise durch die breit angelegte PIMS-Studie von Buzzell und Gale (1989) erhärtet: Eine hohe Qualität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Erfolg und die Rentabilität eines Unternehmens. Eine hohe Qualität wird durch eine möglichst geringe Abweichung von den Qualitätsanforderungen erreicht, sowohl im „Source“ als auch im

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

„Make“ und „Deliver“. Wichtig ist, dass das richtige Maß aus Kundensicht an Qualität angestrebt wird und Über- wie auch Untererfüllung der Anforderungen vermieden werden, denn beides stellt Verschwendung dar und hat Kostenfolgen. Die Überlegung für die Reihenfolge von „Source“, „Make“ und „Deliver“ ist hier, dass sich Qualitätsmängel fortpflanzen: Mangelhafte Qualität in der Beschaffung, beispielsweise fehlerhafte Einkaufteile, führt in der Produktion zu Problemen (die Teile können nicht verarbeitet werden). Produzierte Teile, die fehlerhaft sind, oder bei der Auslieferung beschädigt wurden, können nicht ausgeliefert werden oder kommen zurück. Mit steigender Wertschöpfung verschärft sich die Problematik in finanzieller Hinsicht. Abbildung 25 stellt einen Ausschnitt der Dekomposition der Qualität (FR-Q) dar, bei der FR-QS exemplarisch weiter dekomponiert ist.

Abb. 25 Dekomposition der Qualität (FR-Q) (Ausschnitt)

3.1 Aufbau der SCVD

73

Die Qualitätsprobleme können durch Kapazitäten bedingt sein, die nicht in der Lage sind, die entsprechende Qualität zu produzieren, oder die nicht verfügbar sind. Sie können auch Folge inkorrekter oder fehlender Informationen (fehlerhafte Stücklisten, Arbeitspläne, Zeichnungen etc.) oder fehlerhaftem Material (Komponenten, Rohmaterial etc.) sein. Damit ist in erster Linie das Qualitätsmanagement angesprochen. Als Erstes erfolgt deshalb die Dekomposition gemäß den SCOR-Prozesstypen „Source“, „Make“ und „Deliver“, bei denen die Qualitätsabweichungen reduziert werden sollen. Als Nächstes werden für diese Prozesstypen die Produktionsfaktoren (Kapazitäten, Information und Material) unterschieden, wo Qualitätsmängel, die minimiert werden sollen, zugeordnet werden können. Im „Source“ stellen kapazitätsbedingte Qualitätsmängel (FR-QS1) mangelnde Leistung der Lieferanten (beispielsweise ungenügende Erfüllung der Lieferverträge) dar und können im Rahmen des Lieferantenmanagements angegangen werden (DP-QS1). Probleme, die Informationen zugeordnet werden (FR-QS2), können durch das interne Qualitätsmanagement (DP-QS2) behoben werden, beispielsweise durch Sicherstellung der Qualität von Informationen und Daten. Für die Reduzierung von Materialmängeln (FR-QS3) kommen vorbeugende Maßnahmen gegen Verluste und Beschädigungen von Material in Frage. Die gestrichelten Pfeile zeigen den Einfluss von DPs auf FRs, denen sie nicht direkt zugeordnet sind; dadurch ergibt sich die Reihenfolge im Sinne der Implementierung, welche die weiter oben erwähnte Pfadabhängigkeit widerspiegelt. Dies ist hier zum einen die oben erläuterte Reihenfolge von „Source“, „Make“ und „Deliver“ (FR-QS, FR-QM und FR-QD), zum andern beeinflusst die Lieferantenauswahl (DP-QS1) die Qualität in Bezug auf die Information (FR-QS2) und das Material (FR-QS3) positiv; das Qualitätsmanagement (DP-QS2) wirkt sich günstig auf materialbedigte Qualitätsmängel (FR-QS3) aus.

3.1.4

Lieferzuverlässigkeit

Der Lieferzuverlässigkeitsast der SCVD (FR-R „High Delivery Reliability“) deckt die Liefertreue, d. h. die Pünktlichkeit der Lieferung bzw. die Einhaltung von Auftragsendterminen, ab. Er ist gemäß dem Prinzip aufgebaut, dass generell Schwankungen (Variationen) der Arbeitsgangzeit verhindert werden müssen, um die zeitliche Zuverlässigkeit von Prozessen und damit deren zuverlässige Planung zu erhöhen, wobei die Zuverlässigkeit generell hauptsächlich von kurzen und gleichlangen Arbeitsgangzeiten der Prozesse abhängt. Da „Source“, „Make“ und

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 26 Die Fortpflanzung von Schwankungen und die Wirkung von Puffern

„Deliver“ miteinander über Material- und Informationsflüsse verknüpfte Prozesse darstellen, können sich zeitliche und mengenmäßige Prozessschwankungen fortpflanzen und verstärken. Zeitliche und mengenmäßige Schwankungen hängen bei Kapazitäten eng zusammen: Eine Schwankung in der Operationszeit wirkt sich auf die Bestände und den mengenmäßigen Ausstoß aus. Der Kunde nimmt zeitliche Abweichungen beim „Deliver“ als nicht eingehaltenen Liefertermin bzw. als Unpünktlichkeit wahr. Die akzeptierte Schwankungsbreite ergibt sich einerseits aus den Kundenanforderungen und andererseits aus den Voraussetzungen, bei denen ein System (hier: Beschaffung, Produktion, Vertrieb) sich noch stabil verhält. Vgl. Abb. 26. Durch Puffer (unbewirtschaftete Lager, Überkapazitäten) können die Prozesse entkoppelt und die Fortpflanzung bzw. Verstärkung der Schwankungen verhindert werden. Da Puffer jedoch Verschwendung darstellen, ist es vorrangig, die Prozesse besser zu beherrschen. Die Schwankungen können deterministischer oder stochastischer Natur sein. Deterministische Faktoren sind beispielsweise Prioritätsregeln für die Abarbeitung von Arbeitsgängen, Bestände von Ware in Arbeit und Schwankungen der Prozesszeiten, also mehr oder weniger kontrollierbare Größen. Stochastische Faktoren beziehen sich in erster Linie auf unvorhersehbare Störungen (Ausfälle). Diese können durch Prävention und angemessene Reaktion angegangen werden. In Abb. 27 ist exemplarisch die Lieferzuverlässigkeit (FR-R) über FR-RS2 weiter dekomponiert. Zuerst ist gemäß den SCOR-Prozesstypen dekomponiert: hohe Pünktlichkeit der Auftragserfüllung bzw. Termintreue der Prozesse in „Source“, „Make“ und „Deliver“. Das Mittel ist jeweils, Schwankungen bzw. Abweichungen zu reduzieren. Dabei sollen jeweils Abweichungen bzw. Störungen infolge deterministischer und stochastischer Faktoren minimiert werden. Das Mittel hierzu ist die Harmonisierung der Arbeitsgänge und Prozesse, was zu kürzeren Wartezeiten führt. Zudem greift hier das Supply Chain Risk Management, das Risiken entlang der Wertschöpfungskette identifiziert, bewertet und Gegenmaßnahmen vorsieht.

3.1 Aufbau der SCVD

Abb. 27 Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit (FR-R) (Ausschnitt)

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76

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Durch präventive Maßnahmen können mögliche Störungsquellen identifiziert und behoben werden und die Verfügbarkeit von Kapazitäten, Informationen und Material sichergestellt werden. Im Störungsfall muss schnell durch reaktive Maßnahmen Abhilfe geschaffen werden, beispielsweise durch schnelle Diagnose und Benachrichtigung, hohe Kompetenzen und sofortige Problemlösungen. In der Beschaffung beispielsweise können Konzepte wie Lieferantenevaluation und -entwicklung, Rahmenverträge sowie Modular/System Sourcing eingesetzt werden. Best Practices wie Konsignationslager, Vendor Managed Inventory (VMI) und Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment CPFR tragen ebenfalls zur Lieferzuverlässigkeit bei. Auf der Vertriebsseite kann die Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (Order Promising) dazu beitragen, zuverlässig Liefertermine zu bestimmen und so die Lieferzuverlässigkeit zu steigern. Eine Unpünktlichkeit auf einer vorgelagerten Stufe (z. B. in der Produktion) kann zur Nicht-Verfügbarkeit auf der nachfolgenden Stufe (z. B. im Vertrieb) und damit zu einer reduzierten Lieferbereitschaft führen. Auf diese Weise kann sich eine mangelnde Lieferverlässigkeit negativ auf die Lieferdurchlaufzeit bzw. Lieferbereitschaft (FR-L) auswirken.

3.1.5

Lieferdurchlaufzeit

Würde die Lieferdurchlaufzeit reduziert, ohne zuvor die Lieferzuverlässigkeit sicherzustellen, würde zwar der Mittelwert der Lieferdurchlaufzeit sinken, wegen der hohen Schwankungen wären jedoch große Abweichungen hin zu längerer Lieferdurchlaufzeit häufig. Kurze Lieferdurchlaufzeiten, d. h. benötigte Zeit vom Zeitpunkt der Bestellung des Kunden bis zum Zeitpunkt des Empfangs durch den Kunden, bzw. Lieferfristen (FR-L „Short Delivery Lead Time“) hängen von der Bevorratungsebene und den Durchlaufzeiten eines Unternehmens ab: Kurze Lieferfristen werden durch Lagerhaltung auf hoher Wertschöpfungsstufe oder durch kurze Durchlaufzeiten in Beschaffung und Produktion möglich. Da Ersteres zu hohen Beständen führt, ist es nachhaltiger, zuerst kurze Durchlaufzeiten anzustreben, die eine hohe Lieferbereitschaft ermöglichen. Dies soll mittels Abbau von nicht wertschöpfenden Zeiten („Waste“) erreicht werden, und zwar in der Beschaffung, Produktion und im Vertrieb („Source“, „Make“, „Deliver“), sowie durch durchgängige Materialund Informationsflüsse. Vgl. Abb. 28, die einen Ausschnitt mit der Dekomposition der Lieferdurchlaufzeit (FR-L) mit „Make“ zeigt.

3.1 Aufbau der SCVD

77

Abb. 28 Dekomposition der Durchlaufzeit (FR-L) (Ausschnitt)

Bei den nicht wertschöpfenden Zeiten werden jeweils Warte- und Prozesszeiten unterschieden, wobei erfahrungsgemäß in der Praxis oft die Wartezeit den größten Teil ausmacht, insbesondere dann, wenn Kapazitäten stark ausgelastet sind. Wartezeiten stellen in der Regel keine Wert-

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

schöpfung dar, Prozesszeiten können ggf. durch den Einsatz besserer Prozesse und Methoden verkürzt werden. Warte- und Prozesszeiten sollen möglichst kurz sein. Mittel zur Reduzierung von Wartezeiten sind generell die Optimierung der Koordination und Synchronisierung der Aktivitäten. Hier kommt dann für die Unterziele die Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material zum Zuge. Im „Make“ kommen Rüstzeitreduzierung, Harmonisierung der Arbeitsinhalte (Produktionssegmentierung, Harmonisierung des Produktspektrums etc.) und Reduzierung der Auslastung für kürzere Wartezeiten in für eine höhere Verfügbarkeit der Kapazitäten in Frage; weiter bieten sich effizientereadministrative Auftragsabwicklung, sowie Materialflussoptimierung an. Kürzere Prozesszeiten können durch Eliminierung, Parallelisierung, Integratierung und Beschleunigung der Aktivitäten erreicht werden. Für einen durchgängigeren und schnelleren Informationsfluss können Prozesse durch Informationstechnologie (IT) gestützt werden, beispielsweise durch Automatisierung der Auftragsabwicklung und elektronische Beschaffung. 3.1.6

Flexibilität

Die Flexibilität bezieht sich als die Fähigkeit eines Unternehmens, Veränderungen und Unsicherheiten zu bewältigen, auf das Erreichen des Kundennutzens (Produkt- und Prozessinnovation in Bezug auf das Logistikmanagement) und den Ressourceneinsatz (quantitative und qualitative Flexibilität der Kapazitäten). Flexibilität (FR-F „High Flexibility“) kann demzufolge durch anpassbare (qualitativ flexible) und skalierbare (quantitativ flexible) Kapazitäten und Prozesse erreicht werden, und zwar jeweils in „Source“, „Make“ und „Deliver“. Vgl. Abb. 29 mit einem Ausschnitt der Dekomposition der Flexibilität (FR-F). Im „Source“ kann dies mittels der Auswahl flexibler Lieferanten und vertraglicher Flexibilität (Rahmenverträge) erreicht werden, während im „Make“ die Mitarbeiterqualifikation und flexible Arbeitszeitmodelle (Schichtbetrieb etc.) sowie breit einsetzbare Produktionsinfrastruktur als Mittel im Vordergrund stehen. Was die quantitative Flexibilität der Infrastruktur anbelangt, kann diese durch das Halten von Überkapazitäten verbessert werden. Im „Deliver“ kann Flexibilität in der Lagerhaltung und Transport beispielsweise mithilfe von Logistikdienstleistern verbessert werden.

3.1 Aufbau der SCVD

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Abb. 29 Dekomposition der Flexibilität (FR-F) (Ausschnitt)

3.1.7

Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen)

Investitionen betreffen sowohl das Umlaufvermögen als auch das Anlagevermögen im Hinblick auf SCM, d. h. Bestände und Liquidität (ausstehende Rechnungen von Lieferanten und an Kunden) bzw. Infrastruktur (Land, Gebäude, Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge etc.). Der Kapitaleinsatz soll möglichst gering sein (FR-A „Low Assets“), um die Kapitalkosten tief zu halten. Deshalb müssen Investitionen, die aus Sicht der Kunden keinen Mehrwert („value added“) schaffen, eliminiert werden. Eine Aktivität bedeutet einen Mehrwert, wenn Kunden bzw. die Eigentümer des Unternehmens bereit sind, dafür zu bezahlen, weil sie darin einen Nutzen sehen. Die bereits angesprochene PIMS-Studie von Buzzell und Gale (1989) bestätigt, dass Investitionen tief gehalten werden sollen:

80

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Eine tiefe Investitionsintensität sowohl hinsichtlich des Anlage- als auch des Umlaufvermögens (jeweils in Relation zum Umsatz) korreliert mit einer hohen Rendite des investierten Kapitals. Als Konsequenz müssen Anteile von Investitionen, die keinen Mehrwert schaffen, eliminiert bzw. verhindert werden. Auch hier wird zuerst nach „Source“, „Make“ und „Deliver“ unterschieden, dann jeweils nach Umlauf- und Anlagevermögen (Bestände und Infrastruktur etc.). Vgl. Abb. 30 mit einem Ausschnitt der Dekomposition der Investitionen (FR-A).

Abb. 30 Dekomposition der Investitionen (FR-A) (Ausschnitt)

3.1 Aufbau der SCVD

81

Generell gilt, Bestände möglichst zu reduzieren, ohne die vom Kunden geforderte Verfügbarkeit aus den Augen zu verlieren. Mittel dazu sind Anpassung von Losgrößen und Auftragszyklen, Glättung von Bedarfsschwankungen, Bestandsmanagement im Allgemeinen, Reduzierung von Lagerstufen und Dispositionsebenen, Auslagerung und Reduzierung der Fertigungstiefe. Im „Make“ muss in erster Linie dem Bestand der Ware in Arbeit (Umlaufvermögen) und einer adäquaten Infrastruktur Rechnung getragen werden (Anlagevermögen). Beim „Deliver“ stehen einerseits Anreize für kurze Zahlungsfristen (für eine Verbesserung der Liquidität) und andererseits wiederum eine angemessene Infrastruktur (wobei wiederum ausgelagert werden könnte, was kapitalintensiv ist und nicht zum Kerngeschäft gehört, z. B. zu Logistikdienstleistern), als Mittel im Vordergrund.

3.1.8

Operationelle Kosten

Viele der bereits diskutierten Elemente, beispielsweise kurze Durchlaufzeiten und tiefe Bestände, haben Einfluss auf die operationellen Kosten (Kosten, die in einem Unternehmen im Zusammenhang mit der betrieblichen Leistungserstellung entstehen). Um die operationellen Kosten tief zu halten (FR-C „Low Operational Costs“), muss die Verschwendung möglichst reduziert werden, indem Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft werden, und zwar in „Source“, „Make“ und „Deliver“. Für die weitere Dekomposition werden die Herstellkosten ausgeklammert, so dass nur noch die eigentlichen Logistikkosten im Zentrum der Betrachtung stehen. Diese Kosten können weiter in Kosten der Material- und Informationsflussprozesse, logistischer Managementprozesse sowie der Bevorratungsprozesse gegliedert werden. Ziel ist es jeweils, diese Kosten tief zu halten und deshalb mittels Eliminierung von Verschwendung zu reduzieren. Vgl. Ausschnitt der Dekomposition der operationellen Kosten (FR-C) in Abb. 31. Im „Source“ sollen Kosten beim Materialfluss im Zusammenhang mit der Beschaffung, der Warenannahme und der Lagerhaltung bei der Warenannahme tief gehalten werden, beim Informationsfluss durch tiefe Kosten bei Offertanfragen und Beschaffungsaufträgen. Mögliche Mittel in Bezug auf einen effizienten Materialfluss sind hier Lieferantenauswahl, -qualifikation und -evaluation hinsichtlich der Kosten. Die bereits diskutierten Maßnahmen zur Reduzierung der Durchlaufzeiten und die oben

82

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 31 Dekomposition der operationelle Kosten (FR-C) (Ausschnitt)

erwähnten Möglichkeiten der Auslagerung tragen hierzu ebenfalls bei. Hinsichtlich des Informationsflusses bieten sich die Unterstützung durch IT für das Lieferantenmanagement und die Abwicklung von Beschaffungsaufträgen an. Im Prinzip sind die Überlegungen für „Make“ und „Deliver“ analog: effizienter Informationsfluss mittels Stützung durch IT für die Auftragsabwicklung und im „Deliver“ auch für die Abwicklung von Zahlungen. Es fällt auf, dass die betrachteten DPs nicht FRs beeinflussen, denen sie nicht direkt zugeordnet sind, was auf geringe Wechselwirkungen zurückzuführen ist.

3.2 Die SCVD im Detail

3.2

83

Die SCVD im Detail

Im Folgenden ist die SCVD vollständig dargestellt und detailliert erläutert. Die SCVD stellt eine systematische Dekomposition von SCM dar, die mithilfe der Methode des Axiomatic Design (AD) erarbeitet wurde. Für die Erläuterung von AD, die Erklärung der Strukturierungsprinzipien der SCVD, einen Überblick über die SCVD sowie für eine Anmerkung zur Notation sei auf das Ende von Abs. 3.1.2 verwiesen.

3.2.1

Strategisches SCM (FR-1)

Der Bereich des strategischen SCM der SCVD bildet gemäß dem wertorientierten Konzept des Economic Value Added (EVA) den Oberbau und deckt die SCM-Zielbereiche ab, wo SCM die vom Kunden wahrgenommene Leistung maßgeblich beeinflusst. Die Zielbereiche sind Qualität, Lieferzuverlässigkeit (Pünktlichkeit bzw. Liefertreue), Lieferdurchlaufzeit bzw. Lieferbereitschaft und Flexibilität sowie Investitionen und Kosten. In Abs. 3.1.2 ist die Herleitung ausführlicher erklärt. Die Abb. 32 stellt das strategische SCM in der SCVD dar. • FR-1, DP-1: Als oberstes Unternehmensziel wird gemäß dem EVAKonzept ein hoher EVA als Repräsentant des nachhaltigen Unternehmenserfolgs angestrebt. Mit einem hohen EVA ist nicht dessen Maximierung um jeden Preis gemeint, vielmehr sollte EVA im Hinblick darauf optimiert werden, dass die Bedürfnisse der Anspruchsgruppen eines Unternehmens (Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden, Gesellschaft etc.) in ausgewogener Art und Weise befriedigt sind. In Bezug auf das SCM und die Logistik wird das Ziel eines hohen EVA durch die Optimierung der logistischen Werttreiber erreicht (DP-1). Hier können beispielsweise Strategic Enterprise Management Systems (SEMS) eingesetzt werden, welche u. a. die Definition und den Abgleich der Unternehmensziele, die Unternehmensplanung und das Performance Management unterstützen. • FR-11, FR-A, FR-C: Die Optimierung der logistischen Werttreiber (DP-1) wird gemäß dem EVA-Konzept in die Eingangsgrößen dekomponiert: hoher Umsatz (FR-11), tiefe Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen (FR-12 = FR-A) und geringe operationelle Kosten (FR-13 = FR-C).

84

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 32 Strategisches SCM in der SCVD

• DP-11, FR-Q, FR-R, FR-L, FR-F: Ein hoher Umsatz wird durch eine hohe Kundenzufriedenheit und langfristig durch bessere Kundenbindung dank Logistikexzellenz (DP-11) ermöglicht. Die Kundenzufriedenheit wird durch die Logistikleistung aus Kundensicht maßgeblich in den Zielbereichen Qualität (FR-111 = FR-Q), Lieferzuverlässigkeit (FR-112 = FR-R), Lieferdurchlaufzeit (FR-113 = FR-L) und Flexibilität (FR-114 = FR-F) beeinflusst. Dies wird dadurch erreicht, dass die Kundenanforderungen bezüglich hoher Qualität, hoher Lieferzuverlässigkeit, d. h. Pünktlichkeit bzw. Liefertreue, kurzer Lieferdurchlaufzeiten bzw. hohe Lieferbereitschaft und hoher Flexibilität erfüllt werden. Diese decken zusammen mit den Investitionen (FR-A) und operationellen Kosten (FR-C) die Zielbereiche des SCM ab. Die Reihenfolge von links nach rechts stellt die Implementierungsreihenfolge dar und basiert auf

3.2 Die SCVD im Detail







• •

85

dem sog. „Sand Cone Model“ (vgl. Abs. 3.1.2), welches besagt, dass die Erfüllung der Qualitätsanforderungen Voraussetzung ist, um die Lieferzuverlässigkeit zu verbessern. Zuerst muss die Lieferzuverlässigkeit sichergestellt sein, damit die Lieferdurchlaufzeit optimiert werden kann. Danach kann die Flexibilität verbessert werden, und daraufhin können die Investitionen und als Letztes die Kosten (weil diese von allen anderen Zielbereichen beeinflusst werden) optimiert werden. Kundenzufriedenheit und Logistikexzellenz können durch Informationssysteme wie z. B. Data Warehouse, Data Mining, Business Intelligence sowie durch Wissensmanagementsysteme und Simulationssysteme unterstützt werden, indem sie die Analyse und Aufbereitung geschäfts- und logistikrelevanter Informationen für die Entscheidungsfindung ermöglichen und das Verständnis für Kundenbedürfnisse verbessern. DP-Q: Hohe Qualität (FR-Q) wird durch möglichst geringe Abweichungen von Qualitätsanforderungen erreicht. Wenn kundenseitige Erwartungen nicht erfüllt werden (d. h. insbesondere Untererfüllung, aber auch Übererfüllung), kann dies zu unzufriedenen Kunden führen und damit den Umsatz gefährden. Zu hohe oder zu tiefe Qualität stellt Verschwendung dar. DP-R: Die Lieferzuverlässigkeit bezieht sich auf die Liefertreue bzw. Pünktlichkeit (FR-R). Sie kann sichergestellt werden, indem zeitliche Abweichungen von Prozessen gegenüber der Planung minimiert werden, und deshalb primär die Verfügbarkeit von geeigneten Kapazitäten und korrekten Informationen sichergestellt wird. DP-L: Eine kurze Lieferdurchlaufzeit (FR-L) wird durch die Beschleunigung der Prozesse in der Beschaffung („Deliver“), Produktion („Make“), Distribution („Deliver“) erreicht, beispielsweise durch die Reduzierung von Wartezeiten und optimiertem Materialfluss. Damit wird die Zeiteffizienz erhöht. DP-F: Mittels skalierbarer und anpassbarer Ressourcen und Prozesse wird eine hohe Flexibilität (FR-F) sichergestellt, beispielsweise durch quantitativ und qualitativ flexible Kapazitäten. DP-A: Tiefe Investitionen in das Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) werden durch die Vermeidung von Investitionen, die aus Sicht der Kunden und der Wertschöpfung keinen Mehrwert bzw. Verschwendung darstellen, erreicht. Dies sind in diesem Zusammenhang Überproduktion, ungeeignete Produktionsverfahren und überflüssige Lagerbestände. Im Sinne des EVA-Konzepts führen tiefe Investitionen zu geringen Kapitalkosten.

86

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-C: Für tiefe operationelle Kosten (FR-C) werden die übrigen Verschwendungen in Form von Ineffizienz reduziert, um die Kosteneffizienz bei Materialfluss- und Informationsflussprozessen, sowie bei administrativen Prozessen und der Bevorratung, zu steigern. Diese abstrakten Ziele und Mittel werden in den folgenden Abschnitten dekomponiert und konkretisiert.

3.2.2

Qualität (FR-Q)

3.2.2.1 Dekompostion der Qualität (FR-Q) Der Qualitätsast der SCVD (FR-Q „High Quality“, entspricht FR-111) deckt den Zielbereich Qualität ab. Qualität wird hier verstanden als das Erreichen erhöhter Anforderungen bezüglich der Beschaffenheit von Prozessen und Organisation im Hinblick auf die Logistik. Eine hohe Qualität wird durch möglichst geringe Abweichungen von den kundenseitigen Anforderungen erreicht, um Verschwendung zu vermeiden. Werden Anforderungen nicht erfüllt, führt dies zu unzufriedenen Kunden, was wiederum nicht umsatzförderlich ist und möglicherweise höhere Kosten zur Folge hat, beispielsweise durch Garantiefälle, Rücknahmen, Fehlerkosten etc. Eine geringe Übererfüllung kann für eine hohe Kundenzufriedenheit erwünscht sein, ist jedoch oft mit höheren Kosten verbunden. Zumindest kurzfristig kann eine Übererfüllung kostspielig sein, langfristig kann sie sich auszahlen, indem beispielsweise dank der Kundenbindung Akquisitionskosten eingespart werden können. Voraussetzung für eine hohe Qualität beim „Deliver“, wo die Qualität von Kundenseite wahrgenommen wird, ist eine entsprechende Qualität beim „Make“ und weiter beim „Source“, denn Qualitätsmängel pflanzen sich fort: Mangelhafte Qualität in der Beschaffung, beispielsweise fehlerhafte Einkaufteile, führt in der Produktion zu Problemen, weil die Teile nicht verarbeitet werden können. Fehlerhafte Teile aus der Produktion oder solche, die bei der Auslieferung beschädigt wurden, können nicht ausgeliefert werden oder kommen zurück. Um der Fortpflanzung von Qualitätsmängeln vorzubeugen, kann diese durch Prävention und durch reaktive Maßnahmen der Qualitätssicherung (insbesondere Qualitätskontrolle) verhindert werden, was wiederum Kostenfolgen hat. Mit steigender Wertschöpfung verschärft sich die Problematik in finanzieller Hinsicht. Deshalb sollen „Source“, „Make“ und „Deliver“ jeweils sicherstellen, dass die jeweiligen Anforderungen erfüllt werden. Demzufolge

3.2 Die SCVD im Detail

87

Abb. 33 Dekomposition der Qualität (FR-Q)

erfolgt die weitere Dekomposition gemäß den Prozessen „Source“, „Make“ und „Deliver“. Die Abb. 33 zeigt die Dekomposition von hoher Qualität (FR-Q) gemäß der Unterscheidung von „Source“, „Make“ und „Deliver“. • DP-Q: Eine hohe Qualität (FR-Q) wird durch die Reduzierung der Abweichungen von den Qualitätsanforderungen erzielt (DP-Q). Auf dieser obersten Ebene der Qualität können Qualitätsmanagementsysteme (Qualitätsmanagementsysteme beziehen sich auf das Management der Qualität im ganzen Unternehmen) und generelle Methoden des Qualitätsmanagements in Bezug auf die Logistik zugeordnet werden: − −



− −

Qualitiy Function Deployment (QFD) zur Ermittlung der Kundenanforderungen und deren Umsetzung in Produkte; Logistik-FMEA (Failure Mode and Effects Analysis) zur Prävention durch Analyse der Fehlermöglichkeiten und deren Auswirkungen (Risikoanalyse); Statistische Prozesslenkung (Statistical Process Control, SPC): Identifizierung von Prozessstörungen mithilfe von Qualitätsregelkarten; Fehlerbaumanalysen: Beschreibung von Fehlern und Ursachen sowie Ableitung von Maßnahmen zur Behebung; Methoden der Qualitätssicherung wie z. B. Ursache-Wirkungsdiagramme, Fehlersammelkarten etc.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) −

− − −

Logistikaudit zur Bewertung der Logistikqualität mit den Aspekten Daten-, Verfahrens-, Schnittstellen-, Ergebnis- und Verbesserungsqualität; logistisches Qualitätsmanagementsystem zur Planung, Lenkung, Sicherung und Aktivierung (Verbesserung) der Qualität; Messung der Ergebnis-, Abwicklungs- und Potenzialqualität in der Logistik; „Poka-yoke“ zur Vermeidung von Irrtümern und Unachtsamkeiten mittels speziellen Vorrichtungen, damit die Personen von fehleranfälligen Aufgaben entlastet werden.

• DP-QS, DP-QM, DP-QD: Da die Qualität im „Deliver“, wo der Kunde sie wahrnehmen kann, auf die Qualität im „Make“ und „Source“ wie oben erwähnt aufbaut, werden jeweils im „Source“, „Make“ und „Deliver“ eine hohe Qualität dank geringen Abweichungen von den Qualitätsanforderungen angestrebt (FR-QS, FR-QM und FR-QD). Aufgrund der oben erläuterten Fortpflanzung von Qualitätsmängeln ist die Implementierungsreihenfolge bzw. Pfadabhängigkeit von „Source“, „Make“ und „Deliver“ gegeben, da DP-QS die Ziele FR-QS, FR-QM und FR-QD beeinflusst und sich zudem DP-QM auch auf FR-QD auswirkt. Die Qualitätsprobleme können den drei Inputfaktoren logistischer Prozesse zugeordnet werden: Kapazitäten (Personal, Infrastruktur etc.), Informationen und Material. Bei den Kapazitäten kann dies heißen, dass sie nicht in der Lage sind, die entsprechende Qualität zu gewährleisten (z. B. Einhaltung von Toleranzen), oder dass ihre Verfügbarkeit unzureichend ist. Inkorrekte oder fehlende Informationen wie beispielsweise fehlerhafte Stücklisten, Arbeitspläne, Zeichnungen etc. können Ursache dafür sein, dass Anforderungen nicht erfüllt werden können. Deshalb muss die Informationsqualität sichergestellt werden. Weiter kann das Material selbst Mängel aufweisen. Hier kann Tracking & Tracing, beispielsweise basierend auf RFID (Radio Frequency Indentifcation) eingesetzt werden, um das Material lückenlos entlang der Supply Chain verfolgen zu können (Herkunft und Verwendung). Die weitere Dekomposition von DP-QS, DP-QM und DP-QD erfolgt jeweils gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material: Jeweils möglichst geringe Qualitätsmängel infolge von Kapazitäten, Informationen oder Material sind das Ziel. In den nächsten Abschnitten werden die Dekompositionen von DP-QS, DP-QM und DP-QD erläutert.

3.2 Die SCVD im Detail

89

3.2.2.2 Dekomposition der Qualität im „Source“ (FR-QS) Die Dekomposition von Qualität im „Source“ (FR-QS) gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material ist in Abb. 34 dargestellt.

Abb. 34 Dekomposition der Qualität im „Source“ (FR-QS)

• DP-QS: Hier können die oben erläuterten Methoden des Qualitätsmanagements in Bezug auf die Qualitätssicherung von Zulieferungen zugeordnet werden, insbesondere FMEA und Auditierung. Zudem ist hier das Fehlteilmanagement ein probates Mittel, um Ursachen von fehlenden Artikeln in der Beschaffung zu eruieren und zu beseitigen. Geringe Abweichungen von den Qualitätsanforderungen werden durch die Minimierung der kapazitäts-, informations- und materialbedingten Qualitätsabweichungen (FR-QS1, FR-QS2 bzw. FR-QS3) erreicht. • DP-QS1: Im „Source“ stellen in erster Linie die Lieferanten die Kapazitäten dar (nebst Kapazitäten für die Prozesse des Wareneingangs und der Ein- und Auslagerung etc.). Um hier möglichst geringe Qualitätsmängel zu erreichen, müssen diejenigen Lieferanten ausgewählt und qualifiziert werden, welche die geforderte Qualität, verstanden als die Erfüllung der Anforderungen seitens des beschaffenden Unternehmens,

90

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

gewährleisten können. Hierbei können Konzepte des Lieferantenmanagements eingeordnet werden: Lieferantenauswahl, -qualifikation, -evaluation, -integration und -entwicklung nach Qualitätskriterien. Das Konzept des Supplier Relationship Management (SRM) untestützt die Lieferantenauswahl und -entwicklung. SRM umfasst alle Aktivitäten von der Lieferantenauswahl über die Lieferantenentwicklung bis hin zur Lieferantenintegration. Durch den gezielten Informationsaustausch, sowie durch die enge Zusammenarbeit mit Lieferanten, können unternehmensübergreifenden Prozesse automatisiert und optimiert werden. Da eine Lieferantenauswahl und -qualifikation nach Qualitätskriterien zu höher qualifizierten Lieferanten führt, reduziert DP-QS1 sowohl Qualitätsprobleme aufgrund von Informationen (beispielsweise durch bessere Planbarkeit) als auch Mängel des Materials, so dass DP-QS1 auch FR-QS2 und FR-QS3 positiv beeinflusst. • DP-QS2: Fehlerhafte oder fehlende Informationen in der Beschaffung, wie beispielsweise falsche Planungsdaten oder mangelhafte Lieferantenverträge, können die Koordination der Lieferanten erschweren oder die Beschaffungsplanung verunmöglichen. Deshalb müssen im Rahmen des Qualitätsmanagements die Informationsqualität und -transparenz in der Beschaffung sichergestellt werden. Dies betrifft Daten von Beschaffungsaufträgen und Stammdaten von Prozessen, beschafften Artikeln und Lieferanten. Die für die Beschaffung notwendigen Informationen müssen in der erforderlichen Qualität zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Querschnittsfunktion des betrieblichen Informationsmanagements wird diese Aufgabe wahrgenommen. Hierbei können Beschaffungslogistik-Informationssysteme eingeordnet werden. Diese liefern Elemente zur Planung und Steuerung der Beschaffung. Weiter sind hier Konzepte von Procurement Data Warehouse zur Deckung des Informationsbedarfes in der Beschaffung und zur Integration des Informationsflusses auf Lieferantenseite mithilfe von Informationstechnologie anzusiedeln; dies ist auch Bestandteil von SRM. Eine bessere Beschaffungsplanung kann helfen, materialbezogene Qualitätsprobleme zu verhindern, wenn dadurch beispielsweise Ausschuss verhindert wird. Deshalb beeinflusst DP-QS2 das Ziel FR-QS3 positiv. • DP-QS3: Mängel des Materials infolge der Handhabung (Transport, Lagerhaltung etc.) müssen präventiv durch den Einsatz geeigneter Infrastruktur (Systeme zur Lagerhaltung und -bewirtschaftung) und Prozesse (Warenannahme, Ein- und Auslagerung, Kommissionierung etc.) vermieden werden. Stellt dies ein Problem dar, können die entsprechenden Aktivitäten zu dafür spezialisierten Logistikdienstleistern ausgelagert werden (3PL, 4PL: Third/Fourth Party Logistics).

3.2 Die SCVD im Detail

91

Beispielsweise können mit dem „Poka-yoke“-Ansatz Irrtümer und Unachtsamkeiten vermieden werden. Zudem können Identifikationstechnologien (Barcodes, Scanner, Transponder, RFID) vermeiden, dass irrtümlicherweise falsches Material verwendet wird, und die Verfolgbarkeit des Materials sicherstellen (Tracking & Tracing). 3.2.2.3 Dekomposition der Qualität im „Make“ (FR-QM) Die Dekomposition von Qualität im „Make“ (FR-QM) gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material ist in Abb. 35 dargestellt.

Abb. 35 Dekomposition der Qualität im „Make“ (DP-QM)

• DP-QM: Das interne Qualitätsmanagement in der Produktion kann hier zugeordnet werden; es muss mithilfe eines Qualitätsmanagementsystems sicherstellen, dass die entsprechenden Anforderungen erfüllt werden: Planung, Lenkung, Sicherung und Aktivierung der Qualität. Geringe Abweichungen von den Qualitätsanforderungen werden durch die Minimierung der kapazitäts-, informations- und materialbedingten Qualitätsabweichungen (FR-QM1, FR-QM2 bzw. FR-QM3) erreicht. Weiter kann hier das Konzept der Mass Customization angesiedelt werden, welche die Produktion nach Kundenbedarf zu Kosten der

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Massenproduktion (kundenindividuelle Massenproduktion) postuliert, wobei ein wesentliches Element, das hier zugeordnet werden kann, die Modularisierung von Produkten und Prozessen darstellt. Durch kundenspezifische Ausrichtung können Kundenbedürfnisse besser erfüllt und dadurch höhere Umsätze erzielt werden. • DP-QM1: Hier steht im Vordergrund, die Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten für die Produktion (Personal und Produktionsinfrastruktur wie Anlagen, Maschinen, etc.) zu gewährleisten, womit die Produktionssystemplanung und das Kapazitätsmanagement angesprochen sind: Die für die entsprechenden Produktionsprozesse geeigneten Produktionskapazitäten müssen einerseits vorhanden und andererseits auch verfügbar sein, sowie geplant werden. Hier kann beispielsweise die präventive Wartung angesetzt werden. Die Gewährleistung der Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten kann sowohl informationsbedingte Qualitätsmängel (beispielsweise durch bessere Planbarkeit der Kapazitäten) als auch jene, die durch das Material bedingt sind, reduzieren (beispielsweise weniger Ausschuss dank besserer Eignung der Kapazitäten). Deshalb beeinflusst DP-QM1 sowohl FR-QM2 als auch FR-QM3 positiv. • DP-QM2: Ungenaue, fehlerhafte oder fehlende Informationen, wie beispielsweise inkorrekte Stammdaten von Artikeln und Prozessen, können die Planung der Produktion erschweren oder zu falschen Planungsergebnissen führen. Deshalb müssen die für die Produktion notwendigen Informationen, beispielsweise Auftragsdaten oder Stammdaten zu Produktionsprozessen (Stücklisten etc.), in der erforderlichen Qualität zur Verfügung stehen und ihre Transparenz muss sichergestellt sein. Diese Aufgabe ist Bestandteil des betrieblichen Informationsmanagements bzw. des Product Data Management. Hier können Produktionslogistik-Informationssysteme eingeordnet werden, welche das Zeit-, Termin- und Kapazitätsmanagement sowie die Produktionssteuerung unterstützen und sicherstellen, dass die Kapazitäten (vgl. FR-QM1) im Planungsprozess richtig dimensioniert und im Steuerungsprozess kostengünstig und zeitoptimal eingesetzt werden. Dadurch können auch materialbedingte Qualitätsmängel reduziert werden, wenn beispielsweise ungeeignete Kapazitäten zu Materialfehlern führen. Deshalb beeinflusst DP-QM2 FR-QM3 positiv. • DP-QM3: Beschädigungen durch Transporte, Handhabung und Lagerhaltung in der Produktion sowie Irrtümer aufgrund von falschem Material müssen analog zu DP-QS3 verhindert werden (vgl. Abs. 3.2.2.2).

3.2 Die SCVD im Detail

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3.2.2.4 Dekomposition der Qualität im „Deliver“ (FR-QD) Die Dekomposition von Qualität im „Deliver“ (FR-QD) gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material ist in Abb. 36 dargestellt.

Abb. 36 Dekomposition der Qualität im „Deliver“ (FR-QD)

• DP-QD: Hier können die generellen Methoden des Qualitätsmanagements in Bezug auf die Distribution angesiedelt werden, insbesondere solche zur Qualitätsprüfung wie Stichproben zur Überprüfung der Konformität sowie FMEA zur Risikoanalyse (vgl. Abs. 3.2.2.1). Mittels Fehlteilmanagement können die Ursachen für einen Lieferausfall (Fehlen von Material, Komponenten oder Endprodukten, die benötigt werden) eruiert werden. Geringe Abweichungen von den Qualitätsanforderungen werden durch die Minimierung der kapazitäts-, informations- und materialbedingten Qualitätsabweichungen (FR-QD1, FR-QD2 bzw. FR-QD3) erreicht. • DP-QD1: Analog zu DP-QM1 muss die Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten für die Prozesse für den Absatz der Produkte sichergestellt werden. Dies betrifft in erster Linie Infrastruktur und Prozesse für Lagerung und Distribution (Vertrieb), d. h. Lager-, Kommissionier-, Sortier- und Verteilsysteme, Verpackungs- und Verladetechnik, sowie

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Transport und die entsprechenden Prozesse. Hier ergeben sich Möglichkeiten, Prozesse an spezialisierte Logistikdienstleister auszulagern, beispielsweise an Anbieter von Third Party Logisitics (3PL) oder Fourth Party Logistics (4PL). 3PL beinhaltet die Kooperation mit spezialisierten Logistik-Dienstleistungsunternehmen (Logistikdienstleister), die maßgeschneiderte integrierte Lösungen für Logistikdienstleistungen wie Lagerung, Kommissionierung, Transport und Distribution anbieten. Oft werden auch zusätzliche Dienstleistungen wie Qualitätskontrolle und Verpackung integriert. 4PL erweitert das 3PL-Konzept um Planungs- und Steuerungsaufgaben im Zusammenhang mit Lagerung, Transports und Distribution etc. sowie auch Lagerbewirtschaftung u. a. DP-QD1 kann sowohl FR-QD2, als auch FR-QD3 positiv beeinflussen, denn die Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten kann zu einer besseren Planbarkeit und zu einer Reduzierung von Mängeln, die durch falsche Lagerung und Handhabung bedingt sind, führen. • DP-QD2: Analog zu DP-QM2 können fehlerhafte oder fehlende Informationen wie beispielsweise inkorrekte Stammdaten von Artikeln und Prozessen die Planung des Verkaufs und des Vertriebs erschweren bzw. verunmöglichen. Deshalb müssen die für den Absatz der Produkte notwendigen Informationen in der erforderlichen Qualität zur Verfügung stehen und deren Transparenz gewährleistet sein: Auftragsdaten, Stammdaten von Artikeln (Stücklisten etc.). Diese Aufgabe ist Bestandteil des betrieblichen Informationsmanagements. Hier können Verkaufs- und Vertriebslogistik-Informationssysteme sowie CRMSysteme (Customer Relationship Management) zugeordnet werden, welche den Absatz von Produkten zu Kunden und das Management der Kundenbeziehung unterstützen. Weil durch bessere Informationen beispielsweise vermieden werden kann, dass ungeeignete Infrastruktur oder Transportmittel zum Einsatz kommen, können Materialmängel reduziert werden. Deshalb kann DP-QD2 FR-QD3 positiv beeinflussen. • DP-QD3: Das Sicherstellen, dass bei der Lagerhaltung und Handhabung im „Deliver“ keine Qualitätsprobleme verursacht werden, hängt eng mit den dazu eingesetzten Kapazitäten (DP-QD1) zusammen. Das Vermeiden, das mangelhaftes Material ausgeliefert wird, ist essenziell, denn beim „Deliver“ können Mängel für den Kunden sichtbar werden. Allenfalls können spezialisierte Logistikdienstleister in Anspruch genommen und Identifikationstechnologien eingesetzt werden (siehe oben). Die bereits erwähnten Identifikationstechnologien (Barcodes, RFID) können helfen, Verwechslungen zu vermeiden und die Verfolgbarkeit sicherzustellen (Tracking & Tracing).

3.2 Die SCVD im Detail

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3.2.2.5 Schlussbemerkung zur Qualität Die Qualität, verstanden als die Erfüllung der Kundenanforderungen in Bezug auf SCM und Logistik bzw. als Minimierung der Abweichungen von den Qualitätsanforderungen (DP-Q), schafft Kundenzufriedenheit (FR-11) und die Voraussetzungen für die Optimierung der weiteren Zielbereiche der Logistik: Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeiten, Flexibilität, Investitionen und operationelle Kosten. Dies ist durch das „Sand Cone Model“ (vgl. Abs. 3.1.2) fundiert und manifestiert sich als positive Beeinflussung von Lieferzuverlässigkeit (FR-R), Lieferdurchlaufzeit (FR-L) und Flexibilität (FR-F) durch geringe Abweichungen von den Qualitätsanforderungen (DP-Q). Für die Gewährleistung einer angemessenen Qualität sind Investitionen in Produktionsinfrastruktur, Informationssysteme und Mitarbeiterqualifikation etc. notwendig (negativer Einfluss auf FR-A); weiter fallen einerseits auch die entsprechenden Betriebs- und Unterhaltskosten als Konformitätskosten an (Kosten für die Übereinstimmung der Produkteigenschaften mit den Kundenanforderungen) und andererseits können Nonkonformitätskosten (Kosten infolge von Abweichungen, z. B. Nacharbeit, Ausschuss) vermieden werden, so dass die operationellen Kosten (FR-C) sowohl negativ, als auch positiv beeinflusst werden. Diese beiden Einflüsse sind in der SCVD nicht direkt abgebildet, sondern über DP-11 (Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch Logistikexzellenz).

3.2.3

Lieferzuverlässigkeit (FR-R)

3.2.3.1 Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit (FR-R) Der Zuverlässigkeitsast FR-R „High Delivery Reliablility“ deckt den Zielbereich der Lieferzuverlässigkeit ab. Lieferzuverlässigkeit bedeutet Pünktlichkeit der Lieferung bzw. Liefertreue, d. h. Einhaltung von Auftragsend- bzw. Lieferterminen. Während im Qualitätsast der SCVD die Produkt-, Prozess- und Organisationsqualität im Allgemeinen abgedeckt wird, kann die Lieferzuverlässigkeit als spezifische, „terminliche“ Prozessqualität des Lieferprozesses („Deliver“) verstanden werden. Folgende Überlegungen liegen der Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit zugrunde: • Die Prozesse „Source“, „Make“ und „Deliver“ sind im Unternehmen miteinander über Material- und Informationsflüsse verknüpft, so dass sich Schwankungen fortpflanzen und verstärken können. Puffer wie Lager oder Überkapazitäten können dies verhindern, stellen aber im

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Prinzip Verschwendung dar. Die Kunden nehmen die Schwankung beim „Deliver“ als Abweichung vom versprochenen Liefertermin bzw. als Unpünktlichkeit wahr (Lieferzuverlässigkeit). • Es können deterministische und stochastische Ursachen für die Schwankungen unterschieden werden. Erstere sind mehr oder weniger kontrollierbar, letztere sind unvorhersehbar. Deterministische Ursachen sind beispielsweise Prioritätsregeln für die Abarbeitung von Arbeitsgängen, Bestände von Ware in Arbeit und Schwankungen der Prozesszeiten. Das Auftreten stochastischer Schwankungen (Störungen, Ausfälle) kann durch die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Kapazitäten, Informationen und Material reduziert werden. Tritt eine Störung oder ein Ausfall ein, muss schnell und angemessen reagiert werden, beispielsweise durch die Avisierung kompetenter Mitarbeiter. • Um generell die Zuverlässigkeit von Prozessen zu erhöhen, müssen Schwankungen ihrer Durchlaufzeiten verhindert werden, denn die Zuverlässigkeit hängt hauptsächlich von kurzen und gleich langen Arbeitsgangzeiten der Prozesse ab. Dies erlaubt eine zuverlässigere Planung und damit eine verlässlichere Zusage und Einhaltung von Lieferterminen gegenüber Kunden (Lieferzuverlässigkeit). FR-R „High Delivery Reliability“ ist demzufolge in einem ersten Schritt nach „Source“, „Make“ und „Deliver“ dekomponiert; vgl. Abb. 37.

Abb. 37 Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit (FR-R)

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-R: Eine höhere Lieferzuverlässigkeit (FR-R) wird durch die Reduzierung von Schwankungen der Arbeitsgangzeiten (DP-R) erreicht. Hier kann das Supply Chain Risk Management eingeordnet werden, welches die Risiken entlang der Wertschöpfungskette identifiziert, analysiert und bewertet und entsprechende Maßnahmen vorbereitet. • DP-RS, DP-RM, DP-RD: Aufgrund der eingangs erwähnten Kopplung der Prozesse wird dann die Ziel-Mittel-Kombination – hohe Termintreue durch Reduzierung von Schwankungen der Arbeitsgangzeiten – bezüglich „Source“, „Make“ und „Deliver“ differenziert (FR-RS, FR-RM, FR-RD bzw. DP-RS, DP-RM, DP-RD). Weil sich, wie oben angesprochen, Schwankungen fortpflanzen, ergibt sich diese Reihenfolge, denn Maßnahmen zur Reduzierung von Schwankungen im „Source“ (DP-RS) wirken sich positiv sowohl auf die Schwankungen beim „Make“ (FR-RM), als auch „Deliver“ (FR-RD) aus und Maßnahmen im „Make“ (DP-RM) auf FR-RD. 3.2.3.2 Dekomposition der Termintreue (FR-RS, FR-RM, FR-RD) FR-RS, FR-RM und FR-RD sind in einem nächsten Schritt jeweils in der gleichen Weise gemäß der Unterscheidung von deterministischen und stochastischen Faktoren dekomponiert; vgl. Abb. 38.

Abb. 38 Dekomposition der Termintreue (FR-RS, FR-RM, FR-RD)

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-RS1, DP-RM1, DP-RD1: Schwankungen der Arbeitsgangzeiten, die durch deterministische Faktoren hervorgerufen werden, können folgende drei Ursachen haben: Prioritätsregeln beim Abarbeiten von Arbeitsgängen, Bestand von Ware in Arbeit oder unterschiedliche Arbeitsgangzeiten. Wird die Reihenfolge der vor einer Kapazität wartenden Aufträge aufgrund von Prioritätsregeln geändert, verweilen die Aufträge unterschiedlich lange in der Warteschlange, was zu stark schwankenden Durchlaufzeiten führt. Weiter hängt der Bestand der Ware in Arbeit mit der Wartezeit zusammen: Hohe Bestände bedeuten lange Warteschlangen und damit lange Wartezeit. Dies kann durch „Little’s Law“ erklärt werden: Die mittlere Durchlaufzeit an einem Arbeitssystem ergibt sich durch den Quotienten aus der mittleren Anzahl am System befindlichen Aufträgen (Arbeitsbestand) und der mittleren Ankunftsrate. Unterschiedliche Arbeitsgangzeiten der einzelnen Aufträge für eine Kapazität führen einerseits direkt zu streuenden Durchlaufzeiten und haben andererseits längere Wartezeiten zur Folge, denn bei Zufallsprozessen hängt die Wartezeit vom Variationskoeffzient (VK) als statistisches Maß für die Schwankung der Arbeitsgangzeit ab, 2 und zwar als Faktor (1 + VK ). Dies ist durch die Beeinflussung von FR-LS1, FR-LM1 bzw. FR-LD1 in Abb. 38 dargestellt. Für die Reduzierung deterministischer Schwankungen bietet sich die Harmonisierung der Arbeitsinhalte an (DP-RS1, DP-RM1, DP-RD1): erstens die verschiedenen Stufen von „Source“, „Make“ und „Deliver“ und zweitens die Dauer der einzelnen Arbeitsgänge innerhalb einer Stufe gleich lang zu gestalten. Das heißt zum einen, die Stufen derart zu entwerfen bzw. redefinieren, dass die Durchlaufzeiten auf den einzelnen Stufen entweder gleich oder Vielfache voneinander sind. Zum anderen müssen die verschiedenen Arbeitsgänge an einem Kapazitätsplatz für alle verschiedenen Produkte sowie die verschiedenen Arbeitsgänge eines einzelnen Produkts ungefähr gleich lang sein. Zur Veränderung der Arbeitsgangzeit bieten sich folgende Maßnahmen an: − − − − −

Spitting oder Zusammenfassung durch Automatisierung (z. B. Komplettbearbeitung); Prozessveränderung durch alternatives Produktionsverfahren; Verkürzung der Rüstzeiten oder ggf. Reduzierung der Losgrösse bei nicht ausgelasteten Kapazitäten; Beschaffung anderer Komponenten oder von Halbfabrikaten (z. B. Baugruppen, Module, Systeme); Auslagerung von Arbeitsgängen.

Dadurch können auch die stochastischen Schwankungen der Arbeitsgangzeiten reduziert werden (positiver Einfluss auf FR-RS2, FR-RM2

3.2 Die SCVD im Detail

99

und FR-RD2), wenn in der Folge weniger Störungen auftreten, beispielsweise durch stabilere und besser beherrschbare Prozesse. Weiter sollen, wie angedeutet, die Prioritätsregeln der Abarbeitung von Arbeitsgängen hinterfragt werden, was dann ins Gewicht fällt, wenn hohe Auftragsbestände und streuende Arbeitsgangzeiten vorliegen. • DP-RS2, DP-RM2, DP-RD2: Schwankungen der Arbeitsgangzeit, die durch stochastische Faktoren (FR-RS2, FR-RM2, FR-RD2) verursacht werden, können durch ein geeignetes Entstörmanagement reduziert werden (vgl. dazu Abs. 3.2.3.3). Eine Reduzierung der Schwankungen der Arbeitsgangzeiten führt, wie oben erläutert, zu kürzeren Wartezeiten (FR-LS1, FR-LM1, FR-LD1), was durch die gestrichelten Pfeile angedeutet ist, und hat damit auch einen positiven Einfluss auf die Durchlaufzeiten. 3.2.3.3 Dekomposition der stochastischen Faktoren (FR-RS2, FR-RM2, FR-RD2) Die Abb. 39 zeigt die Dekomposition des Entstörmanagements zur Reduzierung stochastischer Faktoren für Schwankungen der Arbeitsgangzeiten (FR-RS2, FR-RM2, FR-RD2) für „Source“, „Make“ und „Deliver“. • DP-RS2, DP-RM2, DP-RD2: Im Entstörmanagement können grundsätzlich präventive (FR-RS21, FR-RM21, FR-RD21) und reaktive Strategien (FR-RS22, FR-RM22, FR-322) für die weitere Dekomposition unterschieden werden. • DP-RS21, DP-RM21, DP-RD21: Die Prävention hat eine Reduzierung der Störungshäufigkeit zum Ziel, d. h. Vermeidung des Eintretens eines Störungsfalls. Dies wird einerseits durch die Anwendung allgemeiner Ansätze zur Prävention und andererseits durch die Sicherstelung der Verfügbarkeit der Inputfaktoren Kapazitäten, Informationen und Material erreicht. Zur Prävention von Störungen eignen sich grundsätzlich folgende Ansätze: −



Verzicht auf den gestörten Prozess durch bessere Alternativen, Auslagerung oder Modifikation des Prozesses, Mitberücksichtigung der Störungskosten in der Planung. Verminderung der Durchführungshäufigkeit des Prozesses durch größere Losgrößen oder Zusammenfassung von Bedarfen, was jedoch andere negative Nebeneffekte wie beispielsweise höhere Bestände oder längere Durchlaufzeiten hat. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn die Schwankungsursachen beim Rüsten liegen.

100 −





3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Erhöhung der Durchführungshäufigkeit des Prozesses (repetitive Prozesse), wenn Lerneffekte möglich sind und dadurch die Störungen dank Standardisierung von Prozessen, Lossplitting sowie Verringerung von Arbeitsinhalten pro Schritt seltener auftreten (in Analogie zum Erfahrungskurvenphänomen). Ursachenbezogene Maßnahmen: Identifizierung und Behebung der Störungsursachen basierend auf Analysen, sowie Vorkehrungen in der Konstruktion u. a.; hier können die weiter oben bei der Qualität erwähnten allgemeinen Methoden des Qualitätsmanagements angewendet werden. Wirkungsbezogene Maßnahmen: Schaffung von kapazitiven Redundanzen, Berücksichtigung von Störungszeiten in der Planung, Personalmaßnahmen (Springer, Weiterbildung, Arbeitszeitmodelle etc.).

Diese präventiven Ansätze lassen sich generell für alle entsprechenden Prozesse im Zusammenhang mit dem Material- und Informationsfluss im „Source“, „Make“ und „Deliver“ anwenden. Sie werden in den weiteren Dekompositionen an geeigneter Stelle wieder aufgegriffen. Durch präventive Maßnahmen dieser Art können die Anforderungen an die Reaktion (FR-RS22, FR-RM22, FR-RD22) beeinflusst werden, beispielsweise kann die Dringlichkeit von Reaktionsmaßnahmen oder deren Häufigkeit reduziert werden. Vgl. Abs. 3.2.3.4 und folgende. • DP-RS22, DP-RM22, DP-RD22: Das Ziel einer effizienten Reaktion ist es, im Störungsfall die Störung möglichst schnell zu beheben, damit Schwankungen in den Arbeitsgang- und Durchlaufzeiten minimal gehalten und deren Weiterverbreitung verhindert werden können. Denn im Sinne der Implementierungsreihenfolge muss als erstes die Prävention angegangen werden, da hier Ursachen der Störungen eliminiert werden (ursachenbezogen), während die Reaktion wirkungsbezogen ist. In den folgenden Abschnitten wird zuerst die Dekomposition entlang des Teilastes der Prävention (FR-RS21, FR-RM21, FR-RD21) erläutert. Danach wird auf die Dekomposition entlang des Teilastes der Reaktion (reaktive Zuverlässigkeit, FR-RS22, FR-RM22, FR-RD22) eingegangen (Abs. 3.2.3.10). Die weitere Dekomposition von FR-RS21, FR-RM21 und FR-RD21 basiert auf einer ursachenbezogenen Prävention, die darauf gründet, dass die Ursachen bzw. Träger von Störungen in den Inputfaktoren Kapazitäten, Information und Material lokalisierbar sind. Deshalb wird die Sicherstellung der Verfügbarkeit dieser Inputfaktoren jeweils als

3.2 Die SCVD im Detail

101

Abb. 39 Dekomposition der stochastischen Faktoren (FR-RS2, FR-RM2 und FR-RD2)

entsprechendes Mittel (DP-RS21, DP-RM21 und DP-RD21) identifiziert. Verfügbarkeit wird in diesem Kontext so verstanden, dass die nötigen Kapazitäten (Maschinen, Personal, Lieferanten etc.) bereit und in der Lage sind, die entsprechenden Prozesse durchzuführen. Zudem müssen alle notwendigen Informationen für die Planung, Steuerung und Durchführung der Prozesse vorhanden und korrekt sein (Auftragsdaten, Stammdaten der Prozesse und Produkte etc., vgl. DP-QS2, DP-QM2 und DP-QD2) und das benötigte Material in der gewünschten Menge und Qualität am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt bereitstehen. 3.2.3.4 Dekomposition der Prävention im „Source“ (FR-RS21) In Abb. 40 ist die Dekomposition der Prävention von Störungen im „Source“ (FR-RS21) gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material als Inputfaktoren dargestellt. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Lieferanten.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 40 Dekomposition der Prävention im „Source“ (FR-RS21)

• DP-RS21: Die Prävention im „Source“ wird dadurch erreicht, dass Störungen in Bezug auf die Inputfaktoren Kapazitäten (FR-RS211), Informationen (FR-RS212) und Material (FR-RS213) vorgebeugt wird. • DP-RS211: Um kapazitätsbedingten Störungen vorzubeugen (FR-RS211), muss eine zuverlässige Versorgung auf Lieferantenseite sichergestellt sein. Hierzu trägt die bereits bei der Qualität diskutierte Lieferantenauswahl und -qualifikation bei (vgl. DP-QS1 in Abs. 3.2.2.2). Eine hohe Versorgungszuverlässigkeit schafft eine solide Basis für eine zuverlässige Beschaffungsplanung (positiver Einfluss auf DP-RS212) und kann dank zuverlässigen Lieferanten helfen, mit dem Materialfluss zusammenhängende Störungen zu reduzieren (positiver Einfluss auf DP-RS213). • DR-RS212: Damit Störungen aufgrund von Informationen verhindert werden können (FR-RS212), ist eine akkurate Beschaffungsplanung notwendig. Hierzu trägt die bereits bei der Qualität eingeordnete Sicherstellung der Informationsqualität und -verfügbarkeit (vgl. DP-QS2

3.2 Die SCVD im Detail

103

in Abs. 3.2.2.2) essenziell bei. Durch eine gute Planung können zudem Störungen, die mit dem Materialfluss zusammenhängen, verhindert werden (positiver Einfluss auf DP-RS213), beispielsweise durch die Berücksichtigung der Anfälligkeit auf Transport- und Handhabungsschäden oder Verderb. Die Vorhersage von Bedarfen stellt oftmals eine selbst induzierte Störung der Supply Chain dar, indem sehr stark schwankende Vorhersagen getroffen werden. Hier ist meist fehlender Fokus des Verkaufs, der seine primäre Aufgabe im Verkaufen sieht, die Ursache. Somit wird nicht berücksichtigt, dass die schlechten Vorhersagen (die in der Regel weit stärker schwanken als der echte Kundenbedarf) eine negative Rückkopplung auf die Produktverfügbarkeit hat. Somit wird das eigene Ziel des Vertriebs, nämlich profitablen Umsatz zu generieren, durch ungenaue Bedarfsvorschau direkt negativ beeinflusst. • DP-RS213: Die mit dem Materialfluss zusammenhängenden Störungen werden dadurch reduziert (FR-RS213), dass die physische Durchführung der Beschaffungsprozesse (Beschaffungsabwicklung) zuverlässig ausgestaltet wird. Hier unterstützt die bei der Qualität diskutierte Verhinderung von handhabungsbedingten Qualitätsmängeln (vgl. DP-QS3 in Abs. 3.2.2.2), beispielsweise durch Standardisierung von Prozessen, Betriebs- und Transportmitteln, den Beschaffungsprozess. Zudem kann hierzu die Lieferverfolgung (Tracking & Tracing) basierend auf Barcode oder RFID eingesetzt werden. 3.2.3.5 Dekomposition von Versorgungszuverlässigkeit (FR-RS211) Die lieferantenseitige Versorgungszuverlässigkeit kann gewährleistet werden, indem als erstes die Versorgungsrisiken und Maßnahmen zu deren Reduzierung identifiziert werden. Gemäß den daraus abgeleiteten Anforderungen können dann zweitens Lieferanten ausgewählt und evaluiert werden. Mit spezifischen Lieferanten können drittens Rahmenaufträge vereinbart werden, die langfristig die Verfügbarkeit der zu beschaffenden Produkte garantieren. Abbildung 41 zeigt die Dekomposition der lieferantenseitigen Versorgungszuverlässigkeit (FR-RS211/DP-RS211). • DP-RS211: Die zuverlässige Versorgung auf Lieferantenseite kann erreicht werden, indem das Versorgungsrisiko reduziert wird (FR-RS2111), zuverlässige Lieferanten gewählt (FR-RS2112) werden und deren Kapazität sichergestellt wird (FR-RS2113). Denn im Sinne der Implementierungsreihenfolge macht es keinen Sinn, Lieferanten zu wählen, bevor nicht die Risiken analysiert und die Anforderungen an die Lieferanten definiert sind. Vertragliche Vereinbarungen werden dann mit geeigneten, ausgewählten Lieferanten getroffen.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 41 Dekomposition der Versorgungszuverlässigkeit (FR-RS211/DP-RS211)

• DP-RS2111: Das Versorgungsrisiko zu reduzieren (FR-RS2111) ist Ziel von Beschaffungsstrategien und des Supply Risk Managements (Risikomanagement in der Beschaffung). Das Versorgungsrisiko (Supply Risk) ist das Risiko, dass Lieferanten oder Unterlieferanten nicht in der Lage sind, die Produkte gemäß der Kundennachfrage zu liefern. Risikoquellen sind primär Lieferanten (z. B. mangelnde Liefertreue) und der Beschaffungsmarkt (z. B. Preisvolatilität). Das Versorgungsrisiko hängt einerseits von der Spezifität des zu beschaffenden Produkts und andererseits von Komplexität und Unsicherheit ab. Die Spezifität bezieht sich dabei auf den Standardisierungsgrad und die Anforderungen, welche an die Kooperation mit Lieferanten gestellt werden, während die Komplexität und die Unsicherheit logistischer Abläufe und Merkmale die benötigte Produktions- und Prozesstechnologie betreffen. Komplexität und Unsicherheit betreffen folgende Merkmale: anwenderbezogene Änderungshäufigkeit, technische Komplexität, technologische Entwicklung des Produkts, zukünftige Nachfrageentwicklung am Beschaffungsmarkt, sowie logistische Komplexität in Folge einer Vielzahl externer Einflussgrößen entlang der Wertschöpfungskette. Hohe Komplexität und Unsicherheit führen tendenziell zu einem hohen Versorgungsrisiko. Hier können insbesondere Konzepte von Lieferantenportfolios und Beschaffungsstrategien eingeordnet werden. Diese haben folgende Ziele:

3.2 Die SCVD im Detail − − −

105

Grundsatzentscheide in der Beschaffung zu fällen: Organisationsform, Kernkompetenzen und Verhalten gegenüber Lieferanten; im „Make-or-Buy“-Entscheid die Aufgabenteilung zwischen Unternehmen und Lieferanten zu definieren; differenzierte Strategien (z. B. Single Sourcing, Parallel Sourcing, Multiple Sourcing, Modular Sourcing, System Sourcing) in Abhängigkeit des Versorgungsrisikos und der Bedeutung des Produkts hinsichtlich Beschaffungsvolumen (u. a.) zu entwickeln. Beim Single Sourcing konzentriert sich der Abnehmer auf eine Beschaffungsquelle. Dies kann zur Komplexitäts- und Kostenreduzierung beitragen, aber erhöhte Risiken bergen. Oft ist deshalb ein Ersatzlieferant (Second Source) vorgesehen. Beim Parallel Sourcing bestehen parallel einige wenige Lieferanten, beim Multiple Sourcing mehrere Beschaffungsquellen (System Sourcing und Modular Sourcing vgl. weiter unten).

Die Lieferantenanzahl ist ein wichtiger Treiber der Kosten für das Beschaffungsmanagement (FR-CS3), insbesondere für die Komplexitätsund Transaktionskosten. Tendenziell gilt, dass das Versorgungsrisiko mit abnehmender Lieferantenanzahl steigt, die Kosten für das Beschaffungs- und Lieferantenmanagement hingegen sinken. Die optimale Lieferantenanzahl ist schwierig zu bestimmen; sie hängt von der Zuverlässigkeit der Lieferanten, von der Art der beschafften Güter (z. B. geringer bei Standardprodukten) und deren Innovationsgrad, sowie vom Umfeld des Beschaffungsmarktes ab. Neben der Reduzierung des Versorgungsrisikos helfen adäquate Beschaffungsstrategien, die geforderte Zuverlässigkeit und Kapazität der Lieferanten sicherzustellen. Somit weist DP-RS2111 einen positiven Einfluss auf FR-RS2112 und FR-RS2113 auf. • DP-RS2112: Um die Zuverlässigkeit der Lieferanten sicherzustellen (FR-RS2112), muss diese im Lieferantenmanagement (Lieferantenauswahl, Lieferantenqualifikation, Lieferantenevaluation) als Kriterium berücksichtigt werden. Hier können Konzepte des Supplier Relationship Management (SRM) eingeordnet werden, die darauf abzielen, die Lieferantenbeziehung zu unterstützen. • DP-RS2113: Mittels Rahmenverträge bzw. -aufträge (langfristige Vereinbarung einer größeren Anzahl von Lieferungen) kann die Kapazitätsbandbreite auf Lieferantenseite sichergestellt werden (FR-RS2113), indem direkt eine Vereinbarung über die bereitzustellenden Kapazitäten getroffen wird oder die Menge und die Zeitfenster der zu liefernden Produkte vertraglich geregelt werden. Dies kann den Interessen der Lieferanten als auch des Abnehmers dienen: Der Abnehmer kann

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

bessere Konditionen und eine höhere Lieferbereitschaft erreichen und dem Lieferanten sind in Zeitfenstern Mindestabnahmemengen und Obergrenzen garantiert, so dass die Planbarkeit seiner Produktion verbessert wird. 3.2.3.6 Dekomposition der zuverlässigen Beschaffungsplanung (FR-RS212) Eine zuverlässige Beschaffungsplanung (FR-RS212) baut erstens wie erwähnt auf Informationsqualität und -verfügbarkeit (DP-QS2) auf; zweitens müssen Bedarfsprognosen über die zu beschaffenden Produkte erstellt werden. Hier kommen zwei Arten von Bedarf in Betracht: unabhängiger Bedarf (Primärbedarf), der keine Beziehung zu einem Bedarf eines anderen Produkts hat, und abhängiger Bedarf (Sekundärbedarf), der vom Bedarf eines anderen Produkts abhängt. Primärbedarf ist unternehmensexterner Bedarf (Kundenbedarf an Endprodukten oder Ersatzteilen), während Sekundärbedarf Bedarf an Baugruppen, Komponenten, Rohmaterial etc. darstellt und aus dem Primärbedarf abgeleitet werden kann. In der Regel betrifft die Beschaffung den Sekundärbedarf. Damit dieser jedoch genügend genau bestimmt werden kann, müssen hinreichend zuverlässige Informationen über den Primärbedarf vorhanden sein. Für eine zuverlässige Beschaffungsplanung (DP-RS212) müssen demzufolge Störungen und Abweichungen infolge des Primärbedarfs und dann auch des Sekundärbedarfs reduziert werden. Abbildung 42 zeigt die Dekomposition von FR-RS212. • DP-RS212: Eine Voraussetzung für eine zuverlässige Beschaffungsplanung sind gute Prognosen. Die Ursache schlechter Prognosen liegt meist in mangelnder Kommunikation (Kommunikationsfehler) und schleppendem Informationsaustausch (z. B. keine Automatisierung). Geeignete Unterziele für eine zuverlässige Beschaffungsplanung sind also die Vermeidung von Störungen bei der Bestimmung des unabhängigen (FR-RS2121) und abhängigen Bedarfs (FR-RS2122). • DP-RS2121: Ein geeignetes Mittel, um die Zuverlässigkeit bei der Bestimmung des unabhängigen Bedarfs (FR-RS2121) zu steigern, sind die bereits besprochenen Rahmenverträge, und zwar auf der Seite der (End-)Kunden, beim „Deliver“ also. Dies ermöglicht eine bessere Planbarkeit von der Nachfrageseite her und schafft damit eine zuverlässigere Planung der Beschaffung. Wenn Rahmenverträge mit Kunden nicht möglich sind, bestehen weitere, aber weniger effektive Möglichkeiten in der Marktforschung und in Prognoseverfahren. Hier gilt es, die Prognosegenauigkeit zu verbessern, was in der Praxis jedoch oft nur beschränkt möglich ist. Da (per Definition) der abhängige Bedarf

3.2 Die SCVD im Detail

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Abb. 42 Dekomposition der zuverlässigen Beschaffungsplanung (FR-RS212/ DP-RS212)

vom unabhängigen Bedarf abhängt, beeinflusst DP-RS2121 auch die Zuverlässigkeit der Bestimmung des abhängigen Bedarfs (FR-RS2122) positiv. • DP-RS2122: Für die Zuverlässigkeit der Bestimmung des abhängigen Bedarfs ist die Reduzierung des Umfangs des abhängigen Bedarfs eine probates Mittel. Hier können die Beschaffungskonzepte Modular Sourcing und System Sourcing eingeordnet werden: Der Abnehmer beschafft Systeme und Module. Ein Modul ist ein Zwischenprodukt, das verschiedene Funktionen nach Kriterien der Montage räumlich zusammenfasst (Austauschbarkeit), beispielsweise das Armaturenbrett in einem Auto. Im Unterschied dazu ist ein System (funktionale Einheit) räumlich verteilt, beispielsweise das Bremssystem in einem Auto. Die Beschaffung von Modulen und Systemen reduziert, die Komplexität der Beschaffung, da tiefere Stückzahlen beschafft werden müssen und mit weniger Lieferanten verhandelt werden muss. Somit reduzieren sich die Störungsquellen in der Beschaffung. Wichtig ist hier zu beachten, dass sich aufgrund der Implementierungsreihenfolge die Wahl der Beschaffungsstrategie in erster Linie nach dem Versorgungsrisiko (FR-RS21211) zu richten hat und die dafür geeigneten Lieferanten vorhanden sein müssen (FR-RS2112).

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

3.2.3.7 Dekomposition der zuverlässigen Beschaffungsabwicklung (FR-RS213) Hinsichtlich des Inputfaktors Material muss die Verfügbarkeit von Rohmaterial, Komponenten, Einkaufsteilen etc. sichergestellt sein (FR-RS213), damit diese für den anschließenden Produktionsprozess („Make“) in ausreichender Menge und Qualität bereit stehen. Dies ist Aufgabe einer zuverlässigen Beschaffungsabwicklung („supply execution“), welche die operationelle Ausführung der Beschaffung betrifft. Dazu tragen die diskutierten Elemente der Versorgungszuverlässigkeit (DP-RS211) und der zuverlässigen Beschaffungsplanung (DP-RS212) maßgeblich bei und schaffen so die richtigen Voraussetzungen. Für eine zuverlässige Abwicklung der Beschaffung muss zuerst die Lieferzuverlässigkeit auf Lieferantenseite und dann die Verfügbarkeit der benötigten Komponenten und Einzelteile für die Produktion gewährleistet sein. Die Abb. 43 zeigt die Dekomposition der zuverlässigen Beschaffungsabwicklung (FR-RS213/DP-RS213).

Abb. 43 Dekomposition der zuverlässigen Beschaffungsabwicklung (FR-RS213)

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-RS213: Eine zuverlässige Beschaffungsabwicklung erfordert eine hohe Lieferzuverlässigkeit auf Lieferantenseite (FR-RS2131) und hat auf der Seite der Produktion die Sicherstellung einer hohen Verfügbarkeit zum Ziel (FR-RS2132). • DP-RS2131: Damit eine hohe lieferantenseitige Lieferzuverlässigkeit gewährleistet werden kann, soll die Versorgung hinsichtlich des Material- und Informationsflusses einfach und stabil gestaltet werden. Hierbei kommen Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte zum Zuge wie − −





− −



Konsignationslager: Lager des Lieferanten vor Ort beim Kunden; Vendor Managed Inventory (VMI): Lager des Lieferanten beim Kunden, das vom Lieferanten, basierend auf Verbrauchs- und Prognosedaten, bewirtschaftet wird; Efficient Consumer Response (ECR): Nachfüllung basierend auf aktuellen Verbrauchsdaten (nebst weiteren Elementen wie beispielsweise effiziente Ladungsbildung, Transportoptimierung, Category Management etc.); Continuous Replenishment (CR): kontinuierliche (tägliche) Nachfüllung der verbrauchten Produkte durch den Lieferanten basierend auf dem Verbrauch; Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR): gemeinsame Planung und Prognose, automatische Nachfüllung; Kanban: selbstgesteuerte Nachfüllung gemäß Verbrauch mittels Kanbanbehältern oder -karten, auch elektronisch unterstützt (e-Kanban); Quick Response (QR): IT-gestütztes Bestellsystem zur bedarfsorientierten und nachfragesynchronen Nachlieferung basierend auf der Nachfrage am Verkaufspunkt (Point of Sales POS).

Weiter können hier für einfache und stabile Versorgungsprozesse (DP-RS2131) die weiter oben diskutierten allgemeinen Ansätze zur Prävention angewandt werden; insbesondere kann in Analogie zum Erfahrungskurvenphänomen davon ausgegangen werden, dass eine höhere Durchführungsfrequenz von Prozessen zu einer Verminderung der personalbedingten Störungshäufigkeit führt. Diese Ansätze widerspiegeln sich in den oben angesprochenen Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepten. So kann VMI als Auslagerung der Lagerbewirtschaftung angesehen werden, CR und CPFR bezüglich der automatischen Nachfüllung als Verzicht auf den manuellen Prozess, Kanban zudem teilweise als Erhöhung der Durchführungshäufigkeit.

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• DP-RS2132: Zusätzlich muss die Verfügbarkeit der beschafften Produkte für die Produktion intern gewährleistet werden, wenn auf Vorrat beschafft wird (FR-RS2132). Vorausgesetzt wird dabei eine angemessene lieferantenseitige Lieferzuverlässigkeit: Wenn diese zu gering oder die Durchlaufzeit für die Beschaffung zu lange ist, muss der Materialfluss mittels Lager von Rohmaterial, Einkaufteilen oder Komponenten gepuffert werden. Hier gilt es, das Lager bezüglich der gelagerten Produkte und deren Mengen durch die Wahl geeigneter Verfahren des Lager- und Bestandesmanagements zu optimieren. Dabei kommen insbesondere wieder Kanban (siehe oben) und das Bestellbestandverfahren in Frage. Beim Bestellbestandverfahren ist es essenziell, den Sicherheitsbestand adäquat und korrekt zu dimensionieren. Maßnahmen zur Sicherstellung der lieferantenseitigen Lieferzuverlässigkeit wie beispielsweise Kanban (DP-RS2131) tragen positiv zur internen Verfügbarkeit bei. 3.2.3.8 Dekomposition der Prävention im „Make“ (FR-RM21) Für das Ziel geringer Störungen im „Make“ dank Prävention (FR-RM21) und das entsprechende Mittel der Verbesserung der Prozesszuverlässigkeit und Sicherstellung der Verfügbarkeit der Inputfaktoren (DP-RM21) werden in erster Linie die weiter oben diskutierten allgemeinen Ansätze der Prävention von Störungen herangezogen. Dementsprechend sind die Unterziele eine Verminderung von Störungen in den Produktionsprozessen und die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Kapazitäten, Informationen und Material. Abbildung 44 zeigt die Dekomposition der Prävention im „Make“ (FR-RM21). • DP-RM21: Die Prävention im „Make“ wird einerseits durch die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Produktionsprozesse (FR-RM211) und andererseits durch die Reduzierung von Störungen aufgrund der Inputfaktoren Kapazitäten (FR-RM212), Informationen (FR-RM213) und Material (FR-RM214) erreicht. • DP-RM211: Prozesse können zuverlässiger gemacht werden, indem die Störungshäufigkeit vermindert wird. Hierzu bieten sich neben der Analyse der Ursachen die allgemeinen Ansätze zur Prävention an: Verzicht auf den gestörten Prozess oder dessen Auslagerung (beispielsweise Betreibermodelle), Erhöhung oder Verminderung der Durchführungshäufigkeit, je nachdem ob Lerneffekte möglich sind, und die Methoden des Qualitätsmanagements wie beispielsweise die Analyse der Fehlermöglichkeiten und Einflüsse (FMEA). Maßnahmen zur

3.2 Die SCVD im Detail

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Abb. 44 Dekomposition der Prävention im „Make“ (FR-RM21)

Reduzierung der Störungshäufigkeit wirken sich positiv auf Störungen in Produktionsprozessen im Zusammenhang mit Kapazitäten, Informationen und Material aus (FR-RM212, FR-RM213 und FR-RM214). • DP-RM212/DP-QM1: Um kapazitätsbedingte Störungen zu verhindern, müssen geeignete Kapazitäten zur Verfügung stehen. Diese Aufgabe ist bereits bei der Qualität identifiziert (DP-QM1). Zudem können hier kapazitätsspezifische Vorkehrungen für die Zuverlässigkeit und Prävention getroffen werden, beispielsweise Instandhaltungskonzepte mit Fokus auf die Reduzierung von Ausfällen. Diese können auch positive Auswirkungen auf Störungen im Zusammenhang mit Information haben (positiver Einfluss auf FR-RM213), beispielsweise bessere Planbarkeit der Produktion, sowie auf material- und materialflussbedingte Störungen (positiver Einfluss auf FR-RM214), beispielsweise weniger Ausschuss.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-RM213/DP-QM2: Störungen aufgrund fehlender Informationen können, wie bei der Qualität erläutert, im Rahmen des Informationsmanagements und der Stützung durch Informationstechnologie (DP-QM2) vermieden werden. Dies ist eine Voraussetzung für eine zuverlässige Produktionsplanung. Auch hier gibt es positive Auswirkungen auf material- und materialflussbedingte Störungen (FR-RM214), beispielsweise weniger Fehlproduktion. • DP-RM214/DP-QM3: Die bei der Qualität diskutierten Maßnahmen zur Vermeidung von Qualitätsmängeln aufgrund der Handhabung des Materials (DP-QM3) haben hier positiven Einfluss. Durch einfache und standardisierte Gestaltung des Materialflusses und mittels der allgemeinen Ansätze der Prävention können materialflussbedingte Störungen vermieden werden: Auf problematische Prozesse der Materialhandhabung (Transport, Ein- und Auslagerung, Kommissionierung etc.) wird verzichtet oder diese werden an spezialisierte Logistikdienstleister auslagert oder automatisieret, ihre Durchführungsfrequenz reduziert oder erhöht (bei Lerneffekten der Mitarbeiter). Zudem können Identifikationstechnologien (Barcodes, Scanner, Transponder etc.) eingesetzt werden, um die Aufträge bzw. das Material zu verfolgen. 3.2.3.9 Dekomposition der Prävention im „Deliver“ (FR-RD21) Die Prävention von Störungen im „Deliver“ (FR-RD21) wird analog zum „Source“ und „Make“ dadurch erreicht, dass die Prozesse bei der Lagerung und Distribution zuverlässig ausgestaltet werden und die Verfügbarkeit der Inputfaktoren Kapazitäten, Information und Material gewährleistet wird (DP-RD21). Abbildung 45 zeigt die Dekomposition der Prävention im „Deliver“ (FR-RD21). • DP-RD21: Die Prävention im „Deliver“ wird durch die Reduzierung von Störungen aufgrund der Inputfaktoren Kapazitäten (FR-RD211), Informationen (FR-RD212) und Material (FR-RD213) erreicht. Generell können zur Verbesserung der Zuverlässigkeit der Prozesse im „Deliver“ die allgemeinen Ansätze der Prävention herangezogen werden. • DP-RD211: Die Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten ist im Rahmen der Qualität (DP-QD1) generell sichergestellt. Spezifisch müssen im „Deliver“ zuverlässige Kapazitäten für die Lagerhaltung (z. B. nicht störanfällige Lagersysteme), die Distribution und den Transport (z. B. Transportmittel, die nicht anfällig auf Staus sind) bereitgestellt werden, um Störungen bei der Materialhandhabung und Transportrisiken zu minimieren. Hierbei können spezialisierte Logistikdienstleister in

3.2 Die SCVD im Detail

113

Abb. 45 Dekomposition der Prävention im „Deliver“ (FR-RD21)

Anspruch genommen werden, wie beispielsweise Third Party Logistics Provider (3PL) und Fourth Party Logistics Provider (4PL) (vgl. Abs. 3.2.2.4). Durch eine zuverlässigere Verfügbarkeit der Kapazitäten verbessert sich die Planbarkeit im „Deliver“ (positiver Einfluss auf FR-RD212) und durch zuverlässigere Kapazitäten können materialbedingte Störungen vermieden werden (positiver Einfluss auf FR-RD213), beispielsweise dank geringeren Handhabungs- und Transportschäden. • DP-RD212: Planungsaufgaben im „Deliver“ betreffen insbesondere die Transport- und Distributionsplanung, sowie die Auftragsabwicklung. Beide werden durch die Sicherstellung der Informationsqualität und -verfügbarkeit im Rahmen der Qualität (DP-QD2) unterstützt; hier sind vor allem zuverlässige Prognosedaten bezüglich des Absatzes essenziell. Für die Auftragsabwicklung im „Deliver“ sind insbesondere

114

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

die Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (Order Promising) zur zuverlässigen Bestimmung des Liefertermins von zentraler Bedeutung: −



Verfügbarkeitsprüfung (Available-to-Promise ATP): Überprüfung und ggf. Bestätigung der Verfügbarkeit eines gewünschten Produkts für einen bestimmten Liefertermin (ausgehend von einem gegebenen Produktionsplan); Machbarkeitsprüfung (Capable-to-Promise CTP): analog zu ATP, jedoch unter Berücksichtigung von verfügbaren Produktionskapazitäten und Komponenten, indem ein Auftragsvorschlag simuliert und ggf. optimiert wird.

Diese Funktionalitäten werden in der Regel durch SCM-Software gestützt bzw. durch Informationstechnologie zur Verfügung gestellt. Werden im Rahmen von DP-RD211 Logistikdienstleister eingesetzt, können diese die Planungsaufgaben unterstützen (siehe oben). • DP-RD213: Materialbedingte Störungen können einerseits durch Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität (DP-QD3) verhindert werden. Andererseits soll im „Deliver“ analog zum „Source“ die Versorgung der Kunden hinsichtlich des Material- und Informationsflusses einfach und standardisiert ausgestaltet werden. Hier kommen die bereits bei DP-RS2131 angeführten Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte zum Zuge. Zudem kann hier die Lieferverfolgung (Tracking & Tracing) eingesetzt werden. Für die Lieferzuverlässigkeit (FR-R) ist die Zuverlässigkeit im „Deliver“ (FR-RD21 bzw. DP-RD21) essenziell, da hier die Kunden die Liefertreue und die Lieferbereitschaft direkt wahrnehmen. Insbesondere ist hier die zuverlässige Bestimmung und Zusage von Lieferterminen zentral (DP-RD212). Günstige Voraussetzungen werden generell durch die im Sinne der Implementierungsreihenfolge vorgelagerte Qualität und die Sicherstellung der Zuverlässigkeit durch Prävention im „Source“ und „Make“ geschaffen (FR-RS21, FR-RM21 bzw. DP-RS21 und DP-RM21). 3.2.3.10

Dekomposition der Reaktion im „Source“, „Make“ und „Deliver“ (FR-RS22, FR-RM22, FR-RD22) Die oben besprochenen Dekompositionen der Lieferzuverlässigkeit im „Source“, „Make“ und „Deliver“ betreffen präventive Maßnahmen. In diesem Abschnitt wird nun der Ast der reaktiven Zuverlässigkeit verfolgt (vgl. Abb. 39 auf S. 89), d. h. Maßnahmen als Reaktionen auf Störungen. Durch eine effiziente Reaktion auf Störungen können die Störungszeiten minimal gehalten werden, was zur Reduzierung der Schwankungen in

3.2 Die SCVD im Detail

115

der Arbeitsgangzeit aufgrund stochastischer Faktoren (FR-RS2, FR-RM2, FR-RD2) beiträgt. Es können generell personelle, organisatorische und technische Maßnahmen unterschieden werden: • personelle Maßnahmen: Methodenschulung, Qualifizierung, Sensibilisierung, Halten von Überkapazitäten u. a.; • organisatorische Maßnahmen: Bildung von Störungsteams, Entstörleitstand, Entstörwerkzeugkästen, Entstörstandards u. a.; • technische Maßnahmen: Signalanlagen, Personenrufgeräte, Diagnosesysteme etc. Das Konzept des Supply Chain Event Management (SCEM) kann hier angesetzt werden, um den Material- und Informationsfluss zu überwachen und Versorgungsstörungen und Ausnahmefälle zu beheben. Softwaregestützte SCEM-Systeme bieten Unterstützung für folgende Aufgaben: • Monitoring: Erkennung und Visualisierung von Versorgungsstörungen anhand von Fertigungsfortschrittszahlen, Lagerbeständen, Transaktionen etc. als Frühwarnsystem für eine frühzeitige Identifizierung bzw. Vorhersage von Versorgungsengpässen. • Tracking & Tracing: Verfolgung und Lokalisierung von Lieferungen und Aufträgen bzw. Material. • Alert Management: Warnung beim Auftreten von Störungen und Engpässen in der Versorgung bzw. bei Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Werten gemäß hinterlegten Regeln beispielsweise via E-Mail, SMS oder am Bildschirm. • Simulation alternativer Maßnahmen und deren Bewertung angesichts der Störungssituation. Um im Störungsfall eine Störung möglichst schnell zu beheben, muss diese zuerst möglichst unmittelbar identifiziert werden. Danach müssen die Mitarbeiter mit den notwendigen Entstörkompetenzen avisiert und ihnen die relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden, um dann die Entstörung möglichst rasch durchzuführen. Abbildung 46 zeigt die Dekomposition der Reaktion für „Source“, „Make“ und „Deliver“ (DP-RS22, DP-RM22, DPR-RD22). • DP-RS22, DP-RM22, DP-RD22: Ein Verfahren zur schnellen Detektion von und Reaktion auf Störungen verfolgt drei Ziele: eine möglichst kurze Zeit bis die Störung bemerkt und diagnostiziert ist (FR-RS221, FR-RM221, FR-RD221), eine schnelle Identifizierung der notwendigen Entstörkompetenz und Avisierung von Mitarbeitern (FR-RS222, FR-RM222, FR-RD222) und daraufhin eine möglichst rasche Behebung (FR-RS223, FR-RM223, FR-RD223).

116

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 46 Dekomposition der Reaktion (DP-RS22, DP-RM22, DPR-RD22)

• DP-RS221, DP-RM221, DP-RD221: Zur schnellen Identifizierung und Diagnose von Störungen können generell entsprechende Systeme mit den Funktionen Monitoring und Alert Management eingesetzt werden (siehe oben), die Störungen erkennen und visualisieren sowie Warnmeldungen abgeben. Weitere Möglichkeiten im „Deliver“ ergeben sich im Rahmen des e-Fulfillment: Tracking & Tracing zur Abfrage des genauen Standorts von Lieferungen. E-Fulfillment ist die durch Informationstechnologie gestützte Erfüllung und Abwicklung von Kundenaufträgen und umfasst u. a. die Zahlungsabwicklung, Lieferverfolgung (Tracking & Tracing) sowie Retourenmanagement. Dank einer schnellen Identifizierung und Diagnose können auch die nötigen Entstörkompetenzen schneller identifiziert werden (positiver Einfluss auf FR-RS222, FR-RM222, FR-RD222). • DP-RS222, DP-RM222, DP-RD222: Zur Behebung der Störung müssen die Mitarbeiter mit den notwendigen Entstörkompetenzen informiert und disponiert werden. Voraussetzung ist die entsprechende Problemlösungskompetenz:

3.2 Die SCVD im Detail − − −

117

Qualitätszirkel: Erschliessung des Problemlösungspotenzials von Mitarbeitern der ausführenden Ebene; Lernstatt: Informationsvermittlung und Integration neuer Mitarbeiter; Vorschlagswesen: Sammlung und Honorierung von Verbesserungsvorschlägen.

Weiter bietet hier Alert Management Unterstützung zur Avisierung der Mitarbeiter (siehe oben). Eine rasche Kommunikation und Disposition trägt auch dazu bei, Störungen schneller zu beheben (positiver Einfluss auf FR-RS223, FR-RM223, FR-RD223). • DP-RS223, DP-RM223, DP-RD223: Für eine rasche Behebung der Störung können Entstörstandards (Prozesse, Checklisten etc.) eingesetzt werden. 3.2.3.11 Schlussbemerkung zur Lieferzuverlässigkeit Die Lieferzuverlässigkeit (Liefertreue bzw. Pünktlichkeit) baut auf Qualität auf (was in der Implementierungsreihenfolge widerspiegelt ist) und ist als ein entscheidender Einflussfaktor der Kundenzufriedenheit (FR-11 bzw. DP-11) ein essenzieller Zielbereich der Logistik und des SCM. Die Zuverlässigkeit beeinflusst die Kosten auf zweifache Weise (Einfluss auf FR-A und FR-C): Einerseits sind für die Umsetzung der Maßnahmen Investitionen notwendig und es fallen Betriebs- und Unterhaltskosten an; andererseits werden Störungskosten minimiert, was sich als Nutzen durch Einsparungen zeigt. (In der SCVD sind diese beiden Einflüsse nicht direkt abgebildet, sondern über DP-11). Eine angemessene Lieferzuverlässigkeit schafft im Sinne der Implementierungsreihenfolge bzw. des „Sand Cone Model“ (vgl. Abs. 3.1.2) die Voraussetzungen für die Optimierung der Lieferdurchlaufzeit bzw. Lieferbereitschaft, der Flexibilität sowie der Investitionen (Bestände und Infrastruktur), was sich als positiver Einfluss von DP-R auf FR-L, FR-F sowie FR-A zeigt.

3.2.4

Lieferdurchlaufzeit (FR-L)

3.2.4.1 Dekomposition der Lieferdurchlaufzeit (FR-L) Die Lieferdurchlaufzeit ist die benötigte Zeit vom Zeitpunkt der Bestellung des Kunden bis zum Zeitpunkt des Empfangs durch den Kunden; die Durchlaufzeit ist die benötigte Zeit von der Erkennung eines Auftrages bis zum Empfang der Güter und bezieht sich auf die Prozesse im

118

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

„Source“, „Make“ und „Deliver“. Die Lieferfrist ist die vom Kunden geforderte Lieferdurchlaufzeit. Kurze Durchlauf- und Lieferzeiten stellen Wettbewerbsfaktoren dar. Kurze Durchlaufzeiten sind nicht nur für die Fertigung auf Auftrag (Make-to-Order) von Bedeutung, denn eine kurze Lieferdurchlaufzeit hängt über die Bevorratungsebene mit der Durchlaufzeit zusammen. Die Bevorratungsebene ist diejenige Stufe in der Wertschöpfung, oberhalb welcher ein Produkt innerhalb der vom Kunden geforderten Lieferdurchlaufzeit, also gemäß der Nachfrage, beschafft werden kann. Kurze Durchlaufzeiten ermöglichen die Lagerhaltung auf tiefer Wertschöpfungsstufe (tiefe Bevorratungsebene) und damit weniger kapitalintensive Bestände (beispielsweise Komponenten oder Zwischenprodukte anstatt Endprodukte) und damit geringere Kapitalkosten oder umgekehrt kürzere Lieferdurchlaufzeiten. Weitere Wirkungen der Durchlaufzeitverkürzung sind: verminderte Kosten für Lagerung und Handhabung, Erhöhung der Reaktionsfähigkeit (Flexibilität), geringere Prognoseunsicherheiten und Bestandsrisiken. Die Dekomposition des Astes der Lieferdurchlaufzeit FR-L „Short Delivery Lead Time“ folgt den untenstehenden Überlegungen: • Je nach Bevorratungsebene im Unternehmen schließt die Lieferdurchlaufzeit zusätzlich zum Vertrieb („Deliver“) auch die Durchlaufzeiten für Beschaffung („Source“) und die Produktion („Make“) ein: − −







Make-to-Stock: Bevorratung auf der Ebene der Endprodukte; nur Durchlaufzeit im „Deliver“; Assemble-to-Order: Bevorratung auf der Ebene der Baugruppen oder Einzelteile (auftragsbezogene Montage); Package-to-Order ist eine Variante des Assemble-to-Order, bei der kundenunspezifische Zwischenprodukte kundenspezifisch zu Endprodukten verpackt werden; Durchlaufzeit aus „Deliver“ und teilweise aus „Make“; Configure-to-Order: Bevorratung auf der Ebene unkonfigurierter Endprodukte (auftragsbezogene Konfiguration); Durchlaufzeit aus „Deliver“ und „Make“ (im Sinne von Konfigurieren); Make-to-Order: Bevorratung auf der Ebene Rohmaterial und Einkaufteilen oder kundenauftragspezifische Beschaffung (auftragsbezogene Herstellung); Durchlaufzeit aus „Deliver“, „Make“ und teilweise „Source“; Engineer-to-Order: keine Bevorratung (Neuentwicklung des Produkts); Entwicklungsaktivitäten sind notwendig; Durchlaufzeit aus „Source“, „Make“, „Deliver“ und teilweise Produktentwicklung („Engineer“).

