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German Pages 405 Year 2007
Florian Meister Etablierung von Netzwerken in der Energiewirtschaft
GABLER EDITION WISSENSCHAFT UnternehmerischesPersonalmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Karl-Friedrich Ackermann Universitat Stuttgart und Professor Dr. Dieter Wagner Universitat Potsdam
Unternehmerisches Personalmanagement ist Kernstuck eines ganzheitlich angelegten Change Management, das durch diese Schriftenreihe neue Impulse erfahren soil. Die Reihe bietet ein Forum fur theoriegeleitete, praxisorientierte Arbeiten, die der Weiterentwicklung des Personalmanagements im globalen Wettbewerb dienen und zur Losung von Implementierungsproblemen in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen beitragen. Entscheidend ist, dass das Potenzial des Personalmanagements zur Sicherung dauerhafter Wettbewerbsvorteile und damit zum Erhalt von Arbeitsplatzen erkannt und in Abstimmung mit anderen Teilbereichen der Unternehmensfuhrung optimal genutzt wird. Dabei fallt der Personalabteilung eine entscheidende Rolle als Change Agent und internes Kompetenzzentrum zu.
Florian Meister
Etablierung von Netzwerken in der Energiewirtschaft Change Management vor dem Hintergrund der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes
Miteinem Geleitwortvon Prof. Dr. Karl-Friedrich Ackermann und Prof. Dr. Dieter Wagner
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.
Dissertation Universitat Potsdam, 2006
1. AuflageFebruar2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Britta Gohrisch-Radmacher Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine ZImmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrel gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0720-8
Geleitwort In der Reihe „Unternehmerisches Personalmanagement" erscheinen Arbeiten, die im Wesentlichen aus hochschulbezogenen Forschungszusammenhangen entstanden sind. Charakteristisch fur die Schriftenreihe ist, dass die einzelnen Bande praxisnah und wissenschaftiicii fundiert einen Themenbereich aus dem unternehmerischen Personalmanagement und angrenzenden Gebieten wie der Organisationslehre behandeln. Sie wendet sich damit an Wissenschaftler und Studierende des Personalmanagements sowie den interessierten Praktiker in Wirtschaft und Verwaltung. Die vorliegende Dissertation behandelt ein sehr aktuelles Thema im Zusammenhang mit der Liberalisierung und Entflechtung in der Energiewirtschaft. Dabei handelt es sich um die Bildung von Unternehmensnetzwerken im Rahmen des Legal Unbundling und das damit im Zusammenhang stehende Change Management von Regionalverteilern und Stadtwerken zu Netzwerken. Auch wenn Netzwerke in der wissenschaftlichen Diskussion vertiefend betrachtet werden, bleibt oftmals unbeantwortet, wie ein solches Netzwerk gegrundet und etabliert werden kann. Insofern bildet die Entstehung von Netzwerken im Allgemelnen und die von Netzwerken in der Energiewirtschaft im Speziellen den Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dabei handelt es sich um die Bildung von Unternehmensnetzwerken im Rahmen der Entflechtung der integrierten Versorgungsunternehmen. Netzbetrieb und Vertrieb sollen getrennt werden, wobei als Alternative zur Netzwerkbildung die Ausgrundung von Tochtergesellschaften zu sehen ist. Empirische Beispiele hierzu gibt es z.B. in Schweden. In Deutschland sind ahnliche Veranderungen zu erwarten. Insofern handelt es sich um ein theoretisch interessantes Thema mit hoher empirischer Evidenz und entsprechender praktischer Relevanz. Insbesondere soil dabei untersucht werden, welche optimalen Konfigurationen von Netzwerken bei Energieversorgungsunternehmen existieren, welche Anforderungen und Gestaltungsempfehlungen an die Netzwerkpartner sich hieraus ableiten lassen und wie der entsprechende organisatorische Wandel zu gestalten ist. Florian Meister hat insgesamt ein interessantes Werk vorgelegt. Die Arbeit ist theoretisch und methodisch grundlich aufgebaut und zeigt vor allem eine profunde Branchenkenntnis des Verfassers. In theoretischer Hinsicht erscheint sie stellenweise als etwas zu sehr „aufgeladen": PARSONS, GIDDENS und die Elektrizitatswirtschaft „spielen" nun mal auf unterschiedlichen Ebenen. Spannend Ist die Frage der Netzwerkbildung und des Legal Unbundling allemal. Andererseits Ist es verdienstvoll, dass Florian Meister sich nicht nur auf das fast schon tradltlonelle Netzwerkstrickmuster der Institutionenokonomik verlasst, sondern versucht, andere, institutionentheoretische Ansatze fur seine Untersuchung heranzuziehen. Prof. Dr. Karl-Friedrich Ackermann Prof. Dr. Dieter Wagner
Danksagung An dieser Stelle mochte ich mich fur die Unterstutzung wahrend meiner Promotionszeit bedanken, die wesentlich dazu beigetragen inat, dass ich das Vorhaben erfoigreicii absciiiiefien l
< Motivation
>/ Verhalten
Abb. 22:
Allgemeines Motivationsmodell
Die Motivation kann in zwei unterschiedliche Komponenten unterteilt werden. So wird zwischen der extrinsischen und intrinsischen Motivation unterschieden.^^^ Im Rahmen der extrinsischen Motivation losen aufiere Anreize eine Motivaktivierung aus.^®^ Diese Motivation beruht demnach auf einem Antrieb durch Belohnung und Bestrafung fur die erbrachten Leistungen.^^^ Hierzu mussen jedoch die Leistungsanforderungen klar definiert werden und die erbrachten Leistungen eindeutig zurechenbar und kontrollierbar sein.^^^ Eine Motivaktivierung bei der intrinsischen Motivation erfolgt durch die Tatigkeit, Aufgabe Oder Person an sich.^^^ Hierbei entsteht die Motivation demnach aus Interesse an der Tatigkeit selbst.^^° Intrinsisch motiviert ist somit, wer eine Tatigkeit urn ihrer selbst willen ausubt.^^^ Urn Organisationsmitglieder nun motivieren zu konnen, sind die beschriebenen Motivatoren geeignet einzusetzen. Urn sich dem zielfuhrenden Einsatz theoretisch nahern zu konnen, wurden unterschiedliche Motivationstheorlen aufgestellt. Besondere Beachtung fanden hierbei die Bedijrfnishierarchie von MASLOW,^^^ die Theorien X und Y von MCGREGOR^^^
sowie die Zwei-Faktoren-Theorie von HERZEERG.^^"^ Inn Rahmen der vorliegenden Arbeit soil jedoch lediglich die letzte Theorie skizziert werden, da sich aus ihr Ruckschlusse fur das Change Management direkt ableiten lassen. HERZBERG hat diese Theorie aus empirischen Untersuchungen abgeleitet. Ergebnis seiner Analyse war.
Vgl. bspw. HOLZKAMP-OSTERKAMP, die am Beispiel der nachlassenden Erfolge der HumanRelations-Konzepte aufzeigt, wie eine anfangliche Euphorie und die dadurch induzierte motivierenden Auswirkungen sukzessive zu Gewohnheitsrecht geworden sind, wodurch eine motivierende Wirkung letztendlich langfristig ausblieb (vgl. HOLZKAMP-OSTERKAMP (1977), S. 31). Vgl. KEHR / BLES / ROSENSTIEL (1999), S. 4 Vgl. OSTERLOH / FROST (1997), S. 166 287 288 289 290 291 292 293 294
Vgl. VOBBEIN (1987), S. 141 Vgl. OSTERLOH / FROST (2000), S. 193 f. Vgl. OSTERLOH / FROST (1997), S. 166
Vgl. VOflBElN (1987), S. 141 Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
OSTERLOH / FROST (1997), S. 166 OSTERLOH / FROST (2000), S. 193 f. MASLOW (1977), sowie BUHNER (1999), S. 98 MCGREGOR (1960) beispielweise BOGASCHEWSKY/ ROLLBERG (1998), S. 39 ff., ENGELMANN (1995), S. 59, sowie
SCHREYOGG (2003), S. 221 - 230
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dass zwei Faktoren bei Mitarbeitern existieren, die Arbeitszufriedenheit (Motivation) bzw. Arbeitsunzufriedenheithervorrufen.^^^ Satisfaktoren oder auch Motivatoren erzeugen bei Arbeitnehmern Arbeitszufriedenheit. Hieraus lasst sich aber nicht der Ruckschluss Ziehen, dass ihre Nichtexistenz zu einer Arbeitsunzufriedenheit fuhrt. IVIotivatoren stehen inn direkten Zusammenhang mit der zu erfullenden Aufgabe. Beispiele hierfur sind sichtbare Leistungserfolge, Anerkennung oder Verantwortung. Dissatisfaktoren oder auch Hygiene-Faktoren haben bei ihrer Existenz keine positiven Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit; sie verhalten sich diesbezuglich neutral. Sollten sie jedoch nicht existieren, haben sie unmitteibar eine Arbeitsunzufriedenheit zur Folge. Beispiele hierfur sind die Unternehmenspolitik, Kollegen, Vorgesetzte sowie das Entgelt oder die Arbeitsbedingungen a m Arbeitsplatz. Zumeist beschreiben die Hygiene-Faktoren damit nicht Faktoren, die im direkten Zusammenhang mit den Arbeitsinhalten stehen, sondern die vielmehr die Einbindung des Arbeitnehmers in sein Arbeitsumfeld betreffen. Aus dieser Theorie lasst sich der Schluss Ziehen, dass Motivatoren wie beispielsweise eine Leistungsanerkennung einen Arbeitnehmer deutlich mehr motivieren als eine Stelgerung der Hygiene-Faktoren, wie beispielsweise eine Gehaltserhohung. Andererseits lasst die Theorie den Schluss z u , dass eine Nicht-Existenz eines DIssatisfaktors einen deutlich starkere demotivierende Wirkung hat als die Nicht-ExIstenz eInes Satisfaktors.^^^ So wird beispielsweise eine Unterbezahlung von Mitarbeitern dieser Theorie zufolge zumeist nicht durch eine Leistungsanerkennung auszugleichen sein. Verstarkt werden bei den einzelnen Theorien nicht mehr die Begleitumstande der Arbeit betrachtet, sondern vielmehr der Arbeitsinhalt an sich. Die positive Auspragung der extrinsischen Faktoren werden heutzutage eher als Selbstverstandlichkeit vorausgesetzt und konnen demnach nur noch bedingt zur Motivationssteigerung eingesetzt werden.^^^ Somit rijcken die intrinsischen Motivationsfaktoren verstarkt in den Mittelpunkt.^^^ Die Erkenntnis, dass intrinsische Motivatoren verstarkt Anwendung finden sollten, wird durch neuere Erkenntnisse der Fuhrungsforschung untermauert. So stellt beispielsweise S P R E N G E R fest, dass eine erfolgreiche Fuhrung eher vorhandene Motivationsbarrieren beseitigen sollte und Mitarbeiter aus sich selbst heraus motivieren sollte, anstatt die Motivation mit Hilfe von kostspieligen Incentives zu suchen.^^^
Vgl.
HERZBERG / MAUSNER / SNYDERMANN (1959), sowie HERZBERG (1966) zitiert aus BUHNER
(1999), 8.89 f. Vgl. BGHNER (1999), 8.99 Vgl. BOGASCHEWSKY/ ROLLBERG (1998), S. 43 f. In diesem Zusammenhang weisen OSTERLOH / FROST jedoch darauf hin, dass die extrinsischen Motivationsfaktoren trotz allem nicht unterschatzt werden durfen (vgl. OSTERLOH / FROST (2000), S. 194). Vgl. OSTERLOH / FROST (2000), 8.193 f.
Zu dieser Erkenntnis gelangen auch Studien zu Human-Relations-Konzepten (vgl. FufJnote 283, Seite 64). Ergebnis derartiger Studien war, dass eine langfristige Motivation lediglich durch „interessante" Arbeit erreicht werden kann (vgl. HOLZKAMP-OSTERKAMP (1977), 8. 32). Vgl. SPRENGER (2002) zitiert in SCHIERENBECK (2003), 8.148 Das Beispiel der Incentives weist auf einen weiteren, problematischen Aspekt extrinsischer Motivation hin. In Abhangigkeit davon, auf welcher Leistungsmessung ein extrinsischer Motivator wie beispielsweise ein Leistungslohn basiert, kann dieser auch einen Motivationsverlust zur Folge haben (vgl. FREY (2002), 8. 97 ff.).
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Es sei darauf hingewiesen, dass in jungeren Publikationen zur Organisationspsychologie verstarkt wieder auf Ursprunge der deutschen Willenspsychologie zuruckgegriffen wird und damit zwischen motivationalen Phanomenen, also solchen, welche die Zielwahl betreffen, und volitionalen unterschieden wird.^°° Dabei werden unter volitionalen Phanomenen diejenigen verstanden, welche die Zielrealisierung betreffen. Dieser Unterscheidung soil in den folgenden Ausfuhrungen nicht gefolgt werden, da sich insbesondere in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine derartige Unterscheidung noch nicht durchgesetzt hat und aufgrund dessen Abgrenzungsprobleme resultieren wurden.^°^ Deswegen werden im Folgenden motivationale und volitionale Aspekte zusammengefasst unter dem Begriff von motivationalen Aspekten bzw. Motivation. Change Management hat demnach neben dem Management von Widerstanden auch zur Aufgabe, die beteiligten Personen mit Hilfe von extrinsischen und intrinsischen Motivationsstrategien zu motivieren, wobei der Fokus auf eine intrinsische Motivation der Mitarbeiter gelegt werden sollte. Doch auch hierbei sind die Motivationskosten und der aus der Motivation entstehende Nutzen fur das Unternehmen gegeneinander abzuwagen. Ein wesentiicher Aspekt fur den Abbau von Widerstanden und den Aufbau von Motivation wurde in der bisherigen Betrachtung noch nicht diskutiert, der Aufbau von Vertrauen. Vertrauen ist, wie die folgende Diskussion zeigen wird, ein abstrakter Begriff, der aber elementar fur die Integration-Funktion ist. Ohne Vertrauen wird die Integration der Akteure schwierig, wenn nicht sogar ganz und gar scheitern. Wie die folgenden Ausfuhrungen noch zeigen werden, stellt der Aufbau von Vertrauen eine wesentliche Maftnahme dar, um Motivation zu steigern bzw. Widerstande abzubauen. Der Begriff des Vertrauens ist sehr abstrakt. Dies zeigt sich auch daran, dass in verschledenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, was unter Vertrauen zu verstehen ist. In Abhangigkeit davon, ob eher psychologische, sozialpsychologische, soziologische oder okonomische Fragestellungen den Ausgangspunkt fur die Begriffsdefinition darstellen, werden unterschiedliche Akzente gesetzt. Um die einzelnen Facetten des Begriffs zu erfassen mit dem Ziel, hierauf aufbauend ein einheitliches Verstandnis fur die vorliegende Arbeit zu schaffen, sollen im Folgenden zunachst beispielhaft Definitionen des Begriffs Vertrauen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen aufgezeigt werden. Dabei kann kedoch nicht die gesamte theoretische Breite der Vertrauensforschung dargestellt werden. Deswegen sei explizit darauf hingewiesen, dass die dargestellten Definitionen nicht die durchgangige Meinung einer Diszlplin wiederspiegein, sondern ledlglich eine gangige Definition unter vielen dargestellt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Vertrauen die Einstellung eines Akteurs verstanden, einem anderen zu trauen, dass helRt von ihm nichts Boses zu erwarten und seinen Versprechungen glauben zu schenken. Neben dem ursprunglichen Vertrauen (Mutter-KlndVerhaltnis) unterliegt Vertrauen einem evolutionarem Aufbau einer sozialen Beziehung, die sich aus guten und schlechten Erfahrungen des Akteurs zusammensetzen.^°^
Vgl. bspw. BRANDSTATTER / FREY (2004), S. 321 und GEBERT / ROSENSTIEL (2002), S. 66 ff.
Dies kann beispielsweise an der Erhebung und Analyse von Erfolgsfaktoren verdeutlicht werden. Wie die folgenden Ausfuhrungen (siehe Kapitel 2.3) zeigen werden, liegt ein Erfolgsfaktor in motivationssteigernden MaBnahmen. Die aufgefuhrten Studien unterscheiden bei dieser Analyse jedoch nicht zwischen motivationalen und volitionalen Aspekten, so dass diese Differenzierung eine nachtragliche Zuordnung durch den Verfasser erfordern wurde, was eine subjektive Interpretation der Studien zur Folge haben wurde. In der Annahme, dass eine derartige Interpretation keinen signifikanten Erkenntnisgewinn generieren wurde, wird eine derartige Unterscheidung nicht vorgenommen. Vgl. o.V. (1974), S. 574
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Auch in der Psychologie wird der Aspekt der Zuverlassigkeit in den Mittelpunkt gestellt, wenn Vertrauen als Resultat der bisherigen Erfahrungen sowie der Hoffnung auf das Gute im Menschen charakterisiert wird. Vertrauen wird bei dieser Betrachtungsweise dann als gering erachtet, wenn der Akteur es fur moglich halt, dass er getauscht wird. Je geringer die Wahrscheinlichkeit hierfur angenonnmen wird, desto hoher ist das Vertrauen.^°^ Kontrar hierzu wird in der Sozialpsychologie der Risikoaspekt in den Mittelpunkt gestellt, da Vertrauen nicht mit Attributen wie Zuverlassigkeit, Zuneigung oder Gerechtigkeit belegt wird, sondern ganz im Gegenteil als riskantes Verhalten definiert wird.^""^ So wird hierbei unter Vertrauen eine Verhaltensweise verstanden, die die eigene Verwundbarkeit steigert, einer Person gegenuber erfolgt, die nicht der eigenen Kontrolle unterliegt und bei der der entstehende Schaden bei einem Vertrauensbruch hoher ist als der Nutzen eines vertrauensvollen Verhaltens.^°^ Aus soziologischer Sicht kann Vertrauen als Mittel zur Reduktion von Komplexitat angesehen werden. Indem ein Akteur Vertrauen aufbaut, hilft ihm dieses, aus einer Vielzahl von Handlungsalternativen, denen er sich in Entscheidungssituationen ausgesetzt sieht, schneller die fur ihn gunstigste herauszufiltern. Hierzu geht er in eine riskante Vorleistung in der Annahme, dass sein Vertrauen in die Entscheidung nicht enttauscht wird.^°^ Zuletzt wird aus der okonomischen Perspektive Vertrauen als eine Wette aufgefasst, bei der der gewichtete Erwartungswert positiv ist.^^'^ Hierzu ubertragt der Akteur Ressourcen an einen anderen Akteur in der Uberzeugung, dass dieser die Ressourcen erwartungsgemafl nutzt.^°^ In der okonomischen Perspektive steht demnach die Rationalitat des Handelns im Mittelpunkt. Es lasst sich anhand von Modellen der Spieltheorie auch durchaus nachweisen, dass Vertrauen eine wirtschaftlich sinnvolle Handlung darstellen kann und nicht ausschliefllich auf zwischenmenschlichen Affinitaten beruht.^°^ Im Rahmen der vorliegenden Arbeit lassen sich demnach fur Vertrauen die folgenden konstituierenden Merkmale ausmachen: Vertrauen stellt eine Erwartung an zukunftige Handlungen eines anderen Akteurs dar. Es besteht das Risiko eines Vertrauensbruchs. Es wird jedoch trotz allem Vertrauen geschenkt, wenn ein positiver Erwartungswert fur die bewertete Nutzenfunktion eines Akteurs vorliegt. Mit anderen Worten, wenn der gewichtete Nutzen^''° bei nichtverletztem Vertrauen hoher ist als der gewichtete Nutzen bei verletztem Vertrauen.^^^
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Vgl. SCHOTTLAENDER (1957), S. 21 Vgl. WILLEITNER (2002), S. 273 Vgl. ZAND (1977), S. 230 Vgl. LUHMANN(1973), S. 23f. Vgl. MATIASKE (1999), S. 187 f. Vgl. APELT (1999), S. 12f. Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.2.2 Der gewichtete Nutzen gewichtet die individuelle Nutzenfunktion mit der Eintrittswahrscheinlichkeit. An dem EnA/artungswert lasst sich jedoch nicht direkt das AusmaR an Vertrauen messen. Denn das Vertrauen spiegelt sich nicht im Erwartungswert, sondern In der Nutzenfunktion derart wieder, dass durch das Vertrauen das Risiko des Eintreten eines Vertrauensbruchs niedriger bewertet wird als in dem Fall eines Nicht-Vertrauens. In diesem Fall ist die Nutzenfunktion eine herkommliche Funktion aus der Entscheidungslehre, In der Nutzen und Risiko gewichtet nach deren Eintrittwahrscheinlichkeiten und der personlichen Risikoneigung bewertet wird. Es sei explizit darauf hingewiesen, dass ein Nicht-Vorhanden-Sein von Vertrauen nicht gleichbedeutend mit Misstrauen ist.
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Vertrauen dient der Reduktion der Komplexitat zur Verfugung stehender Handlungsalternativen. Deswegen sind Akteure auch bestrebt, bei steigender Komplexitat mehr Vertrauen aufzubauen.^^^ Der Aufbau von Vertrauen ist ein evolutionarer Prozess, der auf den Erfahrungen des Akteurs beruht. Im Rahmen dieses Prozesses gilt aber, dass sich enttauschtes Vertrauen tendenziell schwerer wiederherstellen lasst. Dabei sind unterschiedliche Dimension fur den Aufbau von Vertrauen relevant: Integritat, Konripetenz, Konsistenz, Loyalitat und Offenheit.^^^ Hierbei sind die einzeinen Dimensionen nicht gleichwertig; KRAMER / TYLOR kamen zu dem Ergebnis, dass die Integritat den bedeutsamsten Faktor darstellt.^^"* Diese Faktoren zeigen zudem deutllch auf, dass Vertrauen sich im Zeitablauf aufbaut. Denn insbesondere die Integritat verstanden als Makellosigkeit, Unbescholtenhelt und Unbestechlichkeit^^^ sowie die Loyalitat verstanden als Vertragstreue, Achtung vor den Interessen anderer, Anstandigkelt und Redlichkeit^^^ sind Eigenschaften, die nicht statisch bewertet werden konnen, sondern ausschliefllich basierend auf Erfahrungen im Zeitablauf.
In der vorherigen Diskussion wurde Vertrauen aus der Perspektive zweier Akteure betrachtet. Jedoch auch im Rahmen der Organisationsforschung ist Vertrauen ein wesentlicher Begriff. Hierbei vertrauen Akteure nicht einzeinen anderen Akteuren, sondern sie vertrauen in die Funktionsfahigkeit eines Systems. Diese generelle Erwartungsversicherung wird auch als Systemvertrauen bezeichnet.^''^ Basis ist das Vertrauen, dass die In einem System formalisierten Regein und hierarchlsch verteilten Kompetenzen durchgesetzt werden.^^^ Mit anderen Worten bezeichnet ein Systemvertrauen das Vertrauen in die Funktionsfahigkeit des Gesamtsystems. Es sei im Vorgriff angemerkt, dass dieses Systemvertrauen als konstituierendes Merkmal von (Unternehmens-) Netzwerken gilt, da es spontane, vertrauensvolle Interaktionen zwischen Akteuren fordert, auch wenn aus realistlscher Sicht keinerlei Griinde fur die Emergenz solcher Vertrauensvorschusse gibt.^"*^ Im Vergleich zum personlichen Vertrauen ist ein Systemvertrauen zumeist widerstandsfahiger. Es muss nicht bestandig neu eriernt werden, sondern ist zumeist fest verankert.^^° Es sei jedoch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Aufbau eines Systemvertrauens nur dann erfolgen kann, wenn sich die Formalismen nicht widersprechen und sie den grundlegenden, individueiien Anspruchen des vertrauenden Akteurs nicht grundsatzlich zuwiderlaufen.^^"* Bisher stellte im Rahmen der Vertrauensdiskussion der vertrauensgebende Akteur grundsatzlich ein Individuum dar. Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit wird jedoch auch ein
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Es sei darauf hingewiesen, dass sich in diesem Punkt Vertrauen und Macht ahneln. Beide dienen dazu, die Komplexitat zukunftiger Handlungsalternativen zu reduzieren, wobei der Begriff des Vertrauens aufgrund des positiven EnA/artungswertes stets positiv besetzt ist (vgl. hierzu auch BACHMANN / LANE (2003), S. 86). Diese Ahnlichkeit lasst sich auch direkt aus dem AGILSchema ableiten; die niedrige Handlungskontingenz bedeutet eine hohe Vorhersagbarkeit der Zukunft, was eine Reduktion der Komplexitat zur Folge hat. Vgl. SPiEft(2004), 8. 215 Vgl. KRAMER/TYLER (1998), 8.186 ff.
Vgl. O.V. (2005), S. 465 Vgl. o.V. (2005a), 8. 613 Vgl. zu dem Begriff des Systemvertrauens auch LUHMANN (1973), 8. 51 ff. Vgl.APELT(1999), 8. 16f. Vgl. PAYER (2002), 8. 32 Vgl. RICHTER (2004), 8. 47
Als Beispiel fur die Absenz von Systemvertrauen liegt beispielsweise dann vor, wenn Akteure verfolgter Minderheiten in einem totalitaren System den Formalismen und dem System nicht vertrauen, obgleich die Formalismen widerspruchsfrei sind.
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OrganisationsverVertrauen zwischen Organisationen relevant sein. In diesem Fall wird von trauen gesprochen. In Aniehnung an Z U N D O R F wird unter Organisationsvertrauen eine antizipierte, retardierte und risikoreiche Tauschbeziehung zwischen betrieblichen Organisationseinheiten verstanden. Haufig manifestieren sie sich in Forschungs- und Entwicklungskooperationen sowie in Rahmenvertragen. Diese Tauschbeziehungen sind zwar reziprok, erfolgen aber ohne feste Vereinbarung zeitlich verzogert. Hierdurch entstehen enge Abhangigkeiten.^^^ Nachdenn nun ein grundlegendes Verstandnis fur den Begriff des Vertrauens geschaffen wurde, kann jetzt auch abgeleitet werden, warum Vertrauen das Fundament fur den Abbau von Widerstanden und den Aufbau von Motivation darstellt. Im Rahmen des Abbaus von Widerstanden hilft Vertrauen insbesondere, politischen und emotionalen Widerstand abzubauen. Die Befurchtung, dass durch eine Veranderung der betroffene Akteur oder die betroffene Gruppe an Einfluss verliert, wird durch die Annahme eines positiven Erwartungswertes verringert. Dieser Abbau von Widerstand kann natiJrlich nur dann erfolgen, wenn nicht tatsachlich ein Abbau an Einfluss oder Positionsmacht erfolgt. Ahnliches gilt fur den ennotionalen Widerstand - auch geht der Akteur davon aus, dass nach dem Wandel die ihm ubertragenen Aufgaben bewaltigt werden kdnnen und deswegen die unbestimmte Angst vor Neuem abgebaut wird. Im Rahmen der Motivation kann die steigernde Wirkung am Beispiel des allgemeinen Motivationsmodells (Abb. 22, Seite 64) eriautert werden. In der Erwartung, dass sich nach dem Wandel die personalen und situativen Faktoren positiv verandern, handelt der vertrauende Akteur moti^iert. Dieses bedeutet, dass im Gegensatz zu einer klassischen Motivation, bei der die Motivation ein Resultat aus den personalen und situativen Faktoren ist, bei einer vertrauensbasierten Motivation zunachst die Motivation als ,Vorschuss' fur die weitere Entwicklung gegeben wird. Der Grad des Vertrauens zwischen zwei Akteuren kann als abstraktes Konstrukt nicht direkt gemessen werden. Vielmehr ist es nur moglich, indirekt aus einzelnen Vertrauensdimensionen einen Ruckschluss auf die Hohe des Vertrauens zu gewinnen. Hierzu werden in der Literatur die unterschiedlichsten Dimensionen angeboten. Eine relativ simple und in der Praxis einfach erhebbare Operationalisierung nimmt beispielsweise A P E L T vor, indem sie die Dimensionen „Dauer der Geschaftsbeziehung", „Rahmenabkommen" und „gemeinsame Entwicklung" als die wesentlichen Faktoren fur die Messung von Vertrauen ansieht.^^^ Da diese Faktoren aus Sicht des Verfassers jedoch deutlich zu generisch sind und nicht unmittelbar die Basis von Vertrauen darstellen mussen,^^"^ wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit darauf verzichtet, eine Operationalisierung von Vertrauen anhand von einzelnen Faktoren vorzunehmen. Vielmehr werden bei der Diskussion um das Aufbauen von Vertrauen vertrauensfordernde und -mindernde Faktoren dargestellt. Change Management hat die Aufgabe, im Rahmen des Wandels Vertrauen aufzubauen, bzw. entgegengebrachtes Vertrauen zielfuhrend zu nutzen. Problematisch hierbei ist jedoch, dass Vertrauen, wie beschrieben, nicht zeitnah durch Einzelaktionen aufgebaut werden kann, sondern es Resultat eines evolutionaren Prozesses ist. Deswegen ist der Aufbau ein entsprechend langwieriges Unterfangen.
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Vgl. ZUNDORF (1986), S. 40 f. Vgl.APELT(1999), S. 70 Beispielsweise wurden in einem fokalen Netzwerk, das auf Abhangigkeiten und nicht auf Vertrauen basiert, diese oder ahnliche Faktoren genauso Anwendung finden konnen.
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Change Management
Abschlieflend sollen die diskutierten Bestandteile der Integration-Funktion in einem Modell zusamnnengefuhrt werden, urn deren Interdependenzen aufzeigen zu konnen (siehe Abb. 23). Ergebnissituation nach dem Aufbau von Vertrauen
Ausgangssituation vor dem Aufbau von Vertrauen Einstellung Positiv (Motivation)
Vertrauensaufbau
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Potenzielle Promotoren
Potenzielle Promotoren
Promotoren
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Verdeckte Opponenten
Negativ (Keine Motivation)
Abb. 23:
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•
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Opponenten
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Verschiebung durch Vertrauensaufbau
Auswirkung von Vertrauensaufbau auf die Einsteilungen und Verhaltensweisen von Akteuren
Ausgangspunkt des dargestellten Modells ist die in Abb. 19 (Seite 61) dargestellte Unterteilung der Aktoren des Wandels. In dieser Unterteilung wird zwischen Verhalten und Einsteilungen unterschieden. Wird dies auf den Widerstand und die Motivation ubertragen, spiegelt sich der Widerstand im Verhalten der Akteure wieder, da er, wie zuvor bereits beschrieben, durch eine aktive Handlung oder ein passives Verhalten eine nach auden gerichtete Verhaltensweise darstellt. Die Motivation von Akteuren dagegen ist nach innen gerichtet, da sie die individuelle Motivstruktur eines Individuums abbildet. Deswegen spiegelt sich die Motivation in der Einstellung wieder.^^^ Diese Unterteilung ist in der Abb. 23 dargestellt, sowie eine beispielhafte Verteilung der Verhaltensweisen und Einsteilungen von Akteuren. Wird nun der Faktor Vertrauen einbezogen, zeigt sich, dass sich durch den Aufbau von Vertrauen die Menge der Promotoren erhdht und insbesondere die der Opponenten abgenonnnnen hat.^^^ Der Effekt lasst sich durch die bereits beschriebene Auswirkung von Vertrauen auf das Verhalten und die Motivation erklaren. Abschliefiend sei noch auf einen weiteren Gesichtspunkt bezuglich des Vertrauensaufbaus hingewiesen. Korrespondierend zu den Ausfuhrungen uber die Widerstands- und Einigungskosten bzw. uber die Motivationskosten und dem -nutzen gilt auch fur den Aufbau von Vertrauen, dass dies nicht bei jedem Akteur gleichermaflen relevant ist, sondern insbesondere unter dem Aspekt der Machtfulle und der Kosten zum Vertrauensaufbau individuell fur jeden Akteur der Umfang des notwendigen Vertrauens festgelegt werden sollte.
Vgl. hierzu auch NERDINGER (1991), S. 131 Es sei angemerkt, dass das Modell unterstellt, dass sich der Vertrauensaufbau bei jedem Akteur identisch auswirkt, was sich in der betrieblichen Praxis nicht bestatigen wird. Vieimehr werden sich hier die Akteure tendenziell weiter nach rechts oben bewegen; zur transparenten Darstellung der Auswirkung von Vertrauen wurde das Modell jedoch wie dargestellt aufgebaut.
Strukturierungsrahmen fur das Change Management 2.2.2.3.4
T\_
Die Latent Pattern Maintenance-Funktion
Wie bereits beschrieben, dient die Latent Pattern Maintenance-Funktion dazu, die latenten Strukturen eines Unternehmens zu erhalten. Das Konzept, welches die theoretische Basis fur diese Funktion liefert, ist die Unternehnnenskultur.^^'' Die Unternehmenskultur ist ein auf die Mikro-Ebene einer Organisation angewandtes Konzept einer Kultur.^^^ Kultur ist dabei ein theoretisches Konstrukt, das zunachst in der Anthropologie und Ethnologie behandelt wurde, in jungerer Zeit aber auch in der Soziologie, der Psychologie und der Betriebswirtschaftslehre eine bedeutsame Rolle gewonnen hat. Es existieren fur das theoretische Konstrukt Unternehmenskultur die unterschiedlichsten Definitionen. Jedoch haben alle Definitionen gemeinsam, dass sle als die Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder pragen, definiert wird.^^^ Dabei sind Werte ein fur ein Individuum oder eine Gruppe charakteristische Konzeption des Wunschenswerten, welche die Auswahl der zur Verfugung stehenden Verhaltensweisen, Mittel und Handlungsziele beeinflusst.^^° Einstellungen sind dagegen innere Bereitschaften eines Individuums Oder einer Gruppe, „auf bestimnnte Stimuli der Umwelt konsistent positiv oder negativ zu reagieren. "^ Bezuglich des Grundverstandnisses von Kulturen im Allgemeinen und Unternehmenskulturen im Speziellen existieren zwei unterschiedliche Kulturansatze. Der erste Ansatz sieht eine Kultur als integrativen Bestandteil jeglicher sozialer Systeme^^^. Diese Auffassung von Kultur, die in einer systemtheoretisch-funktionalistischen Tradition steht, ermoglicht die Analyse der Kultur als ein objektivistisches, deskriptives Konstrukt neben anderen wie beispielsweise Strukturen oder Technologien. Folgerung aus dieser Sichtweise ist, dass Kulturen mit Hilfe von herkommlichen Methoden der quantitativen empirischen Sozialforschung anaiysiert werden konnen. Dieser Standpunkt lasst sich mit dem Paradigma „Organisationen haben eine Kultur" zusammenfassen.^^^ Die zweite Sichtweise sieht eine Kultur als ein Ideensystem^^"^, also als ein System von Bedeutungen in den Kopfen der Kulturtrager. Wird eine Kultur nun als ein solches individualistisches, ideelles Konstrukt aufgefasst, ist sie nicht konkret fassbar und nicht beobachtbar und kann nur mit Hilfe verstehender, interpretativer Verfahren der Ethnomethodologie anaiysiert werden. Diese strukturalistische Sichtweise lasst sich zusammenfassen mit „Organisationen sind eine Kultur".^^^
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Vgl. ARETZ/HANSEN (2002), S. 41 Vgl. STAEHLE (1999), S. 497 f.
