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German Pages 389 [402] Year 2009
Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement
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Ingo Behrendt · Hans-Joachim K¨onig · Ulrich Krystek Herausgeber
Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement Outsourcing, IT-Nutzenpotenziale, Kooperationsformen, Changemanagement
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Herausgeber Dr. Ingo Behrendt NEXUS AG Auf der Steig 6 78052 Villingen-Schwenningen
Dr. Hans-Joachim K¨onig Schrade & Partner Rechtsanw¨alte Max-Planck-Str. 11 78052 Villingen-Schwenningen
Prof. Dr. Ulrich Krystek TU Berlin Sekr. H 74 Straße des 17. Juni 135 10623 Berlin
ISBN 978-3-642-00934-1 e-ISBN 978-3-642-00935-8 DOI 10.1007/978-3-642-00935-8 Springer Dordrecht Heidelberg London New York Library of Congress Control Number: xxxx c Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich gesch¨utzt. Die dadurch begr¨undeten Rechte, insbesondere die der ¨ Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielf¨altigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielf¨altigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zul¨assig. Sie ist grunds¨atzlich verg¨utungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w¨aren und daher von jedermann benutzt werden d¨urften. Produkthaftung: F¨ur Angaben u¨ ber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gew¨ahr u¨ bernommen werden. Derartige Angaben m¨ussen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit u¨ berpr¨uft werden. Cover design: WMXDesign GmbH, Heidelberg Printed on acid-free paper Springer is part of Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort Die allgegenwärtige, weltweite Finanzkrise hat viele andere wichtige Themenbereiche in den Hintergrund des öffentlichen Bewusstseins gedrängt; darunter offenbar auch den fundamentalen Wandlungsprozess im Gesundheitswesen. Mehr noch: diese Branche scheint, jedenfalls bei oberflächlicher Betrachtung, sogar weniger als andere sog. „Paradebranchen“ (Marschall et al. 2009, S. 16) von den Wirkungen der aktuellen Krisenerscheinungen betroffen (vgl. Reents 2008, S. 20f.). Solche Wahrnehmungen dürfen jedoch den Blick für die unverändert aktuellen und großen Herausforderungen des Gesundheitswesens als der mit rund 245 Mrd. Euro Umsatz und ca. 4,2 Mio. Beschäftigten allein in Deutschland größten Branche (vgl. Franke 2007, S. 21) nicht verstellen. Ein aktuelle Darstellung der spezifisch deutschen Problemstellungen im Strukturvergleich von Gesundheitssystemen findet sich bei Henke (2008, S. 37ff.). Krankenhäuser spielen in dieser Branche eine entscheidende Rolle und sind wie kein anderer Bereich im deutschen Gesundheitssystem tiefgreifenden Umstrukturierungen unterworfen (vgl. Gericke et al. 2006, S. 79). Auch wenn der deutsche Krankenhaussektor im internationalen Vergleich im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit sowie auch hinsichtlich Angebotsbreite und Zugänglichkeit einen Spitzenplatz einnimmt und damit weit besser als sein Ruf erscheint (vgl. Salfeld et al. 2007, S. 1), ist der tiefgreifende Wandlungsprozess in Krankenhäusern längst noch nicht abgeschlossen. Es dürfte daher auch weiterhin für einen breiten Leserkreis interessant sein zu erfahren, welche Themenschwerpunkte eines zukunftsorientierten Krankenhausmanagements mit welchen Problemstellungen, Lösungen und Erfahrungen aktuell besonders im Blickfeld stehen. Neben Grundlagenwerken, die das Management aller wesentlichen Sektoren im Gesundheitswesen umfassen, bieten sich speziell für den Bereich des Krankenhausmanagements vertiefende Abhandlungen an, die aus Sicht von Theorie und Praxis aktuelle Einzelaspekte herausgreifen und aus unterschiedlichen Perspektiven behandeln. Mit dieser Zielsetzung ist der vorliegende Sammelband konzipiert worden als ein Ergebnis vieler Gespräche und Sitzungen im Umfeld der Nexus AG, die sich speziell mit der Entwicklung und Vermarktung von klinischen Informationssystemen beschäftigt. Wenn auch die Auswahl der hier präsentierten Themen immer den Anschein des Fragmentarischen haben muss, der innere Zusammenhang zwischen den jeweiligen Themenschwerpunkten ist nicht nur durch den fachlichen Hintergrund der Autoren und Herausgeber geprägt, er ist maßgeblich beeinflusst worden durch vielfältige Dialoge mit Führungskräften des Krankenhausmanagements und
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Vorwort
übrigen Experten, die den Weg der Veränderungen in Krankenhäusern begleiten und beeinflussen. In dem so entstandenen Dialog zwischen Theorie und Praxis haben sich interessante und aktuelle Problemstellungen, Lösungsansätze, Erfahrungen und noch offene Fragen ergeben, die nachfolgend kurz skizziert werden. Im ersten Teil umreißt Heinz Lohmann die grundlegende Neuorientierung der Anforderungen an ein zukunftsorientiertes und erfolgreiches Krankenhausmanagement. Reinhard Busse, Oliver Tiemann und Markus Wörz schildern die Umwandlungsprozesse in autonomisierte oder verselbständigte Einrichtungen und deren erforderliche Regulierung vor dem Hintergrund des Wandels internationaler Gesundheitssysteme. Mit der Konzentration auf Kernkompetenzen und den daraus abgeleiteten Outsourcing-Entscheidungen beschäftigt sich der zweite Teil. Ulrich Krystek stellt Outsourcing als eine notwendigerweise strategisch orientierte Führungsentscheidung des Krankenhausmanagements im Rahmen eines integrierten Planungssystems dar. Das zukunftsorientierte Konzept eines digitalen Krankenhauses mit seinen darin enthaltenen IuK-OutsourcingStrategien, Perspektiven und Alternativen sowie den generellen Erwartungen an die IuK-Technologien im Gesundheitswesen wird von Axel C. Mühlbacher und Rajko Pflügel thematisiert. Daran schließen sich zwei Beispiele für weitere typische Felder von Outsourcing-Entscheidungen im Krankenhaus an. Michael Kirchner und Jens Knoblich erläutern den Bereich der tertiären Dienstleistungen mit dem Schwerpunkt Facility Management und Andreas König und Thais Bade diskutieren Strategien zur Kostensenkung bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung durch OutsourcingEntscheidungen in der Krankenhauslogistik am Beispiel des Teilbereichs „Materialwirtschaft“. Kodierung und Leistungserfassung als für die Erlösqualität von Krankenhäusern wichtige Aufgabenbereiche werden von Arno Kinnebrock und Ulrich Overhamm dargestellt. Die Autoren behandeln dabei auch die Möglichkeit des Outsourcings solcher Tätigkeiten, die nicht zu den eigentlichen Kernaufgaben des Krankenhauses zählen. Eine spezielle Kooperationsform im Rahmen von Outsourcing-Strategien, die in enger Verbindung mit der Auslagerung von tertiären Dienstleistungen steht, ergibt sich durch Organschaften, die im dritten Teil thematisiert werden. Hans Joachim König, Ricarda Baudis und Cristof Brößke erläutern diese vielschichtige Organisationsform aus juristischer Sicht unter den Aspekten des Steuerrechts, Vergaberechts, Wettbewerbsrechts, Gesellschafts- und Arbeitsrechts, wobei die besondere Brisanz arbeitsrechtlicher Vorschriften hervorgehoben wird. Die Autoren thematisieren in diesem
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Teil zugleich die horizontale Privatisierung als eine weitere Form des Outsourcings, in der durch gemeinsame Sevicegesellschaften vielfältige Formen infrastruktureller Dienstleistungen für Krankenhäuser zusammengefasst werden. Den noch längst nicht ausgeschöpften IT-Nutzenpotenzialen eines zukunftsorientierten Krankenhausmanagements widmet sich der vierte Teil. Ingo Behrendt vermittelt in seinem grundlegenden Beitrag eine neue Sicht auf die Entwicklung und Einführung innovativer KrankenhausInformationssysteme (KIS). Er berichtet über gemachte Erfahrungen und gibt zugleich Beispiele der Anwendungserstellung sowie Hinweise zur Projektführung. Mit der Optimierung und Integration von sektoral übergreifenden Geschäftsprozessen im Rahmen der integrierten Gesundheitsversorgung beschäftigt sich der Beitrag von Alexander Pocsay und Oliver Distler. Sie sehen die zukünftigen eHealth-Lösungen nur dann als erfolgreich an, wenn sie mit einer Optimierung der zugrunde liegenden Geschäftsprozesse verbunden sind. Die Rolle der IT als einem unverzichtbaren Unterstützungsinstrument des zukunftsorientierten Krankenhausmanagements wird anschließend am Beispiel des Prozess- und Qualitätsmanagements verdeutlicht. Im Beitrag von Uwe A. Gansert wird die Rolle der Informationstechnologie als wesentlicher Faktor zur Prozessverbesserung bei der Patientenversorgung hervorgehoben und an zwei konkreten Anwendungsfällen verdeutlicht. Gesine Dannemaier, Clas Clasen und Stefan Burkhart stellen am Beispiel von NEXUS/CURATOR ein KTQ®Verfahren (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen) vor, das sich auf dem relevanten Markt zunehmend durchsetzt. Die ambivalente Rolle des Datenschutzes als Rahmenbedingung einer fortschreitenden Digitalisierung in Krankenhäusern ist das Thema des fünften Teils. Franz-Michael Koch und Maren Stienecker widmen sich in diesem Teil dem Gefährdungspotenzial einer modernen Datenverarbeitungstechnologie und speziell den Rechtsgrundlagen eines darauf ausgerichteten Datenschutzes. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Rechten der Betroffenen. Vielfältige und tiefgreifende Wandlungsprozesse im Krankenhausmanagement bedürfen eines geeigneten Changemanagements, das letztendlich über den Erfolg oder Misserfolg der jeweiligen Veränderungsprojekte entscheidet. Der sechste Teil beschließt mit der Thematisierung dieses Träger des Wandels den vorgelegten Sammelband. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht erläutern Ingo Marsolek und Wolfgang Friesdorf das Changemanagement und betonen dabei die Forderung, Mitarbeiter von der Notwendig-
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keit des Wandels zu überzeugen und in die Veränderungsprozesse zu integrieren. Verhaltensbedingte Hürden stellt daran anknüpfend Marko Reimer dar und erörtert zugleich mögliche Lösungsansätze. Für ihn sind Widerstände gegen Veränderungsprozesse Warnsignale einer nicht hinreichenden Berücksichtigung der Betroffenen. Rajko Pflügel, Hannelore Kreibeck und Jens-Peter Keil berichten anschließend über Erfahrungen mit dem Einsatz von Changemanagement am Beispiel eines KrankenhausProjekts. Die Herausgeber nehmen diese Einführung zum Anlass, allen Autoren sehr herzlich für ihre Beiträge zu danken, die – das sei ausdrücklich gewürdigt – zusätzlich zu allen anderen Aufgaben entstanden. Unser Dank gilt zugleich dem Springer Verlag und dort speziell Herrn Dr. Werner A. Müller, der als kompetenter und verständnisvoller Partner die Konzeption dieses Buchs begleitete. Nicht zuletzt auch Herrn Dipl.-Ing. Marko Reimer, der die Mühe der Erstellung einer druckreifen Fassung übernahm und darüber hinaus mit wertvollen Anregungen zum Gelingen dieses Werks maßgeblich beitrug. Der Prozess eines zukunftsorientierten Wandels im Krankenhausmanagement findet naturgemäß kein definierbares Ende. Herausgeber und Autoren würden sich deshalb freuen, wenn sie von den Lesern dieses Buchs weitere Anregungen erhalten, die den so begonnenen Dialog fortsetzen helfen.
Ingo Behrendt Hans Joachim König Ulrich Krystek
Villingen-Schwenningen, Berlin im März 2009
Literatur: Franke D H (2007) Krankenhaus-Management im Umbruch. Konzepte – Methoden – Projekte. Kohlhammer, Stuttgart Gericke C, Wörz M, Busse R (2006) Leistungsmanagement in Krankenhäusern. In: Busse R, Schreyögg J, Gericke C (Hrsg) Management im Gesundheitswesen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 54-80
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Henke K-D (2008) Deutschland im Strukturvergleich von Gesundheitssystemen. In: Schmidt-Rettig B, Eichhorn S (Hrsg) Krankenhausmanagementlehre. Theorie und Praxis eines integrierten Konzepts. Kohlhammer, Stuttgart, S 37-53 Marschall B, Kaebele M, Scholz S (2009) Krise lässt Paradebranchen abstürzen. Financial Times Deutschland vom 06.02.2009: 16 Reents H (2008) Stabile Geschäfte. medbiz12 (Magazin für Gesundheitswesen der Financial Times Deutschland) 12/08: 20-21 Salfeld R, Hehner S, Wichels R (2007) Modernes Krankenhausmanagement. Konzepte und Lösungen. Springer, Berlin Heidelberg New York
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Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Grundlagen des zukunftsorientierten Wandels im Krankenhausmanagement Heinz Lohmann Erfolgsfaktor Medizin: Anforderungen an ein modernes Krankenhausmanagement ...................................................................................... 3 Reinhard Busse, Oliver Tiemann und Markus Wörz Veränderungen des Krankenhausmanagements im Kontext des Wandels internationaler Gesundheitssysteme ....................................... 15
Teil 2: Konzentration auf Kernkompetenzen Ulrich Krystek Outsourcing als strategische Option ...................................................... 39 Axel C. Mühlbacher und Rajko Pflügel IuK-Outsourcing im Krankenhaus: Das (digitale) Krankenhaus zwischen Integration und Fokussierung ................................................ 69 Michael Kirchner und Jens Knoblich Outsourcing tertiärer Dienstleistungen ................................................ 103 Andreas König und Thais Bade Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung in der Krankenhauslogistik ............................................................................ 113 Arno Kinnebrock und Ulrich Overhamm Kodierung und Leistungserfassung...................................................... 127
Teil 3: Organschaften und Horizontale Privatisierung Hans Joachim König, Ricarda Baudis und Christof Brößke...…….........143
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Inhaltsverzeichnis
Teil 4: IT-Nutzenpotenziale im zukunftsorientierten Krankenhausmanagement Ingo Behrendt Klinische Informationssysteme im Krankenhausmanagement: Eine neue Sicht auf die Entwicklung und die Einführung innovativer KIS ................................................................................... 181 Alexander Pocsay und Oliver Distler Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen – Organisation und IT wachsen zusammen ............................................ 215 Uwe A. Gansert IT als Unterstützungsinstrument des Prozessmanagements in Krankenhäusern ................................................................................... 233 Gesine Dannenmaier, Clas Clasen und Stefan Burkart IT und KTQ® zur Unterstützung des Qualitätsmanagements und der Managementbewertung ........................................................... 267
Teil 5: Rechtliche Rahmenbedingungen der Digitalisierung Franz-Michael Koch und Maren Stienecker ………..….…..…………...285
Teil 6: Changemanagement als Träges des Wandels Ingo Marsolek und Wolfgang Friesdorf Changemanagement im Krankenhaus – im Mittelpunkt der Mensch .. 323 Marko Reimer Verhaltensbedingte Hürden als Gegenstand des Changemanagements ....................................................................................... 337 Rajko Pflügel, Hannelore Kreibeck und Jens-Peter Keil Erfahrungen mit dem Changemanagement: Die Einführung von Fallmanagement im Krankenhaus ....................................................... 357 Autorenverzeichnis…………………………………....…..…………...387
Teil 1: Grundlagen des zukunftsorientierten Wandels im Krankenhausmanagement
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Erfolgsfaktor Medizin: Anforderungen an ein modernes Krankenhausmanagement Heinz Lohmann
1 Die Zeit ist reif Ein Krankenhaus „produziert“ Medizin. Wer wollte das bezweifeln? Die Behandlung und Pflege kranker Menschen ist die Aufgabe dieser Institution, solange es sie gibt. Aber stand die Medizin deshalb schon immer im Zentrum des Interesses des verantwortlichen Managements? Daran kann mit Fug und Recht gezweifelt werden. Solange der Einsatz von Putzfrauen, Technikern und Buchhaltern mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als die Gestaltung der Strukturen und Prozesse der Medizin, ist die Krankenhauswelt nicht im Lot. Mehr und mehr wird den beteiligten Akteuren deutlich, dass der nachhaltige Umschwung eine grundlegende Neuorientierung der Anforderungen an ein modernes Krankenhausmanagement erforderlich macht. Kostensteigerungen aus Tarifabschlüssen, Mehrwertsteuererhöhung, wachsenden Energiekosten, pauschale Budgetkürzungen aufgrund von Entscheidungen des Gesetzgebers und das alles bei sinkenden Erlösen – die Liste der aktuellen Hiobsbotschaften ist lang. Heute Verantwortung für Krankenhäuser zu tragen, wiegt schwer. Aber es ist nichts gegenüber der Perspektive in den kommenden 10 Jahren. So werden angesichts von weiteren Verweildauerverkürzungen und Ambulantisierungen mehr als 30%, also über 700 Krankenhäuser, unweigerlich geschlossen werden. Die langsam aber sicher zunehmende Transparenz bei der Bewertung der Qualität von Medizin durch Zertifizierung, Rankings, Patientenforen und vielem sonst, verbreitet durch Medien wie Zeitungen und Zeitschriften sowie mehr und mehr durch Fernsehen und nicht zuletzt durch das Internet, beschleunigt die Konzentration der medizinischen Angebote durch Spezialisierung. Gleichzeitig fördert die rasante Entwicklung der Informationstechnologie die Vernetzung der Diagnostik und Therapie auch in die Fläche hinein. Nur die Krankenhäuser, die sich den Herausforderungen der Zukunft heute aktiv stellen und vorbehaltlos die Modernität des Angebots ihrer Medizin ins Zentrum des Wandlungsprozesses rücken, werden im härter werdenden Wettbewerb um Patienten überleben. In dieser Entwicklung liegt eine große Chance für die Verbesse-
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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rung der Medizin insgesamt und damit auch für den Patienten. Krankenhausmanagement muss die Zeichen der Zeit erkennen und sich an die Spitze der Bewegung setzen.
2 Konzentration auf Medizin Wer Autos verkaufen will, muss herausragende Autos produzieren. Die technisch perfektesten Autoradios einzubauen reicht nicht aus. Und genau so wenig ist beste Medizintechnik allein ein Grund, die Leistungen eines Krankenhauses in Anspruch zu nehmen. Der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern wird letztlich über die Qualität der Medizin entschieden. Alles andere sind zwingende Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um überhaupt eine Chance im Überlebenskampf zu haben. Und die Branche steht ganz am Anfang eines dramatischen Umbruchs. Bisherige Sanierungs- und Modernisierungsprogramme von Krankenhausunternehmen beziehen sich ganz wesentlich auf medizinferne Bereiche. Der Nachholbedarf gegenüber anderen Branchen der Volkswirtschaft beim infrastrukturellen Service hat die letzten 15 Jahre in den Krankenhäusern geprägt. Die Organisation der Medizin ist bisher nur in Randbereichen in den Veränderungsprozess einbezogen worden. Insbesondere die institutionelle Begrenzung der bisherigen Ansätze hat verhindert, dass die gesamte Behandlung eines Patienten und ihr Erfolg ins Zentrum der Optimierungsstrategie gerückt werden konnten. Krankenhausmanager haben sich bisher im wesentlichen um das „Drumherum“ gekümmert und nicht so sehr um das Optimum des „Eigentlichen“. Patienten suchen herausragende Medizin. Auf sie gilt es sich zu konzentrieren. Medizin ist heute immer noch allenthalben Resultat der vorgefundenen Bedingungen. Die Hebung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit kann erst durch einen tief greifenden Paradigmenwechsel von einer mehr auf Zufälligkeiten beruhenden zu einer strukturierten und standardisierten Medizin nachhaltig sicher gestellt werden. Die ganze Organisation muss dafür „vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden. Nicht die „gewachsene“ Beschaffenheit der Infrastruktur, die vorgefundene Organisation der Betriebsabläufe sowie die zufällig entstandene Personalstruktur dürfen die Art und die Ergebnisse von Medizin länger determinieren. Umgekehrt müssen die für das Überleben des Krankenhauses im Wettbewerb unabdinglich notwendige Qualität und Wirtschaftlichkeit der Medizin die Infrastruktur, die Betriebsabläufe sowie die Personalstruktur bestimmen. Die bisherige Art und Weise, Medizin zu offerieren, ist Ergebnis der fast vollständigen Intransparenz der Gesundheitsangebote in der Vergangenheit.
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Diese Situation verändert sich aktuell grundlegend und nachhaltig. Mehr und mehr gewinnen Klinikführer, Ärztelisten, Qualitätsberichte, kurz: Rankings aller Art an Bedeutung. Themen aus der Medizin sind in Zeitschriften, im Fernsehen und immer öfter auch im Internet an Popularität nicht zu überbieten. Patienten sind dem Expertensystem Medizin nicht mehr vollkommen hilflos ausgeliefert. Im Gegenteil gewinnen Sie in diesem lange ausgeklammerten gesellschaftlichen Sektor Autonomie hinzu und nutzen in Ansätzen ihre Marktchancen bereits heute. Modernes Krankenhausmanagement zieht aus diesem Trend die richtigen Schlüsse und schaltet sich aktiv in die Gestaltung des Wandels der Bedingungen für Medizin ein. Weil es für das Krankenhausmanagement zwingend ist, sich auf die Optimierung der Medizin zu konzentrieren, benötigen Krankenhausunternehmen für eine zukunftsfähige Infrastruktur strategische Partner. Dabei geht es nicht um einfache Outsourcing-Modelle, wie sie in jüngster Vergangenheit häufig zur Anwendung gekommen sind. Künftig steht die Verfolgung gemeinsamer Ziele obenan. Deshalb sind wechselseitig höchste Anforderungen an die beteiligten Partner zu stellen. Sie müssen insbesondere bereit sein, innovative Geschäftsmodelle, wie etwa „Pay per CaseKonzepte“ zu verfolgen. Das gemeinsame Geschäftsrisiko Medizin ist die Stimulanz, um zu Höchstleistungen zu gelangen. Sie wiederum sind Voraussetzung für Erfolg im harten Verdrängungswettbewerb der kommenden Jahre. Zentrales Erfolgskriterium für modernes Krankenhausmanagement ist es, zeitnah strategische Partner zu gewinnen, die in der Lage sind, in enger Kooperation mit dem jeweiligen Klinikum vielfältige infrastrukturelle Serviceleistungen zu offerieren. Felder für Kooperationen dieserart sind etwa Facilitymanagement, Steuerung von Medizintechnik, Wiederaufbereitung von Medizinprodukten, Immobilien- und Flächenmanagement sowie Planung und Bau und vieles mehr. Zuliefererindustrie und Serviceunternehmen müssen sich derzeit auf die veränderte Situation einstellen. Es gibt bereits eine Reihe von Firmen, die auf einem Erfolg versprechenden Weg sind. Allerdings ist die Umstellung der Geschäftsmodelle beileibe kein Selbstgänger. Vielmehr tun sich viele Industrie- und Servicebetriebe der Gesundheitswirtschaft noch außerordentlich schwer mit der Vorstellung, gemeinsam mit den Krankenhäusern das Risiko des Medizingeschäftes zu teilen. Auch hier ist ein rascher und beherzter Wandel von Nöten. Immerhin gibt es sie bereits, die Pioniere der strategischen Partnerschaften. Ein Gang über das häufig weitläufige Gelände von großen Krankenhäusern in Metropolen bringt es an den Tag. Moderne Krankenhäuser sind inzwischen häufig Orte, an denen unterschiedliche Medizinanbieter nebeneinander agieren. Diese zusätzlich zur Klinik entstandenen Betriebe sind
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als Beteiligungsgesellschaften des Klinikums oder wirtschaftlich eigenständig tätig. Sie nutzen ihre Räumlichkeiten auf der Basis von unterschiedlich ausgestalteten Mietverhältnissen. Die begonnene Entwicklung wird in den kommenden Jahren rasant voranschreiten. Die Stichworte dazu sind: Patientenhotels, Facharztkliniken, Ärztehäuser, Medizinische Versorgungszentren, Diagnostik-Center, Spezialkliniken, Wellnesscenter, Tagungszentren, Gesundheitsmalls und so weiter. Es werden je nach geografischer Lage mit einem unterschiedlichen Angebotsportfolio ausgestattete Gesundheitscenter entstehen und in Zukunft systematisch projektiert, geplant, gebaut und betrieben werden. Dabei ist es nicht Erfolg versprechend, wenn Krankenhäuser weiterhin Immobilien- und Vermietungsgeschäfte, Planungs- und Bauaufgaben sowie vielfältige Managementfunktionen neben ihrem Kerngeschäft wahrnehmen. Sinnvoll ist vielmehr, zu einer Professionalisierung dieser Aktivitäten zu gelangen und eine entsprechende strategische Partnerschaft auch für das Gesundheitscentermanagement einzugehen. Hier ist Entwicklungsarbeit notwendig, wie sie in anderen Branchen bereits vor etlichen Jahren stattgefunden hat. Der Gesundheitssektor vollzieht Erfolgsmodelle nach, die in anderen Wirtschaftbereichen inzwischen Gang und Gäbe geworden sind. Die notwendige Professionalität des Medizingeschäftes erfordert die ganze Konzentration des Krankenhausmanagements. Die Zeiten, in denen sich verantwortliche Führungskräfte vornehmlich um „Randthemen“ des Geschehens in Gesundheitsunternehmen kümmern konnten, gehören in dieser stark wettbewerbsbestimmten Branche der Vergangenheit an. Strategische Partner sind deshalb gefordert.
3 Qualität durch „Markenmedizin“ Den Gesundheitsmarkt charakterisiert nach wie vor eine äußerst ausgeprägte Segmentierung. Es gibt bisher fast ausschließlich Teilleistungen, die erst durch mühsame Verknüpfung zu einer Gesamtbehandlung zusammengefügt werden müssen. Das ist insbesondere angesichts der hohen Intransparenz für alle Beteiligten, aber natürlich besonders für die Patienten selber, nur schwerlich möglich. Zudem ist diese Art der medizinischen Leistungserbringung unter qualitativen und erst recht wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht effektiv. Menschen, speziell ältere Menschen, erwarten zunehmend komplexe Gesundheitsangebote, die auf einem strukturierten Prozess beruhen. Diese Entwicklung ist in vielen anderen Branchen in den vergangenen Jahren in gleicher Weise abgelaufen. Der Gesundheitsmarkt zieht hier jetzt lediglich nach.
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Gegen die Einführung von Pauschalangeboten hat es immer Bedenken gegeben. Der Vorwurf lautet jeweils, die Individualität bleibe auf der Strecke. Identische Argumentationsmuster sind in den verschiedenen Branchen zu erkennen. Als in den fünfziger Jahren in Deutschland die ersten Pauschalreiseveranstalter aufkamen, gab es große Zweifel, ob es sich hier um ein Erfolg versprechendes Geschäftsmodell handele. Viele Menschen waren der Meinung, dass so etwas Persönliches wie ein Urlaub nur als individuell strukturiertes Angebot verkäuflich sei. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben das Gegenteil eindrucksvoll bewiesen. Heute ist die All-Inclusive-Reise weit verbreitet und ein ausgesprochenes Erfolgskonzept. Allerdings ist das Angebot inzwischen außerordentlich differenziert und bietet trotz größter Standardisierung eine Fülle von individuellen Wahlmöglichkeiten. Auch das Vorurteil, eine Pauschalreise biete keinen persönlichen Service, ist längst widerlegt. Wäre es so, gäbe es dieses Angebot nicht mehr. Das Gegenteil ist richtig, weil der Grad der Standardisierung so hoch ist und die Abläufe technisch in umfassender Weise gestützt werden, können die Beschäftigten in der Touristikbranche auf die Kundenwünsche in viel höherem Maße eingehen. Sie werden von Routineanforderungen durch die genormten Prozesse entlastet. Dieses gilt insbesondere dann, wenn bei Angeboten für ältere Menschen die Aufmerksamkeit der Servicekräfte überdurchschnittlich herausgefordert wird. Selbstverständlich in der Reisewirtschaft sind die unterschiedlichen Preissegmente, in denen Reisen offeriert werden. Wer einmal die Kataloge von Veranstaltern verglichen hat, wird erkennen, dass für alle Bevölkerungsgruppen inhaltlich und finanziell differenzierte Angebote auf dem Markt sind. Die Ausgestaltung der Tourismusbranche kann für die Gesundheitswirtschaft in all den genannten Punkten Modellcharakter haben. Natürlich wird es erforderlich sein, die Erfahrungen aus anderen Wirtschaftbereichen entsprechend anzupassen, um sie für den Einsatz im Gesundheitssektor tauglich werden zu lassen. Insbesondere die kulturellen Besonderheiten müssen beachtet werden. Das gilt in spezieller Weise auch für die Ansprache der Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft. Sie sind skeptischer gegenüber Veränderungen dieser Art als in allen anderen Branchen. In jüngster Vergangenheit ist auch der Gesundheitsmarkt vom allgemeinen Umbruch mehr und mehr erfasst worden. Allerdings ist der Wandel hier erst am Beginn. Die Konturen der künftigen Regeln sind nur schematisch zu erkennen. Eine wichtige Bedingung für das sich ausbreitende Vertragssystem ist eine klare Definition der Leistungen. In Deutschland ist mit der Einführung der Diagnostic-Related-Groups-Methodik dazu eine wesentliche Voraussetzung realisiert worden. Sie kann in den kommenden Jahren auch auf nicht stationäre Leistungen übertragen werden.
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Sie und geplante Behandlungsabläufe stellen die Basis zur Entwicklung von „Lösungen“ für Patienten dar. Die Leistungsdefinition wird auf der Basis optimierter betriebswirtschaftlicher Instrumente durch eine realistische Preiskalkulation ergänzt werden. Beide Elemente sind konstitutiv für ein Vertragssystem. Dabei kann auf die jetzt gemachten Erfahrungen mit den Verträgen (vgl. Abb. 1) auf der Basis der Integrierten Versorgung aufgebaut werden. • Medizinischer Inhalt • Ablauforganisation Durchführung − z. B. Tag der OP • Gewährleistung − z. B. keine Wiedereinweisung mit gleicher Grunderkrankung innerhalb festgelegtem Zeitraum • Zusätzliche Leistungsverpflichtungen − z. B. Nachsorgeuntersuchungen, Dokumentationspflichten • Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen • Preise und Rabatte Abb. 1: Medizin-Leistungsverträge
In Leistungsverträgen wird hierbei jeweils der medizinische Inhalt geregelt, die ablauforganisatorische Durchführung festgelegt, bei Eignung eine Gewährleistung vereinbart, zusätzliche Leistungsverpflichtungen festgeschrieben, die Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen definiert sowie die Preise und Rabatte bestimmt. Wobei die Krankenkassen Preisnachlässe dann erwarten können, wenn es ihnen gelingt, über eine verabredete Anzahl von Patienten hinaus, weitere Mitglieder ihrer Kasse davon zu überzeugen, das vereinbarte Angebot in Anspruch zu nehmen. Es geht künftig um Komplexleistungen zu Komplexpreisen. Ambulante, stationäre, rehabilitative und pflegerische medizinische Hilfen sowie Medikamente, und die Versorgung mit sonstigen Medizinprodukten werden dabei in Leistungspaketen (vgl. Abb. 2) zusammengefasst.
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Ambulante Akutmedizin
Stationäre Akutmedizin
Stationäre Rehabilitation
Ambulante Rehabilitation
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Abb. 2: Medizinisches Leistungspaket
In Zukunft wird es darum gehen, solche Leistungspakete, also komplexe pauschale Behandlungslösungen in „Gesundheits-Katalogen“ (vgl. Abb. 3) zusammen zufassen. Die Offerten werden, wie in der Touristikbranche, in der Ausgestaltung differenzieren und somit verschiedene Nachfragergruppen ansprechen. Für Krankenkassen bedeutet das, dass sie sich ebenfalls auf bestimmte Versichertengruppen ausrichten und somit im Kassenwettbewerb mit unterschiedlichen Leistungsversprechen punkten können. In der mehr und mehr wahrgenommenen Branche der Gesundheitswirtschaft sind die Gesundheitsdienstleister, ambulant tätige Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Rehabilitationseinrichtungen, Pflegedienste/ -heime, Medikalproduktehersteller, Pharmaunternehmen, Medizingeräteproduzenten, Krankenversicherer, nichtmedizinische Forschungseinrichtungen und Andere zusammengefasst. Sie ist in allen postindustriellen Gesellschaften ein bedeutender und weiter wachsender Wirtschaftsbereich.
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Abb. 3: „Gesundheits-Katalog“
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Aktive Unternehmen der Gesundheitswirtschaft unterstützen nachhaltig den begonnenen Umstieg vom Budget- zum Vertragssystem. Sie entwickeln gemeinsam Lösungen für Patienten und bieten sie modernen Krankenkassen und ihren Versicherten an. Die Partner der Gesundheitswirtschaft wirken dabei in neuen Formen der Kooperation zur Nutzung von Synergien und Optimierungspotentialen zusammen. Die vielfältigen Innovationschancen aller beteiligten Akteure bieten dabei eine Basis für erfolgreiches Handeln. Es kommt zu einer Neubewertung der „Marke“ (vgl. Abb. 4) in der Gesundheitsbranche.
MARKENENTWICKLUNG IN DER GESUNDHEITSBRANCHE Heute
Morgen
Übermorgen
Lösungen zur Verbesserung/ Erhalt der Lebensqualität
Zentren
Krankenhaus
Portale - Anbieterschutz - Daseinsvorsorge - nicht standardisierbar
- Verbraucherschutz - Wettbewerb - standardisiert
t
Abb. 4: Markenentwicklung in der Gesundheitsbranche
„Markenmedizin“ setzt strukturierte Prozesse bei der Organisation der Erstellung von Behandlungslösungen voraus. Darum sind verschiedene methodische und technologische Ansätze unabdingbar. Die Bedeutung der Gewinnung von strategischen Systempartnern der Medizin ist der zentrale Faktor. Dabei ist wiederum angesichts der Komplexität der Strukturen und Prozesse in der Gesundheitswirtschaft das jeweilige informationstechnologische Konzept ausschlaggebend. IT ist die Basis von „Markenmedizin“. Erfolgreiche Systempartnerschaft zwischen den verschiedenen Akteuren aus Industrie, Service und Medizin sind ansonsten nicht denkbar.
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Die Integration zunächst völlig konträr auftretender Erfahrungswelten erfordert die Unterstützung der Mitwirkenden durch Befreiung von belastendem „bürokratischem“ Aufwand. Die komplexe Logistik in der Gesundheitswirtschaft ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Schlüssel für das Gelingen der Idee wettbewerbsfähiger Gesamtprozesse. Strukturierte Medizin wird nachhaltig nur funktionieren, wenn sie als ein untrennbarer Teil einer Systempartnerschaft gestaltet werden kann und deshalb alle Beteiligten diese Art der Leistungserbringung als persönlich entlastend, mehr noch als Optimierung des eigenen Tuns erleben.
4 Gute Medizin zu bezahlbaren Preisen Immer wieder in der Geschichte ist es zu gewaltigen Umbrüchen gekommen. So auch aktuell. Alle gesellschaftlichen Bereiche sind inzwischen von den Auswirkungen erfasst. Wandel ist immer auch mit Ängsten verbunden. Im Gesundheitssektor ist dieses Phänomen sehr ausgeprägt zu beobachten. Lange Zeit waren die Gesundheitsbetriebe und -einrichtungen vom allgemeinen Wandel abgekoppelt. Sie konnten sich in ihren „Naturschutzgebieten“ konservieren. Umso heftiger werden die dramatischen Veränderungen der letzten Jahre als Bedrohung empfunden. Die Reaktionen darauf sind typisch. Es wird Hilfe im politisch-administrativen System gesucht. Der Gesetzgeber, in der Vergangenheit heftig gescholten, soll jetzt die bisherigen Verhältnisse bewahren. Er soll Schutz vor den Umbrüchen gewähren. In dieser Diskussion werden viele „Feinde“ ausgemacht, die heftig bekämpft werden, allen voran die Ökonomen. Gäbe es sie nicht, oder drängte man wenigstens ihren Einfluss zurück, uns ginge es, so die Suggestion, sofort wieder besser. Deshalb müssen die Instrumente betrieblichen Handelns negativ belegt werden. Es kann doch nicht angehen, die Art und Weise wie Medizin gemacht wird, in Frage zu stellen, nur um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Gesundheit entzieht sich den normalen Bewertungskriterien. Das ist wenigstens die Argumentation derjenigen, die bei Systemveränderungen, ja bei jeder Modernisierung der Institutionen, auf der Bremse stehen. Angesagt ist aber eine nüchterne Analyse der aktuellen Situation und daraus abgeleitet ein klare Prognose. Dabei helfen heutige Rahmenbedingungen, etwa die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen, nur bedingt weiter. Es geht darum, in einer postindustriellen Gesellschaft bei steigender Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und knappen Mitteln aus dem Sozialtransfer den Zugang zur modernen Medizin weiterhin zu ermöglichen. Einbezogen sollen auch die Menschen sein, die nicht in der Lage
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sind, diese Medizin aus eigenen Einkünften zu finanzieren. Mit anderen Worten: Es geht am Beginn des 21. Jahrhunderts um nicht weniger als um die Sicherung einer humanen Gesellschaft. Deshalb müssen sich alle Menschen, auch gerade die Akteure der Gesundheitswirtschaft, auf Wandel einstellen. Sie müssen zu innovativen Gestaltern werden, wollen sie nicht von den Veränderungen überrollt werden. Modernes Krankenhausmanagement ist hier in besonderer Weise gefordert. Die Ausgangssituation ist im Gegensatz zu anderen Branchen nicht schlecht. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigt. Das ist die gute Botschaft der Gesundheitswirtschaft. Auf sie richten sich deshalb nicht zu Unrecht die Wachstumshoffnungen postindustrieller Gesellschaften. Jobmotoren sind gefragt und werden von der Politik mit großer Freude registriert. Die Erwartungen sind durchaus realistisch und nachhaltig. Gründe liegen in der demografischen Entwicklung und in der Innovationskraft der Medizin. Der Anteil der älteren Menschen steigt in den kommenden Jahrzehnten weiter, und die Forschung und Entwicklung in der Medizin arbeiten außerordentlich erfolgreich. Gleichzeitig steigt bereits seit einigen Jahren die privat finanzierte Nachfrage. Diese Situation wird in den kommenden Jahren anhalten. Es besteht z. Zt. eher das Problem, dass es nicht ausreichend Produkte und Dienstleistungen für Menschen in der zweiten Lebenshälfte gibt. Hier sind die Betriebe und Unternehmen der Gesundheitswirtschaft herausgefordert. Auch eine Reihe von Krankenkassen erkennen, dass noch vor der Höhe der Beitragssätze die medizinische Leistung im Kassenwettbewerb um Versicherte das entscheidende Erfolgskriterium ist. Sie sind deshalb mehr und mehr bereit, außerhalb des tradierten Systems der kollektiven Absprachen mit Leistungsanbietern, zu Einzelverträgen im Rahmen der Integrierten Versorgung überzugehen. Die Behandlungsleistungen unterscheiden sich von der „einheitlich und gemeinsamen“ medizinischen Einheitsversorgung und können deshalb gesondert beworben werden. Diese Entwicklung ist die zentrale Voraussetzung der Ausbreitung von „Markenmedizin“. Richtig ist aber auch, dass die Finanzierungsmöglichkeiten im Sozialtransfer wegen andersartiger politischer Prioritäten begrenzt sind und bleiben. Alle postindustriellen Gesellschaften positionieren sich auf dem Weltmarkt mit innovativen Produkten und Dienstleistungen. Sie forcieren daher den Forschungsbereich und versuchen, die öffentlichen Mittel in diesen Sektor umzusteuern. Die Belastung der Volkswirtschaften mit Sozialausgaben wird hingegen reduziert. Die aufgehende Schere zwischen steigender Nachfrage nach Gesundheitsleistungen einerseits und begrenzten Mittel aus dem Sozialtransfer andererseits erfordert politisches Handeln. Da die Einschränkung von Leistungen der staatlichen Sozialsysteme außerordentlich konfliktträchtig ist
Erfolgsfaktor Medizin: Anforderungen an ein modernes Krankenhausmanagement
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und außerdem den gesellschaftlichen Konsens bedroht, sind Politiker mehr und mehr bereit, auch im Gesundheitssystem durch den Einbau von Wettbewerbselementen die Produktivität zu steigern. Das ist der tiefere Grund, dass inzwischen das Selbstkostendeckungsprinzip bei den Krankenhäusern geopfert wurde und bei der Integrierten Versorgung das herkömmliche Prinzip des „einheitlichen und gemeinsamen“ Handelns aller Akteure tendenziell durch ein Vertragssystem zwischen Anbietern und Nachfragern ersetzt wurde. Modernem Krankenhausmanagement kommt eine zentrale Rolle im Wandel der Gesundheitswirtschaft zu. Denn im zunehmenden Wettbewerb spielt die Geschwindigkeit der Entwicklung und Umsetzung geeigneter Betriebsziele eine entscheidende Rolle. Deshalb ist es unerlässlich, die Zeichen der Zeit zu erkennen und umgehend zu einer Neuorientierung zu kommen. Der Paradigmenwechsel ist in vollem Gange. Während in der Vergangenheit Institutionen alimentiert worden sind, werden in Zukunft mehr und mehr Leistungen honoriert. Nur so lassen sich Unwirtschaftlichkeiten bekämpfen und die Produktivitätsreserven heben, die im System stecken. Die Medizin selbst rückt ins Zentrum des Geschehens. Das ist der Kern der Modernisierung. Wer heute den notwendigen Veränderungsprozess verlangsamt, behindert die Hebung der Produktivitätsreserven und gefährdet das Ziel, gute Medizin zu bezahlbaren Preisen zu erreichen. Deshalb sind innovative Gesundheitsanbieter gefordert, initiativ zu werden und die Politik zu mehr Mut aufzufordern, die notwendigen gesetzgeberischen Schritte zu wagen. Es geht darum, nicht durch immer mehr Paragraphen die Unternehmen zu lähmen, sondern durch Gestaltungsräume die unternehmerische Kraft im Wettbewerb zu aktivieren. Die Themen „Markenmedizin“ und „strategische Partnerschaften“ sind dazu innovative, Erfolg versprechende Ansätze. Nicht wenige Menschen erleben den gesellschaftlichen Umbruch am Beginn des 21. Jahrhunderts als bedrohlich. Sie fürchten, dass die Ökonomie über die Humanität gestellt werden könnte. Deshalb muss der sich in den nächsten Jahren noch verschärfende Wandel mit einem intensiven ethischen Diskurs verbunden werden. Ethik ist im Kern der Ausgleich von Existenz- und Gedeihensbedingungen. Für den Gesundheitssektor heißt das, dass der ethische Diskurs sich insbesondere mit den Interessen der Patienten und der Versicherten beschäftigen muss. Das Motto muss lauten: „Gute Medizin zu bezahlbaren Preisen“. Gerade im Gesundheitsmarkt lässt sich „Geschäft“ nur machen, wenn eine Vertrauensbasis vorhanden ist. Der Erfolgsfaktor ist die Medizin. Modernes Krankenhausmanagement nimmt diese Herausforderung an – im Interesse der Patienten und des eigenen nicht minder.
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Veränderungen des Krankenhausmanagements im Kontext des Wandels internationaler Gesundheitssysteme Reinhard Busse, Oliver Tiemann und Markus Wörz
1 Zur aktuellen Situation des Managements deutscher Krankenhäuser Der demografischen Entwicklung der Gesellschaft, dem medizinischtechnischen Fortschritt und auch dem gesellschaftlichen Wertewandel stehen begrenzte Ressourcen für die Gesundheitsversorgung gegenüber. Gesetzgeberische Reformbemühungen sind daher primär darauf ausgerichtet, die Produktivität innerhalb der Gesundheitsversorgung zu erhöhen, bei gleichzeitiger Sicherung der Behandlungsqualität. Die fortwährenden Reformaktivitäten der jeweiligen Gesetzgeber und die daraus resultierenden, veränderten Rahmenbedingungen stellen die Akteure im Krankenhausmarkt fortwährend vor neue Herausforderungen. Zentraler Antreiber dieses Wandels sind in der stationären Versorgung die geänderten Anreize, die durch die prospektive Vergütung über DRG-Fallpauschalen in vielen europäischen Ländern gesetzt wurden (vgl. Schreyögg et al. 2006). Für Krankenhäuser ergibt sich daraus in vielerlei Hinsicht Handlungsbedarf. Es werden notwendige Strukturen und Prozesse zur Kostenkontrolle eingeführt, mit dem Ziel der Effizienzsteigerung bzw. Kostensenkung. Darüber hinaus haben die angeführten Veränderungen innerhalb der Rahmenbedingungen umfassende Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation von Krankenhäusern initiiert. Innerhalb ihrer Organisation streben viele Krankenhäuser eine Optimierung der strukturellen Vorhaltungen sowie der korrespondierenden Prozesse an. Dies kann auf verschiedene Arten geschehen. Beispielsweise kann hinsichtlich der originären Versorgungsprozesse eine effizientere bzw. kostengünstigere und damit häufig auch qualitativ hochwertigere Versorgung der Patienten durch eine leitliniengerechte Optimierung der medizinischen Abläufe (Clinical Pathways) und durch die Standardisierung der administrativen Prozesse erreicht werden. Eine besondere Herausforderung für Klinikbetreiber – und damit für das Krankenhausmanagement – besteht darin, den ambulanten, stationären und poststationären Sektor effizienter miteinander zu verknüpfen. In diesem Zusammenhang stehen die Akteure vor der Frage, ob sämtliche Kom-
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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petenzen selbst vorgehalten werden müssen. Hier bestehen insbesondere für vernetzte Krankenhäuser Vorteile, da diese am besten gewährleisten können, die Leistungen der gesamten Wertschöpfungskette anzubieten. Der Austausch von Informationen zwischen den beteiligten Leistungserbringern stellt eine zentrale Anforderung an solche Netzwerkstrukturen dar. Innerhalb der Krankenhausbetreiber sind die Anbieter, die mit nur einem oder wenigen Standorten operieren, einem besonderen Wettbewerbsdruck ausgesetzt, trotz der Vorteilhaftigkeit bestimmter Standorte. Aus diesem Grund bilden immer mehr Kliniken strategische Partnerschaften, wie bspw. Einkaufsgemeinschaften, oder fusionieren komplett. Große Klinikverbünde generieren deutlich höhere Skaleneffekte. Leistungen, die bisher von jedem einzeln erbracht wurden, werden anschließend gemeinsam erbracht bzw. aufgeteilt (Shared Services), um durch die Nutzung von Synergien und Standardisierungen Effizienzvorteile zu erlangen. Shared Services heißt auch, dass die Zentrale für die Kliniken administrative Aufgaben übernimmt. Zu den zentralen Diensten zählen unter anderem Vertriebsunterstützung, Produktentwicklung, Public Relations, Marketing, Pflegesatzrecht und Vertragsmanagement, Qualitätsmanagement, Risikomanagement, Personalentwicklung, Finanzbuchhaltung und Controlling sowie Einkauf. Klinikketten nutzen darüber hinaus die positiven Effekte der Corporate Identity, um Patienten an die eigenen Einrichtungen zu binden. Die Patientenbindung stellt eine zentrale Herausforderung dar, da im Rahmen eines fortschreitenden Wertewandels das wahrgenommene Bedürfnis nach Gesundheit unter den Bürgern stärker geworden ist. Daher wird es künftig für ein erfolgreiches Krankenhausmanagement von Bedeutung sein, Kundenwünsche stärker zu berücksichtigen (vgl. Helmig u. Graf 2006). Es werden in zunehmendem Maße finanzielle Mittel darauf verwendet werden, diese zu erforschen und zu antizipieren. Aus der Besonderheit der ArztPatienten-Beziehung kann nicht der Schluss gezogen werden, Modernisierungskonzepte anderer Branchen könnten nicht auf den Krankenhaussektor übertragen werden. Die Bank- und Versicherungsbranche oder die Telekommunikation machen vor, wie etwa Prozesse mit Hilfe von EDVLösungen standardisiert, Kundenorientierung umgesetzt und flexible Strukturen geschaffen werden können. Eine von vielen Krankenhäusern noch völlig unterschätzte Funktion ist der Vertrieb. Patienten, die nicht als Akutfälle charakterisiert werden können, treffen bewusste Auswahlentscheidung zwischen den Krankenhäuern. Für viele Patienten ist die wohnortnahe Versorgung zweitrangig, wenn sie eine höhere medizinische Qualität an anderen Standorten erwarten. Es bedarf einer ausgereiften Kommunikationsstrategie, damit die zentralen Kundengruppen – seien es niedergelassene Ärzte, Kostenträger oder die
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Patienten selbst – von der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Einrichtung überzeugt werden können. Die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität rücken immer weiter in den Fokus der Patienten, Kostenträger und Leistungserbringer, wobei die transparente Darstellung medizinischer Leistungen eine immer wichtigere Rolle spielt. Neben einer Vielzahl von wissenschaftlichen Qualitätskriterien, muss die Qualität eines Krankhauses in von Patienten nachvollziehbare Qualitätskategorien übersetzt werden. Die zunehmende Aufmerksamkeit von Patienten und Kostenträgern gegenüber Qualitätsdefiziten (Beschwerden, Behandlungsfehlern, Fehlversorgung) geht einher mit einer gestiegenen Verfügbarkeit qualitätsbezogener Information aus öffentlichen Publikationen, Qualitätsberichten, Patientenbefragungen oder Qualitätssicherungsprogrammen. Dies führt insgesamt zu einem kritischeren und stärker öffentlichkeitswirksamen Umgang mit Qualitätsindikatoren. Eine steigende Beteiligung von Patienten an Behandlungskosten über die Einführung von Selbstbeteiligungsmodellen wird das Informationsinteresse von Patienten weiter verstärken. Für die systematische Verfolgung von Qualitätszielen haben sich Qualitätsmanagementsysteme in anderen Industriebereichen bereits als Schlüsselinstrumente etabliert. Im Krankenhaussektor werden Qualitätsmanagementsysteme zunehmend als zentrales Managementinstrument eingesetzt. Für Kostenträger wird eine systematische Beurteilung von Behandlungsqualität etwa dort interessant, wo es Möglichkeiten zur Patientensteuerung gibt (planbare Leistungen). Hier ist die explizite Verknüpfung von Vergütung und Outcomes, wie bereits in den USA praktiziert als sog. “Pay for Performance”oder in Großbritannien als sog. “Payment by Results”-Konzept, ein vielversprechender Ansatz, um einen möglichen Zielkonflikt zwischen Effizienz und Behandlungsqualität aufzulösen (s.u.). Zusammenfassend sollten sich die Aktivitäten eines modernen Krankenhausmanagements darauf konzentrieren, schneller und innovativer zu handeln als die anderen Akteure im Markt. Ein Krankenhausunternehmen ist dann erfolgreich, wenn seine Lern- bzw. Anpassungsgeschwindigkeit höher ist als die Veränderungsgeschwindigkeit der Umgebung. Dies lässt sich anhand der DRG-Vergütung anschaulich verdeutlichen, da diese in vielen Ländern die Durchschnittskosten in einer Region abbilden und damit eine sog. Yardstick-Competition induzieren (vgl. Shleifer 1985). Wenn es ein Krankenhaus schafft, bei einer vergleichbaren Qualität kostengünstiger zu sein als der Durchschnitt, dann wird es Überschüsse erwirtschaften. Diese sind die Basis für strategisch wichtige Investitionen, die den Erfolg am Markt dauerhaft sichern.
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2 Kann das Krankenhausmanagement in Deutschland vom Ausland lernen? Betrachtet man die Systeme der Gesundheitsversorgung mit all ihren Eigenheiten und Besonderheiten, so bedarf es eines einfachen Rahmens, um echte Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten ausmachen zu können – und so von den Unterschieden ggf. zu lernen. Hier ist es hilfreich, sich das Bild eines Dreiecks vorzustellen (vgl. Abb. 1). Die ersten beiden wichtigen Akteure, die Bevölkerung einerseits (die einerseits gegen die Risiken von Krankheit versichert sein sollte und aus der andererseits einzelne Individuen gelegentlich oder auch chronisch krank sind und dann als Patienten bezeichnet werden), und die Leistungserbringer – darunter Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken usw. – andererseits, bilden die Basis des Dreiecks. Moderne Gesundheitssysteme zeichnen sich jedoch – und an dieser Stelle kommen nun auch die Unterschiede ins Spiel – durch einen dritten Akteur aus: demjenigen, der als Finanzintermediär zwischen Patient und Leistungserbringer auftritt. Dieser so genannte „Third-Party-Payer“, d. h. der Zahler, der als dritte Partei hinzu tritt und in Deutschland auch als „Kostenträger“ bezeichnet wird, stellt nicht nur den finanziellen Mittelsmann dar, sondern steht darüber hinaus mit der Bevölkerung und den Leistungserbringern in Beziehung. Als vierter wesentlicher Akteur muss der Regulierer im Auge behalten werden, der die Regeln für die anderen Akteure und ihre Interaktionen festlegt. Diese Rolle wird in den meisten Ländern vom Gesundheitsministerium wahrgenommen; jedoch können auch wesentliche Regulierungskompetenzen an nicht staatliche delegiert werden, in Deutschland z. B. an die Selbstverwaltung, insbesondere in Gestalt des Gemeinsamen Bundesausschusses. Zunächst sollen die steuerfinanzierten nationalen GesundheitssystemVarianten beschrieben werden. Sobald man von „nationalen Gesundheitssystemen“ spricht, denken die meisten automatisch an das integrierte System im Vereinigten Königreich vor den Reformen der 1990er Jahre. In diesem Zusammenhang bedeutet „integriert“ die Zusammenfassung von Kostenträgern und Leistungserbringern – und nicht wie z.B. nach deutschem Verständnis, eine Integration verschiedener Leistungserbringer in der unteren rechten Ecke des Dreiecks.
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„Third Party Payer“/ Zahler/ „Kostenträger“
Regulierer
Bevölkerung (= Versicherte und Patienten)
Leistungserbringer (u.a. Krankenhäuser)
Abb. 1: Das Akteursdreieck zentraler Beziehungen in Gesundheitssystemen
Die “klassischen” integrierten nationalen Gesundheitssysteme waren folgendermaßen aufgebaut: Die Bevölkerung bezahlte ihren Anteil in Form von Steuern an die zentrale Regierung. Innerhalb der Regierung wurden die Gelder an das Gesundheitsministerium weitergereicht. Öffentliche Leistungserbringer und Krankenhäuser waren Teil derselben Institution, im Vereinigten Königreich bspw. „National Health Service“ genannt (ebenso wie in vielen anderen Staaten wie z.B. Italien oder Spanien, wo die Bezeichnung lediglich in die jeweilige Landessprache übersetzt wurde). Durch diesen Aufbau fungierten die staatlichen nationalen Gesundheitsdienste zur gleichen Zeit als Leistungserbringer und Kostenträger, und die Regierung als regelnde Instanz. Somit bestand das System – neben der Bevölkerung – aus nur einem großen Akteur. Je nach Land war die Wahl der jeweiligen Leistungserbringer beschränkt. Ein klares Beispiel hierfür war Schweden, wo sich die Einwohner eines Landkreises auch nur dort behandeln lassen konnten. Selbst wenn das Krankenhaus des Nachbarlandkreises buchstäblich nur eine Tür weiter lag, war eine Behandlung nur im eigenen Landkreis möglich. Doch änderte sich das System in diesen Ländern und eine der “großen Erfindungen” der 1990er Jahre war der so genannte “Purchaser-Provider Split”, der die beiden Funktionen des Leistungsfinanzierers (d. h. des Zahlers) und des Leistungserbringers voneinander trennte. Beide Seiten blieben in der öffentlichen Hand, und das Gesundheitsministerium war noch immer für die Verwaltung des Systems insgesamt verantwortlich. Jedoch waren es nun Teile der Verwaltung, die über das Geld verfügten, und der
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größere Teil der im nationalen Gesundheitssystem Beschäftigten erbrachte die Leistungen. Ein Binnenmarkt wurde geschaffen, in dem Verträge unterzeichnet wurden, und das Geld folgte entsprechend dieser Verträge der Patientenbehandlung. Die Teilung zwischen Leistungsfinanzierern und Leistungserbringern hatte auch zur Folge, dass der Status der Krankenhäuser abgeändert werden musste. Sie konnten nicht länger Teil der zentralen Verwaltung sein, sondern mussten unabhängig werden; zumindest bis zu einem gewissen Grad, so dass sie in der Lage waren, Verträge mit den Zahlern (an der Spitze des Dreiecks) zu unterzeichnen. Die Krankenhäuser wurden nicht länger direkt vom Ministerium verwaltet, sondern wurden von nun an von Aufsichtsgremien usw. geführt. Der Grund, weshalb diese Schritte unternommen wurden lag darin, dass die Menschen nun wählen können sollten, wo sie behandelt wurden. Statt den Bürgern vorzuschreiben, in welches Krankenhaus sie zu gehen hätten, da die Gelder eben diesen Stellen zugeteilt waren, sollten die Gelder, die für die Behandlung der Patienten zur Verfügung standen, fortan dem Patienten folgen; zumindest bis zu einem gewissen Grad. Die nächste erwähnenswerte Entwicklung in einer Reihe dieser Länder hatte mit der Zentralregierung zu tun. Ursprünglich hatte diese eine dreigeteilte Rolle inne und war zur gleichen Zeit Regulierer, Kostenträger und Leistungserbringer. Sodann wurden in vielen Ländern, wo dies noch nicht der Fall war, die Leistungserbringer unabhängig gemacht, und später wurde die verbliebene Doppelrolle als Regulierer und Kostenträger getrennt, indem die Rolle des Kostenträgers auf die Regionalregierungen übertragen wurde. Die Zentralregierung konnte sich auf diese Weise auf ihre Funktion als Regelungsbehörde konzentrieren. Während dies in Schweden bereits der Fall war, vollzog sich diese Umstrukturierung am deutlichsten wahrnehmbar in Italien und Spanien, in gewisser Hinsicht jedoch auch im Vereinigten Königreich, wo Schottland und Wales nun ihre eigenen Gesundheitssysteme unterhalten. Ein wenig komplizierter verhält es sich in England, wo eigens für diesen Zweck geschaffene Institutionen – zunächst die Gesundheitsbehörden und dann die „Hausärzte-Vereinigungen“ (sog. „Primary Care Trusts“) – die Zahler darstellen. Die letzte wichtige Neuerung bezog sich auf das Verhältnis zwischen Zahlern bzw. Kostenträgern und Leistungserbringern. Ab einem gewissen Punkt waren die Zahler so erfahren im Aushandeln und Unterzeichnen von Verträgen mit öffentlichen Krankenhäusern, dass sie ihr Netzwerk von Leistungserbringern auch auf private gemeinnützige und sogar auf private auf Gewinn ausgerichtete Krankenhäuser ausdehnten. Spanien dient hier als ein gutes Beispiel. Durch die Unterzeichnung von Verträgen mit priva-
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ten, auf Gewinn ausgerichteten Krankenhäusern, haben die Zahler Dinge miteinander vermischt, die vorher in den Ländern, wo öffentliche Gelder ausschließlich in die öffentliche Gesundheitsversorgung flossen und private Gelder in private Krankenhäuser, undenkbar waren. Heute wird in den meisten Ländern mit steuerfinanzierten Systemen akzeptiert, dass öffentliche Gelder auch an private Leistungserbringer gehen können. Vergleicht man diese neue Art der nationalen Gesundheitssysteme mit den klassischen sozialen Krankenversicherungssystemen, so wird deutlich, dass sich die beiden Systeme im Grunde genommen sehr ähnlich sind: Die Zahler („Third Party Payers“) existieren getrennt von der nationalen Regierung, die Bevölkerung hat Zugang sowohl zu öffentlichen, als auch zu privaten Leistungserbringern, welche wiederum mit den Zahlern in einem Vertragsverhältnis stehen. Natürlich gibt es noch immer gewisse Unterschiede; so werden die sozialen Krankenversicherungssysteme nicht vornehmlich auf der Basis von Steuergeldern finanziert, sondern aus Beiträgen zur sozialen Krankenversicherung (die in einigen Ländern allerdings mit hohen staatlichen Zuschüssen vermischt sind, wie z.B. in Österreich). Ein weiterer, grundlegender Unterschied besteht darin, dass in Bismarckschen Systemen Krankenkassen, und nicht regionale Regierungen oder Einrichtungen der Primärversorgung, die Rolle des Drittzahlers übernehmen. Ein zusätzlicher Unterschied, der sich bei einigen Ländern mit Bismarckschen Systemen findet, ist der, dass nicht nur die Leistungserbringer frei gewählt werden können, was heute in allen Ländern der Fall ist, sondern auch die Kostenträger, d.h. es besteht Wahlfreiheit bei der Wahl der Krankenkasse. Mit Sicherheit wird man bald vom ersten steuerfinanzierten System hören, das die Rolle des Kostenträgers für den freien Wettbewerb öffnet. In anderen Wirtschaftsbereichen – z. B. in den Bereichen Telekommunikation und Elektrizität, etc. – ist dies bereits geschehen. Insgesamt lautet die erste Beobachtung, dass sich die Konstellation der Akteure heute in weiter entwickelten nationalen Gesundheitsdiensten und in Sozialversicherungsländern ähnelt.
3 Krankenhäuser im Spannungsfeld von Markt und Staat Bei einer rein marktwirtschaftlichen Organisation des Krankenhauswesens wäre es jedermann möglich, ein Krankenhaus zu eröffnen, das Leistungsspektrum des Hauses zu bestimmen und damit Gewinne oder Verluste zu machen. Solch eine unstrukturierte und unregulierte Umwelt würde Unternehmer mit einer Vielzahl von Möglichkeiten ausstatten, von denen man
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einige durchaus als wünschenswert ansehen kann. Krankenhäuser könnten schnell in neue Technologien investieren oder Leistungen erbringen, die vorher nur von ambulanten Leistungserbringern angeboten wurden. Aber solch eine Umwelt würde zumindest solche Gesellschaften vor ernsthafte Probleme stellen, die sich Zielen wie Solidarität, sozialem Zusammenhalt und Schutz der Bevölkerungsgesundheit verpflichtet fühlen. Rein marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen scheinen zudem wegen der ihnen innenwohnenden Dynamik mit den Zielen von öffentlichen Kostenträgern unvereinbar, da diese nach Kostenbegrenzung streben (vgl. Busse et al. 2002). Auf der anderen Seite lässt sich auch leicht eine idealtypische staatliche Organisation des Krankenhauswesens vorstellen. Hierbei trifft die nationale Regierung bzw. eine staatliche Behörde alle relevanten Entscheidungen für ein Krankenhaus wie etwas dessen Standort oder Größe nach einem öffentlichen Plan. Die Planungsbehörden bestimmen das Leistungsspektrum eines jeden Krankenhauses. Die Leistungen des Krankenhauses dürfen von allen Bürgern kostenlos in Anspruch genommen werden. Mithin besteht auch die Notwendigkeit einer Preisfestsetzung nicht. In beiden Idealtypen der Organisation des Krankenhauswesens ist es nicht notwendig, die Krankenhäuser auf eine spezifische Art und Weise zu regulieren. Im ersten Fall gibt es keine anderen Restriktionen an das unternehmerische Handeln des Krankenhauseigentümers bzw. -managers als die Regeln des Marktes. Im zweiten Fall ist das Krankenhaus Gegenstand von „Kommando und Kontrolle“ („command and control“) durch staatliche Behörden, ohne dass es für das Krankenhausmanagement Ermessensspielräume gäbe. In der Realität fallen die meisten Organisationsformen des Krankenhauswesens in verschiedenen Ländern zwischen diese beiden beschriebenen Extreme, so dass Regeln erforderlich sind, um das unternehmerische Handeln von Krankenhäusern zu steuern, zu fördern oder zu hemmen (vgl. Busse et al. 2002). Dieser Beitrag stellt zunächst eine Typologie vor, welche sich nach dem Grad der Selbständigkeit eines Krankenhauses unterteilt. Die Typologie dient dabei der Verdeutlichung bestimmter Charakteristika; in realiter handelt es sich jedoch um ein Kontinuum, so dass einzelne Krankenhäuser nicht immer zweifelsfrei der einen oder anderen Kategorie zugeordnet werden können. Danach wird beschrieben, wie die verschiedenen Regelungsmuster der Krankenhäuser in den europäischen Staaten in dem oben beschriebenen Kontinuum zwischen Markt und Staat zu verorten sind. Daran schließt sich in der Form einer Literaturübersicht eine Analyse der Reformtätigkeit in den verschiedenen westeuropäischen Staaten an. Zudem werden ihre Wirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Krankenhäuser evaluiert.