3.2 Die SCVD im Detail

119

Für kurze Lieferzeiten müssen deshalb die Durchlaufzeiten im „Deliver“ und je nach Bevorratungsebene auch im „Make“ und „Source“ reduziert werden. • Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass der Zeitanteil der Wertschöpfung an der Durchlaufzeit in der Größenordnung von 1 bis 10% liegt; der große Rest sind Warte- und Transportzeiten. Deshalb ist die primäre Herausforderung, nicht-wertschöpfende Wartezeiten zu reduzieren. Die Reduzierung der Arbeitsgangzeit ist sekundär. • Im Ast der Lieferdurchlaufzeiten kommen Elemente des Just-in-timeKonzepts (JIT) zur Anwendung, welches bestrebt ist, das Potenzial für kurze Lieferdurchlaufzeiten zu vergrößern. Abbildung 47 zeigt die Dekomposition der Lieferdurchlaufzeit (FR-L „Short Delivery Lead Time“), differenziert nach „Source“, „Make“ und „Deliver“.

Abb. 47 Dekomposition der Lieferdurchlaufzeit (FR-L)

• DP-L: Um kurze Lieferdurchlaufzeiten zu erreichen, wird die Zeitverschwendung in Form von nicht-wertschöpfenden Zeiten entlang der Wertschöpfung reduziert. Hier können als geeignete Mittel Methoden zur Analyse der Durchlaufzeiten zugeordnet werden:

120 − − −

− −

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Wertzuwachskurve: Darstellung der Herstellkosten eines Produkts in Funktion der Durchlaufzeit; Ursache-Wirkungsdiagramme; Methode der logistischen Kette: Erfassung der Durchlaufzeit und Arbeitsgangzeit der einzelnen Aktivitäten und Bewertung nach wertschöpfenden und nicht-wertschöpfenden Zeitanteilen; engpassorientierte Logistikanalyse, um Bestände und Durchlaufzeiten zu optimieren. Zur besseren Nutzung der Zeit bieten sich folgende Strategien an: −



Zeitverkürzung: Vermeidung von Zeitpuffern (Liegezeiten), die insbesondere bei hoher Arbeitsteilung entstehen, durch Reduzierung der Spezialisierung bzw. Reintegrierung arbeitsteiliger Aktivitäten; schnellere Arbeitsgänge. Bessere Nutzung der Zeit: „die richtigen Dinge tun, die verfügbaren Kapazitäten effizient nutzen, die Dinge richtig tun.“ Beispiele sind Optimierung der Fertigungsorganisation und Arbeitszeitflexibilisierung.

Unterziele sind kurze Durchlaufzeiten im „Source“, „Make“ und „Deliver“ (FR-LS, FR-LM, FR-3). Ein Konzept, um kurze Lieferdurchlaufzeiten zu erzielen ist Postponement, d. h. die Produktdifferenzierung auf der spätest möglichen Wertschöpfungsstufe. Das Produkt wird somit so lange wie möglich unspezifisch gehalten, indem möglichst spät Varianten generiert werden oder das Produkt kundenspezifisch angepasst wird. Dies geht in der Regel mit Make-to-Order, Assemble-to-Order oder Configure-toOrder einher (siehe oben). Postponement ist zusammen mit Modularisierung ein wesentliches Element von Mass Customization. • DP-LS, DP-LM, DP-LD: Zur Erreichung der Unterziele kurzer Durchlaufzeiten im „Source“, „Make“ und „Deliver“ werden jeweils Wartezeiten und suboptimale Arbeitsgangzeiten (Rüstzeit oder Bereitstellungszeit und Bearbeitungszeit) reduziert: −



„Source“: Die Beschaffungsdurchlaufzeit ist die gesamte benötigte Zeit für den Einkauf eines Produkts; sie umfasst Auftragsvorbereitung und -freigabe, die Zeit für die Auftragserfüllung durch den Lieferanten, die Transportzeit und die Zeit für die Warenannahme, Eingangsprüfung und Einlagerung. „Make“: Die Produktionsdurchlaufzeit ist die gesamte benötigte Zeit zur Herstellung eines Produkts ohne allfällige Beschaffung.

3.2 Die SCVD im Detail −

121

„Deliver“: Die Lieferdurchlaufzeit ist die gesamte benötigte Zeit zur Erfüllung und Auslieferung eines Auftrags von der Kundenbestellung bis zum Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Kunden.

Da wie oben ausgeführt die Durchlaufzeiten über die Bevorratungsebene zusammenhängen, kann die Reduzierung von Warte- und Arbeitsgangzeiten im „Source“ bzw. „Make“ (DP-LS bzw. DP-LM) je nachdem zu kurzen Durchlaufzeiten im „Make“ bzw. „Deliver“ (FR-LM bzw. FR-LD) führen. 3.2.4.2 Dekomposition der Durchlaufzeit im „Source“, „Make“ und „Deliver“ (FR-LS, FR-LM, FR-LD) Im nächsten Schritt werden FR-LS, FR-LM und FR-LD jeweils auf die gleiche Weise gemäß der Unterscheidung von Wartezeit und Arbeitsgangzeit dekomponiert; vgl. Abb. 48.

Abb. 48 Dekomposition der Durchlaufzeit (FR-LS, FR-LM und FR-LD)

• DP-LS, DPL-2, DP-LD: Wie oben erläutert, machen Wartezeiten in der Regel den größten Teil der Verschwendung aus, weshalb prioritär

122

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

kurze Wartezeiten (FR-LS1, FR-LM1, FR-LD1) und dann eine kurze Arbeitsgangzeit angestrebt werden (FR-LS2, FR-LM2, FR-LD2). Zu kurzen Wartezeiten tragen aus dem Ast der Lieferzuverlässigkeit der SCVD die Mittel zur Reduzierung von Störungen bei: die Harmonisierung der Arbeitsinhalte und das Entstörungsmanagement (DP-RS1, DP-RM1, DP-RD1 bzw. DP-RS2, DP-RM2, DP-RD2). • DP-LS1, DP-LM1, DP-LD1: Kurze Wartezeiten können generell durch eine optimierte Koordination und Synchronisation der Arbeitsgänge erreicht werden: − − −





Reduzierung von Rüstzeiten; weniger Arbeitsgänge, d. h. beispielsweise Komplettbearbeitung, räumliche und zeitliche Zusammenfassung; Harmonisierung der Arbeitsinhalte (siehe oben), um unterschiedliche Dauer der Arbeitsgänge zu vermeiden und dadurch im Extremfall eine rhythmische, getaktete Abfolge der Arbeitsgänge zu erreichen (z. B. getaktete Produktion); Reduzierung der Auslastung bzw. Erhöhung der Kapazitäten (z. B. Bestimmung des optimalen Betriebspunktes der Auslastung und Leistung mithilfe der Kennlinientheorie); Entfernen von Puffern, die durch ungenügende Abstimmung von Kapazitäten bedingt sind.

• DP-LS2, DP-LM2, DP-LD2: Eine kurze Arbeitsgangzeit kann generell durch Eliminierung, Parallelisierung, Integrierung und Beschleunigung von Arbeitsgängen oder durch Reihenfolgeänderungen erreicht werden. Allerdings kann die mittlere Durchlaufzeit nur bei hohen Beständen von Ware in Arbeit und stark schwankenden Arbeitsgangzeiten durch Reihenfolgeregeln signifikant beeinflusst werden. Ansätze für DP-LS1, DP-LM1 und DP-LD1, insbesondere die Rüstzeitreduzierung und die Komplettbearbeitung, können auch zu kürzeren Arbeitsgangzeiten beitragen (positiver Einfluss von DP-LS1, DP-LM1 und DP-LD1 auf FR-LS2, FR-LM2 bzw. FR-LD2), wenn beispielsweise bei der Komplettbearbeitung die Arbeitsgangzeit kürzer als die Summe der einzelnen Arbeitsgangzeiten ist oder kürzere Rüstzeiten für eine Losgrößenreduzierung genutzt werden (kürzere durchschnittliche Arbeitsgangdauer). 3.2.4.3 Dekomposition der Wartezeiten im „Source“ (FR-LS1) Neben den oben erläuterten generellen Maßnahmen können im „Source“ für kurze Wartezeiten spezifische Maßnahmen identifiziert werden, indem kapazitäts-, informations- und materialbedingte Wartezeiten unterschieden werden. Die Wartezeit im „Source“ besteht hauptsächlich aus

3.2 Die SCVD im Detail

123

Abb. 49 Dekomposition der Wartezeiten im „Source“ (FR-LS1)

administrativen Wartezeiten in der Auftragsvorbereitung und -freigabe und der Zeit für die Auftragserfüllung durch den Lieferanten, d. h. die Lieferfrist des Lieferanten. Dazu kommen Wartezeiten am Wareneingang für Entgegennahme, Prüfung und Einlagerung, die im Vergleich zur Wartezeit durch die Auftragserfüllung in der Regel von untergeordneter Bedeutung sind. Die Wartezeit aufgrund der Auftragserfüllung (Lieferfrist) belastet interne Kapazitäten nicht. Die Dekomposition von kurzen Wartezeiten im „Source“ (FR-LS1) erfolgt gemäß der Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material; vgl. Abb. 49. • DP-LS1: Für die Optimierung der Koordination und Synchronisation innerhalb von „Source“ kommen die oben erwähnten generellen Ansätze in Frage; eine Dekompositionsstufe spezifischer werden kurze Wartezeiten aufgrund von Kapazitäten, Informationen und Material angestrebt (FR-LS11, FR-LS12, FR-LS13). Als genereller Ansatz bietet sich hier zudem die Segmentierung von strategischer und operationeller Beschaffung an, da eine Segmentierung generell Wartezeiten günstig beeinflusst. • DP-LS11: Kapazitätsbedingte Wartezeiten betreffen im „Source“ in der Regel die Lieferanten, d. h. die Zeit für die Auftragserfüllung durch den Lieferanten (Lieferfrist). Um diese Wartezeit zu reduzieren, müssen

124

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Lieferanten gemäß ihrer Fähigkeit zur Realisierung kurzer Durchlaufzeiten im Rahmen des Lieferantenmanagements bzw. Supplier Relationship Managements (SRM) ausgewählt und evaluiert werden. Entwicklungsstrategien für Zulieferunternehmen können im Rahmen der Lieferantenentwicklung signifikant dazu beitragen, Zeitverschwendung zu vermeiden. Des Weiteren führt eine geringe Auslastung der Lieferanten generell zu kürzeren Wartezeiten, was mit Rahmenverträgen und deren Überwachung unterstützt werden kann. Die Überwachung der Rahmenverträge kann beispielsweise durch den Austausch der entsprechenden Informationen bzw. der abnehmerseitigen Überwachung der Auslastung der Lieferanten hinsichtlich der Rahmenverträge realisiert werden. Zudem können Maßnahmen zur Lieferantenentwicklung im Hinblick auf Zeitverschwendung zu einem effizienten Informationsaustausch und Materialfluss beitragen (positiver Einfluss auf FR-LS12 bzw. FR-LS13). • DP-LS12: Wartezeiten, die durch Informationen bedingt sind, betreffen neben der bei der Qualität sichergestellten generellen Verfügbarkeit von Informationen die Effizienz des Informationsaustausches. Dies tangiert insbesondere das Warten innerhalb der Administrationszeit (Zeit für die Auslösung und den Abschluss eines Auftrags). Sie stellt die Durchlaufzeit des Informationsflusses (Daten- oder Steuerungsfluss) und umfasst hauptsächlich die Prüfung der Disponibilität, die Entscheidung über die Beschaffungsart, sowie die Vorbereitung des Beschaffungsauftrags im Einkauf. Die Administrationszeit kann mittels Standardisierung und Stützung durch Informationstechnologie der Abwicklung von Beschaffungsaufträgen reduziert werden: elektronische Beschaffung (e-Procurement) und SRM, unterstützt durch Informations- und Kommunikationstechnologien. Zudem kann durch Advanced Shipping Notice (elektronische Vorankündigung der Lieferung) die Zeiteffizienz gesteigert werden. Ein effizienter Informationsaustausch kann materialflussbedingte Wartezeiten (FR-LS13) positiv beeinflussen, weil er beispielsweise eine Voraussetzung für Direktanlieferungen und produktionssynchrone Beschaffung ist (siehe unten). • DP-LS13: Materialflussbedingte Wartezeiten resultieren aus einem suboptimalen Materialfluss und dadurch bedingten Transportzeiten. Das Mittel hier ist die materialflussorientierte Optimierung. Möglichkeiten bieten: − −

Direktanlieferungen und die produktionssynchrone Beschaffung; räumliche Konzentration von Prozessen und Lieferanten, beispielsweise in sog. „Supplier Parks“ (Lieferantenparks), wo System- und Modullieferanten in räumlicher Nähe beim Abnehmer angesiedelt sind;

3.2 Die SCVD im Detail − −

125

Konsignationslager und VMI (vgl. DP-RS2131); Entfernen unnötiger Puffer durch Abstimmung der Kapazitäten (Lieferanten, Warenannahme, Ein- und Auslagerung, Kommissionierung etc.).

3.2.4.4 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Source“ (FR-LS2) Die Arbeitsgangzeit im „Source“ betrifft in erster Linie die Arbeitszeiten für die Auftragsvorbereitung und -freigabe, sowie für Warenannahme, Prüfung und Einlagerung. Die Dekomposition von kurzen Arbeitsgangzeiten im „Source“ (FR-LS2) mittels Optimierung der Arbeitsgänge erfolgt wiederum über die Unterscheidung von Kapazitäten, Informationen und Material; vgl. Abb. 50. • DP-LS2: Grundsätzlich lassen sich hier die oben angesprochenen generellen Ansätze der Eliminierung, Parallelisierung, Integrieren und Beschleunigung einzelner Schritte zur Reduzierung der Arbeitsgangzeit zuordnen. Zur Realisierung kurzer Arbeitsgangzeiten müssen sowohl Kapazitäten (FR-LS21), Informationen bzw. der Informationsfluss (FR-LS22), als auch Material bzw. der Materialfluss (FR-LS23) betrachtet werden.

Abb. 50 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Source“ (FR-LS2)

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-LS21: Die Verfügbarkeit geeigneter Kapazitäten (Personal, Maschinen, Anlagen etc.) in der Beschaffung auf Abnehmerseite und für die Aktivitäten des Lagermanagements (Warenannahme, Ein- und Auslagerung, Kommissionierung etc.) trägt zu kurzen Arbeitsgängen bei. Sie beeinflusst die Zeiteffizienz von Informations- und Materialflüssen (FR-LS12 und FR-LS23) aufgrund besserer Planbarkeit und Ausgangslage für Optimierungen positiv. • DP-LS22: Eine effiziente Verarbeitung und Weitergabe von Informationen mittels Automatisierung der Abwicklung der Beschaffungsaufträge und intensiven Informationsaustausch mit den Lieferanten kann zu kurzen Arbeitsgangzeiten beitragen. Hier können die bei der Lieferzuverlässigkeit besprochenen Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte wie Kanban, CR, ECR, CPFR und VMI eingesetzt werden (vgl. Abs. 3.2.3.7). In der Regel sind solche Konzepte in Rahmenverträge eingebettet. Weitere Möglichkeiten schafft e-Procurement (siehe oben) mittels durch Informationstechnologie unterstützter Abwicklung von Beschaffungsaufträgen. Die Sicherstellung der Informationsverfügbarkeit im Rahmen der Qualität (DP-QS2) hat hier positiven Einfluss. Umgekehrt kann die Automatisierung der Abwicklung zu kürzeren Arbeitsgangzeiten in Bezug auf den Materialfluss (FR-LS23) beitragen, wenn dort Identifikationstechnologien (siehe unten) zum Einsatz kommen, die auf die entsprechenden Informationen (beispielsweise Auftragsdaten) zugreifen. • DP-LS23: In Bezug auf den Materialfluss können durch die Optimierung der entsprechenden Aktivitäten des Wareneingangs, der Prüfung und der Einlagerung, kürzere Arbeitsgangzeiten erzielt werden. Hier sind Identifikationstechnologien wie Scanner bzw. Barcodes oder Transponder probate Mittel. Die Wareneingangsprüfung kann dadurch vermieden werden, dass die Lieferanten selbstverantwortlich bezüglich der Qualität im Sinne einer Direktanlieferung sind; hierzu ist es erforderlich, eine klare Aufgaben- und Verantwortlichkeitsteilung zwischen Lieferanten und Abnehmer auszugestalten und ins Qualitätsmanagement einzubetten (vgl. DP-QS3), so dass die Nachprüfung beim Wareneingang durch eine reine Identifikations- und Mengenprüfung ersetzt werden kann. Eine weitere Möglichkeit bildet die produktionssynchrone Beschaffung (verbrauchsorientierte Beschaffung und Anlieferung von Einkaufteilen).

3.2 Die SCVD im Detail

127

3.2.4.5 Dekomposition der Wartezeiten im „Make“ (FR-LM1) Wartezeiten in der Produktion sind hauptsächlich auf Warteschlangen vor den Kapazitäten zurückzuführen. Deshalb kommen zur Reduzierung der Wartezeiten im „Make“ in erster Linie die oben bei DP-LM1 angedeuteten Konzepte zur Anwendung. Anhand der Wartschlangentheorie können die Hauptfaktoren für Wartezeiten vor Kapazitäten identifiziert werden: die Auslastung der Kapazitäten und schwankende Arbeitsgangzeiten. Der zweite Faktor wird im Rahmen der Lieferzuverlässigkeit angegangen: Harmonisierung der Arbeitsinhalte (DP-RM1). Um Durchlaufzeiten und Bestände zu optimieren, kann die engpassorientierte Logistikanalyse durchgeführt werden. Für die Dekomposition von kurzen Wartezeiten im „Make“ (FR-LM1) werden wiederum die Inputfaktoren Kapazitäten, Information und Material unterschieden; vgl. Abb. 51. • DP-LM1: Kurze Wartezeiten sollen erreicht werden, indem in erster Linie die Wartezeiten in Warteschlangen vor Kapazitäten reduziert werden (FR-LM11). Weiter können hierzu Wartezeiten einerseits aufgrund fehlender Informationen verhindert und durch Planung optimiert werden (FR-LM12) und andererseits infolge von fehlendem

Abb. 51 Dekomposition der Wartezeiten im „Make“ (DP-LM1)

128

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Material (FR-LM13). Sinnvoll ist eine Analyse der Durchlaufzeiten, wie bei DP-L skizziert, und die spezifische Anwendung der generellen Ansätze zur Reduzierung von Wartezeiten. • DP-LM11: Für die Reduzierung kapazitätsbedingter Wartezeiten eignen sich folgende Maßnahmen und Konzepte: −







Optimierung der Auslastung: Erhöhung der Kapazität (Halten von Überkapazitäten) bzw. Reduzierung der Belastung, um den optimalen Betriebspunkt zu erreichen. Reduzierung der Rüstzeiten (siehe weiter unten): ermöglicht kleinere Losgrössen und damit kürzere durchschnittliche Arbeitsgangzeit; können die Rüstzeitanteile, bei welcher die Kapazität belastet wird, reduziert werden, steigt die verfügbare Kapazität und die Auslastung sinkt. Optimierung der Inhalte der Arbeitsgänge: Gleiche Inhalte vermeiden eine stark unterschiedliche Dauer von Arbeitsgängen (vgl. DP-RM1) und reduzieren damit Wartezeiten, denn, wie erwähnt, hängt die Wartezeit vom Variationskoeffizienten VK als statistisches Maß für die Schwankung der Arbeitsgangzeit ab, und zwar 2 proportional zu 1 + VK . Dies kann einerseits durch Aufteilung großer Arbeitsgänge erreicht werden, was die durchschnittliche Arbeitsgangzeit reduziert, aber vermehrtes Rüsten bedingt. Bei hoher Auslastung können die Wartezeiten wiederum steigen, wenn nicht gleichzeitig die Rüstzeiten reduziert werden. Andererseits können in Komplettbearbeitungen Arbeitsgänge zusammengefasst und damit Rüsten vermieden werden. Vereinheitlichung der Produktionsinfrastruktur.

Insbesondere die Optimierung der Inhalte der Arbeitsgänge und die Vereinheitlichung der Produktionsinfrastruktur schaffen Voraussetzungen für eine optimale Planung (DP-LM12), sowie für die Produktionssegmentierung und die zellulare Produktion (vgl. DP-LM13) und beeinflussen somit FR-LM12 bzw. FR-LM13 positiv. • DP-LM12: Informationsbedingte Wartezeiten können durch eine integrierte Informationsverarbeitung für die Planung und Steuerung der Produktion verhindert werden. Die Sicherstellung der Verfügbarkeit relevanter Informationen (wie Arbeitspläne, Termine etc.) im Rahmen der Qualität (DP-QM2) hilft, Wartezeiten infolge fehlender Informationen zu vermeiden. Insbesondere kann in der Prozessindustrie eine optimierte Planung der Kampagnen durch rüstoptimale Reihenfolgen Wartezeiten im Materialfluss reduzieren (positiver Einfluss auf FR-LM13). Als Produktionssteuerungsverfahren für kurze Durchlaufzeiten bietet sich beispielsweise DEWIP an.

3.2 Die SCVD im Detail

129

• DP-LM13: Wartezeiten infolge fehlenden Materials sowie Transportzeiten können durch die Optimierung des innerbetrieblichen Materialflusses reduziert werden. Hierzu bieten sich folgende Konzepte und Maßnahmen der Güterflussorientierung an: −



− −

Produktionssegmentierung: Bilden von Organisationseinheiten nach Produktfamilien zur Güterflussorientierung, im Extremfall eine fokussierte Fabrik. Dies führt zu einem einfacheren Materialfluss und zu einer Verringerung von Materialtransport und -handhabung. Zellulare Produktion: Anordnung der Kapazitäten für die aufeinander folgenden Arbeitsgänge direkt hintereinander, so dass die einzelnen Einheiten eines Produktionsloses alle Kapazitäten unmittelbar nacheinander ohne Wartezeiten dazwischen durchlaufen (keine Arbeitsgangzwischenzeiten und teilweise Überlappung der Arbeitsgänge, „one piece flow“). Lagerung am Verbrauchsort („point of use“) und Lieferung an den Verbrauchsort. Entfernen unnötiger Puffer, die durch eine optimierte Abstimmung der Kapazitäten und Prozesse obsolet geworden sind.

3.2.4.6 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Make“ (FR-LM2) Die Arbeitsgangzeit im „Make“ betrifft die Rüstzeit und die eigentliche Bearbeitungszeit des Auftragloses. Die Dekomposition von kurzen Arbeitsgangzeiten im „Make“ (FR-LM2) erfolgt wiederum gemäß den Inputfaktoren Kapazitäten, Information und Material; vgl. Abb. 52. • DP-LM2: Eine kurze Arbeitsgangzeit im „Make“ soll in Bezug auf Kapazitäten (FR-LM21), Informationen (FR-LM22) und Material bzw. Materialfluss (FR-LM23) erreicht werden. Wiederum lassen sich hier die weiter oben angesprochenen generellen Ansätze der Eliminierung, Parallelisierung, Integrierung und Beschleunigung einzelner Schritte zur Reduzierung der Arbeitsgangzeit anwenden. Spezifisch kann durch eine Harmonisierung des Produktsortiments mithilfe eines modularen Produktkonzepts, das auf standardisierten Komponenten und Arbeitsgängen sowie auf Produktfamilien beruht, die Anzahl verschiedener Komponenten und Prozessvarianten reduziert werden, so dass Umrüstvorgänge verringert werden können. • DP-LM21: In Bezug auf Kapazitäten lässt sich eine kurze Arbeitsgangzeit in erster Linie durch adäquate Kapazitäten und weiter folgendermaßen erreichen:

130

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 52 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Make“ (FR-LM2) − −

Produktionsanlagen mit geringem Umrüstaufwand wie beispielsweise flexible Fertigungs- und Komplettbearbeitungssysteme. Rüstzeitreduzierung durch SMED („single minute exchange of dies“): Maßnahmen für die Reduzierung des Rüstens bei Stillstehen des Produktionsprozesses wie Schulung, Standardisierung, Vorrichtungen; Maßnahmen ohne Anhalten des Produktionsprozesses wie Werkzeugdisposition und -sätze und präventive Wartung etc.

Dadurch werden Voraussetzungen für eine optimierte Planung (DP-LM22) und die Optimierung des Materialflusses (DP-LM23) geschaffen, so dass DP-LM21 indirekt einen positiven Einfluss auf FR-LM22 und FR-LM23 aufweist. • DP-LM22: In der Regel spielt die benötigte Zeit des Informationsflusses eine untergeordnete Rolle für die Arbeitsgangzeit. Im Zusammenhang mit Informationen lässt sich durch eine zyklische Planung die Reihenfolge der Arbeitsgänge auf einer Kapazität optimieren, so dass die gesamte Arbeitsgangzeit minimal wird. • DP-LM23: In Bezug auf das Material kann die gestaffelte (montageorientierte) Anlieferung von Komponenten an den Montageprozess als Maßnahme für die Optimierung des Materialflusses identifiziert werden, die allerdings nicht einen einzelnen Arbeitsgang verkürzt,

3.2 Die SCVD im Detail

131

sondern die gesamte Durchlaufzeit über mehre Arbeitsgänge, da mit der Montage begonnen werden kann, sobald die erste Komponente verfügbar ist. Dabei werden die Komponenten sequenzgenau und termingerecht zum Verbrauchsort („just in sequence“) geliefert. 3.2.4.7 Dekomposition der Wartezeiten im „Deliver“ (FR-LD1) Wartezeiten im „Deliver“ sind bedingt durch Warteschlangen vor den entsprechenden Kapazitäten (Lagermittel, Spedition, Transportmittel etc.). Neben den weiter oben bei DP-LD1 besprochenen generellen Ansätzen zur Reduzierung von Wartezeiten und der bei DP-L angesprochenen Analyse der Durchlaufzeit können spezifische Maßnahmen identifiziert werden. Die Dekomposition kurzer Wartezeiten im „Deliver“ (FR-LD1) erfolgt wiederum nach der Differenzierung zwischen Kapazitäten, Informationen und Material; vgl. Abb. 53. • DP-LD1: Für die Optimierung der Koordination und Synchronisierung innerhalb von „Source“ kommen die erwähnten generellen Ansätze in Frage; weiter werden eine Dekompositionsstufe spezifischer kurze Wartezeiten aufgrund von Kapazitäten, Informationen und Material angestrebt (FR-LD11, FR-LD12 bzw. FR-LD13).

Abb. 53 Dekomposition der Wartezeiten im „Deliver“ (FR-LD1)

132

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-LD11: Wie beim „Make“ diskutiert (DP-LM11), ermöglicht in erster Linie die Optimierung der Auslastung der Kapazitäten (optimaler Betriebspunkt), das Halten von Überkapazitäten, die Reduzierung von Rüstzeiten, die Optimierung der Inhalte der Arbeitsgänge sowie die Vereinheitlichung der Infrastruktur kurze Wartezeiten. Insbesondere die Optimierung der Inhalte der Arbeitsgänge und die Vereinheitlichung der Produktionsinfrastruktur schaffen Voraussetzungen für eine optimale Planung (DP-LD12) sowie für die Segmentierung im „Deliver“ (vgl. DP-LD13) und beeinflussen somit FR-LD12 bzw. FR-LD13 positiv. • DP-LD12: Hinsichtlich Informationen und Informationsfluss kann neben der im Rahmen der Qualität sichergestellten Informationsverfügbarkeit (DP-QD2), analog zum „Source“, die Standardisierung und Stützung durch Informationstechnologie der Abwicklung der Lagerund Distributionsaufträge die Wartezeiten reduzieren. Somit kann hier e-Fulfillment eingeordnet werden. Diese Maßnahmen tragen zu einer optimalen Planung und zu reibungslosem Informationsfluss bei; sie schaffen zudem gute Voraussetzungen, um Wartezeiten aufgrund von fehlendem Material (FR-LD13) zu reduzieren. • DP-LD13: Wartezeiten im Zusammenhang mit dem Material resultieren aus einem suboptimalen Materialfluss; sie können durch die Optimierung des unternehmensinternen Materialflusses wie Layoutänderungen im Sinne der Segmentierung und Güterflussorientierung reduziert werden. Weiter können Wartezeiten durch das Entfernen unnötiger Puffer, welche durch eine optimierte Abstimmung von Kapazitäten (für Ein- und Auslagerung, Kommissionierung, Spedition, Transport) obsolet geworden sind, vermieden werden. 3.2.4.8 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Deliver“ (DP-LD2) Die Arbeitsgangzeit im „Deliver“ betrifft die physische (Ein- und Auslagerung, Kommissionierung, Bereitstellung etc.) und administrative Abwicklung der Kundenaufträge sowie den Transport. Für die Dekomposition von kurzen Arbeitsgangzeiten im „Deliver“ (FR-LD2) werden wiederum die Inputfaktoren Kapazitäten (Lagermittel, Spedition, Transportmittel etc.), Informationen und Material unterschieden; vgl. Abb. 54. • DP-LD2: Zur Realisierung kurzer Arbeitsgangzeiten im „Deliver“ können sowohl Kapazitäten (FR-LD21), als auch Informationen bzw. der Informationsfluss (FR-LD22) und Material bzw. der Materialfluss (FR-LD23) beitragen. Hier lassen sich die weiter oben angesprochenen generellen Ansätze der Eliminierung, Parallelisierung, Integration und

3.2 Die SCVD im Detail

133

Abb. 54 Dekomposition der Arbeitsgangzeiten im „Deliver“ (FR-LD2)

Beschleunigung einzelner Schritte zur Reduzierung der Arbeitsgangzeit anwenden. • DP-LD21: Eine kurze Arbeitsgangzeit kann durch adäquate Kapazitäten für das Lagermanagement (Warenannahme, Ein- und Auslagerung, Lagerung, Verteilung, Kommissionierung, Konfektionierung und Versand) und den Transport, sowie durch dafür qualifiziertes Personal erzielt werden. Die Automatisierung der entsprechenden Prozesse, beispielsweise mithilfe von Materialfluss- und Kommissioniersystemen und Lagerbediengeräten, kann ebenfalls zu kurzen Arbeitsgangzeiten beitragen. Allenfalls kann eine Auslagerung zu spezialisierten Logistikdienstleistern, sowie die Inanspruchnahme von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP), sinnvoll sein. Beispielsweise kann die Prozessautomatisierung mit der Automatisierung bzw. Optimierung der entsprechenden Informations- und Materialflüsse (DP-LD22 bzw. DP-LD13) verbunden werden und dadurch wird indirekt FR-LD22 bzw. FR-LD23 positiv beeinflusst. Beispielsweise können Materialfluss- und Kommissioniersysteme und Lagerbediengeräte durch Informationstechnologie an die Auftragsabwicklung gekoppelt werden (für die Steuerung oder Rückmeldung); diese Systeme können weiter dazu eingesetzt werden, den Materialfluss zu optimieren.

134

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-LD22: Was Informationen bzw. den Informationsfluss betrifft, können kurze Arbeitsgangzeiten durch die Automatisierung (mithilfe von Informationstechnologien) der Abwicklung der Kunden- bzw. Vertriebsaufträge und einen intensiven Informationsaustausch mit Kunden, falls möglich, erzielt werden. Es bieten sich hier daher die bei der Lieferzuverlässigkeit erläuterten Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte unter Einbezug der Kundenseite wie beispielsweise Kanban, CR, ECR, CPFR und VMI (vgl. Abs. 3.2.3.7). Weitere Möglichkeiten bietet hier e-Fulfillment. • DP-LD23: In Bezug auf das Material und den Materialfluss können Arbeitsgangzeiten durch eine Optimierung der Aktivitäten des Lagermanagements wie Ein- und Auslagerung, Verteilung, Kommissionierung, Konfektionierung und Versand (vgl. DP-LD21 oben) verkürzt werden. Durch moderne Identifikationstechnologien wie Barcodes, Scanner und Transponder können Arbeitsgangzeiten minimiert werden, wozu die Automatisierung des Informationsflusses eine Voraussetzung schafft (positive Beeinflussung durch DP-LD22). Zudem kann der Materialfluss zu den Kunden durch eine Optimierung des Transports, der Distributionsstruktur und der Standorte effizienter gestaltet werden, beispielsweise durch Direct Shipment (Direktlieferung ohne Zwischenlagerung in Distributionslagern) und Transhipment (Bestandesausgleich auf einer bestimmten Distributionsstufe). Als Maßnahmen bieten sich weiter eine produktionssynchrone Anlieferung und Direktanlieferungen, sowie der Aufbau von Standorten in Abnehmernähe, beispielsweise in sog. „Supplier Parks“ (vgl. DP-LS13), an. 3.2.4.9 Schlussbemerkung zur Lieferdurchlaufzeit Kurze Lieferdurchlaufzeiten bauen auf hoher Qualität und Lieferzuverlässigkeit auf (DP-Q und DP-R) – im Sinne der Implementierungsreihenfolge. Zur Realisierung kurzer Lieferdurchlaufzeiten sind Investitionen notwendig und es fallen Betriebskosten an (negative Einflüsse auf FR-A und FR-C) und im Gegenzug ermöglichen sie sowohl tiefe Bestände, als auch geringe Bestandskosten (positive Beeinflussung von FR-A und FR-C). (Diese Beeinflussungen sind in der SCVD über DP-11 dargestellt.) Kurze Durchlaufzeiten (DP-L) schaffen eine Voraussetzung für eine hohe Flexibilität (FR-F), denn sie ermöglichen eine rasche und effiziente Reaktion auf Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden.

3.2 Die SCVD im Detail

3.2.5

135

Flexibilität (FR-F)

3.2.5.1 Dekomposition der Flexibilität (FR-F) Die Flexibilität als die Fähigkeit eines Unternehmens, Veränderungen und Unsicherheiten schnell und effizient zu bewältigen, bezieht sich auf das Erreichen des Kundennutzens (Produkt- und Prozessinnovation in Bezug auf das Logistikmanagement) und den Ressourceneinsatz (quantitative und qualitative Flexibilität der Kapazitäten). Flexibilität stellt eine Versicherung gegen Risiken dar. Die Lieferflexibilität (Flexibilität im „Deliver“) bezieht sich dabei primär auf die Nachfrageunsicherheit, d. h. Nachfrageänderungen und -schwankungen, und wird dort von den Kunden als Fähigkeit wahrgenommen, auf Schwankungen und Änderungen der Nachfrage effizient zu reagieren. Sie baut einerseits auf kurze Durchlaufzeiten (DP-L) und andererseits auf eine angemessene Flexibilität im „Source“ und „Make“ auf: Je nach Bevorratungsebene (vgl. Abs. 3.2.4.1) und Durchlaufzeiten für „Source“ und „Make“ muss eine adäquate Flexibilität im „Source“ und „Make“ gewährleistet sein, um ein bestimmtes Maß an geforderter Lieferflexibilität effizient sicherzustellen. Ist beispielsweise aufgrund von Nachfrageschwankungen eine hohe Lieferflexibilität gefordert, kann es nicht ausreichend oder kostenmäßig ineffizient sein, inflexibel im „Source“ und „Make“ zu sein und nur Maßnahmen im „Deliver“ umzusetzen; vielmehr müssen die Flexibilitäten im „Source“, „Make“ und „Deliver“ aufeinander abgestimmt werden. Im Zusammenhang mit Kapazitäten können folgende Arten von Flexibilität unterschieden werden: • Quantitative Flexibilität: zeitliche Flexibilität im Einsatz von Kapazitäten (Skalierbarkeit). Dazu gehören die Volumen-, Expansions- und Arbeitsflexibilität. Quantitative Flexibilität wird generell im Hinblick auf die Mitarbeiter durch flexible Arbeitszeitmodelle (Schichten, Überstunden, gleitende Arbeitszeiten, Wochen-, Jahresarbeitszeiten, Job Sharing etc.) und im Hinblick auf Kapazitäten (Produktionsinfrastruktur) durch Investitionen in Überkapazitäten sowie durch Möglichkeiten zur Auslagerung von Prozessen geschaffen. • Qualitative Flexibilität: Möglichkeit des Einsatzes für verschiedene oder nur für bestimmte Prozesse und Produkte, d. h. Anpassbarkeit für Produktvarianten, Änderungen des Produktemix oder bei Produktwechseln etc. Durch Investitionen in die Mitarbeiterqualifikation (Aus- und Weiterbildung, Erhöhung der Problemlösungskompetenz mittels Lernstätten und Qualitätszirkeln) und in vielseitige, flexible Kapazitäten (Produktionsinfrastruktur) kann qualitative Flexibilität

136

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

erzielt werden. Folgende Faktoren bestimmen die quantitative Flexibilität: − −









Mobilität: Beweglichkeit von Objekten, z. B. Pufferlager oder Arbeitsplätze; Erweiter- und Reduzierbarkeit: räumliche Freiheitsgrade bezüglich Ausdehnung, z. B. Wachstum und Schrumpfung von Flächen und Lagern; Modularität: autonom agierende Einheiten oder Elemente, die untereinander kompatibel und austauschbar sind, z. B. Elemente eines Lagersystems; Funktions- und Nutzungsneutralität: Möglichkeit zur vielfältigen Nutzung (Mehrfachverwendbarkeit), z. B. von Gebäuden, Produktionsinfrastruktur und ganzen Fabriken. Vernetzungsfähigkeit: ermöglicht verschiedene Zustände und Beziehungen (potenzielle Material- und Informationsfluss- sowie Personalbeziehungen) zwischen Kapazitäten oder Fabriken. Bei Versorgungseinrichtungen für Betriebsmittel, Material und Medien, fördert beispielsweise ein lückenloses Medienversorgungsnetz von der Gebäudedecke die beliebige örtliche Umstellung von Kapazitätsplätzen. Desintegrations- und Integrationsfähigkeit: Einheitliche Schnittstellen ermöglichen die problemlose Ein- und Ausgliederung von Produkten, Komponenten, Prozessen, Betriebsmitteln, Kapazitäten und Fabriken etc. in vorhandene Produktionsstrukturen und -prozesse.

Mit qualitativer Flexibilität kann quantitative Flexibilität erzielt werden, weshalb qualitative Flexibilität einen positiven Einfluss auf die quantitative Flexibilität aufweist. Beispielsweise können zwei qualitativ flexible Maschinen, welche die Produkte A und B produzieren können, so umgestellt werden, dass beide A produzieren, womit das produzierbare Volumen von A erhöht wird. Quantitative und qualitative Flexibilität der Kapazitäten ermöglicht eine gleichmäßig hohe Auslastung – und damit eine hohe Effizienz –, die zu tiefen operationellen Kosten (FR-C) beiträgt. Informationstechnologie (IT), als eine spezielle Art von Kapazitäten gesehen, kann maßgeblich zur Flexibilität beitragen, denn sie kann Informationspuffer (in Form von Data Warehouse, Data Mining, Informationssystemen etc.) schaffen, die genutzt werden können, um die Informationen für bessere Planung und Vorhersagen zu nutzen. So können Investitionen in Lagerbestände reduziert oder im Extremfall vermieden werden. IT kann Transparenz in Bezug auf Lagerbestände, Aufträge und

3.2 Die SCVD im Detail

137

Abb. 55 Dekomposition der Flexibilität (FR-F)

Nachfrage schaffen und den Informationsaustausch erleichtern. Dadurch können Supply Chains flexibler werden. Dazu tragen Standards wie EDI oder XML (Extensible Markup Language) und Schnittstellen (Enterprise Application Integration, Middleware) bei. Je nach Bevorratungsebene (vgl. Abs. 3.2.4.1) des Unternehmens und Dynamik und Unsicherheit des Absatzmarktes ist ein unterschiedlicher Grad an Flexibilität im „Source“, „Make“ und „Deliver“ notwendig, um Nachfrageunsicherheiten zu begegnen. Kurzfristig können Nachfrageschwankungen durch Lagerhaltung abgefangen werden, langfristig müssen jedoch die Kapazitäten angepasst werden (Belastung und Leistung müssen langfristig im Gleichgewicht stehen). Deshalb ist Flexibilität auf allen Stufen „Source“, „Make“ und „Deliver“ notwendig, jedoch in unternehmens- und kontextspezifischem Ausmaß. Abbildung 55 zeigt die Dekomposition der Flexibilität (FR-F) differenziert nach „Source“, „Make“ und „Deliver“. • DP-F: Eine hohe Flexibilität (FR-F) wird durch skalierbare (quantitativ flexible) und anpassbare (qualitativ flexible) Kapazitäten und entsprechende Prozesse ermöglicht. Sowohl im „Deliver“ (FR-FD), wo die Kunden die Flexibilität direkt wahrnehmen, als auch im „Make“ (FR-FM) und „Source“ (FR-FS) muss ein angemessener Grad an Flexibilität vorhanden sein. Dabei müssen die Bevorratungsebene des

138

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Unternehmens, sein Umfeld und insbesondere die Nachfrageunsicherheit und der Stand im Produktlebenszyklus berücksichtigt werden. Hier können Konzepte des Flexibilitätsmanagements eingesetzt werden, welches zuerst den Flexibilitätsbedarf ermittelt, die Beeinflussbarkeit des Flexibilitätsbedarfs analysiert, dann das Flexibilitätsoptimum ermittelt und die notwendigen Anpassungsprozesse ausgestaltet. • DP-FS, DP-FM, DP-FD: Wie oben erläutert, muss Flexibilität sowohl im „Source“, als auch im „Make“ und „Deliver“ erzielt werden. Dies wird jeweils durch skalier- und anpassbare, d. h. quantitativ und qualitativ flexible Kapazitäten erreicht. Weil wie oben erwähnt Abhängigkeiten zwischen den Flexibilitäten im „Source“, „Make“ und „Deliver“ bestehen, beeinflussen Maßnahmen zur Flexibilitätssteigerung im „Source“ (DP-FS) die Flexibilität im „Make“ (FR-FM) und zusammen mit Maßnahmen zur Flexibilitätssteigerung im „Make“ (DP-FM) die Lieferflexibilität (Flexibilität im „Deliver“ FR-FD). 3.2.5.2 Dekomposition der Flexibilität im „Source“ (FR-FS) Flexibilität im „Source“ bezieht sich primär auf die Lieferanten, d. h. auf deren Fähigkeit, schnell und kosteneffizient auf Änderungen des Beschaffungsvolumens und des Beschaffungsportfolios (Produktvarianten, -wechsel, -mix) reagieren zu können. Die Dekomposition von Flexibilität im „Source“ (FR-FS) folgt der oben erläuterten Unterscheidung von qualitativer und quantitativer Flexibilität; vgl. Abb. 56.

Abb. 56 Dekomposition der Flexibilität im „Source“ (FR-FS)

3.2 Die SCVD im Detail

139

• DP-FS: Skalierbare und anpassbare Kapazitäten und Prozesse im „Source“ werden durch eine hohe qualitative (FR-FS1) und quantitative Flexibilität (FR-FS2) erreicht. • DP-FS1: Wie angedeutet, stellen hier die Lieferanten die Kapazitäten dar. Deshalb muss die qualitative Flexibilität in das Lieferantenmanagement bzw. Supplier Relationship Management (SRM) für die Auswahl, Qualifikation (beispielsweise Audit) und Entwicklung als Kriterium einbezogen werden: Sind die Lieferanten im geforderten Ausmaß fähig, sich Änderungen von Produktvarianten, -mix und -wechsel anzupassen? Dadurch kann beispielsweise vermieden werden, neue Lieferanten zu suchen und in Verhandlungen zu gehen, wenn Anpassungen notwendig sind. Zudem sind hier die oben erläuterten generellen Ansätze für die Flexibilisierung auf Kapazitäten und Aktivitäten des Lagermanagements (Wareneingang, Ein- und Auslagerung, Verteilung, Kommissionierung, interner Transport etc.) anwendbar, insbesondere die räumliche Reduzier- und Erweiterbarkeit von Lagern sowie die Funktions- und Nutzungsneutralität der Lagerinfrastruktur. Wie eingangs erwähnt, wirkt sich qualitative Flexibilität positiv auf quantitative Flexibilität aus (positiver Einfluss auf FR-FS2). • DP-FS2: Neben der qualitativen Flexibilität der Lieferanten muss auch die quantitative Flexibilität in ausreichendem Maße gesichert werden. Dies betrifft insbesondere die Flexibilität in Bezug auf das Beschaffungsvolumen. Hier bieten sich Rahmenverträge als vertragliche Flexibilitätsvereinbarung an, die eine Bandbreite an Beschaffungsvolumen bzw. an lieferantenseitiger Kapazität festlegen. Weiter kann die Auslagerung von Aktivitäten des Lagermanagements (siehe oben) zu spezialisierten Logistikdienstleistern Flexibilität schaffen. 3.2.5.3 Dekomposition der Flexibilität im „Make“ (FR-FM) Im „Make“ bezieht sich Flexibilität in erster Linie auf die Fähigkeiten von Mitarbeitenden und Kapazitäten (Produktionsinfrastruktur), mit unterschiedlichen Prozessen und variierenden Arbeitsbelastungen erfolgreich umgehen zu können. Bei der Dekomposition von Flexibilität im „Make“ (FR-FM) wird wiederum zwischen qualitativer und quantitativer Flexibilität unterschieden; vgl. Abb. 57. • DP-FM: Analog zum „Deliver“ werden skalierbare und anpassbare Kapazitäten und Prozesse im „Source“ durch eine hohe qualitative (FR-FM1) und quantitative Flexibilität (FR-FM2) erreicht. Hier bezieht sich die Flexibilität in erster Linie auf Mitarbeitende in der Produktion und die Produktionsinfrastruktur.

140

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 57 Dekomposition der Flexibilität im „Make“ (DP-FM)

• DP-FM1: Durch eine breite Qualifikation der Mitarbeitenden und eine breit einsetzbare Produktionsinfrastruktur kann, wie oben erläutert, qualitative Flexibilität erzielt werden. Die Mitarbeiterqualifikation kann durch Aus- und Weiterbildung sowie „job enrichment“ und „job enlargement“ gefördert werden. Eine anpassbare Produktionsinfrastruktur zeichnet sich, wie bereits erwähnt, durch Mobilität, Modularität, Mehrfachverwendbarkeit (Funktions- und Nutzungsneutralität), Vernetzungsfähigkeit sowie Desintegrations- und Integrationsfähigkeit aus, so dass Arbeitsstationen (Maschinen), Systeme und ganze Produktionsbereiche vielseitig einsetzbar und konfigurierbar sind. Eine Herausforderung ist hier die Beherrschung der Variantenvielfalt. Qualitative Flexibilität wirkt sich, wie eingangs erwähnt, positiv auf quantitative Flexibilität aus (positiver Einfluss auf FR-FM2). • DP-FM2: Quantitative Flexibilität der Produktionsinfrastruktur kann eigentlich nur durch das Halten von Überkapazitäten erreicht werden, womit entsprechende Investitionen verbunden sind. Eine Alternative dazu bildet die Auslagerung von Prozessen (Outsourcing). Bei den Produktionsmitarbeitern schaffen die oben erwähnten flexiblen Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise Schichtbetrieb, Überstunden oder Jahresarbeitszeit Flexibilität; zudem kann der Mensch seinen Einsatz zu einem gewissen Grad der Auslastung anpassen. Die Flexibilität der

3.2 Die SCVD im Detail

141

Mitarbeitenden und jene der Produktionsinfrastruktur unter Berücksichtigung des Automatisierungsgrads bzw. der Arbeitsintensität der Produktion müssen aufeinander abgestimmt werden. 3.2.5.4 Dekomposition der Flexibilität im „Deliver“ (FR-FD) Die Flexibilität im „Deliver“ bezieht sich auf die Aktivitäten des Lagermanagements (Ein- und Auslagerung, Verteilung, Kommissionierung, Konfektionierung, Transport etc.) und die entsprechende Infrastruktur sowie Mitarbeitende. Die Dekomposition von Flexibilität im „Deliver“ (FR-FD) erfolgt wiederum anhand der Differenzierung von qualitativer und quantitativer Flexibilität; vgl. Abb. 58. • DP-FD: Skalierbare und anpassbare Kapazitäten und Prozesse im „Deliver“ werden durch eine hohe qualitative (FR-FD1) und eine hohe quantitative Flexibilität (FR-FD2) erreicht. Hier bezieht sich die Flexibilität in erster Linie auf Mitarbeitende in den Bereichen Lager und Spedition (Lagermanagement) sowie die Lagerinfrastruktur. • DP-FD1: Analog zum „Make“ (DP-FM1) ermöglichen Mitarbeiterqualifikation und vielseitige Infrastruktur eine große qualitative Flexibilität (siehe oben). Hier sind vor allem die räumliche Erweiter- und Reduzierbarkeit des Lagers, die Funktions- und Nutzungsneutralität

Abb. 58 Dekomposition der Flexibilität im „Deliver“ (FR-FD)

142

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

sowie die Modularität der Lagerinfrastruktur (beispielsweise flexible Behälter-, Lager- und Kommissioniersysteme etc.) und die Vernetzungsfähigkeit der Materialflüsse aufgrund des Layouts entscheidend. Wie eingangs erwähnt, wirkt sich qualitative Flexibilität positiv auf quantitative Flexibilität aus (positiver Einfluss auf FR-FD2). • DP-FD2: Die quantitative Flexibilität kann wie beim „Make“ (DP-FM2) einerseits durch flexible Arbeitszeitmodelle und andererseits durch Überkapazitäten in der Infrastruktur gewährleistet werden (vgl. DP-FM2). Dies bedeutet die großzügige Dimensionierung von Lagerplatz und -volumen sowie von Lager- und Kommissioniersystemen. Hier bietet die Auslagerung des Lagermanagements zu spezialisierten Logistikdienstleistern (3PL, 4PL) eine Alternative. 3.2.5.5 Schlussbemerkung zur Flexibilität Eine hohe Flexibilität baut auf hoher Qualität (DP-Q), hoher Lieferzuverlässigkeit (DP-R) und kurzen Lieferdurchlaufzeiten (DP-L) auf. Sie stellt die Fähigkeit dar, Veränderungen und Unsicherheiten, insbesondere Nachfrageunsicherheiten, zeit- und kosteneffizient zu bewältigen. So trägt sie zur Kundenzufriedenheit dank Logistikexzellenz (FR-11 bzw. DP-11) bei. Die Flexibilität muss demzufolge den Unsicherheiten und der Dynamik des Umfeldes und dem Stand im Produktlebenszyklus angepasst sein. Sie benötigt einerseits Investitionen und verursacht durch den Betrieb operationelle Kosten (negativer Einfluss auf FR-A und FR-C). Andererseits schafft Flexibilität eine Voraussetzung für tiefe Bestände (positiver Einfluss auf FR-A) und – dank gleichmäßig hoher Auslastung – auch für eine hohe Effizienz und damit für tiefere operationelle Kosten (positiver Einfluss auf FR-C). (Diese Einflüsse sind indirekt über DP-11 abgebildet).

3.2.6

Investitionen (FR-A)

3.2.6.1 Dekomposition der Investitionen (FR-A) Investitionen im Hinblick auf SCM und die innerbetriebliche Logistik betreffen einerseits das Umlaufvermögen (Lager, Bestände) und andererseits das Anlagevermögen (Infrastruktur). Da im EVA-Konzept für die Bestimmung der Kapitalkosten das Vermögen eines Unternehmens mit dem Kapitalkostensatz multipliziert wird, müssen Investitionen auf ein notwendiges Maß reduziert werden, damit ein hoher EVA erreicht wird.

3.2 Die SCVD im Detail

143

Dies kann dadurch erreicht werden, dass nicht notwendige Investitionen, die aus Sicht der Kunden keinen Mehrwert („value added“) darstellen, als Verschwendung („Waste“) betrachtet werden; diese müssen deshalb so weit wie möglich eliminiert werden. Eine Aktivität erbringt dann einen Mehrwert, wenn der Kunde bereit ist, dafür zusätzlich zu bezahlen. Eine tiefe Investitionsintensität hinsichtlich des Anlage- als auch Umlaufvermögens (jeweils in Relation zum Umsatz) ist vorteilhaft, denn die PIMS-Studie von Buzzell und Gale (1989) belegt, dass Unternehmen mit einer tiefen Investitionsintensität eine höhere Rendite des investierten Kapitals aufweisen. Verschwendung beim Umlaufvermögen heißt Überproduktion und überflüssige Lagerbestände, beim Anlagevermögen Kapazitäten für ungeeignete (suboptimale) Produktionsverfahren. Die Eignung von Kapazitäten im Hinblick auf Qualität, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Flexibilität ist im Sinne der Implementierungsreihenfolge bereits durch die Äste der SCVD bei der Qualität (FR-Q), Lieferzuverlässigkeit (FR-R), Lieferdurchlaufzeit (FR-L) und Flexibilität (FR-F) gewährleistet, so dass hier die Frage der Eignung aus finanzieller Sicht im Zentrum steht: Kann das Anlagevermögen optimiert werden, beispielsweise durch Auslagerung oder Finanzierungsmodelle? Es geht also nicht darum, Investitionen per se tief zu halten, sondern solche Investitionen bzw. deren Anteile, die keinen Mehrwert darstellen, zu eliminieren bzw. zu verhindern, um die Kapitalbindung im Umlauf- und Anlagevermögen im Einflussbereich des SCM zu optimieren (Minimum unter gegebenen Randbedingungen). Von der Bevorratungsebene hängt ab, wo entlang der unternehmensinternen Wertschöpfungskette („Source“, „Make“, „Deliver“) Lagerbestände gehalten werden, denn oberhalb der Bevorratungsebene findet keine Bevorratung statt (vgl. Abs. 3.2.4.1). Rohmaterial und Komponenten unterhalb der Bevorratungsebene müssen auf Prognose beschafft bzw. produziert werden, so dass die notwendige Höhe der Bestände ermittelt werden muss. Auf diese Weise bestimmt die Bevorratungsebene den Fokus für die Reduzierung des Umlaufvermögens bzw. Beständen. Beim Spezialfall Purchase-to-Order werden Komponenten und Rohmaterialien weitestgehend nach Eingang des Kundenauftrags beschafft. In diesem Fall ist keine Lagerhaltung notwendig. Im „Source“, „Make“ und „Deliver“ haben Bestände jeweils unterschiedliche Funktionen und Ursachen: Versorgungssicherheit, Auslastung und Vermeidung von Fehlmengen (siehe weiter unten). Die Planung und Steuerung der Bestände im Unternehmen ist Aufgabe des Bestandsmanagements (Inventory Management).

144

3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Bestände sind in der Philosophie von Just-in-time bzw. Lean Manufacturing Verschwendung. Eine Bestandssenkung kann auf folgende Prinzipien von Just-in-time basiert werden: Bestände sind gebundene Kapazitäten und Bestände verdecken Fehler. Möglichkeiten für Konzepte und Maßnahmen zur Bestandssenkung sind vielfältig; so tragen insbesondere folgende Konzepte, die im Sinne der Implementierungsreihenfolge bereits in den vorgängigen Ästen der SCVD besprochen wurden, zur Bestandesreduzierung bei: • Voraussetzung ist eine hohe Zuverlässigkeit (Prozesssicherheit): So kann verhindert werden, dass sich Störungen weiterverbreiten, was vor allem dann wichtig ist, wenn Puffer fehlen; vgl. FR-R (Abs. 3.2.3). • Kurze Durchlaufzeiten hängen eng mit tiefen Beständen an Ware in Arbeit zusammen, denn Little’s Law besagt, wie bereits erwähnt, dass die Durchlaufzeit proportional zum Bestand und umgekehrt proportional zur Ankunftsrate ist. Deshalb tragen insbesondere Maßnahmen zur Senkung der Auslastung und von Wartezeiten wie Rüstzeitreduzierung, Segmentierung und Entfernen von unnötigen Puffern zu tiefen Beständen bei; vgl. FR-L (Abs. 3.2.4). Zu beachten ist dabei, dass hierzu Investitionen in die Produktionsinfrastruktur notwendig werden können. • Die Flexibilisierung von Kapazitäten im Sinne der Skalierbarkeit ermöglicht es, unterschiedliche Auslastungen der Kapazitäten wirtschaftlich zu betreiben und schnell auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können, so dass Puffer klein gehalten werden können; vgl. FR-F (Abs. 3.2.5). Die Dekomposition von tiefen Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A „Low Assets“) erfolgt zuerst nach den logistischen Teilsystemen „Source“, „Make“ und „Deliver“ und danach jeweils gemäß der Unterscheidung von Umlauf- und Anlagevermögen (siehe folgende Abschnitte); vgl. Abb. 59. • DP-A: Tiefes Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) wird durch die Eliminierung von Investitionen, die keinen Mehrwert schaffen und deshalb als Verschwendung betrachtet werden können, erreicht. Als Unterziele ergeben sich ein tiefes Umlauf- und Anlagevermögen im „Source“ (FR-AS), „Make“ (FR-AM) und „Deliver“ (FR-AD). Für die Analyse der Bestandssituation bieten sich generell folgende Instrumente an: −

Benchmarking und Vergleich von Durchlaufzeiten, Bestandesreichweiten und Kennzahlen wie Verbrauchsstetigkeit, Prognostizierbarkeit, Losgrößen, Anzahl Lagerstufen etc.;

3.2 Die SCVD im Detail

145

Abb. 59 Dekomposition der Investitionen (FR-A) − − −



ABC- und XYZ-Analysen (beispielsweise Umsatzanteile und Verbrauchsstetigkeit); Wertzuwachskurve (vgl. Abs. 3.2.4.1); sog. logistikorientierte Lageranalyse zur Identifizierung von Verbesserungspotenzialen und Maßnahmen bezüglich Lagerbeständen; sog. engpassorientierte Logistikanalyse, um Bestände und Durchlaufzeiten zu optimieren.

Generelle Ansätze zur Reduzierung von Beständen und Anlagevermögen sind: −





Bestimmung des optimalen Verfahrens des Materialmanagements (wie Kanban, Bestellbestandverfahren etc.) und Verbesserung der Prognosegenauigkeit. Optimierung von Losgrössen, beispielsweise mithilfe der AndlerFormel, die Bestandes- und Stückkosten mitberücksichtigt, oder durch die sog. durchlauforientierte Losgrössenbestimmung. Reduzierung von Entscheidungs- und Dispositionsebenen: Eine geringe Anzahl von Entscheidungs- und Dispositionsebenen im Unternehmen führt exponentiell zu fehlerhaften Entscheidungen und Ungenauigkeiten, die meist durch erhöhte Sicherheitsbestände ausgeglichen werden.

146 −





3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Reduzierung von Lagerstufen: Eine hohe Anzahl Lagerstufen (meist mit dem Ziel einer besseren Kundenorientierung) bedeutet eine Mehrfachlagerung von Produkten auf teilweise unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen. Eine isolierte Lageroptimierung erzielt kein Gesamtoptimum, so dass sich Konzepte zur Reduzierung von Lagerstufen auf die gesamte Produktions- und Distributionsstruktur beziehen müssen (vgl. Erläuterungen unten bei DP-AS12 zum Bullwhip- oder Forrester-Effekt). Verkürzung der Dispositions- und Bestellzyklen: Unsicherheiten in der Disposition können durch kürzere Dispositionszyklen reduziert werden; kürzere Bestellzyklen bzw. kleinere Lose führen beim Bestellbestandverfahren zu einer Bestandssenkung. Auslagerung und Reduzierung der Fertigungstiefe: Durch Fremdvergabe (Outsourcing) von Aktivitäten, die weder strategisch bedeutsam noch vollständig beherrscht werden, müssen die dafür benötigten Teile und Komponenten nicht bevorratet (Umlaufvermögen) und die entsprechenden Kapazitäten (Maschinen, Anlagen etc. und benötigten Gebäude) nicht betrieben werden. Eine Auslagerung muss dabei durch kleinere Transaktionskosten begründet sein.

• DP-AS, DP-AM, DP-AD: Im „Source“, „Make“ und „Deliver“ bedeutet ein tiefes Umlauf- und Anlagevermögen, Investitionen ohne Mehrwert wie Überproduktion, überflüssige Bestände und ungeeignete Kapazitäten im finanziellen Sinne zu beseitigen bzw. zu verhindern (siehe oben). Dabei haben DP-AS bzw. DP-AM Einfluss auf FR-AM und FR-AD bzw. auf FR-AD: Maßnahmen zur Bestandssenkung und Auslagerung im „Source“ bzw. „Make“ können positive oder negative Auswirkungen auf das Umlauf- und Anlagevermögen im „Make“ bzw. „Deliver“ haben. Beispielsweise können tiefe Bestände an beschafften Komponenten im „Source“ dazu führen, dass im „Make“ vermehrt Zwischenprodukte gelagert werden müssen, um den Bedarf abdecken zu können. Deshalb müssen Maßnahmen für die Reduzierung von Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen für die Bereiche „Source“, „Make“ und „Deliver“ koordiniert erfolgen. 3.2.6.2 Dekomposition der Investitionen im „Source“ (DP-AS) Umlaufvermögen im „Source“ betrifft Lagerbestände an Rohmaterial und beschafften Komponenten, wobei der Umfang von der Wertschöpfungstiefe des Unternehmens und der Bevorratungsebene abhängt. In der Beschaffung dienen Bestände der Versorgungssicherheit von Rohmaterialien und zugekauften Komponenten. In der Praxis werden oft große

3.2 Die SCVD im Detail

147

Abb. 60 Dekomposition der Investitionen im „Source“ (FR-AS)

Mengen beschafft, um günstigere Konditionen zu erlangen, was zu hohen Beständen führt. Das Anlagevermögen wird primär durch die Lagerinfrastruktur (Wareneingang, Lagerflächen, Materialfluss-, Lager- und Kommissioniersysteme etc.) bestimmt. Die Dekomposition von FR-AS (Reduzierung von Investitionen ohne Mehrwert im „Source“) erfolgt in Umlauf- und Anlagevermögen; vgl. Abb. 60. • DP-AS: Tiefe Investitionen im „Source“ werden durch Eliminieung von Investitionen bzw. Teilen davon, die aus Kundensicht keinen Mehrwert schaffen (Verschwendung), erreicht (DP-AS). Entsprechend wird ein tiefes Umlauf- und Anlagevermögen im „Source“ angestrebt (FR-AS1 bzw. FR-AS2). Da der Abbau von Beständen im „Source“ ohne begleitende Maßnahmen in der Regel zu einer Erhöhung von

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Beständen beim Lieferanten führt, werden mittelfristig die zusätzlichen Kosten für Lagerflächen, Kapitalbindung etc. über die Preise an den Abnehmer weitergegeben. Deshalb ist ein partnerschaftliches, frühzeitiges Einbeziehen der betroffenen Lieferanten erforderlich. Neben Rahmenverträgen bieten sich Konzepte wie produktionssynchrone Beschaffung, Direktanlieferung, Continuous Replenishment etc. an (vgl. Abs. 3.2.3.5, 3.2.3.7, 3.2.4.4). • DP-AS1: Ein geringes Umlaufvermögen wird durch die Optimierung der Lagerbestände an Rohmaterialen und eingekauften Komponenten im Rahmen des Bestandsmanagements (Planung und Steuerung der Bestände im Unternehmen) erreicht, wobei alle Arten von Beständen eingeschlossen sind: periodisch wieder aufgefüllte und kontinuierlich abgerufene Bestände (sog. zyklische Bestände, „cycle stocks“), Sicherheitsbestände, saisonale Bestände etc. Bei der Optimierung der Bestände steht eine angemessene Versorgungssicherheit im Vordergrund, die über Sicherheitsbestände gewährleistet wird. Die Unterziele sind demnach tiefe zyklische Bestände (FR-AS11) und tiefe Sicherheitsbestände (FR-AS12). Ein geringes Umlaufvermögen im „Source“ führt weiter zu tiefen Logistikkosten (FR-CS) und kann sich auch positiv auf das Anlagevermögen auswirken (FR-AS2), wenn aufgrund tieferer Bestände beispielsweise Lagerinfrastruktur eingespart werden kann. Zuverlässige Nachfrageprognosen sind für die Planung angemessener Bestände wichtig. Weiter reduziert ein hoher Stand an Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten das eingesetzte Kapital, allerdings zulasten des Lieferanten. • DP-AS11: Tiefe zyklische Bestände werden durch Reduzierung der Bestelllosgrößen und kürzere Bestellzyklen erreicht (siehe oben), denn dadurch sinkt der durchschnittliche Lagerbestand. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Reduzierung der Bestelllosgrößen wirtschaftlich sinnvoll ist (Optimierung der Losgröße), indem die Bestellkosten beispielsweise durch eine elektronische bzw. automatische Abwicklung der Aufträge tief gehalten werden (Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte wie Continuous Replenishment etc., vgl. Abs. 3.2.3.7). Weiter können durch Rahmenverträge günstige Konditionen für regelmäßige Beschaffungen erzielt werden (vgl. Abs. 3.2.3.5). Zudem haben kleinere Bestelllose Einfluss auf den Sicherheitsbestand (FR-AS12), wenn ein bestimmter Lieferbereitschaftsgrad erreicht werden soll: Bei kleineren Losgrößen muss ein höherer Sicherheitsbestand gehalten werden, um einen bestimmten Lieferbereitschaftsgrad zu erreichen.

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-AS12: Sicherheitsbestand dient zum Auffangen der Folgen von Vorhersagefehlern sowie von Abweichungen in der Durchlaufzeit oder im Bedarf während der Durchlaufzeit. Hohe Sicherheitsbestände sind von folgenden Faktoren abhängig: große Schwankungen des Verbrauchs bzw. der Nachfrage, lange Durchlaufzeiten und hoher erwünschter Lieferbereitschafts- bzw. Servicegrad. Mit statistischen Methoden kann der Sicherheitsbestand folgendermaßen berechnet werden: Servicegrad multipliziert mit der Standardabweichung der Nachfrage während der Durchlaufzeit. Deshalb steht hier als Maßnahme primär die Glättung der Verbrauchs- bzw. Nachfrageschwankungen im Zentrum. Dies kann erstens durch eine Verbesserung der Prognosen erreicht werden: Mithilfe der Prognose wird der zyklische Bestand festgelegt, welcher sich in der Folge im Zeitverlauf ändern kann; der historische Prognosefehler bestimmt dann den Sicherheitsbestand. Im Prognosefall wird bei der statistischen Berechnung des Sicherheitsbestandes die mittlere absolute Abweichung MAD („mean absolute deviation“) von Prognose und tatsächlicher Nachfrage mit 1.5 (im Falle der Normalverteilung) multipliziert und dann mit dem gewünschten Servicegrad. Zweitens muss der sog. Bullwhip-Effekt (Forrester-Effekt) eingedämmt werden, der sich durch extreme Schwankungen von Beständen am Anfang einer Wertschöpfungskette infolge einer kleinen (oder sogar keiner) Schwankung des Kundenbedarfs manifestiert, wobei der Effekt umso stärker ist, je länger die Durchlaufzeiten des Material- und Informationsflusses sind. Ursachen dafür sind: lange Durchlaufzeiten des Material- und Informationsflusses (verzögerte Reaktion), Absatzplanung basierend auf Bestellungen des Abnehmers (und nicht der Endkunden), vergangenheitsbasierte Prognosemethoden (Planungsunsicherheit), Losbildung („order batching“), Preisschwankungen und Überbestellungen bei Engpässen („rationing and shortage gaming“). Der Effekt kann durch Bestandregelung und raschen Informationsaustausch über den Bedarf bzw. Verbrauch am Verkaufs- bzw. Verbrauchspunkt vermieden werden („Point of sales“-Daten). Hier kann für die Überwachung der Bestände und die Identifizierung von Engpässen Supply Chain Monitoring eingesetzt werden. Weitere Maßnahmen sind kürzere Bestellzyklen (ermöglicht durch tiefe Bestellkosten, siehe oben), Stabilisierung der Preise und Planung von Aktionen sowie die geregelte Zuweisung von Bestellmengen bei Engpässen. Da der Effekt ausgeprägter ist, wenn in der Wertschöpfungskette nach unterschiedlichen Bestellstrategien (beispielsweise Bestellmenge gleich Nachfrage) Aufträge platziert werden, ist eine partnerschaftliche Absprache sinnvoll.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-AS2: Zur Reduzierung des Anlagevermögens kommt in der Beschaffung die Auslagerung von Aktivitäten des Lagermanagements (Warenannahme, Ein- und Auslagerung, Verteilung, Lagerung, Kommissionierung etc.), die strategisch nicht bedeutsam sind oder suboptimal beherrscht werden, zu spezialisierten Logistikdienstleistern (3PL, 4PL) oder zu den Lieferanten. Kostenfolgen (FR-CS13) dieser Maßnahmen müssen berücksichtigt werden. 3.2.6.3 Dekomposition der Investitionen im „Make“ (FR-AM) Umlaufvermögen im „Make“ betrifft Bestände von Ware in Arbeit, die einer gleichmäßigen, hohen Auslastung der Kapazitäten dienen, was zu langen Wartezeiten und dadurch ansteigenden Beständen führen kann, und ggf. zwischengelagerten Komponenten. Durch Flexibilität der Kapazitäten (FR-F) können die zur Sicherung der Auslastung erforderlichen Pufferbestände von Ware in Arbeit gering gehalten werden. Die Produktionsinfrastruktur macht das Anlagevermögen aus. Die Dekomposition der Reduzierung von Investitionen ohne Mehrwert im „Make“ (FR-AM) unterscheidet wiederum zwischen Umlauf- und Anlagevermögen; vgl. Abb. 61.

Abb. 61 Dekomposition der Investitionen im „Make“ (FR-AM)

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-AM: Tiefe Investitionen im „Make“ werden durch Vermeidung von Investitionen in das Umlauf- und Anlagevermögen ohne Mehrwert erzielt (DP-AM). Daraus lassen sich als Unterziele ein tiefes Umlauf- bzw. Anlagevermögen (FR-AM1 bzw. FR-AM2) für die weitere Dekomposition ableiten. • DP-AM1: Ein geringes Umlaufvermögen kann in erster Linie durch die Optimierung der Bestände von Ware in Arbeit mithilfe der oben vorgestellten generellen Ansätze zur Bestandsreduzierung, insbesondere auch durch die Reduzierung der Lagerstufen, erreicht werden. Für die Optimierung der Ware in Arbeit sind kurze Durchlaufzeiten essenziell, denn die Durchlaufzeit entspricht dem Verhältnis des Bestands und der Leistung. Bei der Durchlaufzeit in Abs. 3.2.4.5 wurden die entsprechenden Maßnahmen und Konzepte diskutiert; vor allem sind hier die Reduzierung der Auslastung, die Entfernen von Puffern und die Güterflussorientierung wie beispielsweise die Segmentierung zu erwähnen. Weitere Maßnahmen sind einerseits die Reduzierung der Teile- und Variantenvielfalt. Andererseits kann durch ein Produktionsstufenkonzept in der variantenreichen Serienfertigung die Variantenvielfalt erfolgreich bestandes- und kostenmäßig beherrscht werden. Die Grundidee des Produktionsstufenkonzepts ist die möglichst späte Variantenbildung (Postponement) durch die Integrierung von variantenbildenden Fertigungsprozessen in die Montage. Auf diese Weise können, um das Umlaufvermögen tief zu halten, Bestände zu tieferen Wertschöpfungsstufen verlagert werden, wo die Bestände weniger kapitalintensiv und die Komponenten variantenneutral sind; zudem kann dabei die Bevorratungsebene (vgl. Abs. 3.2.4.1) sinken. Weiter spielt die Bestimmung der Produktionslosgrößen, beispielsweise mithilfe der Andler-Formel, eine wichtige Rolle für die Bestände von Ware in Arbeit. Allerdings berücksichtigt die klassische Andler-Formel beispielsweise nicht den Effekt kürzerer Durchlaufzeiten (und damit tieferer Bestände) aufgrund kleinerer Losgrößen und die Kapitalbindung durch Ware in Arbeit. Für bewirtschaftete Zwischenlager gelten die Ausführungen zu DP-AS11 und DP-AS12 weiter oben sinngemäß. Die Materialbereitstellung kann differenziert erfolgen, beispielsweise nach Wertigkeit, Bedarfsschwankungen, Größe, Kategorien (ABC, XYZ) etc. Wiederum können Bestandssenkungen dazu führen, dass weniger Anlagevermögen (FR-AM2), beispielsweise Infrastruktur für Zwischenlager, notwendig ist und Logistikkosten (FR-CM) eingespart werden können.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-AM2: Das Anlagevermögen kann durch die Auslagerung von kapitalintensiven Produktionsschritten, die strategisch nicht bedeutsam sind oder nicht vollständig beherrscht werden, reduziert werden (Outsourcing zu Unterakkordanten). Die Begründung dafür muss durch kleinere Transaktionskosten erfolgen. Zudem kann durch spezifische Betreiber- und Finanzierungsmodelle das Anlagevermögen optimiert werden, beispielsweise durch Leasing. Die Kostenfolgen (FR-CM) dieser Maßnahmen müssen berücksichtigt werden. 3.2.6.4 Dekomposition der Investitionen im „Deliver“ (FR-AD) Um schwankende oder fehlerhafte Bedarfsprognosen auszugleichen und somit Fehlmengen zu verhindern und kurze Lieferfristen zu ermöglichen, werden Fertigprodukte gelagert. Diese machen zusammen mit den ausstehenden Rechnungen an die Abnehmer (Debitoren) das Umlaufvermögen im „Deliver“ aus. Das Anlagevermögen wird in erster Linie durch die Lagerinfrastruktur (Lagerflächen, Materialfluss-, Lager- und Kommissioniersysteme, Spedition etc.) sowie ggf. durch die Transportinfrastruktur bestimmt. Die Dekomposition der Reduzierung von Investitionen ohne Mehrwert im „Deliver“ (FR-AD) erfolgt wiederum gemäß der Differenzierung von Umlauf- und Anlagevermögen; vgl. Abb. 62. • DP-AD: Um Investitionen im „Deliver“ tief zu halten, müssen Investitionen oder Teile davon, die keinen Mehrwert darstellen, verhindert bzw. eliminiert werden (DP-AD). Die zugehörigen Unterziele sind ein tiefes Umlauf- bzw. Anlagevermögen (FR-AD1 bzw. FR-AD2); diesen folgt die weitere Dekomposition. Lagerhaltung auf Stufe der Endprodukte ist dann notwendig, wenn die den Kunden zugestandene Lieferfrist kürzer als die Durchlaufzeit im Unternehmen (Wiederbeschaffungszeit) plus die Transportzeit ist. Deshalb bieten sich generell folgende Ansätze zur Reduzierung von Lagerbeständen an: Erhöhung der Lieferfrist, was in wettbewerbsintensiven Märkten nicht praktikabel ist, oder Senkung der Bevorratungsebene, beispielsweise durch das Produktionsstufenkonzept (siehe oben). Damit reduzieren sich gleichzeitig die Bestände und das Anlagevermögen (da beispielsweise weniger Lagerkapazität notwendig ist). • DP-AD1: Ein tiefes Umlaufvermögen kann durch die Optimierung der Lager und Lagerbestände im Rahmen des Bestandesmanagements sowie der Distributionsstruktur erzielt werden. Tiefe Debitorenausstände (Forderungen gegenüber Kunden) reduzieren auch das eingesetzte Kapital, allerdings zulasten der Kunden. Dazu tragen kurze Zahlungsfristen für die Kunden, Anreize zur schnelleren Bezahlung sowie

3.2 Die SCVD im Detail

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Abb. 62 Dekomposition der Investitionen im „Deliver“ (FR-AD)

die elektronische Zahlungsabwicklung bei. Ein innovativer Ansatz stellt hier Factoring (Cash-Forwarding) dar: Verkauf der Forderungen aus Warenlieferungen an einen Finanzdienstleister, welcher die Forderungen vorfinanziert. Für die Optimierung der Bestände ergeben sich zwei Unterziele für die weitere Dekomposition: einerseits tiefe zyklische Bestände (FR-AD11), die periodisch wieder aufgefüllt und kontinuierlich abgerufen werden, und andererseits tiefe Sicherheitsbestände (FR-AD12), die Abweichungen in der Durchlaufzeit oder im Bedarf abfangen (vgl. Abs. 3.2.6.2). Es werden hier alle Arten von Beständen von Fertigprodukten mit in die Betrachtung eingeschlossen, insbesondere auch die aufgrund der Distributionsstruktur in verschiedenen Distributionslagern verteilten sowie auf Transport befindlichen Bestände.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Hohe Fertigwarenbestände können eine hohe Lieferbereitschaft gewährleisten. Die Materialbereitstellung kann differenziert erfolgen, beispielsweise nach Wertigkeit, Bedarfsschwankungen, Größe, Kategorien (ABC, XYZ) etc. Einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Bestände (und auf die Lieferzeit) hat die Distributionsstruktur: Mehrstufige Distributionskonzepte ermöglichen einerseits kurze Lieferzeiten, bedingen aber andererseits, dass auf jeder Stufe Bestände und Sicherheitsbestände gehalten werden müssen, so dass dies zu einem exponentiellen Wachstum der gesamten Bestandshöhe führt. Deshalb ist die Optimierung der Distributionsstruktur eine wichtige Aufgabe. Hierzu können Logistikdienstleister zugezogen werden. Weiter sind zuverlässige Nachfrageprognosen für die Planung angemessener Bestände wichtig. Weitere Möglichkeiten bieten innovative Finanzierungsmodelle in Kooperation mit Logistik- und Finanzdienstleistern wie Auslagerung und Finanzierung von Lagerbeständen („off balance“). Tiefe Bestände können zu einer Reduzierung des Anlagevermögens führen (FR-AD2), wenn beispielsweise eine geringere Lagerkapazität in der Folge benötigt wird, und insgesamt die Kosten im „Deliver“ (FR-CD) reduzieren, beispielsweise dank geringerer Obsoleszenz. • DP-AD11: Tiefe zyklische Bestände können durch Reduzierung der Wiederbeschaffungslosgrößen und kürzere Wiederauffüllzyklen erreicht werden, da sie den durchschnittlichen Lagerbestand senken. Dabei muss die Wirtschaftlichkeit der Losgröße gewährleistet sein und mit der Produktion bzw. mit den verschiedenen Lagerstufen der Distribution koordiniert werden. Die Ausführungen im „Source“ zu DP-AS11 können hier übertragen werden, wobei im Speziellen der Effekt der Losgröße auf den Lieferbereitschaftsgrad und auf die Sicherheitsbestände (FR-AD12) beachtet werden muss (vgl. Abs. 3.2.6.2). Mit Cross Docking, bei dem in einem Distributionslager Anlieferung und Auslieferung zeitlich synchronisiert werden, so dass nur noch umkommissioniert und umgeladen werden muss (keine Ein- und Auslagerung), können Bestände markant reduziert werden; weitere Konzepte sind hier Direct Shipment (Direktlieferung ohne Zwischenlagerung in Distributionslagern) und Transhipment (Bestandesausgleich auf einer bestimmten Distributionsstufe). • DP-AD12: Mithilfe von Sicherheitsbeständen werden Folgen von Vorhersagefehlern und Abweichungen in der Durchlaufzeit oder im Bedarf aufgefangen. Dies ist oben beim „Source“ (vgl. DP-AS12) erläutert und kann hier hin übertragen werden; speziellen sollte dabei der Vermeidung des Bullwhip-Effekts Rechnung getragen werden (vgl. Abs. 3.2.6.2).

3.2 Die SCVD im Detail

155

• DP-AD2: Das Anlagevermögen im „Deliver“ kann durch Auslagerung von Aktivitäten des Lagermanagements (Ein- und Auslagerung, Verteilung, Lagerung, Kommissionierung, Spedition, Distribution, Transport etc.), die als strategisch nicht wichtig betrachtet oder suboptimal beherrscht werden, zu spezialisierten Logistikdienstleistern (3PL, 4PL, Kurier-, Express- und Paketdiensten KEP) reduziert werden, wobei Kostenfolgen (FR-CD1) berücksichtigt werden müssen. Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch Finanzierungsmodelle wie Finanzierung und Leasing von Logistikimmobilien und Lagerinfrastruktur. Kostenfolgen (FR-CD1) dieser Maßnahmen müssen berücksichtigt werden. 3.2.6.5 Schlussbemerkung zu den Investitionen Investitionen können dann optimiert werden, wenn Qualität (DP-Q), Lieferzuverlässigkeit (DP-R), kurze Lieferdurchlaufzeiten (DP-L) und Flexibilität (DP-F) gewährleistet sind. Durch die Änderung der Zahlungsmodalitäten kann das eingesetzte Kapital zulasten der Kunden oder Lieferanten oder von beiden reduziert werden. Die Supply Chain wird dadurch nur lokal optimiert, denn Verbindlichkeiten eines Kunden sinken im gleichen Ausmaß wie die Forderungen des Lieferanten steigen. Deshalb kann eine nachhaltige geringere Kapitalbindung in einer Supply Chain nur über die Reduzierung der Durchlaufzeit und besseres Bestandesmanagement erfolgen. Die Optimierung des Umlauf- und Anlagevermögens schafft die letzte Voraussetzung zur Optimierung der operationellen Kosten (FR-C). Die Höhe von Beständen wird stark von der Durchlaufzeit beeinflusst. Für die Reduzierung des Anlagevermögens bieten sich die Auslagerung und innovative Finanzierungsmodelle an.

3.2.7

Operationelle Kosten (FR-C)

3.2.7.1 Dekomposition der operationellen Kosten (FR-C)) Unter operationellen Kosten werden hier Kosten der betrieblichen Leistungserstellung eines Unternehmens verstanden. Für die weitere Dekomposition werden nur noch die eigentlichen Logistikkosten betrachtet, d. h. die Kosten, die durch Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Logistikmanagement und SCM entstehen. Viele der bereits diskutierten Maßnahmen weisen einen positiven oder negativen Effekt auf die Logistikkosten, so beispielsweise kurze Durchlaufzeiten und tiefe Bestände, auf. Die Logistikkosten können folgendermaßen kategorisiert werden:

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• Kosten der Materialflussprozesse: interne und externe Transportkosten, Kosten des Lagermanagements (Warenannahme, Verteilung, Einund Auslagerung, Kommissionierung, Spedition etc.), Lagerhaltungskosten; • Kosten der Informationsflussprozesse: Kosten für Planung und Steuerung, Auftragsabwicklung; • Kosten logistischer Managementprozesse: Monitoring, Controlling, Projekte, Management etc.; • Kosten der Bevorratungsprozesse: Kapitalkosten der Lagerbestände und Ware in Arbeit, Obsoleszenzkosten; • Kosten infolge mangelnder Prozesszuverlässigkeit: Konformitäts- und Nonkonformitätskosten beispielsweise für Prävention, Prüfung bzw. Nacharbeit, Konventionalstrafen und Produktionsausfälle. Konformitätskosten sind Kosten für die Übereinstimmung der Produkteigenschaften mit den Kundenanforderungen; Nonkonformitätskosten entstehen durch die Abweichung der Produkteigenschaften von den Kundenanforderungen. Die Kapitalkosten der Bestände werden im Folgenden nicht weiter betrachtet, da im EVA-Ansatz die Kapitalkosten direkt auf das Umlaufvermögen bezogen werden und daher dort schon berücksichtigt sind. Die Herstellkosten fallen nicht unter die Logistikkosten. Die Kosten mangelnder Prozesszuverlässigkeit sind eine direkte Folge der Lieferzuverlässigkeit (FR-R) und sind deshalb dort in der SCVD berücksichtigt. Für einen hohen EVA werden tiefe operationelle Kosten (und damit tiefe Logistikkosten) angestrebt. Die Dekomposition von tiefen operationellen Kosten (FR-C) erfolgt gemäß der Unterscheidung von „Source“, „Make“ und „Deliver“ und bezieht sich in der Folge nur noch auf die Logistikkosten; vgl. Abb. 63. • DP-C: Tiefe operationelle Kosten (FR-C), die zu einem hohen EVA beitragen, können durch Eliminierung von Verschwendung (DP-31) in Form von (zu hohen) Logistikkosten, die nach der Optimierung von Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeiten, Flexibilität und Investitionen übrig geblieben sind, erzielt werden. Mit anderen Worten: durch Steigerung der Effizienz der logistischen Prozesse. Diese Ziel-Mittel-Relation wird für die Unterziele auf „Source“, „Make“ und „Deliver“ (FR-CS, FR-CM, FR-CD bzw. DP-CS, DP-CM, DP-CD) übertragen. Als Analyseinstrument zur Identifizierung von Verschwendung kann die Wertzuwachskurve oder die Wertanalyse eingesetzt werden.

3.2 Die SCVD im Detail

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Abb. 63 Dekomposition der operationellen Kosten (FR-C)

• DP-CS, DP-CM, DP-CD: Im „Source“, „Make“ und „Deliver“ bedeuten tiefe Logistikkosten, Verschwendung infolge zu hoher Kosten im Zusammenhang mit den Materialfluss-, Informationsfluss-, Management- und Bevorratungsprozessen zu minimieren. Es konnten keine relevanten Beeinflussungen zwischen und innerhalb von „Source“, „Make“ und „Deliver“ in Bezug auf die Kosten identifiziert werden. Deshalb ergibt sich hier keine Pfadabhängigkeit im Sinne einer Implementierungsreihenfolge. 3.2.7.2 Dekomposition der Logistikkosten im „Source“ (FR-CS) Im „Source“ fallen Logistikkosten im Zusammenhang mit den beschafften Gütern und den Materialflussprozessen (Warenannahme, Lagermanagement etc.) an; Kosten für die Bestellung und die Auftragsabwicklung können den Informationsflussprozessen zugeordnet werden. Im Bereich Managementprozesse können Kosten durch die Erschließung von Einkaufspotenzialen (z. B. durch Materialbündelung) eingespart werden. Bei der Lagerhaltung sollen Obsoleszenzkosten reduziert werden. Die Dekomposition von tiefen Logistikkosten im „Source“ (FR-CS) erfolgt gemäß der Unterscheidung der Kosten im Zusammenhang mit dem Material-, Informationsfluss, den Managementprozessen und der Lagerhaltung; vgl. Abb. 64.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 64 Dekomposition der Logistikkosten im „Source“ (FR-CS)

• DP-CS: Tiefe Logistikosten im „Source“ können durch Eliminierung von Verschwendung in Form von unnötigen Logistikkosten erreicht werden (DP-CS) und zwar im Zusammenhang mit den Materialfluss-, Informationsfluss- und Managementprozessen (Beschaffungsmanagement) sowie der Bevorratung (FR-CS1, FR-CS2, FR-CS3 bzw. FR-CS4). • DP-CS1: Zur Reduzierung von Verschwendung durch unnötige Logistikkosten im Zusammenhang mit Materialflussprozessen tragen folgende Unterziele bei: tiefe Kosten der beschafften Güter (FR-CS11), tiefe Kosten der Warenannahme (FR-CS12) und der übrigen Aktivitäten des Lagermanagements (FR-CS13). • DP-CS11: Tiefe Kosten der beschafften Güter können sichergestellt werden, indem Kostenkriterien im Lieferantenmanagement bei der Auswahl und Qualifikation der Lieferanten herangezogen und bei der Lieferantenevaluation und -entwicklung sowie im Supplier Relationship Management (SRM) entsprechend berücksichtigt werden.

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-CS12: Bei der Warenannahme können die Kosten tief gehalten werden, indem durch Rationalisierungsmaßnahmen die entsprechenden Aktivitäten möglichst kosteneffizient durchgeführt werden. Dies kann in Zusammenarbeit mit den Lieferanten und Logistikdienstleistern in Entwicklungs-, Logistik- und Einkaufspartnerschaften geschehen. Weitere Beispiele hierfür sind die Direktanlieferung und die Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Wareneingangsprüfung zum Lieferanten, wenn dies längerfristig kostengünstiger ist. Wird die Verantwortlichkeit jedoch nicht partnerschaftlich transferiert und ist dies nicht längerfristig effizienter, so wird sich dies kurz- bis mittelfristig in höheren Preisen niederschlagen. Zudem können hier Identifikationstechnologien wie Barcodes, Scanner und Transponder sowie Advanced Shipping Notice (elektronische Vorankündigung der Lieferung) eingesetzt werden. • DP-CS13: Kosten der übrigen Aktivitäten des Lagermanagements wie beispielsweise für die Ein- und Auslagerung und Kommissionierung können durch eine kosteneffiziente Ausgestaltung der Aktivitäten reduziert werden. Dazu können beispielsweise diese Aktivitäten zu spezialisierten Logistikdienstleistern ausgelagert werden, die dank Skaleneffekten diese Aktivitäten als Dienstleistungen insgesamt günstiger anbieten können. Zu diesen Kosten zählen die Lagerinfrastrukturkosten: Betrieb, Unterhalt und Abschreibung von Gebäuden, Lager-, Materialfluss- und Kommissioniersysteme sowie Arbeitsaufwand der Mitarbeitenden etc.; Kostentreiber sind u. a. Lagervolumen bzw. -flächen sowie die Handhabbarkeit. • DP-CS2: Um Kosten im Zusammenhang mit Informationsflussprozessen durch die Reduzierung von Kostenverschwendung zu reduzieren, können als Unterziele tiefe Kosten für Offertanfragen (FR-CS21) und die Abwicklung der Beschaffungsaufträge (FR-CS22) abgeleitet werden. Auf diese Weise soll ein kosteneffizienter Informationsfluss sichergestellt werden. • DP-CS21: Mittels Systemen für das Lieferantenmanagement, die durch Informationstechnologie gestützt werden, können die Kosten für Offertanfragen und Verhandlungen tief gehalten werden. So bieten Systeme des Supplier Relationship Management (SRM) Funktionalitäten wie Lieferantendatenbanken mit Möglichkeiten für die Suche und Evaluation sowie automatische Auktionen. Zudem können die Lieferantenevaluation und -auswahl, Offertanfragen und -verhandlungen sowie Auktionen (teilweise) ausgelagert werden, beispielsweise durch die Teilnahme an elektronischen Marktplätzen oder Einkaufsgemeinschaften. Die Direktanbindung von Lieferanten ist eine weitere Alternative.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

• DP-CS22: Die Kosten für die Abwicklung der Beschaffungsaufträge können mittels Einsatz geeigneter, durch Informationstechnologie gestützte Systeme tief gehalten werden. Hierzu sind e-Procurementlösungen (elektronische Beschaffung) geeignet, wie beispielsweise internetbasierte Lieferanten-/Beschaffungsplattformen. Durch standardisierte Kataloge und Abläufe sowie im System hinterlegte Berechtigungen können Beschaffungsentscheide dezentralisiert und so administrative Kosten eingespart werden, ohne eine zentrale Kontrolle aufzuheben. Weiter kann die Bestellabwicklung effizient gestaltet und automatisiert werden. E-Procurement kann mit SRM (siehe oben) kombiniert werden. Allerdings ist bei solchen Lösungen zu bedenken, dass sie für kleine Lieferanten Hürden darstellen und dass sie persönliche Beziehungen nicht ersetzen können, wo diese wichtig sind. Zudem kann durch Advanced Shipping Notice (elektronische Vorankündigung der Lieferung) die Effizienz gesteigert werden. • DP-CS3: Kosten können weiter durch die Erschließung von Kosteneinspar- und Einkaufspotenzialen reduziert werden. Die Lieferantenanzahl ist ein wichtiger Treiber der Kosten für das Beschaffungsmanagement, denn die Anzahl der Lieferanten, deren Differenzierung untereinander und die Intensität der Beziehung zu ihnen beeinflussen die Komplexität und die Transaktionskosten. Diese sind tendenziell geringer bei weniger Lieferanten, allerdings steigen dadurch potenzielle Versorgungsrisiken (FR/DP-RS2111). Durch e-Procurementlösungen wie beispielsweise elektronischen Marktplätzen oder Auktionen können Kostensenkungspotenziale erschlossen werden. In der Praxis erschwert die zunehmende Dezentralisierung der Beschaffungsfunktionen, wie es beispielsweise durch e-Procurementlösungen (siehe oben) ermöglicht wird, die Nutzung unternehmensweiter Synergien durch Einkaufspotenziale. Mithilfe verschiedener Bündelungsmodelle können über Losgrößeneffekte Effizienzsteigerungspotenziale beim Lieferanten erschlossen werden. Das Materialgruppenmanagement geht darüber hinaus: Im Teamansatz werden spezifisch für bestimmte Materialgruppen wie Rohmaterialien, Komponenten etc. Beschaffungslösungen erarbeitet, alle Beschaffungsaktivitäten koordiniert, die Lieferantenbasis optimiert und Rahmenverträge ausgehandelt. Im Rahmen der Lieferantenbewertung können Lieferantenbeziehungen periodisch und systematisch auf Rationalisierungspotenziale hin untersucht werden. Weitere Möglichkeiten bieten Programme zur Materialkostensenkung sowie die Wertanalyse der Abnehmer-Lieferantenbeziehung. Hier können auch Instrumente des Beschaffungsmonitoring und -controlling angesiedelt werden, beispielsweise zur Überwachung von Rahmenverträgen, Liefertreue etc. Fragen im

3.2 Die SCVD im Detail

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Zusammenhang mit der Organisation der Beschaffung können ebenfalls hier eingeordnet werden. • DP-CS4: Kosten im Zusammenhang mit Bevorratungsprozessen können durch die Minimierung der Obsoleszenzkosten gesenkt werden. Obsoleszenzkosten spiegeln das Entwertungsrisiko wider, welches technisches Veralten, Verderb, Beschädigung oder Zerstörung umfasst. Dies kann einerseits durch adäquates Bestandsmanagement (für angemessene Bestände), andererseits durch das Entnahmeprinzip (beispielsweise „first in first out“) und geeignete Lagerinfrastruktur gewährleistet werden. Nachfrageorientierte Nachlieferung wie z. B. dank ECR, QR oder produktionssynchroner Beschaffung (vgl. Abs. 3.2.3.7 und 3.2.4.3) reduzieren das Obsoleszenzrisiko. 3.2.7.3 Dekomposition der Logistikkosten im „Make“ (FR-CM) Logistikkosten im „Make“ fallen im Zusammenhang mit den Materialfluss- und Informationsflussprozessen (interne Transporte, Prognosen, Planung, Steuerung, Komplexität aufgrund von Varianten etc.), mit den Managementprozessen (Organisation der Logistik etc.) sowie im Zusammenhang mit Ware in Arbeit an. In diesen Bereichen liegen Rationalisierungspotenziale, welche durch die Reduzierung von Verschwendung erschlossen werden können. Die kostengünstigste Produktion ist die Fliessproduktion, d. h. die Produktion der kleinstmöglichen Menge zum spätest möglichen Zeitpunkt (Fliessprinzip). Dies kann erreicht werden, indem Durchlaufzeiten (FR-L) und Bestände (FR-A) minimiert und weiter indem die Logistikkosten reduziert werden, d. h. durch Eliminierung oder Vereinfachung der Prozesse im Zusammenhang mit Material- und Informationsfluss, Management und Bevorratung. Die Dekomposition von tiefen Kosten im „Make“ durch Reduzierung von Verschwendung (FR-CM) erfolgt analog zum „Source“ gemäß der Unterscheidung von Kosten im Zusammenhang mit den Materialfluss-, Informationsflussund Managementprozessen und Bevorratung (hier Ware in Arbeit); vgl. Abb. 65. • DP-CM: Tiefe Logistikkosten im „Make“ können durch Eliminierung von Verschwendung, d. h. durch die Reduzierung unnötiger Logistikkosten, erreicht werden (DP-CM). Potenziale zur Kostensenkung können bei den Materialfluss-, Informationsfluss- und Managementprozessen sowie bei der Ware in Arbeit lokalisiert werden (FR-CM1, FR-CM2, FR-CM3 bzw. FR-CM4). • DP-CM1: Für die Erschließung von Rationalisierungspotenzialen im Zusammenhang mit Materialflussprozessen können drei Gestaltungsschwerpunkte identifiziert werden, wo Logistikkosten reduziert werden

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Abb. 65 Dekomposition der Logistikkosten im „Make“ (FR-CM)

können: Materialflussbeziehungen (FR-CM11), Materialversorgung (FR-CM12) sowie interner Transport (FR-CM13). • DP-CM11: Logistikkosten können durch die Neugestaltung der Materialflussbeziehungen (Materialflusslayout) reduziert werden, indem Transporte möglichst eliminiert werden. Hier ist erstens die räumliche Konzentration von Betriebsmitteln und Arbeitsplätzen zu nennen, beispielsweise produkt-, technologie- und teilefamilienorientierte Layouts: produktorientierte Layouts bieten sich in der ganzen Produktion oder auf Wertschöpfungsstufen in Kundennähe an, technologie- und teilefamilienorientierte Layouts vorzugsweise auf niederen Wertschöpfungsstufen mit hoher Anlagenintensität. Zweitens können für die Neugestaltung der Materialflussbeziehungen die bei der Durchlaufzeit diskutierten Konzepte und Maßnahmen zur Güterflussorientierung herangezogen werden: Produktionssegmentierung, zellulare Produktion, Lagerung am und Lieferung zum Verbrauchsort.