Vgl. SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 240 Vgl. POTTHAST(1981), 8. 16 MEFFERT(1998), S. 113 Dieser Ansatz ist ein Oberbegriff fur vier weitere Ansatze, dem funktionalistischen Ansatz, dem strukturalistisch-funktionalistischen Ansatz, dem historisch-diffusionistischen Ansatz sowie dem okologisch-adaptionistischen Ansatz. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine weitere Unterteilung jedoch nicht zielfuhrend ist, da keinem der beschriebenen Ansatze in Ganze gefolgt wird, werden diese Ansatze nicht welter diskutiert (vgl. hierzu DORMAYER / KETTERN (1997), S. 58 ff.). Vgl. STAEHLE (1999), S. 498
Korrespondierend zum ersten Ansatz kann auch dieser Ansatz in weitere Ansatze detailliert werden; diese sind der kognitive Ansatz, der strukturalistische Ansatz, der Aquivalenz-Ansatz sowie der symbolische Ansatz. Da jedoch auch diese Detaillierung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zielfuhrend ist, wird sie nicht welter vorgenommen (vgl. vertiefend hierzu DORMAYER /KETTERN(1997), S. 58ff.). Vgl. STAEHLE (1999), S. 498, sowie HOLLING / MOLLER (1993), S. 63
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Artefakte und Schopfungen Architektur, Bekleidungsvorschriften Burogestaltung Rituale, Zeremonien Geschichten, Anekdoten, Mythen
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sichtbar, aber interpretationsbedurftig
I
iMilii Praferenzen fur Ziele und Zustande Handlungsmaximen Verhaltensvorschriften
teils sichtbar, teils unbewusst
GrundsStzliche Annahmen Beziehung zur Umwelt Verhaltnis zur Realitat, Zeit, Raum Beziehung zur Natur Wesendes Menschen Wesen menschlicher Handlungen Wesen menschlicher Beziehungen
Abb. 24:
unsichtbar, meist unbewusst aber a Is selbstverstandlich vorausgesetzt
Ebenen von Unternehmenskulturen und deren Zusammenhang '
Im Rahnnen der vorliegenden Arbeit soil keiner der beiden Sichtweisen in Ganze gefolgt werden. Vielmehr wird ein Model! von SCHEIN zugrundegelegt, welches Unternehmenskulturen in einem dreistufigen Stufennnodell systematisiert (siehe Abb. 24). Dieses Modell nimnnt eine differenzierte Position ein, welche sich auch dadurch zeigt, dass sich nach denn Modell eine Unternehmenskultur aus sichtbaren und unsichtbaren Ebenen zusammensetzt. Basis der Unternehmenskultur sind die grundsatzlichen Annahmen. Sie bestehen aus grundlegenden Orientierungs- und Vorstellungsmustern. In der Regel werden sie von den Akteuren auch nicht mehr bewusst hinterfragt, sondern als selbstverstandlich vorausgesetzt. Die einzelnen aufgefuhrten Punkte bilden zusammen das Leitbiid des Unternehmens und leiten damit die Wahrnehmung und das Handein der Organisationsmitglieder.^^^ Das Leitbiid konkretisiert sich in den von den Organisationsmitgliedern geteilten Werten, wobei unter Werten Normen und Verhaltensstandards verstanden werden. Normen beschreiben dabei erwartete Verhaltensweisen von einzelnen Gruppenmitgliedern, die zumeist nicht expliziert sind, bzw. nicht konkret beschrieben werden konnen. Dagegen sind Verhaltensstandards konkret formulierte Verhaltensvorschriften.^^^ 336 337
Vgl. ScHEiN (1985), S. 14 zitiert aus SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 240 Vgl. SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 241 Vgl. SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 241
Strukturierungsrahmen fur das Change Management
73
Die Normen und Verhaltensstandards schlagen sich in Artefakten und Schopfungen nieder. Zwar stellen sie den sichtbaren Teil einer Unternehmenskultur dar, problematisch be! ihrer Interpretation ist jedoch, dass sie nur in Zusammenhang mit den dahinter stehenden Wertevorstellungen und damit auch den dahinter stehenden grundsatzlichen Annahmen richtig interpretiert werden konnen.^^^ Unternehmenskulturen dienen der Reduktion der Komplexitat fur die Mitarbeiter, da durch sie festgelegt wird, welche Verhaltensweisen als „gut", bzw. „nicht gut" gelten, was „erlaubt" und was „nicht eriaubt" ist und was „belohnt" und was „bestraft" wird.^'^^ Damit stellt sie eine Handlungsorientierung fur alle Beschaftigten dar, die Abstimnnprozesse, Kommunikation und Entscheidungsfindung erieichtert, sowie den Kontrollaufwand verringert.^"^^ Urn Unternehmenskulturen im Rahmen des Change Managements erfassen zu konnen, sind sie anhand von deskriptiven Merkmalen zu beschreiben. Jedoch wurden aufgrund der Unmoglichkeit einer vollstandigen Erfassung in der Literatur unterschiedliche Versuche unternommen, das Wesen einer Unternehmenskultur moglichst vollstandig, operationalisierbar und mit Hilfe moglichst weniger Dimensionen zu beschreiben. Unternehmenskulturen konnen nach den unterschiedlichsten Kriterien unterteilt werden. Urn sich den unterschiedllchen Auspragungen von Unternehmenskulturen insbesondere aus der Change Management-Perspektive naheren zu konnen, werden sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit zunachst in zwei Dimensionen unterteilt, um ein Grundverstandnis fur Unternehmenskulturen zu schaffen. flieHend These: Zustand instabit
Integ rations perspektive
Differenzierungsperspektive
Starr Abb. 25:
Auspragungen von Unternehmenskulturen auf Netzwerkebene
Nach dieser Klassifizierung wird die Kultur zum einen danach unterschieden, ob sie eher eine Integrationsperspektive oder eine Differenzierungsperspektive darstellt,^"^^ zum anderen.
341 342
Vgl. SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 241 Vgl. DOPPLER (1994), S. 300 Vgl. DEGENER (2003), S. 52 Die Unterscheidung nach Integrations- und Differenzierungsperspektive ist ursprunglich eine Unterscheidung bezuglich unterschiedlicher Sichtweisen auf Unternehmenskulturen gewesen. Da jedoch genau eine solche Unterscheidung fur den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit als zielfuhrend erachtet wird, werden die beiden Perspektiven als diametrale Auspragungen zur Beschreibung von Unternehmenskulturen venA/endet.
74
Change Management
ob die Unternehmenskultur eher starr oder eher flie(iend ist. Hieraus ergibt sich eine VierFelder-Matrix, wenn die beiden beschriebenen Achsen dichotonn gekreuzt werden (siehe Abb. 25). Von einer Integrationsperspektive wird bei einer Unternehmenskultur genau dann gesprochen, wenn sie die Aspekte beschreibt, die alie Organisationsmitglieder „gemeinsam denken Oder tun".^"^^ Innerhalb eines Unternehmens wird angenommen, dass eine Kultur vorherrscht, die in der Regel durch die Grunder oder aus der Idee des Unternehmens heraus vorgegeben wurde.^"^"^ Praktische und plastische Beispiele fur eine solche Unternehmenskultur lassen sich in Verwaltungskulturen finden, bei der die einzelnen Abteilungen durch gemeinsame Werte und Normen wie beispielsweise das Prinzip der Aktenmaliigkeit anstatt einer Kundenorientierung oder die Amtsdisziplin und Kontrolle anstatt eines Kundenbezugs. Die Integrationsperspektive negiert kultureller Konflikte genauso wie die Bildung von Subkulturen. Genau diese Bildung von Subkulturen wird im Rahmen der Differenzierungsperspektive angenommen. Ein Unternehmen besitzt nicht mehr eine alleinige Unternehmenskultur, sondern setzt sich aus den unterschiedlichsten Subkulturen zusammen.^"^^ Einzelne Abteilungen Oder sogar Teams bilden ihre eigenen Subkulturen heraus, die naturlich auch im Widerspruch zu anderen Subkulturen des Unternehmens stehen konnen. Hieraus kdnnen wiederum Kommunikationsprobleme und -konflikte entstehen. Diese Subkulturbildung kann beispielsweise in Unternehmen beobachtet werden, die eine Vielzahl von dezentralen Einheiten haben, die autonom fur sich arbeiten. Innerhalb der einzelnen Standorte werden sich im Zeitablauf zwangslaufig Subkulturen herausbilden. Die zweite Perspektive unterscheidet, ob eine Unternehmenskultur eher starr oder eher fliefiend ist. Unter einer starren Kultur wird dabei verstanden, dass einmal festgelegte Kulturelemente wie Werte und Normen als gegeben angesehen werden und sich an sich andernde Rahmenbedingungen eher schwerfallig oder gar nicht anpassen. Insbesondere bei etablierten, oftmals grofieren Unternehmen lassen derartige starre Unternehmenskulturen beobachten. Dagegen zeichnet sich eine flieHende Unternehmenskultur durch ihre standige Anpassung an sich andernde Rahmenbedingungen aus. Diese laufende Anpassung bedeutet jedoch nicht zwangslaufig, dass die Anpassungen Resultat eines bewussten Anderungsprozesses sind. So kann beispielsweise in Start-up-Unternehmen beobachtet werden, dass sich wahrend der Grunderzeit auch die Unternehmenskultur standig den neuen Anforderungen anpasst, ohne dass durch die Mitarbeiter eine Anpassung der Unternehmenskultur bewusst vorgenommen wurde. Das zweidimensionale Modell eignet sich, um die prinzipielle Eignung eines Unternehmens zur Etablierung eines Netzwerkes zu uberprufen. Denn Unternehmen, die eine starre Unternehmenskultur besitzen, werden sich tendenziell weniger fur ein Unternehmensnetzwerk eignen als flexible Subkulturen. Denn mit dem Aufbau enger Beziehungen in einem Netzwerk ist zumeist auch ein kultureller Wandel zumindest der Bereiche verbunden, die in
^^^ ^^^ ^^
Es sei an dieser Stelle erganzend darauf hingewiesen, dass ein Unternehmen gleichzeitig Integrations- als auch eine Differenzierungsperspektive aufweisen kann (vgl. ADKINS / CALDWELL (2004), S. 970); in diesem Fall wird die Einordnung als Zwischenstufe entsprechend der Starke der Auspragung der beiden Auspragungspole vorgenommen. Vgl. MOTHER (2003), S. 30 Vgl. MOTHER (2003), S. 30 Vgl. MOTHER (2003), S. 34
Strukturierungsrahmen fur das Change Management
75
das Netzwerk eingebunden sind.^"^^ Fur eine tiefergehende Analyse ist dieses Modell jedoch nicht umfassend genug, da weder eine Fuhrungs- noch eine IVIitarbeitersicht in dem IVIodell verankert ist. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird deswegen ein achtdimensionales deskriptives Modell von BLEICHER zur Beschreibung der Unternehnnensebene verwendet (siehe Abb. 26), da bei diesem Modell aus Sicht des Verfassers eine sinnvoller Kompronniss zwischen Vollstandigkeit der Erfassung einerseits und Handhabbarkeit andererseits gefunden wurde. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine Unterteilung nach acht DImensionen schon sehr detailliert ist; in vielen Modellen werden lediglich zwei- oder vlerdimensionale Klasslfizierungen vorgenommen.^'^'' Auch BLEICHER fasst die acht DImensionen, wie aus der Abbildung ersichtlich wird, wieder zu vier ubergeordneten Dimensionen zusammen. (IV) Kulturpragende Rolle der M iter be iter
(III) Kulturpra> gende Rolle der Fijhrung
Abb. 26:
(I) Offenheit von Unternehmenskulturen
II) Differenziertheit von Unternehmenskulturen
Dimensionlerung der Unternehmenskultur auf Unternehnnensebene '
Diese Aussage ist jedoch dahingehend zu relativieren, dass auch hier Ausnahmen vorliegen konnen. So ist es beispielsweise fraglich, ob fokale Unternehmen in einem Netzwerk ihre Kuitur anpassen mussen. Vertiefend werden diese Aspekte in Kapitel 3.2.3.1.2 diskutiert. Vgl. bspw. MEFFERT / BRUHN (2003), S. 640, fur einen umfangreichen Oberblick uber unterschiedliche Kulturdimensionen vgl. SIMON (2000), S. 228 - 272 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass insbesondere in der praxisorientierten Literatur Unternehmenskulturen auch mit deutlich mehr Dimensionen beschrieben werden, wobei es bei einer derartig hohen Dimensionenanzahl dann schwierig wird, Wirkungszusammenhange oder normative Gestaltungsempfehlungen fur anzustrebende Untemehmenskultur zu geben (vgl. bspw. fur eine derartig umfangreiche Kulturbeschreibung HINTERHUBER (2004), S. 233). Vgl. BLEICHER (1991), S. 748
76
Change Management
Der wesentliche Unterschied zu dem zuvor dargestellten Modell ist, dass sich dieses Modell nicht auf die Change IVIanagement-relevanten Aspekte einer Unternehmenskultur beschrankt, sondern es sich aufgrund des breiten Fokus und des Detaillierungsgrades dazu eignet, einen Ist-Zustand einer Unternehmenskultur zu beschreiben sowie einen SoliZustand zu definieren, der sie in einem adaquaten Detaillierungsgrad beschreibt. Die acht Dimensionen von BLEICHER lassen sich wie folgt beschreibeni^"^^
-
-
-
1: Geschlossene, binnenorientierte vs. offene und auHenorientierte Unternehmenskulturen Eine binnenorientierte Unternehmenskultur zeichnet sich dadurch aus, dass Mltarbelter in ihrer taglichen Arbeit Aulienbeziehungen nur wenig wahrnehmen. Es besteht eine klare Grenzziehung in der Wahrnehmung zwischen dem Unternehmen und der Umwelt und nur wenige Mitarbeiter (bspw. Aufiendienst) sind fiir die Pflege der Au(ienbeziehungen zustandig. Demgegenuber nehmen eine Vielzahl von Mitarbeitern bei aufienorientierten Unternehmenskulturen Anregungen von der Umwelt sensibel auf und passen sich diesen entsprechend an. Die Mitarbeiter sehen sich in einer fortwahrenden Leistungssituation gegenuber Dritten. 2: Anderungsfeindliche vs. anderungsfreundliche Unternehmenskulturen Anderungsfeindliche Unternehmenskulturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Veranderungen und Wandel ablehnend gegenuber stehen. Veranderungsvorschlage werden als Storung des betrieblichen Ablaufs und nicht als Chance zur Weiterentwicklung angesehen. Diametral hierzu ist die anderungsfreundliche Unternehmenskultur in der das einzig Bestandige der Wandel ist, da durch eine standige Reflexion und Anpassung das Leistungspotenzial gesteigert werden soil. 3: Spitzen- vs. Basisorientierung Eine Spitzenorientierung zeichnet sich dadurch aus, dass eine weitgehende Orientierung an der Fuhrungsspitze erfolgt. Die Organisationsmitglieder warten auf Aufgaben und befolgen diese dann vorgabegemafl. Eine Basisorientierung dagegen fasst die Entwicklung einer Organisation von der Basis her auf; die Fuhrungsspitze dient eher der Konsolidierung und Bundelung dieser Krafte. 4: Einheits- vs. subkulturelle Pragung Eine einheitskulturelle Pragung zeichnet sich dadurch aus, dass eine Organisation eine Unternehmenskultur besitzt, die eine Integrationsfunktion ubernimmt. Dagegen identifizieren sich Mitarbeiter bei einer subkulturellen Pragung an der vorherrschenden Kultur des Standortes, der Arbeitsgruppe etc. Diese einzelnen Subkulturen konnen sich deutlich voneinander unterscheiden. In Abb. 25 (Seite 73) wurde bereits diese Unterscheidung vorgenommen und diskutiert. 5: Instrumentelle vs. entwicklungsorientierte Kulturpragung Technokratische Strukturen und Prozesse, die das Verhalten der Mitarbeiter formen mit Hilfe von der Unternehmensfuhrung vorgegebener Instrumente, sind kennzeichnend fur eine instrumentelle Kulturpragung. Dagegen ist kennzeichnend fur eine entwicklungsorientierte Kulturpragung, dass das kreative Einbringen und Verfolgen neuer Entwicklungspfad im Rahmen eines evolutionaren Prozesses das Selbstverstandnis einer Organisation ist. 6: Kosten- vs. nutzenorientierte Kulturpragung Eine kostenorientierte Kulturpragung zeichnet sich dadurch aus, dass Effizienzsteigerungen eher in der Minimierung von Inputfaktoren gesucht werden, nutzenorientierte Kulturpragungen eher durch eine Suche nach neuen Nutzenpotenzialen. 7: Mitarbeiter als MItglleder Oder Akteure Eine Honorierung von einer Loyalltat zur Organisation und ihren Zwecken ist kennzeichnend fur eine Mitgliedschaftsorientierung; die Honorierung von Lelstungsbeitragen ist kennzeichnend fur eine Akteursorientierung. Vgl. zu den folgenden Punkten BLEICHER (19|91), S. 747-757
Strukturierungsrahmen fur das Change Management
77_
8: Individuelle vs. kollektive Kulturpragung Eine individualistische Kulturpragung zeichnet sich durch eine starke Forderung auf der Rolle jedes einzelnen Organisationsmitglieds aus. Wenn dagegen der Teanngedanke und das „wir"-Gefuhl im Mittelpunkt der Kultur steht, liegt eine kollektive Kulturpragung vor. Es ist offensichtlich, dass die einzelnen Dimensionen nicht unabhangig voneinander sind. So ist es beispielsweise eher unwahrscheinilch, dass eine Unternehmenskultur auf der einen Seite basisorientiert und eine individuelle Kulturpragung aufweist, auf der anderen Seite aber auch instrumentell und anderungsfeindlich gepragt ist. Es soil im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch nicht der Anspruch an eine vollstandig uberschneidungsfreie, sowie zusatzlich auch noch detailllerte Klassiflzierung von Unternehmenskulturen erhoben werden. Vielmehr verfolgt die Darstellung und Verwendung dieser Dimensionen zwei Zielsetzungen. Zum einen soil eine Naherung, ein Gefuhl fur die Beschaffenheit einer Unternehmenskultur geschaffen werden, um hierauf aufbauend Merkmale zu identifizieren, die fur die betrachtete Branche als typisch angesehen werden konnen. Zum anderen soil - ohne einen strong normativen Anspruch zu erheben - eine Kulturauspragung entwickelt werden, die einer Etablierung von Netzwerken forderlich ist. Hierauf aufbauend lassen sich Anforderungen an ein Change Management ableiten. Das Change Management hat demnach die Aufgabe, die bestehende Unternehmenskultur zu erfassen und derart anzupassen, dass sie zum einen dem Anderungsprozess und zum anderen dem Zielzustand moglichst dienlich ist. In der Literatur gibt es unterschiedliche Standpunkte hinsichtlich der generellen Moglichkeit der Beeinflussung einer Unternehmenskultur. In der vorliegenden Arbeit wird weder der Standpunkt der Kulturalisten vertreten, die der Auffassung sind, dass eine Unternehmenskultur nicht gezielt verandert werden kann, noch der Standpunkt der Kulturingenieure, welche die Ansicht vertreten, dass die Unternehmenskultur vollstandig beeinfluss- und beherrschbar ist.^^° Vielmehr wird der Standpunkt der Kulturentwicklung vertreten, die davon ausgeht, dass die Unternehmenskultur zwar nicht schlagartig geandert werden kann, wohl aber mit Hilfe von Interventionen Veranderungen bewirkt werden konnen. Dieser Standpunkt erklart sich aus der obigen Diskussion bezuglich der unterschiedlichen Kulturansatze. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit angenommen wird, dass es sichtbare und unsichtbare Ebenen einer Unternehmenskultur gibt, folgt demnach auch, dass eine Unternehmenskultur weder in Ganze erfasst und auf dieser Basis ad hoc geandert werden kann, noch, dass sie sich einer Analyse und Veranderung vollkommen entzieht. Es sei aber darauf hingewiesen, dass eine Anderung der Unternehmenskultur in der Regel ein langwieriger Prozess Ist. Dabei kann aber nicht sichergestellt werden, dass die angestrebten Ziele der Veranderungen exakt erreicht werden.^^^ Der Wandel einer Unternehmenskultur kann deshalb nicht rational geplant werden. Dies kann mit dem Modell von SCHEIN (siehe Abb. 24, Seite 72) erklart werden, da Artefakte und Schopfungen zwar in Ganze, sowie Werte zum Tell erfasst werden konnen, deren Interpretation ohne Kenntnis der grundlegenden Annahmen oftmals nicht moglich ist. Die Entwicklung der Unternehmenskultur erfolgt durch die Organisationsmitglieder im Rahmen eines unternehmensspezifischen sozialen Lern-, Problemlosungs- und Sozialisationsprozesses und stellt damit ein sich im Zeltablauf entwickelndes, dynamlsches, soziales und menschengeschaffenes Phanomen dar.^^^ Dies bedeutet jedoch, dass Unternehmen zum einen als ein kulturproduzlerendes System zu verstehen sind, zum anderen aber auch Trager einer Kultur sind.^^^ Mit anderen Worten reglementiert die Unternehmenskultur
352 353
Vgl. SCHANZ (1994), S. 299 f. Vgl.SCHANZ (1994), 8.300 Vgl. SEYFARTH (2002), S. 17, sowie ROHLOFF (1994), S. 102
Vgl. ROHLOFF (1994), S. 102
78
Change Management
einerseits die Handlungen der Organisationsmitglieder, andererseits wird sie jedoch gerade durch die Organisationsmitglieder geschaffen und dynamisch angepasst. Dem Ciiange Management obliegt es nun, Kuituranpassungen durciizufuhren, wenn davon ausgegangen wird, dass sich die existierende UnternelimenskuJtur iiemmend auf das Wandlungsvorhaben auswirkt. Hierzu bestehen die unterschiedlichsten Veranderungsstrategien,^^"^ die jedocii ganzlich, wie skizziert, eine Kulturveranderung nur vor einem langen Zeithorizont durchfuhren konnen. ^^^
2.2.2.4
Synthese der AGIL-Funktionen
Die dargesteliten Funktionen des AGIL-Schemas konnten suggerieren, dass die einzelnen Funktionen unabhangig voneinander sind. Wie in Abb. 27 jedoch dargestellt, bestehen eine Vielzahl von Interdependenzen zwischen den einzelnen Funktionen.
Zlele, U m s e t z u n g s r e s t r i k t i o n e n
Adaption Restriktionen
,AO^ ^
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y
^ ^ ^
>/"
Teamgeist und Motivation
Tab. 3:
TrSger des Change Managements
Y
Synergetische Projektzusammensetzung Obergreifende Zusammenarbeit
Latent Pattern Maintenance
Change ManagementPfozess
>/"
Die Erfolgsfaktoren auf Unternehmensebene
Korrespondierend zu den Erfolgsfaktoren sind auch die Misserfolgsfaktoren inn Uberblick dargestellt, die Publikationen zu den Faktoren sind in Tab. 23 (Anhang B, Seite 391) zu finden. In den folgenden Kapitein werden die aus der Sekundaranalyse identifizierten Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren diskutiert. Aus Sicht des Verfassers ware aber eine alleinige Darstellung der Faktoren nicht ausreichend, unn Aussagen uber ein erfolgreiches Change Management
Es sei angemerkt, dass dieser Erfolgsfaktor im Rahmen der vorliegenden Arbeit kritisch hinterfragt wird mit dem Ergebnis, den Faktor „effizientes Stakeholder Management" anstelle eines effektiven Stakeholder Management zu empfehlen (siehe Kapitel 2.3.6). Wie die weiteren Ausfuhrungen zeigen werden, handelt es sich bei diesem Erfolgsfaktor lediglich um einen kontextspezifischen Faktor. Denn abhangig vom Wandelvorhaben kann eine fruhzeitige, gegebenenfalls auch nicht abgestimmte Kommunikation von Projektergebnissen auch zum Misserfolgsfaktor werden.
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren des Change Managements
121
treffen zu konnen. Deswegen werden die empirischen Erkenntnisse mit den bisher dargelegten theoretischen Modeller! verbunden. Koni|»oii0tit#ii des Change Managements Misserfolgsfaktor
Adap« tion
Fehlende vertragliche Vereinbarungen mit den Mitarbeitem Fehlender Handlungsdruck Fehlerhafter Umgang mit der Angst der Betroffenen Mangelhafte Qualifikation der Mitarbeiter Mangelnde Identifikation des Middle-Managements Misstrauenskultur Nicht ausreichende Ressourcen / unterschatzter Zeitbedarf^^ Projektdefizite
y/"
Ressourcenmangel
^
Tab. 4:
Goat A^ln» fiient
Integration
^
^ ^
TrSger Change des ManaLatent Change gementl^attern ManaMainte« Proiess gements nanee
Y
Y
^
y
^ ^ Y y^
Die Misserfolgsfaktoren auf Unternehmensebene
Es sei zuletzt angennerkt, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine Priorisierung der Erfoigs- bzw. Misserfolgsfaktoren durchgefuhrt wird. Denn wie die folgenden Ausfuhrungen zeigen werden, besitzen alle identifizierten Faktoren Relevanz und es erscheint problematisch, ohne ein konkreten Einzelfall zu betrachten, abzuschatzen, ob der Erfolgsbeitrag (bzw. Misserfolgsbeltrag) eines Faktors hoher ist als der eines anderen Faktors. 2.3.4
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren der Komponenten des Change Managements
2.3.4.1
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren der Adaption-Funktion
Im Rahnnen der Adaption-Funktion wird der Wandel der Variablen des Leavitt-Schemas durchgefuhrt. In diesem Schema ist das Personal expliziter Bestandteil. Hierbei umfasst diese Funktion jedoch nur den Wandel der Sachebene,^^"^ da die ubrigen, das Personal betreffenden Faktoren in den drei weiteren AGIL-Funktionen thematisiert sind. So sind die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren auch auf das methodische Vorgehen und weitere sachrationale Aspekte beschrankt.^^^ Damit umfassen sie die Faktoren, die eher einer traditionelDieser Misserfolgsfaktor bezieht sich explizit auf KulturverSnderungen (vgl. BERNER (2000b), S. 45). Vgl. MEISTER (1999), 3.34
Der Begriff der sach-rationalen Aspekte leitet sich auch dem Change-Management-Schema von KROGER ab, der als oberste Ebene des Change Managements die sach-rationale Dimension definiert (vgl. KRUGER (1999), S. 867). Auch wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit den tieferen Ebenen von KRUGER nicht welter gefolgt wird, da das verwendete Schema differenzierter das Change Management analysiert, entspricht die oberste Ebene der Adaption-Funktion.
122
Change Management
len Organisationslehre zugeordnet werden kdnnen. Auf die Variable Personal bezogen sind dies Fragestellungen der Mitarbeiterqualifikation Oder des Personalubergangs. Der erste Erfolgsfaktor, der in den verschiedensten Studien identifiziert worden ist, sind die Kenntnisse der Zusammenhange eines Change Management-Projektes. Auch wenn dieser Faktor trivial erscheint, zeigt das Leavitt-Schema doch deutlich die Komplexitat eines Wandelvorhabens auf. So wurde in den vorherigen Ausfuhrungen dargestellt, dass Change Management-Vorhaben, insbesondere wenn sie einen Wandel 2. Ordnung zum Gegenstand haben, ein umfangreiches Vorhaben darstellen, im Mittel 135 Kalenderwochen dauern und umfangreiche Ressourcen binden (slehe hierzu Kapitel 2.1.1). Es ist offensichtlich, dass fur derartige Projekte die Kenntnisse der Zusammenhange eines Change ManagementProjektes von besonderer Relevanz sind.^^^ Nicht zuletzt hierin ist auch begrundet, dass Unternehmen oftmals auf eine externe Expertise in Form von Unternehmensberatern zurijckgrelfen, da zumindest angenommen wird, dass die notwendigen Kenntnisse durch eine umfangreichere Projekterfahrung von Unternehmensberatern vorhanden sind. Eng mit diesem Erfolgsfaktor verbunden ist der Faktor der Methodenkompetenz. Denn neben den Kenntnissen der Zusammenhange eines Projektes ist das Wissen um den Einsatz einer geeigneten Methode fur die Jeweiligen Problemstellungen sowie deren Zusammenhange wesentiich fur ein Projekt. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) von SCHEER verwiesen, welches als Schema geeigneter und konsistenter Methoden zur Beschreibung von Unternehmensprozessen eine weite Verbreitung gefunden hat. Dieses Modell zerlegt aufgrund der hohen Komplexitat von Unternehmensprozessen diese in einzelne Sichten, um hierdurch die Komplexitat zu reduzieren. Die einzelnen Sichten werden mit spezifischen Methoden beschrieben und anschliefiend die Verbindungen zwischen den einzelnen Sichten wieder aufgenommen.^^'' Jedoch werden hierdurch lediglich Methoden beschrieben, die zur sachrationalen strukturellen Beschreibung von Unternehmen angewendet werden konnen und somit das Leavitt-Schema weitestgehend abbilden. Daruber hinaus sind jedoch auch Methoden fur die ubrigen Fragestellungen des Change Managements anzuwenden, wie beispielsweise Methoden zur Zieldefinition, -analyse und -synthese, zur Projektplanung, -koordination und -kontrolle sowie fur die Zieldurchsetzung im weitesten Sinne. Es sei in diesem Zusammenhang jedoch darauf hingewiesen, dass, wie in Kapitel 2.2.5 bereits thematisiert, eine detaillierte Diskussion dieser Methoden aufgrund der Notwendigkeit der problemadaquaten Auswahl der Methoden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht durchgefuhrt werden kann. Die Vielzahl der verfugbaren Methoden zeigt jedoch einen welteren Aspekt der Methodenkompetenz auf. In den vorherigen Ausfuhrungen wurde lediglich auf die zielfuhrende Anwendung von Methoden hingewiesen. Daruber hinaus wird Im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter einer Methodenkompetenz jedoch auch das Wissen um eine geeignete Methodenauswahl verstanden. Die Relevanz von diesem Aspekt wurde auch als ein Bestandteil einer Studie von BREHM hervorgehoben. So zeigt diese Studie anhand der Untersuchung von
Beispielhaft fur diese Problematik sei die Fragestellungen und den Umfang einer SAP IS-U Einfuhrung bei Energieversorgungsunternehmen hingewiesen, die aufgrund der organisatorischen Konsequenzen einer derartigen Einfuhrung von erheblicher Komplexitat ist (vgl. RiNSCHEDE (2004), insbesondere S. 3 und S. 20 ff.). HAHN zeigt diesbezuglich prinzipielle Begrenzungsfaktoren auf und verbindet diese mit der betrieblichen Praxis. So unterscheidet er system- und humanbezogene Begrenzungsfaktoren sowie Wirtschaftlichkeitsaspekte, die schon allein die Planung als ein Bestandteil des Change Managements begrenzen (vgl. HAHN (2003), S. 96 ff.). Vgl. SCHEER (1995), S. 10, sowie zur Beschreibung der einzelnen Sichten S. 11-89
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren des Change Managements
123
Methoden fur den Wandel 1. Ordnung, dass die Auswahl geeigneter Methoden^^^ neben der Unternehmenssituation insbesondere auch von der Branche und der Unternehmensgrofie abhangig ist.^^^ Werden die beiden dargestellten Faktoren generalisiert und nicht nur auf die AdaptionFunktion bezogen, stellen sie im Wesentlichen als Erfolgsfaktoren die Anforderungen dar, die sich aus der dritten Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit auf Unternehmensebene ergeben. Denn durch die Entwicklung eines ganzheitlichen Bezugsrahmens des Change Managements wird genau die Anforderung erfullt, dass die Kenntnisse der Zusammenhange eines Change Management-Projektes erarbeitet werden. Hieraus folgt dann konsequent, dass zusatziich eine entsprechende Methodenkompetenz fur die einzelnen Dimensionen des Change Managements erforderlich ist. Als weiterer Erfolgsfaktor wurde die ubergreifende Zusammenarbeit identifiziert, wobei dieser Faktor insbesondere bei umfangreicheren Wandelvorhaben unabdingbar ist. Denn ein Wandel hat in diesem Fall oftmals Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche, entweder direkt, da durch Interdependenzen in der Wertschdpfungskette ein anderer Bereich unmittelbar tangiert wird^^° oder indirekt, well ein Wandel andere Bereiche mittelbar beeinflusst.^^^ Dieser Erfolgsfaktor wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vertiefend diskutiert, da es offensichtlich ist, dass zumlndest eine Abstimmung in den skizzierten Fallen notwendig wird. In den Ausfuhrungen des Change Managements wurde darauf hingewiesen, dass sich Wandelvorhaben nicht durchgangig planen lassen. Der Grund hierfur ist jedoch nicht ausschliefilich in den nicht planbaren Reaktionen der Mitarbeiter zu suchen, sondern auch im Wandel des Unternehmensumfeldes und anderen Unwagbarkeiten wie beispielsweise technische Restriktionen bei IT-lmplementierungen. Deswegen ist ein konsequentes Monitoring und Controlling des Prozesses ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um ein zeitnahes Anpassen des Change Managements zu gewahrleisten. Damit ein Wandelvorhaben erfolgreich durchgefuhrt werden kann, sind im Vorfeld die notwendigen strukturellen und inhaltlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dieser Erfolgsfaktor betrifft neben der Adaption-Funktion die Goal Attainment-Funktlon^^^ sowie die Trager des Change Managements.^^^ Im Rahmen der Adaption-Funktion ist hierunter insbesondere die Verfugbarkeit der Ressourcen zu verstehen, die fur die Durchfuhrung des Wandelvorhabens notwendig sind. So wurde in Kapitel 2.2.2.3.1 als sekundares Ziel des Change Managements die Erfullung der Anforderung an den Wandel, insbesondere hinsichtlich des Ressourceneinsatzes und zeitlicher Vorgaben, identifiziert. Auch wenn die Annahme sicherlich nicht zulassig ist, dass durch eine Erhohung der Ressourcenausstattung die Wahrscheinlichkeit des Erfoigs eines WandelvorUnter Methoden werden im Rahmen des First-order Change das Vorschlagswesen, ZirkelKonzepte sowie Workshop-Konzepte verstanden. Vgl. BREHM(2001), S.
522 523
182f.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn durch das Wandelvorhaben Schnittstellen geandert werden oder eine Umverteilung der Zuordnung von Aufgaben zu Organisationseinheiten erfolgt. Die mittelbare Beeinflussung kann beispielhaft an der Restrukturierung eines Forderungsmanagements aufgezeigt werden. Wenn im Rahmen dieser Restrukturierung Mahnparameter wie beispielsweise Mahnfristen, -gebuhren oder Sperrfristen bei Energieversorgungsunternehmen angepasst werden, kann dies Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit einerseits und auf den Auftenauftritt des Untemehmens andererseits haben und damit Auswirkungen auf die Vertriebstatigkeit, ohne, dass das Forderungsmanagement unmittelbar vertriebliche Prozesse tangiert. Siehe hierzu Kapitel 2.3.4.2 Siehe hierzu Kapitel 2.3.6
124
Change Management
habens beliebig gesteigert werden kann, zeigt dieser Faktor jedoch, dass innerhalb eines Korridors durch die Ausstattung mit den notwendigen Ressourcen die Erfolgswahrscheinlichkeit gesteigert werden kann. Die Definition der Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren hat gezeigt, dass ein Misserfolgsfaktor nicht zwangslaufig der Gegenpol zu einem Erfolgsfaktor ist. So kann aus dem Misserfolgsfaktor „Fehlende vertragilche Vereinbarungen mit den Mitarbeitern" nicht unmittelbar geschlossen werden, dass bestehende vertragliche Vereinbarungen mit den Mitarbeitern zu einem Erfolgsfaktor werden. Deswegen werden im Folgenden die Misserfolgsfaktoren der Adaption-Funktion dargestellt mit der Einschrankung, dass Faktoren, die sich unmittelbar als Gegenpol zu einem Erfolgsfaktor ableiten lassen, lediglich erwahnt werden. Ein ubergeordneter Misserfolgsfaktor, der lediglich Erwahnung findet, da er in unterschiedlichen Studien immer wieder identifiziert wird, sind die Projektdefizite. Es ist offensichtllch, dass Projektdefizite ein Misserfolgsfaktor darstellen, jedoch Ist er aufgrund der fehlenden Operationalisierung zu unspezifisch. Die mangelhafte Qualifikation der Mitarbeiter als ein Misserfolgsfaktor ist der Gegenpol zu den Erfolgsfaktoren „Kenntnlsse der Zusammenhange eInes Change ManagementProjektes" und „Methodenkompetenz". Es sei explizit darauf hingewiesen, dass dieser Misserfolgsfaktor nicht nur die Qualifikation der operativen Projektmitarbeiter betrlfft, sondern auch die Projektleitungs- und Fuhrungsebene. Auch der Misserfolgsfaktor Ressourcenmangel lasst sich den bereits beschrlebenen Erfolgsfaktoren zuordnen. Denn er bildet zusammen mit den Projektdefiziten summarisch die Antithese der in diesem Kapitel aufgefuhrten Erfolgsfaktoren.^^"^ Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die Erkenntnis, dass diese Faktoren Misserfolgsfaktoren darstellen, jedoch trotz allem wesentlich. Hierdurch wird gezeigt, dass die aufgefuhrten Erfolgsfaktoren nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Erfoigs eines Projektes erhdhen, sondern ihre Absenz auch die Wahrscheinlichkeit eines Misserfoigs steigert. Der letzte Misserfolgsfaktor der Adaption-Funktion lasst sich dagegen nicht einem Erfolgsfaktor zuordnen. Dieser in einer umfangreichen Studie von STREBEL identifizierte Misserfolgsfaktor ist der Faktor der fehlenden vertraglichen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern. So stent STREBEL fest „Employees often misunderstand or, worse, ignore the implications of change for their individual commitments to the company. [...;d.V.] It Is often the dimension of personal compact that is undermined most In a change initiative when conflicts arise and communication breaks down."^^^ Hintergrund der Relevanz von vertraglichen Vereinbarungen sind zwei unterschiedliche SIchtweisen auf den Wandel. Auf der einen Seite das Top-Management, dass die Moglichkeiten und Potenziale eines Wandels sieht und auf der anderen Seite die Arbeiter und Angestellten bis zum mittleren Management, welche den Wandel oftmals als einen Eingriff in gewohnte Ablaufe ansehen verbunden mit der Gefahr wirtschaftlicher oder sonstiger Nachteile.
Aufgrund des unspezifischen Charakters konnen diese Defizite mangelnde Kenntnisse ebenso wie ein fehlendes Controlling oder eine fehlende Methodenkompetenz beschreiben und stellen damit das Gegenteil fur die meisten in diesem Kapitel aufgefuhrten Erfolgsfaktoren dar. Dagegen ist der Ressourcenmangel die Antithese zu dem Erfolgsfaktor „strukturelle und inhaltliche Voraussetzungen". STREBEL (1996), S. 88
An dieser Studie waren dabei uber 200 Manager aus 32 Landern beteiligt.