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4 Eine Typologie europäischer Krankenhäuser
4.1 Typen öffentlicher Krankenhäuser Die OECD unterteilt Krankenhäuser in drei Gruppen, öffentliche, private not-for-profit und private for-profit. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Klassifikation jedoch als unzureichend, da der Begriff „öffentlich“ sehr weit gefasst ist und sowohl Institutionen abdeckt, die über „Kommando und Kontrolle“ gesteuert werden als auch Institutionen, die über sehr viel Freiräume verfügen. In der Begrifflichkeit einer Studie der Weltbank reichen öffentliche Krankenhäuser von „budgetären“ (budgetary) über „autonomisierten“ (autonomized) bis hin zu „verselbständigten“ (corporatized) Organisationen (vgl. Harding u. Preker 2001). • Budgetorganisationen: Ein „Budgetkrankenhaus“ ist ein zentraler Bestandteil des öffentlichen Gesundheitswesens. Die Manager eines solchen Krankenhauses sind im wesentlichen Verwalter. Die hierarchische Organisation der Angestellten und der Regeln im Gesundheitswesen kontrolliert alle strategischen Fragen und bestimmt die täglichen Routineentscheidungen des Krankenhausbetriebs (z. B. Entscheidungen über Personaleinstellungen, Dienstleistungsangebot, Gehälter etc.). Der Begriff „budgetär“ bezieht sich dabei auf den Sachverhalt, dass die Einkünfte durch ein Einzelpostenbudget determiniert sind, dass sich in der Regel an historisch gewachsenen Richtwerten orientiert. Kommt es bei einem so verteilten Budget zu „außerordentlichen Gewinnen“, so müssen diese entweder zurückgegeben oder so ausgegeben werden, wie es zentral vorgegeben wird. „Außerordentliche Verluste“ werden durch die öffentliche Hand getragen. • Autonomisierte Organisationen: Die „Autonomisierung“ eines Krankenhauses zielt darauf ab, die Verwalter eines Krankenhauses in Manager zu verwandeln, indem Entscheidungskompetenzen auf eine niedrigere Ebene verlagert werden. Die Reformen, die auf Autonomisierung in Krankenhäusern zielen, haben zu verschiedenen Spielarten geführt. Der Grad an Autonomie, der dem Management dabei eingeräumt wird, variiert beträchtlich. In manchen Fällen wurden die Krankenhäuser rechtlich als neue Form einer Regierungsbehörde verankert, die dazu dient, die neue Regulierungsstruktur umzusetzen, die gemachten Reformen abzusichern und das Management davon zu überzeugen, dass die Veränderungen unumkehrbar sind. Diese Leistungsstandards wur-
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den manchmal in Rahmenvereinbarungen dokumentiert. Die finanzielle Autonomie wird in autonomisierten Krankenhäusern erweitert, zumeist indem das Einzelpostenbudget in ein globales Krankenhausbudget umgewandelt wird. Dadurch wird es möglich, dass Einsparungen in einem Bereich auf einen anderen verlagert werden. Häufig wird bei dieser Art von Reform das Globalbudget des Krankenhauses durch Fallpauschalen oder sonstige Leistungsindikatoren angepasst und es wird den Krankenhäusern erlaubt, sich zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen (etwa durch Privatpatienten) und dadurch erzielte Gewinne auch zu behalten. • Verselbständigte Organisationen: In der Typologie von Harding u. Preker (2001) stellt Verselbständigung die stärkste Form von Autonomiebestrebungen dar. Hier sind die Handlungsspielräume des Managements am ausgeprägtesten. In verselbständigten Krankenhäusern übt das Management praktisch die gesamte Kontrolle über den Ressourcenzufluss und die Leistungserbringung aus. Das Krankenhaus ist rechtlich als eigenständige Einheit verankert und folglich ist diese Art der Dezentralisierung kaum umzukehren. Mit dieser Unabhängigkeit geht einher, dass das Krankenhaus die vollständige Verantwortung für seinen Finanzhaushalt übernimmt, so dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Krankenhauses – zumindest theoretisch – die Möglichkeit der Krankenhausschließung besteht. Die Marktanreize basieren auf einer Kombination von zusätzlichen Einnahmen, die sich aus Verträgen ableiten, und der Möglichkeit diese Zusatzeinnahmen auch zu behalten. Ein verselbständigtes Krankenhaus trägt deshalb häufiger das Residualrisiko als ein autonomisiertes, da es zwar Gewinne behalten kann, aber eben auch für die Verluste verantwortlich zeichnet. In einem verselbständigten Krankenhaus tragen die Krankenhausdirektion und die Geschäftsführung die absolute Verantwortung für die Leistungen des Krankenhauses gegenüber den (meistens in irgendeiner Form staatlichen) Eigentümern. In diesem Fall unterscheidet sich das Verhalten des staatlichen Besitzers kaum von dem eines privaten not-for-profit Eigentümers.
4.2 Öffentliche und private not-for-profit Krankenhäuser Während die Krankenhäuser in den nordwesteuropäischen Ländern mit einem staatlichen (Beveridge) Gesundheitswesen wie Irland, das Vereinigte Königreich und die skandinavischen Länder fast ausschließlich staatlich
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sind (90% der Betten befinden sich unter öffentlicher Trägerschaft1), ist die tatsächliche Verteilung über das oben beschriebene Typenspektrum nicht so klar. Das gleiche gilt für die Nationalen Gesundheitsdienste in Italien, Portugal und Spanien, in denen der Anteil der öffentlichen Betten 78%, 77% und 69% beträgt (wenn auch mit einer großen Variationsbreite innerhalb der Regionen). In Spanien fallen die öffentlichen Krankenhäuser in zwei Kategorien: die im Eigentum der Regionen und die im Eigentum der Einrichtungen, die die Gesundheitsdienste managen (z. B. der ehemaligen INSALUD). Erstere haben viel mit den öffentlichen Krankenhäusern in Bismarckländern gemeinsam, da sie einen Versorgungsvertrag brauchen, während letztere viel mit den öffentlichen britischen Krankenhäusern gemeinsam haben, bevor dort die Trennung zwischen Käufern und Leistungserbringern (purchaser-provider split) eingeführt wurde. In den „klassischen“ Sozialversicherungsländern gibt es zwei verschiedene Muster, die beide von Ländern mit einem staatlichen Gesundheitswesen abweichen: Zum einen die Mischung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Krankenhäusern, zum anderen der Status eines öffentlichen Krankenhauses gegenüber den Kostenträgern. Die Krankenhäuser in Österreich, Belgien und Deutschland befinden sich überwiegend in öffentlicher Trägerschaft (der Anteil der öffentlichen Betten beträgt: 69%, 60% bzw. 50%). In diesen Ländern stehen die gemeinnützigen (not-for-profit) Betten an zweiter Stelle (ca. 25%, 40% und 36% der Betten). Zwar hat Frankreich auch hauptsächlich öffentliche Krankenhausbetten, hier kommen aber private for-profit Betten an zweiter (20%) und not-for profit an dritter Stelle (15%). Die Krankenhäuser in Luxemburg verteilen sich gleichmäßig auf öffentliche und private not-forprofit Häuser. In den Niederlanden sind mit Ausnahme der Universitätskrankenhäuser alle Krankenhäuser rechtlich private not-for-profit Einrichtungen. Allerdings ist diese Einteilung manchmal problematisch, da rechtlich ähnliche Einheiten in den verschiedenen Staaten teilweise unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden. „Öffentliche“ Krankenhäuser in den herkömmlichen Sozialversicherungsländern sind niemals typische „Kommando und Kontrolle“Einrichtungen. Da es hier schon immer eine Trennung zwischen Käufern und Leistungserbringern gab, hat jedes Krankenhaus einen gewissen Grad an Unabhängigkeit, da es Versorgungsverträge mit den Krankenkassen abschließen muss. Dies kann sogar rechtlich fixiert sein: So schreibt das Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vor, dass die im 1
Die hier dargestellten Daten beruhen auf verschiedenen Quellen, wenn möglich wurden jedoch die Health Care Systems in Transition Profile (HiTs) des Europäisches Observatoriums für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik (http://www.euro.who.int/observatory) als Primärquelle herangezogen, wenn sie für das jeweilige Land existierten.
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Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhäuser “organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Betriebe“ sein müssen (§ 33 Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – KHG NRW; vgl. auch Pugner 2000). Jedes öffentliche Krankenhaus in Sozialversicherungsländern ist aus diesem Grund zumindest zu einem gewissen Grad ein „autonomisierter“ oder ein „verselbständigter“ Akteur im Gesundheitswesen. Ein weiterer Aspekt, der öffentliche Krankenhäuser in Sozialversicherungsstaaten auszeichnet, ist, dass die lokalen und die regionalen öffentlichen Eigentümer nicht die gleichen sind wie die regionalen und nationalen öffentlichen Regulierer in Regierungen oder Regierungsbehörden.
4.3 Private for-profit Krankenhäuser Neben öffentlichen und privaten not-for-profit Krankenhäusern haben die meisten europäischen Staaten ein privates Krankenhaussegment. Es variiert in den verschiedenen Staaten, ist aber – neben Deutschland – in den südwesteuropäischen Staaten Frankreich (20% aller Betten), Spanien (18% aller Betten) und Portugal (10% aller Betten) von besonderer Relevanz. Dieses Segment hat für gewöhnlich zwei Subsegmente. Die Krankenhäuser, die bei den Gesundheitsbehörden oder Krankenkassen unter Vertrag stehen, um öffentlich finanzierte Gesundheitsdienstleistungen zu erbringen und die Krankenhäuser, die ausschließlich Leistungen an Privatpatienten erbringen. Das erste Segment wird üblicherweise ähnlich reguliert wie die Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft, während die Regulierung des zweiten Segmentes stark dem anfangs geschilderten idealtypischen marktwirtschaftlichen Arrangement ähnelt. Dies rührt insbesondere daher, dass die privaten Krankenhäuser nicht bei Gesundheitsbehörden oder Krankenkassen unter Vertrag stehen und somit nicht für die Sicherstellung der Versorgung oder einen gleichen Zugang zu Krankenhausleistungen für alle sorgen müssen.
5 Neue Rahmenbedingungen: Die Umwandlung von Krankenhäusern in autonomere Akteure Ein Schwerpunkt der Staatstätigkeit in Bezug auf Krankenhäuser in den 1990er Jahren war der Versuch, ihnen größere Autonomie zu verleihen und sie in die Lage zu versetzen, unternehmerisch tätig zu sein. Im Fol-
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genden werden diese Reformbestrebungen unterteilt nach Staaten mit einem Nationalen Gesundheitsdienst (Beveridge-Staaten) und Staaten mit einem Sozialversicherungssystem (Bismarck-Staaten) beschrieben.
5.1 Reformbestrebungen in Staaten mit einem Nationalen Gesundheitsdienst (Beveridge-Staaten) Im englischen Weißbuch „Working for Patients“ aus dem Jahr 1989 (vgl. Department of Health 1989) wurde die Auffassung vertreten, dass Reformen, die darauf abzielen, Krankenhäusern mehr Selbständigkeit zu verleihen und sie in die Lage zu versetzen, um Patienten zu konkurrieren, zu mehr Effizienz, Qualität und Patienten- bzw. Kundenorientierung führen. Ähnliche Überlegungen wurden im Anschluss an die britischen Reformen vor allem in Schweden, Italien, Spanien und unlängst in Portugal angestellt. Die im Jahr 1991 begonnenen Reformen in Großbritannien wandelten Krankenhäuser von „direkt gemanagten Einheiten“ (directly managed units – DMUs) der Gesundheitsbehörden in selbständige Krankenhaustrusts um. Diese Reformen beinhalten mehrere Aspekte, die klar auseinander gehalten werden sollten: • Die Einführung einer Käufer-Leistungserbringer Trennung, • die Einführung von Vertragsbeziehungen zwischen Käufern und Leistungserbringern und • vergrößerte Handlungsspielräume und finanzielle Autonomie für die Krankenhäuser in Bezug auf die Gehaltsfestsetzung und Personalzusammensetzung. Die meisten Beveridge-Systeme konzentrierten sich auf einen oder zwei dieser Aspekte. Nur in einigen Teilen Spaniens und Schwedens wurden alle Aspekte gleichzeitig verfolgt. In Spanien wurde eine beträchtliche Vielfalt an neuen Krankenhausorganisationsformen eingeführt, da verschiedene Regionen verschiedene Organisationsformen geschaffen haben (vgl. Martin 1999). Katalonien war 1990 die erste Region, die eine Käufer-Leistungserbringer Trennung einführte. Zudem wurde mit „consortia“ eine neue Rechtsform etabliert, die sowohl die Ausgliederung des Managements bzw. anderer Funktionsbereiche und eine Minderheitenbeteiligung von privaten Unternehmen an den Krankenhäusern erlaubte. In Denia (Region Valencia) ist das Bauen und Betreiben eines eigentlich öffentlichen Krankenhauses ausgeschrieben
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worden und an die deutsche DKV vergeben worden; diese erhält nunmehr seit Ende 2008 für die 15-jährige Laufzeit des Vertrages pro Kopf der Bevölkerung eine bestimmte Pauschale und übergibt am Vertragsende das Krankenhaus an die Region. Die in Spanien gemachten Erfahrungen zeigen klar, dass eine nationale Regierung sich zwischen einem nationalen Programm zunehmender Krankenhausselbständigkeit und einem Programm der Übertragung von Entscheidungskompetenzen an die Regionen entscheiden muss, da beide Optionen gleichzeitig nicht durchführbar sind. Obwohl etwa, wie beschrieben, Katalonien die erste Region war, die eine Käufer-Leistungserbringer Trennung einführte, zeigen sich dort Umkehrtendenzen, d.h. unter anderem direkte Interventionen der regionalen Gesundheitsbehörden in die operativen Angelegenheiten der Krankenhäuser (vgl. Durán et al. 2006). Schweden wurde schon früher vor diese Entscheidung gestellt und entschied sich für die Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf eine niedrigere Ebene, wenn auch unter klaren Vorgaben der Kostenkontrolle (vgl. Diderichsen 1995). Die sich stark unterscheidenden Ansätze in Bezug auf das Krankenhausmanagement beinhalteten z. B. auch den Verkauf des öffentlichen St. Görans Krankenhauses in Stockholm an Bure AB (heute Capio AB), ein privates for-profit Unternehmen, für etwa 210 Mio. Kronen im Dezember 1999. Dieser Verkauf wurde durch die Umwandlung des Krankenhauses in ein Unternehmen unter der Eigentümerschaft der vorhergehenden regionalen Regierung, welche keine Privatisierungsabsicht hatte, im Jahr 1993 erleichtert. Als ein privat betriebenes Krankenhaus muss St. Görans Verträge mit öffentlichen Auftraggebern abschließen, der erste Dreijahresvertrag war Bestandteil der Übernahmevereinbarung. Dass diese Privatisierung gegen den Willen der nationalen Regierung stattfinden konnte, zeigt deutlich, dass jeder Schritt in Richtung Verselbständigung von Krankenhäusern gut überlegt sein will, da er nicht beabsichtigte Konsequenzen zur Folge haben kann. In diesem konkreten Fall gelang es durch die Reform, die Stückkosten um 30% zu reduzieren und mit den gleichen Ressourcen 100.000 Patienten zusätzlich zu behandeln (vgl. Taylor u. Blair 2002). Weitere materielle Privatisierungen wurden im Jahr 2004 durch die schwedische Regierung verboten (vgl. Burgermeister 2004). Finnland steht als ein Beispiel für eine Käufer-LeistungserbringerTrennung, bei der mehrere Kommunen einen Krankenhausbezirk bilden, welcher das jeweils einzige öffentliche Krankenhaus für die kommunalen Eigentümer betreibt. Die Vertragsbeziehungen zwischen den Kommunen als „Einkäufern“ und den Krankenhäusern konzentrieren sich deshalb vorwiegend auf die Thematik der Kostenverteilung zwischen den verschiedenen kommunalen Eigentümern (und nicht auf die Frage, ob die Leistungen dort oder woanders erbracht werden sollen).
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In Italien dagegen wurde in stärkerem Maße die Krankenhausautonomie betont und ca. 100 größere Krankenhäuser in Trusts umgewandelt. Allerdings gibt es nur in der Lombardei eine systematischere Trennung zwischen lokalen Gesundheitsbehörden und 27 Krankenhaustrusts. Die Vertragsbeziehungen zwischen den lokalen Gesundheitsbehörden und den Krankenhäusern sind oft schwach ausgeprägt, da die regionalen Gesundheitsbehörden direkt für alle erbrachten Leistungen aufkommen. Infolge des Fehlens eines Kontrollsystems durch Verträge war das Hauptergebnis der Reform eine Zunahme der Möglichkeiten für opportunistische Verhaltensweisen der Krankenhäuser (vgl. Busse et al. 2002). In Portugal wurden die Rahmenbedingungen für das Krankenhausmanagement vor allem durch zwei Reformbestrebungen verändert. Zum einen wurde im Jahr 2003 damit begonnen, Private Public Partnerships (PPP) einzuführen. Das erste auf PPP basierende Krankenhaus nahm im Jahr 2007 seine Arbeit auf. Insgesamt sollten zehn Krankenhäuser auf der Basis von PPP errichtet werden. Es wurde Kritik an den sehr aufwändigen Zulassungsverfahren geäußert. Zum zweiten wurden seit 2003 die meisten Krankenhäuser in öffentliche Unternehmen umgewandelt mit dem Ziel, den Krankenhausleitungen mehr Autonomie und Verantwortung zukommen zu lassen. Diese Reform diente zudem der Zielsetzung die KäuferLeistungserbringer Trennung weiter auszubauen (vgl. Barros u. de Almeida Simões 2007). Weitere Reformen in Beveridge-Systemen gehen in eine ähnliche Richtung. So wurde in Dänemark im Jahr 1995 die KopenhagenerKrankenhaus-Korporation als eine unabhängige Behörde geschaffen. Damit wurde eine Käufer-Leistungserbringer Trennung eingeführt, die allerdings nicht zwischen dem Käufer und einem einzelnen Krankenhaus verläuft, sondern vielmehr zwischen einer Gruppe von Krankenhäusern und einem regionalen öffentlichen Käufer (vgl. Ministry of Health 1999). Es ist bemerkenswert, dass nicht alle Staaten mit einem Nationalen Gesundheitsdienst eine Käufer-Leistungserbringer Trennung herbeiführten. Die Republik Irland und Griechenland haben nach wie vor eine zentralisierte Kontrolle über die Krankenhäuser (vgl. Maarse et al. 2005). Die im Vereinigten Königreich gemachten Reformerfahrungen wurden in Bezug auf mehrere Parameter evaluiert (vgl. Hamblin 1998; Mays et al. 2000). Zwei Beobachtungen lassen sich herausstellen: Erstens, sogar für das vergleichsweise gut erforschte Vereinigte Königreich gibt es nur wenig quantitativ und qualitativ aussagekräftige Evidenz über Krankenhaustrusts, verglichen etwa mit anderen Reformmaßnahmen wie der Einführung von Fundholding. Zweitens, zwei zentrale Themen (Käufer-LeistungsanbieterTrennung und Autonomie) werden nicht genügend auseinandergehalten, so dass Schlussfolgerungen anhand der Erfahrungen eines Landes nicht auf
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solche Länder übertragen werden können, die nur einen Teil der Reformen implementieren. In England wurde die Politik der Dezentralisierung weitergeführt. Diese Entwicklung geht mit einer wachsenden Bedeutung der Rolle des Krankenhausmanagements einher. Im April 2004 wurden die Möglichkeit zur Gründung von NHS Foundation Trusts geschaffen. NHS Foundation Trusts sind eigenständige gemeinnützige (not-for-profit) Unternehmen. Wie schon der Name besagt, gehören auch die NHS Foundation Trusts zum Nationalen Gesundheitsdienst. Sie können aber in begrenztem Umfang Privatpatienten behandeln und verfügen über mehr Entscheidungsrechte als die NHS Trusts: • Sie sind gegenüber der staatlichen Verwaltung in Whitehall und dem Leistungsmanagement der Gesundheitsbehörden unabhängig. • NHS Foundation Trusts können selbst Kapital beschaffen und sind nicht auf Zuweisungen angewiesen. • Sie können erwirtschaftete Überschüsse in Leistungen ihrer Einrichtung investieren und • sie können die Managementstrukturen des Foundation Trusts an die lokalen Gegebenheiten anpassen. NHS Foundation Trusts weisen spezifische Steuerungs- und Managementstrukturen auf, die sich von den NHS Trusts unterscheiden. Sie haben einen Aufsichtrat (Board of Governors) und einen Vorstand bzw. eine Geschäftsführung (Board of Directors). Der Aufsichtsrat ist dafür zuständig, die Belange der Kommune und der Region, in der sich der Foundation Trust befindet zu vertreten. Er soll lokale Stakeholder in die Lage versetzen, strategische Entscheidungen über die Entwicklung des Leistungsangebots mit zu beeinflussen. Der Vorstand ist für das operative Geschäft zuständig (vgl. Department of Health 2005). Im Juni 2008 gab es 99 Foundation Trusts, je nach Region variiert der Anteil von Foundation Trusts an allen Gesundheitseinrichtungen zwischen 70% (in der Region North East) und 18% in der Region South East Coast (vgl. http://www.monitor-nhsft.gov.uk/documents/NHS_foundation_trusts _review_of_three_months_to_30June2008.pdf). Die Entwicklungen in England werden umrahmt von einem neuen Vergütungssystem. Im April 2005 wurde “Payment by results“ für die englischen Krankenhäuser eingeführt. Ähnlich dem Fallpauschalensystem auf Basis von DRGs in Deutschland, werden Krankenhäuser aufgrund von Krankenhausepisoden vergütet, mit der zentralen Zielsetzung, dass die
Veränderungen des Krankenhausmanagements
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allokative Effizienz erhöht und die Krankenhausvergütung der Leistung folgen soll.
5.2 Reformbestrebungen Staaten)
in
Sozialversicherungsstaaten
(Bismarck-
In Bismarck-Ländern zielten die Reformen häufig darauf ab, die Entscheidungsspielräume und die finanzielle Autonomie der Krankenhäuser zu erweitern. In den Niederlanden z. B. wurden die verbleibenden öffentlichen Krankenhäuser in den 1990er Jahren in unabhängige, privatrechtliche, not-for-profit Einrichtungen umgewandelt. In Deutschland hat die Privatisierung von allgemeinen Krankenhäusern zu einem Anstieg der privaten for-profit Betten mit einem Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen von 4,0% im Jahr 1991 auf 13,4% im Jahr 2006 zugenommen. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der öffentlichen Betten um 11 Prozentpunkte ab (von 61,4% auf 50,3%). Der Anteil der freigemeinnützigen Betten blieb nahezu konstant um die 35%. Die Gesamtzahl der Betten verringerte sich von ca. 598.000 auf ca. 428.000 (www.gbe-bund.de; eigene Berechnungen). 1992 wurde in Deutschland das Selbstkostendeckungsprinzip abgeschafft, das die Krankenhausvergütung an die Krankenhauskosten gekoppelt hatte und mithin sowohl Defizite als auch Gewinne ausschloss (vgl. Busse u. Schwartz 1997). Zwar machte dies die Krankenhäuser und die Krankenhauseigentümer zu „residual claimants“, es lässt sich aber argumentieren, dass der tatsächliche Entscheidungsspielraum der Krankenhäuser dadurch reduziert wurde. Vor der Umstellung war es ihnen möglich, die Anzahl der Personalstellen (und folglich einen Großteil der Kosten) mit den Krankenkassen zu verhandeln. Dagegen wurden die Budgets von 1993 bis 1996 und die Fallpauschalen und Sonderentgelte durch das Bundesgesundheitsministerium reguliert. Eine tiefgreifende Zäsur erfolgte im deutschen Krankenhauswesen im Jahr 2004 mit der verbindlichen Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems auf der Basis von Diagnosis Related Groups – DRG für alle allgemeinen Krankenhausleistungen (mit den wesentlichen Ausnahmen Psychiatrie und Psychosomatik). Diese Einführung erfolgte nicht abrupt, sondern graduell von 2004 bis 2009 im Rahmen der sogenannten Konvergenzphase. Die Umstellung auf dieses neue System sollte zum 1. Januar 2009 abgeschlossen sein, wodurch die krankenhausspezifischen Basisfallwerte landesweit angeglichen werden (vgl. Gericke et al. 2006).
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Gegenwärtig fokussiert sich die politische Diskussion auf die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, unter denen das Entgeltsystem zur Anwendung kommen soll. Insbesondere wird thematisiert, ob die Fallpauschalen Festpreise oder ob sie verhandelbar sein sollen. Gleichzeitig wird diskutiert, ob die Investitionsförderung für Krankenhäuser durch leistungsorientierte Investitionspauschalen analog dem DRG-System abgegolten werden sollen. Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass künftig auch in Deutschland und ähnlich wie in England dem Krankenhausmanagement mehr Entscheidungsspielräume zukommen. Ein DRG-Höchstpreissystem etwa in Verbindung mit einem selektiven Kontrahierungsmodell stellt hohe Anforderungen an das Leistungs- und Verhandlungsmanagement der Krankenhäuser. In den Sozialversicherungsländern hat die Einführung von mengenoder falladjustierten Budgets bzw. die Einführung von leistungsorientierter Vergütung wie z.B. Fallpauschalen auf Basis von DRGs nicht zu einer vergrößerten Autonomie für Krankenhäuser geführt, da verhandelbare Pflegesätze dem einzelnen Krankenhaus mehr Entscheidungsmöglichkeiten überließen. In den Sozialversicherungsländern ist die Richtung der Reform weniger eindeutig als in den Beveridge-Ländern. Seit 1997 wurden in Frankreich die Krankenkassen zu einem Käufer von Krankenhausleistungen vereinheitlicht, indem neue regionale Krankenhausagenturen geschaffen wurden, die als Auftraggeber für Krankenhausleistungen wirken (vgl. Mosse 1998). In Österreich wurde eine ambivalente Reform durchgeführt. Einerseits wurde ein DRG-ähnliches Vergütungsinstrumentarium mit der Möglichkeit des Gewinnbehalts etabliert, anderseits wurden auch hier regionale Agenturen als Käufer von Krankenhausleistungen eingeführt. Es lässt sich festhalten, dass es sowohl in Beveridge- als auch in Bismarckstaaten die Tendenz gab, den Krankenhäusern im Sinne von Autonomisierung und Verselbständigung mehr Kompetenzen zu verleihen. Diese Tendenz war jedoch in allen Ländern bei Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung ausgeprägter als in Krankenhäusern der Maximalversorgung. Diese Tendenz ist vermutlich auf eine Zurückhaltung der Regierungen und der Universitäten zurückzuführen, die häufig mit Kliniken der Maximalversorgung eng verbunden sind (vgl. Maarse et al. 2005).
Veränderungen des Krankenhausmanagements
Käufer-/ Leistungserbringer Trennung
Beziehung zwischen Käufer und Krankenhaus
Bismarck-Staaten traditionell vorhanden
traditionell Kollektivverträge zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern; in Österreich und Frankreich vergrößertes Engagement der Regierung durch regionale Behörden, die als Käufer fungieren gewöhnlich begrenzt, es gibt keine einheitliche Reformrichtung
Entscheidungsspielräume des Krankenhauses in Bezug auf das Leistungsspektrum, Personal etc. Finanzielle Autoansteigend durch leistungsnomie des Kranorientierte Vergütung, zumindest kenhauses wenn diese die Einbehaltung von Gewinnen erlaubt; aber abnehmend durch Abschaffung von Preisverhandlungen pro Krankenhaus Nähe zu regulieim allgemeinen Distanz, zunehrender Instanz mende Nähe in Österreich und („ReguliererFrankreich Krankenhaus Trennung“)
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Beveridge-Staaten Traditionell nicht vorhanden; mittlerweile vollständig eingeführt in Finnland, Italien, Portugal und im Vereinigten Königreich, nicht vollständig eingeführt in Dänemark, Spanien und Schweden Traditionell sind beide Teil der gleichen Hierarchie, Vertragsbeziehungen wurden aufgrund der Käufer-Leistungserbringer Trennung eingeführt (Ausnahme: Italien) von leicht bis erheblich ansteigend, z.B. im Vereinigten Königreich und manchen Krankenhäusern in Italien, Spanien und Schweden von mäßig bis erheblich ansteigend, z.B. im Vereinigten Königreich, in Italien, Portugal, Spanien und Schweden
zunehmende Nähe im Vereinigten Königreich, in anderen Ländern abnehmend (Italien, Portugal, Spanien) oder gleichbleibend (Finnland und Schweden)
Tab. 1: Wichtige Trends und Ergebnisse von Krankenhausreformen in westeuropäischen Bismarck- und Beveridge-Staaten
Tab. 1 fasst die wichtigsten Trends und Ergebnisse der Krankenhausreformen zusammen. Mit der größeren Autonomie der Krankenhäuser bzw. des Krankenhausmanagements geht eine Zunahme der Krankenhäuser als ambulante Leistungsanbieter einher. In Bezug auf ambulante Operationen (sofern internationale vergleichende Daten vorhanden sind) zeigt sich eine doch deutliche Varianz im internationalen Vergleich. Während etwa in Kanada ca. 65% aller elektiven Eingriffe in den Krankenhäusern ambulant durchgeführt werden, sind es in der Schweiz ca. 17%, in Deutschland ca. 22% (wobei hierzulande das Wachstum in den letzten Jahren erheblich war) und in Dänemark ca. 49% (vgl. OECD 2008). Die Ursachen für diese Unterscheide sind sicherlich komplex, sie verweisen aber auch auf unter-
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Reinhard Busse, Oliver Tiemann und Markus Wörz
schiedliche institutionelle Regulierungssysteme (z. B. den Anreiz durch pauschalierende Entgelte, stationäre Leistungen durch ambulante zu ersetzten) und auf unterschiedliche Grade an Autonomie für das Management, Krankenhausleistungen ambulant anbieten zu können.
6 Zusammenfassung und Diskussion Die europäische Krankenhauslandschaft befindet sich im Fluss: Waren in Beveridge-Ländern früher öffentliche Krankenhäuser unter „Kommando und Kontrolle“ die Regel, so ist es mittlerweile für Krankenhäuser normal geworden, organisatorisch getrennt von den Kostenträgern bzw. Käufern zu sein und mit diesen Versorgungs- und Vergütungsverträge zu schließen. Mit dieser Trennung geht eine zunehmende Autonomie des Krankenhausmanagements einher. In den westeuropäischen Sozialversicherungsländern mit einer seit jeher bestehenden Trennung von Zahlern/ Käufern und Leistungserbringern und einer traditionellen Mischung aus öffentlichen und privaten Krankenhäusern wurden am wenigsten und nicht immer gleichgerichtete Veränderungen durchgeführt. Die beschriebenen Umwandlungsprozesse von Krankenhäusern in autonomisierte oder verselbständigte Einrichtungen erfordern regulatorische Eingriffe des Staates, die zuvor nicht notwendig waren. Somit kann festgehalten werden, dass das, was häufig unter Deregulierung verstanden wird, nämlich den Krankenhäusern mehr Handlungsspielräume einzuräumen, häufig mehr Regulierung notwendig macht und die Anforderungen an die Regulierer erhöht. Daraus folgt, dass mehr Regulierung nicht notwendigerweise weniger Spielraum für unternehmerisches Handeln in Krankenhäusern lässt. Im Gegenteil: Die Anforderungen an das Krankenhausmanagement, innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen unternehmerisch zu handeln, werden immer größer.
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Teil 2: Konzentration auf Kernkompetenzen
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Outsourcing als strategische Option Ulrich Krystek
1 Einführung: Outsourcing als Führungsentscheidung von großer Komplexität und strategischer Relevanz „Do what you do best, but outsource the rest?“ (Siems u. Ratner 2003, S. 13). Dieser gern zitierte Satz deutet auf eine scheinbar einfache Entscheidungssituation hin, ist aber im Original nicht ohne Grund mit einem Fragezeichen versehen. Einerseits wird generell von einer starken Zunahme der Bedeutung des Outsourcings ausgegangen. So dürfte etwa das gesamte Marktvolumen von Outsourcing-Dienstleistungen in Deutschland nach Expertenschätzungen im Jahr 2008 bereits 16,2 Mrd. Euro betragen, gegenüber 11,9 Mrd. Euro im Jahre 2005 (vgl. Schwarz 2005, S. 15f.). Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenerscheinungen wird sogar mit einem weiteren Wachstum der Outsourcing-Dienstleistungen gerechnet (vgl. Jetter 2009). Bezogen auf den Healthcare-Bereich wird in den USA beispielsweise sogar von einer Zunahme der Outsourcing-Aktivitäten um 30 % ausgegangen, während die vergleichbare Steigerung im Industrie-Sektor lediglich 11 % beträgt (vgl. Roberts 2001, S. 240). Andererseits mehren sich die Stimmen, die vor den Risiken von Outsourcing-Entscheidungen warnen und dem Outsourcing den Nimbus eines „Wundermittels“ nehmen wollen. Den Hintergrund für diese eher pessimistische Einschätzung liefert eine Auswertung empirischer OutsourcingForschungen, die zu dem Ergebnis kommt, „… dass es offenbar nicht so einfach ist, die versprochenen Outsourcing-Vorteile zu realisieren“ (Matiaske u. Mellewigt 2002, S. 649). Als Ursache gilt nach Meinung der Autoren die häufig unterschätzte Komplexität von OutsourcingEntscheidungen. Diese äußert sich in der Vielfalt der mit OutsourcingEntscheidungen verknüpften Zielsetzungen ebenso wie in einer erstaunlichen Fülle von Outsourcing-Alternativen, die als unterschiedliche Outsourcing-Formen in der Praxis gehandhabt werden. Schließlich ist es der häufig nicht genug berücksichtigte, strategische Charakter von Outsourcing-Planungen, der zum Problem wird (vgl. Wurl u. Lazanowski 2002, S. 1544ff.).
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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Vor diesem Hintergrund erscheint es interessant, Outsourcing-Entscheidungen als Ergebnis komplexer, strategisch orientierter Planungen aufzuzeigen und dabei auf Spezifika solcher Entscheidungen im Rahmen des Krankenhausmanagements einzugehen.
2 Begriffe und Erscheinungsformen des Outsourcings
2.1 Zum Begriff „Outsourcing“ Der Begriff „Outsourcing“ ist in Deutschland etwa seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts Gegenstand intensiver betriebswirtschaftlicher Diskussionen und geht zurück auf eine künstliche Wortschöpfung, die sich (nach mehrheitlicher Meinung) aus der sprachlichen Konfiguration „outside resource using“ ableitet (vgl. Wurl u. Lazanowski 2002, S. 1541; Klingebiel 2006a, S. 499), oder aber lediglich eine Kombination der Begriffe „outside“ und „resourcing“ darstellt (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1108; Franze 1998, S. 10). Generell steht der Begriff Outsourcing für die nachhaltige Nutzung externer Ressourcen (vgl. Nagenast 1997, S. 47) im Sinne einer Auslagerung derzeit selbst durchgeführter Aktivitäten auf Dritte, sowohl bei Unternehmen in produzierenden wie in dienstleistenden Bereichen. Mit einer solchen Fremdvergabe von Aktivitäten (Leistungen / Prozessen) ersetzt der Outsourcing-Geber grundsätzlich die interne (hierarchische) Koordination durch den Preismechanismus und verzichtet dafür weitgehend auf eine interne Einflussnahme im Hinblick auf die Durchführung dieser Aktivitäten durch den Outsourcing-Nehmer (vgl. Bühner u. Tuschke 1997, S. 20). Im hier interessierenden Zusammenhang stehen Krankenhäuser in der Rolle des Outsourcing-Gebers, indem sie ursprünglich selbst durchgeführte Aktivitäten an Dritte vergeben. Sie können aber auch als OutsourcingNehmer fungieren, sofern sie Aktivitäten übernehmen, die zuvor von anderen Institutionen (Unternehmen, sonstige Organisationen oder Personen) durchgeführt wurden. Im letztgenannten Falle wird eine solche Übernahme von Aktivitäten mit dem Begriff Insourcing als dem sprachlichen Komplement zum Outsourcing belegt (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1109). Eine definitorische Eingrenzung von Outsourcing-Aktivitäten auf den IT-Bereich – wie sie häufig zu finden ist – wird hier als zu eng empfunden, obwohl dieser Bereich einen ganz wesentlichen Anteil an den Outsourcing-Projekten der Praxis, gerade auch im Krankenhaus-Bereich hat (siehe dazu den Beitrag von Mühlbacher u. Pflügel in diesem Sammelband).
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Vielmehr wird nachfolgend von einer Funktions- und Ressourcenneutralität des Outsourcing-Begriffs ausgegangen (vgl. Matiaske u. Mellewigt 2002, S. 644; Bühner u.Tuschke 1997, S. 21).
2.2 Erscheinungsformen des Phänomens Outsourcing Zu den Charakteristika des Phänomens „Outsourcing“ gehört die gelegentlich in ihrer Bedeutung unterschätzte Vielfalt seiner Erscheinungsform. Einerseits führt diese Vielfalt zu einer Flexibilisierung des Outsourcing als Option, andererseits führt sie zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität von Outsourcing-Entscheidungen. Eine Übersicht über die Vielfalt der Erscheinungsformen des Outsourcings gibt Abb. 1., die eine – wenn auch nicht überschneidungsfreie – Zuordnung einzelner Formen zu jeweiligen Merkmalen ermöglicht. Markt-/ Hierarchiebezug
Internes Outsourcing
Kernnahes Outsourcing
Gemischtes Outsourcing
Kernfernes Outsourcing
Externes Outsourcing
Beziehung zum Outsourcing Nehmer
Strategiebezug
Grad der Wertschöpfungstiefe
Strategic Outsourcing Non Strategic Outsourcing
Ausgliederung
Auslagerung
Outsourcing/ Sourcing Business Process Outsourcing Nonshore Outsourcing
Singlesourcing Backsourcing
Offshore Outsourcing Outsourcing Multisourcing
Totales Outsourcing
Nearshore Sourcing Insourcing Onshore Outsourcing
Anzahl der Leistungsersteller
Zeitliche Entwicklung
Standort
Partielles Outsourcing (Outtasking)
Grad des Leistungsumfangs
Abb. 1: Erscheinungsformen des Outsourcings nach unterschiedlichen Merkmalen (vgl. Hollekamp 2005, S.26; ähnlich Schwarz 2005, S. 25f.)
• Markt-/Hierarchiebezug: Während im Falle des Internen Outsourcing die Koordination der Outsourcing-Leistung innerhalb der Hierarchie, d. h. im Rahmen einer Wirtschaftseinheit (z. B. Konzern) erfolgt, wird sie beim Externen Outsourcing über den Markt, d. h. lediglich über ver-
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tragliche Vereinbarungen mit unabhängigen Marktteilnehmern bewirkt. Als „Gemischtes Outsourcing“ wird eine Outsourcing-Form bezeichnet, bei der Outsourcing-Geber und Dienstleister eine gemeinsame ServiceGesellschaft (Gemeinschaftsunternehmen) gründen und betreiben (vgl. Renner et al. 2001, S. 23 u. 39). • Grad der Wertschöpfungstiefe: Dieses von Porter (1999, S. 68) und der von ihm entwickelten Wertschöpfungskette entlehnte Merkmal stellt auf Differenzierungsvorteile durch jeweilige Kernkompetenzen ab und führt zu einer Unterscheidung zwischen einem kernnahen Outsourcing, das selbst Aktivitäten in der unmittelbaren Umgebung von Kernkompetenzen als den strategisch relevanten Wettbewerbsvorteilen des Unternehmens umfasst und einem kernfernen Outsourcing, das im klassischen Sinne nur die Funktionen abdeckt, die keinesfalls zu den Kompetenzen zählen. • Strategiebezug: Strategic Outsourcing bezeichnet eine OutsourcingForm, die strategiegeleitet ist, d.h. als ein Ergebnis strategischer Planungen gewählt wird. Beim sog. Non-Strategic-Outsourcing sind die entsprechenden Ziel- und Zielerreichungsplanungen eher operativ ausgerichtet (vgl. Alexander u. Young 1996, S. 116f.). • Beziehung zum Outsourcing-Nehmer: Outsourcing als Ausgliederung erfolgt durch Übertragung von Outsourcing-Objekten (Aktivitäten) auf einen Outsourcing-Nehmer, zu dem eine kapitalmäßige Beziehung besteht (z. B. im Rahmen eines Konzerns), aus der sich wiederum eine entsprechende Leitungsbefugnis ableitet. Dagegen bedeutet Auslagerung das Outsourcing an einen Marktpartner, zu dem lediglich vertragliche Beziehungen bestehen und demzufolge keine Leistungsbefugnis besteht. • Anzahl der Leistungsersteller: Im Rahmen dieses Merkmals bezeichnet das Singlesourcing die Vergabe des Outsourcing-Objektes an nur einen Anbieter, während im Gegensatz dazu beim Multisourcing das Outsourcing-Objekt in verschiedene Teilleistungen untergliedert wird und diese dann an den jeweils besten Outsourcing-Anbieter vergeben werden. Damit wird zugleich das sog. Hold-up-Problem umgangen, dass sich aus einem zu starken, wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis bei nur einem Leistungsanbieter ergeben kann (vgl. Schwarz 2005, S. 32f.). • Zeitliche Entwicklung: Unter Berücksichtigung des Zeitaspektes kennzeichnet das Insourcing die erstmalige Aufnahme einer Aktivität in das Unternehmen, die bisher von Dritten wahrgenommen wurde; Outsourcing dagegen die erstmalige Ausgliederung oder Auslagerung einer
Outsourcing als strategische Option
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bisher selbst durchgeführten Aktivität. Backsourcing bezieht sich schließlich auf Leistungen, die bereits „outgesourct“ waren und nun wieder in das Unternehmen integriert werden (vgl. Schwarz 2005, S. 32). Auch wenn es sich bei Outsourcing / Insourcing grundsätzlich um mittel- bis langfristige Entscheidungen handelt, verdeutlicht die Berücksichtigung des Merkmals „Zeitliche Entwicklung“ die Tatsache, dass solche Entscheidungen durchaus revidierbar sind. •
Standort: Dieses geografisch geprägte Merkmal hat sich durch den in der aktuellen Diskussion häufig gebrauchten Begriff des Offshoring profiliert. Damit wird die Verlagerung von Aktivitäten über größere Distanzen hinweg bzw. auf andere Kontinente (z. B. Indien oder China) gekennzeichnet, die meist zugleich sog. Niedriglohnländer darstellen (vgl. Klingebiel 2006b, S. 717). Auch wenn sich die gegenwärtige Offshoring-Diskussion hauptsächlich auf das IT-Offshoring konzentriert, kennzeichnet der Begriff Offshoring grundsätzlich alle Outsourcingfähigen Aktivitäten. Als Nearshoring wird die Leistungserbringung in einem benachbarten Land verstanden und als Onshoring im Land der Nachfrage selbst. Der Begriff Nonshoring schließlich signalisiert die Tatsache, dass die Outsourcing-Leistung innerhalb eines Unternehmensverbundes (z. B. Konzern) durchgeführt wird (vgl. Gadatsch 2007, S. 554). Obwohl speziell unter Kostenaspekten das Offshoring häufig als die zu favorisierende Variante erscheint, stehen gerade ihr besonders hohe Risiken gegenüber (vgl. Aron u. Singh 2005, S. 136ff.) und die Gefahr des Scheiterns solcher Projekte gilt bei ihnen als am größten (vgl. Gadatsch 2007, S. 556). Zudem werden die Kostenvorteile solcher Kooperationen nicht selten überschätzt (vgl. Klingebiel 2006b, S. 718ff.).
• Grad des Leistungsumfangs: Bei dem partiellen Outsourcing werden keine kompletten Funktionen, sondern lediglich einzelne Teilaktivitäten, sog. „Tasks“, ausgelagert oder ausgegliedert, weshalb für diese Erscheinungsform auch der Begriff „Outtasking“ verwendet wird. Dagegen richtet sich das totale Outsourcing auf leicht abgrenzbare Funktionen wie z. B. Sicherheitsdienste, Reinigungs- oder Kantinen-Services (vgl. Schwarz 2005, S. 30). Handelt es sich dagegen um funktionsübergreifende Aktivitäten wie z. B. den IT-Bereich, so wird als dritte Ausprägung dieses Merkmals von einem Business Process Outsourcing gesprochen (vgl. Dittrich u. Braun 2004, S. 2ff.). Wenn auch grundsätzlich alle zuvor skizzierten Outsourcing-Formen als Optionen im Rahmen eines zukunftsorientierten Krankenhausmanage-
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ments denkbar sind, so ist deren Bedeutung sicher nicht gleichgewichtig und mit unterschiedlichen Problematiken verbunden. Dies gilt in besonderer Weise für die Outsourcing-Formen, die hier unter den Merkmalen „Grad der Wertschöpfungstiefe“ und „Strategiebezug“ genannt wurden. Auf sie konzentriert sich die nachfolgend zu führende Diskussion von Outsourcing-Entscheidungen im Sinne einer strategischen Option.
3 Grundlagen strategischer Outsourcing-Entscheidungen Als Ausgangspunkt einer Erörterung des Strategiebezugs von OutsourcingEntscheidungen kann zunächst die Darstellung von typischen Merkmalen strategischer Entscheidungen dienen.
3.1 Merkmale strategischer Entscheidungen Strategische Entscheidungen als Ergebnis der letzten Phase strategischer Planungsprozesse sind durch spezifische Merkmale gekennzeichnet, die sie insbesondere von operativen Entscheidungen abgrenzen (vgl. nachfolgend Hahn 2006a, S. 35; Hahn u. Hungenberg 2001, S. 100): • Strategische Planungen/ -Entscheidungen im Sinne von konstitutiven Entscheidungen haben grundsätzlich potenzialvariierenden Charakter. Durch sie wird der gegebene Bestand an Sach- und Humanpotenzial verändert (vergrößert, verkleinert oder umstrukturiert). • Sie gelten auf lange Sicht und sind von relativ geringer Häufigkeit. Dabei kann allerdings der Zeithorizont strategischer Planungen/ -Entscheidungen sehr unterschiedlich lang sein. • Strategische Entscheidungen sind von besonderer Bedeutung für die Vermögens- / Erfolgsentwicklung des Unternehmens und werden deshalb von der obersten internen Führung, häufig in Abstimmung mit der externen Führung des Unternehmens (z. B. Aufsichtsrat, Beirat) gefällt. • Sie sollten jeweils unter besonderer Beachtung der bereits bestehenden Unternehmensphilosophie und -kultur gefällt werden und sind letztendlich nur bei Übereinstimmung mit diesen erfolgreich. • Die Zielgröße strategischer Planungen/ -Entscheidungen sind Erfolgspotenziale. Als eine Art Speicher spezifischer Stärken ermöglichen sie
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es dem Unternehmen, sich auch zukünftig in einer veränderlichen Umwelt erfolgreich zu positionieren (vgl. Bea u. Haas 2001, S. 109ff.). Alle diese Merkmale treffen im Kern – wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung – auf Outsourcing-Entscheidungen zu. Ohne Zweifel sind mit ihnen Potenzialveränderungen verbunden und Kernkompetenzen, durch welche Erfolgspotenziale geschaffen und erhalten werden können, spielen eine ganz entscheidende Rolle bei Outsourcing-Entscheidungen. Schließlich sind bei Outsourcing-Entscheidungen – speziell im Rahmen des Krankenhaus-Managements – unternehmensphilosophische und -kulturelle Aspekte in besonderer Weise zu berücksichtigen. Zudem gelten Outsourcing-Entscheidungen zumindest mittelfristig, meist jedoch langfristig. In jedem Falle sollten sie nicht ausschließlich kurzfristig orientiert sein. Im Lichte einer solchen Betrachtungsweise profilieren sich OutsourcingEntscheidungen ihrem Wesen nach insgesamt als strategische Entscheidungen. Alexander u. Young (1996, S. 116f.) nennen deshalb als Kriterien für ein Strategic-Outsourcing das Vorhandensein einer Outsourcing-Strategie (strategic policy concerning outsourcing) und sogar die Frage nach der Bereitschaft, selbst Kern-Aktivitäten (core-activities) zum Gegenstand von Outsourcing-Entscheidungen zu machen. In einem ähnlichen Sinne unterscheidet Sjurts (2004, Sp. 1109) zwischen einem Outsourcing operativ und/ oder strategisch relevanter Leistungen. Dabei gelten als strategisch relevante Leistungen offenbar solche, die zu den bestehenden Kernkompetenzen des Outsourcing-Gebers gehören. Einer solchen Argumentation kann zunächst entgegengehalten werden, dass OutsourcingEntscheidungen ihrem Wesen nach auch dann strategisch (weil potenzialvariierend) sind, wenn ihnen (noch) keine geschlossene OutsourcingStrategie zugrunde liegt. Die Beschränkung strategischer Entscheidungen auf bestehende Kernkompetenzen bezieht zudem nicht zukünftige Kernkompetenzen mit ein und ebenfalls nicht solche Fähigkeiten, die zwar keine Kernkompetenzen darstellen, aber etwa vom Kunden gewünscht oder zur Verteidigung von Kernkompetenzen notwendig sind (vgl. Quinn 1999, S. 11 sowie Abschnitt 3.3.2.). Bezogen auf die Healthcare Industry in den USA, aber sicher auch darüber hinaus relevant, gilt die Einschätzung von Quinn (1999, S. 21): „… the strategic management of outsourcing is conceivably the most effective management tool for the 21st century“. Sie deutet auf eine grundsätzlich notwendige, strategisch orientierte Sichtweise bei OutsourcingEntscheidungen hin und wird von Billi et al. (2004, S. 292) verstärkt, die speziell beim Outsourcing von clinical services ein strategisches Denken und Handeln anmahnen („… the strategic thinking behind outsour-
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cing…“). Gerade im Hinblick auf Outsourcing-Entscheidungen in Krankenhäusern kann eine Unterscheidung zwischen „Strategic und NonStrategic“ problematisch sein, da speziell dort ansonsten „operative“ Outsourcing-Entscheidungen (z. B. über die Dienstleistungen von Kantine und/ oder Reinigung) höchste strategische Bedeutung erlangen können und auch andere, scheinbar weniger bedeutsame Outsourcing-Objekte etwa aus unternehmenskulturellen und / oder -ethischen Gründen eine strategische Relevanz erhalten. Strategischen Charakter haben Outsourcing-Entscheidungen schließlich auch deshalb, weil sie häufig Teil einer sog. „Tandem-Strategie“ sind, in deren Rahmen zuvor die Entscheidung über eine Fokussierung auf Kernkompetenzen gefällt wurde, die ihrerseits ohne Zweifel eine strategische Entscheidung darstellt (vgl. dazu Abschnitt 3.3.2.).
3.2 Outsourcing-Entscheidungen im Lichte ausgewählter theoretischer Konzepte Outsourcing als ein spezieller Fall der make-or-buy-Problematik beschäftigt die Betriebswirtschaftslehre seit jeher, wobei sich OutsourcingEntscheidungen – im Gegensatz zu make-or-buy-Entscheiungen – nur auf solche Aktivitäten beziehen können, die zuvor unternehmensintern erbracht wurden (vgl. Matiaske u. Mellewigt 2002, S. 644 u. 654). Es überrascht daher nicht, dass die für Outsourcing-Entscheidungen relevanten Motive Eingang in unterschiedliche Theorien gefunden haben, die auch und gerade den Strategiebezug solcher Entscheidungen untermauern. In diesem Zusammenhang können neben dem Transaktionskostenansatz speziell der marktorientierte sowie der ressourcenorientierte Ansatz genannt werden, die die hier interessierende Entscheidungsproblematik aus jeweils sehr unterschiedlichen Perspektiven erklären. Sie liefern somit die allgemeingültigen Grundlagen für praxisorientierte Problemlösungen (vgl. Bea u. Haas 2001, S. 22 u. 24). 3.2.1 Transaktionskosten-Ansatz Unter den hier relevant erscheinenden Ansätzen ist der auf Coase (1937, S. 386ff.) zurückgehende Transaktionskosten-Ansatz der Älteste. Danach gilt als die effizienteste Organisationsform ökonomischer Aktivitäten diejenige Form der Leistungserstellung mit den geringsten Transaktionskosten. Sie ist insbesondere abhängig von der Spezifität der benötigten Ressourcen,
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der strategischen Bedeutung der Transaktion und von ihrer Häufigkeit. Damit empfehlen sich als outsourcingfähig tendenziell solche Aktivitäten, die eine geringe Spezifität, strategische Bedeutung und Häufigkeit aufweisen (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1111; Picot 1982, S. 267ff.). Zu den Transaktionskosten zählen generell Planungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten (vgl. Bühner u. Tüschke 1997, S. 20). Die Erkenntnisse des Transaktionskosten-Ansatzes führen zu einer Betrachtung der Total Costs of Outsourcing. Sie legen insbesondere sog. „Hidden costs“ offen, die im Rahmen von Outsourcing-Entscheidungen häufig nicht beachtet werden. Ihre Einbeziehung lässt OutsourcingProjekte selbst unter Kostenaspekten häufig weniger attraktiv erschienen als ursprünglich angenommen (vgl. dazu am Beispiel des Offshoring: Klingebiel 2006b, S. 718 ff.). Dies wiegt umso schwerer, als gerade Kostenvorteile zu den am häufigsten genannten Motiven für OutsourcingEntscheidungen zählen (vgl. Maliaske u. Mellewigt 2002, S. 646) und die Nichtberücksichtigung von „Hidden costs“ nach Barthélemy (2003, S. 93) unter die „… seven deadly sins of outsourcing“ fällt. Darüber hinaus muss generell die Fixierung auf Kostenvorteile bei Outsourcing-Entscheidungen im Sinne eines „short-term cost-cutting“ zu Lasten einer langfristig, strategisch orientierten Sichtweise als äußerst problematisch betrachtet werden (vgl. Quinn 1999, S. 10). 3.2.2 Marktorientierter Ansatz (Market-based View) Der marktorientierte Ansatz beruht auf der Betrachtung eines Unternehmens aus der Perspektive des Absatzmarktes (Outside-in-Perspektive), wobei die strategisch relevanten Erfolgsfaktoren (Erfolgspotenziale) aus den zukünftigen Anforderungen dieses Marktes bzw. der Umwelt abgeleitet werden. Vertreter dieses Ansatzes gehen davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens durch die Branchenattraktivität und seine relative Wettbewerbsposition in dieser Branche bestimmt wird. Je stärker die von Porter (1985, S. 176ff.) genannten Wettbewerbskräfte (Bedrohung durch neue Anbieter, Verhandlungsstärke der Lieferanten, Verhandlungsstärke der Abnehmer, Bedrohung durch Ersatzprodukte und Rivalität der Wettbewerber innerhalb der Branche) ausgeprägt sind, umso höher ist die Wettbewerbsintensität und demzufolge sind die individuellen Erfolgsaussichten des Unternehmens umso geringer (vgl. Bea u. Haas 2001, S. 25). Die Porter’sche Grundidee besteht darin, diejenige Strategie zu wählen, die das Unternehmen am besten vor den Triebkräften des Wettbewerbs in der jeweiligen Branche schützt (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1112). Als sog. Basisstra-
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tegien gelten die Kostenführerstrategie und die Differenzierungsstrategie (beide entweder als Gesamtbranchen-Strategie oder Nischenstrategie). Im Hinblick auf das Outsourcing scheint diese Theorie eher einen Erklärungsansatz für das Insourcing zu liefern, da Outsourcing die Marktmacht des Outsourcing-Gebers verringert. Vielmehr würde eine vertikale Integration (Vorwärts-/ Rückwärtsintegration) erhöhte Markteintrittsbarrieren errichten und so die Bedrohung durch potenzielle Konkurrenten verringern (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1112). 3.2.3 Ressourcenorientierter Ansatz (Resource-based View) Mit dem ressourcenorientierten Ansatz findet ein Perspektivenwechsel hin zu einer Inside-out-Betrachtung statt, in deren Mittelpunkt die Qualität der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen als Quelle des Erfolges steht (vgl. Bea u. Haas 2001, S. 24f.). Wettbewerbsvorteile eröffnen sich nach diesem Ansatz aus denjenigen Ressourcen, die einen spezifischen Kundennutzen stiften, knapp und zugleich schwer imitierbar sowie substituierbar sind (vgl. Barney 1991, S. 105ff.; Wernerfeldt 1984, S. 32ff.). Von besonderem Interesse sind dabei sog. strategische Ressourcen. Sie sind in der Lage, Erfolgspotenziale zu generieren und damit zur Erlangung dauerhafter Wettbewerbsvorteile beizutragen (vgl. Mellwigt 2003, S. 65; Gontermann 2008, S. 689). Zu solchen strategischen Ressourcen können auch „Organizational Capabilities“ (Grant 1998, S. 112ff.) gezählt werden, die über eine geeignete Kombination sowie einen effektiven Einsatz der verfügbaren Ressourcen zu strategischem Erfolg beitragen. Solche immer mehr an Bedeutung gewinnenden Führungsfähigkeiten im Hinblick auf das Management von Ressourcen werden treffend auch als Integrationskompetenzen bezeichnet (vgl. Drumel u. Haberfellner 2007, S. 34). Entsprechend der Resource-based View empfiehlt sich ein Outsourcing speziell für solche Ressourcen, die weder knapp noch schwer imitier- bzw. substituierbar sind. Im Umkehrschluss folgt daraus im Lichte dieses Ansatzes zugleich, dass eine Fokussierung auf die Ressourcen (-Bündel) und deren Integration erfolgen sollte, welche in einzigartiger Weise Wettbewerbsvorteile stiften (vgl. Sjurts 2004, Sp. 1112). Eine solche Fokussierung leitet über zu dem im nachfolgenden Abschnitt zu behandelnden Konzept der Kernkompetenzen, das neben dem wissensorientierten Ansatz (knowledge-based View) als eine der Varianten des ressourcenorientierten Ansatzes gilt (vgl. Bea u. Haas 2001, S. 27).
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Dieser relativ neue Ansatz sieht das Wissen als die letztlich entscheidende und nachhaltige Quelle für Wettbewerbsvorteile (vgl. Nonaka u. Takeuchi 1995, S. 33ff.). Seine Begründung findet er – sicher zurecht – in einem immer größer werdenden Maß an Intelligenz, über das moderne Produkte (Hard- und Software sowie deren Kombination) verfügen und die durch Wissen erzeugt wird, welches im Unternehmen generiert, transferiert, gespeichert und genutzt werden kann. 3.2.4 Principal-Agent-Theorie Die Princial-Agent-Theorie schließlich ist in der Lage, spezifische Probleme der Zusammenarbeit zwischen Outsourcing-Geber und -Nehmer zu erklären. Hier sind es u. a. Informationsasymmetrien zwischen dem Outsourcing-Geber (Prinzipal) und dem Outsourcing-Nehmer (Agent), die mit ihren möglichen destruktiven Wirkungen Outsourcing-Kooperationen belasten können. Grundsätzlich ist zu unterstellen, dass der Anbieter von Outsourcing-Leistungen (Outsourcing-Nehmer) einen deutlich besseren Informationsstand über die von ihm angebotene Leistung hat. Um die Risiken des opportunistischen Ausnutzens dieses Informationsstandes zumindest zu begrenzen, wird – gemäß dieser Theorie – der OutsourcingGeber um eine dezidierte Vertragsgestaltung bemüht sein (vgl. Klingebiel 2006a, S. 499; sowie grundsätzlich zu dieser Problematik Petersen 1989).
3.3 Fokussierung und Outsourcing als Tandem-Strategie Vor dem Hintergrund der hier interessierenden Outsourcing-Problematik gewinnt das Kernkompetenzen-Konzept als Variante des Resource-based View besondere Bedeutung, da die Fokussierung auf Kernkompetenzen im Sinne einer Tandem-Strategie sehr häufig zu Outsourcing-Entscheidungen für die nicht zu den Kernkompetenzen zählenden Aktivitäten führt. 3.3.1 Das Kernkompetenzen-Konzept: Fokussierung auf Kernkompetenzen Kernkompetenzen sind nach Krüger u. Homp (1997, S. 27ff.) die dauerhaften und transferierbaren, zugleich aber schwer imitier- und substituierbaren Ursachen für Wettbewerbsvorteile, die auf Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens sowie deren Kombination basieren.
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Das von Prahalad u. Hamel (2006 u. 1990) entwickelte Konzept der Kernkompetenzen stellt nicht mehr einzelne (materielle) Ressourcen in den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern deren Aggregation zu spezifischen Fähigkeiten, die als Kernkompetenzen bezeichnet werden. Kernkompetenzen sind ihrem Wesen nach immaterieller Natur und kennzeichnen die originären Stärken eines Unternehmens im Vergleich zu seiner Konkurrenz. Sie eröffnen darüber hinaus – wegen ihrer Transferierbarkeit – den Zugang zu einem breiten Spektrum unterschiedlicher Märkte (vgl. Wurl u. Lazanowski 2002, S. 1542). Als hauptsächlich immaterielle Werte nutzen sie sich – im Gegensatz zu materiellen Werten – durch Gebrauch nicht ab, sondern reichern sich sogar im Zeitablauf an, da sie das Ergebnis kollektiver Lernprozesse sind (vgl. Prahalad u. Hamel 2006, S. 277ff.). Dies geschieht allerdings nicht automatisch. Vielmehr bedürfen Kernkompetenzen einer intensiven Pflege (vgl. Prahalad u. Hamel 2006, S. 280) um erhalten und verstärkt zu werden, was in systematischer Form durch ein geeignetes KernkompetenzManagement erfolgen sollte (vgl. nachfolgend Krüger u. Homp 1997, S. 92ff.). Das Management von Kernkompetenzen kann als ein Zyklus von spezifischen Aufgaben verstanden werden, die nachfolgend skizziert werden. • Identifikation von Kernkompetenzen: Am Ausgangspunkt steht hier die Ermittlung des Ist-Zustandes im Hinblick auf spezifische Ressourcen und Fähigkeiten, die mit einer Prognose zukünftig benötigter Kernkompetenzen, der Abschätzung ihrer Entwicklungs- und Integrationschancen/ -risiken sowie der entsprechenden Zeitdauer und Kosten zu verbinden ist (vgl. Zook 2007, S. 74ff.). Als geeignete Instrumente gelten dabei für die Analyse das Benchmarking sowie für die Prognosen neben qualitativen Prognoseverfahren insbesondere die Szenariotechnik. • Entwicklung von Kernkompetenzen: Hierunter fällt die Gesamtheit aller kompetenzorientierten Aufbau- und Umbaumaßnahmen die das Ziel haben, vorhandene Kompetenzen zu festigen und auszubauen. Darüber hinaus gilt es aber auch, Kompetenzen neu zu entwickeln: „ohne eine Vorstellung von zukünftig benötigten Kernkompetenzen und die Arbeit an ihrer Entwicklung und Kultivierung ist jede Erfolgsposition auf Dauer gefährdet“ (Krüger u. Homp 1997, S. 112). • Integration von Kernkompetenzen: Hierbei geht es um eine geeignete Bündelung und Integration aller Ressourcen und Fähigkeiten in personeller, organisatorischer und technischer Hinsicht, die ihre optimale Nutzung erst ermöglicht. Dazu gehören die Schaffung entsprechender
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Prozesse, Systeme und Strukturen sowie – nicht zuletzt – die Entwicklung geeigneter Anreizsysteme. • Nutzung von Kernkompetenzen: In dieser Phase des KernkompetenzManagements steht zwar zunächst das Ausschöpfen der Kompetenzen im Mittelpunkt, dies allerdings nicht im Sinne eines passiven „Abnutzens“, sondern vielmehr in enger Verzahnung mit Entwicklungs- und Integrationsaufgaben sowie verbunden mit einer entsprechenden Absicherung der Kernkompetenzen. Dazu gehören neben der Inanspruchnahme von Patentschutz, Musterschutz und Copyright auch offensive Formen der Sicherung durch stetige Weiterentwicklung. • Transfer von Kernkompetenzen: Die Transferierbarkeit von Kernkompetenzen sichert die Nachhaltigkeit ihres Erfolges. In ihr liegt zwar die Chance für ein praktisches, innovatives Handeln, zugleich sind mit ihr auch besondere unternehmerische Risiken verbunden. Konkret geht es bei dem Transfer von Kernkompetenzen darum, einerseits die Objekte des Transfers (z. B. Kernprodukte, Ressourcen, Marken und Fähigkeiten) und andererseits die Zielfelder des Transfers (z. B. neue Kunden, neue Regionen, neue Produkte) festzulegen. 3.3.2 Kombination von Fokussierung auf Kernkompetenzen und Outsourcing Die Kombination einer Fokussierung auf Kernkompetenzen mit Outsourcing-Strategien hat in vielen Fällen eine gewisse Zwangsläufigkeit, die in soweit an Tandem-Strukturen erinnert, als es zwar (inhaltlich) hintereinander geschaltete Elemente sind, die aber dieselbe strategische Stoßrichtung sowie dasselbe Zielbündel verfolgen und ohne einander eben gerade nicht ihre volle Wirkung entfalten können. Am Ausgangspunkt einer solchen Tandem-Strategie steht zweifellos die Identifikation und Festlegung von Kernkompetenzen, zu der auch eine Bestimmung von Kompetenzprioritäten gehört (vgl. Krüger u. Homp 1997, S. 104ff.). Dabei geht es letztendlich um einen Vergleich von Markt- und Kompetenzpriorität sowie um die Festlegung zukünftiger Aufgabenschwerpunkte des Kernkompetenz-Managements. Abb. 2 stellt diese Vorgehensweise in Form von Matrizen dar, wobei Outsourcing-Strategien insbesondere für die Kompetenzen (im Sinne von Aktivitäten) angewendet werden können, bei denen sowohl ungünstige Marktaussichten als auch Kompetenzaussichten sprechen.
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Ulrich Krystek Marktmatrix günstig
1
2
Kompetenzmatrix
3
günstig
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Zukünftige Erwartungen
4
5
6
Entwicklungsaufwand und aussichten
ungünstig
7
8
9
ungünstig
schwach stark Gegenwärtige Position
schwach stark Gegenwärtige Kompetenz Kompetenzstärke
Marktattraktivität 2,3,6: sehr attraktiver Bereich 4,7,8: sehr unattraktiver Bereich 1,5,9: mittlerer Bereich
2,3,6: starker, zukunftsträchtiger Bereich 4,7,8: schwacher, nachlassender Bereich 1,5,9: mittlerer Bereich
Markt-/Kompetenz-Matrix hoch
Entwickeln
Nutzen
Outsourcen
Transferieren
Marktattraktivität
niedrig
niedrig
hoch
Kompetenzstärke
Abb. 2: Bestimmung von Kernkompetenz-Management-Prioritäten (vgl. Krüger u. Homp 1997, S.105)
In einem anders gestalteten Ansatz empfiehlt Quinn (1999, S. 11f.). eine Kombination von „Core competency with outsourcing“ in der Weise, dass nicht nur Kernkompetenzen, sondern auch solche Fähigkeiten, die zwar keine Kernkompetenzen darstellen, aber entweder vom Kunden verlangt werden und / oder zur Verteidigung von Kernkompetenzen notwendig erscheinen, durch das Unternehmen selbst betreut werden, während lediglich sog. „Non-Core Activities“ zum Gegenstand von OutsourcingEntscheidungen gemacht werden sollten. Dabei setzt Quinn (1999, S. 11) auf einen Leverage-Effekt für den Outsourcing-Geber durch die Nutzung der spezifischen Fähigkeiten des Outsourcing-Nehmers. Das zentrale Problem einer solchen Tandem-Strategie liegt nicht nur darin, einen geeigneten Outsourcing-Partner zu finden, sondern vielmehr in dem ersten Schritt, der Festlegung der Outsourcing-Objekte. Ist alleine die Definition von derzeitigen Kernkompetenzen eine nicht zu unterschätzende, nur unternehmensindividuell zu lösende Problematik, so erweitert sich diese noch erheblich, wenn es gilt, auch potenzielle (zukünftig mögliche) Kernkompetenzen zu berücksichtigen (vgl. Schwarz 2005, S. 21).