3.2 Die SCVD im Detail

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• DP-CM12: Weiter können Logistikkosten durch die Neugestaltung der Materialversorgung eingespart werden. Eine Möglichkeit bildet eine differenzierte Materialbereitstellung (beispielsweise nach Wertigkeit, Bedarfsschwankungen, Größe, ABC-/XYZ-Kategorien etc.), wodurch die Materialhandhabung rationalisiert werden kann. Die Materialversorgung kann mit der Materialentnahme synchronisiert werden, indem die Anlieferung durch den Verbrauch gesteuert wird, wozu sich Kanban gut eignet, oder durch eine produktionssynchrone Beschaffung und Anlieferung. Weiter können hier Behälterkonzepte eingeordnet werden, beispielsweise modulare Magazinpaletten. Ein Optimum kann dann erreicht werden, wenn die Liefereinheiten der Lieferanten mit den Transport- und Lagereinheiten in der Produktion sowie ggf. mit denen der Kunden identisch oder kompatibel sind. • DP-CM13: Durch eine Neugestaltung innerbetrieblicher Transportprozesse können Logistikkosten eingespart werden. Die Organisation des Transports kann zentralisiert oder dezentralisiert werden; als Transportsystematiken bieten sich Ring-, Linien- und Pendelverkehrssysteme an, die an einen Fahrplan gekoppelt sind. Für die Verbesserung können Transportoptimierungen und Simulationen durchgeführt werden. • DP-CM2: Um das Rationalisierungspotenzial von Informationsflussprozessen auszuschöpfen, müssen Kosten der Prognose, Planung und Steuerung (FR-CM21) und der Komplexität (FR-CM22) gering gehalten werden mit dem Ziel, Bestände und nicht-wertschöpfende Aktivitäten durch eine bessere Nutzung von Informationen zu verhindern. • DP-CM21: Durch die Änderung des Steuerungskonzepts und der Prognose- und Planungssystematik können Kosten infolge der Prognose, Planung und Steuerung eingespart werden. Für Prognosen und Planung stehen zahlreiche Methoden und Konzepte zur Verfügung, deren Detaillierungs- und Differenzierungsgrad sowie die Planungsintervalle verfeinert werden können. Weiter können Planungs- und Dispositionsstufen reduziert werden, was hilft, Zeit- und Bestandspuffer abzubauen. Für die Steuerung kann das Kanbanverfahren eingesetzt werden, welches das Holprinzip realisiert, oder eines der zahlreichen weiteren Verfahren wie beispielsweise die belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) oder Optimized Product Technology (OPT). • DP-CM22: Komplexität in Prozessen im Zusammenhang mit dem Informationsfluss wird in der Produktion häufig durch die Vielfalt der Produktvarianten verursacht. Um die damit verbunden Kosten tief zu halten, muss die Variantenvielfalt beherrscht werden, indem Prozesse und Aktivitäten standardisiert werden, um so Lerneffekte bei der Produktion unterschiedlicher Varianten zu erzielen. Hierzu dienen

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variantenorientierte Konzepte wie Standardprodukte mit Optionen, Produktfamilien, Produktfamilien mit Variantenreichtum (Mass Customization) sowie Produkte nach (ändernder) Kundenspezifikation. Dabei kommen variantenorientierte Techniken für die Produktspezifikation und Konfiguration der Stücklisten und Prozess- bzw. Durchlaufplan zum Einsatz, beispielsweise mithilfe von wissensbasierten Systemen, denen Konstruktionsregeln hinterlegt sind, sog. Produktkonfiguratoren. Auch die Produktion muss so ausgelegt sein, dass die Variantenvielfalt effizient beherrscht werden kann. Hierzu bietet sich das Produktionsstufenkonzept an, bei dem Varianten möglichst spät gebildet werden, indem variantenbildende Fertigungsprozesse in die Montage integriert werden. Ergänzend kann eine Variantenkostenrechnung eingeführt werden, um eine verursachergerechte Kostentransparenz zu erlangen. Das Konzept von Mass Customization (kundenindividuelle Massenfertigung), das die Produktion nach Kundenbedarf zu Kosten der Massenproduktion postuliert, zeigt hier einerseits sinkende Kosten durch Skalen-, Verbund- und Lerneffekte und andererseits zusätzliche Kosten infolge erhöhter Varietät und Komplexität (Komplexitätskosten), welche durch entsprechende Maßnahmen abgefangen werden müssen, beispielsweise durch Modularisierung von Produkten und Prozessen sowie effiziente Abwicklung dank Unterstützung durch Informationstechnologie. • DP-CM3: Im Zusammenhang mit den Managementprozessen (Produktionsmanagement) können die Produktion und die Logistik-/SCM-Organisation umstrukturiert sowie Monitoring und Controlling eingeführt werden. Maßnahmen zur Reorganisation der Produktionsstruktur streben, wie Untersuchungen zeigen, eine möglichst weitgehende Aufhebung der Arbeitsteilung und eine Selbststeuerung an. Dies kann zum einen durch die Komplettbearbeitung sowie die Zusammenfassung und die Substitution von Arbeitsgängen und zum anderen durch Güterflussorientierung, insbesondere durch eine Produktionssegmentierung erreicht werden. Für die Umstrukturierung der Logistik-/SCM-Organisation bieten sich folgende Maßnahmen an: −



Aufbau eines Zentralbereichs Logistik/SCM: Bündelung und Koordination sämtlicher logistischer Aktivitäten reduzieren Schnittstellen und die Komplexität. Teilzentralisierung: Zusammenfassung von Logistikaktivitäten und Zuordnung zu einer Organisationseinheit (z. B. Produktion, Verkauf etc.).

3.2 Die SCVD im Detail

165



Koordinierender Zentralbereich: Mischform mit zentraler und dezentraler Aufteilung der Logistikaktivitäten, wobei die Koordination zentral erfolgt (Planung, Gestaltung etc.) und die operationelle Abwicklung dezentralisiert ist (oft bei divisional organisierten Unternehmen). − Funktionsorientierte Bereichslogistiken: Dezentrale Integration von Logistikaktivitäten in Beschaffung, Produktion und Distribution („Source“, „Make“ und „Deliver“); setzt ein einheitliches Verständnis, klare Schnittstellen und Kooperationsbereitschaft voraus. Mithilfe von Supply Chain Monitoring und Controlling können Bestände, Engpasssituationen, Störungen sowie Kennzahlen wie Auslastung und Durchlaufzeiten etc. im Hinblick auf die Produktion überwacht, verfolgt und zielgerichtet gesteuert werden. • DP-CM4: Im „Make“ kann der Aspekt der Bevorratung auf die Ware in Arbeit bezogen werden. Das damit verbundene Rationalisierungspotenzial kann primär über die Neugestaltung der Lagerstrukturen erschlossen werden. Im Sinne der Reduzierung von Verschwendung soll die Zwischenlagerung in der Produktion möglichst vermieden (durch die Realisierung der Güterflussorientierung) und erforderliche Bestände auf eine möglichst tiefe Wertschöpfungsstufe verlagert werden. Dazu trägt die Reduzierung der Durchlaufzeiten maßgeblich bei; weitere Maßnahmen sind die gezielte Bevorratung der zugekauften Güter (Rohmaterialien etc.) und die Bevorratung unmittelbar vor dem Schritt mit dem größten Wertschöpfungsanteil. Zudem kann hier wiederum das Konzept der Produktionsstufen angewandt werden (vgl. oben bei DP-CM22). 3.2.7.4 Dekomposition der Logistikkosten im „Deliver“ (FR-CD) Im „Deliver“ fallen Logistikkosten im Zusammenhang mit den Materialfluss- und Informationsflussprozessen bei der Handhabung, Lagerung und beim Transport der Fertigprodukte sowie bei der Auftragsabwicklung an. Dazu kommen die Kosten der Managementprozesse (wie beispielsweise Organisation der Distribution und Transportüberwachung) sowie die Kosten der Bevorratung, welche sich nicht auf die Kapitalbindung beziehen, d. h. insbesondere Vermeidung von Obsoleszenz. In diesen Bereichen kann generell Rationalisierungspotenzial geortet werden, welches durch die Reduzierung der Verschwendung erschlossen werden kann. Zwar werden nur bei „Make-to-stock“ Fertigprodukte gelagert, doch auch

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

bei den anderen Bevorratungsebenen spielen Bestände im „Deliver“ eine Rolle – eher als Ware in Arbeit, beispielsweise in der Spedition, auf dem Transport oder in einem Auslieferlager. Die Logistikkosten im „Deliver“ haben in der Regel den größten Anteil, da sie kundenseitig fehlende Prozessbeherrschung abfedern müssen. Expresslieferungen Luftfracht, Nachtschichten etc. sind nur einige Faktoren, die dadurch beeinflusst werden. Dabei sind wiederum die Ursachen in den links liegenden Zielbereichen der SCVD zu suchen. Wenn dort die Prozesse beherrscht werden, reduzieren sich die Logistikkosten im „Deliver“ ohne weiteres Zutun automatisch. Bei der Dekomposition von tiefen Logistikkosten im „Deliver“ (FR-CD) wird zwischen Kosten im Zusammenhang mit dem Material-, Informationsfluss, den Managementprozessen und der Lagerhaltung unterschieden; vgl. Abb. 66.

Abb. 66 Dekomposition der Logistikkosten im „Deliver“ (FR-CD)

3.2 Die SCVD im Detail

167

• DP-CD: Tiefe Logistikkosten im „Deliver“ können erzielt werden, indem Verschwendung eliminiert wird, d. h. unnötige Logistikkosten reduziert werden (DP-CD). Potenziale zu Kostensenkung können den Materialfluss-, Informationsfluss- und Managementprozessen (Vertriebsmanagement) sowie der Bevorratung zugeordnet werden (FR-CD1, FR-CD2, FR-CD3 bzw. FR-CD4). • DP-CD1: Logistikkosten im Zusammenhang mit Materialflussprozessen können durch Ausschöpfung von Rationalisierungspotenzialen gesenkt werden, wobei drei Gestaltungsschwerpunkte identifiziert werden können: Materialflussbeziehungen (FR-CD11), Materialversorgung (FR-CD12) sowie Transport (FR-CD13). Generell können diese Aktivitäten durch die Auslagerung zu Logistikdienstleistern (3PL, 4PL) rationalisiert werden, die dank Skaleneffekten kostengünstige Lösungen anbieten können. • DP-CD11: Logistikkosten im Zusammenhang mit Materialflussbeziehungen können durch die Neugestaltung des Materialflusslayouts reduziert werden, wenn dadurch kürzere Wege und weniger Handhabung erreicht werden können. Dazu können geeignete Materialflusssysteme (Fördertechnik) eingesetzt werden. Auch hier kann die Segmentierung zur Güterflussorientierung angewandt werden. • DP-CD12: Eine Neugestaltung der Materialversorgung kann dazu beitragen, die Logistikkosten zu senken. Im „Deliver“ betrifft dies in erster Linie das Lagermanagement bzw. die Materialbereitstellung für den Transport, d. h. Kommissionierung, Konfektionierung, Verpackung und Versand bzw. Spedition. Durch eine differenzierte Materialbereitstellung und -bewirtschaftung (beispielsweise nach Wertigkeit, Bedarfsschwankungen, Größe, ABC-/XYZ-Kategorien etc.) kann die Materialhandhabung rationalisiert werden. Für die Art der Kommissionierung stehen verschiedene Strategien zur Auswahl: auftragsorientierte bzw. einstufige und artikelorientierte Kommissionierung kombiniert mit sequentieller oder paralleler Kommissionierung sowie zentraler oder dezentraler Bereitstellung. Kommissioniersysteme können zur Unterstützung bzw. teilweisen bis vollständigen Automatisierung des Kommissionierens eingesetzt werden. Die Verpackung hat verschiedene Funktionen zu erfüllen, wobei die Schutzfunktion die elementarste ist. Beim „Pick-and-Pack“-Prinzip erfolgt die Verpackung während des Kommissioniervorgangs. Durch die Optimierung des Verpackungssystems, welche aus dem Packgut, der Verpackung bzw. dem Packstoff und dem Verpackungsprozess besteht, können Kosten eingespart werden. Dazu können auch Behälterkonzepte eingesetzt werden, bei denen Liefereinheiten mit Transport- und Lagereinheiten in Produktion und Distribution sowie beim

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

Kunden kompatibel oder sogar identisch sind. Ein weiterer Gestaltungsbereich ist die Ladungsbildung bzw. Beladung. Zur Effizienzsteigerung trägt auch Cross Docking bei: Im Distributionslager sind Anlieferung und Auslieferung zeitlich so synchronisiert, dass nur noch umkommissioniert und umgeladen werden muss (keine Ein- und Auslagerung). Zudem können Identifikationstechnologien wie Barcodes, Scanner und Transponder die Effizienz steigern. • DP-CD13: Logistikkosten infolge des Transports können durch die Transportoptimierung reduziert werden. Optimiert werden können Transportnetze, Transportwege und -mittel, Touren und die Stauraumausnutzung. Hier bieten sich wiederum spezialisierte Logistikdienstleister an. Mit Konzepten des Logistik-Pooling können Transportmittel (und auch Lagerinfrastruktur) unternehmensübergreifend geplant und optimiert werden, so dass Kosten eingespart werden können. • DP-CD2: Um das Rationalisierungspotenzial von Informationsflussprozessen auszuschöpfen, müssen die Kosten für die Auftragsbestätigung und -abwicklung tief gehalten werden. Dies kann durch den Einsatz von Systemen, die durch Informationstechnologie gestützt werden, erfolgen. Hier kann einerseits die Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (Order Promising) zur Bestimmung des Liefertermins zugeordnet werden. Andererseits kann durch die elektronische Anbindung von Kunden der Informationsaustausch effizienter gestaltet werden. Mit e-Fulfillment kann die Erfüllung und Abwicklung von Kundenaufträgen auf effiziente Art und Weise elektronisch unterstützt werden. Weiter können die Ausführungen bei DP-CM21 über Änderungen des Steuerungskonzepts und der Prognose- und Planungssystematik übertragen werden, um Kosten infolge der Prognose, Planung und Steuerung einzusparen. Weiter können Auftragsabwicklungskosten durch Konfiguratoren komplexer Produkte und deren Validierung tief gehalten werden, beispielsweise durch Produktkonfiguratoren auf dem Internet oder in den Händen der Verkaufsberater. Eine weitere probate Maßnahme sind durch Informationstechnologie gestützte Systeme zur Bezahlung bzw. Zahlungsabwicklung. • DP-CD3: Kosten im Zusammenhang mit Managementprozessen im „Deliver“ (Vertriebsmanagement) können durch die Reorganisation der Distribution und durch Monitoring und Controlling gesenkt werden. Mithilfe von Monitoring und Controlling können Bestände, Engpasssituationen, Störungen und Kennzahlen wie beispielsweise Lieferbereitschaft, Liefertreue, Durchlaufzeiten etc. in der Distribution überwacht, verfolgt und gesteuert werden. Beim Transport kann

3.2 Die SCVD im Detail

169

beispielsweise eine Transportüberwachung (Wegeverfolgung der Transporteinheiten, Verkehrsüberwachung, Staukontrolle sowie Erfassung und Auswertung von Störungen) eingeführt und durch Satellitennavigationssysteme wie das „global positioning system“ (GPS) gestützt und durch Transponder für Tracking & Tracing zur Abfrage des genauen Standorts von Lieferungen ergänzt werden. Die Organisation der Distribution bezieht sich auf das Vertriebssystem bzw. auf die Vertriebsstruktur. Hier kann ein zentrales Vertriebssystem, bei welchem die Kunden von einem oder wenigen Lagerhäusern beliefert werden, von einem dezentralen unterschieden werden, wo mehrere Lagerhäuser in der Nähe der Kunden platziert sind. Dabei ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten in der Anzahl Stufen, Anzahl Lagerhäuser je Stufe und der jeweiligen Standorte und Liefergebiete. Wiederum können diese Aspekte zu spezialisierten Logistikdienstleistern ausgelagert werden. Ebenfalls können hier Systeme zum Management der Kundenbeziehungen (CRM) eingeordnet werden. • DP-CD4: Kosten im Zusammenhang mit Bevorratungsprozessen können durch die Minimierung der Obsoleszenzkosten, welche das Entwertungsrisiko (technisches Veralten, Verderb, Beschädigung oder Zerstörung) widerspiegeln, gesenkt werden. (Die Kapitalbindung ist bei den Investitionen bei DP-AD1 berücksichtigt.) Die Ausführungen bei DP-CS4 lassen sich auf „Deliver“ übertragen: ein adäquates Bestandsmanagement (für angemessene Bestände), das Entnahmeprinzip (beispielsweise „first in first out“), eine geeignete Lagerinfrastruktur sowie nachfrageorientierte Lagerbewirtschaftungs- und Lagernachfüllungskonzepte. 3.2.7.5 Schlussbemerkung zu den operationellen Kosten Logistikkosten resultieren aus Qualität (DP-Q), Lieferzuverlässigkeit (DP-R), Lieferdurchlaufzeiten (DP-L), Flexibilität (DP-F) und Investitionen (DP-A). Wenn diese Zielbereiche optimiert sind, können die operationellen Kosten (FR-C) durch die Erschließung von Rationalisierungspotenzialen bei den Logistikkosten optimiert werden. Dazu können im „Source“, „Make“ und „Deliver“ jeweils Potenziale bei den Materialfluss-, Informationsfluss-, Management- und Bevorratungsprozessen identifiziert werden. Zahlreiche Maßnahmen, die im Sinne der Implementierungsreihenfolge vorgelagert sind, tragen zu tiefen Kosten bei bzw. schaffen die Voraussetzung für Kostensenkungen, beispielsweise die Güterflussorientierung. Im Kostenast der SCVD ergibt sich keine Implementierungsreihenfolge.

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Quellen und weiterführende Literatur Einleitung und Überblick strategisches SCM (Abs. 3.1.1, 3.1.2) Ferdows, K.; De Meyer, A.: Lasting improvements in the manufacturing performance – In search of a new theory. In: Journal of Operations Management, 1990, Vol. 9, No. 2, pp. 168–184. Filippini, R.; Forza, C.; Vinelli, A.: Trade-off and compatibility between performance indicators: definitions and empirical evidence. In: International Journal of Production Research, 1998, Vol. 36, No. 12, pp. 3379–3406. Ohno, T.: Toyota production system – beyond large scale production. Cambridge (MA): Productivity Press, 1988. Pfohl, H.-Chr.: Logistikmanagement – Konzeption und Funktionen. 2., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2004. Pfohl, H.-Chr.: Logistiksysteme – betriebswirtschaftliche Grundlagen. 7., korr. u. aktual. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2004. Schnetzler, M.J.: Kohärente Strategien im Supply Chain Management – eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply ChainStrategien. Dissertation ETH Zürich, 2005. Schnetzler, M.J; Sennheiser, A.; Schönsleben, P.: A decomposition-based approach for the development of a supply chain strategy. International Journal of Production Economics, 2007, Vol. 105, pp. 21−42.

sowie in Kapitel 2 angegebene Literatur zum Thema Wertorientierung

Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Investitionen und operationelle Kosten (im Überblick) (Abs. 3.1.3, 3.1.4, 3.1.5, 3.1.6, 3.1.7, 3.1.8) Boutellier, R.; Wagner, S.M.; Wehrli, H.P.: Handbuch Beschaffung – Strategien, Methoden, Konzepte. München (etc.): Hanser, 2003. Buzzell, R.D.; Gale, B.T.: Das PIMS-Programm – Strategien und Unternehmenserfolg. Wiesbaden: Gabler, 1989. Hadamitzky, M.C.: Analyse und Erfolgsbeurteilung logistischer Reorganisationen. Wiesbaden: Gabler, 1995. Nyhuis, P.; Wiendahl, H.-P.: Logistische Kennlinien: Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen. 2., erw. u. neubearb. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2003. Ohno, T.: Toyota production system – beyond large scale production. Cambridge (MA): Productivity Press, 1988. Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007.

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3 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD)

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4

Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Was du nicht messen kannst, kannst du nicht lenken. Peter Drucker

Performance Management als Begriff und als systematische Verbesserungsmethodik von betrieblicher Leistung ist heute in den meisten Unternehmen noch unterentwickelt, obgleich jedes Unternehmen zumindest einzelne Aspekte davon etabliert hat. Am weitesten verbreitet sind Kennzahlensysteme, eine notwendige Voraussetzung für effizientes Performance Management, aber längst nicht hinreichend. Es mangelt weniger an der Transparenz über Leistungs- oder Kostendaten, sondern vielmehr an einem strukturierten Ansatz, aus dem Erkenntnisgewinn auch konkrete Maßnahmen abzuleiten und Verbesserungen herbeizuführen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich meist zwei recht polarisierend wirkende Gruppen von Menschen das Leben gegenseitig schwer machen und das Unternehmen bremsen. Die erste Gruppe – nennen wir sie „Analytiker“ – vertritt die Meinung, dass es fahrlässig wäre, ohne umfassende Analyse zur Umsetzung zu schreiten. Ohne hieb- und stichfeste Beweise lassen sich diese Personen auch selten zu einer Aussage drängen und die eigene Einschätzung einer Situation hängt von der Beweislage des Datenmaterials ab. Hier ist eine berechtigte Sorge, dass im schlimmsten Fall die Analyse derart viel Zeit beansprucht, dass sich die Bedingungen schon geändert haben, bevor etwas belegt wurde. Ebenso ist der Blick in die Vergangenheit – was zwangsläufig bei der Datenanalyse der Fall ist – nicht immer repräsentativ für die Zukunft. Die zweite Gruppe von Menschen, die „Aktionisten“, trifft man häufig mit Sprüchen wie „Analysis = Paralysis“ (Analyse = Lähmung) auf der Zunge. Bei ihnen steht die Umsetzung an erster Stelle, wenn auch nicht immer sicher ist in welche Richtung es gehen soll, gelaufen werden muss! Im Spannungsfeld dieser beiden Lager muss das Unternehmen Mitarbeiter haben, die beide

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Seiten zusammenführen können und die Vorteile beider Ansätze kombinieren, um die gegenseitige Blockade aufzulösen. Etwas weiter hinten in diesem Kapitel werden wir zeigen, dass es beide Qualitäten braucht, um ein Unternehmen langfristig und kontinuierlich zu verbessern, erfahrungsgemäß können wir aber feststellen, dass der Analyseaspekt des Performance Managements wesentlich stärker vertreten ist als der Umsetzungsaspekt und bei den meisten Unternehmen Nachholbedarf in der Realisierung von Lösungen zu bereits längst erkannten Problemen herrscht.

4.1

Einführung

Monitoring heißt „Dauerbeobachtung eines bestimmten Systems“. Supply Chain Monitoring ist somit „das systematische Überwachen und Verfolgen von Systemzuständen (Bedarfe, Bestände und Engpasssituationen etc.) und Ereignissen (Auftragsfortschritte etc.) der Supply Chain über mehrere Stufen. Dabei werden oft Visualisierungstechniken eingesetzt. Supply Chain Monitoring erlaubt es, Soll-Zustände zu definieren und bei abweichenden Ist-Werten frühzeitig einzugreifen“. Supply Chain Monitoring nutzt demzufolge nicht nur Kennzahlen, sondern erfasst auch Systemzustände. Der Schwerpunkt ist dabei die Datenerfassung und teilweise Aufbereitung. Während beim Monitoring die Beobachtungs- bzw. Kontrollfunktion im Vordergrund steht, ist es beim Controlling die Steuerungsfunktion: Unter Controlling allgemein wird die „Teilfunktion der Unternehmensführung verstanden, die zur Steuerung des Unternehmens Planungs-, Kontroll- und Koordinationsaufgaben wahrnimmt, um die betrieblichen Entscheidungen mit den notwendigen Informationen zu versorgen“. Das Supply Chain Controlling „umfasst die Überwachung und Bewertung der erbrachten Leistung auf der Ebene der Supply Chain (Kontrollaspekt, Monitoring), um zielorientiert Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten und somit die Leistung zu steigern (Steuerungsaspekt). Damit soll die lokale Optimierung von Teilen der Supply Chain verhindert und die Leistung der Supply Chain insgesamt optimiert werden“ und dient damit der Rationalitätssicherung und Zielausrichtung mithilfe von Ist-SollVergleichen anhand von Kennzahlen. So kommt dem Supply Chain Controlling zur Unterstützung und Durchsetzung von SCM eine Schlüsselrolle zu. In den letzten Jahren wurde Supply Chain Controlling konzeptionell stark weiterentwickelt, auch Monitoring machte nicht zuletzt aufgrund

4.1 Einführung

183

der Möglichkeiten der Informationstechnologie und Softwarestützung große Fortschritte. Gemäß einer Studie haben mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen Monitoring bereits umgesetzt oder es ist in näherer Zukunft geplant. Das Supply Chain Controlling ist hauptsächlich in der Prozessüberwachung und -steuerung, Kostenüberwachung sowie in der Lieferantenevaluation und -auswahl im Einsatz. Wir wollen uns an dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass wir in diesem Buch die Leistungsfähigkeit des SCM eines Unternehmens behandeln. Der erste Schritt ist daher festzustellen, welche, von der Logistik beeinflussbare Leistung, am Kunden erbracht werden muss, um die Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen. Die Grundzüge des Performance Managements und Measurement und die Frage, welche Ergebnisse als Leistung interpretiert werden zeigen klar die Handschrift von Personen mit finanziellem Fokus. Die ist kein Kritikpunkt, soll doch auch unseres Erachtens das Erwirtschaften von Gewinn zur Sicherung des Fortbestands des Unternehmens nach wie vor als oberstes Ziel einer Firma gültig sein. Nichtsdestoweniger macht es die Frage, wie dieses oberste Ziel erreicht wird nötig, weitere Ziele auf operationeller Stufe zu identifizieren. Bis heute ist das wohl bekannteste finanzielle Zielsystem das 1919 erstellte DuPont Schema des gleichnamigen Unternehmens, welches zur Entscheidungshilfe für Investitionsentscheide erstellt wurde. Zur Beurteilung eines Unternehmens aufgrund von Angaben aus dem Geschäftsbericht ist diese Sicht sicherlich ausreichend. Um die gesamte Leistungsfähigkeit, oder besser die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beurteilen zu können, sind hingegen weitere Aspekte zu durchleuchten. Die Entstehung des mehrdimensionalen Performance Management hat Fragen wie „Was ist Leistung“ oder „Wie kann Leistung auf tiefere, operationelle Stufen heruntergebrochen werden?“, oder „Wie können wir Leistung messen?“ aufgeworfen. In der Literatur ist eine Vielzahl von zum Teil großzügig überlappenden obgleich unterschiedlich benannten Leistungskategorien zu finden. Insbesondere für den Bereich der Logistik finden sich in fast allen Definitionen die Zielbereiche Qualität, Kosten, Lieferung und Flexibilität. Von Bedeutung ist in den meisten Definitionen, dass Leistung kontextabhängig gesehen wird: Es wird explizit darauf hingewiesen, dass Leistung immer in einem Unternehmensumfeld gesehen werden muss. Für die Lieferung eines kundenspezifischen Automobils z. B. ist eine Lieferzeit von zwei Wochen absolute Weltspitze, während die Lieferung von lebensnotwendigen Medikamenten im Bereich von Stunden liegen muss, um wettbewerbsfähig zu sein. Es sind somit produkt-, produktions- und marktspezifische Gegebenheiten mit einzubeziehen, wenn wir die Leistung einer Unternehmenslogistik bewerten wollen. Grundsätzlich

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

beschränkt sich dieses Buch in der Behandlung von Leistungskategorien auf die eingangs genannten logistischen Zielbereiche der Qualität, Lieferung, Flexibilität, und Kosten. Die logistische Qualität als Zielfunktion kann auch als Reproduzierbarkeit einer kundengerechten Qualitätsstufe bezeichnet werden. Das Produkt sowie der Prozess zu dessen Herstellung müssen somit den Erwartungen des Kunden entsprechen. Schäden am Produkt, verspätete Lieferung, Lieferungen mit fehlender Dokumentation etc. sind Ausdruck mangelnder Logistikqualität. Nicht alle der oben erwähnten Faktoren sind im Einflussbereich des produzierenden Unternehmens (z. B. Transport), es ist somit von größter Wichtigkeit, bei der Partnerauswahl auf deren Fähigkeit, kundengerechte Qualität zu erbringen, zu achten. Lieferzeit/Durchlaufzeit betrifft die Fähigkeit, ein Produkt in kurzer, bzw. erwartungsgerechter Zeit dem Kunden zur Verfügung stellen zu können. Eine flexible Produktion zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass eine große Anzahl Varianten über die gleichen Fertigungsanlagen produziert werden können. (Qualitative Flexibilität) Zum anderen umfasst es die Fähigkeit, in Zeiten starken Wachstums einen höheren Ausbringung zu realisieren und bei schwacher Nachfrage die Produktion zu drosseln ohne die Wirtschaftlichkeit zu verlieren. (Quantitative Flexibilität) Die operationellen Kosten als letzter Zielbereich können als vom Markt gegebene Restriktion hinsichtlich der Zielerreichung der anderen Zielbereiche gelten. In anderen Worten: Mit uneingeschränkten finanziellen Ressourcen sind die oben erwähnten Ziele nur theoretisch in Konflikt. Diese Einsicht basiert darauf, dass z. B. sehr hohe Qualität bei gleichzeitiger einmaliger Individualität nicht zwangsläufig eine längere Lieferfrist bedeuten, solange Kosten fast keine Rolle spielen, wie in der Formel 1 eindrücklich zu sehen ist. Unter realen Marktbedingungen sind aber selbstverständlich diese Restriktionen vorhanden und führen in jedem Fall zu Kompromissen. Man muss somit im SCM sicherstellen, dass die gewünschten Kundenanforderungen der ersten drei Zielgrößen zu wettbewerbsfähigen Kosten erfüllt werden können. Leistungsorientierung des SCM: Performance Management soll Leistung im Unternehmen in einem gewünschten Bereich sicherstellen. Wie eingangs schon erwähnt, muss hinter einer Leistung immer die Zweckmäßigkeit für ein höheres Ziel stehen. Eine unternehmerische Leistung ist somit nur dann von Nutzen, wenn dies direkt oder indirekt auf ein Ziel hinführt, für dessen Erfüllung ein Kunde zu zahlen bereit ist. Außerhalb dieser Richtlinie gibt es beliebig viele Leistungen, welche zum Teil beeindruckend sein mögen, dem

4.1 Einführung

185

Fortbestand des Unternehmens aber neutral oder sogar abträglich sind. Die Firma Carrera beispielsweise warb damit, Sonnenbrillen mit einer garantierten Beschichtungshaltbarkeit von 12 Jahren zu produzieren. Dieses Unternehmen musste mit seiner Existenz dafür bezahlen, dass sie eine hervorragende Leistung erbringen wollte, für die niemand bereit war zu zahlen. Diese technokratische Sicht, die mehr die eigene Leistungsfähigkeit in einer bestimmten Hinsicht herausstellt als auf Kundenwünsche einzugehen, muss als klar geschäftsschädigend angesehen werden. Sie stammt fast immer aus einer Zeit, in der ein Verkäufermarkt geherrscht hat und Kunden keine Grundlage hatten, weitergehende Forderungen zu stellen. Es ist für ein Unternehmen von größter Bedeutung klar festzustellen, wofür eine Leistung erbracht wird. Wenn es sich direkt um ein vom Kunden wahrgenommenes Produktmerkmal handelt, wie eine sehr schnelle Lieferung, so ist dies zweifellos schnell erklärt. Weitaus häufiger sind Teilleistungen, welche letztlich nur Zuarbeiten für die nach außen sichtbare Leistung sind. Die im letzten Kapitel ausführlich dargestellte SCVD hat sich als probates Mittel für die konsistente Ableitung von Unterzielen aus höchsten Geschäftszielen erwiesen. Es ist somit möglich, operationelle Bereiche, in denen eine Leistung erbracht werden kann, zu identifizieren. Da die SCVD bisher aber ausschließlich Ziele und Mittel enthält, bietet sie keinerlei Anhaltspunkte, wie eine Leistung auch messbar gemacht werden kann. Leistung kann aber nur dann in einem gewünschten Rahmen sichergestellt werden, wenn erstens eine Messgröße zur qualitativen oder quantitativen Beurteilung der Leistung existiert und zweitens Klarheit über einen wünschenswerten Wert besteht. Diese Messgrößen werden Kennzahlen genannt und im kommenden Abschnitt ausführlich besprochen. Um dem Thema dieses Kapitels gerecht zu werden, müssen wir nun das Management zur Performance hinzufügen. Einen Wert in einem geforderten Toleranzbereich zu halten erfordert abstrakt gesehen immer einen Regelkreis, welcher schneller reagieren kann als eine signifikante Variation des Wertes ist. Im operationellen Performance Management stellen wir uns also nicht mehr die Frage, ob wir das Richtige messen, sondern lediglich, ob wir richtig messen und was zu tun ist, wenn ein Messwert außerhalb der tolerierbaren Grenzen ist. Vergleichbare Regelkreise findet man in der Literatur unter dem Stichwort des Qualitätsmanagements. In beiden Fällen geht es grundsätzlich darum, Ziele zu definieren, Abweichungen von diesen zu identifizieren, Gegenmaßnahmen einzuleiten und das Erreichte wieder zu messen und mit den Erwartungen zu vergleichen. Deming hat diesen Zyklus wie folgt definiert.

186

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 67 Zyklus des Performance Managements (angelehnt an Demings Qualitätskreislauf)

Der Deming Kreis ist ebenfalls geeignet, logistische Leistung zu überwachen und sicherzustellen, insbesondere da Qualität auch eine Facette von logistischer Leistung ist. Um sich ein klareres Bild zu verschaffen, woraus Performance Management besteht, kann also dieser Ansatz verfeinert werden. In Abhängigkeit des Zeithorizontes, der zu definierenden Maßnahmen und der Dimension der Änderungen wird zwischen normativem, strategischem und operationellem Performance Management unterschieden. In jedem Fall wird ein Zyklus unterschiedlicher Schritte durchlaufen, wie in der unten stehenden Abbildung illustriert ist. Die Abgrenzung von operationellem Supply Chain Controlling zu strategischen Betrachtungen sowie normative Aspekte werden in Abs. 4.4 und folgenden konkretisiert, während zunächst der operationelle Zyklus näher angeschaut werden soll.

Abb. 68 Verschiedene Zeithorizonte des Performance Managements: strategisches und operationelles Supply Chain Controlling

4.1 Einführung

187

Abb. 69 Regelkreis des operationellen Performance Management

Um die erste Schleife des operationellen SCM mit Leben zu füllen, müssen konkrete Maßnahmen für das Controlling operationeller Leistungs- und Kostenziele definiert werden. Zunächst müssen wir uns ein Bild von diesem Regelkreis verschaffen und konkretisieren, indem dieser als Kreislauf von Prozesselementen verstanden wird. Dieser Kreislauf ist wie folgt strukturiert (Abb. 69). Die vier Schritte sind wie folgt unterteilt: Performance Planning wird als die Definition von Zielen verstanden. Hier wird das Ausmaß der logistischen Leistungsfähigkeit, welches ein Unternehmen zum sicheren Fortbestand sicherstellen muss, definiert. Konsequenterweise müssen höhere Ziele in operationellen heruntergebrochen werden und zu deren Messbarkeit Kennzahlen zu jedem Ziel zugeordnet werden. Es darf also nicht eine von strategischen Zielen losgelöste Definition von operationellen Kennzahlen sein, sondern es sollte ein direkte Ableitung von ersteren existieren. Nur so ist es Mitarbeitern möglich, die SCM Ziele zu akzeptieren und deren Einfluss auf höhere Unternehmensziele zu verstehen. Die Planungsphase ist somit die wichtigste im gesamten Zyklus, da diese die Akzeptanz und damit letztlich auch die Einhaltung im Unternehmen maßgeblich beeinflusst. Mündige Mitarbeiter sind längst nicht mehr bereit, vordefinierte, unverständliche Ziele zu akzeptieren, sie fordern Transparenz und Sinnhaftigkeit.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Performance Measurement stellt die Sammlung von Daten und die Messung von Prozesszuständen zur statistischen Auswertung (Regressionskurven, Zeitreihen, Lineare Extrapolation etc.) oder Zustandsberichten sicher. Dabei sind die folgenden Punkte von größter Wichtigkeit: • Unmissverständliche Definition der Kennzahlen • Klare Identifizierung der Messpunkte • Klare Definition der Messfrequenz Performance Assessment dient der Identifizierung von Abweichungen der Messwerte von ursprünglich festgesetzten Soll-Werten. Des weiteren werden die Ursachen für das schlechtere Abschneiden eruiert und erste Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. Performance Improvement setzt konkret maßgeschneiderte Gegenmaßnahmen um. Diese zielen auf die Behebung der identifizierten Abweichungen, um den fraglichen Leistungswert wieder in die gewünschte Toleranz zu bringen. Die isolierte Darstellung, wie sie hier scheinbar verfolgt wird, muss mit großer Vorsicht interpretiert werden. Einzeloptimierungen sind bei logistischen Systemen nur selten möglich und mit Maßnahmen zur Veränderung einer Kennzahl gehen oftmals Veränderungen an anderer Stelle, wie in der SCVD gezeigt wurde, mit ein. Performance Reward stellt die sichere Verteilung von erzieltem Nutzen im Fall von Zugeständnissen an anderer Stelle sicher. Dieser Aspekt wird in diesem Buch nicht weiter betrachtet. Im folgenden Abschnitt werden Maßnahmen zur operationellen Überwachung vorgestellt. Zum einen wird die weiter oben vorgestellte SCVD vervollständigt und dabei Aspekte des operationellen Performance Management in Form von Kennzahlen mit berücksichtigt. Weiter ist das Benchmarking als Positionierungshilfe und Treiber kontinuierlicher Verbesserungen von besonderer Bedeutung.

4.2

Kennzahlen im operationellen Performance Management

Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich ein Individuum danach verhält, wie es gemessen wird. Konsequenterweise bedeutet dies, dass die Auswahl von Kennzahlen, welche zur Leistungsmessung von Personen, Abteilungen oder Business Units herangezogen werden, die Ziele des Handelns weitgehend festlegen. Dies steht keineswegs im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Ziele, zu deren Messung die Kennzahlen definiert wurden, transparent hinsichtlich ihres Einflusses auf den Unter-

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

189

nehmenserfolg sein müssen. Positiv an dem Verhalten der Mitarbeiter ist, dass somit ein sehr effektives Steuerungsmittel über Kennzahlen gegeben ist. Unter dem Begriff „Führen nach Zahlen“ sind allerdings auch Auswüchse bekannt, wo sich das Management auf die Auswertung von Zahlen beschränkt und die Menschen in den Hintergrund treten. Wir wollen in diesem Buch diesen Missbrauch von Kennzahlen nicht anprangern, sondern eher die positive Kraft, welche zweifelsohne von Kennzahlen als Motivator zur Zielerreichung ausgeht, darlegen. Einen Exkurs in die Arbeitspsychologie wollen wir hier allerdings vermeiden und auf die einschlägige Fachliteratur verweisen. Es ist jedoch nicht zu verleugnen, dass die Anwendung von Kennzahlen als Zielmessung über verschiedenen Management Ebenen auch Gefahren mit sich bringen kann. Diese Gefahr liegt in der ureigenen Tatsache, dass in einem Unternehmen divergierende Ziele herrschen. So sind manche Beschaffungsaktivitäten, die auf Kostenreduktion hinzielen, der Qualität oder der Lieferantenflexibilität abträglich, was sich aber häufig erst im operationellen Betrieb zeigt. Ebenso häufig ist eine vorherrschende Optimierung der Auslastung von Produktionsressourcen der effizienten Lagerung und Distribution abträglich, da bestimmte rüstkostenintensive Produkte nur recht selten und dann in sehr großen Losen produziert werden. In diesen Fällen ist es also von größter Bedeutung, die zum Teil systeminhärenten Zielkonflikte nicht mit einer schlechten Auswahl von Kennzahlen zu verstärken. Um Kennzahlen zu einem geeigneten Führungsinstrument zu machen, müssen sie eine konsistente Abbildung der Unternehmensziele sein und ggf. Zielkonflikte auch mit berücksichtigen. Besondere Beachtung muss also Situationen geschenkt werden, wo zwei Personen, die operationell zusammenarbeiten müssen, gegenläufige Ziele haben. Obgleich es nicht immer möglich ist zu verlangen, dass jede Person im Unternehmen erkennt, wie ihr Tun einen positiven Einfluss auf die höchsten Unternehmensziele hat, so muss es dennoch für jedermann möglich sein eine Verbindung zwischen Zielen auf einer Ebene zur nächst höheren zu verstehen. Diese Forderung angewandt auf die Zuordnung von Kennzahlen bedeutet, dass ein jeder erkennen kann, dass die Kennzahlen in seiner Verantwortung einen Einfluss auf übergeordnete Leistung hat. Häufig wird irreführender Weise der Ausdruck Leistungskennzahl für eine Vielzahl unterschiedlicher betrieblicher Kennzahlen verwandt; die Folge sind vielerlei Missverständnisse bei der Interpretation der Zahlen. Es ist uns daher aus Gründen der Eindeutigkeit und Verständlichkeit daran gelegen, die folgende Unterscheidung zu treffen.

190

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

• Kennwerte sind qualitative oder quantitative Beschreibungen eines Zustandes. Es sind jene Zahlen oder Beschreibungsmerkmale, welche die Eckdaten (auch Leistungsdaten) eines Systems beschreiben. Kennwerte sind somit eine allgemeine Form der systematischen Beschreibung durch Parameter. Eine Differenzierung von Kennwerten in quantitative Kennzahlen und qualitative Merkmale trennt die zahlenmäßige Betrachtung von der qualitativ beschreibenden. Im operationellen Management werden überwiegend Kennzahlen ausgewertet und betrachtet, weshalb wir uns in diesem Kapitel darauf fokussieren wollen. • Kennzahlen sind Zahlen, welche eine quantitative Tatsache oder einen Zustand eines Produktionssystems widerspiegeln. Leistungskennzahlen sind eine Untermenge von Kennzahlen. Eine Kennzahl wird zur Klasse der Leistungskennzahlen zugeordnet, wenn ihr quantitativer Wert eine Aussage über die Wettbewerbsfähigkeit des Systems erlaubt. Kostenkennzahlen sind somit sicherlich nicht als Leistungskennzahlen zu verstehen, da nur indirekt über die mit den aufgewendeten Kosten erbrachte Leistung eine Aussage über die Wettbewerbsfähigkeit gemacht werden kann. Die Vermeidung von Kosten ist somit auch nicht als Erhöhung der Leistung eines Systems zu verstehen, sondern nur als Erhöhung der Effizienz, wenn die Leistung beibehalten werden kann. Zusammenfassend kann man also feststellen, dass Leistungskennzahlen einen vom Kunden wahrnehmbaren Output messen, ihr Wert also die Kaufentscheidung beeinflusst. Mit dieser Definition soll keineswegs unterstellt werden, innerbetriebliche Prozesse, deren Leistung nicht direkt vom Kunden wahrgenommen wird, seien weniger wichtig. Im Gegenteil: Die nach außen sichtbaren Leistungsmerkmale eines Unternehmens sind ja gerade die Konsequenz der innerbetrieblichen Leistung. Kein Unternehmen wird in der Lage sein, dem Kunden ein fehlerfreies Produkt zu günstigen Kosten anbieten zu können, wenn die internen Prozesse großen Qualitätsschwankungen unterworfen sind. Kennzahlen, welche zur Messung der innerbetrieblichen Fähigkeiten herangezogen werden, werden daher Leistungstreiber genannt. Sie treiben die nach außen sichtbare Leistung eines Unternehmens an und sind eine notwendige Vorbedingung für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. In der Regel ist es wesentlich einfacher Leistungskennzahlen zu identifizieren als die dazugehörigen korrekten Leistungstreiber, da die Ursache hinterfragt werden muss und somit vorerst komplexe Zusammenhänge zu verstehen sind. Dies kann an einem kleinen Beispiel veranschaulicht werden.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

191

Eine Person, welche zu einem Treffen verabredet ist möchte wissen, ob sie pünktlich ist. Ein kurzer Vergleich der Uhrzeit des Agendaeintrags mit der Uhrzeit der Ankunft schafft Klarheit und die Person weiß sofort, ob sie die Leistung erbracht hat – also pünktlich war – oder nicht. Die Uhr als standardisiertes Messinstrument hilft dabei, die einfache Berechnung (Agendazeit – Ankunftszeit) durchzuführen. Wenn die Differenz im tolerablen Rahmen war, wird sich die Person nicht weiter fragen, warum sie es geschafft hat; wenn nicht, so sollte sie es tun! Nun sind die Leistungstreiber, welche die verspätete Ankunft verursacht haben, zu identifizieren. Dies sind sowohl im persönlichen Bereich, als auch in einem Produktionsauftrag in der Regel viele Kleinigkeiten, welche letztlich in der Summe zur Nichterfüllung der Anforderung führen. Während sich die Person nun vermutlich ohne weitere Analyse vornimmt, bei der

Abb. 70 Teufelskreis der Plandurchlaufzeitsverlängerung (in Anlehnung an Nyhuis und Wiendahl (2003) und Schönsleben (2007))

192

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 71 Hierarchische Dekomposition logistischer Kennwerte

nächsten Verabredung einfach früher loszugehen wäre dieses Verhalten bei einem Produktionsunternehmen fatal, wie das unten stehende Beispiel des Teufelskreises der Plandurchlaufzeitverlängerung zeigt. An diesem Kreislauf wird gezeigt, wie ein Problem – die schlechte Termintreue – durch eine Reihe von gut gemeinten Maßnahmen noch verstärkt wird. Es ist daher zwingend, die Leistungstreiber als Quelle von zukünftiger und aktueller Leistungsfähigkeit zu kennen und deren Einfluss auf die gesamte Leistung der Supply Chain zu kennen. Nur über die Leistungstreiber lässt sich erkennen, ob die Werte der Leistungskennzahlen auch in der Zukunft noch marktgerecht sind oder nicht. In der Regel sind Leistungstreiber nicht direkt vom Kunden spürbar, wenn ihr positiver Beitrag jedoch ausbleibt, wird sich diese Minderleistung langfristig auf die vom Kunden spürbaren Leistungskennzahlen auswirken. Abbildung 71 fasst die Unterscheidung schematisch zusammen. Für die Betrachtung von Kennwerten in Unternehmen ist weiter die Unterscheidung zwischen strukturellen Kennwerten (Determinanten), Marktkennzahlen und Kostenkennzahlen als Spezialisierung von Kennwerten von Bedeutung. Kostenkennzahlen und strukturelle Kennwerte sind zur Beschreibung des Unternehmens geeignet, während Marktkennzahlen die Umgebung und die daraus entstehenden Herausforderungen, auf die das Unternehmen reagieren muss, charakterisieren. Mit der obigen Definition drängt sich sofort die Frage nach einer gültigen Abgrenzung des Unternehmens und der entsprechenden Definition des Kunden auf. Mit gutem Grund wird ein unternehmerisch denkender Gruppenleiter die nächste bearbeitende Station als seinen Kunden empfinden und sich daran messen lassen wollen. Im Idealfall versteht sich also jede Person als Lieferant der nächsten Bearbeitungsstufe und als Kunde der vorhergehenden. Letztlich ist es also notwendig, eine eigene Abgrenzung zu finden und selbst zu definieren, welche Granulatität

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Abb. 72 Kennzahlen im unternehmerischen Umfeld

angemessen ist. Entscheidend ist dabei aber, dass sich jede Einheit darüber im Klaren ist, welche Leistung vom Kunden – wie auch immer der definiert sei – wahrgenommen wird und welche für das betrachtete System als innerbetrieblich anzusehen ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei Problemen Maßnahmen getroffen werden, welche die nach außen sichtbare Leistung möglichst konstant halten. So kann vermieden werden, dass zum durch die innerbetrieblichen Probleme verursachten Effizienzverlust auch noch Umsatzeinbussen durch schlechte Kundenperformance hinzukommen. Es ist das Wissen darüber, wie Mehrwert generiert wird, das den Unterschied zwischen dem Erzwingen von Ergebnissen und dem natürlichen Erbringen der guten Leistung ausmacht. Beispielhaft kann dies erkannt werden, wenn man das Aussortieren von guten Produkten nach einem schwankungsbehafteten Prozess mit dem stabilen Prozess vergleicht. In beiden Fällen ist nach außen die gleiche Leistung (Rate fehlerhaft ausgelieferter Produkte) sichtbar. Im ersten Fall ist sie aber aufgrund eines schlechteren Leistungstreibers (Ausschussrate des Produktionsprozesses) wesentlich ineffizienter und somit langfristig eine Gefahr für das Unternehmen. Um ein gemeinsames Verständnis der oben eingeführten Begriffe zu fördern, ist in der Abb. 72 die Wertkette in einem Unternehmen mit den verschiedenen Arten von Kennzahlen illustriert. Jeder Kennwert und jede Kennzahl sind somit dem Bereich, auf den sie Anwendung finden zugeordnet. Unternehmensinterne Kennwerte wie Kostenkennzahlen, Leistungstreiber und strukturelle Kennwerte finden sich somit in den drei Wertschöpfungsprozessen Beschaffung, Produktion und Distribution. Zahlen, welche das Gesicht des Unternehmens zum Kunden hin beschreiben, sind wie eingangs erwähnt Leistungskennzahlen. Wichtig ist zu erkennen, dass die drei innerbetrieblichen Kennwertarten eine Kopplung aufweisen. Leistungstreiber beeinflussen über die

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

strukturellen Kennwerte z. B. die Kosten. Konkret heißt das, dass beispielsweise bei einer geringen Auslastung der Maschinen der Maschinenstundensatz höher ausfällt und somit die Stückkosten steigen. Des Weiteren werden strukturelle Kennwerte gebraucht um zu beurteilen, ob eine Leistung im Rahmen der Umgebung als gut oder schlecht einzustufen ist. Insbesondere bei Kennzahlreihen über längere Zeitperioden sind Änderungen an strukturellen Kennwerten bei der Interpretation von Trends zu berücksichtigen. Letztlich ist an die oben beschriebene Kopplung zwischen dem Leistungstreiber und Leistungskennzahlen nochmals zu erinnern. Mit dieser engen Verbindung von scheinbar unterschiedlichen Arten von Kennwerten, Leistungstreibern oder Kostenkennzahlen drängt sich eine systematische Auswahl dieser Kennzahlen, welche die Beziehungen untereinander berücksichtigt, immer mehr auf. Ungeachtet dessen, dass Kennzahlen oder Kennwerte von strategischer Bedeutung und operationellen Kennzahlen oftmals grundlegend verschieden sind, haben Sie doch einige Gemeinsamkeiten, welche insbesondere bei der Definition oder Auswahl berücksichtigt werden müssen. Dies sind die folgenden Anforderungen: Validität

Die Kennzahl muss gültig sein zur Beurteilung der Leistung. Präzision Zwei Messungen zu unterschiedlichen Zeiten bei identischen Voraussetzungen müssen das gleiche Ergebnis liefern. Empfindlichkeit Leistungsänderungen müssen sich im Kennzahlwert widerspiegeln. Verständlichkeit Benutzer müssen die Komplexität der Kennzahl überschauen und die Berechnungsformel verstehen. Einfluss Die Einflussgrößen, welche die gemessene Leistung bestimmen, müssen justierbar sein. Messbarkeit Wenn möglich sollte die Kennzahl quantitativ sein. Auf jeden Fall muss eine allgemein akzeptierte Berechnungsformel gefunden werden. Messaufwand Ressourcen zur Erfassung der Kennzahl sollen minimiert werden. Die Notwendigkeit der Erfüllung dieser Anforderungen wird dadurch unterstützt, dass Kennzahlen oftmals von Mitarbeitenden aus den folgenden Gründen schlecht aufgenommen werden: • Unangemessener Messaufwand • Geringe Aussagekraft, geringer Informationsgehalt • Fehlende Transparenz bzw. Verständlichkeit der Ursache-Wirkungsbeziehungen der Kennzahl

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, wie die obigen Anforderungen an die Auswahl von Kennzahlen weitgehend erfüllt werden können. Dabei stehen klar operationelle, quantitativ messbare Kennzahlen im Vordergrund, da nur diese in einen schnellen reaktiven Regelkreis eingebunden werden können.

4.2.1

Auswahl von Kennzahlen im Unternehmen

Mit der Abbildung einer kohärenten Zielhierarchie in der SCVD haben wir ein Mittel zur Hand, welches genau die oben geforderte Aufgabe übernehmen kann. Mit der Zuordnung von Kennzahlen zur bestehenden Struktur wird die Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) somit vervollständigt. Die Auswahl von mehrstufig kohärenten Kennzahlen kann Hand in Hand mit der Auswahl von Zielprioritäten in der SCVD gehen. An dieser Stelle möchten wir einen Exkurs in die Praxis der Messung von Qualität wagen, welcher uns in der näheren Betrachtung von Kennzahlen nützlich erscheint. Es geht um die Tatsache, dass Qualitätskennzahlen fast ausschließlich Nicht-Qualität abbilden. Gute Qualität wird also als Absenz von Fehlern verstanden. Es wird also vorausgesetzt, dass, wenn alle vereinbarten Fehlerindikatoren grünes Licht zeigen, eine hohe Qualität produziert wird. Dies ist sicherlich intuitiv, birgt aber auch einige Gefahren, wie wir im Vergleich mit einem vollständig anderen Bereich darlegen wollen. Die Gesundheit eines Menschen wird auch weitgehend als Absenz von Krankheit definiert. Eine Person welche gefragt wird, ob sie gesund sei, wird selten damit beginnen, ihre physische Leistungsfähigkeit zu berichten, sondern eher ihre Gebrechen aufzählen, in der Annahme, die fragende Person könne daraus etwas über die Gesundheit ableiten. Dies ist richtig, solange es sich um erwartete Krankheiten handelt. Ein Arzt wird sicherlich verstehen, was eine bestimmte Krankheitsdiagnose über die Ernsthaftigkeit des Gesundheitsverlusts der Person bedeutet. Nur bei Spitzensportlern werden neben der Absenz von Krankheit Indikatoren für eine verminderte Leistungsfähigkeit zur Beurteilung der Gesundheit einer Person verwendet. Vergleichbar verhält es sich mit einem Produktionssystem und seiner Leistung. Die Absenz von Fehlerzuständen lässt zwar eine Aussage darüber zu, ob ein akutes Problem ergeben hat, schleichende Veränderungen, welche letztlich auch zu einer Minderleistung führen, jedoch nicht in einem Fehler per se gipfeln, sind nur schwer zu erfassen.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Die obige Diskussion legt daher nahe, dass es fahrlässig wäre abzuwarten, ob sich ein Ausnahmezustand einstellt, welcher zum Handeln zwingt. Vielmehr sind die eingangs diskutierten Leistungstreiber Frühindikatoren, welche verwendet werden können, sich anbahnende Probleme proaktiv zu bekämpfen, bevor sie sich auf die Leistungskennzahlen auswirken.

4.2.2

Erweiterung der SCVD

Um effizient zu beurteilen, zu welchem Grad ein Ziel erreicht wurde, muss also die SCVD um Kennzahlen und Kennwerten erweitert werden. Dabei wird sowohl für die „Leistungsseite“ (Dekomposition vom hohen Umsatz) als auch für die Kosten- und Investitionsseite ein Satz von Werten zugeordnet werden, welcher die Messung des Erfüllungsgrades der FRs erlaubt. In den folgenden sieben Abschnitten werden somit allen Teilästen der SCVD Kennzahlen oder Kennwerte zugeordnet. Dabei wurde in zwei Phasen vorgegangen, um eine umfassende Auswahl von wichtigen Kennzahlen zu garantieren. Im Top-down Ansatz wurde die Frage gestellt, welche Kennzahl am besten zur Messung des Erfüllungsgrades des jeweiligen Ziels (FR) geeignet ist. Zusätzlich wurden in einem zweiten Schritt „bottom up“ jene Kennzahlen identifiziert, welche als Leistungstreiber einen positiven Effekt auf den Wert der Zielerreichung haben. Im Anhang A ist eine knappe Definition der Kennzahlen gegeben. Für die ausführliche Diskussion jedes Einsatzzwecks und der Spezifika jeder Kennzahl sei auf die dort angegebene Originalquelle verwiesen. Die vorgeschlagenen Kennzahlen sollen keineswegs eine abschließende Sammlung sein, der nichts mehr hinzuzufügen ist, sie ist vielmehr eine ausgewogene Zusammenfassung zur Beurteilung der Leistungserreichung in der SCVD. In der konkreten Anwendung muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob es den Fokus auf einen oder wenige Zielbereiche legen will und somit auch die Anforderungen an die Messbarkeit erhöhen muss. Bei Ergänzungen oder Reduzierungen des Kennzahlenkataloges für einen konkreten Anwendungsfall ist aber die Ausgewogenheit zu erhalten, um die bereits erwähnten Zielkonflikte nicht einseitig zu messen.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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4.2.2.1 Umsatzkennzahlen in der SCVD Umsatz ist die wichtigste Vorbedingung für die Profitabilität eines Unternehmens. Die Messung des Umsatzes ist daher von großer Bedeutung. Dennoch ist der Umsatz immer nur eine resultierende Größe, aufgrund derer keinerlei konkrete Maßnahmen ergriffen werden können. Der Umsatz ist somit nur ein Indikator, wie gut in der Vergangenheit die umsatztreibenden Faktoren, welche den Kaufentscheid des Kunden beeinflussen, optimiert wurden. Es sind also jene Faktoren, welche wir beobachten müssen, um auch in Zukunft einen hohen Umsatz sicherzustellen. In der Abb. 73 sind diese Faktoren mit ihren Leistungskennzahlen und Leistungstreibern dargestellt. Hoher Umsatz: Gemäß der SCVD ist die Erhöhung der Kundenzufriedenheit die ausschlaggebende Komponente für eine Umsatzsteigerung. Konsequenterweise sind also die vom Kunden wahrgenommenen Leistungskennzahlen Lieferzuverlässigkeit, Lieferbereitschaftsgrad und perfekte Kundenlieferung dominierend. Des Weiteren sind die Leistungstreiber definiert, welche einen Einblick geben können, wie die Werte der Leistungskennzahlen realisiert werden. Die Lagerreichweite als Befähiger einer hohen Lieferbereitschaft und eine kurze Durchlaufzeit um Bestände gering zu halten, sind hierbei von Bedeutung. Hohe Lieferqualität: Sofern dem Kunden keine erwartungsgerechte Qualität angeboten wird, ist er nicht bereit, andere logistische Leistungen wie beispielsweise besonders schnelle Lieferung, als Mehrwert wahrzunehmen. Fehlfunktionen des Produkts oder Transportschäden werden unweigerlich zur Rücksendung des Produktes führen und den Austausch

Abb. 73 Kennzahlen im Umsatzast der SCVD

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

durch das produzierende Unternehmen erfordern. Man kann bei der Lieferqualität von einer Basisanforderung sprechen, welche sich kein Unternehmen zu vernachlässigen erlauben kann. Hohe Lieferzuverlässigkeit: Wenn die exakte Einhaltung eines zugesagten Liefertermins gefordert ist, soll die Lieferzuverlässigkeit als Leistungskennzahl zur Messung herangezogen werden. Um eine Aussage über die Größe der Abweichung machen zu können, muss zusätzlich die Lieferabweichung betrachtet werden. Unterstützende Faktoren, welche einen positiven Einfluss auf die obigen Leistungskennzahlen haben, sind Vorhersagegenauigkeit und Lagerabweichung. Letztere gibt Auskunft, ob und wie häufig ein Mindestbestand unterschritten wurde. Beide Leistungstreiber zeigen, ob die zugrunde liegenden Planungsprozesse akkurat und stabil sind. Auch in dieser Gruppe von Kennzahlen ist eine gegenseitige Abhängigkeit augenscheinlich. Eine hohe Vorhersagegenauigkeit erlaubt die präzise Planung und Einhaltung von Bestandsniveaus, was in letzter Konsequenz zu einer besseren Lieferzuverlässigkeit führt, da die Vorhergesagten Produkte zum Bedarfszeitpunkt lagerhaltig sind. Die Lieferzuverlässigkeit wird durch zahlreiche stochastisch schwankende Parameter in einem Unternehmen kompromittiert. Durch hohe Lagerbestände können die Prozesse entkoppelt werden und die Propagation der Schwankungen verhindert werden. Dies führt zwar zu einer besseren Kontinuität in der Produktion, resultiert aber in einer schlechteren Effizienz. Im Gegensatz dazu können störungsanfällige und inflexible Prozesse durch gezielte Absenkung von Beständen identifiziert werden, was allerdings die Gefahr von Lieferausfällen erhöht. Kurze Durchlaufzeiten: Kurze Durchlaufzeiten wirken sich in verschiedener Hinsicht positiv auf die logistische Effizienz aus. Die Produktionsdurchlaufzeit hat über die Sicherheitsbestandsrechnung einen direkten

Abb. 74 Durchlaufzeitkomponenten verschiedener Bevorratungsebenen

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Einfluss auf die Bestände und weiter auf die Liefertreue. Bei sinkender Durchlaufzeit und gleich bleibendem Bestand erhöht sich die Liefertreue, während um eine konstante Liefertreue zu halten bei einer Durchlaufzeitreduzierung auch die Bestände markant gesenkt werden können. Durchlaufzeiten werden gemessen, indem alle Prozess- und Liegezeiten nach der Auftragserteilung aufsummiert werden. Die gesamte Durchlaufzeit für ein Produkt wird somit als Zeitspanne zwischen dem Auftragseingang bis zur Abnahme des Produkts durch den Auftraggeber verstanden. Diese Zeitspanne umfasst, abhängig von der Bevorratungsebene, unterschiedliche Prozessschritte wie Abb. 74 veranschaulicht. Eine ausführliche Beschreibung der Durchlaufzeitkomponenten und deren Messgrößen ist in Abs. 4.2.2.4 gegeben. Hohe Flexibilität: Die Lieferflexibilität muss von zwei Seiten betrachtet werden. 1. Die qualitative Flexibilität bringt die Fähigkeit eines Unternehmens, schnell auf ändernde Kundenbedürfnisse eingehen zu können, ohne dass die Produktionsinfrastruktur grundsätzlich erneuert werden müsste. Die Messung von qualitativer Flexibilität auf Unternehmensebene ist beinahe unmöglich. Die Spanne von existierenden Definitionen von „Flexibilität“ ist derart groß, dass sich für jedes gewünschte Ergebnis etwas finden lässt und somit einer Willkür unterworfen ist, die selten quantitative Aussagen erlaubt. Dies ist keine überraschende Erkenntnis, treffen wir doch dieses Problem sehr häufig an, wo versucht wird, weiche und qualitative Faktoren in ein Korsett quantitativer Messgrößen zu zwängen. 2. Zur Beurteilung der quantitativen Flexibilität eines Unternehmens müssen die Rangbedingungen, unter denen die Flexibilität realisiert wird in Betracht gezogen werden, um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Unternehmen sicherzustellen. Flexibilität umfasst immer drei Dimensionen. Die Kostendimension, die zeitliche Dimension und die Flexibilität als dritte Dimension. Mit unlimitierten Ausgaben ist die zu erreichende Flexibilität meist sehr hoch. Das Gleiche trifft zu, wenn der Zeithorizont sehr weit gefasst wird. Wir dürfen also nur zwei Dimensionen festlegen, um die dritte zu definieren. Wenn die Zeit und die erlaubten Kosten fixiert sind, ist die zu erreichende Produktionsflexibilität weitgehend festgelegt. Wenn die zur Steigerung oder Reduzierung der Produktion zugestandenen Kosten sowie die notwendige Flexibilität fixiert sind, resultiert eine Zeitspanne für die Realisierung. Selbstverständlich sind für die Zeit- und Kostendimension untere Grenzwerte gültig, da auch die kleinste zu erreichende Produktionsflexibilität

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Kosten und Zeit konsumiert. Eine großzügig dimensionierte Kapazitätsreserve ist beispielsweise einer Produktionsflexibilität nach oben zuträglich. Gleichwohl hat sie aber auch einen negativen Effekt, indem die Flexibilität zur Reduzierung der Produktion, bei Beibehaltung einer akzeptablen Wirtschaftlichkeit, stark limitiert sein kann und somit im Sinne der Lean Production als Verschwendung bezeichnet werden muss. Nach oben wird die quantitative Flexibilität durch die Kapazitätsreserve des Engpasses beschränkt. Kurzfristig kann der Ausstoß aber mit Hilfe von Lagern auf Fertig- oder Halbfabrikatebene höher als diese Kapazitätsreserve beim Engpass sein. Leistungskennzahlen zur Beurteilung der quantitativen Flexibilität eines Unternehmens sind somit die Aufwärts- und Abwärtsflexibilität (Skalierbarkeit), deren Leistungstreiber sind Lagerbestände und Kapazitätsreserven von kritischen Prozessschritten. Als kritisch ist ein Prozessschritt dann bezeichnet, wenn er auf dem kritischen Pfad liegt und somit bei Überlast oder Fehlproduktion einen direkten Einfluss auf die Lieferdurchlaufzeit hat. 4.2.2.2 Qualitätskennzahlen in der SCVD Produktqualität und Prozessqualität werden in der SCVD in einem Ast beschrieben. Trotzdem muss zwischen ihnen unterschieden werden. Der direkte Einfluss der Logistik auf die Produktqualität ist nur sehr begrenzt; im Gegensatz dazu ist die Prozessqualität direkt von der inner- und außerbetrieblichen Logistik abhängig. Diese Unterscheidung darf jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass auch die physische Produktqualität von logistischen Prozessen abhängig ist, wie es beim Transport oder bei Lagerungsprozessen am deutlichsten in Erscheinung tritt.

Abb. 75 Leistungskennzahlen im Qualitätsast

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

201

Source: Um die physische Unversehrtheit eines Produktes gewährleisten zu können, müssen wir bei der Beschaffung des Materials ansetzten. Die Einhaltung von Qualitätsanforderungen in der Beschaffung ist eine unabdingbare Voraussetzung, um in den nachfolgenden Schritten eine hohe Qualität sicherzustellen. Die Lieferqualitätstreue ist eine geeignete Kennzahl, um die Einhaltung der geforderten Qualität der zugekauften Teile, Komponenten und Produkte zu messen. Rahmenverträge sind ein Hinweis auf langfristige Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten. Sie sind oftmals Ausgangspunkt von Entwicklungspartnerschaften und der Qualifizierung von Lieferanten zu Systemlieferanten; beides sind Faktoren, welche einen positiven Einfluss auf die Produktqualität haben. Mit steigender Lagerumschlagszahl sinkt das durchschnittliche Alter von Rohmaterial, was wiederum zu einer Reduzierung des Obsoleszenzrisikos führt. Messbar werden Erfolge, welche sich auf Grund eines schnelleren Lagerumschlags ergeben haben erst durch die Rohmaterialverschrottungsrate, welche den durchschnittlichen Verschrottungswert bezogen auf den gesamten Lagerwert an Rohmaterial darstellt. Make: Der größte Einfluss auf die Produktqualität ist durch die Bearbeitungsschritte in der Produktion gegeben. Dabei ist der Einfluss der Produktionslogistik im Vergleich zu den technischen Prozessen eher marginal, weshalb er hier auch nur am Rande berücksichtigt werden soll. Trotzdem sind Kennzahlen wie die Ausbeute für die Einhaltung logistischer Ziele, die Lieferzuverlässigkeit und die Liefermengentreue von großer Bedeutung. Um eine ganzheitliche Optimierung der logistischen Ziele erzielen zu können, muss der Ausbeute als Leistungstreiber der Lieferleistung Beachtung geschenkt werden. Gleiches gilt für die Verfügbarkeit aller Produktionsressourcen im Produktionsprozess; die Kennzahl Kapazitätsverfügbarkeit kann hier zur Messung herbeigezogen werden. Deliver: Mit der Endprüfung und Auslieferung eines Produkts verliert ein produzierendes Unternehmen meist die Kontrolle über die physische Unversehrtheit des Produktes auf dem Weg zum Kunden. Da letztlich der Kunde immer vom Hersteller und nicht von der Spedition Ersatz für defekte Produkte fordern wird, ist die Auswahl der Partner für die Auslieferung des Produktes ebenso wichtig wie auf der Beschaffungsseite. Es ist somit wichtig für ein Unternehmen festzustellen, ob die Kunden mit der gelieferten Qualität einverstanden waren und ggf. festzustellen, wo die Abweichung zur erwarteten Qualität bewirkt wurde. Die Rücksendungsrate wird als Messgröße für die Zufriedenheit des Kunden mit dem gelieferten Produkt verstanden. Eine detaillierte Analyse kann letztlich Aufschluss darüber geben, ob das Produkt durch das Raster der internen Qualitätsprüfung gefallen, oder ein Defekt auf der Reise zum Kunden entstanden ist.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 76 Operationelle Kennzahlen im Qualitätsast

Für die detaillierte Analyse von Gründen minderwertiger Qualität sind gemäß der Struktur der SCVD Kennzahlen notwendig, welche nach den drei Ursachenbereichen Information, Material und Kapazitäten unterscheiden. Die Prozesssicht der SCVD ist in Abb. 76 waagerecht, die ressourcenbezogene Dimension senkrecht dargestellt. Im Kreuzungspunkt finden sich Kennzahlen, welche im entsprechenden Prozessschritt eine Fehlerursache beurteilen können. So kann beispielsweise mit der Kennzahl Fehlteilrate eine im Lieferprozess durch Material (-knappheit) verursachte Qualitätsabweichung gemessen werden. Die Anzahl stornierter Bestellungen kann nicht als Qualitätskennzahl im herkömmlichen Sinn, sondern eher hinsichtlich der Qualität des Planungs- und Bestellprozesses interpretiert werden. Für den Bereich der Produktion wurden auf Grund des oben erwähnten geringen Einflusses der Produktionslogistik auf die physische Unversehrtheit des Produktes keine weiteren Kennzahlen identifiziert. Mit der Fehlteilrate, welche ein Teil der Kennzahl „Perfekte Lieferung“ ist, werden unvollständige Lieferungen als Resultat eines qualitativ minderwertigen Kommissionierungsprozesses erfasst. Wichtig für ein Unternehmen ist es festzustellen, welche Priorisierung der Ziele in jedem Ast zu wählen ist. So kann es für ein Unternehmen in der Lebensmittelbranche wichtiger sein, dass pünktlich geliefert wird, als dass die Sendung vollständig ist, während ein Hersteller von Fertighäusern gut beraten ist eine vollständige Lieferung sicherzustellen, gegebenenfalls auch zu einem geringfügig späteren Zeitpunkt. 4.2.2.3 Lieferzuverlässigkeitskennzahlen in der SCVD Lieferzuverlässigkeit bedeutet, den Kunden mit hoher Verfügbarkeit zeitgerecht zu beliefern. Um Resultate in dieser Hinsicht messen zu können sind die beiden Leistungskennzahlen, Liefermengentreue und Liefertermintreue vollends ausreichend. Auf Grund der Tatsache, dass beide Kennzahlen nur als Resultierende betrachtet werden können, ist es von

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Abb. 77 Leistungskennzahlen im Lieferzuverlässigkeitsast

Bedeutung zu erkennen, wie die nach außen sichtbare Leistung innerbetrieblich erbracht wurde. Die daraus entstehende Fragestellung begründet die Notwendigkeit weiterer Leistungstreiber. Zuverlässigkeit in einem Unternehmen bedeutet nicht zuletzt den Schwankungen, welche unvermeidlich in den meisten Prozessen auftreten, effiziente und effektive Maßnahmen entgegenzusetzen. Schwankungen in der Durchlaufzeit, unterschiedliche Auftragslosgrößen oder die sich ändernde Auslastung der Produktionsinfrastruktur sind Gründe für den fortwährenden Steuerungsbedarf um die Stabilität eines Produktionssystems zu erhalten. Letztlich muss erkannt werden, dass jeder Prozess einer mehr oder weniger großen statistischen, oftmals nichtdeterministischen Schwankung unterworfen ist. Als eine der wichtigsten Maßnahmen um schwankenden Parametern zu begegnen hat sich in der Industrie die Sicherstellung einer ausreichenden Flexibilität des Personals und der Produktionsressourcen erwiesen. Die Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit in der SCVD mit den zugehörigen Kennzahlen ist in Abb. 77 zusammengefasst. Source: Die Versorgungskette eines Unternehmens ist innerbetrieblich ein Abbild der Herausforderungen, welche sich aus den Marktanforderungen ergeben. Aus den getroffenen Annahmen über Bestellverhalten in der Zukunft, der zugestandenen Lieferzeit und der erwarteten Qualität wird eine möglichst passende Infrastruktur, um diese Herausforderungen zu erfüllen, erstellt. Die Zuverlässigkeit des Lieferanten als Inputgröße

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

kann mit den Kennzahlen im linken Ast der Abb. 77 gemessen werden. Mit den Schwankungen verhält es sich ähnlich wie mit der Qualität. Ein unzuverlässiger Lieferant kann alle Bemühungen in stabile innerbetriebliche Prozesse zunichte machen. Eine große Mengen-, oder Terminabweichung des Lieferanten erfordert innerbetrieblich eine starke Pufferung durch Lager und führt zu ineffizienteren Prozessen. Rahmenverträge helfen, tolerierbare Schwankung lieferantenseitig festzulegen. Somit kann das Unternehmen seine Puffer und Flexibilitätsreserven auf die vereinbarten Schwankungen limitieren. Make: Die Produktion eines Unternehmens hat den stärksten Einfluss auf die zeitgerechte Fertigstellung und Auslieferung der Produkte. Dabei sind insbesondere die schwankenden Produktionsparameter jene, welche die Liefertreue am stärksten beeinflussen. Wir sind nicht der Meinung, dass Schwankungen per se eine Produktion unwirtschaftlich machen oder eine schlechte Liefertreue hervorrufen. Wichtiger ist es, das Ausmaß der Schwankungen zu kennen und diese auf einen akzeptablen Wert zu begrenzen. Was letztlich als akzeptabel angesehen wird, muss jedes Unternehmen in seinem Markt selbst herausfinden. Neben den systeminhärenten Variationen wie Bearbeitungszeitschwankungen können Schwankungen aus vorgelagerten Stufen, wie der Beschaffung, durch die gesamte Wertschöpfungskette propagieren, wenn sie nicht durch Zwischenlager gepuffert sind. Wie Wiendahl und Nyhuis bewiesen haben, sind kurze und insbesondere gleich lange Prozesszeiten ein zentraler Schlüssel für eine präzise Planung des Produktionsprozesses. Geeignet für die Messung dieser Anforderung sind die Kennzahlen Varianz der Arbeitsinhalte und Produktionsdurchlaufzeitschwankung. Zur Beurteilung, wie effizient die Produktion mit den gegebenen Schwankungen arbeitet, können der Durchführungszeitanteil als Reziprokwert das Verhältnis von Durchlaufzeit zu Bearbeitungszeit gemessen werden. Beide Kennzahlen geben Auskunft, wie viel Zeit effektiv für die Fertigstellung eines Produktes benötigt wird und welcher Wert unter optimalen Verhältnissen erreichbar wäre. Diese Grenzwertbetrachtung gibt Anhaltspunkte, ob die innerbetrieblichen Liege- und Wartezeiten die Gesamtdurchlaufzeit dominieren oder ob eher die Bearbeitungsprozesse einer Optimierung bedürfen. Die Kapazitätsauslastung ist ein Maß der Fähigkeit, auf unerwartete Mehrbedarfe reagieren zu können, ohne dass das Produktionssystem an seine Grenzen gerät. Streng genommen ist nach der Warteschlangentheorie eine Auslastung von 100% immer mit einer unendlich langen Warteschlange verknüpft. In der Realität zeigt sich aber, dass Engpässe meist eine Auslastung von 100% aufweisen. Ein Engpass muss sogar fast zu 100% ausgelastet sein, da er ja gerade durch seine begrenzende Wirkung

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

205

Abb. 78 Leistungstreiber zur Messung der Zuverlässigkeit

zum Engpass wird. Die Flexibilität eines Produktionssystems ist also durch die höchste Auslastung einer Bearbeitungsstation gegeben. Um die Kapazitätsauslastung als Flexibilitätsmessgröße beurteilen zu können, muss diese Kennzahl über mehrere Stufen erhoben werden. Die gleiche Kennzahl kann aber auch zur Messung der Wirtschaftlichkeit des Ressourceneinsatzes herangezogen werden, wobei eine kumulierte, mit dem Maschinenstundensatz gewichtete Auslastung die beste Definition ist. Deliver: In den meisten Fällen nimmt der Endkunde nur die Leistung der Lieferung wahr. Es interessiert ihn oftmals gar nicht, wie die Leistung erbracht wurde. Ungeachtet der verursachenden Faktoren (Beschaffungs- oder Produktionsproblemen) wird der Auslieferungsprozess an der Einhaltung geforderter oder zugesagter Lieferzeiten und Liefermengen gemessen. Im Lieferprozess werden Fertigwarenbestände überwacht, um für eine hohe Verfügbarkeit zu sorgen. Lieferzeitabweichungen und die Einhaltung von Lagerbandbreiten sind somit Kennzahlen, welche einen direkten Einfluss auf die vom Kunden empfundene Lieferleistung haben. Die Lieferzeitabweichung wird als Leistungskennzahl, die Einhaltung der Lagerbandbreite als Leistungstreiber klassifiziert. Analog zur Dekomposition der Lieferqualität muss zur detaillierten Analyse der Lieferzuverlässigkeit und den treibenden Faktoren eine ressourcenbezogene Unterscheidung gemacht werden. In Abb. 78 sind Leistungskennzahlen und -treiber zur Sicherstellung einer hohen Lieferzuverlässigkeit aufgelistet. Wie oben erwähnt ist die Lieferzuverlässigkeit bei schwankenden Parametern in hohem Maße abhängig von Pufferlagern und kapazitiver Flexibilität. Die vorgeschlagenen Kennzahlen liegen daher schwergewichtig in diesem Bereich.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 79 Einfluss von Entkopplungspuffern auf die Lieferzuverlässigkeit eines Unternehmens

Ungepufferte Prozesse sind zwar im Idealzustand effizienter, sind aber für einer realen Produktionsumgebung zu anfällig auf die Weiterleitung und Verstärkung von Störungen. Dies kann leicht erkannt werden, wenn beispielsweise bei einem Auftragsfertiger (Make-to-Order) drei Prozessschritte ungepuffert miteinander verkoppelt sind. Obgleich jeder Prozess für sich eine Liefertreue von 90% leistet, resultiert trotzdem eine Liefer3 leistung beim Kunden von nur 90% = 73%. Als Wiederholung des Abs. 3.1.4 ist in Abb. 79 die Wirkungsweise von Pufferlagern zur Dämpfung von Schwankungen illustriert. Der untere, gepufferte Prozess zeigt, dass eine Entkopplung der Schwankungen vor jedem Prozessschritt möglich ist, und somit die nachfolgende Station mit einem deterministischen Input rechnen kann. Die Lieferzuverlässigkeit ist also, je nach Bevorratungsebene, durch die Zuverlässigkeit bestimmter Prozessschritte im Unternehmen bestimmt. Für eine Produktion auf Lager (Make-to-Stock) spielt nur der Auslieferungsprozess eine Rolle, während bei Auftragsentwicklungen alle Bereiche bis hin zur Produktentwicklung einen Einfluss auf die Lieferzuverlässigkeit haben. Es zeigt sich daher, dass Pufferlager zur Dämpfung von Schwankungen nur bei kundenauftragsunspezifischen Produkte oder Komponenten geeignet sind. Abweichungen können zwei unterschiedliche Ursachen haben. Neben der bereits erwähnten unvermeidlichen statistischen Variation sind Schwankungen durch ungeplante Zwischenfälle wie Ausschuss, oder Krankheit etc. induziert. An dieser Stelle scheint es uns wichtig, noch ein Wort über die Messfrequenz von Kennzahlen zu verlieren. Insbesondere wenn es um die Messung von Schwankungen geht, muss das Abtasttheorem berücksichtigt werden. Dieses besagt, dass ein Wert mit der doppelten Frequenz der Schwankung gemessen werden muss, um Schwankung überhaupt erfassen zu können. Angewandt auf ein Unternehmen heißt dies beispielswei-

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

207

se, dass durch eine jährliche Messung der Bestände oder der Auftragslosgröße keine Aussage über saisonale Schwankungen möglich sind, sondern bestenfalls ein langfristiger Trend erkannt werden kann. Bei der Festlegung der Messfrequenz muss also vorher zumindest ein Gefühl dafür vorhanden sein, wie schnell sich ein Messwert ändern kann. 4.2.2.4 Lieferdurchlaufzeitkennzahlen in der SCVD Die Fähigkeit, kurze Durchlaufzeiten zu realisieren, wird nicht nur bei Make-to-Stock-Unternehmen, also jene, die Fertigprodukte lagern, immer wichtiger. Die Frage, ob ein Produkt vorproduziert und im Bedarfsfall vom Lager entnommen wird, kann mit einem Vergleich der vom Kunden zugestandenen Lieferfrist und der Produktionsdurchlaufzeit beantwortet werden. Um eine genauere Messung der Durchlaufzeitkomponenten zu ermöglichen, ist in der SCVD die Trennung von Prozessund Wartezeiten vorgenommen. Diese Unterscheidung ist bei der Durchlaufzeit von großer Bedeutung, da die für Verbesserungsmaßnahmen der korrekte Ansatzpunkt gewählt werden muss. In fast jedem Unternehmen machen die Wartenzeiten ein Vielfaches der effektiven Bearbeitungszeit aus. Die hoch aggregierten Kennzahlen, welche diese Unterscheidung nicht machen, jedoch eine Messung der Gesamtzeiten in den einzelnen Wertschöpfungsprozessen „Source“, „Make“ und „Deliver“ erlauben, sind in Abb. 80 dargestellt. Source: Die Wiederbeschaffungszeit von Teilen und Komponenten und die Lieferzuverlässigkeit der Lieferanten bestimmen die kurzfristige Verfügbarkeit von Rohmaterialien. Im Falle von auftragsbezogener Beschaffung hat diese daher einen Einfluss auf die Lieferzeit.

Abb. 80 Leistungskennzahlen im Durchlaufzeitast

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Make: Die Messung und der Vergleich von Produktionsdurchlaufzeiten ist immer wieder ein Grund für hitzige Diskussionen. Stein des Anstoßes ist oftmals die fehlende Vergleichbarkeit zweier Messwerte. Verschiedene Unternehmen sind oftmals mit unterschiedlichen infrastrukturellen Möglichkeiten ausgestattet. Beispielsweise kann ein großes Unternehmen auf Grund seiner Machtverhältnisse vorteilhaftere Lieferkonditionen mit Lieferanten aushandeln. Es ist somit insbesondere zum Vergleich von Zeiten wichtig, charakteristische Werte (Determinanten) als Basis für die Bestimmung der Vergleichbarkeit zweier Unternehmen heranzuziehen. Wie erwähnt, ist in vielen Fällen in der Produktion die Warte- und Liegezeit um ein Vielfaches größer als die Prozesszeit. Ein Grund kann dabei die zu hohe Kapazitätsauslastung, welche zu einer großen Warteschlange führt, sein. Maßnahmen, wie Durchlaufzeiten reduziert werden können, sind in der Literatur zahlreich vorhanden und vielfach diskutiert worden, Deliver: Analog zu den Ausführungen in Abs. 4.2.2.3 umfasst die Lieferzeit je nach Bevorratungsebene mehrere Prozessschritte. Im einfachsten Fall muss nur die Auslieferungszeit, d. h. die Zeit zwischen Entnahme des fertigen Produktes vom Lager bis zur Entgegennahme durch den Kunden, berücksichtigt werden. Grundsätzlich sind bei der Definition von Durchlaufzeitkennzahlen der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Je nach Autor finden sich bis zu 100 Durchlaufzeitkennzahlen, welche gemessen werden können (SCOR V8). Letztendlich ist aber nicht nur die Frage, wie lange ein Zeitabschnitt dauert, von Interesse, sondern was die ursächlichen Durchlaufzeit verlängernden Faktoren (Leistungstreiber) sind. Die Variation der Prozesszeiten ist z. B. ein Leistungstreiber, welcher einen maßgeblichen Einfluss auf die Wartezeit im „Make“ Bereich hat. Kennzahlen für die detaillierte Sicht auf die Durchlaufzeit unterscheiden zwischen zwei Kategorien. Zum einen sind es Zeiten, welche den

Abb. 81 Operationelle Kennzahlen im Durchlaufzeitast

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Wert des Produktes erhöhen (Prozesszeiten), zum anderen sind es Zeiten, welche potenziell Wert vernichten (Wartezeiten). Obgleich administrative Prozesse streng genommen den Wert des Produktes nicht erhöhen, gehören sie doch zu den Prozesszeiten. Es kann hier nicht einfach festgestellt werden, wie viel Prozent der Gesamtzeit eingespart werden kann, da es sich oftmals um manuelle Schritte handelt, welche stark von der bearbeitenden Person abhängen. Wichtiger als ein absoluter Wert ist somit bei dieser Art von Prozesszeit eine kontinuierliche Verbesserung des Prozesses, d. h. die kontinuierliche Verkürzung der aufgewendeten Zeit. Für den wiederholten Einkauf von Komponenten fallen nur administrative und Transportzeiten an, während für neue Teile noch die Identifizierung, Auswahl und Qualifizierung des Lieferanten hinzukommt. Je kürzer die Auswahl und Qualifizierungszeit eines Unternehmens ist, desto flexibler kann es auf Beschaffungsmarktänderungen reagieren und bei Bedarf auch kurzfristig neue Lieferanten einbinden. Die Dauer von Prozesszeiten und somit auch die Höhe der damit verbundenen Kosten bestimmen daher maßgeblich die Flexibilität eines Unternehmens, auf Veränderungen reagieren zu können. Geringe Prozesskosten haben daher einen weitaus größeren und wichtigeren Einfluss als die Erhöhung des Nettobetriebsgewinnes. Produktive Zeiten können weiter in Rüst- und Prozesszeiten unterteilt werden. Nach Ohno sind Rüstzeiten auch Verschwendung und sollten mit Hilfe von Rüstvorrichtungen minimiert werden. Die SMED-Methodik (Single Minute Exchange of Dies) nennt verschiedenste Techniken, wie eine Rüstzeitreduzierung erreicht werden kann. Neben der Verkürzung der Rüstzeit an sich hat die Reduzierung der Rüstkosten einen weiteren bedeutenden Hebel. Mit einer signifikanten Reduzierung der Rüstkosten können auch die Losgrößen verringert werden, was der Durchlaufzeit für ein Fertigungslos zugute kommt. Die Fähigkeit, bedarfsgerechte Losgröße zu produzieren, ist somit ein Werttreiber, um Bestände tief zu halten und somit das Umlaufvermögen und das Obsoleszenzrisiko zu verringern. Im „Deliver“-Bereich sind die Wartezeiten von eher untergeordneter Bedeutung, da die Kommissionierzeiten und der Transport in der Regel dominierend sind. Nichtsdestoweniger sind Prozesszeiten im ausliefernden Lager durch Informationstechnologien (RFID, Barcode) effizient senkbar und erhöhen somit die Flexibilität, Mengenschwankungen in der Auslieferungsleistung bewältigen zu können. Vorschläge für eine sehr detaillierte Dekomposition von Warte- und Prozesszeiten aller Art sind im SCOR-Modell (SCOR Version 8) zu finden.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

4.2.2.5 Flexibilitätskennzahlen in der SCVD Die Fähigkeit eines Unternehmens, auf Marktschwankungen einzugehen, wird durch die Flexibilität eines Unternehmens ausgedrückt. Echte Flexibilität kann nicht mit kurzfristigem „Ausquetschen“ aller Lager, womit der Ausstoß kurzfristig erhöht werden kann, gleichgesetzt werden. Es ist die Fähigkeit, auf eine dauerhafte Steigerung oder eine dauerhafte Verringerung des Absatzes so zu reagieren, dass das Unternehmen im ersten Fall den Mehrumsatz tätigen und im zweiten Fall die Produktion drosseln kann, ohne einen negativen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Es ist augenscheinlich, dass hier nur von der quantitativen, also der mengenmäßigen Flexibilität, die Rede ist. Grundsätzlich beschränkt sich die SCVD nicht auf diese Art von Flexibilität. Für die Zuordnung von Kennzahlen macht diese Einschränkung jedoch Sinn, da die qualitative Flexibilität meist sehr schwierig messbar ist. In Abb. 82 sind die für die zur Messung der Flexibilität geeigneten Leistungskennzahlen und Leistungstreiber abgebildet. Source: In der Beschaffung ist die Verfügbarkeit von Rohmaterial und anderen zugekauften Komponenten jene Größe, welche die quantitative Flexibilität nach oben begrenzt. Es ist dabei wichtig, zu unterscheiden, welche Komponenten den Engpass bilden. Dies können Komponenten mit besonders langen Lieferfristen sein, solche von Lieferanten mit sehr geringer Flexibilität oder schlicht interne Restriktionen, welche die Entgegennahme von mehr Material beispielsweise durch aufwändige Wareneingangsprüfungen oder Platzbedarf verunmöglicht. Rahmenverträge sind ein probates Mittel, eine bestimmt Flexibilität zu garantieren und den Lieferanten ein Schwankungskorridor, in welchem sich die Bestellungen befinden werden, vorzugeben. Um außerhalb dieser vereinbarter

Abb. 82 Leistungskennzahlen im Flexibilitätsast

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Grenzen Bestellungen tätigen zu können – auch wenn weniger bestellt werden – sind in der Regel erhöhte Stückkosten vereinbart. Make: Vorausgesetzt, dass beschaffungsseitig der Nachschub gesichert ist, wird die quantitative Flexibilität durch die Auslastung von kritischen Ressourcen bestimmt. Kritische Ressourcen sind jene, welche auf dem zeitkritischen Pfad in der Durchlaufterminierung liegen. Die Flexibilität kann durch die kurzfristige Erhöhung der Kapazität durch die Beschaffung von Maschinen oder Auswärtsvergabe von Arbeitsschritten erhöht werden. Die Flexibilität nach unten ist meist durch die Kostenstruktur des Unternehmens und den arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen gegeben. Die Abschreibung von teuren Maschinen mit geringer Auslastung drückt den Deckungsbeitrag und setzt somit eine untere Grenze der Flexibilität mit dem Erreichen des Nullpunkts des Deckungsbeitrags. Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen ein Unternehmen auch Produkte mit negativem Deckungsbeitrag weiter zu fertigen genötigt ist, beispielsweise als Sortimentsergänzung und als Verkaufsunterstützung profitabler Produkte. Deliver: Ähnlich wie für die Lieferanten im „Source“-Bereich ist es für eine Unternehmen im „Deliver“-Bereich hilfreich, Rahmenverträge mit Kunden zu schließen, um den Schwankungskorridor der Bestellungen kundenseitig festzulegen. Diese Angaben helfen sodann dem Unternehmen, rückwärts die Wertschöpfungsschritte „Make“ und „Source“ den marktseitigen Bedürfnissen anzupassen und diese angemessen zu gestalten und zu dimensionieren. Wie bereits erwähnt, ist eine detaillierte Analyse von Kennzahlen zur Beschreibung von Flexibilität für die praktische Anwendbarkeit dieses Buches nicht zuträglich. Zu viele zum Teil widersprüchliche Antworten finden sich in der Literatur auf die Fragen: „Was ist Flexibilität?“ oder „Wie kann Flexibilität gemessen werden?“. Dies soll nicht bedeuten, dass die Definitionen weitgehend falsch sind, vielmehr zeigt sich in dieser Tatsache, dass Flexibilität meist eine stark unternehmensspezifische Ausprägung mit unternehmensspezifischen Kennzahlen findet. Für eine gute und umfassende Darstellung von Produktionsflexibilität möchten wir daher auf Hernandez (2003) verweisen. Es hat sich gezeigt, dass man unterschiedliche Produktionstypen mit unterschiedlichen Graden von Flexibilität identifizieren kann, um die Flexibilität auszudrücken und zu messen; es kommen aber völlig unterschiedliche Kennzahlen zum Einsatz. In der Linienproduktion haben die Mobilität und die Schnittstellen – also die Konfigurierbarkeit der Kapazitäten – einen großen Einfluss auf die qualitative Flexibilität, während bei Werkstattproduktion der universelle Einsatz jeder einzelnen Maschine maßgeblich ist.