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren des Change Managements
125
Urn den Wandel zu festigen, Angste abzubauen und Transparenz bezuglich der zukunftigen Anforderungen an die Mitarbeiter zu schaffen, werden Personal Compacts als wesentlichen Faktor identifiziert, urn durch diese Vereinbarungen Sicherheit und Transparenz bezuglich zukunftiger Anforderungen zu schaffen. Diese Vereinbarungen werden dabei in die formale, die psychologische und die soziale Dimension unterteilt.^^^ 2.3.4.2
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren der Goal Attainment-Funktion
Die Goal Attainment-Funktion hat einerseits das Setzen von Zielen und andererseits das Durchsetzen von Zielen zum Gegenstand. Deswegen wird auch zwischen Faktoren unterschieden, die das Setzen von Zielen beeinflussen und solchen, die das Durchsetzen von Zielen betreffen (siehe Tab. 5). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Faktoren nicht unabhangig voneinander sind. Denn Defizite, die be! dem Setzen von Zielen entstehen, wirken sich auf die Umsetzbarkeit eben dieser Ziele aus.^^'' Erfoigsfiaklor
Setzen von Zielen
Realistische und klare Vision / Zielsetzung
^ ^
Indlviduelle und klare Zieldefinition Strukturelle und inhaltliche Voraussetzungen Support durch Top-Management Tab. 5:
Durchsetzen von Zielen
^ ^
Die Erfolgsfaktoren zum Setzen und Durchsetzen von Zielen
Die realistische und klare Vision / Zielsetzung ist einer der Grundvoraussetzungen fur ein erfolgreiches Wandlungsvorhaben. Die Relevanz dieses Erfolgsfaktors zeigen die folgenden Punkte auf:
-
Bei einer nicht reallstischen Vision oder Zielsetzung ist es berelts zu Beginn des Projektes ersichtlich, dass das Projekt scheitert, da die gesetzten Ziele nicht erreichbar sind. Hieraus ergibt sich der Zusammenhang, dass, je realistischer eine Vision oder Zielsetzung ist, desto hoher auch die Erfolgswahrschelnlichkeit des Wandelvorhabens ist. Eine unklare Vision bzw. Zielsetzung verhindert einerseits einen zielfuhrenden Veranderungsprozess, was Auswirkungen auf die Effizienz eines Wandlungsvorhabens hat, andererseits erschwert eine unklare Zielsetzung die Messung des Projekterfoigs, da das Projektergebnis nicht oder nur unscharf mit den gesetzten Zielen abgeglichen werden kann. Eine klare Zielsetzung erhoht damit die Effizienz von Wandlungsvorhaben, was die Wahrscheinlichkeit eines Projekterfolges erhoht.^^^ Zuletzt hat eine realistische Zielsetzung wesentliche Auswirkungen auf das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter (siehe Abb. 40). Unrealistische Ziele fuhren zwangslaufig dazu, dass Mitarbeiter durch die Zielsetzung uberfordert sind, was negative Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivatlon hat.
Vgl. STREBEL(1996), S. 88ff.
Es sei angemerkt, dass dies fur den gesamten Change Management-Prozess gilt. Defizite, die in vorgelagerten Prozessschritten (vgl. Abb. 29, Seite 84) entstehen, konnen grundsatzlich auch die nachfolgenden Schritte negativ tangieren. Die Begrundung hierfur liegt darin, dass durch ein effizienteres Vorgehen zumindest die Ziele, die an das Change Management hinsichtlich der verfiigbaren Ressourcen gestellt sind, eher eingehalten werden und damit die Wahrscheinlichkeit eines Projekterfoigs steigt.
126
Change Management
Problematisch ist jedoch, dass ex ante oftmals nicht eingeschatzt werden kann, ob Projektziele realistisch sind. Wie bereits dargestellt, sind insbesondere Second-order-ChangeVorhaben, wie beispielsweise Reorganisationen, umfangreiche und langwierige Projekte, deren Erreichbarkeit deswegen nur abgeschatzt werden kann. Diese Problematik soil im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht vertieft werden, es sei jedoch darauf hingewiesen, dass eine realistische Einschatzung oftmals eines umfangreichen Erfahrungswissens bedarf. i
orderungen/ Zielsetzung
\ • Uberforderung des Mitarbeiters
•
•
/
^ , ^
f// y /
Unterforderung des Mitarbeiters
• t
• Qualifikation des IVIitarbeiters
Abb. 40:
Individuelle Anforderung / Zielsetzung im Verhaltnis zur individuellen IVIitarbeiterqualifikation^^^
Anhand der Abb. 40 kann zudem eine der Auswirkungen des zweiten Erfolgsfaktors, der individuellen und l^ Interaktions• Einstellungen prozess • Erfahrungen • Technologie • Ressourcen
Abb. 61:
Der Interaktionsansatz der IMP-Gruppe
Die Beziehungen zwischen den Unternehmen werden in einem interaktionsorientierten Analyserahmen erfasst (siehe Abb. 61), der sich aus den vier Variablen „lnteraktionsprozess", „beteiligte Parteien", „Beziehungsumwelt", sowie „Beziehungsatmosphare" zusammensetzt. Diese Variablen sollen dabei zum einen die Struktur und zum anderen die Dynamik der Interorganisationsbeziehung einfangen.^^° Der Interaktionsprozess beinhaltet zwei zeitliche Dimensionen. Zum einen die Episode, die einen abgrenzbaren Tell einer Transaktionsbeziehung umfasst und zum anderen die Beziehung, die die langfrlstige Komponente darstellt, die den Interaktionsprozess insgesamt konstituiert.^^^ Damit spiegelt die Episode den Prozess des Produkt-, Informations-, 778 779 780
Vgl. HAMMER (2002), S 40 ff. In Aniehnung an PEITZ (2002), S. 47 Vgl. PEITZ (2002), S. 46 Vgl. CALAMINUS (1994), S. 101 f.
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
177
Leistungs- oder finanziellen Austauschs wider, wohingegen die Beziehung einen sozialen Austausch darstellt, der dazu dient, die Unsicherheit zwischen den Partnern zu reduzieren, Beziehungen aufzubauen und mit Leben zu fullen, sowie Vertrauen zu scliaffen/^^ Unter den beteiligten Parteien werden sowohl Organisationen als auch deren Reprasentanten, also Individuen, verstanden. Die Grolie und Macht einer Organisation sind dabei nacii dem Ansatz die Determinanten, die die Position innerhalb des Netzwerkes bestimmen und somit Wirkung auf die Art und Gewiclitung einer Interaktion haben/®^ Dabei ist es notwendig, dass sich die einzelnen Parteien immer wieder an den Interaktionsprozess anpassen mussen, wobei unterschiedliche Strategien und Strukturen der Unternehmen diese Anpassung erschweren konnen. Die Beziehungsumwelt bettet die Interaktionen in ein ganziieitiiciies Schema. Es werden hierbei Aspekte beschrieben, die sowohl einzelne Episoden als auch die Beziehung insgesamt beeinflussen konnen. Hierzu zahlen beispielsweise die Marktstruktur, in der die Partner eingebunden sind oder auch die generelle Umweltdynamik.''®'^ Die Beziehungsatmosphare wird durch den Interaktionsprozess zwischen den beteiligten Parteien gepragt. Sie stellt eine Sammelgrofie dar, die sich aus den spezifischen Auspragungen und jeweiligen Kombinationen der drei beschriebenen Variablen ergibt.''^^ Sie ist damit ein historisches Konstrukt der drei ubrigen Variablen, welches auf die Gegenwart dieser Variablen zuruckwirkt. Auch wenn der vorgestellte Ansatz zunachst den Anschein erweckt, dass er lediglich dyadische Beziehungen abbilden kann, besitzt er auch fur multiorganisationale Konstellationen eine Erklarungsrelevanz.''^^ Denn wie schon in Abb. 59 (Seite 174) anhand der evolutionaren Entwicklung hin zu einem Netzwerk dargelegt wurde, werden im Rahmen des Ansatzes auch multiorganisationale Konstellationen abgebildet. Unbestritten ist jedoch, dass insbesondere Interdependenzen deutlich komplexer werden und Wechselwirkungen aufgrund dieser steigenden Komplexitat nicht mehr in Ganze abbildbar werden, wenn die Anzahl der Unternehmen deutlich steigt. Der beschriebene Interaktionsansatz (siehe Abb. 61, Seite 176) verbunden mit dem Modell zur Entwicklung von Unternehmensnetzwerken (siehe Abb. 59, Seite 174) zeigt, dass ein Netzwerk nach dieser Theorie eine Kombination aus geplanten Handlungen und spontanen Prozessen ist, in der Faktoren jedoch auch in nicht vorgesehener Weise zusammenwirken konnen.^^^ Es sei jedoch in dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch der interaktionsorientierte Netzwerkansatz nicht unumstritten ist. Neuere Untersuchung deuten darauf hin, dass es durchaus Konstellationen gibt, in denen der Aufbau langfristiger Lieferantenbeziehungen unvorteilhafter als ein Aufbau kurzfristiger ist.^^® DAWID / KOPEL konnten dieses in dem von ihnen konstruiertem Modell nachweisen. Dieser Kritik wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nur teilweise gefolgt. Denn es ist offensichtlich, dass es Konstellationen gibt, bei denen eine marktiiche Koordination oder ein nicht enger Netzwerkverbund vorteilhafter als ein enges Netzwerk ist, welches sich als monolithisches Gebilde extern darstellt. Ware 782 783 784 785
Vgl. PEITZ (2002), S. 47 Vgl. CALAMINUS (1994), S. 102 Vgl. PEITZ (2002), S. 47 Vgl. PEITZ (2002), S. 47 f. Vgl. CALAMINUS (1994), S. 101 Vgl. SYDOW (1992), 8.218 Vgl. DAWID/KOPEL (2001), S. 51-65
Die Etablierung von Untemehmensnetzwerken
178
dies nicht der Fall, wurde der interaktionsorientierte Netzwerkansatz einer marktiichen Koordination seine Berechtigung absprechen. Der wesentliche Erkenntnisgewinn, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch besondere Beachtung findet und in den Bezugsrahmen fur ein Netzwerkmodell einflieflen wird, sind zwei wesentliche Erkenntnisse. Zum einen die Erkenntnis, dass der Aufbau langfristiger Beziehungen in einer sich andernden und komplexen Umwelt eine wesentliche Ressource sein kann und zum anderen die Erkenntnis, dass Faktoren wie Vertrauen eine weitere, wesentliche Ressource in der Interaktion mit anderen Unternehmen darstellt. In der angesprochenen Untersuchung von DAWID / KOPEL finden diese beiden Faktoren keine Berucksichtigung in ihrem Modell, so dass diese wesentlichen Erkenntnisse modellinharent nicht abgeleitet werden kdnnen.
G
Illllllll
Goal Attainment
11JIlBnt Pattern |||||||intenance
11
integration
1
IIJI Gegenstand des Netzwerkansatzes Abb. 62:
Einordnung des interaittionsorientierten Netzwerlonsatzes in das AGILSchema
Eine Einordnung des interaktionsorientierten Netzwerkansatzes in das AGIL-Schema zeigt deutlich auf, dass dieser Ansatz sehr umfassend ist (siehe Abb. 62). Da ein wesentlicher Fokus auf die Interaktion zwischen den Akteuren und damit auf die Goal Attainment sowie der Integration-Funktion gelegt wird, sind diese Funktionen auch entsprechend umfassend abgedeckt. Als nicht vollkommen abgedeckt sind dagegen die Adaption- und die Latent Pattern Maintenance-Funktion anzusehen. Bei Ersterer fehit insbesondere die okonomische Bewertung von Netzwerken. Es wird zwar nicht negiert, dass Beziehungen auch okonomisch eine durchaus vorteilhafte Alternative sein konnen, jedoch werden Abgrenzungen zu marktiichen oder hierarchischen Hierarchieformen nicht andiskutiert und bieten deswegen auch keine Entscheidungsgrundlage, wann und in welchem Ausmad Netzwerke sinnvoll sind. Bei der zweiten Funktionen dagegen wird lediglich die Beziehungsatmosphare im Modell abgebildet. Dies ist unbestritten ein wesentlicher Faktor fur den Aufbau von Netzwerken, jedoch kann diese Atmosphare nicht losgelost von den kulturellen Rahmenbedingungen innerhalb von Unternehmen betrachtet werden, die im interaktionsorientierten Netzwerkansatz nicht explizit analysiert werden. 3.2.3
Ekiektische Synthese der vorgestellten Theorien
Wie dargelegt wurde, existieren die unterschledlichsten Theorien zur Erklarung des Aufkommens sowie der Organisation und Evolution von Netzwerken. Jedoch erfassen alle Theorien das Phanomen „Netzwerk" nur in Teilaspekten, wie die Einordnung der einzeinen Theorien in das AGIL-Schema gezeigt hat.''^^ Das bedeutet, dass jede Theorie zumindest an
In der Betriebswirtschaftslehre ist oftmals eine Beschrankung auf Schlusselvariablen zu beobachten. Diese Beschrankung, von MAYER als ..principle of the strongest link" bezeichnet
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
179
den Stellen angreifbar ist, an denen den Axiomen der Theorie nicht gefolgt wird, mit anderen Worten an den Stellen, an denen andere Erkiarungsansatze fur das Auftreten und die Entwicklung von Netzwerken angenommen werden. So wird beispielsweise unterschiedlichen Theorien immer wieder zur Last gelegt, dass sie vom homo oeconomicus ausgehen und damit Aspekte wie personliche Affinitaten oder kulturelle Norm- und Wertvorstellungen, die durchaus fur die Entscheidung fur oder gegen den Aufbau eines Netzwerkes relevant sein kdnnen, ausgeblendet werden. So kann es beispielsweise durchaus sein, dass sich Unternehn^ien fur den Aufbau langfristiger Beziehungen aufgrund einer Risiko-Aversitat entscheiden, obwohl aus okonomischen Gesichtspunkten heraus eine marktiiche Koordination die sinnvollere ware. Als Beispiel hierfur konnen unterschiedliche Bewertungen sinnvoller Koordinationsmechanismen zwischen dem interaktionsorientierten Ansatz und der Transaktionskostentheorie angefuhrt werden. Erstere sieht den Aufbau von Beziehungen in einem Netzwerk als eine der wesentlichen Ressourcen eines Unternehmens an und zeichnet sich deswegen auch eher durch Zusammenarbeit denn durch Konkurrenz aus, letztere beurtellt die optimale Koordinationsform ausschliefllich auf Basis der entstehenden Transaktionskosten und blendet damit Affinitaten und subjektive Risikoneigungen voUkommen aus. Es sei angemerkt, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Hypothese aufgestellt wird, dass ein wesentlicher Faktor neben einem fehlenden oder fehlerhaften Change Managements fur das Scheitern von Netzwerken^^° darin besteht, dass als Bewertungsgrundlage fur ein Netzwerk unterschiedliche Theorien herangezogen werden, die jeweils nur Teilaspekte erfassen und die sich zudem noch, wie beispielhaft dargestellt, widersprechen. Um solche unterschiedlichen Bewertungen zu vermeiden, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit ein Netzwerkmodell umrissen, welches das Phanomen Netzwerk ganzheitlich zu fassen sucht. Hierbei ist das Kriterium fur eine ganzheitliche Erfassung die Abdeckung aller Funktionen des struktur-funktionalistischen AGIL-Schemas.'^^^ Denn durch die Anwendung dieses Schemas wird gewahrleistet, dass nicht nur einzelne Aspekte oder Erkiarungsansatze herangezogen werden, sondern ein hierauf aufbauender Erklarungsansatz die unterschiedlichen Facetten aufgreift und einordnet. Durch den Strukturierungsrahmen werden dem okonomischen System (Adaption), dem politischen System (Goal Attainment), dem Gemeinschaftssystem (Integration) sowie dem sozio-kulturellen System (Latent Pattern Maintenance) gleichermaften Rechnung getragen. Die Verwendung des Schemas fur die Erarbeitung eines Erklarungsansatzes erfordert jedoch, dass unterschiedliche Theorien miteinander kombiniert werden, um hierauf ein Model! aufzubauen. Denn kein Netzwerkansatz deckt fur sich die Funktionen voilkommen ab. Zusatzlich ist die Abdeckung der einzelnen Funktionen in einem solchen Modell lediglich
^®° ^^^
(vgl. MAYER (1993) zitiert aus OSTERLOH / GRAND (1995), S. 5), hat grundsatzlich zur Folge, dass eine umfassende Modellbildung ohne falsifizierende Ausnahmen nicht realistisch erscheint. Eine andere Vorgehensweise zum Umgang mit falsifizierenden Beispielen der betriebiichen Praxis ist, diese zu Anomalien zu erklaren (vgl. OSTERLOH / GRAND (1995), S. 5 f.). Wie die folgenden Ausfuhrungen zeigen werden, sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit beide Alternativen nicht weiter verfolgt werden, sondern durch eine Synthese unterschiedlicher Theorien ein umfassenderes Bild von Netzwerken geschaffen werden. Dies entspricht neben POPPER (vgl. bspw. POPPER (2000), S. 337) auch der Auffassung von CHALMERS, wenn er feststeilt „Theorien, die falsifiziert werden, mussen grundsatzlich zuruckgewiesen werden" (CHALMERS (2001), S. 57). Es ist dem Verfasser durchaus bewusst, dass ein derartiger Anspruch durchaus der Gefahr der nicht beherrschbaren Komplexitat ausgesetzt ist (vgl. bspw. hierzu DETERS (1990), S. 71 ff.), weswegen die Ausfuhrungen auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau gehaiten werden. So werden beispielsweise in unterschiedlichen Quellen die Erfolgsquoten von Allianzen auf unter 50 % bzw. die Misserfolgsquoten auf uber 75 % geschatzt (vgl. HOFFMANN (1999), S. 56). Vgl. hierzu Kapitel 2.2.1
180
Die Etablierung von Unternehmensnetzwerken
eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung. Denn neben einer ganzheitlichen Betrachtung ist eine weitere Anforderung an das Netzwerkmodell im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die Entwicklung hin zu einem Netzwerk zu erklaren. Fur eine im spateren Verlauf der vorliegenden Arbeit durchzufuhrende Analyse des Change Managements zur Etablierung von Unternehmensnetzwerken ist es nicht ausreichend, festzustellen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Netzwerk eine empfehlenswerte Koordinationsform ist, sondern vielmehr muss ein derartiges Modell auch abbilden konnen, wie ein Entwicklungspfad hin zu einem solchen Netzwerk zu gestalten ist. Das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte Modell soil diesen Anforderungen gerecht werden. Im Wesentlichen stutzt es sich dabei auf die Transaktionskostentheorie,''^^ die Strukturationstheorie,^^^ den Resource Dependence-Ansatz''^'^ sowie auf den interaktionsorientierten Netzwerkansatz/^^ Erganzend hierzu werden flankierend noch Aussagen weiterer Theorien integriert. Das Modell untergliedert sich dabei in zwei Telle. Zum einen wird anhand einer FIT-Funktion erklart, unter welchen Bedingungen eine netzwerkartige Koordinatlon einer marktiichen oder hierarchischen vorzuziehen ist und zum anderen wird ein Modell entworfen, dass prozessual den Aufbau eines Unternehmensnetzwerks beschrelbt. 3.2.3.1
Die FIT-Funktion zur Identifikation der optimalen Koordinatlonsform
Um geeignete Konstellatlonen, Partner oder Konfigurationen zu identifizieren, wird oftmals auf das Konzept der FIT-Funktion zuruckgegriffen. Diese liefert basierend auf definierten Eingangsgrofien ein optimales Ergebnis fur die jeweilige Problemstellung. So haben beispielsweise BRONDER / PRITZL ein prozessuales Vorgehen entworfen, um eine Wahl eines optimale Kooperationspartners, mit anderen Worten einen optimalen FIT, zu ermittein (siehe Abb. 63). Der dargestellte Auswahlprozess entstammt dem Industriegutermarketing und ware aufgrund dessen konsistent zu dem im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Netzwerkansatz. Das Vorgehen umfasst vier Phasen, in denen der FIT zwischen den Partnern sukzessive von eher allgemeinen Gesichtspunkten hin zu operativen Fragestellungen durchgepruft wird.''^^ Es sel jedoch angemerkt, dass dieses Vorgehen nicht durchgangig eingehalten wird. Werden als Mafistab die Ausfuhrungen von BLEICHER angelegt, welche im Rahmen eines integrierten Managementansatzes von einem normativen uber ein strategisches hin zu einem operativen Management verlaufen, ist nicht nachvollziehbar, weshalb in dem dargestellten Vorgehen der kulturelle FIT erst nach der Uberprufung des strategischen FIT uberpruftwird.^^^
792 793 794 795 796
Vgl. hierzu Kapitel 3.2.2.1 Vgl. hierzu Kapitel 3.2.1.2 Vgl. hierzu Kapitel 3.2.2.5 Vgl. hierzu Kapitel 3.2.2.6 Es sei angemerkt, dass dieses Modell auch ohne einen direkten Bezug auf die Beschaffung Anwendung findet (vgl. bspw. ZENTES / SWOBODA / MORSCHETT (2003), S. 829). Die Anmerkungen zu diesem Modell treffen jedoch auch in diesem Fall zu. Vgl. BLEICHER (2004), S. 80 ff. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das dargestellte Vorgehen als Vorgehensmodell fur Beschaffungskooperationen den kulturellen FIT geringer gewichten mag, da der Fokus aufgrund der geringeren Spezifitat der Transaktionen eher auf der Adaption-Funktion denn auf den anderen Funktionen des AGIL-Schemas gelegt wird.
Begriffsbestimmung Untemehmensnetzwerk
181
Partnerwahl
Fundamentaler FIT
Gemeinsamer Wille
Strategischer FIT
Konvergierende Vision
Ubereinstimmung der strategischen Zielsetzungen
Balancierte Machtposition
Harmonie der Business Plane
Besdiaffyrigs-FIT"'
KuiturellerFIT
Pluralismus
•
Assimilation
Kompatibilitat der Beschaffungsobjektmerkmale
Ubema hme Widerstand
Beiderseitige Vorteile Uberschaubare Risiken Uberdurchsclinittiiche Wertsteigerungspotentiale
Gemeinsanne Festlegung der geeigneten Konfiguration Gleicher Planungshorizont
1) BRONDER/ PRITZL stellen die Wahl des geeigneten Kooperationspartners am Beispiel von Einkaufskooperationen dar. Deswegen wird spezifisch der Beschaffungs-FIT als vierter FIT aufgefuhrt.
Abb. 63:
FIT-Quellen als Faktoren der Partnerwahl nach BRONDER / PRITZL^^^
Das Modell ist fur die Strukturierung der vorliegenden Arbeit nicht ausreichend, da nicht alle relevanten Aspekte von sozio-okonomischen Systemen erfasst werden/^^ Deswegen wird im Folgenden eine FIT-Funktion skizziert, die fur jede Koordinationsform bei einer gegebenen Transaktion einen FIT ermittelt. Je hdher dieser ist, desto empfehlenswerter ist die Koordinationsform. Dabei setzt der Ansatz in Aniehnung an die Transaktionskostentheorie die Pramisse, dass Netzwerke eine hybride Koordinationsform zwischen Markt und Hierarchie darstellen. Ausgangspunkt der FIT-Funktion ist die Annahme, dass die optimale Koordinationsform sowohl abhangig von der durchzufuhrenden Transaktion als auch von der AGILKonfiguration des Transaktionspartners ist.^°° 798 799
Vgl. BRONDER / PRITZL (1992), S. 37 zitiert aus ARNOLD (2004), S. 311
Als Beispiel sei die Unternehmensethik genannt. Erstere Annahme ist unmittelbar nachvollziehbar, da sie im Rahmen der Transaktionskostentheorie diskutiert worden ist. Letztere Annahme soil zunachst beispielhaft an einem FIT der Adaption-Funktion eriautert werden. Wie in Kapitel 2.2.2.3.1 dargestellt worden ist, kann die Adaption-Funktion unter anderem anhand des Leavitt-Schemas operationalisiert werden. Wird nun vorausgesetzt, dass die Bindung zwischen zwei Unternehmen von einer marktiichen uber eine netzwerkartige bis hin zu einer hierarchischen Koordination bestandig zunimmt, folgert hieraus, dass die einzelnen Elemente des Leavitt-Schemas immer starker aufeinander abgestimmt werden mussen, um einen effizienten Leistungsaustausch zu gewahrleisten. Dies wird beispielhaft deutlich, wenn Prozesse der beiden Unternehmen betrachtet werden. Bei einer marktiichen Koordination bestehen relativ wenige Schnittstellen zwischen den Prozessen; der Abstimmungsbedarf zwischen den Prozessen der einzelnen Unternehmen ist eher gering. Diese Notwendigkeit der Abstimmung steigt bei einer netzwerkartigen Koordination, da einzelne Aufgaben entweder kooperativ durchgefiihrt werden oder sogar unter den Netzwerkteilnehmern aufgeteilt werden, was unmittelbare Auswirkungen auf die untemehmensinternen Prozesse hat. Bei hierarchischer Koordination ergibt es sich zwangslaufig, dass alle Aufgaben abgestimmt und verteilt werden. Wenn jedoch die Koordinationsform die untemehmensinternen Prozesse tangiert, folgert hieraus, dass auch die Konfiguration der Adaption-Funktion des jeweils anderen Untemehmens relevant fur die Wahl der Koordinationsform ist. Denn durch die beschriebenen Interdependenzen, die sich bei hierarchischer und netzwerkartiger Koordination zwischen den Unternehmen ergeben, ist es offensichtlich, dass die Prozesse zwischen den Unternehmen
182
Die Etablierung von Untemehmensnetzwerken
fAGiLy '• Nutzenfunktion des Unternehmens T:
Durchzufuhrende Transaktion
Ap :
Adaption-Funktion des Transaktionspartners
Gp '•
Goal Attainment-Funktion des Transaktionspartners
^P '•
Integration-Funktion des Transaktionspartners
Lp '•
Latent Pattern Maintenance-Funktion des Transaktionspartners
Abb. 64:
FIT-Funktion zur Bestimmung der optimalen Koordinationsform
Somit ergibt sich eine FIT-Funktion, in der neben der Transaktion T die Parameter des AGILSchemas des Transaktionspartners einfliefien. Diese Parameter sind Variablen der Nutzenfunktion fAGiL des Unternehmens, die wiederum im Wesentlichen durch das eigene AGILSchema, die Nutzenpraferenzen sowie die Risiko-Aversitat beschrieben ist. Zusammenfassend beschreibt (siehe Abb. 64) die Funktion. Abb. 65 stent die FIT-Funktion in einer Prinzipdarsteilung beispielhaft an drei unterschiedlichen Transaktionen dar, die sich bei einer gegebenen Nutzenfunktion und einem konstanten AGIL-Schema des Transaktionspartners ergeben konnen. Aus der Charakteristik der FIT-Funktion folgt, dass sich ein ahnlicher Verlauf der drei Kurven auch dadurch ergeben kann, dass bei einer gegebenen Transaktion T drei unterschiedliche AGIL-Schemata von drei potenzielien Transaktionspartnern einflieflen. Bei einer rein auf die Adaption-Funktion beschrankten Sichtweise ware der Erkenntnisgewinn der beschrlebenen FIT-Funktion als sehr gering einzustufen. Denn die Aussagen, die in harmonisierbar sein mussen, urn eine Abstimmung Oder sogar Vernetzung der Prozesse durchfijhren zu konnen. Sollte dies nicht effizient realisierbar sein, kann es aus okonomischer Sicht sinnvoller sein, eine Koordinationsfornn mit einer loseren Beziehung zwischen den Unternehmen zu wahlen. Der FIT zwischen den Adaption-Funktionen der Transaktionspartner bestimmt somit auch die optimale Koordinationsform. Dies wird beispielhaft auch von BECKER / ROSEMANN dargestellt, wenn sie die zunehmende Vernetzung von Unternehmen bei Just-in-TimeProzessketten darstellen (vgl. BECKER / ROSEMANN (1993), S. 68 ff.). Die gleiche Argumentation, die fur die Adaption-Funktion angewendet worden ist, gilt in ahnlicher Form fur die anderen Funktionen des AGIL-Schemas. Ohne an dieser Stelle naher darauf eingehen zu wollen, sei angemerkt, dass eine harmonisierbare Zielsetzung sowie eine gegenseitig akzeptierte Machtverteilung im Rahmen der Goal Attainment-Funktion, gegenseitiges individuelles bzw. Organisationsvertrauen in der Integration-Funktion sowie im Rahmen der Latent Pattern Maintenance-Funktion kompatible Untemehmenskulturen wesentliche Ansatzpunkte fur die Erklarung der Relevanz der Konfiguration der Funktionen des Transaktionspartners sind; die Problematik des letzteren Punktes wird insbesondere bei der Betrachtung gescheiterter Kooperationen zwischen europaischen und asiatischen Unternehmen deutlich. So stellt beispielsweise BRONDER fest, dass fruhzeitig das ergebnisorientierte Kooperationsverhalten europaischer und amerikanischer Pragung mit dem in der asiatischen Kultur verbreiteten prozessorientierten Kooperationsverhalten harmonisiert werden muss, wenn ein fruhzeitiges Scheitern der Kooperation nicht riskiert werden soil (vgl. BRONDER (1993), S. 22). Erganzend hierzu fuhrt KOHLER eine Reihe internationaler Kooperationen auf, die aufgrund der unterschiedlichsten Grunde gescheitert sind, obwohl sie eine Analyse als vorteilhaft erkannt hat (vgl. KOHLER (1999), S. 375). Zuletzt sei noch auf zwei Publikationen verwiesen, die explizit kulturelle Differenzen als Grund fur das Scheitern von Kooperationen ausgemacht haben (vgl. GRAHAM / LAM (2004), S. 46 und 51, sowie XiN / PuciK (2003), S. 65-73).
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
183
diesem Fall durch die Funktion getroffen werden, entsprechen weitestgehend denen der Transaktionskostentheorie mit der einzigen Erweiterung, dass die Einflusse auf die Transaktionskosten durch die Anwendung des Leavitt-Schemas weiter expliziert wurden. Bei einer singularen Betrachtung einzelner anderer Funktionen und deren Vergleich mit bestehenden Netzwerktheorien wurde ahniiches fur den generierten Erkenntnisgewinn gelten. Der Erkenntnisgewinn der FIT-Funktion liegt deswegen in der kombinierten Betrachtung aller Funktionen des AGIL-Schemas und den hierauf abgeleiteten Aussagen. Es ist offensichtlich, dass eine allgemeingultige Operationalisierung dieser Funktion sehr komplex und umfangreich ist. FIT
Marktiiche Koordination Abb. 65:
Netzwerkartige Koordination
l-iierarchische Koordination
FIT bei differierenden Transaktionen
Eine Quantifizierung des FIT in eine Kennzahl, wie Abb. 65 suggeriert, wird, wie die folgenden Ausfuhrungen zeigen werden, aufgrund der hohen Komplexitat der Funktion nur sehr schwer ermittelbar, wenn nicht sogar unmoglich, sein. So werden zwar fiir eine derartige Bewertung mitunter Punktbewertungsverfahren vorgeschlagen,^°^ aber derartige Verfahren haben den Nachteil, dass sie eine Quantifizierbarkeit der einzelnen Kriterien suggerieren, was aus Sicht des Verfassers nicht mdglich ist. Zudem ist bei einem derartigen Verfahren problematisch, dass aufgrund der oftmals angewendeten Additionsregel vorausgesetzt wird, dass die einzelnen Kriterien einheitlich kardinal messbar und die Zielkriterien voneinander unabhangig sind. Deswegen wird fur den weiteren Verlauf der Arbeit angenommen, dass eine qualitative Bewertung der einzelnen Bestandteile in einer Empfehlung bezuglich einer optimalen Koordinationsform mundet; wobei diesbezuglich angemerkt sei, dass dieses Vorgehen die Gefahr der fehlenden intersubjektiven Nachvollzlehbarkeit der Empfehlung birgt. Diese Problematik wird dadurch verstarkt, dass eine derartige Empfehlung nicht durch einen Akteur gegeben wird, sondern einen Kompromiss von mehreren Beteiligten darstellt.^°^
Vgl. bspw. HOLTBRUGGE (2003), S. 882. Es sei darauf hingewiesen, dass das von HOLTBRUGGE dargestellte Schema nicht fur die Wahl einer Koordinationsform sondern fur die Auswahl eines Partners Anwendung findet. Inhaltlich liefi sich dieses Verfahren jedoch auf die Wahl einer Koordinationsform ubertragen. Derartige Problemstellungen sind Gegenstand von Entscheidungstheorien. Es existieren die unterschiedlichsten Modelle, die jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht thematisiert werden, da die Entscheidung, warum eine Koordinationsform ausgewahit worden ist, nicht abgehandelt wird. Fur eine weitere Vertiefung seien trotz allem Ansatzpunkte zur Losung des qualitativen Entscheidungsproblems skizziert.
184
Die Etablierung von Untemehmensnetzwerken
Urn die FIT-Funktion trotz ihrer Komplexitat weiter beschreiben zu konnen, wurden die wesentlichen Ergebnisse der Diskussion der AGIL-Funktionen^°^ von Untemehmen in Tab. 9 zusammengefasst und zur weiteren Operationalisierbarkeit in drei Ebenen unterteilt: den^i normativen, dem strategischen sowie dem operativen FIT. Jedoch sei vorab darauf hingewiesen, dass der Stand des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns bei einem Teil der aufgezeigten Bestandteile des FIT noch nicht weit fortgeschritten ist; dies korreliert mit der eingangs dargestellten Feststellung, dass die theoretische Fundierung von Netzwerken insgesamt noch nicht weit fortgeschritten ist. Da es nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, ein allgemeingultiges und detailliertes Netzwerkmodell aufzustellen, werden bei den Bestandteilen, bei denen derzeit noch keine vertiefende theoretische Fundierung vorliegt, erst im weiteren Verlauf der Arbeit im Rahmen der Diskussion der Energiewirtschaft Ableitungen getroffen. Die Unterteilung nach dem normativen, strategischen und operativen FIT orientiert sich dabei an den Dimensionen des Konzepts des integrierten Managements von BLEICHER;^""^ es sei jedoch angemerkt, dass bei der dargestellten Operationalisierung des FIT den Dimensionen von BLEICHER nicht vollstandig gefolgt wird. So sieht BLEICHER die Vision eines Unternehmens, die sich seiner Auffassung nach aus der Managementphilosophie ableitet, als vorgelagert zur normativen Ebene an.^°^ Aus einer derartigen Sicht wurde zwangslaufig Um eine Entscheidung herbeifuhren zu konnen, sind die einzelnen Alternativen zu identifizieren und zu bewerten. Im Wesentlichen sind diese Alternativen Markt, Netzwerk und Hierarchie. Aus diesen Alternativen lasst sich ein Grundmodell konstruieren, das Basis fur die weiteren Analyseschritte ist (vgl. bspw. KAHLE (2001), S. 39-82). Ein derartiges Modell setzt jedoch eine objektive, formale Rationalitat voraus, dass also eine abgestufte Ordnungsrelation vorliegt. Dies ist jedoch oftmals bei derartig komplexen Problemen nicht gegeben. Des Weiteren liegt ein wesentliches Problem in der Unvollkommenheit der vorliegenden Informationen sowie der eingeschrankten Informationsverarbeitungskapazitat der Entscheidungstrager, was die Verwendung eines entscheidungstheoretischen Grundmodells fur die vorliegende Problemstellung fur nicht sinnvoll erscheinen lasst (vgl. beispielhaft zu den aufgefuhrten Kritikpunkten KAHLE (2001), S. 98 f.). Um derartige Problemstellungen zu losen, wird beispielsweise das Konzept der strategischen Lucke propagiert. Hierbei wird die Entscheidungssituation in abgrenzbare Teilprobleme heruntergebrochen, welche (praktisch) unabhangig voneinander gelost werden konnen (vgl. bspw. KAHLE (2001), S. 111 ff.). Es sei jedoch angemerkt, dass derartige heuristische Verfahren nicht mehr den Anspruch der garantierten Optimalitat erfullen konnen (vgl. GRONIG / KUHN (2002), S. 53 f.). Das Entscheidungsproblem wird zudem durch Unsicherheiten und die vorliegende Dynamik komplexer. Wie bereits beschrieben wurde, ist die Entscheidung bzgl. der Integration in eine Hierarchie oder die der Etablierung eines Netzwerkes keine operativ unmittelbar umsetzbare und zeitnah revidierbare Entscheidung, insbesondere wenn Netzwerke mit enger Bindung wie strategische Allianzen oder Joint Ventures etabliert werden sollen. Dieser langere Zeithorizont hat jedoch zwangslaufig zur Folge, dass die Entscheidung noch wahrend ihrer Realisierung einer Dynamik unterworfen ist. Die hieraus resultierenden Unsicherheiten werden durch die nicht deterministische Entwicklung im Rahmen des Change Managements verstarkt. Modelle, die derartige Problemstellungen thematisieren, werden beispielsweise von JUNGERMANN / PFISTER / FISCHER vorgestellt (vgl. JUNGERMANN / PFISTER / FISCHER (2005), S. 201-259).
®°^ ^^
Ein umfassendes Gesamtkonzept zur Losung derartiger Problemstellung hat GOTZ entwickelt, indem er strategische Planung und Modellanalysen auf der Grundlage von Szenarien thematisiert (vgl. GOTZ (1993) im Allgemeinen und S. 257-357 im Speziellen). Zuletzt sei noch auf einen Punkt hingewiesen. Bei der beschriebenen Entscheidung handelt es sich um multipersonale Entscheidungen, die jeweils eine individuelle Bewertung der Alternativen vornehmen, wobei diese Bewertung neben einer ggf. unterschiedlichen Bewertung der Ausgangssituation, Zielsetzung und Umweltentwicklung auch aus unterschiedlichen Motiven und Risikofreudigkeit resultiert (als Uberblick fur derartige multipersonalen Entscheidungen siehe bspw. KAHLE (2001), 8. 159-206). Siehe Kapitel 2.2.2.3 Vgl. hierzu und den folgenden Ausfuhrungen BLEICHER (2004), S. 80 ff.
®°^
Vgl. BLEICHER (2004), S. 83
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
185
folgen, dass eine Ebene existiert, die oberhalb der normativen angesiedelt ist; dem soil im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gefolgt werden. Des Weiteren wird in dem Modell von BLEICHER die Unternehmenskultur in Ganze dem normativen Management zugeordnet, was aus zweierlei Sicht kritisch zu hinterfragen ist. Wenn die Unternehmensvision oberhalb des normativen Managements angeordnet ist, die Unternehmenskultur jedoch als ein Bestandteil des normativen Managements angesehen wird, folgert aus dieser Sichtweise, dass die Vision Vorgaben fur die Unternehmenskultur macht, was je nach zeitlichen Horizont der Unternehmensvision durchaus kritisch zu sehen ist.^°^ Des Weiteren ist anzumerken, dass, wenn dem Modell von Unternehmenskulturen von SCHEIN gefolgt werden soil, eine derartige Klassifizierung zur Folge haben wurde, dass Artefakte und Schopfungen als Bestandteil der Unternehmenskultur der normativen Ebene zugeordnet werden, was aufgrund des operativen Charakters sicherlich fraglich ist.^°^
\ . Ebene Ides FIT
Goal Attainment
Fkt.