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Angesichts einer zu fordernden Strategieorientierung von OutsourcingEntscheidungen erweitert sich deren zeitlicher Horizont deutlich und öffnet sich damit für alternative Entwicklungsmöglichkeiten. Zur Eingrenzung dieser zukunftsorientierten Identifikationsproblematik kann auf der instrumentellen Ebene neben den bereits erwähnten Prognoseverfahren auf Formen der Früherkennung verwiesen werden, die mit Hilfe von operativen und strategischen Früherkennungssystemen latente Veränderungen in den Rahmenbedingungen (Prämissen) für die zukunftsorientierte Definition von Kernkompetenzen signalisieren können (vgl. dazu grundsätzlich Krystek 2007). Als eine Tendenzaussage für die generelle Stoßrichtung von TandemStrategien kann in Würdigung der zuvor skizzierten Problematik die diesbezügliche Einschätzung von Bettis et al. (1992, S. 18) genannt werden: „Treating outsourcing decisions strategically most fundamentally implies an in-depth understanding of the core competences on which the firm intends to build its future competitive advantage. Outsourcing should generally focus on areas far removed from core competences. As outsourcing decisions become closer to the core competences, the strategic risk increases.” Mit diesem Zitat ist speziell das Chancen-Risiko-Profil strategisch orientierter Outsourcing-Entscheidungen angesprochen.
3.4 Chancen- und Risiko-Profil von Outsourcing-Entscheidungen 3.4.1 Chancen von Outsourcing-Entscheidungen • Kostenvorteile: Übereinstimmend werden in der Literatur (vgl. Matiaske u. Mellewigt 2002, S. 646ff.; Buch 1998, S. 37ff.) an erster Stelle der mit Outsourcing-Entscheidungen verknüpften Chancen Kostenvorteile genannt, die als das zentrale Motiv solcher Vorhaben bezeichnet werden (vgl. Schwarz 2005, S. 19). Dabei wird generell von einem Kostensenkungspotenzial in der Bandbreite zwischen 10% und 40% ausgegangen (vgl. Lamers 1998, S. 86). Im Einzelnen werden diesbezüglich häufig folgende Aspekte genannt: o
Kostendegression durch Ausnutzung der Economies of scale und Erfahrungskurven-Effekte beim OutsourcingNehmer, die im Preis an den Outsourcing-Geber weitergegeben werden können.
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o
Variabilisierung von Fixkosten im Sinne einer Beeinflussbarkeit solcher Kosten bei Fremdvergabe und Verrechnung der Outsourcing-Leistungen durch den OutsourcingNehmer nach tatsächlicher Inanspruchnahme.
o
Nutzung evtl. geringerer Personalkosten der Branche des Dienstleisters (Branchenarbitrage).
• Konzentration auf das Kerngeschäft: Die Konzentration auf das Kerngeschäft im Sinne der hier dargestellten Tandem-Strategie wird fast ebenso häufig als Chance der Outsourcings gesehen: „Outsourcing … hilft, den Einsatz knapper Ressourcen auf strategisch relevante Kompetenzfelder zu fokussieren“ (Zahn et al. 1998, S. 13). • Finanzierungsvorteile und Risikoverlagerung: Das Outsourcing investitionsintensiver Aktivitäten reduziert das gebundene Kapital sowie den Finanzierungsbedarf des Outsourcing-Gebers (z. B. bei IT-Dienstleistungen, vgl. Hans u. Warschburger 1998, S. 578) und kann als eine Möglichkeit der Risikoverlagerung nicht nur im Hinblick auf die fehlerhafte Erstellung der Outsourcing-Leistung, sondern zugleich auch hinsichtlich risikoreicher Investitionen, die mit der OutsourcingAktivität verbunden sind, gesehen werden. • Leistungsverbesserung und Nutzung externen Know-hows: Der auf Outsourcing-Leistung spezialisierte Outsourcing-Nehmer verfügt i. d. R. über das aktuelle Know-how sowie häufig über die besser qualifizierten Fachkräfte im Bereich der Outsourcing-Aktivität als seinem Kerngeschäft. Durch die Outsourcing-Leistung kann der OutsourcingGeber sogar vom Wissen des Outsourcing-Partners profitieren und somit ohne den Aufbau eigener Ressourcen den Fortschritt im Bereich der Outsourcing-Aktivität nutzen (vgl. Schwarz 2005, S. 22). Als weitere Chancen werden schließlich die Entlastung des Managements, die Senkung der Komplexität bei gleichzeitiger Erhöhung der Flexibilität sowie die mögliche Erschließung neuer Geschäftsfelder genannt (vgl. Buch 1998, S. 37). 3.4.2 Risiken von Outsourcing-Entscheidungen Nicht weniger eindrucksvoll erscheinen allerdings die in der Literatur genannten Risiken von Outsourcing-Entscheidungen (vgl. Shi 2007), wobei sich einige der zuvor als Chancen dargestellten Aspekte zugleich als Risiken offenbaren.
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• Unterschätzte Gesamtkosten: Hier sind es in erster Linie die bereits erwähnten Transaktionskosten, die bei einer Betrachtung der Kostenvorteile nicht hinreichend berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden aber auch eine mangelhafte Kostenerfassung sowie eine nicht realisierte Fixkostenreduktion als diesbezügliche Gründe angeführt (vgl. Zahn et al. 1998, S. 17). • Problematische Abgrenzung: Eine für die hier skizzierte TandemStrategie unbedingt erforderliche Abgrenzung der Kernkompetenzen von übrigen Aktivitäten bereitet offenbar in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten (vgl. Bühner u. Tuschke 1997, S. 23f.) und kann so zu schwer revidierbaren, strategischen Fehlentscheidungen führen. Vergrößert wird diese Problematik, wenn man zukünftige Kernkompetenzen mit in die Betrachtung einbezieht. • Know how-Verlust: Wie einerseits ein Wissenszuwachs durch die Inanspruchnahme von Outsourcing-Leistungen gewonnen werden kann, so besteht andererseits das nicht zu unterschätzende Risiko eines unkontrollierten Wissensabflusses (Brain drain) über ausscheidende Fachund Führungskräfte und / oder über eine zur Leistungserstellung in der erforderlichen Qualität notwendige Wissensübermittlung an den Outsourcing-Nehmer (vgl. Matiaske u. Mellewigt 2002, S. 651). • Managementbelastung durch Schnittstellen-Management und Qualitätsprobleme: Eine offenbar nicht immer mögliche, trennscharfe Abgrenzung des Outsourcing-Objektes kann zu permanenten Friktionen führen und in Form eines aufwändigen Schnittstellen-Managements wertvolle Führungskapazitäten binden. Als ebenso schwierig können sich Qualitätsprobleme bei der Erbringung der Outsourcing-Leistung erweisen, die gerade im Krankenhausmanagement unvergleichlich große Risiken bergen. Als weitere Risiken werden die Abhängigkeit vom Outsourcing-Nehmer einschließlich der Gefahren, die sich aus seinem (möglichen) opportunistischen Verhalten ergeben sowie die Demotivation von Mitarbeitern des Outsourcing-Gebers genannt (vgl. Bruch 1998, S. 37). Im Ergebnis muss offenbar bei allen sicher vorhandenen Chancen von einem erheblichen Risikopotenzial ausgegangen werden, so dass Outsourcing-Entscheidungen insgesamt ein sehr ausgeprägtes ChancenRisikoprofil aufweisen, in dem sich die hohe Komplexität dieser Entscheidungen widerspiegelt und zugleich deren strategische Relevanz.
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4 Outsourcing-Entscheidungen als Gegenstand strategischer Planungen in Krankenhäusern
4.1 Konzept eines integrierten Krankenhausmanagements als Bezugsrahmen Outsourcing-Entscheidungen als Gegenstand strategischer Planungen/ -Entscheidungen bedürfen eines spezifischen Bezugsrahmens, der es erlaubt, alle relevanten Managementelemente moderner Krankenhausführung einzuordnen und zwischen ihnen einen inneren Zusammenhang herzustellen. Zugleich hat er dabei die duale Zielsetzung von Krankenhäusern zu berücksichtigen, die sich auf der eine Seite aus dem öffentlichen Auftrag von Krankenhäusern und der anderen Seite aus deren – zunehmend bedeutsamer werdenden – einzelwirtschaftlichen Zielsetzungen ergibt. Das von Braun (1999, S. 4ff. u. 1998, S. 23ff.) dazu entwickelte Konzept eines integrierten Krankenhausmanagements stellt einen solchen Bezugsrahmen dar, in dem er das von Bleicher (1999, S. 35ff. u. 2004, S. 80ff.) entwickelte Konzept eines integrierten Managements auf das Krankenhausmanagement überträgt (vgl. Abb. 3, linker Teil) Im Rahmen dieses Ansatzes beschreibt das normative Management den Grundzweck sowie die generelle Zielausrichtung von Krankenhäusern. Wesentliche Elemente stellen dabei die Krankenhausverfassung als die geschriebene und praktizierte Grundordnung sowie die Krankenhauskultur dar, welche die von den Führungskräften vorgelebten Werte und Normen aller Mitarbeiter widerspiegelt. Während die Kultur naturgemäß die in der Vergangenheit erfolgreich praktizierten Werte/ Normen repräsentiert, vermittelt die Krankenhausphilosophie/ -Mission mit ihren Leitbildern Orientierungspunkte über die grundlegende, in die Zukunft weisende Ausrichtung jeweiliger Krankenhäuser (vgl. beispielhaft zu Krankenhausmissionen Braun 1999, S. 11). Das strategische Management beschäftigt sich mit dem Aufbau und der Sicherung strategischer Erfolgspotenziale in Form von strategischen Programmen im Hinblick auf ärztliche und nichtärztliche Bereiche, die durch geeignete Organisationsstrukturen und Managementsystemen (insbesondere IuK-Systeme) abzusichern sind. Unter dem Aspekt „Problemverhalten“ kommen strategisch orientierte Ansätze des Führungsstils, der Anreizsysteme sowie der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften und Mitarbeitern zur Geltung. Die Aufgabe des operativen Managements besteht in der Umsetzung des normativen und strategischen Managements durch konkrete, regelmä-
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ßig anfallende Aufträge und Prozesse. Diese sind durch geeignete Prozessund Dispositionsstrukturen zu unterstützen. Sie werden durch das konkrete Leistungs- und Kooperationsverhalten von Führungskräften und Mitarbeitern geprägt. Alle drei Management-Ebenen bedürfen einer horizontalen und vertikalen Integration, um so den Charakter eines ganzheitlichen Management-Konzeptes zu gewährleisten. HORIZONTALE INTEGRATION
normatives Management
VERTIKALE INTEGRATION
Krankenhausverfassung
Krankenhausphilosophien/Missionen
Krankenhauskultur
Generelle Zielplanung Wert-, Sach- und Sozialzielplanung
(langfristig)
Strategische Planung strategisches Management Organisation, vor allem Aufbaustruktur strategische Managementsysteme
Strategische Programme (Erfolgspotentiale ) (langfristig)
Geschäftsfeld, Organisations- und Führungskräfteplanung Problemverhalten
Ergebnisund Finanzplanung
Projektplanung
Operative Planung Programm-, Bereichsplanung
operatives Management Organisation, vor allem Prozeßstruktur operative Managementsysteme: Dispositionssysteme
Budget (extern und intern) Konkrete Aufträge
Leistungs- und Kooperationsverhalten
(kurzfristig)
Strukturen
Verhalten Aktivitäten
KRANKENHAUSENTWICKLUNG Innere KE
-
äußere KE
-
innere und äußere KE
KE = Krankenhausentwicklung
Abb. 3: Integriertes Planungssystem im Rahmen eines integrierten Krankenhausmanagements
4.2 Grundzüge eines integrierten Planungssystems für Krankenhäuser Das nachfolgend skizzierte, von Hahn (1974, S. 64ff.) erstmals entwickelte Planungssystem kann als materieller, zukunftsorientierter Kern eines Krankenhausmanagements verstanden werden. Es greift die Elemente des zuvor dargestellten Systems eines integrierten Managements auf und entwickelt daraus konkrete Teilplanungen, die zu einem integrierten System zusammengefasst werden und zugleich die Basis für Kontrollen als den notwendigen Ergänzungen zu jeweiligen Planungen legen (vgl. nochmals Abb. 3, rechter Teil). Dieses Planungs- und Kontrollsystem (letzte Veröffentlichung Hahn u. Hungenberg 2001, S. 96ff.; Hahn 2006b, S. 4ff.) ist in seiner Anwendung
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grundsätzlich allen Unternehmen jeder Branche und Größe zugänglich und erscheint nicht zuletzt wegen seiner inhaltlichen Kongruenz zu dem von Braun (1999) vorgelegten Managementkonzept gerade auch für Krankenhäuser geeignet. Es erweist sich zugleich als zielführend für die hier thematisierte Outsourcing-Entscheidung im Rahmen strategischer Planungen in Krankenhäusern. • Generelle Zielplanung: Im Rahmen dieses ersten Teilplanungskomplexes geht es um die Fixierung aller relevanten Ziele als Richtschnur für das Entscheiden und Handeln des Krankenhausmanagements insgesamt sowie als Vorgabe für die übrigen Teilplanungskomplexe (Zielerreichungsplanungen). Nach einer üblichen Unterteilung gehören zu diesen generellen Zielen die wichtigsten Sach-, Wert- und Sozialziele (vgl. Hahn u. Hungenberg 2001, S. 97). Sachziele geben dabei zumindest umrissartig formuliert die Tätigkeitsfelder und die wichtigsten Leistungsarten an (z. B. Umfang der medizinischen Versorgungsleistungen und/ oder medizinische Schwerpunkte; ggf. auch außermedizinische Bereiche) an. Wertziele (Ergebnis- und Liquiditätsziele) drücken u. a. das Ausmaß des Ergebnisziels (Kostendeckung oder Gewinnerwirtschaftung) aus und betreffen zugleich Aussagen über die angestrebte Liquiditätsversorgung/ -sicherung. Sie gewinnen zunehmend auch für Krankenhäuser an Bedeutung (vgl. Gericke et al. 2006, S. 55ff.). Sozialziele geben zukünftig angestrebte Zustände gegenüber Patienten, Mitarbeitern, staatlichen Institutionen, Lieferanten/ Outsourcing-Partnern sowie sonstigen Stakeholdergruppen an. Die Besonderheit der Planung genereller Ziele in Krankenhäusern ergibt sich dabei aus spezifischen gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, die bereits in diesem Teilplanungsbereich einen Konflikt zwischen Wettbewerb und Versorgungsauftrag deutlich macht (vgl. dazu vertiefend Gericke et al. 2006, S. 55ff.). Insgesamt ist damit zukünftig von einer annähernd gleichgewichtigen Bedeutung aller drei Teilzielgruppen auszugehen. • Strategische Planung: Die strategische Planung als mittel- bis langfristig orientierte, potenzialvariierende Zielerreichungsplanung umfasst im Kern zunächst die Geschäftsfeldplanung. In ihr werden konkret das langfristige Leistungsprogramm mit dazugehöriger Investitions- und Desinvestitionsplanung festgelegt. In einer umfassenderen Sichtweise gehören zur strategischen Planung als weitere Teilplanungskomplexe noch die Organisationsplanung (Planung der Aufbauorganisation einschließlich der Rechtsstruktur) sowie die Führungskräfteplanung, zu der auch die Planung des Informationssystems als einem – neben den Führungskräften – zunehmend bedeutungsvoller werdenden Erfolgspotenzial gezählt wird (vgl. Hahn 2006a, S. 8).
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• Operative Planung: Neben der Projektplanung als Umsetzungsplanung von Strategien stellt die operative Planung eine kurz- bis mittelfristig orientierte, von gegebenen Potenzialen ausgehende Detaillierungsplanung zur strategischen Planung dar, in der das kurzfristige Leistungsprogramm des Krankhauses insgesamt genau fixiert wird (Programmplanung) und darüber hinaus im Rahmen der Bereichsplanung alle Aktionen in den Kernbereichen des Krankenhauses – soweit planbar – festgelegt werden. • Ergebnis- und Finanzplanung: Als monetäres Abbild der vorgenannten Teilplanungen fungiert die Ergebnis- und Finanzplanung. Sie bildet die zweite Dimension des hier vorgestellten Planungssystems und erfasst die zukünftigen Ergebnis- und Liquiditätswirkungen der drei vorangegangenen Teilplanungskomplexe. Stellen sich in ihr nicht zieladäquate Ergebnis- / Liquiditätswirkungen speziell der strategischen und operativen Planung heraus, so sind diese ggf. entsprechend anzupassen.
4.3 Positionierung von Outsourcing-Planungen im Rahmen eines integrierten Planungssystems für Krankenhäuser Als Bestandteil der Tandem-Strategie ergibt sich grundsätzlich eine Positionierung von Outsourcing-Planungen/ -Entscheidungen im Bereich der strategischen Planung. Innerhalb der strategischen Planung ist es zunächst die Geschäftsfeldplanung, in der – unter Berücksichtigung von generellen Sachzielen – die Festlegung von Kernkompetenzen erfolgt und damit verbunden eine mögliche Outsourcing-Option für nicht zu den Kerntätigkeitsfeldern des Krankenhauses zählende Aktivitäten ermittelt wird. Eine diesbezügliche Entscheidung hat allerdings zugleich häufig auch Auswirkungen auf die Organisationsplanung. Denn mit der Verlagerung von Aktivitäten an Outsourcing-Nehmer verändert sich i. d. R. die Aufbauorganisation des jeweiligen Krankenhauses. Entsprechend der bereits von Chandler (1966) erkannten Strategieabhängigkeit organisatorischer Gestaltung müssen Geschäftsfeldveränderungen durch eine entsprechende Anpassung der Strukturen (Structures follow Strategies) abgesichert werden. Ähnliches gilt für eine mögliche Veränderung von Rechtsstrukturen, die mit Outsourcing-Entscheidungen verbunden sein können (vgl. dazu die Beiträge von König et al. in diesem Sammelband). In vielen Fällen tangieren Outsourcing-Entscheidungen nicht nur den Bestand an Mitarbeitern, sondern gerade auch an Führungskräften. Solche Planungen/ Entscheidungen werden damit zum Gegenstand einer entspre-
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chenden Veränderung der Führungskräfteplanung und innerhalb dieser strategischen Teilplanungen speziell der Führungskräftebedarfs-, Weiterbildungs- und Vergütungs- / Abfindungsplanung (vgl. Hahn 2006b, S. 5f.). In besonderer Weise können sich auch Auswirkungen auf das Informationssystem durch Outsourcing-Entscheidungen ergeben. Sie sind häufig Gegenstand solcher Planungen und verändern die Informationssystemplanung im Rahmen der Führungskräfteplanung. Im Ergebnis wird damit deutlich, dass die ihrem Wesen nach strategisch orientierten Outsourcing-Entscheidungen alle drei Teilbereiche strategischer Planungen beeinflussen bzw. von ihnen beeinflusst werden. Diese ihrerseits wechselseitig miteinander in Beziehung stehenden Planungen werden auch als das sog. „Magische Dreieck“ strategischen Erfolgs bezeichnet (vgl. Abb. 4).
Geschäftsfeldplanung Investitions-/Desinvestitionsplanung
Outsourcing Projektplanung
Organisationsplanung Rechtsstrukturplanung
Führungskräfteplanung Informationssystemplanung
Abb. 4: Outsourcing im Rahmen strategischer Teilplanungen für Krankenhäuser
Outsourcing-Planungen/ -Entscheidungen sind zumeist Gegenstand von Projektplanungen als einem weiteren Element des hier skizzierten Planungssystems. Outsourcing-Vorhaben stellen als zielorientierte, zeitlich begrenzte Aktionsfolgen, die i. d. R. einmaliger, aperiodischer und höchst komplexer Natur sind, typische Projekte dar (vgl. Hahn u. Hungenberg 2001, S. 737ff.), die einen strategischen Inhalt haben und deren Umsetzung operativen Charakter hat. Für den Erfolg der Umsetzung komplexer Outsourcing-Entscheidungen ist eine geeignete Projektplanung im Rahmen des Projektmanagements solcher Vorhaben unbedingt anzuraten.
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5 Anwendungsstand und Entwicklungstendenzen des Outsourcings in Krankenhäusern
5.1 Zum Anwendungsstand des Outsourcings in der Praxis des Krankenhausmanagements Soweit ersichtlich, existieren wenige Berichte über das Ausmaß und die Bereiche von Outsourcing-Vorhaben in Krankenhäusern. Dies mag angesichts der Vielfalt von Ausprägungsformen und Anwendungsgebiete des Outsourcings in diesem Bereich kaum verwundern (vgl. Renner et al. 2001, S. 20f.). Umso interessanter erscheint ein Blick auf die vorhandenen Untersuchungen, die zumindest Tendenzen der Nutzung des OutsourcingPotenzials in der Praxis erkennen lassen. Offenbar lassen sich Outsourcing-Entscheidungen in der Praxis des Krankenhausmanagements überwiegend von der Idee der Kernkompetenzen sowie der Versorgungssicherheit leiten (vgl. Töpfer 2006, S. 52f.; Siebert u. Töpfer 2006, S. 62ff.) und behalten damit folgende Leistungen der Eigenerstellung vor (vgl. Renner et al. 2001, S. 31f.): • Medizinische Leistungen mit direktem Bezug zum Patienten, • Medizinische Notfall-Leistungen mit direktem Patientenbezug, • Medizinische Leistungen, die aufgrund der geografischen Lage des Krankenhauses nicht ausgelagert werden können, • Spezielle, einmalige oder selten vorkommende Leistungen, • Leistungen mit geringem Volumen und geringer Spezifität, sowie geringer Komplexität. Billi et al. (2004, S. 297) ergänzen diese Kriterien: „An ideal candidate for outsourcing, in a relative sense, is a clinical service that requires less specialized personal, training, or investment and is offered by plenty qualified providers in the local market, with limited environmental uncertainty (good partner alignment).“ Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende – sogar auch medizinische – Bereiche, die einer Outsourcing-Entscheidung grundsätzlich zugänglich sind, oder die Kriterien solcher Entscheidungen a priori erfüllen. Abb. 5 stellt solche Leistungen tabellarisch dar.
62 I
Ulrich Krystek Medizinischer Bereich - Blutbank - Dialyse - Medizinisch-chemische und mikrobiologisch-serologische Labordiagnostik - Nuklearmedizin - Pathologie - Physikalische Medizin/Therapie - Radiologie/Röntgendiagnostik (allgemeine Radiologie, Computertomographie, Magnetresonanztomograhie, Strahlentherapie, u.a.)
II Ver- und Entsorgungsbereich 1. Bereich der vorwiegend medizinisch bedingten Ver- und Entsorgung - Zentralsterilisation - Zentraldesinfektion - Küchenbereich - Apothekenbereich (Anstaltsapotheke, Medikamentendepot) - Sonstige Funktionsstellen der vorwiegend medizinisch bedingten Verund Entsorgung wie z.B. medizinische Gaszentrale, Krankengeschichtenarchiv, medizinische Aufnahme, betriebsärtzlicher Dienst, Strahlenschutz 2. Bereich der vorwiegend nicht-medizinisch bedingten Ver- und Entsorgung - Energiezentrale (allgemeine Energiezentrale, Dampfzentrale, nichtmedizinische Gaszentrale, Müllverbrennung, Notstromzentrale, Stromzentrale, Wasserversorgungs-Aufbereitung, Klimaanlage, u.a.) - Reinigungsdienst - Gärtnerei, Außenanlagen - Müllentsorgung - Nicht-medizinische Werkstätten (allgemeine Werkstätten, Autowerkstätte, Elektrikerwerkstätte, Installateurwerkstätte, Maurerwerkstätte, Tischlerwerkstätte, u.a.) - Medizintechnik - Technisches Servicezentrum - Transport (allgemeiner Transport, Aufzüge, Rohrpostanlage) - Innerbetrieblicher Transport (Hol- und Bringdienst, Krankentransport) - Materialverwaltung (allgemeine Materialverwaltung, Einkauf, Inventarverwaltung, Materialmagazin) - Wäscherei, Näherei - Sonstige Funktionsstellen der vorwiegend nicht-medizinisch bedingten Ver- und Entsorgung wie z.B. Seelsorge/Kapelle
III Verwaltungsbereich - Anstaltsleitung (Ärztliche Leitung, Pflegeleitung, Verwaltungsleitung, Technischer Betriebsleiter) - Personalverwaltung und -abrechnung - Rechnungswesen (Buchhaltung, Kassa, Kostenrechnung) - EDV - Gebührenverwaltung und -verrechnung - Aufnahme und Entlassung - Sonstige Verwaltungsstellen wie Bibliothek, Poststelle, Telefonzentrale IV Nebenbereiche - Kindergärten - Land- und Forstwirtschaft, Gärtnereien - Ausbildungs- und Schuleinrichtungen (Ausbildungsstätten für den Krankenpflegefachdienst, den medizinischen-technischen Dienst, Hebammenakademien, u.a.) - Sport- und Freizeiteinrichtungen - Personalwohnungen, Garagen und Geschäfte - Sonstige Nebeneinrichtungen wie Familienberatung, Fürsorge, Mutterberatung, Rettung, Sozialdienst, Jugend am Werk
Abb. 5: Mögliche Bereiche des Outsourcing in Krankenhäusern (vgl. Renner et al. 2001, S. 41)
Obwohl Krankenhäuser seit langem schon Leistungen outsourcen, liegen sie doch hinter dem generellen industriellen Trend solcher Vorhaben zurück und haben von daher eine vergleichsweise höhere Steigerungsrate ihrer Outsourcing-Aktivitäten (vgl. Burkholder 2006, S. 71ff.). Dies verdeutlicht auch eine Untersuchung der 20 Funktionen, die in USamerikanischen Krankenhäusern am häufigsten Gegenstand von Outsourcing-Vorhaben (Functional Areas) waren. Abb. 6 stellt diese Funktionen tabellarisch dar. Interessant daran ist sicher auch, dass fast die Hälfte solcher Functional Areas als klinisch und damit direkt patientenbezogen gewertet werden (vgl. Burkholder 2006, S. 72).
Outsourcing als strategische Option
Functional Area Houskeeping Food Service Laundry Emergency Clinical/Diagnostic equipment maintenance Pharmacy Psychiatric Wound care Facility operations/Equipment maintenance Security Parking garage Physical therapy Radiology Rehabilitation Urgent care/Primary care Billing/Collections Facility grounds Information systems Nursing Surgery Total
Hospital Clients in 2002 1,043 1,084 728 729 269 185 173 155 177 145 135 37 98 63 62 47 40 29 28 14 5,241
Hospital Clients in 2003 1,156 1,149 1,041 945 304 217 177 175 172 160 135 93 93 85 72 52 42 38 26 20 6,152
63
% Change 10.8% 6.0% 43.0% 29.6% 13.0% 17.3% 2.3% 12.9% -2.8% 10.3% 0.0% 151.4% -5.1% 34.9% 16.1% 10.6% 5.0% 31.0% -7.1% 42.9% 17.4%
Abb. 6: Top 20 Functions Outsourced by Hospitals (vgl. Burkholder 2006, S. 73)
5.2 Entwicklungstendenzen: Auf dem Weg zum virtuellen Krankenhaus Ganz allgemein dürfte der auf den Krankenhäusern bereits lastende und voraussichtlich noch zunehmende Kostendruck zu einer weiterhin starken Ausschöpfung aller Rationalisierungspotenziale und damit auch zu einer verstärkten Nutzung des Outsourcing-Potenzials führen. „Dabei stehen unterschiedliche Organisationsformen der Leistungserbringung zur Auswahl, die sehr stark vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses, von der Definition der eigenen Kernkompetenzen, von der Strategie des Rechtsträgers, von der Bereitschaft zur Änderung und natürlich vom jeweiligen Leistungsbereich bzw. -prozess abhängen“ (Renner et al. 2001, S. 44). Als ein allerdings nur scheinbarer Widerspruch dazu lassen sich auch Entwicklungstendenzen im Rahmen eines modernen Krankenhausmanagements erkennen, die auf die Weiterentwicklung von Krankenhäusern bis zu Gesundheitszentren hindeuten. In deren Rahmen werden rund um die Kernkompetenzen weitere Leistungsbereiche, wie z. B. Patientenhotels, Wellnesscenter, Tagungszentren und Gesundheitsmalls (vgl. dazu den
64
Ulrich Krystek
Beitrag von Lohmann in diesem Buch) im Sinne eines Insourcing angesidelt. Beide Entwicklungstendenzen werden zukünftig noch stärker miteinander zu harmonisieren sein und ein entsprechendes Beziehungsmanagement zu den Anbietern solcher Leistungen wird zu einem strategischen Erfolgsfaktor der Zukunft werden (vgl. Braun 1998, S. 27; Winter u. Duesing 1997, S. 37ff.). Die Brücke zwischen beiden Entwicklungsrichtungen kann in der Tat ein strategisch orientiertes Outsourcing und Insourcing bilden, das eine Konzentration auf Kernkompetenzen bei gleichzeitiger Ausweitung des Leistungsspektrums ermöglicht. Im Ergebnis werden damit virtuelle Strukturen deutlich und die Idee eines „Virtuellen Krankenhauses“ ist bereits jetzt weit mehr als eine Vision. Das Modell eines genau abgegrenzten, in seinen selbst durchgeführten Aufgaben klar umrissenen Krankenhauses entspricht kaum noch der Realität. Vielmehr führen vielfältige Out- und Insourcing-Aktivitäten zu fließenden Grenzen und Krankenhäuser werden zu quasi grenzenlosen Unternehmen im Rahmen der integrierten Versorgung (vgl. Wagner u. BraunGrüneberg 2007, S. 1073f.). Das generelle Motto einer solchen Virtualisierung lautet Flexibilität als Fähigkeit, sich den Veränderungen der Umweltbedingungen dynamisch anpassen zu können (vgl. Picot et al. 2003, S. 422). Out- und Insourcing-Strategien können als integraler und in Zukunft noch bedeutsamer werdender Bestandteil von Flexibilisierungsstrategien von Krankenhäusern betrachtet werden.
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IuK-Outsourcing im Krankenhaus: Das (digitale) Krankenhaus zwischen Integration und Fokussierung Axel C. Mühlbacher und Rajko Pflügel
1 Integrierte Versorgung und Digitalisierung
1.1 Strukturwandel Outsourcing und IuK-Technologien: Die Frage, ob Leistungen im Krankenhaus selbst erstellt oder über den Markt bezogen werden sollen, ist nicht neu. Seit längerem werden Outsourcing-Konzepte im stationären Sektor diskutiert. Im klassischen Sinne wird Outsourcing als ein Konzept zur Kostenreduktion verstanden (vgl. Brown u. Wilson 1959, S. 2). Die Leistungstiefe (Fokussierung) unterscheidet sich je nach Branche. Im Dienstleistungssektor entstehen ca. 60-80% der Leistungen in Eigenregie, wogegen das verarbeitende Gewerbe deutlich geringere Fertigungstiefen von 20-40% realisiert. Heute zielt diese Diskussion darauf ab, die Strukturen, Funktionen und Prozesse im Krankenhaus zu optimieren (vgl. Beer 1997, S. 72f.). Dies ist notwendig, um den aktuellen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel und der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen zu begegnen. Unter diesen neuen Bedingungen sind optimale Versorgungsprozesse notwendig, um die zukünftige Gesundheitsversorgung effizient und effektiv zu gestalten. Hier gewinnen innovative Informations- und Kommunikationsleistungen (IuK) zunehmend an Bedeutung. Unklar sind jedoch der Grad der Digitalisierung und die Finanzierung dieser neuen Technologien (vgl. Töpfer u. Albrecht 2006, S. 359). Entgegen dem branchenweiten Trend zur Fokussierung bzw. Konzentration auf die Kernkompetenzen, wird im Gesundheitswesen die Integration der medizinisch-pflegerischen Leistungen angestrebt (§140a-d SGB V). Versorgungsnetzwerke, die aus unterschiedlichen Leistungserbringern bestehen, werden diskutiert und die Umsetzung einer sektorenübergreifenden Versorgung gefördert (vgl. Mühlbacher 2002, S. 146f.). Virtuelle Unternehmen und Portalkliniken als Kooperationsformen bilden hier zukunftsträchtige Lösungsansätze. Eine wesentliche Voraussetzung zur Um-
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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Axel C. Mühlbacher und Rajko Pflügel
setzung dieser neuen Versorgungsformen ist eine umfassende Digitalisierung der Geschäfts- und Versorgungsprozesse über die bestehenden ambulanten und stationären Grenzen hinweg (vgl. Mühlbacher 2002, S. 219). Integrierte Versorgung: Derzeit sind Insellösungen (ambulant und stationär) weitestgehend Realität, integrierte und vernetzte Versorgungsstrukturen bilden noch die Ausnahme. Die mangelhafte Vernetzung und Kommunikation führt zu Abstimmungsdefiziten bei der medizinischpflegerischen Versorgung, es kommt zu Versorgungsbrüchen. Insbesondere bei Patienten mit einem hohem Behandlungsbedarf entstehen hohe Effizienz- und Qualitätsverluste, da viele Leistungserbringer nicht in der Lage sind, alle Phasen der Patientenversorgung zu überschauen und für den Patienten optimal zu koordinieren. Dem Patienten und seinen Angehörigen wird die Koordination der Behandlungsprozesse aufgebürdet. Die Integrierte Versorgung (§140a-d SGB V) versucht, als innovative Versorgungsform, die sektorale Trennung im System aufzuheben und eine patientenund ressourcenorientierte Koordination der medizinisch-pflegerischen Versorgung zu ermöglichen. Zielsetzung ist ein Versorgungsnetzwerk der Integrierten Versorgung, „[…] das Leistungen selbst erbringt oder die Erstellung organisiert – und zwar über das gesamte Kontinuum von Gesundheitsbedürfnissen hinweg – und gleichzeitig übernimmt ein IDS (Integrated Health Care Delivery System) sowohl die medizinische als auch die finanzielle Verantwortung für die Versorgung der vorab definierten Bevölkerungsgruppe“ (Amelung u. Schuhmacher 2000, S. 30). Dieser neue Versorgungsansatz versucht eine verbesserte Versorgung durch Vernetzung der unterschiedlichen Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu erreichen. Der medizinisch-technische Fortschritt stellt innovative Therapieverfahren und Diagnosetechnologien bereit. Diese können ihre Wirkung jedoch nur entfalten, wenn sie optimal in die Versorgungsabläufe eingebunden werden. Innerhalb des Leistungsverbundes (Netzwerk zwischen Krankenhaus und vor- und nachgelagerte Leistungsbereiche) müssen zu jeder Zeit und an jedem Ort alle erforderlichen Informationen (Daten für die betriebswirtschaftliche Administration, Daten zur Koordination der Leistungsprozesse und Patientendaten) zugänglich sein (vgl. Abb. 1).
IuK-Outsourcing im Krankenhaus GesundheitsInformationen
Externe Labore, Röntgen, CT
(Internet, Medien)
Aufnahmen, Befunde, Testergebnisse
71
Nachsorge Monitoring
Apotheke Rezept
Testergebnisse,
Bestellung
Externe Diagnose
Befunde, Labordaten
Niedergelassener Arzt
Patient
Krankenhaus
Patienteninformationen,
Überweisung, Arztbriefe
Niedergelassener Arzt
Beiträge
Versicherung
Rehabilitation
Belege, AUB
Abrechnung, AUB
Pflege
(Vorbehandlung, Röntgenbilder)
Krankenhaus
Kassenärztliche Vereinigung
Abrechnung
Prämie
RehaBericht
Abrechnung
Abrechnung
Kostenträger
Abb. 1: Informationswege innerhalb eines Versorgungsnetzwerkes
Erst durch den gezielten und flächendeckenden Einsatz von Informationsund Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) kann die Integrierte Versorgung aufgebaut und Versorgungssicherheit gewährleistet werden (vgl. Mühlbacher et al. 2001, S. 211ff.; Mühlbacher u. Berhanu 2003, S. 11). Krankenhaus im Mittelpunkt: Krankenhäuser nehmen in dieser gesundheitspolitischen Diskussion eine Schlüsselrolle ein. Sie spielen eine wesentliche Rolle bei der Datenerhebung, Dokumentation und Auswertung. Der Krankenhausmarkt befindet sich in einem Prozess weitreichender Veränderungen. Spätestens seit der Einführung des pauschalierten Entgeltsystems (G-DRG) nimmt der Wettbewerb in diesem Sektor zu. Es werden qualitativ hochwertige medizinisch-pflegerische Leistungen zu möglichst wirtschaftlichen Preisen erwartet. Die Zukunft der Krankenhäuser wird weitestgehend von einer effektiven und effizienten Leistungserstellung abhängen (vgl. Frosch et al. 2001, S. 12). Viele Krankenhäuser haben ihre Strategie jedoch noch nicht auf diese Veränderungen ausgerichtet und nutzen die strategischen Möglichkeiten des Outsourcing und der IuKTechnologien nur unzureichend. Überwiegend wird immer noch der Anspruch erhoben, ein Allround-Dienstleister zu sein. Die gezielte Reduktion von besonders aufwendigen und kostenintensiven Leistungsbereichen haben eher Seltenheitswert, da generell die Überzeugung besteht, „[…] dass Selbermachen auch immer besser und billiger machen bedeutet“ (Eiff
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Axel C. Mühlbacher und Rajko Pflügel
2005, S. 108). Hier sollten Krankenhäuser vielmehr die Chance nutzen, ihre vorhandene Dienstleistungstiefe zu überprüfen, um ein Bewusstsein zu entwickeln, welches die strategische Bedeutsamkeit der eigenen Kernkompetenzen in den Mittelpunkt stellt. Forschungsinstitute rechnen mit einer erheblichen Konsolidierung des Krankenhausmarktes (vgl. Augurzky et al. 2007, S. 15). Um die gestellten Anforderungen einer kooperativen Versorgung zu erfüllen, bedarf es neben qualifiziertem Personal auch einer erstklassigen IuK-Infrastruktur.
1.2 Informations- und Kommunikationstechnologien im Krankenhaus IuK im Krankenhaus: In der Summe werden alle Tätigkeiten und Leistungen eines Krankenhauses durch ein IuK-System getragen. Es ermöglicht den Austausch von Daten, deren Analyse und die im Krankenhaussektor so entscheidende Datensicherung.
KrankenkassenInformationssystem
ZahnarztpraxenInformationssystem
PDM Patientenmanagement
MWS Literaturdatenbanken
PACS Röntgenbildarchiv
RIS Röntgenbefunde
KPSS Versorgungsstandards
OES Diagnoseplanung
KAS Arbeitsplatzmanagement, Dokumentation, Bestellung, Dienstplan
LIS Laborbefunde
TS Standardterminologie
PIS Pflege, Dokum., Versorgung
HIS Hygienemanagement
ArztpraxenInformationssystem
KrankenhausInformationssystem
RehaklinikInformationssystem
ApothekenInformationssystem
Klinische Informationssysteme
EPA
elektronische Gesundheitskarte
Patientenakte
eDaten Archiv
Management Informationssysteme KoMS Kommunikation zw. KIS-Teilsys.
MIS admin. Datenpool
KVS Controlling, Abrechnung, F&M
Krankenhaus-Informations-System
Abb. 2: Leistungsbereiche eines KIS (in Anlehnung an Boese u. Karasch 1994, S. 17)
Diese Funktionen bilden sehr vereinfacht die Einsatzfelder von IuKTechnologien im Krankenhaus ab (vgl. Abb. 2; Tab. 1). Im Krankenhaus
IuK-Outsourcing im Krankenhaus
73
der Gegenwart nehmen IuK-Technologien nicht mehr nur eine Randfunktion ein. Medizin wird ohne eine umfassende und sorgfältige Datenerhebung und Informationsverarbeitung nicht mehr möglich sein (vgl. Herbig u. Büssing 2006, S. 9; Trill 2001, S. 15ff.). Die derzeit vorherrschenden IuK-Infrastrukturen stehen angesichts der neuen Herausforderungen (Vernetzung und Wettbewerb) auf dem Prüfstand. Die hohe Komplexität dieses Leistungsbereiches gilt es unter strategischen, operativen und taktischen Gesichtspunkten zu verbinden. ⋅ KIS Krankenhaus-Informations-System
⋅
⋅
Zentrale Verwaltung u. Verarbeitung von Patienten- und Behandlungsfalldaten (Aufnahme, Verlegung, Entlassung)
⋅
Elektronische Verwaltung aller Patientendaten eines konkreten Falles
⋅ ⋅ ⋅
Stationsarbeitsplatzsystem Unterstützt pflegerische u. ärztliche Tätigkeiten Patientendokumentation (Anamnese, Pflegedokumentation), Vitalparametererfassung, Stationsorganisation (Material, Essen, Dienstplan) Experten- u. Anwendungssystem zur Unterstützung ärztlicher Entscheidungen (Literaturdatenbank, Lexikon).
Patientendatenmanagementsystem (PDM) Elektronische Patientenakte (EPA)
Klinisches-Arbeitsplatz-System (KAS)
Ein KIS ist ein abgeschlossenes integriertes System der Übertragung und Verarbeitung der in einem Krankenhaus entstehenden Informationen. Ist ein Teilsystem eines Krankenhauses/ Rehaklinik, welches alle informationsverarbeiteten Prozesse und die an ihnen beteiligten menschlichen und maschinellen Handlungsträger in ihrer informationsverarbeiteten Rolle umfasst.
⋅ Medizinischer Wissensserver (MWS) ⋅
Stellt pflegerelevante informationsverarbeitende Funktionen bereit (Pflegedokumentation, Material- u. Medikamentenbestellung, Dienstplanung)
⋅ ⋅
Erleichtert die Organisation medizinischer Arbeitsprozesse Möglichkeit: Versorgungsprozesse können verfolgt werden, Arbeitsschritte können festgelegt werden (Versorgungsstandards)
Order-Entry-Systeme (OES)
⋅ ⋅
Terminplanung für Untersuchungen Zuordnung von Proben/ Befunden (Labor), Röntgenbildern zu den jeweiligen Patienten
Labor-Informations-System (LIS)
⋅ ⋅
Dokumentation & Verwaltung medizinischer und administrativer Daten Bereitstellung von Untersuchungsergebnissen
Radiologie-Informations-System (RIS)
⋅ ⋅
Dokumentation & Verwaltung medizinischer und administrativer Bereitstellung der Daten der Radiologie (Befunde, Bilder)
⋅ ⋅
Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem für alle Patientenbilder Bilddaten der Radiologie, Nuklearmedizin, Endoskopie, Kardiologie, etc.
⋅ ⋅
Bereitstellung einer einheitlichen Standardterminologie medizinischer Begriffe Schlüsselrolle bei der Vernetzung von Softwaresystemen im Gesundheitswesen
⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅
Unterstützt die Administration Finanzbuchhaltung, Controlling, Personalwesen, Facility Management Zur Abrechnung der Behandlungsfälle (DRG) Bereitstellung betriebswirtschaftlicher Informationen für Unternehmensleitung Einsatz eines Date Warehouse (admin. Datenpool).
⋅
Verbindung und Sicherstellung der Kommunikation zwischen allen einzelnen Teilsystemen eines KIS
⋅ ⋅
Interdisziplinäre Qualitätssicherung innerhalb der Krankenhaushygiene Überwacht Daten und werte diese aus, um multiresistente Erreger frühzeitig zu identifizieren
Pflege-Informations-System (PIS)
Klinik-Prozess-Steuerungs-System (KPSS)
Picture Archiving und Communication System (PACS) Terminologieserver (TS)
Krankenhausverwaltungssystem (KVS) Management-Informations-System (MIS) Kommunikationsserver (KoMS) Hygiene-Informations-System (HIS)
Tab. 1: Überblick über die wichtigsten IT-Lösungen im Krankenhaus (in Anlehnung an www.VHitG.de)
Risiken: Der sensitive Umgang mit Patientendaten muss in der Outsourcing-Debatte allgegenwärtig sein, hierin liegt das größte Risiko. Krankenhäuser investieren heute so viel wie noch nie in ihrer IuK-Infrastruktur mit dem Fokus einer ganzheitlichen Lösung (vgl. Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006). Die Elektronische Patientenakte (EPA), die Digitalisierung von Röntgenbildern und deren Verwaltung (PACS - Picture Archiving and Communication System), Labor-Informations-Systeme (LIS), Krankenhaus-Informations-Systeme (KIS) und Management-InformationsSysteme (MIS) sind nur einige der IT-gestützten Anwendungsmöglichkeiten im Krankenhaus. Die steigende Leistungskomplexität, Wirtschaftlich-
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keitsforderungen und zunehmende Dynamik im Krankenhaussektor (Privatisierung, Fusionen, Insolvenzen), führen zu einem verschärften Wettbewerb zwischen den Kliniken.
1.3 eHealth und Digitalisierung Mit dem Strukturwandel im Gesundheitswesen wird die IuK-Technologie zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor für die Krankenhäuser. Die zukünftigen Anforderungen (eHealth und Telemedizin) zeichnen sich dadurch aus, dass der Datenfluss der Patienten optimiert wird und patientenrelevante Informationen jederzeit dort verfügbar sind, wo sich der Patient und/oder der Leistungserbringer befinden. Diagnosen können so schneller und sicherer gestellt, Behandlungen rechtzeitiger eingeleitet und Kosten reduziert werden. Ohne den Einsatz von ausgereiften IuK- Systemen als Basis für die zukünftigen eHealth Anwendungen, können Krankenhäuser diesem Wandel nicht Stand halten (vgl. Wen u. Tan 2005, S. 367f.). Soll die Koordination der Versorgungsprozesse optimiert werden, dann gilt es, alle Beteiligten (Patienten, Leistungsanbieter, Kostenträger und Zulieferer) zu einem besseren Informationsaustausch und einer besseren Kommunikationskultur zu bewegen (vgl. Mühlbacher u. Berhanu 2003, S. 8f.). Patienten benötigen Informationen, um sich weiterzubilden, um somit aktiv ihre Rolle als „Produzent“ der eigenen Gesundheit wahrnehmen zu können. Kostenträger und Leistungsanbieter benötigen Informationen über die Qualität und Wirtschaftlichkeit der angebotenen Dienstleistungen. Ärzte, Pfleger sowie die sonstigen therapeutischen Heilberufler benötigen Informationen, um auf der Basis des neuesten gesicherten Wissensstandes Entscheidungen über Diagnose und Therapieform treffen zu können. Der Austausch von Informationen bzw. die Kommunikation hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung. Die Anwendungen von IuK-Technologien, zur Optimierung der Prozesse im Gesundheitswesen, lassen sich in fünf Leistungsbereiche unterscheiden (vgl. Kacher et al. 2000; Savas et al. 1999): • Content: Das Internet bietet den Patienten die Möglichkeit, sich Informationen über ihr Krankheitsbild, die optionalen Versorgungsleistungen und die Qualität der Einrichtungen und Ärzte zu beschaffen. Diese Transparenz ermöglicht die souveräne Mitbestimmung und Steuerung der Patientenströme.
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• Commerce: Durch die Vernetzung aller Beteiligten, vom Lieferanten über die Ärzte, den Versicherern bis zum Konsumenten erfolgt bei internen Geschäftsprozessen eine Optimierung des Einkaufs (eProcurement). • Connectivity: Neue IuK-Technologien ermöglichen die Vernetzung der Beteiligten, um den Informationsaustausch effizienter zu gestalten. Das Internet, Intranet und Extranet bilden dabei die entsprechenden Übertragungsmedien. • Computer-Application: Hiermit ist die Bereitstellung von Technologien und Software für die Kommunikation und den Informationsaustausch innerhalb der medizinischen Betreuung und Versorgung gemeint (Sonderform des Outsourcing). • Care: Die zunehmende Spezialisierung der Medizin verlangt immer häufiger einen Zugang zu Expertenwissen. Die Kommunikation und der Datenaustausch zwischen Leistungserbringern sowie zwischen Leistungserbringer und Patient verbessern so die Versorgungsprozesse, da der behandelnde Arzt bei der Diagnose und Therapie unterstützt wird. Einzelne Versorgungsprozesse können mit Hilfe von elektronischen Medien qualitativ verbessert und effizienter gestaltet werden. IuK-Technologien ermöglichen den Ärzten Kommunikationsmöglichkeiten, die weit über ein einfaches Telefongespräch hinausgehen. Als exemplarisches Instrument soll die Telekonsultation genannt werden. Sie ist die „interaktive, kooperative Diagnostik unter Zuhilfenahme des Expertenwissens eines räumlich getrennten Experten per Videokonferenz (Bild- und Tondaten: Telekonferenz), um Diagnose und Therapieplanung zu optimieren“ (Roland Berger & Partner 1997, S. 57). Ärztliche und pflegerische Leistungen können über weite Distanzen geleistet oder unterstützt werden. Die hier vorgestellten Geschäftsmodelle können nur mit Hilfe von IuKTechnologien realisiert werden (vgl. Abb. 3). Die erforderliche Software (Anwendungen) und Hardware (IT-Infrastruktur) erfordern Spezialwissen und hohe Anfangsinvestitionen.
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Abb. 3: Die 5 Säulen der eHealth (vgl. Mühlbacher u. Berhanu 2003, S. 10)
2 Strategischer Einsatz von IuK-Technologien im Krankenhaus: Kostenführerschaft, Differenzierung oder Fokussierung Strategien im stationären Sektor: Bevor Outsourcing Aktivitäten im Krankenhaus geplant und durchgeführt werden, müssen die strategischen Unternehmensziele konkretisiert werden (vgl. Krüger u. Homp 1997, S. 100). Oftmals begründet die Unternehmensstrategie die Entscheidung über Outund Insourcing bestimmter Unternehmensbereiche (vgl. Hartinger u. Lang 2001, S. 105f.; sowie den Beitrag von Krystek in diesem Sammelband). Krankenhäuser werden durch zahlreiche gesundheitspolitische Reglementierungen und strukturelle Einflüsse in ihrer strategischen Ausrichtung beeinflusst. Die Einführung der Elektronischen Patientenakte (EPA) und die Förderung der Integrierten Versorgung sind auf lange Sicht unausweichliche gesundheitspolitische Rahmenbedingungen. • Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen können heute von ausgereiften IT-Komplettlösungen profitieren. Ein geringes Auslastungsniveau zwingt zur Einschränkung des Leistungsangebotes. Mit Hilfe der Vernetzung können unabhängig von Zeit und Raum medizinische Dienstleistungen und Verwaltungsleistungen von Dritten bezogen werden.
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• Krankenhäuser, die ihren Wettbewerbsanteil durch eine Expansionsstrategie erhöhen wollen, können sich durch Zuweisernetzwerke oder die Adaption von vor- und nachgelagerten Versorgungsprozessen auf dem regionalen Krankenhausmarkt positionieren. Das Leistungsspektrum kann durch Leistungen in Eigenregie erweitert werden. Zusätzliche ambulante oder rehabilitative Leistungen können aber auch vertraglich in das eigene Leistungsangebot integriert werden. Krankenhauskonzerne wollen oftmals keinerlei Kontrolle abgeben und „produzieren“ vorzugsweise alles in Eigenregie. Aber auch erfolgreich umgesetzte Ousourcing-Konzepte kennzeichnen erfolgreiche Wachstumsstrategien, sie erhöhen so ihren unternehmerischen Freiraum. • Hochschulkliniken und Schwerpunktzentren benötigen auch in Zukunft „high end“ IuK-Lösungen, um medizinisch-pflegerische Innovationen umzusetzen. Neue Technologien der Diagnostik und Therapie brauchen eine moderne IT-Infrastruktur, die durch Spezialisten bereitgestellt werden muss. Einzelne Abteilungen können expandieren, da sie ortsund zeitunabhängig durch IuK-Technologien ihre Leistungen national und international anbieten können. Normstrategien: Die Entscheidung über Eigen- oder Fremdleistung (Outsourcing oder Insourcing) von IuK-Technologien ist für Krankenhäuser von hoher strategischer Bedeutung. Hierzu bedarf es geeigneter Strategien die mit Hilfe von IuK-Technologien auf dem Krankenhausmarkt realisiert werden können. Porter (1980, S. 62ff.) unterscheidet drei Normstrategien auf der Geschäftsfeldebene: die Kostenführerschaft (cost leadership), die Differenzierung (differentiation) und die Fokussierung (focus). Diese Wettbewerbsstrategien sind eng mit der eigenen Wertschöpfungstiefe verbunden. Es gilt, sich mehr denn je auf die wesentlichen Wertschöpfungsprozesse zu konzentrieren. Als Konsequenz werden die Bereiche eines Unternehmens, die nicht zur Wertschöpfung beitragen eliminiert, erfolgreiche Leistungen werden ausgebaut und gestärkt. Diese Kernkompetenzen gelten als Quelle für Wettbewerbsvorteile und können somit ein erfolgreiches unternehmerisches Handeln begünstigen (vgl. Krüger u. Homp 1997, S. 25). Nach Ansoff (1965, S. 98f.) sollte das Unternehmen sich auf die Produkte und Leistungen konzentrieren, mit dem es auf dem anvisierten Markt auch seine Kunden erreicht. Es können vier unterschiedliche strategische Ausrichtungen für die medizinisch-pflegerischen Leistungen auf dem Krankenhausmarkt identifiziert werden.
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2.1 Marktdurchdringung Die neue Marktdynamik im Gesundheitswesen hat den Verdrängungswettbewerb für Krankenhäuser deutlich erhöht. Die Umstellung auf das fallpauschalierte Entgeltsystem (G-DRG) bewirkte einen gewaltigen Rationalisierungsdruck. Um diesem Verdrängungswettbewerb gewachsen zu sein, sollten Krankenhäuser ihre Marktanteile gegenüber ihren Konkurrenten erhöhen (Marktdurchdringung - Market Penetration). Denn Krankenhäuser müssen zukünftig nicht nur mit Krankenhäusern konkurrieren; Kompetenznetzwerke, Medizinische Versorgungszentren und Rehabilitationskliniken steigen immer mehr in den Wettbewerb um ehemals stationäre Leistungen ein. Beim eigenen Leistungsangebot kann das Krankenhaus die Kostenführerschaft (cost leadership) anstreben. Diese Strategie hat zum Ziel, durch geringere Leistungs- und/oder Produktkosten einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht spielen dann bei der Outsourcing-Entscheidung die Kostenargumente eine wesentliche Rolle. Mit der Zielsetzung der Kostenreduktion stehen die Auslagerung der IuK-Infrastruktur oder ganzer Geschäftsprozesse und/oder Versorgungsprozesse zur Diskussion. Das Management verspricht sich reduzierte Personal- und Sachkosten durch Skaleneffekte (Economies of Scale). Positive Skaleneffekte werden aufgrund der hohen Mengenausbringung und des Know-hows beim Spezialisten erwartet (vgl. Varian 1995, S. 302f.). Speziell beim Outsourcing von IT-Leistungen werden fixe Kosten in variable umgewandelt und unmittelbare Folgekosten der Hardware (Upgrade, Ersatz, Systempflege) vermieden. Durch die effiziente Leistungserstellung der spezialisierten Vertragspartner können Krankenhäuser ihre ITgestützten Leistungen (z. B. Röntgen- und Laborleistungen) zu Preisen anbieten, die unter den Grenzkosten der Eigenproduktion anderer Krankenhäuser liegen. Ziel ist das selektive Outsourcing von begrenzten, klar definierten IuK-Aufgaben. Services und IuK-Infrastrukturen, die nicht zum Kerngeschäft zählen, können an Fremdanbieter vergeben werden. So können beispielsweise Hardwarekomponenten über den externen Dienstleister bezogen werden (Leasing oder Miete). Die Wartung und Pflege wird durch eine Gesamtlösung im Rahmen eines Serviceagreements (Dienstleistungsvertrag über alle relevanten Servicleistungen) eingekauft. Das Auslagern von IuK-Services ist aber nicht nur auf die organisatorisch institutionelle Ebene beschränkt. Beim sog. Offshoring beziehen Unternehmen IuKRessourcen und Prozesse aus kostengünstigen Niedriglohnländern. Die Leistungsverlagerung nach Indien oder China spielt bei einigen Verwaltungsprozessen (Schreibdienste, Call-Center oder Rechnungsstellung) immer mehr eine Rolle.
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2.2 Markterschließung Eine weitere Strategie stellt die Markterschließung (Market Development) dar. Hier wird Wachstum durch die Erschließung eines neuen Marktes für bereits bestehende Leistungen angestrebt. Kliniken, die ihre Expertise vorzugsweise auf dem Gebiet der Radiologie haben, können diese Leistungen mit Unterstützung von IuK-Lösungen (Teleradiologie) auf einen erweiterten Markt bringen. Diese bietet eine Musterlösung an, um digitale Vernetzungen auch zu nutzen. Der überweisende Arzt kann die radiologischen Bilder seiner in das Krankenhaus überwiesenen Patienten in der Praxis über eine Intranetverbindung mit betrachten. Somit weis der Hausarzt am Tag der stationären radiologischen Untersuchung, um welche Erkrankung/ Diagnose es sich bei seinem Patienten handelt. Lange Umwege, bis die Bilder bei einer Verlegung oder Entlassung eintreffen, werden verhindert. Ein Krankenhaus kann als radiologisches Kompetenzzentrum seine Leistungen (Befundung, Archivierung) dem ambulanten und rehabilitativen Sektor, auch über Landesgrenzen hinweg anbieten. Im Rahmen der computergestützten Histologie und Pathologie (mikrobiologische Befunde von biologischen Gewebe/ Zellen) können Patientendaten mit diagnostischen Bilddaten verknüpft werden und mit Aufnahmen anderer Patienten verglichen werden. Dabei werden die Dateien in einem Bildarchivierungssystem (PACS-Picture archiving and Communication System) verwahrt. Diese Telekonsultationslösung ermöglicht innerhalb von Minuten die Befundweitergabe. Bei schwierigen Fällen können Experten in der ganzen Welt zu Rate gezogen oder die eigenen Expertisen sowie Services angeboten werden. Früher mussten die Gewebsproben umständlich per Post verschickt werden, während der Patient und sein Ärzteteam tagelang auf die Diagnose warteten.
2.3 Produktentwicklung In allen Bereichen der Gesundheitsversorgung wird die Entwicklung innovativer Produkte (Product Development) durch die vielfältigen und komplexen IuK-Lösungen vorangetrieben und unterstützt. Vor wenigen Jahren waren die heute angebotenen telemedizinischen Angebote (EDV- und Internetunterstützte Leistungen wie Teleradiologie, Videokonferenzen zwischen Ärzten, Monitoring, etc.) nur technische Visionen. Neben den diversen Anwendungsmöglichkeiten haben vor allem die zunehmende Spezialisierung der Leistungserbringer und die hohen Anforderungen an die Koordination der Angebote zur Ausweitung dieser Angebote geführt.
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Krankenhäuser antizipieren zunehmend diese neuen Technologien, um neue Dienstleistungen für die bereits bestehende Versorgungslandschaft zu entwickeln. Sie können die Chance nutzen, sich durch neue Produkte von anderen Akteuren des Gesundheitsmarktes zu differenzieren. Die Differenzierungsstrategie (differentiation) beschreibt die Strategie eines Unternehmens, sich im Auge des Konsumenten vor anderen Konkurrenten auszuzeichnen. Entgegen der Fokussierung steht dem Krankenhaus auch die Integration von vor- und nachgelagerten Leistungsbereichen offen (Insourcing). Je mehr die IuK-Technologien die neuen Produkte (z. B. Teleradiologie, digitale Datenarchivierung) unterstützen bzw. klassifizieren, umso höher ist deren strategische Bedeutung. Der drohende Verlust von unternehmensinternem Einfluss, Know-how und Schlagkraft würde in diesem Fall gegen ein Outsourcing sprechen. Mit Hilfe von virtuellen Netzwerken (Zusammenschluss von weiterhin selbständigen Leistungserbringern) lassen sich Leistungen der Integrierten Versorgung anbieten. Der strategische Vorteil ergibt sich aus der „virtuellen Größe“ der angebotenen Dienstleistungen. Umfassende, sektorenübergreifende und patientenorientierte Dienstleistungen garantieren die Zuweisung und heben sich deutlich vom Standard der traditionellen Leistungserbringung ab. Die Strategie der Fokussierung (focus) beschreibt die strategische Konzentration auf ganz bestimmte Kundengruppen, Segmente der Produktlinien oder geographische Märkte. Auch unabhängig vom zyklischen Kostendruck, sprechen einige Argumente für die Vergabe von Leistungen und den Einkauf zusätzlicher Funktionen. Große Outsourcing-Projekte dürfen nicht nur aus Kostengründen initiiert werden, sondern müssen in das strategische Bemühen eines Krankenhauses eingebettet werden (vgl. Krystek in diesem Sammelband). Mit dem Outsourcing von Bereichen, die nicht zu den Kernkompetenzen zählen, kann das strukturelle Wachstumspotenzial auch auf der Ertragsseite erhöht werden. Eine schlankere Organisation, die sich auf ihre Kernkompetenzen konzentriert, gewinnt an Schlagkraft. So kann die ursprüngliche Organisation einer Klinik gezielt in der Struktur einer Portalklinik münden. Eine fachübergreifende Aufnahmestation mit interdisziplinärem Team bildet das Portal innerhalb des Krankenhauses, so dass sowohl Notfälle als auch eingewiesene Patienten interdisziplinär erstversorgt werden können. Das gesamte Krankenhaus dient als Portal für Schwerpunktkrankenhäuser, Spezialkliniken und Häuser der Regelversorgung. Die Kompetenz liegt bei dieser Krankenhausform nicht in einer ganzheitlichen Kuration, die Diagnostik (Röntgen, Sonographie, Labor via Datenübertragung/Telemedizin), die gegebenenfalls kurzzeitstationäre Behandlung vor Ort, die gezielte Verlegung zu einem Kooperationspartner, aber auch die
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direkte Rückgabe des Patienten in das ambulante, vertragsärztliche System bilden den primären Leistungsgegenstand (vgl. Roth et al. 2003, S. 530ff.)
2.4 Diversifikation Die letzte hier beschriebene Strategie ist die Diversifikation (Diversification). Das Krankenhaus entwickelt neue Leistungen für neue Märkte. Die digitale Versorgung der Patienten, ohne das diese im klassischen Sinne stationär behandelt werden, ist eine Vision. Basis dieser Überlegung ist die Tatsache, dass IuK-Technologien es ermöglichen, dass Versorgungsleistungen orts- und eventuell zeitunabhängig erbracht werden können. Der Einsatz in Behandlungsabläufe von mobilen Monitoring-Lösungen ermöglicht Krankenhäusern die Verkürzung kostspieliger Krankenhausaufenthalte von chronisch Kranken. Sensoren überwachen je nach Indikation den Herzrhythmus, die Muskelaktivität, die Atmung und die Körpertemperatur. Bisher mussten Patienten mit Herzbeschwerden, chronischen Lungenleiden und Frauen mit Risikoschwangerschaften längere Zeit zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Herzstück der Technik sind am Körper angebrachte Sensoren, die bestimmte Vitalfunktionen überwachen und die Daten gelangen per drahtloser Bluetooth-Technik an ein Mobiltelefon und von dort an einen Server. Auf diesem werden die Daten aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Der Arzt kann notwendige Interventionen rechtzeitig einleiten (vgl. Köhler et al. 2006, S. 370). Die Koppelung der medizinischen Leistung mit der IuK-Lösung ergibt so ein neues Produkt, welches unterstützt durch den Geräteanbieter auch auf Bereiche der häuslichen Versorgung von Demenzkranken übertragen werden kann.
3 IuK - Outsourcing: Strategie, Transaktionskosten, Informationsasymmetrien und Risiken
3.1 Varianten der Dienstleistungspartnerschaft Outsourcing beschreibt die Möglichkeit, IuK-orientierte Unternehmensstrukturen, Funktionen und Prozesse wirtschaftlich zu optimieren. Oft gehen dabei die Infrastruktur und auch Mitarbeiter auf einen externen Dienstleister über (vgl. Horchler 1996, S. 18f.). Hier findet ein Wechsel von der internen zur externen Inanspruchnahme von Ressourcen statt, um die in
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einem Unternehmen benötigten Leistungen zu erstellen (vgl. Nagengast 1997, S. 53ff.). Es erfolgt die teilweise oder vollständige Übertragung von Leistungen bzw. Funktionen an einen Dritten (vgl. Horchler 1996, S. 16ff.; Viering 2000, S. 12). Diese wurden vorher in Eigenregie erbracht und beziehen sich nicht auf die Kernkompetenzen eines Unternehmens (vgl. Hodel 1999, S. 19). Der „Dritte“ ist vorrangig ein fremder und somit externer Dienstleister im Sinne einer selbstständigen Unternehmung (vgl. Balze et al. 2002, S. 2). „Eine Outsourcing-Entscheidung ist ein Entschluss von großer Tragweite“ (Köhler-Frost 1995, S. 23). Sie ist als langfristige und strategische Entscheidung zu verstehen, mit dem Ziel, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Prinzipiell lassen sich fast alle Geschäfts- und Versorgungsprozesse eines Krankenhauses an Dritte vergeben. Outsourcing steht für die langfristige bzw. endgültige Vergabe von Prozessen und Funktionen (Geschäftsaktivitäten) an externe Anbieter (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Varianten des Outsourcing (in Anlehnung an Schildhauer 2001, S. 181)
Davon ausgenommen sind nur die wesentlichen Kernprozesse, da nur mit Hilfe von Kernkompetenzen die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert werden kann. Die Kernkompetenzen umfassen in der Regel das technische und auch organisatorische Know-how. Im Extremfall könnte ein Krankenhaus auch die medizinischen Prozesse auslagern, wenn die wesentlichen Kernkompetenzen etwa in der Pflege und/oder im Facility Management liegen. So vage und utopisch sich dies anhört, ist diese Form der Organisation unter dem Begriff der Poliklinik bekannt und erlebt gerade seine Renaissance im Rahmen der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Versucht man eine allgemeingültige Definition für das Outsourcing zu finden, läuft man Gefahr, in der Vielfältigkeit der Interpretationen
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dieser Entwicklung zu versinken. Transformiert man jedoch die wesentlichen Aspekte auf das Krankenhaus, kann folgende Definition angewandt werden: Outsourcing ist eine spezielle Form der Kooperation des Krankenhauses mit vor- oder nachgelagerten Leistungserbringern. Zielsetzung ist die Übertragung von bisher selbst erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung bestimmter individueller Zielvorstellungen an einen externen Spezialisten. Es werden die eigenen Leistungen mit kostengünstigeren und mindestens qualitativ-gleichwertigen fremden Leistungen zu einem Ganzen komplettiert. Dagegen beschreibt Insourcing die Übernahme (Wiedereingliederung) einer bisher fremden Leistung in die eigene Geschäftsaktivität. Selbstverständlich können sektorspezifische oder sogar sektorübergreifende Versorgungsprozesse auch eingegliedert werden. So haben in den letzten Jahren viele Krankenhäuser ihre Leistungstiefe erhöht, indem vorgelagerte Prozesse, insbesondere die der ambulanten Versorgung, und nachgelagerte Prozesse, wie die der Rehabilitation räumlich und prozessual angegliedert wurden (Integrierte Versorgung).