212

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

4.2.2.6 Investitionskennzahlen in der SCVD Ein effizienter Einsatz von investiertem Kapital kann durch den gezielten Einsatz von Kapital in wertschöpfende Prozesse erreicht werden. Die Kapitalstruktur eines Unternehmens wird effizienter, je besser eine investitionsintensive, d. h. teure Anlagen ausgelastet ist. Weiter oben haben wir aber gesehen, dass die einseitige Fokussierung auf maximale Auslastung zu langen Wartezeiten, somit langen Durchlaufzeiten und weiter zu großen Bestände führen kann. Es ist also Vorsicht geboten, den bestmöglichen Einsatz von Investitionen im Anlagevermögen mit jenen des Umlaufvermögen abzuwägen. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz von Investitionen für Prozesse des SCM sind nur bestimmte Assets zu berücksichtigen. Diese sind insbesondere die Investitionen in das Anlagevermögen wie Lagerinfrastruktur, Gebäude, Fahrzeuge etc. Im Umlaufvermögen müssen sämtliche Bestände an Rohmaterial, Ware in Arbeit (Work in Progress WIP) und Fertigprodukten, sowie Debitorenkonten hinzugerechnet werden. Bildlich können die beiden Investitionsgruppen folgendermaßen umschrieben werden: Das Anlagevermögen ist die Hardware, also ein Getriebe z. B. und das Umlaufvermögen ist der Schmierstoff, der einen reibungslosen Ablauf garantiert. Das Umlaufvermögen ist für den Bereich der Logistik eines der wichtigsten Optimierungskriterien und gibt immer wieder Grund zu hitzigen Diskussionen. Die Frage nach „wie viel Schmiermittel (Pufferlager und Bestände) braucht der Prozess, um stabil zu laufen“ wird unterschiedliche beantwortet. Ein Controller wird selbstverständlich auf einen Minimierung der Bestände drängen, während die Marketingabteilung eine hundertprozentige Verfügbarkeit aller Produkte wünscht. Irgendwo zwischen den Wünschen beider Seiten muss die Produktionsplanung ein Optimum finden. Grundsätzlich sind Investitionen in das Anlagevermögen inflexibel und kaum noch skalierbar, wenn die Investition einmal getätigt ist. Viele Unternehmen haben dahingehend reagiert, investitionsintensive Prozessschritte an Logistikdienstleister (Transport, Lagerung etc.) zu vergeben. Der Vergleich von Investitionskennzahlen zweier Unternehmen muss also immer vor dem Hintergrund der damit erzielten Leistung gesehen werden. Die Kennzahl Mehrwertproduktivität ist dafür eine geeignete Größe, da sie beurteilt, wie viel das Unternehmen pro Einheit investiertem Kapital erwirtschaften konnte. Sie kann als Multiplikationsfaktor für die Rentabilität des eingesetzten Kapitals verstanden werden. Insbesondere für investitionsintensive Industrien, wie die Grundstoffverarbeitung oder die Petrochemie, ist diese Kennzahl zusammen mit der Cash-toCash Cycle Time von großer Bedeutung. Letztere erfasst sowohl die Zahlungsbedingungen als auch die Bestandessituation des Unternehmens.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

213

Abb. 83 Kennzahlen im Investitionsast

Während also wie oben erwähnt die Mehrwertproduktivität eine Aussage über die Mehrung des eingesetzten Kapitals gibt, besagt die Cash-to-Cash Cycle Time, wie lange das investierte Kapital gebunden ist, bis es in Form von Kundenzahlungen wieder ins Unternehmen zurückfließt. Die Cash-to-Cash Cycle Time ist allerdings in einer Hinsicht unvollständig. Sie berücksichtigt Kapitalbindungskosten nicht. Korrekterweise muss das eingesetzte Kapital an Wert verlieren, solange es in keinem Mehrwert schaffenden Prozess verarbeitet wird. Da das EVA-Konzept Finanzierungskosten separat über einen kalkulatorischen Zinssatz berücksichtigt, ist es an dieser Stelle vertretbar, keine weitere Kennzahl hierfür zu definieren. In Abb. 83 sind die Kennzahlen zur Bewertung der Investitionen an sich und der daraus abgeleiteten Kennwerte zusammengefasst. Investitionen in das Umlaufvermögen in Form von Beständen sind in Make-to-Stock-Unternehmen für das Erreichen von Servicegradzielen von größter Wichtigkeit. Der formelmäßige Zusammenhang zwischen einem definierten Servicegrad und dem dafür notwendigen Sicherheitsbestand bei gegebenen Bedarfsschwankungen kann in der Literatur, beispielsweise bei Wiendahl nachgelesen werden (Servicekennlinie). Während hohe Bestände an Rohmaterial und Fertigprodukten eher einen positiven Einfluss auf Lieferzeiten haben, wirkt sich ein hoher Wert von Ware in Arbeit neben der Kapitalbindung auch negativ auf die Durchlaufzeit aus. Vereinfacht kann eine Warteschlange von Menschen, welche

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

alle von einer Person am Schalter bedient werden wollen, als Anschauungsobjekt dienen. Je länger die Schlange (Ware in Arbeit) ist, desto länger dauert es vom Eintritt in die Schlange, bis die Person nach der Bearbeitung des Anliegens das Gebäude verlassen kann. Die Bindungskosten können am ehesten mit der „verlorenen Zeit“ verglichen werden, in der die Personen neben dem Warten keiner Mehrwert schaffenden Tätigkeit nachgehen können. Der Lagerumschlag als Kehrwert der Lagerreichweite ist eine weit verbreitete Kennzahl um die Häufigkeit, mit welcher gelagerte Produkte durch neue ersetzt werden, zu messen. Während Handelsgesellschaften zum Teil einen Lagerumschlage von mehr als 60 erreichen, finden sich in der produzierenden Industrie oftmals Werte von unter 5. Die Grundregel, dass eine Investition kosteneffizienter ist, je größer die Auslastung ist, stimmt für weitgehend alle Investitionen ins Anlagevermögen mit Ausnahme des Lagers. Während produktive Kapazitäten bei hoher Auslastung einen höheren Wert liefern als bei geringer Auslastung, vernichtet der Lagerungsprozess tendenziell Werte. Die Ausnahme der Lagerung von Alkohol und Käse, welche Werte schafft, sei hier um der Vollständigkeit halber genannt. Aus der isolierten Sicht eines Lagers als Profit-Center ist eine hohe Auslastung selbstverständlich ebenfalls wünschenswert, da die Kunden den Lagerprozess zahlen. Aus einer gesamtunternehmerischen Sichtweise muss klar festgestellt werden, dass jede Lagerung den Wert des Produktes reduziert. Dies wird häufig auch über eine sukzessive kalkulatorische Abwertung der Bestandeswerte quantifiziert (Obsoleszenz). Die Lagerung sollte daher minimiert werden, selbstredend unter Beibehaltung anderer logistischer Ziele, wie Lieferzuverlässigkeit oder Durchlaufzeiten. Für beide Kapazitäten (Lager und produktive Kapazitäten) muss eine langfristige und eine kurzfristige Sicht bei der Messung kombiniert werden. Kurzfristig kann eine hohe Auslastung Engpasssituation schaffen, mit der Folge von Verspätungen bei der Auslieferung von Produkten. Wenn sich die Auslastung längerfristig in einem sehr hohen Bereich befindet, muss eine Erhöhung der Kapazität in Erwägung gezogen werden. Bei anhaltender Unterlast kann die Kapazität veräußert, oder durch Annahme von externen Aufträgen wirtschaftlicher betrieben werden. 4.2.2.7 Kostenkennzahlen in der SCVD Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die verfügbaren Kostenkennzahlen durch das Kostenrechnungssystem eines Unternehmens weitgehend vorgeben sind. Mit Prozesskostenrechnung beispielsweise ist eine verursachergerechte Verteilung der Kosten möglich, als dies bei der

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Abb. 84 Kennzahlen im Kostenast

Zuschlagskalkulation der Fall ist. Die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen die weiter unten verfügbaren Kostenkennzahlen leicht zu erheben sind, ist somit nicht Teil dieses Buches. Wir sind uns der Abgrenzungsproblematik der Kosten insbesondere bei abteilungsübergreifenden Prozessen bewusst und möchten hier eine pragmatische Basis zur Erfassung von SCM-Kosten vorschlagen, welche nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Die in Abs. 1.2 geführte Diskussion zur Frage, „was unterscheidet Logistik von SCM?“ und welche Prozesse darunter verstanden werden, ist hier als bekannt vorausgesetzt. Der Kostenast in der SCVD ist wie erwähnt in Kosten in der Beschaffung („Source“), Kosten in der Produktion („Make“) und jene, die durch den Auslieferungsprozess entstehen („Deliver“), gegliedert. Da jedoch viele Kostenkategorien mit den entsprechenden Kennzahlen in den drei Bereichen „Source“, „Make“ und „Deliver“ eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, ist es anschaulicher, sie nicht mehrfach zu nennen, sondern gleich nach den Kostenarten zu gruppieren. Kostenkennzahlen haben anders als Leistungskennzahlen alle die gleiche Grundeinheit, was sie einer beliebigen Unterteilung oder Aggregation zugänglich macht. Da wie bereits erwähnt auf detaillierter Stufe unterschiedliche Kostenstrukturen zweier Unternehmen die Vergleichbarkeit der Zahlen kaum erlauben, sind in Abb. 84 relativ hoch aggregierte Kostenkennzahlen für einen zwischenbetrieblichen Vergleich vorgeschlagen. Kostenkennzahlen sind meist im Zusammenhang mit Leistungskennzahlen oder Strukturkennzahlen zu beurteilen. Oftmals erlaubt erst diese Normierung einen direkten Vergleich zweier Leistungs- oder Kostenkennzahlen. Wenn beispielsweise ein Unternehmen gegenüber einem

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

zweiten den zehnfachen Auftragseingang pro Tag zu bewältigen hat, kann das Fünffache an Bearbeitungskosten dennoch als Leistungsvorsprung beurteilt werden, da die normierte Größe – die Bearbeitungseffizienz – um das Doppelte höher ist. Diese verschiedenen Effizienzgrößen, welche mit Hilfe der Kostenkennzahlen gebildet werden können, spiegeln die allgegenwärtigen Zielkonflikte zwischen Leistung und Kosten wider. Gemäß der SCVD sind Kosten folgendermaßen gegliedert: Kosten, die durch den Transport und das Handling von Material entstehen, Kosten im Zusammenhang mit Informationsflüssen, Kosten als Folgen von logistischen Managementprozesse und Kosten von Lagerungsprozessen entstehen. Logistikkosten sind mit Ausnahme von außerbetrieblichem Transport von Fixkosten dominiert, da logistische Prozesse – im Gegensatz zu Produktionsprozessen – oftmals ohne Verbrauch von Material etc. vonstatten gehen. Personal kann nur mittel- oder langfristig eingestellt oder kurzfristig durch Zeitarbeitsverträge angepasst werden. Die häufig sehr hohen Kosten für die notwendige SCM-IT-Infrastruktur müssen als Fixkosten, die völlig unabhängig von der Auftragslast sind, angesehen werden. Anders als bei einer Reduzierung der Fertigung, welche mit einem Minderverbrauch von Material verbunden ist, gehen Potenzialfaktoren, wie bereitgestellte Kapazität, verloren, wenn sie nicht genutzt werden; sie können nicht bevorratet werden. Kostentreiber ist also in diesem Fall die Verfügbarkeit der Kapazität über die Zeit. Die gleiche Argumentation trifft also auch für Lagerkosten zu, da Abschreibungen auf die Infrastruktur, Heizkosten und das Personal weitgehend von der Auslastung des Lagers unabhängig sind. Ein Lager ist somit vergleichbar mit einem Hotel: Wenn ein Zimmer nicht belegt ist, sind 90% der Kosten trotzdem angefallen, die potenzielle Leistung ist aber ungenutzt verstrichen. Die obige Feststellung soll beileibe nicht den Eindruck erwecken, ein geringer Lagerbestand hätte keinen positiven Einfluss auf die Lagerkosten, obschon man, um dieses zu verstehen, langfristiger denken muss. Vielmehr muss man in Sinne einer Kostensensibilisierung für jeden Einlagerungsvorgang Prozesskosten errechnen. Mit jedem Lagervorgang (Einlagern, Auslagern) rechtfertigt sich die Investition in die Lagerinfrastruktur. Wenn diesen Vorgängen keine Kosten zugewiesen werden, werden Anstrengungen hinsichtlich Lagerreduzierungen nicht belohnt. Die Überlegungen zu Investitionen in ein Lager können stellvertretend für alle Kosten mit sprunghaften Kostenkurven gelten. Lager können eben nicht graduell mit dem Bedarf wachsen. Wenn ein Lager mit einem Fassungsvermögen von 100 Einheiten einem Bedarf von 105 Einheiten gegenüber steht, kann es notwendig sein, ein neues Lager zu bauen. Aus

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

217

Abb. 85 Lagerkosten bei Eigeninvestition im Vergleich zum Outsourcing

Wirtschaftlichkeitsgründen ist es aber sicherlich nicht möglich, dieses für die benötigte Differenz von 5 Einheiten zu dimensionieren, sondern mindestens für 50. An diesem Beispiel lässt sich auch bestens der Nutzen einer Effizienzsteigerung illustrieren: Wenn es durch eine Lageroptimierung oder durch eine Reduzierung des Bedarfes erreichen lässt, dass im Beispiel die 5 Einheiten nicht mehr gelagert werden müssen, können Einsparungen für einen ganzen Neubau vermieden werden. Vermiedene Investitionen müssen also ebenso zur Beurteilung von neuen Lösungen in Erwägung gezogen werden, ebenso wie Einsparungen variabler Kosten. Um die oben erwähnten sprunghaft steigenden Kosten zu variabilisieren, d. h. wirklich nur für die konsumierte Leistung zu bezahlen, sind heutzutage Betreibermodelle von Logistikdienstleistern weit verbreitet. Dies ermöglicht es einem Unternehmen, sowohl bei Lager- als auch bei Transportprozessen bedarfsgerecht Kapazitäten anzumieten. Bei hoher Auslastung der Lager sind diese Kosten in der Regel geringfügig höher als bei selbst bewirtschafteter Lagerinfrastruktur, bei geringer Auslastung jedoch ergeben sich große Vorteile gegenüber selbst erbauten und bewirtschafteten Lagern. Neben der damit verbundenen Kostentransparenz der Prozesse ist auch ein erzieherischer Effekt zu verzeichnen, da die konsumierenden Abteilungen direkt belastet werden können. Abbildung 85 illustriert die oben beschriebenen Vorteile einer Kostenvariabilisierung. Die einzigen Kosten, welche neben den Kapitalbindungskosten als echte variable Kosten des Lagerns angesehen werden dürfen, sind Obsoleszenzkosten, also jene Kosten, die aufgrund der Gefahr des technischen Überalterns oder des Verderbens der Ware anfallen. Diese oftmals fahrlässig vernachlässigten Kosten erhöhen die Lagerkosten je nach Branche um bis zu 40% des Lagerwertes. Sogar bei den bereits erwähnten

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Branchen, wo der Lagerungsprozess einen Mehrwert darstellt, müssen Abschreibungen auf den eingelagerten Wert von einigen Prozent pro Jahr vorgenommen werden. In der Konsumgüterindustrie sind Werte von 10−20% realistisch, während bei Frischwaren der Lebensmittelbranche Obsoleszenzkosten von bis zu 40% gängig sind.

4.2.3

Kennzahlwerte und deren Interpretation

Die Messung von Kennzahlen an sich hat noch keinen bleibenden Wert. Bestenfalls schafft sie Abhilfe bei Missverständnissen oder kann helfen, sich über die Definition von Messgrößen einig zu werden. Einen echten Nutzen kann nur aus einer Reihe von Prozessschritten, von der Messung, über die Interpretation, den Vergleich und, besonders wichtig, eine zielgerichtete Handlung erfolgen. • Messung: Um eine Kennzahl zu messen, muss zunächst ein Konsens über den Messort, den Zeitpunkt der Messung, die Dauer (im Falle von kontinuierlichen Messungen) und die exakte Definition der Kennzahl vorliegen. Weiter gibt es Anforderungen, welche zwar die Messung

Abb. 86 Vorlage für eine umfassende Kennzahldefinition

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

219

nicht beeinflussen, den Nutzen, der daraus gewonnen werden kann, jedoch stark mitbestimmen. Bevor auch nur eine einzige Kennzahl gemessen wird, muss sich die verantwortliche Person im Klaren darüber sein, wofür sie die Messgröße verwenden will. Ist dies nicht der Fall, sind Verbesserungen bestenfalls glückliche Zufälle, entbehren aber jeglicher Systematik und können somit auch kaum mehr nachvollzogen werden. Es ist in diesem Zusammenhang hilfreich, eine Vorlage für jede Kennzahl zu erstellen, welche wie in Abb. 86 gezeigt strukturiert sein kann. • Interpretation: Die Frage, was ein bestimmter Kennzahlwert aussagt, ist zentral bei der Interpretation des Wertes. Um diese Frage zu klären. müssen zwei Fragen vorab geklärt sein: „Was ist ein wünschenswerter Kennzahlwert?“ und „Was geschieht, wenn dieser Wert nicht erreicht wird?“. Die erste Frage kann durch empirische Analysen, durch betriebswirtschaftliche Berechnungen – im Falle der Kostenkennzahlen – oder auf durch den Vergleich mit anderen Unternehmen oder Abteilungen mit Hilfe von Benchmarking ermittelt werden. Die betriebswirtschaftlichen Berechnungen beschränken sich auf die interne Sicht und lassen beispielsweise eine Aussage über die notwendige Auslastung einer Kapazität zur Sicherung der Rentabilität der Investition zu. Diese Betrachtung liefert aber nur Grenzwerte, welche nicht unterschritten werden sollten, geben aber keinen Aufschluss darüber, was erreicht werden muss, um langfristig am Markt bestehen zu können. Des Weiteren beschränkt sich die Analyse auf unternehmensinterne Kennzahlen, sie vermag daher keine Aussage über vom Kunden wahrgenommene Leistungskennzahlen, wie die Liefertreue oder die Lieferzeit machen. Für diese kann die empirische Analyse herangezogen werden, mit Hilfe derer versucht wird, festzustellen, wie sich ein bestimmter Servicegrad oder eine Lieferdurchlaufzeit auf die Umsatzentwicklung auswirkt. Zusammen mit einer Kostenabschätzung für einen bestimmten Servicegrad lässt sich folglich ermitteln, welcher Kenzahlwert vorteilhaft ist. Diese Methode hat zwei Nachteile: Zum einen beruht sie auf der Annahme, dass vergangenes Verhalten der Kunden sich in der Zukunft wiederholt, und zum Zweiten hinterfragt sie die Kostenstruktur des Unternehmen nicht, sondern nimmt diese als unveränderlich an. Schon die erste Annahme zeugt von fahrlässiger Missachtung der Marktveränderungen, während die zweite die Unbeweglichkeit des Unternehmens ein weiteres Mal dokumentiert. Es muss also festgestellt werden, was in Zukunft möglich sein muss zu leisten und nicht, was unter den heutigen Voraussetzungen vermutlich geleistet werden kann.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Die Interpretation der Kennzahl wird sich demnach auch mit der zweiten Frage nach den Konsequenzen des Nichterreichens des gewünschten Wertes befassen müssen. Dabei sind weniger die harten Fakten, wie ein verminderter Deckungsbeitrag durch geringere Auslastung entscheidend, sondern vielmehr die Früherkennung von Trends und deren Konsequenzen. Kann ein wiederholt verfehlter Servicegrad bedeuten, dass das Geschäftsfeld als Ganzes unattraktiv wird für den Markt? Führt eine kontinuierliche Steigerung von Lagerbeständen zu finanzieller Knappheit an anderer Stelle und verhindert somit wichtige Investitionen in der Produktentwicklung? Unabhängig davon, ob es sich um Auswirkungen großen Ausmaßes oder um weniger existenzielle Interpretationen handelt, tut eine verantwortliche Person gut daran, die Unternehmenslogik, welche beispielsweise mit der SCVD abgebildet ist, zu verstehen. Eine durch wissenschaftliche Studien bewiesene Gefahr bei der Interpretation von Kennzahlen ist die Überschätzung von kleinen Ereignissen und die Unterschätzung großer. Wir scheinen dahin zu tendieren, kleinere Abweichungen als Warnsignal wahrzunehmen, auch wenn sich die Schwankungen ohne unser Zutun wieder stabilisieren. Erst unsere oftmals übertriebene Reaktion führt zu einer Aufschaukelung und Instabilität des Systems. Der Bullwhip-Effekt ist eine dieser durch Menschenzutun verstärkten Auswirkungen, welche häufig in der Industrie anzutreffen sind. Paradoxerweise werden jedoch große Ereignisse gerne kleingeredet und mit außerordentlichen Umständen, welche einmalig sind, erklärt. Dieses Abwiegeln lässt Grund zur Vermutung, dass wir uns vor den entsprechend großen Veränderungen, die große Ereignisse erfordern, fürchten. Als Konsequenz werden Maßnahmen oftmals erst getroffen, wenn eine unmittelbare Bedrohung des Unternehmens bevorsteht und die Missstände offensichtlich sind. Es ist uns ein Anliegen bei der Interpretation von Kennzahlen auf dieses menschliche Verhalten hinzuweisen, um eine größere Aufmerksamkeit zu schaffen. • Vergleich: Der Vergleich von Kennzahlwerten mit jenen anderer Unternehmen hilft der Betriebsblindheit entgegenzuwirken. Weniger nahe liegende Lösungen werden dadurch identifiziert, dass beispielsweise Unternehmen aus einer anderen Branche gewählt wird. Es ist dabei wichtig zu erkennen, dass dieses so genannte Benchmarking

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

221

keinen reinen Kennzahlvergleich, sondern auch einen Vergleich von Prozessen zur Erreichung der Kennzahlwerte beinhalten muss. Die verschiedenen Arten von Benchmarking und wie der Problematik der Vergleichbarkeit elegant begegnet werden kann, wird ausführlich im nächsten Abschnitt behandelt. • Aktion: Mit zielgerichtetem Handeln schließt der Prozess der Kennzahlverwendung ab. Maßnahmen zur Verbesserung des aktuellen Wertes in Form von Best Practices oder Succesfull Practices werden in einer Vielzahl angeboten. Best Practices sind kontextabhängige geeignete Maßnahmen um einen Bereich signifikant zu verbessern. Detaillierte Informationen zu Best Practices und deren Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung in einem Unternehmen sind in Abs. 4.3.4 ausgeführt. Eine besonders geeignete Methode der Identifizierung nicht nahe liegender Verbesserungen ist das Benchmarking. Der Vergleich von Kennzahlen kann dabei als Auslöser dienen und in einem vertieften Prozessbenchmarking, indem die Partnerunternehmen ihre Abläufe vergleichen, fortgesetzt werden. Ein ernstzunehmender Kritikpunkt zum Thema Benchmarking ist der Einwand, dass Benchmarking bestenfalls dazu führt, dass ein Unternehmen zweitbestes wird. Dies trifft sicherlich für den brancheninternen Vergleich zu. Auf der anderen Seite wäre so manches Unternehmen froh, vom vorletzten auf den zweiten Platz vorzurücken, weshalb auch diese Art des Vergleiches seine Berechtigung findet. Um die Nummer eins zu werden, gehört noch das Quäntchen unternehmerischer Genialität dazu, was durch keinen Vergleich dieser Welt zu ersetzen ist. Nichtsdestoweniger muss auch beim brancheninternen Vergleich genauestens darauf geachtet werden, unter welchen Voraussetzungen eine Lösung bei einem Unternehmen erfolgreich war. Das unreflektierte Kopieren generiert, vergleichbar mit dem Erheben on Kennzahlen, deren Verwendung nicht abgeklärt ist, bestenfalls nicht reproduzierbare Zufallserfolge. Bei der Planung von Aktionen, die bestimmte Kennzahlwerte verbessern sollen, ist, wie schon eingangs erwähnt, die Berücksichtigung von Zielkonflikten von größter Bedeutung, um nicht lokale Optima einem globalem Optimum vorzuziehen. In Abs. 5.2.2 ist die Verwendung der SCVD zur Identifizierung von Zielkonflikten ausführlich erläutert.

222

4.2.4

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Benchmarking als Prozess zur kontinuierlichen Verbesserung

Benchmarking muss, will es nutzbringend eingesetzt werden, als „der Wille von den Besten zu lernen“ verstanden werden. Dieser Satz bringt die Kerngedanken auf den Punkt, nämlich erstens die Bereitschaft eines Unternehmens, eine Veränderung herbeizuführen, und zweitens zu akzeptieren, dass ein anderes Unternehmen im betrachteten Bereich besser ist und man somit von diesem lernen kann. Lernen heißt aber auch zu verstehen und nicht ausschließlich zu kopieren. Einfaches Nachahmen entspräche einem Kind, welches Nachplappert ohne zu verstehen, welchen tieferen Sinn die Worte haben. Erst das Verständnis über die Umgebungssituation, in der sich eine bestimmte Lösung als besonders gut erwiesen hat, schafft die Möglichkeit zu lernen, welches Prinzip verfolgt wurde, und wie dieses auf das eigene Unternehmen nutzbringend übertragen werden kann. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) als Mittel zur ununterbrochenen Weiterentwicklung eines Unternehmens ist bereits in Abs. 3.1 eingeführt worden. Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, wie in diesem Prozess Benchmarking helfen kann, größere Leistungssprünge zu erzielen, indem Maßnahmen identifiziert werden, welche nicht durch evolutionäre Verbesserung, sondern nur durch disrupte Veränderungen realisiert werden können. Dies mag, solange weitgehend operationelle Maßnahmen betroffen sind, noch im inneren Regelkreis der Abb. 67 ablaufen, wenn strategische Ziele hinterfragt und entsprechende weitreichende Maßnahmen notwendig sind, muss die Schleife 2, welcher im Detail in Kapitel 4 angegangen wird, durchlaufen werden (vgl. Abb. 68). Robert C. Camp, der Autor des Standardwerks „Benchmarking“, hat als erster die Benchmarking-Methode mit der Dokumentation seiner Arbeit bei Xerox einem breiten Publikum zugänglich gemacht. In den Jahren der Erfahrung haben sich für ihn fünf Hauptgründe, welche für den Einsatz von Benchmarking sprechen, herauskristallisiert: • Es ermöglicht, Ideen und gute Lösungen von unterschiedlichsten Industrien aufzunehmen und in das eigene Unternehmen zu integrieren. • Es regt Experten, deren Mithilfe für die Umsetzung der Erkenntnisse auf einem Benchmarking unerlässlich sind, zu größter Kreativität an und wirkt motivierend. • Benchmarking bricht eingefahrene, unbewegliche Prozesse auf und ermöglicht Veränderungen.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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• Es hilft Best Practices oder Successful Practices zu identifizieren, welche in der eigenen Industrie noch nicht angewandt worden sind. • Es weitet die Breite der Erfahrung und des Wissens der beteiligten Personen aus. Ungeachtet der Tatsache, dass sich in der Literatur eine Vielzahl verschiedener Nutzenarten für Benchmarking finden, kann man den Nutzen von Benchmarking auf drei maßgebliche Faktoren reduzieren. Die Positionierung des Unternehmens: Die Identifizierung eines Leistungsrückstandes auf die Wettbewerber in einem Bereich des Unternehmens hilft jene Bereiche zu erkennen, bei denen dringender Handlungsbedarf vorliegt. Wenn überdurchschnittliche Leistung erbracht wird, kann dies als Ansporn dienen, die Spitzenposition zu behaupten. Im Falle von Minderleistung des eigenen Unternehmens sind kleine Abstände zum Vergleichspartner meist Motivation, diese Lücke zu schließen, um somit das Rennen um den Spitzenplatz anzuführen. Der Aha-Effekt: Benchmarking hilft, die Augen für völlig neue Lösungen zu öffnen. Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) – so wichtig sie sind – bergen die Gefahr, dass radikalere, jedoch notwendige Schritte nicht gemacht werden. Der Grund liegt darin, dass KVP als Referenz den eigenen Status Quo des Unternehmens haben, womit nur Lösungen in Betracht gezogen werden, welche gut erreichbare und nahe liegende Effizienz oder Effektivitätssteigerung zur Folge haben. Benchmarking hingegen stellt den Status Quo grundsätzlich in Frage, da andere Unternehmen mit deren Lösungen als Referenz anschaut werden. Wichtig ist jedoch auch hier, nicht nur nahe liegende Partner zu suchen, da sonst die gleiche Gefahr wie bei kontinuierlichen Verbesserungen besteht. Die Auswahl von Benchmarking-Partnern über die Grenzen der nahe liegenden Konkurrenten schöpft erst das wahre Potenzial von Benchmarking aus und kann zum erwähnten Aha-Effekt führen. Ein Joghurt-Produzent, der sich ausschließlich mit anderen Joghurt-Produzenten vergleicht, wird bestenfalls Zweitbester; erst der Blick auf branchenfremde, logistisch vergleichbare Unternehmen können wahre Quantensprünge in der Effizienz und Effektivität der Logistik ermöglichen. Für erfolgreiche Leistungssteigerung sind somit beide Faktoren notwendig: KVP, um fortwährend den Status Quo zu verbessern, und Benchmarking, um von Zeit zu Zeit den Status Quo grundsätzlich in Frage zu stellen und Leistungssprünge zu ermöglichen.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Die kontinuierliche Verbesserung: Benchmarking dient oftmals zur Institutionalisierung von KVP, indem die Einstiegshürde für Kennzahlerhebungen gesenkt wird. Einmal erhoben, können diese ohne den Initialaufwand aus dem Benchmarkingprojekt übernommen werden und fortan als regelmäßig überwachte Kennzahlen dienen. Die Messung der Kennzahlen dient somit auch der Nachkontrolle, ob sich die implementierten Verbesserungen auch in einer Kennzahlverbesserung zeigen oder nicht. Benchmarkingprojekte können somit als Nebennutzen den Anstoß zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess geben. Grundsätzlich durchlaufen Benchmarkingprojekte und KVP die gleichen Phasen von der Problemerkennung bis zur Messung der Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen. In der Abb. 87 ist der Vorteil von Bench-

Abb. 87 Benchmarking als Anstoß zu sprunghaften Verbesserungen

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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markingprojekten in diesem Kreislauf der Leistungssteigerung visualisiert. Der äußere Kreis entspricht den aus dem Qualitätsmanagement bekannten vier Phasen „Plan-Do-Check-Act“ des Deming-Kreises. Die Abbildung erhebt nicht den Anspruch einer quantitativen Bemessung der Leistungssteigerung, nichtsdestotrotz bedeutet eine Positionierung des Unternehmens weiter außen im Kreis eine höhere Leistungserfüllung. Für spezifische Anwendungen können daher den Achsen selbstverständlich Kennzahlen zugeordnet werden, um der Grafik zum direkten Vergleich verschiedener Unternehmen auch eine quantitative Bedeutung zu geben. In Abb. 87 sind vergleichsweise zwei Unternehmen im Laufe eines Verbesserungsprojektes abgebildet. Das Unternehmen, dessen Leistung der schwarzen Linie entspricht, verwendet Benchmarking, die andere Firma verwendet den traditionellen Ansatz des KVP. Der erste oben erwähnte Nutzen – die Positionierung des Unternehmen – ist durch den Anfangspunkt auf der vertikalen Achse, der Problemidentifizierungs-Achse, ersichtlich. Der relative Abstand der beiden Kurven stellt den anfänglichen Leistungsunterschied der beiden Unternehmen zu Beginn des Projektes dar. In der obigen Abbildung dieser Abstand mit Null angegeben, was in der Überlappung der beiden Kurven auf der Problemidentifikationsachse visualisiert ist. Der zweite Nutzen, der Aha-Effekt, ist auf der VerbesserungsstrategieAchse, sowie auf der Realisierungs-Achse ersichtlich. Es ist offensichtlich, dass in jenen Phasen, wo innovative Lösungen gesucht und deren Umsetzung realisiert wird, die größten Vorteile von Benchmarking ersichtlich sind. Hier ist der enge Kontakt zum Benchmarking-Partner, um von dessen Erfahrung über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Lösungen zu profitieren, von besonderer Wichtigkeit. Des Weiteren ist der Prozess der Umsetzung an sich ein risikobehaftetes Unterfangen, bei dem es sich lohnt, auf die Erfahrung des Benchmarking-Partners zurückzugreifen. Teure Lehren infolge gescheiterter Umsetzungsbemühungen können somit vermieden oder zumindest ihre Wahrscheinlichkeit minimiert werden. Im folgenden Abschnitt wird nun tiefer in die Methode des Benchmarking eingegangen und unterschiedliche Arten des Benchmarking sowie Benchmarking als Vorgehensmodell erklärt. 4.2.4.1 Arten von Benchmarking Jede Benchmarkinginitiative hat ihren eigenen Fokus, ein unterschiedliches Budget und einen bestimmten Anwendungsbereich. Um diesen Umstand in eine Systematik einzubetten, hat Robert C. Camp vier

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verschiedene Benchmarkingtypen identifiziert, deren Unterscheidungskriterium hauptsächlich in der Suche eines Benchmarkingpartners liegt. • Internes Benchmarking beschränkt die Suche nach potenziellen Benchmarkingpartnern auf das eigene Unternehmen. In einem dezentralisierten Unternehmen kann dies bedeuten, dass unterschiedliche Divisionen, Arbeitsgruppen oder gar die Arbeitsweisen einzelner Personen miteinander verglichen werden, indem die gleichen oder vergleichbare Funktionen selektiert werden. Da beide Partner im gleichen Unternehmen sind, ist der offene Austausch von Daten aufgrund des Vertrauensverhältnisses wesentlich erleichtert. Die Analyse und Interpretation von Daten und der zugrunde liegenden Prozesse hilft somit mit, veraltete und eingefahrene Verfahrensweisen aufzudecken und zumindest einen homogenen Leistungsstandard im Unternehmen zu etablieren. Mit dem Wissenstransfer über eine erfolgreiche Prozessgestaltung und der darin angewandten Methoden kann sichergestellt werden, dass sich das im Unternehmen vorhandene Wissen auf eine breite Basis abstützt und nicht mit einzelnen Personen abhängt. Internes Benchmarking hat den großen Vorteil der meist hohen Vergleichbarkeit der Benchmarkingpartner, nachteilig wird von Weber und Wertz das begrenzte Verbesserungspotenzial aufgeführt. Ähnlich wie bei KVP ist das Verbesserungspotenzial von internem Benchmarking auf die eigene Zielvorstellung des Erreichbaren beschränkt, was die Identifizierung von völlig neuartigen Lösungen weitgehend ausschließt. • Wettbewerbsbenchmarking ist hinsichtlich des Datenaustausches aufgrund der direkten Konkurrenz der Benchmarkingpartner am Markt sicherlich der am schwierigste zu realisierende Typ von Benchmarking. Um dennoch einen Datenaustausch zu ermöglichen, wird meist eine Normalisierung der Werte durch externe Berater durchgeführt. Somit ist zwar noch ein Leistungsvergleich möglich, direkte Kennzahldaten müssen aber nicht mehr ausgetauscht werden. Wettbewerbsbenchmarking steht hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Benchmarkingpartner dem internen Benchmarking in keiner Weise nach, da beide Unternehmen den gleichen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt sind. Um der Problematik des Datenaustausches zu begegnen, kann es auch von Vorteil sein, den Begriff des Wettbewerbers nicht zu eng zu fassen und beispielsweise Unternehmen aus der gleichen Branche, nicht aber den direkten Wettbewerber auszuwählen. • Funktionales Benchmarking legt das Augenmerk hauptsächlich auf bestimmt Funktionen oder Prozesse. Im vorliegenden Fall sollen diese als gleich angesehen werden. Ein beliebiger Prozess, beispielsweise die

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

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Auslieferung von Standardprodukten, kann somit zunächst mit Kennzahlen charakterisiert und anschließend mithilfe einer Prozessanalyse nach den Ursachen unterschiedlicher Leistungskennzahlwerte analysiert werden. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass er branchenübergreifend angewandt werden kann ohne die Vergleichbarkeit zu kompromittieren. Ausnahmen in der Prozessindustrie sind aber dennoch zu beachten, da in dieser Branche die Vergleichbarkeit mit anderen Branchen besonders genau geprüft werden muss. Das erste in der Literatur als solches benannte Benchmarking von Xerox kann als funktionales Benchmarking bezeichnet werden. Xerox verglich dabei als Hersteller von Druckern seine Lagerungs- und Auslieferungsprozesse mit jenen von L. L. Bean, einem Hersteller von Camping- und Trekking-Ausrüstungen. Beliebte Partner für ein funktionales Benchmarking sind jene Unternehmen, welche eine Bekanntheit für bestimmte Prozesse erlangt haben. Toyota kann hierbei als Beispiel für die Just-In-Time-Produktion und Dell für die effiziente Lieferung von kundenspezifischen Produkten dienen. Funktionales Benchmarking verbindet die Vorteile des internen Benchmarking hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit einer Erweiterung des Fokus über die eigene Branche hinaus. Es hilft somit, innovative Lösungen aus anderen Industrien zu identifizieren und auf die Anwendbarkeit im eigenen Unternehmen zu prüfen. • Das generische Benchmarking stellt das Optimum des Nutzens, welcher aus einem Benchmarkingprojekt zu erwarten ist, dar. Als Kehrseite der Medaille ist es aber auch mit den größten Herausforderungen, die nicht selten zu Problemen führen, behaftet. Generisches Benchmarking setzt keine Limitation hinsichtlich der Wahl des Unternehmen, der Prozesse oder der Funktionen. Aus diesem Grund muss bei der Auswahl des Partners besondere Vorsicht walten, um die Vergleichbarkeit zu garantieren. Hilfreiche Einschränkungen in der Partnerwahl, wie sie beim Wettbewerbsbenchmarking gemacht werden, sind hier ebenso wenig zu finden wie einen Ansatzpunkt, der bestimmt, welche Kennzahlen zur Gegenüberstellung am besten geeignet sind. Es ist also eine Herausforderung, eine Beschreibung und Charakterisierung der Unternehmen zu finden, welche ausreichend abstrakt ist, um unnötige Details zu vernachlässigen, jedoch die grundsätzlichen Beschreibungsmerkmale, welche zur Bestimmung der Vergleichbarkeit von Nöten sind, korrekt erfasst. Eine Beschreibungsart, welche sich auf die logistisch relevanten Merkmale konzentriert ist, die in Abs. 4.3 eingeführte merkmalsbasierte Beschreibung von Unternehmen.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Ein immer wieder gerne angeführtes Beispiel von generischem Benchmarking ist jenes des Vergleichs einer Notaufnahme in einem Krankenhaus und einem Formel 1-Boxenstopp. Obschon diese beiden Prozesse auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, sind sie doch hinsichtlich der Anforderungen, welche sie in logistischer Hinsicht zu erfüllen haben, sehr gut vergleichbar. Konsequenterweise findet man auch in beiden Fällen eine hohe Standardisierung der Vorrichtungen. Beispielsweise sind klappbare Betten, welche sich beim Einschieben nicht verkanten können, konzeptionell einem Tankeinfüllstutzen, der Fehlmanipulationen ausschließt und einfach handhabbar ist, gleichzusetzen. Entscheidend in beiden Fällen ist, dass der technische Vorrichtungsbau jegliche Fehlbedienung weitgehend ausschließt und somit die beteiligten Personen sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren können. Im Just-In-Time-Konzept ist diese Art der „Narrensicherheit“ von Produktionsvorrichtungen unter dem Namen Poka-Yoke bekannt geworden. Mit generischem Benchmarking können grundsätzlich neue Prinzipien, welche sich in einem anderen Kontext längst durchgesetzt haben, ins eigene Unternehmen übernommen werden. Diese Weitsicht, über die direkten Wettbewerber und auch über die eigene Branche hinaus, ist die Grundlage des größten Verbesserungspotenzials der vier hier dargestellten Typen des Benchmarking. Warnende Hinweise über die Gefahren einer ungenügenden Vergleichbarkeit sind in der Literatur zur Genüge zu finden; wir möchten in Abs. 4.3 und folgende eine Lösungsmöglichkeit vorschlagen, wie diesem Problem ohne ausufernden Aufwand entgegengetreten werden kann. Die Charakterisierung der Benchmarking-Typen nach Weber und Wertz hilft, einen überblick über die Vor- und Nachteile zu verschaffen. Die Charakterisierung erfolgt nach den vier Kriterien: direkte Vergleichbarkeit, Aufwand, Vertraulichkeitsproblematik und Lernpotenzial, vgl. Abb. 88. Die ursprüngliche Motivation, ein Benchmarkingprojekt durchzuführen, legt häufig den Benchmarkingtyp bereits fest. Wie bereits oben erwähnt, wird für eine Homogenisierung der unternehmensinternen Leistung sicherlich ein internes Benchmarking gewählt, während das Wettbewerbsbenchmarking die erste Wahl ist, um sich relativ zum Markt zu positionieren. Wenn bereits Problemfelder identifiziert worden sind und innovative Lösungen aus anderen Branchen für einen bestimmen Prozess gesucht werden, bietet sich funktionales Benchmarking an.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

229

Abb. 88 Klassifizierung der Benchmarkingtypen

Wie soll in einem Benchmarkingprojekt vorgegangen werden? In der Praxis hat sich ein Vorgehensmodell etabliert, das unabhängig vom Benchmarkingtyp ist. Es unterteilt ein Benchmarkingprojekt in drei Hauptphasen, welche jeweils wieder in vier Schritte gegliedert sind. Im folgenden Abschnitt werden die Phasen eines Benchmarkingprojektes umrissen. 4.2.4.2 Benchmarking als Vorgehensmodell Die erste Phase eines Benchmarkingprojektes wird Vorbereitungsphase genannt und befasst sich mehrheitlich mit der Schaffung eines geeigneten Umfeldes. Dieses umfasst im Detail die Zusammensetzung eines geeigneten Teams mit den nötigen Kompetenzen, die Identifizierung von geeigneten Kennzahlen, sowie die Auswahl eines Benchmarkingpartners. Die zweite Phase umfasst die analytischen Aufgaben des Benchmarking. Es werden Daten erhoben, analysiert und interpretiert. Der letzte Schritt umfasst die Kommunikation der Interpretation mit den korrekten Schlussfolgerungen. In dieser Aufgabe zeigt sich die Bedeutung der Teamzusammensetzung des Benchmarkingprojektes. Umzureichende Kompetenzen könnten einzelne Abteilungen dazu verleiten, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu missachten und sie als Seitenhieb einer anderen Abteilung empfinden. Es ist daher unerlässliche, dass die Ergebnisse der Analysephase im Benchmarking von oberster Eben kommuniziert

230

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 89 Phasen einer Benchmarking Initiative nach Weber und Wertz (1999)

werden, um die Verbindlichkeit der Maßnahmen, welche im nächsten Schritt vorbereitet werden, zu untermauern. Benchmarking als reinen Vergleich ohne Umsetzung von Verbesserungen birgt neben reinem Erkenntnisgewinn kaum Nutzen. Es muss somit die dritte Phase, die Umsetzungsphase, welche die Schlussfolgerungen der zweiten als Input als Anstoß von Veränderungsinitiativen nehmen, folgen. Die drei Phasen sind in Abb. 89 zusammengefasst. Es ist von besonderer Wichtigkeit zu erkennen, welche Phasen des Projektes welche Ressourceneinsatz verlangen. So ist beispielweise die Vorbereitung in vielen Fällen die ressourcenintensivste Phase. Ein Vergleich mit dem weiter oben (Abs. 4.1) eingeführten Kreislauf des operationellen Performance Management wird klar, dass Benchmarking als wichtigen Bestandteil von unternehmerischem Performance Management verstanden werden sollte. Ein Benchmarkingprojekt umfasst demnach sowohl Aspekte der Leistungsplanung, Leistungsmessung, Leistungsbeurteilung und -verbesserung. Die Leistungsplanung liegt in der Auswahl von Leistungskennzahlen und geeigneter Benchmarkingpartner, die Leistungsmessung durch die Erhebung der Kennzahlwerte sowie deren Analyse. Aspekte der Leistungsbeurteilung sind sowohl in der Analyse der aktuellen Leistung sowie jener nach der Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen zu finden. Die Leistungsverbesserung ist in allen Schritten der Umsetzungsphase durch konkrete Maßnahmen umgesetzt. Eine detaillierte Beschreibung aller Schritte und den zu beachtenden Erfolgsregeln sei auf das Originalwerk von Weber und Wertz (1999) verwiesen.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

231

Im Zusammenhang mit ihrer reichhaltigen Erfahrung in Benchmarking haben Weber und Wertz empirisch in 42 Projekten belegt, dass sich die vier wichtigsten Punkte für ein erfolgreiches Benchmarking wie folgt darstellen: • • • •

Planung der Benchmarkinginitiative, Fokus und Ziele Top-Management-Unterstützung Leistungskennzahlen: Präzision und Definition Wahl eines geeigneten Benchmarkingpartners

Es ist eine bezeichnende Tatsache, dass drei der vier wichtigsten Erfolgsfaktoren Aufgaben der Vorbereitungsphase sind. Ebenso bedeutsam ist, dass gerade für die beiden Schritte der Identifizierung von Leistungskennzahlen und der Benchmarkingpartner heute nur unzureichende, oder aber sehr kostspielige, Unterstützung zu finden ist. Wir werden daher im nächsten Abschnitt einen Weg aufzeigen, wie durch eine recht einfache Systematik der Beschreibung von Unternehmen die Grundlage der Vergleichbarkeit zweier Unternehmen analysiert werden kann. Mit Hilfe der im letzten Abschnitt eingeführten Kennzahlen aus der SCVD ist des Weiteren eine Auswahl von Kennzahlen, welche die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens in Betracht zieht, möglich. 4.2.4.3 Die Partnersuche Welches Unternehmen ist wohl geeignet, um das eigene daran zu messen? Sind die gewonnen Erkenntnisse wirklich auf das eigene Unternehmen anwendbar? Ist mein Unternehmen nicht doch etwa ein Spezialfall, der mit keinem anderen Unternehmen vergleichbar ist? Drei Fragen, drei Antworten, wobei die letzte gerne vorweggenommen wird. Wie häufig haben wir gehört, dass das eigene Unternehmen halt doch etwas anders ist als alle anderen und darum deren Ideen im eigenen Unternehmen gar nicht funktionieren können. Wie häufig wird diese so genannte Einzigartigkeit als Vorwand die eigene Trägheit zu rechtfertigen vorgebracht? Es sind die alt bekannten Killer-Phrasen, welche den Beginn eines Stillstandes markieren, aus dem viele Unternehmen erst in existenzbedrohlicher Schieflage wieder herausfinden. Es geht uns nicht darum, Unternehmen die sicherlich vorhandene Einzigartigkeit abzusprechen. Unsere Erfahrung in der Analyse von über fünfzig Unternehmen im europäischen Raum hat jedoch gezeigt, dass viele Unternehmen, insbesondere in der Logistik, mit weit weniger speziellen Marktanforderungen konfrontiert sind, als man glauben mag. Die Vergleichbarkeit der Logistik zweier Unternehmen hat sich somit nach Eliminierung von unnötigen

232

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Details als recht einfach feststellbar und die Ergebnisse als solide erwiesen, wie in den kommenden Abschnitten gezeigt wird. Benchmarking lebt von der Lernbereitschaft eines Unternehmens und von der Bereitschaft des Partnerunternehmens, seine Erfahrungen zu teilen. Die Frage nach der Wahl eines geeigneten Partnerunternehmens ist stark mit der Frage nach den zu messenden Kennzahlen verknüpft. Selbstverständlich muss nicht nur sichergestellt werden, dass die Kennzahlen in beiden Unternehmen messbar sind, sondern auch, dass sie eine gute Vergleichbarkeit aufweisen. So ist es sicherlich nicht zielführend zum Vergleich von Lieferflexibilität ein Partnerunternehmen zu wählen, dessen Marktanforderungen weitgehend im Bereich tiefer Kosten und sehr kurzer Lieferzeit liegen. Es sind also die beiden eingangs gestellten Fragen der Kennzahlen mit jener der Vergleichbarkeit zweier Unternehmen gleichzeitig bzw. einvernehmlich zu beantworten. Intuitiv ist somit einsichtig, dass nicht alle Unternehmen innerhalb einer Branche vergleichbar sind. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, Unternehmen mit vergleichbaren logistischen Anforderungen aus unterschiedlichen Branchen zu finden. Diese einfach und effizient zu identifizieren ist ein Hauptfokus dieses Buches. In Abb. 89 wurde die Definition von Kennzahlen zeitlich vor der Auswahl von Benchmarkingpartnern definiert. Es gibt gute Gründe, dies als eine gute Reihenfolge anzusehen. So ist es von Vorteil, wenn ein Unternehmen die eigenen zu optimierenden Zielgrößen im Auge hat, bevor es den Blick auf die vielfältige Auswahl an anderen Vergleichunternehmen richtet. Auf der anderen Seite ist diese Reihenfolge sicherlich nicht zwingend; wir werden vielmehr in diesem Buch aufzeigen, dass es elegantere Lösungen gibt, welche die enge Verbindung der Definition von Kennzahlen und der Auswahl von Benchmarkingpartnern betonen und gleichzeitig eine wesentlich effizientere Methodik zur Auswahlprozesses darstellen. Wir werden im folgenden Abschnitt zeigen, wie charakteristische Unternehmensmerkmale herangezogen werden können, um die Vergleichbarkeit von Unternehmen einerseits festzustellen und die Auswahl von Kennzahlen andererseits zu vereinfachen. Dabei ist es entscheidend, die Einschränkung von Vergleichspartnern auf die eigene Branche bewusst fallen zu lassen, um das gesamte Potenzial des generischen Benchmarking auszuschöpfen. Es ist also zwingend, eine Methodik zur Beschreibung der Logistik und der relevanten Umfeldes eines Unternehmens zu entwickeln, um bei der Auswahl von einem BenchmarkingPartner vergleichbare Firmen zu identifizieren. Diese Beschreibungsmethodik wird im Folgenden im Detail ausgeführt.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

233

Die merkmalsbasierte Beschreibung von Unternehmen Wenn die Logistik des Unternehmens A effizienter und effektiver ist als jene des Unternehmen B, stellt sich sogleich die Frage nach den Randbedingungen, unter welchen diese Leistung erbracht wird. Zahlreiche Antworten hinsichtlich des Produktspektrums, der Produktionsinfrastruktur, den Marktanforderungen etc. müssen gefunden werden, bevor ein Vergleich beider Unternehmenslogistiken sinnvoll ist. Da Merkmale charakteristische Eigenschaften, welche zur Differenzierung zweier Objekte dienen können, sind, ist es nahe liegend, dass sie auch zur Feststellung von Gemeinsamkeiten geeignet sind. Diese meist in guter Qualität, aber verstreut im Unternehmen vorhandenen Informationen werden mit der merkmalsbasierten Beschreibung von Unternehmen strukturiert, gesammelt und übersichtlich sortiert. Welches sind nun aber die ausschlaggebenden Bereiche, die die Ausgestaltung der Logistik am stärksten beeinflussen? In einer europaweiten Studie konnte festgestellt werden, dass die merkmalsbasierten Beschreibung der Unternehmenslogistik auf die drei Säulen Produkt, Markt und Produktion aufgestellt sein muss, um ein umfassenden Bild zu vermitteln. Ein näherer Einblick in jeden dieser drei Bereicht hilft, charakteristische Merkmale welche einen maßgeblichen Einfluss auf die Anforderungen an die Logistik haben, zu identifizieren. Dazu müssen die folgenden drei Fragen gestellt und beantwortet werden: • Was will das Unternehmen beschaffen, produzieren und am Markt anbieten und welche Eigenschaften haben diese Teile, Komponenten oder Produkte (Produktmerkmale)? • Welche Marktanforderungen werden an das Unternehmen hinsichtlich Qualität, Lieferzeit, Kosten etc. gestellt (Marktmerkmale)? • Wie werden die Produkte gefertigt, welche infrastrukturellen Voraussetzungen müssen als gegeben angenommen werden (Produktionsmerkmale)?

Abb. 90 Merkmalsklassen zur Beschreibung von Supply Chains

234

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 91 Merkmale zur Beschreibung von Supply Chains

Es wird also ein Zusammenhang zwischen den Marktanforderungen, dem Produkt, welches in diesem Markt angeboten werden soll, und der daraus abgeleiteten infrastrukturellen Umsetzung in der Produktion, hergestellt. Für jeden der drei oben genannten Bereiche ist ein Satz von Merkmalen definiert worden, welcher die relevanten Merkmale und ihre möglichen Ausprägungen beschreibt. Um die Erfassung der Merkmale so effizient zu gestalten, müssen die möglichen Ausprägungen aus einer beschränkten Menge wählbar sein, wohl wissend, dass mit dieser Vereinfachung gewisse Details vernachlässigt werden. Bei der Anwendung in Unternehmen hat sich diese Beschränkung eher als Vorteil erwiesen, da sie eine Einigung der beteiligten Personen auf eher grundsätzliche Ausprägungen erzwingt. Das damit verbundene einheitliche Verständnis über die eigene Unternehmenslogistik bildet eine Basis für die anschließende Auswahl eines Vergleichspartners. Im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes ProdChain konnten die folgenden 26 Merkmale zur Charakterisierung der Unternehmenslogistik identifiziert werden.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

235

Im Folgenden werden die 26 Merkmale kurz erläutert und ihre möglichen Ausprägungen vorgestellt. Produktbezogene Merkmale Produktverkaufswert Der Produktverkaufswert bestimmt den Wert der Kapitalbindungskosten und die finanziellen Auswirkungen bei technischer Überalterung des Produkts. Für kostengünstige Produkte muss zwingend eine effiziente Logistikkette aufgebaut werden, um die günstigen Produkte nicht mit zusätzlichen Kosten zu belasten. Teure Produkte hingegen benötigen oftmals besondere Behandlung beim Transport oder bedürfen spezieller Schutzvorkehrungen. Die Bestimmung von Sollbeständen aller Lagerstufen ist bei teuren Produkten besonders genau zu planen, da überdimensionierte Lager einen stark negativen finanziellen Einfluss haben. Auf der anderen Seite kann sich ein Unternehmen für teure Produkte aufwändigere Prozesse leisten, ohne dass dieses sich unmittelbar auf den Verkaufspreis auswirken wird. Produktverkaufswert

gering (< 5 Euro)

mittel

hoch (> 5000)

Produktgröße Die physische Größe eines Produkts beeinflusst die Bestandesführung, die Transporteinheitsgröße und die Transportkosten. Ein großes (voluminöses) Produkt reduziert zum Beispiel die Kapazität eines Lagers beträchtlich und lässt auch die Lagerhaltung teuer werden. Auch sind die Transporteinheiten eines großen Produkts kleiner, was im Gegenzug die Transportkosten erhöht. Zwar werden Stückguttransporte in der Regel nach Gewicht bezahlt, allerdings wird immer eine Angabe des Gewichts pro Kubikmeter verlangt, was sich wiederum auf die verhandelbare Rate auswirkt. Kurz gefasst, je schwerer ein Produkt pro Kubikmeter ist, desto geringer ist die Frachtrate pro kg. Produktgröße

klein (< 1 dm3)

mittel

gross (> 1 m3)

Produktgewicht Neben der Produktgröße ist das Produktgewicht ein maßgeblicher Treiber für alle Transportprozesse. Im innerbetrieblichen Transport ist ein hohes Produktgewicht immer mit einer reduzierten Flexibilität verbunden, da Hebeeinrichtungen und Transportmittel speziell auf das

236

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Produktgewicht angepasst sein müssen. Im außerbetrieblichen Transport wird heute in den meisten Fällen eine gewichtsabhängige Rate mit den Spediteuren verhandelt, womit das Gewicht wieder zum Kostentreiber wird. Als absolute Kenngröße ist das Gewicht jedoch nicht maßgebend, vielmehr muss der Produktwert mit einbezogen werden. Die Wertdichte (Euro/kg), also der Verkaufswert pro kg Produkt ist ein geeigneter Indikator, um die Sensitivität des Kostentreibers „Produktgewicht“ zu beurteilen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Wertdichte von unter fünf Euro/kg als sehr transportkostensensitiv bezeichnet werden kann. Im Gegenzug bringen Produkte ab einem Verkaufswert von 1000 Euro in den meisten Fällen auch bei Expresslieferungen noch einen positiven Deckungsbeitrag. Produktgewicht

leicht (< 1 kg)

mittel

schwer (> 100 kg)

Tiefe der Produktstruktur Die Tiefe der Produktstruktur beschreibt den Komplexitätsgrad eines Produktes, d. h., ob das Produkt aus einfachen Teilen zusammengebaut wird oder ob diese Teile wiederum Baugruppen mit komplexen Unterbaugruppen sind. Der Komplexitätsgrad beeinflusst seinerseits die Komplexität von Planung und Steuerung einer Firma und eines Produktionsnetzwerks. Zum Beispiel ist die Koordination logistischer Prozesse für ein mehrteiliges Produkt um einiges komplexer als für ein Produkt, das nur aus wenigen Teilen besteht. Um bei vielteiligen Produkten eine Störung des Produktionsflusses zu vermeiden, müssen verschiedene Komponentenlieferungen von unterschiedlichen Lieferanten präzise koordiniert werden. Tiefe der Produktstruktur

viele Teile, kom- viele Teile, einfa- wenig Teile, einplexe Struktur che Stuktur fache Struktur

Ausrichtung der Produktstruktur Zusammen mit der Tiefe der Produktstruktur beschreibt die Ausrichtung der Produktstruktur den Komplexitätsgrad eines Produktes. Produkte, welche aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt werden, haben eine konvergierende Produktstruktur. Wenn aus einem Grundstoff viele verschiedene Produkte oder Produktvarianten hergestellt werden können (z. B. in der Petrochemie), spricht man von divergierender Produktstruktur. Die dritte Möglichkeit, bei der einerseits eine begrenzte Anzahl von Grundstoffen eingesetzt werden und andererseits aus der Kombination

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

237

dieser Grundstoffe sehr viele Produkte oder Produktvarianten erzeugt werden können, wird als kombinierte (divergierend/konvergierend) Produktstruktur bezeichnet (z. B. in der Pharmaindustrie). Ausrichtung der Produktstruktur

konvergierend

Kombination

divergierend

Länge des Produktlebenszyklus Dieses Merkmal steht für die Zeit, die vergeht, bevor ein Produkt normalerweise überarbeitet bzw. durch ein neues Nachfolgeprodukt ersetzt wird. Die Länge des Lebenszyklus hat einen großen Einfluss auf die Materialfluktuation. Je kürzer ein Produktlebenszyklus ist, desto häufiger müssen neue Teile entwickelt und hergestellt werden bzw. bei Zukaufteilen geeignete Lieferanten gefunden werden. In speziellen Fällen könnte dies sogar zur Wahl neuer Lieferanten und zum Abschluss neuer Verträge bezüglich Fälligkeitsterminen, Liefermengen, (Produkt-) Qualität und Geschäftsbedingungen führen, was auch die Materialfluss-Prozesse betreffen könnte. Dies trifft vor allem bei veränderten Qualitätsabsprachen, die zu neuen Prüfungsverfahren führen, zu erhöhten Kosten, die in der Kürze der Produktverkaufsphase amortisiert werden müssen. Länge des Produktlebenszyklus

Monate

< 1 Jahr

1 – 5 Jahre

> 5 Jahre

Anzahl verkaufter Produkte Die Bestimmungsgröße „Anzahl verkaufter Produkte” ist ein Kriterium, mit dem sich Kennzahlen normieren lassen. Es ist dabei zu unterscheiden, ob ein Produkt nur einige Mal pro Jahr verkauft wird oder ob es sich um ein millionenfach verkauftes Massenprodukt handelt. Hautsächlich soll hier der Einfluss der „economy of scale“ erfasst werden. Dieses Merkmal beschreibt somit, welche physische Menge die Logistik pro Jahr zu behandeln hat und kann zur Relativierung von Aufwendungen herangezogen werden. Ein millionenfach verkauftes Produkt kann beispielsweise Aufwendungen für eine hohe Automatisierung eher rechtfertigen als dies ein Produkt, welches nur einige hundert Mal pro Jahr verkauft wird, kann. Anzahl verkaufter Produkte pro Jahr

1 – 100

100 – 1000

1.000 – 1 Mio.

Millionen

238

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Anzahl möglicher Produktvarianten Im Allgemeinen bedeutet eine Zunahme der Produktvarianten, dass sowohl neue Produktkomponenten als auch (neue) Einzelteile hergestellt werden. Gleichzeitig steigt die Menge an Informationen für Dokumentation und Administration an. Außerdem werden Nachfrage-Vorhersagen durch die schwankenden Abnahmestatistiken jeder Produktvariante immer schwieriger. Sehr große Variantenvielfalt wird oft durch Expertensysteme, die parametrisierbare Produkte automatisch konfigurieren können, unterstützt. Den größten Einfluss auf diese Möglichkeit hat die Entwicklung, indem sie das Produkt so gestaltet, dass der Differenzierungspunkt, also jener Prozessschritt, der variantenspezifisch ist, so weit wie möglich in der Wertschöpfungskette nach hinten geschoben werden kann. (Form Postponement) Die Beherrschung der Komplexität zu vertretbaren Kosten ist dabei von besonderer Bedeutung. Anzahl möglicher Produktvarianten

1

1 – 100

100 – 10.000

> 10.000

Materialkostenanteil der Gesamtproduktionskosten Mit dem Materialkostenanteil der Gesamtproduktionskosten steigt auch der Einfluss, den die Beschaffung auf die gesamte Produktqualität ausübt. Dies führt dazu, dass der Beschaffung eine höhere Verantwortung und Bedeutung zukommt und dass sich auch die Leistungsanforderungen für den Beschaffungsprozess erhöhen. Des Weiteren ist bei hohem Materialkostenanteil die Wertschöpfung im Unternehmen gering, was aufgrund der Kapitalbindungskosten ein effizientes Materialmanagement erfordert. Materialkostenanteil an den Produktionskosten

gering (< 10%)

mittel hoch (10% – 45%) (45% – 80%)

sehr hoch (> 80%)

Das Produktkonzept Das Produktkonzept bestimmt die Entwicklungsstrategie von Endprodukten und wie diese dem Kunden angeboten werden sollen. Durch die freie Wahl des Variantenreichtums von Produkten kann so auf verschiedenste Kundenwünsche eingegangen werden. Allerdings werden je nach gewähltem Produktkonzept unterschiedliche Anforderungen an die Produktion und Logistik einer Firma und eines Produktionsnetzwerks gestellt. Die Produktion eines Standardprodukts ohne Varianten muss

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

239

weitgehend auf maximale Effizienz mit einer hohen Auslastung getrimmt werden, während bei großer Variantenvielfalt der Produkte die Flexibilität der Produktion von entscheidender Wichtigkeit ist.

Produktkonzept

Nach Kun- Produktfamilien denspezifimit vielen kation Varianten

Produktfamilie

Standardprodukt

Marktbezogene Merkmale Die marktbezogenen Merkmale sind letztlich eine Übersetzung von Kundenanforderungen in Unternehmensprioritäten. Die Wichtigkeit von schneller Lieferung Eine schnelle Lieferzeit verlangt nach einer hohen Verfügbarkeitsrate an Material sowie nach einem effizienten Prozess-/Informationsfluss innerhalb einer Firma und eines Produktionsnetzwerks. Von höchster Bedeutung ist dabei eine kurze Abwicklung aller Prozesse, da diese die Lieferzeit direkt beeinflusst. Eine hohe Verfügbarkeitsrate kann zum einen durch einen höheren Lagervorrat erreicht werden. Dies hat auch Auswirkungen auf die Beschaffungsstrategie; damit die hohe Verfügbarkeitsrate von Komponenten sichergestellt werden kann, darf die Firma nicht zu stark von Marktschwankungen in ihrem Segment abhängig sein. Deswegen kann eine hohe Versorgungszuverlässigkeit die Absicherung durch verschiedene Lieferquellen zur Folge haben. Zum anderen kann eine schnelle Lieferung durch die zeitnahe Fertigstellung des Produkts nach Bestellungseingang realisiert werden. Dies ist meist nur bei Produkten mit einem gewissen Grad an Kundenkonfigurierung möglich, da der Kunde meist nur dann bereit ist einige Tage auf sein Produkt zu warten, wenn es auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wichtigkeit schneller Lieferung

gering

mittel

hoch

Die Wichtigkeit pünktlicher Lieferung Eine hohe Priorität bezüglich pünktlicher Lieferung setzt eine hohe Zuverlässigkeit des Distributionsprozesses und verwandter Prozesse voraus. Wenn ein fester Fälligkeitstermin einer Kundenbestellung von der Firma bestätigt ist, muss die Produktion nach Plan laufen. Je mehr das

240

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Unternehmen auftragsbezogen fertigen will, desto genauer muss die Termineinhaltung über verschiedene Prozesse (Beschaffung, Produktion, Distribution) sein. Dies stellt hohe Anforderungen an die Planung und Ausführungszuverlässigkeit innerhalb einer Firma und eines Produktionsnetzwerks. Eine Voraussetzung für pünktliche Lieferung ist die Eliminierung von Schwankungen der Prozesse im Unternehmen, um stochastische Ursachen der Terminabweichung zu minimieren. Pünktliche Lieferung darf nicht mit schneller Lieferung verwechselt werden; sie betrifft die Genauigkeit, mit der ein zugesagter Liefertermin eingehalten werden muss, ganz gleich, ob die Lieferfrist lang oder kurz ist. Insbesondere für Unternehmen, die Just-In-Time Konzepte eingeführt haben, ist die pünktliche Lieferung ihrer Lieferanten von größter Bedeutung. Wichtigkeit pünktlicher Lieferung

gering

mittel

hoch

Die Wichtigkeit eines innovativen Produkts Ein innovatives Produkt unterscheidet sich wesentlich in der Art, wie Funktionalität gebündelt wird bzw. die Funktionalität realisiert ist. In diesem Fall ist es für den Kunden von Bedeutung, dass die Lösung, die das Produkt verspricht, nicht einem längst etablierten Standard entspricht. Letztlich hat die Forderung nach einem innovativen Produkt oftmals auch Imagegründe. Innovative Produkte sind meist entwicklungsintensiv, müssen jedoch aufgrund der eher kurzen Verkaufszeit (sonst sind sie irgendwann nicht mehr innovativ) diese Entwicklungsleistung in relativ kurzer Zeit amortisieren. Wichtigkeit eines innovativen Produktes

gering

mittel

hoch

Die Wichtigkeit von hoher Produktqualität Eine hohe Produktqualität stellt große Leistungsanforderungen an Beschaffung und Produktion. In der Beschaffung wird größerer Wert auf den Auswahlprozess der Lieferanten gelegt, da deren Eignung gemäß gegebener Spezifikationen erst abgeklärt werden muss. Auch die Qualität des erhaltenen Materials muss auf diese Spezifikationen hin geprüft werden. In der Produktion führen hohe Qualitätsanforderungen zu einer vermehrten Prozesskontrolle, um die verlangte Produktqualität sicherzustellen. In der Regel stehen der Produktqualität insbesondere die Kosten

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

241

gegenüber. Ein Produkt, an welches hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden, zeichnet sich unter anderem durch besonders enge Toleranzen und geringe Serienstreuung aus. Wichtigkeit einer hohen Produktqualität

gering

mittel

hoch

Die Wichtigkeit eines niedrigen Produktpreises Die Bedeutung eines niedrigen Produktpreises bestimmt die Bedeutung der Gesamtproduktkosten. Wenn das Hauptinteresse auf niedrigen Kosten liegt, muss die Rentabilität aller Kosten verursachenden Prozesse erhöht werden. Im Allgemeinen setzt dies eine transparente Preisstruktur innerhalb einer Firma und eines Produktionsnetzwerkes voraus. Die Auswahl der Lieferanten wird, unter Einhaltung des geforderten Qualitätsstandards, nach Kostengesichtspunkten getroffen. Hier ist eine Einzellieferantenstrategie zu bevorzugen, da die Bestellung großer Mengen auch die höchsten Preisreduzierungen zur Folge hat, auf der anderen Seite verstärkt dies die Marktmacht des Lieferanten und macht das Unternehmen anfälliger auf lieferantenseitige Preiserhöhungen. Des Weiteren ist ein effizientes SCM für den reibungslosen Ablauf der zwischenbetrieblichen Prozesse unabdingbar, um nicht wertschöpfende Prozessschritte wie Lagern und Transportieren (7 Arten von Muda) zu minimieren. Ein geringer Produktpreis darf nicht als absolut angesehen werden, sondern charakterisiert vielmehr die Preissensitivität des Marktes. Es geht also primär darum, ob der Preis ein verkaufsentscheidender Faktor ist. Häufig sind diese Produkte aufgrund der sehr geringen Marge erkennbar, unabhängig davon wie hoch der absolute Gesamtpreis eines Produktes ist. Wichtigkeit eines niedrigen Produktpreises

gering

mittel

hoch

Die Bedeutung von Variantenvielfalt Dieser Faktor bestimmt das geforderte Produktkonzept und gewisse technische Varianten. Ein Produkt mit vielen technischen Varianten verkauft sich meist durch die Fähigkeit, jedem Kunden eine auf seine Bedürfnisse passende Produktvariante anbieten zu können. Der Einfluss dieses Faktors auf die interne und externe Logistik wird durch die Bestimmungsgrößen Anzahl technischer Produktvarianten und Produktkonzept

242

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

beschrieben. Wenn eine große Variantenvielfalt gefordert wird, so hat dies weitreichende Konsequenzen für die Logistik, da effiziente Methoden zur Komplexitätsbewältigung (Parametrisierung, Expertensysteme, Form Postponement) gefunden werden müssen. Wichtigkeit einer hohen Variantenvielfalt

gering

mittel

hoch

Die Wichtigkeit von Serviceleistungen Serviceleistungen sind insbesondere in etablierten Märkten mit einem hohen Wettbewerb oftmals die Zuschlagskriterien (Order Winners), die den Ausschlag für den Kauf eines Produktes geben. Mit sinkender Möglichkeit der Differenzierung im Produkt selber wird der Mehrwert durch Serviceleistungen erbracht. Diese werden häufig in logistischen Prozessen abgewickelt, da die Unternehmenslogistik die letzte Instanz ist, bevor das Produkt den Kunden erreicht. Die Implikationen von Serviceleistungen auf die Logistikkosten sind durchwegs unterbewertet, da sie meist nicht im Fokus des Marketings liegen. Wenn ein Produkt also Serviceleistungen logistischer Art benötigt um am Markt Erfolg zu haben, so sind die dadurch entstehenden Kosten ein wichtiger Bestandteil der Herstellungskosten, der nicht vernachlässigt werden darf. Logistische Serviceleistungen (Abholservice, Expresslieferungen, Austauschgeräte, Flottenmanagement etc.) sind in den meisten Unternehmen sehr stark im Wachstum begriffen und bedürfen somit eines soliden Produktmanagements wie physische Produkte. Wichtigkeit von Serviceleistungen

gering

mittel

hoch

Die Frequenz der Verbrauchernachfrage Eine hohe Frequenz der Verbrauchernachfrage bedeutet für ein Unternehmen, dass ein Kunde häufig Bestellungen platziert. Mit dieser Kenngröße ist jedoch noch keine Information über die Bestellgröße oder die Schwankungen verbunden. Es wird lediglich erfasst, wie häufig der Prozess der Bestellungsbearbeitung angestoßen wird. Je nach Produktionsstrategie wird ein Unternehmen die Bestellungen vom Lager aus bedienen oder entsprechende Produktionsaufträge auslösen. Eine große Frequenz der Verbrauchernachfrage erfordert in der Regel effiziente administrative Abläufe, um die Prozesskosten der Bestellungsbearbeitung gering zu halten. Der Wert dieser Bestimmungsgröße beeinflusst die mögliche

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

243

Wiederholung entsprechender Produktions- und Beschaffungsaufträge, welche ihrerseits die grundlegenden Planungs- und Steuerungsprozesse sowie die Geschäftskonzepte festlegen. Frequenz der Verbrauchernachfrage

einmalig

blockweise

regulär

kontinuierlich

Schwankung der Nachfrage Nachfrageschwankungen charakterisieren die mengenmäßige Variation der Bestelllosgröße. Größere Schwankungen schlagen, bei fehlender Entkoppelung durch Zwischenlager, auf die Produktionsprozesse des Unternehmens und daher auch auf die Bevorratung von Eingangsgütern nieder. Je nach Voraussehbarkeit der Nachfrage sind verschiedene Lösungen möglich, um den zukünftigen Bedarf zu planen. Je kürzer die Lieferfrist bei gegebener Nachfrageschwankung ist, desto eher muss ein hoher Bestand an Fertigprodukten gehalten werden. Je mehr Arbeitsschritte auftragsbezogen gemacht werden können, desto eher müssen Überkapazitäten, die den Auftragsschwankungen angepasst sind, gehalten werden. Schwankung der Verbrauchernachfrage

stabil

Trend

saisonal

variabel

Entfernung zum Kunden Diese Bestimmungsgröße beschreibt die geographische Distanz zwischen Unternehmen und Kunden. Diese Entfernung beeinflusst die Verteilungskosten und hat somit auch einen Einfluss auf eine optimale logistische Distributionsstrategie. Kurze Distanzen erhöhen im Allgemeinen die Flexibilität der Unternehmenslogistik. Entfernung zum Kunden

lokal/ regional

national

international

global

Spät ändernde Kundenspezifikationen Dieser Faktor steht für den Einfluss von Störungen im Produktionsfluss, die durch geänderte oder spät eingehende Kundenwünschen verursacht werden. Diese Störungen haben oftmals substantielle Änderungen der Produktions- und Logistikplanung eines Unternehmens oder eines Produktionsnetzwerkes zur Folge. Die Forderung, Kundenspezifikationen

244

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

auch noch in weit fortgeschrittenen Fertigungsprozess ändern zu können, setzt flexible Fertigungssysteme und eine entsprechende Produktgestaltung, die eine späte kundenspezifische Anpassung erlaubt, voraus. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, werden häufig Postponementstrategien angewandt die sicherstellen, dass die Personifizierung des Produktes erst in den letzten Fertigungs- oder Montageschritten stattfindet. Spät ändernde Kundenspezifikationen

keine

selten

mittel

häufig

Produktionsbezogene Merkmale Quantitative Flexibilität der Ressourcen Quantitative Flexibilität beschreibt die zeitliche Anpassungsfähigkeit im Einsatz von Ressourcen. Auf Maschinen bezogen kann sie nur durch das Halten von Überkapazität erreicht werden. Die Menge quantitativer Ressourcen ist für die Zielbereiche Lieferung und Kosten sehr wichtig; außerdem ist sie entscheidend für die Wahl von Planungs- und Kontrollmethoden, im Speziellen für das Kapazitätsmanagement. Die quantitative Flexibilität ist nach oben durch die Kapazitätsreserve der am höchsten ausgelasteten Kapazität, welche dann zum Engpass wird, begrenzt. Nach unten, also der Reduzierung des mengenmäßigen Ausstoßes, ist prinzipiell keine Grenze bis zur Stilllegung aller Aktivitäten gesetzt; sinnvollerweise wird aber jene Ausstoßmenge, bei der ein negativer Deckungsbeitrag erzielt wird, als Untergrenze festgesetzt. Quantitative Flexibilität der Resourcen

0% – 15%

15% – 30%

> 30%

Qualitative Flexibilität der Kapazitäten Die qualitative Flexibilität der Kapazitäten legt fest, ob die Kapazitäten (im Falle freier quantitativer Kapazitäten) für verschiedene oder nur für ganz bestimmte Prozesse einsetzbar sind. Wo Prüfverfahren zur Abnahme von Prozessen auf bestimmten Anlagen (z. B. Pharmaindustrie) existieren, ist in der Regel keine Flexibilität gegeben. Ein gut und vielseitig

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

245

ausgebildeter Mensch hingegen kann im strengen Sinne als sehr flexible Fertigungskapazität angesehen werden. Qualitative Flexibilität der Ressourcen

gering

mittel

hoch

Beschaffungsart Jede Auslagerung in Bezug auf Materialien erhöht die Gesamtmaterialkosten, was sich auf die Totalmenge der gekauften Waren auswirkt. Eine Erhöhung der externen Beschaffung führt zu einem erhöhten Beschaffungskostenanteil bei den Gesamtkosten. Beschaffungsart

grösstenteils externer Zukauf

Zum Teil externer Zukauf

kaum externer Zukauf

Fabrikationsstruktur Diese Kenngröße gibt Auskunft über den Vernetzungsgrad der einzelnen Maschinen verschiedener Produktionsschritte. Je mehr Arbeitsschritte (getaktet) hintereinander geschaltet sind, desto größer ist die Anfälligkeit auf Störungen eines größeren Produktionsbereiches durch den Ausfall einer einzigen Maschine. Im schlimmsten Fall müssen mit dem Ausfall einer Maschine sämtliche gekoppelte Produktionsanlagen auch stillgelegt werden. Mit zunehmendem Vernetzungsgrad der Produktion muss dem kontinuierlichen Materialfluss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Fabrikationsstruktur

gering (< 10)

mittel (10 – 20)

hoch (> 20)

Produktionstyp Der Produktionstyp wird maßgeblich durch die Losgröße, in denen die Produkte produziert werden, bestimmt. In Einmalproduktion werden oft nach Kundenspezifikation entwickelte Produkte hergestellt. Einmalproduktion heißt, dass ein identischer Auftrag nie mehr wiederkehrt. Typische Beispiele sind Kraftwerke oder der Bau komplexer Produktionsanlagen (Raffinerien etc.). Bei der Einzelproduktion hingegen wird jedes Produkt als separates Los hergestellt, der gleiche Auftrag kann aber beliebig oft wieder kehren. Die Produktion in größeren Losen wird angestrebt, um eine „economy of scale“, d. h. einen Rationalisierungseffekt

246

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

durch größere Mengen, zu erreichen. Somit können auch Auftragsbearbeitungskosten auf eine Anzahl von Produkten verteilt werden. Wird ohne feste Losgröße einfach fortlaufend produziert, spricht man von Massenproduktion. Produktionstyp

Einzelproduktion

Kleinserienproduktion

Serienproduktion

Massenproduktion

Produktionslayout Das Produktionslayout beschreibt die physische Organisation der Produktionsinfrastruktur. Mit zunehmender Ausrichtung des Produktionslayouts Richtung Linienproduktion oder Fliessproduktion nimmt in der Regel die qualitative Flexibilität der Kapazitäten ab, die Effizienz der Herstellung pro Einzelprodukt hingegen zu. Produktionslayout

Baustellenfertigung

Werkstattfertigung

unterbrochene Linienproduktion

Fliessproduktion

Produktionskonzept (Bevorratungsebene) Make-to-Stock bedeutet, Fertigprodukte an Lager zu halten und bei Bestellung diese vom Lager zu befriedigen. Dieses Produktionskonzept kann nur bei relativ geringer oder gar keiner Variantenvielfalt eingesetzt werden. Assemble-to-Order heißt, dass die Produkte in einer späten Fertigungsstufe gelagert werden, jedoch nicht als Fertigprodukt. In den meisten Fällen sind Module und einzelne Komponenten fertig gestellt und werden auf Kundenauftrag zum Endprodukt zusammengefügt. Voraussetzung ist ein Baukastensystem, aus welchem die verschiedenen Varianten in Montagetätigkeiten gefertigt werden können. Make-to-Order umfasst die Lagerhaltung von Rohmaterialien oder vorgefertigten Komponenten und die bestellungsspezifische Fertigstellung der Produkte. Dieses Produktionskonzept kommt insbesondere bei variantenreichen Produkten, wo keine Vorhersage über die genauen Kundenwünsche gemacht werden können, zum Einsatz. Engineer-to-Order bedeutet „keine Bevorratung“. Zumindest Teile des Kundenauftrags müssen vor der Beschaffung und Produktion noch die Entwicklungsabteilung durchlaufen. Bestenfalls können Rohmaterialen und Kapazitäten vorgehalten werden, um zum Bestellungseingang schnellstmöglich mit der Fertigung starten zu können.

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

Produktionskonzept

Make-toStock

Assemble-to- Make-toOrder Order

247

Engineerto-Order

Durch die Erhebung der Merkmale in über 50 Unternehmen und einer anschließenden Befragung der teilnehmenden Personen konnte festgestellt werden, dass die folgenden drei wichtigen Voraussetzungen für eine gültige Beschreibung der Unternehmenslogistik gegeben sind: • Die vorgeschlagenen Merkmale und ihre Ausprägungen sind detailliert genug um die grundsätzlichen Unterschiede der logistischen Systeme der Unternehmen zu erfassen. • Die Differenzierungskriterien sind relevant hinsichtlich der Herausforderungen, welche die Logistik zu meistern hat. • Die Merkmale sind weitgehend vollständig und bedürfen für die Stückgut produzierende Industrie keiner Ergänzung. Zusammengefasst stellen sich die Merkmale und ihre Ausprägungen wie folgt dar. Um sicherzustellen, dass die Merkmale nicht nur für einen bestimmten Industriezweig zutreffen, wurde auf die breite Abstützung in verschiedenen Branchen geachtet. Die Verteilung der Unternehmen auf verschiedene Industrien verhält sich gemäß Abb. 93. Zusammenfassung der Merkmale zu Unternehmenstypen Die oben beschriebenen 26 logistischen Merkmale sind also geeignet, eine Unternehmenslogistik mit geringem Aufwand hinsichtlich ihrer besonderen Eigenschaften und Charakteristiken zu analysieren und zu beschreiben. Sie bieten sich somit als Möglichkeit an, die „Ähnlichkeit“ und somit auch die Vergleichbarkeit von zwei Unternehmenslogistiken zu beurteilen, ganz gleich, in welcher Branche das Unternehmen tätig sein mag. So lassen sich in vielen Unternehmen oftmals mehrere Supply Chains identifizieren, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften separat betrachtet werden müssen und auch in einem Benchmarking mit unterschiedlichen Partnern verglichen werden können. Dabei sind dies keineswegs nur Großkonzerne mit dezidierten Sparten, selbst mittelständige Unternehmen haben je nach Produktvielfalt zwischen drei und fünf Supply Chains, die es sich zu unterscheiden lohnt.

248

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 92 Merkmale und ihre Ausprägungen

4.2 Kennzahlen im operationellen Performance Management

249

Abb. 93 Branchenklassifizierung der untersuchten Unternehmen (n = 52)

4.2.4.4 Kritische Erfolgsfaktoren im Benchmarkingprojekt Verschiedene Institutionen und Autoren haben Listen von wichtigen Erfolgsfaktoren für die Durchführung von Benchmarkingprojekten erstellt. Wichtiger aber noch als die Dinge die zu tun sind zu kennen ist es zu wissen, was nicht getan werden darf. Der Austausch von sensitiven Daten, wie er in Benchmarkingprojekten vorkommt, erfordert ein großes Vertrauen und klare Regeln, wie mit den Informationen zu verfahren ist, bzw. welche Verhaltensweisen für beide Seiten als nicht tolerierbar gelten. Oftmals sind die Ursachen dabei gar nicht beim bösen Willen Einzelner zu finden, sondern durch kulturelle Unterschiede bedingt. Dazu hat das International Benchmarking Clearinghouse des American Productivity and Quality Center (APQC) einen Verhaltenskodex publiziert, welcher helfen soll Schwierigkeiten, die auf Grund von Missverständnissen oder unkorrekten Verhaltensweisen entstehen, zu vermeiden. Es soll den verantwortlichen Personen helfen, die Effektivität und den Professionalitätsgrad eines Benchmarkingprojektes zu fördern und somit die Akzeptanz unter den Betroffenen und Beteiligten zu steigern. Die acht Prinzipen gliedern sich wie folgt:

250

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Prinzip der Legalität

Prinzip des Austausches

Prinzip der Vertraulichkeit

Prinzip der Verwendung

Prinzip des Kontakts

Prinzip der Vorbereitung

Prinzip der Vollständigkeit

Prinzip des Verständnisses

Vermeiden Sie den Erwerb von Wissen über Geschäftsgeheimnisse des Benchmarkingpartners. Verwenden Sie Informationen über das andere Unternehmen niemals außerhalb des vereinbarten Zwecks. Vermeiden Sie Offenlegung von Kosten, wenn sie ein elementarer Bestandteil der Preisgestaltung sind. Stellen Sie Informationen im gleichen Detaillierungsgrad zur Verfügung, wie Sie es vom Benchmarkingpartner erwarten. Legen Sie sämtliche Interessen und Erwartungen an das Benchmarkingprojekt im vornherein offen dar. Behandeln Sie jede Information als vertraulich gegenüber allen Personen oder Unternehmen, die nicht in das Benchmarkingprojekt involviert sind. Verwenden Sie zur Verfügung gestellte Informationen nur im vereinbarten Rahmen (keine weitergehenden Analysen, selbst wenn dies aufgrund der Datenbasis möglich wäre). Vermeiden Sie die Nennung des Namens eines Unternehmens, welches im Benchmarkingprojekt teilnimmt ohne dessen vorheriges Einverständnis. Akzeptieren Sie die Kontaktperson des Partnerunternehmens und respektieren Sie kulturelle Unterschiede. Seien Sie bestens vorbereitet, bevor Sie ein Unternehmen für ein Benchmarking anfragen. Verwenden Sie Fragebögen und Vorlagen, um größte Effizienz zu erreichen. Schließen Sie vereinbarte Aufgaben pünktlich und für beide Seiten vollständig ab. Begegnen Sie Ihrem Benchmarkingpartner in einer Art, wie Ihnen begegnet werden sollte.

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 251

Dieser grundsätzliche Verhaltenskodex bezieht sich nicht auf einen bestimmten Prozess oder eine Aufgabe im Benchmarking Projekt, sondern kann als eine Art Richtlinie für alle Handlungen angesehen werden. Enger an den Prozess des Benchmarking angelehnt haben Weber und Wertz Erfolgsfaktoren aufgrund empirischer Daten aus 42 Benchmarkingprojekten identifiziert. Die vier wichtigsten sind dabei: Planung der Initiative: Fokus und Ziele Top Management Unterstützung Präzision und Definition von Leistungskennzahlen Auswahl vergleichbarer Benchmarkingpartner

15.8% 14.9% 14.9% 12.9%

Diese Erkenntnis unterlegt in beeindruckender Deutlichkeit, wie entscheidend die ersten Phasen des Benchmarkingprojektes, insbesondere aber die Auswahl von Benchmarkingpartnern und Kennzahlen, sind. Ungeachtet des Ansatzes, der zur Steigerung der Leistung im Unternehmen gewählt wird, ist die bereits angesprochene Auswahl von Kennzahlen das Rückgrat eines jeden Projektes, da sie bestimmt, welche Leistung verbessert werden soll. Diese Bedeutung soll uns bei der Beschreibung des im nächsten Abschnitt vorgestellten Ansatzes immer im Hinterkopf bleiben. Im folgenden Abschnitt wird nun ein umfassendes Maßnahmenpaket zur effizienten und präzisen Auswahl von Leistungskennzahlen und der Identifizierung von Benchmarking Partnern vorgestellt, welches die merkmalsbasierte Beschreibung von Unternehmen, sowie die Supply Chain Value Driver Decomposition als Basis nutzt.

4.3

Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern

4.3.1

Determinanten basiertes Benchmarking

Die grundlegende Idee der Vereinfachung in der merkmalsbasierten Auswahl von Benchmarkingpartnern beruht darauf, die im vorherigen Abschnitt vorgestellten logistischen Merkmale und ihre Ausprägungen auf besonders häufig auftretende Kombinationen zu überprüfen. Ziel dieser Überprüfung ist die Gruppierung mehrere Merkmalsausprägungen zu einem prototypischen Logistik- oder Unternehmenstyp. Dazu wurde jede mögliche Kombination von Merkmalsausprägungen nach der Chi² Methode auf eine statistisch signifikante Korrelation getestet.

252

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Des Weiteren wurden alle Ausprägungskombinationen auf mögliche Unverträglichkeiten überprüft. Beispielsweise ist es schlicht unmöglich, dass es sich bei einem Engineer-to-Order-Produkt um ein Standardprodukt ohne Varianten handelt. Diese Analyse ist von Bedeutung um sicherzustellen, dass widersprüchliche Ausprägungskombinationen nicht in einem Unternehmenstyp zusammengefasst werden können. Für die vollständige Dokumentation der Algorithmen zur Herleitung der Unternehmenstypen sei auf das Originalwerk (Sennheiser 2004) verwiesen. Das Ergebnis der dort dokumentierten Forschung besteht aus fünf Unternehmenstypen, welche jede für sich einen Prototyp real vorkommender Unternehmenslogistiken darstellen. Vereinfacht gesagt, können reale Unternehmen jeweils einem der vorgestellten Unternehmenstypen zugeordnet werden. Je nach genauer Ausprägung einer Unternehmenslogistik ist die Übereinstimmung mit den Typen sehr genau oder etwas geringer, es wurde bei der Konstruktion der Prototypen jedoch darauf geachtet, dass ein reales Unternehmen nicht gleichwohl zwei Unternehmenstypen mit der gleichen Übereinstimmung zugeordnet werden kann. Im Folgenden werden die identifizierten Unternehmenstypen im Detail vorgestellt und die resultierenden logistischen Herausforderungen herausgearbeitet. Make-to-Stock 1 Der Typ Make-to-Stock 1 (MTS1) wird durch die drei Merkmalswerte Make-to-Stock, unterbrochene Linienproduktion und Serienproduktion bestimmt. Des Weiteren wird der Typ durch Merkmalswerte aus den Bereichen Markt und Produktion, welche mit den drei erstgenannten korrelieren, vervollständigt. Der MTS1 Typ ist durch kleine, relativ günstige bis mittelteure Produkte, welche in großen Mengen produziert und verkauft werden, charakterisiert. Die Anzahl möglicher Produktvarianten ist meist auf unter tausend beschränkt, in Einzelfällen kann sie jedoch bis zu 100'000 reichen. In letzterem Fall muss aus Gründen der Wirtschaftlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Anzahl möglicher Produktvarianten von jener, die lagerhaltig verfügbar ist, abweicht. Das Marktumfeld ist mit einem regulären Bedarfsverlauf hinsichtlich der Frequenz der Verbrauchernachfrage und konstant bleibender Auftragsmenge, relativ ruhig und berechenbar. Eine geringe Wichtigkeit von sehr pünktlicher Lieferung weist darauf hin, dass Just-in-Time oder Just-in-Sequence Konzepte für Unternehmen des Typs MTS1 keine zwingenden Kundenanforderungen sind. Typische Produkte, die diesem Typ zugeordnet werden können, sind Schrauben oder andere einfache Metallteile.

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 253

Abb. 94 Merkmalsausprägungen des Typs MTS1 (Make-to-Stock 1)

Die dunkel hinterlegten Merkmalswerte in Abb. 94 sind jene, die für den Typ MTS1 dominierend sind, während die hellgrau hinterlegten Felder mit geringerer Wahrscheinlichkeit auftreten. Mit einer geringen Marktvolatilität, mit denen die Unternehmen dieses Typs konfrontiert sind ergibt sich die Möglichkeit, mit quantitativ relativ inflexiblen Produktionsanlagen zu fertigen und somit die Grundlage für eine hohe Auslastung zu schaffen. Die ermittelte Korrelation zwischen Serienproduktion und unterbrochener Linienproduktion, welche durch die Merkmalswerte Massenproduktion und Fliessproduktion ergänzt wird, ist im Einklang mit dem logistischen Grundverständnis und ist in dieser Form sehr häufig in Unternehmen anzutreffen. Massenproduktion kombiniert mit dem Merkmalswert Fliessproduktion deutet auf die losgrößenlose

254

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Herstellung einfacher und billiger Teile hin. Diese kontinuierliche Produktion harmonisiert gut mit dem eingangs erwähnten kontinuierlichen Verbrauch. Je mehr Varianten das Unternehmen jedoch anbieten will, desto eher wird ein Unternehmen von der Fliessproduktion zur Serienproduktion übergehen müssen, da nicht alle Varianten kontinuierlich produziert und an Lager gehalten werden können. Mit steigender Anzahl Varianten steigt die Abhängigkeit von einer guten Vorhersage jeder einzelnen Variante. Die Position des Differenzierungspunktes, also jenes Prozessschrittes, bei dem ein generisches Halbfabrikat zu einer spezifischen Variante wird, entscheidet letztlich über die notwendigen Lager jeder Variante. Liegt dieser Punkt sehr weit hinten in der Wertschöpfungskette, sodass ggf. nur durch ein Label oder eine Software eine spezifische Variante generiert werden kann, kann fast ausschließlich auf der generischen Stufe gelagert werden, was die Lagermenge signifikant senkt. Die Kürze der Wiederbeschaffungszeit sowie die Vorhersagegenauigkeit für jede Variante bestimmt somit die Anzahl Varianten, welche dem Kunden direkt ab Lager angeboten werden können. Für Unternehmen des Typs MTS1 sind Produktionsaufträge weitgehend kundenauftragsanonym und werden basierend auf Vorhersage oder Verbrauch am Lager ausgelöst. Insbesondere, wenn sowohl eine reguläre Frequenz der Verbrauchernachfrage als auch eine konstante Bedarfsmenge vorliegen, empfiehlt sich die verbrauchsgesteuerte Materialbewirtschaftung über Kanban oder das Bestellbestandsverfahren. Aufgrund der Tatsache, dass die Produkte relativ günstig sind, ist eine effektive Kostenkontrolle für Unternehmen des Typs MTS1 von hoher Priorität. Der Zielkonflikt zwischen einer hoher Auslastung der Kapazitäten (dies führt zu längerer Wiederbeschaffungszeit und somit über größere Lager zu erhöhten Kapitalkosten) und der Minimierung von Lieferzeiten (was durch die notwendige geringere Auslastung zu höheren Maschinenstundensätzen führt) muss entsprechend der Marktbedürfnisse vorsichtig ausbalanciert werden. Die Herausforderungen, welche sich aus der Kombination der in Abb. 94 dargestellten Merkmalswerte ergeben, liegen im Bereich der effizienten Gestaltung der Produktion und der logistischen Steuerungsprozesse. Effizienzaspekte sind in allen Zielbereichen der Logistik zu finden, was dazu führt, dass keiner explizit ausgeklammert werden kann. Aufgrund des geringen Preises der Produkte sind aber Kostenaspekte von besonderer Bedeutung. Häufig beschaffen oder fertigen daher Unternehmen im Typ MTS1 Komponenten, Module oder auch Fertigprodukte in Billiglohnländern.