Adaption
X,^^ \
Zielsetzung
Zietdurchsetzung
Integration
Latent Pattern Maintenance
Normativer FIT
-
Unternehmensvision
Unternehmensverfassung
Unternehmensethik
Grundsatzliche kulturelle Annahmen
Strategischer FIT
Primare Gestaltungsvariablen des LeavittSchemas
Strategische Unternehmensziele
Maclitverteilung
Integrationsumfang
Werte
Operativer FIT
Sekundare Gestaltungsvariable des LeavittSchemas
Operative Unternehmensziele
Abbildung der Maclitverteilung
Madnahmen zur Konfliktiosung, Motivationssowie Vertrauensaufbau
Artefakte und Schopfungen
Tab. 9:
Operationalislerung des FIT
Losgeldst hiervon wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit prinzipiell der Unterteilung in eine normative, eine strategische sowie eine operative Ebene gefolgt und deswegen korrespondierende Ebenen des FIT definiert.®°^ Um Aussagen bezugiich des FIT treffen zu konnen, werden die dem aufgestellten Netzwerkansatz zugrundeiiegenden Theorien eingeordnet. Dies geschieht vor dem Hintergrund, um hierauf aufbauend fur den weiteren Verlauf der Arbeit Aussagen fur das Change Management treffen zu konnen, wie die kooperierenden Unternehmen auf den einzelnen Ebenen zueinander aufgestelit sind. Der Strukturierung der vorliegenden Arbeit folgend wird demnach der Grad der Differenz zwischen den AGILSchemata der beiden Unternehmen hierdurch bestimmbar. Diese Folgerung ist unter der Pramisse gultig, dass eine Koordinationsform als Optimum gewahit worden ist; der FIT fur die Koordinationsform demnach am hdchsten ist. Folgert aus der FIT-Funktion beispielsweise, dass eine Koordinationsform Netzwerk auf strategischer Ebene bei der Goal AttainmentFunktion den hdchsten FIT erzeugt, wenn als Machtgrundlage eine Legitimation durch die So kann durchaus auch die Auffassung vertreten werden, dass die Unternehmenskultur einen limitierenden Faktor fur die Unternehmensvision darstellt. Als Beispiele hierfur seien Kleidungsvorschriften etc. aufgefuhrt. Vgl. zu den folgenden Ausfuhrungen bezugiich der normativen, der strategischen und operativen Ebene BLEICHER (2004), S. 80 ff.
186
Die Etablierung von Unternehmensnetzwerken
Gerechtigkeits- und Reziprozitatsnorm, eine Legitimation durch soziale Verantwortung oder durch Expertenwissen/lnformation vorliegt, kann gefolgert werden, dass Einstellungs- und Veranderungsverhalten durch Identification oder Internalization erzieit wird, was wiederum den Schluss zulasst, dass immaterielle Belohnungen und Bestrafungen als Veranderungsstrategie im Netzwerk nicht zielfuhrend sein werden. Im Folgenden werden deswegen die einzelnen Ebenen und AGIL-FunktIonen dahingehend untersucht, ob sich basierend auf den verwendeten Theorien sowie dargesteilten Merkmalen von Markt, Netzwerk und Hierarchie Aussagen fur die FIT-Funktion treffen lassen. Bei der weiteren Detaillierung der FIT-Funktion werden zwei unterschiedliche Funktionstypen unterschieden; zum einen koordinationsformidentifizierende Funktionen und zum anderen koordinationsformlimitierende Funktionen (siehe Abb. 66).
Hoch
Adaption
Goal Attainment
Okonomisches System Medium: Geld
Polltisches System Medium: Politische Macht
Latent Pattern Maintenance
Integration
Symbolkomplexitat
Nledrlg Sozialkulturelles System Medium: Wertcommitments
Hoch
^^^ I Abb. 66:
Gemei nsc haftss ys tem Medium: Einfluss
Handlungskontingenz
Niedrig
Funktionen, die eine optimale Koordinationsform identifizieren I Funktionen, die eine identifizierte Koordinationsform limitieren
Koordinationsformen identifizierende und limitierende AGIL-Funktionen
Unter koordinationsformidentifizierenden Funktionen werden dabei Funktionen verstanden, denen Theorien zugeordnet werden kdnnen, die explizit eine Koordinationsform als optinnal empfehlen. So wurde beispielsweise bei der Diskussion der Transaktionskostentheorie, die der Adaption-Funktion zugeordnet 1st, gezeigt, dass sie, abhangig von einer Transaktion T, eine hierarchische, netzwerkartige oder marktiiche Koordinationsform empfiehlt. Dies ist bei koordinationsformlimitierenden Funktionen nicht der Fall. Diesen Funktionen sind keine Theorien zugeordnet, die eine strukturelle Empfehlung fur eine Koordinationsform abgeben. Deswegen dienen diese Funktionen dazu, weitere Bewertungsaspekte fur eine empfohlene Koordinationsform einfliefien zu lassen mit der Folge, dass eine identifizierte Koordinationsform gegebenenfalls nicht mehr optimal ist. Als Beispiele hierfur kdnnen die zuvor bereits erwahnten internatlonalen Kooperationen angefuhrt werden, bei denen eine kooperatlve Koordinationsform die scheinbar optimale Ldsung darstellte, jedoch kulturelle
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
187
Unterschiede derart massiv waren, dass die Kooperation nicht zum anvisierten Erfolg fuhrte.«°^ Somit kann ein weiterer, wesentlicher Unterschied zwischen identifizierenden und limitierenden Funktionen festgestellt werden. Identifizierende Funktionen sind unabhangig von einem potenziellen Partner, da sie eine generelle Empfehlung bezuglich einer optimalen Koordinationsform abgeben, unabhangig davon, ob diese Koordinationsform bei einem konkreten Partner weiterhin optimal ist. Demgegenuber iiaben limitierende Funktion grundsatzlich potenzielle Markt-, Netzwerk- oder Insourcing- bzw. Fusionspartner im Fokus, da sie uberprufen, in wieweit der potenzielle Partner im Rahmen der empfohlenen Koordinationsform in das Unternehmen eingebunden werden kann. Da ein potenzieller Partner grundsatzlich im Rahmen aller vier AGIL-Funktionen daraufhin uberpruft werden muss, ob die anvisierte Koordinationsform geeignet und zielfuhrend ist, folgert, dass jede AGIL-Funktion eine limitierende Funktion aufweisen muss. Demgegenuber lassen sich lediglich bei der Adaption- und der Goal Attainment-Funktion Netzwerktheorien hinterlegen, die koordinationsformidentifizierend sind. Dieser Charakter der beiden Funktionen lasst sich sowohl durch die interpretation des AGILSchemas nach PARSONS als auch durch MUNCH erklaren. PARSONS hat die beiden Funktionen Adaption und Goal Attainment als nach auHen gerichtet, als externe Prozesse beschrieben. Hieraus folgert, dass bei der Optimierung der Prozesse die Art der Ausgestaltung der externen Prozesse beschrieben wird, was auf Unternehmen bezogen die Wahl der optimalen Koordinationsform sowie dessen Ausgestaltung bedeutet; es handelt sich hierbei also im koordinationsformidentifizierende Funktionen. Diese identifizierte Koordinationsform kann jedoch durch die Integration- bzw. die Latent Pattern Maintenance-Funktion, die seiner Interpretation nach die internen Prozesse abbildet, limitiert werden, wenn sie der Umsetzung der Koordinationsform entgegensprechen. Wenn, wie Im Rahmen der vorliegenden Arbeit zutreffend, der Interpretation von MUNCH gefolgt wird, erklart sich die Abgrenzung zwischen koordinationsform-identifizierenden und limitierenden Funktionen durch das Ausmafl der Symbolkomplexitat. Die erweiterte Symbolkomplexitat wird von KLEIN bei der Interpretation nach MUNCH als „Offnung" fur die AdaptionFunktion sowie „Herrschaft" fur die Goal Attainment-Funktion verstanden.^''° Dem stehen die „Schlieftung" fur Integration-, sowie die „Generalisierung" fur die Latent Pattern MaintenanceFunktion gegenuber. Aus dieser Interpretation wird deutlich, dass eine hohe Symbolkomplexitat als ein Erschliefien und Spezifizieren von Handlungsalternativen aufgefasst wird, welche somit eine Auswahl potenzieller Koordinationsformen umfassen. Dm nun einen FIT ermlttein zu kdnnen, sind die normative, die strategische und die operative Ebene zu analysieren, wobei die einzelnen Ebenen bei Bedarf wiederum in die vier AGILFunktionen zu unterteilen sind. Die drei Ebenen werden nun in den folgenden KapiteIn diskutiert. Vgl. die bereits zitierten Quellen BRONDER (1993), S. 22, KOHLER (1999), 8. 375, GRAHAM / LAM (2004), S. 46 und 51, sowie XiN / PuciK (2003), S. 65-73 Zu der Erkenntnis, dass neben den koordinationsformidentifizierenden Funktionen die limitierenden Funktionen elementar sind, gelangen auch GULATI / GARGIULO, wenn sie feststellen „The interdependence-in-the-face-of-transaction-Gosts perspective provides useful explanations of factors influencing the propensity of firms to form ties in the first place, but it does not provide insight into the particular organizations with which they will build relations." (GULATI / GARGIULO (1999) zitiert aus BAUM / INGRAM (2002), 8. 197). Vgl. KLEIN (1996), 8. 95
188
Die Etablierung von Unternehmensnetzwerken
3.2.3.1.1
Die Bewertung des normativen FIT
Die erste Ebene ist die normative Ebene. Hierunter werden die genereilen Ziele mit seinen Prinzipien, Normen und Spielregein eines Unternehmens verstanden, die darauf fokussiert sind, die Lebens- und Entwicklungsfahigkeit eines Unternehmens zu ermdglichen. Hieraus folgt fur einen FIT zwischen zwei Unternehmen zunachst in einer ersten Naherung, dass eine starkere Bindung bis hin zu einer Hierarchie nur dann sinnvoll erscheint, wenn deren genereilen Ziele sich nicht gegenseitig widersprechen. Jedoch lasst sich nicht der Ruckschluss Ziehen, dass eine marktiiche Koordination nur dann sinnvoll erscheint, wenn sich eben diese Ziele bei beiden Unternehmen widersprechen. Auf die AGIL-Funktionen bezogen lassen sich diese genereilen Ziele in die Unternehmensvision und Unternehmensverfassung (Goal Attainment-Funktion), die Unternehmensethik (Integration-Funktion) sowie, mit Einschrankung, die grundsatzlichen kulturellen Annahmen (Latent Pattern Maintenance-Funktion)^^^ herunterbrechen. Die normative Ebene kann im Rahmen der FIT-Funktion grundsatzlich nur einen limitierenden Faktor darstellen. Denn aus den genereilen Zielen eines Unternehmens werden sich keine Empfehlungen fur die Koordinationsform einer Transaktion ableiten lassen, da sie transaktionsunspezifisch sind, die Empfehlung fur eine Koordinationsform jedoch grundsatzlich an eine Transaktion gebunden ist.^^^ Der derzeitige Stand des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns lasst noch keine umfassenden Aussagen bezuglich der Auswirkungen unterschiedlicher normativer Ebenen auf den Erfolg von Koordinationsformen zu. Die Begrundung hierfur liegt unter anderem in der Charakteristik der normativen Ebene: Die normative Ebene Ist oftmals unspezifisch und zudem im hohen Made unternehmensindividuell. Dies gilt insbesondere fur die Unternehmensvision, die genereilen kulturellen Annahmen sowie die Unternehmensethik. Erganzend hierzu ist die normative Ebene schwer messbar, beziehungsweise zum Tell noch nicht einmal explizierbar, was insbesondere fur die genereilen kulturellen Annahmen gilt. Aus der normativen Ebene lassen sich aufgrund ihres grundsatzlichen Charakters zumeist nicht unmittelbare Aussagen fur konkrete Problemstellungen ableiten.^^^ Dies mag eine Begrundung liefern, warum die Auswirkungen von Konfiguration der normativen Ebenen auf die Optimalitat von Koordinationsformen wissenschaftlich noch nicht vertiefend analysiert wurde. Aufgrund dessen konnen im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine allgemelngultigen Aussagen bezuglich des FIT zwischen zwel Unternehmen auf der normativen Ebene getroffen werden; vielmehr werden kontextspezifische Einzelfallanalysen fur konkrete Problemstellungen notwendig sein. Es sei angemerkt, dass dieses Vorgehen Wie im Rahmen der Diskussion von Unternehmenskulturen bereits gezeigt worden ist, lassen sich Unternehmenskulturen nicht technokratisch derart anpassen, dass sie ein enA/unschtes Soil erreichen. Aufgrund dessen bildet eine Unternehmenskultur nicht zwangslaufig die kulturellen Ziele eines Unternehmens ab. Ausnahmen hiervon sind Verbande, die explizit auf normativer Ebene eine Kooperation anstreben. Wenn eine Vision beispielweise „Ende dieses Jahrzehnts wollen wir der weltweit groflte Arbeitgeberverband sein" lautet, wird hierbei per Definition eine Koordinationsform, wie im Beispiel die Kooperation, vorgegeben. Zur Untermauerung sei als Beispiel eine der bekanntesten Vision der Geschichte genannt, die Vision der NASA aus dem Jahr 1961, vor dem Ende des Jahrzehnts mit einem Menschen auf dem Mond zu landen und ihn sicher zur Erde zuruckzubringen (vgl. UJEYL (2005)). Aus dieser Vision lassen sich nicht unmittelbare Ableitungen fur die optimale Koordinationsform fur Telle des Mondprogramms der NASA ableiten.
Begriffsbestimmung Unternehmensnetzwerk
189
jedoch nicht der zugrundegelegten wissenschaftstheoretischen Grundeinstellung entspricht, da eine derartige Analyse dem situativen Ansatz zuzuordnen ware. Aufgrund dessen werden im Rahmen der kontextspezifischen Analyse der Energiewirtschaft Aussagen bezuglich der normativen Ebene getroffen werden und hiermit auch eine Ableitung eines kontextspezifischen FIT durchgefuhrt werden.^^"^ 3.2.3.1.2
Die Bewertung des strategischen FIT
Die zweite Ebene ist die strategische Ebene. Sie hat den Aufbau, die Pflege und die Ausbeutung von Erfolgspotenzialen unter Einsatz von Ressourcen zum Gegenstand. Im Folgenden werden hieraus Aussagen bezuglich der vier AGIL-Funktionen abgeieitet, wobei die ersten zwei koordinationsformidentifizierenden, letztere koordinationsformlimitierende Funktionen sind. Fur einen FIT zwischen zwei Unternehmen fur die Adaption-Funktion als identifizierende Funktion folgt, dass aus dem FIT eine Empfehiung fur eine optimale Koordinationsform im Rahmen dieser Funktion abgeieitet werden kann. Um diesen FIT beschreiben zu konnen, sollen zunachst die Ergebnisse der Diskussion der Adaption-Funktion diskutiert werden, um hieraus aufbauend Ableitungen fur den FIT zu generieren. Die Ergebnisse der AdaptionFunktion aus Kapitel 2.2.2.3.1 sind zunachst noch einmal in Abb, 67 dargestellt. Wie im Rahmen der Diskussion des AGIL-Schemas festgestellt wurde, werden durch die Goal Attainment-Funktion Ziele definiert, deren optimale Reallsierung Gegenstand der Adaption-Funktion ist. Um diese Ziele zu erreichen, konfiguriert die Adaption-Funktion das Leavitt-Schema zielfuhrend. Hierzu wird die Koordinationsform identifiziert, die aus dem Fokus der Transaktionskostentheorie die Optimale ist. Sie bildet als gangige Theorie die okonomische Perspektive umfassend ab und erfasst somit die Kategorle der Wertziele. Jedoch existieren noch zwei weitere Zielkategorien; die der Sach- und die der Sozialziele. Diese Ziele lassen sich nicht im Rahmen der Transaktionskostentheorie abbilden, sondern
Dieses Vorgehen entspricht damit dem in Kapitel 1.4 dargesteliten Forschungsdesign. Es sei jedoch angemerkt, dass in aktuellen Publikationen die Verabschiedung einer gemeinsam geteilten normativen Basis zwischen den Netzwerkteiinehmem explizit gefordert wird. So propagiert beispielsweise WOHLGEMUTH die Verabschiedung einer gemeinsamen Netzwerkverfassung (vgl. WOHLGEMUTH (2002), S. 132 ff.). Korrespondierend zu dieser Netzwerkverfassung ist auf normativer Ebene die Entwickiung einer gemeinsamen Netzwerkvision oder gemeinsamer ethischer Grundsatze in der betrieblichen Praxis zu beobachten. Als Beispiele fur gemeinsame ethische Grundsatze sei auf FairTrade e.V. (www.fairtrade.de) sowie Transfair e.V. (www.transfair.org) verwiesen; beide Vereine haben sich zum Ziel gesetzt, ein Netzwerk fairen Handels mit Entwicklungs-, bzw. Schwellenlandern aufzubauen. Das Antizipieren dieser ethischen Grundsatze ist Bedingung fur die Teilnahme an diesem Netzwerk und damit ein Beisplei fijr den limitierenden Charakter der normativen Ebene der Integration-Funktion. Zur Bedeutung von ethischen Haltungen sowie den Folgen auf Unternehmenskooperationen sei erganzend auch auf BIRKMANN venA/iesen (vgl. BIRKMANN (2001), S. 16 f.) Korrespondierend hierzu lassen sich auch Beispiele fiir Netzwerkvisionen darstellen. So kann beispielsweise bei Franchaising-Netzwerken, die eine Vision formuliert haben, von einer gemeinsamen Netzwerkvision gesprochen werden. Beispiele hierfur sind The Coca Cola Company mit der Vision „Wenn jemand Durst hat, soil er uberall die Mdglichkeit haben, Coca Cola zu trinken." oder die Vision der McDonalds Corp. „Die Marktdominanz verdankt das Unternehmen seiner Fahigkeit, Bedurfnisse der Gaste besonders fruh zu erkennen und besonders gut zu befriedigen. Unsere wichtigsten Vorteile: allerbeste Standorte, ein optimal auf den Gast abgestimmtes Produktangebot - und die Formel QSS&P: beste Qualitat, schneller Service, absolute Sauberkeit und gunstige Preise." (vgl. GIESEN (2005)).
190
Die Etablierung von Unternehmensnetzwerken
lediglich im Rahmen der dargestellten Charakteristika der einzelnen Koordinationsformen. Ohne die Erkenntnisse der vorherigen Kapitel wiederholen zu wollen, bieibt zu konstatieren, dass aus einer Verbindung der Transaktionskostentheorie mit den dargestellten Netzwerkcharakteristika eine koordinationsformidentifizierende Funktion resultiert, die durch die bestehenden Konfigurationen der Leavitt-Schemata der interaglerenden Unternehmen limitiert wird.
Sachziele
Sozialziele i ^ Basis'
Restriktioi
V
Ziele des Goal Attainment als Vorgabe
Wertziele
Vtert^ili kdordlhatioiisformicietttiflti^i^iid
lllplljljll :;-iili¥Jtt*i
•
Spitzenorientierung
Kosten~~Tjriefltierurig
^
\
3
Basisorientj^ferung
Einheitskulturelle Pragung
NiitzenortentierVig
(III) Kulturpra- 6 gende Rolle der FiJhrung
Subkultyj -Pfagung
EntwickfClns^ orientierung^
(II) Differenziertheit von Unternehmenskulturen
5 1) Abhangig vom Netzwerkgegenstandi
Abb. 85:
Unternehmenskultur zur Fdrderung eines entv/icklijngsorientierten Netzwerkes^°^^
Wie aus der Abb. 85 ersichtlich wird, lassen sich nicht alle sich nicht fur alle Dimensionen von BLEICHER Empfehlungen ableiten. Insbesondere die Dimension 6 „Kosten- vs. nutzenorientierte Kulturpragung" lasst sich niciit einordnen. Denn je nacii Zielsetzung des Netzwerkes konnen beide Auspragungen, die Kosten- und die Nutzenorientierung, forderiicii fur ein Netzwerk sein. Die dargestellte Kultur scheint zunachst den Ausfuhrungen aus Kapitel 3.2.3.1.2 und hierbei insbesondere der Tab. 10 (Seite 195) zu widerspreciien. Denn wenn eine einlieitliclie Kultur als empfehlenswert herausgearbeitet wird, ist es nicht ersichtlich, wie eine kompatible oder sogar eine komplementare Unternehmenskultur als optimaler FIT gefordert werden kann. Diesbezuglich seien die folgenden Punkte angemerkt:
fokalen Unternehmen gleichen sollten. Ganz im Gegenteil kann dies sogar kontraproduktiv sein. Vielmehr wird hierunter eine synergetische Erganzung von den einzelnen Kulturen verstanden. Es sei angemerkt, dass unter einem Netzwerkgegenstand die Aufgaben verstanden werden, die in das Netzwerk ausgelagert wurden. Damit sind alle Transaktionen Netzwerkgegenstande, jedoch nicht alle Netzwerkgegenstande Transaktionen. So kann ein Wissensnetzwerk auch dem reinen Erfahrungsaustausch dienen. Dieser Erfahrungsaustausch ist ein Netzwerkgegenstand, nicht jedoch eine Transaktion.
Die Etablierung von Untemehmensnetzwerken
254
Wie bereits diskutiert worden ist, kann eine Unternehmenskultur nur teilweise erfasst werden. Auch wenn die Ausfuhrungen in diesem Kapitel suggerieren, dass eine Standardkultur empfohlen wird, existieren die unterschiedlichsten Auspragungen von Kulturen, die den dargestellten Forderungen entsprechen und trotz allem durchaus komplementar zueinander sind. Die Auswirkungen von Unternehmenskulturen auf die Performance eines Netzwerkes sind auflerordentlich komplex. Deswegen konnen sich durchaus auch weitere Kombinationen als sinnvoll ergeben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die evolutionare Weiterentwicklung eines Netzwerkes durch einen Netzwerkfuhrer gesteuert wird. Diese Punkte zusammenfassend, ist die skizzierte Kultur als eine erfolgsfordernde Kultur zu verstehen, die jedoch nicht den Absolutheitsanspruch hat. Kontextspezifisch konnen durchaus noch weitere Kulturen forderlich fur einen Wandel sein. Sle ist demnach eher als Orientierung aufzufassen. 3.6.2
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren des Change Management-Prozesses auf Netzwerkebene
Als Erfolgsfaktor des Change Management-Prozesses wurde das Beziehungsmanagement identifiziert. Wie in Kapitel 3.6.1.1 bereits dargestellt wurde, ist das Beziehungsmanagement im Wesentlichen durch die Prinzipien gemeinsamer Planungsprozesse, Austausch von Mitarbeitern, Offenlegung von Kosten, Informationsaustausch, gemeinsamer Verbesserungsprogramme sowie einer regelmadigen Kontaktpflege charakterisiert.
«« « Wandel 2. Ordnung I. Phase der Netzwerkinitiierung I j Gemeinsame Durchfuhrung
Abb. 86:
Zur gemeinsamen Durchfuhrung empfohlene Prozessschritte
Wird das Beziehungsmanagement auf den Change Management-Prozess auf Netzwerk- und Unternehmensebene bezogen, konnen Prozessschritte identifiziert werden, deren gemein-
Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren zur Etablierung eines Unternehmensnetzwerkes
255
same Durchfuhrung zu empfehlen ist (siehe Abb. 86^°^^). Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, werden mehr Schritte zur gemeinsamen Erarbeitung empfohlen, als dies bei einer unreflektierten Auslegung des Erfolgsfaktors Beziehungsmanagement der Fall ware. Dazu sei jedoch angemerkt, dass es nicht plausibel ist, wenn Planungsprozesse auf der Netzwerkebene gemeinsam durchgefuhrt werden, deren Umsetzung auf Netzwerkebene jedoch wiederum getrennt wird. Des Weiteren sei angemerkt, dass einige Prozessschritte nur teilweise gemeinsam durchgefuhrt werden. Die Positionsbestimmung und Zielsetzung auf Netzwerkebene kann nur dann gemeinsam durchgefuhrt werden, wenn im Rahmen der gemeinsamen Planung des Wandels ein Rucksprung zu diesem Prozessschritt notwendig wird; ansonsten obliegt dieser Schritt dem initiierenden Unternehmen, da im ersten Durchlauf des Schrittes potenzielle Kooperationspartner noch nicht identifiziert sind.^^^"^ Auch die Umsetzung auf Unternehmensebene erfolgt nur dann gemeinsam, wenn Mitarbeiter ausgetauscht oder kooperativ unternehmensindividuelle Implementierungsprobleme gelost werden. Die zweite Phase, die Phase der Netzwerketablierung^°^^ wird ganzlich kooperativ durchgefuhrt. Denn dem interaktionsorientierten Netzwerkansatz foigend, verstarkt sich die Bindung der Unternehmen im Zeitablauf, so dass hieraus eine engere Zusammenarbeit bei der evolutionaren Fortentwicklung des Netzwerkes folgt. 3.6.3
Die Erfoigs- und Misserfolgsfaktoren der Trager des Change Managements auf Netzwerkebene
Die drei Erfolgsfaktoren der Trager des Change Managements auf Netzwerkebene wurden bereits in den vorherigen Kapitein ausfuhrlich diskutiert, so dass, um Wiederholungen zu vermeiden, lediglich noch auf einen Aspekt hingewiesen wird. Dem Beziehungsmanagement kann ein weiterer, von RITTER / GEMONDEN identifizierter Faktor, zugeordnet werden. Dieser Erfolgsfaktor ist die „Netzwerkorientierung des Personalmanagements". Hierunter verstehen sie, dass als fester Bestandteil das Kriterium der „Pflege und Gestaltung von Geschaftsbeziehungen" bei der Personalauswahl fur die in das Netzwerk involvierten Mitarbeiter angelegt wird. Erganzt wird dies durch die Forderungen, dass die betroffenen Mitarbeiter die Fahigkeit zur Interaktion mit den Geschaftspartnern besitzen und zudem, dass sie die unterschiedlichen Kommunikationstechnoiogien beherrschen.^°^^ Es zeigt sich demnach, dass die Anforderungen an die Trager des Change Managements auf Netzwerkebene im Vergleich zum Change Management auf Unternehmensebene noch einmal deutlich gestiegen sind. Dies wird noch dadurch verstarkt, dass der Interaktion der beteiligten Akteure eine noch herausragendere Stellung zuteil wird, da die Fahigkeiten zur Durchfuhrung mikropolitischer Verhandlungsprozesse, zur Beziehungspflege und zur Uberzeugung notwendig sind, ohne auf Machtressourcen zuruckgreifen zu konnen, die auf der hierarchischen Stellung eines Akteurs beruht.
1024 1025 1026
Die Prozessschritte entsprechen der ersten Phase des in Abb. 81 (Seite 229) dargesteliten Modells. Siehe hierzu Kapitel 3.5.3.2.1 im Allgemeinen sowie Abb. 80 (Seite 227) im Speziellen Siehe Abb. 81 (Seite 229) Vgl. RITTER/GEMUNDEN (1998), S. 263
4
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
4.1
Branchenijberblick uber die Energiewirtscliaft
Dem Energiesektor werden der Steinkohlenbergbau und -brikettherstellung, der Braunkohlenbergbau und -veredelung, die Fernwarmeversorgung, die Mineralolverarbeitung, die Gewinnung von Erdol und Erdgas, die Gasversorgung und die Elektrizitatsversorgung zugeordnet.^°^^ Fur die Fragesteliungen der vorliegenden Arbeit ist jedocii iedigiicii die Gasund Elektrizitatsversorgung von Relevanz, da diese beiden Teile den Regelungen der Neufassung des Energiewirtsciiaftsgesetzes (EnWG) unterliegen. Diese beiden Sparten werden unter dem Begriff der Energiewirtscliaft subsummiert und im Folgenden beschrieben. 4.1.1
Die Wertschopfungsstufen der Energiewirtschaft
Die Energiewirtschaft umfasst mehrere Wertschopfungsstufen von der Erzeugung der Energie bis zu den Endverbrauchern. Die Abgrenzung der einzelnen Wertschopfungsstufen ist dabei nicht eindeutig festgelegt, vielmehr werden die Stufen unterschiedlich abgegrenzt. So unterscheiden BRUNEKREEFT / KELLER beispielsweise die Erzeugung, den Transport, die Verteilung und die VersorgungJ°^^ Die Ebene der Erzeugung umfasst die reine Produktion der Elektrizitat, nicht jedoch deren Abtransport. Somit werden zu dieser Wertschopfungsstufe die Kraftwerke und sonstige Energieerzeugungsanlagen zugerechnet. Auch wenn diese Stufe zunachst eindeutig abgrenzbar erscheint, ergeben sich bei der Auslegung von europaischen Richtlinien und deutschen Gesetzen auch hierbei Probleme, da neben den groden Kraftwerken auch noch eine Vielzahl von kleinen und kleinsten, dezentralen Erzeugungsanlagen existieren, wie beispielsweise Aniagen zur Kraft-Warme-Koppelung. Derartige Aniagen werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit explizit nicht zur Erzeugung zugerechnet, da diese sonst den Anforderungen des Legal Unbundling folgend gesellschaftsrechtlich von den ubrigen Bereichen von Energieversorgungsunternehmen getrennt werden mussten, woraus deutliche Synergieverluste resultieren wurden. Damit sind derartige Aniagen zwar Erzeugungsanlagen, werden aber nicht der Wertschopfungsstufe der Verteilung zugeordnet. Der Transport ist die nachste Stufe, wobei der Transport oftmals durch die Hochdruckstufe in der Sparte Gas bzw. die Hochstspannungsebene in der Sparte Strom definiert wirdJ°^^ Dieser Definition soil im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gefolgt werden, sondern vielmehr wird die Abgrenzung des Transports zur Verteilung basierend auf den Ausfuhrungen des EnWG vorgenommen. Damit sind der Wertschopfungsstufe Transport die Betreiber von Ubertragungsnetzen zugeordnet. Sie sind demnach „naturliche Oder juristische Personen Oder rechtlich unselbstandige Organisationseinheiten eines Energieversorgungsunternehmens, die verantwortlich sind fur den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Ubertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen",^°^° wobei ein Ubertragungsnetz wiederum in eine Vgl. BuNDESMiNiSTERiUM FUR WiRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2006), Tabells 2, sowie HENSING / PFAFFENBERGER / STROBELE (1998), S. 50-137 Vgl. BRUNEKREEFT / KELLER (2003), 8 . 1 3 5 ff.
1029 1030
RuHLAND dagegen unterteilt sie in die Erzeugung, den Handel, den Transport, den Vertrieb und das Verteilnetz (vgl. RUHLAND (2001), S. 349). SENDNER wiederum unterteilt sie in Erzeugung, Handel, Ubertragung, Verteilung, Vertrieb und Messung / Abrechnung, sowie Querschnittsfunktionen (vgl. SENDNER (2003), S. 4). Vgl. BRUNEKREEFT / KELLER (2003), S. 136
§ 3 A b s . 10 EnWG
258
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
Fernleitung fur die Sparte Gas bzw. eine Ubertragung fur die Sparte Strom untergliedert
istJ°^^ Das Ubertragungsnetz wird in Deutschland in vier verschiedenen Regelzonen von der EnBW Transportnetze AG, der E.ON Netz GmbH, der RWE Net AG sowie der Vattenfall Europe Transmission AG betrieben. Das Fernleitungsnetz auf der Importstufe von den funf Unternehmen BEB Transport und Speicher Service GmbH, E.ON Ruhrgas AG, RWE Energy AG, Verbundnetz Gas AG und Wingas GmbH. Aufgrund der Grolie und Struktur dieser Unternehmen werden sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet, da fur diese Unternehmen weder der wirtschaftliche Zwang besteht, untereinander Kooperationen aufzubauen, noch kartellrechtlicii engere Kooperationen durchsetzbar sind.^°^^ Die nachste Wertschopfungsstufe ist die Verteilung, welcher die Versorgung der Endkunden obliegt. Die einzelnen Verteilnetze sind dabei zumeist nicht direkt horizontal miteinander verbunden, sondern lediglich indirekt uber die Transportnetze.^°^^ Die Verteilung ist die Wertschopfungsstufe, die uber das grolite Netz, gemessen an Leitungskilometern, verfugt. Sie wird oftmals noch welter differenziert in Regionalverteiler und Stadtwerke.^"^"^ Regionalverteiler (RV) sInd dabei Versorgungsunternehmen, die Endkunden In der Flache versorgen, Stadtwerke (SW) sind dagegen kommunale Versorgungsunternehmen. Die Unterscheidung ist wesentlich, da Regionalverteiler aufgrund ihrer gerlngen Kundendichte organlsatorlsche Probleme zu losen haben, die fur Stadtwerke nicht existieren, da ihre Kunden geographisch konzentriert sind. Stadtwerke werden oftmals mit Weitervertellern (WV) gleichgesetzt. So definiert KLAUS „Weiterverteiler sind diejenigen Strom- und Gasversorgungsunternehmen, die wie etwa Stadtwerke die Energie von einem oder mehreren Vorlieferanten oder von einer Energieborse zu Grolihandelskonditionen beziehen und sie an die Industriellen, gewerblichen und privaten Endverbraucher zu Einzelhandelskonditionen liefern. In einigen Fallen beliefern Welterverteiler andere Weiterverteiler, die nachgelagerte Verteilnetze betreiben."^°^^ Erganzend zu der Definition sei angemerkt, dass ein weiteres konstituierendes Merkmal von Weiterverteilern ist, dass sie ein eigenes Verteilnetz betreiben. Damit sind Weiterverteiler jedoch nur eine Schnittmenge von Stadtwerken, da sie nur die Stadtwerke bezeichnen, die keine oder nur im gerlngen Umfang elgene Energieerzeugungsanlagen betreiben. Als letzte Stufe wird von BRUNEKREEFT / KELLER die Versorgung aufgefuhrt. Im Gegensatz zum Netzbesitzer, der den physikalischen Strom- oder Gasfluss koordiniert, umfasst die Tatigkeit des Versorgers den Strom- / Gaseinkauf und -verkauf mittels eines Strom- oder Gaslieferungsvertrages an den Endkunden.^°^^ Die Aufgabe des Versorgers ist es demnach.
1033 1034 1035 1036
Zu den Begriffen Fernleitung bzw. Ubertragung siehe § 3 Abs. 19 bzw. Abs. 32 EnWG Aus dieser Aussage lasst sich jedoch nicht schlieden, dass umfangreiche Internationale Kooperationen ausgeschlossen sind. So zeigen einerseits Internationale Konzentrationstendenzen in der Energiewirtschaft (vgl. HASLAUER / KROGER (2002), S. 30 ff.) und andererseits Erkenntnisse der Deregulierung der Telekommunikationsbranche, dass in dem Aufbau internationaler Kooperationen zukunftige Strategien gesehen werden (vgl. DOWLING (1996), S. 331 ff.). Derartige Kooperationen sind jedoch hinsichtlich Komplexitat, Umfang und externer, insbesonderer bundespolitischer Einflijsse grundverschieden von den im Rahmen der vorliegenden Arbeit thematisierten Kooperationen. Sie werden deswegen explizit von der Analyse ausgeschlossen. Vgl. BRUNEKREEFT / KELLER (2003),
8.136
Vgl. bspw. HENSING/PFAFFENBERGER/STROBELE (1998), S. 137 KRAUS (2003), S. 206 Vgl. BRUNEKREEFT/KELLER (2003), S. 137
Branchenuberblick uber die Energiewirtschaft
259
eine „Transaktions- und Suchkosten verringernde Vermittlungsrolle zwischen Produktionsbzw. GroBhandelsebene, Netzebenen und Endkunden [einzunehmen; d.V.]."^°^^ Diese Auffassung der Versorgung ist jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu unspezifisch. Denn es existieren zwei unterschiedliche iViarktteilnehmer, welche die Versorgung von Endkunden durchfuhren, zum einen der Handel und zum anderen der Vertrieb eines Energieversorgungsunternehmens (EVU). Unter dem Handel sind dabei die Marktteilnehmer zu verstehen, die kein eigenes Gas- oder Stromnetz besitzen und damit als reiner Versorger grundsatzlich in fremden Netzen agieren. Der Vertrieb eines EVU dagegen versorgt zum einen die Kunden im eigenen Netzvertrieb, zum anderen kann er jedoch auch zusatziich als Versorger von in einem fremden Netzgebiet agieren. Diese Unterscheidung zwischen Vertrieb und Handel wird aus zwei Grunden vorgenommen: -
-
Wie eingangs schon erwahnt, besteht der Verdacht, dass innerhalb eines EVU der Vertrieb durch die Eriose des Verteilnetzes quersubventioniert wird. Derartige Quersubventionen erscheinen moglich, da sowohl die Aufgaben des Vertriebs als auch die des Verteilnetzes in einem Unternehmen angesiedelt sind. Damit ist es eine der wesentlichen Ziele des Unbundlings, diese Wettbewerbsverzerrungen aufzulosen. Dem Vertrieb obliegen noch weitere Aufgaben, die ein Handler nicht wahrnehmen muss. Wahrend ein Handler die freie Wahl hat, mit welchen Kunden er Geschaftsbeziehungen aufnehmen will, tritt der Vertrieb als Grundversorger in der Sparte Strom auf, so dass er die Grundversorgungspflicht hat. Diese verpflichtet ihn, solange die Versorgung aus wirtschaftlichen Grunden zumutbar Ist, alle Haushalte in einem Netzgebiet zu versorgen.^°^® Somit hat er auch Kundengruppen zu versorgen, bei denen ofters Zahlungsausfalle aufgrund einer schlechten Zahlungsmoral oder llliquiditat auftreten.