3.2 Handlungsleitende Unternehmensziele Das Hauptziel des Krankenhausmanagements liegt heute in der Optimierung der Ablauforganisation. Das populärste Ziel ist jedoch immer noch die Kostenreduktion. Oftmals verschmelzen die unterschiedlichsten Zielvorstellungen, die mit dem Outsourcing verfolgt werden. Die Konzentration auf die eigentlichen Kernkompetenzen (ausführlich in Kap. 3.4.) ist hierbei eine entscheidende Strategie. Das Krankenhaus ist bestrebt, sich auf die Leistungen zu konzentrieren, die zu mehr Effizienz in der Leistungserstellung beitragen. Das Management muss, in Abhängigkeit von den Marktverhältnissen, seine Stärken und Schwächen identifizieren (z. B. SWOT-Analyse). Liegen die Informationen über die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten vor, kann danach die Outsourcing-Strategie zur Umsetzung der Reorganisation realisiert werden. Unternehmen wie Krankenhäuser, die einem kontinuierlichen Innovationsdruck ausgesetzt sind, müssen sich einem stetigen Wissens- und Lernprozess stellen. Verfügen sie in einem Unternehmensbereich nicht über Kernkompetenzen, können sie kaum dem Marktgeschehen folgen. Hier sollte man auf das Know-how eines externen Dienstleisters setzen, um seine eigenen Defizite zu kompensieren. Die hohe Kompetenz des externen Spezialisten lässt auf eine qualitativ bessere Leistungserstellung hoffen (vgl. Nagengast 1997, S. 100f.). Darüber hinaus kommt es durch den höheren quantitativen und
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qualitativen Nutzungsgrad zur Kostenoptimierung. Um einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Patientengenesung leisten zu können, bedarf es beispielsweise neuester Diagnose- und Therapietechnologie. Alte Technik behindert dieses Vorhaben. Durch die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten, könnte man dieses Leistungsdefizit aufheben (vgl. Horchler 1996, S. 5f.).
3.3 Kosten und Kosteneinsparungen Die Kostenfrage wird in der Outsourcing-Debatte immer hervorgehoben. Gemeint sind jedoch nicht nur Einspareffekte, vielmehr sind die Kosten zu berücksichtigen die anfallen, wenn die Outsourcing Angebote von IuKLeistungen genutzt werden. Aus der wirtschaftlichen Perspektive stehen hier die Transaktionskosten im Vordergrund. Um Geschäftsbeziehungen aufzubauen, muss das Krankenhaus nach einem geeigneten Anbieter suchen (Suchkosten). Es werden Veränderungen in der eigenen Prozessstruktur notwendig d. h., über einen Vertrag werden die Einzelschritte der Kooperation festgelegt (Vereinbarungs-, Abwicklungs- und Anpassungskosten). Die Vergabe ehemals eigener Leistungen bedeutet für das outsourcende Krankenhaus immer einen gewissen Kontrollverlust der Leistungserstellung und -bereitschaft. Es sind Mechanismen notwendig, die dies kompensieren, um die gewünschten Leistungsqualitäten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch zu gewährleisten (Absicherungs-, Durchsetzungs- und Kontrollkosten). Läuft ein Outsourcing-Vertrag, ohne ihn verlängern zu wollen, aus oder wird er frühzeitig gekündigt, so bildet die ausgedünnte Infra- und Personalstruktur eine schwierige und kostenintensive Startposition, um wieder auf Eigenleistung umzustellen (Beendigungs- und Insourcingkosten). In diesem Fall müssen neue Hard- und Softwarekomponenten wieder eingekauft und qualifiziertes Personal zu hohen Kosten akquiriert werden. Alle genannten Kostenarten sind beim Marktzugang unter diesen strategischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen (vgl. Porter 1980, S. 197ff.). Die Marktzugangskosten sind von der Spezifität der zu vergebenden Leistung der IuK-Technologien und deren Anwendungsfrequenz abhängig. Bei geringer Spezifität der Leistung sollte sie über dem Markt bezogen werden. Bei hoher Spezifität wird das Auslagern dagegen problematisch, da es schwierig ist, die Leistung und auch die Kosten zu beschreiben und zu bewerten. Kosteneinsparungen lassen sich realisieren, wenn der Einkauf günstiger als die Eigenfertigung ist. Neben der schnellen Nutzung von Einsparpotentialen geht man jedoch zu einer längerfristigen Kostenreduktion über. Der
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Abbau von Überkapazitäten durch die Auslagerung/Ausgliederung peripherer Leistungsbereiche führt zu einer Verschlankung des Unternehmens und kann somit Kosten reduzieren (vgl. Hodel 1999, S. 23). Der externe Dienstleister verfügt über spezialisiertes Personal, deren Leistungen oft günstiger einzukaufen sind, als diese selbst durch stetige Schulungen und Weiterbildungen im eigenen Personalstamm vorzuhalten. Die Ausgliederung von Personal birgt jedoch viele personalpolitische Restriktionen (vgl. Viering 2000, S. 62). Weiter können hohe Investitions- und Instandhaltungskosten für die Neuanschaffung bzw. Aufrechterhaltung von Technologien durch das Nutzen des externen Spezialisten abgemildert werden. Durch die Umwandlung der fixen Kosten in leistungsabhängige Entgelte wird die Kostentransparenz erhöht. Diese Übersichtlichkeit von Kosten ermöglicht eine bessere Kalkulation (vgl. Beer 1997, S. 123ff.). Die Kostensenkung wird vorrangig dadurch erreicht, dass der externe Spezialist Leistungen zu geringeren Kosten erbringt und das Personalkosten sowie Investitionskosten eingespart werden können. Diese günstigere Leistungserbringung liegt vor allem in den „Economies of Scale“ begründet. Der Dienstleister erbringt eine höhere Größenordnung an Leistungen und nutzt somit seine Betriebsmittel effektiver aus (vgl. Bacher 2000, S. 65). Hierbei können die fixen Kosten durch eine erhöhte Leistungsmenge (Output) reduziert werden, es wird eine Fixkostendegression erreicht (vgl. Nieschlag et al. 1991, S. 872). Um die gleiche Leistung zu erbringen, bedarf es eines ähnlichen Umfanges von Infrastruktur und Personal im Krankenhaus. Jedoch sind diese Leistungen, die im Zusammenhang eines Oursourcings betrachtet werden, zu gering ausgelastet. Dies hat hohe Vorhaltekosten zur Folge, die es gezielt abzubauen gilt. Neben dem externen Outsourcing lassen sich im Krankenhaus durch das interne Outsourcing in Form einer Tochter- bzw. Servicegesellschaft weitere positive Skaleneffekte durch die Übernahme von Drittaufträgen erreichen (vgl. Bacher 2000, S. 65). Hierdurch kann vor allem sehr teure Diagnosetechnik in einem höheren Maße genutzt werden, in dem diese niedergelassenen Ärzten oder anderen Krankenhäusern angeboten werden. Outsourcing sollte eine Kostenersparnis in der Größenordnung von 30% realisieren (vgl. Eiff 2005, S. 115). Alle nicht-medizinischen, sprich sekundären Leistungen (IuKLeistungen), sind auf ihr positives Fremdvergabepotential zu prüfen. „Diese nichtmedizinischen Dienste im Krankenhaus machen in aller Regel über 30% des Budgets aus. Es werden Einsparvolumina von 10% bis 40% innerhalb eines Zeitraums von zwei bis fünf Jahren genannt“ (Pelster u. Thölking 2005, S. 224). Leistungen eines Krankenhauses haben immer den Charakter eines Optionsgutes. Dieser Aspekt darf bei der OutsourcingStrategie nicht außer Acht gelassen werden. Krankenhäuser müssen immer eine gewisse Reservekapazität vorhalten, um bei Eintritt eines Notfalles
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diese Leistungen auch anbieten zu können. Um dies jedoch leisten zu können, müssen auch in Zeiten der Sparsamkeit die notwendigen Anreize gewährt werden, damit ein Krankenhaus diesen gesellschaftlichen Auftrag weiter erfüllen kann (vgl. Breyer et al. 2003, S. 171f.).
3.4 Kernkompetenzen Die Entscheidung über Umfang und Umsetzung von Outsourcing-/ Insourcing-Projekten muss sorgfältig vorbereitet werden. Basis für die Entscheidung, welche Prozesse ausgelagert bzw. angegliedert werden können, ist die Identifikation der Kernkompetenzen eines Krankenhauses. Die Differenzierung eines Krankenhauses (§ 107 (1) SGB V) kann hinsichtlich der Arten und der Anzahl der aufgestellten Betten und der zu versorgenden Bevölkerung vorgenommen werden. In der Krankenhausstatistik wird zwischen allgemeinen und sonstigen Krankenhäusern unterschieden. Der Krankenhausmarkt ist in Bewegung und wird sich kurzfristig gravierenden Veränderungen unterziehen. Angesichts des sich beschleunigenden Wettbewerbs sind Krankenhausmanager angehalten, die Wechselwirkungen zwischen dem Krankenhaus, dem Wettbewerber und dessen gesamten Umfeldes zu verstehen. Um sich auf dem wachsenden Markt erfolgreich zu positionieren, bedarf es der Erschließung neuer Geschäftsfelder und Geschäftssysteme jenseits des Kerngeschäftes. Es gilt hier, vor allem spezifische Wettbewerbsvorteile aufzubauen (vgl. Braun von Reinersdorf 2002, S. 64f.). Einen wichtigen Lösungsansatz stellt der strategische Einsatz von Kernkompetenzen dar. Dies ermöglicht „[…] in Zeiten raschen Wandels überlegt und überlegen reagieren zu können, da der Besitz von Kernkompetenzen vielfältige Anpassungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bietet“ (Krüger u. Homp 1997, S. 20). Die Chance für Krankenhäuser, sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Wettbewerbsvorteile zu sichern, d. h. Kernkompetenzen in der Erbringung dieser Leistungen zu erwerben, liegt in der besonderen Qualität und Effizienz der Leistungserstellung. Sich dieser Kernkompetenzen bewusst zu werden, die einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Genesung von Patienten leisten, ist daher ein strategisch notwendiger Unternehmensprozess. Kernkompetenzen sind demnach klar vom allgemeinen Terminus der „normalen“ Kompetenzen abzugrenzen. Diese müssen aufgrund der Auftragsverpflichtungen und im Rahmen des gesetzlichen Leistungskataloges eines jeden Krankenhauses vorhanden sein. Kernkompetenzen bilden vielmehr die Gesamtheit der Fähigkeiten und Ressourcen, die vor allem
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eine qualitativ höhere aber auch effizientere Patientenversorgung ermöglichen. Diese sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet (vgl. Homp 2000, S. 9ff.): • Die Nutzenstiftung, bezogen auf den Patienten als vornehmlichen Kunden eines Krankenhauses, durch die eigenen Leistungen, gegenüber den Leistungen von Konkurrenten. Besonders Patienten mit einer umfangreichen Krankenhausbiographie können die Unterschiede in ihrer Versorgung (Diagnose, Therapie, Pflege, Serviceleistungen) sehr differenziert bewerten und somit den für sich wahrgenommenen Nutzen als hoch oder eher niedrig einstufen. • Die Nicht-Imitierbarkeit von diesen hervorragenden Leistungen durch einen Konkurrenten: Die Ressourcen und Fähigkeiten, die diese Kernkompetenzen ausmachen, beruhen auf Erfahrungswissen, Spezifität sowie Komplexität. Dies erschwert eine Imitation durch potenzielle Konkurrenten bzw. macht diese unmöglich. • Die Nicht-Substituierbarkeit: Gelingt es das Bündel der Fähigkeiten und Ressourcen zur Leistungserstellung einmalig zu gestalten, sind die daraus resultierenden Wettbewerbsvorteile dauerhaft. • Die Transferierbarkeit (Übertragbarkeit) von Kernkompetenzen auf andere Leistungen: Dieses Merkmal hat entscheidenden Einfluss auf die dauerhafte Sicherung von Wettbewerbsvorteilen. Dies wird jedoch nur erreicht, wenn diese besonderen Fähigkeiten und Ressourcen nicht nur auf eine Kompetenz und somit Leistung beschränkt sind (Synergieeffekte). Das bestehende Know-how muss auch auf andere Produkte und Leistungen übertragbar und somit auf dem Markt zur Erschließung neuer Geschäftsfelder anwendbar sein.
3.5 Risiken und Reglementierungen Beim Outsourcing von IuK-Technologien verfügt der Marktanbieter gegenüber dem outsourcenden Krankenhaus über deutlich bessere Kenntnisse seines Leistungsvermögens, seiner Kostenstruktur und der internen Abläufe. Aufgrund dieser Informationsasymmetrien manifestiert sich die sog. Principal-Agent-Problematik. Die Ziele vom Krankenhaus als Auftraggeber (Principal) und die des IT-Anbieters (Agent) unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. Bei der Fremdvergabe gibt das Krankenhaus die Kontrolle und Steuerung in weiten Teilen unwiderruflich aus der Hand.
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Die Vertrauenswürdigkeit des Anbieters und seiner Angaben in einem Angebot ist für den Auftraggeber schwer einzuschätzen. Darüber hinaus ist es möglich, dass der Auftragnehmer Kosteneinsparungen nicht an den Auftraggeber weitergibt und somit kann das Krankenhaus nicht von den Skaleneffekten und der technischen Entwicklung profitieren. Hieraus wächst die Forderung nach eindeutigen vertraglichen Handlungsvereinbarungen, als ein entscheidender Umsetzungsschritt. Es gibt keine Garantie für eine transparente Geschäftsbeziehung, die Rechte und Pflichten sind jedoch klar geregelt (vgl. Nagengast 1997, S. 131). Für das Wirtschaftsobjekt Krankenhaus bestehen, neben dem Versorgungsauftrag mit den Bundesländern und dem Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen als Kostenträger (§ 108 SGB V sowie § 6 u. 4 KHG), weitere Reglementierungen, die das Outsourcing betreffen. Die Länder übernehmen einen Teil der Investitionskosten für die Krankenhäuser. Die Krankenhausinfrastrukturen, welche durch Landesmittel gezielt finanziell gefördert wird, sind ausschließlich für den vorab beschriebenen Zweck zu verwenden (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KHG). Werden im Zuge einer OutsourcingMaßnahme die durch staatliche Investitionsfördermittel finanzierten Anlagen, Geräte oder Gebäude zweckentfremdet, sind die Restwerte bzw. die Erträge, die durch diese erwirtschaftet werden, wieder zurückzuzahlen. Deshalb ist es sinnvoll, sich vor geplanten Outsourcing-Entscheidungen mit diesen Vorschriften konkret auseinander zu setzen, die auch den Kontakt mit der zuständigen Förderbehörde mit einschließen sollte. Weiter unterliegt der Umgang mit Patientendaten dem Datenschutz (§ 203 (1) StGB). Alle die im Krankenhaus tätig sind, unterliegen der Schweigepflicht gegenüber Dritten. Grundsätzlich hat nur der Patient selbst das Recht, das Krankenhaus von seiner Schweigepflicht ihm gegenüber zu entbinden. In der Praxis ist dies jedoch kaum zu realisieren, deshalb steht das Krankenhaus dem Patienten gegenüber in der Datenhandhabung in rechtlicher Verantwortung (vgl. Koch u. Stienecker in diesem Sammelband). Vergibt ein Krankenhaus z. B. die Archivierung der Krankenakten, dann muss es dafür Sorge tragen, dass diese durch den Dienstleister nicht einzusehen sind. Die Datenverarbeitung ist durch das Krankenhaus abzuschließen, d. h. eine Weiterverarbeitung durch einen Dritten ist bei keiner vorliegenden Offenbarungsvollmacht des Patienten rechtswidrig. Lediglich die Verwahrung kann hier ohne Zustimmung fremdvergeben werden (vgl. Klöcker u. Meister 2001, S. 72ff.). Beim Outsourcing von IuK-Technologien kann die Fremderstellung insgesamt zu mangelnden Sicherheitsstandards sowie Datenschutzdefiziten führen.
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4 IuK-Outsourcing: Perspektiven und Alternativen für das Krankenhaus
4.1 Ebenen der IuK-basierten Leistungserstellung Aufbauend auf einer Analyse der Wertschöpfungskette des jeweiligen Krankenhauses (vgl. Abb. 5) kann eine Bestandsaufnahme bestehender Erfolgspotentiale bezüglich relevanter Ressourcen und Fähigkeiten erfolgen. Sie schließt das gesamte Umfeld des Krankenhauses mit ein. „Es stellt ein wertvolles Instrument zur Verknüpfung der internen potentialorientierten Sichtweise einer Unternehmung und dem marktorientierten Ansatz dar“ (Homp 2000, S. 41).
Sekundäre Aktivitäten
Medizinisch-pflegerische Prozesse im Krankenhaus Vorgelagerte Prozesse
Nachgelagerte Prozesse
Primäre Prozesse
Abb. 5: Die Wertschöpfungskette im Krankenhaus
Im Krankenhaus werden fast alle Geschäfts- und Versorgungsprozesse durch IuK-Technologien unterstützt. Der Betrieb von Anwendungen (Software) und Infrastruktur (Hardware) im Krankenhaus erfordert eine Vielzahl von Geschäftsprozessen (Management). Beim IuK-Outsourcing werden die IT-Infrastrukturen und IT-Anwendung an externe Dienstleistungsunternehmen vergeben. Werden ganze Geschäftsprozesse ausgegliedert, spricht man vom Business Process Outsourcing (BPO). Die Vergabe
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von Geschäftsaktivitäten in deutlich günstigere und entlegene Regionen wird mit Offshore-Outsourcing bezeichnet. Die Ebenen der IT-gestützten Leistungserstellung bzw. das dazugehörige Management kann auf drei unterschiedliche Ebenen reduziert werden (vgl. Abb. 6).
Fokussierung: Verringerung med. der Leistungstiefe
Vorgelagerte Leistungseinheit
Medizinisch-pflegerische Kernprozesse
Business Process Outsourcing
Nachgelagerte Leistungseinheit
Prozessebene
Anwendungen
Infrastruktur
IT - Outsourcing
Integration: Vergrößerung der med. Leistungstiefe
Abb. 6: Ebenen der IT-gestützten Leistungserstellung
• Prozess-Ebene: die fachlichen und organisatorischen Aspekte der Verwaltungs- und Versorgungsprozesse. Das Prozessmanagement umfasst das Gestalten, Überwachen und Weiterentwickeln der im Unternehmen vorhandenen Geschäfts- und Versorgungsprozesse (insbesondere der strategisch wichtigen Kernprozesse). • Anwendungs-Ebene: die zur Unterstützung der Verwaltungs- und Versorgungsprozesse verwendete Software. Das Anwendungsmanagement umfasst Wartung, Pflege, Support und Optimierung der eingesetzten Software und darüber hinaus die Entwicklung neuer Anwendungssoftware. • Infrastruktur-Ebene: die notwendigen Hardware-Komponenten, Netzwerke, Betriebssysteme etc. Das Infrastrukturmanagement umfasst u. a.
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den Rechenzentrumsbetrieb sowie den Support, die Weiterentwicklung und Optimierung der gesamten IT-Infrastruktur. Je nach Branchen- oder Marktanalyse kann das Krankenhaus eine der erörterten Strategien (Kostenführerschaft, Differenzierung, Nischenstrategie) mit dem Outsourcing/ Insourcing von IuK-Technologien verfolgen. Ist die Produktreife und der Wettbewerb weit fortgeschritten soll die Kostenführerschaft, bei schrumpfenden Märkten die Fokussierung und in überregionalen oder gar weltweiten Märkten/ Branchen die Differenzierung angewandt werden.
4.2 Business Process Outsourcing (BPO): Kostenführerschaft durch IuKOutsourcing Kostenmanagement durch Fremdvergabe von Anwendungen und Infrastruktur: Im Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern kann durch das IuKOutsourcing und Business Process Outsourcing die Kostenführerschaft erreicht werden. Die Strategie der Kostenführerschaft soll durch Ausnutzung von Rationalisierungspotentialen und Kostendegressionseffekten eine einmalige Position im Markt bezüglich der günstigsten Kosten ermöglichen. Das IuK-Outsourcing bezieht sich auf die Vergabe der IT-gestützten Anwendungsebenen und der Infrastruktur-Ebene. Diese Ebenen werden teilweise oder vollständig an Dritte vergeben, nur die Prozess-Ebene verbleibt im Krankenhaus. Vor der Vergabe müssen die eigenen Prozesse standardisiert und Schnittstellen zu den Prozessen der Dienstleister klar definiert werden. Denkbar ist auch der Verbleib der Infrastruktur im Krankenhaus. Dabei wird das Anwendungsmanagement durch OutsourcingProvider gewährleistet und die Infrastruktur im Krankenhaus durch externe Partner betrieben. Diese übernehmen die operative Verantwortung, jedoch bleibt die Kontrolle über die Infrastruktur beim Kunden. Nur die strategisch wichtigen Verwaltungs- und Versorgungsprozesse sollten nicht aus der Hand gegeben werden. Das Prozessmanagement für die wichtigen Arbeits- und Versorgungsprozesse verbleibt im Krankenhaus, wobei das Management für die Anwendungen (Software) und Infrastruktur (Hardware) ausgelagert werden kann. Das Business Process Outsourcing (BPO) von Support-Prozessen im Krankenhaus erfordert eine hohe Kompatibilität der IuK-Systeme, denn hier geht ein ganzer Geschäftsprozess aus der Verwaltung oder Versorgung an ein Drittunternehmen. Bei der Auslagerung kompletter Prozesse liegt die Verantwortung für die Bereitstellung der Anwendungen und In-
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frastruktur beim externen Dienstleistungsunternehmen. Es ist jedoch wichtig, dass die neuen IuK-Systeme des Dienstleisters mit den bestehenden Anwendungen im Unternehmen kompatibel und integrierbar sind. Ansonsten können durchgängige unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse nicht garantiert werden. Mit dem Betrieb der Anwendungen (Software etc.) ist praktisch die gesamte Prozessabwicklung an externe Dienstleister übertragen worden. Oft handelt es sich um IT-intensive Prozesse, die aufgrund des Spezialwissens oder der speziellen Infrastruktur der Dienstleister Outsourcing-Anbieter zu Einsparungen im Vergleich zu traditionellen Prozessen führen. Das Business Transformation Outsourcing (BTO) zielt auf die Verbesserung der Geschäftsprozesse im Krankenhaus. Diese OutsourcingPartnerschaft verlagert nicht nur vordefinierte Leistungen, sondern versucht, durch gemeinsame Investitionen in innovative Verfahren und Technologien die Geschäftsprozesse deutlich zu verbessern, damit beide Partner am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren. Viele Support-Prozesse, wie der Einkauf, das Controlling oder die Personalverwaltung, lassen sich vollständig an Dritte übergeben. Die Prozesse haben für Krankenhäuser meist keine strategische Bedeutung, weisen einen hohen Standardisierungsgrad auf und können mit Hilfe von IuK-Technologien (IT-Systemen) effizienter erbracht werden. Das eProcurement (IT-gestützter Einkauf) ist ein Beispiel für das BPO oder BTO, welches durch IuK-Technologien unterstützt wird. Externe Dienstleister verhandeln und beschaffen für das Krankenhaus günstigere Konditionen für den gesamten Einkauf von Verbrauchsgütern. Die Krankenhäuser haben häufig keinen Überblick über ihre Bestelleingänge und -ausgänge. Jede Abteilung bestellt ihre eigenen Materialien, ein zentraler Produktkatalog ist selten vorhanden. Dadurch können weder die Bestellungen gebündelt noch Konditionen mit Hauptleitlieferanten ausgehandelt werden. Durch den Einsatz von IuK-Technologien können die Geschäftsprozesse des Einkaufs wirtschaftlicher gestaltet werden. Beim Comprehensive Outsourcing oder Complete Outsourcing lagert das Krankenhaus einen kompletten Unternehmensbereich aus, z. B. die vollständige IT. Hierzu gehören der Betrieb von Infrastruktur und Anwendungen, wie auch das Infrastruktur-Management und Anwendungsmanagement. Dabei wechseln nicht nur die Anwendungen und die Infrastruktur, sondern auch die betroffenen Mitarbeiter in das Drittunternehmen oder in ein Joint Venture zwischen Kunde und Dienstleister. Wechselt auch die Prozess-Ebene an den externen Anbieter, benötigen beide Partner zusätzliche Geschäftsprozesse, um die Kooperation zu steuern. Werden die auszulagernden Prozesse vollständig automatisiert, dann verwischt die Grenze zwischen Business Process Outsourcing und Complete Outsourcing der IT.
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4.3 Gezieltes IuK-Outsourcing: Wachstumspotentiale durch Markterschließung Leistungserbringung unabhängig von Ort und Zeit: Werden nur ausgewählte IT-gestützte Aufgaben ausgelagert, so spricht man vom selektiven Outsourcing oder Outtasking. Outtasking-Services gehen dann von der Konzipierung über den Betrieb bis zur Wartung speziell der IuK-Systeme. Externe Dienstleistungsunternehmen können mit Hilfe von IuK-Technologien einzelne medizinisch-pflegerische oder verwaltungstechnische Aufgaben für das Krankenhaus übernehmen. Es können auch nur spezielle Prozesse einer Abteilung oder der Verwaltung an Dritte vergeben werden. Im Vordergrund steht hier meist nicht die Kosteneinsparung, sondern die Kompensation mangelnden Wissens oder mangelnder Mitarbeiter. Führt ein Krankenhaus Software-Applikationen zur Unterstützung von Versorgungsprozessen ein, so kann dies der Anlass sein, den Betrieb dieser telemedizinischen Lösungen an ein Drittunternehmen zu vergeben. Oft ist es auch nicht möglich, das notwendige Spezialwissen aufzubauen und die hohen Investitionen zu tätigen. Im Gegensatz zum BPO behält das Krankenhaus hier die Kontrolle über die Prozesse. Das Krankenhaus vergibt nur einzelne Funktionen, wie Software-Entwicklung, Datenverarbeitung, Webdesign, Internetrecherche, Digitalisierung von Dokumenten, Schreiben von Entlassungspapieren oder Privatrechnungen, z. B. an Unternehmen in Indien (offshoring) oder in die Slowakei (nearshoring). In Deutschland wird, z. B. bedingt durch die hohen stationären Betreuungskosten und durch steigende Patientenfallzahlen mit Herz-Kreislauferkrankungen nach Konzepten gesucht, die es ermöglichen, Risikopatienten unter Nutzung von IuK-Technologien in ihrer Häuslichkeit zu überwachen. Diese innovativen Anwendungen zeichnen sich durch ein besonders hohes Kooperationspotenzial mit einem Dienstleister aus, da die Technologien teuer sind und eine kompetente Betreuung – in der Einstiegsphase – voraussetzen. Die Entwicklung der telemedizinischen Basistechnologien (Bluetooth und UMTS) und die Sensorik (in Kleidung integrierte EKG-Elektroden) machen eine schnelle und sichere Datenübertragung möglich. Der steigende Bedarf an diesen Technologien resultiert einerseits aus der steigenden Prävalenz (Erkrankungshäufigkeit) und andererseits aus personellen medizinisch-pflegerischen Engpässen, vor allem im ländlichen Raum. Die Refinanzierung dieser Systeme ist in Deutschland an eine evidenzbasierte Leistungserhebung und Evaluierung der Effektivität gebunden. Krankenhäuser mit einem kardiologischen Schwerpunkt haben hier die Chance, basierend auf einer geeigneten IuK-Struktur sowie dem entsprechenden ärztlichen Personal, neue medizinisch-
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pflegerische Produkte unabhängig von der Region anzubieten. Das Telemonitoring wird für jeden Patienten individuell bereitgestellt. Die Patientendaten werden in regionale telemedizinische Zentren weitergeleitet. In diesem Tele-Medical-Center (vgl. Abb. 7) starten nach dem Datenempfang umfassende ärztliche Befundinterpretationen auf Basis der übersandten Messdaten und der erfassten Daten, die in der elektronischen Patientenakte (EPA) gespeichert sind (vgl. Köhler et al. 2006, S. 372f.).
Abb. 7: Systemarchitektur des Tele-Home Care-Systems (Köhler et al. 2006, S. 374)
Im Sinne der Markterschließung (Generierung eines neuen Marktes für bereits bestehende Produkte und Dienstleistungen) können so einzelne wettbewerbsfähige Abteilungen des Krankenhauses mit Hilfe von IuKTechnologien (die von Outsourcing-Dienstleistern technisch unterstützt werden) ihre medizinischen Dienstleistungen überregional oder sogar weltweit anbieten.
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4.4 Gezieltes IuK - Outsourcing: Wachstumspotentiale durch Produktentwicklung Fokussierung oder Differenzierung bei der Leistungserstellung: Krankenhäuser stehen vor einem wachsenden Angebot an IuK-Systemen. Es ist schwierig, das richtige Konzept für die wesentlichen strategischen Arbeitsund Versorgungsprozesse auszuwählen. Um die zukünftigen Herausforderungen, wie die Integrierte Versorgung (sektorenübergreifende Behandlungspfade im virtuellen Versorgungsnetz), neue Klinikstrukturen (z. B. Portalklinik, ambulante Medizinische Versorgungszentren) oder eHealthAnwendungen (Content, Commerce, Connectivity, Computer Application und Care) für sich nutzen zu können, braucht es kompatible, sichere und stabile IuK-Lösungen. Mit dem Ziel der Produktentwicklung (Entwicklung innovativer Produkte für den bestehenden Krankenhausmarkt), werden IuK-Technologien im Sinne der Fokussierung oder Diversifizierung eingesetzt, um innovative medizinisch-pflegerische Dienstleistungen anzubieten. IuK - Fokussierung: Modernste Technologien ermöglichen bereits heute ein umfassendes Informations- und Kommunikationsumfeld im Krankenhaus. Der Aufbau leistungsfähiger High-Speed-Netzwerke ist die Basis für künftige IuK-Anwendungen und ist derzeit – wenn nicht bereits geschehen – ein Schwerpunkt der Modernisierungs- bzw. Investitionsmaßnahmen. Hierbei ist der Trend zu kabelunabhängiger („wireless“) Sprachund Datenkommunikation festzustellen. Internet und Onlinedienste sind in Krankenhäusern genauso präsent wie das Intranet als Basis der internen Kommunikation. Workflow und Groupware-Produkte werden in das traditionelle Dokumentenmanagement integriert. Organisationsinterne Behandlungspfade koordinieren die abteilungsspezifischen Teilleistungen. Multimediale Patientenakten finden zunehmend Verbreitung, digitalisierte Bildund Tondokumente können dann zentral gespeichert werden um bei Bedarf schnell zur Verfügung zu stehen. Zunehmend wird das Anwendungsspektrum für IuK-Technologien ausgeweitet. So werden zunehmend RIS (Radiologische Informationssysteme z. B. PACS), Telemedizin-Anwendungen, Virtual Reality Techniken oder Robotik eingesetzt, um Effizienz, Effektivität und Qualität im Krankenhaus zu erhöhen. Im Rahmen des Application Service Providing (ASP) können dem Krankenhaus telemedizinische und verwaltungstechnische Dienstleistungen (Teleradiologie, Teleconsulting oder CRM, MS Office, E-Mail etc.) aus einem externen Datacenter zur Verfügung gestellt werden. Auf Basis des Servers based Computing (Datenverarbeitung findet auf einem Hochleistungs-Terminal-Server statt) stehen im Krankenhaus selbst nur noch
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Geräte für die Erfassung und Darstellung der Ergebnisse zur Verfügung. Alle Geschäftsprozesse zur Verarbeitung, Wartung und Unterhaltung sowie die gesamte Datensicherung erfolgen zentral in einem Datacenter. Im Zuge der Fokussierung konzentriert sich das Krankenhaus auf bestimmte Patientengruppen, spezifische medizinisch-pflegerische Dienstleistungen oder bestimmte Regionen, um eine Marktnische zu besetzen. Versorgungsund Verwaltungsprozesse, die nicht zu den Kernkompetenzen zählen, werden mit Hilfe des ASP ausgelagert bzw. hinzugekauft (vgl. Roth et al. 2003, S. 532). IuK - Differenzierung: Mit der Einführung neuer IuK-Technologien sind meist Probleme verbunden, da vorherrschend heterogene Anwendungen und Infrastrukturen vorhanden sind. Es wird versucht, durch Kombination von Standard- und Individuallösungen das Krankenhaus als Gesundheitszentrum weiter zu entwickeln, wobei im Idealfall andere Institutionen im Gesundheitswesen oder niedergelassene Ärzte ebenfalls in dieses „Gesundheitsnetzwerk“ eingebunden werden. Um möglichst viele Synergien herauszuziehen, bedarf es dafür interoperabler Lösungen, welche es ermöglichen, dass Akteure im Gesundheitswesen miteinander sektor- und systemübergreifend kommunizieren und sich austauschen; also beispielsweise die Fachklinik mit dem zuweisenden Krankenhaus oder dem niedergelassenen Arzt, mit der Krankenkasse oder der im Behandlungsprozess nachgelagerten Rehabilitationseinrichtungen. Durch eine solche Vernetzung sind die erhofften, von der Politik postulierten positiven Wirkungen des IT-Einsatzes, wie die Sicherung einer hohen Informations- und Behandlungsqualität trotz knapper Ressourcen zu erreichen. Die Konformität ihrer Produkte zu bestehenden Kommunikationsstandards können Hersteller von IT-Komponenten durch den Nachweis von bestandenen Konformitätstests belegen, die an neutraler Stelle absolviert wurden. Es ist zu beobachten, dass die Informationsverarbeitung im Krankenhaus zunehmend als strategisches Instrument begriffen wird. Ganzheitliche Konzepte müssen erstellt und gezielte Investitionen geplant werden. Outsourcing bietet die Möglichkeit, flexibel auf Anwendungen und Infrastrukturen zugreifen zu können und darüber hinaus die Entwicklung und Betreuung durch Spezialisten vornehmen zu lassen. Im Vergleich zum Business Process Outsourcing werden im Knowledge Process Outsoucing (KPO) komplexere und arbeitsintensivere Aufgaben ausgelagert. KPO wird zukünftig auf dem Krankenhausmarkt Marktanteile gewinnen, da diese Unternehmen über Mitarbeiter mit speziellen Kenntnissen und einem Informationsvorsprung einer bestimmten Domäne, Technologie oder Branche verfügen. Das Expertenwissen und die gute hochwertige Ausbildung der Mitarbeiter stellen den wesentlichen Unterschied zum Business Process Outsourcing dar. Typische Aufgabenberei-
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che, die von Krankenhäusern an KPO-Dienstleister ausgelagert werden, sind unter anderem betriebswirtschaftliche Marktanalysen, juristische Dienstleistungen und medizinische Dienstleistungen im Rahmen der Integrierten Versorgung. Mit Hilfe des KPO kann ein Krankenhaus die Differenzierungsstrategie (Qualitätsführerschaft) verfolgen. Komplexe und arbeitsintensive Dienstleistungen, die ein hohes Spezialwissen der Mitarbeiter erfordern, können überregional angeboten oder für die Leistungserbringung in der Region eingekauft werden. So können die eigenen Dienstleistungen von den Konkurrenten auf dem regionalen Versorgungsmarkt durch IT-gestützte Leistungspartnerschaften i. S. einer Qualitätsführerschaft abgegrenzt werden.
5 Erwartungen an die IuK-Technologien im Gesundheitswesen: Innovative Produkte für den Zukunftsmarkt Gesundheit Die Entwicklung innovativer medizinisch-pflegerischer Dienstleistungen (Diversifikation), für einen „neuen“ Krankenhausmarkt kann wesentlich mit IuK-Technologien vorangetrieben werden. Zielsetzung muss es sein, neue medizinische Dienstleistungen oder innovative Versorgungsprozesse für neue Patienten- oder Konsumentengruppen zu erschließen. Heute explodiert das medizinische Dienstleistungsangebot im Krankenhaus regelrecht. Aufgrund der Tatsache, dass die Spezialisierungen und Fachdisziplinen zunehmen, jeder Spezialist alle Technologien für Diagnose und Behandlung selbst vorhalten sollte, entstehen völlig unwirtschaftliche Strukturen. Neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich auch die Patienten verändert. Sie haben höhere Ansprüche und die Krankenhäuser müssen sich auf diese Anforderungen einstellen. Patienten (Kunden) fordern Ortsnähe der Versorgung, Dynamik und Flexibilität der Versorgungsleistungen und zunehmend auch innovative Behandlungsangebote. Wenn danach gefragt wird, was ein Krankenhaus in fremde Hände geben kann und was nicht, findet man derzeit in der Literatur aber auch in der Krankenhauspraxis die überwiegende Meinung: alles außer dem Kerngeschäft. Das Kerngeschäft eines Krankenhauses umfasst die Behandlung von Menschen die medizinischer und pflegerischer Hilfe bedürfen. Derzeit werden primär nichtmedizinische Leistungen im Zusammenhang mit dem Outsourcing in Verbindung gebracht. Neue Möglichkeiten, Patienten in ihrer häuslichen Umgebung zu überwachen (Monitoring) und auf Basis aktueller Vitaldaten Diagnosen dort erstellen zu lassen, wo der Experte sein therapeutisches Arbeitsfeld hat, um dann eine anschließende stationäre Überweisung zielgerichtet in ein Schwerpunkt- oder Spezialkranken-
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haus vornehmen zu können, gewinnen an Interesse. Es wird ersichtlich, dass so die Versorgungsqualität positiv beeinflusst werden kann, jedoch nicht ohne die Überwindung der Schnittstellen durch IuK-Technologien. Der Patient wird durch eine Teleportal-Klinik aufgenommen bzw. betreut, Diagnose und Therapie können aber unter den Qualitätsbedingungen der Schwerpunktabteilung des zuständigen Fachgebiets gewährleistet werden. Patienten und Angehörige akzeptieren so leichter die örtlich vorgehaltene Kompetenz. Der Grundgedanke der Teleportal-Klinik ist die Annahme, dass an Stelle der heute etablierten Einrichtungen der Grundversorgung, Krankenhäuser treten, deren diagnostisch-technische Ausstattung derjenigen entspricht, die in einem gut geführten Schwerpunktkrankenhaus vorgehalten wird. Da die Kostenträger weder in der Lage sind, die dafür notwendige IT noch die personelle Ausstattung (ärztliche Spezialexpertise) zu finanzieren, werden diese telematischen Dienstleistungen online bei geeigneten Schwerpunkt-, Maximal- und Spezialkliniken eingekauft. Diese verarbeiten die in der Portal-Klinik erhobenen Daten und stellen die gewonnenen Ergebnisse online bereit. Einweisung des Patienten durch: Hausarzt
Facharzt
Rettungsdienst
Selbsteinweiser
Teleportal-Klinik Medizinischer Datenpool
Elektronische Patientenakte
Multiprofessionelles Ärzte-Team Labor
Röntgen
Untersuchung
Altbefunde
I Entscheidung des Präsenzarztes
KH der Grundversorgung
Tagesklinik der Portalklinik
Spezial Krankenhaus Pflegeheim
Ambulantes Operieren
Kurzzeitpflege
Facharzt/ Hausarzt Häuslichkeit
Abb. 8: Funktionsweise einer Tele-Portal-Klinik
IuK
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Die Präsenz und persönliche Betreuung des Patienten – der als Notfall oder elektiv in das Krankenhaus kommt – übernehmen geschulte und breit ausgebildete Mediziner. Diese halten zum einen die Verbindung zu den Spezialisten, aber auch zu den einweisenden Ärzten. Verbunden mit den speziell auf die erforderlichen rationellen Abläufe ausgerichteten baulichen Gegebenheiten hat ein solches Haus eine Tagesklinik, die von qualifizierten, am Hause niedergelassenen Fachärzten geführt wird. Diese Fachärzte können ebenfalls auf die medizinische Technik (Diagnostik) zurückgreifen und haben damit die Chance, ihr Patientenaufkommen preisbewusst und qualifiziert zu behandeln (vgl. Abb. 8). Die medizinisch-pflegerischen Leistungen sind bis heute nicht Gegenstand realer Outsourcing-Entscheidungen (vgl. Pelster u. Thölking 2005, S. 224). Ein virtuelles Krankenhaus (z. B. Portalklinik) ist eine spezielle Form der organisatorischen Zusammenarbeit einzelner Leistungserbringer. Es handelt sich dabei um eine Kooperation, die gesundheitsrelevante Versorgungsleistung auf Basis eines gemeinsamen Versorgungsverständnisses erbringt. Die kooperierenden Partner bringen vorrangig Ihre Kernkompetenzen in die Leistungserstellung ein. Das Krankenhausmodell für die Zukunft ist ein integriertes Versorgungsmodell, mit dem die Möglichkeiten der Telemedizin umfassend genutzt werden, um die medizinische Kompetenz aus der Spitzenmedizin bereits im Rahmen der regionalen Grundversorgung zur Verfügung zu stellen. Diese Entwicklung wird sich schrittweise über das traditionelle Outsourcing bis hin zum gezielten Outsourcing zur Umsetzung von IuKStrategien im Gesundheitswesen entwickeln. Medizinische Diagnose und Therapieleistungen werden dort erbracht, wo die Kompetenz und das Spezialwissen am Besten vertreten sind. Die Konzentration von medizinischem Fachwissen und die Etablierung von nationalen und internationalen Schwerpunktzentren sind nur mit Hilfe von IuK-Technologien umzusetzen (vgl. Töpfer u. Albrecht 2006, S. 359ff.). Die Diagnosekompetenz über die Teleportalverbindung ermöglicht eine Arbeitsteilung zwischen der patientenbezogenen Diagnosedatenerhebung und dem Spezialisten. Dieser würde gegebenenfalls eine Behandlung am Schwerpunkthaus oder im Verbleibensfall des Patienten im Teleportal-Krankenhaus als konsiliarischer Begleiter durchführen. Die Organisation von Schwerpunktzentren und angegliederten Teleportal-Kliniken bedarf neuer Strukturen, die wiederum neue Schnittstellen schaffen. Hier besteht die Chance, innovative IuKTechnologien und Anwendungen einzusetzen. Effizient und Effektiv werden diese Strukturen durch die Verbindung zwischen der technischen Expertise des Anbieters und dem medizinischen Know-how des Krankenhauses. So können qualitätssteigernde und ressourcenschonende Behandlungspfade entstehen. In diesem visionären Kontext werden die medizi-
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nisch-pflegerischen Kernkompetenzen durch IuK-Technologien nicht nur unterstützt sondern teilweise ersetzt. Dieser visionäre Krankenhaustyp wird durch ein ausgereiftes Informations- und Kommunikationssystem getragen.
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Outsourcing tertiärer Dienstleistungen Michael Kirchner und Jens Knoblich
1 Problemstellung Krankenhäuser und Kliniken stehen in Deutschland vor einer Vielzahl von Herausforderungen: neben den bekannten Konsequenzen, die die Einführung der Fallpauschalen mit sich gebracht haben, kamen in der jüngsten Vergangenheit Kostensteigerungen aus Tarifvereinbarungen, die Mehrwertsteuererhöhung oder auch die Preiserhöhungen im Energiesektor hinzu. Um die Wettbewerbsfähigkeit als Krankenhaus aufrecht zu erhalten oder zu steigern, ist es jedoch nicht ausreichend, den Fokus seiner Unternehmungen allein auf die Kostensenkung zu legen. Die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen und pflegerischen Leistungen sind in diesem Zusammenhang der entscheidende Faktor. Eine Basis für hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit dieser Kernleistungen oder Primärprozesse wird durch eine effiziente Planung, Organisation, Steuerung und Durchführung der parallelen oder nachgelagerten Sekundär- und Tertiärprozesse geschaffen. Eine Professionalisierung dieser Aktivitäten, die das Krankenhausmanagement ansonsten neben den Kernleistungen wahrnimmt, lässt sich durch ein Bündnis mit einem strategischen Partner erreichen (vgl. Lohmann u. Lohfert 2007, S. 30f.). Damit ist der nötige Raum für die Konzentration auf die Medizin und die Wettbewerbsfähigkeit gegeben. Wie sich die Organisation der Tertiärprozesse bzw. -leistungen darstellt und welche Leistungen sie umfassen kann, soll in diesem Beitrag gezeigt werden.
2 Kennzeichnung tertiärer Dienstleistungen Um über tertiäre Dienstleistungen sprechen zu können ist es notwendig, diese zu definieren und von anderen Prozessen im Krankenhaus abzugrenzen. Gerade im Krankenhausbereich gibt es noch immer unterschiedliche Meinungen und Darstellungen darüber, wie viele Prozessklassen vorhanden sind und was diese beinhalten. Hier sollen fünf Prozessebenen unterschieden werden:
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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• Primärprozesse: Dies sind im Allgemeinen die wertschöpfenden Prozesse eines Unternehmens. Die daraus entstehenden Leistungen werden direkt für oder am Kunden erbracht und stellen den Geschäftszweck des Unternehmens dar. Für das Krankenhaus bedeutet dies die Heilung des Patienten. • Sekundärprozesse: Innerhalb der Sekundärprozesse werden Leistungen für den Kunden generiert, die indirekt dem Geschäftszweck dienen. Sie werden auch als wertschaffende Prozesse bezeichnet. Im Krankenhaus können das beispielsweise diagnostische Leistungen sein. • Tertiärprozesse: Hierunter sind Leistungen und Prozesse zu fassen, die andere Prozessebenen unterstützen, jedoch keine unmittelbare Auswirkung auf den direkten Geschäftszweck haben. Die Krankenhauslogistik unterstützt z. B. den Sekundärprozess Radiologie und den Primärprozess der Operation mit der Bereitstellung von medizinischem Sachbedarf oder dem Patiententransport, dient jedoch nicht direkt oder indirekt dem Geschäftszweck der Einrichtung, nämlich der Heilung des Patienten. • Tertiärprozesse mit Querschnittsfunktion: Diese Prozesse unterscheiden sich von regulären Tertiärprozessen dadurch, dass sie eine übergreifende Funktion über mehrere Prozessebenen haben, was auch andere Tertiärprozesse sein können. Weiterhin können sie auch bis zu externen Prozessen reichen. Der strategische Einkauf, der z. B. vom Lieferanten über die Krankenhauslogistik auch sekundäre und primäre Prozesse des Krankenhauses unterstützt, ist ein typisches Beispiel für einen Tertiärprozess mit Querschnittsfunktion. • Managementprozesse: Managementprozesse oder auch wertdefinierende Prozesse haben keinen operativen Anteil am Kunden bzw. Patienten. Sie definieren und verfolgen die langfristigen Ziele der Unternehmensführung und -steuerung. Ihre Leistungen spiegeln sich vor allem in der Krankenhausleitung, dem Marketing oder dem Controlling wider. Abb. 1 fasst die beschriebenen Prozessebenen zusammen.
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Managementprozesse z.B. Krankenhausleitung
Primärprozesse z.B. Strategischer Einkauf
Tertiärprozesse mit Querschnittsfunktion
Medizin & Pflege
Sekundärprozesse z.B. Diagnostik
Tertiärprozesse Tertiärprozesse z.B. z.B.Logistik Logistik Externe Einrichtungen z.B. Lieferant
Abb. 1: Prozessebenen im Krankenhaus
3 Facility Management als tertiäre Dienstleistung Eine nähere Betrachtung der Leistungen, die sich hinter dem Begriff der Tertiärprozesse verbergen soll verdeutlichen, dass sich hierbei um zahlreiche Dienstleistungen innerhalb eines Unternehmens bzw. Krankenhauses handelt, die in ihrer Gemeinsamkeit sowie ihren qualitativen und wirtschaftlichen Aspekten eine gewisse Komplexität und strategische Bedeutung aufweisen. Die tertiären Dienstleistungen sind Leistungen des Facility Managements. Facility Management umfasst auf Basis einer ganzheitlichen Strategie die Gesamtheit aller Dienstleistungen, die für den bestmöglichen Betrieb aller Einrichtungen benötigt werden. Dabei fließt der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes – von der Planung und Errichtung über den Betrieb bis hin zum Abriss – in die Betrachtung ein. Facility Management unterscheidet sich vom reinen Gebäudemanagement durch eine umfassende Strategie, welche u.a. folgende Ziele fokussiert: • Kunden- und Dienstleistungsorientierung • Optimierung der Gebäudenutzung • verursachungsgerechte Kostenzuordnung
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• Erhöhung der Wirtschaftlichkeit • Werterhaltung • Reduzierung des Ressourceneinsatzes Die Verfolgung dieser Ziele innerhalb einer umfassenden Strategie ist von immenser Bedeutung, da 60 bis 85% aller Kosten innerhalb eines Gebäudes – über einen mittleren Lebenszyklus hinweg betrachtet – während des operativen Betriebs entstehen. Um Qualität und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, ist es daher unabdingbar, die Prozesse und ihre (Betriebs-) Kosten, die für eine bestmögliche Dienstleistungserbringung notwendig werden, von Beginn an in den Fokus von Einsparüberlegungen zu rücken. Die Dienstleistungen des Facility Managements lassen sich klassischerweise in 3 Bereiche untergliedern: technisches, kaufmännisches und infrastrukturelles Facility Management (vgl. Abb. 2). Beispiele für Facility Management–Dienstleistungen im Krankenhaus Technisch Betrieb, Instandhaltung, Gewährleistungsverfolgung, Dokumentation und Qualitätssicherung von
Medizintechnik Elektrotechnik IKS-Technik MSR-Technik Energietechnik Wärmetechnik Sanitärtechnik Raumlufttechnik Brandschutztechnik
inkl. Beratung und Nutzerinformation
Kaufmännisch
Infrastrukturell
Patientenadministration (inkl. Aufnahme) Ambulante und stationäre Leistungsabrechnung Personalverwaltung und -abrechnung Mietmanagement Objektbuchhaltung Vertragsmanagement Flächenmanagement Umzugsmanagement Sekretariatsdienste
OP-, Sonder- und Unterhaltsreinigung Beschaffungsmanagement Transport- und Lagerlogistik Catering Konferenz- und Veranstaltungsservice Empfangs- und Sicherheitsdienste Sterilgutaufbereitung Bettenmanagement Hausmeisterdienste Archivierungsdienste Flächenbewirtschaftung Fuhrparkmanagement
Abb. 2: Beispiele für Facility Management-Dienstleistungen im Krankenhaus
Outsourcing tertiärer Dienstleistungen
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4 Outsourcing tertiärer Dienstleistungen als strategische Entscheidung
4.1 Kriterien der Outsourcing-Entscheidung Die Frage, welche tertiären Dienstleistungen einem Outsourcing zugeführt werden sollen, ist eine strategische. Vor einem Outsourcing sollte daher geprüft werden, welche Dienstleistungen sich für ein Outsourcing eignen. Dabei sind letztlich zwei Kriterien wichtig: Handelt es sich bei der Leistung um eine Kernkompetenz des Krankenhauses und wie stellt sich das Marktangebot für die entsprechende Leistung dar? Nicht jede tertiäre Dienstleistung eignet sich a priori zum Outsourcing. So werden Einkauf und Lagerlogistik von Krankenhäusern häufig als Outsourcing-Pakete vergeben. Zu beachten ist hier jedoch, dass sich der operative Einkauf gut zum Outsourcing eignet. Der strategische Einkauf jedoch weniger. Er ist zwar nicht Kernprozess des Krankenhauses, sollte aber Kernkompetenz sein. Generell gilt, je näher bzw. mehr eine Leistung am Kernprozess beteiligt ist, desto weniger eignet sie sich zum Outsourcing. „Letztendlich sind die Kernaufgaben für jedes Krankenhaus individuell zu definieren. Sie sind abhängig von Art, Größe, Lage und Versorgungsauftrag des Krankenhauses sowie vom regionalen Angebot, insbesondere an medizinischen Leistungen (Stadt – Land) im Einzugsbereich“ (Renner et al. 2001, S. 30). Die Untersuchung der Kernprozesse und des Marktangebots sollte sich letztlich in einer fundierten Make-or-Buy-Entscheidung kanalisieren. Als Entscheidungshilfe kann hierzu eine Portfolio-Matrix herangezogen werden, die die Ergebnisse nochmals visualisiert (vgl. Abb. 3):
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Auslagerungsbarrieren (z.B. Marktangebot)
OP-Spitzenleistungen Forschung und Lehre Therapie Rechnungswesen
Diagnostik
Make - Eigenproduktion
Medizintechnik OP-Reinigung
Join - Mischstrategie Speisenversorgung
Technik und Gebäudemanagement Apotheke
Buy - Fremdvergabe
Unterhaltsreinigung
Niedrig
Mittel
Hoch
Strategische Bedeutung (Kernkompetenzen)
Abb. 3: Portfolio-Matrix als Make-or-Buy-Entscheidungshilfe
Für die abschließende Entscheidung zum Outsourcing ist das Motiv für die Auslagerung ein wichtiges Kriterium. Insbesondere dann, wenn es um die Bemessung der Zufriedenheit mit dem ausgewählten Outsourcing-Partner bzw. um die eigene Zielerreichung geht. Die Motive für eine Auslagerung können sehr unterschiedlich sein: • Konzentration auf die Primärprozesse • Kostensenkung • Kundenorientierung • Kontinuierliche Verbesserung Dabei stehen Motiv und zu vergebende Leistung bei der Bewertung der Zufriedenheit bzw. Zielerreichung in einem engen Zusammenhang, der jedoch häufig übersehen wird. Der Bereich der Unterhaltsreinigung ist im Krankenhaus ein typischer Outsourcing-Kandidat. Er liegt in nahezu allen Häusern weit entfernt vom Kernprozess, somit droht kein Know-howVerlust und das Marktangebot an Reinigungsunternehmen ist sehr groß, so dass ein entsprechender Wettbewerb und eine geringe Abhängigkeit vom Dienstleister gegeben sind. Ist das einzige Motiv für eine Auslagerung dann auch noch die Senkung der Kosten, so dürfte nach einem Jahr die Bewertung von Zufriedenheit und Zielerreichung in den meisten Fällen
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positiv ausfallen. Differenzierter stellt sich der Sachverhalt dar, wenn die Motive bzw. Ziele beispielsweise die Konzentration auf die Primärprozesse oder die kontinuierliche Verbesserung sind. Wird die Unterhaltsreinigung allein vergeben, beispielsweise innerhalb einer Tochtergesellschaft, so sind die damit geschaffenen Ressourcen zur Konzentration auf das Kerngeschäft für die Krankenhausverwaltung letztlich marginal. Die Führung der Tochtergesellschaft allein für eine Dienstleistung ist ähnlich aufwändig, wie der Betrieb der Reinigung in Eigenregie. Folgende Darstellung aus der Praxis, zu den Verantwortlichkeiten innerhalb eines Krankenhauses, soll diesen Punkt illustrieren (vgl. Abb. 4): Verantwortung für tertiäre Dienstleistungen in einem Beispielkrankenhaus Pflege
Externer Externer Partner Partner A A Sterilgutaufbereitung Sterilgutaufbereitung
Externer Externer Partner Partner B B Wäscheversorgung Wäscheversorgung
Verwaltung
ZSVATransporte
Technik
Rechnungswesen
Einkauf/Lager
Catering
Blutprobentransporte
Medizintechnik
Disposition
Versorgungsassistenz
Material Stationsküchen
Patienten -aufnahme
Haustechnik
Patiententransporte
Poststelle/ Kurierfahrer
Spontane Speisenverteilung
Sicherheit
Getränkeversorgung
Externer Externer Partner Partner C C Reinigung Reinigung
Schnellschnitttransport
Speisentransporte
Legende:
Materialversorgung
Führungsebene Abfallentsorgung Abteilungen
Einzelleistungen
Abb. 4: Verantwortung für tertiäre Dienstleistungen in einem Beispielkrankenhaus
Die Darstellung zeigt, dass in diesem Haus geeignete tertiäre Leistungen ausgegliedert wurden bzw. durch einen Partner erbracht werden, eine Konzentration auf das Kerngeschäft jedoch weiterhin schwierig sein dürfte. Die Führungsebenen des Hauses sind nun mit der Steuerung der externen Partner betraut. Bestehende, gewachsene Strukturen blieben unberührt und machen die Organisation und Durchführung der tertiären Dienstleistungen träge und ineffizient. Den Verantwortlichen kann hierfür allerdings kein Vorwurf gemacht werden, denn die Vergabe von Dienstleistungen nach dem dargestellten Muster ist gängig, zumal alle zuvor genannten Kriterien
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und Analysen für die Auslagerung von Dienstleistungen erfüllt bzw. durchgeführt wurden. Was muss sich hier verändern, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität vor allem im medizinischen und pflegerischen Bereich langfristig zu erhalten bzw. zu steigern? Wie eingangs erwähnt, kann hierfür der alleinige Fokus nicht auf der Kostensenkung liegen. Das Beispiel zeigt jedoch, dass dies in zahlreichen Einrichtungen das hauptsächliche Motiv für Auslagerung war. Krankenhäuser und Kliniken benötigen zur Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft einen strategischen Partner, der die Aufgabe der Organisation, Steuerung und Durchführung als gesamthafte Dienstleistung wahrnimmt. Dazu ist es notwendig, die Dienstleistungen des tertiären Bereichs zu vernetzen, flexibel zu organisieren, Schnittstellen zu reduzieren und zukünftige Entwicklungen zu antizipieren. Auf diese Weise können Leistungen qualitativ hochwertig und wirtschaftlich erfolgreich erbracht und die Führungsebenen eines Hauses für die Primärprozesse wirklich entlastet werden. In diesem Zusammenhang erreicht die Wahl des strategischen Partners einen erhöhten Stellenwert.
4.2 Wahl des Outsourcing-Partners Der strategische Partner sollte in der Lage sein, die verschiedenen Dienstleistungen des tertiären Bereichs bzw. Leistungen aus den 3 Bereichen des Facility Managements anzubieten. Dies ist die Basis für eine Vernetzung der Dienstleistungen untereinander. Krankenhäuser sollten bei Auswahl der zu vergebenden Leistungen darauf achten, sinnvolle Leistungspakete auszugliedern. Logische Pakete, die gesamte Prozessketten bedienen, haben das größte Potenzial für die Hebung von Synergien, eine vernetzte und flexible Organisation sowie eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung. Ein Beispiel wäre, die Lagerlogistik (inkl. operativem Einkauf) mit dem Transportdienst und der Versorgungsassistenz zu vergeben. Um die Schnittstellen zum Krankenhausmanagement zu reduzieren und eine Konzentration auf das Kerngeschäft zu ermöglichen, sollte zwischen den operativen Einheiten sowie dem Management des Krankenhauses und Dienstleistungsbereichen ein Servicecenter zwischengeschaltet sein. Dies ermöglicht eine einheitliche Steuerung aller Dienste. Weiterhin kann ein solches Service-Center weitere Partner steuern. Nicht zuletzt sollte bei der Auswahl auf einen Partner zurückgegriffen werden, der auch in der Lage ist, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren und notwendige Maßnahmen einzuleiten. Denn für Krankenhäuser ist es wenig Erfolg versprechend,
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wenn sie weiterhin neben dem Kerngeschäft Aufgaben im Bereich der Planung, Projektierung und Durchführung selbst oder gar allein erbringen (vgl. Lohmann u. Lohfert 2007, S. 30f.). Hier sind Anbieter von ganzheitlichem und integriertem Facility Management die richtige Wahl. Diese Dienstleister verfügen über das notwendige Know-how, das für die gesamthafte Betrachtung des Lebenszyklus einer Immobilie notwendig ist. Eine beispielhafte Zielorganisation zeigt Abb. 5.
Krankenhaus Krankenhaus Ärztliche Dienst
Pflegedienst
Management
Servicecenter Servicecenter Facility FacilityManagement Management Servicekomplex Servicekomplex Infrastrukturelle Infrastrukturelle Leistungen Leistungen
Servicekomplex Servicekomplex Technische Technische Leistungen Leistungen
Servicekomplex Servicekomplex kaufmännische kaufmännische Leistungen Leistungen
Abb. 5: Organisation der tertiären Dienstleistungen über ein Servicecenter
5 Formen des Outsourcing tertiärer Dienstleistungen Zuletzt soll noch geklärt werden, in welcher Form das Outsourcing betrieben werden kann. Dabei lassen sich in der Zusammenarbeit mit externen Anbietern grundsätzlich 3 Formen unterscheiden: • Dienstleistungsvertrag: Diese Form sieht eine partielle oder vollständige Übertragung von Unternehmungsfunktionen an betriebsfremde Institutionen vor. Sie beinhaltet die Externalisierung einer Teilleistung oder -funktion einer Unternehmung (z. B. Reinigung) und deren Übernahme durch externe Anbieter inkl. des dort beschäftigten Personals. • Managementvertrag: Innerhalb eines Managementvertrags sieht diese aktive Umsetzung von in einer zuvor durchgeführten Analyse ermittel-
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ten Optimierungspotenzialen eines Leistungsbereiches (z. B. ZSVA) durch einen Projekt- oder Interimsmanager vor. Bei dieser Variante verbleibt das Personal beim Auftraggeber. • Gemeinsame Tochtergesellschaft (umsatzsteuerliche Organschaft): Für einen Leistungsbereich (z. B. Einkauf und Logistik) gründen Krankenhaus und strategischer Partner eine gemeinsame Tochtergesellschaft, an der das Krankenhaus mehrheitsbeteiligt ist. Das zuvor in diesem Bereich beschäftigte Personal geht in die Tochtergesellschaft über. Entsprechend Abb. 5 erscheint es sicherlich sinnvoll, das Management des Servicecenters innerhalb einer gemeinsamen Tochtergesellschaft zu betreiben. Auf welche Art und Weise die anderen Dienstleistungen vergeben werden, ist vor allem von ihrem Umfang und ihrer strategischen Bedeutung für das Krankenhaus abhängig. Wichtig ist jedoch, dass Krankenhäuser zeitnah strategische Verbindungen eingehen und sich fit für den Wettbewerb machen. Dabei dürfen sie über die kurzfristige Reduktion von Kosten, die langfristigen Ziele, wie Qualität und Wirtschaftlichkeit, nicht aus den Augen verlieren.
Literatur: Frosch E, Hartinger G, Renner G (2001) Outsourcing und Facility Management im Krankenhaus: Strategien – Entscheidungstechniken – Vorgehensweisen, mit Fallbeispielen aus der Praxis. Ueberreuter, Wien Frankfurt Lohmann H, Lohfert C (2007) Medizin im Zentrum des Umbruchs – Erfolgsfaktoren im Überlebenskampf der Krankenhäuser. Thesenpapier der Lohfert & Lohfert AG und Lohmann konzept, Hamburg
Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung in der Krankenhauslogistik Andreas König und Thais Bade
1 Problemstellung Der Krankenhaussektor in Deutschland unterliegt seit einiger Zeit einem zunehmenden Veränderungsdruck. Durch die derzeit beunruhigende Situation, unter anderem bedingt durch die Einführung der Fallpauschale, die Mehrwertsteuererhöhung, Preissteigerungen im Energiebereich aber auch durch unwirtschaftliche Arbeitsweisen im Krankenhaus sind immer häufiger Schlagwörter wie „Unfinanzierbarkeit“ und „Gefährdung der Patientenversorgung“ zu hören. Organisatorisch weisen Krankenhäuser eine hohe Dienstleistungstiefe auf. Jedoch ist eine hohe Dienstleistungstiefe tendenziell kostentreibend. Steigende Kosten und eine schlechter werdende Patientenversorgung in Krankenhäusern stehen daher im zunehmenden Maße im Blickfeld des öffentlichen Interesses. Für das Jahr 2008 prognostiziert die deutsche Krankenhausgesellschaft, dass jedes zweite Krankenhaus negative Erträge schreiben wird und rund 34 Prozent der Krankenhäuser von Insolvenz bedroht sein wird. Allein in der Krankenhauslogistik werden Einsparpotenziale auf etwa 2.000 Euro pro Bett und Jahr vermutet. Taugliche Lösungen für die Krankenhauslogistik sind häufig beim Management nicht verfügbar, wodurch eine einheitliche Krankenhauslogistik nicht einmal in Ansätzen existiert.
2 Definition der Krankenhauslogistik Die Aufgabe der Krankenhauslogistik ist es, den Material- und Informationsfluss von den Lieferanten über die innerbetrieblichen Bereiche bis zum Abnehmer zu planen, zu gestalten, abzuwickeln und zu kontrollieren (vgl. Hofbauer u. Hellwig 2005, S. 208). Somit ist die Krankenhauslogistik zuständig für die Bereitstellung der Einzelfaktoren (vgl. Krankenhaus Logistics 2008): • Materialwirtschaft
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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• Speisen und Getränke • Wäsche • Bettenversorgung • Sterilisation • Apotheke • interne und externe Postdienste • Entsorgung von Produkten • Verwaltung und Archivierung von Patientendaten Zusätzlich zu diesen Leistungen kommen in den Krankenhäusern noch die sensiblen Bereiche des Patiententransports und Materialien der krankenhausspezifischen Subbetriebe wie Labore u. ä. dazu. Die Krankenhauslogistik stellt – wie die Logistik im Allgemeinen – eine Querschnittfunktion dar und hat folgende Ziele: • Das richte Gut bzw. die richtige Dienstleistung, • am richtigen Ort, • zur richtigen Zeit, • in der richtigen Menge, • in der richtigen Qualität und • zum richtigen Preis sicherzustellen, um für das Krankenhaus den höchsten Ertrag zu erwirtschaften. Zur inhaltlichen Abgrenzung des breit gefächerten Begriffs „Krankenhauslogistik“ wird sich dieser Beitrag gesondert mit dem Teilbereich der Materialwirtschaft befassen. Hierfür werden die Materialwirtschaft und deren Aufgaben zum einen näher dargestellt, und zum anderen auf die Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung eingegangen.