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 255

Der Typ MTS2 Unternehmen des Typs MTS2 liefern ihre Produkte in der Regel von einem Fertigwarenlager aus. Wenn in Betracht gezogen wird, dass die Produkte größer und teurer als jene des Typs MTS1 sind, würde die Vermutung nahe liegen, dass die Produkte auftragsbezogen hergestellt werden sollten. Mit den Marktanforderungen, welche eine unmittelbare Lieferung nach Bestellungseingang verlangen, bei zum Teil blockweisem Bedarf, ist jedoch eine Lagerhaltung von Fertigwaren unumgänglich. Relativ viele Unternehmen mit saisonalem Bedarfsverlauf sind in dem Typ MTS2 zu finden, da oftmals im Sommer eine geringe Nachfrage

Abb. 95 Merkmalsausprägungen des Typs MTS2 (Make-to-Stock 2)

256

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

besteht, während in der Vorweihnachtszeit ein wesentlich höherer Bedarf ab Lager zu befriedigen ist. Je nach Branche kann die Nachfrage vor Weihnachten um ein Mehrfaches über dem Monatsbedarf im Sommer liegen. Grundsätzlich zeichnet sich das Marktumfeld im Typ MTS2 als sehr herausfordernd aus. Ursache für eine zwingende Lagerhaltung ist in der Regel die Wiederbeschaffungszeit, d. h. die Herstellzeit eines Fertigproduktes, welche über der vom Kunden zugestandenen Lieferfrist liegt. Erschwerend kommt für Unternehmen des Typs MTS2 hinzu, dass blockweiser Bedarf zusammen mit saisonal schwankenden oder sogar unregelmäßigen Bestellmengen ein nicht unerhebliches Maß an quantitativer Flexibilität erfordert. Diese Kapazitätsreserve ist notwendig um zu verhindern, dass ein Lager aufgrund der großen Bestellmengenschwankungen leer läuft. Eine schnelle Wiederbeschaffungszeit ist somit trotz Lagerhaltung von Endprodukten wichtig. Die relativ teuren und manchmal auch sehr großen Produkte werden in der Regel in Kleinserien oder Serienproduktion hergestellt. Diese Merkmale korrelieren typischerweise mit einer Werkstattproduktion oder einer unterbrochenen Linienproduktion. Typischerweise sind Unternehmen der Automobilzulieferindustrie vom Typ MTS2 und liefern Module Just-in-Time oder Just-in-Sequence an die Förderbänder der Automobilhersteller. Ebenso werden beispielsweise universell einsetzbare, mittelteure Werkzeugmaschinen, welche keiner kundenspezifischen Änderungen bedürfen, häufig in kleinen Losen hergestellt und ab Lager verkauft. Die Marktanforderung eines geringen Produktpreises darf im Typ MTS2 nicht als absoluter Wert verstanden werden, da es sich ja gerade nicht um besonders billige Produkte handelt. Es ist vielmehr die Tatsache, dass bei Verkaufsverhandlungen der Preis ein ausschlaggebendes Argument sein kann, welche die Kundenerwartungen zu erfüllen hat. Unternehmen dieses Typs müssen daher einen hohen Wert verglichen mit Verkaufspreis anbieten können. Um dieser Forderung gerecht werden zu können ist ein sehr genaues Prozessmonitoring, welches die Qualität aller Prozesse sicherstellt, von Nöten. Aufgrund der stark kostentreibenden Wirkung von Qualitätsproblemen ist daher eine sehr geringe interne Ausschussrate zwingend zu erreichen. Zusätzlich sollte durch adäquate Lieferantenauswahl sichergestellt werden, dass deren Komponenten, bestenfalls ohne aufwändige Wareneingangsprüfung, nahtlos in den Produktionsprozess einfließen können. Die Produktgestaltung als Produktfamilie ist eine Voraussetzung, um relativ wertvolle Produkte an Lager zu halten, da sie einen hohen Grad an gemeinsamen Komponenten haben. Dies führt dazu, dass die Wiederbeschaffungszeit recht kurz ist, da jede Variante, aufgrund der Lagerhal-

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 257

tung von generischen, d. h. variantenunspezifischen Produkten, in kürzester Zeit fertig gestellt werden kann. Es ist daher oftmals ausreichend, eine relativ geringe Anzahl jeder Variante effektiv vorrätig zu haben. Aufgrund der Kostensensitivität des Marktes von MTS2 Unternehmen ist es von großer Wichtigkeit, dass verhindert wird, durch obsolete Lagerprodukte einen Kostennachteil zu bewirken. Mit der gleichen Argumentation wie für den Typ MTS1 ist auch für MTS2 eine präzise Vorhersage eine wichtige Eingangsgröße für das Materialmanagement. Die Wahl von geeigneten Lagerstufen und deren Dimensionierung ist daher eine besondere Herausforderung für diesen Typ. Werden die Bestände zu groß dimensioniert, läuft das Unternehmen Gefahr, zu hohe Kosten für obsolet gewordene Varianten und gebundenes Kapital zu haben; ist zu wenig am Lager, können Lieferengpässe und somit längerfristig eine Verärgerung der Kunden mit der Gefahr der Abwanderung die Folge sein. Im Unterschied zum Typ MTS1 ist beim Typ MTS2 eine höhere Flexibilität der Ressourcen als Reaktion auf die sehr herausfordernden Marktbedürfnisse gefordert. Aus dem Blickpunkt der Kapitalbindung ist bei teureren Produkten, wie sie in diesem Unternehmenstyp häufig vorkommen, eine Investition in flexible Ressourcen zur Einhaltung eines hohen Servicegrades, meist vorteilhafter als größere Lager von Endprodukten zu bevorraten. Insbesondere da die Produkte ein nicht unerhebliches physisches Volumen aufweisen ist die genaue Überwachung von Lagerbandbreiten besonders wichtig. Im Gegensatz zum Produktpreis, müssen Marktforderungen wie pünktliche und schnelle Lieferung als absolute Werte interpretiert werden. Dies setzt voraus, dass interne Prozesszeiten eine hohe Vorhersehbarkeit haben. Streuungen, welche ein Prozess immer aufweist, müssen entweder sehr gut bekannt und somit in die Wiederbeschaffungszeit eingerechnet werden oder sehr gering sein. Für den Typ MTS2 wird vom Kunden eine Lieferfrist gefordert, die nahezu der administrativen Abwicklung des Kaufes entspricht. Er erwartet also, ein Produkt bei Bedarf ab Lager beziehen zu können. Wenn zusätzlich zur Reduzierung von Streuungen der Prozesszeiten noch eine Harmonisierung stattfindet (die Prozesszeiten werden alle gleichlang oder zu einem Vielfachen einer Grundzeit gemacht), so kann über die Warteschlangentheorie abgeleitet werden, dass die Gesamtdurchlaufzeit und somit auch die Ware in Arbeit, sinkt. Die Stabilität von Prozesszeiten ist somit vorrangig vor der Reduzierung von Zykluszeiten zu behandeln, da letzteres nur einen linearen Einfluss auf die Wartezeit hat, die Varianz der Prozesszeiten jedoch einen quadratischen. Um die Erfolge, welche durch Prozessharmonisierung erreicht werden, nicht zu kompromittieren, darf die Auslastung der Ressourcen nie

258

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

zu hoch sein, um den überproportionalen Anstieg der Wartezeiten bei sehr hoher Auslastung zu verhindern. Die Minimierung der Durchlaufzeiten ist somit ein Optimierungsproblem mit den folgenden drei Variablen: Varianz der Prozesszeiten, durchschnittliche Prozesszeit und Auslastung. Für den Typ MTS2 ist somit die Lieferzeit, Lieferzuverlässigkeit und Lieferflexibilität von besonderer Bedeutung. Der Typ MTO1 Mit dem Typ Make-to-Order 1 (MTO1) entfernen wir den Fokus von der Lagerhaltung von Produkten hin zur zeitnahen Fertigstellung der Produkte auf Kundenbestellung. Unternehmen dieses Typs fertigen häufig Module, Zwischenprodukte oder Bauteile, welche auf Kundenbestellung auftragsspezifisch zusammengefügt werden. Die mittelteuren Produkte werden in Mengen verkauft, welche es noch nicht rechtfertigen in Massenproduktion zu fertigen, da eine hohe Variantenvielfalt gefordert wird.

Abb. 96 Merkmalsausprägungen des Typs MTO 1 (Make-to-Order 1)

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 259

Letzteres und der Wunsch nach einem umfassenden Service für das Produkt rechtfertigt auch, dass der Preis kein wesentliches Entscheidungskriterium ist. Im Hinblick auf den unsteten Bedarf ist Assemble-to-Order und Make-to-Order ein sinnvoll gewähltes Produktionskonzept um eine sehr hohe Variantenvielfalt (Mass Customization) und eine kurze Durchlaufzeit zur Fertigung eines mittelteures Produkt zu gewährleisten. Häufig sind kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), welche sich bewusst auf Marktnischen spezialisiert haben, im Typ MTO1 zu finden. Kleine Fahrradhersteller die in der Lage sind, aus vorgefertigten Komponenten eine sehr hohe Anzahl kundenspezifischer Varianten zu fertigen, können als Beispiel dienen. Die Tatsache, dass ein Kunde einen hohen Grad an Service verlangt, weist darauf hin, dass es sich beim Kunden meist auch um den Endbenutzer handelt. Um die Komplexität des Variantenmanagements zu reduzieren, wird häufig mit Vorzugskonfigurationen gearbeitet, welche dem Kunden als Upgrade angeboten werden. Häufig kann es von Vorteil sein, einer größeren Anzahl von Kunden ein besseres Produkt zum Preis eines geringfügig schlechteren anzubieten, als eine kundenspezifische Variante mehr einzuführen. Dell Computers beherrscht diese Art der Kundenlenkung auf Vorzugskonfiguration beispielhaft, indem Rabatte auf Speicher oder kostenfreie Upgrades auf bessere Komponenten angeboten werden. Die Voraussetzungen für eine hohe Liefertreue, welche schon ausführlich beim Typ MTS2 behandelt wurden, sind auch für den Typ MTO1 ohne Einschränkungen gültig. Auch hier sind die Reduzierung von Variationen im Prozess und die Sicherstellung von kurzen Abläufen von großer Bedeutung. Für die pünktliche Ablieferung der Bestellungen ist sie sogar noch wesentlich sensitiver, da der Kundenbedarf nicht vom Produktionsauftrag durch Lager entkoppelt ist. Eine Verspätung in der Herstellung des Produktes hat also immer einen unmittelbaren Einfluss auf die Pünktlichkeit der Ablieferung. Schnelle und pünktliche Ablieferung ist somit über die Ware in Arbeit nicht nur ein Kostenfaktor, sondern beeinflusst auch direkt die vom Kunden wahrgenommene Leistung und somit seine Zufriedenheit. Entkopplungslager können nur auf der Ebene des Rohmaterials oder bestenfalls wie oben erwähnt auf Modulebene stattfinden. Für den Typ MTO1 ist die Lieferzeit an sich nicht als kaufentscheidendes Kriterium gewertet. Der Fokus der Optimierungsanstrengung muss daher klar auf die Reduzierung von Schwankungen gelegt werden. Wie meistens in der Logistik ist aber auch hier ein potenzieller Zielkonflikt zu finden. Eine Minimierung der Schwankungen darf nicht ohne Blick auf die damit verbundenen Kosten verfolgt werden, da der Preis des Produktes zumindest ein mittelstarkes Verkaufargument ist. Es muss sorgfältig zwischen der Höhe von Pufferlagern, Kapazitätsreserven

260

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

und Kosten abgewogen werden, um die Anforderungen, die an Unternehmen des Typs MTO1 hinsichtlich Lieferzuverlässigkeit gestellt werden, zu erfüllen. In diesem Sinne sind Qualitätsprobleme, nachdem das Produkt den Differenzierungspunkt in der Wertschöpfung überschritten hat, unbedingt zu vermeiden, da sie sich immer auf die vom Kunden wahrgenommene Lieferfrist auswirken. Lieferqualität und Lieferzuverlässigkeit sind somit die zwei Hauptziele, die für Unternehmen dieses Typs sicherzustellen sind. Der Typ MTO2 Mit dem Typen MTO2 werden Unternehmen charakterisiert, welche weit stärker auf ändernde Kundenspezifikationen eingehen können als dies im Typ MTO1 möglich ist. Selbstredend erhöht sich damit die mögliche Anzahl von Produktvarianten um ein Vielfaches. Dennoch kann noch von einer Produktfamilie mit kundenspezifischen Varianten gesprochen werden, da es sich bei den Produkten nicht um Einzelentwicklungen handelt. In der Regel weisen diese Produkte eine konvergierende, also zusammenbauorientierte Produktstruktur auf. Produkte, welche von Unternehmen des Typs MTO2 hergestellt werden, zeichnen sich unter anderem durch ihre physische Größe und einen hohen Materialkostenanteil aus. Ähnlich wie bei MTO2 ist der Differenzierungspunkt entscheidend für die Gesamtdurchlaufzeit des Produktes, da dies der spätest mögliche Lagerpunkt in der Wertschöpfungskette ist. Ausgehend von einem generischen Produkt werden dann kundenspezifische Konfigurationen durch Hinzufügung von meist bereits vorentwickelten Variantenteilen produziert. Im besten Fall kann dies durch Parametrisierung über Expertensysteme geschehen. In vielen Fällen ist jedoch auch ein Teil kundenspezifischer Zusatzentwicklung gefordert. Um diese Variantenvielfalt wirtschaftlich zu bewältigen, müssen die Kapazitäten eine mittlere qualitative Flexibilität aufweisen. Die Forderung nach einer hohen quantitativen Flexibilität der Ressourcen begründet sich daher, dass vor dem Bestellungseingang keine Vorhersage gemacht werden kann, wie der Kunde sein Produkt parametrisieren wird. Sehr häufig ist der Bedarf einer Produktfamilie sowohl hinsichtlich Zeitpunkt als auch Menge recht gut bekannt; trotzdem kann das Produkt nicht auf Vorrat produziert werden, da die kundenspezifischen Elemente erst zum Zeitpunkt des Bestellungseingangs bekannt werden. Die Firma Sennheiser beispielsweise kann recht genau einschätzen, wie viele Kopfhörer im Weihnachtsgeschäft einer Produktfamilie abgesetzt werden können. Dabei kann die gesamt zu produzierende Menge im Oktober und November die Produktion der Sommermonate um 200−250%

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 261

übersteigen. Trotzdem können bestenfalls Baugruppen gefertigt werden, da sich erst zwei bis drei Wochen vor der Auslieferung entscheidet, wie sich die Bedarfe auf die einzelnen Varianten aus der Produktfamilie verteilen. Neben der Verkürzung von Durchlaufzeiten ist das Vorhalten quantitativ flexibler Ressourcen die einzige Lösung, um trotz spät eintreffender Bestellungen schnell reagieren zu können. Dabei ist es nur eine geringe Hilfe zu wissen, dass das Unternehmen prinzipiell mit einem regulären Gesamtbedarf konfrontiert sein wird, wie das Beispiel oben erkennen lässt. Das regelmäßige Auftreten von blockweisem Bedarf zwingt Unternehmen somit, ebenso flexibel zu reagieren wie jene, die einen stark unregelmäßigen Bestellungseingang bewältigen müssen. Unternehmen des Typs MTO2 fertigen häufig Maschinen und Anlagen für andere Unternehmen. Es besteht bereits eine relative Nähe zu Engineer-to-Order-Produkten, da einzelne kundenspezifische Komponenten

Abb. 97 Merkmalsausprägungen des Typs MTO 1 (Make-to-Order 1)

262

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 98 Wertschöpfung auf verschiedenen Bevorratungsebene für den Typ MTO2

die Entwicklungsabteilung durchlaufen können. Nichtsdestoweniger produzieren Unternehmen des Typs MTO2 oftmals in kleinen Losen, um die Gemeinsamkeiten der Produktbasis auch in der Fertigung in Form von Losen auszunutzen. Insbesondere für Module und Komponenten mit besonders langer Wiederbeschaffungszeit wird versucht, einen Bedarf vorherzusagen, um rechtzeitig (d. h. vor dem Auftragseingang) die Beschaffung oder Produktion anzustoßen. Der maßgebliche Teil der Wertschöpfung im Typ MTO2 wird auftragsbezogen gefertigt; dieser umfasst in der Regel die Herstellung der Komponenten und den Zusammenbau. Die Entwicklungsleistung, die zum Teil noch für einzelne Komponenten erbracht wird, hat keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtdurchlaufzeit, da es sich weitgehend um kundenspezifische Adaptionen von vorhandenen Komponenten handelt. Der Fertigungsprozess kann somit für alle unveränderten Teile bereits gestartet werden, während das Engineering für die Varianten parallel läuft. Von einem logistischen Standpunkt kann also weitgehend von einer Make-to-Order-Produktion ausgegangen werden, obschon eine Entwicklungsleistung erbracht wird. In Abb. 98 ist die kundenanonyme Beschaffung bzw. Herstellung von Komponenten mit besonders langer Durchlaufzeit skizziert. Die Komponenten X und Y liegen vor der Bevorratungsebene, sie müssen daher bereits im Herstellungsprozess sein, wenn die Kundenbestellung eingeht. Die Bevorratungsebene ist jene Fertigungsstufe, von der ausgehend das Produkt in der vom Kunden zugestandenen Lieferzeit gefertigt werden kann. Komponenten oder Produkte, welche unterhalb der Bevorratungsebene liegen, müssen bei Bestellungseingang schon lagerhaltig sein, um keine Lieferverzögerung

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 263

zu verursachen, Produkte oberhalb der Bevorratungsebene können auftragsbezogen eingekauft oder gefertigt werden. Während es sich bei den Komponenten A und B um Standardkomponenten handelt, wird parallel zur Herstellung von B die Komponente C entwickelt und produziert und steht rechtzeitig zur Verfügung, um in B verbaut zu werden. Für die Herstellung von B ist es daher unerheblich, ob für C eine Entwicklung stattgefunden hat oder nicht, da mit B sowieso nicht früher hätte begonnen werden können. Wann immer eine Komponente auf einem nicht kritischen Pfad im Netzplan liegt, ist es theoretische möglich, Zeit für kundenspezifische Adaptionen zu investieren, ohne dass dadurch die Durchlaufzeit verlängert wird. Wir sind uns bewusst, dass sich eine Entwicklungsleistung nicht in jedem Fall so nahtlos in den Herstellungsprozess einfügt, da es sich jedoch um abstrakte Typen handelt, welche ein prototypisches Ideal-Bild darstellen, ist es entscheidend, diesen wichtigen Fall mit zu integrieren, da er einen wünschenswerten Zustand darstellt. Die spezifischen Herausforderungen für den Typ MTO2 sind nicht ganz so offensichtlich, wie in den vorherigen Gruppierungen, da die Marktanforderungen weniger stringent sind. Dennoch gibt es eine Reihe von besonders zu beachtenden Faktoren, welche entscheidend für den Erfolg des Unternehmens am Markt sind. So muss für die Herstellung eines recht teuren Make-to-Order-Produktes mit hohem Materialkostenanteil und einer großen Variantenvielfalt der Beschaffungsprozess sehr effizient und fehlerfrei ablaufen. Mit sinkender Eigenwertschöpfung ist die Abhängigkeit von Lieferanten immer größer. Zugleich wird der Kunde alle Fehler, ganz gleich ob sie vom Lieferanten oder vom Unternehmen selbst verursacht wurden, dem verkaufenden Unternehmen zur Last legen. Je mehr der Kunde die Spezifikationen seines Produkts selbst festlegen kann, desto früher in der Wertschöpfungskette kann, bzw. muss das produzierende Unternehmen seine Bevorratungsebene positionieren, um den Wunschvorstellungen entsprechen zu können. Für eine Vielzahl von Teilen ist somit keinerlei Bevorratung möglich. Um dennoch nach Bestellungseingang schnell reagieren zu können und unmittelbar mit der Fertigung des Produkts beginnen zu können, werden Kapazitäten bei Lieferanten reserviert und intern eine recht hohe Kapazitätsreserve gehalten. Rahmenverträge mit Lieferanten sind in diesem Zusammenhang ein probates Mittel, um die Bevorratung von Rohmaterialien und Komponenten zu vermeiden und eine garantierte Lieferflexibilität zu erreichen. Eine Anforderung, welche sich schon beim Typ MTO1 gezeigt hat, ist die hohe Zuverlässigkeit aller Prozesse, um die Einhaltung der Lieferung zu gewährleisten. Aufgrund der früher positionierten Bevorratungsebene ist diese Forderung beim Typ MTO2 noch dringlicher, da

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

noch mehr Prozessschritte die vom Kunden wahrgenommene Lieferzeit beeinflussen. Während beim Typ MTO1 die Beschaffung noch weitgehend kundenauftragsunabhängig stattgefunden hat, ist für den Typ MTO2 dieser Prozess mit in die Lieferzeit einzubeziehen. Der hohe Materialkostenanteil der Produkte macht die Ware in Arbeit schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Wertschöpfung teuer und führt somit zu einer erheblichen Kapitalbindung. Es ist also wichtig, die Produktionszeit nicht nur aus Liefertermininteresse, sondern auch aus finanzieller Hinsicht so gering wie möglich zu halten. Oftmals versucht man sich damit zu helfen, die Zahlungsziele zu verlängern oder Rohmateriallager als Konsignationslager der Lieferanten zu haben. Das Problem der Kapitalbindung wird jedoch dadurch nicht gelöst, sondern lediglich auf einen anderen Partner in der Wertschöpfungskette verschoben. Langfristig wird er diesen Kostennachteil allerdings wieder durch höhere Preise an seinen Kunden weitergeben müssen, womit diesem auch nicht geholfen ist. Wir berücksichtigen daher in der Argumentation der Wichtigkeit der kurzen Durchlaufzeit keine Zahlungsmodalitäten und verzögerten Eigentumsübergang des Rohmaterials, um die Bedeutung nicht zu verwässern. Eine nachhaltige Reduzierung der Durchlaufzeiten hilft Unternehmen des Typs MTO2 somit in zweierlei Hinsicht. Es hilft die Marktbedürfnisse nach schneller Lieferung gut abzudecken und gleichzeitig erhöht es die Profitabilität des Unternehmens durch geringeres Umlaufvermögen. Die Produktion von teureren Produkten, wie sie im Typ MTO2 anzutreffen ist benötigt daher eine genaue Analyse des Wertzuwachses während der Wertschöpfung und den damit verbundenen Ausgaben. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für den Typ MTO2 insbesondere die Lieferzuverlässigkeit, die Lieferzeit sowie die Kosten Ziele sind, welche die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig zu sichern helfen. Kritische Beurteilung der Typologie Die Entwicklung der vier Typen basiert maßgeblich auf den Daten existierenden Unternehmen, was ihnen eine sehr hohe Relevanz für die Anwendung in der Realität sichert. Tatsächlich stimmen die logistischen Fingerabdrücke realer Unternehmen zu 85% mit jenen der (Proto-)Typen überein. Dies bedeutet, dass die Merkmalswerte in durchschnittlich 85% der Fälle mit jenen eines Typen identisch sind. Die Verteilung der Unternehmen, welche vorgängig analysiert wurden, ist über alle Typen recht uniform, wie in der unten stehenden Abb. 99 ersichtlich ist. Die Typen wurden durch Abstraktion der realen logistischen Fingerabdrücke aus den bereits erwähnten Unternehmensdaten gewonnen. Es

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 265

Abb. 99 Zuordnung von analysierten Unternehmen zu den Unternehmenstypen

hat sich gezeigt, dass aufgrund der Tatsache, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen aus den Stückgut verarbeitenden Industrien an dieser Erhebung teilgenommen haben, die Typologie auch am besten auf diese Art von Unternehmen passt. Da insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bisher aus Kostengründen oftmals nicht an Benchmarkingprojekten teilnehmen konnten, ist es uns ein besonderes Anliegen, gerade in diesem Bereich eine Lösung vorzuschlagen. Wie soll nun aber diese Typologie helfen, einen geeigneten Benchmarkingpartner zu finden? Hierzu muss die Fragestellung der Typologie nochmals wiederholt werden: „Welche Merkmale beschreiben die logistischen Herausforderungen eines Unternehmens?“ Mit der Gruppierung von verschiedenen, besonders häufig auftretenden Merkmalswerten zu Typen, stehen diese nun zum Vergleich mit realen Unternehmen zur Verfügung. Die Erhebung des logistischen Fingerabdrucks eines Unternehmens kann nach einer Gegenüberstellung dem einen oder anderen Typen zugeordnet werden. Die Typen sind gerade so gewählt, dass jedes Unternehmen, welches zu einem Typen gehört, vergleichbare Herausforderungen hat und somit ein geeigneter Benchmarking Partner ist. Vereinfacht gesagt, wenn Unternehmen A zum Typ X gehört und Unternehmen B auch, so sind sie potenzielle Vergleichspartner. Diese sehr allgemeine Aussage muss nur in der Hinsicht relativiert werden, dass verschiedene Unternehmen unterschiedlich genaue Übereinstimmung mit dem (Proto-)Typen haben. Zusätzlich wäre bei relativ geringer Übereinstimmung eine genauere Analyse der spezifischen Gegebenheiten von

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Nöten. Unserer Erfahrung nach ist dies aber in weniger als 20% der Fall. Im nächsten Abschnitt wird die Anwendung der Typen zur Identifizierung von Benchmarking Partnern weiter ausgeführt. Wir haben bei der Erläuterung der Typen die Herausforderungen, die sich aus den Merkmalswerten für jeden Unternehmenstyp ergeben, veranschaulicht. Gemäß diesen Anforderungen muss nun die Logistik gesteuert und optimiert werden, um eine hohe Übereinstimmung mit den Kundenbedürfnissen zu gewährleisten. Wie bereits erwähnt sind dazu Kennzahlen, welche den Zustand oder auch Tendenzen eines logistischen Systems beschreiben, von großer Bedeutung. Angewandt auf die Unternehmenstypen müssen diese Kennzahlen einerseits mit den Unternehmenszielen in Einklang sein und zusätzlich insbesondere die spezifischen Herausforderungen jedes Unternehmenstyps messbar machen. Dabei ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Ergebnisse messbar sind, sondern auch Leistungstreiber, welche gute Ergebnisse erst ermöglichen. Es muss also ein auf die spezifischen Herausforderungen jedes Typen zugeschnittener Satz von Kennzahlen hergeleitet werden. In Abs. 4.2.2 wurde gezeigt, wie ein zielkohärentes System von Kennzahlen in die SCVD integriert werden kann. Im kommenden Abschnitt werden wir darlegen, wie diese Kennzahlen den Unternehmenstypen zugeordnet werden können, um letztlich einen spezifischen, auf jeden Typen zugeschnittenen Satz von Kennzahlen zu erhalten.

4.3.2

Identifizierung von Benchmarkingpartnern und Kennzahlen

Der erste Schritt auf der Suche nach einem geeigneten Vergleichspartner für ein Benchmarking ist das eigene Unternehmen zu untersuchen und mit Hilfe der logistischen Merkmale zu charakterisieren. Mit dem logistischen Fingerabdruck als Ergebnis ist nun eine standardisierte Beschreibung des eigenen Unternehmens als Vergleichsbasis gefunden. Nun könnte man fordern, dass im Idealfall ein anderes Unternehmen, welches exakt die gleichen Merkmalsausprägungen aufweist, gefunden wird, was in der Regel ein sehr schwieriges und langwieriges Unterfangen wäre. Zu diesem Zweck wurden im letzten Abschnitt die Unternehmenstypen MTS1, MTS2, MTO1 und MTO2 eingeführt und deren spezielle Eigenschaften erklärt. An einfachsten ist die Vorstellung dieser Typen als je ein Quadrant in einem Quadrat. Sie sind somit Prototypen, welche zum Teil gleiche oder ähnliche Merkmalswerte aufweisen und sich zugleich in anderen Merkmalswerten diametral unterscheiden. Ein reales Unternehmen ist dann je nachdem wie viel Übereinstimmung mit den Merk-

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 267

malswerten des Prototyps gefunden wird in einer Ecke, an einer Grenzfläche oder bei perfekter Übereinstimmung über den ganzen Quadranten verteilt. Mit der Zuordnung eines Unternehmens zu einem Typen ist die Auswahl eines potenziellen Benchmarkingpartners schon zur Hälfte erledigt. Es muss nun nur noch ein anderes Unternehmen gefunden werden, welches dem gleichen Typ angehört. Der Vorteil dieser Art der Identifizierung von Benchmarkingpartnern besteht darin, dass Unternehmen aus allen Branchen nur hinsichtlich ihrer logistischen Herausforderungen bewertet werden und jene, die sehr ähnlich sind in einem Typen zusammengefasst werden können. Somit wird die Vergleichbarkeit zweier Unternehmen des gleichen Typs sichergestellt, ohne sich auf eine Branche oder Unternehmensgröße zu beschränken. Gleichzeitig können die Vorteile, welche ein generisches Benchmarking (vgl. Abs. 4.2.4) mit sich bringen, ausgenutzt werden. Es ist hier anzumerken, dass auch innerhalb eines Typs die Unternehmen unterschiedlich gut aufeinander passen. Zur Bewertung muss daher zusätzlich die Übereinstimmung mit dem Prototyp betrachtet werden um Grenzfälle (ein Unternehmen passt perfekt auf den Typ, das andere gehört schon fast zu einem anderen), die nicht mehr mit einbezogen werden sollten, auszuschließen. Eine Supply Chain-Strategie muss, wie in Abs. 5.1 erläutert wird, kohärent mit den Zielen eines Unternehmens sein. Darüber hinaus müssen diese Ziele auf die logistischen Herausforderungen des Unternehmens abgestimmt sein, um langfristig erfolgreich zu sein. Die Auswahl von Kennzahlen muss für jeden Unternehmenstyp die spezifischen Herausforderungen, welche in dem entsprechenden Typ dominierend sind, widerspiegeln. Aufgrund der Tatsache, dass Ziele im Unternehmen lediglich die Übersetzung von Marktanforderungen ins eigene Unternehmen sind, bietet sich die SCVD als logistisches Zielsystem zur Identifizierung von Kennzahlen an. Mit anderen Worten kann mit der Gewichtung von ganzen Ästen und einzelnen Kennzahlen in der SCVD eine Auswahl von Kennzahlen getroffen werden, welche typspezifisch zusammengesetzt ist. Wie später in Abs. 5.2 ausgeführt wird, entspricht eine Supply ChainStrategie gerade einer geeigneten Wahl von Routen durch die SCVD. Konsequenterweise müssen dann die Kennzahlen, welche auf diesem Weg angetroffen werden selektiert werden und je nach der Stärke ihres Einflusses auf die Zielerreichung gewichtet werden. Diese Gewichtung muss aufgrund der folgenden zwei Eigenschaften der Kennzahlen mehrstufig erfolgen:

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

• Mehrfacher Einfluss: Viele Kennzahlen kommen in der SCVD mehrfach vor, da sie als Leistungstreiber unterschiedlicher Ziele dienen können. Die Flexibilität der Kapazitäten ist beispielsweise eine Kennzahl, welche sowohl auf die Lieferzeit, als auch auf die Liefertreue einen positiven Einfluss hat. Wenn ein Unternehmen nun beide eben genannten Ziele mit hoher Priorität versieht, so muss die Kennzahl „Flexibilität der Kapazitäten“ entsprechend stärker gewichtet werden, wenn nur eines der beiden Ziele von Bedeutung ist. Die Summe des Einzelgewichtes jeder Kennzahl auf jedem priorisierten Ast in der SCVD, in dem sie erscheint ist somit das Gesamtgewicht für die Kennzahl. • Nähe des Einflusses: Aufgrund der Vernetzung der SCVD, um gegenseitige Beeinflussung der Ziele abzubilden, entsteht auch eine weitere Vernetzung der Einflussbereiche der Kennzahlen. Somit gewinnt eine Kennzahl zusätzliche Bedeutung, wenn sie über eine Querverbindung in der SCVD das selektierte Ziel beeinflusst. Die Nähe gibt somit darüber Auskunft, ob der entsprechende Wert erst über mehrere logische Schritte eine Beeinflussung hat. So hat beispielsweise die quantitative Flexibilität der Kapazitäten einen indirekten Einfluss auf die Kosten, da sich bei ändernder Flexibilität die Warteschlange im System verändert, welche wiederum die Durchlaufzeit verändert und letztlich über die Zinsen des gebundenen Kapitals einen Einfluss auf die Logistikkosten hat. Die beiden oben erwähnten Eigenschaften ermöglichen es, Zielkonflikte, welche zwangsläufig bei mehrfachen logistischen Zielen entstehen, auch in der Gewichtung der Kennzahlen abzubilden. Zur Bewertung der Stärke und der Nähe des Einflusses sind drei Abstufungen gewählt worden: • Gewicht = 3: Die Kennzahl PI1 hat einen starken oder direkten Einfluss auf das Ziel Z1 • Gewicht = 2: Die Kennzahl hat einen mittelstarken, direkten oder starken indirekten Einfluss auf das Ziel Z1 • Gewicht = 1: Die Kennzahl PI1 hat einen mittelstarken, indirekten oder schwachen Einfluss auf das Ziel Z1 Zusätzlich ist es sinnvoll, eine interne Priorisierung von unterschiedlichen Zielen vorzugeben, welche darüber Auskunft geben, zu wessen Gunsten bei Zielkonflikten entschieden werden soll. Dies ist eine strategische Frage des Unternehmens und spiegelt in der Regel das Marktumfeld wider. Die Priorität der Ziele spiegelt somit die Einschätzung des Unternehmens wider, welches Ziel am stärksten mit dem Gesamterfolg des Unternehmens verknüpft ist, und welche ggf. sekundär sind.

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 269

Abb. 100 Schema zur Bestimmung der Wichtigkeit von Kennzahlen in einem Unternehmenstyp

Zusammen mit der oben genannten Stärke des Einflusses resultiert für jede Kennzahl eine Matrix mit neun möglichen Gewichtungen. „Wichtig“ ist nicht gleichbedeutend mit „unterstützend“! Eine Kennzahl, welche zur Erreichung eines Ziels für wichtig befunden wurde, muss nicht zwangsläufig die Erreichung des Ziels in einem positiven Sinne unterstützen. Im Gegenteil, jene Kennzahlen oder Leistungstreiber, welche gerade die Erreichung eines bestimmten Zieles negativ beeinflussen oder gar verhindern, sind von besonderer Bedeutung, wie am folgenden Beispiel illustriert werden soll: Ein Unternehmen welches dem Typ MTS1 zugeordnet wurde, fokussiert sich auf die Optimierung seiner Lieferbereitschaft, steht aber gleichzeitig unter starkem Kostendruck. Mit Blick auf die SCVD werden diese beiden Äste mit den entsprechenden Kennzahlen selektiert. Die Kennzahl Lagerreichweite wird als wichtiger Leistungstreiber zur Optimierung der Lieferbereitschaft erkannt. Gleichzeitig hat der Wert dieser Kennzahl über das im Lager gebundene Kapital einen direkten negativen Einfluss auf Kostenkennzahlen. Dieser zweite Einfluss steigert somit die Wichtigkeit der Kennzahl, ungeachtet dessen, ob der Einfluss positiv oder negativ wäre. Eine weitere Kennzahl ist die Auslastung der Kapazitäten. Ein hoher Wert dieser Kennzahl ist aus Kostengründen erstrebenswert, führt aber aufgrund der dadurch resultierenden langen Lieferzeiten und höheren Sicherheitsbeständen und letzten Endes wieder zu einem negativen Kosteneffekt. In diesem Fall, wo eine Kennzahl über verschiedene Wege wieder das gleiche Ziel in gegenläufiger Weise beeinflusst, liegt ein klassisches Minimierungsproblem vor. Das Unternehmen muss somit errechnen, wo das Kostenminimum für die kumulierten Kosten durch beide Effekte liegt.

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 101 Gegenläufigkeit der Kostenkomponenten Lagerkosten und Rüstkosten

Wie an obigem Beispiel ersichtlich, ist es also wichtig, dass wir uns bei der Auswahl von Kennzahlen nicht ausschließlich von der Frage leiten lassen, wie die Leistung mit Ergebniskennzahlen am besten gemessen werden kann, sondern Ursachen schlechter Leistung ebenso über Kennzahlen messbar machen. Nur durch die Messung der Ursachen verminderter Leistung ist eine Grundlage für das Verständnis und zur Behebung von Leistungslücken zu schaffen. Um das Ziel, einen zugeschnittenen Satz von Kennzahlen für jeden Unternehmenstyp zu erhalten zu erreichen, müssen die spezifischen Herausforderungen jedes Typen als Pfade in der SCVD abgebildet, und die entsprechenden Kennzahlen gewichtet werden. Die Herausforderungen sind bereits in Abs. 4.3.1 ausführlich diskutiert worden, weshalb an dieser Stelle nur noch die Ergebnisse präsentiert werden sollen. 4.3.2.1 Kennzahlen für den Typ MTS1 Wie ausführlich in Abs. 4.3.2.1 dargelegt, liegen die maßgeblichen Herausforderungen des Typs MTS1 in der Optimierung der operationellen Effizienz. Effizienz ist per Definition immer eine Relation von Input und Output, was für den Typ MTS1 bedeutet, dass sich die Maximierung von Umsatz als erste Priorität, vor der Minimierung der Kosten und Investitionen, ergibt.

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 271

Die unterstützenden Ziele ergeben sich aus der oben erklärten Berechnungsvorschrift. Als Input zur Identifizierung eines maßgeschneiderten Satzes von Kennzahlen ergeben sich dann die folgenden Ziele: • • • • •

Ziel erster Priorität Ziel zweiter Priorität Ziel dritter Priorität unterstützendes Ziel unterstützendes Ziel

Umsatz Kosten Bestände Zuverlässigkeit Durchlaufzeit

Nach der Berechnung jedes einzelnen Teilgewichtes jeder Kennzahl hinsichtlich der definierten Ziele ergibt sich die folgende Kennzahlliste, wobei die Gewichte jeweils nachträglich auf 1 normiert sind. Selbstverständlich sind zur Messung der den Umsatz unterstützenden Faktoren Kennzahlen wie Perfekte Auftragserfüllung, Durchlaufzeit und Lieferbereitschaftsgrad unter den wichtigsten Kennzahlen für diesen Unternehmenstyp. Nichtsdestotrotz sind nicht zuletzt durch die unterstützenden Ziele weitere Kennzahlen, welche einen maßgeblichen Beitrag zur Erreichung der Hauptziele leisten, identifiziert worden. Die Auslastung der Kapazitäten, der Durchführungszeitanteil sowie die Kapazitätsverfügbarkeit sind typische Beispiele von Leistungstreibern, die geringe Kosten und hohe Investitionseffizienz ermöglichen.

Abb. 102 Kennzahlen für den Unternehmenstyp MTS1

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Die Liste von Kennzahlen in Abb. 102 kann somit als Vergleichsgrundlage für Unternehmen, welche sich mit anderen des gleichen Typs in Form eines Benchmarkings messen wollen herangezogen werden. 4.3.2.2 Kennzahlen für den Typ MTS2 Die maßgeblichen Herausforderungen, welche sich aus den Merkmalswerten herauskristallisierten betreffen die hohe Liefertreue bei gleichzeitig kurzen Lieferzeiten und einer hohen Lieferflexibilität. Gemäß der Argumentation in Abs. 4.3.2.2 und der Berechnungsmethodik für die unterstützenden Ziele sind die folgenden Ziele identifiziert worden. • • • • •

Ziel erster Priorität Ziel zweiter Priorität Ziel dritter Priorität unterstützendes Ziel unterstützendes Ziel

Zuverlässigkeit Durchlaufzeit Flexibilität Bestände Umsatz

Auch hier sind wieder die 20 wichtigsten Leistungskennzahlen, welche für die Messung der Leistungsfähigkeit für Unternehmen des Typs MTS2 in Frage kommen, vorgeschlagen. Das Resultat ist in der untenstehenden Grafik ersichtlich. Die Auslastung der Kapazitäten beeinflusst typischerweise alle drei Hauptziele, da eine sehr hohe Auslastung einen negativen Einfluss auf

Abb. 103 Kennzahlen für den Unternehmenstyp MTS2

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 273

die Flexibilität hat. Weiter wird die Warteschlange von Ware in Arbeit im System mit steigender Auslastung größer, was Durchlaufzeit verlängert und der Einhaltung von kurzen Lieferzeiten entgegensteht. Andererseits wird mit steigender Auslastung die effiziente Nutzung der eingesetzten Investitionen wirtschaftlicher und hat somit auf der Investitionsseiten und der Kostenseite positive Ergebniseffekte. Typisch für dieses Set von Kennzahlen ist, dass Ergebniskennzahlen (Perfekte Auftragserfüllung, Lieferbereitschaftsgrad etc.) zusammen mit den jeweiligen Leistungstreibern (Varianz der Arbeitsganginhalte, Bestandsreichweite etc.) auftreten. Die Kennzahlen, welche in der obigen Grafik vorgeschlagen werden, sind somit nicht nur geeignet, die momentane Leistungsfähigkeit zu messen, sondern erfassen auch jene Faktoren, welche eine gute Leistung unterstützen. Umgekehrt besteht, wenn die Werte der Leistungstreiber schlecht sind, die Gefahr, dass sich die Werte der Ergebniskennzahlen auf Dauer verschlechtern und somit der Kunde eine inakzeptable logistische Leistung empfängt. 4.3.2.3 Kennzahlen für den Typ MTO1 In einer auftragsbezogenen Fertigung, wie sie bei Make-to-OrderProdukten vorliegt, werden Marktanforderungen sehr viel direkter in interne Produktionsanforderungen umgesetzt, da die Lagerung von Fertigprodukten als Puffer entfällt. Bestenfalls können Module oder Komponenten gelagert werden, welche zumindest eine teilweise Entkopplung der Produktionsabläufe von der Auslieferung ermöglichen. Es ist somit von größter Bedeutung, dass die Produkt- und Prozessqualität gegeben ist, um die weiteren Anforderungen zuverlässiger Lieferung bei kurzen Durchlaufzeiten zu ermöglichen. Die gesamte Argumentation, welche zu der unten stehenden Auswahl von Zielen geführt hat, ist in Abs. 4.3.2.3 beschrieben. • • • • •

Ziel erster Priorität Ziel zweiter Priorität Ziel dritter Priorität unterstützendes Ziel unterstützendes Ziel

Qualität Zuverlässigkeit Durchlaufzeit Umsatz Kosten

Qualität an erster Stelle kann für ein Make-to-Order-Produkt schon fast als selbstverständlich angesehen werden, da der Kunde jedwede korrigierenden Eingriffe als Verzögerung der Lieferzeit und somit als geringere Lieferleistung empfindet. Mit der obigen Auswahl von Kennzahlen ist es möglich, die vom Kunden wahrgenommene logistische Leistung (Perfekte Auftragserfüllung,

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Abb. 104 Kennzahlen für den Unternehmenstyp MTO1

Lieferbereitschaftsgrad) und die interne Leistungsfähigkeit (Ausbringung oder Kapazitätsverfügbarkeit) zu messen. Mit Blick auf die SCVD lassen sich die Verbindungen zwischen den Kennzahlen leicht identifizieren, da sie durch Querverbindungen zwischen den hierarchischen Zielen explizit dargestellt sind. In der Kennzahlliste ist dann lediglich das Ergebnis dieser Beeinflussung als Gewichtung dargestellt. Selbstverständlich sind die Kennzahlen Zuverlässigkeit und Lieferzeit eng miteinander verbunden, da nur stabile Prozesse eine zuverlässige Vorhersage der Lieferzeit erlauben. Die Ziele des Typs MTO1 fügen sich daher perfekt in die natürliche Implementierungsreihenfolge der SCVD. Zunächst muss die Produkt- und Prozessqualität stimmen, bevor die Variabilität reduziert wird, um letztlich kurze Durchlaufzeiten garantieren zu können. Mit den obigen 20 wichtigsten Kennzahlen ist eine gute Basis für den innerbetrieblichen Vergleich der logistischen Leistung von Unternehmen des Typs MTO2 geschaffen. 4.3.2.4 Kennzahlen für den Typ MTO1 Der Unternehmenstyp MTO2 ist mit weniger stringenten Marktanforderungen hinsichtlich kurzer Lieferzeiten oder Kosten konfrontiert. Nichtsdestoweniger ist die Optimierung der Bestände der Ware in Arbeit ein bedeutender Faktor, um große Produkte mit einem hohen Materialkos-

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 275

tenanteil wirtschaftlich fertigen zu können. Wiendahl und Nyhuis haben in ihrem Werk (2003) im dritten Grundgesetz der Produktionslogistik beschrieben, wie eine hohe Produktionsflexibilität und die Reduzierung von Streuungen der Prozessparameter zu Schlüsselansätzen einer schlankeren Produktion werden. Die wichtigsten Ziele, welche aus den Unternehmensmerkmalen des Typs MOT2 abgeleitet werden können, sind daher wie folgt: • • • • •

Ziel erster Priorität Ziel zweiter Priorität Ziel dritter Priorität unterstützendes Ziel unterstützendes Ziel

Flexibilität Zuverlässigkeit Kosten Durchlaufzeit Umsatz

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass die Durchlaufzeit ein unterstützendes Ziel ist, welches mit den drei ersten Zielen gekoppelt ist, da eine Vielzahl von Kennzahlen zur Messung der ersten drei Ziele einen direkten Effekt auf die Durchlaufzeit hat.

Abb. 105 Kennzahlen für den Unternehmenstyp MTO2

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Der vollständige Satz von Kennzahlen für den Typ MTO2 ist in der untenstehenden Grafik aufgeführt. Die Auslastung der Kapazitäten sowie die Lagerreichweite des Rohmaterials und der Fertigprodukte beeinflussen die Flexibilität in hohem Maße. Bestände in der Produktionskette helfen, schneller reagieren zu können, wenn mehr von einem entsprechenden Produkt nachgefragt wird. Auf der anderen Seite können die Bestände auch einen negativen Effekt haben, wenn beispielsweise Änderungen am Produkt gemacht werden oder ein neues Produkt eingeführt wird. Die Zeit, bis alle Zwischenlager mit neuen Variantenteilen ausgestattet sind, ist proportional zur Ware in Arbeit. Somit verschlechtert sich die qualitative Flexibilität, also die Variantenflexibilität der Produktion, mit steigender Ware in Arbeit. Zunächst scheint es erstaunlich, dass trotz dem, dass Kosten als drittes Ziel gewählt sind, in der obigen Liste keine Kostenkennzahlen explizit aufgeführt sind. Die Natur von Kostenkennzahlen ist aber, dass sie nur Ausgaben erfassen können und somit lediglich in die Vergangenheit blicken. Wesentlich wichtiger als dieser Blick zurück ist der Blick nach vorne in Form von Kennzahlen, welche als kostentreibend bezeichnet werden können. Jene Kennzahlen – in der obigen Liste sind dies beispielsweise Durchführungszeitanteil, Effektive DLZ vs. theoretische DLS oder Bestandsreichweiten – erlauben die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit einer Produktion, lange bevor Einnahmen und Kosten gegenüber gestellt werden. Sie sind somit von entscheidender Bedeutung für die langfristige ökonomische Effizienz des Unternehmens.

4.3.3

Kritische Beurteilung der Zuordnung Kennzahlen zu den Typen

Zu Beginn des Abs. 4.2 haben wir den Unterschied zwischen Leistungskennzahlen als Ergebnis und Leistungstreibern als „Befähiger“ erklärt. Mit den oben vorgestellten Kennzahlen zeigt sich der Sinn dieser Unterscheidung sehr deutlich. Vereinfacht kann zusammengefasst werden: „Wenn ich messen, will wie erfolgreich mein Unternehmen war, muss ich eine Leistungskennzahl haben. Wenn ich aber wissen will, warum ich Erfolg hatte und sicherstellen will, dass der Erfolg in Zukunft weiter erhalten bleibt muss ich die Leistungstreiber messen. Die Kennzahlen, welche den Typen zugeordnet wurden, enthalten sowohl Leistungskennzahlen als auch Leistungstreiber. Diese sind aufeinander abgestimmt und ergeben somit ein umfassendes Bild über die Erreichung der Ziele in der

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 277

Vergangenheit (Leistungskennzahlen) und die innerbetriebliche Prozessqualität (Leistungstreiber). Das Ziel, einen Satz von Kennzahlen, welcher die spezifischen Zielkombinationen eines jeden Unternehmenstypen berücksichtigt, zu erstellen, konnte mit der skizzierten Gewichtungsmethodik erreicht werden. Es ist somit eine solide Basis für den zwischenbetrieblichen, branchenunabhängigen Vergleich zwischen Unternehmen des gleichen Typs geschaffen worden. Wann immer ein Unternehmen die Prioritäten der Ziele verändern will, wird dies in einer Neugewichtung und ggf. Umschichtung der Kennzahlen ersichtlich. Grundsätzlich ist der Algorithmus, welcher die Gewichtung feststellt, nicht auf die hier in den Typen vorgegebenen mit ihren spezifischen Zielen begrenzt. Mit jeder möglichen Kombination von Zielen und deren Prioritäten in der SCVD kann somit ein eigenständiger Satz von Kennzahlen generiert werden. Der genaue Algorithmus zur Berechnung jedes einzelnen Gewichtes jeder Kennzahl ist in Sennheiser (2004) detailliert dokumentiert. Für den in Abschnitt beschriebenen Strategiefindungsprozess mit Hilfe der SCVD ist daher eine Möglichkeit geschaffen, einen Satz von Kennzahlen zu definieren, welche optimal zur individuellen Wahl der Supply ChainStrategie passt. Wir werden in Kapitel 6 wieder auf die Kennzahlen zurückkommen und in Form von Fallstudien die Anwendung der Kennzahlen in Unternehmen demonstrieren. Dabei wird gezeigt, dass zwei Unternehmen, welche völlig unterschiedliche Produkte herstellen in logistischer Hinsicht gut vergleichbar sind und viel voneinander lernen können. Eine Stellungnahme zu den Kennzahlen und deren Erhebung in den beiden Unternehmen unterstreicht die Gültigkeit der generierten Kennzahllisten.

4.3.4

Anwendung von Best Practices mit der SCVD

Unter dem Begriff „Best Practice” glaubt man oftmals ein Allheilmittel zu logistischen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu finden. Gefördert wird dieser Eindruck noch durch die fortwährende gezielte Neuerfindung von Schlagworten und Abkürzungen. Viele dieser Lösungen entpuppen sich bei genauerer Analyse als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Dies soll nicht bedeuten, dass die Lösungen unbrauchbar oder gar schädigend sind. Im Gegenteil, viele Konzepte und Ideen, welche als Best Practice gehandelt werden. sind tatsächlich ursächlich daran beteiligt, dass ein Unternehmen großen Erfolg hat. Zum Teil handelt es sich dabei um innovative Ideen, welche in dieser Form noch nicht da gewesen sind,

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

an anderen Stellen sind alte Lösungen neu erfunden worden und haben sich im entsprechenden Markt als Erfolgsgaranten erwiesen. Auf der Suche nach einer Definition einer Best Practice, welche dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit genügt muss man feststellen, dass die eine so gut oder so schlecht ist wie die andere. Ungeachtet des genauen Wortlautes spiegeln alle Definitionen die Überzeugung wider, dass es sich bei einer Best Practice um eine spezifische Lösung, welche sich als besonders wirksam zur Verbesserung der Lieferqualität, der Flexibilität, der Zuverlässigkeit etc., erwiesen hat, handelt. In diesem gemeinsamen Verständnis ist somit klar gestellt, dass es sich nicht um ein Beratungskonzept eines Consultingunternehmens handeln kann, sondern um eine real existierende Lösung, welche sich in mindestens einem Unternehmen findet. Daraus folgt direkt, dass eine Best Practice kontextabhängig ist. Diese eigentlich triviale Erkenntnis, dass nicht in jeder Situation die gleiche Lösung angebracht ist, wird bei der Diskussion von Best Practices oftmals vergessen. Genau wie eine logistische Leistung sich erst im Kontext des Marktes als gut oder ungenügend erweist, ist eine Best Practice stark davon abhängig, wie die Rahmenbedingungen sind. Dabei kann es sich um marktbezogene Rahmenbedingungen, technische Voraussetzungen oder auch um organisatorische Gegebenheiten handeln, welche darüber entscheiden, ob eine Best Practice wirklich „Best“ ist. Insbesondere bei Konzepten, welche eine Unternehmensschnittstelle betreffen, ist die gefundene Lösung zuweilen nur für das eine der beiden Unternehmen von Vorteil. Somit stellt sich auch immer die Frage, in welcher Rolle sich das Unternehmen befindet. Als Käufer von Komponenten und Rohmaterial wird sich das Unternehmen häufig andere Konzepte und Lösungen aussuchen als in der Rolle des Verkäufers der eigenen Fertigprodukte. Um diesem Umstand gerecht zu werden und um dem Vorwurf zu entgehen, man würde etwas als das absolut Beste propagieren, sind viele Autoren und Unternehmensberatungen zum Begriff der Successful Practice übergegangen. „Das Beste für mich muss nicht das Beste für dich sein“ Entscheidender als eine korrekte Definition zu erhalten scheint es uns aber, die Best Practices auf ihren Gehalt hin zu untersuchen. So wurde im Rahmen des internationalen Forschungsprojektes ProdChain eine Analyse von mehr als 200 Abkürzungen und Konzepten, welche als Best Practice propagiert werden, vorgenommen und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden analysiert. Die eine Unterscheidung, die gemacht werden muss, betrifft die bereits erwähnte Rolle des Unternehmens. In diesem Fall muss die Perspektive des Untenehmens eingenommen werden um entscheiden zu können, ob die Best Practice vorteilhaft ist oder nicht. Zur vollständigen Analyse der Best Practices wurde die folgende Vorlage ver-

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 279

Abb. 106 Vorlage zur Klassifizierung von Best Practices aus den Forschungsprojekt ProdChain

wendet, welche es erlaubt, sich einen sehr guten Überblick über das Anwendungsgebiet und die Idee der Best Practice zu verschaffen. Die standardisierte Beschreibung der Best Practices ermöglichte es, Duplikate oder Konzepte, welche inhaltlich sehr gleich sind aber unter anderen Namen rangieren, zu identifizieren und zusammenzufassen. Es zeigte sich dabei, dass oftmals nur marginale Unterschiede in der Anwendungsidee vorhanden sind und es daher sinnvoller ist, diese verschiedenen Detailvarianten nicht weiter zu unterscheiden. Jede klar unterscheidbare Best Practice ist mit einer kurzen Beschreibung, welche die grundsätzliche Idee zusammenfasst, beschrieben. Eine ausführliche Beschreibung der Konzepte in Form der oben abgebildeten Charakterisierung ist im Anhang B zu finden. Entscheidungskriterien für den Vergleich der Konzepte sind zum einen die mit der Best Practice angestrebten Ziele und zum anderen der Ort der Anwendung im Unternehmen (Einkauf, Produktion, Transport,

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Datenverarbeitung). Zusätzlich sind strukturelle Anforderungen wie ITSysteme oder Prozessvoraussetzungen mit in die Bewertung eingeflossen. Grundsätzlich konnten sechs unterschiedliche Arten von Best Practices gefunden werden, welche sich maßgeblich im Anwendungsbereich unterscheiden. Ein Anwendungsbereich skizziert keinen physischen Bereich des Unternehmens, sondern beschreibt entweder eine Planungsebene oder eine Kooperationsebene (Art und Intensität der Kooperation).

Abb. 107 Klassifizierung von Best Practices

4.3 Merkmalsbasierte Auswahl von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern 281

Entscheidend für die Beurteilung der Best Practices ist deren Einfluss auf die Leistung im Unternehmen und somit auch auf die entsprechenden Kennzahlen. Wie in der Charakterisierung im Anhang ersichtlich ist, konnte zu jeder der beurteilten Best Practices eine klare Verbindung zu den Kennzahlen, welche im Rahmen der SCVD vorgestellt wurden, gefunden werden. Es kann sowohl die direkte Auswirkung auf Leistungskennzahlen als auch auf Leistungstreiber beobachtet werden. Im Folgenden werden die sechs Arten von Best Practices kurz erläutert. • Partnerschaftskonzepte beeinflussen sowohl das Unternehmen, welches als Kunde auftritt als auch den Lieferanten. Mit Vereinbarung über Service Levels oder Rahmenverträge, können Zusagen hinsichtlich der Einhaltung einer bestimmten Leistungskennzahl gemacht werden (beispielsweise Service Level von 97%). Diese Art von Best Practices beschäftigt sich primär mit Leistungskennzahlen und weniger mit den treibenden Faktoren. • Für Versorgungsstrategien und -mechanismen steht der Auslieferungsprozess bzw. die Wahrenannahme auf Kundenseite im Fokus der Aufmerksamkeit. Vendor Managed Inventory oder Just-in-Sequence Lieferungen gehören zu dieser Kategorie. In der Regel sind es Konzepte, welche den Modus Operandi zwischen einem Verkäufer und einem Käufer regeln, mit dem Fokus, die Abläufe gemäß den Wunschvorstellungen zu optimieren. Dies kann je nach Best Practice auf eine Beschleunigung, eine Verbilligung oder auch qualitative Verbesserung der Prozesse ausgerichtet sein. Typischerweise werden Zielkonflikte beider Unternehmen ausgehandelt und eine befriedigende Lösung für beide gesucht, indem Kompensationsvereinbarungen bei einseitigen Verbesserungen getroffen werden. Die Supply Strategy Concepts fokussieren sich häufig auf Prozesse und die Verbesserung der dazugehörigen Leistungstreiber. Somit wird erst in zweiter Instanz ein positiver Einfluss auf die Leistungskennzahlen erzielt. Die Best Practice operationeller Natur sind jene, die auf die Optimierung von Leistungstreibern und Kostenkennzahlen ausgerichtet sind. Es handelt sich dabei oftmals um eine Reduzierung von administrativer Tätigkeit zur Steigerung der betrieblichen Effizienz. Kanban oder Continuous Replenishment sind typische Konzepte, welche den Planungs- und Dispositionsaufwand und somit die administrativen Kosten im Lieferungsprozess signifikant senken können. Die drei beschriebenen Kategorien von Best Practices sind stark miteinander verbunden, da sie unterschiedliche Ebenen einer Kooperation betreffen. Ausgehend von den Partnerschaftskonzepten, wo eine Zusammenarbeit beschlossen wird und Vereinbarungen auf höchster Ebene

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

getroffen werden, beschreiben die Versorgungsstrategien und -mechanismen die grundlegende Art, wie getroffene Vereinbarungen erreicht werden sollen. Zusätzlich wird der Modus Operandi in Form von ausführbaren Handelsrichtlinien konkretisiert und stellt sicher, dass die Vereinbarung der logistischen Leistung eingehalten werden kann. Gleichzeitig rücken in der letzten Stufe die Kostenaspekte in den Vordergrund, um die versprochene Leistung so effizient wie möglich zu erbringen. • „Make-or-Buy“-Entscheidungen bestimmen darüber, ob ein Wertschöpfungsschritt in der Lieferkette nach außen vergeben wird oder im eigenen Unternehmen stattfindet. Dies heißt als Konsequenz, dass beim Insourcing Leistungskennzahlen zu Leistungstreibern werden können (der Kunde merkt nichts mehr von der Leistung). Wenn beispielsweise die Fertigung einer nicht kritischen Komponente an den Lieferanten vergeben wird, so wird die früher gemessene interne Ausschussrate dieser Komponente zur Lieferqualität des Lieferanten transformiert. Umgekehrt können ehemalige Leistungstreiber plötzlich zu Leistungskennzahlen werden, wenn sich die Schnittstelle zwischen den Kunden in der Wertschöpfungskette verschiebt. Dies ist selbstverständlich nur möglich, wenn der Kunde nicht schon der Endbenutzer ist. • SCM-Software-Module betreffen jene Best Practice, die mit der Aufbereitung von Informationen und dem Planungsprozess zu tun haben. Diese Best Practice versuchen, Marktanforderungen und strukturelle Kennwerte so zu einem Planungs- und Steuerungsmodell zu verbinden, dass marktgerechte Leistungskennwerte resultieren. Gleichzeitig werden Kostenbeschränkungen berücksichtigt und die Leistungskennwerte unter dieser Randbedingung optimiert. Optimale Tourenplanung, die Konsolidierung von weltweiten Vorhersagedaten oder die Generierung von optimalen Arbeitsplänen für die extrem variantenreiche Produktion sind Aufgaben diese Softwaremodule. • E-Business Konzepte sind in der Regel auf die Minimierung von Kosten durch Entschlackung von administrativen Abläufen ausgerichtet. Automatisierung und Standardisierungsbemühungen fallen in der Regel in diese Kategorie. Grundsätzlich strebt jede Best Practice eine Verbesserung eines Prozesses an, welche mittels Kennzahlen messbar gemacht wird. Tatsächlich ist von Softwareherstellern oftmals die Behauptung zu hören, dass sich eine bestimmte Kennzahl durch die Einführung der entsprechenden Software automatisch verbessern würde. Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes dieser Behauptungen ist unbestritten, dass viele so genannte Best Practices eine Steigerung der logistischen Leistungsfähigkeit zur Folge haben.

4.4 Differenzierung zum strategischen Performance Management

283

Vendor Managed Inventory (VMI) beispielsweise reduziert die Lagerhaltungskosten des einkaufenden Unternehmens bei gleichzeitiger Erhöhung der Lieferbereitschaft. Möglich wird dies primär durch eine Aufwandverschiebung zum Lieferanten hin, welcher seinerseits durch die Kontrolle über das Lager, eine bessere Planung seiner Produktion erreicht. Weiter erzielt Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) durch schnelle Weitergabe von Planungs- und Verkaufsdaten eine Reduzierung der Sicherheitsbestände in der ganzen Lieferkette. Im Anhang A sind 27 Best Practices (vgl. Abb. 107) nach der oben erwähnten Struktur zum nachschlagen aufgeführt. Mit dem Wissen, dass eine Best Practice streng genommen lediglich eine sehr gute Lösung, welche ein Unternehmen für seine Situation gefunden hat und die ihm zum Erfolg verholfen hat ist, wird branchenübergreifendes Benchmarking zur wichtigen Quelle für neue Best Practices in einer Branche. Das Lernen von anderen und die Interpretation der Gegebenheiten unter denen ein Unternehmen Erfolg hatte, können somit helfen, in einer anderen Branche völlig neue Wege zum Erfolg zu eröffnen. Best Practices in der SCVD Die Suche nach der geeigneten Best Practice gestaltet sich mancherorts ebenso schwer wie die Implementierung derselben. Es muss einerseits sichergestellt werden, dass die Grundbedingungen im Unternehmen vorhanden sind oder zumindest bekannt ist, welche Voraussetzungen noch geschaffen werden müssen. Mit Hilfe der SCVD kann der erste Schritt der Identifizierung von Best Practice wesentlich erleichtert werden. Ähnlich wie die Zuordnung von Kennzahlen zu den einzelnen Zielbereichen der SCVD ist über die Zuordnung von Best Practices zu Kennzahlen eine Verbindung zwischen den Zielbereichen der SCVD und den Best Practices geschaffen. Keine logistische Maßnahme oder Best Practice ist in der Lage, ausschließlich einen Zielbereich der SCVD zu beeinflussen. Jede Aktion hat in der Regel eine Vielfalt von Auswirkungen. Daraus resultiert, dass viele Best Practices mehrfach genannt werden, und zwar für jeden Zielbereich den sie zu verbessern versprechen separat.

4.4

Differenzierung zum strategischen Performance Management

Wir haben uns bis dato weitgehend der Messung operationeller Kennzahlen gewidmet. Wir haben definiert, wie diese zum Unternehmenserfolg beitragen können, es wurde dargelegt, welche Kennzahlen für welche

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4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Art von Unternehmen geeignet sind und welche Anforderungen an die Messung und Interpretation gestellt werden müssen. Was wir jedoch nicht gefragt haben, ist: „Sind die logistischen Merkmale, insbesondere die Marktmerkmale, noch gültig?“ Könnte es etwa sein, dass wir uns in einem Messungs- und Verbesserungskreislauf befinden, welcher nicht mehr marktkonform ist? Dabei können zwei Fälle unterschieden werden, die ganz unterschiedliche Lösungen erfordern. 1. Fall: Die Kennzahlen sind weiterhin gültig, müssen aber enger gefasst werden. In diesem Fall kann das Unternehmen neu überdenken, welche Leistung der Kunde fordert und wofür er zu zahlen bereit ist. Es kann sein, dass es in der Endphase eines Produktlebenszyklus darauf ankommt, das Produkt möglichst kostengünstig anzufertigen und die technische Variantenvielfalt weniger im Vordergrund steht. Es gilt daher neue Toleranzen für bestehende Kennzahlen zu definieren und die entsprechenden innerbetrieblichen Lösungen darauf abzustimmen. 2. Fall: Die Marktanforderungen haben sich verschoben oder werden sich verschieben; eine neue Supply Chain-Strategie muss definiert werden und mit ihr neue Kennzahlen. Im zweiten Fall ist ein wesentlich radikalerer Umbruch nötig. Dies heißt aber nicht, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten gekommen ist, schließlich sollte dieser zweite Fall in weitsichtigen Unternehmen antizipiert werden. Für die neue Definition der Supply Chain-Strategie verlassen wir den in Abs. 4.1 eingeführten die Schleife des operationellen Supply Chain Controlling (vgl. Abb. 108) und durchlaufen den Prozess zur Entwicklung einer Supply Chain-Strategie (Schleife 2).

Abb. 108 Strategisches und operationelles Supply Chain-Controlling

Quellen und weiterführende Literatur

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Im kommenden Kapitel werden wir uns der Strategieentwicklung zuwenden und zeigen, wie die SCVD auch in diesem Fall als Leitinstrument dienen kann. Überlegungen zu den Anforderungen an eine Strategie werden sich ebenso finden wie ein strukturierter Weg, um zu einer marktgerechten und realistischen Supply Chain-Strategie zu gelangen. Erklärtes Ziel ist es, eine Strategie zu entwickeln, welche langfristige Leitlinien vorgibt und dennoch Veränderungen im Markt zulässt, ohne vollständig obsolet zu werden.

Quellen und weiterführende Literatur Andersen, B.: The results of benchmarking and a benchmarking process model. University of Trondheim, Norwegian Institute of Technology NTH, Department of Production and Quality Engineering, 1995. Blankenburg, D.: Evaluation von Performance Measurement Systemen – eine empirische Analyse. Dissertation Universität St. Gallen, 1999. Camp R.C.: Benchmarking. München: Hanser, 1994. Deming, W. E.: Out of the crisis. Cambrigde (MA): Massachusetts Institute of Technology, Center for advanced engineering studies, MIT Press edition, 2000. Ferdows, K., De Meyer, A.: Lasting Improvements in Manufacturing Performance. In: Search of a New Theory, Journal of Operations Management, 1990, Vol. 9, No. 2, pp. 168−184. Hernández, R. M.: Systematik der Wandlungsfähigkeit in der Fabrikplanung. Düsseldorf, VDI Verlag, 2003. Hoffmann, O.: Performance Management: Systeme und Implementierungsansätze. Bern: Paul Haupt, 1999. Kaplan, R.S., Norton, D.P.: The balanced scorecard – translating strategy into action. Boston (MA): Harvard Business School Press, 1996. Lambert, D.M.; Burduroglu, R.: Measuring and selling the value of logistics. In: The International Journal of Logistics Management, 2000, Vol. 11, No. 1, pp. 1−17. Luczak, H., Eversheim, W., Schotten, M.: Produktionsplanung- und Steuerung. 2., korr. Aufl. 1999, Nachdruck, Berlin (etc.): Springer, Berlin Heidelberg, 1999. Luczak, H., Wiendahl, H.-P., Weber, J. (Hrsg.): Logistik Benchmarking: Praxisleitfaden mit LogiBEST. 2., vollst. überarb. Aufl., Berlin: Springer, 2004. Nyhuis, P., Wiendahl, H.-P.: Logistische Kennlinien: Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen. 2. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2003. Ohno, T.: Toyota Production System: Beyond Large Scale Production. Productivity Press, 1988.

286

4 Leistungsorientierung: Supply Chain Performance Management

Schomburg, E.: Entwicklung eines betriebstypologischen Instrumentariums zur systematischen Ermittlung der Anforderungen an EDV-gestützte Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme im Maschinenbau. Dissertation RWTH Aachen, 1980. Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007. Seghezzi, H.D.: Qualitätsmanagement: Ansatz eines St. Galler Konzepts Integriertes Qualitätsmanagement. Stuttgart: Schäffer-Poeschel; Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1994. Smith P.C.; Goddard, M.: Performance management and operational research: a marriage made in heaven? In: Journal of the Operational Research Society, 2002, Vol. 53, pp. 247−255. Stock, J.R.; Lambert, D.M.: Strategic logistics management 4th ed. Boston (MA): McGraw-Hill, 2001. Ulich, E.: Arbeitspychologie. 6., überarb. u. erw. Aufl., Zürich: vdf, 2005. Weber, J., Wertz, B.: Benchmarking excellence. Koblenz: Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU), 1999. Weber, J.: Logistik- und Supply-Chain-Controlling. 5. Aufl., Stuttgart: SchäfferPoeschel, 2002. Wiendahl, H.-P.: Erfolgsfaktor Logistikqualität – Vorgehen, Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung der Logistikleistung. 2. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2002. Wunderlin, G.: Performance Management. Dissertation Universität St. Gallen, 1999. Mertins, K. [et al.]: Benchmarking 2003 – Benchmarking für den Mittelstand. Berlin: IPK Eigenverlag, 2003. Klaus, P.: Die organisatorische Integration von Versorgungsketten – „Best Practices“. In: Pfohl, H.-Chr. (Hrsg.): Logistikforschung – Entwicklungszüge und Gestaltungsansätze. Berlin: Erich Schmid Verlag, 1999, S. 109−138.

5

Strategieorientierung: Strategisches SCM

Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind ein günstiger. Seneca

Supply Chain-Strategien dienen dazu, logistische Erfolgspotenziale zu erschließen, d. h. Mehrumsatz zu generieren, Kosten und Investitionen in Bestände zu reduzieren. Dies ist Thema von Abs. 5.1. Danach wird die Grundidee vorgestellt, wie die SCVD genutzt werden kann, um Supply Chain-Strategien zu entwickeln. In Abs. 5.3 wird die Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien im Detail erläutert. Am Schluss des Kapitels werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt.

5.1

Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

Ziel dieses Abschnitts ist, die Thematik von Supply Chain-Strategien näher zu beleuchten. Zuerst wird in einem Überblick knapp dargestellt, welche Strategien es in Unternehmen gibt, wie die Supply ChainStrategie eingeordnet werden kann und wie die verschiedenen Strategien zusammenhängen. Dann wird die Supply Chain-Strategie näher erläutert: Was ist eine Supply Chain-Strategie und was beinhaltet sie? Die nächste Frage handelt von logistischen Erfolgspotenzialen: Was sind logistisches Erfolgspotenziale? Woraus bestehen sie? Welche Fähigkeiten müssen im SCM aufgebaut werden, um logistische Erfolgspotenziale zu erschließen? Anschließend wird auf den Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität eingegangen. Die nächsten Themen sind, welche Angaben, d. h. welche Eingangsgrößen in die Supply Chain-Strategie

288

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

einfließen und wie, allgemein betrachtet, Strategien entwickelt und implementiert werden.

5.1.1

Strategien in Unternehmen

In einem Unternehmen gibt es meist viele verschiedene Strategien. Unternehmensstrategie ist auf der obersten Ebene angesiedelt und definiert, in welchen Geschäftsfeldern das Unternehmen tätig ist und wie die Ressourcen entsprechend aufgeteilt sind. Für einen einzelnen Geschäftsbereich legt die Geschäftsstrategie zum einen das Geschäftsfeld fest, so dass die Verbindung zur Unternehmensstrategie geschaffen wird und macht zum anderen eine Aussage darüber, auf welcher Basis Wettbewerbsvorteile geschaffen werden: welche Kundenbedürfnisse mit Produkten und Dienstleistungen befriedigt werden und wie sich das Unternehmen im Wettbewerb positioniert (Wettbewerbsstrategie). Nach Porter sind generische Wettbewerbsstrategien Kostenführerschaft, Differenzierung oder Nischenanbieter. Eine Wettbewerbsstrategie kann „variety-based“, „needs-based“ oder „access-based“ sein, d. h. sie kann auf einem spezifischen Produkt-/Dienstleistungsangebot, auf den Kundenbedürfnissen oder auf dem Zugang zu Kunden und Marktzugang basieren. Je nach Organisation des Unternehmens können Unternehmensund Geschäftsstrategie zusammenfallen. (Im den folgenden Abschnitten wird auf die Unternehmensstrategie Bezug genommen). Funktionale Strategien leiten sich nun aus den Geschäftsstrategien für die einzelnen Funktionen ab: Technologie-, Innovationsstrategie, Forschungs-/Entwicklungsstrategie, Supply Chain-Strategie (und damit Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebs-/Distributionsstrategie etc.), Marketingstrategie etc. Die funktionalen Strategien unterstützen die Unternehmens- bzw. Geschäftsstrategie in ihrem Bestreben, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Deshalb müssen die funktionalen Strategien mit der Unternehmens- bzw. Geschäftsstrategie untereinander konsistent sein, was als „strategic fit“ oder „strategic alignment“ bezeichnet wird. Eine Supply Chain-Strategie kann einerseits als funktionale Strategie in Bezug auf SCM als Unternehmensfunktion eingeordnet werden. Sie unterstützt die Unternehmens- bzw. Wettbewerbsstrategie und kann wiederum in weitere funktionale Strategien differenziert werden: Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebsstrategie („Source“, „Make“, „Deliver“). Andererseits weist sie im Sinne des unternehmensübergreifenden Logistikmanagements eine Querschnittsfunktion auf. Die Tabelle 4 fasst die Strategien im Unternehmenskontext im Hinblick auf die Einordnung der Supply Chain-Strategie zusammen.

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

289

Tabelle 4 Strategien im Unternehmenskontext Strategien im Unternehmenskontext Unternehmensstrategie

definiert insbesondere die Geschäftsfelder (Märkte, Kunden, Produkte, Dienstleistungen) und die Ressourcenverteilung auf Unternehmensebene

Geschäftsstrategie

spezifiziert das Geschäftsfeld (Märkte, Kunden, Produkte, Dienstleistungen) und die Wettbewerbsstrategie auf Ebene Geschäftsbereiche (Divisionen etc.)

Wettbewerbsstrategie legt fest, welche Kundenbedürfnisse mit welchen Produkten und Dienstleistungen wie und wo gedeckt werden und wie man sich im Wettbewerb positioniert (Wettbewerbsvorteile) Supply ChainStrategie

Strategie in Bezug auf SCM als Unternehmensfunktion und als Querschnittsfunktion des unternehmensübergreifenden Logistikmanagements

Beschaffungsstrategie Strategie der Unternehmensfunktion; Beschaffung als Element der Supply Chain-Strategie Produktionsstrategie Strategie der Unternehmensfunktion; Produktion als Element der Supply Chain-Strategie Vertriebs-/Distributionsstrategie

Strategie der Unternehmensfunktion; Vertrieb als Element der Supply Chain-Strategie

Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Supply Chain-Strategien. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass eine Supply Chain-Strategie nicht isoliert betrachtet werden kann, sie steht vielmehr im Zusammenhang mit den anderen Strategien des Unternehmens und muss mit diesen harmonieren.

5.1.2

Supply Chain-Strategie

In Kapitel 1 wurde erläutert, dass Supply Chain-Strategien ein wichtiges Element des strategischen SCM darstellen und der Aspekt der Strategieorientierung aussagt, dass Supply Chain-Strategien wichtig für die Zielausrichtung des SCM sind. Zudem müssen sie auf die Unternehmensstrategie und die Unternehmenssituation abgestimmt sein („strategic alignment“, „strategic fit“). Der Zweck einer Supply Chain-Strategie ist also primär, durch die Zielausrichtung sicher zu stellen, dass die SCMZiele erreicht werden.

290

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Über die Definition und die Inhalte einer Supply Chain-Strategie besteht in der Theorie keine Einigkeit, vielmehr existiert eine Vielzahl von Konzeptionen, die verschiedene Aspekte beleuchten; auch wird oft nicht klar zwischen strategischem SCM und Supply Chain-Strategie unterschieden. Zwei zentrale Aspekte sollen herausgegriffen werden: Erstens definiert ein Unternehmen mit einer Supply Chain-Strategie, wie es mit den Prozessen und Ressourcen einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit liefert. Im Sinne der im Kapitel 2 diskutierten Wertorientierung kann dies dahingehend erweitert werden, dass ein Unternehmen mit einer Supply Chain-Strategie definiert, wie es mit den Prozessen und Ressourcen einen Beitrag zum Unternehmenserfolg bzw. Unternehmenswert liefert. Zweitens beinhaltet das strategische SCM die Entwicklung und Ausschöpfung logistischer Erfolgspotenziale, vgl. Abs. 1.4. Was ein logistisches Erfolgspotenzial genau ist, soll später in Abs. 5.1.3 betrachtet werden. Eine Strategie ist laut Brockhaus (2001) allgemein in der Betriebswirtschaft ein „rational geplantes, in sich stimmiges, komplexes Maßnahmenbündel, das von der Unternehmensführung festgelegt wird und zur Umsetzung der Unternehmensziele beitragen soll. Entscheidungen über die Strategie stellen somit Grundsatzentscheidungen dar, welche die prinzipielle Richtung des von Unternehmen eingeschlagenen Weges bestimmen soll. Strategien bestehen aus einer Vielzahl ineinander greifender Einzelaktivitäten“. Diese allgemein gehaltene Definition soll für eine Definition von Supply Chain-Strategie konkretisiert werden: Eine Supply Chain-Strategie besteht aus priorisierten Zielen des SCM (strategische Prioritäten) und einem abgestimmten Maßnahmenbündel, um diese zu erreichen, indem logistische Erfolgspotenziale entwickelt und ausgeschöpft werden. Die Ziele sind dabei auf einer generellen Ebene, der Ebene der Zielbereiche, definiert. Diese Zielbereiche sind, wie aus Abs. 1.3 wiederholt: • Qualität: Produkt-, Prozess- und Organisationsqualität; • Lieferzuverlässigkeit: Pünktlichkeit der Lieferung, d. h. Lieferzuverlässigkeit bzw. -treue; • Lieferdurchlaufzeit: Lieferfrist bzw. Lieferbereitschaft; • Flexibilität: qualitative und quantitative Flexibilität im Erreichen des Kundennutzens und im Ressourceneinsatz; • Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen: Bestände an Lager und an Ware in Arbeit, Liquidität sowie Infrastruktur und Kapazitäten; • Operationelle Kosten (als Hebel für den Preis): Kosten für das operationelle Logistikmanagement.

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

291

Tabelle 5 Anforderungen an eine Supply Chain-Strategie (in Anlehnung an Cohen und Roussel, 2006) Anforderungen an eine Supply Chain-Strategie Bereich

Anforderungen bisher

Anforderungen zukünftig

Fokus

unternehmensintern

unternehmensübergreifend (Schlüsselkunden und -lieferanten)

Inhalt

Optimierung der Funktionen Integration funktionaler Stra(Teilbereiche des SCM) tegien, um die Leistung auf Unternehmensebene zu verbessern

Unterstützung der Unternehmensstrategie

Fokus auf Ziele und Fähigkeiten der Aktivitäten (Planung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb)

Fähigkeiten und Ziele sind abgestimmt mit Strategien der Bereiche Marketing, Verkauf, Technologien, Entwicklung etc.

Segmentierung ein Modell der Wertschöpder Wertschöp- fungskette ist dominant fungskette (Fähigkeiten, Ziele)

die Wertschöpfungskette wird nach Kunden und Lieferanten segmentiert und modelliert

Kooperation

Customer/Supplier Relationship Management basierend auf Kernkompetenzen

Beziehungen mit Kunden und Lieferanten

Diese Ziele können durch zusätzliche Ziele der Kooperation unterstützt werden: Zusammenarbeit, Koordination, Veränderbarkeit (vgl. Abs. 1.3). Mit dem Begriff „abgestimmtes Maßnahmenbündel“ wird in der Definition der Supply Chain-Strategie angedeutet, dass die Ziele operationalisiert und Maßnahmen abgeleitet werden müssen. In der Regel geht es auf dieser Stufe noch nicht um einzelne, konkrete Maßnahmen, sondern um Maßnahmenpakete oder „Bündel“, die Schwerpunkte setzten sollen. Diese müssen aufeinander abgestimmt sein, um Konflikte und Widersprüche zu verhindern und Synergien zu ermöglichen. Durch welche Charakteristiken soll sich im heutigen Wettbewerbsumfeld eine Supply Chain-Strategie auszeichnen? Die bisherigen Anforderungen an eine Supply Chain-Strategie gehen in erhöhte Anforderungen in naher Zukunft über; vgl. Tabelle 5. Die Anforderungen verschieben sich also Richtung unternehmensübergreifender Konzeption und auf die Integration und Koordination im

292

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Unternehmen selbst wie auch zusammen mit Lieferanten und Kunden als Partner.

5.1.3

Logistische Erfolgspotenziale und SCM-Fähigkeiten

Logistische Erfolgspotenziale stellen spezifische Fähigkeiten und Ressourcen im Bereich der Logistik bzw. des SCM dar, die ein Unternehmen langfristig aufbauen kann und die nachhaltig erfolgsrelevant im Hinblick auf Zielsetzungen der Logistik bzw. des SCM sind. „Logistisch“ wird hier im umfassenden, d. h. auch im unternehmensübergreifenden Sinn verstanden. Logistische Erfolgspotenziale können auf der strategischen Ebene des integrierten SCM-Modells angesiedelt werden (vgl. Abs. 1.4) und stellen Quellen dar, aus denen ein Unternehmen langfristig seinen Erfolg erzielen kann. Das Erfolgspotenzial eines Unternehmens besteht im Idealfall aus einer Kombination folgender Faktoren: • Produkte oder Dienstleistungen, für die ein Bedürfnis besteht; • Fähigkeiten und Ressourcen, die Produkte und Dienstleistungen bedürfnisgerecht zur Verfügung zu stellen, d. h. zu entwickeln, produzieren und vertreiben sowie Komponenten dafür zu beschaffen; • Marktpotenziale für die Produkte und Dienstleistungen, die genügend groß sind und eine starke Marktposition, d. h. Stellung des Unternehmens im Wettbewerb. Da logistische Erfolgspotenziale als spezifische Erfolgspotenziale im Hinblick auf die Logistik und SCM zu verstehen sind, beziehen sie sich in erster Linie auf die Fähigkeiten und Ressourcen, den Material- und Informationsfluss im Zusammenhang mit Beschaffung, Produktion und Vertrieb effektiv und effizient abzuwickeln. Durch SCM können verschiedene Potenziale erschlossen werden. Das Markterschließungspotenzial ergibt sich durch potenzielle Mehrumsätze, die durch Logistik bzw. SCM erzielt werden können, wenn spezifische Kundenbedürfnisse befriedigt werden, indem die Anforderungen an Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität gut erfüllt werden. Das Investitionsreduzierungspotenzial ergibt sich durch die Reduzierung der Kapitalkosten, indem Investitionen ins Umlauf(Lager, Bestände) und Anlagevermögen (Betriebsmittel, Infrastruktur) rationalisiert werden. Das Kostenreduzierungspotenzial resultiert aus der Rationalisierung der Logistikkosten (Kosten für Material- und Informationsfluss, Bevorratung, Management etc.). Eine Stufe tiefer können weitere Potenziale wie Beschaffungs-, Kooperations-, Standort-, Innovations-,

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

293

Synergiepotenziale etc. unterschieden werden, die sich auf das Markterschließungs-, Investitionsreduzierungs- und Kostenreduzierungspotenzial zurückführen lassen. Beispielsweise können Beschaffungs- und Standortpotenzial zu tieferen Kosten führen und mittels des Kooperationspotenzials das Markterschließungspotenzial vergrößert werden, indem dank der Kooperation mit Lieferanten kürzere Lieferfristen realisiert werden können. Da sich im Sinne des EVA-Konzepts der Erfolg eines Unternehmens als Differenz zwischen dem Betriebsgewinn (Umsatzerlöse minus Betriebskosten minus Steuern) und den Kapitalkosten definiert, kann somit das logistische Erfolgspotenzial folgendermaßen gegliedert werden, was sich im Aufbau der SCVD widerspiegelt: logistisches Erfolgspotenzial = Markterschließungspotenzial + Investitionsreduzierungspotenzial + Kostenreduzierungspotenzial der Logistik bzw. des SCM Um logistische Erfolgspotenziale zu erschließen, müssen zuerst die notwendigen SCM-Fähigkeiten identifiziert und aufgebaut werden. Diese müssen mit der strategischen Zielsetzung eines Unternehmens abgestimmt sein. Hieber (2002) beschreibt drei Hauptbereiche, in denen ein Unternehmen Fähigkeiten im SCM entwickeln muss, vgl. Tabelle 6. Die Fähigkeiten beziehen auf den Kooperationsaspekt des SCM und unterstützen somit die Erschließung logistischer Erfolgspotenziale in Kooperation und Abstimmung mit Kunden und Lieferanten. Die Ausprägung dieser Eigenschaften kann beispielsweise als Profil qualitativ festgehalten werden. Ein solches Profil kann als Basis für eine Analyse der SCM-Fähigkeiten und Identifizierung von Verbesserungspotenzialen dienen, die durch den gezielten Aufbau der entsprechenden Fähigkeiten gehoben werden können. Die Ressourcen umfassen einerseits Human- und Kapitalressourcen, d. h. Mitarbeitende und Infrastruktur und andererseits im engeren Sinne die Produktionsfaktoren Material, Informationen und Kapazitäten. Die Humanressourcen haben quantitative Aspekte (Anzahl) sowie qualitative (Qualifikation, Entwicklungspotenziale etc.). Die Kapitalressourcen beziehen sich auf finanzielle Ressourcen, die in die Logistik bzw. ins SCM investiert sind, erstens für den laufenden Betrieb der Logistik-/SCMSysteme, zweitens für Investitionen in die Infrastruktur, d. h. Hard- und Software wie Lagerhaltungssysteme, Informationstechnologie etc. und drittens Investitionen in SCM-Projekte beispielsweise zur Umsetzung von Best Practices, zur Rationalisierung etc.

294

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM Tabelle 6 SCM-Fähigkeiten (in Anlehnung an Hieber (2002))

Zusammenarbeit: Supply Chain Collaboration Excellence Strategische gemeinsame, kooperative Zielausrichtung (NetzwerkAusrichtung strategie) im Wertschöpfungsnetzwerk, Streben nach dem globalen Optimum Kooperative gemeinsame, kooperative Prognosen und Planung Planung sowie deren Austausch Kooperative gemeinsame, kooperative Durchführung von ProAusführung zessen des Material- und Informationsflusses Koordination: Supply Chain Coordination Excellence Kommunikation und Kommunikation und täglicher Informationsaustausch Informationsaustausch im Wertschöpfungsnetzwerk InformationsVerfügbarkeit und Transparenz von aktuellen Inforverfügbarkeit mationen (Bestände etc.) als Basis für Planung und Durchführung IT-Unterstützung Unterstützung durch Informationstechnologie (IT) für Informationsverfügbarkeit und -austausch für die Planung und Durchführung Veränderbarkeit: Supply Chain Transformability Flexibility Excellence Knowhow Fähigkeit, Best Practices und Standards zu übernehmen, umzusetzen und weiterzuentwickeln Fachlicher Austausch Fähigkeit zum Austausch von Fertigkeiten; Qualifikation, Weiterbildung sowie gemeinsamer, kontinuierlicher Lernprozess RekonfigurationsFähigkeit zur Umgestaltung des Wertschöpfungsnetzflexibilität werks (Rekonfiuration), um auf geänderte Bedingungen zu reagieren

Eng verknüpft mit dem Begriff Erfolgspotenzial sind Erfolgsfaktoren: Erfolgsfaktoren sind einerseits Kompetenzen, bestehend aus verschiedenen Fähigkeiten und andererseits Ressourcen eines Unternehmens; zusammen bilden sie die Grundlagen des Erfolgspotenzials und damit des Unternehmenserfolgs. Hierzu existieren zahlreiche empirische Untersuchungen, deren Ergebnisse sich weitgehend mit den oben erläuterten Fähigkeiten decken. Beispielsweise identifizierte eine Untersuchung folgende Erfolgsfaktoren: Reaktionsfähigkeit, Agilität (Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit), Schlankheit (Verhinderung jeder Art von Verschwendung), Intelligenz (Wissen über Kunden), Kundenintegration/-orientierung, interne Integration (Standardisierung, Vereinfachung etc.), Lieferantenintegration, Integration von Technologie und Planung, Integration der Erfolgsmessung, Integration der Beziehungen, die sich teilweise explizit und implizit in der SCVD wieder finden lassen.

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

5.1.4

295

Effizienz, Effektivität und strategische Prioritäten

Das Entscheidende bei einer Supply Chain-Strategie ist, dass die SCMZiele (d. h. Qualitäts-, Lieferzuverlässigkeits-, Lieferdurchlaufzeit-, Flexibilitäts-, Investitions- und Kostenziele) durch die Entwicklung und Ausnutzung logistischer Erfolgspotenziale (spezifische Voraussetzungen und Fähigkeiten im Bereich der Logistik bzw. des SCM) zu erreichen sind und nicht primär durch betriebliche Effizienz. Betriebliche Effizienz bedeutet, dass ein Unternehmen „ähnliche Aktivitäten besser als seine Konkurrenten durchführt. Betriebliche Effizienz beruht auf einer Reihe von Praktiken, die ein Unternehmen in die Lage versetzen, seine Produktionsfaktoren besser zu nutzen, indem es beispielsweise die Zahl der Produktionsfehler verringert oder bessere Produkte schneller erzeugt.“ (Porter, 1999) Betriebliche Effizienz kann zwar wettbewerbswirksam sein, ist jedoch weder hinreichend noch nachhaltig: „Kaum ein Unternehmen kann sich über einen längeren Zeitraum hinweg allein aufgrund großer betrieblicher Effizienz im Wettbewerb behaupten und seinen Vorsprung vor den Konkurrenten halten. Der offenkundigste Grund dafür ist die rasche Ausbreitung erfolgreicher Verfahren [Best Practices]. Die Konkurrenten können neue Managementtechniken, neue Technologien, bessere Produktionsfaktoren und eine bessere Anpassung an die Kundenbedürfnisse rasch nachahmen.“ (Porter, 1999). Zudem werden Unternehmen durch Benchmarking, Best Practices und kontinuierliche Verbesserung einander immer ähnlicher, wodurch eine differenzierte Positionierung im Wettbewerb erschwert wird. Demzufolge stellt die Anwendung von Best Practices des SCM wie beispielsweise Vendor Managed Inventory, Just-in-time, Kanban etc. an sich keine Supply Chain-Strategie dar. Folgerichtig sind auch keine Best Practices direkt in der SCVD abgebildet; vielmehr können die Best Practices bei denjenigen Ziel-Mittel-(FR-DP-)Paaren zugeordnet werden, wo sie eine Möglichkeit darstellen, das entsprechende Ziel (FR) zu erreichen, indem das entsprechende Mittel (DP) konkret realisiert wird. In der Supply Chain-Strategie geht es somit darum, Wettbewerbsvorteile aufgrund des SCM zu schaffen, indem logistische Erfolgspotenziale aufgebaut und realisiert werden, und sich dadurch von der Konkurrenz abzuheben, d. h. die SCM-Aktivitäten bewusst so zu gestalten, um einen einzigartigen Wert anbieten zu können. Dies bedeutet, zwischen verschiedenen Positionierungsmöglichkeiten bezüglich der SCM-Ziele abzuwägen und diese zu priorisieren („trade-offs“).

296

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Porter nennt drei generelle Überlegungen, um zwischen strategischen Positionierungsmöglichkeiten abzuwägen: • Die Positionierung sollte konsistent mit dem Image bzw. der Reputation des Unternehmens sein, um der Glaubwürdigkeit nicht zu schaden (beispielsweise gleichzeitiges Anbieten von Billig- und Qualitätsprodukten). • Unterschiedliche Positionierungen erfordern unterschiedliche Konfigurationen der Prozesse, des Material- und Informationsflusses, der Kapazitäten, der Mitarbeiterqualifikation etc. (beispielsweise flexible Kapazitäten, wenn viele Produktvarianten angeboten werden). • Die Positionierung muss eindeutig sein, sonst sind die Prioritäten eines Unternehmens intransparent (was beispielsweise zu hoher Komplexität der Koordination und Steuerung führen kann). „Strategie bedeutet, im Wettbewerb zwischen verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen und Prioritäten zu setzen. Im Kern jeder Strategie steht die Entscheidung darüber, was man nicht tun will. Ohne Abwägungen wären Entscheidungen und damit Strategien unnötig.“ (Porter, 1999). Deshalb geht es bei einer Supply Chain-Strategie um einen Entscheidungsprozess (Strategieformulierung), bei dem Positionierungsmöglichkeiten abgewogen und die SCM-Zielbereiche priorisiert werden. Damit ergeben sich strategische Prioritäten: Welche relative Gewichtung haben die SCM-Zielbereiche? Anschließend müssen entsprechende Ziele und Mittel abgeleitet werden (Operationalisierung). Eine strategische Positionierung soll einen langfristigen Zeithorizont, d. h. mehrere Jahre haben, denn erst durch Kontinuität kann ein Unternehmen SCM-Fähigkeiten aufbauen, die zur Strategie passen. Auf diese Weise können logistische Erfolgspotenziale aufgebaut werden. Damit werden weder betriebliche Effizienz noch Best Practices hinfällig, vielmehr bilden sie eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit. Wenn neben der betrieblichen Effizienz auch die Maßnahmen einer Supply Chain-Strategie im Sinne der Implementierungsreihenfolge des „Sand Cone Model“, das in der SCVD berücksichtigt ist, umgesetzt werden, sind deren Effektivität und Nachhaltigkeit gewährleistet. In der Implementierungsreihenfolge ist das Prinzip der Nachhaltigkeit realisiert, weil sich vorgelagerte Mittel bzw. Maßnahmen langfristig günstig auf den Unternehmenserfolg (hier: EVA) auswirken. Daraus folgt auch, dass reine Kostensenkungsstrategien nicht nachhaltig sein können, wenn nicht alle Zielbereiche (Qualität, Lieferzuverlässigkeit und -durchlaufzeit, Flexibilität sowie Umlauf- und Anlagevermögen) optimal erfüllt sind.