Werden diese Punkte zusammengefasst, unterteilt sich die Wertschopfungskette der Energiewirtschaft wie in Abb. 87 dargestellt. Jedoch wurde bei dieser Wertschopfungskette zudem noch eine Unterscheidung zwischen Vertrieb und Service vorgenommen. Diese weitere Unterteilung erfolgt vor dem Hintergrund der Losung zukunftiger Anforderungen des EnWG. Enei^teversorgungsuntemehmen Handel
Vertrieb
\:
Erzeugung
A
Service Transport
L
Verteiinetz
7
fokm der vortfegenchn Arbeit
Abb. 87:
Die Wertschopfungskette der Energiewirtschaft
Eine ahnliche Unterteilung nimmt auch GNAMIVI vor, wobei er explizit zusatziich die Managementprozesse auffuhrt. Dabei die unterteilt er die Managementprozesse in Controlling, BRUNEKREEFT/KELLER (2003), S. 137 Vgl. § 36 Abs. 1 EnWG Vgl. auch RUHLAND (2001), 8. 349. Es sei angemerkt, dass im Gegensatz zur Originalabbildung der Vertrieb und der Service getrennt warden. Des Weiteren wurde der Begriff „Verteilung" durch „Verteilnetz" ersetzt.
260
Untemehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
FiJhrungsaufgaben und Sonstige. Die Serviceprozesse unterteilt er in Materialwirtschaft, Immobilien und Gebaudemanagement, Personalwirtschaft sowie sonstige Serviceprozesgg 1040 Qjeser Einteilung soil im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gefolgt werden; vielmehr wird die Wertschopfungskette eines EVU wie folgt unterteilt: Vertrieb Vertriebliche Prozesse sind samtliche Prozesse, die den reinen Energievertrieb zum Gegenstand haben oder inn direkten Zusammenhang mit dem reinen Energievertrieb stehen. Sie sind damit identisch weitestgehend mit den vertrlebiichen Prozessen des Handels. Vertriebliche Prozesse sind oftmals auf Netzprozesse angewiesen, da ansonsten weder Neu- oder Wechselkunden noch Energiedatenerhebungen, noch Anschlusssperrungen durchgefuhrt werden konnen. Service Die Serviceprozesse werden deutlich welter aufgefasst, als dies von GNAMM vorgenommen wurde. Unter Serviceprozessen werden samtliche Prozesse verstanden, die unterstutzend sowohl fur die Prozesse des Vertriebs als auch fur die Prozesse des Verteilnetzes durchgefuhrt werden. Ausgangspunkt der Serviceprozesse sind demnach die Abrechnungsprozesse und Prozesse des Forderungsmanagements. Darijber hinaus sind ihnen Prozesse des Rechnungswesens, der Personalwirtschaft, des Controllings, der Materialwirtschaft, der Informationstechnologie, der Infrastruktur etc. zugeordnet. Verteilnetz Unter den Prozessen des Verteilnetzes sind im Wesentlichen die Prozesse zur Planung, Errichtung, Instandhaltung und Betrieb des Verteilnetzes zu summieren. Des Weiteren werden hierunter auch noch netzvertriebliche Prozesse, sowie Prozesse die aus Anforderungen des EnWG dem Verteilnetz zuzuordnen sind. Die Netzprozesse enden mit dem Energiedatenmanagement, das die Erhebung und Aufbereitung von Energiedaten zum Gegenstand hat. Die Grenze wird vorgenommen, da diese Aufgabe das Verteilnetz auch fur dritte Handler durchfuhren muss und es damit eine originare Netzaufgabe darstellt. Im Gegensatz zu GNAMM werden die Managementprozesse „Fuhrungsaufgaben" und „Sonstlge" auch nicht explizit aufgefuhrt, da diese jeweils einzelne Prozesse des Vertriebs und des Verteilnetzes sind. Die Begrundung hierfur liegt in den Anforderungen des Legal Unbundlings, dass eine abgestimmte Vertriebs- und Netzleltung nicht durchgefuhrt werden darf. Es sei im Zusammenhang mit den dargestellten Prozessen noch auf einen wesentlichen Punkt hingewiesen. Aus der Unterteilung nach Netz-, Vertriebs- und Serviceprozessen folgt nicht, dass diese drei Stufen jeweils durch die Netz-, Vertriebs- und Servicebereiche durchgefuhrt werden. Gerade well Netz- und Serviceprozesse durch den Vertriebsbereich durchgefuhrt wurden, sind Diskriminierungspotenziale entstanden. Die Unternehmen der Energiewirtschaft sind nicht trennscharf den dargestellten Wertschopfungsstufen zuzuordnen. So unterteilen HENSING / PFAFFENBERGER / STROBELE die Elektrizitatswirtschaft in Verbundunternehmen, regionale Unternehmen, Stadtwerke Typ A und Stadtwerke Typ B.^^"^^ Diese Unterteilung ist jedoch nicht ausreichend, da lediglich ein Tell der Wertschopfungsstufen dadurch abgedeckt wird. Zur begrifflichen Bestimmung und als Grundlage fur die folgenden Ausfuhrungen werden deswegen die in Tab. 14 dargestellten Unternehmensauspragungen der weiteren Analyse zugrunde gelegt.
Vgl. GNAMM (2000), S. 29 Vgl. HENSING/PFAFFENBERGER/STROBELE (1998), S. 137
BranchenUberblick uber die Energiewirtschaft
Untemshmcnsaiispiigung
261 Wartschdpftingsstufe
Erzeusung
Transport
Handel
Vert^inetz
VerMeb
Oberregionale Verbundunternehmen
1
•
O
•
•
Stromerzeuger
•
O
O
O
O
Obertragungs- / Transportnetzbetreiber
O
•
O
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O
Verteilnetzbetreiber
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•
o
Grade und mittlere Stadtwerke
•
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•
•
Regionalversorger
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•
Kleine lokale private Versorger'"^
1
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Handler
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Okostrom
•
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O
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Weiterverteiler
o
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o
•
•
01043
•
O: nicht zugeordnet I: teilweise zugeordnet • : zugeordnet Tab. 14:
Untemehmensauspragungen und die Zuordnung zu den Wertschopfungsstufen der Energiewirtschaft
Fur die folgenden Ausfuhrungen sind insbesondere die Verteilnetzbetreiber, Regionalversorger, Stadtwerke und Weiterverteiler relevant. Denn diese Unternehmen sind von den Auswirkungen der Neufassung des EnWG im Besonderen betroffen. 4.1.2
Die Struktur eines Energieversorgungsunternehmens
Energieversorgungsunternehmen haben nicht grundsatzlich nur eine teste Struktur. Denn korrespondierend zu anderen Branchen unterscheiden sich auch die Aufbauorganisation von Energieversorgungsunternehmen je nach strategischer Ausrichtung, Historie und anderen Faktoren wie beispielsweise die Geschaftsfelder der einzelnen Unternehmen. Auch wenn sie sich oftmals auf den oberen Hierarchieebenen ahnein, konnen sich die Aufgaben, die den einzelnen Organisationseinheiten zugeordnet sind, auf niedrlgeren Ebenen deutlich unterscheiden. Deswegen kann in den folgenden Ausfuhrungen lediglich eine klassische OrganiEin Beispiel fur derartige Versorger sind Arealnetzbetreiber wie Flughafen anzufuhren. Das Verteilnetz ist jedoch sehr klein.
262
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
sation von Energieversorgungsunternehmen aufgezeigt werden. Es sei angemerkt, dass die Diskussion der Struktur eines Energieversorgungsunternehmens jedoch von hoher Relevanz ist, da sich aus ihr im Wesentlichen der Handlungsbedarf fur organisatorische Anpassungen vor dem Hintergrund der Anforderungen des EnWG ableiten lassen. Vorstand / GeschdftsfUhrung
Erzeugung
I ;
Netz
Vertrieb
Service
I Klassische Organisationseinheiten eines EVU I Zusatzliche, unternehmensabhangige Organisationseinheiten
Abb. 88:
Klassische Organisation eines Energieversorgungsunternehmens
Wie in Abb. 88 dargestellt, ist ein EVU zumeist in die Bereiche Netz, Vertrieb und Service unterteilt.^^"^"^ Je nach Grofie und zusatzlichen Geschaftsfeldern konnen jedoch noch weitere Bereiche hinzukonnmen, wie in der Abbildung zusatzlich angedeutet ist. Die Unterteilung zwischen Netz und Vertrieb ist zumeist unstrittig, da Energieversorgungsunternehmen als infrastrukturintensive, technisch-gepragte Unternehmen auf der einen Seite technische Aufgaben durchfijhren, auf der anderen Seite eher vertrieblich gepragte Aufgaben im Endkundengeschaft. Jedoch ergeben sich auch bei dieser Aufteilung bereits Zuordnungsprobleme, da sich Aufgaben beider Bereiche uberschneiden. So kann weder das Energiedatenmanagement, noch die Kundenbetreuung bei Kundenerstkontakten, noch das Vertragsdatenmanagement eindeutig nur dem Vertrieb Oder nur dem Netz zugeordnet werden. Als dritter Bereich neben dem Netz und Vertrieb hat sich zumeist ein Servicebereich durchgesetzt, der Dienstleistungen sowohl fur das Netz als auch fur den Vertrieb durchfuhrt, wie beispielsweise IT-Dienstleistungen. Jedoch ist auch in diesem Fall die Abgrenzung zwischen dem Vertrieb und dem Service nicht eindeutig. So kann beispielsweise die Abrechnung sowohl dem Vertrieb zugeordnet werden, wenn der Fokus auf die Kunden gelegt wird, die von einem Unternehmen vollversorgt werden, also auch die Energie von dem Unternehmen beziehen, als auch dem Service zugeordnet werden, wenn sie als Dienstleistung zur Abrechnung von Netzleistungen (Netznutzung) und Vertrieb (Energievertrieb) aufgefasst wird. Ein weitere, wesentliche Fragestellung ist die Zuordnung des Call-Centers zum Vertrieb Oder zum Servicebereich. Diese Fragestellung ist von Relevanz, da die Privatkunden nur einen ahnlich hohen Absatz generieren, wie Industrie- oder Gewerbekunden (siehe Abb. 89), gleichzeitig jedoch eine deutlich groRere Kundengruppe darstellen, so dass sie von EVU eher passiv betreut denn aktiv akquiriert werden. Zudem zeichnet sich diese Kundengruppe durch eine eher geringe Wechselbereitschaft aus, so dass hierdurch die Notwendigkeit einer aktiven Betreuung gering ist. Es stellt sich demnach die Frage, ob ein Privatkundenvertrieb durchgefiihrt wird, oder nur eine passive Privatkundenbetreuung, die als Ansprechpartner netztechnischer Fragestellungen und Fragestellungen zur Energieversorgung dient. Vgl. HOFERMANN-KIEFER (2003), S. 8 oder APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2004), S.
243
263
Branchenuberblick uber die Energiewirtschaft Endenergieverbrauch (in Petajoule) 12.000 Industrie
10.000
Verkehr
8.000
Hausliaite
6.000
— ^ — G e w e r b e , Handel, Dienstleistungen
4.000 2.000 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 89:
Struktur des Energieverbrauchs
Es sei angemerkt, dass die Diskussion der organisatorischen Zuordnung von Aufgaben zu Bereichen in einem Energieversorgungsunternehmen nicht identisch mit der Einteilung der Aufgaben zu Prozessen innerhalb der Wertschopfungsstufen der Energiewirtschaft ist (siehe Abb. 87). So konnen, wie dargestellt wurde, Serviceprozesse, wie beispielsweise die Abrechnung, dem Vertriebsbereich zugeordnet sein. 4.1.3
Branchenspezifika der Energiewirtschaft
Eines der wesentlichen Merkmale der Energiewirtschaft ist ihre Leitungsgebundenheit. Denn wird von Liquid Natural Gas-Anlagen (LNG-Anlagen) abgesehen, ist der Transport und die Vertellung von Strom und Gas an ein Leitungs- bzw. Rohrnetz gebunden. Der Aufbau und die Pfiege eines derartigen Netzes ist mit hohen Investitionen und Instandhaltungskosten verbunden, so dass zumeist der parailele Betrieb konkurrierender Netze unwirtschaftiicher ist als der eines einzelnen, integrierten Netzes.^^"^^ Damit scheinen zunachst die Bedingungen fur einen angebotsmonopolistischen Markt^^"^^ vorzuliegen. Denn ein derartiger Markt iiegt vor, wenn ein Unternehmen eine netzspezifische Marktmacht hat, welche zumeist dann vorliegt, wenn der Markt durch hohe Fixkosten und niedrige variable Kosten gekennzeichnet ist. Diese Bedingungen sind jedoch nicht hinrelchend fur das vorliegenden eines angebotsmonopolistischen Marktes, denn daruber hinaus dijrfen die folgenden Bedingungen nicht erfullt seln:^°'' -
1045 1046
Freier Markteintritt Hierunter wird verstanden, dass eine grode Anzahl potenzieller Wettbewerber ohne Zeitverlust Zugang zu den gleichen kostengunstigen Technologien haben.
Vgl. BUNDESMINISTERIUM FOR WiRTSCHAFT UND T E C H N O L O G I E (2006), Tabelle 5 Vgl. HENSING/PFAFFENBERGER/STROBELE (1998), S. 112
In der Literatur wird teilweise auch der Begriff des naturlichen Monopols ven/vendet (Vgl. HENSING/PFAFFENBERGER/STROBELE (1998), 8. 112 oder KNIEPS (2003), 8.11). Vgl. zu den aufgefuhrten Punkten KNIEPS (2003), 8. 11
264
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft -
-
Abwesenheit von irreversiblen Kosten Die Investitionen, die fur einen Markteintritt notwendig sind, lassen sich bei einem Marktaustritt wieder verwenden. Ein Marktaustritt ist ohne signifikante Kosten und Zeitverlust moglich. Bertrand-Nash-Verhalten Die potenziellen Wettbewerber berechnen ihre Marktchancen, indem sie den aktuellen Preis des eingesessenen Unternehmens annehmen und diesen unterbieten, wobei hierbei eine vollstandige Information seitens der Marktteilnehmer vorausgesetzt wird.
Die beiden letzten Bedingungen sind nicht erfullt, da einerseits Investitionen in das Leitungsnetz zu irreversiblen Kosten fuhrt^^"^^ und andererseits Marktteilnehmer bei der Berechnung der Marktchancen berucksichtigen mussen, dass ein Markteintritt zumelst an den Besitz von Konzessionen gebunden ist, so dass der Markteintritt und damit auch die Marktchancen limitiert ist. Insbesondere die Sparte der Stromnetze zeichnet sich dariiber hinaus dadurch aus, dass praktisch keine Substitutionsmoglichkeiten bestehen,^°^° da hierzu eine eigene Stromerzeugung notwendig ware, um nicht das Stromnetz nutzen zu mussen. Dies trifft fur die Sparte des Gasnetzes nicht zu, da Substitutionsmoglichkeiten durch Flussiggastransporte bestehen, Oder der Energietrager Gas oftmals sogar durch andere fossile Brennstoffe, wie beispielsweise Ol, ersetzt werden kann. Ein weiteres Merkmal der Energiewirtschaft ist, dass sowohl Strom als auch Gas ein homogenes Gut ist, sobald es in das Netz eingespeist wurde.^°^^ Zwar kdnnen im Gas noch Gasqualitat und im Strom noch Spannungs- und Frequenzschwankungen unterschieden werden, aber im Allgemeinen wird es „Gut des alltaglichen Verbrauchs, das nur wenig aufregend ist" angesehen.^°^^ Um das Gut Strom bzw. Gas nun jedoch trotz allem unterscheidbar zu machen, sind zwei Tendenzen zu beobachten. Zum einen wird die Strombeschaffung optimiert, indem die Energie an zum Tell langfristig, jedoch zunehmend auch an Terminmarkten und Spotmarkten erworben wird. Hierdurch sollen die Beschaffungskosten gesenkt werden. Zum anderen werden insbesondere Geschaftskunden individuelle Tarife angeboten, die in ihren Parametern und ihrer Preisgestaltung auRerst komplex sein konnen.^°^^ Das Resultat hieraus ist der Bedarf an komplexer Informationstechnologle, die zudem oftmals in hohem Mafle unternehmensindividuell angepasst werden muss, um die individuellen Sondervertrage abbilden zu kdnnen. 4.2
Die deutsche Energiewirtschaft im Uberblick
In den folgenden Ausfuhrungen wird die deutsche Energiewirtschaft dargestellt und mit anderen Landern verglichen. Der Energiesektor hat im Jahr 2004 mit 36,6 Mrd. Euro zur Bruttowertschopfung beigetragen, was einem Anteil von 6,42 % am gesamten produzierenden Gewerbe entsprach. Damit wies dieser Sektor eine deutliche Steigerung gegenuber dem
Vgl. auch KNIEPS (2003), S. 13 1051 1052
Vgl. HENSING/PFAFFENBERGER/STROBELE (1998), S. 113
Vgl. TiMPE / FRITSCHE (2001), 8. 2 Vgl. WiEDMANN / TRAUTMANN / PEUSER (2003), S. 780 Oder ahnlich KAFER (2005), S. 754 f. Vgl. zu den aufgefuhrten Punkten auch BOLLHEIMER (2005), S. 718 f. Die individuelle Preisgestaltung zeigt sich auch an der Bezeichnung der Geschaftskunden, die oftmals als Sondervertragskunden bezeichnet werden, um den individuellen Charakter der Tarifgestaltung Ausdruck zu verleihen (vgl. KRAUS (2003), S. 172).
Die deutsche Energiewirtschaft im Uberblick
265
Jahr 1995 auf, bei dem die Bruttowertschopfung des Sektors noch bei 34,5 Mrd. Euro lag.^"^"^ Diese erhohte Bruttowertschopfung hatte jedoch nicht zur Folge, dass im Energiesektor neue Arbeitspiatze entstanden sind. Vielmehr war, wie die Abb. 90 aufzeigt, in der Gas- und Elektrizitatsversorgung in den letzten Jahren ein massiver Stellenabbau zu beobachten.
Beschaftigte in der Energiewirtschaft qnn nnn 250.000 "
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200.000 ^
150.000
1
Elektrizitatsversorgung
100.000 50.000 n -
^ Abb. 90:
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r^ ^
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Beschaftigte in der Energiewirtschaft
Der Ruckgang der Beschaftigten 1st ein Indiz fur die umfangreichen Restrukturierungs- und Kostensenkungsmadnahmen, die seit der Liberalisierung des Energiennarktes von den Unternehmen durchgefuhrt wurden. Neben diesen Restrukturierungen wurden auch umfangreiche Fusionen durchgefuhrt, urn hierdurch Synergiepotenziale zu realisieren. So stieg die Zahl der Ubernahmen von Energieversorgern im Berichtszeitraum 1997/1998 von 52 auf jeweils 86 in den Berichtszeitraumen 2001/2002 und 2003/2004.^°^^ Dabei haben insbesondere die Fusionen der RWE A G und V E W A G zur RWE A G , sowie die Fusionen der Veba A G und der Viag A G zur E.ON A G die Marktstruktur in Deutschland verandert (siehe Abb. 91). Allenfalls die EnBW AG und die Vattenfall Europe A G weisen noch eine vergleichbare Grofle auf. Die anderen deutschen Elektrizitatsversorger sind deutlich kleiner.^°^^
1055 1056
Vgl. BuNDESMiNiSTERiUM FUR WiRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2006), Tabelle 1 und eigene Berechnungen Es sei angemerkt, dass die Angaben zur Bruttowertschopfung allesamt auf die Preise des Jahres 2000 bezogen sind, urn eine Vergleichbarkeit sicherzustelien. Vgl. BUNDESMINISTERIUM FOR WiRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2006), Tabelle 2 Vgl. BUNDESKARTELLAMT (1999), S. 177, BUNDESKARTELLAMT (2003), S. 265, SOWie BUNDESKARTELLAMT (2005), S. 221 Die Fusionen in der Stromwirtschaft sind dabei nicht auf Deutschland beschrankt. So ergab eine Untersuchung der europaischen Stromindustrien von HASLAUER / KROGER, dass seit 1991 die M&A-Aktivitaten urn 372 % gestiegen sind (vgl. HASLAUER / KROGER (2002), S. 31). Durch diese Aktivitaten ist in Deutschland eine Unternehmenskonzentration entstanden, bei der bereits 2002 die vier groRten Wettbewerber 74,5 % der Endkunden auf sich vereinen konnten. Damit liegt Deutschland deutlich oberhalb des EU-Durchschnitts von 37,8 % (vgl. HASLAUER / KROGER (2002), S. 32). Die vier groflen Energieversorger kontrollierten 2005 direkt oder indirekt uber Beteiligungen fast 90 % der verkauften Stroms (vgl. WILLENBROCK (2005), S. 19).
Untemehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
266
Stadtwerke Hannover AG Stadtwerke Munchen GmbH N-Ergie AG GEW RheinEnergie AG M W Energie AG EWE AG Vattenfall Europe AG EnBW AG
-
-
-
••••^•-
1 ^ ^
- - •
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!'.'.
I
E.ON Energie AG RWEAG
40
60
80
100
120
iStromabsatz in Mrd. kWh (2003)
Abb. 91:
Die zehn groHten Elektrizitatsversorger in Deutschland^"^^
Diese groflen Fusionen, Restrukturierungs- und Kostensenkungsmaflnahmen haben jedoch nicht dazu gefuhrt, dass die Verbraucherpreise langfristig gesunken sind. Vielnnehr zeigt sich, dass sich die Energiepreise nach einer vorrubergehenden Absenkungen wieder in einem Aufwartstrend befinden (siehe Abb. 92). Hierbel sind drei Aspekte erwahnenswert. Unmittelbar nach der Liberalisierung^°^^ in den Jahren 1998 bis 2000 ist ein Absinken der Energiepreise zu verzeichnen gewesen, seit dieser Absenkung steigen die Preise jedoch wiederum kontinuierlich, so dass sie zumindest fur Haushalte inzwischen uber den Preisen von 1995 liegen. Relativierend muss jedoch in diesem Zusammenhang auch festgestellt werden, dass steuerlichen Abgaben in dieser Zeit erhoht wurden, die Preise fur die Primarenergietrager stiegen und, durch die Forderung der erneuerbaren Energien, die Menge der abnahmepflichtigen, hochpreisigen Energie zugenommen hat.^°^° Ohne im Rahmen der vorliegenden Arbeit bewerten zu wollen, welchen Anteil diese Punkte auf die Strompreiserhohung haben, muss jedoch festgestellt werden, dass zumindest keine wesentlichen Effizienzsteigerungen realisiert wurden. Denn wenn die Netznutzungsentgelte, also die Entgelte, die sowohl ein Energieversorger als auch ein Stromhandler an den Netzbetreiber entrichten muss, um das Stromnetz nutzen zu durfen, als Vergleich herangezogen werden, sind bei ihnen keine wesentlichen Prelsveranderungen in den letzten drel Jahren festzustellen gewesen. Da die Netznutzungsentgelte wiederum nicht von den skizzierten Punkten, die mitunter zur Erklarung der Strompreiserhohung herangezo-
Vgl. VDEW (2004a) Zum Zeitstrahl der Liberalisierung sei auf die Abb. 1 (Seite 2) verwiesen. Vgl. zu dem letzten Punkt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Die deutsche Energiewirtschaft im Uberblick
267
gen werden, tangiert sind, kann an ihnen gezeigt werden, dass zumindest in der Auflendarstellung keine Effizienzsteigerung erreicht wurde.
Verbraucherpreise (ct./kWh) 20,00 18,00 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00
- Haushalte Industrie (ohne Ausgleichsabgabe, Stromsteuer und Mehrwertsteuer) Netznutzungsentgelte (Niederspannung) — - - — Netznutzungsentgelte (Mittelspannung)
Abb. 92:
Entwicklung der Verbraucherpreise
Jedoch ist nicht nur die Funktionsfahigkeit des Marktes im Bereich des Transportes und der Verteilung fraglich. Auch bei der Erzeugung ist durch die zunehmende Konzentration ein Oligopol entstanden, dessen Marktmacht derart grofi ist, dass es, nach einer Untersuchung von ELLERSDORFER / BLESL / FAHL / KESSLER, die Strompreise urn etwa 16 bis 61 % steigern
kann, wenn nicht in zusatzliche Ubertragungskapazitaten in das europaische Ausiand investiertwird.''°^^ Als zweiten, wesentlichen Aspekt sei auf die Netznutzungsentgelte (Mittelspannung) und die Strompreise fiir die Industrie hingewiesen. WIe in Kapitel 1 berelts hingewiesen wurde, werden den integrierten Energieversorgungsunternehmen oftmals Quersubventionen unterstellt.^°®^ Wird nun die Differenz zwischen den Strompreisen der Industriekunden und den Netznutzungsentgelten (Mittelspannung) errechnet, zeigt sich, dass die Differenz zwischen 2,27 ct./kWh im Jahr 2002 und 3,36 ct./kWh im Jahr 2004 lag, also ganzllch unterhalb der geforderten 3,7 ct./kWh, was ein Indiz fur das Vorliegen von Quersubventionen ist. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit einer Studie des Bundesverbands Neuer Energieanbieter (BNE), die zum Ergebnis hatte, dass 55,7 % von 931 untersuchten Netzbetreibern Quersubventionen durchfuhren-^^^"^ Vgl. BuNDESMiNiSTERiUM FUR WiRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2006), Tabelle 26 sowie fiir die Angaben der Netznutzungsentgelte VDN (2006) Es sei darauf hingewiesen, dass Vergleichsdaten fiir die Netznutzungsentgelte vor dem Jahr 2002 nicht vom VDN veroffentlich sind. Urn aufgrund unterschiedlicher Moglichkeiten der Gewichtung der einzelnen Strukturklassen von Netznutzungsentgelten die Daten vergieichbar darzustellen, wurde auf die Darstellung von Netznutzungsentgelten aus andere Quellen verzichtet. Vgl. ELLERSDORFER / BLESL / FAHL / KESSLER (2004), S. 16 f.
Vgl. hierzu insbesondere auch Fuflnote 4 (Seite 1) Vgl. BORCHERS (2003), S. 3
268
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
Der letzte Aspekt sind die Erfahrungen mit dem deutschen Modell der Liberalisierung. Im Gegensatz zu den Regulierungsmechanismen der ubrigen EU-Lander hat Deutschland einen „Sonderweg"^°^^ gewahit, bei dem sich die Energiewirtschaft im Rahmen der Liberalisierung eine Selbstkontrolle und Selbstregulierung auferlegt hat. Diese Selbstregulierung hat jedoch nicht dazu gefuhrt, dass sich ein Wettbewerb etabliert hat. So stellte 2002, also im Jahr vor der Verabschledung der Beschleunigungsrichtlinie,^°^^ beisplelsweise LEPRICH fest, dass -
die moisten Unternehmen, die zu Beginn der Liberalisierung den Markteintritt versucht hatten, bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr am Markt agieren, sich eIne VIelzahl von Stadtwerken und Reglonalversorgern nicht als Wettbewerber zu den Marktfuhrern etablierten, sondern vielmehr sogar aufgrund von Beteiligungsstrukturen Partner dieser wurden und weniger als 4 % aller Haushaltskunden, rund 6 % der Gewerbekunden und 15-20 % der Industriekunden den Versorger gewechselt haben, was im Vergleich zu den Landern, die die Liberalisierung stringent umgesetzt haben, niedrlge Werte sind.^°^^
Diese drei Aspekte liefern eine Begrundung fur die weltergehende Liberalisierung im Energiemarkt, die im Kapitel 4.3 vertiefend diskutiert wird. Diese weitergehenden Liberalisierungsbemuhungen sind jedoch nicht auf Deutschland beschrankt. Denn, wie aus der Abb. 93 ersichtlich wird, zeichnet sich Deutschland nicht durch auftergewdhnlich hohe Energiepreise aus. Vielmehr ist Deutschland eher im europaischen MIttelfeld anzusiedeln. Der Landervergleich zelgt, dass in Landern wie die USA und Grodbritannien, die bereits liberalisiert sind, die Verbraucherpreise sehr niedrig sind, andererseits jedoch auch Lander wie Frankreich, die im europaischen Vergleich die Liberalisierung nur in einem sehr geringen Umfang umgesetzt haben,^°^^ im Vergleich geringe Verbraucherpreise aufweisen. Hieraus konnte zunachst gefolgert werden, dass eine Liberalisierung des Energlemarktes keinen Einfluss auf die Verbraucherpreise hat. Jedoch haben unabhangig davon Studien ergeben, dass aus einer zunehmenden Marktoffnung ein Sinken des Preisniveaus resultiert.^°^^ Zur Relativierung der Aussagekraft der Kennzahl der Verbraucherpreise sei jedoch auf die Versorgungssicherheit und -qualitat hingewlesen. Denn der Vergleich der Verbraucherpreise erweist sich nur dann als zielfuhrend, wenn die Versorgungssicherheit und -qualitat in die Betrachtung mit einbezogen wird. Diesbezuglich sei auf die Stromausfalle in den USA, Skandinavien, Italien und Luxemburg hingewlesen, was zweierlei zeigt.^°^° Hohe Verbraucherpreise sind nicht ein Indiz fiir eine hohe Versorgungssicherheit, wie das Beispiel Italien zeigt.^°''^ Andererseits sind die Stromausfalle in den USA auch auf geringe Investitionen in das Leitungsnetz und der damit verbundenen Uberalterung des Netzes zuruckzufuhren. An diesem Beispiel zelgt sich damit auch ein Charakteristlkum der Energiewirtschaft. Die Vgl. bspw. FOCHT (2001), S. 17 Im Juni 2003 wurden mit den RIchtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG die Liberalisierungsanforderungen verscharft, indem in den Richtlinien ein llberalisierter Netzzugang verankert wurde. Vgl. LEPRICH (2002), S. 15 Als Vergleich sei Groflbritannien angefuhrt, wo derzeit 34 % der Haushalte durch einen neuen Gas-Anbieter beliefert werden (vgl. WILLENBROCK (2005), S. 18). Bezijglich der Wechselquote muss jedoch darauf hingewlesen werden, dass die geringe Wechselbereitschaft auch in der hohen Zufriedenheit der Endverbraucher mit ihrem Energieversorgungsunternehmen liegt (vgl. WALSH / KLEE / WIEDMANN / WAHMANN (2005), S. 149). Vgl. KOMMISSION DER EUROPAISCHEN G E M E I N S C H A F T E N (2002), 8 . IV
Vgl. Vgl. HARLE/SQRIG (2994), S. 508 f. Vgl. PETROV/KELLER/SPECKAMP (2005), S. 547
In Deutschland lag die durchschnittllche Unterbrechungszeit in der Stromversorgung bei 15 min / Jahr. In Italien lag diese bei 195 min / Jahr, also 13 mal hoher (vgl. BRUNEKREEFT / TWELEMANN (2004). S. 168).
Die Liberalisierung des Energiemarktes in Deutschland
269
Auswirkungen einer Verringerung von Reinvestitionen in das Netz treten nicht zeitnah auf, sondern zeigen sich erst langfristig in einer Verschlechterung der Versorgungsqualitat und -sicherheit.
Verbraucherpreise im internationalen Vergleich Elektrizitat (in US-Cent/kWh)
DHaushalte • Industrie Abb. 93:
4.3
Verbraucherpreise 2004 im internationalen Vergleich
Die L i b e r a l i s i e r u n g d e s E n e r g i e m a r k t e s in D e u t s c h l a n d
Wie bereits dargestellt worden ist, wurden von der EU umfangreiche Richtlinien eriassen, urn die Liberalisierung des Energiemarktes umzusetzen und damit einen Wettbewerb zu etablieren. Die Richtlinien der EU haben dazu gefuhrt, dass in Deutschland das Energiewirtschaftsgesetz uberarbeitet und groflteils den Anforderungen der EU-Richtlinle angepasst wurde. Es sei jedoch darauf hingewlesen, dass insbesondere auf der Stufe der Ubertragungsnetzbetreiber Anforderungen der EU-Rlchtlinie nicht berucksichtigt wurdenJ^'^^ Da sich jedoch alle Ubertragungsnetzbetreiber konform zur EU-Richtlinie entflochten haben, sind die geringeren Anforderungen der Neufassung des EnWG nicht von Relevanz. Da fur die Energieversorgungsunternehmen jedoch die deutsche Gesetzgebung und damit die NeufasVgl. BuNDESMiNiSTERiUM FUR WiRTSCHAFT UNDTECHNOLOGIE (2006), Tabellen 29 und 30 Es sei darauf hingewiesen, dass die fehlenden Daten von dem Bundesministerium fur Wirtschaft und Technologie nicht veroffentlicht wurden. So fordert beispielsweise die EU-Richtline 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 in Artikel 10, Abs. 1, dass Ubertragungsnetzbetreiber rechtlich von den ubrigen Tatigkeitsbereichen getrennt sein mussen. Dieser Artikel wurde in der Neufassung des EnWG nicht berucksichtigt. Des Weiteren legt die Richtlinie die Umsetzung der rechtlichen Trennung zwischen Ubertragungsnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber, sowie das Legal Unbundling innerhalb des Ubertragungsnetzbetreibers zwischen dem Netzbereich und dem Vertriebsbereich bis zum 1. Juli 2004 fest (Artikel 30, Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 10, Abs. 1 und 2). Diese Frist ist auch nicht Bestandteil des EnWG.
Untemehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
270
sung des EnWG bindend ist, wird in den folgenden Ausfuhrungen das EnWG zugrundegelegt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind im Wesentlichen drei Gesetzesanforderungen von Relevanz: Die Anforderungen zum Unbundling von Energieversorgungsunternehmen (§ 6 bis § 10 EnWG) Die Einfuhrung einer Anreizregulierung fur den Netzbereich (§ 21a EnWG) Das Regulierungsmanagement (§8 Abs. 5, § 12 Abs. 3a, § 14 Abs.1, §23a, Abs. 3, §29 - § 35. § 51 Abs. 1 und § 69 Abs. 1 EnWG)
-
In den folgenden drei Kapitein werden diese Gesetzesanforderungen diskutiert und die Auswirkungen fur die Energieversorgungsunternehmen aufgezeigt. 4.3.1
Das Unbundling der Energieversorgungsunternehmen
Ein wesentlicher Schritt zur Liberallsierung von angebotsmonopolistischen Markten ist die Trennung des monopolistischen Bereichs von den ubrigen Bereichen eines Unternehmens. Mit dieser Entflechtung werden drei Ziele verfolgt: -
Schaffung von Transparenz, Verhinderung von Diskriminierung und Unterbindung von Quersubventionen der nichtmonopolistischen Bereiche durch den angebotsmonopolistischen Bereich.
EIne derartige Trennung kann unterschiedliche Auspragungen annehmen, wie in Abb. 94 dargestellt ist. Dabei nimmt der Umfang der Entflechtung vom buchhalterischen Unbundling bis zum Eigentumerunbundling stetig zu. Da letzteres jedoch nicht Gegenstand des EnWG ist, wird es in folgenden Ausfuhrungen nicht dargestellt. Buchhaiterisches Unbundling
informationelles Unbundling
Organisatorisches Unbundling
Legal Unbundling
Trennung der Rechnungslegung je Wertschopfungstiefe
Trennung der Informationsflusse je Wertschopfungstiefe
Organisatorische Trennung der Teilbereiche wie eigenstandige Unternehmen
Gesellschaftsrechtliche Trennung der Wertschopfungsstufen mit eigener Rechtspersonlichkeit
Trennung der EigentQmerschaft je WertschOpfungsstufe
§ 10 EnWG
§ 9 EnWG
§ 8 EnWG
§ 7 EnWG
Vom Europaischen Parlament und Rat der Europaischen Union abgelehnt
Nur verpflichtend fur Unternehmen, an die 100.000 Oder mehr Kunden unmittelbar Oder mittelbar angeschlossen sind
Zun^hmendf^r U m f a i ^ chE^r Sm^l$^^e^mms
Abb. 94:
Auspragungen des Unbundlings
Vgl. auch SEIFERTH / WENZEL / CORD / NEUMANN / HARTMANN (2003), S. 225
ElgentQmdrunbundling
Die Liberalisierung des Energiemarktes in Deutschland
271
Das buchhalterische Unbundling beschreibt die Trennung der Rechnungslegung der einzelnen Geschaftsaktivitaten eines (integrierten) UnternehmensJ°^^ So schreibt das EnWG zur Vermeidung von Quersubventionierungen und Diskriminierungen vor, dass vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen in ihrer internen Rechnungslegung jeweils getrennte Konten fur die Elektrizitatsubertragung, Elektrizltatsvertellung, Gasfernleitung, Gasverteiiung, Gasspelcherung und LNG-Anlagen fuhren. Dabei sind die Konten derart zu fuhren, wie dies erforderlich ware, wenn die aufgefuhrten Tatigkeiten von rechtlich selbstandigen Unternehmen durchgefuhrt wurdenJ°^^ Das buchhalterische Unbundling stellt die mlldeste Form der aufgefuhrten Entflechtungsmafinahmen dar. Aus dem Blickwinkel der volkswirtschaftlichen Monopoltheorie sind die folgenden Nachteile auszumachen:^°'^^
-
Es bestehen unternehmensindividuelle Wahlrechte in Bezug auf Ansatz und Bewertung von Aktiva und Passiva sowie in Hinblick auf die Zuordnung zu den Tatigkeitsbereichen, die Betrachtung ist ausschliefllich eine nachtragliche ex post-Betrachtung, so dass nur eine eingeschrankte nachtragliche Kontrolle moglich ist und andere Formen wettbewerbsverhindernden Verhaltens wie belspielsweise informelle Absprachen lassen sich weder ex ante verhindern noch ex post aufdecken.