3 Aufgaben der Materialwirtschaft Die Gesamtheit aller Aktivitäten zur Versorgung der Krankenhäuser mit Material wird als Materialwirtschaft bezeichnet. Abb. 1 zeigt die Materi-
Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung
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alwirtschaft und deren Bereiche Beschaffungs-, Lager- und Distributionslogistik (vgl. Hofbauer u. Hellwig 2005, S. 208): Materialwirtschaft
Station 1
Lieferer 1
Lieferer 2
Lieferer m
Beschaffung
Beschaffungslogistik
Lagerhaltung
Lagerlogistik
Absatz
Distributionslogistik
Station 2
Station n
Abb. 1: Bereiche der Materialwirtschaft
3.1 Beschaffungslogistik Die Beschaffungslogistik im Krankenhaus steht in Verbindung zur Distributionslogistik der Lieferanten. Sie beinhaltet die planenden, die steuernden und die ausführenden Aktivitäten, die für die Bereitstellung der Materialien notwendig sind. Die zu beschaffenden Materialien können unter anderem Medikal-Produkte, Investitionsgüter, Büroausstattung etc. sein. Die Zuständigkeit für die Beschaffung der Materialien unterliegt dem Einkauf. Im Krankenhaussektor wird häufig zwischen dem zentralen und dezentralen Einkauf, wie auch zwischen dem strategischen und operativen Einkauf unterschieden. 3.1.1 Unterschied zwischen dem zentralen und dezentralen Einkauf Vom zentralen Einkauf ist dann die Rede, wenn der gesamte Einkaufsprozess für das ganze Unternehmen von einer Abteilung durchgeführt wird. Dezentraler Einkauf hingegen heißt, dass diejenigen Stationen/ Abteilungen im Krankenhaus, in denen der Bedarf von Waren entsteht, diesen selbst und eigenverantwortlich einkaufen. Für beide Formen ergeben sich Vor- und Nachteile, die in ihrer jeweiligen Bewertung durchaus sehr unterschiedlich betrachtet werden können. Für eine Zentralisierung spricht vor allem die Möglichkeit der Erzielung günstiger Preise und Konditionen durch eine Bündelung des Bedarfs (größere Abnahmemengen), wodurch eine Realisierung von Mengenrabatten möglich ist. Ein weiterer großer Vorteil der Zentralisierung liegt in der Verminderung der Lagerbestände
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durch gemeinsame Disposition mehrfach benötigter Materialien, einer effizienteren Lagerbestandskontrolle und einer Professionalisierung der Abläufe mit entsprechend hoher Effizienz. Der Nachteil einer zentralen Lösung liegt darin, dass sich die Instanzenwege verlängern, was aus Sicht der Bedarfsstellen zu einer Verlängerung der Lieferzeiten führen kann, da die Bestellungen nicht direkt vom Bedarfsträger an den Lieferanten weitergeleitet werden, sondern der Zentraleinkauf als zusätzliche Stelle zwischen Verbraucher und Lieferant geschaltet wird. In vielen Krankenhäusern findet man deshalb das Modell des dezentralen Einkaufs vor (vgl. Siepermann 2004, S. 80ff.). 3.1.2 Unterschied zwischen dem strategischen und operativen Einkauf Gerade für die Überlegung zu Outsourcing-Modellen wird zwischen strategischem und operativem Einkauf unterschieden. Der strategische Einkauf ist in vielen Fällen dem Krankenhaus angegliedert. Dagegen ist der operative Einkauf dem jeweiligen Dienstleistungsunternehmen bzw. dem Lager zugeordnet. Zwar ist der strategische Einkauf nicht unbedingt ein Kernprozess, welches normalerweise ein Grund für OutsourcingÜberlegungen ist, jedoch spiegelt dieser Prozess eine Kernkompetenz für Krankenhäuser wider, zumal die wertmäßigen Volumina des Einkaufs nicht unerheblich sind. Die Kernaufgaben für jedes Krankenhaus werden daher individuell festgelegt. Die Aufgaben des strategischen Einkaufs sind vor allem die Entwicklung neuer Beschaffungsstrategien, Beschaffungsmarketing, Beschaffungsmarktforschung, Entwicklung von Einkaufsrichtlinien, Produktauswahl und Bewertung, Lieferantenauswahl und -bewertung, Konditionen aushandeln etc.. Der operative Einkauf hingegen ist für Bestellwesen/ Disposition, operative Auftragserteilung und für die Durchführung des Beschaffungscontrollings zuständig. Bei einem modernen Bestellprozess wird dabei das elektronische Bestellwesen (eProcurement) eingesetzt. Diese elektronischen Plattformen ermöglichen eine schnelle und effiziente Abwicklung der Bestellprozesse. In Abb. 2 wird ein Beispiel anhand eines Bestellpunktverfahren dargestellt.
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Maximaler Lagerbestand Durchschnittlicher Lagerbestand Meldebestand Sicherheitsbestand
Zeit Tw
Tw Vorhersagespanne
Tw = Wiederbeschaffungszeit
Abb. 2: Bestellpunktverfahren
Die Bestellung der Lagerartikel wird über ein EDV-System (z. B. SAP) dann ausgelöst, wenn der Meldebestand erreicht ist. Die Bestellung wird z. B. durch die elektronische Plattform „Medicforma“ (eProcurement) an den Lieferanten übermittelt. Im Zeitraum der Wiederbeschaffung wird der Bestand durch die Entnahme bis zum Sicherheitsbestand reduziert. Ab diesem Punkt erfolgt die Wiederauffüllung der Bestände durch das Eintreffen der neuen Ware bis zum maximalen Lagerbestand. Derzeit findet man in vielen Krankenhäusern jedoch noch relativ hohe Defizite in der EDVAusstattung und in der Schulung der Mitarbeiter (vgl. Drauschke u. Pieper 2001, S. 61ff.).
3.2 Lagerlogistik Die Lagerlogistik stellt nach der Beschaffungslogistik die zweite Stufe der Materialversorgung eines Krankenhauses dar. Die Lagerlogistik, auch Lagerwirtschaft oder Lagerwesen genannt, umfasst die Bereiche: • Warenannahme, • Lagerhaltung, • Bestandsführung, • Kommissionierung und Warenausgang.
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3.2.1 Wareneingang Der Lieferant bestimmt die Lieferart, -zeit und -form. In 40% aller Fälle ist ein Händler und in 60% der Fälle ein Hersteller für die zentrale oder dezentrale Belieferung zuständig. Dabei gibt es auf Seiten des Lieferanten unterschiedliche Auslieferungsformen. Träger von Warensendungen sind in den häufigsten Formen Euro-Paletten (Maße CCG 1 und 2, oft bis über 200 cm Höhe gepackt), aber auch Einzelpakete sind gängige Trägerformen (bis zu 80% der Lieferungen). Die Lieferzeiten betragen in der Regel ca. 48 Stunden. Die Warensendung wird meistens von einer Spedition der Lieferantenseite oder von diversen Paketdiensten durchgeführt. Im Durchschnitt kommen ca. 10 Lieferungen täglich für Medizinprodukte am Wareneingang eines deutschen Krankenhauses an (abhängig von der Bettenanzahl). Des Weiteren werden durchschnittlich 6 Paletten und 25 Pakete pro Tag angeliefert (vgl. Siepermann 2004, S. 109). Je nach Organisation (zentrale Läger oder dezentrale Läger) kann es auch zwei Orte geben, an denen die angelieferte Ware eintreffen kann. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Lager- und Nicht-Lagerartikeln (sog. Durchläufer). Bei ca. 75% der Krankenhäuser werden Lagerartikel zum zentralen Wareneingang und zu ca. 25% werden Nicht-Lagerartikel direkt zu den Verbrauchsstellen (Stationen/ Funktionsabteilungen) geliefert. 3.2.2 Lagerhaltung Die Lagerhaltung ist eine gewollte Unterbrechung des Materialflusses. In einem Lagerraum oder Lagergebäude werden Artikelbestände gebildet. Bei der Lagerhaltung wird zwischen festen Lagerplatzzuordnungen und freien (chaotischen) Lagerplatzzuordnungen differenziert. Bei der festen Lagerplatzzuordnung werden für alle Artikel, die im Sortiment aufgenommen sind, feste Lagerplätze bereitgestellt. Somit wird ein festgelegter Platz für einen bestimmten Artikel, wie z. B. Handschuhe Größe 7, reserviert. Die Bestimmung des Lagerortes und somit die schnelle Auffindbarkeit macht diese Art der Lagerung vorteilhaft. Ein Nachteil ist, dass es bei schwankendem Bedarf zu einer schlechten Auslastung der Lagerkapazität kommt und Sortimentsveränderungen immer mit Umräumaktionen in den Regalen verbunden sind. Bei einer chaotischen Lagerplatzzuordnung werden die Artikel einem freien Lagerplatz zugeordnet. Dies wird in der Regel von einem Lagerverwaltungssystem automatisch durchgeführt. Der wesentliche Vorteil dieser Lagerart ist, dass im Gegensatz zur festen Lagerplatzzuordnung eine sehr gute Auslastung der Lagerkapazität erreicht wird.
Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung
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Jedoch werden EDV-Systeme und die entsprechende Hardware dazu benötigt, was allerdings mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden ist. Daraus erklärt sich, warum solche Lagerverwaltungssysteme nur in hinreichend großen Einrichtungen anzutreffen sind. 3.2.3 Bestandsführung Eine weiterhin sehr wichtige Aufgabe der Materialwirtschaft ist die Sicherstellung der Verfügbarkeit der benötigten Waren. Da es in den deutschen Krankenhäusern eher üblich ist, einen dezentralen Einkauf und auch eine dezentrale Lagerhaltung zu führen, bestehen große Mängel in der Bestandspflege. Das Nachbestellen von Artikeln, meist durchgeführt vom Pflege- oder Funktionspersonal, wird aus Zeitmangel sowie durch den üblichen Schichtdienst relativ unkoordiniert durchgeführt. Daher kommt es häufig zu Doppelbestellungen, oder es kommt zu Bestellungen von Waren, die normalerweise noch in ausreichender Menge vorhanden sind. Des Weiteren sind die Materialbestände durch die mangelhafte EDV-mäßige Bestandsführung sehr intransparent (auch Schwundprobleme). Aus diesem Grund kommt es nicht selten zu einer Diskrepanz zwischen Lagerreichweite und Verbrauch. Die hohen Lagerbestände haben zur Folge, dass zum einen die Kapitalbindungskosten steigen und somit auch eine hohe Lagerkapazität besteht. Zum anderen müssen die Artikel aufgrund der begrenzten Haltbarkeit nach einer langen Verweildauer entsorgt werden. Neben dem Preisverlust fallen darüber hinaus also auch zusätzliche Kosten für die Entsorgung an. 3.2.4 Kommissionierung Unter Kommissionierung versteht man die Zusammenstellung der Artikel für einen Kundenauftrag durch Aufsuchen der Lagerplätze und Entnahme der Artikel in einem zentralen Lager. Hierbei gibt es unterschiedlich Kommissioniersysteme: • Person zur Ware: Anhand einer Kommissionierliste, die den Lagerplatz, Artikelnummer und die zu entnehmende Menge enthält, entnimmt der Kommissionierer die angeforderten Mengen vom Lagerplatz und stellt den Kundenauftrag zusammen. Dieses Kommissionierprinzip wird am häufigsten angewandt, weil diese Methode eine leichte Einarbeitung gewährleistet. Der Nachteil ist, dass lange abzulaufende Wege durch den Kommissionierer eingeplant werden müssen.
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• Ware zur Person: Bei diesem Prinzip werden die zu kommissionierenden Waren in einer Bereitstelleinheit aus einem Lager an einen vorgegebenen Platz transportiert und vom Kommissionierer entnommen. Wenn sich in der Bereitstelleinheit nach Entnahme noch Ware befindet, wird diese wieder in das Lager zurücktransportiert. Dieses Kommissionierprinzip bietet den Vorteil, dass die abzulaufenden Wege des Kommissionierers deutlich reduziert werden und somit auch die körperliche Belastung minimiert wird. Kommissionieren nach „Ware zur Person“ wird meist bei Hochregallagerungen mittels autom. Fördersystem angewendet. • Einstufige Kommissionierung: Artikel werden einzeln entnommen und bereitgestellt. Dieses Verfahren ist wegen der hohen Auftragsdurchlaufzeit sehr aufwendig • Mehrstufige Kommissionierung: Entnahme der Artikel für mehrere Aufträge. Danach werden die Artikel zu einem anderen Platz transportiert und dort nach einzelnen Aufträgen getrennt. • Serielle Kommissionierung: In den verschiedenen Lagerzonen werden die Kundenaufträge nacheinander bearbeitet. Die Lagerzonen können von einem Kommissionierer pro Auftrag durchlaufen werden, oder von einem Kommissionierer pro Lagerzone. Dieses System bringt den Vorteil, dass es von der Durchführbarkeit sehr unproblematisch und schnell organisierbar ist, doch sind die Auftragsdurchlaufzeiten relativ lang. Es kann auch zu Übergabeproblemen mit der nächsten Lagerzone kommen. • Paralleles Kommissionieren: Die Aufträge des Kunden werden nach Lagerzonen in Teilaufträge zerlegt. Somit kann die Kommissionierung in den einzelnen Lagerzonen parallel erfolgen. Nach der Kommissionierung werden die Teilaufträge zusammengefügt. Das parallele Kommissioniersystem hat den Vorteil, dass die Auftragsdurchlaufzeit sehr kurz ist. Jedoch ist die Teilung der Aufträge sehr aufwändig, vor allem wenn ohne die entsprechenden EDV-Hilfsmittel gearbeitet werden muss. (vgl. Siepermann 2004, S. 105ff.) Nach der Kommissionierung werden die Artikel im Warenausgangbereich für den Transport zum Bedarfsträger entweder in Transportgestellen oder Transportwagen bereitgestellt.
Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung
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3.3 Distributionslogistik Bei der Distributionslogistik gibt es zwei unterschiedliche Verfahrensweisen für die Verteilung der Güter an die Bedarfsträger. Man unterscheidet zwischen Interner Versorgung (Inhousetransporte) und Externer Standortversorgung. • Interne Versorgung: Geht man von dem Fall aus, dass sich das zentrale Lager direkt im Krankenhaus befindet (dies ist oft bei kleinen Krankenhäusern der Fall), so wird die Belieferung der Materialien zu den Bedarfsträgern durch den internen Hol- und Bringedienst durchgeführt. Bei diesem Verfahren verwendet der Hol- und Bringedienst als Träger die so genannten „Transportgestelle“ (vgl. Abb. 3). • Externe Standortversorgung: Geht man dagegen von dem Fall aus, dass sich das zentrale Lager direkt im Krankenhaus befindet, welches aber mehrere Krankenhausstandorte in der Umgebung hat, so wird die Belieferung der Materialien zu den Bedarfsträgern an den jeweiligen Standorten durch LKW-Fahrer durchgeführt. Bei diesem Verfahren verwenden die LKW-Fahrer als Träger die so genannten „Transportwagen“ (vgl. Abb. 3). Die Transportwagen eignen sich auf Grund ihrer robusten Bauart sehr gut für den LKW-Transport. Transportgestell
Transportwagen
Abb. 3: Transportgestell und Transportwagen
Bei beiden Verfahrensarten werden die Bedarfsstellen zu einem bestimmten Rhythmus beliefert. Dies kann je nach Bedarfsstelle unterschiedlich
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sein und wird daher auch als Quasi-Optimum dargestellt, das sich durch die Erfahrungen der für die Kommissionierung und Verteilung zuständigen Mitarbeiter über die Zeit eingestellt hat. Der Rhythmus kann somit bei einer einmal wöchentlichen oder auch bei einer täglichen Belieferung liegen (Regeltransporte). Darüber hinaus existieren aber auch die so genannten „Eiltransporte“; diese Transporte treten zwar nicht häufig aber jeweils spontan auf. Die Warenannahme, die Bestandskontrolle und das Einräumen der Waren im Bedarfsstellenlager werden zu 80% vom Stationspersonal der Bedarfsstellen selbst durchgeführt und nehmen täglich 7-10% der Gesamtarbeitszeit des Stationspersonals in Anspruch (vgl. Siepermann 2004, S. 122ff.). Aus diesem Grund steht derzeit häufig bei Krankenhäusern zur Diskussion, das Modell der Versorgungsassistenten für die logistischen Tätigkeiten wie z. B. für die Kontrolle der Warenbestände, für die Auslösung der Anforderungen sowie für die Wiederauffüllung der Bedarfsstellenlager einzusetzen. Gleichzeitig können aber auch die Wareneingangsfunktionen, die Kommissionierfunktionen oder auch die Transportfunktionen durch die Versorgungsassistenten im Zentrallager übernommen werden. Hierbei besteht das Hauptziel, das Stationspersonal von diesen Aufgaben zu entlasten.
4 Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung in der Krankenhauslogistik In der Krankenhauslogistik liegen 65% aller Rationalisierungsreserven im Einkaufsmanagement und in der Logistikorganisation (vgl. Siepermann 2000, S. 12). Bei einer Befragung von 47 Krankenhäusern in Deutschland ergab sich, dass 55% unzufrieden mit der Qualifikation ihrer Mitarbeiter in Bezug auf die Logistik sind. Um die Verbesserungspotentiale der eigenen Krankenhauslogistik zu realisieren und eine Qualitätssteigerung bei gleichzeitiger Reduktion der Kosten erreichen zu können, ist eine gezielte Auswahl qualifizierter Mitarbeiter im Bereich der Logistik nötig (vgl. Studie von Logo-Team 2008, S. 15f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch ein professioneller Logistikmanager. Durch den Logistikmanager sollten alle logistischen Tätigkeiten in einer Abteilung unter einheitlicher Verantwortung gebündelt werden.
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4.1 Auf dem Weg zu einem zentralen Supply Chain Management Nach der Erhebung von Siepermann (2004) liegt in den meisten Fällen die Zuständigkeit für logistische Fragen nicht einmal in der Hand einer einzelnen Abteilung. Die logistischen Aufgaben werden eher zersplittert in verschiedenen Funktionsbereichen und -ebenen wahrgenommen. Der Weg sollte daher zu einem zentralisierten Supply Chain Management führen. Es umfasst die unternehmensübergreifende, zentrale Koordination von Material- und Informationsflüssen entlang der gesamten Logistikwertschöpfungskette: Ausgehend von der Materialbeschaffung beim Lieferanten über die Lagerhaltung bis hin zur Auslieferung beim Bedarfsträger, so dass ein schneller und effizienter Ablauf möglich ist. Ein effizienter Ablauf setzt jedoch vor allem Prozessdenken voraus, was zum einen mehr Transparenz in den Prozessen schafft und zum anderen zu einer Verringerung der Prozesskosten führen kann.
4.2 Von der dezentralen zur zentralen Krankenhauslogistik Diese Strategie schließt auch den Bereich Einkauf ein und erklärt sich aus der naheliegenden Fragestellung: Warum die Häufigkeit der Bestellung durch dezentrale Einkaufsabteilungen hoch und somit unwirtschaftlich halten? Ein gemeinsamer Einkauf erhöht die Verhandlungsposition eines Krankenhauses und ermöglicht bei einer größeren Abnahmemenge die Realisierung von Mengenrabatt. Außerdem muss dadurch zugleich auch das Artikelsortiment standardisiert werden, wodurch die Anzahl der Lieferanten reduziert wird. Des Weiteren wird das Pflege- bzw. Stationspersonal von diesen Aufgaben entlastet. Ein elektronisches Beschaffungssystem bietet dabei für eine effiziente Abwicklung der Bestellungen einen klaren Vorteil.
4.3 Konzentrationen auf die Kernprozesse Bei dieser Strategiewahl werden von Krankenhäusern häufig Fremdvergaben der Sekundärdienstleistung wahrgenommen. Durch die Fremdvergabe von Leistungen an spezialisierte Dienstleister ergeben sich für Krankenhäuser zunehmend strategische Chancen. Vor allem lassen sich Verschwendungen vermeiden und eine Optimierung der Ressourcenallokation in der Logistikkette erreichen. Vorteile in der Qualität ergeben sich gerade
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in der Entlastung des Stations- und Pflegepersonals, da die Randaufgaben, die vielfach bei dem Personal als belastend empfunden wird, von qualifizierten Mitarbeitern des Dienstleistungsunternehmens übernommen werden können. Somit wird die Professionalität der Leistungserstellung deutlich erhöht, was dazu beiträgt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Krankenhäuser gesteigert wird. Weiterhin führt eine Fremdvergabe an spezialisierte Dienstleister zur Entflechtung der komplexen Organisationsstruktur und trägt zur Vereinfachung der Abläufe in den Krankenhäusern bei. Die Übernahme der Sekundärleistungen erlaubt dem Dienstleister nicht nur eine qualitative Verbesserung für die Krankenhauslogistik, sondern auch eine wirtschaftlichere Verbesserung. Vor allem können Krankenhäuser von den Lohnkostenunterschieden, die sich aus dem deutlich niedrigeren Lohnniveau der Logistikbranche im Vergleich zum Krankenhaussektor ergeben, profitieren. Der Dienstleister kann aus diesem Grund die gleichen Leistungen zu geringeren Personalkosten als das Krankenhaus anbieten. Durch die Spezialisierung haben die Dienstleister eine bessere Beschaffungsmarktübersicht. Aus dieser resultierenden Marktmacht können zugleich die Ressourcen kostengünstiger beschafft werden. Durch den Abbau der eigenen Kapazitäten und für die Bezahlung der Inanspruchnahme der Dienstleistung des Dienstleistungsunternehmens, werden die fixen Kosten in variable Kosten umgewandelt. Bei einem Fixkostenanteil von 90% in Krankenhäusern, hat dieser Aspekt daher eine besondere Bedeutung. In vielen Krankenhäusern gibt es weiterhin enorme Zurechnungsprobleme und eine nicht ausgebaute Kosten- und Leistungsrechnung für die Logistik. Diese Kosten gehen deshalb zugleich in einem großen Block als Gemeinkosten in die Berechnung ein, was nicht zur Verbesserung der Transparenz beiträgt. Durch die Nutzung moderner EDV-Lösungen können auf eine sehr einfache Weise die Gemeinkosten in Einzelkosten umgewandelt werden. Dies trägt deutlich zu besserer Planbarkeit und erhöhtem Kostenbewusstsein bei (vgl. Siepermann, S. 168ff.).
5 Zusammenfassung Die Herausforderung für Krankenhäuser besteht darin, die o. g. Koordinationselemente zu kombinieren, so dass die jeweiligen Vorteile überwiegen und die Nachteile weitgehend vermieden werden. Wollen Krankenhäuser eine Qualitätssteigerung und Kostenminimierung in der Logistik erreichen und auf die sich verschärfenden Marktbedingungen reagieren, so sollte der Fokus auf eine Zentralisierung der Krankenhauslogistik gelegt werden. Mögliche Verbesserungspotenziale sind dabei:
Strategien zur Kostensenkung und Qualitätssteigerung
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• Aufbau eines Logistikmanagements, • Aufbau eines Logistikcontrollings, • Entwicklung einer Prozesskostenrechnung für mehr Kostentransparenz, • Entwicklung eines Informations- und Kommunikationssystems, • Aufbau eines Warenwirtschaftssystems, • Standardisierter Produktkatalog, • Ausnutzung von Mengenrabatten beim Lieferanten. Für die Zukunft brauchen Krankenhäuser, um Wettbewerbsfähig zu bleiben, einen strategischen Partner, um die oben genannten Verbesserungspotenziale bei der Krankenhauslogistik wahrnehmen zu können. Dienstleistungsunternehmen im Bereich Facility Management verfügen dabei über das Know-how, um hochwertige Leistungen im Bereich der Logistik zu erbringen. Hierbei wird sich vor allem das Logistikkonzept „Versorgungszentren“ in naher Zukunft auf dem Markt durchsetzen.
Literatur: Drauschke S, Pieper U (2001) Beschaffungslogistik und Einkauf im Gesundheitswesen. Kosten senken Qualität erhöhen. Luchterhand, Köln Hofbauer G, Hellwig C (2005) Professionelles Vertriebsmanagement. Der prozessorientierte Ansatz aus Anbieter- und Beschaffersicht. Publicis, Erlangen Krankenhaus Logistics (2008): www.krankenhauslogistics.com Logo-Team (2008) Krankenhauslogistik, Ergebnis-Zusammenfassung der Befragung von Krankenhäusern zur Krankenhauslogistik. o.V., Karlsruhe Hamburg Köln München Siepermann C (2000) Neue Ansätze des Logistik-Controlling im Krankenhaus, Arbeitspapiere zur Logistik. o.V., Kassel Siepermann C (2004) Stand und Entwicklungstendenzen der Krankenhauslogistik in Deutschland. Empirische Erhebung und vergleichende Analyse. Verlag für Wissenschaft und Forschung, Berlin
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Kodierung und Leistungserfassung Arno Kinnebrock und Ulrich Overhamm
1 Einleitung Kodierung und Leistungserfassung sind zentrale Themen für Krankenhäuser und für deren Erlössituation von entscheidender Bedeutung. Im stationären Bereich bildet die Kodierung die Grundlage für die DRG und damit die Erlösermittlung des einzelnen Falls. Die stationäre Leistungserfassung beinhaltet aber nicht nur die DRG-Ermittlung anhand der entsprechenden ICD- und OPS-Schlüssel. Mit Einführung des DRG-Systems in Deutschland ist die Kostenträgerrechnung für die Krankenhäuser unabdingbar geworden. Als Kostenträger gilt dabei die einzelne DRG. Jedes Krankenhaus muss daher wissen, welche Kosten für die einzelne DRG anfallen, um eine entsprechende Leistungsplanung und Leistungssteuerung vornehmen zu können. Die Erfassung und Abrechnung ambulanter Leistungen ist volumenmäßig in den Krankenhäusern von weitaus geringerer Bedeutung als die stationäre Abrechnung, sie nimmt jedoch stetig zu. Ebenso wie die Abrechnung selbst, bilden Kodierung und Leistungserfassung nicht die eigentlichen Kernaufgaben eines Krankenhauses. Deshalb und auch wegen der Komplexität der stationären Kodierung und Abrechnung, die nicht alle Krankenhäuser vorhalten können oder wollen, ist in diesen Sektoren ein zunehmender Trend zum Outsourcing festzustellen.
2 Darstellung der Ausgangssituation
2.1 Rahmenbedingungen Die Pflicht zur Abrechnung nach dem G-DRG-System war für die deutschen Krankenhäuser ein Paradigmenwechsel. Von einer tagessatz- und budgetorientierten Vergütung wurde auf ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschaliertes Vergütungssystem umgestellt. Dadurch haben
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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sich die externen und auch die internen Rahmenbedingungen für die deutschen Krankenhäuser gravierend geändert. Der externe Rahmen wird derzeit u. a. geprägt von der Konvergenzphase. Die Konvergenzphase der Landesbasisfallwerte zur endgültigen DRGEinführung ist bis 2010 verlängert worden, anschließend erfolgt bis 2014 die Konvergenz auf einen bundesweiten Basisfallwertkorridor. Hinzu kommt eine, auch nach dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) weiterhin bleibende, Unterfinanzierung der deutschen Krankenhäuser. So ist es für die Krankenhäuser unabdingbar, unter den gegebenen externen Rahmenbedingungen durch Sicherstellung einer optimalen Kodierqualität ihre Erlöse zu steigern bzw. zu sichern. Intern werden für den Bereich der stationären Abrechnung seit der DRG-Einführung hohe Anforderungen an die Qualität der Abrechnung gestellt. Dies ist bedingt durch die besondere Komplexität und Dynamik der Abrechnungsregelungen und durch ein permanentes Änderungspotential. An die Abrechnungsbeteiligten werden somit besondere Qualifikationserfordernisse erhoben. Neben den aktuellen Abrechnungsregeln, den Kodierrichtlinien und dem medizinischen Wissen, sind auch die Kenntnis der Vereinbarungen zum Datenaustausch nach § 301 SGB V und juristische Kenntnisse erforderlich. In den letzten beiden Jahren hat zudem die Prüfungshäufigkeit der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) enorm zugenommen. Dies alles ist insbesondere für kleinere Häuser oft nur schwer zu bewältigen. Hier kann Outsourcing einen Weg darstellen, eine Erfüllung dieser Anforderungen optimal zu gewährleisten.
2.2 Ambulante Leistungserfassung Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Einnahmesituation im ambulanten Bereich für die Krankenhäuser gesteigert. Insbesondere durch die Umstellung und Ausweitung des Kataloges ambulanter Operationen nach § 115b SGB V im Jahre 2004 hat sich diese Entwicklung beschleunigt. Einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstitut e. V. aus dem Jahr 2008 (vgl. Blum et al. 2008, S. 17) konnte man folgende Entwicklung entnehmen: Im Jahre 2004 lagen die Steigerungen der Fallzahlen zum Vorjahr bei 60%, im Jahr 2005 bei 16%, im Jahr 2006 bei ca. 9% und im Jahr 2007 immerhin erneut bei rund 9%.
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Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach weiter fortsetzen. Im Rahmen der stationsersetzenden Maßnahmen scheint eine weitere Entwicklung des Katalogs nur logisch. Gemessen an der Gesamtfallleistung aller ambulanten und stationären Fälle eines Krankenhauses liegt der Anteil im Mittel aller Krankenhäuser aber noch unter 10%; ein Wert der sich weiter verändern wird. Das GKV-Modernisierungsgesetz von 2003 brachte bekanntermaßen weitere Versorgungsformen zu Tage, welche verbindlich ins Sozialgesetzbuch aufgenommen wurden. Ein für die Krankenhäuser interessanter Veränderungsprozess ist in § 116b SGB V normiert. Die Vorschrift regelt die ambulante Behandlung im Krankenhaus. Der in § 116b Abs. 3 SGB V legaldefinierte Katalog umfasst festgeschriebene, hochspezialisierte Leistungen, seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen. Um diese Leistungen erbringen zu können, werden an das Krankenhaus bestimmte sachliche und personelle Anforderungen gestellt. § 116b Abs. 2 SBG V definiert die Anforderungen an das Krankenhaus wie folgt: „Ein zugelassenes Krankenhaus ist zur ambulanten Behandlung der in dem Katalog nach Absatz 3 und 4 genannten hochspezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt, wenn und soweit es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt ist. Eine Bestimmung darf nicht erfolgen, wenn und soweit das Krankenhaus nicht geeignet ist. Eine einvernehmliche Bestimmung mit den an der Krankenhausplanung unmittelbar Beteiligten ist anzustreben.“ Erfüllt das Krankenhaus diese Vorraussetzungen, muss dieses die Genehmigung der Zulassungsbehörde eingeholen, um diese Leistungen auch formell erbringen zu dürfen. Erst nach positivem Bescheid kann eine Leistungserbringung erfolgen. Die Abrechnung erfolgt direkt mit den Krankenkassen auf Basis des EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab). Aufgrund der hohen Hürden sehen sich nicht alle Krankenhäuser in der Lage, an dieser speziellen Versorgungsform teilzunehmen. In der Regel kommen hier Häuser der Maximalversorgung in Betracht, welche sich durchgängig in diesem Bereich als leistungsfähig betrachten. Aber auch wenn die Krankenhäuser sich zur Leistungserbringung in der Lage sehen, werden nicht alle eine entsprechende Zulassung bei ihrer jeweiligen Landesbehörde beantragen. Die Gründe sind vielfältig, sie liegen in der Regel an den eng gesteckten Vorgaben, vor allem den zu leistenden Mindestmengen. Im weiteren sind nicht immer alles Vertragsärzte in der Region des Krankenhauses mit der Leistungserbringung des Krankenhauses einverstanden. Um die zuweisenden Vertragsärzte nicht zu verlieren, ist eine entsprechende Kommunikation notwendig.
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Ein weiterer Bereich der Leistungserbringung ist der ambulante Notfalldienst der Krankenhäuser. Die Inanspruchnahme erfolgt häufig zu sogenannten Unzeiten und stellt die Patientenversorgung sicher, wenn der ambulante niedergelassene Bereich für die Patienten nicht zur Verfügung steht. Die Abrechnung erfolgt auf Basis des EBM und erfolgt gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen. Ein weiteres Sonderfeld stellen die Ermächtigungen für Chefärzte dar. Hier gewährt die in der Region ansässige Kassenärztliche Vereinigung bei Unterversorgung die Behandlung definierter Leistungen gegenüber ambulanten Patienten durch am Krankenhaus tätige Chefärzte. In der Regel erfolgt die Gewährung mit einer Befristung des Zeitraums für die Leistungserbringung und muss danach wieder erneut beantragt werden.
2.3 Stationäre Leistungserfassung Die Leistungserfassung im stationären Bereich ist die Basis für die DRGKostenkalkulation. Voraussetzung dafür ist eine möglichst fallbezogene Leistungserfassung. Bestimmte Leistungen sind präzise erfassbar, andere müssen über Umlageverfahren zugeordnet werden. Zu den erfassbaren Leistungen gehören diejenigen, die über ein Bewertungssystem dokumentiert werden können. Bei der Kodierung werden mittels OPS-Ziffern Prozeduren und damit Leistungen erfasst. Für viele Interventionen und Tätigkeiten am Patienten sind aber die OPS-Ziffern nicht anwendbar, hier können analoge Tarifziffern wie z.B. nach DKG-NT oder GOÄ herangezogen werden, um diese Leistungen berechenbar zu machen. Weiterhin sind bestimmte Sachkosten (z. B. Implantate) direkt zuordenbar. Für die Ermittlung der Personalzeiten existieren ebenfalls verschiedene Methoden (z. B. Heranziehung von Ergebnissen der Pflege-PersonalRegelung für die Zeiterfassung im Pflegedienst, Erfassung der Personalzeiten im OP etc.). Dies ist in der Regel nur mittels Unterstützung durch ein leistungsfähiges Krankenhaus-Informationssystem (KIS) zu leisten. Häuser, die dies nicht leisten können oder wollen, sind auf vereinfachte Methoden der Kostenkalkulation angewiesen.
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3 Art und Häufigkeit von Abrechnungsproblemen Die DRG-Kodierung und -Abrechnung ist eine äußerst komplexe Materie, die von vielen Faktoren und Bereichen des Krankenhauses beeinflusst wird. Damit die erbrachte Leistung auch sachgerecht abgebildet und entsprechend vergütet wird, sind viele Einzelschritte notwendig, die sehr gut aufeinander abgestimmt sein müssen. Zu einem Behandlungsfall existieren in der Regel mehrere Leistungserbringer. Hier beginnt bereits die Vorarbeit für eine sachgerechte Abrechnung. Durch eine lückenlose Dokumentation werden die Grundlagen einer qualifizierten Kodierung geschaffen. Werden Leistungen nicht oder ungenau dokumentiert, hat dies Auswirkungen auf die Kodierung und damit auf den Erlös. Mit der Vielzahl der Beteiligten steigt dementsprechend auch die Anzahl der potentiellen Fehlerquellen. Hier ist ein stringentes Management notwendig. Auch aufgrund eigener Erfahrungen stellen sich die häufigsten Probleme bei der DRGAbrechnung wie folgt dar.
3.1 Interne Problemfelder 3.1.1 Inkonsistenz von Dokumentation und Kodierung Von besonderer Wichtigkeit ist – neben der korrekten Ermittlung der Kodierung – die Übereinstimmung von Dokumentation und Kodierung. Dies betrifft die Verschlüsselung der Hauptdiagnose und die aufwandsgerechte Kodierung von Nebendiagnosen unter besonderer Berücksichtigung der Pflegedokumentation. Es müssen Strukturen vorhanden sein, die eine Erfassung sämtlicher Leistungen am Patienten transparent machen, so dass sie in eine kodierbare Form umgesetzt werden können. Weiterhin sollen eventuelle Verweildauerüberschreitungen aus der Kodierung und aus der Dokumentation belegbar sein. 3.1.2 Workflow Der Workflow zur (zeitnahen) Erfassung sämtlicher Codes muss auf die speziellen Bedürfnisse des Hauses zugeschnitten sein; er muss von allen Beteiligten mitgetragen werden. Es entstehen häufig enorme Liquiditätsverluste durch eine zu schleppende Kodierung und Reibungsverluste an Schnittstellen, wodurch sich im Ergebnis auch die Abrechnung verzögert.
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Hier können einige Beispiele aufgeführt werden: • Eine zeitnahe Kodierung ermöglicht eine zeitnahe Rechnungsstellung und vermindert Liquiditätsprobleme. Wird die Kodierung zu spät durchgeführt, weil z. B. die Arztbriefe nicht frühzeitig geschrieben werden, führt dies zu verspäteter Fallabrechnung. • Dokumentation und Verschlüsselung von Beatmungszeiten und der intensivmedizinischen Aufwandspunkte erfordert eine enge Zusammenarbeit mit dem Team der Intensivstation, die oftmals zuständig sind für die Erfassung der direkt abrechnungsrelevanten Leistungen. Hier muss eine erhöhte Sensibilität geschaffen und eine kontinuierliche Schulung für diesen Bereich durchgeführt werden. • Für die Interaktion mit Leistungserbringern im Hause (Apotheke, Labor) bei der Erfassung von Leistungen, die mit einem Zusatzentgelt versehen sind, wie z. B. Zytostatika, Blutprodukte müssen Strukturen vorhanden sein, die verhindern, dass abrechnungsfähige Leistungen durch eine nicht optimale Kommunikation nicht abgerechnet werden.
3.2 Externe Problemfelder Zusätzlich zu möglicherweise internen Abrechnungsproblematiken der Häuser hat sich seit der Einführung des DRG-Systems das Zahlungsverhalten der Kassen erheblich geändert. Zusammen mit dem sehr stark gestiegenen Anfrageverhalten sind häufig verzögerte Rechnungsbegleichungen oder gar Zahlungsverweigerungen zu beobachten. Dies führt in nicht unerheblichem Maße zu Liquiditätsproblemen. Im Krankenhaus Barometer 2006 (vgl. Blum et al. 2006, S. 39) wird angegeben, dass es 2005 in fast 60% der Krankenhäuser vorkam, dass stationäre Rechnungen nicht fristgerecht gezahlt wurden. Nach der zweiseitigen Rahmenempfehlung zu § 112 SGB V (länderspezifische Regelungen regeln die Details) haben die Kassen innerhalb von 14 Tagen die Krankenhausrechnungen zu bezahlen, auch wenn sie Beanstandungen sachlicher oder rechnerischer Art haben. Die Anfragen der Kassen und des MDK haben anfangs ebenfalls sehr stark zugenommen, oft sogar in einem Ausmaß (in einigen Häusern lag die Prüfquote bei fast 25%), dass von einer verdachtsabhängigen Einzelfallprüfung nicht mehr gesprochen werden kann. Nach der Frühjahrsumfrage 2008 von medinfoweb.de (vgl. Thieme 2008, S. 2) nimmt die Anzahl der Anfragen aber offenbar etwas ab.
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Der Fokus der Kassenanfragen liegt bei der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung, der Richtigkeit der abgerechneten Leistungen sowie der Dauer der stationären Behandlung (vgl. Blum et al. 2008, S. 31). Aus eigener Erfahrung ist zudem festzustellen, dass einzelne Kassen mit den Krankenhäusern direkt einzelne Problemfälle besprechen, ohne den MDK einzuschalten. Dabei werden gelegentlich regelrechte Fallkonferenzen abgehalten, bei denen strittige Fälle geklärt werden. Die Krankenhäuser tolerieren diesen Weg oftmals, um sich den Aufwand einer MDKEinzelfallprüfung zu ersparen und den „guten Draht“ zu den Kassen nicht zu verlieren. Die Kassen- bzw. MDK-Anfragen insgesamt führen zu einem erheblichen personellen Aufwand in den Krankenhäusern. Die Krankenhäuser sind zum einen durch die Masse der Anfragen personell überfordert, andererseits fehlt oft das Know-how für eine adäquate Bearbeitung der Anfragen. Auch die MDK-Aufwandspauschale in Höhe von bisher 100 Euro (seit Anfang 2009: 300 Euro) bei erfolglosen Prüfungen des MDK deckt den administrativen und personellen Aufwand nicht. Dies führt zu Kapazitätsproblemen im Medizincontrolling, der Patientenverwaltung und der Abrechnung.
4 Modelle der Kodierung Als Kodierung bezeichnet man die Dokumentation der Diagnosen und Prozeduren unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Kodierrichtlinien zur Abrechnung einer DRG. In den Krankenhäusern existieren verschiedene Modelle der Kodierung. Sie müssen optimal auf die Größe und die spezifischen Gegebenheiten des Hauses und der Abteilungen abgestimmt sein. Für die Kodierung ist nach den Kodierrichtlinien grundsätzlich der behandelnde Arzt verantwortlich. In der Praxis existieren verschiedene Modelle der Verschlüsselung und anschließenden Kontrolle zur Abrechnungsfreigabe. Nach Erhebungen des Krankenhaus Barometers 2006 (vgl. Blum et al. 2006, S. 26ff.) erfolgt in 65% der Krankenhäuser die Verschlüsselung durch den Arzt selbst, seltener zentral auf Haus- oder Abteilungsebene. Die Kontrolle der Kodierung erfolgt in 42% der Fälle durch das Medizincontrolling, seltener bei einer zentralen Stelle auf Stations- oder Abteilungsebene (Oberarzt oder DRG-beauftragter Arzt), durch eine zentrale nicht-ärztliche Stelle (z. B. speziell dafür geschulte Klinische Kodierfachkräfte, die die komplette Krankenakte überprüfen) oder durch den verschlüsselnden Arzt selber. In fast der Hälfte der Krankenhäuser wird die
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Kodierung nicht ausschließlich von Ärzten vorgenommen. Dagegen erfolgt die Dokumentation von ärztlichen Leistungen nur in rund einem Fünftel der Häuser auch durch nichtärztliche Berufsgruppen. Grob lassen sich drei unterschiedliche Modelle der Kodierung darstellen:
4.1 Kodierung durch Ärzte Hierbei erfolgt die Primärkodierung meist durch den behandelnden Stationsarzt. Optimalerweise sollte bereits während des stationären Aufenthaltes die Kodierung erfolgen. Insbesondere in den operativen Fächern ist eine zeitnahe Erfassung der OPS-Ziffern, am besten direkt im OP, unerlässlich. Eine Überprüfung der Kodierung erfolgt dann in der Regel durch einen DRG-verantwortlichen Oberarzt, häufig auch unter Einbeziehung der Pflege, um die sog. „pflegerelevanten Nebendiagnosen“ zu berücksichtigen. Die abschließende Kontrolle findet im Medizincontrolling zumeist anhand einer Prüfsoftware statt, die auf Fehler in der Plausibilität und der Kodierrichtlinien prüft. Dieses dreistufige Freigabemodell (vgl. Brost et al. 2004) ist offensichtlich das am häufigsten benutzte Modell in Deutschland. Der Ansatz, dass Ärzte die Kodierung übernehmen, führt in das klassische Spannungsfeld zwischen Medizin und Ökonomie. Einerseits ist gerade der ärztliche Dienst am besten geeignet, die Kodierung mit dem geringsten Informationsverlust umzusetzen – dies gilt insbesondere für den Bereich der OPS-Erfassung. Andererseits zeigen der hohe Schulungsaufwand, die hohe Fluktuation im ärztlichen Dienst sowie die zeitliche und administrative Belastung und die teilweise eher geringe Motivation der Ärzte für die Kodierung die Schwächen dieses Modells auf.
4.2 Einsatz von Kodierfachkräften Der Trend in vielen Häusern geht hin zum Einsatz von speziellen Kodierfachkräften. Dies sind eigens für die DRG-Kodierung ausgebildete Kräfte, optimalerweise mit medizinischer Vorausbildung. Häufig sind es erfahrene Krankenschwestern oder -pfleger, die ihren Tätigkeitsbereich ändern und ihre klinische Erfahrung dort sehr gut einbringen können. Ein dabei sehr üblicher Ablauf ist die Primärkodierung durch den Stationsarzt, eine Kontrolle durch einen Oberarzt/ DRG-beauftragten Arzt mit anschließender Überprüfung und Korrektur dieser Kodierung durch die
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Kodierfachkraft anhand der vorliegenden Patientenakte. Die Freigabe des Falls zur Abrechnung hängt dann davon ab, ob noch Änderungen oder Rückfragen entstehen, die vom Arzt bestätigt werden müssen. Modelle unter Einsatz von Kodierfachkräften scheint sich zunehmend, besonders in größeren Häusern, durchzusetzen. Der Vorteil ihrer Tätigkeit ist, dass eine sehr gründliche Kontrolle und ggf. Korrektur der Kodierung anhand der kompletten Patientenakte nach den Regeln der Deutschen Kodierrichtlinien stattfindet und somit ein umfassender Ansatz erfolgt. Ein Nachteil besteht darin, dass nur ein retrospektiver Ansatz erfolgt, d.h. es kann keine Verweildauersteuerung mit diesem Modell durchgeführt werden. Der Einsatz von Kodierfachkräften ist sicherlich ein sehr aufwändiges Verfahren, das eine eigene Infrastruktur erfordert, trägt aber enorm zur Erlössicherung des Hauses bei. Häufig werden MDK-Anfragen auch von den Kodierfachkräften bearbeitet. In der Regel sind die Kodierfachkräfte dem Medizincontrolling zugeordnet. Eine Variante dieses Modells ist das sog. Remote-Coding, das Kodieren über einen Fernzugriff. Dies wird unter dem Punkt „Outsourcing der Kodierung“ ausführlicher beschrieben.
4.3 Fallbegleiter Der Fallbegleiter stellt in diesem Modell eine Mischung aus Case-Manager und Kodierfachkraft dar; er überwacht die Kodierung eines Falles über den gesamten Aufenthalt. Er hält engen Kontakt mit Ärzten und Pflegpersonal und ist anwesend bei Visiten und Übergaben. Er berät bei der Kodierung, prüft die bisher durchgeführte Kodierung und ermittelt bereits während der Behandlung die Arbeits-DRG. Der Fallbegleiter kann dadurch bei der Verweildauersteuerung beratend zur Seite stehen. Nach der Entlassung des Patienten findet eine Komplettierung der Kodierung anhand der Patientenakte statt. Dieses Modell stellt sicherlich das aufwändigste dar. Es hat seine Berechtigung aber sicherlich in den Bereichen, die nicht durch standardisierte Abläufe geprägt sind; insbesondere durch die prospektive DRG-Ermittlung und die damit verbundenen Möglichkeiten der Verweildauersteuerung.
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5 Outsourcen von Leistungserfassung und Kodierung Outsourcing von Leistungserfassung und Kodierung kann für viele Krankenhäuser sinnvoll und lohnend sein. Es werden damit Bereiche nach außen gegeben, die enorme Bedeutung für das wirtschaftliche Überleben des Krankenhauses haben, aber nicht die eigentlichen Kernkompetenzen eines Krankenhauses darstellen. Das Outsourcing der Abrechnung von ambulanten Leistungen ist bereits sehr etabliert. Noch sehr zögerlich hingegen sind die Krankenhäuser, wenn es darum geht, die DRG-Abrechnung und/ oder -Kodierung und weitere Bereiche aus diesem Komplex außer Haus zu geben. Doch auch gerade hier können für Krankenhäuser jeder Größe und Struktur interessante und lohnende Modelle zur Auslagerung zum Einsatz kommen.
5.1 Outsourcing Erfassung ambulanter Leistungen Im Gegensatz zum stationären Bereich haben sich die Krankenhäuser von jeher bereit erklärt, den ambulanten Bereich fremd zu vergeben. Zum einen weil das Abrechnungsvolumen, gemessen an den Haupteinnahmen der stationären Abrechnung, deutlich geringer ist, zum anderen weil im ambulanten Bereich andere Abrechnungstarife zum Einsatz kommen. Das dazu benötigte Know how steht aber oft in keinem Verhältnis zum Ertrag der aus den Abrechnungen generiert wird. So erklärt sich, dass dieser Bereich häufig ausgelagert wird. Spezielle Dienstleistungsunternehmen sind auf die Bedürfnisse der Krankenhäuser eingegangen und haben individuelle Abrechnungskonzepte erstellt. Diese reichen von klassischen Dienstleistungsverträgen bis hin zu innovativen Abrechnungsmodellen, bei denen in gemeinsamen Gesellschaften der Know-how-Transfer für das Krankenhaus und seine MitarbeiterInnen zur Verfügung gestellt wird. Im weiteren findet häufig ein Prozess- und Fallmanagement im Bereich des Patientenablaufes statt, welcher die Dokumentations- und somit auch die Abrechnungssystematik deutlich verbessern kann. Der Vorteil für die Krankenhäuser liegt klar auf der Hand. Planbare Kosten bei hoher Leistungsanforderung an den Abrechnungsdienstleister. Das Krankenhaus hat auch bei Ausweitung der ambulanten Leistungserbringung keinerlei Kapazitätsprobleme und spart sich zudem die laufenden Schulungs- und Fortbildungskosten für die einzelnen Tarifbereiche. Gerade in den Bereichen, in denen das Krankenhaus mit einem Abrechnungsspezialisten eine gemeinsame unternehmerische Verbindung eingeht, profitiert im besonderen das Krankenhaus. Häufig wer-
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den die KrankenhausmitarbeiterInnen in die neue Gesellschaft übernommen und werden sodann in das Schulungs- und Weiterbildungskonzept des Abrechnungspezialisten integriert.
5.2 Outsourcing im stationären Bereich Ein gewichtiges Argument für die Krankenhäuser, die DRG-Kodierung und ggf. auch -Abrechnung an einen externen Dienstleister zu vergeben, ist die Kontinuität der Dienstleistung, unabhängig von Urlaub und Krankheit. Der Dienstleister gewährleistet zudem, dass die Mitarbeiter immer auf dem aktuellen Stand der jeweils geltenden Regeln sind, so dass aufwändige Schulungsmaßnahmen für das Krankenhaus weitgehend entfallen. Das Outsourcing der stationären Leistungen betrifft meistens die Kodierung und in diesem Zusammenhang dann auch die Abrechnung der stationären Leistungen gegenüber den Kostenträgern. Je nach Größe, Struktur und Organisationsgrad des Krankenhauses sind verschiedene Modelle in unterschiedlichen Ausprägungen denkbar. Die Anbieter auf diesem Sektor haben aus diesen speziellen Anforderungen heraus Produktmodelle entwickelt, die diese Bereiche optimal abdecken. Die Spannbreite reicht dabei von der Ausgliederung einzelner Leistungsbereiche über das Outsourcen von ganzen Abteilungen bis hin zur Bildung von Organschaften unter Beteiligung des Krankenhauses. Diese übernehmen dann das komplette Kodierungs- und Abrechnungsmanagement, die Bearbeitung der MDK-Anfragen und auch das Medizincontrolling. In der Praxis sind Modelle entstanden, die in Ihrer Ausprägung und Komplexität erheblich variieren können und dadurch oft hausindividuell zugeschnitten sind. Zur Zeit werden folgende Grundmodelle des Outsourcing der Kodierung und Abrechnung angeboten und erfolgreich praktiziert: 5.2.1 Externe Abrechnung/ Rechenzentrum Dieses Modell ist für Krankenhäuser interessant, die ihre Kodierkompetenz im Hause halten wollen und lediglich das Abrechnungsmanagement auslagern möchten. Hierbei findet eine reine Abrechnung der stationären Fälle statt. In der Regel werden die bereits kodierten Fälle in Form eines Datensatzes an den externen Dienstleister übermittelt. Er generiert daraus die DRG und erstellt daraus die Rechnung samt den DTA-Datensätzen, ferner versendet er diese an den Kostenträger. Hierbei muss der Dienstleis-
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ter aus technischen Gründen natürlich die gesamte § 301-Kommunikation übernehmen. Bei diesem Modell bietet es sich an, dass über den Dienstleister auch das Forderungsmanagement mit den Kassen abgewickelt wird, d. h. er überwacht den Zahlungsverkehr, führt das Mahnwesen durch und schüttet die eingezogenen Gelder an das Krankenhaus aus. In der Regel wird hierbei die fachliche Kommunikation mit den Kassen bzw. dem MDK von dem Krankenhaus geführt; hier ist eine enge Absprache z. B. bzgl. der Korrekturen von Fällen zwischen Dienstleister und Krankenhaus notwendig. Optionale Vereinbarungen können bezüglich der Rückübermittlung von Buchhaltungsdaten an das Krankenhaus, der Erstellung von Statistiken, der Übermittlung der § 21-Daten, etc. getroffen werden. 5.2.2 Externe Kodierung und Abrechnung Einen Schritt weiter geht dieses Modell; hier erhält der Dienstleister die Patientenakte z. B. über einen regelmäßigen Fahrdienst zur Kodierung. Optional kann eine Vorkodierung aus dem Krankenhaus, z. B. in Form eines Ausdrucks vorliegen. Zwingend ist in jedem Fall die Rückmeldung an- und die Freigabe durch den Arzt, bevor die DRG zur Abrechnung gelangt. Die Generierung der DRG erfolgt im System des Dienstleisters, er übernimmt dann auch das Abrechnungs- und Forderungsmanagement, wie bereits oben beschrieben. Wichtig bei diesem Modell ist die kontinuierliche Rückmeldung an die Leistungserbringer, um eine Verbesserung der Kodierqualität zu erreichen. Da der externe Dienstleister die Kodierkompetenz vorhält, kann die fachliche Korrespondenz mit den Kassen bzw. dem MDK auch über ihn durchgeführt werden. Weiterhin kann bei diesem Modell auch die Übernahme von weiteren Aufgaben des Medizincontrollings erfolgen, indem z. B. standardisierte Reports erstellt werden, die Ergebnisse zu wichtigen Kennzahlen ergeben. Ein Produktmodell in diesem Bereich ist z. B. DRG connect, eine Kooperation der PriA Dienstleistungen im Gesundheitswesen und 3M Health Information Systems (vgl. www.drg-connect.de). Auch hier ist die Datenrückübermittlung an das Krankenhaus (§ 21Daten, Buchhaltungsdaten) ein Bestandteil der Dienstleistung, da die meisten Häuser eine Rückspiegelung der Daten in ihr KIS wünschen. Die Vor-Ort-Tätigkeit des Dienstleisters ist eine weitere Abwandlung diese Modells. Hier werden Kodierfachkräfte und ggf. auch MedizinController des Dienstleisters im Auftrag des Krankenhauses tätig. Auch
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die Gründung von Servicegesellschaften, an denen das Krankenhaus und der Dienstleister beteiligt sind, ist eine weitere Option. 5.2.3 RemoteCoding Hier erfolgt über eine geschützte VPN-Leitung ein selektiver Fernzugriff auf das KIS des Krankenhauses. Die Patientenakten werden dem externen Dienstleister über einen regelmäßigen Fahrdienst zur Verfügung gestellt. In der Regel existiert bereits eine ärztliche Vorkodierung, die anhand der Krankenakte direkt im KIS entsprechend korrigiert bzw. ergänzt wird. Auch hier ist eine Rückmeldung an den behandelnden Arzt vor der endgültigen Freigabe des Falls zur Abrechnung notwendig. Die Abrechnung der Fälle selbst wird dann vom Krankenhaus vorgenommen.
5.3 Überprüfung auf Erlöspotentiale Ein relativ neues Feld des Outsourcing im Bereich der DRG-Kodierung ist das nachträgliche Überprüfen auf nicht realisierte Erlöspotentiale durch unzureichende Kodierung mit dem Ziel der Nachberechnung gegenüber den Kassen. Die Krankenhäuser haben nach geltender Rechtsprechung die Möglichkeit, im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist eine nachträgliche Berichtigung der Kodierung vorzunehmen und nicht realisierte Erlöse der Kasse nachträglich in Rechnung zu stellen (vgl. Urteil des SchleswigHolsteinischen Landessozialgerichts, Az: L5KR27/07). Der Aufwand für die Krankenhäuser, die Fälle zu selektieren, bei denen eine Unterkodierung möglich ist, ist sehr hoch und häufig intern nicht zu erbringen. Oftmals wird daher ein externer Dienstleister beauftragt (z. B. PriA Dienstleistungen im Gesundheitswesen in Kooperation mit 3M Health Information Systems), der die Fallselektion und anschließende Überprüfung anhand der Akte durchführt. Besteht in einem Haus der Verdacht auf Unter- oder Fehlkodierung, wird im ersten Schritt eine Analyse des § 21er-Datensatzes durch ein spezielles EDV-Tool vorgenommen. Die Software führt dabei nach bestimmten Kriterien Simulationen durch und filtert die Fälle heraus, bei denen eine Nachkodierung möglich bzw. wahrscheinlich ist. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Überprüfung der selektierten Fälle anhand der Patientenakte. Sollte bei einem Fall eine Nachberechnung möglich sein, muss natürlich die Kodierung so fundiert sein, dass sie einer – sehr wahrscheinlichen – MDK-Prüfung standhalten kann.
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Bei all den genannten Modellen ist natürlich auf die Einhaltung der jeweils geltenden Datenschutzbestimmungen zu achten.
Literatur: Blum K, Offermanns M, Schilz P (2006) Krankenhaus Barometer Umfrage 2006, Deutsches Krankenhaus Institut e.V., Düsseldorf Blum K, Offermanns M, Perner P (2008) Krankenhaus Barometer Umfrage 2008, Deutsches Krankenhaus Institut e.V., Düsseldorf Brost H, Fränkel P, Behrendt W (2004) Änderung der Kodierqualität – das dreistufige Freigabemodell. Das Krankenhaus, Heft 10: 811-813 Thieme M (2008) Frühjahrsumfrage 2008 (http://medinfoweb.de/apps/webeditor//files/ 20080710_ medinfoweb_ ergebnis_fruehjahrsumfrage_mdk_krankenhaus_2008.pdf)
Teil 3: Organschaften und Horizontale Privatisierung
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Organschaften und Horizontale Privatisierung Hans Joachim König, Ricarda Baudis und Christof Brößke
1 Organschaften als Kooperationsformen im Rahmen des Outsourcing
1.1 Überblick Bei dem Versuch, das Phänomen der „Organschaft“ unter rechtlichen Gesichtspunkten darzustellen, stellt man sehr schnell fest, dass es sich um ein interessantes Beispiel dafür handelt, wie rechtliche und steuerrechtliche Kooperationsformen in der Praxis genutzt werden können und auch tatsächlich genutzt werden, um organisatorische und betriebswirtschaftliche Ziele zu erreichen. Beim Einsatz von Organschaften im Gesundheitswesen geht es inhaltlich um die Organisation der so genannten Tertiärprozesse bzw. der tertiären Dienstleistungen des Facility Managements, wie sie im Beitrag von Kirchner u. Knoblich in diesem Sammelband im einzelnen definiert worden sind. Dabei konzentrierte sich die Praxis bisher im Wesentlichen auf den Bereich der so genannten infrastrukturellen Dienstleistungen gemäß der Spezifizierung im Beitrag von Kirchner u. Knoblich (in in diesem Sammelband), also angefangen von der Reinigung über Catering, Sterilgutaufbereitung, Bettenmanagement bis hin zur Flächenbewirtschaftung – alles Bereiche, die aus Sicht des Krankenhauses außerhalb seiner eigentlichen Kernkompetenz der medizinischen Versorgung stehen. Die Nutzung der Organschaft zur Organisation infrastruktureller Dienstleistungen im Krankenhaus stellt sich als Ergebnis einer Entwicklung dar, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Bis weit in die Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein war das Feld der Erbringung infrastruktureller Dienstleistungen in den Krankenhäusern der Bundesrepublik Deutschland geprägt von zwei sehr unterschiedlichen Organisationsformen. Zum einen wurden die infrastrukturellen Dienstleistungen von den Krankenhäusern selbst organisiert und erbracht (im Folgenden wird dies als „Eigenleistungsmodell“ bezeichnet). Zum anderen wurden damit externe Dienstleistungsunternehmen beauftragt (wenn im Folgenden die Bezeichnung Dienstleistungsunternehmen verwendet wird, sind damit durch-
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gängig die am Markt tätigen privaten Anbieter infrastruktureller Dienstleistungen für Krankenhäuser gemeint), die sich auf eine oder mehrere infrastrukturelle Dienstleistungen sowie auf das Krankenhaus als Auftraggeber und die ihm eigentümlichen aus seiner Funktion und Organisation abgeleiteten Anforderungen spezialisiert hatten (im Folgenden wird dies als „Outsourcing-Modell“ bezeichnet). Unter rechtlichem Blickwinkel bedeutete dies, dass die das Eigenleistungsmodell bevorzugenden Krankenhäuser nicht nur die medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten, sondern auch den Bereich der infrastrukturellen Dienstleistungen selbst organisierten und mit eigenen Arbeitnehmern erbrachten. Vor allem die damals noch zahlreich anzutreffenden Krankenhäuser in unmittelbar öffentlich-rechtlicher Trägerschaft standen damit vor der Aufgabe, mit einem in Relation zur eigentlichen Aufgabe der medizinischen Versorgung übermäßig aufgeblähten Personalbestand, der zudem noch den Regelwerken des öffentlichen Tarifrechts unterstand, effizient zu wirtschaften. Bei der Anwendung des Outsourcing-Modells wurden von der juristischen Person des Krankenhausträgers hierauf spezialisierte Dienstleistungsunternehmen mit der Erbringung von Dienstleistungen auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrages beauftragt. Diese Vorgehensweise entlastete die betreffenden Krankenhäuser von der Vorhaltung des für die betroffene Dienstleistung benötigten Personals. Darüber hinaus gewährleistete die Spezialisierung der beauftragten Dienstleistungsunternehmen und die damit verbundene Know-how-Konzentration, dass die jeweilige infrastrukturelle Dienstleistung im Regelfall kompetenter und vor allem effizienter als durch das Krankenhaus selbst erbracht werden konnte. Zudem waren die Dienstleistungsunternehmen nicht an den öffentlichen Tarif gebunden, sondern unterlagen aus Sicht des Krankenhauses und der Dienstleistungsunternehmen günstigeren Tarifverträgen. In Kauf zu nehmen war dabei jedoch, dass die Integration der derart erbrachten infrastrukturellen Dienstleistungen in die Organisation des Krankenhauses durch das Entstehen von Schnittstellen erschwert wurde, deren störende Wirkung nicht immer durch die mehr oder weniger geschickte Formulierung der zugrunde liegenden Dienstleistungsverträge verhindert oder abgemildert werden konnte. Seit Anfang der 90er-Jahre machte sich zudem der mit zunehmender Verschärfung des Vergaberechts (vgl. Vergaberechtsänderungsgesetz, verabschiedet am 29.05.1998, als Vierter Teil des Gesetztes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in Kraft getreten am 01.01.1999) wachsende Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Erteilung von Dienstleistungsaufträgen bemerkbar. Schließlich mussten die Krankenhausträger feststellen, dass die Vergütung der Dienstleistungsunternehmen mit einer im Eigenleistungsmodell nicht vorhandenen Auf-
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wandsposition in Form der Umsatzsteuer belastet war, da die von den Dienstleistungsunternehmen erzielten Umsätze gem. § 13 iVm. § 1 UStG umsatzsteuerpflichtig sind. Da die Krankenhäuser selbst für die von ihnen erbrachten medizinischen und pflegerischen Leistungen gem. § 4 Ziff. 16 UStG keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen, entfiel für sie der im übrigen Wirtschaftsverkehr übliche Vorsteuerabzug. Dies bedeutete, dass die durch die Dienstleistungsunternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer endgültig als Aufwand vom Krankenhausträger zu übernehmen war. Insbesondere die zuletzt geschilderten Nachteile des OutsourcingModells führten dann Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung einer Konzeption, für die in der Praxis, wie auch in der Überschrift zu diesem Beitrag, verbreitet die Bezeichnung „Organschaft“ verwendet wird, obgleich dieser Begriff, wie nachstehend zu zeigen ist, letztlich zu eindimensional ist, um das zu bezeichnende Phänomen begrifflich zu erfassen. Im Kern geht es beim Organschaftsmodell um eine Verbindung des Eigenleistungsmodells mit dem Outsourcing-Modell dergestalt, dass die jeweiligen Vorteile genutzt und die jeweiligen Nachteile möglichst vermieden werden. Dies wird dadurch erreicht, dass der Krankenhausträger und das hierzu bestimmte Dienstleistungsunternehmen sich gemeinsam an einer Kapitalgesellschaft (der Krankenhausträger mehrheitlich und das Dienstleistungsunternehmen als Minderheitsgesellschafter) beteiligen. Im Folgenden werden derartige Gesellschaften unter Abweichung vom Begriff der „Organschaft“ als „gemeinsame Servicegesellschaft“ bezeichnet. Es ist Aufgabe der gemeinsamen Servicegesellschaft, die beanspruchte Dienstleistung zu erbringen, d. h. der Dienstleistungsvertrag über die zu erbringende Dienstleistung wird zwischen dem Krankenhausträger und der gemeinsamen Servicegesellschaft abgeschlossen. Die gemeinsame Servicegesellschaft erbringt die Dienstleistungen mit eigenen Mitteln, also insbesondere mit eigenen Arbeitnehmern. Diese sind daher, je nachdem, ob vor Errichtung der gemeinsamen Servicegesellschaft vom Krankenhausträger das Eigenleistungsmodell oder das Outsourcing-Modell praktiziert worden ist, gem. § 613a BGB entweder vom Krankenhausträger oder vom ursprünglichen Dienstleistungsunternehmen in die gemeinsame Servicegesellschaft zu überführen. In der Regel wird dies dadurch erreicht, dass die bisher für die Erbringung der Dienstleistungen erforderlichen, sächlichen Mittel vom Krankenhausträger bzw. dem ursprünglichen Dienstleistungsunternehmen in die gemeinsame Servicegesellschaft eingebracht werden. (bei Einbringungen durch gemeinnützige Krankenhausträger ist im Übrigen zu beachten, dass die Einbringung derart erfolgen muss, dass die Gemeinnützigkeit nicht gefährdet wird). Ihr für die Organisation und Erbringung der Dienstleistung erforderliches spezifisches
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Know-how erhält die gemeinsame Servicegesellschaft vom Dienstleistungsunternehmen. Hierzu wird zwischen der gemeinsamen Servicegesellschaft und dem Dienstleistungsunternehmen ein sog. Service- und Beratungsvertrag abgeschlossen, durch den sich das Dienstleistungsunternehmen verpflichtet, der gemeinsamen Servicegesellschaft ständig sowohl das inhaltliche als auch das organisatorische Know-how für die Erbringung der Dienstleistung gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung zur Verfügung zu stellen. Bei Erfüllung der hierfür bestehenden steuerrechtlichen Voraussetzungen, auf die nachstehend unter Abschnitt 2 noch gesondert einzugehen ist und die im Regelfall gegeben sind, wenn der Krankenhausträger in der gemeinsamen Servicegesellschaft zumindest über eine Mehrheit der Stimmrechte verfügt, bilden der Krankenhausträger und die gemeinsame Servicegesellschaft eine sog. umsatzsteuerliche Organschaft, die dazu führt, dass die gemeinsame Servicegesellschaft die ihr aus dem Dienstleistungsvertrag mit dem Krankenhausträger zustehende Vergütung umsatzsteuerfrei abrechnen kann. Bereits anhand dieses kurzen Überblicks wird ersichtlich, wie durch die gemeinsame Servicegesellschaft die Vorteile des Eigenleistungsmodells mit denen des Outsourcing-Modells kombiniert werden können: • Aufgrund der Beherrschung der gemeinsamen Servicegesellschaft verfügt der Krankenhausträger über einen dem Eigenleistungsmodell vergleichbaren Einfluss auf die Organisation und Durchführung der Dienstleistung einschließlich der Gestaltung der Schnittstellen. • Wie beim Eigenleistungsmodell entsteht kein Umsatzsteueraufwand. • Wie beim Eigenleistungsmodell sind für den Krankenhausträger kraft seiner Gesellschafterstellung in der gemeinsamen Servicegesellschaft die für die Abwicklung der Dienstleistungen im einzelnen entstehenden Aufwandspositionen anhand der Buchhaltungs- und Controllingzahlen vollständig sicht- und durchschaubar. • Entsprechend dem Outsourcing-Modell entfällt für die Mitarbeiter der gemeinsamen Servicegesellschaft im Regelfall die Bindung an das Tarifrecht des Krankenhausträgers (insbesondere bedeutsam für öffentlich-rechtlich oder im Rahmen öffentlich-rechtlich beherrschter Gesellschaften organisierte Krankenhausträger). • Entsprechend dem Outsourcing-Modell stehen dem Krankenhaus die Kompetenz und das Know-how des Dienstleistungsunternehmens zur Verfügung.