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

5.1.5

297

Eingangsgrößen einer Supply Chain-Strategie

Damit eine Supply Chain-Strategie mit der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie harmoniert, müssen folgende Überlegungen als Eingangsgrößen einfließen: • die vom Unternehmen gewählte Positionierung (d. h. Platzierung auf dem Markt für eine spezifische Nische oder Funktion) bezüglich der Kundenbedürfnisse hinsichtlich Qualität, Preis, Lieferung (Lieferzeit, -bereitschaft und -treue) und Flexibilität (Produkt-, Variantenspektrum, Innovation) sowie die Wettbewerbsvorteile; • Order Qualifiers: Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um im Markt wettbewerbsfähig zu sein (Marktanforderungen); vgl. Abs. 1.3; • Order Winners: geben den Ausschlag, dass ein Kunde die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens denen der Konkurrenz vorzieht und decken sich damit mit den Wettbewerbsvorteilen; vgl. Abs. 1.3; • die Verhandlungsstärke der Kunden. Diese Eingangsgrößen decken im Wesentlichen die Kunden- bzw. Marktsicht ab, die sich in der Unternehmens- bzw. Wettbewerbsstrategie widerspiegelt. Zu diesen Faktoren kommen nun weitere hinzu, welche die Situation bzw. die Partner des Wertschöpfungsnetzwerks betreffen (Umfeld des Unternehmens): • Beschaffungsmarkt: mögliche Lieferanten, Einkaufsmacht, Verhandlungsstärke; • Versorgungs- und Absatzrisiken; • Kooperationsbereitschaft potenzieller Partner auf Lieferanten- und Kundenseite zur Bildung eines partnerschaftlichen Wertschöpfungsnetzwerks. Die Supply Chain-Strategie stellt das wesentliche Element des strategischen SCM dar. Die Implementierung der Supply Chain-Strategie erfolgt im operationellen SCM. Über dem strategischen SCM steht das normative SCM, welches einen Rahmen für die Supply Chain-Strategien vorgibt: • SCM-/Logistik-Vision: gibt als Zukunftsbild bezüglich der unternehmensübergreifenden logistischen Strukturen und Prozesse (Netzwerkdesign) einen langfristigen Rahmen vor. • Generelle Zielsetzungen und Werte: Grundsatzentscheidungen und Werthaltungen bezüglich der kooperationsspezifischen Zielvorstellungen der Bereiche Zusammenarbeit (Kooperationsart und -fähigkeit),

298

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Koordination (Organisation, Kommunikation, Infrastruktur) sowie Veränderbarkeit des Wertschöpfungsnetzwerks (Flexibilität, Rekonfiguration). • Weiter fließt die Grundhaltung bezüglich „Make-or-Buy“ ein: Entscheidungen bezüglich In- und Outsourcing (Ein- oder Auslagerung von Wertschöpfungsstufen), sofern diese die Kernkompetenzen bzw. die Wettbewerbsvorteile des Unternehmens tangieren (z. B. Schlüsselkomponenten etc.) und damit Normen darstellen. Wie weiter unten im Detail ausgeführt werden wird, fließen auch die Stärken und Schwächen des Unternehmens in Bezug auf die Logistik und das SCM in die Supply Chain-Strategie ein, damit diese auf die spezifische Unternehmenssituation zugeschnitten ist. Die Abb. 109 gibt einen Überblick über die Eingangsgrößen.

Abb. 109 Eingangsgrössen der Supply Chain-Strategie

Das Zusammenspiel der drei Ebenen des integrierten SCM-Modells im Hinblick auf die Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien wird weiter unten in diesem Kapitel detaillierter erläutert (vgl. Abs. 5.3.1).

5.1.6

Strategien entwickeln

Die Formulierung bzw. Entwicklung einer Strategie wird von der Implementierung unterschieden. Strategieformulierung und -implementierung werden oft auch als strategische Planung zusammengefasst. Die Strategieformulierung wird auch oft als Strategieentwicklung bezeichnet und

5.1 Supply Chain-Strategien und logistische Erfolgspotenziale

299

ist der Strategieentwicklungsprozess, in dessen Verlauf Chancen und Gefahren im Unternehmensumfeld identifiziert und die eigenen Stärken und Schwächen sowie Ressourcen und Fähigkeiten analysiert werden. Zentrales Element ist es, den Kunden und seine Bedürfnisse zu verstehen. Die Strategieimplementierung ist die Umsetzung der Strategie durch eine Serie von Maßnahmen in Bezug auf Organisationsstrukturen und -beziehungen sowie Prozesse und Aktivitäten. Die Abb. 110 gibt einen Überblick über den Prozess der Formulierung und Implementierung von Unternehmens- bzw. Geschäftsstrategien, der aus verschiedenen Konzepten verallgemeinert ist. In der Praxis läuft dieser oft nicht streng linear ab, sondern iterativ und mit Feedbackschlaufen und weist je nach Strategie die entwickelt werden soll, unterschiedliche Schwerpunkte auf. Dieser verallgemeinerte Prozess der Strategieformulierung und -implementierung kann auch als Entscheidungsprozess verstanden werden: Als Entscheidung über die Strategie und deren Implementierung. Er wird weiter unten in diesem Abschnitt aufgegriffen und für die Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien konkretisiert.

Abb. 110 Strategieformulierung und -implementierung als Prozess

300

5.2

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung von Supply Chain-Strategien

Thema dieses Abschnitts ist die Frage, wie die SCVD zur Entwicklung und Operationalisierung von Supply Chain-Strategien genutzt werden kann. Im Vordergrund stehen deshalb Prinzipien, die in Abs. 5.3 in ein Vorgehensmodell eingebettet werden, welches die Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien schrittweise leitet. In der Literatur sind ein paar Anwendungen von AD für die Entwicklung von Strategien bekannt, jedoch keine, die speziell für SCM bzw. Supply Chain-Strategien konzipiert ist. Eine der Grundideen der Anwendung von AD zur Entwicklung von Strategien ist, die funktionalen Anforderungen (FRs) als strategische Zielsetzungen zu interpretieren. Eine weitere Idee ist, den FRs Kennzahlen zuzuordnen, welche die Zielerreichung messen. Im Folgenden werden diese Ideen aufgegriffen: Erstens werden die FRs als Ziele und DPs als Mittel interpretiert (vgl. Abb. 111); zweitens sollen die Ebenen der SCVD in Beziehung zu den Managementebenen des integrierten SCM-Modells gesetzt werden; drittens soll die Anknüpfung von Performance Management über die Kennzahlen gewährleistet sein. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts wird zuerst erklärt, wie die SCVD zur Operationalisierung von Zielen und Mitteln genutzt werden kann. Dann wird darauf eingegangen, wie die gegenseitige Beeinflussung von Zielen und Mitteln anhand der SCVD analysiert werden kann. Anschließend werden ein paar Gedanken zur Implementierung gemacht. An einem illustrativen Beispiel wird erläutert, wie die Überlegungen angewendet werden können.

Abb. 111 AD-„domains“ für die Strategieentwicklung

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

5.2.1

301

Strategieentwicklung als Operationalisierung von Zielen und Mitteln

Die SCVD kann zur Entwicklung von Supply Chain-Strategien genutzt werden, da sie systematisch Ziele (FRs) und Mittel (DPs) verknüpft. Wie weiter oben dargelegt, kann eine Supply Chain-Strategie als Maßnahmenbündel, um Ziele des unternehmensübergreifenden Logistikmanagements bzw. SCM zu erreichen, verstanden werden. Die SCVD erlaubt die systematische Ableitung von Mitteln bzw. Maßnahmen (DPs) zur Erreichung von Zielen (FRs): Wird die SCVD von oben nach unten passiert, so werden die Ziele und Mittel schrittweise über die verschiedenen Ebenen der SCVD operationalisiert, d. h. im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit konkretisiert. Diese Operationalisierung ist essenziell, denn die obersten Ziele der SCVD, die strategischen Prioritäten, sind abstrakter Natur und somit ohne direkten Bezug zu umsetzbaren, konkreten Maßnahmen und müssen konkretisiert werden. Auf diese Weise ist in der SCVD zu jedem Ziel ein geeignetes Mittel identifiziert, welches den logistischen Werttreiber für das Ziel darstellt: „Wie kann das Ziel durch SCM erreicht werden?“. Beispiel: Um einen hohen Umsatz zu erzielen, muss eine hohe Kundenzufriedenheit erzeugt werden. Auf der nächst tieferen Stufe in der SCVD sind die Unterziele identifiziert, welche dem übergeordneten Mittel zugeordnet werden können (in der SCVD eine Verzweigung). Sie beschreiben zum einen, welche Unterziele realisiert werden müssen, um das übergeordnete Mittel umzusetzen. Zum anderen legen sie fest, wie der Erfolg dieses übergeordnete Mittel gemessen werden kann. Um beispielsweise eine hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen, müssen Unterziele in Bezug auf die Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität erfüllt werden. Diese Unterziele können als Treiber für eine hohe Kundenzufriedenheit betrachtet und mit geeigneten Kennzahlen gemessen werden. Die einem Mittel zugeordneten Unterziele können unterschiedlich gewichtet bzw. priorisiert werden, wobei hier die in Abs. 5.1.5 erläuterten Eingangsgrößen der Supply Chain-Strategie in die Priorisierung einfließen (wie dies geschehen soll, wird weiter unten genauer betrachtet). Je nachdem könnten beim Beispiel Kundenzufriedenheit die Unterziele folgendermaßen priorisiert werden: In erster Linie soll die Kundenzufriedenheit dank hoher Liefertreue (Lieferzuverlässigkeit) erreicht werden, zweite Priorität sind kurze Lieferfristen (kurze Lieferdurchlaufzeit). Diese Prioritäten hängen von der Unternehmens- bzw. Wettbewerbsstrategie sowie von den Stärken und Schwächen des Unternehmens und den Umfeldbedingungen ab. Anschließend werden diese priorisierten Unterziele weiter auf die gleiche Weise operationalisiert. Je

302

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

nach Anzahl der Prioritäten werden also verschiedene Äste der SCVD parallel verfolgt. Dieses Vorgehen wird solange wiederholt, bis ein angemessener Grad an Konkretisierung und Operationalisierung erreicht ist, so dass die Mittel durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden können. Die Abb. 112 stellt das Grundprinzip der Operationalisierung von Zielen und Mitteln dar.

Abb. 112 Strategie als Operationalisierung von Zielen und Mitteln

In einer Analyse des Unternehmens und seines Umfelds sowie anhand der Unternehmens- bzw. Wettbewerbsstrategie werden die strategischen Prioritäten der Supply Chain-Strategie definiert (vgl. Abs.5.3). Diese bilden den Ausgangspunkt für die Operationalisierung. Die Operationalisierung der strategischen Prioritäten der Supply Chain-Strategie stellt einen Pfad (Pfad der Operationalisierung) bzw. mehrere priorisierte Pfade in der SCVD dar, die aus stufenweise operationalisierten Zielen und Mitteln bestehen, womit sich ein abgestimmtes Maßnahmenbündel ergibt. In der Abb. 112 ist dies durch die dicken Verbindungslinien visualisiert. Eine in der beschriebenen Weise entwickelte Supply Chain-Strategie weist Kohärenz (inneren Zusammenhang) auf: • Da Ziele und Mittel systematisch über die verschiedenen Ebenen der SCVD abgeleitet und operationalisiert sind, sind sie miteinander in einer vertikalen Kohärenz. Es besteht ein „alignment“ über alle Ebenen.

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

303

• Wenn die Ziele an Verzweigungen in der SCVD anhand der Eingangsgrößen für die Supply Chain-Strategie priorisiert werden, stehen sie mit der Unternehmens- bzw. Wettbewerbsstrategie sowie mit dem Unternehmenskontext und -umfeld in Einklang (horizontale Kohärenz): Es besteht „strategic fit“. Die Pfade der operationalisierten Supply Chain-Strategie in der SCVD, von oben nach unten betrachtet („top-down“), zeigen die Operationalisierung im Sinne der Wertorientierung, da alle Ziele und Mittel auf das höchste Ziel ausgerichtet sind. Von unten nach oben betrachtet zeigen sie auf, auf welche Art und Weise ein Mittel bzw. eine Maßnahmen wirkt und wie sie zur Erreichung des obersten Zieles beiträgt. Die in diesem Abschnitt skizzierte Grundidee wird in Abs. 5.3 in eine Methodik umgesetzt, in welcher die einzelnen Schritte der Strategieentwicklung und -implementierung strukturiert sind und konzeptionell unterstützt werden.

5.2.2

Beeinflussungen: potenzielle Zielkonflikte und Synergieeffekte

Oft hat ein Mittel für die Erreichung eines Zieles positive oder negative Auswirkung auf das Erreichen anderer Ziele, was in der SCVD durch gestrichelte Pfeile visualisiert ist. So haben viele Maßnahmen Konsequenzen auf die Kosten, sei es, dass Kosten für die Umsetzung und den Betrieb der Maßnahme resultieren oder dass Kosten eingespart werden können. Durch solche (Quer-) Beeinflussungen können potenzielle Zielkonflikte entstehen, wenn die Erreichung eines Zieles die Erreichung eines anderen Ziels beeinträchtigt. Deshalb müssen solche Beeinflussungen bei der Strategieentwicklung berücksichtigt werden, indem man sich folgende Fragen stellt: 1. Beeinflusst ein gewähltes Mittel ein anderes mögliches Ziel positiv oder negativ? 2. Ist dieses beeinflusste Ziel Gegenstand der Supply Chain-Strategie und ihrer Operationalisierung, d. h. liegt es auf einem der Pfade in der SCVD, welcher die operationalisierte Supply Chain-Strategie repräsentiert?

304

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Abb. 113 Beeinflussungen (potenzielle Zielkonflikte und Synergieeffekte)

Folgenden Fällen ist Beachtung zu schenken (vgl. Abb. 113): • Ein vitaler Zielkonflikt besteht, falls die erste Frage ergibt, dass negative Beeinflussungen bestehen und die zweite Frage, dass diese negativen Beeinflussungen ein Ziel im Rahmen der Supply Chain-Strategie betreffen (sie treffen auf einen Pfad der Operationalisierung). In diesem Fall ist die Strategie problematisch bzw. in sich potenziell widersprüchlich. (In der Abbildung (a) mit negativer Beeinflussung.) In der Praxis entstehen potenzielle Zielkonflikte primär durch Kosten. Beispiel: Ein Unternehmen, das eine hohe Qualität und gleichzeitig tiefe operationelle Kosten als strategische Prioritäten anstrebt, muss näher analysieren, wie sich beispielsweise Maßnahmen zur Erhöhung der Datenqualität auf die Kosten auswirken. Es könnte ein Zielkonflikt vorliegen, denn die Umsetzung und der Betrieb der Maßnahme, z. B. einer Software zur Sicherstellung der Datenqualität, kosten. Andererseits können gerade dadurch Kosten, die Folgen fehlerhafter Informationen sind, eingespart werden. Generell haben alle Maßnahmen Kostenfolgen, die analysiert werden müssen. • Potentielle Synergieeffekte bestehen, falls positive Beeinflussungen zwischen Zielen der Supply Chain-Strategien bestehen. (In der Abbildung (a) mit positiver Beeinflussung.) Beispielsweise haben kurze Durchlaufzeiten positive Auswirkungen auf die Flexibilität und Bestände. Damit kann ein Unternehmen, das kurze Lieferfristen und tiefe Bestände als strategische Prioritäten verfolgt, Synergieeffekte von Maßahmen im Bereich Lieferdurchlaufzeiten nutzen. Gemäß dem

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

305

„Sand Cone Model“ ist die SCVD so gegliedert, dass sich generell potenzielle positive Effekte von links nach rechts ergeben: Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen sowie operationelle Kosten. • Vorsicht ist geboten, falls die erste Frage negative Beeinflussungen ergibt, diese jedoch Ziele betreffen, die nicht Gegenstand der Supply Chain-Strategie sind (zweite Frage). In diesem Fall besteht ein potenzieller Zielkonflikt: Nicht die Ziele der operationalisierten Supply Chain-Strategie stehen mit in einem Konflikt, sondern die Supply Chain-Strategie kann sich möglicherweise auf andere, nicht im Fokus stehende Ziele, negativ auswirken. (In der Abbildung (b) mit negativer Beeinflussung.) Dies ist typischerweise wiederum bei den Kosten der Fall: Selbst wenn operationelle Kosten keine strategische Priorität darstellen, müssen Kostenfolgen von Maßnahmen näher analysiert werden. Wichtig ist zu bedenken, dass Beeinflussungen immer im konkreten Unternehmenskontext analysiert und interpretiert werden: Bei einem Unternehmen kann eine Beeinflussung stark sein, in einem anderen Unternehmen tritt sie überhaupt nicht zutage, je nach Unternehmenssituation, weil beispielsweise Prozesse, Stärken und Schwächen sowie die Produktionsfaktoren unterschiedlich sind. Zudem ist zu beachten, dass die in der SCVD dargestellten Beeinflussungen allgemeiner Natur sind und zeitlich verzögert auftreten können. So können beispielsweise Maßnahmen zur Verbesserung der Informationsqualität verzögert zu einer besseren Lieferzuverlässigkeit dank zuverlässigerer Planung führen. Oder kürzere Durchlaufzeiten machen tiefere Bestände erst möglich, doch bis die Bestände durch die Nachfrage abgebaut sind, dauert es eine Weile. Wie sind diese Beeinflussungen in der SCVD dargestellt? Generell zeigen gestrichelte Pfeile in der SCVD auf, welches Mittel (DP) welche Ziele (FRs) beeinflusst, mit Ausnahme des direkt zugeordneten Ziels. Beispielsweise deutet der Pfeil von DP-Q auf FR-R an, dass sich Maßnahmen zur Reduzierung von Abweichungen von den Qualitätsanforderungen (DP-Q) sich positiv auf die Lieferzuverlässigkeit (FR-R) auswirken. DP-Q ist direkt dem Ziel FR-Q zugeordnet, so dass dies nicht durch einen gestrichelten Pfeil dargestellt wird (sondern durch eine Verbindungslinie). Die Beeinflussungen sind jedoch generell so vielfältig, dass sie aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle in der SCVD dargestellt werden können. So sind die Beeinflussungen von Mitteln auf Ziele immer auf der höchsten Ebene der SCVD abgebildet, wo sie allgemeine Gültigkeit haben. Beispielsweise wird der positive Einfluss von Maßnahmen zur Reduzierung von Abweichungen von den Qualitätsanforderungen (DP-Q) auf die

306

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Zielbereiche Lieferzuverlässigkeit (FR-R), Lieferdurchlaufzeit (FR-L) und Flexibilität (FR-F) durch gestrichelte Pfeile dargestellt. Die Einflüsse einzelner spezifischer Mittel, die unterhalb von DP-Q liegen, sind in der Regel nicht gesondert dargestellt, beispielsweise von DP-QS (Reduzierung der Abweichungen von den Qualitätsanforderungen im „Source“) auf FR-RS (Reduzierungen der Zeitschwankungen im „Source“). In ein paar Ausnahmen sind Einflüsse über die Zielbereiche hinaus jedoch abgebildet, z. B. FR-RS212 (zuverlässige Beschaffungsplanung) durch DP-QS2 (Informationsmanagement im „Source“) oder von DP-RS21 (Harmonisierung) auf DP-LS1 (kurze Wartezeiten im „Source“), wenn diese erstens spezifischer Natur und zweitens sehr essenziell sind. Die Beeinflussung von Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) sowie von operationellen Kosten (FR-C) durch Mittel der Zielbereiche Lieferzuverlässigkeit (FR-R), Lieferdurchlaufzeit (FR-L) und Flexibilität (FR-F) ist ebenfalls in der SCVD zu besseren Übersicht vereinfacht dargestellt, und zwar nicht von der Ebene DP-Q etc., sondern generell auf der Ebene DP-11 (Erhöhen der Kundenzufriedenheit) durch jeweils einen gestrichelten Pfeil von DP-11 auf FR-A und FR-C, weil die Einflüsse der Zielbereiche FR-Q, FR-R, FR-L und FR-F auf FR-A und FR-C nicht isoliert, sondern im Verbund betrachtet werden müssen. Beispielsweise ermöglicht eine hohe Qualität nicht alleine tiefe Bestände, sondern zusammen mit Lieferzuverlässigkeit und kurzen Lieferdurchlaufzeiten. Die Beeinflussungen sind also vielschichtig und komplex. Deshalb kann die SCVD hinsichtlich der Beeinflussungen nicht vollständig sein. Sie liefert jedoch einen Rahmen und Anhaltspunkte für eine systematische Betrachtung. Daher müssen die beiden erläuterten Fragen nach den Beeinflussungen während der Entwicklung und Operationalisierung der Strategie permanent gestellt und, da potenzielle Zielkonflikte primär Kostenfolgen von Maßnahmen betreffen, eine Kosten-Nutzen-Analyse der Maßnahmen durchgeführt werden. In der Methodik werden diese Punkte wieder aufgegriffen. 5.2.3

Implementierung

Die eigentliche Implementierung der Supply Chain-Strategie und der identifizierten Ziele und Mittel erfolgt durch die Initiierung spezifischer Projekte, welche die festgelegten Maßnahmen operationell umsetzen. Die Implementierung ist somit im Unternehmenskontext zu betrachten und geht in das Projektmanagement über. Deshalb werden im weiteren Verlauf nur generelle Aspekte der Implementierung im Zentrum stehen, insbesondere die Initiierung und die Überwachung.

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

307

Abb. 114 Implementierungsreihenfolge und Prioritäten (Beispiel)

Die Implementierungsreihenfolge der Supply Chain-Strategie im Sinne der zeitlich-logischen Priorität ist in der SCVD prinzipiell von links nach rechts, d. h. zuerst muss ein gewisses Maß an Qualität und dann an Lieferzuverlässigkeit sichergestellt sein, bevor die Lieferdurchlaufzeit optimiert werden kann. Sodann kann die Flexibilität verbessert werden und erst dann die Investitionen und zuletzt die Kosten. Dieser Sachverhalt wurde in Abs. 3.1.2 anhand des „Sand Cone Model“ diskutiert. Die in der Strategie definierten strategischen Prioritäten legen hingegen fest, wie viel Gewicht in Bezug auf Anstrengungen und Ressourcen gelegt wird, woraus sich wiederum eine Reihenfolge ergibt. Diese Reihenfolge, die sich aus den strategischen Prioritäten der Supply Chain-Strategie ergibt und die in der SCVD definierte Implementierungsreihenfolge interferieren; vgl. Abb. 114. Die Implementierungsreihenfolge gibt die zeitlich-logische Abfolge der Maßnahmen vor, während die strategischen Prioritäten der Supply Chain-Strategie vorgeben, welchen Ressourcenaufwand dafür jeweils getätigt wird und wo Wettbewerbsvorteile angestrebt werden. Mit der Implementierungsreihenfolge wird sichergestellt, dass Grundanforderungen, d. h. insbesondere die Order Qualifiers der Zielbereiche erfüllt werden. Bei den strategischen Prioritäten werden Ressourcen wettbewerbswirksam eingesetzt. Deshalb muss in einer Evaluationsphase vor der eigentlichen Implementierung geklärt werden, ob die Voraussetzungen für eine bestimmte Supply Chain-Strategie in Bezug auf die in der SCVD definierten Implementierungsreihenfolge gegeben sind. Gegebenfalls müssten zuerst entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden oder allenfalls die Supply Chain-Strategie überdacht werden.

308

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das kurze Lieferfristen als strategische Priorität verfolgt, muss im Sinne der Implementierungsreihenfolge zuerst sicherstellen, dass sowohl die Qualität als auch die Lieferzuverlässigkeit gewährleistet sind. Dies kann beispielsweise mit Hilfe von Analysen und Kennzahlen, welche die Leistung in diesen Zielbereichen messen, festgestellt werden. Zeigen diese beispielsweise, dass der Order Qualifier Lieferzuverlässigkeit suboptimal oder nicht erfüllt ist, müssen zuerst Verbesserungsmaßnahmen für die Lieferzuverlässigkeit eingeleitet und umgesetzt werden, bevor die Lieferdurchlaufzeit optimiert und damit die strategische Priorität umgesetzt werden kann.

5.2.4

Fallbeispiel Dell

In diesem Abschnitt sollen die Entwicklung und Operationalisierung einer Supply Chain-Strategie am Beispiel des Computerherstellers Dell Inc. illustriert werden: Operationalisierung von Zielen und Mitteln des SCM für die Erreichung strategischer Unternehmensziele, Berücksichtigung von Beeinflussungen und Zielkonflikten und Überlegungen zur Implementierungsreihenfolge sowie zum Aufbau logistischer Erfolgspotenziale. (Es handelt sich hier um eine Ex-post-Betrachtung, die zeigen soll, dass die Supply Chain-Strategie von Dell anhand der SCVD und der Prinzipien zur Strategieentwicklung, basierend auf Axiomatic Design nachvollzogen werden kann.) Michael Dell gründete 1984 das Unternehmen Dell (www.dell.com), das erfolgreich auf den Direktvertreib von Computern und Computerzubehör via Telefon, Fax und Internet sowie die Erfüllung individueller Kundenwünsche (der Kunde kann seinen Computer konfigurieren) setzt; Dell ist auch einer der Pioniere des Verkaufs übers Internet. Inzwischen ist Dell weltweit führender Computerhersteller: Im Geschäftsjahr 2006 wurde ein Umsatz von rund 56 Mia. USD erzielt, fast 14% mehr als in der Vorperiode. Hinter dem Erfolg steht auch ein sehr effektives und effizientes SCM. In dieser Hinsicht sind insbesondere ein extrem tiefer Lagerbestand und kurze Durchlaufzeiten zu erwähnen: Der Lagervorrat insgesamt beträgt ungefähr vier Tage, je nach Standort. Dell fertigt auf Kundenauftrag und die Lieferanten stellen die Systemkomponenten (Prozessoren, Speicherbausteine, Festplatten etc.) erst dann bereit, wenn diese benötigt werden. Dies ist realisiert durch sog. Konsignationslager, die bei Dell vor Ort liegen, aber dem Lieferanten gehören. Dank der hohen Effizienz und den kurzen Durchlaufzeiten erhält Dell die Zahlungen der Kunden, bevor die Lieferanten bezahlt werden müssen: Die Cash-to-

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

309

Cash Cycle Time ist negativ und beträgt −44 Tage, d. h., dass Dell die Lieferanten erst nach über einem Montag nach Eingang der Zahlung von den Kunden bezahlt. Die 1980er Jahre waren geprägt von einer Wachstumsstrategie, die durch eine aggressive Preisstrategie unterstützt wurde. In die SCVD übertragen, war FR-11 „High Sales Revenue“ absolut prioritär. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurden die strategischen Prioritäten geändert: Liquidität, Rentabilität und erst an dritter Stelle Wachstum. Diese lassen sich folgendermaßen in die SCVD übersetzen: FR-A „Low Assets“, FR-C „Low Operational Costs“ und FR-11 „High Sales Revenue“, denn hohe Liquidität wird durch tiefe Bestände (FR-A) erreicht, eine hohe Rentabilität bedeutet einerseits möglichst tiefe operationelle Kosten (FR-C) und Kapitalkosten, die aus einem tiefen Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) resultieren, und andererseits möglichst hoher Umsatz (FR-11). Betrachten wir nun gemäß der Implementierungsreihenfolge zuerst, wie Dell die strategische Priorität FR-11 durch SCM unterstützt hat; vgl. Abb. 115: • Wachstum als strategische Priorität (FR-11) wird durch eine hohe Kundenzufriedenheit (DP-11) ermöglicht. Daraus sind die Prioritäten kurze Lieferdurchlaufzeiten (FR-L) sowie hohe Flexibilität (FR-F) abgeleitet. • Kurze Lieferdurchlaufzeiten (FR-L) werden dadurch erreicht, dass die Durchlaufzeiten für die Erfüllung von Beschaffungs-, Produktionsund Vertriebsaufträgen im Vergleich zur herkömmlichen Praxis drastisch verkürzt werden (DP-L). Deshalb werden insbesondere in der Beschaffung („Source“) und im Vertrieb („Deliver“) kurze Durchlaufzeiten angestrebt (FR-LS bzw. FR-LD). • Die Operationalisierung von FR-LS und FR-LD kann fortgeführt werden (nicht dargestellt in Abb. 115). Bei Dell stehen hier jeweils Ansätze zur standardisierten und automatisierten Auftragsabwicklung, die durch Informationstechnologie (IT) unterstützt wird sowie die Optimierung des Materialflusses im Vordergrund, um Wartezeiten jeglicher Art minimal zu halten. • So können jeweils entsprechende Best Practices zugeordnet werden: mit e-Procurement die IT-gestützte automatische Abwicklung der Beschaffung durch Anbindung der Lieferanten. Auf Kundenseite stellt e-Fulfillment die IT-gestützte Abwicklung der Vertriebs- bzw. in diesem Fall Kundenaufträge dar. Hier ist insbesondere Computerkonfigurator auf dem Internet zu erwähnen. Die Materialflüsse werden durch Konsignationslager (Lager, das sich physisch beim Abnehmer befin det, jedoch noch dem Lieferanten gehört) und das „Direktmodell“

310

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

(Direktvertrieb ohne Zwischenhändler) optimiert. Weiter spielen das Lieferantenmanagement sowie die geografische Nähe der Lieferanten eine wichtige Rolle. • Eine hohe Flexibilität (FR-F), zweite Priorität nach kurzen Durchlaufzeiten, unterstützt die Wachstumsstrategie, indem skalierbare und anpassbare Ressourcen und Prozesse geschaffen werden (DP-F). Hier sind insbesondere halbtägliche Telefonkonferenzen der SCM-Verantwortlichen zur Steuerung der Flexibilität und der Einbezug von Logistikdienstleistern zur Abwicklung des Vertriebs zu erwähnen.

Abb. 115 Fallbeispiel Dell: strategisches Unternehmensziel Wachstum (FR-11)

5.2 Grundsätzliches zur Entwicklung und Operationalisierung

311

Der in Abb. 115 durch dicke Verbindungslinien gezeigte Pfad stellt den Teil der operationalisierten Supply Chain-Strategie dar, welcher das Wachstumsziel (FR-11) unterstützt. Die Operationalisierung der strategischen Prioritäten tiefer Investitionen (FR-A) und tiefer operationellen Kosten (FR-C) erfolgt im Prinzip analog und ergibt zwei weitere Pfade (nicht dargestellt in der Abbildung). Die Schwerpunkte liegen auf tiefen Lagerbeständen bzw. tiefen Kosten im Zusammenhang mit dem Materialfluss und der Lagerhaltung. Angesichts des raschen technologischen Fortschritts und des stetigen Preiszerfalls (vier bis fünf Prozent pro Monat) wird hier der Reduzierung der Obsoleszenzkosten große Bedeutung zugemessen. Zudem spart Dell durch das Direktmodell Distributionskosten. Beispielsweise hat die Kundenzufriedenheit (DP-11) großen Einfluss auf die Kosten (FR-C), was in Abb. 115 durch die gestrichelten Pfeile angedeutet ist. Dies bedeutet, dass eine Unter- wie auch eine Überfüllung der Kundenbedürfnisse Konsequenzen auf die Kosten haben, beispielsweise durch obsolete Lagerbestände. Deshalb ist es ein zentrales Anliegen von Dell, die Kundenbedürfnisse genau zu identifizieren, zu analysieren und umzusetzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kundennähe dank des Modells des Direktvertriebs, so dass Dell direkten Zugang zum Bestellverhalten der Kunden hat, ohne Verfälschungen durch Prognosen, Lagerhaltung und Bestellpolitik des Zwischenhandels. Dadurch wird der sog. Bullwhip-Effekt weitgehend verhindert. Kurze Durchlaufzeiten (DP-L) weisen einen positiven Einfluss auf tiefe Investitionen (FR-A) auf, was in Abb. 115 nicht direkt dargestellt ist, sondern indirekt über DP-11. Dies rührt daher, dass mit dem schnellen Umschlag das Kapital jeweils nur für kurze Zeit gebunden ist. Kurze Lieferdurchlaufzeiten (FR-L) und eine hohe Flexibilität (FR-F) schaffen optimale Voraussetzungen für Dell für die erste strategische Priorität, das Wachstumsziel. Im Sinne der Implementierungsreihenfolge muss Dell zuerst die Kundenbedürfnisse hinsichtlich der Qualität, Pünktlichkeit (Lieferzuverlässigkeit) und Lieferzeiten (Lieferdurchlaufzeiten) sowie Flexibilität befriedigen, bevor das Umlauf- und Anlagevermögens verbessert und die Kosten reduziert werden. Dell hat gelernt, wie die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können. In der ersten Phase der Unternehmensgeschichte stand Wachstum an erster Stelle, Umlaufvermögen und Kosten standen vergleichsweise im Hintergrund. Die Implementierungsreihenfolge blieb, die strategischen Prioritäten haben sich entsprechend geändert. So werden Qualität etc. nicht vernachlässigt, die Optimierung und damit die Prioritäten der Supply Chain-Strategie zur Ausschöpfung von Verbesserungspotenzialen liegen jedoch heute, wie oben dargestellt, bei den Investitionen (Reduzierung des Umlauf- und Anlagevermögens) und den Kosten und erst dann beim Wachstum. Entsprechend werden Prioritäten gesetzt und Best Practices wettbewerbswirksam eingesetzt.

312

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Entsprechend liegen die logistischen Erfolgspotenziale beim „Direktmodell“, effizienten Abwicklungsprozessen dank IT-Stützung und dem Internet sowie im rigorosen Lagermanagement. Diese Erfolgspotenziale nutzt Dell konsequent wettbewerbswirksam und kann neue Produkte (im Jahr 1996 Server, 2003 Drucker) ins Sortiment aufnehmen und auf die gleiche effiziente Weise verkaufen.

5.3

Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien

5.3.1

Bausteine der Methodik

Im Folgenden wird eine Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien ausgearbeitet, in der die oben erläuterten Bausteine in den Prozess der Strategieentwicklung und -implementierung eingebettet sind. Dadurch ergibt sich eine klar strukturierte Vorgehensweise. Die Abb. 116 gibt einen Überblick über die Bausteine der Methodik. Die Bausteine der Methodik sind im Einzelnen: 1. Input: Eingangsgrößen für die Supply Chain-Strategie, die beschreiben, welche Informationen für die Entwicklung der Strategie benötigt werden, vgl. Abs. 5.1.5. Diese Angaben werden aus der Unternehmensund Wettbewerbsstrategie abgeleitet und durch Angaben zur Unternehmenssituation und zum Wertschöpfungsnetzwerk sowie Vorgaben aus dem normativen SCM ergänzt. 2. Inhalt: Die SCVD bildet die inhaltliche Grundlage, vgl. Abs. 3.2; d. h. die Ziele und Mittel der Supply Chain-Strategie werden anhand der SCVD hergeleitet. 3. Prinzipien: Die Prinzipien der Strategieentwicklung leiten die Operationalisierung von Zielen und Mitteln, vgl. Abs. 5.2.1. Sie basieren auf Axiomatic Design und nutzen die SCVD. Dabei können Beeinflussungen und Zielkonflikte analysiert und die Implementierungsreihenfolge festgelegt werden. 4. Vorgehensmodell: Das Vorgehensmodell führt die zielgerichtete Anwendung der genannten Bausteine der Methodik und bildet somit den Oberbau. Es basiert auf dem Prozess zur Strategieentwicklung und -implementierung aus Abs. 5.1.6. Im Folgenden wird das Vorgehensmodell detailliert erläutert und es wird aufgezeigt, wie die Bausteine der Methodik miteinander verknüpft und angewandt werden können.

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

313

Abb. 116 Bausteine der Methodik

Vorweg ein paar Anmerkungen zur Anwendung der Methodik: Die Entwicklung der Supply Chain-Strategie sollte in einem Team im Rahmen mehrerer Workshops erfolgen, so dass verschiedene Aspekte beleuchtet

314

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

werden können und alle im Unternehmen betroffenen Funktionen und Stellen beteiligt sind. Dies sind insbesondere die Geschäftsleitung (für die Unternehmens- bzw. Geschäftsstrategie), das SCM (Beschaffung, Produktion, Vertrieb) und das Marketing. In der Praxis wurden mit solchen „interdisziplinären“ Workshops gute Erfahrungen gemacht, da der Prozess der Strategieentwicklung und die SCVD auch das gegenseitige Verständnis fördert und so eine gute Grundlage für Verbesserungen schafft. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, worauf sich eine Supply ChainStrategie beziehen soll (Betrachtungsgegenstand): auf das ganze Unternehmen, einen Geschäftsbereich, eine Produktgruppe oder ein einzelnes Produkt? Diese Abgrenzungsfrage kann in der Regel nicht einfach von vornherein geklärt werden, denn eine Supply Chain-Strategie muss auf bestimmte Herausforderungen zugeschnitten sein, die für das ganze Unternehmen die gleichen oder im Extremfall für jedes Produkt unterschiedlich sein können. Solche Unterschiede, welche für eine Differenzierung zwischen verschiedenen Supply Chain-Strategien sprechen, zeigen sich in der „Intelligence“-Phase, beispielsweise als unterschiedliche Order Qualifiers und Order Winners für verschiedene Produktgruppen oder anders geartete Versorgungs- und Absatzrisiken. Oder es können grundsätzlich verschiedene Wertschöpfungsnetzwerke unterschieden werden. Damit ergibt sich in der „Intelligence“-Phase die Antwort, auf was sich die Supply Chain-Strategie bezieht, und zugleich die Konsequenz, die in diesem Abschnitt beschriebene Methodik entsprechend oft durchzuführen. Dies ist zugleich eine sehr wertvolle Erkenntnis für die Ausgestaltung der Segmentierung der Wertschöpfungskette. Auf dieses Thema wird später in Abs. 5.4.4 eingegangen. In der Praxis erwies es sich deshalb als sinnvoll, zuerst die Methodik auf Produktgruppen bzw. Geschäftsbereiche (mit unterschiedlichen Geschäfts- bzw. Wettbewerbsstrategien) als Betrachtungsgegenstand zu beziehen und ggf. zu differenzieren oder zu verallgemeinern. Die einzelnen Phasen des Vorgehensmodells sind jeweils in durchnummerierte Schritte unterteilt. Die Abb. 117 gibt einen Überblick. Prinzipiell ist es nach jedem Schritt und jeder Phase möglich, den vorherigen Schritt zu wiederholen, wenn dies notwendig bzw. sinnvoll ist. Je nachdem muss ein vorheriger Schritt wiederholt werden: In der „Design“-Phase kann sich erweisen, dass Informationen fehlen oder ungenau sind und deshalb Teile der „Intelligence“-Phase wiederholt werden müssen. Nach der Evaluation der operationalisierten Supply ChainStrategie in der „Choice“-Phase muss die Supply Chain-Strategie gegebenenfalls überarbeitet werden, wenn sich beispielsweise erweist, dass sie nicht machbar ist oder wenn potenzielle Zielkonflikte bestehen.

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

315

Abb. 117 Übersicht über das Vorgehensmodell (Phasen und Schritte)

In der „Implementation/Review“-Phase werden unter anderem die Supply Chain-Strategie regelmäßig hinterfragt und Veränderungen der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Gefahren beobachtet. Dies kann dazu führen, dass die Supply Chain-Strategie grundlegend überarbeitet werden muss. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Phasen und Schritte erläutert.

5.3.2

„Intelligence“-Phase

Gegenstand der „Intelligence“-Phase ist die Analyse der Ausgangslage des Unternehmens in vier Schritten. Die Analyse basiert auf den Eingangsgrößen für die Supply Chain-Strategie (vgl. Abs. 5.1.5) und hat zum Ziel, eine Entscheidungsgrundlage für die darauf folgende eigentliche Entwicklung und Operationalisierung der Supply Chain-Strategie in der „Design“-Phase zu schaffen. Für die Evaluation der Stärken und Schwächen sowie Chancen und Gefahren in den folgenden Schritten ist es wie

316

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

eingangs erwähnt entscheidend, Befragungen und Analysen möglichst entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchzuführen, d. h. Lieferanten, Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Kunden sowie Marketing zu involvieren. 5.3.2.1 Schritt 1: Auftrags-Qualifikations- und AuftragsZuschlagskriterien identifizieren Der Ausgangspunkt bildet die Identifizierung der Order Qualifiers und der Order Winners (vgl. Abs. 1.3 und 5.1.5). Während die Order Qualifiers die Marktanforderungen widerspiegeln, die alle Unternehmen erfüllen müssen, um im Markt wettbewerbsfähig zu sein, stellen die Order Winners die spezifischen Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens dar, welche den Ausschlag dazu geben, dass ein Kunde gerade jenes Unternehmen dessen Wettbewerbern vorzieht. Die Kategorien beider Kriterienarten sind in Tabelle 7 aufgeführt und in Beziehung mit den SCMZielbereichen und den entsprechenden FRs der SCVD gesetzt. Zu den aufgeführten Kriterien können noch weitere hinzu kommen wie Dienstleistungen rund ums Produkt oder Image, die hier im Hinblick auf SCM weggelassen sind. Empirische Untersuchungen von Morash untermauern, dass Lieferzuverlässigkeit, Lieferzeit, Flexibilität und Kosten Order Winners darstellen, welche die Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Die Order Qualifiers und Order Winners sollen nun identifiziert und gewichtet werden. Entweder können sie direkt der Unternehmensbzw. Wettbewerbsstrategie entnommen werden. Andernfalls müssen sie erarbeitet werden, wobei es zweckmäßig ist, dies in Workshops mit Teams zu tun, in denen die interne Wertschöpfungskette (Beschaffung, Produktion, Distribution) sowie Marketing und Verkauf vertreten sind und möglichst auch die Kunden- und Lieferantenseite abgedeckt ist. In der Regel fokussieren sich die Order Winners auf einen Zielbereich, selten auf zwei. Die Order Qualifiers für alle Zielbereiche müssen zwar in Tabelle 7 Order Qualifiers und Order Winners Order Qualifiers und Order Winners Kriterium

Zielbereich

FR in der SCVD

Qualität

Qualität

FR-Q

Zuverlässigkeit

Lieferzuverlässigkeit

FR-R

Lieferzeit

Lieferdurchlaufzeit

FR-L

Flexibilität

Flexibilität

FR-F

Preis

Operationelle Kosten

FR-C

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

317

einem bestimmten Bereich liegen, jedoch ist ein Kriterium vorrangig. Zusätzlich soll überlegt werden, ob sich die Order Qualifiers und Order Winners in der Zukunft ändern: Order Qualifiers können zu Order Winners werden, wenn es einem Wettbewerber gelingt, die Marktanforderungen zu erhöhen (beispielsweise durch Erhöhen von Standards). Ein Order Qualifier kann für ein bestimmtes Unternehmen ein Auftrags-Verlustkriterium (Order Loser) sein bzw. werden, wenn das Unternehmen wegen dessen mangelnder Erfüllung Aufträge verliert bzw. in Zukunft aufgrund gestiegener Anforderungen wahrscheinlich an die Konkurrenz verlieren wird. Da die Order Qualifiers und Order Winners Kundenanforderungen darstellen, stellt ihr Bezug zu den FRs der SCVD im Grunde genommen in der Terminologie von Axiomatic Design die Umsetzung der Kundenbedürfnisse (CAs) auf die FRs dar. Wie im einleitenden Abs. 5.3.1 beschrieben, soll dann das weitere Vorgehen gemäß der Methodik differenziert werden (beispielsweise vom Unternehmen zu den Geschäftsbereichen oder von einer Produktgruppe zu den einzelnen Produkten), wenn sich für den Betrachtungsgegenstand (im Beispiel das Unternehmen bzw. die Produktgruppe) Unterschiede bezüglich den Order Qualifiers und Order Winners zeigen. 5.3.2.2 Schritt 2: Stärken-Schwächen-Analyse In einem nächsten Schritt wird die Unternehmenssituation in Bezug auf SCM analysiert, indem Stärken und Schwächen erhoben werden. Die Stärken und Schwächen spiegeln den Ist-Zustand eines Unternehmens in Bezug auf SCM wider und können in den folgenden drei Bereichen analysiert werden: 1. Erfüllung der Order Qualifiers und Order Winners 2. Benchmarking: Logistik-/SCM-Leistung erfassen und bewerten mittels Kennzahlen 3. Ausprägung der SCM-Fähigkeiten Anhand der im vorherigen Schritt identifizierten Order Qualifiers und Order Winners kann festgestellt werden, wie gut die Kunden- bzw. Marktanforderungen erfüllt werden. Benchmarking gibt Anhaltspunkte für die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Konkurrenten oder zu Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen und zeigt Verbesserungspotenziale auf. Das Benchmarking soll sich dabei auf die SCMZielbereiche Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität sowie Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen, z. B. Bestände,

318

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM Tabelle 8 Ergebnisse Stärken-Schwächen-Analyse (Ausschnitt, Beispiel)

Stärken-Schwächen-Analyse Bereich

Kriterium − − −

Order Qualifiers

Preis

Order Winners

Zuverlässigkeit

=

+

+ + Kommentar, Begründung

×

oft zu teure Offerten

… ×

Wettbewerbsvorteil Liefertreue

… BenchmarkingErgebnisse

Qualität

SCMFähigkeiten Zusammenarbeit

Supply Chain Strategic Alignment





×

mittelmäßige Qualität

… ×

gemeinsame Zielausrichtung

Kapitalumschlag) und Kosten (z. B. Herstell-, Logistik-, SCM-Kosten) beziehen. Dadurch können Verbesserungspotenziale erkannt werden. Mithilfe der Analyse der in Abs. 5.1.3 eingeführten SCM-Fähigkeiten können Bereiche identifiziert werden, in denen Fähigkeiten gestärkt werden müssen oder diese vermehrt genutzt werden sollten. Die SCMFähigkeiten wirken mittel- bis langfristig auf Benchmarkingergebnisse und die Erfüllung der Order Qualifiers und Order Winners ein. Die Stärken und Schwächen können qualitativ gewichtet und die Ergebnisse als Stärken-Schwächen-Analyse tabellarisch zusammengefasst werden; siehe ein Beispiel in Tabelle 8. Im Anhang C findet sich eine Vorlage hierzu. Die Stärken-Schwächen-Analyse kann durch weitere Analysen ergänzt werden. Es gibt viele gängige Analysemethoden im SCM, die eingesetzt werden können, beispielsweise eine Analyse der Wertkette oder Referenzmodelle wie das Supply Chain Operations Reference (SCOR)-Modell. 5.3.2.3 Schritt 3: Chancen-Gefahren-Analyse In der Chancen-Gefahren-Analyse werden Entwicklungen im Unternehmensumfeld analysiert, die in Bezug auf SCM für das Unternehmen bzw. die Wertschöpfungskette im Ist-Zustand positive oder negative Auswirkungen haben. Durch die Analyse sollen diese Entwicklungen frühzeitig

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

319

erkannt werden, um sie in der Supply Chain-Strategie zu berücksichtigen. Die Analyse bezieht sich insbesondere auf folgende Bereiche: 1. 2. 3. 4.

Verhandlungsstärke der Lieferanten und Kunden Versorgungs- und Absatzrisiken Entwicklung der Order Qualifiers und Order Winners in der Zukunft Kooperationsbereitschaft von Lieferanten und Kunden

Die Analyse des Wettbewerbsumfeldes ist Gegenstand bei der Erarbeitung einer Wettbewerbsstrategie und deshalb nicht Kernthema im SCM. Nichtsdestoweniger sollen an dieser Stelle im Hinblick auf die Supply Chain-Strategie die Verhandlungsstärke der Lieferanten und Kunden analysiert werden. Aufgrund höherer Transparenz und Ausweitung der Märkte, bedingt durch zunehmenden Wettbewerb, ergeben sich Kosteneinsparpotenziale in der Beschaffung, wodurch die Verhandlungsstärke der Lieferanten tendenziell eher abnimmt. Allerdings können durch Konzentrationsprozesse in Beschaffungsmärkten gegenläufige Tendenzen auftreten. Wenn sich die Situation auf den Beschaffungsmärkten verändert, so kann dies positive wie negative Konsequenzen bedingen: Beispielsweise können durch den Markteintritt neuer Lieferanten die Preise sinken. Oder als Folge von Fusionen, Ausfällen wichtiger Lieferanten oder Lieferengpässen können Angebotsrückgänge und Preissteigerungen auftreten sowie die Liefertreue sinken. Generell befinden sich Lieferanten in einer starken Verhandlungsposition, • wenn auf dem Beschaffungsmarkt ein geringer Wettbewerb oder ein hoher Konzentrationsgrad herrscht, • die Kosten des Abnehmers für einen Lieferantenwechsel hoch sind, • mit Vorwärtsintegration gedroht werden kann, • wenn das betrachtete Unternehmen ein unwichtiger Abnehmer oder stark auf das beschaffte Produkt angewiesen ist. Auf der Abnehmerseite kann ein zunehmend anspruchsvolleres Kundenverhalten beobachtet werden. Die Verhandlungsstärke der Kunden ist generell hoch, • wenn der Absatzmarkt einen hohen Konzentrationsgrad aufweist, • wenn die Kunden große Mengen sowie standardisierte oder undifferenzierte Produkte einkaufen (sie haben geringe Kosten für einen allfälligen Lieferantenwechsel), • wenn die Kunden geringe Gewinne erzielen (sie haben einen starken Anreiz zur Senkung der Beschaffungskosten),

320

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

• wenn die Kunden mit der Rückwärtsintegration drohen können, • wenn die Kunden verhältnismäßig teure Komponenten oder solche mit geringem Einfluss auf die Qualität oder Kosteneinsparungen beim Endprodukt nachfragen. Verschiedene Faktoren führen zu höheren Risiken, insbesondere Globalisierung, Fokussierung und Zentralisierung, Auslagerung und Lieferantenreduktion, so dass sich im SCM Gefahren aus Versorgungs- und Absatzrisiken ergeben können: Versorgungsrisiken betreffen die Unfähigkeit der Lieferanten, die Bedürfnisse des Unternehmens auf der Beschaffungsseite abzudecken, während Absatzrisiken sich in erster Linie auf unvorhergesehene Nachfragen bzw. Nachfrageunsicherheiten beziehen. Versorgungsrisiken sind typischerweise: • Abhängigkeit von einer kleinen Anzahl Lieferanten mit wenigen Alternativen, • schlechte Bonität der Lieferanten, • lange Lieferfristen bzw. Durchlaufzeiten in der Beschaffung, • geringe Liefertreue bzw. Lieferzuverlässigkeit der Lieferanten, • Qualitätsprobleme mit Lieferanten, • Lieferengpässe, • Kapazitätsprobleme. Typische Absatzrisiken sind: • • • • •

Abhängigkeit von einer kleinen Anzahl großer Kunden, hohe oder unvorhersehbare Nachfrageschwankungen, hohe Anforderungen an Lieferfristen und Lieferbereitschaft, schlechte Bonität und tiefe Loyalität von Kunden, häufige Produktneueinführungen.

Versorgungs- und Absatzrisiken können zu Qualitätsproblemen, tiefer Liefertreue und Lieferbereitschaft, schwankenden und langen Durchlaufzeiten und Veränderungen in den Beständen führen sowie Kostenfolgen haben (beispielsweise Konventionalstrafen). Wie oben beim Schritt 1 ausgeführt, können sich die Order Qualifiers und Order Winners mit der Zeit ändern, beispielsweise wenn sich Marktanforderungen, Kundenverhalten oder Wettbewerb (Preissenkungen, Marktwachstum, Kapazitätserhöhungen etc.) ändern, woraus je nach momentaner Erfüllung der Kriterien eine Chance oder eine Gefahr erwachsen kann. Die Kooperationsbereitschaft bestehender oder potenzieller Partner kann anhand der SCM-Fähigkeiten im Bereich Zusammenarbeit („supply chain collaboration excellence“, vgl. Tabelle 6 in Abs. 5.1.3) analysiert werden.

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

321

Tabelle 9 Ergebnisse Chancen-Gefahren-Analyse (Ausschnitt, Beispiel) Chancen-Gefahren-Analyse Bereich

Kriterium

Verhandlungsstärke

Lieferanten Kunden

Risiken

−−



=

+

+ + Kommentar, Begründung

×

Zunahme wegen Konsolidierung

×

Zunahme wegen Einkaufsmacht ×

Versorgung

zuverlässige Schlüssellieferanten

Absatz

×

hohe Nachfrageschwankungen

Order Qualifiers zukünftig

Preis

×

Preis wird noch wichtiger werden

Order Winners zukünftig

Zuverlässigkeit

SCMFähigkeiten Zusammenarbeit Lieferantenseite

Supply Chain Strategic Alignment

SCMFähigkeiten Zusammenarbeit Kundenseite

Supply Chain Strategic Alignment

… ×

Lieferzuverlässigkeit wird entscheidend

… ×

gemeinsame Zielausrichtung mit Schlüssellieferanten

… ×

zur Zeit keine gemeinsame Zielausrichtung mit den Kunden



Die Chancen und Gefahren können qualitativ gewichtet und die Ergebnisse als Chancen-Gefahren-Analyse tabellarisch zusammengefasst werden; siehe ein Beispiel in Tabelle 9. Im Anhang C findet sich eine Vorlage hierzu. 5.3.2.4 Schritt 4: SWOT-Analyse In der SWOT-Analyse (Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats) können einerseits die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst und andererseits die wichtigsten Stärken und Schwächen den wichtigsten Chancen

322

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

und Gefahren gegenübergestellt werden, um Verbesserungspotenziale und Handlungsbedarf abzuleiten und damit eine Stossrichtung für die Supply Chain-Strategie vorzugeben: Welche Stärke bzw. Schwäche passt zu welcher Chance oder Gefahr? Somit werden die Eigenschaften der Supply Chain eines Unternehmens im Kontext von dessen Umfeld betrachtet. Daraus können für jede Konstellation von Stärken bzw. Schwächen und Chancen bzw. Gefahren Strategietypen (vgl. Tabelle 10) für die Stossrichtung der Supply Chain-Strategie identifiziert und im spezifischen Unternehmenskontext konkretisiert werden. Im Anhang C findet sich eine Vorlage hierzu. Das Ergebnis der SWOT-Analyse ist somit die Benennung von Handlungsbedarf bzw. Verbesserungspotenzial und eine strategische Stossrichtung für den Betrachtungsgegenstand (beispielsweise das ganze Unternehmen, ein Geschäftsbereich, eine bestimmte Produktgruppe oder ein Produkt, worauf sich die „Intelligence“-Phase und damit auch später dann die Supply Chain-Strategie bezieht; vgl. Abs. 5.3.1), die festlegt, welche Stärken genutzt bzw. welche Schwächen abgebaut werden sollen, um bestimmte Chancen zu nutzen bzw. Gefahren zu bannen. Tabelle 10 SWOT-Analyse: Strategietypen (in Anlehnung an Lombriser und Abplanalp (2004)) SWOT-Analyse: Strategietypen Chancen

Gefahren

Stärken

Nutzung von Stärken zur Realisierung von Chancen (Idealfall) Beispiel: dank hoher Liefertreue neue Kunden akquirieren, für welche die Lieferzuverlässigkeit entscheidend ist

Nutzung von Stärken, um Gefahren zu umgehen oder zu reduzieren Beispiel: durch gemeinsame Zielausrichtung mit Lieferanten Versorgungsrisiken reduzieren

Schwächen

Abbau von Schwächen oder Aufbau fehlender Stärken, um Chancen wahrzunehmen Beispiel: durch Personalentwicklung Qualität verbessern, um Kunden zu gewinnen

Abbau von Schwächen und gleichzeitig Vermeidung von Gefahren (Defensivstrategien) Beispiel: markante Verbesserung oder allenfalls Ausstieg, wo Preisnachteile bestehen und die Einkaufsmacht der Kunden zunimmt

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

5.3.3

323

„Design“-Phase

In der „Design“-Phase werden basierend auf die vorherigen Analyseschritte der „Intelligence“-Phase mögliche Varianten für Supply ChainStrategien gemäß den weiter oben in Abs. 5.2 dargestellten Prinzipen entwickelt und operationalisiert. Um eine Supply Chain-Strategie zu entwickeln, wird von den Zielen auf der obersten Ebene der SCVD, der Ebene des strategischen SCM, ausgegangen, strategische Prioritäten festgelegt und anschließend die Ziele und Mittel schrittweise operationalisiert. 5.3.3.1 Schritt 5: Strategische Prioritäten setzen Für die Wahl der Ausgangspunkte in der SCVD stellt sich die Frage nach den obersten Zielen der Supply Chain-Strategie, den strategischen Prioritäten. Diese stellen eine Priorisierung von mehreren Zielen bzw. Teilzielen der strategischen Ebene der SCVD dar, d. h. eine Priorisierung der SCM-Zielbereiche Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Umlauf- und Anlagevermögen sowie operationelle Kosten (vgl. Abs. 1.3). Dabei sind vier Überlegungen maßgebend: 1. Die strategischen Prioritäten können der Wettbewerbsstrategie bzw. der Positionierung des Unternehmens direkt entnommen oder daraus abgeleitet werden, indem deren Inhalt in eine Priorisierung der SCMZielbereiche übersetzt wird. Dabei kann auch folgende Überlegung helfen: Oft verfolgen Unternehmen eine Unternehmens-, Geschäftsbzw. Wettbewerbsstrategie, die mit einer generischen Strategie, welche als oberstes Ziel beispielsweise eine hohe Produktivität oder tiefe Bestände verfolgt, in Verbindung gebracht wird. Solche generischen Strategien lassen sich auf die auf die entsprechenden Ziele bzw. Teilziele (FRs) der strategischen Ebene der SCVD abbilden; vgl. Tabelle 11, in welcher typische Beispiele aufgezeigt sind. Ist der Fokus beispielsweise nachhaltiges Wachstum, so wird in erster Linie ein hoher Umsatz angestrebt, der wiederum aufgrund einer hohen Qualität, einer hohen Lieferzuverlässigkeit, kurzen Lieferdurchlaufzeiten oder einer hohen Flexibilität erreicht werden kann. Eine hohe Produktivität zielt wie ein hoher Kapitalumschlag auf einen hohen Umsatz im Verhältnis zu den Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen ab. Wird eine hohe Rentabilität angestrebt, kommen zudem die Kosten in den Fokus der Betrachtung. Eine noch anspruchsvollere Strategie ist eine hohe Kundenorientierung, bei der alle Bedürfnisse hinsichtlich Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität im Vordergrund stehen und deshalb in

324

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

der Supply Chain-Strategie berücksichtigt werden müssen. Fokussiertere Strategien sind beispielsweise hohe Lieferbereitschaft, hohe Flexibilität, tiefe Lagerbestände oder hohe Liquidität sowie Rationalisierung von Logistikkosten. Oft kommen in der Praxis auch Kombinationen solcher generischen Strategien vor. Ein Beispiel ist Dell (vgl. Abs. 5.2.4) mit den strategischen Prioritäten Liquidität, Rentabilität und Wachstum. 2. Die Order Qualifiers und Order Winners bestimmen die Supply ChainStrategie mit, denn sie soll diese optimal unterstützen. Wie in Abs. 5.3.2 beim Schritt 1 erläutert, können diese Kriterien direkt auf die entsprechenden Ziele bzw. FRs der SCVD abgebildet werden (vgl. Tabelle 7 auf S. 269). Tabelle 11 Generische Strategien (typische Beispiele)

tiefe Investitionen tiefes Umlaufvermögen tiefes Anlagevermögen tiefe operationelle Kosten

FR-L

FR-F

s

s

s

s

hohe Produktivität, hoher Kapitalumschlag

P

hohe Rentabilität

P

hohe Kundenorientierung

s

P

P

hohe Innovation hohe Lieferbereitschaft

P

P

P

P

P

FR-Ax2

FR-R

P

FR-Ax1

FR-Q

nachhaltiges Wachstum

FR-A

FR-11

Generische Strategien

P

s

s

P

s

s

P

s

P

FR-C

hohe Qualität

hoher Umsatz

Ziele (FRs) in der SCVD

hohe Zuverlässigkeit kurze Lieferdurchlaufzeit hohe Flexibilität

Generische Strategien: Abbildung auf die Ziele in der SCVD

P

hohe Flexibilität

P

tiefe Lagerbestände

P

hohe Liquidität

P

tiefe Logistikkosten (Rationalisierung)

s

Anmerkung: P = primäres Ziel, s = sekundäres Ziel, x = S, M oder D für „Source“, „Make“ oder „Deliver“

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

325

3. Weiter sollen die Resultate der SWOT-Analyse in die Supply ChainStrategie einfließen, indem die FRs und DPs in der SCVD identifiziert werden, welche von der entsprechenden Konstellation von Stärken bzw. Schwächen mit Chancen bzw. Gefahren tangiert werden. 4. Die SCM-/Logistik-Vision kann eine Idealvorstellung der Wertschöpfungskette vorgeben, welche in die strategischen Prioritäten einfließt. Dabei sollen Stand im Lebenszyklus und die Komplexität des Produkts bzw. der Produktgruppe berücksichtigt werden. Beispielsweise können hierzu die vier Grundtypen des Supply Chain Designs herangezogen werden; vgl. Tabelle 12. Für Produkte mit längeren Innovationszyklen und solche in reifen Märkten macht in den meisten Fällen eine hohe Effizienz bzw. Produktivität Sinn, während insbesondere für schnelllebige und neue Produkte Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit (d. h. kurze Lieferdurchlaufzeiten, bzw. hohe Lieferbereitschaft, hohe Lieferzuverlässigkeit sowie hohe Flexibilität), im Vordergrund stehen. Tabelle 12 Grundtypen des Supply Chain Designs (in Anlehnung an Corsten und Gabriel (2004)) Grundtypen des Supply Chain Designs Schlanke Supply Chain Charakte- integral und risierung effizient

Bewegliche Supply Chain

Verbundene Supply Chain

Schnelle Supply Chain

modular und agil

konzentriert und effizient

schnell und reaktiv

Zielsetzung

Gestaltung schlanker, effizienter Supply Chains für komplexe, montierte, eher integrale Produkte mit längeren Innovationszyklen

Gestaltung beweglicher, agiler Supply Chains für dynamische, montierte, eher modulare Produkte mit kürzeren Innovationszyklen

Gestaltung verbundener, konzentrierter Supply Chains für einfache, chemische und pharmakologische Produkte mit eher langen Innovationszyklen

Gestaltung schneller, reaktiver Supply Chains für einfache Produkte mit eher kurzen Innovationszyklen

Typische Produktionstypen

Wiederholproduktion („repetitive manufacturing“), z. B. Automobilindustrie

Einmalproduktion, oder Mass Customization, z. B. Elektronik-, Computer-, Telecom-Industrie

Massenproduktion, z. B. chemische und Pharmaindustrie

Batch-Produktion, z. B. Nahrungsmittel- und Konsumgüterindustrie

326

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Tabelle 12 Fortsetzung Grundtypen des Supply Chain Designs

Strategische Prioritäten und Herausforderungen

Schlanke Supply Chain

Bewegliche Supply Chain

Verbundene Supply Chain

Schnelle Supply Chain

tiefe Bestände, hoher Lagerumschlag, kurze Durchlaufzeit, hohe Auslastung, tiefe Kosten, Lieferanten nach Kosten und Qualität auswählen, effizientes Management der Variantenvielfalt

hohe Flexibilität, hohe Lieferzuverlässigkeit und -bereitschaft, kurze Lieferdurchlaufzeit, effizientes Management der Variantenvielfalt

hohe Lieferzuverlässigkeit und -bereitschaft, hohe Flexibilität, wichtiger werden hohe Auslastung, tiefe Bestände und Kosten

hohe Lieferbereitschaft, flexible Kapazitäten, sehr kurze Durchlaufzeit, hohe Sicherheitsbestände, tiefe Kosten, Lieferanten nach Schnelligkeit und Flexibilität auswählen

Anhand dieser vier Überlegungen werden nun ein bis drei, selten mehr, strategische Prioritäten gesetzt. Dies bedeutet aus den strategischen Ziele der SCVD, also hoher Umsatz (FR-11), hohe Qualität (FR-R), hohe Lieferzuverlässigkeit (FR-R), kurze Lieferdurchlaufzeiten bzw. hohe Lieferbereitschaft (FR-L), hohe Flexibilität (FR-F), tiefe Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) sowie tiefe operationelle Kosten (FR-C) auszuwählen und diese zu priorisieren. Die strategischen Prioritäten bilden die Ausgangspunkte für die Operationalisierung der Supply Chain-Strategie. 5.3.3.2 Schritt 6: Strategische Prioritäten operationalisieren, Ziele und Mittel identifizieren Sind die strategischen Prioritäten bestimmt, so werden nun die Ziele schrittweise operationalisiert, indem in der SCVD ausgehend von den strategischen Prioritäten zu jedem Ziel bzw. Teilziel (FR) das entsprechende Mittel (DP) identifiziert wird (FR-DP-Paar), und zwar über mehrere Stufen der SCVD, so dass die strategischen Prioritäten schrittweise operationalisiert werden. Dieses Vorgehen wurde bereits weiter oben in Abs. 5.2.1 grundsätzlich erklärt. Je nach Ebene sind in der SCVD dem Mittel unterschiedlich konkrete Maßnahmen und Konzepte des SCM bzw. der Logistik zugeordnet. Jedem FR-DP-Paar, das in der SCVD weiter

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

327

dekomponiert ist, sind mindestens zwei FR-DP-Paare auf einer tieferen Ebene zugeordnet. In der SCVD zeigt sich dies als Verzweigung und stellt somit eine Entscheidungs- bzw. Priorisierungsmöglichkeit dar. Bei einer solchen Entscheidungsmöglichkeit können die entsprechenden Unterziele unter Berücksichtigung der Ergebnisse der „Intelligence“-Phase gegeneinander abgewogen werden. Dabei spielen folgende drei Überlegungen eine Rolle, die im spezifischen Unternehmenskontext betrachtet werden müssen: 1. Welches Unterziel unterstützt die Erreichung der übergeordneten Ziele und Mittel besser? 2. Wo bestehen die größten Verbesserungspotenziale? 3. Müssen für dieses Unterziel zuerst Voraussetzungen im Sinne der Implementierungsreihenfolge erfüllt werden, so dass weitere, unterstützende Ziele identifiziert werden können? Es können an den Verzweigungen mehrere priorisierte Teiläste der SCVD weiter verfolgt werden. Gemäß dem systematischen Aufbau der SCVD ergeben sich grundsätzliche Entscheidungsmöglichkeiten bei den Verzweigungen: Bei der Dekomposition der Kundenzufriedenheit (DP-11) muss abgewogen werden, durch welche Faktoren aus Kundensicht (Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit bzw. Lieferfristen sowie Flexibilität) die Kundenzufriedenheit am meisten beeinflusst wird. Hier liefern die Order Qualifiers und Order Winners entscheidende Anhaltspunkte. Bei einer Dekomposition gemäß der Untergliederung in „Source“, „Make“ und „Deliver“, die in jedem Teilast der SCVD vorgenommen wird, muss abgeschätzt werden, ob in der Beschaffung, in der Produktion oder im Vertrieb der größte Beitrag erwartet wird bzw. die größten Verbesserungspotenziale bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine gewisse Erfüllung der jeweiligen Ziele im „Source“ bzw. „Make“ Voraussetzung für die Erreichung hochgesteckter Ziele im „Make“ bzw. „Deliver“ ist, wie dies in Abs. 3.1.2 beim Aufbau der SCVD anhand der Implementierungsreihenfolge erklärt ist (vgl. auch Abs. 5.2.3). Bei der Dekomposition gemäß der Untergliederung nach den Produktionsfaktoren Kapazitäten, Informationen und Material kann beispielsweise betrachtet werden, wo die Ursachen für eine suboptimale Zielerfüllung liegen. Hier können geeignete Kennzahlen, beispielsweise Fehlerstatistiken, Anhaltspunkte liefern. Bei der Dekomposition von Investitionen ohne Mehrwert (DP-A) als Ziel für tiefe Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen kann das Verhältnis von Umlaufvermögen (Bestände, Liquidität) zu Anlagevermögen (Produktionsinfrastruktur) sowie geeignete Kennzahlen wie beispielsweise Kapitalumschlag (Umsatz in Relation zum

328

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Abb. 118 Strategie als Operationalisierung von Zielen und Mitteln

Umlauf- und Anlagevermögen), Lagerumschlag (Umsatz in Relation zu den Lagerbeständen) oder Lagerreichweite (Lagerumschlag in Zeiteinheiten umgerechnet) dienen. Dabei kann weiter zwischen „Source“, „Make“ und „Deliver“ unterschieden werden. Beim Ziel von tiefen operationellen Kosten (FR-C) kann dank der Eliminierung von Verschwendung (DP-C) für die Dekomposition die Struktur der Logistikkosten anhand der entsprechenden Logistikprozesse analysiert werden. Dazu eignet sich besonders die Prozesskostenrechnung. Durch die Operationalisierung der strategischen Prioritäten ergibt sich ein Pfad der Operationalisierung, welcher aus den operationalisierten Zielen und Mitteln besteht und priorisierte Verzweigungen aufweisen kann. Vgl. Abb. 118 (identisch mit Abb. 112). Der Pfad beginnt bei den strategischen Prioritäten und muss nicht unbedingt bis auf die unterste (konkreteste) Ebene der SCVD reichen. Damit kann für die Implementierung offen gelassen werden, wie die entsprechenden Ziele und Mittel umgesetzt werden können, wobei die Implementierungsreihenfolge durch die SCVD vorgegeben ist. Beispielsweise kann die Supply Chain-Strategie bei der Versorgungszuverlässigkeit enden und erst bei der Implementierung werden dann die Unterziele, Versorgungsrisiken zu reduzieren, Zuverlässigkeit der Lieferanten und deren Kapazitäten sicherzustellen, die in der SCVD identifiziert werden können, umgesetzt.

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

329

Gibt es nicht nur eine strategische Priorität, sondern werden mehrere strategische Prioritäten operationalisiert, so ergeben sich mehrere Pfade der Operationalisierung, die Verzweigungen aufweisen können. Diese Pfade werden im Folgenden parallel weiter betrachtet. 5.3.3.3 Schritt 7: Maßnahmenpakete bilden In der SCVD sind zu den Mitteln (DPs) Maßnahmen und Konzepte unterschiedlicher Konkretisierungsgrade zugeordnet. Die Maßnahmen können nun anhand der SCVD identifiziert und im Hinblick auf ihre Umsetzung in Projekten zu Maßnahmenpaketen gebündelt werden. Maßnahmenpakete können entweder für einen Teilast bzw. Zielbereich der SCVD entlang des Pfades der Operationalisierung der Supply ChainStrategie (beispielsweise Umlaufvermögen), oder nach Aspekten der Beschaffung, Produktion und des Vertriebs („Source“, „Make“ und „Deliver“) oder hinsichtlich der Produktionsfaktoren Kapazitäten (Mitarbeiter, Produktionsinfrastruktur), Informationen und Material gebildet werden, je nachdem welche Aspekte im Vordergrund stehen oder zusammenwirken. Siehe Beispiele in Abb. 119 (Maßnahmenpaket 1 für einen Teilast der SCVD, Maßnahmenpaket 2 nach einem Aspekt). Die Maßnahmenpakete können auch im Kontext von spezifischen, funktionalen Strategien betrachtet werden, wenn Maßnahmenpakete nach einem bestimmten Aspekt über mehrere SCM-Zielbereiche bzw. Teiläste der SCVD gebildet werden. Umfasst beispielsweise ein Maßnah-

Abb. 119 Bildung von Maßnahmenpaketen (schematische Beispiele)

330

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

menpaket den Aspekt der Beschaffung, indem es mit den FR-DP-Paaren „Source“ abdeckt für Qualität, Lieferzuverlässigkeit und Lieferdurchlaufzeit, so können die FR-DP-Paare als Beschaffungsstrategie (oder als Teil davon) und deren Operationalisierung betrachtet werden. Analog können alle FR-DP-Paare, die „Make“ und „Deliver“ über mehrere SCMZielbereiche abdecken, als Produktions- bzw. Distributions-/Vertriebsstrategie verstanden werden. Stehen die Produktionsfaktoren (Kapazitäten, Informationen und Material) im Vordergrund, so kann von einer Kapazitäts-, Informations- bzw. Materialstrategie gesprochen werden.

5.3.4

„Choice“-Phase

Inhalt der „Choice“-Phase ist die Evaluation der operationalisierten Supply Chain-Strategie, (Pfad der Operationalisierung, gegebenenfalls mit Verzweigungen). Die Evaluation erfolgt in zwei Schritten: Im ersten Schritt werden potenzielle Zielkonflikte und Synergieeffekte sowie Kosten und Nutzen analysiert, im zweiten Schritt erfolgt eine formale Evaluation. 5.3.4.1 Schritt 8: Zielkonflikte, Synergieeffekte und Nachhaltigkeit analysieren Ein Mittel für die Erreichung eines Zieles kann positive oder negative Auswirkungen auf das Erreichen anderer Ziele haben, wodurch potenzielle Zielkonflikte (negative Beeinflussung) oder Synergieeffekte (positive Beeinflussung) entstehen können. Deshalb müssen, wie in Abs. 5.2.2 bereits erläutert, die Ziele und Mittel der Supply Chain-Strategie anhand zweier Fragen untersucht werden: Beeinflusst ein Mittel ein anderes, mögliches Ziel positiv bzw. negativ? Ist dieses Ziel allenfalls Gegenstand der Supply Chain-Strategie? Falls andere Ziele der Supply ChainStrategie negativ beeinflusst werden, besteht ein vitaler Zielkonflikt, d. h. die Strategie ist in sich widersprüchlich und muss überarbeitet werden. In der Regel betrifft dies meist Konflikte mit operationellen Kosten. Deshalb empfiehlt es sich, eine Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen um abzuklären, ob die Supply Chain-Strategie einen Mehrwert im Sinne von EVA verspricht und logistische Erfolgspotenziale aufbaut und ausnutzt. Das logistische Erfolgspotenzial besteht aus dem Markterschließungspotenzial, dem Investitionsreduzierungspotenzial und aus dem Kostenreduzierungspotenzial der Logistik bzw. des SCM, vgl. Abs. 5.1.3. Wie diese Potenziale durch die im Rahmen der Supply Chain-Strategie

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

331

identifizierten Maßnahmen beeinflusst werden, kann bestimmt werden, indem die betreffenden FRs und DPs in der SCVD lokalisiert werden. Befinden sich die FRs und DPs der operationalisierten Supply ChainStrategie unterhalb von FR-11, d. h. in den Teilästen der SCM-Zielbereiche Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität, so tragen sie zum Markterschließungspotenzial bei. FRs und DPs des Teilastes von FR-A (Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen) tragen zum Investitionsreduzierungspotenzial bei, solche des Teilastes FR-C (operationelle Kosten) können zum Kostenreduzierungspotenzial beitragen. Der Nutzen ist demnach der positive Einfluss auf eines oder mehrere dieser Potenziale. Andererseits müssen Kosten in Betracht gezogen werden: Kosten für die Implementierung und den Betrieb der Maßnahmen sowie Kapitalkosten für die dazu notwendigen Investitionen. Der potenzielle Mehrwert kann gemäß dem EVA-Konzept (vgl. Abs. 2.1.1) abgeschätzt werden, indem der Gesamteinfluss auf den EVA identifiziert wird: Wie wirken sich die Maßnahmen auf Nutzenseite (logistische Erfolgspotenziale) und Kostenseite aus? Zurück zu den Beeinflussungen der Ziele und Mittel einer Supply Chain-Strategie: Falls die Beeinflussungen positiver Art sind, ergeben sich potenzielle Synergieeffekte, d. h. die Ziele und Mittel der Strategie unterstützen sich gegenseitig. Wenn negative Beeinflussungen auf Ziele, die nicht Gegenstand der Strategie sind, bestehen, ist Vorsicht geboten, da hier Verschlechterungen eintreten können (potenzielle Zielkonflikte). Dies gilt in der Regel für die Kosten. Eine Supply Chain-Strategie sollte keine vitalen und möglichst keine potenziellen Zielkonflikte aufweisen; Synergiepotenziale sind vorteilhaft, weil sich durch das positive Zusammenwirken die Ziele und Mittel gegenseitig unterstützen. Ein weiterer essenzieller Aspekt der Analyse der Supply ChainStrategie ist es zu überprüfen, ob für alle Ziele die Voraussetzungen im Sinne der Implementierungsreihenfolge erfüllt sind (vgl. Abs. 5.2.3). Dies geschieht, indem für die Ziele der Supply Chain-Strategie jeweils alle Mittel geprüft werden, welche die Ziele möglicherweise beeinflussen. Dies zeigt sich in der SCVD dadurch, dass auf das Ziel Pfeile von links zeigen. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage, ob nicht zuerst die entsprechenden Mittel genutzt werden, um die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. So ist es beispielsweise gemäß der Implementierungsreihenfolge nicht sinnvoll, zuerst Lieferdurchlaufzeiten zu reduzieren, wenn diese großen zeitlichen Schwankungen unterworfen sind (beispielsweise aufgrund mangelnder Termintreue einzelner Aufträge), oder Kosten zu reduzieren, wenn die Qualität nicht stimmt, oder Bestände zu senken, wenn die Prozesse nicht beherrscht werden (z. B. bei mangelnder Zuverlässigkeit der Planung). Die inhaltliche Abstimmung der Supply Chain-Strategie

332

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

anhand der Analyse der Voraussetzungen und das Befolgen der Implementierungsreihenfolge trägt zur Nachhaltigkeit der Supply ChainStrategie bei. 5.3.4.2 Schritt 9: Supply Chain-Strategie evaluieren Der zweite Evaluationsschritt hat zum Ziel, sicherzustellen, dass die Strategie keine offensichtlichen Schwachstellen und Mängel aufweist und machbar ist. Da grundsätzlich nie im Vornherein bewiesen werden kann, dass eine Strategie optimal ist, soll anhand der folgenden vier Kriterien verhindert werden, dass die Supply Chain-Strategie offensichtliche Mängel aufweist: 1. Konsistenz (Widerspruchsfreiheit und Zusammenhang der Ziele): Die inhaltliche Widerspruchsfreiheit der Supply Chain-Strategie wurde im vorherigen Schritt 8 (Analyse der potenziellen Zielkonflikte) sichergestellt. Zusätzlich muss nun geprüft werden, ob die Ziele und Mittel in keinem Widerspruch mit der SCM-/Logistikvision und den Grundsatzentscheidungen bezüglich „Make-or-Buy“ stehen („Make-or-Buy“Normen). Beispielsweise kann eine Auslagerung eines Prozessschrittes nicht in Frage kommen, wenn darin die Kernkompetenzen bzw. Wettbewerbsvorteile begründet sind. Über die Widerspruchsfreiheit hinaus kann der Zusammenhang der Ziele und Aktivitäten analysiert werden. Im Optimalfall stehen die Ziele und Mittel der operationalisierten Supply Chain-Strategie mit der Unternehmens-, Geschäfts- und Wettbewerbsstrategie im Einklang, unterstützen sich gegenseitig (Synergieeffekte) und sind aufeinander abgestimmt. Der systematische Aufbau der SCVD und ein konsequentes Vorgehen für die die Entwicklung der Supply Chain-Strategie schaffen hierzu gute Voraussetzungen. 2. Konsonanz (Antwort auf das Umfeld): Die Supply Chain-Strategie muss die Entwicklungen im Umfeld und deren Konsequenzen (Chancen und Gefahren) berücksichtigen. Deshalb muss anhand der Chancen-Gefahren- und SWOT-Analyse geprüft werden, dass die Supply Chain-Strategie eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen darstellt, d. h. Chancen wahrnimmt bzw. Gefahren abwendet. 3. Wettbewerbsvorteile: Die Supply Chain-Strategie soll die Wettbewerbsstrategie unterstützen bzw. die Wettbewerbsvorteile stärken und die Kundenbedürfnisse widerspiegeln. Dies kann anhand der Analyse der Order Qualifiers und Order Winners („Intelligence“-Phase, Schritte 1 bis 3) überprüft werden. Zusätzlich muss untersucht werden, ob die Supply Chain-Strategie die Wettbewerbsstrategie optimal unterstützt, d. h. mit ihr konsistent ist („Design“-Phase, Schritt 5): Ist die Wettbewerbsstrategie eine Kostenführerschaft, muss dies in der Supply

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

333

Chain-Strategie bei den Zielbereichen tiefe Investitionen und tiefe operationelle Kosten entsprechend berücksichtigt sein; bei der Differenzierung als Wettbewerbsstrategie sind dies in erster Linie Ziele aus den Bereichen Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität. Wettbewerbsvorteile setzen spezifische Fähigkeiten und Ressourcen sowie eine geeignete Organisation voraus. 4. Machbarkeit: Die Supply Chain-Strategie muss machbar, d. h. mithilfe der verfügbaren Ressourcen umsetzbar sein. Deshalb müssen die notwendigen finanziellen und technischen Ressourcen (Produktionsinfrastruktur, Informationstechnologie etc.) sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterfähigkeiten (Fachwissen, Erfahrungen etc.) vorhanden sein oder in nützlicher Frist aufgebaut werden können. Auch müssen notwendige organisatorische Voraussetzungen (Aufbau- und Ablauforganisation) geschaffen werden können. Hierzu muss abgeklärt werden, ob die notwendigen SCM-Fähigkeiten in den Bereichen Zusammenarbeit, Koordination und Veränderbarkeit (vgl. Abs. 5.1.3) vorhanden sind und gegebenenfalls aufgebaut werden müssen. Weiter muss geprüft werden, welche Risiken mit der Supply Chain-Strategie verbunden sind, ob diese tragbar sind und eventuell reduziert werden können. Treten während dieser Evaluation Schwachstellen der Supply ChainStrategie zutage, muss diese überarbeitet werden (Wiederholung der „Design“-Phase) bzw. die entsprechende Variante wird nicht weiterverfolgt. Stehen mehrere Varianten zur Diskussion, so kann jene zur Implementierung vorgeschlagen werden, welche die Kriterien am besten erfüllt. Die Evaluation dient lediglich der Entscheidungsvorbereitung; die Entscheidung über die zu implementierende Supply Chain-Strategie muss durch die Verantwortlichen im Bereich SCM und die Geschäftsführung erfolgen und breit abgestützt werden.

5.3.5

„Implementation/Review“-Phase

In der „Implementation/Review“-Phase wird die Umsetzung der Supply Chain-Strategie vorbereitet und überwacht. Darüber hinaus wird periodisch geprüft, ob die Supply Chain-Strategie die richtigen Zielsetzungen verfolgt oder ob sie geänderten Anforderungen angepasst werden muss. Langfristig sollen logistische Erfolgspotenziale aufgebaut werden. Für die Umsetzung der Strategie mithilfe der identifizierten Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete bedarf es eines entsprechenden Projektmanagements, d. h. insbesondere Definition von Projekten mit Arbeitspaketen,

334

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Zeitplänen, Meilensteinen und Verantwortlichkeiten. Dies soll hier nicht weiter ausgeführt werden; vielmehr werden in den folgenden drei Schritten einige Ausführungen über die Vorbereitung, Überwachung der Implementierung und Hinterfragung der Supply Chain-Strategie sowie zum Aufbau logistischer Erfolgspotenziale dargelegt. 5.3.5.1 Schritt 10: Implementierung vorbereiten Für eine gute Vorbereitung der Implementierung muss im Rahmen des eingangs erwähnten Projektmanagements hinreichend präzise vorgegeben werden, welche Implementierungsmaßnahmen zur Erreichung welcher Ziele in welchem Zeitraum von welchen Verantwortlichen mithilfe welcher Ressourcen durchgeführt werden sollen. Eine Supply ChainStrategie ruft oft Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens hervor. Da diese oft auf Widerstand stoßen, muss der Wandel durch Change Management begleitet werden: Die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Veränderungen müssen kommuniziert, die Beteiligten und Betroffenen von den Vorteilen und Zukunftsperspektiven überzeugt, die Konsequenzen thematisiert und die Betroffenen frühzeitig mit der Möglichkeit zur Mitgestaltung einbezogen werden. Die Transparenz der Methodik und die Systematik der SCVD (als Kommunikationsinstrument) schaffen hierzu gute Voraussetzungen. Die Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete können nun gemäß den Prioritäten der Supply Chain-Strategie (d. h. der Gewichtung bei den entsprechenden Priorisierungsmöglichkeiten bei den Verzweigungen im vorherigen Schritt) priorisiert werden. Für die Implementierungsvorbereitung sollen zuerst die in Schritt 7 identifizierten Maßnahmen bzw. Maßnahmenpakete in die durch die SCVD vorgegebene Implementierungsreihenfolge eingeordnet werden. Dies kann mithilfe eines Maßnahmen-Portfolios mit den beiden Achsen Priorität und Implementierungsreihenfolge visualisiert werden: Das Portfolio zeigt einerseits die Priorität der Maßnahmen gemäß den Prioritäten der Supply Chain-Strategie; vgl. „Design“-Phase, Schritt 5. Diese Prioritäten geben Anhaltspunkte dafür, wie wichtig die Maßnahmen relativ zueinander sind und wie viele Ressourcen (Mitarbeiter, Finanzen etc.) eingesetzt werden sollen. Andererseits zeigt das Portfolio auch die zeitlich-logische Abfolge der Maßnahmen als Implementierungsreihenfolge. Es dient als Grundlage für die Planung und Umsetzung der Maßnahmen, indem es eine Entscheidungshilfe für die Allokation der Ressourcen und für die zeitliche Gliederung bildet. In Abb. 120 ist ein Beispiel eines solchen Maßnahmen-Portfolios dargestellt.

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

335

Abb. 120 Maßnahmen-Portfolio als Roadmap (Beispiel)

Das Maßnahmen-Portfolio stellt daher eine Roadmap für die Vorbereitung und Grobplanung der Maßnahmenpakete als strategische Projekte über einen längeren Zeitraum dar. Die Roadmap dient dazu, die operationalisierte Supply Chain-Strategie in langfristige Projekte, die Maßnahmenpakete, zu strukturieren sowie deren zeitliche Abfolge der Implementierung und relative Priorität aufzuzeigen. Bei der Implementierung der Supply Chain-Strategie sind alle Elemente des SCM zu berücksichtigen, aufeinander abzustimmen und zu gestalten: die Struktur der Wertschöpfungskette (Netzwerk, Vertrauensbildung, Planung und Ausführung der Kooperation etc.), die Organisation (Verantwortungen, Information und Kommunikation, Prozessgestaltung, Leistungsmessung etc.) sowie die Informationstechnologie (Software, elektronische Abwicklung, Standards etc.). Dies bedeutet, dass erstens die Prozesse, Softwareunterstützung und Infrastruktur (Informationstechnologie etc.) und Informationsflüsse beispielsweise mithilfe des Supply Chain Operations Reference (SCOR)-Modells in einer sog. Prozessarchitektur modelliert und detailliert, zweitens die Organisation gestaltet (Strukturierung, Rollen, Verantwortlichkeiten, Mitarbeiterqualifikation etc.) und drittens die Kooperation (Kooperationsform, Aufteilung des Nutzens und der Kosten, Vertrauensbildung, Informationsaustausch etc.) gestaltet werden müssen.

336

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

5.3.5.2 Schritt 11: Implementierung überwachen und Supply Chain-Strategie hinterfragen Die Überwachung der Implementierung soll sicherstellen, dass die Maßnahmen greifen. Dies kann durch das Supply Chain Controlling, das die Zielerfüllung (die erbrachte Leistung) überwacht und bewertet, um Verbesserungs- und Korrekturmaßnahmen einzuleiten, erreicht werden. Dazu müssen geeignete Kennzahlen definiert werden: In der SCVD sind den Elementen der oberen Ebene Kennzahlen für die Messung der Erfüllung der entsprechenden Ziele zugeordnet; diese Kennzahlen können herangezogen und durch weitere ergänzt werden. Dies bedeutet, dass in der SCVD zu den FRs entlang des Pfades der Supply Chain-Strategie Kennzahlen identifiziert und entsprechende Zielwerte gesetzt werden. Wurden im Schritt 8 potenzielle Zielkonflikte identifiziert, sollten mögliche negative Auswirkungen mittels entsprechender Kennzahlen überwacht werden. Mithilfe von Soll-Ist-Vergleichen und geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung und Korrektur kann so die Implementierung der Supply Chain-Strategie überwacht, bewertet und ggf. verbessert werden. Mögliche Maßnahmen sind solche im Bereich Ressourcen (beispielsweise mehr Investitionen oder mehr Mitarbeiter) oder im Zusammenhang mit den SCM-Fähigkeiten (beispielsweise bessere Koordination mit Lieferanten oder Kunden, vgl. Abs. 5.1.3). Es empfiehlt sich, die Kennzahlen in die im Unternehmen eingesetzten Instrumente des Performance Management, wie beispielsweise Balanced Scorecard, einzubinden und für Benchmarking zu nutzen. Zusätzlich muss die Supply Chain-Strategie, d. h. die Zielsetzung, periodisch hinterfragt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Supply Chain-Strategie eventuellen Veränderungen im Umfeld und im Unternehmen angepasst werden kann. So muss im Umfeld analysiert werden, ob neue Chancen und Gefahren auftreten: Verschiebungen in der Verhandlungsstärke der Kunden und Lieferanten, beispielsweise durch neue Konkurrenten oder Veränderungen im Beschaffungsmarkt bzw. bei den Lieferanten, neue Risiken in der Versorgung und beim Absatz, geänderte Kundenbedürfnisse (Veränderung der Order Qualifiers und Order Winners) oder Wandel bei der Kooperationsbereitschaft der Kunden und Lieferanten. Solche Veränderungen können sich als schwache Signale im Umfeld äußern, die es frühzeitig zu erkennen und interpretieren gilt. Veränderungen im Unternehmen können in neuen bzw. veränderten Stärken und Schwächen resultieren: Fortschritte oder Verschlechterungen bei der Erfüllung der Order Qualifiers und Order Winners, bei den Kennzahlen (Benchmarking) oder bei den SCM-Fähigkeiten. Dies bedeutet, dass die „Intelligence“-Phase (Schritte 1 bis 4) periodisch wiederholt

5.3 Methodik zur Entwicklung und Implementierung

337

und überprüft wird, ob sich essenzielle Veränderungen ergeben haben. Zudem kann sich die Unternehmens-, Geschäfts- oder Wettbewerbsstrategie geändert haben, wenn sich das Unternehmen aus ähnlichen Überlegungen neu orientieren und neu positionieren muss. Diese Faktoren können dazu führen, dass sich neue strategische Prioritäten ergeben (Schritt 5) und deshalb eine neue Supply Chain-Strategie entwickelt bzw. die bestehende modifiziert werden (Schritte 6 bis 11). Dieser Prozess des Hinterfragens der Supply Chain-Strategie kann als strategisches Supply Chain Controlling gesehen werden, während das vorher erläuterte Supply Chain Controlling operationeller Natur ist. Je nach Dynamik, Unsicherheit und Komplexität des Umfelds (Beschaffungs- und Absatzmarkt) muss eine Supply Chain-Strategie mehr oder weniger oft überarbeitet werden. In der Praxis weist eine Supply ChainStrategie einen Zeithorizont von einem Jahr bis etwa fünf Jahre auf. 5.3.5.3 Schritt 12: Logistische Erfolgspotenziale aufbauen Die hier erläuterte Thematik des operationellen, strategischen und normativen Supply Chain Controllings und der damit verknüpften Lernprozesse wurde bereits am Ende von Abs. 1.4 angesprochen. Das operationelle Supply Chain Controlling stellt in einem Regelkreis die Zielerfüllung und damit den effizienten Ressourceneinsatz bei der Implementierung der Supply Chain-Strategie und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess sicher. Dieser bezieht sich auf die Implementierungsmaßnahmen der Supply Chain-Strategie: Sind es die richtigen Maßnahmen und werden diese richtig umgesetzt? Das strategische Supply Chain Controlling gewährleistet hingegen die richtige Zielsetzung und damit die Effektivität der Supply Chain-Strategie im Hinblick auf die Herausforderungen des Umfelds und des Unternehmens. Hier steht die Zweckmäßigkeit der Supply Chain-Strategie im Vordergrund: Wird die richtige Strategie verfolgt? Das normative SCM (SCM-/Logistik-Vision, vgl. Abs. 1.4), das im Schritt 9 der Methodik (Evaluation der Supply Chain-Strategie) einbezogen ist, stellt sicher, dass die grundlegenden Zielsetzungen, -ausrichtungen und Werte eingehalten werden. Langfristig müssen diese allenfalls angepasst werden (was hier nicht weiter diskutiert werden soll). Es ergeben sich somit drei Schleifen bzw. Lernprozesse, welche eine Rückkopplung von den Ergebnissen (in Form von Verbesserungen in der Logistikleistung bzw. der Kennzahlen) zu den Implementierungsmaßnahmen (Schleife 1, operationelles Supply Chain Controlling), zur Supply ChainStrategie (Schleife 2, strategisches Supply Chain Controlling) und zum normativen SCM (Schleife 3) darstellen; vgl. Abb. 121.

338

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Abb. 121 Strategisches und operationelles Supply Chain Controlling als Lernprozesse

Diese drei Schleifen stellen jeweils sicher, dass durch Störungen verursachte Abweichungen der Ergebnisse (Wirkungen der implementierten Maßnahmen) analysiert und entsprechende Lenkungsmaßnahmen auf den Ebenen der Implementierungsmaßnahmen, der Supply Chain-Strategie sowie des normativen SCM im Rahmen des Supply Chain Controlling initiiert werden. Damit wird das Fundament eines kontinuierlichen Strategieprozesses gelegt, das es ermöglicht, die Supply Chain-Strategie geänderten Bedingungen im Umfeld und im Unternehmen anzupassen. Mit den drei Schleifen einher gehen die drei erwähnten Lernprozesse, die – in gedeihlichem Kontext – zur Entwicklung der SCM-Fähigkeiten führen, so dass zusammen mit spezifischen Ressourcen (Mitarbeiter, Infrastruktur etc.) logistische Erfolgspotenziale aufgebaut werden können (vgl. Abs. 5.1.3). Dazu müssen die entsprechenden Lernprozesse institutionalisiert, gelebt und beispielsweise durch geeignete Anreizsysteme gefördert werden. Die notwendigen SCM-Fähigkeiten müssen identifiziert, gezielt gefördert (beispielsweise durch Aus- und Weiterbildung) und in die Mitarbeiterqualifikation einbezogen werden. Damit sollen erstens Kenntnisse des Logistikmanagements, SCM und Best Practices (Schleife 1) und zweitens das Verständnis logistischer Zusammenhänge sowohl im Unternehmenskontext als auch im Unternehmensumfeld (Wettbewerb, Lieferanten, Kunden) gefördert werden (Schleife 2).

5.4

Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

Die beschriebene Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien lässt sich vielseitig anwenden. Die zentrale

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

339

Anwendung sind die Entwicklung oder Adaption einer Supply ChainStrategie und die Vorbereitung der Implementierung. Die Gewichtung und der Detaillierungsgrad der einzelnen Schritte des Vorgehens kann jedoch variiert werden, was weitere Anwendungsmöglichkeiten der Methodik mit unterschiedlichem Fokus schafft. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über einige typische Anwendungsmöglichkeiten gegeben, die in den folgenden Abschnitten erläutert werden: • Strategische SCM-Projekte (Abs. 5.4.1): Der Hauptfokus der Methodik liegt auf der Entwicklung oder Adaption einer Supply Chain-Strategie, die sich wie in Abs. 5.3 beschrieben unter anderem an der Unternehmens-, Geschäfts- und Wettbewerbsstrategie orientiert. Auf diese Weise können strategische Prioritäten SCM-spezifisch operationalisiert und die SCM-Aktivitäten ausgerichtet werden, indem strategische SCM-Projekte definiert und umgesetzt werden. Diese betreffen die langfristige Ausrichtung von SCM in Bezug auf die SCM-Zielbereiche sowie die Identifizierung und Umsetzung von SCM-Konzepten. • Verbesserungspotenziale (Abs. 5.4.2): Besteht akuter Handlungsbedarf in einem spezifischen Bereich, beispielsweise aufgrund zu hoher Bestände, kann die Methodik dazu genutzt werden, Ziele und Mittel zu definieren, um brachliegende Verbesserungspotenziale mit gezielten Maßnahmen, beispielsweise im Bereich Bestandsmanagement und Sicherheitsbestände, zu erschließen und Schwächen abzubauen. • Supply Chain Due Dilligence (Abs. 5.4.3): Die SCVD kann auch dazu genutzt werden, das SCM eines Unternehmens, eines Geschäftsbereichs oder eines Teils davon einer Evaluation zu unterziehen, indem systematisch Stärken und Schwächen identifiziert und evaluiert werden. So kann auch abgeklärt werden, inwieweit potenzielle Kooperationspartner (Kunden, Lieferanten) Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im SCM mitbringen und wie Voraussetzungen gezielt geschaffen werden können. • Supply Chain-Segmentierung (Abs. 5.4.4): Wie bereits in Abs. 5.3.1 angesprochen, stellt sich die grundsätzliche Frage, worauf sich eine Supply Chain-Strategie beziehen soll. Mit anderen Worten, ob je nach Geschäftsbereich, Produktgruppe oder je nach Supply Chain auf Kunden- oder Lieferantenseite eine unterschiedliche Supply ChainStrategie, d. h. eine Segmentierung des SCM bzw. der Supply Chain notwendig ist. Die Überlegung dahinter ist, dass sich beispielsweise eine unterschiedliche Wettbewerbsstrategie in verschiedenen Geschäftsbereichen oder unterschiedliche Order Qualifiers und Order Winners je nach Absatzmarkt, in der Supply Chain-Strategie und damit in den SCM-Aktivitäten widerspiegeln müssen.