Das informationelle Unbundling beschreibt die dauerhafte Separierung von innerbetrieblichen Datenbestanden und zudem die Unterbindung unerwunschter Datenflusse zwischen den getrennten Wissensbereichen.''°^^ Fur integrierte Energieversorgungsunternehmen ist dabei sicherzustellen, dass wirtschaftlich sensible lnformationen,^°^^ die der Netzbereich aus seiner Tatigkeit erhalt, nicht diskriminierend an den Vertrieb weitergeleitet werden, sondern deren Vertraulichkeit gewahrt bleibtJ°^° Dies betrlfft insbesondere netzkundenbezogene Daten, die der Vertrieb diskriminierend den Handlern gegenuber verwenden kann. Das informationelle Unbundling umfasst neben den formalen Informationswegen und -zugriffen wie Datenzugriffsrechte und prozessuale Aspekte auch die informalen Wege. So ist belspielsweise sicherzustellen, dass die Mitarbeiter des Netzes und des Vertriebes nicht informal Informationen austauschen. HIerzu sind belspielsweise entsprechende Arbeitsanweisungen zu eriassen. Problematischer wird dies jedoch, wenn die Energieversorgungsunternehmen so klein sind, dass fur kritische Bereiche nur wenige oder sogar nur ein Mitarbeiter eingesetzt wIrd. Wie bei derartlgen Unternehmen ein informationelles Unbundling ohne Personalaufwuchs durchgefuhrt werden kann, ist derzeit noch unklarJ°^^ Es sei angemerkt, dass aus dem informationellen Unbundling zumeist umfangreiche Anpassungen insbesondere im Bereich der betrieblichen Datenverarbeitung resultierenJ°^^ So stellen belspielsweise WICHA-KRAUSE / RIEDEL / SCHOLZ fest „Sowohl das Unbundling an sich als auch die daraus resultierende Rollenvertellung im liberalisierten Markt stellen die IT 1076 1077 1078 1079
1081 1082
Vgl. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004a), S. 160 Vgl. §10Abs. 3EnWG Vgl. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004a), S. 160 f. Vgl. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004a), S. 161 Es sei angemerkt, dass derzeit noch Unklarheit besteht, was unter wirtschaftlich sensiblen Informationen zu verstehen ist (vgl. Vgl. DORPRIGTER (2005), S. 351). Es gibt jedoch die Tendenz, in der Praxis den strengen Grundsatz anzusetzen, dass alle Daten und Informationen als wirtschaftlich sensibel anzusehen sind (vgl. APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2006), S. 40). Vgl. § 9 Abs. 2 EnWG Vgl. DORPRIGTER (2005), S. 351 und APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2006), S. 40
Vgl. BEERING/WEHNER (2004), S. 178
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Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
in den Unternehmen vor grolie Herausforderungen."^°^^ Zu einem ahnlichen Ergebnis kommt eine Befragung der IDS Scheer AG, bei der die Befragten einen markanten Handlungsbedarf im informatorischen Unbundling und die grofite Hurde in der Umsetzung sehen J^^"^ Erschwerend wirkt sich zudem aus, dass einige Losungen von Softwareherstellern nur dann funktionieren, wenn alle Module von dem entsprechenden Hersteller bezogen werden J°^^ Das organisatorische Unbundling^^^^ beschreibt die Unabhangigkeit eines Netzbetreibers von dem mit ihm verbundenen, vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen. Damit soli sichergestellt werden, dass der Netzberelch nicht der Weisungsbefugnis eines vertikal integrierten Unternehmens unterliegt, da andernfalls ein diskhmlnierungsfreies Verhalten nicht sichergestellt ist. So fuhrt das EnWG aus, dass Personen, die mit Leitungsaufgaben fur den Netzbetreiber betraut sind oder die Befugnis zur Letztentscheidung besitzen, keine Angehorige von betrieblichen Einrichtungen des vertikal integrierten EVU sein durfen, die direkt oder indirekt fur den laufenden Betrieb in den Bereichen der Gewinnung, Erzeugung Oder des Vertriebs von Energie an Kunden zustandig sind. Des Weiteren sind die Mitarbeiter, die sonstige Tatigkeiten des Netzbereichs durchfuhren, der fachlichen Welsung der Leitung des Netzbetreibers zu unterstellenJ°^^ Aus diesen Ausfuhrungen wird auch ersichtlich, dass eine Personalunion nicht eriaubt ist.^°^^ Es sei angemerkt, dass sich das organisatorische Unbundling in Deutschland nur eingeschrankt umsetzen lasst, wenn nicht parallel dazu das im Folgenden beschriebene Legal Unbundling umgesetzt wird.''°^^ Denn nach § 76 Abs. 1 AktG ist der Vorstand ein Kollegialorgan zur Leitung eines Unternehmens, was einer Separation der Fuhrung und Verantwortung fur den Netzbereich vom ubrigen Unternehmen widerspricht. Ahnliches gilt fur eine GmbH, da hierbei die Gesellschafter jederzeit gegenuber den Geschaftsfuhrern weisungsbefugt sind,^°^° was der Grundidee des organisatorlschen Unbundlings wlderspricht.^°^^ Die letzte Stufe ist die gesellschaftsrechtliche Trennung des Netzbereichs von den vertrieblichen Bereichen, das Legal Unbundling. Hierdurch werden alle im Zusammenhang mit dem Netzmonopol durchgefuhrten Fuhrungstatigkeiten von den ubrigen Geschaftstatigkeiten derart separiert, dass die Leitung der Monopolaktivitaten unter dem rechtlichen Dach einer eigenen juristischen Person agiertJ°^^ Das Legal Unbundling verpflichtet die betroffenen Unternehmen, eine Netzgesellschaft auszugrunden. Die Variante, dass die Monopolaktivitaten dadurch von der ubrigen Geschaftstatigkeit separiert werden, dass der Vertrieb ausgegliedert wird, erfullt die Anforderungen des EnWG nicht. Denn wenn der Vertrieb ein Tochterunternehmen des Netzes ist, werden Gewinne und insbesondere auch die Verluste der ausgegrundeten Vertriebsgesellschaft mit der Netzgesellschaft verrechnet, so dass damit unterstellt wird, dass die Unabhangigkeit der Netzgesellschaft hierdurch nicht mehr gegeben ist.
1083 1084
1091 1092
WICHA-KRAUSE / RiEDEL / ScHOLZ (2003), S. 366 Vgl. IDS SCHEER (2005), S. 380 Vgl. DORPRIGTER (2005), S. 351 f. Es sei angemerkt, dass Synonym auch der Begriff des operationellen Unbundlings (vgl. bspw. SCHOON (2004), S. 606 Oder § 8 EnWG) oder des personellen Unbundlings (vgl. bspw. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004a), S. 161) ven/vendet wird. Vgl. § 8 Abs. 1 EnWG Vgl. SCHLOTJUNKER / RUBNER (2004), S. 13 Vgl. HOHMANN (2004), S. 823 Vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG Vgl. HOHMANN (2004), S. 823 Vgl. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004a), S. 162
Die Liberalisierung des Energiemarktes in Deutschland
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Diese rechtliche Trennung ist, genauso wie das organisatorische Unbundling, nicht fur alle Energieversorgungsunternehmen verpflichtend, sondern lediglich fur diejenigen, die mittelbar Oder unmittelbar mindestens 100.000 Kunden versorgen.^°^^ Jedoch ist hierbei zusatzlich die Konzernklausel zu berucksichtigen. Denn nach dieser Klausel mussen auch Unternehmen mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden organisatorisch und rechtlich entflechten, wenn einer seiner Gesellschafter zum Legal Unbundling verpflichtet ist und dieser Gesellschafter einen bestimmenden Einfluss auf das Unternehmen ausuben kann. Dies ist auch bei Beteiligungen unter 50,1 % moglich, wenn Zusatzvereinbarungen wie beispielsweise Vetorechte Oder eine Sperrminoritat vereinbart sind.^"^"^ In diesem Fall wird ein derartiges Unternehmen zu einem vertikal integrierten Unternehmen gezahlt.^°^^ Die Anzahl der Stadtwerke und Regionalversorger, fur die das Legal Unbundling bindend sein wird, ist noch nicht genau zu eruieren, sie wird jedoch auf 260-280 geschatzt.^°^^ Damit sind ca. 39 % der Stadtwerke in Deutschland von der gesellschaftsrechtlichen Entflechtung tangiert.^°'' Bestehendes EVU
Netz
Vertrieb
Service
Netzfuhrungsgesellschaft
Strategische Holding
EVU-Holding
Zwischenmodelle '^"1
Netzser-
Vertrieb
V
Service
Netz
Service
Vertrieb
Netz- 1 1 Vertriebs-1 AR geseilgesellschaft 1 1 schaft 1
NFG AR: Abrechnungsgesellschaft NFS: Netzfuhrungsgesellschaft
ZunehmeiMler Umfimig 4e^ fiojm^imfkmmgi
Abb. 95:
>
Moglichkeiten der ErfiJIIung der Anforderungen des Legal Unbundlings
Die Konzernklausel hat erhebliche Auswirkungen fur kleinere Unternehmen, die vom Legal Unbundling betroffen sind. Denn dadurch, dass parallel zwei selbstandige Unternehmen Vgl. § 7 Abs. 2 EnWG Vgl. bspw. RAUSCH / LIESENHOFF (2003), S. 7
Vgl. hierzu die Konzernklausel, Art. 3 Abs. 3 der Fusionskontrollverordnung, Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 uber die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlijssen und § 3 Abs. 38 EnWG. Die Schatzung wurde vom Ansprechpartner des Verbands kommunaler Unternehmen e.V., Herrn Peter Reitz, telefonisch am 02.02.2006 abgegeben. Derzeit existieren in Deutschland ca. 700 Stadtwerke (vgl. VDEW (2004b), S. 13). Eine ahnliche Einteilung nehmen SCHLOTJUNKER / RUBNER vor (vgl. SCHLOTJUNKER / RUBNER
(2004), S. 15). Die Ausfuhrungen wurden jedoch modifiziert, da sie zum einen den Extrempol der geringsten Ausgrundung, die Netzfuhrungsgesellschaft, nicht berucksichtigt und zum anderen in der dargestellten Form gegen Artikel 10, Abs. 1 der EU-Richtline 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 verstoden.
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
274
etabliert werden mijssen, werden Funktionen wie beispielsweise die Durchfuhrung von Leitungsfunktionen, Controlling- und Rechnungswesenfunktion oder auch die Durchfuhrung des Jahresabschlusses gedoppelt, woraus insbesondere bei den kleinen Unternehmen ein im Verhaltnis zur Unternehnnensgrolle wesentlicher Personalaufwuchs resultiert. Die Umsetzung des Legal Unbundling kann unterschiedlich erfolgen. In Abhangigkeit von der strategischen Ausrichtung des Unternehmens sind die unterschiedlichsten Modelle zwischen den beiden Polen „Ausgrundung einer reinen Netzfuhrungsgesellschaft", in die lediglich die betroffenen Fuhrungsfunktionen ausgelagert werden und der „strategischen Holding", die unterschiedliche selbstandige Gesellschaften unter einem gemeinsamen Dach zusammenfasst, moglich (siehe Abb. 95)J°^^ Eine Studie der Unternehmensberatung A T . Kearney hat gezeigt, dass keines der befragten Stadtwerke anstrebt, eine umfassende strategische Holding aufzubauen, vielmehr strebt die Mehrzahl eine Ausgliederung einer kleinen Netzfuhrungsgesellschaft an, bei der das Eigentum des Netzes weiterhin bei dem Energieversorgungsunternehmen verbleibt.^^°°
Erhohung der Transparenz Effizienzsteigerung Hohere Marktorientierung Regulative Erfordernisse Erhohung der Steuerbarkeit Verbesserte Kooperationsmoglichkeiten mit Dritten Erhohung des Shareholder Values Ennpowerment des ausgegrundeten Bereichs 60%
Abb. 96:
Unbundling-Grijnde nach Booz Allen & Hamilton
Der wesentliche Vorteil einer reinen Netzfuhrungsgesellschaft liegt in dem vergleichsweise geringen Umsetzungsaufwand. Jedoch 1st der Aufwand der effizienten Durchfuhrung von Prozessen und zur Sicherstellung der Vertraulichkeit grofi. ^^°^ Des Welteren besteht die Gefahr, dass langfristig haufigere Anpassungen der Strukturen notwendig werden.^^°^ Dahingegen ermoglicht die strategische Holding einen groHen Spielraum fur die Unternehmensentwicklung. So sind hierdurch individuelle Kooperationen, Veraufterungen und Zulaufe auf jeder Wertschopfungsstufe moglich.''''°'^ Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Ausgrundung einer Netzfuhrungsgesellschaft lediglich der Erfullung der gesetzli-
Einen umfassenderen Uberblick ijber die Moglichkeiten der Ausgrundung von Netzgesellschaften geben WOLF / PORBATZKI / HILLER (vgl. WOLF / PORBATZKI / HILLER (2006), S. 46 ff.). 1100 1101 1102 1103 1104
Vgl. WENZEL/CORD (2004), S. 127 f. Vgl. SENDER (2003), S. 4 Vgl. SCHLOTJUNKER / RUBNER (2004), S. 15
Vgl. FORSTER/HEINZE (2005), S. 793 Vgl. SCHLOTJUNKER/RUBNER (2004), S. 15
Die Liberalisierung des Energiemarktes in Deutschland
275
Chen Mindestanforderungen dient und somit eine Aufwandsminimierung vorliegt, wohingegen die strategische Holding das Unbundling als Chance zu einem Wandel auffasst.^^°^ Hierdurch wird bereits deutlich, dass das Legal Unbundling nicht nur Risiken fur ein Unternehmen birgt. So hat eine Umfrage der Unternehmensberatung Booz Allen & Hamilton ergeben, dass in dem Unbundling auch Chancen gesehen werden (siehe Abb. 96). EnA/ahnenswert sind hierbei insbesondere zwei Aspekte, die sich inn Vergleich zu einer Vergleichsstudie aus dem Jahr 2000 ergeben haben. Zum einen wird die erhohte Transparenz als positives Element erkannt, zum zweiten hat sich die Anzahl der Unternehmen, die das Unbundling als verbesserte Kooperationsmoglichkeit mit Dritten ansehen, verdreifacht.^^°^ Die Kosten des Legal Unbundling wird von der Wirtschaftsprufungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers in den ersten funf Jahren je nach Unternehmenstyp und -grofie auf 3,64 Mio. Euro bis 7,58 Mio. Euro geschatzt, die Einmalkosten liegen je nach betrachteten Unternehmenstyp bei 13 % bis 25 % der Gesamtkosten der ersten funf Jahre.^^°^ Einer anderen Studien zufolge resultieren aus der Umsetzung des Legal Unbundling Mehrkosten von drei bis zehn Millionen Euro fur eIn Stadtwerk mittlerer Gr6fle.^^°^ Ohne die Hohe der ermittelten Kosten im Detail bewerten zu wollen, zeigen die Groftenordnungen, dass trotz der Chancen des Unbundlings die Unternehmen einem erheblichen Kostendruck ausgesetzt sein werden. Dieser wird noch dadurch verscharft, da neben dem Unbundling die Einfuhrung einer Anreizregulierung im EnWG vorgesehen ist, wie das folgende Kapitel darstellt.
4.3.2
Die Anreizregulierung zur Steigerung der Effizienz
Zur Steigerung der Effizienz des Netzbereichs ist in §21 a EnWG die Anreizregulierung verankert. Die Anreizregulierung beruht auf Erfahrungen aus dem Ausland und der Regullerung des Telekommunikationsbereichs. Das Prinzip dieser Regulierung ist, dass die Regullerungsbehorde konkrete Effizienzvorgaben macht, um dadurch bestehende Effizienzreserven zu nutzen.^^°^ So werden auf Basis von Benchmarkingergebnissen Erios- oder Preisobergrenzen definiert, was Anreize fur die Energieversorgungsunternehmen zur Produktionssteigerung schafft.^^^° Wie in Abb. 97 dargestellt, werden dadurch einerseits Anreize fur die Unternehmen geschaffen, die Effizienzvorgaben der Regulierungsbehorde noch zu ubertreffen, da hierdurch zusatzliche Effizienzgewinne realislert werden konnen, andererseits sind Unternehmen, deren Netznutzungsentgelte oberhalb der Grenze liegen, zur Steigerung der Effizienz gezwungen, damit der Netzbereich nicht defizitar wird. Es sei in diesem Zusammenhang erganzt, dass hierbei strukturelle Unterschiede dadurch berucksichtlgt werden, dass einzelne Strukturklassen gebildet werden. Hierdurch wird verhindert, dass Unterneh-
Eine ahnliche Untergliederung nehmen APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN vor, wobei sie nicht die Optionen einer strategischen Holding aufzeigen, sondern allgemein die Option als „grundsatzliche strategische Weichenstellungen wie etwa den Aufbau bzw. die Vertiefung von Kooperationen oder die Optimierung der Geschaftsprozesse" beschreiben (APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2006), S. 36). 1106
Vgl. SENDER (2003), S. 4
1107
Vgl. WiEDMANN / LANGERFELDT (2004b), S. 248 Folgerichtig haben in einer Studie von FORSTER / HEINZE auch 87 % der befragten Energieversorgungsunternehmen Maflnahmen zur Steigerung der Effizienz als bedeutend bewertet (vgl. FORSTER/HEINZE (2005), S. 793). Vgl. O.V. (2005b), S. 377 Vgl. BUDENBENDER (2005), S. 653 Vgl. WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 778
276
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
men, deren Netzgebiet in Regionen liegt, die nur aufwendig zu erschlieften sind, mit anderen Regionen verglichen werden, die einen gunstigen Netzbetrieb ermoglichen.^^^^ k.
Netznutzungentgelte
Max. Entgelte —
1 © Festgelegte Obergrenze
r
J
1
Max. Entgelte —p=;-
Obergrenze
©
^ Max. Entgelte ^
T
Obergrenze
|
Min. Entgelte (best practice)
^ ~
Entwicklung der Netznutzungsentgelte
•
/^T\ / 0 | Kostensenkungsprogramme in der 1. bzw. 2. Periode infolge v_y K-J zu hoher Netznutzungsentgelte
Abb. 97:
Zeit
Auswirkung der Anreizregulierung auf die Entwicklung der Netznutzungsentgelte
Die Anreizregulierung ist derzeit noch nicht bindend, sondern wird erst durch eine Rechtsverordnung eingefuhrt.''^^^ Damit werden derzeit die Netznutzungsentgelte noch nach dem Cost-plus-Vefahren kalkuliert, bei denen die Energieversorger anhand eines definierten Kalkulationsleitfadens ihre Netzkosten ermittein; Bestandteil dieses Kalkulationsleitfadens ist auch eine festgelegte Verzinsung der eingesetzten AssetsJ^^^ Auch wenn die Netznutzungsentgelte Innerhalb einer definierten Spanne liegen mussen und ansonsten einer gesonderten Genehmigung bedurfen, birgt dieses Verfahren jedoch die Gefahr, dass Energieversorgungsunternehmen nur geringe Anreize zur Effizienzsteigerung haben, da ihre Kosten zur nachsten Stufe weltergereicht werden J ^^"^ Denn ein Unternehmen generiert keinen zusatzlichen Nutzen, wenn im Netzbereich Effizienzpotenziale erschlossen werden, da dadurch seine Kosten und damit auch die Eriose aus den Netznutzungsentgelten sinken. Dies verdeutlicht die Brisanz der Anreizregulierung fiir die Netzbetreiber. Denn einem realen Effizienzdruck sind die Energieversorgungsunternehmen im Netzbereich in der Vergangenheit nicht ausgesetzt gewesen. Mit der Einfuhrung der Anreizregulierung wird der Druck zu einem effizienten Netzbetrieb deutlich erhoht. Dies zeigen auch exemplarische Benchmarkingergebnisse. So hat beispielsweise eine Studie von WOLF / PORBATZKI / HILLER ergeben, dass die Mehrheit der Netzbetreiber teilweise signifikante Effizienzdefizite von bis zu 20 bis 30 % aufweisen.^^^^ In Abhangigkeit von der Definition der Prelsobergrenzen kann dadurch bereits zu Beginn der Anreizregulierung ein erheblicher Kostendruck entstehen. Dieser Kostendruck darf jedoch nicht zu Ungunsten der Versorgungssicherheit gelost werden, da die Versorgungssicherheit und -qualitat von wesentlicher Bedeutung fiir den Endkunden
Es exististieren die unterschiedlichsten Modelle, wie die Anreizregulierung ausgestaltet werden kann. Zum Uberblick und Aufzeigen offener Fragen vgl. bspw. FRANZ / SCHAFFNER / TRAGE (2005), S. 89 ff. §21aAbs. 6Satz1 EnWG
1113
Vgl. BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE E.V. U.A. (2001), S. 6 ff und § 21 EnWG
1114
Vgl. BQDENBENDER (2005), S. 653
1115
Vgl. WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 779
Die Liberalisierung des Energiemarktes in Deutschland
277
istJ^"*^ Vergleichbare Markte wie das Beispiei der Telekommunikation zeigen jedoch, dass Effizienz und Servicezuverlassigkeit keine Gegensatze sein mussenJ^^^ Nach derzeitigem Stand wird die Anreizregulierung 2007 eingefuhrt.^^^^ Der bereits zitierten Studie von WOLF / PORBATZKI / HILLER zufoige bewirkt die Einfuhrung, dass die Netznutzungsentgelte inflationsbereinigt jahrlich urn mehrere Prozent sinken werden.^^^^ Damit wird deutlich, dass die Energieversorgungsunternehmen im Jahr 2007 vor erheblichen Herausforderungen stehen, da sie einerseits die Anforderungen des Legal Unbundling erfullen mussen und andererseits durch die Anreizregulierung einem erheblichen Effizienzdruck ausgesetzt sind. Es ist ein Sinken der Netznutzungsentgelte zu erwarten. So sanken die Netznutzungsentgelte in den Landern, in denen eine Regulierung bereits etabliert ist, urn 1,3 % in Schweden bis 25 % in Belgien. Eine Ausnahme bildete lediglich Grofibritannien, wo in der ersten Periode die Netznutzungsentgelte zunachst stiegen und erst spater deutlich 11-17 % (1996) bis 1933 % (2000/01) sanken. Derartige Reduzierungen sind jedoch nicht nur fur die erste Periode zu erwarten, da zumeist auch in den Folgeperioden die Netznutzungsentgelte urn 2,1 bis 6 % gesenkt werden konnten.^^^° In welchem Ausmafl die Netznutzungsentgelte in Deutschland sinken werden, ist derzeit noch nicht abschatzbar. Es wird jedoch vermutet, dass aufgrund der Bedeutung von Umweltschutz und Versorgungssicherheit die Entgelte nicht in dem aufgezeigten Ausmafi wie beispielsweise in Grofibritannien sinken werden;^^^^ da jedoch die Kosten des Unbundlings signifikant sind, wird auch bei einem geringen Sinken ein erheblicher Handlungsdruck erzeugt.
4.3.3
Das Regulierungsnnanagement
Vor der Novellierung des EnWG existierte im deutschen Energiemarkt keine Regulierungsbehorde. Die Regein der Zusammenarbeit und der Marktiiberalisierung wurde durch eine Selbstverpflichtung der Unternehmen definiert, die in Verbandevereinbarungen festgehalten wurden.^^^^ Dieses Vorgehen, dass auch als der deutsche Sonderweg bezeichnet wird, da er im europaischen Vergleich einmalig ist,^^^^ ist teilweise deutlich kritisiert worden.^^^"^ Kern der Kritik sind einerseits die hohen Netznutzungsentgelte und andererseits der fehlende Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt. Mit der Novellierung des EnWG werden Regulierungsbehorden, die Bundes- bzw. Landesnetzagenturen, mit der Regulierung der Gas- und Strommarkte betraut. Hierdurch ergeben sich fijr die Energieversorgungsunternehmen zwei neue Herausforderungen, das operative 1116 1117 1118 1119 1120
1121 1122 1123 1124
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
P E T R O V / K E L L E R / S P E C K A M P (2005), S. 547 LAMPRECHT (2005), S. 781 WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 779 WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 779 HARLE / SURIG (2994), S. 508
Es sei angemerkt, dass im Zusammenhang mit der Reduktion der Netznutzungsentgelte lediglich die Entwicklungen in NonA/egen, Osterreich, Grodbritannien und Portugal aufgefuhrt wurden. Vgl. HARLE/SURiG (2994), S. 509 Vgl. BuNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE E.V. u.A. (2001) fur die Sparte Strom bzw. BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE E.V. U.A. (2002) f u r d i e Sparte GaS Vgl. KOMMISSION DER EUROPAlSCHEN G E M E I N S C H A F T E N (2002), S. IV
Vgl. bspw. FocHT (2001), o.A. (2002) und LEPRICH (2002)
278
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
Management von Regulierung als Tagesgeschaft und die Regulierung als strategische GrofleJ^^^ Die Regulierung als Tagesgeschaft umfasst die systematische und konsistente Interaktion mit den Regulierungsinstanzen, wozu LAUE insbesondere -
die Bereltstellung der gesetzlich erforderllchen Informationen, die Kanalisierung der eingehenden Anfragen des Regulierers, deren Prufung auf Zulassigkeit, die Steuerung der Bearbeitung der Anfragen im Unternehmen, die Sicherstellung der Konsistenz der erarbeiteten Ergebnisse sowie die Dokumentation der eingehenden Anfragen und gelieferten Antworten
versteht.^^^^ Derartige Aufgaben sind von besonderer Relevanz, da die Berichtspflichten an die Regulierungsbehorden einerseits sehr umfangreich sind und zunn anderen fehlerhafte Oder unabgestimmte Berichte weitreichende Folgen haben konnen. Aufgrund dessen wird zusatzlich die Etablierung eines strategischen Regulierungsmanagements vorgeschlagen, das vor dem Hintergrund der bevorstehenden Anreizregulierung die nachhaltige Sicherung der Ausschiittungsfahigkeit aus dem Netzbetrieb fordern und zur Erhaltung des Werts der Assets des Netzes beitragen soll.^^^^ Dies soil unter anderem durch die Beobachtung des Verhaltens der anderen Netzbetreiber, dem Pflegen von Kontakten zu Stakeholdern und Behorden und die kontinuierliche Uberwachung und Verbesserung der regulierungsrelevanten Prozesse realisiertwerden. Das Regulierungsmanagement ist eine Aufgabe, die von jedem Energieversorgungsunternehmen unabhangig von seiner Grolie durchgefuhrt werden muss. Werden die ersten Anfragen der Bundesnetzagentur zugrunde gelegt, deutet sich an, dass die einzelnen Unternehmen umfangreiche Berichte zu erstellen haben.^^^^ Hieraus folgt wiederum, dass insbesondere fur kleinere Energieversorgungsunternehmen der Wettbewerbsdruck welter steigt. So gehen Schatzungen davon aus, dass Stadtwerke unter 100.000 Kunden ca. 2,5 Mitarbeiterjahre fur das operative und strategische Regulierungsmanagement einsetzen mussen; bei Stadtwerken und Regionalverteilern uber 100.000 Kunden sind hierfur sogar fijnf Mitarbeiterjahre notwendig. Praktisch dieselben Kapazitaten (2,4 bzw. 5 Mitarbeiterjahre) werden zudem fur die Zuarbeiten des Regulierungsmanagements erforderllch, so dass ein Personalaufwuchs von funf bzw. zehn Mitarbeiterjahren notwendig wlrd.^^^^ Wird dies in Verhaltnis zu den Personalstarken kleinerer Weiterverteiler und Stadtwerke gesetzt, wird die Relevanz deutlich. So liegen die typischen Personalstarken kleiner Weiterverteiler zwischen 3 und 200 Mitarbeltern. Aus dem Regulierungsmanagement resultiert demnach ein Personalaufwuchs von 2,5 bis 166 %.
1126 1127
Vgl. LAUE (2005), 8. 330 Vgl. LAUE (2005), S. 330
Vgl. hierzu und den folgenden Ausfuhrungen LAUE (2005), 8. 331 Siehe hierzu die Berichtsanforderungen der Bundesnetzagentur unter http://www.bundesnetzagentur.de/enid/1cdd8872b3e3c735391cae7b99f748f2,0/Elektrizitaet/Ga s/Erhebung_von_Unternehmensdaten_1 rs.html Der Berichtsdruck verbunden mit kurzen Antwortfristen wird auch von LAUE festgestellt (vgl. LAUE (2005), 8. 330).
Vgl. DUDENHAUSEN (2005), 8. 5
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke 4.4
279
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Regionalverteiler und Stadtwerke fokussiert betrachtet. Denn diese beiden Auspragungen sind von den Auswirkungen der Neufassung aufgrund ihrer Grofte im Besonderen tangiert. Zudem weisen insbesondere Stadtwerke strukturelle Besonderheiten auf, die klassische Strategien wie beispielsweise Fusionen, urn kritische Groflen zu erreichen, oftmals schwer durchsetzbar werden lassen. Wie die folgenden Ausfuhrungen zeigen werden, wird nicht zuletzt deswegen in Netzwerken von Stadtwerken oder von Stadtwerken und Regionaiverteilern eine Losung fur die Anforderungen eines liberalisierten Marktes gesehen. 4.4.1
Besonderheiten von Regionalverteilern und Stadtwerken
Die Ausfuhrungen zu den Besonderheiten von Regionalverteilern und Stadtwerken konnen keinen Anspruch auf Allgemeingultigkeit haben. Denn, wie bereits dargestellt wurde, existieren in Deutschland uber 700 Stadtwerke und Regionalverteiler die von genossenschaftlich organlsierten Weiterverteilern mit drei Mitarbeitern bis zu Regionalverteilern mit ijber tausend Mitarbeitern reichen, die ganze Bundeslander in der Flache versorgen. In den folgenden Ausfuhrungen werden Besonderheiten beschrieben, die oftmals insbesondere auf Stadtwerke zutreffen:
-
Besonderheiten Besonderheiten Besonderheiten Besonderheiten
der Anteilseigner der Stadtwerke in der Gewinnverwendung von Stadtwerken der Unternehmenskulturen von Regionalverteilern und Stadtwerken der Mitarbeiterstruktur bei kleinen Stadtwerken
1) Besonderheiten der Anteilseigner der Stadtwerke Insbesondere bei Stadtwerken sind die Kommunen oftmals noch Anteilseigner, wobei seit Beginn der Liberalisierung die Energieerzeugung in vielen Fallen nicht mehr als Angelegenheit der ortliohen Gemeinschaft betrachtet wird, die vom Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG umfasst ist.^^^° Die Energieversorgung wird dagegen oftmals noch als Gemeindeaufgabe gesehen. Hieraus folgt, dass sich die Kontrollinstanzen dieser Stadtwerke dem Votum der Wahler stellen mussen, was Auswirkungen auf die Leitung der Stadtwerke hat.^^^^ So sind diese Stadtwerke zumeist starker gemeinwohlorientiert und gemeinwohlmotiviert. Damit wird jedoch die Gewinnorientierung und damit auch die Effizienz gemindert. Des Weiteren ist die Energieversorgung zumeist auf die Gemeindegrenzen beschrankt; eine Ausweitung der
Vgl. HAUSER (2004), 8. 98
Art. 28 Abs. 2 GG fuhrt aus „alle Angelegenheiten der ortliohen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regain". Die Auffassung, dass die Energieerzeugung und -versorgung nicht mehr als Gemeindeaufgabe gesehen wird, ist nicht unumstritten (vgl. bspw. BALZER(2000), S. 91).
Hierbei sei beispielhaft auf die Modernisierungstrends auf kommunaler Ebene hingewiesen (vgl. bspw. BOGUMIL / HOLTKAMP (2006), S. 72 ff.). So fuhrt beispielsweise die Direktwahl der Ven/valtungsspitze, des Burgermeisters, dazu, dass sich dieser direkt dem Wahler gegenuber fur Entscheidungen erklaren muss, die das Stadtwerk betreffen. Dieses Votum findet seine Extremform in Burgerentscheiden. So wurden beispielsweise 2003 uber 49 % der geplanten strategischen Partnerschaften durch Burgerentscheide abgelehnt (vgl. BRIESE / SCHUNEMANN (2003), S. 13). Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass BRIESE / SCHUNEMANN unter strategischen Partnerschaften Modelle von Fusionen auf der einen Seite bis zu Sperrminoritatsbeteiligung auf der anderen Seite verstehen.
280
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
Versorgung und damit der Markteintritt in fremde Versorgungsgebiete findet zumeist nicht statt.^^^2 2) Besonderheiten in der Gewinnverwendung von Stadtwerken Die Stadtwerke, bei denen die Kommunen noch die Mehrheitseigner sind, sind einer behordlichen Aufsicht unterstellt. Diese Stadtwerke stellen dabei in ihrer jetzigen Rechtskonstruktion zumeist eine wesentliche Finanzierungsquelle fur die Kommunen dar, mit deren Einnahmen defizitare, offentliche Bereiche quersubventioniert werden.^^^^ Diese Bereiche sind etwa der Personennahverkehr, kulturellen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Museen Aufgrund dieser Besonderheit und der Gemeinwohlorientierung resultiert, dass Stadtwerke, die sich noch im Mehrheitsbesitz der Kommunen befinden, zumeist nicht mit anderen Unternehmen fusionieren oder Mehrheitsbeteiiigungen verauflernJ^^^ Denn hierdurch wurden die Kommunen ihren Einfluss auf ihre Stadtwerke und eine wesentliche Elnnahmequelle verlierenJ^^^ Es sel angemerkt, dass sich diesbezuglich eine Trendwende volizogen hat, da zu Beginn der Liberalisierung Anteile von Stadtwerken noch eher veraudert wurden, da zu der Zeit noch nicht absehbar war, wie die Stadtwerke in dem iiberalisierten Markt bestehen wurden.^^^^ Da sich die Stadtwerke jedoch im Iiberalisierten Markt bisher bestehen konnten, werden sie zumeist nicht mehr verauflert. 3) Besonderheiten der Unternetimenskuituren von Regionalverteilern und Stadtwerken Regionalverteiler und Stadtwerke besitzen keine einheitliche Unternehmenskultur. Jedoch werden ihnen oftmals ahnliche Attribute unterstellt, wie beispielsweise das Attribut, dass sie wandelhemmend seien. Dem widerspricht jedoch KADUK, wenn er „Wandelblockaden", die aufgrund einer zu langen Arbeit der Mitarbeiter in einem Monopolmarkt existieren und sie dadurch entwicklungsresistent gemacht haben, im Rahmen seiner Untersuchungen nicht antreffen konnte.^^^^ Diese Aussage scheint der skizzierte Mitarbeiterabbau (siehe Abb. 90, Seite 265) zu stutzen, da ein derartiger Abbau grundsatzlich mit einem Wandel in einem Unternehmen verbunden ist. Jedoch auch diese Aussage ist zu pauschal und ihr soil deswegen im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ganzlich gefolgt werden. Denn KADUK stent in einer Analyse von Unternehmen der Energiewirtschaft zusatzlich fest, dass in EVU ein traditioneller Denkstil dominiert, der Veranderungen lediglich als Umsetzung von Programmen und Konzepten versteht.^^^^ Diese traditionelle Kultur beschreibt er als „statisch, maschinenahnlich"^^"^", was eine gewisse Anderungsresistenz impliziert. 1132
Vgl. HAUSER (2004), S. 98
1133
Vgl. o.V. (2000), 8. 11 und SCHAEFER (1999), S. 118ff. Es sei angemerkt, dass derartige Quersubventionen nach Schatzungen alleine beim offentlichen Personennahverkehr 20 % des Umsatzes betragen (vgl. ROTHE (2001), S. 48).