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• Entsprechend dem Outsourcing-Modell erfolgt die Steuerung der gemeinsamen Servicegesellschaft auf der Grundlage des Know-hows und der Kompetenz des Dienstleistungsunternehmens. Die vorstehende Aufstellung macht deutlich, warum der Begriff Organschaft, der letztlich vor allem die steuerliche Dimension der gemeinsamen Servicegesellschaft erfasst, für die Beschreibung des Phänomens nicht ausreichend ist. Die Bedeutung der gemeinsamen Servicegesellschaft für die Erbringung infrastruktureller Dienstleistungen im Gesundheitswesen reicht offensichtlich über die rein steuerliche Dimension weit hinaus und sie entgeht auch nur so dem auf § 42 AO gestützten Vorwurf des steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs (vgl. dazu unter 1.5. Gesellschaftsrecht). In Wirklichkeit werden durch die gemeinsame Servicegesellschaft eine ganz Reihe vorteilhafter betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Aspekte mit den sich aus der gemeinsamen Servicegesellschaft ergebenden positiven steuerlichen Folgen verknüpft. Natürlich werden durch die gemeinsame Servicegesellschaft spezifische rechtliche und steuerrechtliche Fragen aufgeworfen. Hierauf soll in dem Rahmen, den dieser Buchbeitrag erlaubt, im Folgenden im Einzelnen eingegangen werden. Nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sind Gestaltungen, bei denen ein Krankenhausträger eine Tochtergesellschaft mit der Erbringung von Dienstleistungen beauftragt, an der er als alleiniger Gesellschafter beteiligt ist, während die Beziehung zum Dienstleistungsunternehmen ausschließlich in einem Service- und Beratungsvertrag besteht. Zwar besteht in diesen Fällen zwischen dem Krankenhausträger und der Tochtergesellschaft eine umsatzsteuerliche Organschaft, da sich jedoch die Beziehung zum Dienstleistungsunternehmen auf Service und Beratung beschränkt, entspricht diese Gestaltung dem Eigenleistungsmodell, verbunden mit geringfügigen Elementen des Outsourcing-Modells, die nicht Gegenstand dieses Beitrags sind.
1.2 Steuerliche Konzeption Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Grundsätzlich sind daher Dienstleistungen, die von Dienstleistungsunternehmen im Rahmen des Outsourcing-Modells für Krankenhäuser erbracht
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werden, umsatzsteuerpflichtig. Mangels Selbständigkeit wird jedoch die Unternehmereigenschaft und damit die Umsatzsteuerpflicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verneint, „wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft)“. Wird demgemäß eine gemeinsame Servicegesellschaft so gestaltet, dass sie die vorbezeichneten Kriterien erfüllt und damit in den Krankenhausträger eingegliedert ist, kann die gemeinsame Servicegesellschaft zumindest ihre Dienstleistungen gegenüber dem Krankenhausträger als Organträger gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG als Innenleistung umsatzsteuerfrei erbringen. Beschränkt wird durch diese Kriterien zunächst die Auswahl der Rechtsformen für eine gemeinsame Servicegesellschaft, da als Organgesellschaften nur juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht kommen (vgl. BFH, BStBl. 1974 II S. 311). Hingegen kann Organträger jeder Unternehmer sein, also auch ein öffentlich-rechtlicher Krankenhausträger, soweit er im Rahmen der medizinischen Versorgung unternehmerische Leistungen erbringt. Üblicherweise wird daher die GmbH als geeignete Rechtsform für eine gemeinsame Servicegesellschaft gewählt. Damit diese als finanziell eingegliedert in den Krankenhausträger als Organträger gilt, muss letzterer über die Mehrheit der Anteile an der gemeinsamen Servicegesellschaft als Organgesellschaft verfügen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit auch die Mehrheit der Stimmrechte in der Organgesellschaft verbunden ist. Da es entscheidend auf die Stimmenmehrheit ankommt (Abschn. 21 Abs. 4 S. 2 UStR) dürfte eine finanzielle Eingliederung auch dann gegeben sein, wenn etwa aufgrund von Mehrstimmrechten der Krankenhausträger zwar über eine Mehrheit an den Stimmrechten, nicht aber über eine Mehrheit am Stamm- oder Grundkapital der Organgesellschaft verfügt. Demgemäß wird man die Beteiligung des Krankenhausträgers an der gemeinsamen Servicegesellschaft so ausgestalten, dass dieser in jedem Fall über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, d. h. im Regelfall wird der Krankenhausträger Geschäftsanteile mit einem Nennwert übernehmen, die mehr als 50% des Stammkapitals der gemeinsamen Servicegesellschaft ausmachen. In Ausnahmefällen, die in der Praxis durch eine vorab eingeholte verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts abgesichert werden, kann der Krankenhausträger durchaus auch Geschäftsanteile erwerben, die weniger als 50% des Stammkapitals der gemeinsamen Servicegesellschaft betragen, wenn diese Geschäftsanteile derart mit Mehrfachstimmrechten ausgestattet sind, dass der Krankenhausträger mit seinen Stimmen über die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung verfügt.
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Die wirtschaftliche Eingliederung ist dadurch charakterisiert, dass die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Organträgers im Rahmen dessen Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesem, wirtschaftlich tätig ist (vgl. Widmann 2007, § 2 Ziff. 21 (5) ). Für die geforderte wirtschaftliche Verflechtung, für die auch die Entstehungsgeschichte der Organgesellschaft von Bedeutung sein kann, ist typisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des Organträgers als dessen Bestandteil erscheint. Die gemeinsame Servicegesellschaft entspricht diesen Anforderungen regelmäßig in geradezu idealtypischer Weise. Sie wird grundsätzlich ausschließlich zu dem Zweck gegründet, Dienstleistungen für den Krankenhausträger als Organträger zu erbringen, und zwar in enger und gewollter organisatorischer Verflechtung. Außenumsätze werden nur in Ausnahmefällen getätigt. Mit ihren Leistungen, die sie anstelle des Organträgers – der sie zur Erbringung seiner eigenen Leistungen zwingend benötigt – erbringt, erfüllt sie in erster Linie eine fördernde und ergänzende Funktion für den Organträger. Die organisatorische Eingliederung schließlich ist gegeben, wenn der Organträger durch organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass in der Organgesellschaft sein Wille auch tatsächlich ausgeführt wird. Im Allgemeinen wird dies bejaht, wenn die gleiche Person Geschäftsführer des Organträgers und der Organgesellschaft ist (vgl. Abschn. 21, Abs. 6 S. 2 UStR m. w. N.; BFH v. 23.04.1959 – BStBl. III S. 256; BFH v. 13.04.1961 – BStBl. III, S. 343). Denkbar ist wohl auch, dass der Geschäftsführer der Organgesellschaft zwar keine Organstellung beim Organträger hat, aber innerhalb dessen Organisation eine leitende Funktion wahrnimmt. Auch diesen Anforderungen kann die gemeinsame Servicegesellschaft durch entsprechend Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ohne weiteres entsprechen, indem die Personenidentität nicht nur faktisch hergestellt, sondern bereits im Gesellschaftsvertrag verankert wird.
1.3 Vergaberecht Der nachfolgende Abschnitt gibt einen Überblick darüber, unter welchen Voraussetzungen die Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft unter Beteiligung eines Dienstleistungsunternehmens dem im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im Folgenden bezeichnet als „GWB“) i. V. m. der Vergabeverordnung (im Folgenden bezeichnet als „VgV“) sowie den Verdingungsordnungen VOB/A, VOL/A und VOF geregelten und durch Vorgaben europäischer Richtlinien geprägten so genannten Kartellvergaberecht unterfällt.
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Das Kartellvergaberecht, für welches der Rechtschutz vor den Vergabekammern im Rahmen der so genannten Nachprüfungsverfahren gegeben ist, kommt zur Anwendung, wenn ein öffentlicher Auftraggeber nach § 98 GWB einen öffentlichen Auftrag gem. § 99 GWB oberhalb des maßgeblichen in § 2 VgV festgelegten Schwellenwertes zu vergeben beabsichtigt und wenn kein Ausnahmetatbestand nach § 100 Abs. 2 GWB eingreift. Vorgenannte Voraussetzungen müssen stets für den jeweils konkreten Sachverhalt geprüft werden. Dies gilt insbesondere für das Bestehen einer öffentlichen Auftraggeberschaft nach § 98 GWB. Gesellschaften als Krankenhausbetreiber, deren Anteile zu 100% von der öffentlichen Hand, z. B. von einer Stadt oder einem Landkreis, gehalten oder die durch die öffentliche Hand in sonstiger Weise überwiegend finanziert werden, sind in der Rechtsprechung bislang als öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB qualifiziert worden, weil die Krankenversorgung durch Zurverfügungstellung von jedermann zugänglichen Krankenhäusern eine klassische Aufgabe der Daseinsvorsorge und insoweit eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art sei (vgl. VK Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2008, AZ.: VK 11/08; VK Thüringen, Beschluss vom 08.05.2008, AZ.: 251-4002.20-899/2008-006-G; VG München, Urteil vom 17.10.2007, AZ.: M 7 K 05.5966; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.09.2006, AZ.: 1 Verg 3/06). Beispielsweise stünde bei einem Krankenhaus zur medizinischen Schwerpunkt- und Unfallversorgung sowie einem akademischen Lehrkrankenhaus nicht die Ausübung von Wettbewerb im Vordergrund, das Insolvenzrisiko trage der Anteilseigener (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17.02.2004, AZ: 1 Verg 15/03, VergabeR 2004, 634 ff.). Dagegen sind Krankenhausbetreiber, die nicht durch öffentliche Auftraggeber beherrscht werden, nicht als öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB qualifiziert worden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.2005, AZ: 1 Verg. 3/05, VergabeR 2005, 635 ff.; VK Brandenburg, Beschluss vom 10.09.2004, AZ: VK 39/04). Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich insoweit auf die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts. 1.3.1 Vergaberechtliche Relevanz der Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft Die Gründung einer Gesellschaft stellt für sich betrachtet keinen Beschaffungsvorgang dar und unterliegt damit nicht dem Vergaberecht. Dies folgt daraus, dass der öffentliche Auftraggeber in diesen Fällen nicht als Beschaffender auftritt und keine Leistungen von einem Dritten gegen Entgelt einkauft (vgl. Weyand, ibr-online-Kommentar VergabeR, Stand: 05.03.09,
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§ 99 GWB, Rn. 1060 ff.). Die Gründung einer Gesellschaft unter Beteiligung eines privaten Partners unterfällt jedoch dann dem Kartellvergaberecht, wenn sie einen beschaffungsrechtlichen Bezug aufweist und das beteiligte Dienstleistungsunternehmen an den der Gesellschaft erteilten bzw. noch zu erteilenden Aufträgen partizipiert. Bereits in seinem Urteil vom 11.01.2005 (EuGH, Urteil vom 11.01.2005, AZ.: Rs C-26/03, VergabeR 2005, 44 ff.) hat der EuGH entschieden, dass das Kartellvergaberecht stets dann anzuwenden sei, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, mit einer Gesellschaft, die sich rechtlich von ihm unterscheidet und an deren Kapital er mit einem oder mehreren privaten Unternehmen beteiligt ist, einen entgeltlichen Vertrag über Dienstleistungen zu schließen, die in den sachlichen Anwendungsbereich der entsprechenden Vergaberichtlinie fallen. Der EuGH hat ausgeführt, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung das Ziel eines freien und unverfälschten Wettbewerbs und den in der maßgeblichen Richtlinie genannten Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten beeinträchtigen würde, insbesondere weil ein solches Verfahren einem am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschaffen würde. Jede auch nur minderheitliche Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber beteiligt sei, schließe es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft eine ähnliche Kontrolle ausübe, wie über seine eigenen Dienststellen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10.11.2005, AZ.: Rs C-29/04; EuGH, Urteil vom 08.04.2008, AZ.: Rs C-337/05). Die Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft kann vor diesem Hintergrund nicht als kartellvergaberechtlich nicht relevantes so genanntes In-House-Geschäft qualifiziert werden. Vielmehr ist maßgeblich, ob der zu gründenden gemeinsamen Servicegesellschaft ein in den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts fallender öffentlicher Auftrag erteilt wird bzw. werden soll, an dem das Dienstleistungsunternehmen aufgrund seiner Beteiligung partizipiert. Gem. § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bauoder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Der Begriff des öffentlichen Auftrags ist dabei funktional zu verstehen, um die praktische Wirksamkeit des Vergaberechts sicherzustellen. Geboten ist insoweit eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung. Dabei ist der Begriff des Entgelts weit auszulegen. Die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers muss nicht notwendig in Geld bestehen, erfasst wird vielmehr jede Art von Vergütung, die einen Geldwert haben kann. Gegenstand der Beauftragung gemeinsa-
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mer Servicegesellschaften sind, wie oben dargestellt, insbesondere infrastrukturelle Dienstleistungen, wie z. B. Reinigungs- und/ oder Cateringleistungen, die der gemeinsamen Servicegesellschaft vom Auftraggeber vergütet werden. Insoweit ist bei Beauftragung entsprechender Dienstleistungen regelmäßig von dem Vorliegen eines öffentlichen Auftrages gem. § 99 GWB auszugehen. Im Ergebnis vorstehender Ausführungen ist Folgendes festzustellen: Handelt es sich bei der den Auftrag erteilenden Stelle im Einzelfall um einen öffentlichen Auftraggeber, wird darüber hinaus der maßgebliche Schwellenwert erreicht bzw. überschritten (Bauleistungen: EUR 5.150.000,00, Liefer- und Dienstleistungen in der Regel: EUR 206.000,00) und greift kein Ausnahmetatbestand nach § 100 Abs. 2 GWB ein, was bei der Beauftragung von infrastrukturellen Dienstleistungen regelmäßig nicht der Fall sein dürfte, so stellt die Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft einen dem Kartellvergaberecht unterfallenden Sachverhalt dar. Es ist ein nach Maßgabe des Kartellvergaberechts ordnungsgemäßes Vergabeverfahren – häufig werden als Verfahrensart der wettbewerbliche Dialog oder das Verhandlungsverfahren mit öffentlicher Vergabebekanntmachung in Betracht kommen – durchzuführen, welches die Gründung der gemeinsamen Servicegesellschaft und deren Beauftragung mit den zur Vergabe beabsichtigten Dienstleistungen sowie – soweit relevant – den zwischen der gemeinsamen Servicegesellschaft und dem Dienstleistungsunternehmen abzuschließenden Service- und Beratungsvertrag zum Gegenstand hat. Die Zuschlagserteilung erfolgt an das Dienstleistungsunternehmen, das nach Maßgabe der vom Auftraggeber festgelegten Zuschlagskriterien das wirtschaftlichste Angebot für die vergabegegenständlichen Leistungen im Rahmen des Organschaftsmodells abgegeben hat. 1.3.2 Vergaberechtliche Rahmenbedingungen bei der Übernahme eines bestehenden Vertrages durch die gemeinsame Servicegesellschaft Unter Umständen kommt u. E. die Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft aber auch ohne Durchführung eines gesonderten Vergabeverfahrens in Betracht, wenn bei einem geplanten Wechsel vom Outsourcing-Modell auf das Organschaftsmodell während eines laufenden Dienstleistungsvertrages ein mit einem Dienstleistungsunternehmen bestehender Vertrag von der gemeinsamen Servicegesellschaft im Wege der Vertragsübernahme übernommen und die gemeinsame Service-
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gesellschaft mit diesem Dienstleistungsunternehmen gegründet werden soll. Nach einer in der älteren Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung stellt eine Vertragsübernahme auf Auftragnehmerseite grundsätzlich keinen öffentlichen Auftrag dar. Dies beruhe darauf, dass die Vertragsübernahme den Vertragsinhalt als solchen unberührt lasse. Der öffentliche Auftrag werde auch nach der Übernahme auf Grundlage des wirtschaftlichsten Angebots durchgeführt (vgl. Stickler 2003, § 99 Rn. 4d; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.08.2003, AZ: 11 Verg 2/02, NZBau 2003, 633 ff.). Das OLG Frankfurt hat in vorgenanntem Beschluss ausgeführt, dass eine wirksame Vertragsübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB vorliege, die keiner erneuten Ausschreibung bedürfe. Der Vertrag werde inhaltlich und preislich unverändert, mit demselben sachlichen und personellen Know-how und unter Verbleib in der bisherigen Gesellschaftsgruppe (in dem zu beurteilenden Sachverhalt erfolgte die Überleitung im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Neustrukturierung) fortgeführt. In seinem Urteil vom 19.06.2008, AZ.: Rs C-454/06 hat der EuGH entschieden, dass die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hatte, durch einen neuen im allgemeinen als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung des betreffenden öffentlichen Dienstleistungsauftrags – mit der Folge der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts – anzusehen sei, wenn sie nicht in den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags, beispielsweise im Rahmen einer Unterbeauftragung, vorgesehen gewesen sei. In dem zu entscheidenden Sachverhalt weise die fragliche Übertragung der Tätigkeit jedoch bestimmte besondere Merkmale (Übertragung an eine 100%-Tochter des bisherigen Auftragnehmers, Kontrolle und Erteilung von Weisungen durch den bisherigen Auftragnehmer über/gegenüber die/der Tochtergesellschaft, weitere Haftung des bisherigen Auftragnehmers für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Auftraggeber) auf, die den Schluss zulassen würden, dass keine Änderung einer wesentlichen Bestimmung des Auftrages vorliege. Eine solche Vereinbarung stelle im Wesentlichen eine interne Neuorganisation des Vertragspartners dar, die die Vertragsbedingungen des ursprünglichen Auftrags nicht wesentlich ändere. Würden dagegen die Geschäftsanteile an der Tochtergesellschaft während der Laufzeit des Auftrags an einen Dritten veräußert, handelte es sich um eine tatsächliche Änderung des Vertragspartners, was grundsätzlich eine Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung darstelle. Ein solches Ereignis könne eine neue Auftragsvergabe darstellen. Eine entsprechende Überlegung gelte, wenn die Abtretung der Geschäftsanteile an der Tochtergesellschaft an einen Dritten zum Zeitpunkt der fraglichen Übertragung der Tätigkeit auf diese bereits vorgesehen war.
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Im vorgenanntem Sinne hatte die Vergabekammer des Bundes bereits in ihrem Beschluss vom 29.06.2005 (VK Bund, Beschluss vom 29.06.2005, AZ.: VK 3-52/05, IBR 2005, 1251) die nach Insolvenz des bisherigen Auftragnehmers und nach der Entscheidung des Insolvenzverwalters gegen eine Vertragsfortführung zustande gekommene Vertragsübernahme unter Einbeziehung eines weiteren, bisher nicht an der Vertragsausführung beteiligten Unternehmens in den ursprünglichen Vertrag als einen vergaberechtlich relevanten Vorgang qualifiziert, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass der Vertrag unverändert übernommen und offenbar ursprünglich ordnungsgemäß ausgeschrieben wurde. Nach Maßgabe vorstehender Ausführungen dürfte die Überleitung eines bestehenden Dienstleistungsvertrages auf eine gemeinsame Servicegesellschaft zunächst dann ohne die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig sein, wenn die Absicht der späteren Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft in Verbindung mit einer Überleitung des bestehenden Vertrages bereits Gegenstand des zur Vergabe des betreffenden Dienstleistungsvertrages durchgeführten Vergabeverfahrens war, sofern ein im Einklang mit dem Kartellvergaberecht stehendes Vergabeverfahren stattgefunden hat und der Vertrag unverändert übernommen wird. Sicherzustellen ist in jedem Fall, dass dem Dienstleistungsunternehmen im Rahmen der Vertragsübernahme durch die gemeinsame Servicegesellschaft im Vergleich zu dem ursprünglichen im Ergebnis der Ausschreibung erhaltenen Auftrag keine ungerechtfertigten Vorteile erwachsen, die dem Dienstleistungsunternehmen gegenüber anderen konkurrierenden Bietern eine bevorzugte Stellung verschaffen. Dies gilt insbesondere für den Gesellschaftsvertrag und den Service- und Beratungsvertrag. War die Absicht der späteren Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft dagegen nicht Gegenstand des durchgeführten Vergabeverfahrens, so ist jedenfalls festzustellen, dass die Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft im Wege der Überleitung eines bestehenden Vertrages keiner internen Neuorganisation im Sinne der oben dargestellten Entscheidungen entspricht, denn der Auftrag wird nicht an eine 100%-Tochter des Auftragnehmers übertragen, die von diesem kontrolliert wird. Dennoch weist auch die Gründung und Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft im Wege der Übernahme des bestehenden Vertrages besondere Merkmale auf, die für eine kartellvergaberechtliche Neutralität dieses Sachverhaltes sprechen könnten. Zunächst beinhaltet die hier fragliche Vorgehensweise keine Anhaltspunkte für den Missbrauch einer Vertragsübernahme dahingehend, dass einem nicht geeigneten Unternehmen ein Auftrag verschafft werden soll. Darüber hinaus sind an der gemeinsamen Servicegesellschaft der öffentli-
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che Auftraggeber selbst und das Dienstleistungsunternehmen beteiligt, welches den Auftrag im Ergebnis des durchgeführten Vergabeverfahrens erhalten hat. Demgemäß partizipiert nach Durchführung der Vertragsübernahme kein Dritter an der Beauftragung der gemeinsamen Servicegesellschaft. Wird zudem sichergestellt, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht zugunsten des Auftragnehmers verschoben und der Dienstleistungsauftrag – der im Ergebnis eines kartellvergaberechtlich ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahrens vergeben worden ist – von der gemeinsamen Servicegesellschaft unverändert übernommen wird, könnte eine Beurteilung der Vertragsübernahme durch die gemeinsame Servicegesellschaft dahingehend, dass keine Änderung einer wesentlichen Bestimmung des Auftrags vorliegt und das Kartellvergaberecht insoweit keine Anwendung findet, durchaus in Betracht kommen. Auf einer diesbezügliche Entscheidung der Rechtsprechung kann jedoch nicht zurückgegriffen werden. Eine Prüfung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ist unabdingbar. 1.3.3 Vergaberechtliche Relevanz der Gründung und Beauftragung einer 100%-Tochter bei späterer Anteilsveräußerung an ein Dienstleistungsunternehmen Die Gründung und Beauftragung einer 100%-Tochter könnte als solche für sich betrachtet zunächst ohne Beachtung des Kartellvergaberechtes vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen eines kartellvergaberechtlich neutralen In-House-Geschäfts erfüllt wären. In seinem Urteil vom 18.11.1999 „Teckal“ (EuGH, Urteil vom 18.11.1999, AZ.: C 107/98, NZBau 2000, 90 ff.) hat der EuGH entschieden, dass eine Vereinbarung zwischen zwei verschiedenen Personen als Voraussetzung für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags schon dann vorliege, wenn ein Vertrag zwischen einer Gebietskörperschaft und einer von dieser rechtlich verschiedenen Person geschlossen werde. Ausnahmsweise könne sich nur dann etwas anderes ergeben, • wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Person/ Gesellschaft eine Kontrolle ausübe, wie über seine eigenen Dienststellen und • wenn diese Person/ Gesellschaft zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichte, die ihre Anteile innehaben.
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Seit der vorgenannten Entscheidung sind weitere EuGH-Urteile ergangen, in denen die vorstehend genannten Kriterien präzisiert wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 13.10.2005, AZ.: Rs C-458/03; EuGH, Urteil vom 11.05.2006, AZ.: Rs C-340/04; EuGH, Urteil vom 19.04.2007, AZ.: Rs C-295/08; EuGH, Urteil vom 08.04.2008, AZ.: Rs C-337/05 sowie EuGH, Urteil vom 13.11.2008, AZ.: Rs C-324/07). Auch die nationale Rechtsprechung legt ihren Entscheidungen die beiden vorgenannten Kriterien zur In-HouseVergabe zugrunde (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2008, AZ.: I ZA 145/05). Vorstehend dargestellte Voraussetzungen müssen grundsätzlich auch bei der Beauftragung einer 100%-Tochter geprüft und erfüllt werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2008, AZ.: I ZA 145/05; Vergabekammer Sachsen, Beschluss vom 28.02.2007, AZ: 1/SVK/110-06-II, IBR 2007, 1067; EuGH, Urteil vom 11.05.2006, AZ: Rs C-340/04 IBR 2007, 1154; EuGH, Urteil vom 13.10.2005, AZ: Rs C-458/03, VergR 2005, 737 ff., „Parking Brixen“). Erforderlich ist jeweils eine Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalles, die kartellvergaberechtlich neutrale Beauftragung einer 100%-Tochter des öffentlichen Auftraggebers in der Rechtsform einer GmbH im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft auf der Grundlage eines In-House-Geschäfts kommt aber durchaus in Betracht. Allerdings kann bei der Prüfung des Vorliegens der In-House-Kriterien die beabsichtigte Anteilsveräußerung zu einem späteren Zeitpunkt nicht unberücksichtigt bleiben. Geboten ist vielmehr eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung des Vorhabens. Zwar stellt die Anteilsveräußerung ebenso wie die Gründung einer Gesellschaft für sich betrachtet keinen Beschaffungsvorgang dar, ein solcher liegt aber vor, wenn der Verkauf von Geschäftsanteilen durch einen öffentlichen Auftraggeber mit dem Neuabschluss, der Verlängerung oder der wesentlichen Änderung eines als öffentlicher Auftrag zu qualifizierenden Vertrages verknüpft ist bzw., wenn der betreffenden Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden sollen, im Vorfeld der Veräußerung bereits öffentliche Aufträge erteilt worden sind. In allen diesen Fällen weist die Anteilsveräußerung einen so genannten beschaffungsrechtlichen Bezug mit der Folge der Anwendung des Kartellvergaberechts auf. Die Beauftragung einer 100%-Tochter bei späterer Anteilsveräußerung dürfte aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen eines kartellvergaberechtlich neutralen In-House-Geschäfts jedenfalls dann einen kartellvergaberechtlich relevanten Sachverhalt darstellen, wenn die Anteilsveräußerung bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung der 100%-Tochter vorgesehen ist bzw. war (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2008, AZ.: Rs C-454/06; EuGH, Urteil vom 10.11.2005, AZ.: Rs C-29/04). In diesem Sinne hat auch das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.2008, AZ.: Verg 25/08) im Zusammenhang mit der Anwendung des Kartellvergaberechts auf einen – als solchen für sich betrachtet kartellvergabe-
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rechtlich neutralen – Grundstückskaufvertrag bei späterer Erteilung eines Bauauftrags ausgeführt, dass für die Anwendung des Vergaberechts nicht vorauszusetzen sei, dass im Zeitpunkt der Veräußerung des betreffenden Grundstücks ein öffentlicher Bauauftrag bereits erteilt worden war oder ein solcher Auftrag alsbald danach erteilt werden soll. Um die praktische Wirksamkeit des Vergaberechts zu gewährleisten, sei für die Anwendung des Vergaberechts als ausreichend anzusehen, wenn die Erteilung eines solchen Auftrags nach den Umständen des Falle beabsichtigt sei und darauf alles hinauslaufe. Mit vorgenanntem Beschluss hat das OLG Düsseldorf dem EuGH insgesamt 9 Fragen, u. a. auch betreffend die vergaberechtliche Einheit voneinander verschiedener, aber zusammenhängender Geschäfte zur Vorabentscheidung vorgelegt. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber also erst seine 100%ige Tochtergesellschaft und veräußert anschließend einen Geschäftsanteil an der Tochtergesellschaft an ein Dienstleistungsunternehmen, so ist dieses Vorhaben im Wege der Gesamtbetrachtung als Beauftragung einer gemeinsamen Servicegesellschaft entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu sehen und der gesamte Vorgang der Beauftragung und der Anteilsveräußerung, ggf. in Verbindung mit dem Abschluss eines Service- und Beratungsvertrages ist auszuschreiben.
1.4 Wettbewerbsrecht im übrigen (Fusionskontrolle) Insbesondere im Falle von Großuniversitätsklinika, bei der Zusammenfassung mehrerer Krankenhäuser durch einen Krankenhausträger oder im Hinblick auf Einrichtungen, denen aufgrund einer entsprechenden Beherrschung durch die öffentliche Hand beispielsweise die Umsatzerlöse eines Landes zuzurechnen sind, werden Umsatzgrößen erreicht, die einen Blick auf die gesetzlichen Bestimmungen der Fusionskontrolle bei Begründung einer gemeinsamen Servicegesellschaft angezeigt erscheinen lassen. Dies gilt im Übrigen auch für viele Dienstleistungsunternehmen als Gesellschafter einer gemeinsamen Servicegesellschaft, die inzwischen häufig im Rahmen von Dienstleistungskonzernen Umsatzerlöse von mehreren hunderten Millionen EUR Umsatz erzielen. Gesetzliche Grundlage für die deutsche Fusionskontrolle sind die §§ 35 ff. GWB. Für die Prüfung ist in Deutschland ausschließlich das Bundeskartellamt zuständig. Liegt ein kontrollpflichtiges Zusammenschlussvorhaben vor, so ist dieses vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt gem. § 39 Abs. 2 und 3 GWB anzumelden.
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Ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss darf nicht vollzogen werden, bevor • die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 S. 1 GWB abgelaufen ist, ohne dass das Bundeskartellamt das Hauptprüfverfahren eingeleitet hat, oder • die Viermonatsfrist des § 40 Abs. 2 S. 2 GWB abgelaufen ist oder • das Bundeskartellamt den Zusammenschluss freigegeben hat. Ein kontrollpflichtiges Zusammenschlussvorhaben liegt vor, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss • die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als EUR 500 Mio. und • mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als EUR 25 Mio. erzielt haben und ein Zusammenschlusstatbestand nach § 37 Abs. 1 GWB gegeben ist. Wer die beteiligten Unternehmen sind, ist abhängig vom einschlägigen Zusammenschlusstatbestand. Bei der Gründung einer gemeinsamen Servicegesellschaft greift regelmäßig der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 GWB ein (Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens in Gestalt des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung durch den Krankenhausträger und einer Minderheitsbeteiligung durch das Dienstleistungsunternehmen). In diesem Fall gelten als beteiligte Unternehmen die Anteilserwerber und das Unternehmen, an dem die Anteile erworben werden. Zu beachten ist insoweit, dass in die Schwellenwertprüfung nicht nur die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehme als solche einzubeziehen sind, sondern darüber hinaus auch die Umsatzerlöse der verbundenen Unternehmen, denn kartellrechtlich werden die beteiligten Unternehmen und die mit ihnen verbundenen Unternehmen gem. § 36 Abs. 2 GWB als einheitliches Unternehmen angesehen. Verbundene Unternehmen in diesem Sinne sind • abhängige oder herrschende Unternehmen (§ 17 AktG) sowie Konzernunternehmen (§ 18 AktG), • Unternehmen, die von beteiligten Unternehmen allein oder gemeinsam mit anderen beherrscht werden und Unternehmen, die auf das beteiligte Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Hält ein Unternehmen 50% der Anteile eines anderen Unternehmens, geht das Bundeskartellamt in der Regel davon aus, dass das Unternehmen mitbeherrschenden Einfluss auf das andere Unternehmen ausüben kann. Für
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die Ermittlung der Umsatzerlöse gilt § 277 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches. Umsatzerlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen (Innenumsatzerlöse) sowie Verbrauchsteuern bleiben außer Betracht. Gem. § 277 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches sind als Umsatzerlöse die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft typischen Erzeugnissen und Waren sowie aus von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft typischen Dienstleistungen nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer auszuweisen. Die Umsatzerlöse sind unter Berücksichtigung des Konsolidierungskreises zum Zeitpunkt der Anmeldung anzugeben. Liegt im Ergebnis der Schwellenwertprüfung ein kontrollpflichtiges Zusammenschlussvorhaben vor, so muss die entsprechende Anmeldung die in § 39 Abs. 3 GWB festgelegten Angaben enthalten. Hierbei ist die Vollständigkeit der Angaben besonders wichtig, weil die in § 40 GWB geregelte Entscheidungsfrist des Bundeskartellamtes erst mit dem Eingang der vollständigen Anmeldung zu laufen beginnt. Das Bundeskartellamt untersagt einen Zusammenschluss, wenn zu erwarten ist, dass durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Voraussetzungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. Wann eine marktbeherrschende Stellung vorliegt bzw. vermutet wird, ist in § 19 Abs. 2 und Abs. 3 GWB geregelt und muss für den jeweiligen Einzelfall geprüft werden. Werden keine Marktanteile von annähernd 20% erreicht, so dürfte die Anmeldung in der Regel unkritisch sein. Wird keine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, so teilt das Bundeskartellamt häufig recht kurzfristig (innerhalb von ein bis zwei Wochen) mit, dass die Voraussetzungen für eine Untersagung des Zusammenschlussvorhabens nicht vorliegen, und gibt dieses somit für den Vollzug frei. Unverzüglich nach dem Vollzug hat die Anzeige des Zusammenschlusses gem. § 39 Abs. 6 GWB beim Bundeskartellamt zu erfolgen. Nach allem dürfte das Erfordernis der Durchführung eines Zusammenschlusskontrollverfahrens im Rahmen der Begründung einer gemeinsamen Servicegesellschaft eher die Regel als die Ausnahme darstellen, berücksichtigt man, dass häufig bereits die Dienstleistungsunternehmen die relevante Umsatzschwelle in Höhe von EUR 500 Mio. überschreiten, diese aber mindestens bei Zusammenrechnung mit den Umsätzen des Krankenhausträgers erreichen. Zu beachten ist, dass die vorstehend beschriebene deutsche Fusionskontrolle beruhend auf den Vorschriften des GWB gem. § 35 Abs. 3 GWB
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jedoch keine Anwendung findet, wenn und soweit die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach der Verordnung Nr. 4064/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist. In die Zuständigkeit der EU-Kommission fallen alle Zusammenschlüsse von so genannter gemeinschaftsweiter Bedeutung. Es müssen eine Reihe von Voraussetzungen im Bereich der Umsatzschwellen erfüllt werden, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen müssen neben weiteren Voraussetzungen zusammen wenigstens einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als EUR 2,5 Mrd. (zu den Voraussetzungen des Eingreifens der europäischen Fusionskontrolle im Einzelnen vgl. Merkblatt des Bundeskartellamtes zum Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrolle, abrufbar unter http: //www.bundeskartellamt.de) erzielt haben.
1.5 Gesellschaftsrecht Gesellschaftsrechtlich von Bedeutung und damit im folgenden kurz darzustellen sind vor allem diejenigen Gestaltungen bzw. Regelungen des Gesellschaftsvertrages, mit denen den oben im einzelnen erläuterten Anforderungen der steuerlichen Konzeption entsprochen wird. Ein zweiter Komplex, auf den einzugehen ist, betrifft Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag einer gemeinsamen Servicegesellschaft, durch die gegenläufige Interessen des Krankenhausträgers und des Dienstleistungsunternehmens ausgeglichen werden. Wie oben bereits ausgeführt, beteiligt sich der Krankenhausträger grundsätzlich mehrheitlich an der gemeinsamen Servicegesellschaft, da mit der Mehrheitsbeteiligung auch die für die finanzielle Eingliederung erforderliche Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung einhergeht. Die einfache Mehrheit reicht aus. Es widerspricht der finanziellen Eingliederung nicht, dass bestimmte Arten von Gesellschafterbeschlüssen der gemeinsamen Servicegesellschaft, für die regelmäßig die Rechtsform der GmbH gewählt wird, einer qualifizierten Mehrheit von mindestens 75% der abgegebenen Stimmen bedürfen. Derartige Gesellschafterbeschlüsse haben nicht die eigentliche Geschäftsführung zum Gegenstand, sondern betreffen grundsätzliche Fragen der Gesellschaft, wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages, Kapitalerhöhung- und -herabsetzung und Liquidation der Gesellschaft (§ 53 GmbHG und § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Vorzufinden sind auch gemeinsame Servicegesellschaften, an denen der Krankenhausträger mit einer Minderheit des Kapitals aber – aufgrund von Mehrheitsstimmrechten – einer Mehrheit der Stimmrechte
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beteiligt ist. Auch diese Gestaltungen dürften den Anforderungen an die finanzielle Eingliederung entsprechen. Die wirtschaftliche Eingliederung kann im Gesellschaftsvertrag der gemeinsamen Servicegesellschaft dadurch abgesichert werden, dass die Formulierung des Gesellschaftszwecks bzw. des Unternehmensgegenstandes die gemeinsame Servicegesellschaft auf die Erbringung von Dienstleistungen für den als Gesellschafter beteiligten Krankenhausträger fokussiert und die Erbringung von Dienstleistungen für Dritte nur als Ausnahme zulässt. Zur Sicherstellung der organisatorischen Eingliederung schließlich sieht der Gesellschaftsvertrag gemeinsamer Servicegesellschaften regelmäßig vor, dass nur solche Personen zu Geschäftsführern der gemeinsamen Servicegesellschaft bestellt werden können, die zugleich Vorstand oder Geschäftsführer des Krankenhausträgers sind oder zumindest bei diesem eine führende Position einnehmen. Der Ausrichtung des Gesellschaftsvertrages von gemeinsamen Servicegesellschaften auf die Bedingungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist gelegentlich der Vorwurf des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO entgegengehalten worden. Dieser ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn eine rechtliche Gestaltung ausschließlich zur Erreichung von Steuervorteilen gewählt wird, ohne dass sachliche Gesichtspunkte außerhalb der erstrebten Steuervorteile für die gewählte Gestaltung eingeführt werden können. Wie oben bereits dargelegt wurde, gibt es neben dem Gesichtspunkt der Ersparnis von Umsatzsteuer aufgrund Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft für den Einsatz gemeinsamer Servicegesellschaften eine ganze Reihe darüber hinausreichender organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Gründe, die die Verknüpfung des Outsourcing-Modells mit dem Eigenleistungsmodell auch jenseits steuerlicher Aspekte rechtfertigen. Insgesamt unterfällt daher das Konzept der gemeinsamen Servicegesellschaft nicht dem Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO. Interessengegensätze zwischen dem Krankenhausträger und dem Dienstleistungsunternehmen, die im Gesellschaftsvertrag der gemeinsamen Servicegesellschaft auszutarieren sind, bestehen vor allem im Hinblick auf die Frage der Gewinnausschüttung und der Trennung. Aufgrund seiner Mehrheit in der Gesellschafterversammlung wäre es dem Krankenhausträger ohne abweichende Regelungen im Gesellschaftsvertrag möglich, einseitig über die Thesaurierung von in der gemeinsamen Servicegesellschaft entstandenen Gewinne zu entscheiden. Dies ist dann nicht von Bedeutung, wenn aufgrund der Gestaltung des Dienstleistungsvertrages die gemeinsame Servicegesellschaft gar nicht erst in die Lage versetzt wird, Gewinne in signifikantem Umfang zu erzielen. Das Dienstleistungsunternehmen erhält in derartigen Fällen den ihm zustehenden Erlös im wesentlichen über die vom Dienstleistungsunternehmen der ge-
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meinsamen Servicegesellschaft in Rechnung zu stellende Service- und Beratungsvergütung. Da auf diese Vergütung Umsatzsteuer zu zahlen ist, ist dies jedoch nicht immer gewollt. Es kommen in der Praxis durchaus Fälle vor, in denen der Dienstleistungsvertrag so gestaltet ist, dass Einsparungen, die aufgrund von Produktivitätssteigerungen innerhalb der gemeinsamen Servicegesellschaft erzielt werden, sich letztlich in entsprechenden Gewinnen der gemeinsamen Servicegesellschaft niederschlagen. Damit das Dienstleistungsunternehmen hieran auch partizipiert, sehen die Gesellschaftsverträge gemeinsamer Servicegesellschaften in der Regel vor, dass die Thesaurierung von Gewinnen nur aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen mit einer Mehrheit vorgenommen werden kann, über die der Krankenhausträger allein nicht verfügt, also im Ergebnis mit Zustimmung des Dienstleistungsunternehmens. Sehr unterschiedlich handhaben die Gesellschaftsverträge von gemeinsamen Servicegesellschaften die Trennung von Krankenhausträger und Dienstleistungsunternehmen. Beabsichtigt der Krankenhausträger, die Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungsunternehmen zu beenden, das an der gemeinsamen Servicegesellschaft beteiligt ist, so stehen neben der Kündigung des Dienstleistungsvertrages sowie des Service- und Beratungsvertrages für die gesellschaftsrechtliche Trennung abstrakt drei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann der Geschäftsanteil des Dienstleistungsunternehmens vom Krankenhausträger, zum anderen umgekehrt, der Geschäftsanteil des Krankenhausträgers vom Dienstleistungsunternehmen übernommen werden oder alternativ hierzu die Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst werden. In der Praxis treten alle Varianten auf, wobei sicher die Auflösung der gemeinsamen Servicegesellschaft die aufwendigste und störungsanfälligste Lösung begründet, da die Liquidation ohne Insolvenz bei Wegfallen des Dienstleistungsvertrages nur möglich ist, wenn die bei der gemeinsamen Servicegesellschaft beschäftigte Arbeitnehmer über § 613a BGB oder auf sonstige Weise von einem neuen Arbeitgeber übernommen werden. Die jeweilige Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge in dieser Frage hängt von den Interessen im Einzelfall wie auch von den Machtverhältnissen zwischen Krankenhausträger und Dienstleistungsunternehmen ab.
1.6 Arbeitsrechtliche Fragen bei Organschaften Im Bereich des Arbeitsrechts ist grundsätzlich zu unterschieden zwischen den Überlegungen zu den allgemeinen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, die künftig für die gemeinsame Servicegesellschaft gelten sollen
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und den speziellen Fragestellungen aus dem Bereich des Betriebsübergangs. Die letztgenannte Fragestellung, ob die bisher im betroffenen Bereich beim Krankenhaus tätigen Mitarbeiter im Rahmen eines Betriebsüberganges auf die gemeinsame Servicegesellschaft übergehen sollen oder welche Alternativen hierzu in Betracht kommen, steht anfänglich häufig im Vordergrund. Dabei stellt sich insbesondere oftmals die Frage, ob die Arbeitsbedingungen dieser Mitarbeiter beim Betriebsübergang geändert werden können. Ebenso wichtig ist die Überlegung, welche Arbeitsbedingungen bei der Servicegesellschaft unabhängig hiervon grundsätzlich gelten sollen und welchen betriebsverfassungs- und tarifrechtlichen Rahmenbedingungen sie unterliegen. 1.6.1 Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen bei einer Servicegesellschaft Bei den Überlegungen zur arbeitsrechtlichen Konzeption der gemeinsamen Servicegesellschaft stehen tarifrechtliche, personal- bzw. betriebsverfassungsrechtliche sowie individualvertragliche Fragen im Vordergrund. Soweit die gemeinsame Servicegesellschaft mit dem Krankenhaus keinen einheitlichen Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinne bildet, kann tarifrechtlich in der Regel sichergestellt werden, dass die Tarifverträge des Krankenhauses bei der gemeinsamen Servicegesellschaft nicht zur Anwendung kommen. Bei den arbeitsrechtlichen Gestaltungsüberlegungen im Zusammenhang mit der Errichtung von gemeinsamen Servicegesellschaften sollte vorab überlegt werden, welche Arbeitsbedingungen bei der Servicegesellschaft künftig gelten oder gelten sollen. Insbesondere ist zu prüfen, ob allgemeinverbindliche Tarifverträge, wie z. B. im Bereich der Gebäudereinigung zu beachten sind, sowie ob eventuell ein oder mehrere Tarifverträge zur Anwendung kommen sollen. Wenn in einer gemeinsamen Servicegesellschaft Dienstleistungen aus verschiedenen Branchen (z. B. Reinigung und Catering) erbracht werden, kann die Frage, ob ein einheitlicher Tarifvertrag oder verschiedene Tarifverträge zur Anwendung gebracht werden können und sollen, für den Personalaufwand von erheblicher Bedeutung sein. Für die unterschiedlichen Branchen bestehen in der Regel spezielle Tarifverträge, die nicht nur im Hinblick auf Vergütung und Arbeitszeit, sondern auch im Übrigen, z. B. bei der Verteilung der Arbeitszeit oder bei Zuschlägen für Sonn- und Feiertage, spezielle auf die Branche zugeschnittene Regelungen enthalten. Eine wichtige Rolle spielt bei diesen Überlegungen der bislang vom BAG noch nicht aufgegebene Grundsatz der Tarifeinheit, wonach für einen Betrieb immer nur ein einheitlicher Tarifvertrag gelten soll. Die Tarif-
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einheit kann etwa dazu führen, dass in einer Servicegesellschaft, in welcher überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbracht werden, die für allgemeinverbindlich erklärten Regelungen der Gebäudereinigertarifverträge auf alle im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter anzuwenden sind. Auch mit einem Mitarbeiter, der nicht für den Bereich Gebäudereinigung, sondern zur Erbringung einer anderen Dienstleistung eingestellt ist, könnten daher keine arbeitsvertraglichen Regelungen getroffen werden, die gegenüber den allgemeinverbindlichen Regelungen der Gebäudereinigertarifverträge ungünstiger wären. Die Anwendbarkeit von Tarifverträgen ist daher unter Beachtung der jeweiligen Geltungsbereiche und der teilweise nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz oder nach § 5 TVG bestehenden Allgemeinverbindlichkeit im Einzelnen zu prüfen. Betriebsverfassungsrechtlich bzw. personal- oder mitarbeitervertretungsrechtlich steht die Vermeidung eines einheitlichen Betriebes (im arbeitsrechtlichen Sinn) zwischen der gemeinsamen Servicegesellschaft und dem Krankenhaus im Vordergrund. Liegt ein einheitlicher Betrieb zwischen der Servicegesellschaft und dem Krankenhaus vor, ist z. B. der Betriebsrat des Krankenhauses auch für die Servicegesellschaft und deren Mitarbeiter zuständig. Kündigungsschutzrechtlich führt der gemeinsame Betrieb dazu, dass z. B. im Rahmen einer eventuellen betriebsbedingten Kündigung von Mitarbeitern der Servicegesellschaft im Rahmen einer durchzuführenden Sozialauswahl alle vergleichbaren Mitarbeiter auch des gesamten Krankenhauses – und nicht nur der Servicegesellschaft – in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Durch eine entsprechende Organisation kann jedoch erreicht werden, dass die gemeinsame Servicegesellschaft betriebsverfassungsrechtlich und kündigungsschutzrechtlich als eigenständiger Betrieb angesehen wird. Eine klare Trennung der Betriebe sowie der Zuordnung der Mitarbeiter ist insoweit sehr empfehlenswert. Weiter kommt es insbesondere darauf an, dass die gemeinsame Servicegesellschaft eine eigenständige Leitung im personellen und sozialen Bereich, insbesondere für personelle und mitbestimmungsrechtliche Fragen nach den §§ 99, 102 ff. BetrVG hat (z. B. BAG v. 26.10.2006 – 2 AZR 434/05, Rn. 53). Wie bei der Beauftragung eines Dienstleistungsunternehmens sollte auch bei einer Servicegesellschaft stets darauf geachtet werden, auf welcher vertraglichen Grundlage die Arbeitnehmer der Servicegesellschaft die Dienstleistungen für das Krankenhaus erbringen. Die Servicegesellschaft sollte ihre Leistungen in aller Regel aufgrund eindeutiger Werk- oder Dienstleistungsverträge erbringen. Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht versehentlich eine Arbeitnehmerüberlassung von der Servicegesellschaft an das Krankenhaus stattfindet, da diese mit arbeitsrechtlichen Risiken verbunden ist. Insbesondere kann der von der Servicegesellschaft
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überlassene Arbeitnehmer bei einer nicht erlaubten gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung geltend machen, dass ein Arbeitsverhältnis zum Krankenhaus entstanden ist. Arbeitnehmerüberlassungsrechtlich gelten zwar gewisse Privilegien in dem Verhältnis zwischen dem Krankenhaus als Muttergesellschaft und der gemeinsamen Servicegesellschaft als Tochterunternehmen, diese gelangen jedoch nur selten zur Anwendung. Es ist insbesondere zu beachten, dass bei einer Überlassung von Arbeitnehmern zur Beschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz stets die Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung erforderlich ist. Verfügt die Servicegesellschaft über eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung, ist der sogenannte Grundsatz des „equal-pay“ zu beachten. Danach steht dem überlassenen Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, einschließlich der Vergütung eine Gleichbehandlung mit den Mitarbeitern des Krankenhauses zu verlangen. Dieser Grundsatz des „equal-pay“ der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und in § 9 Nr. 2 AÜG geregelt ist, kommt dann nicht zur Geltung, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt. Insoweit gibt es im Bereich der Gebäudereinigung einen eigenen Tarifvertrag für Fälle der Arbeitnehmerüberlassung, der solche abweichenden Regelungen enthält. Im übrigen enthalten die Tarifverträge des Zeitarbeitsgewerbes entsprechende Ausnahmeregelungen. Diese Tarifverträge können möglicherweise auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer vereinbart werden. Die tarifliche Situation ist jedoch auch insoweit genau zu prüfen, insbesondere wenn die Gesellschaft nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung betreiebt. Der Grundsatz, nach dem eine Gleichbehandlung der überlassenen Mitarbeiter mit den Mitarbeitern des Entleihers im Hinblick auf Vergütung und sonstige Arbeitsbedingungen zu erfolgen hat, stellt in den Fällen der Überlassung vom Krankenhaus an die Servicegesellschaft in der Regel kein Problem dar, da die Arbeitsbedingungen bei der Servicegesellschaft in der Regel ungünstiger sind. Die Bundesagentur für Arbeit ist allerdings bei der Erteilung von Genehmigungen für die Arbeitnehmerüberlassung bei Unternehmen, bei denen die Zeitarbeit nicht im Vordergrund steht, die jedoch mit einem Teil ihrer Arbeitnehmer die Geltung von Zeitarbeitstarifverträgen vereinbaren wollen, teilweise restriktiv. Bei einer beabsichtigten Arbeitnehmerüberlassung durch eine Servicegesellschaft an das Krankenhaus ist daher die Errichtung einer eigenen Servicegesellschaft zu diesem Zweck zu überlegen. Auch wenn das Krankenhaus der Servicegesellschaft eigene Mitarbeiter „beistellt“, kann dies eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung darstellen. Dies soll nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit auch gelten, wenn gemeinnützige Träger ihre Mitarbeiter an die Servicegesellschaft überlassen und wenn die Überlassung kostenlos oder lediglich ge-
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gen Erstattung der Selbstkosten erfolgt. Dies wird jedoch von den Regionaldirektionen der Bundesagentur teilweise unterschiedlich gesehen und ist daher im Einzelfall mit ihnen abzustimmen. 1.6.2 Betriebsübergang und Alternativen Bei der Errichtung von gemeinsamen Servicegesellschaften oder der Übernahme von weiteren Dienstleistungen durch Servicegesellschaften spielt häufig die Frage eine Rolle, ob die Mitarbeiter, die bisher in den betroffenen Bereichen tätig sind, auf die gemeinsame Servicegesellschaft übergehen sollen oder nicht. Sind die betroffenen Bereiche bereits fremd vergeben und ist dort ein Dienstleistungsunternehmen tätig, bei dem die branchenüblichen Arbeitsbedingungen gelten, so ist diese Frage in der Regel unproblematisch. In diesen Fällen werden die Mitarbeiter häufig im Wege eines Betriebsübergangs auf die Servicegesellschaft übergeleitet, um einen reibungslosen Start der Servicegesellschaft zu ermöglichen. Schwierigkeiten entstehen, wenn in den Bereichen, die künftig von der gemeinsamen Servicegesellschaft übernommen werden sollen, noch eigenes Personal des Krankenhauses tätig ist. Insoweit ist zuerst zu überlegen, ob ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vermieden werden soll und vermieden werden kann. Bei Fremdvergaben wird zunehmend von einem Betriebsübergang ausgegangen, so z. B. im Bereich der Küchendienstleistungen dann, wenn das Dienstleistungsunternehmen die Küche des Krankenhauses (EuGH vom 20.11.2003 - RSC - 340/01) weiterhin benützt. In betriebsmittelarmen Dienstleistungsbereichen kann jedoch nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass ein Betriebsübergang in der Regel dann nicht vorliegt, wenn von dem bisher zur Erbringung der Dienstleistung eingesetzten Personal nicht der nach Zahl und Sachkunde wesentliche Teil übernommen wird (BAG vom 14.08.2007 - 8 AZR 1043/06). Hier wird vor dem Hintergrund, dass der EuGH jüngst (EuGH vom 12.02.2009 – C – 466/07) wieder eine sehr weite Auslegung der Betriebsübergangsrichtlinien vertrat, die weitere Entwicklung abzuwarten sein. Liegt danach ein Betriebsübergang nicht vor, besteht in den Fällen, in denen die Leistungen, die das Krankenhaus bisher selbst erbracht hat und die anschließend von einer Servicegesellschaft übernommen werden sollen, eine kündigungsschutzrechtliche Besonderheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01) nimmt an, dass eine betriebsbedingte Kündigung der Mitarbeiter des Krankenhauses aufgrund einer Stilllegung des betroffenen Bereiches unzulässig ist, wenn die Dienstleistung anschließend durch die eigene Tochtergesellschaft des
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Krankenhauses erbracht werden soll, mit der eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Damit läge zwar kein Betriebsübergang vor, es wäre jedoch gleichzeitig nicht möglich, die bisher in den betroffenen Bereichen eingesetzten Arbeitnehmer des Krankenhauses betriebsbedingt zu kündigen. Somit bleibt in dem Fall, dass in dem von der gemeinsamen Servicegesellschaft zu übernehmenden Bereich noch eigene Mitarbeiter tätig sind, häufig doch nur die Möglichkeit einer Übernahme der Arbeitnehmer durch die Servicegesellschaft im Rahmen eines Betriebsüberganges bestehen. Anstelle eines Betriebsübergangs kommt auch eine allmähliche Beauftragung der Servicegesellschaft unter Nutzung von Fluktuationen und – soweit möglich – Umsetzungen von Mitarbeitern in Betracht. Weiter besteht die Möglichkeit der Überlassung der Arbeitnehmer an die Servicegesellschaft im Rahmen einer genehmigten Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz; eine zeitliche Beschränkung hinsichtlich der Dauer dieser Arbeitnehmerüberlassung besteht derzeit nicht. 1.6.3 Folgen des Betriebsüberganges Entscheidet man sich für die Durchführung eines Betriebsübergangs, so stellt sich die Frage, ob für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB auf die Servicegesellschaft übergehen soll, künftig die bei der Servicegesellschaft geltenden Arbeitsbedingungen – insbesondere die niedrigen Vergütungen – zur Anwendung gebracht werden können oder ob die bisherigen Arbeitsbedingungen für diese Mitarbeiter weiterhin fortgelten. Eine Abänderung der Arbeitsbedingungen, verbunden mit einer Absenkung der Vergütung durch entsprechende Überleitungstarifverträge, kann in der Regel mangels Zustimmung der Gewerkschaft nicht erreicht werden. Auch Vereinbarungen mit den übergehenden Arbeitnehmern, die auf eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang abzielen, sind außer bei ganz besonderen Konstellationen, die in der Regel nicht gegeben sind, unzulässig. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass auch nach einem Betriebsübergang die bisher für diese Mitarbeiter beim Krankenhaus geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen auch bei der Servicegesellschaft weiterhin Geltung haben. Weiter ist zu prüfen, ob für die vom Krankenhaus auf die Servicegesellschaft übergegangenen Arbeitsverhältnisse bei der Servicegesellschaft künftig die tariflichen Arbeitsbedingungen mit dem Stand zum Zeitpunkt des Überganges fort gelten (statische Fortgeltung) oder ob künftige Änderungen und Neuabschlüsse bei diesen Tarifverträgen für die auf die Servicegesellschaft übergegangenen und von ihr fortgeführten Arbeitsverhältnisse ebenfalls Gültigkeit erlangen (dynamische Fortgeltung). Diese Frage
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hängt davon ab, wie die Verweisung auf die beim Arbeitgeber geltenden Tarifverträge (sog. Bezugnahmeklausel) in dem einzelnen Arbeitsvertrag des jeweiligen Arbeitsnehmers formuliert ist. Insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes finden sich in den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter üblicherweise Bezugnahmeklauseln, durch die die Geltung bestimmter Tarifverträge „in ihrer jeweils geltenden Fassung“ sowie die Geltung der entsprechenden ändernden oder neuen Tarifverträgen vereinbart wurde. Dabei wird im Folgenden unterstellt, dass der Betriebs(-teil-)veräußerer normativ an die in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge gebunden ist. Derartige Bezugnahmeklauseln wurden vom Bundesarbeitsgericht bisher dahin gehend ausgelegt, dass in Fällen eines Betriebsübergangs grundsätzlich eine statische Weitergeltung der tariflichen Regelungen mit dem Stand zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs angenommen wurde. Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 14.12.2005, 4 AZR 536/04 und vom 18.04.2007, 4 AZR 652/05) hat diese Auslegung für Arbeitsverträge, die nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurden (sog. Neuverträge), geändert. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nunmehr davon auszugehen, dass für nach dem 01.01.2002 geschlossene Arbeitsverträge, mit den oben erwähnten üblichen Bezugnahmeklauseln, im Falle eines Betriebsübergangs die bisher für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge auch beim neuen Arbeitgeber dynamisch fort gelten. Dies bedeutet für die Mitarbeiter der Servicegesellschaft, deren Arbeitsvertrag ab dem 01.01.2002 mit einer üblichen Bezugnahmeklausel abschlossen wurde, dass auch nach dem Betriebsübergang die zuvor bei dem Krankenhaus geltenden Tarifverträge (TVöD und alle dazugehörigen Tarifverträge) weiterhin Gültigkeit für ihr Arbeitsverhältnis haben und sie auch an künftigen Änderungen dieser Tarifverträge, z. B. etwaigen Tariferhöhungen im Rahmen des TVöD, teilnehmen. Dabei ist zu beachten, dass es hinsichtlich des Stichtages (01.01.2002) nicht auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf den Abschluss des jeweils aktuellen anzuwendenden Arbeitsvertrages ankommt. Wurde ein Mitarbeiter vor dem 01.01.2002 eingestellt und mit ihm ab dem 01.01.2002 ein neuer (ggf. auch inhaltsgleicher) Arbeitsvertrag geschlossen, der erneut eine Bezugnahmeklausel enthält, ist diese Bezugnahmeklausel am Maßstab der oben dargestellten geänderten Rechtsprechung zu messen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei einem Übergang von Arbeitsverhältnissen der Mitarbeiter des Krankenhauses auf die Servicegesellschaft die bisherigen Tarifverträge fortgelten, ergab sich bislang in solchen Fällen, in denen bei der Servicegesellschaft ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag zur Anwendung kam. In diesen Fällen wurden bisher mit dem Betriebsübergang die für das Arbeitsverhältnis des übergehenden Mitarbeiters beim Krankenhaus geltenden Tarifverträge durch die
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bei der Servicegesellschaft geltenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge abgelöst. Dies beruhte darauf, dass nach der alten Rechtsprechung die Bezugnahmeklausel nur den Zweck hatte, tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gleichzustellen, so dass in jedem Fall bei erfolgtem Betriebsübergang auf die im Arbeitsverhältnis angewendeten Tarifverträge § 613a Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung fand. Demzufolge musste, da § 613a Abs. 1 S. 3 BGB eine Ergänzung des S. 2 darstellt, auch S. 3 Anwendung finden, wenn die Voraussetzung der beiderseitigen Tarifbindung nach dem Betriebsübergang vorliegt, was bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen der Fall ist. Dies kann nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 29.08.2007 (4 AZR 767/06) nicht mehr angenommen werden. Vielmehr gilt der vor dem Betriebsübergang (auch) aufgrund einer Bezugnahmeklausel geltende Tarifvertrag nach einem Betriebsübergang nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes stets weiter; ob statisch oder dynamisch richtet sich nach den oben genannten Kriterien. Möglicherweise weist das Bundesarbeitsgericht jedoch auch einen neuen Weg für eine Anpassung von Arbeitsbedingungen nach einem Betriebsübergang auf eine Tochtergesellschaft. Einer neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 29.03.2007 - 2 AZR 31/06) kann entnommen werden, dass für eine solche Anpassung möglicherweise eine Änderungskündigung in Betracht kommt. Der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Fall wies allerdings Besonderheiten auf, so dass man daraus noch keine Tendenz zur Änderung der Rechtsprechung zur Änderungskündigung erkennen kann. Ebenso wie die tariflichen Arbeitsbedingungen gelten nach einem Betriebsübergang für die gemäß § 613a BGB übergehenden Arbeitsverhältnisse grundsätzlich auch die beim Krankenhaus geltenden Betriebs- oder Dienstvereinbarungen bei der Servicegesellschaft fort. Es ist also zu prüfen, ob die Regelungen von Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf die Arbeitsverhältnisse der von dem Betriebsübergang auf die Servicegesellschaft betroffenen Mitarbeiter Anwendung finden, auch für die Servicegesellschaft passend sind. Ist dies nicht der Fall, muss ggf. versucht werden, mit dem Betriebs- bzw. dem Personalrat einvernehmlich andere Regelungen zu finden. Vor einem Betriebsübergang sind des Weiteren auch die Einzelarbeitsverträge, Gesamtzusagen und das Bestehen etwaiger betrieblicher Übungen zu überprüfen, da diese ebenfalls große wirtschaftliche Auswirkungen für die Servicegesellschaft haben können. Daneben sind bei einem Betriebsübergang noch zahlreiche weitere Gesichtspunkte zu beachten, wie z.B. Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer aus Urlaub, Überstunden oder Altersteilzeitverträgen. Die Verteilung der damit verbundenen Risiken und Lasten wird in der Regel in den vertraglichen Vereinbarungen
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zwischen dem Krankenhaus und der Servicegesellschaft im Zusammenhang mit der Übernahme des Personals geklärt. Eine weitere wesentliche Rechtsfolge des Betriebsüberganges ist das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers. Jeder Arbeitsnehmer hat nach § 613a Abs. 6 das Recht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Der Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber bestehen bleibt. Das Widerspruchsrecht kann unter Umständen Probleme bereiten, da Mitarbeiter der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse vom Krankenhaus auf eine Servicegesellschaft häufig kritisch gegenüberstehen. Das Krankenhaus kann zwar Mitarbeitern, die dem Betriebsübergang widersprechen, betriebsbedingt kündigen, da der Arbeitsplatz, auf dem der Mitarbeiter bisher eingesetzt wurde, aufgrund der Verlagerung auf die Servicegesellschaft beim Krankenhaus nicht mehr vorhanden ist. Die oben angesprochene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01), wonach betriebsbedingte Kündigungen ohne Betriebsübergang bei Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen Tochtergesellschaft und Krankenhaus unzulässig sind, steht einer betriebsbedingten Kündigung nach einem Betriebsübergang und erfolgtem Widerspruch durch den Mitarbeiter nicht entgegen. Das Krankenhaus hat im Rahmen dieser Kündigung jedoch die allgemeinen kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Dies bedeutet insbesondere auch, dass sofern beim Krankenhaus noch vergleichbare Tätigkeiten vorhanden sind, eine Sozialauswahl zwischen den von dem Betriebsübergang betroffenen und beim Krankenhaus verbleibenden Mitarbeitern durchgeführt werden müsste. Widerspricht ein tariflich unkündbarer Mitarbeiter dem Betriebsübergang, sind vor dessen Kündigung zudem die allgemeinen geltenden besonderen Verpflichtungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Kündigung tariflich Unkündbarer zu beachten (BAG vom 29.03.2007 - 2 AZR 31/06). Die sich insoweit aus eventuellen Widersprüchen ergebenen Risiken sollten daher vor dem Betriebsübergang geprüft werden. Häufig können diese Risiken auch begrenzt oder ausgeschlossen werden. Hinzuweisen ist noch auf die Verpflichtung des bisherigen und des neuen Arbeitgebers aus § 613a Abs. 5 BGB, die betroffenen Arbeitnehmer von dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zu unterrichten. Die Unterrichtung hat in Textform zu erfolgen und den Zeitpunkt bzw. geplanten Zeitpunkt des Überganges, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Überganges für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu umfassen. Findet eine ausreichende Unterrichtung nicht statt, so bleibt das Widerspruchsrecht des Mitarbeiters ggf. auch nach dem Betriebsübergang weiterhin bestehen. Es besteht dann das Risiko, dass ein
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Mitarbeiter sein Widerspruchsrecht erst längere Zeit nach dem Betriebsübergang ausübt, mit der Folge, dass sein altes Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus fortbesteht. Um diese Risiken zu vermeiden, muss auf eine sorgfältige Unterrichtung geachtet werden. 1.6.4 Mitbestimmungsrechte beim Betriebsübergang Bei einem Betriebsübergang vom Krankenhaus auf die Servicegesellschaft sind weiter die personal-, mitarbeitervertretungsrechtlichen bzw. die betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu beachten. Dies betrifft in der Regel den Krankenhausbetrieb, wenn bestimmte Bereiche auf eine Servicegesellschaft ausgegliedert werden. Es kann jedoch auch eine bestehende Servicegesellschaft eines Krankenhauses betreffen, wenn dort bereits ein Betrieb mit einem Betriebsrat besteht und nunmehr weitere Bereiche aus dem Krankenhaus auf die Servicegesellschaft überführt werden sollen. Das Personalvertretungsrecht sieht in einigen Bundesländern ausdrücklich Mitbestimmungsrechte vor, überwiegend bestehen jedoch nur Mitwirkungsrechte. Betriebsverfassungsrechtlich ist nach herrschender Meinung neben den bestehenden Informationspflichten in der Regel insbesondere das Interessenausgleich- und Sozialplanverfahren nach §§ 111, 112 Betriebsverfassungsgesetz einzuhalten, wenn Teilbetriebe ausgegliedert werden. Es ist zwar umstritten, ob auch in den Fällen einer sogenannten Bagatellausgliederung die Verpflichtung zur Durchführung eines Interessenausgleich und Sozialplanverfahrens besteht und wann eine solche Bagatellausgliederung vorliegt. Im Zweifel sollte aus Gründen der Vorsicht ein Interessenausgleich und Sozialplanverfahren durchgeführt werden. Bei Krankenhausträgern, die nach § 118 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz konfessionellen, karitativen oder wissenschaftlichen Bestimmungen unmittelbar und überwiegend dienen, ist zwar das Interessenausgleichverfahren nicht zwingend vorgeschrieben, es bestehen jedoch auch hier Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat. Auch insoweit ist ein freiwilliger Interessenausgleich möglich und ggf. empfehlenswert. Bei einem Sozialplan im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang von einem Krankenhaus auf eine Servicegesellschaft handelt sich in der Regel um einen Sozialplan, der keine finanziellen Ausgleichsleistungen für die Mitarbeiter vorsieht, da den betroffenen Arbeitnehmern ein zumutbarer Arbeitsplatz bei der Servicegesellschaft angeboten wird (§ 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BetrVG). Inwieweit es zu sogenannten Übergangsmandaten des Betriebsrat oder des Personalrates des Krankenhauses für die auf die Servicegesellschaft im
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Rahmen eines Betriebsüberganges übergehenden Mitarbeiter kommt, ist im einzelnen zu überprüfen. Im Betriebsverfassungsgesetz bestehen insoweit in § 21a gesetzliche Regelungen. Ob im Bereich des Personal- und des Mitarbeitervertretungsrechts solche Übergangsmandate rechtlich zulässig sind, ist bislang noch nicht abschließend entschieden. Für ein Übergangsmandat des Personalrates bei Übertragung eines Teilbetriebes auf eine juristische Person des Privatrechts spricht jedenfalls, dass die zugrunde liegende europäische Richtlinie keine Differenzierung zwischen den beteiligten Rechtsträgern vornimmt (RL 2001/23/EG, insbesondere Art. I Ziff. 1.c)). 1.6.5 Besonderheit: Zusatzversorgung Im Bereich des öffentlichen Dienstes aber auch im kirchlichen Bereich bestehen häufig Regelungen über eine zusätzliche Altersversorgung, die durch externe Zusatzversorgungseinrichtungen gewährt werden. Viele Krankenhausträger aus dem öffentlichen Bereich sind Mitglieder einer Zusatzversorgungskasse oder der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die den Mitarbeitern der Krankenhausträger im Versorgungsfall zusätzliche Rentenleistungen gewähren. Im Rahmen eines Betriebsüberganges vom Krankenhaus auf die Servicegesellschaft scheidet der Arbeitnehmer in der Regel aus der Zusatzversorgungseinrichtung aus. Dies führt dazu, dass er die bisher erdienten Ansprüche gegenüber der Zusatzversorgungskasse behält. Die Servicegesellschaft muss dann, wenn der arbeitsrechtliche Anspruch auf die Gewährung der Zusatzversorgung weiter besteht, dem Arbeitnehmer für die Zukunft (ab dem Zeitpunkt des Übergangs) eine entsprechende zusätzliche Altersversorgung verschaffen. Problematisch ist, dass die Zusatzversorgungseinrichtungen die Fälle eines Betriebsüberganges auf eine Servicegesellschaft sehr unterschiedlich regeln. Einige Zusatzversorgungseinrichtungen, insbesondere im kirchlichen Bereich, lassen es zu, dass die auf die Servicegesellschaft übergehenden Mitarbeiter weiter bei der kirchlichen Zusatzversorgungseinrichtung versichert bleiben, ohne dass die Servicegesellschaft selbst Mitglied der Zusatzversorgungskasse werden muss. Von der Beitragspflicht werden nicht alle Mitarbeiter der Servicegesellschaft umfasst, sondern lediglich die auf sie übergegangenen Arbeitnehmer. Bei der Versorgungskasse des Bundes und der Länder sowie bei den meisten kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen sehen solche Regelungen oftmals erhebliche Ausgleichszahlungen vor, die weder vom Krankenhaus noch von der Servicegesellschaft getragen werden können. In diesen Fällen muss die Servicegesellschaft selbst über Direktversicherungen, Pensionskassen oder Direktzu-
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sagen den übergegangenen Mitarbeitern entsprechende Altersversorgungsansprüche einräumen. Problematisch bleibt insbesondere, dass die Satzungen vieler Zusatzversorgungseinrichtungen hohe Ausgleichsansprüche für den Fall vorsehen, dass Mitarbeiter eines ihrer Mitglieder auf einen neuen Arbeitgeber übergeleitet werden, der selbst nicht Mitglied der Zusatzversorgungseinrichtung ist. So führt etwa bei der Zusatzversorgungskasse des kommunalen Versorgungsverbandes Baden Württemberg bereits die Überleitung eines einzelnen Arbeitsnehmers eines Mitgliedes auf eine Servicegesellschaft, die nicht Mitglied ist, zu Ausgleichszahlungen. Diese drohenden Ausgleichszahlungen haben in der letzten Zeit die Überleitung von Mitarbeitern des Krankenhauses auf eine Servicegesellschaft im Rahmen des § 613a BGB für die Mitglieder solcher Zusatzversorgungskassen außerordentlich erschwert und behindert. 1.6.6 Zwischenfazit Die angesprochenen Problemfelder zeigen, dass eine eingehende Prüfung der arbeitsrechtlichen Fragen und die Erstellung eines passenden arbeitsrechtlichen Konzeptes für den wirtschaftlichen Erfolg der Servicegesellschaft wesentlich sind. Die arbeitsrechtlichen Vorüberlegungen haben häufig auch Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung zwischen den Vertragsparteien, insbesondere sofern es um die Verteilung von Risiken und Lasten geht, die sich aus der Übernahme von Mitarbeitern ergeben.