340

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

• Erfolgreich IT einsetzen (Abs. 5.4.5): Informationstechnologie (IT) und Informationsmanagement (IM) spielen im SCM eine bedeutende Rolle; sie können durch Stützung und Automatisierung von Prozessen des Informationsflusses zu allen SCM-Zielbereichen beitragen. Auch hier ist wiederum die Implementierungsreihenfolge entscheidend, so muss an erster Stelle die Informationsqualität sichergestellt werden. • Nachhaltige Unternehmensentwicklung (Abs. 5.4.6): In einem Ausblick wird skizziert, wie die Überlegungen der Implementierungsreihenfolge und des Ausbaus logistischer Erfolgspotenziale auf andere Bereiche eines Unternehmens und auf das Unternehmen als solches übertragen und langfristig für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung angewandt werden können.

5.4.1

Strategische SCM-Projekte initiieren und umsetzen

In Abs. 5.3 wurde beschrieben, wie die Methodik angewandt werden kann, um eine Supply Chain-Strategie zu entwickeln, zu operationalisieren und deren Implementierung vorzubereiten. Als Ausgangspunkt stellen sich Fragen wie: • Welche Ziele im SCM sollen verfolgt und wie können diese operationalisiert werden? • Welches sind die Prioritäten im SCM, um die SCM-Aktivitäten auszurichten? • Welche SCM-Konzepte und Maßnahmenpakete sollen umgesetzt werden? Mit welchen Prioritäten? • Muss die Supply Chain-Strategie angepasst werden, weil sich Veränderungen im Unternehmen und in dessen Umfeld (Kunden, Lieferanten, Supply Chain etc.) ergeben haben? Diese Fragen sind strategischer Natur, sie betreffen daher die strategische Ebene des SCM (vgl. Abs.1.4) und die längerfristige Ausrichtung des SCM. Die Methodik hilft hier einerseits, systematisch vorzugehen und andererseits schafft sie mit der SCVD einen inhaltlichen Rahmen, indem sie logistische Zusammenhänge abbildet. Auf diese Weise können Ziele und Mittel des SCM operationalisiert und geeignete SCM-Konzepte und Maßnahmenpakete identifiziert werden, um die übergeordneten Ziele zu erreichen und im Endeffekt Unternehmenswert zu schaffen.

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

341

Das Ergebnis der Methodik kann viele Aspekte beinhalten: • Katalog von Zielen und Mitteln sowie entsprechender Kennzahlen, • geeignete Best Practices, SCM-Konzepte und Methoden als Maßnahmenkatalog oder zu Maßnahmenpaketen gebündelt, • Roadmap für die Vorbereitung und Grobplanung von Maßnahmenpaketen als strategische Projekte (vgl. Abs. 5.3.5.1). Der Hauptfokus der Methodik liegt demnach in der Identifizierung von Maßnahmenpaketen, um dann strategische SCM-Projekte zu definieren, zu initiieren und umzusetzen. Solche Projekte werden in der Praxis dann meist weiter in Unterprojekte detailliert. In der Regel handelt es sich um eher umfangreichere Projekte, die mehr oder weniger große Veränderungen in den Prozessen und der Organisation bedeuten. Ein paar Beispiele für solche Maßnahmenpakete bzw. strategische SCM-Projekte: Mass Customization einführen, um basierend auf einer modularen Produktstruktur kürzere Lieferfristen und tiefere Lagerbestände zu erzielen; ein SCM-Monitoring-Controlling-Instrument einführen, um Rahmenverträge mit Lieferanten zu überwachen und zu steuern; Optimierung des Bestandsmanagements durch Bestandsregelung und Verbesserung des Informationsaustausches mit Kunden und Lieferanten; globale Standortplanung für Distributionszentren für optimale Lieferzeiten und Lagerbestände, Umsetzung von Prinzipien von Lean Production für hohe Lieferzuverlässigkeit und tiefe Durchlaufzeiten.

5.4.2

Verbesserungspotenziale erschließen

Während bei den strategischen Projekten der längerfristige Horizont und die vorausschauende Ausrichtung der SCM-Aktivitäten im Vordergrund stehen, geht es bei der Erschließung von Verbesserungspotenzialen eher um kurz- bis mittelfristigen akuten Handlungsbedarf, um punktuell Schwächen zu beheben. Der Übergang ist fließend und Verbesserungspotenziale können eng mit strategischen Fragen zusammenhängen. Der Unterschied liegt darin, dass es hier nicht um hergeleitete strategische Prioritäten und das Setzen von Schwerpunkten geht, sondern eher um fokussierte Maßnahmen im Zusammenhang mit einem relativ gut eingrenzbaren Handlungsbedarf. Typische Beispiele sind ein ungeplanter Anstieg von Lagerbeständen, schlechte Planung und mangelhafter Informationsaustausch. In solchen Fällen müssen Maßnahmen nicht ausführlich begründet und auf die Unternehmensstrategie oder die Umfeldentwicklungen abgestützt werden.

342

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Hier kann ebenfalls die Methodik eingesetzt werden. Die „Intelligence“Phase tritt etwas in den Hintergrund, denn es macht Sinn, das Vorgehen zu fokussieren: 1. Der Handlungsbedarf wird in der SCVD möglichst genau lokalisiert und entsprechende Analysen werden durchgeführt. Beispiel zu hohe Lagerbestände: FR-AS1, FR-AM1, FR-AD1; ABC-/XYZ-Analysen, Analyse der Lagerzeiten etc. 2. Anschließend kann die Methodik ab Schritt 6 durchlaufen werden: Operationalisierung der Ziele, Identifizieren von Maßnahmen (Best Practices, SCM-Konzepte) etc. Ein wichtiger Punkt ist hier, abzuklären, ob im Sinne der Implementierungsreihenfolge die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Abs. 5.3.4.1). So können Ursachen und Symptome voneinander unterschieden werden. Die Ursachen liegen oft in den vorgelagerten SCM-Zielbereichen, d. h. links von den Symptomen in der SCVD. So sind beispielsweise zu hohe Lagerbestände oft Symptome schlechter Planung (mangelnde Lieferzuverlässigkeit) oder langer Durchlaufzeiten (lange Lieferdurchlaufzeiten). 3. Die Umsetzung identifizierter Maßnahmen erfolgt wiederum im Sinne der Implementierungsreihenfolge. Beispielsweise kann bei zu hohen Lagerbeständen eine Strategie entwickelt werden, welche zuerst die Datenqualität sicherstellt, dann die Vorhersage- und Planungsprozesse verbessert und anschließend die Bestände optimiert. Bei der Erschließung von Verbesserungspotenzialen wird also auf einen Ausschnitt der SCVD fokussiert, werden Zusammenhänge identifiziert, Voraussetzungen geprüft und schließlich konkrete Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet.

5.4.3

Supply Chain Due Dilligence

Die Methodik kann auch dazu genutzt werden, das SCM eines Unternehmens, eines Geschäftsbereiches oder eines Teils davon auf der Basis der SCVD einer Evaluation zu unterziehen. Insbesondere kann so im Sinne einer „Sorgfaltsprüfung“ (Due Dilligence) abgeklärt werden, ob potenzielle Kooperationspartner (Kunden oder Lieferanten) die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im SCM mitbringen und wie allenfalls fehlende Voraussetzungen aufgebaut werden können. Es geht darum, systematisch Stärken und Schwächen im SCM zu identifizieren und zu bewerten. Dazu kann die SCVD als Grundlage dienen: Die SCVD wird systematisch von oben nach unten, also ausgehend von der strategi-

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

343

schen Ebene, jeweils von links nach rechts, also im Sinne der Implementierungsreihenfolge, durchlaufen. Bei den FR-DP-Paaren können jeweils folgende Evaluationsfragen gestellt und beantwortet werden: Ziel (FR): • Wird dieses Ziel verfolgt? Welche Priorität hat es? • Wird dieses Ziel mit Kennzahlen messbar gemacht? Gibt es Vergleichswerte (Benchmarking) und wie fällt ein Vergleich aus? • Wie groß ist das Verbesserungspotenzial? • Wird die Erreichung dieses Ziels systematisch verbessert (Controlling)? • Sind im Sinne der Implementierungsreihenfolge die Voraussetzungen geschaffen, um dieses Ziel zu erreichen? Zeigen sich hier Symptome, deren Ursachen woanders (links in der SCVD) liegen? Mittel (DP): • Welche Mittel (Methoden, SCM-Konzepte, Best Practices) werden eingesetzt, um das zugeordnete Ziel zu erreichen? • Sind diese nach Stand der Theorie und der Praxis (z. B. Lean Production) die am besten geeigneten? Die in der SCVD zugeordneten Methoden, SCM-Konzepte und Best Practices geben Anhaltspunkte. • Gibt es besser geeignete? Ziel-Mittel-Paar (FR-DP): • Welche SCM-Fähigkeiten sind notwendig? Sind sie vorhanden? Können sie allenfalls aufgebaut werden? • Sind Investitionen in Ressourcen (Mitarbeiter, Infrastruktur, Informationstechnologie etc.) notwendig? Untersucht ein Unternehmen sein SCM ausführlich mit diesen Fragen, so gewinnt es einen fundierten Einblick in seine Stärken und Schwächen in Bezug auf SCM. Eine solche Supply Chain Due Dilligence kann im Vorfeld von Kooperationen, Akquisitionen oder Fusionen durchgeführt werden, um Schwachstellen zu identifizieren, die wie in Abs. 5.4.2 beschrieben gezielt verbessert werden können. Diese Evaluation kann auch die „Intelligence“-Phase vertiefen, um dann eine Supply Chain-Strategie zu erarbeiten oder direkt Verbesserungspotenziale zu erschließen.

5.4.4

Supply Chain-Segmentierung

In Abs. 5.3.1 wurde bereits angesprochen, dass eine Supply ChainStrategie nicht für alle Produktgruppen, Kunden oder Lieferanten die

344

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

gleiche sein muss oder soll. In vielen Fällen ist es sinnvoll, die Supply Chain bzw. die Supply Chain-Strategie zu segmentieren. Beispielsweise heißt Kundenorientierung des SCM auch nach Kunden- bzw. Marktsegmenten zu differenzieren, indem die entsprechende Supply Chain auf die Bedürfnisse der Kunden, die sich unter anderem in den Order Qualifiers und Order Winners äußern, anzupassen. Deshalb ist der Grundgedanke der Supply Chain-Segmentierung, dass heterogene Kundenanforderungen in Bezug auf SCM, beispielsweise unterschiedliche Anforderungen bezüglich Liefertreue, Lieferfristen oder Verfügbarkeit, eine unterschiedliche Ausrichtung der SCM-Aktivitäten, d. h. verschiedene Best Practices, Methoden, Prioritäten und letzten Endes unterschiedliche Supply ChainStrategien erfordert. Diese unterschiedlichen Anforderungen müssen sich in unterschiedlichen Prioritäten in der SCVD widerspiegeln, beispielsweise der SCM-Zielbereiche Lieferzuverlässigkeit und Lieferdurchlaufzeit. Unterschiedliche Anforderungen an die Supply Chain können auch aus den Produkteigenschaften wie zum Beispiel Größe, Gewicht oder Haltbarkeit resultieren. Jedoch können selbst dann, wenn es sich um identische Produkte handelt, verschiedene Supply Chains notwendig sein, beispielsweise für das OEM und das Ersatzteilgeschäft mit Endkunden. Segmentierte Supply Chains sind physisch nicht vollständig voneinander getrennt (Standorte, Lager, Kapazitäten etc.), sie sind jedoch strategisch anders ausgerichtet, weil sie unterschiedliche Ziele bzw. strategische Prioritäten verfolgen. Studien zeigen, dass Unternehmen häufiger zu wenig unterschiedliche Supply Chains als zu viele haben. Weiter findet Bestätigung, dass „one size fits all“-Supply Chains und solche, die primär an traditionellen Marktkriterien wie Marktgröße, Geografie, Produkte etc. ausgerichtet sind, in vielen Fällen ungenügend auf Kundenanforderungen eingehen und mit zu hohen Kosten verbunden sind, also mangelnde Effektivität und Effizienz aufweisen. Heterogene Anforderungen können Risken wie erhöhte Komplexität, höhere Kosten, geringere Synergien, organisatorische Probleme etc. verursachen. Diese Risiken können jedoch durch eine gezielte Segmentierung tief gehalten werden. Insbesondere wenn Servicedienstleistungen durch in der Supply Chain erbracht werden, ist häufig eine klare Segmentierung aus Effizienzgründen zwingend. Beispielsweise führt eine kombinierte Erbringung logistischer Serviceleistung zusammen mit reinem Versandhandel meist zu Ineffizienzen in beiden Prozessen. Die Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien kann auch für eine Supply Chain-Segmentierung genutzt werden:

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

345

1. „Intelligence“-Phase: Die Schritte werden mit Ziel und Schwerpunkt absolviert, um Unterschiede zu identifizieren. Unterschiede in den Kundenanforderungen können anhand der Order Qualifiers und Order Winners (Schritt 1) erkannt sowie aus den Produkteigenschaften (Größe, Gewicht, Haltbarkeit etc.) abgeleitet werden. Diese können unterschiedlichen Stärken und Schwächen des Unternehmens zugrunde liegen (Schritt 2). Unterschiede im Unternehmensumfeld (Lieferanten, Kunden, Risiken etc.) können in Schritt 3 herausgearbeitet werden. Anhand dieser Kriterien können Segmente gebildet werden. Dabei handelt es sich um ein Abwägen zwischen einer möglichst umfassenden, einheitlichen Supply Chain (um Skaleneffekte und Synergien zu nutzen) und einer möglichst differenzierten (um spezifisch auf die Anforderungen einzugehen). Wenn zwischen Kundenanforderungen, Produkteigenschaften, Marktsegmenten etc. große Unterschiede in Bezug auf die SCM-Zielbereiche bestehen, kann eine segmentierte Supply Chain Sinn machen. 2. „Design“-Phase: Für die verschiedenen Segmente werden nun unterschiedliche strategische Prioritäten gesetzt (Schritt 5). Oft weisen die Segmente unterschiedliche Grundtypen des Supply Chain Designs auf. Bei der Bildung von Maßnahmenpaketen (Schritt 7) soll darauf geachtet werden, ob Synergiepotenziale zwischen den verschiedenen Segmenten bestehen. 3. „Choice“-/„Implementation/Review“-Phase: Auch bei den Evaluationen, der Vorbereitung der Implementierung sowie beim Aufbau logistischer Erfolgspotenziale sollte zusätzlich auf Synergiepotenziale der Segmente geachtet werden.

5.4.5

Erfolgreich IT einsetzen

Informationstechnologie (IT) und Informationsmanagement (IM) spielen im SCM eine bedeutende Rolle, denn sie können durch Stützung und Automatisierung von Prozessen des Informationsflusses zu allen SCMZielbereichen beitragen. In der SCVD ist dieser Aspekt durch den Produktionsfaktor „Information“ berücksichtigt. Für die erfolgreiche Implementierung von IT und IM gibt die SCVD die Implementierungsreihenfolge vor. An erster Stelle muss die Informationsqualität sichergestellt werden (Qualität FR-Q), denn eine genaue und zuverlässige Planung baut darauf auf. Die Informationen zu Stammdaten wie Stücklisten, Kunden und Lieferanten, Operationsplänen sowie zu Aufträgen müssen zutreffend,

346

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

präzise und zuverlässig sein. Weitere Aspekte der Informationsqualität sind Relevanz, Vollständigkeit, Aktualität, Verständlichkeit und Konsistenz. Dazu können sowohl SCM-Software und ERP-Systeme als auch Data Warehouses etc. beitragen. Im SCM-Zielbereich Lieferzuverlässigkeit (FR-R) sind Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Planung Ziele in Bezug auf Information. Diese bauen auf Informationsqualität. Die Lieferzuverlässigkeit kann weiter durch die Gewährleistung der Verfügbarkeit der Informationen verbessert werden. Auch können hierzu Supply Chain Event Management-Systeme eingesetzt werden, die Zustände (Lagerbestände, Engpässe etc.) in der Supply Chain überwachen und alarmieren. IT kann durch Automatisierung maßgeblich dazu beitragen, Durchlaufzeiten des Informationsflusses zu reduzieren und damit die Lieferdurchlaufzeit (FR-L) zu verbessern. Insbesondere spielt der rasche Informationsaustausch mit Kunden und Lieferanten eine wichtige Rolle. Verschiedene SCM-Konzepte und Best Practices bedingen zudem eine IT-Stützung, beispielsweise VMI, ECR, CPFR etc. Auch im SCM-Zielbereich Flexibilität (FR-F) spielen IT und IM eine Rolle. Wenn die IT und das IM nicht an Veränderungen in der Supply Chain und im SCM angepasst werden können, kann dies zu einer inflexiblen Supply Chain führen. Die Flexibilität betrifft hier die Möglichkeit, IT und Informationssysteme an geänderte Informationsbedürfnisse anzupassen. Geänderte Informationsbedürfnisse können zum Beispiel aus neuen Vorschriften zur Datenhaltung oder Rückverfolgbarkeit oder auch aus Prozessanpassungen resultieren. Im SCM-Zielbereich Investitionen ins Umlauf- und Anlagevermögen (FR-A) kann IT insbesondere dazu beitragen, den sog. Bullwhip-Effekt (kleine Veränderungen in der Nachfrage verstärken sich zu großen Bedarfs- und Bestandsschwankungen entlang der Supply Chain) zu reduzieren, indem Informationen über Nachfrage, Lagerbestände, Kapazitäten etc. rasch entlang der Supply Chain ausgetauscht werden, denn eine der Hauptursachen für den Bullwhip-Effekt liegt in der langen Durchlaufzeit des Informationsflusses. Mit einem IT-gestützten Supply Chain Monitoring können automatisch Zustände der Supply Chain überwacht und beispielsweise Lieferengpässe frühzeitig erkannt werden. Bezüglich der operationellen Kosten (FR-C) wirken sich IT und IM vor allem auf die Kosten der Informationsflussprozesse aus, genauer: auf die Kosten mit der Handhabung, Verarbeitung, Speicherung und dem Austausch von Informationen. In der Beschaffung können e-Procurement und IT-gestütztes Supplier Relationship Management Kosten für Offertabgabe, Auftragsabwicklung und Lieferantenmanagement rationalisiert werden, indem die mit Informationen verbunden Transaktionskosten

5.4 Anwendungsmöglichkeiten der Methodik

347

reduziert werden können. Identifikationstechnologien (wie Barcodes, RFID, Tracking & Tracing) können zudem auch noch Kosten des Materialflusses senken. In der Produktion betreffen Kosten der Informationsflussprozesse insbesondere solche, die durch Vorhersage, Planung und Steuerung sowie durch Komplexität der Produkte und Prozesse verursacht werden. Hierzu können SCM-Software und ERP-Systeme sowie Computer Integrated Manufacturing (CIM) eingesetzt werden. IT-gestützte Konfigurationssysteme können helfen, Komplexitätskosten bei hoher Anzahl an Produktvarianten, insbesondere bei Mass Customization, im Griff zu behalten. Im Vertrieb können mithilfe von IT und IM Transaktionskosten von Informationen in der Auftragsabwicklung rationalisiert werden, indem Konzepte des e-Commerce und Customer Relationship Management sowie Identifikationstechnologien, elektronische Zahlungsabwicklung etc. eingesetzt werden. IT und IM können also zu allen SCM-Zielbereichen beitragen. Auch hier ist wiederum die Implementierungsreihenfolge entscheidend, so muss an erster Stelle die Informationsqualität und dann die Verfügbarkeit sichergestellt werden, so kann eine zuverlässigere Planung ermöglicht werden. Durch eine effiziente Verarbeitung und raschen Austausch sowie Automatisierung der Auftragsabwicklung kann weiterer Nutzen geschaffen werden.

5.4.6

Ausblick: Nachhaltige Unternehmensentwicklung

Wie in Abs. 5.1.4 dargestellt, wird durch die Implementierungsreihenfolge und den Aufbau logistischer Erfolgspotenziale die Nachhaltigkeit der Supply Chain-Strategie unterstützt. Dies kann zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung genutzt werden, wenn die strategischen Prioritäten über einen längeren Zeitraum entsprechend der Implementierungsreihenfolge definiert und angepasst werden. Dies bedeutet, das normative und strategische SCM langfristig über den Lebenszyklus des Produkts, der Wertschöpfungskette oder gar des Unternehmens im Sinn der Implementierungsreihenfolge auszurichten. In einer frühen, durch Wachstum geprägten Phase wird zuerst eine Wachstumsstrategie verfolgt mit der strategischen Priorität Qualität (und damit auch Innovationen), um sich im Markt zu etablieren und Marktanteile zu sichern. Mit zunehmender Reife wird Kundenorientierung als generische Strategie verfolgt; damit verlagern sich die strategischen Prioritäten auf Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität. In der Reifephase wird darauf die generische Strategie in

348

5 Strategieorientierung: Strategisches SCM

Richtung der Zielbereiche Umlauf- und Anlagevermögen sowie operationelle Kosten verschoben, das heißt, eine Strategie der Rentabilität, Produktivität, Effizienz, Rationalisierung, Liquidität verfolgt. Der Computerhersteller Dell hat beispielsweise in seinen frühen Jahren eine konsequente Wachstumsstrategie, gestützt auf aggressive Preise, verfolgt und in den 1990er Jahren die Strategie geändert, indem in erster Linie Liquidität, an zweiter Stelle Rentabilität und schließlich Wachstum als Prioritäten verfolgt wurden (vgl. Abs. 5.2.4).

Quellen und weiterführende Literatur Andrews, K.A.: The concept of corporate strategy. In: Mintzberg, H.; Lampel, J.; Quinn, J.H.; Ghoshal, S. (eds.): The strategy process – concepts, contexts, cases. 2nd European ed., Harlow (UK) (etc.): Person Education, 2003, pp. 72–79. Brockhaus: Brockhaus – die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Studienausgabe, 20., überarb. u. aktual. Aufl., Leipzig: F.A. Brockhaus, 2001. Chopra, S.; Meindl, P.: Supply chain management – Strategy, planning, operation. 2nd ed., international ed. Upper Saddle River (NJ): Prentice-Hall, 2004. Cigolini, R.; Cozzi, M.; Perona, M.: A new framework for supply chain management – conceptual model and empirical test. In: International Journal of Operations & Production Management, 2004, Vol. 24, No. 1, pp. 7–41. Cohen, S.; Roussel, J.: Strategisches Supply Chain Management. Berlin (etc.): Springer, 2006. Colley, J.R; Doyle, J.; Hardie, R.D.: Corporate strategy. New York (NY) (etc.): McGraw-Hill, 2001. Corsten, D.; Gabriel, Chr.: Supply Chain Management erfolgreich umsetzen – Grundlagen, Realisierung und Fallstudien. 2., verb. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2004. Dell, M. (Fredmann, C. (Mitarb.)): Direkt von Dell – Die Erfolgsstrategie eines Branchenrevolutionärs. München (etc.): Piper, 1999. Geimer, H.; Becker, T.: Supply Chain-Strategien. In: Lawrenz, O.; Hildebrand, K.; Nenninger, M.; Hillek, Th.: Supply Chain Management – Konzepte, Erfahrungsberichte und Strategien auf dem Weg zu digitalen Wertschöpfungsnetzen. 2., überarb. u. erw. Aufl., Braunschweig (etc.): Vieweg, 2001, S. 19–37. Göpfert, I.: Einführung, Abgrenzung und Weiterentwicklung des Supply Chain Managements. In: Busch, A.; Dangelmaier, W. (Hrsg.): Integriertes Supply Chain Management – Theorie und Praxis effektiver unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse. Wiesbaden: Gabler, 2002, S. 25–44. Hieber, R.: Supply chain management – a collaborative performance measurement approach. Zürich: vdf, 2002. Hill, T.: Manufacturing strategy – test and cases. Boston (MA) (etc.): Irwin, 1989.

Quellen und weiterführende Literatur

349

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6

Fallstudien

Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch thun. Johann Wolfgang von Goethe

6.1

Einleitung

In diesem Kapitel werden drei Fallstudien vorgestellt. Die ersten beiden Fallstudien illustrieren Benchmarking und Performance Management bei zwei Unternehmen, bei Sennheiser electronic und bei Sigpack Systems. Die Fallstudie III zeigt die Anwendung der SCVD für die Ableitung von Maßnahmen bei Sennheiser electronic. Die vorliegenden Fallstudien wurden im Rahmen der Dissertationen der Autoren erarbeitet und zeigen, wie die beschriebene Methodik zur Identifizierung von Kennzahlen und Benchmarkingpartnern und zur Definition einer Supply ChainStrategie in der Praxis angewandt wurde. Zunächst: Wer ist das Unternehmen und was sind dessen Herausforderungen im SCM? Das Unternehmen Sennheiser electronic GmbH & Co. KG mit Sitz in der Wedemark bei Hannover ist ein weltweit führender Anbieter von Produkten und Komplettlösungen in den Bereichen Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe von Ton: Mikrofone, Kopfhörer, drahtlose Mikrofonsysteme, Konferenz- und Besucherführungssysteme, Übertragungssysteme sowie Lösungen für Schwerhörige und für die Luftfahrt. Die Kunden- und Marktanforderungen sind teilweise recht unterschiedlich; beispielsweise sind bei den professionellen Systemen eine sehr hohe Qualität und ein guter Service zu den Produkten gefragt, während das Kopfhörergeschäft oder die günstigen Mikrofone eine schnelle Lieferung und tiefe Preise erfordern. Mit rund 1700 Mitarbeitern wurde im Jahr 2006 mit 1852 Mitarbeitern ein Umsatz von 356 Mio. EUR erwirtschaftet. Dies stellt ein Umsatzwachstum von 18.7% gegenüber dem Vorjahr und 78% seit dem Jahr 2000 dar.

352

6 Fallstudien

Sennheiser produziert an insgesamt vier Standorten in Deutschland, Irland und den USA. 80% des Umsatzes wurde im Ausland erzielt und 30% in USD fakturiert. Die ungünstige Wechselkursentwicklung beeinflusste sowohl den Umsatz als auch den Ertrag, weshalb langfristig angestrebt wird, Beschaffung und Produktion entsprechend geografisch zu diversifizieren, so dass Einkaufsvolumen und Verkaufsvolumen bezüglich den Währungen ungefähr übereinstimmen und so eine gewisse Unabhängigkeit von Währungsschwankungen erreicht wird. Eine besondere Herausforderung stellen die hohen Volatilitäten der Märkte der Endverbraucher (Consumer Products) dar. Dies betrifft die Kopfhörer und preiswerte Mikrofone. Bei den Kopfhörern sind vor allem der Trend zu tragbaren Audiogeräten (MP3-Player, Apple iPod etc.) und die damit einhergehenden modischen und funktionalen Anforderungen sowie das ausgeprägte Weihnachtsgeschäft, das rund 60% des Umsatzes ausmacht, ausschlaggebend. Aber auch das Geschäft mit drahtlosen Mikrofonssystemen, beispielsweise für Fernsehshows und Konzerte und mit professionellen Studiomikrofonen ist volatil. Der Grund dafür ist die Wirtschaftskonjunktur, weil solche Investitionen in der Regel von größerem Umfang sind. Die Bestände (Vorräte an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, unfertige Erzeugnisse sowie fertige Erzeugnisse und Waren) werden mittel- und langfristig als zu hoch erachtet: In der Vergangenheit betrug das Verhältnis der Bestände zu Umsatz rund 25%, d. h. der Lagerumschlag lag bei vier. Es wurden bereits Maßnahmen zur Lagerbestandsreduzierung ergriffen, welche die Bestände auf 20% des Umsatzes senken konnten. Doch es wird hier noch Handlungsbedarf vermutet. Die erste Fallstudie (Abs. 6.2) zeigt nun auf, wie das Problem durch Performance Management und Benchmarking angepackt werden kann. Es werden für den Geschäftsbereich Kopfhörer Kennzahlen identifiziert und gemessen. Wie gut ist die logistische Leistung? Sind die Bestände wirklich zu hoch? Gibt es Potenziale? Um diese Fragen beantworten zu können, wird zuerst in einer zweiten Fallstudie ein Unternehmen, das hinsichtlich der logistischen Herausforderungen vergleichbar ist, analysiert (Abs. 6.3) und dann ein Benchmarking durchgeführt (Abs. 6.4). In der Fallstudie III wird das Problem der hohen Lagerbestände stellvertretend im Geschäftsbereich Drahtlosmikrofone mithilfe der SCVD angegangen (Abs. 6.5). Dabei werden eine Supply Chain-Strategie definiert und Maßnahmenpakete abgeleitet. Die ersten beiden Fallstudien beziehen sich also auf das operationelle Supply Chain Controlling, die dritte Fallstudie auf das strategische (vgl. Abb. 122).

6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic

353

Abb. 122 Strategisches und operationelles Supply Chain Controlling: Positionierung der Fallstudien

In den beiden Benchmarking-Fallstudien werden die Ergebnisse (Leistungsmessung mithilfe von Kennzahlen) erfasst und verglichen (operationelles Supply Chain Controlling). In der dritten Fallstudie (Anwendung SCVD) werden zuerst eine zielorientierte Supply Chain-Strategie formuliert und Maßnahmenpakete abgeleitet (strategisches Supply Chain Controlling). Dies ist dann notwendig, wenn das operationelle Supply Chain Controlling nicht mehr ausreicht, d. h. die Ziele und Mittel überprüft und angepasst werden müssen, beispielsweise weil sich das Unternehmensumfeld (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber etc.) verändert hat.

6.2

Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic

Mit dem in diesem Buch vorgestellten Ansatz ist es nun möglich, eine bestimmte Supply Chain in dem Unternehmen zu identifizieren und diese mit Hilfe der Merkmale zu beschreiben. So kann dieser Produkt/Marktbereich separat von den anderen Produktsparten analysiert und in einem Benchmarking verglichen werden. Wichtig ist dabei zu kontrollieren, ob die gewählte Supply Chain über die meisten Wertschöpfungsstufen einigermaßen autark agieren kann und nicht durch andere Produktlinien, welche stark abweichende Anforderungen haben, beeinflusst wird. Für das gewählte Beispiel haben wir uns die Supply Chain der Consumer Products, welche sich hauptsächlich mit der Fertigung von Kopfhörern befasst, ausgesucht. Im Produktionswerk in Irland

354

6 Fallstudien

(Tullamore) werden die Produkte gefertigt und ausgeliefert. Die Produktmerkmale sind wie folgt:

Abb. 123 Produktmerkmale der Kopfhörer von Sennheiser Ireland Ltd.

Die mittelgroßen Produkte liegen preislich je nach Variante zwischen 60 und 400 Euro. Sie werden aus unterschiedlichen Kunststoff- und Elektronikteilen und Modulen (Wandler) zusammengebaut, wobei letztere zum Teil in identischer Form in unterschiedliche Produktvarianten einfließen. Die Orientierung der Produktstruktur ist daher konvergent mit einzelnen divergierenden Fertigungsschritten. Das Unternehmen produziert in Irland ca. 750'000 Kopfhörer jährlich; das durchschnittliche Alter eines Produktes beträgt drei Jahre. Nach drei bis fünf Jahren ist eine Produktfamilie vollständig durch eine neue Generation von Kopfhörern ersetzt. Der Materialkostenanteil von Teilen ist relativ hoch, da es sich bei der Produktionsstätte in Irland weitgehend um ein Montagewerk handelt. Lediglich die oben erwähnten Wandler (Minilautsprecher für Kopfhörer) werden vollständig aus Rohmaterial produziert. Der direkte Markt für die Kopfhörer Supply Chain besteht weitgehend aus den weltweit verteilten Tochtergesellschaften und Vertragshändlern. Sennheiser Irland muss zur Pufferung von Verbrauchsschwankungen und Vorhersageungenauigkeiten ein Zwischenlager für alle 250 Produktvarianten halten, da Wiederbeschaffungsfrist oftmals über der von Kunden zugestandenen Lieferfrist liegt. Zusätzlich ist eine relativ schnelle und besonders pünktliche Lieferung gefordert, was die Reduzierung von Schwankungen in allen Prozessen zu einem wichtigen Optimierungskri-

6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic

355

Abb. 124 Marktmerkmale für den Absatz der Kopfhörer von Sennheiser Ireland Ltd.

terium macht. Fast alle Produkte haben stark saisonal schwankende Bedarfe, nicht selten ist die benötigte Kapazität im September um ca. 100% höher als jene im Juli. Der Kapazitätsbedarf ist durch den sich wiederholenden saisonalen Verlauf relativ einfach vorherzusehen. Dennoch kann das Unternehmen nicht in großem Maße auf Vorrat produzieren, da die spezifische Produktvariante erst sehr zeitnah zum Bedarfstermin geordert wird. Baugruppen und variantenunspezifische Module zu lagern erhöht daher die Reaktivität des Unternehmens und beinhaltet ein geringeres Risiko als die Lagerung von Fertigprodukten. Die vollständige Liste der Merkmale und ihren Ausprägungen ist in Abbildung 124 ersichtlich. Da das Produkt in einem vordefinierten begrenzten Spektrum von Varianten angeboten wird, sind kundenspezifische Änderungen der Variante nicht möglich. Änderungen der Bestellung auf eine andere der vorhandenen Varianten sind allerdings möglich. Kundenbestellungen müssen in der Regel innerhalb von drei Wochen ausgeliefert sein. Dem gegenüber stehen Durchlaufzeiten, die je nach Produktvariante und Bestellmenge bei über drei Monaten liegen können; dies führt zu stochastischer, auf einer Vorhersage basierender Materialdisposition. Die beiden oben ausgeführten Merkmalsgruppen erfordern gewisse infrastrukturelle Voraussetzungen, welche sich in den Produktionsmerkmalen wieder finden sollten. Die vorhersehbare Schwankung der Bedarfe resultiert beispielsweise in einer hohen quantitativen Flexibilität

356

6 Fallstudien

Abb. 125 Produktionsmerkmale zur Herstellung von Kopfhörern bei Sennheiser Ireland Ltd.

der Ressourcen, damit im Sommer eine wirtschaftlich vertretbare Reduzierung der Produktion und im Herbst vor dem Weihnachtsgeschäft eine massive Erhöhung erreicht werden kann. Die Schwankungsbreite zwischen den Aufträgen ist sogar noch größer und kann von 10 Stück bis 15000 Stück der gleichen Variante reichen. Das Produktionslayout zur Montage der Kopfhörer liegt zwischen Werkstattproduktion und einer unterbrochenen Linienfertigung. Für einige Produktionsschritte, insbesondere Testprozesse, werden bestimmte Kapazitäten benötigt, welche außerhalb der Montagelinie stehen. Die Fertigung der elektroakustischen Wandler ist von der Endmontage durch ein Pufferlager entkoppelt, was letztlich eine kundenauftragsbezogene Endmontage jeder Produktvariante ermöglicht (Assemble-to-Order). Die Produktion ist somit dominiert von manuellen Montagetätigkeiten, deren Komponenten zum Teil selbst hergestellt werden (Wandler), aus anderen Sennheiser Werken angeliefert werden (Elektronikkomponenten) oder von Lieferanten aus Europa und Asien stammen (Kunststoffteile). Die sich daraus ergebenden zum Teil langen Lieferzeiten bedingen Pufferlager auf Komponentenebene, um bei Auftragseingang umgehend das benötigte Los produzieren zu können. Der logistische Fingerabdruck der Kopfhörersparte von Sennheiser, welcher durch die drei vorhergehenden Abbildungen dargestellt ist, stimmt zu 100% mit den Merkmalswerten des Unternehmenstyps MTO2 überein. Zusätzlich wurden die Merkmale von den verantwortlichen Personen in Irland als sehr aussagekräftig bewertet und charakterisieren die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens sehr gut. Mit der Zuordnung zum Typ MTO2 wurden die Ziele Flexibilität, Zuverlässigkeit und an dritter Stelle Kosten vorgeschlagen. Dieser Fokus bestätigte eine

6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic

357

latent im Unternehmen aber nicht explizit ausgesprochene Einschätzung, dass der Flexibilität eine sehr hohe Bedeutung zur Erreichung der Marktanforderungen zukommt. Nach Einschätzung des Geschäftsführers und den verantwortlichen Logistikmanagern wurde die Zielpriorität als gut geeignet zur Gewichtung der Kennzahlen befunden. In den vorgeschlagenen Kennzahlen spiegeln sich dann auch die Ziele in Form von Leistungskennzahlen zur Messung der Zielerreichung und Leistungstreibern, als wichtige Unterstützer, wider (vgl. Abb. 126).

Abb. 126 Vorgeschlagene Leistungskennzahlen für Sennheiser Ireland Ltd.

358

6 Fallstudien

Die Kennzahlen sind nun in zweierlei Hinsicht verwendbar. In einem ersten Schritt gilt es die maßgeblichen Werte zu erheben und deren Wert als absolute Zahlen zu bewerten. Im zweiten Schritt kann ein Vergleich mit einem anderen Unternehmen des gleichen Typs in Form eines Benchmarkings angestrebt werden. Bei der genaueren Durchsicht der vorgeschlagenen Kennzahlen wurden einige als nicht anwendbar identifiziert. Die Varianz der Arbeitsgangdauer ist beispielsweise nur bedingt relevant, da die einzelnen Produktionsschritte durch kleine Zwischenlager entkoppelt sind und sich die Problematik stark ansteigender Warteschlangen nicht stellt. In anderen Bereichen begrenzt das Kanban Konzepte als Produktionsfreigabemethode die Ware in Arbeit. Die Kennzahl Lieferantenauswahldurchlaufzeit oder Lieferantenqualifizierungsdurchlaufzeit sind für die Supply Chain in Irland nicht zu beeinflussen, da die Auswahl und Qualifizierung von Lieferanten weitgehend vom strategischen Einkauf des Mutterhauses in Deutschland erledigt wird. Nichtsdestoweniger kann diese Kennzahl erhoben werden und ggf. ein Zielwert für diese Kennzahl beim Mutterhaus eingefordert werden. Der Vergleich der vorgeschlagenen Kennzahlen mit den bereits im Unternehmen vorhandenen Kennwerten teilte die Kennzahlen in drei unterschiedliche Klassen. 1: Anwendbar und bereits gemessen • • • • • • • • • • •

Auslastung der Kapazitäten Lagerbestandsreichweite Echte DLZ / theoretische DLZ Durchführungszeitanteil Bestandsreichweite von Fertigprodukten Bestandsreichweite von Ware in Arbeit Bestandsreichweite von Rohmaterial Lieferbereitschaftsgrad Umsatz Total DLZ Lieferzuverlässigkeit

85% 70 Tage 13.4 7.5% 18 Tage 15 Tage 37 Tage 77% 50.7 Mio. € 22 Tage 86%

2: Anwendbar und noch nicht systematisch gemessen • Rahmenvertragsquote • Perfekte Auftragserfüllung • Durchlaufzeitabweichung

6.2 Fallstudie I: Benchmarking bei Sennheiser electronic

359

• Fehlerfreie Auftragserfüllung • Verfügbarkeit zum Starttermin • Lieferantenlieferzuverlässigkeit 3: Nicht anwendbar • Varianz der Arbeitsgangdauer • Lieferantenqualifizierungsdurchlaufzeit • Lieferantenauswahldurchlaufzeit Für jene Kennzahlen, welche zwar anwendbar jedoch nicht gemessen sind, kommen zwei Begründungen in Frage. Im häufigsten Fall wurde die Kennzahl zwar als relevant erkannt, deren Messung wird allerdings durch technologische Restriktionen, beispielsweise ungenügende Datenverfügbarkeit, verhindert. Mit der Umstellung des Produktionsplanungssystem von Forth shift zu Peoplesoft Enterprise One entfallen die meisten dieser technologischen Restriktionen. Es ist daher eine weit bessere Möglichkeit der Kennzahlerfassung absehbar. Im zweiten Fall wurden Kennzahlen genannte, deren Messung bisher noch nicht zur Diskussion stand, da die Verbindung zu den Unternehmenszielen nicht klar erkennbar war. Die Kennzahl Verfügbarkeit zum Starttermin fällt darunter, ebenso die Rahmenvertragsquote. Durch die Anwendung der Methodik wurde die vorhandene Vorstellung von der zu erbringenden logistischen Leistung und der damit verbundenen Messung von Kennzahlen grundlegend hinterfragt. Es konnten einige Vermutungen substantiiert und zusätzlich weitere Leistungstreiber identifiziert werden. Die SCVD wurde allerseits, als Kommunikationsmittel zur Verständigung über die Notwendigkeit von Maßnahmen in bestimmten Bereichen geschätzt und half dem Unternehmen, ein Verständnis über die Logik einer Unternehmenslogistik auf einer breiteren Mitarbeiterbasis abzustützen. Als weiterführende Maßnahmen wurden Versorgungsstrategien entwickelt, die lokale Lieferanten für Komponenten stärker in den Fokus rückten, um die Reaktivität der Supply Chain zu erhöhen. Ebenso wurde die Autonomie der Beschaffung des Werkes erhöht, um die Verantwortung der Rohmaterial und Halbfabrikatedisposition in die Hände der Personen zu geben, die auf die Verfügbarkeit angewiesen sind. Mit den erwähnten Maßnahmen war es möglich, binnen Jahresfrist die Bestände um ca. 30% zu senken, während der Lieferbereitschaftsgrad auf über 90% stieg.

360

6.3

6 Fallstudien

Fallstudie II: Benchmarking bei Sigpack Systems

Die SIG Holding in Schaffhausen (Schweiz) ist die Muttergesellschaft der drei Unternehmen SIG Combiblock, SIG Beverages und der kürzlich an Bosch verkauften Sigpack. Die Anwendung der in diesem Buch skizzierten Methodik entstand noch während der Zeit, als die Sigpack in der Hand der Muttergesellschaft SIG Holding war. Die Sigpack produziert Verpackungsmaschinen für Lebensmittel und andere Consumer Goods. Die Anlagen reichen von der Verpackung in Schlauchbeutelverpackungen (Müsliriegel) über Beutelverpackungen von Schüttgut (Kaffee) bis hin zu pharmazeutischen Produkten in Filmpackungen. Für diese Fallstudie ist die Supply Chain einer Schlauchbeutelverpackungsmaschine exemplarisch ausgewählt worden, obgleich die anderen Anlagen weitgehend ähnliche Produkt, Markt und Produktionsmerkmale haben. Die Betreiber der Anlagen sind in de Regel diejenigen, die auch das zu verpackende Produkt herstellen. Eine Maschine von Sigpack ist daher meist in den Prozessfluss des Kunden vollständig eingebunden und mit kundenspezifischen Schnittstellen und Konfigurationen ausgestattet. Die Anforderungen an die Maschine sei mit einem kleinen Exkurs in die in die Welt der Verpackungsanlagen illustriert. Abhängig davon, ob ein Kunde Schokoladenriegel, Waschmitteltabs oder Kekse verpacken will muss die Zuführung entsprechend gestaltet sein, um einen absolut reibungslosen Verpackungsprozess zu garantieren. Die Frequenz, mit der die Produkte aus den vorhergehenden Prozessstufen zugeführt werden, übersteigt beispielsweise die Schussfrequenz jedes normalen automatischen Gewehrs. Bei einem Ausfall der Verpackungsanlage würden daher bis zu 1200 Produkte pro Minute (20 Stück/sec) verschrottet werden müssen, wenn die ganze Anlage nicht angehalten wird. Bei Backprozessen, wie es bei Keksen der Fall ist, ist es nicht möglich diesen Prozess anzuhalten, da sie sonst im Ofen verbrennen. Ähnlich wie bei anderen wärmebehandelten Produkten wie Schokolade ist es nicht möglich einfach die Produktion zu stoppen, ohne dabei den vollständigen Verlust aller Produkte im Prozess in Kauf zu nehmen. Die Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit und perfekter Kundenorientierung bei gleichzeitigem Kostendruck stellen die Sigpack vor große Herausforderungen. Trotz der detaillierten Spezifikation der Maschine durch den Kunden basieren die Anlagen auf einer Standardmaschine, welche dann kundenspezifisch mit Hilfe von bis zu 800 Merkmalen parametrisiert wird. Für die Firma Sigpack trifft der in Abb. 98 illustrierte Fall der kundenspezifischen Entwicklung, parallel zur Make-to-Order-Produktion, zu. Die Produktmerkmale mit ihren Ausprägungen sind in Abb. 127 ersichtlich.

6.3 Fallstudie II: Benchmarking bei Sigpack Systems

361

Abb. 127 Produktmerkmale der Maschinen von Sigpack Systems

Aufgrund der kundenspezifischen Anforderungen an die Schnittstellen der Anlage ist die Anzahl der möglichen Varianten sehr groß. Die jährlichen Verkaufszahlen lagen in der Vergangenheit bei ca. 250 Maschinen. Das Hauptaugenmerk des Kunden liegt auf der einwandfreien Qualität der Anlage und der pünktlichen Lieferung, da mit jeder Lieferverzögerung die Inbetriebnahme der gesamten Produktion beim Kunden potenziell verzögert wird. An der oben gegeben Argumentation wird klar ersichtlich, warum ein Ausfall der Maschine weit höhere Kosten nach sich ziehen würde als die Reparaturkosten. Abbildung 128 zeigt die Marktmerkmale. Häufig werden größere Produktionsanlagen bei einem Neubau geplant, was zur gleichzeitigen Bestellung mehrere Anlagen führt. Dieser blockweise Bedarfsverlauf ist nicht gut vorherzusagen, da es keine typische Saisonalität oder ähnliche Anhaltspunkte gibt. Die Sigpack ist daher mit einem stark schwankenden Bedarf konfrontiert. Als Reaktion darauf hat sie Sigpack einige Prozessschritte ausgegliedert und hat mit diesem Lieferanten vertraglich bindende Abnahmevereinbarungen über die zu liefernden Module getroffen. Des Weiteren werden einige Grundelemente mit besonders langer Wiederbeschaffungszeit, wie der Rahmen der Anlage kundenauftragsanonym vorgefertigt um so die Produktionszeit der ganzen Anlage wettbewerbsfähiger zu machen. Dennoch ändern mit der Planung und Fertigstellung der Produktion beim Kunden häufig noch Spezifikationen. Diesen zum Teil sehr spät eintreffenden Änderungen

362

6 Fallstudien

Abb. 128 Marktmerkmale für den Absatz der Maschinen von Sigpack Systems

muss in der Regel zu 100% entsprochen werden, was die Produktion zu einer reinen Make-to-Order-Produktion macht. Die physische Produktionsinfrastruktur der Sigpack ist maßgeblich von der internen Werkstattproduktion für kritische Metallteile dominiert. Das zweite typische Produktionslayout ist der Montagebereich, wo die Maschinen an einem Ort stehend zusammengebaut werden. Für die Montage ist die zeitgerechte Zulieferung aller Stücklistenpositionen von Bedeutung, um eine verzögerungsfreie Montage der kapitalintensiven Maschinen zu garantieren. Um die Zulieferung der Komponenten sicherzustellen ist eine mittlere qualitative Flexibilität der Ressourcen bzw. der Zulieferer wichtig. Zu diesem Zweck pflegt die Sigpack bis zu fünf unterschiedliche Zulieferkanäle für ein bestimmtes Teil. Je nach zugestandener Lieferfrist kann die interne Produktion angestoßen werden, oder, bei mehr als sechs Wochen Lieferfrist, das Teil zu einem Viertel der Kosten in Ungarn gefertigt werden. Wann immer möglich, liegt die erste Priorität auf der kostengünstigen Beschaffung, nichtsdestotrotz müssen gewisse Teile aufgrund technologischer Restriktionen im eigenen Werk in der Schweiz produziert werden. In der Abbildung 129 sind die Produktionsmerkmale der Sigpack in Beringen vollständig aufgelistet.

6.3 Fallstudie II: Benchmarking bei Sigpack Systems

363

Abb. 129 Produktionsmerkmale zur Herstellung der Maschinen von Sigpack

Die Vereinigungsmenge der drei Merkmalsbereiche Produkt, Markt und Produktion lässt die eindeutige Zuordnung der Sigpack zum Typ MTO2 mit einer Übereinstimmungsrate von 83% zu. Gemäß der Einschätzung des Unternehmens beschreiben die Merkmale die spezifischen Herausforderungen der Sigpack angemessen. Der Fokus des Typs MTO2 liegt auf den drei Zielen Flexibilität, Zuverlässigkeit und Kosten. Die Leistungskenngrößen, welche dieser Kombination von Zielen zugeordnet sind, sind analog denjenigen von der Consumer Goods Supply Chain von Sennheiser und sind in der Abb. 130 ersichtlich. Ein Vergleich der vorgeschlagenen Kennzahlen mit jenen des internen Controlling und Monitoringsystems zeigte, dass bereits relativ viele Kennzahlen, die als wichtig vorgeschlagen worden sind, bereits gemessen werden. Einige, wie die Kapazitätsauslastung oder die Liefertreue der Lieferanten stimmen sogar tagesgenau. Analog zur Fallstudie von Sennheiser wurden die Kennzahlen in drei Gruppen unterteilt: 1: Anwendbar und bereits gemessen • • • • • • • • •

Rahmenvertragsquote Auslastung der Kapazitäten Lieferzuverlässigkeit Fehlerfreie Auftragserfüllung Lieferantenlieferzuverlässigkeit Lagerbestandsreichweite Totale Durchlaufzeit Bestandsreichweite von Fertigprodukten Umsatz

30% 66% 92% 98.5% 90% 28 Tage 140 Tage 0 Tage 245 Mio €

364

6 Fallstudien

2: Anwendbar aber noch nicht systematisch gemessen • Lieferzeitabweichung • Perfekte Auftragserfüllung

• • • • • •

Für interne Lieferanten wird eine Toleranz von drei Tagen erlaubt, für externe sind es fünf Tage. Aufgrund der projektartigen Auftragsplanung werden Verzögerungen kontinuierlich während des Auftragsfortschritts gemessen. Jeder Auftrag ist in 12 Meilensteine unterteilt, deren Erreichung kontinuierlich überwacht wird. Sind Änderungen des Liefertermins aufgrund von Verspätungen mit dem Kunden ausgehandelt, so wird der alte Liefertermin im SAP-System überschrieben, womit die Messung der Lieferterminabweichung zum Kundenwunschtermin nicht mehr möglich ist.

Lieferbereitschaftsgrad Bestandsreichweite von Ware in Arbeit Bestandsreichweite von Rohmaterial Verfügbarkeit zum Starttermin Echte DLZ / theoretische DLZ Durchführungszeitanteil 3: Nicht anwendbar

• Varianz der Arbeitsgangdauer • Lieferantenqualifizierungsdurchlaufzeit • Lieferantenauswahldurchlaufzeit Die verantwortlichen Supply Chain Manager haben die zusätzlich vorgeschlagenen Kennzahlen durchwegs als relevant gewertet. Insbesondere die Kennzahlen, welche noch nicht erfasst werden gaben Anhaltspunkte für eine Erweiterung des existierenden Monitoringsystems; insgesamt muss man aber die eingesetzten Methoden, Softwaretools und auch das im Unternehmen vorhandene Wissen über Kennzahlen und ihre Auswirkungen bei der Sigpack als überdurchschnittlich ausgebildet einschätzen.

6.4 Vergleich der Fallstudien I und II zum Benchmarking

365

Abb. 130 Vorgeschlagene Leistungskennzahlen für Sigpack Systems

6.4

Vergleich der Fallstudien I und II zum Benchmarking

Sennheiser und Sigpack sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Unternehmen, dies scheint vordergründig klar. Die Elektronikindustrie ist eine andere Welt als der Maschinenbau. Einzig die Unternehmensgröße mag auf den ersten Blick vergleichbar sein. Ungeachtet dieser leicht von der

366

6 Fallstudien

Hand gehenden Argumente wurden die beiden Unternehmen vorschlagen, um im Sinne eines Benchmarking voneinander zu lernen. Der logistische Fingerabdruck war der Schlüssel zur Bestimmung der logistischen Vergleichbarkeit und half die oben angebrachten, nur vordergründig korrekten, Argumente zu entkräften. Es zeigte sich, dass die Herausforderungen, vor die die Unternehmenslogistiken gestellt sind, ähnlich sind und somit ein Vergleich durchaus gerechtfertigt ist. Das Benchmarking zeigte eindeutig, dass bei Sennheiser electronic die Bestände im Vergleich zum Benchmarkingpartner Sigpack hoch sind. So beträgt die Lagerbestandsreichweite 70 Tage verglichen mit 28 Tagen bei Sigpack. Trotzdem ist die Lieferzuverlässigkeit mit 86% tiefer als die 92% bei Sigpack. Die hohen Bestände resultieren auch nicht aus längeren Durchlaufzeiten, denn diese sind bei Sennheiser electronic mit 22 Tagen bedeutend geringer als bei Sigpack. Es ist also Handhandlungsbedarf bei den Beständen vorhanden. Ein tieferer Blick in die operationellen Prozesse der beiden Unternehmen substantiiert die Vermutung der Vergleichbarkeit weiter. In beiden Produktstücklisten und Arbeitsplänen sind kritische Pfade zu finden, welche die vom Kunden zugestandene Lieferzeit übersteigen. Für Sigpack sind dies die Stahlrahmen der Anlagen, welche in Ungarn mit einer Lieferzeit von ca. 16 Wochen gefertigt werden. Bei Sennheiser handelt es sich um Kunststoffteile, welche in Asien gefertigt werden und eine Wiederbeschaffungszeit von ca. drei Monaten aufweisen. Für beide Unternehmen sind diese Teile nicht entscheidend für den Produktwert, dennoch würden sie die Durchlaufzeit unangemessen verlängern, wenn sie nicht zum Bedarfszeitpunkt bereits verfügbar sind. Eine kundenauftragsunabhängige Beschaffung und Lagerhaltung dieser Teile ist somit unumgänglich. Wie bereits in Abbildung 98 dargestellt ist dies charakteristisch für Unternehmen des Typs MTO2 und bedingt ein gemischtes Materialmanagement. Stochastisches Materialmanagement kommt somit für Komponenten mit besonders langen Lieferzeiten als einzige Lösung in Frage, während variantespezifische Teile deterministisch oder nach Verbrauch bewirtschaftet werden können. Typische vorgefertigte Module der Sigpack sind elektronische Steuerungen oder Stahlrahmen, Sennheiser bestückt Leiterplatten und produziert Wandler auftragsunabhängig gemäß einer Vorhersage, um die Lieferzeit so kurz wie möglich zu halten. Die Saisonalität des Bedarfs der Kopfhörer und der blockweise Bedarf der Verpackungsanlagen erfordert für beide Unternehmen eine hohe Flexibilität der Produktionsressourcen. Die Sigpack benötigt ca. ein Drittel der Gesamtlieferzeit für die Monate September bis Dezember, bei Sennheiser liegt diese noch wesentlich höher und kann bis zu zwei Drittel

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

367

erreichen. Es ist somit für die zeitgerechte Produktauslieferung für beide von größter Bedeutung, dass die Inputfaktoren (Material, Kapazitäten und Information) zum Bedarfszeitpunkt verfügbar sind. Die gefundenen Gemeinsamkeiten haben gezeigt, dass es durchaus effiziente Möglichkeiten gibt, Benchmarkingpartner aus einer grundsätzlich anderen Branche zu identifizieren und von deren Lösungen zu lernen. Vorausgesetzt ist selbstverständlich, dass eine unabhängige Beschreibungssprache, wie die merkmalsbasierte Beschreibung und die daraus abgeleiteten logistischen Fingerabdrücke gewählt wird. Gleichzeitig kann die hier vorgestellte Methodik helfen korrekte Kennzahlen zu wählen, welche auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten sind.

6.5

Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

6.5.1

Handlungsbedarf

Das Benchmarking im Geschäftsbereich Kopfhörer hat den Handlungsbedarf aufgrund zu hoher Bestände also bestätigt. Ähnlich sieht es für den Geschäftsbereich Drahtlosmikrofone aus, wie interne Analysen ergaben. Die Bestände scheinen in der Tat hoch zu sein. Sie haben aufgrund verschiedener Ursachen im Verlauf des Jahrs 2004 ungeplant massiv zugenommen. Während Sennheiser im Jahr 2003 einen Economic Value Added (EVA) von etwa 7.7 Mio. EUR erwirtschaftet hat, wurde der negative Einfluss dieser Bestandszunahme auf den EVA für das Jahr 2004 auf rund 0.5 Mio. EUR geschätzt. Die Bestände insgesamt haben den EVA um rund 2 Mio. EUR reduziert. (Für die Berechnung des EVA vgl. Abs. 2.1.1). Für die Wertschöpfungskette soll eine Supply Chain-Strategie entwickelt werden mit dem Ziel, die Bestände nachhaltig zu senken, jedoch nicht zu Ungunsten der Kundenzufriedenheit. Die Lagerbestände von Endprodukten machen etwa die Hälfte der Bestände aus. Die Endprodukte werden am Standort der Produktion und bei den Vertriebsgesellschaften gelagert (Mehrfachlagerung). Die Supply Chain-Strategie soll mit der Unternehmensstrategie abgestimmt werden. In der Unternehmensstrategie strebt Sennheiser electronic ein nachhaltiges Umsatzwachstum an, welches auf einer hohen Kundenzufriedenheit dank hoher Qualität basiert. Aus strategischer Sicht stellen sich somit folgende Fragen:

368

6 Fallstudien

• Wie kann sichergestellt werden, dass SCM zum Unternehmenswert beiträgt? • Wo soll gehandelt werden, um die Bestände zu senken? Welche Methoden und Best Practices sollen dazu eingesetzt werden? Und wie kann die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen gewährleistet werden? Der Aufsichtsrat misst SCM eine hohe Bedeutung für den Unternehmenswert bei; er erklärte SCM zu einer der Kernkompetenzen neben der Innovationsfähigkeit. Es wurde eine langfristig angelegte Initiative gestartet mit dem Ziel, logistische Prozesse zu optimieren. Die SCVD soll dabei helfen, die richtigen Hebel zu identifizieren und Verständnis für logistische Zusammenhänge zu schaffen.

6.5.2

Entwicklung und Implementierung der Supply Chain-Strategie

6.5.2.1 „Intelligence“-Phase In der „Intelligence“-Phase werden die Auftrags-Qualifikations- und Auftrags-Zuschlagskriterien identifiziert. Da die Mikrofone der Produktserie „evolution wireless G2“ über den Fachhandel vertrieben werden, spielt die Lieferzuverlässigkeit eine entscheidende Rolle, denn sobald sie nicht vorrätig sind, greifen potenzielle Kunden leicht zu Konkurrenzprodukten. Deshalb ist die Lieferzuverlässigkeit das Order Qualifier (damit Sennheiser wettbewerbsfähig ist). Der Order Winner (damit der Kunde Sennheiser anstelle der Konkurrenz wählt) ist klar die Qualität, für die Sennheiser bekannt ist und die sich von der Konkurrenz abhebt. Die identifizierten Schwächen sind einerseits, wie schon vorgängig klar war, die zu hohen Lagerbestände und andererseits die suboptimale Lieferzuverlässigkeit. Hier waren noch Detailanalysen notwendig (vgl. auch Fallstudien I und II). Als Ziel wird festgelegt, die Bestände auf rund 15% des Umsatzes zu senken. Rund die Hälfte der Bestände machen Fertigprodukte aus, etwa ein Drittel sind Rohmaterialien und eingekaufte Komponenten. Primäre Ursachen für die Zunahme der Lagerbestände waren unter anderem Anlaufschwierigkeiten einer neuen Produktlinie in der Beschaffung und in der Produktion. Trotz der hohen Bestände sind Lieferzuverlässigkeit und -durchlaufzeit gegenüber den Abnehmern (Vertriebsgesellschaften und Großhändler) verbesserungsfähig.

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

369

6.5.2.2 „Design“-Phase In der „Design“-Phase werden aufgrund der identifizierten Herausforderungen und den Ergebnissen der „Intelligence“-Phase für die Supply Chain-Strategie in Übereinstimmung mit der Unternehmensstrategie folgende Ziele festgelegt: Lagerbestände senken und definierten Lieferbereitschaftsgrad dank besserer Lieferzuverlässigkeit einhalten. Die strategischen Prioritäten sind deshalb hohe Lieferzuverlässigkeit und tiefes Umlaufvermögen in Beschaffung, Produktion und Vertrieb; in der SCVD entspricht dies FR-R und FR-AS1, FR-AM1 und FR-AD1. Nun wird großes Gewicht darauf gelegt, die Ursachen der überhöhten Lagerbestände anzugehen und Voraussetzungen für tiefe Lagerbestände zu schaffen: Mithilfe der SCVD werden systematisch die Voraussetzungen für tiefe Lagerbestände analysiert, indem Ziele und Mittel identifiziert werden, welche das Umlaufvermögen beeinflussen. In welchen Zielbereichen liegen mögliche Ursachen für hohe Lagerbestände und gleichzeitig relativ tiefen Lieferbereitschaftsgrad? Diese Frage kann mithilfe der SCVD angegangen werden: • Die Zielbereiche können in der SCVD von links nach rechts dahingehend analysiert werden, ob die Voraussetzungen für tiefe Lagerbestände gegeben sind oder ob allenfalls dort Ursachen für hohe Bestände liegen. • Da Lagerbestände von allen Zielbereichen links in der SCVD, d. h. von Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität beeinflusst werden, sind zu hohe Bestände meist Symptome, deren Ursachen in der suboptimalen Leistung in den anderen Zielbereichen liegen. Die Analysen zeigten, dass die Voraussetzungen betreffend der Qualität FR-Q gegeben sind, d. h. mangelnde Qualität stellt kein Problem dar. Maßnahmen zur Reduzierung der Abweichungen von den Qualitätsanforderungen (DP-Q) beeinflussen die Lieferzuverlässigkeit/FR-R) positiv, so dass diese eine Voraussetzung für eine hohe Lieferzuverlässigkeit darstellen. Beispielsweise können Qualitätsmängel bei zugekauften Teilen dazu führen, dass Kundenaufträge nicht termingerecht erfüllt werden können und damit die Lieferzuverlässigkeit beeinträchtigt wird. Dies ist wie bereits erwähnt dank qualitätssichernden Maßnahmen bei Sennheiser sowohl in der Beschaffung als auch in der Produktion und im Vertrieb gewährleistet. Die Lieferzuverlässigkeit (FR-R) hingegen birgt Verbesserungspotenzial, das erschlossen werden muss. Dies haben Analysen der Kennzahlen Perfect order fulfillment und Lieferbereitschaftsgrad ergeben.

370

6 Fallstudien

Abb. 131 Operationalisierung der Supply Chain-Strategie von Sennheiser

Der größte Einfluss auf die Lagerbestände wurde bei der Lieferzuverlässigkeit ausgemacht, wobei hier in der Beschaffung das größte Verbesserungspotenzial geortet wurde. Deshalb ist die Reduzierung der Terminabweichungen und der Lieferengpässe bei den Lieferanten vorrangig.

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

371

Verbesserungen in den Zielbereichen Lieferdurchlaufzeit (FR-L) und Flexibilität (FR-F) wären möglich, wurden jedoch nicht als dringend erachtet. Die Abb. 131 zeigt den Ausschnitt aus der SCVD, welche die Supply Chain-Strategie von Sennheiser für „evolution wireless G2“ betrifft; die dicken Linien visualisieren die Operationalisierung der strategischen Prioritäten FR-R und FR-A. Als zentrale Voraussetzung für eine nachhaltige Reduzierung der Lagerbestände wird die Lieferzuverlässigkeit, die erste strategische Priorität, identifiziert und zwar in der Beschaffung: Terminabweichungen bei zugekauften Teilen können sich fortpflanzen, so dass Lieferungen von Endprodukten an Kunden verzögert werden können (Lieferzuverlässigkeit im Vertrieb) und müssen allenfalls durch Lagerbestände abgefedert werden, was gerade vermieden werden sollte. Der Fokus bei der Dekomposition der Lieferzuverlässigkeit liegt deshalb bei der Sicherstellung der Zuverlässigkeit der Prozesse und der Verfügbarkeit der Produktionsfaktoren in der Beschaffung (DP-RS21). Es sollten Störungen vermieden werden, deren Ursachen Kapazitäten (hier Lieferanten) und Informationen zugeordnet werden können (FR-RS211 und FR-RS212). Sodann wird das Unterziel, informationsbezogene Störungen zu vermeiden (FR-RS212), priorisiert. Dieses soll primär durch eine zuverlässige Beschaffungsplanung erreicht werden (DP-RS212). Eine zuverlässige Beschaffungsplanung baut auf drei Voraussetzungen auf: Erstens eine hohe Versorgungszuverlässigkeit (DP-RS211), d. h. auf zuverlässige Lieferanten. Die zweite Voraussetzung ist eine hohe Qualität auf Lieferantenseite (DP-QS1), was bei Sennheiser im Allgemeinen sehr gut abgedeckt ist. Allerdings sind Lieferanten, die hohen Qualitätsanforderungen genügen, eher inflexibel und Sennheiser stellt in solchen Fällen oft einen eher kleinen Abnehmer dar; asiatische Lieferanten sind meist sehr flexibel, verursachen aber höheren Mehraufwand bei der Qualitätssicherung. Drittens wird eine Unterstützung der Beschaffung durch Software und Informationstechnologie, um eine hohe Qualität der Planungsdaten (DP-QS2) sicherzustellen, vorausgesetzt. Hier bestehen partielle Verbesserungspotenziale, vor allem in der Informationsqualität. Eine eigentliche Reduzierung der Lagerbestände, die zweite strategische Priorität, kann durch die Optimierung der Bestände an Rohmaterial und Komponenten in der Beschaffung (DP-AS1) erzielt werden. Dazu werden verschiedene Analysen initiiert, welche die aktuelle Bestandssituation im Hinblick auf eine ganzheitliche Optimierung eingehender untersuchen. Die Bestände sollen generell auf eine angemessene Höhe, die noch bestimmt werden muss, abgesenkt werden. Weiter sollen sowohl zyklische Bestände (Bestände, die kontinuierlich abgerufen und

372

6 Fallstudien

periodisch wieder aufgefüllt werden) als auch Sicherheitsbestände mithilfe von Maßnahmen im Rahmen des Bestandsmanagements reduziert werden (FR-AS11 und FR-AS12). Tiefe Sicherheitsbestände setzen, wie erläutert, eine hohe Versorgungszuverlässigkeit (DP-RS211) voraus. Zudem muss der Bullwhip-Effekt eingedämmt werden, d. h. es muss vermieden werden, dass kleine Schwankungen am Ende der Supply Chain (Kundenseite) zu großen Schwankungen an deren Anfang (Lieferanten, Beschaffung) führen. Die eingangs erwähnte Volatilität der Kundennachfrage, die sich in einer Bandbreite von rund ±200% des Durchschnitts bewegt, kann solche Schwankungen auslösen, ebenfalls Umsatzwachstum während Produkteinführungen. Oft werden diese Schwankungen von den Vertriebsgesellschaften durch ein Überreagieren noch verstärkt und bewirken hohe Bedarfsschwankungen in der Produktion und bei der Beschaffung. Dies führt zu tendenziell hohen, schwankenden Beständen (vor allem, wenn sich durch eine Schwankung Bestände aufgebaut haben, die dann beim Abklingen der Nachfrage überdurchschnittlich lange am Lager bleiben) und hohen Sicherheitsbeständen. Die Supply Chain-Strategie lässt sich somit folgendermaßen zusammenfassen: Durch Verbesserung der Versorgungszuverlässigkeit und zuverlässigere Beschaffungsplanung soll die Lieferzuverlässigkeit erhöht und dadurch Voraussetzungen geschaffen werden, um Lagerbestände nachhaltig zu senken. Die Lagerbestände sollen durch ganzheitliche Optimierung der zyklischen Bestände und Sicherheitsbestände in der Beschaffung reduziert werden. Dies führt zu geringerem Umlaufvermögen (FR-A), tieferen operationellen Kosten (FR-C) und somit zu einem höheren EVA (FR-1). Für die Umsetzung können die identifizierten Maßnahmen zu vier Maßnahmenpaketen geschnürt werden: • Für eine zuverlässige Beschaffungsplanung (DP-RS212): Hierzu kommen Rahmenverträge mit Vertriebsgesellschaften und verbesserte Prognosen dank frühzeitigem Einbezug des Marketings und des Vertriebs in Frage (DP-RS2121). Hier soll insbesondere die Schnittstelle zwischen Marketing (Marktmanagement) und Produktmanagement verbessert werden. Unterstützend können Möglichkeiten des „Modular/System Sourcing“ abgeklärt werden, um die Komplexität in der Beschaffung zu reduzieren (DP-RS2122). • Ein zweites Maßnahmenpaket zielt auf eine hohe Versorgungszuverlässigkeit (DP-RS211) ab: Hierzu können Versorgungsrisiken durch Beschaffungsportfolios und entsprechende Beschaffungsstrategien (z. B. „Single/Parallel/Multiple/Modular Sourcing“) gezielt reduziert werden (DP-RS2111). Um Risiken in der Beschaffung zu reduzieren,

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

373

sollen Risiko- und Zuverlässigkeitskriterien in das Lieferantenmanagement (Evaluation, Auswahl, Qualifikation) einbezogen werden (DP-RS2112). Rahmenverträge (DP-RS2113) werden bereits mit wichtigen Lieferanten vereinbart. • Das dritte Maßnahmenpaket betrifft Bestände (FR-AS1), welche generell durch die Umsetzung von Bestandesmanagements reduziert werden sollen: Hierzu bietet sich langfristig die Regelung der Bestände an und kurzfristig eine Anpassung der Produktionskapazität. Zusätzlich wird für tiefe zyklische Bestände (FR-AS11) beispielsweise geprüft, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, die Bestelllosgrößen zu reduzieren, ermöglicht durch eine elektronische Anbindung von Lieferanten oder eine automatisierte Abwicklung von Beschaffungsaufträgen (DP-AS11). • Für das vierte Maßnahmenpaket, um tiefe Sicherheitsbestände (FR-AS12) zu erreichen, kommen verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Sicherheitsbestände in Frage. Erstens können durch eine Glättung der produktionsseitigen Nachfrageschwankungen Sicherheitsbestände teilweise vermieden werden. Dies kann durch eine Verbesserung der Prognosen erreicht werden. Zweitens muss der sog. Bullwhip-Effekt vermieden werden. Der Effekt kann durch die bereits erwähnte Bestandsregelung und raschen Informationsaustausch (Bedarfs- bzw. Verbrauchszahlen) vermieden werden. Hierzu sollen in einem Pilotprojekt aktuelle Verkaufszahlen in die Planung einbezogen werden. Weitere mögliche Maßnahmen zur Vermeidung des BullwhipEffekts sind: kurze Durchlaufzeiten im Material- und Informationsfluss, Planung basierend auf der Nachfrage der Endkunden (statt auf Bestellungen des nächsten Kunden in der Wertschöpfungskette), Prognosen, welche die Zukunft berücksichtigen (statt vergangenheitsbasierte) sowie Vermeidung von Preisschwankungen und Überbestellungen bei Engpässen. Solche Überbestellungen treten häufig auf, wenn Engpässe absehbar sind: Um bei Engpässen einen möglichst großen Anteil des Nachschubes zu sichern und so ihre prognostizierte Nachfrage so gut wie möglich zu decken, bestellen Vertriebsgesellschaften oft „vorsorglich“ bewusst zu viel. Um die Bestandssituation besser in den Griff zu bekommen, ist zudem auch eine Überwachung der Bestände und der Engpässe (Supply Chain Monitoring) sowie eine enge Koordination mit den Partnern der Supply Chain, d. h. mit den Lieferanten und den Vertriebsgesellschaften, sinnvoll. 6.5.2.3 „Choice“-Phase In der „Choice“-Phase wird nochmals überprüft, ob potenzielle Zielkonflikte und Synergieeffekte bestehen, um sicherzustellen, dass Lagerbestände nicht zu Ungunsten des Umsatzes oder der Kundenzufriedenheit

374

6 Fallstudien

reduziert werden. Potenzielle Zielkonflikte können nicht erkannt werden. Es bestehen starke Synergieeffekte zwischen der Lieferzuverlässigkeit und tiefen Beständen, da geringere Terminabweichungen zu tieferen Sicherheitsbeständen führen. Die nochmalige Überprüfung der während der „Design“-Phase erarbeiteten Operationalisierung der strategischen Prioritäten ergibt, dass durch die Berücksichtigung des „Sand Cone Model“ in der Implementierungsreihenfolge die Nachhaltigkeit gewährleistet ist (ob alle Vorrausetzungen gemäß dem „Sand Cone Model“ gegeben sind). Dies bedeutet für die Umsetzung der Maßnahmenpakete, dass zuerst die ersten beiden Maßnahmenpakete (zuverlässige Beschaffungsplanung und hohe Versorgungszuverlässigkeit) umgesetzt werden müssen, bevor die Bestände geregelt werden (drittes Maßnahmenpaket), um die Bestände nicht durch Ursachen, die bei Lieferzuverlässigkeit liegen, zu „verfälschen“. Im vierten Maßnahmenpaket kann die Verbesserung des Informationsflusses von Anfang an in Angriff genommen werden, die Optimierung der Sicherheitsbestände muss aber am Schluss erfolgen, wenn Schwankungen möglichst schon reduziert sind. Die Kosten-Nutzen-Abschätzung erfolgt nur vereinfacht. Im Jahr 2004 betrug der negative Einfluss der Kapitalkosten der Bestände auf den EVA ca. 3 Mio. EUR. Wenn die Bestände von 20% auf 15% des Umsatzes gesenkt werden können, entspricht dies einer Bestandsreduzierung um 25% auf gleicher Umsatzbasis. Damit würde der EVA um 0.25 × 3 = 0.75 Mio. EUR steigen. Das bedeutet, dass der Nutzen der Maßnahmen (gemessen am EVA) größer ist als die Kosten, wenn die Kosten für die Maßnahmen pro Jahr diesen Betrag nicht überschreiten. Damit ergibt sich ein Budgetrahmen. Es wird geschätzt, dass die Kosten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht so hoch ausfallen würden, da die Maßnahmen keine großen Investitionen verursachen, sondern nur kleinere Projekte nach sich ziehen, die in erster Linie organisatorische und Prozessänderungen beinhalten, die vom Aufwand her gesehen eher klein sind. Zudem wäre der Grossteil der Kosten einmaliger Natur, so dass der EVA für die kommenden Jahre signifikant verbessert werden kann. Die Kosten fallen hauptsächlich unter FR-CS2, FR-CM3 sowie FR-CD3 an (Kosten für Managementprozesse). Weiter müssen die Konsistenz, die Konsonanz, die Wettbewerbsvorteile und die Machbarkeit evaluiert werden. Konsistenz bedeutet Widerspruchsfreiheit der Ziele der Supply Chain-Strategie. Diese ist einerseits bereits durch die Analyse potenzieller Zielkonflikte abgesichert. Andererseits muss hier noch geprüft werden, ob Widersprüche mit der SCM-/Logistikvision und den normativen Grundsatzentscheidungen bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Konsonanz bedeutet, dass die Supply Chain-Strategie Chancen und Gefahren berücksichtigt. Eine

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

375

zusätzliche Schlussfolgerung daraus ist, dass Beschaffungsrisiken reduziert werden müssen. Weiter soll die Supply Chain-Strategie Wettbewerbsvorteile schaffen. Da die priorisierte Lieferzuverlässigkeit dem Order Qualifier entspricht, ist dies gewährleistet: Damit die Produkte des Konsumgüterbereichs (Kopfhörer und preiswerte Mikrofone) wettbewerbsfähig sind und Absatz finden, müssen sie am Verkaufspunkt vorrätig sein. Lieferverzögerungen können sonst dazu führen, dass die Produkte fehlen und potenzielle Kunden in der Folge leicht zu Konkurrenzprodukten greifen. Zudem unterstützt die Supply Chain-Strategie das erklärte Ziel, SCM zu einer der Kernkompetenzen zu entwickeln. Dies muss durch zusätzliche Maßnahmen, insbesondere SCM-Schulungen, unterstützt werden, um spezifische Fähigkeiten aufzubauen. Die Machbarkeit wird generell als gut erachtet, insbesondere weil keine großen Investitionen und Veränderungen anstehen; trotzdem muss bei der Definition konkreter einzelner Maßnahmen und Projekte die Machbarkeit jeweils zusätzlich abgeklärt werden. 6.5.2.4 „Implementation/Review“-Phase Die Maßnahmenpakete können gemäß ihrer Priorität und der Implementierungsreihenfolge, welche die Voraussetzungen widerspiegelt, in ein Maßnahmen-Portfolio eingeordnet werden; vgl. Abb. 132. Die Priorität ergibt sich aus der Priorisierung in der Supply ChainStrategie, wobei die als strategischen Prioritäten festgelegten Ziele (zuverlässige Beschaffungsplanung und Bestandsregelung) gegenüber

Abb. 132 Maßnahmen-Portfolio für Sennheiser

376

6 Fallstudien

unterstützenden Zielen und Mitteln (Versorgungszuverlässigkeit und Informationsaustausch) prioritär sind. Die Implementierungsreihenfolge entspricht generell der Abfolge in der SCVD von links nach rechts, wobei die Abhängigkeiten der einzelnen Maßnahmenpakete in der „Choice“Phase erfolgte. Dabei ergab sich, dass die Verbesserung des Informationsflusses schon bald in Angriff genommen werden kann. Dieses Maßnahmenpaket muss aber mit der Optimierung der Sicherheitsbestände abgeschlossen werden. Zu den vier Maßnahmenpaketen werden nun Projekte definiert und entsprechend der Implementierungsreihenfolge gestaffelt initiiert. Im Sinne des „klassischen“ Projektmanagements werden zuerst Detailanalysen durchgeführt, Ziele gesetzt, Lösungen erarbeitet und anschließend konkrete Maßnahmen umgesetzt. An dieser Stelle wird nicht weiter darauf eingegangen. Zur Unterstützung und periodischen Überwachung der Umsetzung wird zudem das Kennzahlensystem ausgebaut, um insbesondere die Lieferzuverlässigkeit und den Lieferbereitschaftsgrad zu messen, um steuernd eingreifen zu können. Zudem sollen langfristig SCM-Fähigkeiten in den Bereichen gemeinsame Planung und Informationsaustausch insbesondere mit den Vertriebsgesellschaften sowie im Bereich der Informationsverfügbarkeit aufgebaut werden, um zusammen mit den initiierten Verbesserungsmaßnahmen logistische Erfolgspotenziale erschließen zu können. Dies soll durch SCM-Schulungen erreicht werden, in denen Verständnis für SCM aufgebaut und Grundwissen über Logistik und SCM sowie über logistische Zusammenhänge vermittelt wird.

6.5.3

Ergebnisse und Erfahrungen

Welche konkreten Maßnahmen wurden umgesetzt? • Versorgungszuverlässigkeit: Beschaffungsrisiken wurden durch Redundanz entschärft. So wurden Ersatzlieferanten (Second Source) für spezifische Komponenten vorgesehen. Zudem wurde der Einsatz von Standardkomponenten verstärkt (Gleichteile) und die Lieferantenqualifikation angepasst. Durch ein Büro in China wurde die Überwachung asiatischer Lieferanten verbessert. In der Beschaffung kommen differenzierte Beschaffungsstrategien basierend auf einem Beschaffungsportfolio zum Zuge.

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

377

• Zuverlässige Beschaffungsplanung: Die Verbesserung der Prognosegenauigkeit erwies sich als schwierig, vor allem bei Produkten in der Wachstumsphase. Es wurden Anstrengungen unternommen, die Schnittstellen entlang der Supply Chain zu verbessern und insbesondere Marketing und Vertrieb besser einzubeziehen. Es wurde ein Trichtermodell entwickelt, das festlegt, wie groß die Anpassung der Prognose für verschiedene Zeithorizonte sein dürfte. Dies führte zu Verbesserungen, allerdings bleibt das grundsätzliche Problem der Volatilität und Prognostizierbarkeit bestehen. Es wurden Ideen entwickelt, wie das Anreizsystem des Verkaufs angepasst werden kann, um einerseits möglichst viel zu verkaufen und andererseits genaue Prognosen zu erhalten. Dies erwies sich als nicht ganz einfach, da es sich um einen inhärenten Zielkonflikt handelt (Wenn die Prognose erreicht ist, soll dann nichts mehr verkauft werden?). Anpassungen werden noch vorgenommen; eine Idee, die verfolgt wird, ist, das Anreizsystem an den EVA zu koppeln. Für Kopfhörer wurde die Supply Chain „umgedreht“ (Sennheiser electronic als Lieferant), um die Komplexität und Störungsquellen bei der Bestimmung des abhängigen Bedarfes zu reduzieren: Sennheiser electronic fertigt in Irland die sog. Wandler, als eine Art Lautsprecher das Kernstück der Kopfhörer, und verschickt diese nach Asien, wo die Endmontage ausgelagert ist. Da die Wandler für verschiedene Kopfhörertypen eingesetzt werden können, können sie relativ kontinuierlich gefertigt und nach Asien verschifft werden. Die asiatischen Montagewerke montieren gemäß aktueller Nachfrage und können auf vor Ort in einem Art Vendor Managed Inventory vorrätige Wandler zurückgreifen. Die fertigen Kopfhörer kommen wieder nach Europa zurück und gehen in den Vertrieb. Weiter wurden die Modularisierung der Produkte und die Standardisierung der verwendeten Komponenten verstärkt. • Bestandsregelung: Es wurde eine Angemessenheit der Bestände angestrebt. Dazu wurden aufgrund verschiedener Analysen „Langsamdreher“ abgebaut. Die Bestandshöhe wurde mit Hilfe der Kennlinientheorie optimiert. Es wurde eine „Supply & Demand Optimization Conference“ institutionalisiert, welche die Bedarfsplanung und -konsolidierung durchführt und im Engpassfall die Verteilung der verfügbaren Produkte vornimmt. Grundlage dafür ist die durch die ERPSoftware gewährleistete Transparenz von Bedarfen und Beständen. • Informationsaustausch: Der Fokus wurde auf die Bedarfsglättung durch verbesserten Informationsaustausch entlang der Supply Chain gelegt, insbesondere durch den Einbezug des Marketings (Marktmanagement) und des Vertriebs. Durch das bei der Beschaffungsplanung erwähnte Trichtermodell für die Anpassung der Prognosen (definierte Schwankungsbreiten) konnten die Schwankungen reduziert werden.

378

6 Fallstudien

Abb. 133 Vorräte, NOPAT, EVA

Diese Maßnahmen haben schon einige messbare Verbesserungen gebracht (vgl. Abb. 133). Die Abbildung zeigt die Zunahme der Vorräte im Jahr 2004, gegen dessen Ende die erläuterten Maßnahmen initiiert wurden. Zusammen mit anderen Faktoren ließ diese Zunahme und die damit verbundenen Kosten (ohne Kapitalkosten) den Netto-Betriebsgewinn NOPAT stagnieren, trotz Umsatzwachstum. Durch die Kapitalkosten der Vorräte reduzierte sich der EVA im Jahr 2004 um rund 3 Mio. EUR. (Weitere Effekte wie Obsoleszenz und Logistikkosten sind nicht berücksichtigt.) Per Ende des Jahrs 2005 konnten die Vorräte um rund 20% gesenkt werden (bei einer Umsatzzunahme von 15%). Auch gegenüber dem Jahr 2003 sind die Vorräte gesunken, während der Umsatz um 26% gestiegen ist. Entsprechend konnte der Lagerumschlag von rund 5 auf 6.6 verbessert und der negative Einfluss der Kapitalkosten der Vorräte reduziert werden. Zusammen mit anderen Faktoren führte die verbesserte Lieferzuverlässigkeit zu einem signifikant besseren NOPAT und letztendlich zu einer überproportionalen Erhöhung des EVA. In welchem Bereich gibt es für die Zukunft noch zu tun? Die Prognosegenauigkeit und der Informationsfluss müssen weiter verbessert werden, um die Lieferzuverlässigkeit weiter zu steigern und die Bestände zu senken. Maßnahmen, die später noch geprüft werden sollen, sind die elektronische Anbindung ausgewählter Lieferanten sowie systematisches Controlling und Monitoring, um den Material- und Informationsfluss besser steuern und bei drohenden Engpässen früher eingreifen zu können. Zudem sollen die Kennzahlen- und Anreizsysteme angepasst werden.

6.5 Fallstudie III: Anwendung der SCVD bei Sennheiser electronic

379

Als Ausblick im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung können in der Zukunft die Zielbereiche Lieferdurchlaufzeit und Flexibilität optimiert werden. Dies bringt weitere Möglichkeiten zur Bestandsreduzierung. Allerdings dürfen hier die Kosten nicht außer Acht gelassen werden: Arbeitsintensive und relativ einfache Prozessschritte müssen bei preissensitiven Produkten aus Kostengründen in Tieflohnländern, vor allem in Asien, durchgeführt werden. Dies führt tendenziell zu langen Durchlaufzeiten und damit zu höheren Beständen. Dieser Zielkonflikt muss sorgfältig analysiert und auf die Konsequenzen für den EVA hin untersucht werden. Die Erfahrungen zeigten, dass die Lieferzuverlässigkeit sehr stark von den Prognosen abhängig und daher vor allem in der Wachstumsphase schwierig zu verbessern ist. Es hat sich als sehr wichtig herausgestellt, zuerst ein gegenseitiges Verständnis entlang der (unternehmensinternen) Supply Chain aufzubauen. Bei hoher Volatilität müssen Überreaktionen konsequent vermieden werden. Ein weiterer Schlüssel liegt darin, dass das Top-Management voll hinter den Initiativen steht.

6.5.4

Zusammenfassung

Mithilfe der Methodik zur Entwicklung und Implementierung von Supply Chain-Strategien konnte für den identifizierten akuten Handlungsbedarf aufgrund zu hoher Lagerbestände und gleichzeitig unbefriedigender Lieferbereitschaft eine Supply Chain-Strategie entwickelt werden. Diese hat zum Ziel, durch Verbesserung der Versorgungszuverlässigkeit und zuverlässigere Beschaffungsplanung die Lieferzuverlässigkeit zu erhöhen und dadurch Voraussetzungen zu schaffen, um Lagerbestände nachhaltig senken zu können. Grosses Gewicht wurde auf die Ausgewogenheit gelegt, so dass optimale Voraussetzungen für eine Bestandsreduktion geschaffen und nicht die Kundenzufriedenheit oder der Umsatz beeinträchtigt werden. Die SCVD half dabei, die Strategie systematisch zu entwickeln und transparent zu machen sowie die logistischen Zusammenhänge und jeweiligen Voraussetzungen aufzuzeigen. Dadurch kann von Symptomen (zu hohe Lagerbestände) auf die zugrunde liegenden Ursachen (zu verbessernde Versorgungszuverlässigkeit und Beschaffungsplanung) geschlossen werden. Es konnten vier Maßnahmenpakete identifiziert und priorisiert werden, welche es ermöglichen, die Strategie umzusetzen. Praxis- und ergebnisorientiert unterstützte die Methodik die Anwendung der komplexen und relativ abstrakten SCVD zur Entwicklung und

380

6 Fallstudien

Implementierung von Supply Chain-Strategien, in denen die Situation, das Umfeld und die Strategie eines Unternehmens berücksichtigt sind. Das strukturierte Vorgehen ermöglicht eine systematische Entwicklung einer Supply Chain-Strategie und die Identifizierung von Maßnahmenpaketen. Logistische Zusammenhänge von Maßnahmen (UrsacheWirkungs-Beziehungen, Synergieeffekte) können transparent gemacht werden. Auf diese Weise können Supply Chain-Strategien entwickelt werden, die nachhaltig sind. Die Erfahrungen in den Fallstudien zeigten in Bezug auf die Anwendung der Methodik folgendes: • Für die Anwendung ist ein geführter Prozess notwendig, der Erfahrung im SCM voraussetzt. • Die geeignete Form sind Workshops, bei denen alle Wertschöpfungsstufen entlang der unternehmensinternen Wertschöpfungskette vertreten sein müssen (Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Marketing und Verkauf); sinnvoll ist es auch, bei einzelnen Schritten direkt Schlüssellieferanten und -kunden einzubeziehen. • Oft sind Detailanalysen erforderlich und verschiedene mögliche Maßnahmen müssen geprüft werden. • Kritisch ist, die eigentliche Implementierung an deren Vorbereitung anzuknüpfen.

6.6

Schlussbetrachtung zu den Fallstudien

In den ersten beiden Fallstudien wurden geeignete Kennzahlen identifiziert und ein vergleichbarer Benchmarking-Partner gesucht. Dies ermöglichte einen Vergleich der Logistikleistung (Standortbestimmung), die Abschätzung von Verbesserungspotenzialen sowie Hinweise auf Verbesserungsmaßnahmen. Die beiden Fallstudien bestätigten den Handlungsbedarf aufgrund zu hoher Bestände. Doch dies reichte nicht aus, denn die Schritte des operationellen Supply Chain Controlling können kein Problem lösen, das in einer „falschen“ bzw. anzupassenden Supply Chain-Strategie liegt. Die Ziele und Mittel und damit die strategische Ausrichtung müssen dann im Rahmen des strategischen Supply Chain Controlling angepasst werden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich das Unternehmensumfeld verändert hat, bei Veränderungen bei den Kundenanforderungen, des Wettbewerbs und des Beschaffungsmarkts, aber auch, wenn die Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie angepasst wurde.

6.6 Schlussbetrachtung zu den Fallstudien

381

Bei Sennheiser electronic konnten gewisse Verbesserungen durch das Benchmarking initiiert werden (Fallstudien I und II). Das Problem konnte aber erst dadurch nachhaltig angepackt werden, indem die eine zielorientierte Supply Chain-Strategie entwickelt und Maßnahmenpakete festgelegt wurden (Fallstudie III). Diese Maßnahmen umfassen neben operationellen Verbesserungen zunächst eine grundlegende Supply Chain-Segmentierung, welche die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden für unterschiedliche Produktsegmente widerspiegelt. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist dann wieder Gegenstand des operationellen Supply Chain Controlling, und die Schleifen der kontinuierlichen Verbesserung gehen weiter.

Anhang

Anhang A: Best Practices

Quellen Hieber R.: Supply Chain Management: a collaborative performance measurement approach. Zürich: vdf, 2002. Klaus, P.; Krieger, W. (Hrsg.): Gabler Lexikon Logistik. 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2004. ProdChain (IST-2000-61205) Deliverable D.5.3 “Validation and set of improvement measures for the critical processes”. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), Aachen: FIR RWTH Aachen, 2003. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in Kunden-Lieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu bearb. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006.

384

Anhang

Partnerschaftskonzepte Name

Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR)

Kurzbeschreibung

Die Collaborative Planning Forecasting and Replenishment (CPFR)-Initiative wurde 1996 die Voluntary Interindustry Commerce Standard (VICS) begründet mit dem Ziel, Prozesse und Technologien für die kooperative Vorhersage und Planung zwischen Herstellern und Händlern zu entwickeln und dadurch die Effizienz der Supply Chain zu verbessern und eine Win-win-Situation für beide Seiten zu erzielen. CFPR umfasst Prozesse und Leitlinien für die gemeinsame Vereinbarung von Zielen, Maßnahmen und Vorhersagen (collaborative forecasting) sowie zur unternehmensübergreifenden Planung von Absatz (collaborative planning) und Nachschub (collaborative replenishment). Weiter gehört dazu die IT-gestützte Entwicklung und Aktualisierung von Vorhersagen und Nachschubplänen sowie die Abwicklung der Transaktionen sowie der Revisionen der Prognosen und Ausnahmemeldungen. Die Unternehmen greifen auf einen zentralen Datenbestand zu und aggregieren Bedarfszahlen. Auswirkungen von Änderungen können in Echtzeit ermittelt werden. Lieferanten und Kunden entwickeln auf diese Weise einen gemeinsamen Geschäftsplan.

Eigenschaften

¾ CPFR beinhaltet standardisierte Prozesse: • Collaborative Planning • Collaborative Forecasting: Sales Forecast, Order Forecast • Collaborative Replenishment: Order Generation ¾ IT-Stützung: gemeinsame Datenbasis, Informationsaustausch, Kommunikation Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

erhöhte Vorhersagegenauigkeit, bessere Einhaltung von Lieferterminen, bessere Koordination, erhöhte Transparenz

3

Lieferdurchlaufzeit

kürzere (administrative) Durchlaufzeiten

3

Investitionen

tiefere Bestände, tiefere Sicherheitsbestände für eine bestimmte Lieferbereitschaft, Reduzierung des Bullwhip-Effekts

3

Kosten

tiefere Transaktionskosten (Abwicklung des Informationsflusses), Kostenoptimierung

Flexibilität

Bezug zur SCVD

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11

Anhang A: Best Practices Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Kunde

Lieferant

Strukrurell:

Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) (Fortsetzung)

¾ Produktion: hohe Volumina, Massenproduktion ¾ Bedarfsvorhersagen ¾ IT-Stützung ¾ hohes gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ Distanz zum Konsumenten: lokal, regional ¾ IT-Stützung ¾ hohes gegenseitiges Vertrauen

Technisch:

Name

385

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI ¾ XML

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI ¾ XML

Voraussetzungen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung - Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006. Seifert, D.: Efficient Consumer Response – Supply Chain Management (SCM), Category Management (CM) und Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) als neue Strategieansätze. 2., erw. Aufl., München (etc.): Rainer Hampp Verlag, 2001. Voluntary Interindustry Commerce Standard (VICS): www.vics.org

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 27% der Unternehmen CPFR einsetzen und 25% den Einsatz planen. 45% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Vendor Managed Inventory Continuous Replenishment Joint Service Agreements SCM-Module

386

Anhang

Name

Joint Service Agreements (JSA)

Kurzbeschreibung

Der Zweck eines Joint Service Agreements (JSA) ist die detaillierte Beschreibung der Verantwortungen, Erwartungen und Rechte in einer Kunden-Lieferanten-Beziehung. Im Zentrum stehen dabei die Leistungsvereinbarung und die Art und Weise der Leistungsmessung (Monitoring). JSA beziehen sich meist auf Verfügbarkeiten, Lieferzeiten, Liefer- und Zahlungsbedingungen, Kommunikation und die Abwicklung von Ausnahmefällen (z. B. Engpässe) sowie auf die Definition von Kennzahlen, um die vereinbarte Leistung zu messen und zu verbessern. Kunde und Lieferant treffen sich regelmäßig, um das JSA gemeinsam zu überprüfen, die Leistungserfüllung zu diskutieren und zu beurteilen und Prozesse anzupassen.