1134 1135
1138 1139 1140
Vgl. HAUSER (2004), S. 3
BoGUMiL / HoLTKAMP diskutieren in diesem Zusammenhang Instrumente zur Reduzierung der Steuerungsverluste. Dies kann beispielsweise ein modernes Beteiligungsmanagement sein BOGUMiL / HOLTKAMP (2006), S. 79 ff, sowle S. 76 ff. zu den Steuerungsverlusten). Es sei angemerkt, dass sich aufgrund dieser Problematik neue Modelle am Markt etablieren. So existieren beispielsweise Stadtwerkefonds, die derart gebildet werden, dass die Stadtwerke mit einem unabhangigen, finanzkraftigen Partner kooperieren, sie andererseits ihre Unabhangigkeit jedoch bewahren (vgl. HECKMANNS (2005), S. 13 f.). So wurde beispielsweise 1996 auf der Jahrestagung der Stadte, Gemeinden und Kommunen (SGK) der „Stadtwerkeverkauf aus Angst" (HOFFMANN (1996), S. 154) diskutiert. Vgl. KADUK; S. (2003), S. 11 Vgl. KADUK; S. (2003), S. 11 KADUK; S. (2003), 8. 9
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke
281
Urn nun eine Ausgangsbasis fur die vorliegende Arbeit zu schaffen, wird eine kulturelle Auspragung traditioneller Stadtwerke und Regionalverteiler in ihrer Extremform unterstellt und hierauf aufbauend Handlungsbedarf identifizlert. Die Extremform stellt dabei ein Unternehmen dar, das wandlungsfeindlich und nach innen gerichtet ist (siehe Abb. 98) und damit das Change Management vor die grofiten Herausforderungen stellt. Es wird damit unterstellt, dass Unternehmen, deren Kultur sich eher der Kultur ahnelt, die als besonders wandlungsfordernde Kultur identifiziert wurde (siehe Kapitel 3.5.3.1.4), geringere Anforderungen an das Change Management stellen. 1 Offenheit, Umweltorientierung
(IV) Kulturpragende Rolle der Mitarbeiter g Individuelle
(1) Offenheit von Unternehmenskulturen 2
Kulturpragung
Anderungsfreundlich Geschlos-
Mitglieder als Akteure
Kollektive,.,,---^l ^ ^ e i t , BinrifefK^^^ ^ B j y P pragung orientierung \ AndertingsMitglieder feindlioh als l^itarbeiter
7 NKostenorientierung \ Instru^ mentelle /"'^-v^rientierwnm
Spitzei^ orientier\jng 1 Einheitskulturelle Pragung
3 Basisorientierung
\ \
Nutzenorientierung
(III) Kulturpra- 6 gende Rolle der FiJhrung
Abb. 98:
Subkulturelle Pragung
Entwicklungsorientierung
(II) Dlfferenzierthelt von Unternehmenskulturen
Kulturelle Auspragung traditioneller Stadtwerke und Regionalverteiler in ihrer Extremform
Die beschriebene Kultur ist dabei eine Unternehmenskuitur, wie sie insbesondere zu Beginn der Liberalisierung in einer Vielzahl von Stadtwerken und Regionalversorgen anzutreffen war. Dies lasst sich aus dem Anderungsbedarf herleiten, der zu Beginn der Liberalisierung fur die Stadtwerke und Regionalversorger identifiziert wurde. Den Ausfuhrungen zufolge sind die Erhohung der Reaktionsfahigkeit, die Kundenorientierung, ein verstarktes Kosten- und Ergebnisbewusstsein sowie eine hohe Arbeits- und Kapitelproduktivitat von besonderer Relevanz, um im liberalisierten Markt zu bestehen.^^"^^ Inwieweit sich die einzelnen Unternehmenskulturen im liberalisierten Markt bereits gewandelt haben, ist unternehmensindividuell und kann deswegen nicht pauschal beantwortet werden.^^"^^ 1141
Vgl. BRETSCHNEIDER (2000), S. 14
1142
Es sei jedoch angemerkt, dass Kommunen oftmals fur sich reklamieren, dass ein kultureller Wandel bereits durchgefuhrt wurde. So beschreibt beispielsweise Gottschalk den Wandel zu
282
Untemehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
Fijr den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit sei angemerkt, dass eine Unternehmenskultur als angebotsmonopoiistisch-gepragte Unternehmenskultur bezeichnet wird, wenn sie der Kuitur ahnelt, die in Abb. 98 dargestellt ist. Wie aus der Abbildung deutlich wird, zeichnen sich die Unternehmenskulturen zusatzlich nicht durch eine einheitskulturelle Pragung aus. Dies liegt darin begrundet, dass zumindest zwei grundverschiedene Bereiche in einem Energieversorgungsunternehmen existieren, zum einen der technisch angebotsmonopolistische gepragte Netzbereich und zum anderen der kundenorientierte Wettbewerbsbereich des Energievertriebs. Aufgrund dieser subkultureilen Pragung kann auch nicht von einer einheitlichen Kuitur in einem Unternehmen ausgegangen werden, was eine kulturelie Ist-Analyse noch komplexer gestaitet. 4) Besonderheiten der Mitarbeiterstruktur bei kleinen Stadtwerken Wie bereits beschrieben wurde, bestehen am Markt weiterhin Weiterverteiler, die mit drei Mitarbeitern sehr klein sind.^^"^^ Diese Weiterverteiler zeichnen sich dadurch aus, dass einzelne Mitarbeiter die unterschiedlichsten Aufgaben innerhalb der Wertschopfungskette ubernehmen. Dies trifft jedoch auch noch bei grofieren Weiterverteilern zu, da eine Spezialislerung auf einzelne Aufgaben zu unterkritischen Kapazitaten fuhren wurde. Diese Besonderheit wurde bereits im Zusammenhang mit dem informatorischen Unbundling skizziert, trifft jedoch daruber hinaus auch auf Bereiche zu, die nicht vom informatorischen Unbundling betroffen sind.
einer neuen Kuitur, die wendiger, flexibler und selbstbewusster gegenuber fruher sei (vgl. GOTTSCHALK (2001), S. 41). So hat beispielsweise der klelnste, im Rahmen der Empirie untersuchte Weiterverteiler 240 Kunden; der Weiterverteiler hat drei Beschaftigte.
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke 4.4.2
283
Die Herausforderungen fur Regionalverteiler und Stadtwerke durch die Neufassung des EnWG
Allgemein lassen sich zunachst drei allgemeine Herausforderungen ableiten, die aus der Neufassung des EnWG resultieren: -
-
-
Die Erfullung der Anforderungen des En WG Unter der Pramisse, dass Energieversorgungsunternehmen ihre Tatigkeiten gesetzeskonform durchfuhren, ergeben sich eine Vielzahl von Anforderungen, deren Erfullung fijr die Unternehmen unabdingbar sind. Jedoch konnen sich durchaus in der Art und Weise der Umsetzung der Anforderungen Gestaltungsmoglichkeiten ergeben. Die Oberarbeitung der Effizienzziele Mit der dargestellten Zunahme des Effizienzdrucks auf die Unternehmen ergeben sich neue Anforderungen fur die Effizienzziele eines Unternehmens. Diese werden derart ausgestaltet werden, dass als Ziel eine hohere Effizienz unter Einhaltung der Anforderungen der Versorgungsquaiitat und -sicherheit gesetzt wird. Die Oberarbeitung der strategischen Ziele Die Neufassung des EnWG hat auch zum Ziel, den Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu forcieren. Damit wird jedoch eine Oberarbeitung strategischer Ziele notwendig, da eine ausschliedliche Steigerung der Effizienz in einem Wettbewerbsumfeld nicht ausreichend ist. Als Beispiel fur derartige Ziele sind beispielsweise CrossSelling-Ziele,^^'^'^ Ziele den Unternehmenswert betreffend^""^^ oder auch struktureile Ziele "^^ zu nennen.
Werden diese drei Herausforderungen auf das AGIL-Schema ubertragen, sind zunachst lediglich die Adaption-Funktion und die Goal Attainment-Funktion betroffen. Denn die Erfullung der Anforderungen des EnWG betrifft zunachst nur die Adaption-Funktion, da sich diese durch eine Modifikation des Leavitt-Schemas abbiiden lassen. Korrespondierend dazu betreffen die Zielvorgaben lediglich die Goal Attainment-Funktion. Diese singulare Betrachtung ist jedoch nicht zulassig, da, wie in Kapitel 2.2.2.4 dargestellt, eine Vielzahl von Interdependenzen zwischen den einzelnen Funktionen des AGIL-Schemas existieren. So zelgt Abb. 99 auf, dass durch die drei Anforderungen und die bestehenden Interdependenzen alle Funktionen des AGIL-Schemas betroffen sind.
''"^
Vgl. BOLLHEIMER (2005), S. 718
^^^^ ^^"^^
Vgl. HASLAUER / OSWALD (2003), S. 454 Vgl. BRINKMANN / PFAFFHAUSEN (2003), S. 21
Untemehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
284
Ziele, Umsetzungsrestriktionen Adaption
Goal Attainment
Latent Pattern Maintenance
( l ) bis (zj
Abb. 99:
:
Grundlegende Verhaltensweisen, Einstellungen Integration Kulturpragende Funktion des Gemeinschaftssystems
Herausforderungen des Neufassung des EnWG
Herausforderungen durch die Neufassung des EnWG
1) Die Erfullung der Anforderungen des EnWG Den Anforderungen zur Erfullung des EnWG mussen sich alle Energieversorgungsunternehmen stellen, wobei die wesentlichen Herausforderungen in der Organisation und der Anpassung der IT mit uber 80 % bzw. knapp 80 % gesehen werden.^^"^"^ Im Gegensatz zu groflen Unternehmen stehen jedoch insbesondere die kleinen Stadtwerke und Weiterverteiler, Fragestellungen der Bearbeitung von Vertriebs- und Netzaufgaben durch eine Person zu losen.^^"^^ Denn neben einem notwendigen Personalaufwuchs, der aus einer Doppelbesetzung resultieren wiirde, sind Arbeitsablaufe grundlegend neu zu definieren. Aus dem informationeilen Unbundling resultiert demnach eine Arbeitsteilung und damit auch eine Arbeitsspezialisierung. Eine Spezialislerung ist jedoch aus wirtschaftlichen Uberlegungen nur dann uberlegen, wenn groliere Mengen standardisiert abgearbeitet werden. Dieser Argumentation folgend kann auch aus dem informationeilen Unbundling die Herausforderung fur die Stadtwerke resultieren, neue Formen der uberbetrieblichen Zusammenarbeit zu etablieren. 2) Die Uberarbeitung der Effizienzziele Die Neufassung des EnWG hat zwei Auswirkungen auf die Effizienz eines Energieversorgers. Einerseits entstehen deutliche Mehrkosten, die nicht nur aus den Anforderungen des Legal Unbundlings resultieren, sondern auch aus dem informationeilen Unbundling und dem Regulierungsmanagement. Auf der anderen Seite werden die Unternehmen mit einem Vgl. o.V. (2004a), S. 7 Dieselbe Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine geringere Relevanz dagegen der Dimension Kunde beigemessen wird, was aufzeigt, dass das Unbundling eine innengerichtete Thematik ist. Vgl. APPEL/ BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2004), S. 246
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke
285
zunehmenden Wettbewerb konfrontiert werden, der sowohl den Energievertrieb als auch die Energieverteilung betrifft. Denn mit der Einfuhrung der Anreizregulierung wird ein „'Als-obWettbewerb'-System"^^'^^ eingefuhrt, dass damit auch einen Effizienzdruck fur den angebotsmonopolistischen Bereich erzeugt. Es mag nun angemerkt werden, dass die Erkenntnis, dass insbesondere Stadtwerke unter einem eriieblichen Wettbewerbsdruck stelien, niclit neu ist und schon seit dem Beginn der Liberalisierung ein „Stadtwerkesterben"^^^° prognostiziert wurde. So wurde bereits zwei Jalire nacli der Liberalisierung festgestellt „Zwei Jahre nach der Liberalisierung des Energiemarktes stehen vier bis funf Energiekonzerne mit gewaltigen liquiden MItteIn Hunderten von kommunalen Unternehmen ohne Rucklagen gegenUber."^^^^ Trotz dieser Problematik hat sich jedoch herausgestellt, dass sich die meisten Stadtwerke bis dato erfolgreich dem Wettbewerb stellen konnten, wie LEUSCHNER feststellt^^^^ und wie die Existenz von ca. 700 kleinen und mittleren Stadtwerken suggeriertJ^^^ Derartige Ruckschlusse aus der ex postBetrachtung auf die zukunftige Entwicklung zu Ziehen, Ist jedoch nicht zulassig. Denn wie bereits dargestellt worden ist, hat sich in den letzten Jahren noch kein umfangreicher Wettbewerb etabliert, so dass der Druck auf die Stadtwerke nicht in dem en^/arteten Ausmafi erzeugt wurde.^^^"^ Daruber hinaus hatten die Stadtwerke die Moglichkeit, ihre Energiebeschaffung zu optimieren, da, wie aufgezeigt wurde, Industriestrom oftmals durch den Netzbereich quersubventioniert wurde und damit auch die Stadtwerke von dem niedrigen Preisniveau profitieren konnten. Derartige Subventionen werden jedoch durch das Unbundling unterbunden. 3) Die Oberarbeitung der strategischen Ziele Der Bedarf zur Oberarbeitung der strategischen Ziele von Regionalversorgern und Stadtwerken ergibt sich nicht direkt aus den Auswirkungen der Neufassung des EnWG. Aufgrund der erwarteten Zunahme des Wettbewerbs in der Energiewirtschaft wird jedoch auch eine strategische Neuausrichtung der Unternehmen diskutlert. So werden die folgenden Punkte andiskutiert: Starkere Ausrichtung der Energieversorgungsunternehmen auf den Unternehmenswert Als Folge der Liberalisierung werden verstarkt Stadtwerkefonds diskutiert, bei denen ein finanzstarker Partner die Energieversorgungsunternehmen unterstutzt.^^^^ Derartige Fonds wiederum setzen den Unternehmen oftmals neue strategische Ziele, wie beispielsweise das Ziel zur Wertsteigerung. Hierzu ist jedoch einerseits ein Wachstum notwendig, der organisch Oder mittels Fusionen oder Akquisitionen reallsiert werden kann und andererseits eine verstarkte Kundenorientlerung sowie ein „stimmiges Ensemble von Vision und Unternehmensstrategie", wie eine breit angelegte Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney ergab.^^^^
1149 1150 1151 1152
WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 778 LEUSCHNER (O.J.)
o.V. (2000), S. 11 Vgl. LEUSCHNER (O.J.)
Vgl. VDEW (2004b), 8. 13 Einschrankend muss jedoch erwahnt werden, dass eine Vielzahl dieser Stadtwerke nicht mehr selbstandig ist, sondern vielmehr uberregionale Versorgungsunternehmen Anteilseigner der Stadtwerke sind. Beispielsweise halt die Thiiga AG Anteile an ca. 120 Stadtwerken. So stellen Studien fest, dass effiziente Netzbetreiber in der Minderhelt sind (vgl. WOLF / PORBATZKI / HILLER (2005), S. 779). 1155 1156
Vgl. HECKMANNS (2005), S. 13 f. Vgl. HASLAUER / OSWALD (2003), S. 457
286
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
-
-
Jedoch hat sich zudem gezeigt, dass auch andere Aspekte zur Steigerung des Unternehmenswertes beitragen konnen. So zeigen beispielsweise HECKER / ZiEGENMEYER am Beispiel eines Shared Service Unternehmen der Energiewirtschaft, die is:energy GmbH, auf, wie sich eine Unternehmenskultur wertsteigernd auswirken kann.^^^^ Aufbau eines Markenmanagements Dm die Wettbewerbsfahigkeit und damit den Unternehmensfortbestand zu sichern, wird ein Zusatznutzenkonzept in Form einer Marke diskutiert. Hierdurch solien die als austauschbar und selbstverstandlich empfundenen Produkte und Dienstleistungen von Energieversorgungsunternehmen sichtbar gemacht werden und ihnen eine Personlichkeit verliehen werden J^^^ Als zusatzliche Wirkung eines Markenmanagements werden positive Auswirkungen fur das Legal Unbundling erwartet. Denn hierdurch kann die Netzmarke als Marke eines natiirlichen Monopols auf den Energievertrieb ubertragen werden.^""^^ Uberarbeitung der netz- und energievertrieblichen Ziele Die vertrieblichen Ziele sind dem geanderten Marktumfeld anzupassen. So werden beispielsweise die verstarkte Beachtung von Kleinkunden, beispielsweise durch eine freie Preisgestaltung, oder die Erganzung der Angebote durch Dienstleistungen genannt.^^'° Flexibilitat und Schnelligkeit Es wird erwartet, dass die Anforderungen an die Flexibilitat und insbesondere auch an die Schnelligkeit der Anpassung an neue Anforderungen wesentlich fur die Stadtwerke und Regionalverteiler sein wird.^''^^ Unternehmen, die weiterhin unflexibel und veranderungsresistent sind, werden zukunftig geringe Wettbewerbschancen zugerechnet.
Die skizzierten Herausforderungen stellen die derzeitige Struktur der Stadtwerke und Regionalverteiler grundsatzlich in Frage. Denn neben den Unternehmen, die zum Legal Unbundling verpflichtet sind und aus dieser Tatsache heraus ihre Struktur grundlegend anzupassen haben, wird auch bei den ubrigen Unternehmen verstarkt ein Anpassungsbedarf diskutiert. Insbesondere Kooperationen werden diesbezuglich oftmals als Losungsansatz fur die dargestellten Herausforderungen angesehen, wie das folgende Kapitel aufzeigen wird.
4.4.3
Die Bildung von Unternehmensnetzwerken als Losungsansatz fur aktuelle Herausforderungen
Die vorhergehenden Ausfuhrungen haben gezeigt, dass die Energieversorgungsunternehmen einem deutlichen Effizienz- und Anpassungsdruck ausgesetzt sind. Hierbei sind Insbesondere die kleineren Unternehmen zusatzlich noch mit der Problematik eines im Verhaltnis massiven Personalaufwuchs konfrontiert. Um sich diesen Herausforderungen zu stellen, haben die Unternehmen die Moglichkeit, die Herausforderungen eigenstandig zu
1158 1159 1160 1161
In einer weiteren Studie von HASLAUER / KROGER wird sogar die provokative These formuiiert „Wachsen, um zu uberleben" (HASLAUER/ KROGER (2002), S. 30). Vgl. HECKER/ZiEGENMEYER (2003), S. 591 ff. So wurden die Werte „lnnovation" und „Teamgeist" im Unternehmen verankert, welche einen positiven Einfluss auf den Geschaftserfolg hatten. Vgl. WiEDMANN / TRAUTMANN / PEUSER (2003), S. 780 Vgl. KAFER (2005), S. 755
Vgl. BOLLHEIMER (2005), S. 718 ff. Vgl. KiENLE (2005), S. 76, sowie BRETSCHNEIDER (2000), S. 14
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke
287
losen, mit anderen Unternehmen zu fusionieren, um die kritische Grofte zu erreichen oder ein Netzwerk aufzubauen, um gemeinschaftlich die Herausforderungen zu losen.^^^^ Fur kleinere Stadtwerke und Regionalverteiler ist es fraglich, ob eine eigenstandige Losung der Herausforderungen des EnWG sinnvoll ist. Denn neben der Realisierung von Synerglepotenzialen bei der operativen kann eine Abstimmung auch gegenuber dem Regulator, also der Landes- oder Bundesnetzagentur sinnvoll sein. Folgerlchtig ergab bereits 2000 eine Umfrage der LBD-Beratungsgesellschaft unter 78 Stadtwerken, dass in Kooperatlonen bzw. Fusionen der zweitgrdfite Erfolgsfaktor nach der Senkung der Absatzpreise gesehen wird.^^^^ Neben diesem Erfolgsfaktor wurde insbesondere von den kleinen Stadtwerken mit einem Umsatz, der kleiner als 10 Mio. Euro ist, Handels- und Einkaufsgesellschaften als wichtigster Erfolgsfaktor identifiziert,^^^"^ was dem Verstandnis der vorliegenden Arbeit nach auch ein Netzwerk darstellt. Werden jungere Publikatlonen analysiert, zeigt sich, dass der Aufbau von Netzwerken verstarkt diskutiert wird; Fusionen sind dagegen nicht mehr im Fokus.^^^^ Dies lasst sich unterschiedlich begrunden. So wurden seit der Liberalisierung bereits umfangreiche Fusionen durchgefuhrt, so dass weitere regelmaRig nur noch mit strengen Auflagen des Bundeskartellamts genehmigt werden,^^^^ im Gegensatz zu einem Netzwerk eine Fusion eines umfangreichen Post-Merger-lntegration-Prozesses bedarf, so dass sie nur vor einem langen Zeithorizont sinnvoll erscheint, die Entwicklung in der Vergangenheit gezeigt hat, dass Stadtwerke auch bestehen konnen, wenn sie nicht fusionieren und insbesondere durch eine Fusion der Einfluss der Kommunen auf die Stadtwerke vermindert wird, was insbesondere aufgrund der beschriebenen kommunalen Besonderheiten^^^^ kritisch ist. Zusammengefasst kann somit festgestellt werden, dass der FIT bei einer netzwerkartigen Koordinationsform hdher ist als der bei einem hierarchischen, wobei der FIT insbesondere durch die Goal Attainment-Funktion bestimmt wird. Die Auspragungen, die eine derartiges Netzwerk annehmen kann, sind unterschiedlich. Wie in Kapitel 3.3 (insbesondere Abb. 71, Seite 204) bereits dargestellt worden ist, sind insbesondere Wissensnetzwerke, strategische Allianzen und Joint Venture relevant fur die Netzwerke in der Energiewirtschaft: Die Wissensnetzwerke stellen die loseste Form der Kooperation zwischen den Partnern dar. In ihnen werden aktuelle Fragestellungen gemeinschaftlich gelost, die Umsetzung der Ergebnisse erfolgt jedoch autonom. Typlsche Fragestellungen sind Interpretation des EnWG und die Ableitung der Folgen fur die einzelnen Unternehmen, Fragestellungen insbesondere der Serviceprozesse wie beispielsweise die Optimierung des Forderungsmanagements oder Fragestellungen bezuglich der Zusammenarbeit mit der vorgelagerten Netzstufe oder Handlern wie beispielsweise die Vorgehensweise bei Lieferantenwechselprozessen.
1164 1165
Diese gemeinschaftliche Losung zielt wiederum auf das Erreichen einer kritischen ab. Somit dienen die Netzwerke dazu, entweder Macht- oder Effizienzziele zu erreichen (vgl. auch KUKER (2003), S. 156 ff.). Vgl. LBD (2000), S. 22 Vgl. LBD (2000), S. 26 Vgl. bspw, IMKELLER/HELBIG/HIMBERT (2005), S. 160 ff., GLIMPEL/ (2003), S. 236 f., WIEDMANN / TRAUTMANN / PEUSER (2003), S. 781 ff., JAMMING (2004), S. 584 ff., BRIESE / SCHUMEMAMM
(2003), S. 12 ff., DORPRIGTER (2005), S. 349 ff., EDELMAMM / NICKEL (2003), S. 460 ff.„ ROELS (2005), S. 155, SCHUMACHER (2002), S. 18, sowie APPEL / BEISHEIM / EDELMAMM / KAUFMAMM
(2004), S. 242 ff. Beispielhaft sei auf die umfangreichen Auflagen bei der Ubernahme der Ruhrgas AG durch die E.ON AG venA/iesen. Vgl. Kapitel 4.4.1
288
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft -
Bei strategischen AHianzen werden operative Aufgaben zwischen den einzelnen Partnern verteilt, ohne dass ein eigenes gemeinsames Unternehmen hierfur gegrundet wird. Derartige Netzwerke bieten sich an, wenn Aufgaben verteilt werden, bei denen Synergiepotenziale realisiert werden sollen, diese jedoch noch nicht von derart strategischer Relevanz sind, dass eine Beteiligung am durchfuhrenden Unternehmen als zwingend angesehen wird. Beispiele hierfur sind die Verteilung von Aufgaben des Regulierungsmanagements auf verschiedene Unternehmen, um dadurch zu erreichen, dass der Aufienauftritt gegenuber der Regulierungsbehorde abgestimmt ist und zudem Synergiepotenziale dadurch realisiert werden, dass sich die einzelnen Unternehmen im Regulierungsmanagement spezialisieren. Ein weiteres Beispiel ist die gemeinsame Durchfuhrung einer Energiebeschaffung, bei der ein Unternehmen gebundelt die Beschaffung fur die Grundlast durchfuhrt. Die Ausgrundung eines gemeinsamen Joint Venture ermoglicht die Auslagerung von einer Vielzahl von Aufgaben. Kritisch ist hierbei jedoch die Fragesteilung, inwiefern auch Kernkompetenzen ausgelagert werden sollten. Wird als Kernkompetenz eines Energieversorgungsunternehmens die Beherrschung der Abrechnung von Sondervertragskunden verstanden,^^^^ zeigt sowohl die betriebliche Praxis als auch Studien, dass auch Kernkompetenzen Gegenstande einer Kooperation werden konnen.^^^^
Die beiden letzten Auspragungen werden verstarkt diskutiert, um im Rahmen regionaler Kooperationen Skaleneffekte zu generieren. Dies bedingt jedoch zwingend zusatzlich eine Optimierung von Strukturen und Arbeitsablaufen.''''''^ Das Netzwerk kann sich auf die unterschiedlichsten Bereiche erstrecken, wobei oftmals zwei unterschiedliche Netzwerkgegenstande andiskutiert werden. Zum einen eine Kooperation zentraler Netzfunktionen wie beispielsweise das Regulierungsmanagement oder das strategische Asset Management, zum anderen Kooperationen von Service Funktionen, wobei hierunter zumeist die Aufgaben des Shared Service verstanden werden.^^^^ Wie Abb. 100 zeigt, sind dabei jeweils nur Telle der Wertschopfungsstufe Netz und Service Gegenstand eines Netzwerkes. Kooperationen im Vertrieb sind dagegen Im geringeren Ausmali zu erwarten. Denn hierbei ist der Wettbewerbsbereich betroffen, bei dem die Unternehmen mit steigendem Wettbewerbsdruck zunehmend in Konkurrenz zueinander stehen werden. Relativierend muss jedoch festgehalten werden, dass auch in diesem Bereich, Insbesondere den Aufbau einer gemeinsamen Marke betreffend, Kooperationen existieren. So wird sogar eine Erfolgschance Die Abrechnungskompetenz von Sondervertragskunden kann durchaus als Kernkompetenz aufgefasst werden. Denn wie bereits beschrieben wurde, wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Energieversorgern und Sondervertragskunden seit der Liberalisierung deutlich komplexer, so dass die Fahigkeit, die ausgehandelten Tarife auch fristgerecht abzurechnen zu konnen, zu einer der wesentlichen Herauusforderungen von EVU geworden ist. Vgl. bspw. APPEL / BEISHEIM / EDELMANN / KAUFMANN (2004), S. 244
Einer Studie des Arbeitskreises Versorgungswirtschaft im Internationalen Controllerverein e.V. zufolge planen 50 % der Unternehmen, die Abrechnung der Vertriebskunden im Shared Service durchzufijhren bzw. fremdzuvergeben, bei der Abrechnung der Netzkunden nannten diese Optionen 44 % der befragten Unternehmen (vgl. DORPRIGTER (2005), S. 350). Vgl. O.V. (2005c), S. 693 Als wesentlicher Hebel bei der Optimierung der Strukturen und Ablaufe wurden dabei die Prozesse des Shared Service identifiziert (vgl. ESCHBACH / GROPP (2005), S. 18). Es sei angemerkt, dass ein wesentlicher, limitierender Faktor bei Kooperationen Im Shared Service in der heterogenen IT-Landschaft, in unternehmensindividuell konfigurierten ITSystemen und In IT-Systemen, die von ihrer Struktur her keine Kooperation unterstutzen. So wirft GuTMANN beispielhaft vier Fragen auf, welche die IT-Systeme betreffen, die im Vorfeld einer Kooperation beantwortet werden sollten (vgl. GUTMANN (2005), S. 16).
Untersuchungsobjekt: Regionalverteiler und Stadtwerke
289
fur EVU im kooperativen Markenmanagement gesehen.^^^^ Ein derartiges Markenmanagement haben beispielsweise Stadtwerke im Allgau mit der gemeinsamen Marke AllgauStrom etabliert.
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1
Vertrieb
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Serr-^i vice L._j
/.*•'•, Netzgesellschaft (DSO) fiir Stadtwerk 1 bis n Wesentliche Aufgaben der Netzgesellschaft: • Kalkulation Netznutzungsentgelte • Regulierungsmanagement • Strategisches Asset Management • Gleichbehandlungsprogramm • Beschaffung Netztechnik Abb. 100:
Servicegesellschaft fiir Stadtwerk 1 bis n Wesentliche Aufgaben der Servicegesellschaft: • Abrechnung • Forderungsmanagement • Customer Care Center • Energiebeschaffung
AusgriJndung einer gemeinsamen Netz- und Servicegesellschaft
Bel der Wahl der Kooperationspartner zeigen sich eindeutige Praferenzen. So ergab eine Studie von EDELMANN / NICKEL, dass diese im Wesentliciien auf der selben Wertsciiopfungsstufe gesehen werden, sowie, mit deutlich weniger Zustimmung, bei den Vorlieferanten (sieiieAbb. 101). Die Erhebung der Grunde fiir das Bevorzugen von Kooperationen mit anderen Stadtwerken sind nicht Gegenstand der Studie gewesen; im Rahmen der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit wird diese Fragesteliung jedocii thematisiert.
Vgl. WiEDMANN / T R A U T M A N N / P E U S E R (2003), S. 780 ff.
Unternehmensnetzwerke in der Energiewirtschaft
290 Bottom-2-Boxes (Bewertung 4 und 5 = „nicht erfolgsversprechend")
Top-2-Boxes (Bewertung 1 = „sehr erfolgsversprechend" und 2)
Andere Stadtwerke
01,7
Vorlieferanten
SI
Innungen, das ortliche Handwerk
0 2,7
Nicht-Energieunternehmen (z.B. fijr neue Geschaftsfelder)
E
Auslandische Strom-1 und Gaslieferanten I
29 ^
0
04,1 (Angaben in %)
Abb. 101:
Praferenzen von Stadtwerken bei der Wahi von Kooperationspartnern
In den folgenden Ausfuhrungen wird aufgezeigt, wie sich Netzwerke in der Energiewirtschaft vor dem Hintergrund der Neufassung des EnWG etablieren konnen. Dabei wird unterstellt, dass sich die Netzwerke schrittweise entwickeln. Es wird demnach dem interaktionsorientierten Netzwerkansatz gefolgt und angenommen, dass der Ausgangspunkt eine relativ lose Bindung ist, die sich sukzessive zu einem engeren Netzwerk ausbaut. Prinzipiell sind zwei Auspragungen von Netzwerken von Bedeutung. Zum einen Netzwerke, die im Rahmen eines Wissensnetzwerkes lediglich dem Informationsaustausch dienen und zum anderen Netzwerke, die operative Tatigkeiten durchfuhren; diese konnen Tatigkeiten aus den Wertschopfungsstufen Netz inkl. dem Regulierungsmanagement oder Service sein. Netzwerktatigkelten aus der Stufe Vertrieb werden nur peripher thematisiert, da sich die Notwendigkeit einer Ausgliederung des Vertriebs allenfalls nur mittelbar aus der Neufassung des EnWG ergibt. Abschliedend sei angemerkt, dass Restriktionen, die aus dem Recht des offentlichen Auftragswesens, dem sogenannten Vergaberecht, resultieren, nicht betrachtet werden. Dieses Recht ist fur Kooperationen insofern von Relevanz, da die aktuelle Spruchpraxis des Europaischen Gerichtshofes und der deutschen Oberlandesgerichte das Vergaberecht auch auf kommunale Zusammenarbeit anwendet.^^^"^
1173 1174
EDELMANN / NICKEL (2003), S. 461
Vgl. ScHMiTZ / SCHRODER (2006), S. 81
5
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilem und Stadtwerken zu Netzwerken
5.1 5.1.1
Die Empirie im Uberblick Methodisches Vorgehen und Auswahl der Fallstudien
Bei der Analyse von erfolgreichen Netzwerken mag es zunachst sinnvoll erscheinen, dass dem formal-analytischen Netzwerkansatz^^^^ folgend eine graphentheoretische Analyse eines Netzwerks durchgefuhrt wird, unn hierauf aufbauend die weiteren Analyseschritte durchzufuhren.^^^^ Ein derartiges Vorgehen wurde jedoch eine quantitative Analyse des Netzwerkes voraussetzen, was, wie eriautert, nicht realisierbar ist. Deswegen wird als Methodik ein Vorgehen aus der qualitativen Datenerhebung und -analyse angewendet. Bezuglich des Vorgehens zur Datenerhebung konnen drei Verfahren unterschieden werden; die Beobachtung, die Inhaltsanalyse sowie die Befragung. Es sei darauf hingewiesen, dass diese, im Vergleich zu anderen Publikationen, einfache Unterteilung, gewahit wurde, da sich andere Erhebungstechniken entweder durch das Design oder durch den inhaltlichen Fokus unterscheiden, sie jedoch nicht grundverschiedene Verfahren darstellen.^^^^ Die Beobachtung stellt die ursprunglichste Datenerhebungstechnik dar, wobei sie im Gegensatz zu einer naiven, alltaglichen Beobachtung im Rahmen einer wissenschaftlichen Beobachtung kontrolliert und systematisch durchgefuhrt wird und zudem die Beobachtungsinhalte systematisiert werden.^^^^ HIerzu wurden taxonomische Beschreibungen fur unterschiedliche Beobachtungsverfahren entwickelt; eine allgemeine Theorie der Beobachtung ist jedoch (noch) nicht aufgestellt wordenJ^^^ Die Beobachtung weist mehrere methodische Schwierigkeiten auf. So ist nicht sichergestellt, dass die Bedeutung, die ein Sender mit einer Artikulation verbunden hat, identisch ist mit der Bedeutung, die der Vercoder hieraus interpretiert. Zudem verandert sich die Situation wahrend eines Beobachtungsprozesse bestandig; nicht registrierte Handlungen konnen nicht mehr wiederholt werden. Zuletzt zahit KOMREY die Schwierigkeit der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit als ein wesentliches Problem von Beobachtungen auf.^^®° Bei Abwagung der skizzierten Punkte zeigt jedoch insbesondere der zweite Punkt deutlich auf, warum eine Beobachtung nicht im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendet werden kann; da die untersuchten Netzwerke bereits bestehen, kann eine Beobachtung nicht verwendet werden, da die Phase der Initiierung und Etablierung abschlossen ist. Der Prozess der Initiierung und Etablierung kann demnach nicht mehr beobachtet werden. Gegenstand der Inhaltsanalyse ist die systematische Bearbeitung von Material aus Kommunikationen, wobei unter Material nicht ausschlieHlich Texte verstanden werden, sondern auch musikalisches, bildllches, plastlsches oder ahnliches Material hierunter subsummiert wird.^^^^ Wesentlich bei der Inhaltsanalyse ist, dass die Interpretation des Materials nicht ziel1175 1176
1177 1178 1179 1180 1181
Vgl.hierzuKapitel 3.2.1.1 Vgl. fijr die Analyse von Gesamtnetzwerken bspw. PAPPI (1987), S. 25 ff. sowie die dort zitlerte Literatur, sowie fur die Analyse von Teilgruppen in Netzwerken bspw. KAPPELHOFF (1987), 8. 39 ff., sowie ZiEGLER (1987), 8. 64 ff. Vgl. hierzu SCHNELL / HILL / ESSER (1992), 8. 325 ff., sowie die dort zitierten Quellen Vgl. 8CHNELL/HILL/ESSER (1992), 8. 394 Vgl. 8CHNELL/HILL/ESSER (1992), 8. 395 Vgl. KROMREY (2000), 8. 324 f. Vgl. MAYRING(1991), 8. 209
292
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilem und Stadtwerken zu Netzwerken
und regellos erfolgt, sondern sich an entsprechenden Regein orientiertJ^^^ Die Interpretation kann dabei nach einer formulierenden bzw. reflexiven einerseits und nach einer reflektierenden Interpretation andererseits unterschieden werden.^^^^ Unter Ersterer ist eine begrifflich (-theoretische) Explikation des Untersuchungsgegenstandes zu verstehen, unter Letzterer die Rekonstruktion des impliziten Wissens des Erforschten.^^^"^ Insbesondere durch die reflektierende Interpretation konnen latente Sinngehalte zum Gegenstand der Inhaltsanalyse gemacht werden. Erganzend hierzu zielt die moderne Inhaltsanalyse auch noch auf formale Aspekte des Materials ab.^^^^ Die Inhaltsanalyse ist ein Verfahren, welches einen wichtigen Beitrag fur die qualitative Forschung leistet und deswegen auch vielfach zum Einsatz kommt. Jedoch ist sie in der Regel ein Verfahren der Auswertungstechnik, weswegen sie meist mit Techniken der Datenerhebung und -aufbereitung komblniert wird.''^^^ Die Befragung spielt in der empirischen Sozialforschung in vielfaltigen Varianten eine Rolle^^^'' und ist zugleich immer noch die am haufigsten ven/vendete Methode der Datenerhebung.^^^^ Jedoch, auch wenn diese Methode inzwischen sehr weit entwickelt ist, bestehen bei dieser Methode erhebliche Probleme. Neben der Problematik der korrekten Interpretation einer Frage Ist die beobachtbare Reaktion auf eine Frage im Allgemeinen nicht berelts eine Auspragung eines interessierenden Merkmals, sondern nur ein Indikatorfur ihr Vorliegen.^''®^ Hieraus konnen Abweichungen bzw. fehlerhafte Auswertungen resultieren, wie FRIEDRICHS an einem Beispiel aufzeigt.^''^° Die Merkmale der einzelnen Verfahren abwagend findet Im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Methode der Befragung Anwendung. Hierzu stehen prinzipiell drei unterschiedliche Formen zur Verfugung, die sich nach dem Grad an Standardisierung unterscheiden lassen: die nicht standardlsierte, die tellstandardisierte sowie die vollstandardisierte Befragung. Alle Formen lassen sich zudem danach unterscheiden, ob sie mundlich oder schriftlich durchgefuhrt werden (siehe Abb. 102). Bei einer vollstandardisierten Befragung sind samtliche Fragen explizit vorformuliert, es ist festgelegt, in welcher Reihenfolge die Fragen zu stellen sind sowie, ob die Fragen offen oder geschlossen sind. Damit hat ein Interviewer keinerlei Freiheiten zur Gestaltung der Gesprache. Zumeist sind schriftliche Befragungen derartige vollstandardisierte Befragungen.^^^^ Dahingegen wird bei einer teilstandardisierten Befragung lediglich ein Fragebogengerust vorgegeben. Zumeist wird mit offenen Fragen gearbeitet, Sondierungsfragen sind zugelassen und dem Interviewer wird die Moglichkeit gegeben, die Befragungssltuation selber mitzugestalten. Der Umfang derartiger Befragungen kann dabel sehr unterschiedlich sein;
1183 1184
1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191
LAMNEK weiftt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ausgestaltung derartiger Regein sehr unterschiedlich sein kann; so stellt er fest „Diese Regein konnen sehr einfach oder komplex, leicht oder schwer zu handhaben, eher theoretisch oder praktisch orientiert sein etc." (LAMNEK(1993a), S. 205). Vgl. BOHNSACK (1999), S. 149 Vgl. BoHNSACK (1999), S. 207, sowie LUHMANN (1990) Es sei angemerkt, dass sich BOHNSACK bei der Unterscheidung der Interpretationsarten von LuHMANNS Unterscheidung nach einer Kybernetik erster und zweiter Ordnung orientiert. Vgl. MAYRING (1991), S. 209 Vgl. MAYRING (1991), S. 213 Vgl. HOPF (1991), S. 177 Vgl. KROMREY (2000), S. 335 Vgl. KROMREY (2000), S. 336 Vgl. FRIEDRICHS (1982), S. 233 Vgl. hierzu und den folgenden Ausfuhrungen KROMREY (2000), S. 364 ff.