2 Horizontale Privatisierung als spezielle Kooperationsform im Rahmen des Outsourcing
2.1 Die mehrgliedrige gemeinschaftliche Servicegesellschaft Schon bald, nachdem die gemeinsame Servicegesellschaft begann, sich den Markt für infrastrukturelle Dienstleistungen im Krankenhaus zu erobern, wurde sie auch Gegenstand einer inhaltlichen Weiterentwicklung. Waren gemeinsame Servicegesellschaften ursprünglich auf die Erbringung einer Dienstleistungsform für das Krankenhaus konzentriert, wie etwa Reinigung oder Catering, traten im Laufe der Zeit zunehmend gemeinsame Servicegesellschaften auf, in denen mehrere der vielfältigen Formen infrastruktureller Dienstleistungen zusammen gefasst waren (im Folgenden
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bezeichnet als „mehrgliedrige gemeinsame Servicegesellschaften“). Möglich war dies dadurch, dass die Zusammenfassung mehrerer Dienstleistungsarten in der gemeinsamen Servicegesellschaft weder durch steuerliche noch durch rechtliche Gesichtspunkte grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es muss lediglich sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Konzeption erfüllt werden. Dies ist grundsätzlich schon dann der Fall, wenn der Krankenhausträger auch in der mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft über die Rechte und Möglichkeiten verfügt, die umsatzsteuerrechtlich die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der gemeinsamen Servicegesellschaft begründen. Dem wurde dadurch Rechnung getragen, dass in der mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft dem Krankenhausträger gesellschaftsrechtlich die gleiche Position eingeräumt wurde, wie in der eingliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft, also insbesondere die Mehrheit der Stimmrechte, das bestehende und ausgeübte Bestellungsrecht für den Geschäftsführer etc.. Wenn oben die Bezeichnung „mehrgliedrig“ für die entsprechenden gemeinsamen Servicegesellschaften verwandt wurde, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass die Erbringung verschiedener Dienstleistungen durch eine gemeinsame Servicegesellschaft ursprünglich regelmäßig mit verschiedenen Dienstleistungsunternehmen als Partnern realisiert wurde. Nimmt man als Beispiel eine gemeinsame Servicegesellschaft, die Catering- und Reinigungsleistungen für das Krankenhaus erbringt, so bedeutet dies zunächst, dass sich das für Catering zuständige Dienstleistungsunternehmen und das für Reinigung zuständige Dienstleistungsunternehmen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der gemeinsamen Servicegesellschaft die Minderheitenstellung in der Weise teilten, dass die zur Verfügung stehende Beteiligungsquote von 49% oder weniger anteilig übernommen wurde. Bei der Verteilung der Beteiligungsquote zwischen den Dienstleistungsunternehmen orientiert man sich hierbei in der Regel an der Größe der jeweils betreuten Dienstleistungssparte, wobei diese wiederum durch den Umsatz definiert wird, den die gemeinsame Servicegesellschaft in den jeweiligen Dienstleistungssparten mit dem Krankenhausträger realisiert. Neben den Dienstleistungsunternehmen als Minderheitsgesellschafter verfügt die gemeinsame Servicegesellschaft dann auch über je einen gesonderten Dienstleistungsvertrag mit dem Krankenhausträger über die jeweilige Dienstleistungssparte und über je einen Service- und Beratungsvertrag mit dem jeweils für eine Dienstleistungssparte zuständigen Dienstleistungsunternehmen. Wünschen die beteiligten Dienstleistungsunternehmen, wirtschaftlich nicht einheitlich betrachtet zu werden, müssen im Gesellschaftsvertrag einer mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft besondere Vorkehrungen zur Abgrenzung des wirtschaftlichen Erfolgs einer jeden Dienstleistungssparte getroffen werden. Dies
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erfolgt dadurch, dass der Gesellschaftsvertrag einer mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft die Einführung einer Spartenrechnung für jede von der mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft betreuten Dienstleistungssparten vorsieht. Der damit ermittelbare Spartenumsatz, den die mehrgliedrige gemeinsame Servicegesellschaft in einer Dienstleistungssparte mit dem Krankenhausträger erzielt, ist zunächst üblicherweise als Ausgangsgröße bedeutsam für die im Service- und Beratungsvertrag mit dem zuständigen Dienstleistungsunternehmen vereinbarte Vergütung des Dienstleistungsunternehmens. Darüber hinaus ist das auf der Grundlage des Spartenumsatzes und des der betreffenden Sparte zuzuordnenden Aufwands ermittelbare Spartenergebnis maßgeblich für eine vorzunehmende Gewinnverteilung zwischen dem Krankenhausträger und dem zuständigen Dienstleistungsunternehmen, wobei der Krankenhausträger einen Gewinnanteil entsprechend seiner Beteiligungsquote an der mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft (regelmäßig 51% oder mehr) erhält, während dem jeweils zuständigen Dienstleistungsunternehmen in Abweichung von seiner Beteiligungsquote einen Gewinnanteil in der Höhe der zusammen gefassten Beteiligungsquote aller an der mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft beteiligten Dienstleistungsunternehmen zusteht (regelmäßig 49% oder weniger).
2.2 Die universale gemeinsame Servicegesellschaft Die Zukunft scheint jedoch nicht den mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaften zu gehören, die eher eine äußere Hülle für die Zusammenfassung einzelner Dienstleistungssparten und unterschiedlicher Dienstleistungsunternehmen darstellt, sondern gemeinsamen Servicegesellschaften, die im Folgenden als „universale gemeinsame Servicegesellschaften“ bezeichnet werden sollen. Letztere sind dadurch charakterisiert, dass sie für das Krankenhaus den gesamten Komplex der tertiären Dienstleistungen (vgl. Kirchner u. Knoblich in diesem Sammelband), mindestens aber der infrastrukturellen Dienstleistungen einheitlich und integriert erbringen. Damit werden neben den bereits bestehenden Vorteilen der gemeinsamen Servicegesellschaft (vgl. Abschnitt 2.1) u. a. auch diejenigen Synergien realisiert, die sich ergeben, wenn die Erbringung von Dienstleistungen einzelner Dienstleistungssparten organisatorisch und personell integriert und insbesondere die damit befassten Mitarbeiter multifunktional eingesetzt werden. Bei derart konstruierten gemeinsamen Servicegesellschaften scheint es gerechtfertigt, von „horizontaler Privatisierung“ zu sprechen, denn sie ermöglichen öffentlich-rechtlich organisierten Krankenhausträ-
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gern die Auslagerung praktisch aller nicht dem Kerngeschäft des Krankenhauses (Diagnostik, Therapie und Pflege) unmittelbar zuzuordnenden Prozesse und den damit verbundenen Kosten und Aufwendungen. Angesichts des Anteils, den diese Kosten und Aufwendungen an den Gesamtkosten und -aufwendungen eines Krankenhauses haben, kann die horizontale Privatisierung, wenn dadurch ein signifikanter Produktivitätsfortschritt erreicht wird, eine Alternative zu der aus ökonomischen Gründen häufig notwendigen Veräußerung des gesamten Krankenhausbetriebes an private Betreiber darstellen. Die Erfüllung des eigentlichen Auftrags der medizinischen Versorgung der Bevölkerung bleibt damit entsprechend dem Selbstverständnis eines großen Teils der Bevölkerung und der Politik in öffentlich-rechtlicher Hand, ohne dass auf die Hebung von Effizienzreserven weitgehend verzichtet würde. Unter diesem Gesichtspunkt ist die horizontale Privatisierung nicht nur der Alternative der vollständigen Veräußerung des Krankenhausbetriebes, sondern auch allen Alternativen überlegen, die eine Beteiligung eines privaten Krankenhausbetreibers neben der öffentlich-rechtlich verantwortlichen juristischen Person (etwa Stadt oder Landkreis) an einer Krankenhausträgergesellschaft vorsehen. Auch für alle kirchlichen und gemeinnützigen Krankenhausträger, die ihrem medizinischen Versorgungsauftrag aus religiösen oder karitativen Gründen nachkommen wollen, aber ebenso wie alle anderen Krankenhausträger dem seit der Gesundheitsreform zunehmenden wirtschaftlichen Druck unterworfen sind, könnte ein derartiges Modell von hohem Interesse sein. Zusätzliche Problemstellungen begründet die private horizontale Privatisierung originär weniger aus rechtlicher Sicht als vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Rechnungswesens und des Controllings. In ihrer Konstruktion folgt die universale gemeinsame Servicegesellschaft dem Konzept der eingliedrigen oder mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft, je nach dem, ob ein oder mehrere Dienstleistungsunternehmen als Gesellschafter aufgenommen wird bzw. werden. Der Entwicklung zur universalen gemeinsamen Servicegesellschaft folgend, sind große Dienstleistungsunternehmen bemüht, die Kompetenz für immer mehr Dienstleistungssparten zu erlangen und damit ggf. als einziges Dienstleistungsunternehmen für eine mehrgliedrige oder universale gemeinsame Servicegesellschaft in Frage zu kommen. Angesichts der Vielfalt der tertiären Dienstleistungsarten ist in der Praxis aber bisher eher zu beobachten, dass sich Dienstleistungsunternehmen verschiedener Fachrichtungen zu Konsortien zusammen schließen, die sich um eine Beteiligung an einer universalen gemeinsamen Servicegesellschaft bewerben (so geschehen im Zusammenhang mit der Ausschreibung der Charité CFM Facility Management GmbH durch die Charité Universitätsmedizin Berlin). Da im Gegensatz zur mehrgliedrigen gemeinsamen Servicegesellschaft von der universalen gemein-
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samen Servicegesellschaft die integrierte Dienstleistungserbringung erwartet wird, besteht zwischen den beteiligten Dienstleistungsunternehmen ein erhöhter interner Koordinationsbedarf, der regelmäßig den Abschluss eines gesonderten Konsortialvertrages zwischen den beteiligten Dienstleistungsunternehmen erforderlich macht. Darüber ist zu prüfen, ob auch für diese Form gemeinsamer Servicegesellschaften ein Spartenrechnungswesen aufrecht erhalten werden kann und wie durch die integrierte Dienstleistung erzeugte Produktivitätsfortschritte den einzelnen Sparten zugewiesen werden können. Schließlich stellt sich die Frage, ob die zu erbringenden Dienstleistungen durch einen oder mehrere fachlich ausgerichtete(n), mit dem Krankenhausträger abzuschließende(n) Dienstleistungsvertrag bzw. -verträge zu erfassen sind und wie ggf. die Abgrenzung der Dienstleistungssparten erfolgt. Von ganz besonderer Bedeutung ist dies bereits deshalb, weil der Krankenhausträger regelmäßig während der Laufzeit derartiger Dienstleistungsverträge die Weitergabe der erzielten Produktivitätsfortschritte durch eine jährliche Reduktion des ihm insgesamt durch die universale gemeinsame Servicegesellschaft für sämtliche Dienstleistungen in Rechnung gestellten Aufwands erwartet und vertraglich festzuschreiben bemüht ist. Wie sich an den hier nicht zu behandelnden Public Private Partnership-Projekten als Weiterentwicklung der universalen gemeinsamen Servicegesellschaft erweist, besteht in der Erwartung eine Tendenz zu für den Krankenhausträger leicht zu verwaltenden Pauschalpreisen. Dies hat notwendigerweise zur Folge, dass in den verschiedenen Dienstleistungsverträgen, mindestens aber innerhalb der gemeinsamen Servicegesellschaft oder über die jeweiligen Service- und Beratungsverträge Ausgleichsmechanismen für Dienstleistungssparten unterschiedlicher Produktivitätsentwicklung, die von unterschiedlichen Dienstleistungsunternehmen betreut werden, gefunden werden müssen. Die Darstellung der Komplexität dieser Fragestellungen im Einzelnen, die, wie gesagt, mehr betriebswirtschaftlicher als rechtlicher Natur ist, muss einem gesonderten Beitrag vorbehalten bleiben.
Literatur: Boesen A (2000) Vergaberecht. Kommentar zum 4. Teil des GWB. Bundesanzeiger Verlag, Köln Stickler T (2003) §99. In: Reidt O, Stickler T, Glahs H (Hrsg) Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., Ernst Schmidt Verlag, Berlin Weyand R (2007) ibr-online-Kommentar Vergaberecht, Stand 02.01.2007 Widmann W (2007) Veranlagungshandbuch Umsatzsteuer 2006, 49. Aufl., IDW-Verlag, Düsseldorf
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Teil 4: IT-Nutzenpotenziale im zukunftsorientierten Krankenhausmanagement
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Klinische Informationssysteme im Krankenhausmanagement: Eine neue Sicht auf die Entwicklung und die Einführung innovativer KIS Ingo Behrendt
1 Effizienzpotentiale klinischer Informationssystemen: Eine Herausforderung Die Bedeutung der Informationstechnologie im Gesundheitswesen bedarf keiner weiteren intensiven Erläuterung. Zu offensichtlich sind die Schwächen in vielen Krankenhäusern, psychiatrischen- und Rehaeinrichtungen, wenn es um die strukturierte Erfassung und Wiederverwendung von Patienten- und Verwaltungsinformationen geht. Und zu offensichtlich sind die Möglichkeiten von IT-Systemen, genau in diesen Bereichen wesentliche Arbeitserleichterungen zu schaffen. Die Klagen über ineffiziente Abläufe in der Patientendokumentation, Doppeluntersuchungen aufgrund fehlender Transparenz und unzureichender Datenqualität für das Management von Gesundheitseinrichtungen gehören zur Alltagsroutine des Gesundheitswesens. Die Klagen sind ernst zu nehmen. Unzureichende Dokumentation des Behandlungsverlaufes und ineffiziente Steuerung von Behandlungsressourcen sind nicht nur harmlose Verwaltungsfehler, die zu Zeitverlust oder höheren Kosten führen. Es handelt sich zum Teil um fehlende Informationen oder gar Fehlinformationen im Behandlungsverlauf, die erhebliche Konsequenzen für Therapieentscheidungen und Therapieerfolg haben können. Fehlende Röntgenbilder aus vergangenen Behandlungen, unzureichende Information über die aktuelle Medikation, keine Hinweise über Allergien oder permanente Erkrankungen: Beinahe jedermann kennt aus seinem privaten Umfeld Beispiele, die diese Problemstellung illustrieren und uns die Bedeutung von Informationen als Ausgangspunkt jeder Diagnose und Behandlung vor Augen führen. Die Ableitung von Erfolgspotentialen allein ist für eine erfolgreiche ITStrategie in Einrichtungen des Gesundheitswesens jedoch in keiner Weise hinreichend. Zu sehr haben die Erfahrungen in vielen Projekten der letzten Jahre gezeigt, dass nur dann Erfolge für die Organisationen zu erzielen sind, wenn sowohl Budgetrestriktionen, als auch die Fähigkeit organisationelle Änderungen umzusetzen, maßgeblich in die Betrachtung mit ein-
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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fließen. Gerade Akzeptanzprobleme bei Endanwendern aber auch technische Risiken und unüberschaubare Änderungszyklen stellen erhebliche Restriktionen für erfolgreiche IT-Projekte im Gesundheitswesen dar. Das hat sich auch in den Großprojekten der letzten Jahre gezeigt. Das Problem ineffizient verwalteter Patientendaten fordert sogar die Politik in vielen Ländern heraus. Nicht zuletzt hat der amerikanische Präsident Obama ein 22 Milliarden US-Dollar Paket zur Digitalisierung von Patientenakten beschlossen. Das in Deutschland in 2004 im Bundestag beschlossene Projekt „elektronische Gesundheitskarte (eGK)“ verfolgt eine ähnliche Zielsstellung, setzt aber gleich dort an, wo es im Gesundheitswesen am schwierigsten ist, Übereinstimmung zu finden: bei der intersektoralen Kommunikation. Das Ziel, einen verbesserten Austausch von Patienteninformationen zwischen Hausärzten, Apotheken, Krankenhäusern bis hin zu Krankenkassen und Kammern zu erreichen, ist – obwohl es so selbstverständlich klingt – äußerst ehrgeizig ausgerichtet. Das lässt sich auch am Realisierungsgrad der eGK ablesen. Nach mehreren Jahren Projektlaufzeit ist keineswegs gesichert, dass die eGK ihre Ziele nur annähernd erreichen wird und nicht auf die Funktion einer Kassenkarte mit Photo reduziert wird. Deutschland ist keineswegs allein mit dem Versuch, über politische IT-Projekte die Qualität, Sicherheit und Effizienz im Gesundheitswesen zu erhöhen. Das NHS (National Health Service) Projekt “NPfIT“ aus England, ausgestattet mit einem Gesamtbudget von 12,4 Mrd. Pfund, hatte sogar zum Ziel, in 10 Jahren alle Gesundheitseinrichtungen mit wenigen einheitlichen Softwaresystemen auszurüsten und damit die Kommunikation, die Dokumentation und die medizinischen Ablaufstandards aller Gesundheitseinrichtungen des National Health Service zu vereinheitlichen. Dieses in 2002 als weltweit größtes Computerprogramm gestartete Projekt steckt seit Anbeginn in einer maßgeblichen Krise und es ist nach dem Scheitern verschiedener Lieferanten zweifelhaft, ob es je gelingen wird, das Projekt im ursprünglichen Sinne umzusetzen. Beispiele für IT-Projekte, die sich mit der Optimierung von Patienteninformationen und der Verbesserung von Behandlungsprozessen beschäftigen, sind zahlreich. Die Liste der Beispiele der Projekte, die deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen geblieben sind, scheint fast ebenso lang. Das gilt sowohl für nationale Großprojekte als auch auf der Ebene einzelner Krankenhäuser. Warum ist es gerade im Gesundheitswesen so schwierig, dokumentations- und prozessunterstützende IT-Projekte erfolgreich umzusetzen? Womit ist der sehr deutliche Rückstand der Krankenhäuser gegenüber anderen Industrien im Bereich der IT-Durchdringung zu erklären? Was unterscheidet die Institutionen des Gesundheitswesens so entscheidend von
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anderen Industrien, die sich der Potentiale der IT sehr viel eher und wie es scheint sehr viel erfolgreicher bedient haben? Ausgehend von dieser maßgeblichen Fragestellung beschäftigt sich der vorliegende Artikel mit den Lehren aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre und beschreibt neue Wege, die Krankenhäuser und Softwarehersteller gehen sollten, um die in der IT steckenden Potentiale für Patienten und Ärzte zu nutzen.
2 Prozessunterstützung in Krankenhäusern: Nur ein Teil des Weges ist begangen Während wir in großen Sektoren der Industrie in den 80er und 90er Jahren weltweit einen sprunghaften Anstieg an IT-Investitionen beobachten konnten, erleben wir im Gesundheitswesen eine nur sehr zögerliche Annäherung an eine umfassende Informatisierung der Abläufe. Viele Industrien sahen sich vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks gezwungen, geschäftliche Transparenz und effiziente Abläufe durch die IT-Einführung sehr rasch zu unterstützen. Nahezu alle betrieblichen Bereiche wurden in den letzten 20 Jahren intensiv umgestellt und mit IT nachhaltig verändert. Branchenübergreifend wurden, beginnend mit dem Finanzmanagement und dem Controlling, die Produktionsprozesse, die Logistik und zuletzt die Vertriebsprozesse Schritt für Schritt informatisiert und Effizienzpotentiale gehoben. Die Einführung von ERPSystemen zur Prozessoptimierung, die Nutzung von Customer Relationship-Applikationen und dem Internet zur Verbesserung von Vertriebs- und Marketingprozessen bis hin zum Aufbau moderner Kommunikationsinfrastrukturen (Voice Over IP, Messaging oder Bildkommunikation) bilden heute das Rückgrat unternehmerischer Prozesse und sind aus der industriellen Praxis nicht mehr wegzudenken. Auch in der Gesundheitswirtschaft und in den Krankenhäusern selbst wurde die Diskussion um IT-Unterstützung schon sehr früh und sehr intensiv geführt (vgl. Scheer et al. 1996, S. 31). Die Erkenntnis, dass die Kommunikation und der Datenaustausch der Leistungserbringer untereinander sowie zwischen den Leistungserbringern und Patient die Versorgungsprozesse im Gesundheitswesen verbessern und Kosten sparen kann (vgl. Roland Berger & Partner 1997, S. 57), ist nicht neu. Auch mangelte es nicht an Forschungsprojekten und wissenschaftlichen Ausarbeitungen zu dem Themenkomplex (vgl. Kacher et al. 2000). Die Geschwindigkeit der praktischen Umsetzung und insbesondere die messbaren Ergebnisse scheinen jedoch weit hinter den Errungenschaften
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der Industrien zurückzubleiben. Dieses Phänomen ist dabei nicht auf Deutschland beschränkt, sondern scheint sich in vielen europäischen Ländern und auch in den USA in ähnlicher Form zu bestätigen. Dabei muss die Analyse nicht in allen Bereichen ernüchternd ausfallen. In Deutschland wurde insbesondere in den administrativen Prozessen und den Qualitätsmanagementprozessen im Krankenhaus die Informatisierung stark vorangetrieben und hat ganz erhebliche Fortschritte erzielt. Im Bereich Patientenmanagement und -abrechnung wurden erhebliche Investitionen getätigt, die zu deutlich verschlankten Abrechnungsverfahren zwischen Leistungserbringern und Kassen geführt haben. Erst durch die ITUnterstützung konnten komplexe neue Formen der Krankenhausvergütung wie die DRG (Diagnostis Related Groups) oder die Abrechnung integrierter Versorgungsverträge beherrschbar und letztlich einführbar gemacht werden. Verbessert werden konnten auch Kapazitäts- und Belegungsplanungen durch Patientenmanagementsysteme. Sie haben nicht unerheblich zur Transparenzerhöhung in der Ressourcenauslastung und damit letztlich auch zur Reduktion von Patientenverweildauern im Krankenhaus beigetragen. Gleiches gilt für die finanzwirtschaftliche Steuerung von Krankenhäusern. Durch verbesserte IT-Verfahren in der Finanzbuchhaltung und im Controlling sind die Erfolgsgrößen im Krankenhaus heute wesentliche transparenter und leichter steuerbar. Hierzu gehören insbesondere die Kostenträgerrechnung und die Einführung von klinischen Behandlungspfaden (vgl. Vera 2004, S. 141ff.). Gesetzlich vorgeschriebene Qualitätssicherung (§ 137 SBG 5) nach Verfahren wie die BQS oder KTQ werden in Deutschland heute ebenfalls weitgehend systemunterstützt erhoben und die Resultate elektronisch übertragen. Die Unterstützung der Ärzte und Pflegenden in diesen Bereichen durch IT ist sogar als Voraussetzung für die Durchsetzbarkeit der zusätzlichen Datenerhebungsvorgänge zu sehen. Andernfalls hätten sich die zusätzlichen Belastungen in der Praxis der Ärzte und Pflegenden nicht darstellen lassen. So kann heute fast flächendeckend von einer sehr intensiven Nutzung der IT zur Unterstützung administrativer und qualitätssichernder Prozesse gesprochen werden. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern werden diese Prozesse nahezu ausnahmslos durch Systeme unterstützt. Ganz anders verhält es sich hingegen bei der Unterstützung der tatsächlichen Kernprozesse der Kliniken – der medizinischen und pflegerischen Prozesse. In diesen Prozessen ist naturgemäß der Hauptteil des Personals, der Kosten und der qualitätsrelevanten Aktivitäten gebunden.
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Obwohl in der Regel eine große Anzahl an Softwaresystemen in den Kliniken vorzufinden ist, fällt die Analyse der tatsächlichen Unterstützung dieses „weißen Bereiches“ in sehr vielen Kliniken ernüchternd aus. Das Bild ist i.d.R. durch ein klinisches Informationssystem geprägt, das auf die Unterstützung der oben genannten administrativen Prozesse ausgerichtet ist und nur Randbereiche der medizinischen Wertschöpfung erreicht. In den meisten Kliniken regieren in den medizinischen Prozessen noch der Stift und das Formular. Integrierte medizinische Systeme, die den Anwendern diese Form der Transparenz über den Patienten und Unterstützung in der Dokumentationsarbeit bieten, sind nur in den seltensten Fällen eingeführt. Es existieren erhebliche Lücken in der Patientendokumentation und eine gemeinsame Ressourcenabstimmung oder elektronische Befundkommunikation findet innerhalb des Krankenhauses nicht oder nur punktuell statt. Inselsysteme, die häufig notdürftig über Schnittstellen angebunden sind, bilden die Mehrzahl der in den medizinischen Bereichen unterstützten Funktionen ab (z. B. Pathologiesysteme, Intensivmedizinsysteme). Bereichsübergreifende Funktionen, wie z. B. die elektronische Patientenakte, elektronische Medikationsunterstützung oder Pflegeplanungssysteme sind nur sehr vereinzelt zu finden und häufig nicht in das übergreifende Krankenhausinformationssystem integriert. Dadurch entstehen nur teilweise wirkliche Arbeitserleichterungen durch die Informationssysteme, während die Systembetreuung immer aufwändiger wird. In der Konsequenz sind in vielen Krankenhäusern trotz erheblicher IT-Investitionen Situationen vorzufinden, die weder die Anwender noch das IT-Management zufrieden stellt. Blickt man heute durch die Mehrzahl deutscher aber auch europäischer Krankenhäuser, so scheint diese Situation vorherrschend. Diese Sicht wird auch in verschiedenen Artikeln dieses Sammelbandes unterstützt. Es zeigt sich, dass in Wissenschaft und Politik schon sehr weit im Voraus über nationenweite Patienteninformationssysteme und andere E-Health Applikationen diskutiert wird, während die Realität in vielen Krankenhäusern noch sehr ernüchternd ist. Dabei sind die grundlegenden Forderungen der Ärzte, Pfleger und Apotheker an das medizinische Informationssystem technisch und inhaltlich keineswegs unüberschaubar. Sie lassen sich grundsätzlich in 5 Bereiche unterteilen: • Übersicht über die Patientenhistorie: o
Eine klare Übersicht über die Krankengeschichte des Patienten inkl. der Laborwerte und Befunde in Bild- und Textform in Form einer elektronischen Patientenakte
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Ingo Behrendt
o
Ein klare Übersicht über den Pflegestatus des Patienten mit seinen Vitalwerten und Pflegemaßnahmen
• Elektronische Anforderung und Darstellung von Untersuchungen: o
Eine durchgehende digitale Anforderung von Befunden
o
Unmittelbare Rückmeldung der Ergebnisse und Befunde
o
Verfolgung des Bearbeitungsstatus und der Priorisierung der Aufträge
• Automatische Übernahme von Vorinformationen des Patienten für Berichte: o
Übernahme aller unveränderlichen Patienteninformationen in die nachfolgende Dokumentation
o
Weitgehende Übernahme der erfassten Informationen in die Qualitätssicherung und die Berichtschreibung
o
Unterstützungsfunktionen zur automatischen Ableitung von Leistungskennziffern und DRGs aus der medizinischen Dokumentation
• Eine durchgehende elektronische Unterstützung medizinischer Arbeitsprozesse: o
Elektronische Erfassung von Nicht-Medikamentösen Verordnung und Medikamenten und Verfolgung deren Verabreichung
o
Steuerung von medizinischen Behandlungspfaden
o
Unterstützung von Befundungsprozessen in den jeweiligen medizinischen Disziplinen
• Problemorientiertes Bereitstellen von Expertenwissen: o
Kontextbezogene Risikoinformationen werden bei der Falldokumentation angezeigt
o
Kontextbezogen werden Informationen zur Diagnose- und Behandlungsunterstützung bei der Dokumentation bereitgestellt.
Diese so grundlegend klingenden Funktionalitäten sind in den meisten Fällen schon ausreichend, um erhebliche Einsparungen und Transparenzgewinne im Behandlungsverlauf zu schaffen und Anwender in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen.
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3 Einführung klinischer Informationssysteme: Hindernisse wohin man schaut Man würde ja zunächst erwarten, dass die oben beschriebenen Anforderungen im 21. Jahrhundert keine unmögliche technologische Herausforderung sein sollten. Wo liegen nun die Gründe für die Schwierigkeiten, Systeme für Krankenhäuser zu erstellen bzw. einzuführen? Eine kurze Antwort lässt sich mit Hinweis auf den Gesamtprozess Patientenbehandlung formulieren: Die Komplexität des Prozesses „Patientenbehandlung“ ist ungleich höher und vielfältiger, als wir es in anderen Industrien finden. Deshalb ist es auch ungleich schwerer, eine einheitliche Sichtweise auf die Gestaltung, Einführung und Weiterentwicklung von klinischen Informationssystemen zu entwickeln. Entsprechend gering ist der Standardisierungsgrad der Software, der in der Regel sehr stark an die Anforderungen der einzelnen Häuser anzupassen ist. Diese sehr generelle Erklärung bietet jedoch kaum noch Hinweise auf spezifische Probleme und damit auf Lösungsmöglichkeiten. Es lassen sich im Einzelnen durchaus eine Reihe von spezifischeren Gründen finden, die die Problemlage etwas klarer darstellen: (1)
Es existieren nach wie vor sehr unterschiedliche Erwartungshaltungen an KIS
Das zeigt sich besonders deutlich, wenn wir die Erwartungen an solche Systeme in Projekten abfragen. Zwischen und innerhalb der unterschiedlichen Berufsgruppen im Krankenhaus herrschen sehr oft stark abweichende Erwartungshaltungen, die sich in vielen Fällen kaum in Übereinstimmung bringen lassen. Die Erwartungen reichen vom Wunderwerkzeug, das viele Organisationsprobleme und administrative Aufgaben einfach von selbst erledigt, bis hin zu der Einschätzung, dass es sich hier um eine überflüssige Technisierung handelt, die nur zu Mehrarbeit führt. Dementsprechend herrschen auch ganz unterschiedliche Vorstellungen über die konkreten Einsatzformen von klinischen Informationssystemen. Insbesondere die Erwartungshaltung, dass über klinische Informationssysteme die Organisationsprobleme mitgelöst werden, steht vielen Projekten im Weg. Es klingt natürlich verlockend, wenn z.B. die längst fällige Zusammenlegung von zwei Abteilungen oder die Abgrenzung zwischen pflegerischer und ärztlicher Anamnese nun gleich mitgeregelt werden können. Der Nachteil: Das Projekt wird „politisch“ und verzögert sich möglicherweise so stark, dass es wieder in Frage gestellt wird.
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(2)
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Die IT-Budgets von Krankenhäusern sind im Vergleich mit Industrieunternehmen gering, die Anforderungen der Nutzer ungleich höher.
Es werden derzeit ca. 2% des Umsatzes in Deutschen Krankenhäusern für IT ausgegeben (vgl. Lorenz u. Rolle 2007, S. 3). Gemessen an den 4,6% in der Industrie (Forrester Research 2009) und an den Krankenhaus ITBudgets in anderen Ländern wie der Schweiz oder den USA, handelt es sich um einen vergleichsweise geringen Wert. Auch die zunehmende Privatisierung von Krankenhäusern scheint in Deutschland keine Veränderung zu bringen, auch hier steigen die IT-Budgets nicht deutlich. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Zielsetzungen, die in Ausschreibungen und Verhandlungen über klinische Informationssysteme zum Ausdruck kommen. Die Themen Rationalisierungspotentiale und Effizienzgewinne werden sehr stark betont und bei der Einführung wird ein sehr hohes Niveau an Automatisierung und individueller Prozessunterstützung durch das KIS erwartet. Eine Erwartung, die häufig nicht zum verfügbaren Budget passt und damit sowohl die Anbieter von Softwarelösungen als auch IT- Abteilungen der Krankenhäuser überfordern. (3)
Dezentrale Führungsstrukturen in Krankenhäusern erschweren das Durchsetzen einheitlicher IT-Lösungen.
Trotz vieler Veränderungen in den Führungsstrukturen deutscher Krankenhäusern ist die starke Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen und das Bereichsdenken nach wie vor sehr ausgeprägt. Zentrale übergreifende Entscheidungen scheitern häufig an den unterschiedlichen Interessenlagen der Chefarztbereiche. Für die Einführung bereichsübergreifender KIS-Systeme ist diese Situation eine besondere Herausforderung. Die zentralen IT-Abteilungen sind in vielen Fällen nur in geringem Maße in der Lage, Standards durchzusetzen und sind auf die Zustimmung eines jeden Bereiches angewiesen. Das kann dazu führen, dass die Kooperation bei der Einführung eines KIS dazu genutzt wird, um organisatorische oder budgetäre Forderungen durchzusetzen. Auch die Umsetzung eigener Vorstellungen über die Ausgestaltung eines KIS-Systems wird häufig als Voraussetzung für die Unterstützung des Projektes gesehen. (4)
Sehr ausgeprägter Anspruch auf Individualität in den Krankenhäusern und in den Abteilungen erschwert die Softwarestandardisierung.
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Das Spannungsfeld zwischen Patientenindividualität und der Standardisierung medizinischer Leistungen führt in der Behandlungspraxis zu einer großen Anzahl individueller oder teilstandardisierter Arbeitsprozesse und Organisationsformen. Die Einführung klinischer Systeme ist immer auch von der Anpassung der Software an die Gegebenheiten des Krankenhauses oder der Abteilung geprägt. Da die Kosten für Softwaresysteme mit Ihrer Individualisierung überproportional ansteigen, ergibt sich sehr häufig ein Widerspruch zwischen Budgetmöglichkeiten und dem Anspruch der Anwender an Individualität. Dieser Konflikt stellt sicherlich das größte Risiko für KIS-Projekte dar. (5)
Systemanbieter von KIS differenzieren in ihren Standardisierungsansätzen nicht ausreichend nach Spezialausrichtungen von Krankenhäusern.
Der Versuch der Softwareanbieter, Krankenhausinformationssysteme generell zu standardisieren, muss auch vor dem Hintergrund der vielen Spezialausrichtungen von Krankenhäusern unzureichend bleiben. Betrachtet man die unterschiedlichen Schwerpunkte in der Gesundheitsversorgung, so wird klar, dass ein Standardsystem für so unterschiedliche Einrichtungen wir Kreiskrankenhäuser, Universitätskliniken, Psychiatrien, Kardiologische Spezialkliniken, Neurorehabilitationseinrichtungen u.a. kaum den vielen unterschiedlichen Anforderungen dieser Einrichtungen gerecht werden kann. Dennoch bieten nur wenige KIS am Markt vorkonfigurierte Systeme, die auf die unterschiedlichen Zielgruppen ausgerichtet sind. Das wird sehr deutlich, wenn man die Produkte der KIS-Anbieter betrachtet, in denen nur in den seltensten Fällen eine zielgruppenorientierte Differenzierung des Angebots zu finden ist. (6)
Rein papierbasierte Prozesse in kurzer Zeit auf voll digitalisierte Systeme umzustellen: Eine Zielsetzung die zu weit vorgreift.
Die lange Zeit digitaler Abstinenz führt in vielen Krankenhäusern zu einer sehr ambitionierten Planung in KIS-Projekten. Gerade unter den jüngeren Ärzten, die mit Internet und mobiler Kommunikation vertraut sind, ist die Erwartung an eine schnelle Digitalisierung der klinischen und administrativen Prozesse groß. Entsprechend hoch ist der Druck in KIS-Projekten, diesen Erwartungen zu entsprechen. Dabei wird der in der Frühzeit der EDV geprägte Grundsatz verletzt, dass durch die parallele Entwicklung der wesentlichen IT-Durchdringungsmerkmale (Technologie, DVOrganisation, Anwendung, Anwender) ein effizientes System entstehen kann.
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Stufen der KIS Durchdringung Merkmale der KIS-Durchdringung
beginnend
wachsend
kontrolliert
strategisch geplant
IT-Technologie IT-Organisation KIS Anwendung KIS Nutzer
Abb. 1: Stufenbetrachtung der KIS-Durchdringung im Krankenhaus
Es ist entscheidend für den Erfolg eines KIS-Projektes, dass die Durchdringungsmerkmale parallel entwickelt werden. Die beste Technologie und überzeugendste Anwendung wird nicht effizient einzusetzen sein, wenn die IT-Organisation oder die Nutzer nicht auf die Anforderungen vorbereitet sind. Nicht selten wird in einigen Schwerpunktbereichen investiert, z. B. der Technologie oder der Anwendung, die anderen Bereiche wie z. B. die IT-Organisation auszubauen oder die Anwenderschulung zu verbessern, werden jedoch vernachlässigt. Eine solche selektive Ausrichtung ist nicht effizient. Ebenfalls von Bedeutung ist die Einsicht, dass sich alle Durchdringungsmerkmale stufenweise entwickeln müssen. Krankenhäuser können in ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorgehen, müssen letztlich jedoch einen evolutionären Ansatz wählen, um klinische Informationssysteme langfristig erfolgreich zu betreiben.
4 Softwarefirmen und Krankenhäuser: Eine Neuausrichtung wird nötig Die hohen Erwartungen an die Informatisierung des Gesundheitswesens haben sich nicht vollständig erfüllt. Das gilt sowohl für die Krankenhäuser, die sich schnellere und einfachere Vorteile erhofft haben, als auch für die Softwareanbieter, die mit mehr Nachfrage und einem größeren Markt gerechnet haben. Für beide Gruppen scheint es dringlich, die Strategien zu überdenken und Produktentwicklung und Projekteinführungen an die oben beschriebenen Erkenntnisse anzupassen. Dabei stehen beide Seiten vor unterschiedlichen Herausforderungen und Situationen.
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4.1 Die Anbieterseite Auf Seite der Softwareunternehmen hat sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von einschneidenden Veränderungen ergeben, die einer grundlegenden Überprüfung der Produktentwicklungsstrategien zum Teil entgegenstehen. Zum einen hat eine starke internationale Konzentration stattgefunden, so dass nur noch wenige Unternehmen mit signifikantem Marktanteil übrig geblieben sind. Gerade in Deutschland haben der Marktführer AGFA sowie die Unternehmen Siemens, Compugroup und NEXUS die Konzentration wesentlich bestimmt und das stark zergliederte Marktumfeld durch Akquisitionen zusammengeführt. Auch im internationalen Bereich fanden viele Zusammenschlüsse statt, die zu wesentlich größeren Einheiten geführt haben. Gleichzeitig konnte sich international kein Marktführer etablieren. Die internationale Expansion der großen amerikanischen Anbieter war nicht nachhaltig und auch der Versuch von isoft oder jetzt IBA, ein dominanter internationaler Anbieter zu werden, war bisher nicht erfolgreich. Der Grund hierfür ist auch darin zu sehen, dass neue Produktgenerationen von den großen Anbietern sehr stark beworben und ausgelobt wurden und letztendlich sehr verspätet, gar nicht oder nur sehr eingeschränkt auf den Markt gekommen sind. Diese Problematik hat den Markt um Jahre zurückgeworfen und das Vertrauen in Softwareanbieter insgesamt beschädigt. Möglicherweise als Folge musste der Markt an sich neu bewertet werden. Während die meisten Marktteilnehmer Ende der 1990er Jahre noch von einem europäischen Marktvolumen für klinische Informationssysteme in 2009 von über 4 Mrd. Euro (vgl. Dietzel 1999) ausgegangen waren, zeigen jüngere Schätzungen einen wesentlich geringeren Wert von ca. 1 Mrd. Euro (vgl. WestLB Research 2006). Ist dieses reduzierte Marktvolumen nun eine Folge der nicht gehaltenen Versprechen der Hersteller oder war die Schätzung von vorn herein zu optimistisch und hat die spezifischen Probleme der Krankenhäuser in der Umsetzung digitaler Konzepte unterschätzt?
4.2 Nachfrageseite Auch auf der Seite der Krankenhäuser haben sich in den letzten Jahren Entwicklungen ergeben, die das konsequente Verfolgen von IT-Strategien
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in Krankenhäusern erschwert haben. In Deutschland wurden neben den Finanzierungsproblemen insbesondere die Schwerpunktprojekte DRGEinführung, Qualitätsmanagement bearbeitet. 4.2.1 Budgetprobleme und zunehmende Privatisierung Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb der Kliniken waren die Budgetprobleme und die anhaltende Diskussion um Privatisierungen in den letzten Jahren ein stark beherrschendes Thema. Diese generellen Themen der deutschen Krankenhauslandschaft haben verhindert, dass nach vorne gerichtete Aktivitäten zur Optimierung der Arbeit und der medizinischen Prozesse uneingeschränkt im Vordergrund standen. Schnelle Einsparungserfolge hatten natürlicherweise Priorität, während Investitionen in Personal, Hard- und Software, die eine solche Prozessoptimierung häufig nötig macht, zurückgestellt wurden. In anderen Ländern, wie bspw. in der Schweiz waren diese Schwerpunkte weit weniger dominierend und Forschritte im Bereich der digitalen Unterstützung medizinischer Prozesse standen stärker im Fokus. 4.2.2 Einführung der Diagnostic Related Groups (DRG) Auf der Sachebene hat die Einführung der DRGs Ressourcen gebunden und hat damit vielfach auch den Schwerpunkt der EDV-Aktivitäten gebildet. Es wurden erhebliche Investitionen in die Weiterentwicklung des digitalen Patientenmanagements, des DRG Groupings und der Abrechnungsprozesse investiert. Auch waren die Erfassungsprozesse der Diagnosen neu zu organisieren, ein Thema das insbesondere bei dezentraler Erfassung, also am Arztarbeitsplatz zu großen Veränderungen geführt hat. Ohne Frage ist dieser Bereich für Kliniken kritisch, da es sich hier um die Einnahmeseite handelt und insofern für die Ertragskraft der Häuser von besonderer Bedeutung ist.
4.2.3 Einführung von Qualitätsmanagement Vor dem Hintergrund der zunehmenden gesetzlichen und internen Qualitätsanforderungen der medizinischen Behandlung und der Krankenhaus-
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führung waren Qualitätssicherungsprojekte ein weiterer dominanter Bereich der letzten Jahre. Die externe vergleichende Qualitätssicherung in Krankenhäusern, die von der BQS koordiniert wird, hat den Erfassungsaufwand der Dokumentation von ärztlicher und pflegerischer Leistung deutlich erhöht. Der Gesetzgeber hat Qualitätsberichte für Krankenhäuser zur Pflicht gemacht. Auch hier mussten umfangreiche Softwareeinführungsprojekte umgesetzt werden, die die Erfassung und Übertragung von Qualitätsdaten für die Qualitätssicherung ermöglichen. Das interne Qualitätsmanagement von Krankenhäusern wurde ebenfalls in den Fokus der Veränderungsprozesse in Krankenhäusern gestellt. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Kontrolle (Zertifizierung) medizinischer, pflegerischer und verwaltungstechnischer Abläufe. Ziel ist, BehandlungsProzesse im Sinne der Patientenorientierung effizienter zu gestalteten. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Qualitätsberichts schafft dabei die erwünschte Transparenz für Patienten, Angehörige, Ärzte und Krankenkassen. Krankenhäuser, die sich nach einem anerkannten Verfahren zertifizieren lassen (z.B. KTQ) haben erhebliche interne und externe Dokumentations- und Organisationsaufwendungen, die die Organisationen in den letzten Jahren belastet haben. Vor dem Hintergrund dieser weit reichenden Themen kann es nicht verwundern, dass Krankenhäuser dem Thema digitaler Prozessunterstützung nur untergeordnete Aufmerksamkeit geschenkt haben. Nichtsdestotrotz sind die darin liegenden Effizienz- und Qualitätspotentiale so groß, dass dies kein Dauerzustand sein kann und wohl auch nicht sein wird. Patienten – aber auch Ärzte und Pflegekräfte – fordern verbesserte Informationsqualität und -transparenz im Diagnose- und Behandlungsverlauf immer stärker ein. Weder Patienten noch Behandelnde akzeptieren im Internetzeitalter, dass im Behandlungsfall bereits durchgeführte Untersuchungen nicht verfügbar sind, die gleichen Fragen zum Gesundheitsverlauf mehrfach gestellt und erfasst werden oder eine unzureichende Organisation die Wartezeiten unnötig verlängert. Die Ansprüche an moderne Medizin beinhalten heute eine vernetzte, intelligente Informationsverarbeitung ebenso wie die Erwartung, ausgebildete Fachärzte und hochwertige Medizingeräte vorzufinden. Die vielen oben genannten Hindernisse müssen letztlich überwunden werden, um eben diese Anforderungen erfüllen zu können.
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5 Eine neue Sicht auf klinische Informationssysteme Betrachtet man die Geschichte und die Entwicklung der medizinischen Informatik, so stellt man relativ schnell fest, dass die Diskrepanz zwischen Vision oder Forschung und der klinischen Realität in den letzten 15 Jahren sehr groß geblieben ist. Gründe für diese Diskrepanz sind unter vielen anderen die oben genannten Probleme und Hindernisse. Richtet man den Blick in die Zukunft, kann ein „weiter so“ nicht die Lehre aus den letzten Jahren sein. Vielmehr müssen die bisherigen Paradigmen in dieser noch jungen Branche hinterfragt werden und die Kraft für eine neue Sicht und für eine verändertes Herangehen an klinischen Informationssysteme gefunden werden. Eine neue Sicht muss die genannten Probleme adressieren und Wege aufzeigen, in welche Richtung die Systeme sich zu entwickeln haben und wie Projekte erfolgreicher, schneller und kostengünstiger zu realisieren sind. Als Vertreter eines Softwareunternehmens hat der Autor sicherlich eine eingefärbte Sichtweise auf die tatsächliche Gestaltung der Systeme. Dennoch dürften einige der hier formulierten Grundsätze über die Anbietersicht hinausgehen und eine generelle Richtung der System-, Anwendungsund Projektentwicklung beschreiben. Eine neue Sichtweise umfasst dabei die Systemerstellung an sich, die sich wesentlich stärker als bisher auf die konkreten technischen Situationen der Krankenhäuser und ihrer Umsysteme ausrichten muss. Sie umfasst aber auch die Anwendungsgestaltung, die wesentlich deutlicher eine intuitive Benutzerführung in den Vordergrund zu stellen hat. Daneben – und dies ist sicherlich einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren – muss eine neue Sichtweise auf KIS auch die Projektumsetzung selbst adressieren. Die nachfolgende Darstellung dieser Aspekte hat dabei nicht den Anspruch eine umfassende Beschreibung der medizinischen Informatik zu geben, sondern soll eher die Kernpunkte des Veränderungsbedarfs skizzieren.
5.1 Eine neue Sicht auf das System Mit System ist hier die grundlegende Architektur des klinischen Informationssystems gemeint. Der Markt hat in den letzten Jahren eine Reihe von Veränderungen in den Systemarchitekturen der Anbieter gesehen. Ein Teil der Anbieter ist hin zu immer integrierteren Systemen gegangen, die auf Grundlage von evolutionär gewachsenen Datenmodellen in sich geschlossene Systeme bilden. Grundproblem dieser Entwicklung ist die exponenti-
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ell gewachsene Systemkomplexität, die in Deutschland noch zusätzlich verschärft wird, da viele Systeme auf Grundlage der komplexen und ständig veränderten Abrechnungsprozesse entwickelt wurden. In der Folge sind die Systeme kaum in bereits bestehende Systemstrukturen zu integrieren und können nur im Rahmen einer Gesamtablösung der Altsysteme eingeführt werden. Deshalb sind auch Individualisierungen von Funktionen und Prozessen innerhalb der Software nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand zu realisieren und werden kaum umgesetzt. Systeme dieser Art (monolithische Systeme) haben sich insbesondere in Deutschland und hier meistens in kleineren und mittleren Häusern durchgesetzt. In Ländern mit anderer Schwerpunktbildung jedoch finden monolithische Systeme bisher nur wenig Akzeptanz. Ein anderes am Markt verfolgtes Konzept ist die Neuentwicklung eines an den Krankenhausprozessen orientierten Softwaresystems, dass dies Gesamtabläufe des Krankenhauses und der vor- und nachgeschalteten Prozesse umfassen soll. Es scheint, dass sich diese Systeme aufgrund der mangelnden Standardisierung der medizinischen Prozesse schwer tun, überhaupt einen Fertigstellungsgrad zu erreichen. Man sieht bei den beiden prominentesten Beispielen am Markt, dass selbst nach Jahrzehnten der Entwicklung ein durchgreifender Markterfolg noch nicht eingetreten ist. Die dritte Gruppe umfasst flexible Systeme, die prozessorientierte Lösungen bieten und eine Integration in die bestehenden Infrastrukturen des Krankenhauses vorsehen. Die damit verbundenen Schnittstellen- und Individualisierungsprobleme haben den Kreis der Anbieter dieser Systeme in den letzten Jahren stark schrumpfen lassen. Wo liegen nun die Lehren aus diesen Entwicklungen? Wie können Systeme zukünftig erfolgreicher gestaltet werden, ohne das Risiko einzugehen, als unerfüllbare Vision zu enden? Die Diskussion folgender grundlegender Gestaltungsprinzipien bietet eine Antwort auf diese Fragen und zeigt die zukünftige Richtung der Produktgestaltung auf. 5.1.1 Modularität Ein integriertes Datenmodell darf nicht gleichzeitig zu einem monolithischen, kaum veränderbaren System führen. Die Anforderung, Systeme auf Datenbank- und Prozessebene zu integrieren, greift zu kurz, wenn nicht gleichzeitig durch eine systemische Modularisierung eine Komplexitätsreduktion des Gesamtsystems erreicht wird. Funktions- und Prozessmodule, die in die bestehende Applikation zu integrieren sind, gleichzeitig jedoch auch als eigenständige Applikation und abgeschlossener Prozessbereich
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fungieren, sind hier die Lösung. Technisch sind sie Einzelkomponenten, die einen standardisierten Funktionsumfang bieten, aber gleichzeitig auf unterschiedliche Umgebungen angepasst werden können. Das Grundsystem läuft mit und ohne diese Einzelkomponenten, so dass eine schrittweise Einführung genauso eine Option ist, wie die Integration von Drittmodulen in das System. Abb. 2 zeigt den modularen Aufbau des klinischen Informationssystems beispielhaft von der NEXUS AG. Auf Basis eines einheitlichen Datenmodells werden die unterschiedlichen Module und Prozessfunktionen zu einem Gesamtsystem kombiniert. Die Option, einzelne Komponenten in bestimmten Installationen nicht zu nutzen oder ein Drittsystem zu integrieren, ermöglicht eine große Einsatzflexibilität.
Abb. 2: Komponenten eines modularen klinischen Informationssystems
Gerade die Internationalisierung erfordert es, das System neu zu dimensionieren und kundenspezifisch anzupassen, ohne den Standard der Komponenten und des Gesamtsystems zu verletzen. Ein Beispiel einer hoch integrierten aber dennoch modularisierten Einzelkomponente ist sicherlich das Medikationsmodul. Die elektronische Verordnung, Vergabe und Überwachung von Medikamenten als abgeschlossener Prozess sollte idealerweise
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modular mit dem Hauptsystem verbunden sein. Da es sich hier um den bedeutendsten klinischen Prozess handelt, ist in jeder Installation aus technischer Sicht eine intensive Abstimmung über klinikindividuelle Anpassungen unabdingbar, die nicht unmittelbar Rückwirkungen auf andere Systembestandteile haben dürfen. Gleichzeitig muss das Modul intensiv Informationen mit anderen Systemkomponenten (z. B. Materialwirtschaft, Anamnese, Intensivmodul) austauschen. Dafür ist neben der Modularität eine lückenlose Integration nötig. Aus wirtschaftlicher Sicht muss es ebenfalls möglich sein, Einzelkomponenten des KIS unabhängig vom Gesamtsystem zu vermarkten und damit die Installationsbasis zu erhöhen. Das ist gerade im internationalen Umfeld nötig, da nur auf Grundlage einer verbreiterten Basis die Investitionskosten verdient werden können. 5.1.2 Klinikübergreifende und diagnostische Prozesse: Differenzierung nötig „Ein KIS, das von der Finanzbuchhaltung bis zur dermatologischen Untersuchung oder handchirurgischen Dokumentation alle Funktionen eines Krankenhauses abdeckt“: Ein Anspruch der zu ungeheurer Komplexität und endlosen Projektlaufzeiten führen kann. Nicht selten werden Projekte mit diesem Ziel zentral gestartet und beginnen mit der Definition und kundenspezifischen Anpassung administrativer Funktionen (z. B. Abrechnung) und gegebenenfalls übergreifender medizinischen Funktionen (z. B. Fallmanagement, Kodierung, Auftragswesen). Nachgeordnete Prozesse bzw. Bereiche, wie die Intensivmedizin, die Endoskopie oder die Kardiologie werden häufig auf einen späteren Zeitpunkt geplant, wenn die grundlegenden Weichenstellungen und Funktionen im Gesamtprojekt bearbeitet wurden. In der Realität benötigen die ersten Projektschritte jedoch häufig so lange, dass diese nachgeordneten Funktionen entweder gar nicht bedient werden oder die betroffenen Abteilungen sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits ein alternatives Inselsystem gesucht haben. Doch nicht nur der Zeitablauf im Projekt, auch die strukturellen Nachteile vieler klinischer Informationssysteme erschweren es, die Vision eines durchgängigen einheitlichen Systems zu realisieren. Insbesondere für diagnostische Abteilungen (z. B. Endoskopie, Radiologien oder Frauenheilkunde) sind die Anforderungen an den WorkFlow und die Geräteintegration so ausgeprägt, dass nur Systeme, die darauf spezialisiert sind, die Anforderungen erfüllen können. Nun spricht aber nichts dagegen, dass bei der Entwicklung von Systemen für diagnostische Abteilungen grundlegende Architekturanforderun-
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gen inkl. des Datenmodells eines KIS übernommen werden. Es spricht auch nichts dagegen, dass Komponenten des Klinischen Systems für das diagnostische System übernommen werden (z. B. die Terminplanung, Archivierung, Briefschreibung). Wichtig ist, dass ein diagnostisches Spezialsystem eine enge Geräteanbindung hat und den spezifischen Abteilungs-WorkFlow und die erforderliche Dokumentation abbilden kann. In der gleichzeitigen Nutzung von KIS-Architektur und KIS-Komponenten besteht die Chance, den Ansatz eines Spezialanbieters für diagnostische Systeme zu behalten und gleichzeitig die Vorteile eines durchgängigen klinischen Informationssystems zu nutzen. Abb. 3 zeigt die Verbindungen zwischen einem einheitlichen Klinischen Informationssystem und einem darauf basierenden einheitlichen Diagnostischen Informationssystems (DIS) auf. Während im klinischen System die übergreifenden Funktionen abgebildet sind, beschränkt sich das diagnostische System auf die Befundung und die Geräteintegration auf Basis von DICOM-Standards. Dabei werden zwischen beiden Systemen einheitliche Module und Datenmodelle verwandt. K I S: Einheitliches klinisches Informationssystem Fallmanagement / Abrechnung FIBU MAWI
Stationskommunikation Leistungserfassung
Patientenakten
Therapeut. Fachdoku.
Pflege
Bildgebende Diagnostik: Bilder, Loops, Messwerte Medizingeräte-Import
Befundung
Terminplanung
Bildarchivierung
D I S: Einheitliches diagnostisches Informationssystem Abb. 3: Klinisches und diagnostisches Informationssystem auf einer einheitlichen Plattform
Die Besonderheit eines übergreifenden diagnostischen Informationssystems liegt nicht allein in der Durchgängigkeit zum klinischen System. Die Innovation an sich ist der Aufbau einer einheitlichen diagnostischen Systemwelt in den Kliniken. Sowohl die Bildspeicherung innerhalb des PACS als auch die Archivierung und letztlich die Befundung werden standardisiert und über die Klinik hinweg vereinheitlicht. Ein ungeheurer Fortschritt in einer Situation, in der die meisten bildgebenden Verfahren ihr eigenes
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PACS haben und in der die Art und Form der Befundung kaum Einheitlichkeit aufweist. Schon allein das Verwenden eines Terminplaners, einer Briefschreibung oder einer Diktatlösung birgt erhebliche Effizienzgewinne sowohl in der Verwaltung des Systems als auch in der Schulung und der interdisziplinären Arbeitsweise.
Radiologie/ PACS
Pathologie
Frauenklinik
Geburtshilfe/KRS
Mammazentrum
Einheitliches System für die bildgebende Diagnostik: Bilder, Loops, Messwerte
NEXUS / PACS
Nexus Archiv
Abb. 4: Aufbau eines diagnostischen Informationssystems
Abb. 4 zeigt auf, dass über eine einheitliche Geräteschnittstellenschicht Werte, Bilder, Filme, Loops u.a. übernommen werden und spezifischen Arbeitsplätzen zur diagnostischen Befundung zur Verfügung gestellt werden. Basis des Systems ist PACS und ein DICOM Archiv, das die übergreifende Speicherung der Gerätedaten übernimmt. 5.1.3 Interaktive und gelernte Benutzerführung Kliniken sind hinsichtlich der Informatikanwendungen eine Besonderheit. Zunächst ist das Personal sehr unterschiedlich qualifiziert, was den Umgang mit Software angeht. Manche Anwender insbesondere in der Ärzteschaft sind sehr geübt, in vielen Klinken sogar soweit, dass sie eigene Anwendungen für ihre tägliche Arbeit schreiben. Andere Mitarbeiter in Kliniken hingegen sind mit Informatik bisher kaum in Berührung gekommen und benötigen noch Grundlagenschulungen über die Bedienung von PC. KIS-Systeme treffen in den medizinisch pflegerischen Bereichen also auf eine breite Streuung von Vorkenntnissen und müssen darauf ausgerichtet werden.