Eigenschaften

¾ Kunde und Lieferant definieren ihre Zielsetzungen und erarbeiten das gemeinsame Interesse (Leistungsvereinbarung) ¾ Leistungsmessung ¾ geteilte Verantwortung, Aufteilung der Kosten und des Nutzens ¾ regelmässige Überprüfung Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

definierte Qualitätsstandards

3

Lieferzuverlässigkeit

definierte Termintreue bzw. verbesserte Termineinhaltung

3

Lieferdurch- definierte Verfügbarkeit laufzeit

3

Flexibilität

Nutzen

Voraussetzungen

Partnerschaftskonzepte

definierte Bandbreite der Schwankungen (Nachfrage etc.)

3

Investitionen definierte Lagerbestandshöhe

3

Kosten

definierte Kosten-Nutzen-Verteilung

je nach Zielbereich: DP-Q DP-R DP-L DP-F DP-A DP-C Tech- Struknisch: turell:

Bezug zur SCVD

Klassifizierung

Kunde

Lieferant

¾ hohes gegenseitiges Vertrauen

¾ hohes gegenseitiges Vertrauen





Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

IOMA: Consider a JSA when outsourcing engineering projects. IOMA’s report on managing design engineering. New York: IOMA, 2000.

Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment Vendor Managed Inventory Continuous Replenishment Lieferantenentwicklung

Anhang A: Best Practices Klassifizierung

387

Name

Lieferantenentwicklung

Partnerschaftskonzepte

Kurzbeschreibung

Basierend auf einer Lieferantenbewertung initiiert der Kunde ein Lieferantenentwicklungsprogramm (Supplier Development Program SDP, oft Bestandteil von Supplier Relationship Management SRM, vgl. auch eSRM). Dessen Hauptziel ist es, beschaffte Produkte, Dienstleistungen und Technologien sowie die Lieferleistung (Zuverlässigkeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität) kooperativ zusammen mit dem Lieferanten zu verbessern. Als Leitmotiv dient die Eliminierung von Verschwendung: überflüssige Aktivitäten und Bestände zwischen Kunden und Lieferanten werden identifiziert und reduziert. Dabei kommen Konzepte und Methoden der kontinuierlichen Verbesserung und des Qualitätsmanagements zum Einsatz. Es werden Maßnahmen wie strategische und operationeller Beratung, Know-how-Transfer, finanzielle und personelle Unterstützung eingesetzt. Durch Lieferantenförderung sollen Lieferanten in die Lage versetzt werden, eine Leistung unter den Gesichtspunkten von Qualität, Lieferdurchlaufzeit, Lieferdurchlaufzeit, Flexibilität, Beständen und Kosten in Zukunft effizienter erbringen zu können. Der Kunde unterstützt den Lieferanten dabei. Die Lieferantenentwicklung kann als Geschäftsprozess definiert werden, als Projekt definiert oder organisatorisch verankert werden. Vorreiter spielt hier vor allem die Automobilindustrie.

Eigenschaften

¾ unternehmensübergreifende Teams für die kooperative Problemlösung ¾ gemeinsame Entwicklung von innovativen Ideen ¾ Know-how-Transfer (Workshops, Schulungen), personelle Unterstützung (Beratungen etc.) ¾ Projektmanagement Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

Qualitätsmanagementsystem kann Qualitätsstandards gewährleisten

3

Lieferzuverlässigkeit

Verbesserung der Versorgungszuverlässigkeit

3

Lieferdurchlaufzeit

Reduzierung von Zeitverschwendung senkt Durchlaufzeiten

Nutzen

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

tiefere Bestände als Konsequenz geringerer Verschwendung und kürzerer Durchlaufzeiten

3

Kosten

tiefere Beschaffungskosten, tiefere Abwicklungskosten

DP-QS1, DP-QS2 DP-RS2112 DP-LS11, DP-LS12 DP-CS11, DP-CS21

Anhang

Name

Kunde

Technisch:

Voraussetzungen

Lieferantenentwicklung (Fortsetzung)

Strukrurell:

388

Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Lieferant

¾ Wichtigkeit der Produktqualität ¾ langer Zeithorizont der ¾ gegenseitiges Vertrauen Geschäftsbeziehung ¾ langer Zeithorizont der ¾ gegenseitiges Vertrauen Geschäftsbeziehung −



Einfluss auf andere Best Practices

¾ Lieferantenbewertung ¾ eSupplier-Relationship-Management (eSRM) ¾ Joint Service Agreements

Quellen

Wagner, S.M.: Lieferantenmanagement. München (etc.): Hanser, 2002. Wildemann, H.: Logistik Prozessmanagement- Organisation und Methoden. München: TCW, 2001.

Anmerkung

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 59% der Unternehmen Lieferantenentwicklung einsetzen und 18% den Einsatz planen. 35% bzw. 24% der Unternehmen sehen ein großes bzw. mittleres Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Rahmenverträge

Kurzbeschreibung

Ein Rahmenvertrag bzw. Rahmenauftrag ist eine langfristige Vereinbarung mit einem Kunden über eine grössere Anzahl von Lieferungen. Der Kunde kann von vorteilhafteren Bedingungen und höherer Verfügbarkeit profitieren, während der Lieferant von mehr oder weniger garantierten Bestellungen und einer besseren Planbarkeit Nutzen ziehen kann. Es gibt zwei verschiedene Arten von Rahmenverträgen: Rahmenverträge auf Güter oder solche auf (zu reservierende) Kapazitäten.

Eigenschaften

¾ Vereinbarung über Anzahl Produkte oder zu reservierende Kapazität zu einem bestimmten Datum oder über eine bestimmte Zeitperiode ¾ Mindestabnahmenmenge pro Zeitperiode ¾ Verschiebungsmöglichkeiten ¾ rollierende Planung (fortlaufende Präzisierung der Mengen und Termine) Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

389

Partnerschaftskonzepte

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

zuverlässige Versorgung auf Lieferantenseite

Lieferdurchlaufzeit Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

günstige Konditionen ermöglichen geringe Losgrößen

3

Kosten

günstige Konditionen

DP-RS2113, DP-RS2121 DP-AS11 DP-CS3

Technisch:

Strukrurell:

Voraussetzungen

Kunde

Lieferant

¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung ¾ hohe Vorhersagegenauigkeit

¾ Produktkonzept (Produktfamilien, Standardprodukte mit oder ohne Optionen) ¾ keine hohen Anforderungen für kurzfristige Änderungen der Produktspezifikationen





390

Anhang

Name

Rahmenverträge (Fortsetzung)

Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 90% der Unternehmen Rahmenverträge einsetzen und 6% den Einsatz planen. Je 25% der Unternehmen sehen ein großes bzw. mittleres Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Kanban Production Oriented Delivery Direktanlieferung CR ECR CPFR VMI

Anhang A: Best Practices Klassifizierung

391

Name

Lieferantenbewertung

Partnerschaftskonzepte

Kurzbeschreibung

Lieferantenbewertung umfasst die systematische Erfassung, Auswahl, Vorbereitung und Evaluierung von Informationen, um neue Lieferanten auszuwählen und die Leistung bestehender Lieferanten zu überwachen. Die Lieferantenbewertung kann auf vier Ebenen stattfinden: Produkte, Prozesse, Qualität und Unternehmen. Typische Kriterien sind: Qualitätsanforderungen, quantitative Aspekte (z. B. mögliche Liefermengen, Kapazitäten), Zeitaspekte (z. B. Lieferzeiten, Termintreue), Kosten bzw. Preise, Anbindung (z. B. IT-Stützung für Informationsaustausch) sowie bezogen auf das Unternehmen selbst (z. B. Bonität, Image, Größe, Erfahrung etc.). Während sich die traditionelle Lieferantenbewertung primär auf Qualität und Kosten fokussierte, werden heute vermehrt die Logistik- bzw. Lieferleistung sowie auch ökologische und gesellschaftliche Aspekte (z. B. Arbeitsbedingungen etc.) in Betracht gezogen.

Eigenschaften

¾ Selbstevaluierung: der Lieferant füllt einen standardisierten Fragebogen aus, den der Kunde auswertet; geringer Aufwand, geringer Nutzen (oft wenig aussagekräftig), deshalb oft nur für eine Vorauswahl oder die Vorbereitung ¾ Zertifizierung: unabhängiges Unternehmen führt eine Evaluierung nach einem standardisiertem Evaluierungskonzept durch; ist kosteneffizient und fundiert, geht oft nicht auf spezifische Aspekte ein ¾ Audit: Kunde führt die Evaluierung selbst durch; ist aufwändig, jedoch fundiert und kann spezifische Aspekte berücksichtigen Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

Qualität kann geprüft und sichergestellt werden

3

Lieferzuverlässigkeit

Lieferantenzuverlässigkeit kann geprüft und sichergestellt werden

3

Lieferdurchlaufzeit

Lieferzeiten und Verfügbarkeit können geprüft und sichergestellt werden, Durchlaufzeiten können durch den Wegfall (Reduzierung) von Qualitätsprüfungen verkürzt werden.

Nutzen

Flexibilität Investitionen 3 Bezug zur SCVD

Kosten

DP-QS1 DP-RS2112 DP-LS11 DP-CS11, DP-CS21

Beschaffungs- und Auftragsabwicklungskosten (Transaktionen) können gesenkt werden

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Lieferantenbewertung (Fortsetzung)

Strukrurell:

392

Klassifizierung

Kunde

Lieferant

¾

¾





Partnerschaftskonzepte

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Lieferantenentwicklung ¾ eSupplier-Relationship-Management

Quellen

Wagner, S.M.: Lieferantenmanagement. München (etc.): Hanser, 2002. Wildemann, H.: Logistik Prozessmanagement − Organisation und Methoden. München: TCW, 2001.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 96% der Unternehmen Lieferantenbewertung durchführen. 37% bzw. 22% der Unternehmen sehen noch ein großes bzw. mittleres Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Efficient Consumer Response (ECR)

Kurzbeschreibung

Efficient Consumer Response (ECR) dient dazu, Lager und insbesondere Regale auf Basis des tatsächlichen Bedarfs wieder aufzufüllen und nicht nach einer Bedarfsprognose. Das Ziel von ECR ist deshalb, eine reaktionsschnelle, kundenorientierte Supply Chain, in der Hersteller, Distributoren und Einzelhändler zusammenarbeiten, um den Kundennutzen (primär in Bezug auf die Verfügbarkeit) zu maximieren und die Supply Chain-Kosten zu minimieren. Um dies zu erreichen, ist ein kontinuierlicher Materialfluss notwendig, der auf den Kundenbedarf abgestimmt ist, sowie ein schneller und durchgängiger Informationsfluss. Dieser wird zwischen dem Händler und dem Hersteller IT-unterstützt abgewickelt. Die Informationsverfügbarkeit ist deshalb essenziell. ECR erfordert eine möglichst unmittelbare Erfassung der Warenabgänge für die kontinuierliche Nachlieferung und für die Auswertung der Nachfrage. So lassen sich Werbung, Sortimentsgestaltung und Sonderangebote gezielt durchführen. ECR führt zu geänderten Bestellmengen und -zyklen. ECR hat sich vor allem im Handel verbreitet.

Eigenschaften

¾ Category Management: Analyse der Einkäufe, Sortimentsgestaltung, Marktforschung, Angebotsgestaltung, Werbung, Erfassung der Point-of-Sales-Daten ¾ Efficient Replenishment: kontinuierlicher Materialfluss, Konsolidierung, effizienter Transport (Cross docking, etc.)) ¾ Unterstützende Technologien: für Informationserfassung und -austausch, z. B. EDI, XML, Barcode, RFID etc. ¾ automatisierte Nachbestellung durch Übermittlung der Point-of-SalesDaten ¾ gemeinsame Datenbank der Verkaufsdaten Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

393

Partnerschaftskonzepte

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

hohe lieferantenseitige Lieferzuverlässigkeit dank kontinuierlichem Nachschub

3

Lieferdurchlaufzeit

hohe Verfügbarkeit dank kontinuierlichem Nachschub, kurze Durchlaufzeit des Informationsflusses

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

Reduzierung des Bullwhip-Effekts, dank kleinen Bestelllosgrößen tiefe zyklische Bestände

3

Kosten

allenfalls Synergiepotenziale beim Transport und Vertrieb

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11

Anhang Efficient Consumer Response (ECR) (Fortsetzung)

Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Kunde

Lieferant

Strukrurell:

Name

¾ durchgängige Produktidentifikation und konsistente Stammdaten ¾ Data Warehousing für Datensammlung und -auswertung ¾ Regelmässiger, kontiunierlicher Bedarf mit geringer oder regulärer Volatilität ¾ IT-Unterstützung ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ Informationsaustausch über Engpässe ¾ Informationsaustausch über Autragsstatus ¾ IT-Unterstützung ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

Technisch:

394

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding/ScanningTechnologie

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERPIntegration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding/ScanningTechnologie

Voraussetzungen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Vendor Managed Inventory ¾ Continuous Replenishment ¾ Joint Service Agreements

Quellen

Corsten, D.; Pötzl, J.: ECR Efficient Consumer Response. München (etc.): Hanser, 2002. Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006. Seifert, D.: Efficient Consumer Response – Supply Chain Management (SCM), Category Management (CM) und Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) als neue Strategieansätze. 2., erw. Aufl., München (etc.): Rainer Hampp Verlag, 2001.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 20% der Unternehmen Rahmenverträge einsetzen und 10% den Einsatz planen. 14% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Value Added Partnership (VAP)

Kurzbeschreibung

Die Grundidee einer Value Added Partnership (VAP) ist es, Lieferanten in die Produktionsinfrastruktur des Kunden zu integrieren, um an der Wertschöpfung zu partizipieren. So produziert oder montiert ein Lieferant die Teile und Komponenten vor Ort beim Kunden. Ein Beispiel hierzu ist ein Lieferantenpark. Die VAP erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen, schafft eine gegenseitige Abhängigkeit und eignet sich deshalb primär für komplexe und teure Komponenten, Module und Systeme. Es können sich dank der Integration und der räumlichen Nähe hohe Potenziale bei der Lieferzuverlässigkeit, der Lieferdurchlaufzeit bzw. Verfügbarkeit sowie bei den Kosten (dank der Spezialisierung und des Wegfalls des Transportes) ergeben. Die Automobilindustrie spielt hier eine Vorreiterrolle.

Eigenschaften

¾ Montagefokus: der Lieferant montiert angelieferte Teile beim Kunden, Mitarbeitende des Lieferanten und Kunden arbeiten dabei zusammen ¾ Produktionsfokus: der Lieferant produziert und montiert Komponenten, Module und Systeme vor Ort beim Kunden ¾ Joint Venture: gemeinsamer Aufbau und Betrieb eines Standorts ¾ Lieferantenexzellenz: Weltklasse-Lieferanten werden durch eine Lieferantenbewertung ausgewählt Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

395

Partnerschaftskonzepte

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

hohe Zuverlässigkeit dank enger Abstimmung zwischen Kunden und Lieferanten

3

Lieferdurchlaufzeit

kurze Durchlaufzeiten, da verschiedene Aktivitäten entfallen (Transport, Warenannahme etc.)

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

tiefe Lagerbestände, da nur geringe Puffer notwendig sind

3

Kosten

tiefe Kosten im Zusammenhang mit dem Materialfluss sowie minimale Obsoleszenz

DP-RS212, DP-RS213 DP-LS13, DP-LD23 DP-AS1 DP-CS12, DP-CS13, DP-CS4

Anhang

Name

Kunde

Technisch:

Voraussetzungen

Value Added Partnership (VAP) (Fortsetzung)

Strukrurell:

396

Klassifizierung

Partnerschaftskonzepte

Lieferant

¾ komplexe und tendenziell teure ¾ gegenseitiges Vertrauen Komponenten, ¾ tendenziell teure und wichtige Module und Systeme Komponenten, Module und ¾ gegenseitiges Vertrauen Systeme ¾ gegenseitige Abhängigkeit ¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration)

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration)

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Wildemann, H.: Logistikstrategien. In: Eversheim, W.; Schuh, G. (Hrsg.): Betriebshütte: Produktion und Management. 7., völlig neuberab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 1996.

Lieferantenbewertung Produktionssychrone Beschaffung Direktlieferung Kanban

Anhang A: Best Practices

397

Versorgungsstrategien/-mechanismen Name

Produktionssynchrone Beschaffung (JIT-/JIS-Anlieferung)

Kurzbeschreibung

Bei der produktionssynchronen Beschaffung werden beschaffte Güter gemäß Nachfrage angeliefert. Die Grundidee dabei ist, dass der Produktions- oder Montageplan des Kunden die Lieferfrequenz und -menge sowie den Lieferort bestimmt. Deshalb ist ein durchgängiger und schneller Informationsfluss notwendig. Die produktionssynchrone Beschaffung erfordert eine genaue Abstimmung der internen und externen Prozesse des Kunden und des Lieferanten sowie eine enge Kooperation zwischen den beiden. Bei der Just-inTime (JIT)-Anlieferung werden die Güter unmittelbar vor ihrer Verwendung in der Produktion entweder zum Wareneingang beim Kunden oder direkt zur Produktionslinie geliefert. Bei der Just-in-Sequence (JIS)-Anlieferung wird die Produktions- bzw. Montagereihenfolge des Kunden mitberücksichtigt. Die Reihenfolge kann vorgängig oder vor Ort in einer Sequenzierzone sichergestellt werden. Oft liegt der Lieferantenstandort nahe am Werk des Kunden oder in einem Lieferantenpark oder es ist eine optimale Verkehrsinfrastruktur notwendig, damit möglichst keine Verzögerungen auftreten.

Eigenschaften

¾ durchgängiger Planungs- und Steuerungsprozess ¾ schneller und durchgängiger IT-gestützter Informationsfluss für automatische Nachbestellung und raschen Informationsaustausch, ¾ Identifikationstechnologien (Barcode, RFID) ¾ Rahmenverträge ¾ flexible Planung der Lieferungen ¾ im Extremfall bestandslose Anlieferung (keine Pufferbestände) ¾ häufige Lieferungen kleiner Losgrößen erfordert angepasste Lieferkonzepte (z. B. Shuttle), wenn der Lieferant nicht vor Ort ist ¾ hohe Anforderungen an den Lieferanten (Qualität und Zuverlässigkeit) Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität Lieferzuverlässigkeit 3

Lieferdurchlaufzeit

kurze DLZ dank hoher Verfügbarkeit

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

keine Überbestände, tiefe oder keine Sicherheitsbestände, kleinere Losgrößen und kürzere Bestellzyklen

3

Kosten

tiefe Kosten im Zusammenhang mit dem Materialfluss sowie minimale Obsoleszenz

DP-LS12, DP-LS13, DP-LS23, DP-LM21, DP-LM23, DP-LD23 DP-AS DP-CS12, DP-CS4, DP-CM12

398

Anhang

Name

Produktionssynchrone Beschaffung (JIT-/JIS-Anlieferung) (Fortsetzung)

Technisch:

Strukrurell:

Voraussetzungen

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Kunde

Lieferant

¾ abgestimmte Kapazitäten ¾ Einhaltung der Qualitätsanforderungen ¾ Verfügbarkeit der notwendigen Informationen ¾ Produktion: hohe Volumina ¾ hohe Vorhersagegenauigkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Horizont der Geschäftsbeziehung ¾ IT-Stützung

¾ tendenziell teure und wichtige Komponenten, Module und Systeme ¾ Produktkonzept (Produktfamilien, Standardprodukte mit oder ohne Optionen) ¾ hohe Bedeutung schneller und pünktlicher Lieferung ¾ Nähe zum Kunden (lokal, regional, national) ¾ hohe Flexibilität ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Horizont der Geschäftsbeziehung ¾ IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in Kunden-Lieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006. Wildemann, H.: Das Just-In-Time-Konzept – Produktion und Zulieferung auf Abruf. 2. neubearb. Aufl., München: GFMT, 1990. Wildemann, H.: Logistikstrategien. In: Eversheim, W.; Schuh, G. (Hrsg.): Betriebshütte: Produktion und Management. 7., völlig neuberab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 1996.

Rahmenverträge Lieferantenbewertung Lieferantenentwicklung Kanban Quick Response Direktlieferung

Anhang A: Best Practices Name

Vendor Managed Inventory (VMI)

Kurzbeschreibung

Vendor Managed Inventory (VMI) ist eine Dienstleistung des Lieferanten gegenüber dem Kunden, bei welcher der Lieferant die Disposition und Bewirtschaftung seiner Güter vor Ort beim Kunden übernimmt. Dabei überprüft der Lieferant regelmäßig die Bestände und löst selbstständig bei Bedarf eine Nachlieferung aus und stellt so die Verfügbarkeit sicher. Dies kann manuell oder automatisiert geschehen. Der Lieferant sollte für eine optimierte Planung nicht nur über Informationen zu den aktuellen Beständen, sondern auch solche über aktuelle Bedarfe und Bedarfsprognosen verfügen. In der abgeschwächten Form eines Co-Managed Inventory ist der Lieferant eng eingebunden, der Kunde behält jedoch die Dispositionshoheit.

Eigenschaften

¾ Lieferant hat Zugang zu Bestands-, Bedarfs- und Prognoseinformationen ¾ Lieferant plant und optimiert die Nachlieferungen (Mengen, Zeitpunkte) ¾ Lieferant füllt das Lager beim Kunden wieder entsprechend auf Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

399

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

hohe Planungsautonomie des Lieferanten ermöglicht hohe Lieferzuverlässigkeit und optimierte Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

hohe Verfügbarkeit und kurze Durchlaufzeit des Informationsflusses

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

optimierte Bestände, tiefe Sicherheitsbestände

3

Kosten

reduzierter administrativer Aufwand

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11 DP-CS21

Anhang Vendor Managed Inventory (VMI) (Fortsetzung)

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Kunde

Lieferant

Strukrurell:

Name

¾ Produktion: hohe Volumina ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ Prognoseinformationen ¾ IT-Stützung ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ ¾ ¾ ¾

Technisch:

400

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

Voraussetzungen

tendenziell Nähe zum Kunden gegenseitiges Vertrauen IT-Stützung langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 39% der Unternehmen VMI einsetzen und 20% den Einsatz planen. 31% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Efficient Consumer Response Vendor Managed Inventory Quick Response Kanban

Anhang A: Best Practices Name

Konsignationslager

Kurzbeschreibung

Die Grundidee des Konsignationslagers ist, dass der Lieferant ein Lager beim Kunden hat, auf das der Kunde jederzeit zugreifen kann. Erst mit der Entnahme geht das Eigentum auf den Kunden über. Durch eine periodische Inventur wird der Verbrauch bestimmt. Der Lieferant plant und optimiert damit die Nachlieferung und seine eigene Produktion und stellt die Rechnung. In der Regel werden Unter- und Obergrenzen für den Lagerbestand festgelegt. Der Kunde profitiert von einer hohen Verfügbarkeit und der Lieferant kann seine Produktion und Nachlieferung optimieren.

Eigenschaften

¾ Der Lieferant bleibt Eigentümer des Lagers vor Ort beim Kunden ¾ Der Lieferant füllt das Lager autonom nach, hält aber definierte Unter- und Obergrenzen für den Lagerbestand ein ¾ Der Kunde bezahlt nach Verbrauch Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

401

Versorgungs– strategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

Planungsautonomie des Lieferanten ermöglicht hohe Lieferzuverlässigkeit und optimierte Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

hohe Verfügbarkeit vor Ort

Flexibilität 3

Investitionen

reduzierte Bestände beim Kunden

Kosten

Strukrurell:

Voraussetzungen

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11

Technisch:

Bezug zur SCVD

Kunde

Lieferant

¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ tendenziell Nähe zum Kunden ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration)

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-Integration)

402

Anhang

Name

Konsignationslager (Fortsetzung)

Klassifizierung

Versorgungs– strategien/ -mechanismen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Vendor Managed Inventory

Quellen

Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006. Wildemann, H.: Logistikstrategien. In: Eversheim, W.; Schuh, G. (Hrsg.): Betriebshütte: Produktion und Management. 7., völlig neuberab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 1996.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 53% der Unternehmen Konsignationslager einsetzen und 14% den Einsatz planen. Lediglich 12% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Kanban

Kurzbeschreibung

Die Grundidee von Kanban ist ein selbststeuernder Regelkreis nach dem Holprinzip (Pull-Logistik), wobei nur dann nachgefüllt wird, wenn ein tatsächlicher Bedarf vorliegt. Der Name Kanban kommt aus dem Japanischen und steht für eine wieder verwendbare Karte, die zwischen zwei Stellen (Verbrauch- und Produktionsort) hin- und herwandert. Es gibt verschiedene Varianten von Kanban (z. B. Sicht-, Behälter-, Karten- oder elektronischer e-Kanban). Am Verbrauchsort wird ein Puffer gehalten, aus dem die benötigten Mengen entnommen werden. Wenn der Inhalt eines Behälters aufgebraucht ist, wird dieser an den Produktionsort zurückgebracht und ein gefüllter Behälter mitgenommen. Der leere Behälter signalisiert, dass nachproduziert werden muss, er wird aufgefüllt und wieder bereitgestellt. Kanban vereinfacht die Produktions- und Nachschubsteuerung und stellt sicher, dass bedarfsgerecht produziert wird. Der Bestand an Kanbans wird mittel- bis langfristig gesteuert, um Bedarf und Kapazitäten aufeinander abzustimmen.

Eigenschaften

¾ selbststeuernder Regelkreis unternehmensintern als auch mit Lieferanten ¾ Eignung der Produkte für Kanban muss geprüft werden: in der Regel regelmäßiger oder leicht schwankender Bedarf ¾ Sicht-, Behälter-, Karten- oder elektronischer Kanban ¾ Periodische Überprüfung und Anpassung der Anzahl Kanban Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

403

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

hohe Lieferzuverlässigkeit dank selbststeuerndem Regelkreis

3

Lieferdurchlaufzeit

hohe Verfügbarkeit und kurze Durchlaufzeiten

Flexibilität

Bezug zur SCVD

3

Investitionen

tiefere auf die Nachfrage abgestimmte Bestände, Maximalbestände durch Kanbans limitiert

3

Kosten

sehr geringer Steuerungsaufwand

DP-RS2131, DP-RS2132 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11, DP-AM11 DP-CS21, DP-CM21

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Kanban (Fortsetzung)

Strukrurell:

404

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Kunde

Lieferant

¾ tendenziell häufig benötigte Güter ¾ allenfalls IT-Stützung

¾ ¾ ¾ ¾

¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, Scanning-Technologie

¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, Scanning-Technologie

nicht zu viele Varianten geringe Distanz zum Kunden Felxibilität allenfalls IT-Stützung

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Vendor Managed Inventory ¾ Continuous Replenishment

Quellen

Eversheim, W.: Organisation in der Produktionstechnik: Grundlagen. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1996. Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007. Wildemann, H.: Flexible Werkstattsteuerung durch Integration von KanbanPrinzipien. München: CW-Publikationen, 1984.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 43% der Unternehmen Kanban oder e-Kanban einsetzen und 6% den Einsatz planen. 25% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Quick Response

Kurzbeschreibung

Quick Response (QR) ist ein IT-gestütztes Bestellsystem mit dem Ziel eines schnellen Informationsflusses. Durch den Einsatz modernster IT-Systeme und automatisiertem Informationsaustausch sollen die Lieferzdurchlaufzeiten und Durchlaufzeiten des Informationsflusses reduziert werden. Dadurch soll die Reaktionsfähigkeit verbessert werden. Der Materialfluss wird bedarfsorientiert und nachfragesynchron nach dem Holprinzip (Pull-Logistik) gesteuert. Am Point-of-Sale (POS) werden die verkauften Waren artikelgenau erfasst; die entsprechenden Daten werden übermittelt. Der Lieferant kann daraus die beim Kunden verfügbaren Bestände, mögliche Abweichungen und schließlich den Bedarf ermitteln. Daraus werden die kurzfristigen Liefer- und Produktionspläne abgeleitet. Unerwartete Schwankungen können so abgefangen werden. QR wird vor allem in der Mode- und Bekleidungsbranche eingesetzt.

Eigenschaften

¾ Point-of-sales (POS) Daten werden erfasst (z. B. mit Scanner, Bardoce, RFID) und IT-gestützt übermittelt ¾ Lieferant wertet diese für die kurzfristige Liefer- und Produktionsplanung aus Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

405

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität

Bezug zur SCVD

3

Lieferzuverlässigkeit

exakte und aktuelle Erfassung der Nachfrage am Point-of-sales (POS) ermöglicht zuverlässige Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

die automatische Abwicklung des Informationsflusses verkürzt die Durchlaufzeiten

3

Flexibilität

kurze Durchlaufzeiten beeinflussen die Flexibilität günstig

3

Investitionen überflüssige Bestände können vermieden werden

3

Kosten

tiefe Obsoleszenzkosten

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11 DP-CS21, DP-CS4, DP-CD4

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Quick Response (Fortsetzung)

Strukrurell:

406

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Kunde

Lieferant

¾ ¾ ¾ ¾

¾ tendenziell Nähe zum Kunden ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

Produktion: hohe Volumina gegenseitiges Vertrauen Prognoseinformationen IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

¾ Beschaffungsauftragsdurchlaufzeit ¾ Total Lagerkosten ¾ Bestandsreichweite

¾ ERP-System ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie ¾ Lieferzeit ¾ Vorhersagegenauigkeit ¾ Liefertreuegrad

Einfluss auf ¾ Efficient Consumer Response andere Best ¾ Vendor Managed Inventory Practices ¾ Quick Response ¾ Kanban Quellen

Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 22% der Unternehmen QR einsetzen und 4% den Einsatz planen. Nur 14% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Continuous Replenishment (CR)

Kurzbeschreibung

Continuous Repelsihment (CR) ist die kontinuierliche (tägliche) Nachfüllung verbrauchter Produkte basierend auf dem tatsächlichen Bedarf durch den Lieferanten nach dem Holprinzip (Pull-Logistik). Der Kunde übermittelt dem Lieferanten entweder Bestands- oder Bewegungsdaten aus seinem Lager oder die Verkaufsdaten vom Point-of-Sales (POS). Der Lieferant plant und steuert auf Basis dieser Informationen die Lieferungen selbstverantwortlich. Die IT-Systeme der Kunden und Lieferanten werden miteinander verknüpft. Zudem werden Vereinbarungen über Sicherheitsbestände sowie über Oberund Untergrenzenden der Bestände etc. getroffen. Damit geht ein Teil der Verantwortung für die Bestände an den Lieferanten über. Im Extremfall füllt der Lieferant das Lager des Kunden selbst auf (Rack Jobbing), beispielsweise bei C-Teilen wie Schrauben, Muttern, Nägeln etc. CR ist vor allem im Handel verbreitet.

Eigenschaften

¾ IT-gestützte Erfassung und Übermittlung von Bestands-, Bewegungs- oder Verkaufsdaten (POS) ¾ Lieferant sorgt automatisch und selbstverantwortlich für Nachschub ¾ Der Kunde muss keine Planung durchführen Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

407

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

exakte und aktuelle Erfassung der Nachfrage am Point-of-sales (POS) ermöglicht zuverlässige Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

die automatische Abwicklung des Informationsflusses verkürzt die Durchlaufzeiten

Flexibilität 3

Investitionen

tiefe zyklische Bestände

Kosten

Kunde

Lieferant

Strukrurell:

Voraussetzungen

DP-RS2131, DP-RD213 DP-LS22, DP-LD22 DP-AS11 ¾ Produktion: hohe Volumina ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ Prognoseinformationen ¾ IT-Stützung

¾ tendenziell Nähe zum Kunden ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

Technisch:

Bezug zur SCVD

¾ ERP-System ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

¾ ERP-System ¾ EDI, XML ¾ Barcoding, RFID, ScanningTechnologie

408

Anhang

Name

Continuous Replenishment (CR) (Fortsetzung)

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002. Schweichert, B.; Weidemann, M.: Best Practices des SCM in KundenLieferanten-Beziehungen. In: Schuh, G. (Hrsg.) Produktionsplanung und -steuerung − Grundlagen, Gestaltung und Konzepte. 3. völlig neu berab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2006.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 27% der Unternehmen CR einsetzen und 12% den Einsatz planen. 18% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Efficient Consumer Response Vendor Managed Inventory Quick Response Kanban

Anhang A: Best Practices Name

Direktanlieferung

Kurzbeschreibung

Die Direktanlieferung zielt darauf ab, die wertschöpfenden Prozesse der Kunden und Lieferanten eng miteinander zu verknüpfen. Es sollen möglichst alle dazwischen liegenden Aktivitäten wie Qualitätskontrolle, Wareneingangsbuchungen und Zwischenlagerungen vermieden werden. Der Lieferant liefert die Güter direkt an den Verbrauchsort an.

Eigenschaften

¾ Lieferant liefert direkt an den Verbrauchsort (Montage-, Produktionslinie) ¾ Wareneingang, Qualitätskontrolle und Zwischenlagerung entfallen ¾ Liefereinheit = Transporteinheit = Puffereinheit = Lagereinheit = Verbrauchseinheit Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

409

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität Lieferzuverlässigkeit 3

Lieferdurchlaufzeit

kurze Durchlaufzeiten dank Wegfall von Qualitätskontrolle, Wareneingangsbuchungen und Zwischenlagerungen

Flexibilität tiefere Bestände durch Wegfall von Pufferlager

3

Kosten

reduzierte Kosten für Warenannahme

DP-LS13, DP-LS23, DP-LD23, DP-LD23 DP-AS11 DP-CS12

Technisch:

Voraussetzungen

Investitionen

Strukrurell:

Bezug zur SCVD

3

Kunde

Lieferant

¾ gegenseitiges Vertrauen

¾ tendenziell wertvolle Produkte ¾ gegenseitiges Vertrauen

¾

¾

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Produktionssynchrone Beschaffung

Quellen

Wildemann, H.: Logistik Prozessmanagement − Organisation und Methoden, München: TCW, 2001.

410

Anhang

Name

Advanced Shipping Notice (ASN)

Kurzbeschreibung

Das Ziel von Advanced Shipping Notice (ASN) ist die Entkopplung des Informations- und Materialflusses beim Lieferprozess. Das ASN ist eine elektronische Nachricht (über EDI oder mittels XML), welche eine Lieferung vorankündigt. Sie enthält Informationen über Art, Umfang und Adresse der Lieferung. Dadurch kann der Kunde Vorkehrungen treffen und bei Erhalt die Warenannahme rascher und effizienter durchführen. ASN ermöglicht eine hohe Transparenz bezüglich des ankommenden Materialflusses und wird oft im Zusammenhang mit der produktionssynchronen Beschaffung (JIT-/JISAnlieferung) eingesetzt.

Eigenschaften

¾ Entkoppelung von Material- und Informationsfluss ¾ schnelle und effiziente Warenannahme ¾ IT-Stützung Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

Versorgungsstrategien/ -mechanismen

Nutzen

Qualität Lieferzuverlässigkeit 3

Lieferdurchlaufzeit

schnelle und effiziente Warenannahme

Flexibilität Investitionen 3

Technisch:

Voraussetzungen

effiziente Warenannahme und Abwicklung

DP-LS12 DP-CS12, DP-CS22 Strukrurell:

Bezug zur SCVD

Kosten

Kunde

Lieferant

¾ IT-Unterstützung

¾ IT-Unterstützung

¾ ERP-System ¾ EDI, XML

¾ ERP-System ¾ EDI, XML

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Buchholz, W.; Werner, H.: Supply Chain Solutions. Stuttgart: Schäfer-Poeschel, 2001.

Produktionssynchrone Beschaffung Value Added Partnership Direkantlieferung eFulfillment

Anhang A: Best Practices

411

„Make-or-Buy“-Entscheidungen Name

Third Party Logistics (3PL)

Kurzbeschreibung

Third Party Logistics (3PL) ist die Vergabe von Logistikleistungen an einen Logistikdienstleister, der zwischen Lieferant und Kunde beispielsweise Verpackung, Kommissionierung, Transport, Lagerhaltung, Qualitätskontrolle, Ein-/Auslagerung, Auftragsabwicklung, Fakturierung etc. übernimmt bzw. abwickelt. Das Unternehmen kann sich dabei auf die Kernkompetenzen konzentrieren und muss kein Know-how und keine Ressourcen aufbauen. Oft können so auch Kosten gespart werden, wenn der Logistikdienstleister dank Skaleneffekten und Spezialisierung Aktivitäten effizienter durchführen kann. Generell sinken Investitionen in die Infrastruktur (Lager etc.), d. h. die Kosten werden variablilisiert. Das Unternehmen kooperiert langfristig mit dem Logistikdienstleister, der durch maßgeschneiderte Lösungen auf die Kundenbedürfnisse eingehen kann und Mehrwertdienste anbietet.

Eigenschaften

¾ Outsourcing (Auslagerung) von Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Material- und Informationsfluss zwischen Lieferanten und Kunden: Verpackung, Kommissionierung, Transport, Lagerhaltung, Qualitätskontrolle, Ein-/Auslagerung, Auftragsabwicklung, Fakturierung ¾ langfristige Kooperation mit dem Logistikdienstleister

Make-or-BuyEntscheidungen

Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

unabhängiges Qualitätsmanagement und -kontrolle

3

Lieferzuverlässigkeit

optimierte Infrastruktur für Materialfluss vermeidet Störungen

3

Lieferdurchlaufzeit

optimierte Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Materialfluss können Durchlaufzeiten reduzieren

3

Flexibilität

höhere Flexibilität z. B. beim Lagerplatz und -volumen

3

Investitionen

geringere Investitionen in Anlagevermögen (Infrastruktur, Lagerhäuser etc.)

3

Kosten

höhere Effizienz beim Materialfluss (Transport, Lagerhaltung)

Nutzen

Bezug zur SCVD

Klassifizierung

DP-QS1, DP-QS3, DP-QD1, DP-QD3 DP-RD211 DP-LD21 DP-FD2 DP-AS2, DP-AD2 DP-CS1, DP-CD1

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Third Party Logistics (3PL) (Fortsetzung)

Strukrurell:

412

Klassifizierung

Make-or-BuyEntscheidungen

Kunde

Lieferant

¾

¾

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System Integration)

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System Integration)

Einfluss auf andere Best Practices Quellen

Baumgarten, H.; Darkow, I.-L.; Zadek, H. (Hrsg.): Supply Chain Steuerung und Services – Logistikdienstleister managen globale Netzwerke – Best Practices. Berlin (etc.): Springer, 2004. Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 22% der Unternehmen 3PL/4PL einsetzen und 6% den Einsatz planen. 18% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Forth Party Logistics (4PL)

Kurzbeschreibung

Forth Party Logistics (4PL) ist die Auslagerung von umfassenden Logistikleistungen in den Bereichen Gestaltung, Planung, Koordination und Optimierung in einer Supply Chain zu einem Logistikdienstleister. Die physische Abwicklung wird anderen Logistikdienstleistern (Transporteure, Speditionen, 3PL) überlassen. Ein 4PL-Logistikdienstleister konzentriert sich eher auf die strategischen Aufgaben, bietet kundenspezifische Lösungen für Mehrwertdienste (logistische Serviceleistungen) an und tritt als einzige Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und den beteiligten Logistikdienstleistern auf.

Eigenschaften

¾ Planung, Steuerung und Koordination von Logistikaktivitäten ¾ Gestaltung und Optimierung von Supply Chains ¾ Kompetenz und Betreiben von Informationssystemen und IT, IT-Integration ¾ Integration von Logistikdienstleistern (z. B. 3PL) und Lieferanten ¾ Auftragsabwicklung, Beschaffung, Tracking & Tracing ¾ Lieferantenmanagement

Make-or-BuyEntscheidungen

Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

unabhängige Qualitätsmanagement und -kontrolle

3

Lieferzuverlässigkeit

optimierte Infrastruktur für Informations- und Materialfluss vermeidet Störungen, optimierte Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

optimierte Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Informations- und Materialfluss können Durchlaufzeiten reduzieren

3

Flexibilität

höhere Flexibilität z. B. beim Lagerplatz und -volumen

3

Investitionen

geringere Investitionen in Anlagevermögen (Infrastruktur, Lagerhäuser etc.)

3

Kosten

höhere Effizienz beim Informations- und Materialfluss (Transport, Lagerhaltung, Auftragsabwicklung etc.)

Nutzen

Bezug zur SCVD

Klassifizierung

413

DP-QS1, DP-QS3, DP-QD1, DP-QD3 DP-RS11, DP-RD211 DP-LS11, DP-LD21 DP-FS2, DP-FD2 DP-AS2, DP-AD2 DP-CS1, DP-CS2, DP-CD1, DP-CD2

Anhang

Name

Kunde

Technisch:

Voraussetzungen

Forth Party Logistics (4PL) (Fortsetzung)

Strukrurell:

414

Klassifizierung

Make-or-BuyEntscheidungen

Lieferant

¾ langfristige Geschäftsbeziehung ¾ langfristige Geschäftsbezie¾ gemeinsame strategische Aushung richtung ¾ gemeinsame strategische Ausrichtung ¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System Integration) ¾ SCM-Software

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System Integration) ¾ SCM-Software

Einfluss auf andere Best Practices Quellen

Baumgarten, H.; Darkow, I.-L.; Zadek, H. (Hrsg.): Supply Chain Steuerung und Services – Logistikdienstleister managen globale Netzwerke – Best Practices. Berlin (etc.): Springer, 2004. Hieber R.: Supply Chain Management: A collaborative Performance Measurement Approach. Zürich: vdf, 2002.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 22% der Unternehmen 3PL/4PL einsetzen und 6% den Einsatz planen. 18% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Modular/System Sourcing (MS)

Kurzbeschreibung

Modular/System Sourcing (MSS) ist eine Beschaffungsstrategie, bei welcher der Kunde bereits vormontierte Module (räumliche Einheiten, z. B. Armaturenbrett) oder Systeme (funktionale Einheiten, z. B. ABS) von einem Moduloder Systemlieferanten bezieht. Dies geschieht häufig in einer „Single Source“Beziehung aufgrund der Spezialisierung des Lieferanten. Der Abnehmer beschafft Systeme und Module, was die Komplexität in der Beschaffung reduziert, da weniger Produkte beschafft werden und mit weniger Lieferanten verhandelt werden muss.

Eigenschaften

¾ Beschaffung kompletter Module und Systeme von Lieferanten Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

415

Make-or-BuyEntscheidungen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

Versorgungsrisiken können u. U. reduziert werden, da weniger (dafür größere) Abhängigkeiten bestehen

3

Lieferdurchlaufzeit

Durchlaufzeiten in der Produktion können reduziert werden

Flexibilität Investitionen 3 Bezug zur SCVD

Kosten

reduzierte Transaktions- und Komplexitätskosten

DP-RS2111, DP-RS2122 DP-LM2 DP-CM22

Technisch:

Strukrurell:

Voraussetzungen

Kunde

Lieferant

¾ tendenziell komplexe Produkte ¾ hohe Flexibilität ¾ hohe Zuverlässigkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ ¾ ¾ ¾

¾

¾

hohe Flexibilität hohe Zuverlässigkeit gegenseitiges Vertrauen langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

416

Anhang

Name

Modular/System Sourcing (MS) (Fortsetzung)

Klassifizierung

Make-or-BuyEntscheidungen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Value Added Partnership ¾ Lieferantenentwicklung ¾ Produktionssynchrone Beschaffung

Quellen

Wildemann, H.: Logistikstrategien. In: Eversheim, W.; Schuh, G. (Hrsg.): Betriebshütte: Produktion und Management. 7., völlig neuberab. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 1996.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 31% der Unternehmen Modular/Systems Sourcing einsetzen und 12% den Einsatz planen. 24% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices

417

SCM-Software-Module Name

Kooperative Bedarfs- und Kapazitätsplanung

Kurzbeschreibung

Bei der kooperativen Bedarfs- und Kapazitätsplanung werden die Lieferanten bzw. Kunden von Anfang an in die Planung des zukünftigen Bedarfs und der erforderlichen Kapazitäten aktiv involviert. Das Ziel ist, genauere Prognosen und tiefere Bestände durch eine ganzheitliche Optimierung sowie eine hohe Verfügbarkeit zu erreichen. Dabei fließen verschiedene Informationen wie Vergangenheitszahlen über Bedarfe, Prognosen, Markt- und Produktinformationen, Auslastungen etc. ein. Diese Informationen müssen für die Abstimmung und Verarbeitung untereinander ausgetauscht werden. In der Regel erfolgt die Verarbeitung der Informationen mithilfe von SCM-Softwaresystemen. Die gemeinsam abgestimmten Bedarfsprognosen sind die Basis für die Planung der involvierten Partnerunternehmen, die somit alle auf den gleichen Planungsgrundlagen aufbauen. Bei der Kapazitätsplanung werden nicht nur die eigenen Kapazitäten berücksichtigt, sonder auch jene der Lieferanten und allfälliger Logististikdienstleister.

Eigenschaften

¾ Prognosen: Optimierung und gemeinsame Prognosen basierend auf komplizierten Verfahren ¾ Kapazitätsplanung: unternehmensübergreifende Abstimmung, Planung und Optimierung der erforderlichen Kapazitäten ¾ Simulation: Erarbeitung und Evaluierung verschiedener Szenarien (Bedarf, Bestände, Engpässe, Auslastung etc.) und deren Konsequenzen ¾ Bestandskalkulierung: Berechnung und Platzierung von Beständen und Sicherheitsbeständen ¾ Informationsaustausch: IT-Stützung und Anbindung von SCM-/ERPSystemen Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

SCM-Software-module

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

bessere, gemeinsam abgestimmte Planungsgrundlagen ermöglichen eine höhere Genauigkeit und Zuverlässigkeit

Lieferdurchlaufzeit Flexibilität 3

Investitionen

Kosten

Optimierung der Bestände und der Dimensionierung der Sicherheitsbestände, Reduzierung des BullwhipEffekts durch abgestimmte Planung

418

Anhang Kooperative Bedarfs- und Kapazitätsplanung (Fortsetzung)

Bezug zur SCVD

DP-RS211, DP-RS212, Dp-RM212, DP-RM213, DP-RD211, DP-RD212 DP-AS1, DP-AS2, DP-AD1, DP-AS2

Technisch:

Voraussetzungen

Strukrurell:

Name

Klassifizierung

SCM-Software-module

Kunde

Lieferant

¾ Informationsverfügbarkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

¾ Informationsverfügbarkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

Einfluss auf andere Best Practices

¾ CPFR ¾ Efficient Consumer Response ¾ Forth Party Logistics

Quellen

Stadtler, H.; Kilger, C.: Supply Chain Management and Advanced Planning: Concepts, Models, Software and Case Studies. Berlin (etc.): Springer, 2000. Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003.

Anhang A: Best Practices Name

Netzwerkplanung

Kurzbeschreibung

Netzwerkplanung bedeutet die unternehmensinterne oder unternehmensübergreifende Koordination von (internen oder externen) Lieferanten und Kunden in einer Supply Chain (oder Wertschöpfungsnetzwerk). Unternehmensintern betrifft dies insbesondere die globale Planung und Koordination von Standorten, während bei der unternehmensübergreifenden Netzwerkplanung es sich um externe Kunden, Lieferanten und Partner handelt. Meist spielt ein Partner (z. B. OEM) eine dominante Rolle bei der Netzwerkplanung. Die Netzwerkplanung ist langfristiger Natur (Planungshorizont meist mehrere Jahre) und beinhaltet die Abstimmung von Bedarfen und Ressourcen (Material, Kapazitäten), um ein Gesamtoptimum zu erzielen. Sie baut auf das strategische Netzwerkdesign auf, wo Standortentscheidungen etc. gefällt werden. Unternehmensintern ist die Netzwerkplanung eine werks- bzw. standortübergreifende Planung.

Eigenschaften

¾ unternehmensübergreifende oder werks- bzw. standortübergreifende langfristige Abstimmung von Bedarfen und Ressourcen ¾ Optimierung von Produktionsvolumnina, Verfügbarkeit, Auslastung, Kosten, Durchlaufzeiten, Beständen etc. ¾ Anknüpfung an die kooperative Bedarfs- und Kapazitätsplanung Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

419

SCM-Software-module

Nutzen

Qualität

Bezug zur SCVD

3

Lieferzuverlässigkeit

globale Sicherstellung der Zuverlässigkeit aufgrund besserer Abstimmung und optimierter Planung

3

Lieferdurchlaufzeit

globale Optimierung der Durchlaufzeiten und der Verfügbarkeiten

3

Flexibilität

Schaffen von Flexibilität durch verschiedene Standorte bzw. Quellen

3

Investitionen

Optimierung der Bestände und der Dimensionierung der Sicherheitsbestände, Reduzierung des BullwhipEffekts durch abgestimmte Planung

3

Kosten

Kostenoptimierung durch Standortwahl

DP-RS, DP-RM, DP-RD DP-LS, DP-LM, DP-LD DP-FS, DP-FM, DP-FD DP-AS, DP-AM, DP-AD DP-CS1, DP-CS3, DP-CS4, DP-CM1, DP-CM3, DP-CM4, DP-CD1, DP-CD3, DP-CD4

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Netzwerkplanung (Fortsetzung)

Strukrurell:

420

Klassifizierung

SCM-Software-module

Kunde

Lieferant

¾ Informationsverfügbarkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

¾ Informationsverfügbarkeit ¾ gegenseitiges Vertrauen ¾ IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

Einfluss auf andere Best Practices

¾ Kooperative Bedarfs- und Kapazitätsplanung

Quellen

Stadtler, H.; Kilger, C.: Supply Chain Management and Advanced Planning: Concepts, Models, Software and Case Studies. Berlin (etc.): Springer, 2000. Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003.

Anhang A: Best Practices

421

Name

Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (ATP, CTP)

Kurzbeschreibung

Die Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (Order Promising) dient der zuverlässigen Bestimmung eines möglichen Liefertermins (z. B. schnellster Liefertermin oder Wunschliefertermin) und kann deshalb für die Abklärungen von Kundenanfragen und -aufträgen genutzt werden. Dadurch können die Kundenorientierung und der Kundennutzen verbessert werden. Bei der Verfügbarkeitsprüfung (Available-to-Promise ATP) wird die Verfügbarkeit eines gewünschten Produkts für einen bestimmten Liefertermin überprüft und ggf. bestätigt. Dabei wird von einem gegebenen Produktionsplan ausgegangen. Bei der Machbarkeitsprüfung (Capable-to-Promise CTP) wird ein Auftragsvorschlag simuliert, indem verfügbare Produktionskapazitäten und Komponenten (sowie allenfalls weitere Restriktionen) in der Beschaffung und Produktion als auch im Vertrieb berücksichtigt werden und die entsprechenden Pläne allenfalls geändert und optimiert werden. Oft ist auch eine Reservierungsfunktion eingeschlossen. Diese Funktionalitäten werden in der Regel durch SCMSoftware gestützt bzw. durch Informationstechnologie zur Verfügung gestellt.

Eigenschaften

¾ Prüfung und Bestätigung der Verfügbarkeit zu einem bestimmten oder schnellst möglichen Termin ¾ Prüfung und Bestätigung der Machbarkeit eines Auftragsvorschlags unter Berücksichtigung der verfügbaren Kapazitäten und Ressourcen ¾ Reservierungsfunktion ¾ Alternativvorschläge bei negativem Ergebnis der Prüfung (z. B. Terminverschiebung, Anpassung der Menge, alternative Produktvariante) Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung SCM-Softwaremodule

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit Lieferdurchlaufzeit Flexibilität Investitionen Kosten

Bezug zur SCVD

DP-RD212

zuverlässige Bestimmung von Lieferterminen

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

Verfügbarkeits- und Machbarkeitsprüfung (ATP, CTP) (Fortsetzung) Strukrurell:

422

Klassifizierung SCM-Softwaremodule

Kunde

Lieferant

¾ Wichtigkeit der schnellen und pünktlichen Lieferung

¾

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software

Quellen

Stadtler, H.; Kilger, C.: Supply Chain Management and Advanced Planning: Concepts, Models, Software and Case Studies. Berlin (etc.): Springer, 2000. Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 27% bzw. 14% der Unternehmen ATP bzw. CTP einsetzen und jeweils 6% deren Einsatz planen. Je 18% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

Supply Chain Event Management (SCEM)

Kurzbeschreibung

Supply Chain Event Management (SCEM) ist ein Konzept zur aktiven Überwachung des unternehmensinternen und -externen Materialflusses, um frühzeitig drohende Engpässe und Störungen (z. B. Verspätungen, Ausfälle von Transportmitteln, Unterschreiten von Minimalbeständen, Fehlbestände und -mengen etc.) zu erkennen, zu vermeiden und zu beheben. Tritt ein solcher Vorfall auf oder ist er absehbar, so wird er durch ein SCEM-System identifiziert, welches die betroffenen Stellen, Personen und Systeme benachrichtigt.

Eigenschaften

¾ Monitoring: Identifikation und Visualisierung von Versorgungsstörungen, Überwachung des Materialflusses, von Auftragsstatus, und Beständen im Hinblick auf Engpässe und Störungen ¾ Alert Management: Benachrichtigung der betroffenen Stellen, Personen (z. B. mittels SMS oder E-Mail) und Systeme über eine Störung, einen Störfall oder Abweichungen von Ist- und Soll-Werten ¾ Simulation von alternativen Maßnahmen, um diese zu bewerten und eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

423

SCM-Software-module

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

durch effiziente Reaktion auf Störungen können die Störungszeiten und damit Schwankungen minimiert werden

Lieferdurchlaufzeit Flexibilität Investitionen Kosten Bezug zur SCVD

DP-RS22, DP-RM22, DP-RD22

Anhang Supply Chain Event Management (SCEM) (Fortsetzung)

Klassifizierung

SCM-Software-module

Kunde

Lieferant

Strukrurell:

Name

¾ Wichtigkeit pünktlicher und schneller Lieferung ¾ Informationen über Engpässe, Störungen, Zustände etc. verfügbar ¾ IT-Stützung

¾ Informationen über Engpässe, Störungen, Zustände etc. verfügbar ¾ IT-Stützung

Technisch:

424

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software ¾ Tracking & Tracing

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ SCM-Software ¾ Tracking & Tracing

Voraussetzungen

Einfluss auf andere Best Practices

¾ eFulfillment

Quellen

Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003.

Anhang A: Best Practices

425

E-Business-Konzepte Name

e-Procurement

Kurzbeschreibung

E-Procurement (elektronische Beschaffung) sind IT-gestützte Beschaffungslösungen, die eine weitgehend automatische Abwicklung von Beschaffungsaktivitäten (insbesondere Angebote einholen und auswerten, Aufträge und Zahlungen abwickeln) meist mittels Internet-basierten Technologien ermöglichen. Dadurch sollte die Effizienz gesteigert werden, vor allem in Bezug auf Durchlaufzeiten und Kosten.

Eigenschaften

¾ Katolog-basierte Beschaffungssysteme und Portale: interaktiver elektronischer Produktkatalog mit Bestellmöglichkeit ¾ Desktop-Purchasing-Systeme: unterstützen große Teile oder den gesamten Beschaffungsprozess (Kataloge, Angebotseinholung und -auswertung, Budgetprüfung, Bestellung, Abrechnung etc.) ¾ Elektronische Marktplätze: virtuelle Handelsplattformen, wo Angebot und Nachfrage aufeinander treffen, als Portale oder mit umfassenden Funktionen (Kommunikation, Verhandlung, Auktionen etc.), können auch lieferanten- oder abnehmerseitig ausgeprägt werden (z. B. Lieferantenportale großer Abnehmer) Zielbereich

Nutzen

Klassifizierung

E-BusinessKonzepte

Nutzen

Qualität Lieferzuverlässigkeit 3

Lieferdurchlaufzeit

Vereinfachung und Beschleunigung der Beschaffungsprozesse

Flexibilität Investitionen 3

Strukrurell:

Voraussetzungen

Reduzierung der Beschaffungskosten und bessere Konditionen durch Bündelungseffekte

DP-LS12, DP-LS22 DP-CS22, DP-CS3

Technisch:

Bezug zur SCVD

Kosten

Kunde

Lieferant

¾ IT-Stützung

¾ IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ EDI, XML

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ EDI, XML

426

Anhang

Name

e-Procurement (Fortsetzung)

Klassifizierung

E-BusinessKonzepte

Einfluss auf andere Best Practices

¾ e-Supplier-Relationship-Management ¾ e-Fulfillment

Quellen

Bullinger, H.-J.; Berres, A. (Hrsg.): E-Business: Handbuch für Entscheider, Berlin (etc.): Springer, 2002. Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007. van Weele, A.: Purchasing and Supply Chain Management: Analysis, Planning and Practice. London: Thomson Learning, 2002. Wannenwetsch, H.H.; Nicolai, S. (Hrsg.): E-Supply Chain Management – Grundlagen, Strategien, Praxiswendungen. Wiesbaden: Gabler. 2002.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 37% der Unternehmen e-Procurement einsetzen und 8% den Einsatz planen. 29% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices

427

Name

e-Fulfillment

Klassifizierung E-BusinessKonzepte

Kurzbeschreibung

E-Fulfillment ist die elektronische (IT-gestützte) Auftragsabwicklung (Auftragseingabe und -verarbeitung, Zahlungsabwicklung, Tracking & Tracing etc.), oft auch kombiniert mit physischen Aktivitäten wie Verpackung, Lagermanagement oder Retourenmanagement. E-Fulfillment wird oft durch Logistikdienstleister (3PL, 4PL) angeboten.

Eigenschaf- ¾ elektronische und physische Auftragsabwicklung ten ¾ Lieferverfolgung (Tracking & Tracing), Auftragsstatus Zielbereich

Nutzen

Nutzen

Qualität 3

Lieferzuverlässigkeit

Transparenz über Auftragsstatus ermöglicht schnelle Reaktion im Falle von Störungen

3

Lieferdurchlaufzeit

automatisierter und reibungsloser Auftragsabwicklungsprozess verkürzt Durchlaufzeiten

Flexibilität Investitionen 3

Strukrurell:

Voraussetzungen

effizienter, automatisierter Auftragsabwicklungsprozess

DP-RS221, DP-RM221, DP-RD221 DP-LD12, DP-LD22 DP-CD2

Technisch:

Bezug zur SCVD

Kosten

Kunde

Lieferant

¾ IT-Stützung

¾ IT-Stützung

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding & ScanningTechnologie

¾ ERP-System ¾ Middleware (ERP-System-Integration) ¾ EDI, XML ¾ Barcoding & ScanningTechnologie

428

Anhang

Name

e-Fulfillment (Fortsetzung)

Klassifizierung E-BusinessKonzepte

Einfluss auf ¾ e-Procurement andere Best ¾ e-Customer-Relationship-Management Practices Quellen

Buchholz, W; Werner H. (Hrsg.): Supply Chain Solutions. Stuttgart: SchäfferPoeschel, 2001. Schubert, P.; Wölfle, R.; Dettling, W. (Hrsg.): Fulfillment im E-Business – Praxiskonzepte innovativer Unternehmen. München (etc.): Hanser, 2001. Wannenwetsch, H.H.; Nicolai, S. (Hrsg.): E-Supply Chain Management – Grundlagen, Strategien, Praxiswendungen. Wiesbaden: Gabler. 2002.

Aktueller Stand

In einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage zeigte sich, dass 16% der Unternehmen e-Fulfillment einsetzen und 8% den Einsatz planen. 12% der Unternehmen sehen ein großes Verbesserungspotenzial. Quelle: Schnetzler, M.; Nölle, A.; Hasenfuss, K.; Iliev, N.; Ziegenbein, A.: Supply Chain Management und Unternehmenserfolg − Trends und Herausforderungen. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), 2006.

Anhang A: Best Practices Name

e-Customer-RelationshipManagement (e-CRM)

Kurzbeschreibung

Das e-Customer-Relationship-Management (e-CRM) dient basierend auf IT-Stützung der systematischen Verbesserung der Kundenbeziehung und -kommunikation. Sie unterstützen und automatisieren Prozesse mit Kundenkontakt von der Akquisition bis zur Auftragsabwicklung, integrieren Daten und helfen bei der Analyse von Kundenverhalten. Damit wird eine höhere Kundenorientierung und -bindung angestrebt. E-CRM-Lösungen kommen insbesondere in den Bereichen Marketing, Verkauf und Service zum Einsatz. Für die Logistik und SCM ist insbesondere der letztgenannte Bereich von Interesse, da er sowohl den Informationsfluss zum Kunden über Beschaffung, Produktion und Vertrieb als auch Rücknahme unterstützt.

Eigenschaften

¾ Operatives e-CRM: Unterstützung, Automatisierung und Standardisierung der Prozesse mit Kundenkontakt (insbesondere Produktkonfiguration, Informationen über Produktion und Vertrieb, Service etc.) ¾ Analytisches e-CRM: Analyse von Kundendaten zur Erfassung des Kaufverhaltens etc. ¾ Kooperatives e-CRM: Unterstützung, Steuerung und Synchronisierung der Kommunikationskanäle zum Kunden

Nutzen 3

Klassifizierung

429

E-BusinessKonzepte

Zielbereich

Nutzen

Qualität

Sicherstellen der Informationsqualität der Kundendaten für eine reibungslose Abwicklung von Kundenaufträgen

Lieferzuverlässigkeit Lieferdurchlaufzeit Flexibilität Investitionen 3 Bezug zur SCVD

Kosten

DP-QD2 DP-CD3

kosteneffizientes Management der Kundenbeziehung

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

e-Customer-RelationshipManagement (e-CRM) (Fortsetzung) Strukrurell:

430

Klassifizierung

E-BusinessKonzepte

Kunde

Lieferant

¾ IT-Stützung ¾ regelmäßige Nachfrage

¾ IT-Stützung

¾

¾ ERP-System ¾ Data Warehouse, Business Intelligence

Einfluss auf andere Best Practices

¾ e-Fulfillment

Quellen

Bullinger, H.-J.; Berres, A. (Hrsg.): E-Business: Handbuch für Entscheider, Berlin (etc.): Springer, 2002. Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003. Wannenwetsch, H.H.; Nicolai, S. (Hrsg.): E-Supply Chain Management – Grundlagen, Strategien, Praxiswendungen. Wiesbaden: Gabler. 2002.

Anhang A: Best Practices Klassifizierung

431

Name

e-Supplier-Relationship-Management (e-SRM)

E-BusinessKonzepte

Kurzbeschreibung

Das e-Supplier-Relationship-Management (e-SRM) umfasst und integriert alle IT-gestützten Aktivitäten von der Lieferantenauswahl und -bewertung, Lieferantenentwicklung bis zur Lieferantenintegration. Durch Inforationsaustausch und Kooperation sollen unternehmensübergreifende Prozesse zwischen Kunden und Lieferanten automatisiert und gemeinsam optimiert werden.

Eigenschaften

¾ Lieferantenauswahl: Suche und Vergleich potenzieller Lieferanten und Entscheidungsunterstützung, vgl. Best Practice „Lieferantenbewertung“ ¾ Lieferantenbewertung: vgl. Best Practice „Lieferantenbewertung“ ¾ Lieferantenentwicklung: vgl. Best Practice „Lieferantenentwicklung“ ¾ Informationsaustausch mit Lieferanten (IT-gestützt, automatisiert und standardisiert) ¾ Beschaffung: vgl. Best Practice „e-Procurement“ Zielbereich

Nutzen

3

Qualität

Sicherstellen der Einhaltung von Qualitätsanforderungen durch die Lieferanten und der Informationsqualität der Lieferantendaten

3

Lieferzuverlässigkeit

Lieferantenzuverlässigkeit kann geprüft und sichergestellt werden

3

Lieferdurchlaufzeit

Lieferzeiten und Verfügbarkeit können geprüft und sichergestellt werden, Beschaffungsaufträge können effizienter abgewickelt werden

3

Flexibilität

Flexibilität der Lieferanten kann geprüft und sichergestellt werden

Nutzen

Investitionen 3

Bezug zur SCVD

Kosten

Reduzierung der Beschaffungskosten und bessere Konditionen durch Bündelungseffekte, effiziente Auftragsabwicklung, kosteneffizientes Management der Lieferantenbeziehung

DP-QS1, DP-QS2 DP-RS2112 DP-LS11, DP-LS12 DP-FS1 DP-CS11, DP-CS21, DP-CS22

Anhang

Name

Technisch:

Voraussetzungen

e-Supplier-Relationship-Management (e-SRM) (Fortsetzung) Strukrurell:

432

Klassifizierung

E-BusinessKonzepte

Kunde

Lieferant

¾ IT-Stützung ¾ Langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ IT-Stützung ¾ Langer Zeithorizont der Geschäftsbeziehung

¾ ERP-System ¾ Data Warehouse & Business Intelligence

¾

ERP-System

Einfluss auf andere Best Practices

¾ ¾ ¾ ¾

Quellen

Laakmann, F.; Nayabi, K.; Hieber, R. (scm-CTC (Hrsg.)): Marktstudie Supply Chain Management Software 2003 – Planungssysteme im Überblick. 2. Aufl., Stuttgart: scm-CTC (Hrsg.), 2003. Ross, D.F.: Introduction to e-supply chain management – engaging technology to build marketwinning business partnerships. Boca Raton (FL) (etc.): St. Lucie Press, 2003. Appelfeller, W.; Buchholz, W.: Supplier Relationship Management − Strategie, Organisation und IT des modernen Beschaffungsmanagements. Wiesbaden: Gabler, 2005.

e-Procurement Lieferantenbewertung Lieferantenentwicklung Rahmenverträge

Anhang B: Kennzahlen

433

Anhang B: Kennzahlen

Die in der SCVD aufgeführten Leistungskennzahlen und Leistungstreiber sind zum größten Teil aus der Literatur und industriellen Standards entnommen. Wo immer möglich wurden bereits etablierte Messgrößen mit einer klaren und weithin akzeptieren Definition übernommen. In der unten aufgeführten Tabelle ist jede Kennzahl mit deren Bezeichnung, einer kurzen Beschreibung und der Quelle aufgeführt. Für die exakte mathematische Berechnung sei auf die Originalquelle verwiesen. Tabelle 13 Liste von Kennzahlen in der SCVD PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

Auftragsabwicklungskosten [Euro]

Summe der folgenden Kostenblöcke: Auftrag anlegen/erfassen Auftragsausführungsplanungskosten Auftragsausführungskosten Distributionskosten Transportkosten Inbetriebnahmekosten Rechnungsstellungskosten

SCOR V8

Auftragsdurchlaufzeit [Tage]

Zeit zwischen Auftragseingang und der perfek- SCOR V8; Syska ten Ablieferung der Ware beim Kunden. In (1990) Abhängigkeit der Bevorratungsebene (MTS, MTO, ETO) besteht diese Durchlaufzeit aus unterschiedlichen Komponenten.

Auftragsdurchlaufzeitschwankung [Stunden]

Durchschnitt und Standardabweichung der Auftragsdurchlaufzeit

Autoren

Ausbringungsrate [%]

Das Verhältnis von verwendbarem Ausstoss zum gesamten Ausstoß eines Produktionsprozesses. Der Kehrwert dieser Kennzahl ist die Fehlerrate.

SCOR V8; Syska (1990)

Auslieferungsdurchlaufzeit [Stunden]

Die Zeitspanne vom Auftrageingang eines Lagerhaltigen Produktes bis zur Fertigstellung eines versandfähigen Transporteinheit im Warenausgang.

Autoren

Beschaffungsauftragsstornierungsrate [%]

Anzahl stornierter Beschaffungsaufträge geteilt Autoren durch die Summe aller Beschaffungsaufträge im Betrachtungszeitraum.

Bestandsreichweite [Tage]

Jahresdurchschnitt der Bestände an Rohmaterial, Ware in Arbeit sowie Fertigprodukten geteilt durch den durchschnittlichen Tagesumsatz. Diese Kennzahl kann sowohl in Summe oder für jede Bestandsart separat erhoben werden.

in Anlehnung an SCOR V8; Brockman et. al. (1997)

434

Anhang Tabelle 13 (Fortsetzung)

PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

Bestandsreichweite von Wert der Fertigprodukten am Lager geteilt Fertigprodukten [Tage] durch den durchschnittlichen Tagesumsatz.

VDI Richtlinie 2525; Brockman et. al. (1997)

Bestandsreichweite von Wert des Rohmaterials geteilt durch den Rohmaterial [Tage] durchschnittlichen Tagesumsatz.

Brockman et. al. (1997)

Bestandsreichweite von Wert der Ware in Arbeit geteilt durch den Ware in Arbeit [Tage] durchschnittlichen Tagesumsatz.

Brockman et. al. (1997)

Cash-to-Cash Cycle Time [Tage]

Cash-to-Cash Cycle Time = BestandsreichSCOR V8 weite + Anzahl Tage der Ausstände aus Forderungen gegenüber Kunden – Anzahl Tage der Ausstände aus Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten. Diese Kennzahl beschriebt, wie lange es dauert, bis ein Euro, der für Rohmaterial ausgegeben wurde aus einen bezahlen Produktverkauf wieder in das Unternehmen einfließt. (SCOR V8)

Durchführungszeitanteil [%]

Summe der Prozesszeiten für ein Produktions- Schönsleben los geteilt durch die totale Durchlaufzeit für (2007); VDI ein Los. Richtlinie 4400

Durchschnittliche Zeit von der Identifizierung eines Bedarfes bis Einkaufsauftragsdurch- zum Auftragseingang beim Lieferanten. laufzeit [Stunden] Durchschnittliche Fertigungszeit [Stunden]

SCOR V8, Reinsch (2003)

Die Summe aller Prozesszeiten für die Produk- Schönsleben tion eines Loses. (2007),

Durchschnittliche Ope- Durchschnitt der Summe von Rüstzeit und rationszeit [Stunden] Produktionszeit für ein Los.

vgl. Schönsleben (2007)

Durchschnittliche Rüstzeit [Stunden]

Die Summe aller Rüstzeiten für die Produktion Schönsleben eines Loses bei optimaler Reihenfolgeplanung. (2007); Syska (1990)

Durchschnittliche Transportzeit [Tage]

Die Summe aller internen und externen Trans- Schönsleben portzeiten, die für ein Los notwendig sind, (2007) vom Auftragseingang bis zur Übergabe an den Kunden.

Durchschnittliche Wartezeit [Stunden]

Die Summe von technischen Wartezeiten und der Wartezeit vor der Bearbeitung (Warteschlangenzeit).

Schönsleben (2007)

Durchschnittliche Zeit von der Identifizierung eines Bedarfes Wiederbeschaffungszeit über die Bestellauslösung bis zum Waren[Stunden] eingang im Lager inkl. Freigabe der Rechnung des Lieferanten.

SCOR V8

Durchschnittliches Bestandsalter von Rohmaterial [Tage]

Autoren

Das Alter des Rohmaterials in Bezug zum Produktlebenszyklus lässt eine Bewertung des Obsoleszenzrisikos durch Verderben oder technische Überalterung zu.

Anhang B: Kennzahlen

435

Tabelle 13 (Fortsetzung) PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

Fehlerfreie Auftragserfüllung [%]

Anzahl Aufträge mit einwandfreier Produktqualität geteilt durch die Anzahl aller im Betrachtungszeitraum ausgelieferten Aufträge.

SCOR V8

Fehlteilrate [%]

Anzahl ausgelieferter Aufträge, zu deren Vollständigkeit ein Produkt oder ein Beilegedokument gefehlt hat geteilt durch die Summe aller ausgelieferten Aufträge.

SCOR V8

Herstellkosten [Euro]

Die Summe aller Kosten aus der Beschaffung SCOR V8 von Rohmaterial bis zur Fertigstellung des verkaufsfähigen Produktes. Die Herstellkosten beinhalten sowohl direkte Kosten als auch Gemeinkosten.

Inventurdifferenzquote Wert der Inventurdifferenzen aller Bestände [%] geteilt durch den durchschnittlichen Lagerbestand zwischen zwei Inventuren.

GIPP (1999)

Kapazitätsauslastung [%]

Effektiv geleistete Produktionsstunden geteilt durch die effektiv verfügbaren Produktionsstunden.

Schönsleben (2007); Brockman et. al. (1997)

Kapitalumschlag [1]

Umsatz geteilt durch die Summe aus Umlaufund Anlagevermögen.

SCOR V8

Lagerauslastung [%]

Anzahl belegter Lagereinheiten geteilt durch die Anzahl verfügbarer Lagereinheiten 2 3 (Behälter, m , m , Liter, Paletten etc.).

Brockman et. al. (1997); ProdChain

Lagerkapazitätskosten [Euro]

Abschreibung oder Miete, Unterhalt sowie Personal um die Verfügbarkeit der Lagerinfrastruktur sicherzustellen.

Autoren

Lagermanagementkosten [Euro]

Personalkosten sowie IT-Infrastrukturkosten, um das Lager zu optimieren und zu steuern (Leitstand).

Autoren

Lagerumschlag [1]

Wert aller Lagerausgänge geteilt durch den Durchschnittsbestandeswert in der Betrachtungsperiode.

VDI Richtlinie 4400

LieferantenLiefertreuegrad [%]

Anzahl rechtzeitig eingegangener Anlieferungen geteilt durch Anzahl Anlieferungen im Betrachtungszeitraum.

VDI Richtlinie 4400; Syska (1990)

Lieferanten-Lieferzeitschwankung [Tage]

Durchschnitt und Standardabweichung von Beschaffungsaufträgen

VDI Richtlinie 4400

LieferantenauswahlDurchlaufzeit [Tage]

Zeit zwischen der Notwendigkeit, einen neuen Lieferanten für ein Produkt zu finden, bis zur Identifizierung eines geeigneten Partners.

SCOR V8

436

Anhang Tabelle 13 (Fortsetzung)

PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

LieferantenLieferqualität [%]

Differenz zwischen 100% und der Anzahl quali- VDI Richtlinie tätsbedingter Zurückweisungen von Waren4400; Brockman eingängen geteilt durch Anzahl Wareneingänge et. al. (1997) im Betrachtungszeitraum.

LieferantenLieferqualitätsschwankung [%]

Durchschnitt und Standardabweichung der Lieferanten Lieferqualität.

VDI Richtlinie 4400; Syska (1990); Brockman et. al. (1997)

LieferantenMengentreue [%]

Anzahl Wareneingänge mit Fehlteilen geteilt durch die Anzahl Wareneingänge im Betrachtungszeitraum.

VDI Richtlinie 4400; Brockman et. al. (1997)

LieferantenMengentreueschwankung [%]

Durchschnitt und Standardabweichung der Lieferanten Mengentreue.

VDI Richtlinie 4400; Brockman et. al. (1997)

Lieferantenqualifizierungsdurchlaufzeit [Tage]

Zeit zwischen der Identifizierung eines geeigneten Partners bis zur Qualifizierung und Zertifizierung des Lieferanten.

SCOR V8

Lieferbereitschaftsgrad [%]

Anzahl Aufträge, die zum Kundenwunschter- ProdChain; APICS min ausgeliefert werden, konnten geteilt durch V10; Syska (1990); die Summe aller ausgelieferten Aufträge. Brockman et. al. (1997)

Lieferzeitabweichung [Tage]

Durchschnittliche Abweichung von der Standardlieferzeit.

VDI Richtlinie 4400

Lieferzuverlässigkeit [%]

Anzahl Aufträge, die zum bestätigen Liefertermin ausgeliefert wurden geteilt durch die Anzahl aller ausgelieferten Aufträge.

Schönsleben (2007); Brockman et. al. (1997)

Logistikkostenrate [%]

Logistikkosten geteilt durch den Umsatz.

ProdChain; Syska (1990),

Managementinformationssystemkosten [Euro]

Abschreibung und Support auf Supply Chain Monitoring und Controlling Software und Hardware, sowie die Personalkosten für den Betrieb und die Erstellung der Auswertungen.

SCOR V8

Mehrmengenflexibilität Anzahl Tage, die notwendig sind um die [%] Ausbringungsmenge langfristig um 20% zu erhöhen.

SCOR V8

Mehrwertproduktivität [Euro]

Die Mehrwertproduktivität ist der Verkaufserlös minus aller Materialkosten geteilt durch die Summe der Kapitaleinsatzes inklusive Personal oder äquivalenten Investitionen.

SCOR V8, ProdChain

Mindermengenflexibilität [%]

Prozentsatz, um den binnen 30 Tagen der Ausstoß der Produktion und Auslieferung ohne Kostennachteile nachhaltig reduziert werden kann.

SCOR V8

Anhang B: Kennzahlen

437

Tabelle 13 (Fortsetzung) PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

Obsoleszenzkosten [Euro]

Abschreibung und Verschrottungskosten für Produkte die entweder verdorben, technisch überaltert oder aus einen anderen Grund unverkäuflich geworden sind.

Autoren

Perfekte Auftragsabwicklung [%]

Anzahl Aufträge, die perfekt ausgeführt SCOR V8 wurden, geteilt durch die Summe aller Aufträge. Ein Perfekter Auftrag wird durch die folgenden Eigenschaften charakterisiert: Vollständigkeit: alle Produkte sind in der gewünschten Menge ausgeliefert. Pünktlich: die Auslieferung wurde zum Kundenwunschtermin dem Kunden übergeben. Dokumentation: alle zusätzlich notwendigen Papiere sind in der Sendung enthalten. Fehlerfrei: das Produkt entspricht der erwarteten Qualität. Falls gefordert, wurde das Produkt beim Kunden wunschgemäß in Betrieb genommen.

Planbestandseinhaltung Anzahl Tage, in denen der Bestand in den [%] Plangrenzen lag. geteilt durch die Anzahl Tage im Betrachtungszeitraum.

ProdChain

Planlieferzeit [Tage]

Die Durchlaufzeit, die benötigt wird, um einen Schönsleben Auftrag zu erfassen, bereitzustellen und aus(2007); APICS V10 zuliefern, bis der Kunde das Produkt in Empfang nimmt.

Planungs- und Dispositionskosten [Euro]

Summe aller Kosten, die in der Produktionsplanung und Disposition (Scheduling) anfallen, sowie Kosten für Supply ChainFinanzplanung, Kapazitätsplanung, Materialbedarfsplanung und Transportplanung.

ProdChain; SCOR V8

Produktionsdurchlaufzeitabweichung [Stunden]

Durchschnitt und Standardabweichung der Produktionsdurchlaufzeit im Vergleich zur Plandurchlaufzeit.

Autoren

Produktionsservicegrad Anzahl zum Plantermin fertig gestellter [%] Produktionsaufträge geteilt durch die Summe der im Betrachtungszeitraum fertig gestellten Aufträge. Rahmenvertragsquote (Kunden und Lieferanten) [%]

in Anlehnung an Schönsleben (2007)

Anzahl Aufträge die aus Rahmenverträgen VDI Richtlinie getätigt werden geteilt durch Anzahl aller im 4400; ProdChain Betrachtungszeitraum liegenden Aufträge. Diese Kennzahl kann sowohl für Beschaffungsaufträge (Lieferanten) oder Verkaufsaufträge (Kunden) erhoben werden.

438

Anhang Tabelle 13 (Fortsetzung)

PI Bezeichnung

Kurzbeschreibung

Quelle

Reklamationsrate [%]

Anzahl Aufträge mit einer Reklamation geteilt durch die Anzahl ausgelieferter Aufträge.

Autoren

Retourenquote [%]

Anzahl Auslieferungspositionen, die von in Anlehnung an Kunden zurückgewiesen wurden, geteilt durch SCOR V8 die Anzahl aller Auslieferpositionen.

Rohmaterialverschrottungsrate [%]

Wert von verschrottetem Rohmaterial geteilt durch den durchschnittlichen Bestandswert in der Betrachtungsperiode

Autoren

Total Lagerkosten [Euro]

Summe von Infrastrukturkosten, Kosten für Lagerpersonal, Versicherung, Kapitalkosten für Bestände, Obsoleszenzkosten und Unterhaltskosten.

ProdChain

Total Logistikkosten [Euro]

Summe der Kosten für Lagerung, Transport und Planung.

ProdChain

Transportkosten [Euro] Summe aller Transportkosten (Frachtkosten und eigene Betriebskosten) für innerbetriebliche und außerbetriebliche Transporte.

SCOR V8

Transportschadenquote Anzahl während dem Transport beschädigter [%] Aufträge geteilt durch die Anzahl transportierter Aufträge.

GIPP (1999)

Umsatz [Euro]





Umsatz pro Mitarbeiter Umsatz geteilt durch die Anzahl Vollzeit[Euro] äquivalente des betrachteten Bereiches.

SCOR V8

Varianz der Arbeitsinhalte [Minuten]

Der Mittelwert und Standardabweichung der Prozesszeiten.

Schönsleben (2007)

Verfügbarkeit der Kapazitäten [%]

Theoretische Kapazität in Stunden minus geplanter und ungeplanter Stillstandzeiten für Reinigung, Absenz des Bedienpersonals etc. geteilt durch die theoretische Kapazität in Stunden.

in Anlehnung an Schönsleben (2007); Syska (1990)

Verfügbarkeit zum Starttermin [%]

Anzahl planmäßig freigegebene Aufträge geteilt durch alle Aufträge, die während der Betrachtungsperiode den Planstarttermin hatten.

VDI Richtlinie 4400

Vorhersagegenauigkeit [%]

Das Minimum von effektivem Verkauf im Betrachtungszeitraum und vorhergesagtem Verkauf geteilt durch das Maximum der Vorhersage und dem effektiven Verkauf.

Reinsch (2003); SCOR V8

Wareneingangsprüfungsdurchlaufzeit [Tage]

Zeit zwischen dem Wareneingang über die Qualitätsprüfung bis zur Einlagerung als verfügbarer Bestand.

SCOR V8

Anhang B: Kennzahlen

439

Quellen APICS Dictionary. 10th edition, 2001. Brockman, K.-H., Friemuth, U., Oster, M., Sander, U.: Wie gut ist Ihre Logistik: Kennzahlen für Produktionsunternehmen. TÜV Rheinland, 1997. GIPP (Hofer-Alfeis, J. (Hrsg.): Geschäftsprozeßmanagement − innovative Ansätze für das wandlungsfähige Unternehmen. Marburg: Tectum-Verlag, 1999. Nyhuis, P.; Wiendahl, H.-P.: Logistische Kennlinien: Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen. 2., erw. u. neubearb. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2003. ProdChain (IST-2000-61205) Deliverable D.3.1 & D.3.2 „List of Determinants and Performance Indicators“. Zürich: ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI), Aachen: FIR RWTH Aachen, 2002. Reinsch, S.: Kennzahlenbasierte Positionierung der Logistik in Lieferketten. Dissertation Universität Hannover, 2003. Schönsleben, P.: Integrales Logistikmanagement – Operations und Supply Chain Management in umfassenden Wertschöpfungsnetzwerken. 5., überarb. u. erw. Aufl., Berlin (etc.): Springer, 2007. Supply-Chain Council (eds.): Suppy-chain reference-model SCOR version 8; Pittsburgh (PA): Supply-Chain Council, 2006. Syska, A.: Kennzahlen für die Logistik. Berlin: Springer, 1990. VDI Richtlinie 2525: Practice-oriented characteristic values for logistics in small and medium-sized companies. Berlin:VDI/Beuth. VDI Richtlinie 4400 Blatt 1: Logistikkennzahlen für die Beschaffung. Berlin: VDI/Beuth. VDI Richtlinie 4400 Blatt 2: Logistikkennzahlen für die Produktion. Berlin: VDI/Beuth. VDI Richtlinie 4400 Blatt 3: Logistikkennzahlen für die Distribution. Berlin: VDI/Beuth.

440

Anhang

Anhang C: Stärken-Schwächen-/Chancen-GefahrenAnalyse Tabelle 14 Vorlage Stärken-Schwächen-Analyse Stärken-Schwächen-Analyse Bereich

Kriterium

AuftragsQualifikationskriterien

Preis Qualität Lieferzeit Zuverlässigkeit Flexibilität Andere: …

AuftragsZuschlagskriterien

Preis Qualität Lieferzeit Zuverlässigkeit Flexibilität Andere: …

BenchmarkingErgebnisse

Qualität Lieferzuverlässigkeit Lieferdurchlaufzeit Flexibilität Investitionen (Umlauf- und Anlagevermögen) Kosten Andere: …

−−



=

+

++

Kommentar, Begründung

Anhang C: Stärken-Schwächen-/Chancen-Gefahren-Analyse

441

Tabelle 14 (Fortsetzung) Stärken-Schwächen-Analyse Bereich

Kriterium

−−



=

+

++

Kommentar, Begründung

SCM-Fähigkeiten Strategische ZusammenAusrichtung arbeit Kooperative Planung Kooperative Ausführung SCM-Fähigkeiten Kommunikation Koordination und Informationsaustausch Informationsverfügbarkeit IT-Unterstützung SCM-Fähigkeiten Knowhow Veränderbar-keit Fachlicher Austausch Rekonfigurationsflexibilität Anmerkungen: qualitative Gewichtung der Schwächen bzw. Stärken: − − / − / = / + / + + Investitionen: Umlauf- und Anlagevermögen, beispielsweise Bestände von Rohmaterialien, Ware in Arbeit, Fertigprodukten etc.; Lager-, Kapitalumschlag etc. Kosten: beispielsweise Herstell-, Logistik-, SCM-Kosten SCM-Fähigkeiten: vgl. Tabelle 6.

442

Anhang Tabelle 15 Vorlage Chancen-Gefahren-Analyse

Chancen-Gefahren-Analyse Bereich

Kriterium

Verhandlungsstärke

Lieferanten

Risiken

Versorgung

Kunden Absatz

AuftragsQualifikationskriterien

Preis Qualität Lieferzeit Zuverlässigkeit Flexibilität Andere: …

AuftragsZuschlagskriterien

Preis Qualität Lieferzeit Zuverlässigkeit Flexibilität Andere: …

−−



=

+

++

Kommentar, Begründung

Anhang C: Stärken-Schwächen-/Chancen-Gefahren-Analyse Tabelle 15 (Fortsetzung) Chancen-Gefahren-Analyse Bereich

Kriterium

SCMFähigkeiten Zusammenarbeit Lieferanten-seite

Strategische Ausrichtung

−−



=

+

++

Kooperative Planung Kooperative Ausführung

SCMFähigkeiten Zusammenarbeit Kundenseite

Strategische Ausrichtung Kooperative Planung Kooperative Ausführung

Anmerkungen: qualitative Gewichtung der Gefahren bzw. Chancen: − − / − / = / + / + + SCM-Fähigkeiten: vgl. Tabelle 6.

Kommentar, Begründung

443

444

Anhang Tabelle 16 Vorlage SWOT

SWOT-Analyse

Schwächen

Stärken

Chancen

Gefahren

Index

A

C

Advanced Shipping Notice 124 Arbeitsgangzeit Deliver 132 Make 129 Source 125 Variationen 73 Arbeitszeitmodell 78 Available-to-Promise 114 Axiomatic Design (AD) 46, 47

Capable-to-Promise 114 Cash-to-Cash Cycle Time 213 Change Management 334 Collaborative Planning 109 Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment CPFR 76 Continuous Replenishment 109 Customer Attribute 47 Customer Domain 47 cycle stocks 148

B Benchmarking 222 Beschaffung produktionssynchrone 124 Beschaffungsart 245 Beschaffungsmarkt 297 Beschaffungsplanung 106 Beschaffungsstrategie 104 Best Practices 277 Betriebsgewinn 29 Bevorratungsebene 118 Assemble-to-Order 118 Configure-to-Order 118 Engineer-to-Order 118 Make-to-Order 118 Make-to-Stock 118 Bullwhip-Effekt 149

D Dekomposition 55 hierarchische 46 Design 52 coupled 53 partially coupled 52 uncoupled 52 Design Parameter 48 Design-Matrix 49 Designprozess 56, 64 Direktanlieferung 124 E e-Business Konzepte 282 Economic Value Added 26, 29, 63 Efficient Consumer Response 109

446

Index

Eigenkapitalkostensatz 29 Eigenkapitalrendite 39 engpassorientierte Logistikanalyse 120 Entkopplungspuffer 206 Entstörmanagement 99 e-Procurement 124 Erfolgsfaktor 294 Erklärungsmodell 41 F Fabrikationsstruktur 245 Fehlerbaumanalyse 87 Fehlteilmanagement 93 Flexibilität 68, 78 Deliver 141 Make 139 qualitative 136 quantitative 136 Source 138 Flexibilität (FR-F) 135 Fourth Party Logistics (4PL) 94 Functional Domain 47 Functional Requirement 47

J Just-in-time-Konzept 119 K Kanban 109 Kapital investiertes 29 Kosten 29 Kostensatz 29 Kapitalkosten 65 Kapitalrendite 39 Kennzahlen 188, 433 Kernkompetenzen 105 Komplettbearbeitung 122 Konsignationslager 76, 109 Konsistenz 332 Konsonanz 332 kontinuierliche Verbesserung 224 Kosten 33, 69, 83 Kostenkennzahl 214 Kundenbedürfnis 47 Kundenzufriedenheit 36 L

H Harmonisierung 78, 122 Holprinzip 163 I Identifikationstechnologie 94 Implementierungsreihenfolge 88, 331 Informationsaxiom 49 Inhibitor 63 Inputfaktor Information 88 Kapazität 88 Material 88 Instandhaltungskonzept 111 Investition 34, 69, 79, 83 Investition (FR-A) 142

Leistungskennzahl 190 Leistungsorientierung 184 Leistungstreiber 190 Lernstatt 117 Lieferantenauswahl 90 Lieferantenevaluation 76, 105 Lieferantenintegration 90 Lieferantenmanagement 105 Lieferantenpark 124 Lieferantenqualifikation 105 Lieferdurchlaufzeit 68, 76 Liefermengentreue 202 Liefertermintreue 202 Lieferzeitabweichung 205 Lieferzuverlässigkeit 68, 73, 95 Logistik 2 Logistikaudit 88 Logistikdienstleister 94

Index

447

Nachhaltigkeit 330

Performance Management 181 Physical Domain 48 Poka-yoke 88 Postponement 120 Potenzial 11, 292 Investitionsreduzierungspotenzial 292 Kostenreduzierungspotenzial 292 Markterschließungspotenzial 292 Prävention 110 produktbezogenes Merkmal 235 Produktgewicht 236 Produktgröße 235 produktionsbezogenes Merkmal 244 Produktionsdurchlaufzeit 208 Produktionsfaktor 63 Produktionskonzept 247 Produktionslayout 246 Produktionssegmentierung 78, 129 Produktionstyp 246 Produktkonzept 239 Produktlebenszyklus 237 Produktstruktur 237 Produktvariante 238 Produktverkaufswert 235 Prozesskostenrechnung 33 Prozessqualität terminliche 95 Prozesstyp 63 Prozesszeit 77

O

Q

operationelle Kosten 81, 155 Order Promising 168 Order Qualifier 8, 297 Order Winner 8, 297

Qualität 71 Qualität (FR-Q) 86 Qualitätsanforderung 68 Qualitätsmangel 72 Qualitätssicherung 87 Qualitätszirkel 117 Qualitiy Function Deployment 87 Quick Response 109

Logistik-FMEA 44, 87 Logistik-Pooling 168 Logistik-Werttreiber 65 logistische Erfolgspotenziale 287, 292 logistische Kennlinie 43 logistischer Fingerabdruck 266 Losgrößenreduzierung 122 M Make-or-Buy 105 „Make-or-Buy“-Entscheidung 282, 411 Manufacturing Systems Design Decomposition (MSDD) 41 marktbezogenes Merkmal 239 Mass Customization 120, 164 Maßnahmenpaket 329 Mehrwertproduktivität 212 Merkmal 234 Merkmalsausprägung 253 merkmalsbasierte Beschreibung 233 Merkmalsklasse 233 Methode der logistischen Kette 120 Mitarbeiterqualifikation 78 Modular/System Sourcing 76 Modularisierung 120 Monitoring 182 N

P Parallelisierung 78 Partnerschaftskonzept 281, 384

448

Index

R Rahmenvertrag 76, 105 Reihenfolge rüstoptimale 128 Ressource 63 Risiken 320 Absatzrisiken 320 Versorgungsrisiken 320 Risikoanalyse 93 Rüstzeitreduzierung 122 S Sand Cone Model 63, 70 Schwankung 73 deterministische 96 stochastische 96 Schwankungskorridor 210 SCM 2 SCM-Software-Modul 282, 417 SMED-Methodik 209 Sourcing Modular 105 Multiple 105 Parallel 105 Single 105 System 105 Stärken-Schwächen-Analyse 317 Statistische Prozesslenkung 87 Stichprobe 93 Störungsursache 100 Störungszeit 114 Strategic Profit Model 25 Strategie 288 Funktionale Strategie 288 Geschäftsstrategie 288 Operationalisierung 300 Supply Chain-Strategie 289 Unternehmensstrategie 288 Strategieimplementierung 299 Strategieorientierung 287 strategisches SCM 65, 83 Strukturierungsprinzip 64

Supplier Relationship Management 90, 105 Supply Chain Controlling 182 Supply Chain Due Dilligence 342 Supply Chain Event Management 115 Alert Management 115 Monitoring 115 Simulation 115 Tracking & Tracing 115 Supply Chain Management 1 integriertes 14 normatives 12 operationelles 14 strategisches 13 Supply Chain Risk Management 97 Supply Chain Valuedriver Decomposition (SCVD) 61 Supply Chain-Segmentierung 343 Supply Risk Management 104 SWOT-Analyse 322 Synchronisierung 78 Synergieeffekt 303, 330 T Termintreue 97 Third Party Logisitic (3PL) 94 Tracking & Tracing 94 Typologie 264 U Umsatz 32, 83 Unabhängigkeitsaxiom 49 Unternehmenstyp 252 Unternehmenswert 23 Ursache-Wirkungsdiagramm 120 Ursache-Wirkungsmodell 40 V Vendor Managed Inventory 76, 109 Verladetechnik 93 Verschwendung 63

Index Versorgungsrisiko 104 Versorgungsstrategie 281, 397 Versorgungszuverlässigkeit 103 Verteilsystem 93 Vorschlagswesen 117

operationelle Kosten 86 Qualität 85 Wertzuwachskurve 120, 156 Wiederbeschaffungszeit 207 Wirkungszusammenhang 58

W

Z

Warteschlange 98 Wartezeit 78 Deliver 131 Make 127 Source 122 Wertorientierung 23 Werttreiber Flexibilität 85 Investitionen 85 Lieferdurchlaufzeit 85 Lieferzuverlässigkeit 85 logistische 83

zellulare Produktion 129, 162 Zielbereich 8, 63 Flexibilität 9 Investitionen 9 Lieferdurchlaufzeit 9 Lieferzuverlässigkeit 8 operationelle Kosten 9 Qualität 8 Zielkonflikt 303, 330 Ziel-Mittel-Hierarchie 56 Ziel-Mittel-System 62 Zigzagging 55, 64

449