293
Die Empirie im Uberblick
wesentliche Abgrenzung zur standardisierten Befragung ist, dass es keine Antwortvorgaben gibt und die Befragten ihre Ansichten und Erfahrungen frei artikulieren konnen.^^^^
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I
informelle Umfrage bei Experten oder Zielgruppe
: tdH&lamlarcttsiert
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Expertenoder Zielgruppenbefragung
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- Einzelinterview -Gruppeninterview
i^Ntfiffiidh
|— postalische Befragung |—Verteilung und Abholung •— Befragung in der Gruppensituation
Kursiv: Im Rahmen der vorliegenden Arbeit angewendete Befragungsform
Abb. 102:
Formen der Befragung
Zuletzt wird bei einer nicht-standardisierten Befragung vollstandig auf einen Fragebogen verzichtet; es sind lediglich Stichworte oder Themen vorgegeben, auf die der Befragte ohne Vorgabe, ohne prazise Einzelfragen, Stellung nehmen kann. Im Rahmen der qualitativen Sozialforschung finden insbesondere teilstandardisierte Befragungen ihre Anwendung/^^"* da aufgrund der Komplexitat des Untersuchungsgegenstandes sowie der schwierigen Operationalisierbarkeit einzelner Aspekte des Untersuchungsgegenstands die vollstandardisierte Befragung nur innerhalb stark abgegrenzter Themenbereiche zielfuhrend ist^^^^ und z u m anderen die Gefahr einer fehlenden Vergleichbarkeit bei der Anwendung einer nicht-standardisierten Befragung besteht. Da das Change Management zur Etablierung von Unternehmensnetzwerken eine sehr umfassende, komplexe und schwer zu operationalislerende Thematik darstellt, wie die bisherigen Ausfuhrungen gezeigt haben und zusatzlich die Ergebnisse nicht aufgrund fehlender Vergleichbarkeit einer absoluten Beliebigkeit unterliegen sollen, wurde die Empirie basierend auf einer teilstandardisierten Befragung durchgefuhrt. Teilstandardisierte Interviews existieren in den unterschiedlichsten AuspragungenJ^^^ Ohne auf die einzelnen Erhebungsmethoden vertiefend einzugehen, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit das problemzentrierte Interview eingesetzt, da es zum einen weitgehend offen ist, was fur die Beantwortung der Forschungsfragen aufgrund der hohen Komplexitat eine wesentliche Anforderung ist und ihm zum anderen in Abgrenzung z u m narrativen Interview bereits ein bestehendes wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt.^^^^ Als Uberblick sind in Tab. 15 die einzelnen Methoden noch einmal gegenubergestellt.
1193 1194
Vgl. HOPF (1991), S. 177 Vgl. KROMREY (2000), S. 365 Vgl. KROMREY (2000), S. 364
Vgl. hierzu BERGER (1980), S. 31-98 Fijr einen Uberblick vgl. bspw. HOPF (1991), S. 177 ff., LAMNEK (1993b), S. 68-92 im Allgemeinen, sowie S. 91 im Speziellen und S C H N E L L / H I L L / E S S E R (1992), S. 389 ff. Vgl. LAMNEK (1993b), S. 74 f.
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilem und Stadtwerken zu Netzwerken
294 1
MethodotoglscHe
Narratives Interview
Problemzentriertes Interview
Fokussiertes Interview
TIefenlnterview
Rezeptlves Interview
vollig
weitgehend
nur bedingt
kaum
vollig
Kommunikatlon
erzahlend
zielorientiert fragend
Leitfaden
fragend/ erzahlend
erzahlend/ beobachtend
Prozesshaftigkeit
gegeben
gegeben
nur bedingt
gegeben
gegeben
FlexibilitSt
hoch
relativ hoch
relativ gering
relativ hoch
hoch
Explikation
ja
ja
ja
ja
bedingt
Theoretische Voraussetzung
relativ ohne
Konzept vorhanden
weitgehendes Konzept
Konzept vorhanden
relativ ohne; nur Vorverstandnis
Hypothesen
Generierung
Generierung; Prijfung
eher Prufung; auch Generierung
eher Prufung; auch Generierung
Generierung; Prufung
gegeben
gegeben
Bedingt
bedingt
absolut
Offenheit
Perspektive der Befragung
Tab. 15:
Methodologischer Vergleich verschiedener Formen qualitativer Interviews^^®^
Das problemzentrierte Interview ist eine von WITZEL beschriebene Variants, die sich durch eine sehr lockere Bindung an einen knappen, der thematlschen Orientierung dienenden Leitfaden auszeichnet.^^^^ Damit soli einerseits dem Befragten sehr weitgehende Artlkulationschancen eingeraumt werden und durch die Verbindung mit einem Leitfaden ein Kompromiss aus einer fokussierten und narrativen Befragung erzeugt werden. Das problemzentrierte Interview durchlauft vier Phasen:''^°° 1. Zunachst wird der Problembereich der sozialen Wirklichkelt, welches Thema der Befragung ist, sowie die erzahlende Gesprachsstruktur festgelegt. 2. Im Rahmen der allgemeinen Sondierung wird durch eIn Erzahlbeispiel die narrative Phase des Befragten stimuliert. 3. Die spezifische Sondierung dient dazu, die Erzahlsequenzen und Darstellungsvarianten des Interviewpartners nachzuvollziehen. 4. Durch Ad-hoc-Fragen werden zuletzt direkte Fragen zu Themenbereichen gestellt, die vom Befragten noch nicht thematisiert wurden.
1199 1200
Vgl. LAMNEK (1993b), S. 91 Vgl. WITZEL (1982), S. 66 ff., sowie HOPF (1991), S. 178
Vgl. ausfiihrlicher LAMNEK (1993b), S. 75 f.
Die Empirie im Uberblick
295
Nach der Phase der Datenerhebung folgt die Phase der Datenanalyse. Hierzu konnen prinzipiell drei unterschiedliche Analyseformen extremtypisch gegenubergestellt werden; die quantitativ-statistische, die interpretativ-reduktive sowie die interpretativ-explikative Auswertung und Analyse.""^^^ Aufgrund des Vorliegens qualitativer Daten kann eine quantitativ-statistische Auswertung nicht zum Einsatz kommen, womit im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Wahl zwischen einer interpretativ-reduktiven und einer interpretativ-explikativen Auswertung und Analyse zu treffen ist.^'^' Die interpretativ-redul
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3
kursiv: Erfolgsfaktor konnte durch die Empirie nicht bestatigt werden. Tab. 18:
Das Ergebnis der Erfolgsfaktorendiskussion des Change Managements auf Netzwerkebene
Bel der Betrachtung der Erfolgsfaktoren ist auffallig, dass funf der sechs Faktoren, die durch die Ennpirie bestatigt werden konnten, die Integration-Funktion tangieren.^^^^ Hieraus wird die Maximal sechs Nennungen moglich, da die Erfolgsfaktoren in den Fallstudien {6a) und {6b) gemeinsam erhoben wurden. Es sei angemerkt, dass die Regionalitat nur in zwei Fallstudien als Erfolgsfaktor explizit genannt wurde; die anderen Fallstudien haben haben diese als Grundvoraussetzung genannt. So wurde in der Fallstudie (6) die besondere Relevanz dieser Funktion explizit hervorgehoben.
Erarbeitung von Empfehlungen fur das Change Management von EVU
305
Relevanz der Funktion zwar deutlich, jedoch ist andererseits der Ruckschluss nicht zulassig, dass die ubrigen Dimensionen des Change Managements zu vernachlassigen sind. Denn ein Erfolgsfaktor, der nicht aufgefuhrt wurde, ist nicht zwangslaufig irrelevant. So wurde beispieisweise der Faktor Verfugbarkeit an Ressourcen nicht als Erfolgsfaktor aufgefuhrt. Eine mdgliche Erklarung hierfur kann jedoch sein, dass aile untersuchten Netzwerke aufgrund der hohen Bedeutung entweder direkt auf der Ebene der Geschaftsfuhrer oder Vorstande geleitet wurden, oder inn hohen Ausmafi durch die oberste Fuhrungsebene unterstutzt wurden und aufgrund dessen ein Ressourcenmangel nicht auftrat; die Verfugbarkeit an Ressourcen damit auch nicht als wesentiich fur den Erfolg eines Netzwerkes angesehen wurde. a) Das Vertrauen Auch im Rahmen der Empirie wurde das Vertrauen als der wesentliche Erfolgsfaktor fur den Aufbau eines Netzwerkes identifiziert (1, 2, 3, 4, 5, 6a, 6b). Mit zunehnnender Bedeutung der Aufgaben, die an das Netzwerk ubertragen werden, ist auch ein zunehmendes Ausmafi an Vertrauen in das Netzwerk notwendig. Diese generische Aussage stellt jedoch noch keinen Erkenntnisgewinn dar. Ein wesentliches Spezifikum der Energiewirtschaft ist die Reihenfolge zwischen Vertrauensaufbau und der Ubertragung von Aufgaben an das Netzwerk, sowie ein Mangel an Grundvertrauen. Dies sei anhand der Abb. 106 diskutiert. AusmaR der Bedeutungy der an das Netzwerk ubertragenen Aufgaben
Anvisierter Netzwerkgegenstand G2 zum Zeitpunkt t+1 Netzwerkgegenstand G^ zum Zeitpunkt t
Grundvertrauen in ein Netzwerk
Mindestver- Mindestvertrauen trauen fur G, fur G2
Ausmaft an Vertrauen in das Netzwerk
(Y) Schritt 1: Vertrauensaufbau fur neue Aufgaben (2) Scliritt 2: Ubertragung neuer Aufgaben in das Netzwerk
Abb. 106:
Vertrauenskonforme und -inkonforme Netzwerkgegenstande
Als Voraussetzung fur die Etablierung eines Netzwerkes ist ein Grundvertrauen notwendig. Dieses Grundvertrauen stellt einen Vertrauensvorschuss dar, bei dem der potenzielle Netzwerkteilnehmer darauf vertraut, dass seine Anfangsinvestition in das Netzwerk (Teilnahme an Netzwerksltzungen, ggf. Aufnahmegebuhren etc.) prinzipiell lohnend ist. Denn jede Netzwerkarbeit benotigt ein gewisses Ausmad an Ressourcen, ohne dass unmittelbar ein Netzwerknutzen generiert wird. Dieses Grundvertrauen ist jedoch aufgrund der Historie bei Netzwerken zwischen Regionalverteilern und den Weiterverteilern im Netzgebiet der Regionalverteiler nicht immer gegeben. Dies wurde bei alien Falistudien festgestellt, bei denen Regionalverteiler mit Weiterverteilern kooperieren (2, 3, 4). Denn vor der Liberalisierung des Energiemarktes konnten die Weiterverteiler Ihren Stromhandler nicht frei auswahlen, sondern waren auf die vorgelagerte Netzstufe angewiesen. Dies hatte zur Folge, dass
306
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilern und Stadtwerken zu Netzwerken
die Weiterverteiler oftmals nicht als Kunden oder gleichberechtigte Partner behandelt wurden, sondern Verhandlungen eher einem Preisdiktat glichen. Diese negativen Erfahrungen haben nun zur Folge, dass Weiterverteiler, die nach der Liberalisierung als Netzwerkpartner gewonnen werden soHen, oftmals aufierst zuriickhaltend auf die Offerte reagieren (2, 3, 4). Relativierend ist diese Aussage jedoch auf die Weiterverteiler einzuschranken, bei denen die Regionalverteiler oder deren Konzernmutter noch keine Anteilseigner geworden sind. Im Verstandnis der konstltuierenden Merkmale von Vertrauen kann dieses fehlende Grundvertrauen jedoch nicht mit enttauschtem Vertrauen gleichgesetzt werden, da die Regionalverteiler zu der damaligen Zeit konsistent gehandelt haben. Vielmehr ist das fehlende Grundvertrauen als negative Erwartung an die zukunftigen Handlungen des Regionalverteilers aufgrund fehlender Loyalitat zu bewerten.''^^° Diese Grundeinstellung zu revidieren, hat sich als ein langwieriger Prozess herausgestellt, bei dem sich die Auswahl des Ansprechpartners fur die Weiterverteiler als wesentlich herausgestellt hat (2, 3, 4). Bei der Auswahl dieser Ansprechpartner unterscheiden sich die Netzwerk nicht in Hinsicht auf das zugrunde liegenden Prinzip. Alle drei Regionalverteiler waren bestrebt, mit der Liberalisierung historisch unbelastete Mitarbeiter einzusetzen, wobei sich die Auswahl dieser Mitarbeiter unterschied: -
Einsatz branchenfremder Ansprechpartner (2) Einsatz eines branchenfremden Geschaftsfuhrers, der exklusiv die Betreuung der Weiterverteiler durchfuhrt (3) Unternehmensinterne Auswahl historisch unbelasteter Mitarbeiter und Erganzung durch neue Mitarbeiter (4)
Die Maftnahmen zum Aufbau von Vertrauen haben sich wiederum bei alien drei Netzwerken geahnelt; es soilten insbesondere Integritat, Loyalitat und Offenheit bewiesen werden. So wurden aktiv die betroffenen Weiterverteiler angesprochen, die historischen Beziehungen im Gesprach aufgearbeitet sowie Erwartungen und Anforderungen fur die zukunftige Zusammenarbeit erarbeitet (2, 3, 4). Alle drei Regionalverteiler haben in diesem Zusammenhang einen Fokus darauf gelegt, dass zeitnah erste Erfolge aus dem Dialog resultierten (2, 3, 4). Zudem wurde teilwelse den Weiterverteilern bewusst ein Vertrauensvorschuss gewahrt, indem ihnen sensible Informationen anvertraut wurden (2, 4). Durch diesen Vertrauensvorschuss wurden die Weiterverteiler dadurch animiert, im Gegenzug auch Vertrauen zu schenken. Auch wenn im Rahmen der empirischen Untersuchung nicht eruiert werden konnte,^^^^ ob von den Weiterverteilern bewusst eine Tit-for-Tat-Strategie gewahit wurde, korrespondiert dieser zuvor beschriebene Ansatz mit dem beobachteten Verhalten einer VIelzahl der betroffenen Weiterverteiler; die Gewahrung eines Vertrauensvorschusses hat sich als geeignete Methode zum Aufbau von Vertrauen herausgestellt.
1220
^^^^
Vgl. hierzu die konstltuierenden Merkmale von Vertrauen, Seite 67 Befragte Weiterverteiler konnten ex post nicht beurteilen, ob sie bewusst durch den Vertrauensvorschuss ihrerseits mit einem vertrauensvollen Handein reagiert haben, oder ob dies unbewusst erfolgte.
Erarbeitung von Empfehlungen fur das Change Management von EVU
307
Die Historie zwischen Regionalverteilern und Weiterverteilern fuhrt zusatzlich dazu, dass in den meisten Fallen erst der Schritt des Vertrauensaufbaus (Schritt 1 in Abb. 106) durchzufuhren ist, bevor zusatzliche Aufgaben in das Netzwerk ausgelagert werden konnen (Schritt 2 in Abb. 106). Urn im ersten Schritt das Vertrauen als wesentlichen Erfolgsfaktor zwischen den Partnern zu verstarken, wurden in den Fallstudien unterschiedliche Mafinahmen aufgezeigt: Vertrauensverstarkung durch Erhohung der personlichen Bindung (1, 2, 3, 4, 5, 6a, 6b) In alien Fallstudien wurde festgestellt, dass der personliche Kontakt wesentlich fur den Auf- und Ausbau von Vertrauen ist. Der regelmaflige Austausch, auch aufterhalb der unmitteibaren Geschaftsbeziehung, wurde als Grundvoraussetzung fur den Aufbau eines Vertrauensverhaltnisses genannt. So wurden beispielsweise genneinsame Freizeit- Oder Abendveranstaltungen als elementar fur den Vertrauensaufbau angesehen (1, 2, 3, 4, 5, 6a, 6b). Die Relevanz derartiger Veranstaltungen wurde in einer Fallstudie sogar so hoch eingeschatzt, dass sie inn Rahmen der regelmafiigen Treffen der Geschaftsfuhrer der kooperierenden Unternehmen fur wichtiger als die Veranstaltungen des Tagesprogramms angesehen wurden (3). Die vertrauensverstarkende Wirkung dieser personlichen Kontakte ist durch die konstituierenden Merkmale von Vertrauen zu erklaren. Die bessere Kenntnis des Partners eriaubt einerseits eine bessere Prognose der zukunftigen Handlungen des Partners, was das Risiko eines Vertrauensbruchs reduziert. Andererseits wird hierdurch die Loyalitat des Netzwerkpartners erhoht; hieraus resultiert eine Verstarkung der Achtung der Interessen anderer. Vertrauensverstarkung durch Integritat und nutzenstiftende Loyalitat (2, 3, 4) Diese Malinahme findet bei den Netzwerken Anwendung, bei der ein Regionalverteiier mit Weiterverteilern in seinem Netzgebiet kooperiert. Auch wenn bei derartigen Netzwerken oftmals eine paritatische Machtverteilung vorliegt, haben die Regionalverteiler aufgrund ihres Wissens, verfugbarer Ressourcen und die Obernahme einer Moderatorrolle die Moglichkeit, Themen zu fordern Oder die inhaltliche Erarbeitung zu beeinflussen. Indem sie sich nun Fragestellungen und Probiemen von Weiterverteilern, die im personlichen Dialog geaudert wurden, derart annehmen, dass sie die Information nicht opportunistisch verwenden, sondern auf Losungen zugunsten der Weiterverteiler hinarbeiten, beweisen sie ihre Integritat und fur den Weiterverteiler nutzenstiftende Loyalitat. Vertrauensverstarkung durch Kompetenz (2, 3, 6a) Mit der Auslagerung von Aufgaben in ein Netzwerk unterliegt die Durchfuhrung dieser Aufgaben nicht mehr der kompletten Kontrolle der einzelnen Unternehmen. Unabhangig von der Gefahr opportunistischen Handelns bedarf es eines Vertrauens in die kompetente Bearbeitung dieser Aufgaben. Werden die Strukturen der Netzwerke, die diesen Aspekt genannt haben, betrachtet,^^^^ wird deutllch, dass er lediglich bei fokalen Netzwerken und bei Netzwerken, bei denen der Weiterverteiler keinen direkten Einfluss mehr auf das Netzwerkhandein hat, genannt wurde. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass der Faktor der Kompetenz relevanter wird, wenn die Moglichkeiten der direkten Einflussnahme sinkt. Es zeigt sich anhand dieser Maftnahme, dass nicht nur die In der Principal Agent Theorie (siehe Kapitel 3.2.2.3) beschriebene Problematik der Informationsasymmetrie bei einer derartigen Konstellation besteht, sondern das spezifische Wissen eines Kooperationspartners vielmehr auch vertrauensverstarkend sein kann. Vertrauensverstarkung durch eine legale Komponente (5, 6a) Bei einer zunehmenden Auslagerung von Aufgaben in ein Netzwerk steigen die negativen Auswirkungen eines Vertrauensbruchs. Insbesondere wenn hiervon operative 1222
Vgl. Fufinote 1248 (Seite 320)
308
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilem und Stadtwerken zu Netzwerken Prozesse betroffen sind, die zeitnah durchgefuhrt werden mussen (bspw. Abrechnungsprozesse, Prozesse des Forderungsmanagements oder Kundenbetreuungsprozesse) oder Prozesse, bei denen Entscheidungen langfristig bedeutende Auswirkungen haben (bspw. strategisches Asset Management), gewinnt die legale Komponente an Relevanz. Durch den Einsatz dieser Komponente wird ein vorhandenes Systemvertrauen zur Vertrauensverstarkung eingesetzt. Die Fallstudie (5) zeigt, dass durch eine legale Komponente auch langfristige Entwicklungen verankert werden konnen. Um zu vermelden, dass ein Regionalverteiler einen Weiterverteiler ubernlmmt und dadurch Zugriff auf das DSO-Netzwerk erhalt, ist explizit verankert worden, dass in diesem Fall der Weiterverteiler aus dem Netzwerk ausgeschlossen wird. Vertrauensverstarkung durch eine offene Kommunikation (5) Die offene Kommunikation verbunden mit der Darlegung der Motivation des Unternehmens fur den Aufbau eines Netzwerkes hat in der Fallstudie (5) erfolgreich dazu gefuhrt, dass Misstrauen gegen die Ausgrundung eines gemeinsamen DSO abgebaut wurde. Durch die offene Kommunikation der langfristigen Ziele wurden die zukunftigen Handlungen des Netzwerkpartners abschatzbarer, Ungewissheit wurde abgebaut. Vertrauensverstarkung durch restriktive Mitgliederauswahl (1) Wenn bei der Mitgliederauswahl neben strategischen und wirtschaftlichen Kriterien als wesentliches Ausschlusskriterlum die Einschatzung der Vertrauenswurdigkeit eines potenziellen Netzwerkpartners sowie der personlichen Affinitaten festgelegt ist, liegen zwar einerseits restriktive Kriterien fur die Mitgliederauswahl vor, andererseits wird hierdurch jedoch auch sichergestellt, dass ein hohes Mad an Grundvertrauen bereits zu Beginn vorliegt. Zudem wird die Abgrenzung der Gruppe nach auflen verstarkt, was eine erhohte Gruppenkohasion zur Folge hat.^^^^ Hierdurch wird insbesondere die Loyalitat als vertrauensverstarkende Dimension positiv tangiert.
Es hat sich demnach gezeigt, dass eine Vielzahl von vertrauensverstarkenden Maflnahmen in den untersuchten Netzwerken Anwendung findet. Alle aufgefuhrten Maftnahmen lassen sich dabei jedoch entweder in die dargestellten Dimensionen zum Aufbau eines Vertrauens einordnen,^^^"^ oder sie bedienen sich einem Systemvertrauen, um hierdurch ein individuelles Vertrauen aufzubauen. Als Empfehlung kann festgehalten werden, dass zumindest der Aufbau von personlichen Bindungen anzustreben ist; die ubrigen Maflnahmen sind situativ anzupassen. Dabei hat sich bei der Empirie bestatigt, dass diese Mafinahmen im Wesentlichen die Integritat, die Loyalitat und die Kompetenz betreffen sollten. Diese Mafinahmen sind jedoch nicht zuletzt auch aus dem Grund relevant, da, wie dargestellt, zumeist kein Vertrauensvorschuss gewahrt wird, woraus die in Abb. 106 (Seite 305) dargestellte Reihenfolge „erst Vertrauensaufbau, dann Auslagerung weiterer Netzwerkaufgaben" resultiert {1, 2, 3, 4, 5, 6a). Diese Abfolge kann beispielhaft anhand der Fallstudie {6a) dargestellt werden. Hierbei war geplant, dass im Rahmen eines gemeinsames Joint Venture zur Abrechnung und Kundenbetreuung sensible Daten von Sondervertragskunden gemeinsam verwaltet und verarbeitet werden. Die Kooperationspartner waren trotz der wirtschaftlichen Vortellhaftigkeit zu einer derartigen Zusammenlegung erst bereit, nachdem durch eine erfolgreiche erste Stufe der Kooperation das notwendige Vertrauensverhaltnis geschaffen wurde. Aus den Ausfuhrungen wird deutlich, dass das Change Management einen wesentlichen Fokus auf den Auf- und Ausbau von Vertrauen legen sollte. Dies ist jedoch nicht kurzfristig durchfuhrbar, sondern bedarf oftmals eines langwierigen Prozesses. So wurde beispielswei^^^^ Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.4 ^^^"^ Vgl. hierzu die konstituierenden Merkmale von Vertrauen (Seite 67)
309
Erarbeitung von Empfehlungen fur das Change Management von EVU
se im Netzwerk (3) die Dauer fur den Aufbau in der Retroperspektive auf 1 bis 1 !4 Jahre geschatzt. Auch wenn sich diese Schatzung nur auf ein Netzwerk bezieht und aufgrund der unterschiedlichsten Einflussfaktoren kritisch hinterfragt werden kann, zeigt sich dennoch, dass die Durchfuhrung operativer Arbeit im Netzwerk erst deutlich zeitversetzt zunn Vertrauensaufbau erfolgen kann. Dieser Aspekt ist dannit aucii im Ciiange Management-Prozess abzubilden, so dass der in Abb. 81 (Seite 229) dargestellte Prozess anzupassen ist. Wie aus Abb. 107 ersichtlich wird, ist ein weiterer Schritt „Vertrauensaufbau" eingefugt worden.
Planung des Wandeis
,, Kontr/ Urn- \ \ und/ ^^^setzung/stltuy
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Planung des Wandeis
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Positionsbestimmung und Zielsetzung
Planung des Wandeis
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= c? Wandel 2. Ordnung I. Phase der Netzwerkinitiierung Abb. 107:
Modlflzierung des prozessualen Vorgehens des evolutionaren Netzwerkmodells^^^^
Der Vertrauensaufbau wird ausgelost, wenn das initiierende Unternehmen potenzielle Netzwerkpartner identifiziert hat. Korrespondierend zu den vorherigen Ausfuhrung wird das kooperierende Unternehmen nach der Identifizierung nicht unmittelbar den Prozessschritt der Positionsbestimmung und Zielsetzung durchlaufen, sondern erst, wenn durch den Prozessschritt des Vertrauensaufbaus ein Grundvertrauen in das Netzwerk (siehe Abb. 106, Seite 305) geschaffen wurde. Der Vertrauensaufbau ist jedoch aus zwei Grunden eine laufende Aufgabe des Change iVIanagements und somit nicht abgeschlossen, wenn Unternehmen dem Netzwerk beigetreten sind:
Die Darstellung ist ein Ausschnitt aus dem prozessualen Vorgehen des evolutionaren Netzwerkmodells (siehe Abb. 81, Seite 229).
Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilern und Stadtwerken zu Netzwerken
310 -
Wie aus den vorherigen Ausfuhrungen deutlich wurde, ist Vertrauen auch an eine Kommunikation gebunden. Bezuglich dieser Konnnnunikation hat sich jedoch gezeigt, dass im Zeitablauf Probleme auftreten, wenn der Kontakt nicht gepflegt wird; dies hatte auch einen Vertrauensverlust zur Folge.^^^® Eine evolutionare Netzwerkentwicklung bedingt auch, dass sich das Vertrauensverhaltnis zwischen den Partnern sukzessive verbessert. Hierzu sind die Dimensionen, die mit dem Vertrauensaufbau positiv korreiiert sind, weiterhin zu beachten.
Zusammengefasst kann somit festgestellt werden, dass der Vertrauensaufbau und der laufende -ausbau eine der wesentlichen Aufgaben des Change Managements auf Netzwerkebene darstellt. b) Das Beziehungsmanagement Das Beziehungsmanagement wird durch eine engere Zusamnnenarbeit (eine gemeinsame Durchfuhrung von Prozessen und einem Mitarbeiteraustausch), eine hohere Transparenz durch die Offenlegung von Kosten verbunden mit einem Informationsaustausch sowie eine Effizienzsteigerung des Netzwerkes durch eine Prozessharmonisierung beschriebenJ^^^ Diese Bestandteile werden mit Ausnahme des IViitarbeitertausches in unterschiedlichen Auspragungen in den analysierten Netzwerken praktiziert (1, 2, 3, 4, 5). So wurde beispielsweise eine fruhzeitige Prozessharmonisierung als Erfolgsfaktor hervorgehoben, da dadurch Benchmarkingergebnisse transparenter wurden. Hierdurch konnten Ineffizienzen innerhalb der Unternehmen besser identifiziert werden (1). i
Der faktenortentierte Stratege
^ Extrovertiert
Der Vision§r
^Auf«:iaben""bezi3gen
Perso nen-^ bezc>gen
Der genaue Planer
Der mitarbeiterbezogene Lenker
^r Intro vertiert Abb. 108:
DISG-Schema zur Klassifizierung von Netzwerkpartnern
Das Beziehungsmanagement wurde bis auf die Fallstudien {6a und 6b) in alien Fallstudien als wesentlicher Erfolgsfaktor hervorgehoben. Jedoch unterschied sich der Grad der Strukturierung des Beziehungsmanagements deutlich. Wahrend praktisch alle Netzwerke hierunter Malinahmen im Kontakt mit den Netzwerkpartnern verstanden, wird in der FallstuVgl. hierzu auch Kapitel 3.6.1.3 Vgl.Kapitel 3.6.1.1 Das DISG (Dominant, Initiativ, Stetig, Gewissenhaft)-Schema ist ein Modell, dass von GEIER aufbauend auf den Erkenntnissen von MARTSON entwickelt wurde (vgl o.V. (2006)).
Erarbeitung von Empfehlungen fur das Change Management von EVU
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die (4) die Betreuung der Netzwerkpartner basierend auf Erkenntnissen des Beziehungsnnanagements organisiert. Deren Zuordnung orientiert sich demnach nicht nach geographischen Oder hierarchisciien Kriterien, sondern basiert auf psychologisciien Uberlegungen. So ordnet es die Persdnlichkeitsstrukturen der Netzwerkpartner in ein Vier-Quadranten-Schema ein. Dieses biidet sich aus den beiden Achsen „aufgabenbezogen" versus „personenbezogen" und Jntrovertiert" versus „extrovertiert" (siehe Abb. 108). Die Auswahi der eigenen Ansprechpartner erfolgt derart, dass der Ansprechpartner des Netzwerkpartners und der eigene IVIitarbeiter in demselben Quadranten eingeordnet sind. Dieses Modell baut auf der Erfahrung auf, dass Akteure, die einem Quadranten zugeordnet sind, zumeist effizienter und erfolgreicher kommunizieren, da sie sich von ihrer Personiichkeitsstruktur her ahneln. Diese These scheint sich zwar durch die Erfahrungen des Netzwerkes (4) zu bestatigen, da diese jedoch auf eine einzelne Fallstudie aufbaut, ist sie kritisch zu hinterfragen. So konnte beispielsweise bereits kommunikationsfordernd gewesen sein, dass der Personlichkeitsstruktur des Partners Beachtung geschenkt wurde. Das Beziehungsmanagement steht in einem engen Zusammenhang mit dem Vertrauensaufbau. Es stellt damit einen wesentlichen Faktor fur ein erfolgreiches Change IVIanagement insbesondere vor dem Hintergrund der belasteten historischen Beziehungen zwischen Regional- und Weiterverteilern dar. Im Gegensatz zu den allgemeinen Ausfuhrungen in den Kapitein 3.6.1.1 und 3.6.1.3 steht hierbel jedoch nicht die Effizienzsteigerung im Fokus, sondern vielmehr der Vertrauensauf- und -ausbau. c) Die Kommunikation Die Ausfuhrungen zur Kommunikation entsprechen im Wesentlichen den Ausfuhrungen aus Kapitel 3.6.1.3. Erganzend hierzu wurde jedoch noch in der Fallstudie (1) angemerkt, dass insbesondere die zielorientierte Gesprachskultur bei der Kommunikation wesentlich ist. Dies wurde dadurch begrundet, dass aufgrund der zusatzlichen Anforderungen, die aus der Neufassung des EnWG resultieren, die zeitlichen Ressourcen der Mitarbeiter deutlich begrenzt sind und die Bereitschaft zur Netzwerkarbeit deswegen auch davon abhangt, wie zielfiJhrend diese ist. d) Motivation der Entsctieidungstrager und der liandelnden Al/
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Offenes Vorgehen/offene Kommunikation Problemadaquates und individuelles Vorgehen Realistische und klare Vision / Zielsetzung Support durch TopManagement Synergetische Projektzusammensetzung
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Neue Erfoigsfaktoren 1
Es wurden keine neuen Erfoigsfaktoren identifiziert
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kursiv: Erfoigsfaktor konnte durch die Empirie nicht bestatigt werden. Tab. 20:
Das Ergebnis der Erfolgsfaktorendiskussion des Change Managements auf Unternehmensebene
Maximal funf Nennungen moglich, da die Erfoigsfaktoren in den Fallstudien {6a) und {6b) gemeinsam erhoben wurden und in Fallstudie (5) noch keine Aussagen uber Erfoigsfaktoren auf Unternehmensebene getroffen werden konnten.
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a) Die Kommunikation Die Kommunikation wurde in den Ausfuhrungen in Kapitel 3.5.3.1.3 zwar als Erfolgsfaktor identifiziert, jedoch wurde kritisiert, dass dieser Faktor zu unspezifisch ist. Im Rahmen der Empirie konnte dieser Faktor nun welter spezifiziert werden, so dass im Wesentlichen zwei Anforderungen an die Kommunikation herausgearbeitet werden konnten:
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Offene and umfassende Kommunikation (1, 3) Um zu verhindern, dass durch Kommunikationsdefekte aufgrund einer Mund-zuMund-Propaganda die Ziele des Netzwerkes fehleriiaft im Unternehmen waiirgenommen werden und hierdurch Widerstande entstehen, ist eine offene und umfassende Kommunikation anzustreben. Eine derartige Information ist jedocii nicht zwangslaufig zu Beginn der konzeptionellen Piiase durchzufuhren. Unterschiedlichste Begrundungen kdnnen in Abhangigkeit von dem Umfeld eines konkreten Wandlungsvorhabens gegen eine fruiizeitige Information der Mitarbeiter angefuhrt werden. Wenn jedoch die Mitarbeiter informiert werden, dann offen und umfassend. So wurde im Netzwerk (6a) die Netzwerkkonzeption erfolgreich auf der Ebene der Bereichsleiter / Hauptabteilungsleiter erarbeltet, wobei Vertraulichkeit vereinbart wurde. Nach Abschluss der konzeptionellen Phase wurde dann eine umfassende unternehmensweite Information uber das Netzwerk durchgefuhrt, um gezielte Fehlinterpretationen und die Bildung von Geruchten zu vermeiden. Personiictier und vertraulicher Austausch in kritisctien Projektpliasen (1) Um die Individuellen Auswirkungen eines Netzwerkes fur den Mitarbeiter transparent darzustellen, wurden im Netzwerk (1) erfolgreich Individuelle Mitarbeitergesprache durchgefuhrt. Neben der Darstellung der Auswirkungen diente dieses Vorgehen auch dazu, individuelle Bedenken und Fragestellungen zu erortern.^^^^
Damit dient die Kommunikation dazu, Widerstande abzubauen. Dieser Abbau bezieht sich dabei auf alle drei der dargestellten Auspragungen von Widerstanden.^^^^ Mit der Schaffung von Transparenz kann ein rationaler und ein politischer WIderstand abgebaut werden, wobei dies voraussetzt, dass ein WIderstand das Resultat einer Fehllnterpretation der Auswirkungen des Aufbaus des Netzwerkes ist. Wenn dies nicht der Fall ist, kann ein derartiger WIderstand nicht mit Hilfe von Kommunikation abgebaut werden. Der emotlonale WIderstand kann dagegen Insbesondere durch den persdnlichen und vertraullchen Austausch in kritlschen Projektphasen abgebaut werden. Denn hierdurch werden die Individuellen Angste vor dem unbekannten Neuem thematlsiert und kdnnen dadurch eher abgebaut werden. Eine notwendige Basis fur den Erfolgsfaktor Kommunikation ist ein Vertrauensverhaltnis zwischen dem Kommunikator und den Rezlpienten. Denn insbesondere eine vermutete Integrltat ist die Voraussetzung dafur, dass die Nachricht des Kommunikators als glaubwurdlg aufgefasst wird. b) Der Teamgeist und die Motivation Die Ausfuhrungen zum Teamgeist und zur Motivation decken sIch mit den allgemeinen Ausfuhrungen zu den Erfolgsfaktoren und werden deswegen nicht welter erdrtert.
Ein weiterer Aspekt, der jedoch nicht ein Ergebnis der Fallstudien darstellt, ist die Mdglichkelt, durch derartige Gesprache zunachst die Hintergrijnde fur eine Blockade zu eruleren (vgl. HEINRICH (2004), S. 176).
Zu Auspragungen von Widerstanden slehe Kapitel 2.2.2.3.3
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Erfolgreiches Change Management von Regionalverteilem und Stadtwerken zu Netzwerken
Neben den Erfolgsfaktoren wurden auch die Misserfolgsfaktoren auf Untemehmensebene analysiert. Wie aus Tab. 21 ersichtlich wird, konnten die Misserfolgsfaktoren „Fehlender Handlungsdruck" und „Ressourcenmangel" durch die Empirie bestatigt werden. Relativierend zu den erhobenen Misserfolgsfaktoren ist zu erwahnen, dass die analysierten Netzwerke mit Ausnahme von (6b) und teilwelse {6a) erfolgreich etabllert wurden; diese beiden Netzwerke scheiterten jedoch aufgrund von Faktoren auf der Netzwerkebene. Deswegen ist die Identifikation von Misserfolgsfaktoren problematisch, da nur wenige Faktoren identifiziert werden konnten, welche signifikant die erfolgsreiche Etablierung gehemmt haben. Kotnponenteri des Change Management Misseifolgsfafctor Adaption Fehlender Handlungsdruck
Goal Attainmerit
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Inte* gration
Change ManagementProzess
Ti^ger des Change Managements
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2
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1
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Misstrauenskultur Fehlende vertragliche Vereinbarungen mit den Mitarbeitern Mangelhafte Qualifikation der l\^itarbeiter Mangelnde ldentifit