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Hinzu kommt, dass Krankenhäuser eine sehr hohe Fluktuation haben, insbesondere in der Pflege. Neue Kräfte müssen ständig eingearbeitet werden und bestehendes Wissen verschwindet sehr schnell wieder. Trainings on the job oder kurze Einführungsschulungen sind die üblichen Trainingsmethoden für IT im medizinisch/ pflegerischen Bereich. Ein dritter Aspekt, der Krankenhäuser im Umgang mit Informatik speziell macht, liegt in der Art der Tätigkeit. Unabhängig von der Frage wie viel Zeit die Informatik gegenüber der üblichen Arbeitsweise einspart, wird es nicht gern gesehen, wenn sich medizinisch/pflegerisches Personal mit dem PC beschäftigt. Hier gilt nach wie vor, dass medizinisches Personal für den Patienten da ist und seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Patienten zukommen lassen soll. Offensichtlich ist diese Sichtweise verkürzt; es entsteht trotzdem die Notwendigkeit, den Konflikt Patienten versus Computer durch gute schnelle Systeme gar nicht aufkommen zu lassen. So sind Benutzeroberflächen auf der einen Seite intuitiv und auf der anderen Seite durch gelernte Bedienelemente auszustatten, so dass sie für einen Großteil von Benutzern leicht erlernbar sind. Das sicherlich gängigste – und wie ich meine – auch überzeugendste Strukturelement für KIS-Systeme sind elektronische Templates als integrierter Bestandteil der medizinischen Dokumentation eines KIS. Das Beibehalten der bisherigen Sicht auf einen Dokumentationsvorgang ermöglicht es den Anwendern, sich sehr schnell in die elektronische Struktur einzuarbeiten und die Unterschiede zur manuellen Struktur schneller zu akzeptieren. Es ist dabei eine Herausforderung, die Aspekte Übernahme von Daten, Prozessorientierung und Reduktion in der Gestaltung der elektronischen Templates zu integrieren, ohne die Struktur der Templates zu komplex werden zu lassen. Die Gestaltung der elektronischen Templates muss sich daher auch nicht primär an den physischen Formularen ausrichten, sondern sollte nur ihre generelle Struktur und Arbeitsweise repräsentieren. In die elektronischen Templates werden z. B. Codierhilfen oder automatische Textgenerierungen genauso wie Elemente des Auftrags-/ Befundwesens oder der Qualitätskontrolle der medizinischen Dokumentation integriert. Im untenstehenden Beispiel (vgl. Abb. 5) eines elektronischen Templates aus der Radioonkologie sind sowohl reine Texteingabefelder als auch Workflowkomponenten und Informationsbereiche kombiniert. Dennoch bleibt der Eindruck des Formularausfüllens erhalten. Eine Standardisierung und damit eine „Upgrade-Fähigkeit“ der Templates sollte über ein Basis-Set sichergestellt werden, das die wesentlichen Dokumentationsbereiche und Funktionen der Kliniken bereits abdeckt.
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Abb. 5: Beispiel eines elektronischen Templates in der Radioonkologie
Ein weiterer Aspekt der Benutzerführung liegt im Verwenden üblicher oder gelernter Bedienelemente. Diese stammen heute im Wesentlichen von den marktbeherrschenden Betriebssystemen Windows™ und Apple™ sowie von den großen Internetseiten Google™ oder Youtube™. Systeme, die schnell in der Praxis angelernt werden müssen, sollten die darin verwendetet Benutzerführungsprinzipien integrieren und somit die Einarbeitungszeit für einen Großteil der Anwender verkürzen. Das unten dargestellte Beispiel zeigt, wie mit einem aus der Smartphone-Technologie bekannt gewordenen Navigationsinstrument auch in der digitalen Akte eines Patienten geblättert werden kann. Hinzu kommt, dass die Rahmenapplikation sowohl von der Optik als auch von der Bedienung her eng an eine Betriebssystemanwendung angelehnt ist. Das verhindert, dass bereits in der Navigation für die Anwender von KIS erste Probleme auftreten. Klinische Systeme müssen sich auf die Präsentation von Informationen und die schnelle Erfassung konzentrieren und es dem Anwender in der Navigation so leicht wie möglich machen.
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Abb. 6: Moderne Navigation in der Patientenakte
5.1.4 Ausrichtung auf die jeweiligen Zielgruppen Immer wieder, auch in diesem Artikel, wird von der Zielgruppe „Krankenhäuser“ als einer mehr oder weniger homogenen Einheit gesprochen. Es wird implizit davon ausgegangen, dass alle Krankenhäuser mehr oder weniger die gleichen Prozesse, Anforderungen und Bedarfe haben – auch bei der Einführung von KIS. Wie falsch diese Annahme ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, was alles unter dem Begriff Krankenhaus subsumiert wird. Da sind auf der einen Seite die kleinen Regionalkrankenhäuser, die mit vielleicht 150 Betten und 200 Mitarbeitern arbeiten und auf der anderen Seite Universitätskliniken mit 2500 Betten, 10.000 Mitarbeitern und 44 Fachkliniken, die echte Groß- und Forschungsbetriebe darstellen. Da sind auf der einen Seite die Krankenhäuser der Grundversorgung mit einem jährlichen Budget von 15 Mio. Euro, die die Grundversorgung der Bevölkerung übernehmen und auf der anderen Seite z.B. Herzzentren, die bei gleicher Bettenanzahl über ein Budget von über 100 Mio. Euro verfügen und im internationalen Wettbewerb Spitzenmedizin vertreten. Ferner fallen auf der einen Seite unter den Begriff Krankenhäusern Psychiatrie und Hilfeeinrichtungen mit ihren teilweise lebenslang betreuten Patienten und Bewoh-
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nern und auf der anderen Seite werden unter dem gleichen Begriff ambulante chirurgische Zentren oder Rehaeinrichtungen subsumiert, die gar keine stationären Patienten haben. Die Aufzählung zeigt, dass aus organisatorischer Sicht Krankenhäuser nicht als einheitliche Zielgruppe angesehen werden können. Zu unterschiedlich sind die Einheiten, vergleicht man sie untereinander. In der Konsequenz für die Gestaltung und Einführung von KIS heißt diese Erkenntnis, dass es ein einheitliches KIS für alle Krankenhäuser nicht geben kann und nicht geben darf. Die Komplexität einer Uniklinik darf nicht auf ein Regionalkrankenhaus übertragen werden und die Funktionsanforderungen einer Spezialklinik dürfen in einem Haus der Grundversorgung nicht auftauchen. Im Einzelnen scheint die Differenzierung in folgende Gruppierungen sinnvoll: • Kliniken der Grundversorgung • Kliniken der Maximalversorgung und Universitätskliniken • Psychiatrien und Hilfeeinrichtungen • Langzeit- und Neuro-Reha • Herzzentren • Weitere Kliniken mit Spezialdisziplinen. Diese Überlegung darf natürlich nicht zu der Annahme führen, dass gänzlich unterschiedliche Systeme für die jeweilige Zielgruppe zu entwickeln sind. Vielmehr ist es die Anforderung an die Softwareunternehmen, auf einer einheitlichen Basis für die unterschiedlichen Zielgruppen spezifische Standardapplikationen bereitzustellen. Dadurch kann eine einheitliche Basis für alle Lösungen weiterentwickelt werden und gleichzeitig die spezifischen Anforderungen der Zielgruppen in Form eines „Substandards“ erfüllt werden. Abb. 7 zeigt einen solchen Substandard für deutsche psychiatrische Einrichtungen. Psychiatrien haben eine Reihe von Funktionsanforderungen, die in den somatischen Krankenhäusern nicht vorkommen (z. B. Forensik, Drogenambulanz), benötigen dafür andere Bereiche nicht (z. B. OP, DRGs oder CTG-Überwachung). Die speziellen Anforderungen sind in der Grafik in den quadratischen Kästen dargestellt und in der Applikation durch Einzelkomponenten oder durch Templates realisiert. Die Standardbereiche (z. B. das Patienten- und Fallmanagement oder die Ambulanzen) sind in einigen Bereichen um psychiatrische Funktionen erweitert, bleiben jedoch in der Standard-Code-Verwaltung des Softwareanbieters. Auf diese Weise können Lösungen entstehen, die genau auf die Ziel-
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gruppe ausgerichtet sind, die aber gleichzeitig den Vorteil der Standardentwicklung nicht verlassen.
Abb. 7: Struktur eine zielgruppenspezifischen KIS für die Psychiatrie
5.1.5 Klinische Prozesse abbilden und ableiten Die Zeit der reinen Funktionsorientierung in der Informatik läuft ab. Jeder KIS-Hersteller ist zunehmend aufgefordert, die Prozesse der Kliniken in der Software abzubilden und nicht so sehr eine Vielzahl von Funktionen anzubieten. Die Anwender wollen nicht mehr durch viele Menues klicken, sondern erwarten von ihrer Software gut durchdachte Prozessunterstützung. Daher hat sich in einigen KIS schon seit vielen Jahren die Entwicklung von softwaregestützten medizinischen Pfaden (Medical Pathways) etabliert. Hier werden, durch die Software gesteuert, vordefinierte Prozesse im Krankenhaus abgebildet und die Erledigung dokumentiert. Als integriertes Modul innerhalb des KIS werden Behandlungsprozesse grafisch dargestellt, eine Aufgabenvorschau bereitgestellt und die einzelnen Schritte (z. B. eine Röntgenanforderung) des Pfades möglichst automatisiert unterstützt.
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Eine höhere Standardisierung von Routineprozessen, bessere Qualität und bessere Kennzahlen über die Leistungsfähigkeit der betrachteten Einheit sowie eine erleichterte Einarbeitung neuer Mitarbeiter zählen zu den wesentlichen Vorteilen dieser Methode. Medizinische Pfade erleichtern nicht nur die inhaltlichen Aufgaben in der Medizin und Pflege, sie machen auch die Software verständlicher und leichter bedienbar. In Krankenhäusern mit konsequenter Prozessorientierung sind sie außerdem ein sehr geeignetes Mittel, um ein dezentrales Prozesscontrolling durchzusetzen. Die Probleme in der Aufstellung medizinischer Pfade sind jedoch vielfältig. Im Kern geht es um die Fragestellung, ob ärztliche und pflegerische Leistungen standardisierbar sind und ob es nicht doch zu viele Ausnahmen gibt, so dass sich die Formulierung dieser Pfade und ihre EDVUnterstützung nicht lohnt. Die Widerstände und Bedenken, die aus den medizinisch, pflegerischen Bereichen kommen sind erheblich. Um Pfade erfolgreich umzusetzen sind KIS daher aufgefordert, den Anwendern zwei wesentliche Voraussetzungen zu bieten: • Automatische Pfadgenerierung: Pfade müssen sich aus den tatsächlich vorgenommenen Arbeitsschritten retrograd ermitteln lassen. Aus den wiederkehrenden Arbeitsschritten ermittelt die Software z. B. je DRG die häufigst genutzten Pfade, die dann als Basis für eine Standardisierung dienen. Auf diese Weise kann gesichert werden, dass Mediziner und Pflegende sich in den Pfaden wiederfinden. • Pfade müssen leicht anpassbar sein und überspringbar sein: Die Befolgung von Pfaden darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss ein Hilfsmittel der täglichen Arbeit sein. Um Akzeptanz beim Anwender zu finden, dürfen die Pfade nicht zu reglementierend sein. Wenn es die Praxis erfordert, müssen Pfade schnell umstellbar sein oder sogar verlassen werden können, ohne dass die Anwender einen hohen technischen Aufwand haben oder sich umfangreich zu erklären haben. Das untenstehende Beispiel (vgl. Abb. 8) einer Pfadanwendung zeigt den Pfad einer Sicherungsmaßnahme in einer Psychiatrie mit grafischer Hilfestellung und entsprechenden Entscheidungspunkten.
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Abb. 8: Grafisch unterstützte Pfadanwendungen im KIS
5.1.6 Anpassbarkeit innerhalb einer Standardisierung Zu stark generalisierte oder sehr unflexible Anwendungen werden in den Kliniken von den Anwendern häufig abgelehnt und werden in der Konsequenz letztlich schlicht nicht genutzt. Dies ist eine Erkenntnis, die die Branche in den letzten Jahren lernen musste. Standardisierung um jeden Preis führt in vielen Fällen zum Scheitern der Projekte. Der umgekehrte Fall ist ebenfalls fatal. Zu viel Anpassung in der Software führt zu kaum beherrschbaren Applikationen, die auf Dauer nicht gewartet werden können. Nicht nur das, auch die Lösungen an sich sind häufig nicht gut, da das Eingehen auf viele Anwenderwünsche in der Regel zu verwirrenden und unabgestimmten Funktionen und Prozessen führt. Trotzdem bleibt, dass medizinische Applikationen vergleichsweise stark auf die jeweiligen Häuser und Anwender anzupassen sind, um Akzeptanz zu erhalten. Aus diesem Grund haben sich auch „Template basierende“ Systeme bei KIS wesentlich stärker durchgesetzt als reine dialogorientierte Applikationen. Sie haben den Vorteil, dass Templates als Be-
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nutzerinterface technisch relativ einfach anzupassen sind, und sich Prozesse, Inhalte und Darstellungen der Applikation verändern lassen. Die Herausforderung besteht dabei darin, durch die spezifischen Veränderungen nicht die „Upgradefähigkeit“ der Applikation und der Templates zu gefährden. Aus diesem Grund sind moderne KIS so aufzubauen, dass auch Templates aufwärtskompatibel gestaltet werden und es neben dem frei anpassbaren Bereich im Template auch einen Standardbereich gibt, der innerhalb des Datenmodells der Applikation als solcher gekennzeichnet ist und mit der jeweilig neuen Version mitgeführt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass es für bestimmte Datenobjekte (z. B. Diagnosen) eine eindeutige Definition gibt und diese nicht an verschiedenen Orten der Patientendokumentation unterschiedlich erfasst oder interpretiert werden. Es wird aber auch sichergestellt, dass Anwender unterschiedliche Wünsche der Dokumentation realisieren können, ohne gleich an den Grenzen der Applikation anzukommen. Die untenstehende Grafik (vgl. Abb. 9) zeigt ein spezifisches Template Realisierung in der Kardiologie.
Abb. 9: Beispiel eines kundespezifischen Templates
Zur „Teilstandardisierung“ wird nicht nur innerhalb jedes Formulars ein Standardbereich festgelegt, sondern es sollte auch einen Basis-Formular-
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satz geben, der die wesentlichen Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe bereits abdeckt. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass bei den Anwendern die Standardfunktionen nicht noch einmal neu erfunden werden, sondern sie sich in dem Basissatz bereits wiederfinden.
5.2 Eine neue Sicht auf das Projekt „Das Projekt wird im Projekt entschieden.“ Mit diesem einfachen Satz wird ausgedrückt, dass die Führung und Umsetzung eines KIS nicht hauptsächlich eine technische Herausforderung ist, sondern eher eine Herausforderung in der Projektumsetzung darstellt. Dies gilt umso mehr, beachtet man, dass KIS-Projekte in der Regel sehr komplex in der Aufgabenstellung sind und eine große Anzahl von Mitarbeitern in der Klinik betreffen. Wir haben in der Praxis sowohl vom Kunden als auch von den Anbietern die unterschiedlichsten Vorgehensweisen im Projekt kennengelernt. Die Bandbreite des Vorgehens reicht dabei von Projekten, die sich auf Installation und Schulung reduzieren bis hin zu Projekten, die von einer Bedarfsanalyse ausgehend den Gesamtprozess der Softwareentwicklung inkl. Spezifikation, Qualitätssicherung, Test und Einführungsbegleitung umfassen. In den letzten Jahren ist das Wissen um die richtige Projektführung in den Krankenhäusern stark gestiegen. Es gibt kaum noch Projekte, die ohne klares Ziel und eine verständliche Meilensteinplanung geführt werden. Kein Wunder, beachtet man, dass manche KIS-Projekte selbst nach einem Jahrzehnt noch nicht abgeschlossen sind und die Technologieentwicklung die Projekte dann schon mehrfach überholt hat. Eine realistische Projektplanung und die Anwendung allgemein bekannter und akzeptierter Regeln des Projektmanagements werden in den meisten Projekten heute beachtet. Es gibt nach unserer Erfahrung jedoch eine Reihe kritischer Erfolgsfaktoren, von denen der Erfolg der Projekte maßgeblich abhängt und die nur selten Beachtung finden. Diese Faktoren betreffen zum einen die Vorgehensweise im Projekt, zum anderen die Schwerpunkte und zum Dritten das Projektmarketing: 5.2.1 Module und Prozesse mit dem höchsten Anwendernutzen Eine gründliche Vorgehensweise bedingt in vielen KIS-Projekten, dass man sich den anspruchsvollsten Aufgaben am Anfang widmet. Die Definition der medizinischen Dokumentation, die Analyse der Auftragsbefund-
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strukturen im Haus oder die Integration von Subsystemen: Alles Themen, die von großer Wichtigkeit sind, die jedoch im Projekt viel Zeit, Diskussion und Kraft fordern. Wichtig für den Erfolg von KIS ist es jedoch, den Anwendern bereits in einer sehr frühen Phase des Projektes Erleichterungen und Verbesserungen in der täglichen Arbeit zu liefern. Wenn, wie es häufig passiert, die Situationsanalyse und die Spezifikation von neuen Funktionalitäten vor die Einführung der ersten Prozesse gestellt wird, entstehen Verzögerungen und Frustrationen bei den Anwendern, die es zu vermeiden gilt. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, in der Projektplanung den Aspekt „quick wins“ ganz in den Vordergrund der Überlegungen zu stellen. Hiermit sind Funktionen eines KIS gemeint, die schnell einführbar sind und gleichzeitig wenig Vorbereitung und Umsetzungsaufwand beinhalten. Haben die Anwender bisher z.B. noch keinen Online-Zugang zu den Laborwerten, so kann mit sehr einfachen Mitteln diese Funktion in einem frühen Stadium bereits realisiert werden. Sollten die „Kurve“ bisher noch von Hand geführt worden sein, so kann die Einführung der elektronischen Vitalkurve sehr schnell erhebliche Aufwendungen reduzieren. Der damit erzielte Anfangserfolg im Projekt wird helfen, die Stimmung im Krankenhaus zu verbessern und damit die Akzeptanz zu erhöhen. 5.2.2 Zügige Einführung ist eine projektkritische Größe Das Element Geschwindigkeit wird in vielen Projekten stark unterschätzt. Neben frühen Erfolgen ist es im Projekt sehr wichtig, die Software sichtbar zügig einzuführen. Die Einführungsplanung muss daher auch die Einführungsgeschwindigkeit der Module/ Prozesse berücksichtigen und danach gestaltet werden. Eine wesentliche Methode, um die Einführungsplanung auch auf die Geschwindigkeit auszurichten ist es, die Module/ Prozesse hinsichtlich ihres Modifikationsgrades zu unterteilen. Im unten angezeigten Beispiel (vgl. Abb. 10) eines internationalen Projektes wurden die Standardmodule und die anpassungsintensiven Module von einander unterschieden und die Einführungsreihenfolge entsprechend ausgerichtet. Es zeigt sich, dass durch die Standardmodule bereits ein erheblicher Teil der Informatikunterstützung erfolgen kann, während Themen wie Patientenakte/ Patientendokumentation oder auch das Ambulanzmanagement zum Teil sehr spezifikationsintensive Bereiche sind, von deren zeitlicher Realisierung nicht das ganze Projekt abhängen darf.
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More or less standardized modules • Financial Management
Highly customizable modules • Patient Documentation / Patient File
• Material Management
• Patient Management
• Pharmacy
• Charge Capturing
• RIS/PACS
• Outpatient Management
• Endoscopy
• Order-Entry / Scheduling
• Laboratory, Pathology
• Medication
• Coding, DRG
• Cardiology
• Billing
• Intensive Care Units
• Operation Theater
• Decision support
• Archiving • Nursing documentation • Speech recognition • Catering
Abb. 10: Unterscheidung zwischen standardisierten und flexiblen KIS-Komponenten
Analog dazu kann die separate Projektierung der diagnostischen Lösungen im Sinne eines einheitlichen diagnostischen Informationssystems ebenfalls zu deutlich beschleunigten Einführungszeiten führen. 5.2.3 Projekterfolge sichtbar machen Von mindestens gleicher Bedeutung für den Projekterfolg ist neben der Geschwindigkeit und dem Erzielen eines schnellen Nutzens, das Sichtbarmachen von Projekterfolgen. Sehr häufig haben wir erlebt, dass innerhalb des Projektes ganz außergewöhnliche Erfolge erzielt werden, diese außerhalb des Projektes jedoch kaum Anerkennung finden bzw. nicht bekannt sind. Projektmanagement im KIS-Umfeld erfordert intensive Marketingmaßnahmen. Ohne dass die Erfolge intensiv und rechtzeitig kommuniziert werden, kann Opposition gegen das Projekt recht ungehindert gedeihen. Und es gibt immer Opposition. Dafür verändern umfangreiche KISEinführungen zu viele Organisationsbereiche und Arbeitsabläufe in den Kliniken. Denken wir allein an das Thema Einführung von elektronischer Medikation. Ein Prozess, der eine Vielzahl von Arbeitsabläufen verändert und sicherlich nicht nur Anhänger unter den Ärzten und Pflegekräften findet. Das gleiche gilt für die automatische Briefschreibung, die noch dazu in erheblichem Maße Rationalisierungspotentiale freisetzt. Umso wichtiger ist es, die jeweiligen Projekterfolge intensiv zu kommunizieren und auch die Anwender in jeder Phase des Projektes informiert zu halten. Wagenburgverhalten im Projektteam ist völlig ungeeignet und die Idee, dass die Software, wenn sie fehlerfrei ist, schon von allen positiv
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beurteilt werden wird, ist ebenfalls kaum realistisch. Es gilt, die unterschiedlichen nutzerbezogenen Meilensteine klar darzustellen und die einzelnen Realisierungsschritte im Projekt zu erläutern. Insbesondere, wenn Anwender aus den bereits eingeführten Bereichen ihre Erfahrungen mit der neuen Software erläutern, ist die vertrauensbildende Wirkung sehr groß. Das gleiche gilt für die Kommunikation nach außen. Es ist ungemein interessant, schon nach den ersten Projektphasen Referenzbesuche im Haus zu organisieren und gemeinsam mit anderen Krankenhäusern Erreichtes kritisch zu reflektieren und für die Mitarbeiter die Motivation zu schaffen, noch über Erreichtes hinaus zu gehen.
6 Die Zukunft der klinischen Informationssysteme Wir hatten in der Tat turbulente Zeiten in der Medizininformatik in den letzten 10 Jahren. Das gilt für Krankenhäuser wie auch für die Anbieter von Klinischen Informationssystemen. Vieles wurde erreicht, aber mindestens so viele Versprechungen wurden nicht gehalten und viele Fehler wurden auf allen Seiten begangen. Es scheint an der Zeit zu sein, die Zukunft aus den Lehren der Vergangenheit zu gestalten und die großen Potenziale, die in den klinischen Systemen für die Patienten und die Krankenhäuser stecken, durch neue Konzepte zu realisieren. Ich denke die Ausführungen haben gezeigt, dass auf der Systemseite eine Reihe von Veränderungen anstehen, um die Systeme zukunftsfähiger zu machen. Dazu gehört sicherlich die Modularisierung der Anwendungen, aber auch eine andere Sicht auf das System, mehr hin zur Differenzierung zwischen einem diagnostischen und einem klinischen System. Daneben müssen die Themen verbesserte Benutzerführung und Prozessmanagement einen zentralen Stellenwert in den Applikationen erhalten. Das gilt in besonderem Maße auch für die Zielgruppenorientierung der KIS. Die bisherige Vorstellung vieler KIS-Hersteller, auf die Besonderheiten der sehr unterschiedlichen Zielgruppen nur durch leichtes Customizing eines einheitlichen Systems eingehen zu können, wird der Vergangenheit angehören. Die Ausführungen haben auch gezeigt, wie wichtig es ist, in den KISProjekten die Themen Anwendernutzen, Projektgeschwindigkeit und -marketing in den Fokus zu stellen. Komplexe Projekte benötigen eine realistische Planung und flankierende Kommunikations- und Akzeptanzmaßnahmen, um erfolgreich zu werden.
212
Ingo Behrendt
Die Zukunft klinischer Informationssysteme sehe ich unter diesen veränderten Vorzeichen uneingeschränkt positiv. Generell wird die Bedeutung von KIS in den vor uns liegenden Jahren dramatisch steigen. Die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Für die Diagnose und Behandlung von Patienten gibt es kaum eine wichtigere Voraussetzung. Möglicherweise werden wir in der medizinischen Informatik eine ähnliche Entwicklung sehen, wie sie in der Informatik im Bankensektor in den 90er Jahren stattgefunden hat. Nicht mit den gleichen Mitteln, aber mit ähnlicher Intensität. Durchdringung der medizinischen Prozesse, insbesondere in der Pflege, wird wohl der nächste praktische Trend werden. Ebenfalls wichtiger wird die intensivere Nutzung von Planungsinstrumentarien über die bereits heute üblichen Planungen im OP hinaus werden und die Ressourcennutzung und Auslastungsplanung wird einen immer stärker werden Einfluss erhalten. Wir werden eine wesentlich stärkere Integration der Medizintechnik in die KIS-Welt erleben und die Sicht auf ein einheitliches diagnostisches Informationssystem wird mehr und mehr Bedeutung erhalten. Die derzeitige Phase großer KIS-Projekte wird noch von einer starken Individualisierung der Software nach den jeweiligen Anforderungen geprägt sein. Eine Phase der Standardisierung wird sich daran anschließen und die Einführung und Nutzung von KIS effizienter gestalten. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren die Potenziale eines digitalisierten Gesundheitswesens wesentlich effizienter nutzen werden, als in der Vergangenheit. Ich bin auch überzeugt, dass wir die Diskussion über Ausmaß und Nutzen der Digitalisierung wesentlich zielgerichteter führen werden, als wir das in der Vergangenheit getan haben.
Literatur: Dietzel G T W (2002) e-Health und Telematik. Standpunkt und Perspektiven in Deutschland und Europa. In: Klusen N, Meusch A (Hrsg) Gesundheitstelematik. Nomos Verlag, Baden-Baden, S 45-54 Kacher C, Wiest A, Schumacher N (2000) E-Health: Chancen und Risiken für Ärzte, Patienten und Kostenträger. In: Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 76: 607-613 Lorenz O, Rolle C (2007) Monitoring E-Health Deutschland 2007, Studienpräsentation (http://www.bdi-online.de/Dokumente/Energie-Telekommunikation/070123Praesentati on_Pressebrunch_V1_0.ppt Mühlbacher A, Berhanu S (2003) Die elektronische Patientenakte. Ein internetbasiertes Konzept für das Management von Patientenbeziehungen, Diskussionspapier 8/2003 Technische Universität Berlin Roland Berger & Partner (1997) Telematik im Gesundheitswesen - Perspektiven der Telemedizin in Deutschland, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und
Eine neue Sicht auf Klinische Informationssysteme
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Technologie, und Bundesministerium für Gesundheit (http://www.hcpprotokoll.de/arbeit/data/basis40c.pdf) Scheer A W, Chen R, Zimmermann V (1996) Geschäftsprozesse und integrierte Informationssysteme im Krankenhaus. In Scheer A W (Hrsg) Veröffentlichung des Instituts für Wirtschaftsinformatik, Heft 130, Saarbrücken Vera A (2004) Neuere Entwicklungen im Krankenhauscontrolling. In: Controlling, Heft 3: 141-147 West LB Global Markets (2006) Studien-Veröffentlichung, Düsseldorf
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Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen – Organisation und IT wachsen zusammen Alexander Pocsay und Oliver Distler
1 Ausgangssituation: „Inseln“ des Gesundheitswesens Es ist schwierig, den Beginn der Veränderungen des deutschen Gesundheitswesens genau zu datieren. Nach dem Regierungswechsel von 1982 kam die Diskussion über die Notwendigkeit einer Reform des Gesundheitswesens ins Rollen. Der erste große Einschnitt war die Bundespflegesatzverordnung '95 (BPflV 1995). Deren Folgen waren enorm: Gab es bis zu diesem Datum tagesgleiche, kostendeckende und hausspezifische Pflegesätze, wurden nun sogenannte Fallpauschalen und Sonderentgelte definiert und eine neue Prozedurenklassifikation eingeführt. Mit einem Schlag waren Preise vergleichbar; ein Krankenhaus war nicht mehr eine Insel, welche für sich – fast ohne Schnittstellen mit der Außenwelt – existieren konnte. Die internen Abläufe, durch jahrzehntelange Wiederholung eingeschliffen, wurden erschüttert. Bislang hatte die Patientenbehandlung funktioniert (dank Ausbildung und Motivation der Mitarbeiter), jedoch in den seltensten Fällen effizient. Eine weitere gravierende Veränderung war die – nicht immer reibungslos vonstatten gegangene – Umstellung der Abrechnung auf freiwilliger Basis am 1. Januar 2003 und im Folgejahr verpflichtend auf das DRGSystem. Spätestens die DRG-Einführung sorgte für eine fundamentale Veränderung im Gesundheitswesen – nicht mehr Tage/ Pflegetage wurden entlohnt, sondern komplette Behandlungssequenzen, d. h. Prozesse. Die Idee der prozessorientierten Entlohnung wurde durch einen sektorenübergreifenden Ansatz – die sogenannte Integrierte Versorgung – ergänzt. Diese fördert eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Fachdisziplinen und Sektoren (Hausärzte, Fachärzte, Krankenhäuser), um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitskosten zu senken. Am 1. Januar 2004 schuf die rot-grüne Koalition mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung die Grundlagen für die Aufweichung der Grenzen der Leistungserbringer. Es wurde festgelegt, dass Leistungserbringer und Krankenkassen auch ohne Zustimmung
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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Alexander Pocsay und Oliver Distler
der Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge zur Integrationsversorgung miteinander schließen können. Hiermit war die Grundlage für einzelvertragliche Aktionen geschaffen. Die Krankenkassen wurden dadurch mit einem deutlichen Machtzuwachs gegenüber den ehemals überlegenen Vereinigungen der Leistungserbringer ausgestattet. Damit war klar, dass das „alte Denken“, das Denken in Stationen und Fachbereichen, aber auch das isolierte Denken in abgeschlossenen Einheiten (einzelne Krankenhäuser oder niedergelassene Ärzte), welche unvernetzt und unkoordiniert nebeneinander existieren, obsolet geworden war (vgl. Studie Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006, S. 38ff.).
2 Die Zukunft: Organisation und IT im Gleichklang Die Abkehr von der Pauschalvergütung hat ab 1995 zu einer großen Investitionswelle für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) bei der Einführung von DRGs geführt – die auch im Kontext mit der Euro-Einführung und dem Jahrtausendwechsel stand. Betrachtet man die Definition aus der Studie „Auswirkungen der transsektoral integrierten Gesundheitsversorgung auf die Medizinprodukteindustrie“ (Berger 2002, S. 24): „Unter Integrierter Versorgung versteht man sämtliche Formen der Kooperation in einem möglichst effizienten, patientenorientierten Versorgungsprozess“, so erkennt man, dass das Rückgrat dieses „effizienten Versorgungsprozesses“ eHealth ist, also die Anwendung des Internets und anderer verwandter Technologien. Diese unterstützen maßgeblich die Integrierte Versorgung durch die Möglichkeit, Lücken zwischen den verschiedenen Leistungserbringern zu schließen. Das Stichwort „Internet und andere verwandte Technologien“ führt zu dem häufig genutzten, aber nicht klar bestimmten Begriff des „NextGeneration-KIS“ (vgl. Böttcher et al. 2006, S. 3). Als typisch dafür wird meist eine Serviceorientierte Architektur (SOA), die strukturierte Unterstützung durch standardisierte Behandlungspfade im Sinne eines medizinischen Workflows in Verbindung mit einer intelligenten Patientenakte gesehen. Der Begriff „Serviceorientierte Architektur“ (SOA) bezeichnet ein Managementkonzept und setzt erst in zweiter Linie ein Systemarchitekturkonzept voraus: Das Managementkonzept strebt eine an den gewünschten Geschäftsprozessen ausgerichtete Infrastruktur an, die schnell auf veränderte Anforderungen im Geschäftsumfeld reagieren kann. Das Systemarchitekturkonzept sieht die Bereitstellung fachlicher Dienste und Funktionalitäten in Form von Services vor. Anwendungssysteme zur durchgängi-
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
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gen Unterstützung von Geschäftsprozessen lassen sich durch Aneinanderreihung von Serviceaufrufen („Orchestrierung von Services“) realisieren. Die Programmlogik ist nicht in einem einzigen Programm zu finden, sondern verteilt über mehrere unabhängige Dienste. Die SOA-typische Orientierung an Geschäftsprozessen schlägt sich auch in einem zweiten Bereich nieder, der Workfloworientierung. Die Arbeit mit dem KIS ist nicht mehr an Transaktionen orientiert, sondern läuft entlang des Behandlungspfades und flankiert die Arbeit des Arztes; die erarbeiteten Behandlungspfade werden im Sinne von Standards somit auch „gelebt“. Der Arzt wird nicht durch ein System übersteuert, sondern gestützt: dies erfolgt durch Warnungen oder Vorschläge zur Weiterbehandlung, die nur bestätigt werden müssen. Eine Abweichung von diesem Pfad ist weiterhin möglich; lediglich der Grund für den Ausstieg aus diesem Pfad ist dann zu dokumentieren. Integriert in solch einem „Next-Generation-KIS“ ist die Akte keine separate Anwendung, sondern eng mit dem medizinischen Workflow verbunden. So kann beispielsweise der Eintrag des Bodymass-Indexes in der Patientenakte über den weiteren Prozessablauf entscheiden.
3 Geschäftsprozessmanagement
3.1 Notwendigkeit der Prozessorientierung Durch die Regelungen zur Integrierten Versorgung und durch Konzentrationsprozesse werden große Einheiten geschaffen, deren Funktionieren eine Beschäftigung mit den zugrunde liegenden Prozessen voraussetzt. Weiterhin setzt die Entlohnung der Krankenbehandlung – unabhängig von der Diskussion der Eignung des DRG-Systems – an Prozessen an. Neue IT-Verfahren können Prozesse als Workflow abbilden und dadurch die Arbeit der Betroffenen mit diesen Krankenhaus-Informationssystemen erheblich verbessern; der SOA-Ansatz bedingt zudem eine fachlich getriebene Modellierung. Daraus ergibt sich ein hoher Bedarf an Beschäftigung mit den Prozessen, welche mittels strukturierter und werkzeuggestützter Verfahren erfolgen kann. Nur ein ganzheitlicher Ansatz, der den so genannten Prozesslebenszyklus unterstützt, stellt die Flexibilität und Stabilität der komplexen Gesamtprozesse sicher (vgl. Heib u. Distler, S. 78f.). Prozessmanagement ist keine einmalige, sondern eine kontinuierliche, dynamische Tätigkeit. Ansatzpunkte liegen im jeweiligen Verantwor-
218
Alexander Pocsay und Oliver Distler
tungsbereich und in übergreifenden Bereichen, wie bspw. der Kommunikation mit niedergelassenen Ärzten. Im April 2005 starteten BDI, BITKOM, ZVEI, Fraunhofer IAO und die Wegweiser GmbH Berlin die breit angelegte Studie „Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006“, um den derzeitigen und zukünftigen Einsatz von Telematik- und eHealth-Anwendungen in Deutschland zu ermitteln und Potenziale für den Medizinsektor, für Anbieter von ITK- und Medizintechnik sowie spezifischen Dienstleistungen darzustellen. Im Rahmen dieser Studie wurden 222 Krankenkassen bzw. Krankenversicherungen, je 2 bis 3 Entscheider in 2.200 Krankenhäusern, 5.000 niedergelassene Ärzte sowie 500 Apotheker befragt. Die Erhebung erfolgte mithilfe standardisierter und nach Zielgruppen differenzierter Fragebögen. Ausgewählte Ergebnisse der Studie wurden im September 2005 im Jahrbuch „Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006“ veröffentlicht. Die Studie zeigt deutlich auf, dass parallel zur Bedeutung des Themas eHealth auch die Notwendigkeit steigt, die Geschäftsprozesse der integrierten Gesundheitsversorgung zu optimieren (vgl. Studie „Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006“, S. 38f.). Sowohl im administrativen als auch im medizinischen Bereich wird dem Managen von Geschäftsprozessen eine sehr hohe Bedeutung beigemessen. Nutzeneffekte der Optimierung von Abläufen werden schwerpunktmäßig in den Bereichen der Behandlungsprozesse inklusive der vor- und nachgelagerten Versorgung gesehen (vgl. Abb. 1).
Im medizinischen Bereich
47%
Im administrativen Bereich
49%
38%
0%
20%
5%
56%
40%
60%
5%
80%
100%
n = 86 sehr hoch
hoch
eher niedrig
gering
Abb. 1: Bedeutung der Prozessorientierung (vgl. Studie „Monitoring eHealth Deutschland 2005/2006“, S. 3)
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
219
3.2 Prozesslebenszyklus Prozesse unterliegen einem Zyklus, dem sogenannten Prozesslebenszyklus (vgl. IDS Scheer 2007, S. 2). Dieser umfasst die Prozessstrategie, das Prozessdesign, die Prozess-Implementierung und das Prozesscontrolling. Zur Sicherung des Erfolges werden die genannten Elemente des Prozesslebenszyklus noch um Elemente des Change-Managements und des kontinuierlichen Verbesserns ergänzt. Die Prozessveränderungen werden nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn sie die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden (vgl. Heib u. Distler 2006, S. 78f.; Porter 2004, S. 12f.). Dieser Prozesslebenszyklus läuft kontinuierlich ab und deckt sich mit dem PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act), der fast allen Qualitätsmanagement-Systemen im Gesundheitswesen zugrunde liegt (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Prozesslebenszyklus (© IDS Scheer AG, ARIS Platform)
220
Alexander Pocsay und Oliver Distler
3.2.1 Prozessstrategie Im Rahmen der Prozessstrategie erfolgt als Ausgangsbasis zunächst die Identifizierung der relevanten Prozesse. Bei der Beschreibung dieser Prozesse empfiehlt sich ein Top-down-Ansatz, der – ähnlich wie die Ebenen einer Landkarte – auf einer hoch aggregierten Ebene beginnt und dann sukzessive die Prozesse weiter detailliert. So wird eine Architektur der Prozesse erarbeitet. Im Rahmen der Prozessstrategie beschränkt sich die Darstellung der Prozesse zunächst auf eine hohe Abstraktionsebene, wobei hier beispielsweise das generische Klinikgesamt-Prozessmodell oder die Major Diagnostic Category (MDC) als Einstieg verwendet werden können. Weiterhin ist die Zielrichtung der Beschäftigung mit diesen Prozessen zu bestimmen; folgende beispielhafte Fragen sind im Vorfeld zu beantworten: • Sollen Prozesse optimiert werden? • Sind Qualitätshandbücher zu erzeugen? • Sind die Prozesse die Grundlage für eine Systemeinführung? • Welche Prozesse sollen bis zu welcher Abstraktionsebene berücksichtigt werden? 3.2.2 Prozessdesign Ausgehend von den strategischen Vorgaben und der bestehenden Prozessarchitektur werden im Rahmen des Prozessdesigns sowohl die administrativen Prozesse als auch die medizinischen Behandlungspfade weiter detailliert und im Hinblick auf Störfaktoren sowie Optimierungspotenziale analysiert. Die Prozesse werden mittels einer sogenannten Prozessarchitektur strukturiert; es gibt Modelle mit unterschiedlichen Abstraktionsebenen – wie dies bei Landkarten mit unterschiedlichen Maßstäben der Fall ist. Eine solche Prozessarchitektur schafft Transparenz, sichert den Gesamtüberblick, ohne die Detailsicht zu vernachlässigen, und garantiert eine Vergleichbarkeit über alle Bereiche hinweg. Die Prozessarchitektur stellt ein wirksames Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Geschäftsprozess-Optimierungs-Projektes dar. Eine ungeordnete Ansammlung von Prozessmodellen kann dagegen in der Regel nicht sinnvoll analysiert, optimiert und umgesetzt werden. Bezogen auf die Abbildung von Behandlungspfaden ist es sinnvoll, als ersten Schritt die abzubildenden Leistungen festzulegen und diese dann in
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
221
einem Übersichtsmodell darzustellen. Die einzelnen durchzuführenden Tätigkeiten werden aufgelistet – nicht aber die Durchführung selbst beschrieben. Der Zeitaufwand dafür ist gering und das Ergebnis kann mit den Beteiligten diskutiert und von ihnen abgenommen werden. In einem zweiten Schritt erfolgt – sofern notwendig – eine tiefer gehende Analyse. Jedes der Elemente des Übersichtmodells kann detailliert beschrieben werden (vgl. hierzu Abb. 3). Übersichtsmodell Ambulante Operation ist notwendig
Detaillierte Beschreibung des Übersichtmodells
Termin Voruntersuchg. vereinbaren
Termin Voruntersuchg. vereinbart
Voruntersuchung durchführen
Voruntersuchung durchgef.
derzeit keine Behandlung möglich
Ambulante Operation durchführen
Patienten terminieren
Ambulante Operation durchgef.
Abb. 3: Übersichtsmodell und detaillierte Beschreibung
Diese Ausführungen machen deutlich, dass Prozessmanagement einen bedeutenden Anteil an Planung im Hinblick auf Strukturierung und Vorgehen beinhaltet. Bei der Modellierung von Prozessen ist zudem zu unterscheiden, ob zunächst der Ist-Zustand abgebildet wird, Optimierungspotenziale abgeleitet und anschließend die daraus resultierenden Sollprozesse erarbeitet werden oder ob unmittelbar Sollprozesse definiert werden. Letztere Variante birgt jedoch die Gefahr, dass eine Wunsch-Welt abgebildet wird, welche wenig mit der derzeitigen Realität zu tun hat. Als Alternative können sogenannte Ist-basierte Sollprozesse angewandt werden.
222
Alexander Pocsay und Oliver Distler
Zur Dokumentation der Prozesse bietet die ARIS-Architektur (Architektur integrierter Informationssysteme) von Scheer (1998, S. 32ff.) einen methodischen Rahmen, welcher fünf Sichten zur Beschreibung der wesentlichen Aspekte eines Prozesses beinhaltet: • die Leistungssicht, • die Organisationssicht, • die Datensicht, • die Funktionssicht sowie • die Prozesssicht. Die Prozesssicht fasst dabei die dynamischen Zusammenhänge zwischen den Einzelsichten zusammen. Zur Beschreibung der Sichten beinhaltet die ARIS-Architektur einen breiten Vorrat an Methoden, der projekt- und kundenspezifisch ausgestaltet werden kann. Abb. 4 zeigt ein Beispiel für einen Behandlungsprozess, dargestellt als sogenannte Ereignisgesteuerte Prozesskette. Solch ein Prozessmodell gemäß der ARIS-Architektur kann mithilfe der gleichnamigen WerkzeugPlattform von IDS Scheer erstellt werden. Auslöser = Ereignis
Datei-Information = Input
Patientenakte (elektronisch)
Zeis sbombe
Patient zu Arz t begleitet
OPMikroskop Patient untersuchen
AIS Biometriemes sgerät
Tätigkeit = Funktion
Operateur
Spaltlampe
Wer tut dies? Unterstützendes EDV-System
Patientenakte
Unterstützendes Gerät
Patient untersucht
Ergebnis = neues Ereignis Papier-Information = Output AIS
Ergebniss e dokumentieren
Fundusphoto
Ergebnis se dokumentiert Patientenakte (elektronisch)
Abb. 4: Beispiel für einen Behandlungsprozess
Operateur
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
223
Der Auslöser (= Ereignis) „Patient zu Arzt begleitet“ führt zur Tätigkeit (= Funktion) „Patient untersuchen“, was ein neues Ereignis („Patient untersucht“) erzeugt. Die Tätigkeit wird von einer Rolle – hier „Operateur“ – ausgeführt. Es gibt einen Input „Patientenakte (elektronisch)“ und einen Output auf die „Patientenakte“ sowie ein „Fundusfoto“. Ergänzt wird diese Tätigkeit durch ein unterstützendes EDV-System („AIS“) und sonstige unterstützende Geräte. Bei der Modellierung kann gegebenenfalls auch auf Referenzen, wie die Programm-Schritte der zugrunde liegenden Software, vorhandene Rollenmodelle und auf sonstige Bausteine, bspw. bei der Pflege auf LEPModule (Leistungserfassung in der Pflege), zurückgegriffen werden. So kann die LEP-Sollvorgabe zur Qualifikation mit der Qualifikation der tatsächlich zugeordneten Rolle verglichen werden.
Patientenbogen ausgefüllt Nachname
Fallnummer
Vorname
Geburtsdatum
Geschlecht
Rauchgewohnheiten erfragen
Schachteln / Tag
Rauchgewohnheiten erfragt
Jahre
Pack-Years
Abb. 5: Integration des Datenaspektes
Ein weiterer Aspekt bei der Gestaltung von Behandlungspfaden ist die Darstellung der in den Prozessen genutzten Daten und somit die Verbin-
224
Alexander Pocsay und Oliver Distler
dung zur Datenmodellierung. Daten dienen entweder als Input für einen Arbeitsschritt (Inputdaten) oder werden von der entsprechenden Funktion erzeugt (Outputdaten). Beide Sichten – Prozesssicht und Datensicht – greifen wie Zahnräder ineinander. Für den Arbeitsschritt „Rauchgewohnheiten erfragen“ (vgl. Abb. 5) benötigt der Arzt beispielsweise gewisse Informationen – wie die Angaben „Nachname“, „Vorname“, „Fallnummer“, „Geburtsdatum“ und „Geschlecht“. Als Ergebnis dieser Befragung erhält er zwei Angaben: „Schachteln pro Tag“ und die Angaben zu den „Jahren“, in denen geraucht worden ist. Gegebenenfalls kann aus diesen Werten eine dritte Outputgröße ermittelt werden, die sogenannten „Pack-Years“. Im Rahmen des Prozessmanagements werden Prozesse (Behandlungspfade und administrative Prozesse) dokumentiert, optimiert und harmonisiert. Beispielsweise kann eine Behandlung, welche an zwei Standorten unterschiedlich ausgeführt wird, vereinheitlicht werden. Diese Prozesse stellen die wichtigste Grundlage für ein effizientes Risiko- und Qualitätsmanagement dar. Werden die Prozesse mit Zeiten und Kosten versehen, dienen sie als Grundlage für eine Prozesskostenrechnung. Krankenhaus-Informationssysteme bilden im verstärkten Maße Behandlungspfade ab, so dass die Beschreibung eines Behandlungspfades den Blueprint für einen medizinischen Workflow darstellt. Der tatsächliche Ablauf der Prozesse kann wiederum gemessen werden, um so bei Abweichungen Folgemaßnahmen zu initiieren. Prozessmanagement - Dokumentation - Optimierung - Harmonisierung Behandlungspfade Unternehmensrealität
- Software-Einführung - Software-Entwicklung - Integrierte Versorgung - Workflow-Systeme Prozesskostenrechnung
Zertifizierung Process Performance Monitoring Risikomanagement
Abb. 6: Verwendungsmöglichkeiten von Prozessen
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
225
Abb. 6 zeigt Anwendungsbeispiele auf, für die Prozesse bzw. Prozessdarstellungen Verwendung finden. 3.2.3 Prozess-Implementierung Die Prozess-Implementierung umfasst die organisatorische und technische Umsetzung der neuen Prozesse in ein prozessorientiertes KrankenhausInformationssystem. Die Effizienz des Geschäftsprozessmanagements hängt in dieser Phase wesentlich davon ab, inwiefern es gelingt, die Design-Ergebnisse möglichst automatisiert an die ausführenden Krankenhaus-Informationssysteme weiterzugeben. Hier setzen die neuen, am SOA-Ansatz ausgerichteten IT-Plattformen an, welche Standards zur Beschreibung von IT-gestützten Geschäftsprozessen wie BPEL (Business Process Execution Language) verwenden. In der nachfolgenden Abb. 7 ist dargestellt, wie im ersten Schritt aus dem „Next-Generation-KIS“ Web Services importiert werden. Web Services sind Software-Anwendungen, welche unter Nutzung der Web Services Description Language (WSDL) beschrieben wurden. Sie dienen zur Unterstützung der Kommunikation von Systemen in einem Netzwerk. Im zweiten Schritt wird die fachliche Modellierung durchgeführt; dabei wird auf die importierten Web Services zurückgegriffen. Es wird somit eine Verbindung zwischen den fachlichen Geschäftsprozessmodellen und den unterstützenden Services hergestellt und ein „kombiniertes“ Modell erzeugt. Im dritten Schritt werden aus diesem „Kombinationsmodell“ ausführbare BPEL-Prozesse generiert. Nach dem Export der BPEL-Prozesse können diese dann im KIS ausgeführt werden (vgl. Buchner 2006, S. 22). Durch die Zusammenführung der fachlichen und technischen Sichtweisen werden wechselseitige Abhängigkeiten transparent und steuerbar. Per Mausklick wird sichtbar, welcher Service in welchem Prozess verwendet wird. Beim Ausfall eines Services kann schnell geprüft werden, welcher Geschäftsprozess beeinträchtigt ist sowie wer im Fachbereich und in der IT-Abteilung benachrichtigt werden muss.
226
Alexander Pocsay und Oliver Distler
SOA-Design
SOA-Ausführung
KIS Fachliche Geschäftsprozessmodelle
Web Service 1
Web Service 3 Web Service 4 Web Service 5 Web Service 6 Web Service 7
BPEL-Prozesse
Execution Engine
WSDL
Application Server
Web Service 2
WS Repository
Web Service 8 BPEL
Abb. 7: Geschäftsprozesse als Blueprint (© IDS Scheer)
3.2.4 Prozesscontrolling Nach dem Design und der Implementierung von Prozessen gilt es, diese durch ein gezieltes Prozesscontrolling zu überprüfen, auszuwerten und notwendige Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen. Im Rahmen des PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) handelt es sich um die Phase „Check“. Zur Optimierung können die Prozesse und/oder die Software angepasst werden oder – falls notwendig – die Mitarbeiter durch vertiefende Schulungen besser ausbildet werden. Die durchgeführte Optimierung ist die Grundlage für die erneute Ausführung der Prozesse und erneute Überprüfung auf Effektivität der realisierten Maßnahmen. Somit schließt die Phase des Prozesscontrollings den Prozesslebenszyklus. Das Prozesscontrolling kann durch die von der IDS Scheer AG entwickelte Software „ARIS Process Performance Manager“ (ARIS PPM) unterstützt werden. ARIS PPM ist eine patentierte Client/Server-Software, welche anhand von Kennzahlen Ist-Prozesse in IT-Systemen visualisiert, dokumentiert und bewertet (vgl. Abb. 8).
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
Patientenaufnahme durchführen/ Daten erfassen
Patientenaufnahme durchführen/ Daten erfassen
1
Patientenaufnahme
Begutachtungs- und Überwachungsmaßnahmen planen
Begutachtungs- und Überwachungsmaßnahmen planen
Ankündigung Patientenakte
Begutachtungsfall angelegt
Patientenakte
Überwachungsfall angelegt Detaillierter Maßnahmenplan
Individualbezogene Maßnahme angekündigt
Detaillierter Maßnahmenplan
Individualbezogene Maßnahme ohne Ankündigung erforderlich
Gesicherte, berechnete Anlieferung
Materialbewirtschaftung
Personaleinsatzplanung
Infrastrukturbereitstellung
Material bereitgestellt
Angefordertes Personal bereit
Zusätzliche Ressourcen bereitgestellt
227
Patientenakte Vorbefunde Detaillierter Maßnahmenplan Fachlicher Input Office Anwendungen, Acrobat Reader
KIS
SAP/HR (Opzis)
AIS
Steuerndes und koordinierendes UP
Spezifischen Fragebogen beantworten
Steuerndes und koordinierendes AP
Fragebogen
Fragebogen beantwortet Fachlicher Input Vorbefunde Patientenakte Detaillierter Maßnahmenplan Fragebogen
Office Anwendungen, Acrobat Reader
Überwachendes approb./dipl. Personal
KIS Anamnese erheben
SAP/HR (Opzis)
Begutachtendes approb./dipl. Personal
AIS
Anamnesedaten
2
Praeoperative Phase
Notwendige Maßnahmen festgelegt
Maßnahme aufgrund unvollständiger Unterlagen abgebrochen
Patientenakte Detaillierter Maßnahmenplan Fachlicher Input
SAP/HR (Opzis)
Office Anwendungen, Acrobat Reader
KIS
Externe DB (z.B. Internet, Intranet)
AIS
Begutachtungs- und Überwachungsmaßnahmen planen
Überwachendes approb./dipl. Personal
Patienteninformation durchführen
Begutachtendes approb./dipl. Personal
Patient informiert, Einverständnis nicht erforderlich
Patient informiert, Einverständnis erforderlich Detaillierter Maßnahmenplan Patientenakte Überwachendes approb./dipl. Personal
AIS SAP/HR (Opzis)
Einverständnis erwirken KIS
Begutachtendes approb./dipl. Personal
Einverständniserklärung
Maßnahme abgelehnt und fortzuführen
Einverständnis erwirkt
Maßnahme abgelehnt und abgebrochen
Personal Patientenakte
Fachlicher Input
AIS
Überwachendes approb./dipl. Personal
Begutachtendes Individualbezogene approb./dipl. Personal Maßnahme durchführen
KIS Überwachendes AP
3
Operative Phase
Anforderung Untersuchendes AP
Befundbericht
Begutachtungsmaßnahme durchgeführt
Ergänzende Diagnostik erforderlich
Anforderungskatalog
Diagnostik durchführen
Diagnostik durchführen
Diagnose
Diagnose gestellt
Patientenakte Überwachendes approb./dipl. Personal Diagnosen
Office Anwendungen, Acrobat Reader
Begutachtendes approb./dipl. Personal KIS Ergebnisse dokumentieren
SAFES SAP/HR (Opzis)
Überwachendes AP
AIS Untersuchendes AP Leistungs-/ Ergebnisdokumentation
Leistungs-/ Ergebnisdokumentation
Mitarbeiter aus der Fachunterstützung
Ergebnisse dokumentiert
Detaillierter Maßnahmenplan
Patientenakte Fachlicher Input Office Anwendungen, Acrobat Reader
4
Postoperative Phase
SAP/HR (Opzis)
KIS
AIS
Ergebnisse bewerten, weiteren Handlungsbedarf prüfen
Überwachendes approb./dipl. Personal
Begutachtendes approb./dipl. Personal
Protokoll
Kein weiterer Handlungsbedarf erforderlich
Protokoll Detaillierter Maßnahmenplan
Weiterer Handlungsbedarf gegeben
Patientenakte Fachlicher Input Office Anwendungen, Acrobat Reader
KIS Weiteren Handlungsbedarf festlegen
SAP/HR (Opzis)
AIS
Überwachendes approb./dipl. Personal
Begutachtendes approb./dipl. Personal
Anforderungskatalog Überweisung Folgemaßnahmenplan
Weiterer Handlungsbedarf festgelegt
Überarbeitung/ neue Vorgaben erforderlich
ControllingGrundlagen
Folgemaßnahmenplan
Zusätzliche Begutachtung und Überwachung erforderlich
Folgemaßnahmenplan
Begutachtungs- und Überwachungsmaßnahmen planen
Nachfolgetermin erforderlich
Folgemaßnahmenplan
Begutachtungs- und Überwachungsmaßnahmen planen
Präventive Maßnahme erforderlich
Präventionsmaßnahme planen
Folgemaßnahmenplan
Behandlung erforderlich
Patientenaufnahme durchführen
Überweisung
Weitere Maßnahmen erforderlich
Infrastruktur/ Umweltschutz
Folgemaßnahmenplan
Forschungsbedarf erkannt
Anforderungskatalog
Sonderforschungsantrag bearbeiten
Patientenakte
Formular
Office Anwendungen, Acrobat Reader SAP/HR (Opzis)
KIS
AIS
Überwachendes approb./dipl. Personal Gutachten erstellen/ Bescheinigung abschließen Begutachtendes approb./dipl. Personal
Bescheinigung
5
Entlassung
Gutachten
Bescheinigung Bescheinigung erstellt Gutachten
Personal
Informationsversorgung Controlling
Abb. 8: Schematische Darstellung ARIS PPM
Im Folgenden wird die Vorgehensweise mit dem ARIS PPM anhand eines Beispiels dargestellt: Es werden die zeitlichen Sequenzen der Behandlung von Patienten mit ähnlichen Krankheitsbildern anhand von relevanten Zeitstempeln analysiert. Zusätzlich werden (sofern vorhanden) Diagnosen, Therapien, DRGs, Schweregrade, das Geschlecht, die Altersgruppe und das behandelnde Krankenhaus übernommen und stehen so der weiteren Analyse zur Verfügung. Insgesamt – hier nicht weiter ausgeführt – wurde ermittelt, dass der Durchschnitt der Gesamtbehandlungszeit über einem zuvor definierten Schwellenwert liegt; diese Zeitüberschreitung konnte eindeutig der präoperativen Phase zugeordnet werden. Zur Analyse der Gründe kann nun untersucht werden, wie die Dauer der präoperativen Phase verteilt ist. In Abb. 9 ist ersichtlich, dass in den meisten Behandlungsfällen (ca. 160 Fälle) die präoperative Phase ca. drei Tage beansprucht. Auffällig ist, dass diese Kurve nicht analog einer Normal- oder Gaußverteilung abnimmt, sondern eine zweite Spitze mit einer Dauer von 10 Tagen auftritt.
228
Alexander Pocsay und Oliver Distler
Abb. 9: Verteilung der Dauer der präoperativen Phase
Es muss einen zusätzlichen Einfluss geben, welcher für die „Überlagerung“ der Normalverteilung verantwortlich ist und im Ergebnis die Dauer der präoperativen Phase insgesamt vergrößert. Was ist die Ursache für diesen Effekt? Ist es das Geschlecht, das behandelnde Krankenhaus, die Altersgruppe oder der Gesamtschweregrad? Mittels Data-Mining bzw. Prozess-Mining kann das relevante Kriterium ermittelt werden. Im vorliegenden Szenario war das Kriterium „behandelndes Krankenhaus“ eine signifikante Erklärungsvariable für die unterschiedliche Dauer der präoperativen Phase. Nach der Ermittlung des verursachenden Kriteriums kann eine detaillierte Suche nach den Verursachern in den Behandlungsprozessen angeschlossen werden. Die Betrachtung eines einzelnen Prozesses ist dabei weniger von Bedeutung als die Summierung bzw. Verdichtung von Prozessen; man erhält dadurch einen Durchschnittsprozess, der alle zuvor selektierten Behandlungsfälle enthält. Abb. 10 zeigt solche Durchschnittsprozesse in der präoperativen Phase aus zwei Krankenhäusern. Diese Prozesse müssen nicht modelliert werden, sondern werden automatisch aus den Messpunkten, welche aus dem KIS extrahiert wurden, generiert. Je dunkler ein Objekt eingefärbt ist, desto
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länger dauert der jeweilige Arbeitsschritt und je dicker eine Kante ist, desto mehr Behandlungsfälle „laufen“ entlang dieses Weges. Jetzt kann die Frage untersucht werden, warum das Kriterium „behandelndes Krankenhaus“ eine Erklärung für die langen Verweilzeiten in der präoperativen Phase war. Durch einen Vergleich der Prozesse in den beiden Krankenhäusern wird deutlich, dass die Funktion „CT-Untersuchung des Abdomens…“ in beiden Häusern unterschiedlich lange dauert. Die Gründe hierfür können anschließend analysiert werden: Ist die Kapazität zu gering? Gibt es Organisationsprobleme? Gibt es einen Personalengpass?
Krankenhaus A
Krankenhaus B
Abb. 10: Vergleich der Prozesse der beiden Krankenhäuser
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Alexander Pocsay und Oliver Distler
Mit dem Prozesscontrolling wird ein Bogen gespannt von der allgemeinen Erkenntnis über zu lange Behandlungsdauern bis zu einer detaillierten Suche und Identifizierung des Verursachers – hier dem Engpass bei der CT-Untersuchung. Prozesscontrolling bildet somit die entscheidende Basis für echte Verbesserungen.
4 Ausblick Wirtschaftliches Agieren bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen wird immer mehr zur Existenzfrage. Die Beschäftigung mit den Prozessen, bzw. die Optimierung von Prozessen, ist ein wesentliches Hilfsmittel zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der beteiligten Einheiten, wie Praxen oder Krankenhäuser bzw. Krankenhausverbünde. Für die einzelnen Mitwirkenden im Gesundheitswesen ist es überlebensnotwendig, sich nicht nur mit den eigenen Prozessen, sondern auch mit der Integration dieser Prozesse in die Gesamtumgebung zu beschäftigen. Beschäftigung mit Prozessen bedeutet aber nicht nur Prozesse zu erfassen, sondern diese nach der Implementierung auch zu überprüfen, um Fehlentwicklungen entgegentreten zu können. Die anstehenden gewaltigen Investitionen in eHealth-Lösungen werden daher nur dann zu einem „Return on Investment“ führen, wenn die Einführung von eHealth-Lösungen auch mit einer Optimierung der zugrunde liegenden sektorübergreifenden Gesundheitsprozesse verbunden wird. Der Ansatz des Geschäftsprozessmanagements ebnet den Weg hierzu.
Literatur: Böttcher J, Curs H J, Gursky S, Güldner C, Klose K J (2006) Strategie und IT-Konzept Regionalkonzept Telematikverbund Sachsen Nord. Konferenzbeitrag Telemed 2006. o.V., Berlin Buchner M (2006) Behandlungspfade automatisch in Software umsetzen – SoftwareKonfiguration per Prozessdesign in Aachen. Management & Krankenhaus, 06/2006: 22 Heib R, Distler O (2006) Prozessorientiertes eHealth als Rückgrat Integrierter Versorgung. Krankenhaus IT Journal, April 2006: 78-79 IDS Scheer AG (2007) ARIS Platform – Produktbroschüre. o.V., Saarbrücken Porter M E, Teisberg E O (2004) Redifining Competition in Health Care. Havard Business Review, 82: 64-76 Roland Berger Strategy Consultants (2002) Auswirkungen der transsektoral integrierten Gesundheitsversorgung auf die Medizinprodukteindustrie. Studiendokumentation BVMed 2002. o.V., Berlin
Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
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IT als Unterstützungsinstrument des Prozessmanagements in Krankenhäusern Uwe A. Gansert
1 Veränderungen in der Gesundheitslandschaft – Chancen und Risiken
1.1 Integrierte Versorgung, ein Managed Care Modell? Im steigenden Maße bieten mittlerweile niedergelassene Haus- oder Fachärzte zusammen mit stationären Einrichtungen, also insbesondere Krankenhäusern, eine medizinische Versorgung für die gemeinsame Patientenbehandlung an. Hierdurch entsteht eine Vernetzung von bisher getrennten medizinischen Versorgungssektoren im deutschen Gesundheitswesen. Durch die Kooperation von ambulanten (Arztpraxen) mit stationären (Krankenhäusern) Versorgungseinrichtungen wird eine vernetzte Gesundheitslandschaft etabliert, deren Stellenwert stetig zunimmt. Die klassische Aufteilung der Zuständigkeiten (ambulant, stationär) in der Patientenversorgung und unterschiedliche Interessen bei der Frage nach der Finanzierung waren lange Zeit die Ursachen für den schleppenden Beginn beim Aufbau einer integrierten Versorgung. Ferner sind bei der integrierten Versorgung Aspekte, die die ambulanten sowie stationären Rehabilitationsleistungen oder die Heil- und Hilfsmittel beinhalten, in Betracht zu ziehen, da diese mit zum Versorgungsumfang gehören. Zur Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen Kassen, Ärzten und Krankenhäusern trug das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2004 bei, in welchem die Honorierung der medizinischen Leistungen bei der integrierten Versorgung geregelt wurde (vgl. u.a. Lauterbach 1999; Schwiedernoch u. Özyurt 2004). Befürworter der Konzepte von Managed Care sehen in deren Umsetzung eine Option zur Reform des Gesundheitssystems. Mit der Umsetzung von Managed Care-Konzepten könnten sowohl die Kosten der medizinischen Versorgung gesenkt als auch die Qualität verbessert werden. Prinzipiell ist Managed Care ein integriertes System zur Steuerung der medizinischen Versorgung (vgl. Wiechmann 2004). Häufig werden die Begriffe Managed Care und evidenzbasierte Medizin synonym verwendet, bezie-
I. Behrendt et al. (eds.), Zukunftsorientierter Wandel im Krankenhausmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-00935-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2009
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hungsweise in Abhängigkeit voneinander gesehen. Evidenzbasierte Medizin orientiert sich in starkem Maße an Studien und systematischen Leitlinien bei individuellen Patientenentscheidungen; das Arzt-PatientenVerhältnis bewegt sich innerhalb gegebener Versicherungsstrukturen („Bottom-up-Prozess“). Managed Care hingegen lässt einen direkten Einfluss des Versicherungsträgers auf das Arzt-Patienten-Verhältnis zu („Topdown-Prozess“). Die Entwicklungen in den USA zeigten, dass sich Managed Care fast aussschließlich zu einem Instrument zur Kostenreduktion entwickelte; mittlerweile stellten in den USA einige Managed CareUnternehmen auf eine eher evidenzbasierte Medizin um (vgl. Lauterbach 1999).
1.2 Ärztemangel nicht nur im ambulanten Bereich bereits Realität? Auf Grundlage von OECD-Daten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gibt es in Deutschland eine relativ hohe Dichte an Ärzten, insbesondere an Fachärzten (2,4 Fachärzte auf 1000 Einwohner). Diese Zahlen basieren darauf, dass alle im stationären Sektor tätigen Ärzte den Fachärzten zugerechnet werden. Da sich jedoch in Krankenhäusern ca. die Hälfte der Ärzte in der Facharztausbildung befinden, relativiert sich die Facharztdichte im Bereich der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland (1,6 Fachärzte auf 1000 Einwohner); dieser Facharztdichte entspricht im internationalen Vergleich ein Mittelfeldplatz (vgl. Dahl 2007). In der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion wird häufig die sogenannte „doppelte Facharztschiene“ (ambulante und stationäre fachärztliche Versorgung) als Grund für Ressourcenvergeudung und Unwirtschaftlichkeit gesehen. Hierbei wird, was inzwischen widerlegt wurde, unterstellt, dass Patienten mehrere ambulante Fachärzte konsultieren, die dieselbe Diagnostik ohne Koordination betreiben (vgl. Dahl 2007). Die Sicherstellungsbemühungen im Hinblick auf die Diskussion über Ärztemangel und nicht wieder zu besetzende Arztpraxen werfen die Frage auf, welche wirkungsvollen Planungsinstrumente gegen die anstehende Unterversorgung zur Verfügung stehen (vgl. Dahl 2007 S. 54ff.).
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1.3 Sicherung der Grund-und Regelversorgung – Portalkliniken, die Alternative? In den Flächenländern Deutschlands ist die Sicherstellung der akutstationären Versorgung ein sozialpolitisches Ziel. Lange Zeit wurde aber bei der staatlichen Kapazitätsplanung kaum oder gar nicht der sich ändernden Rahmenbedingungen Rechnung getragen. Krankenhäuser unterliegen jedoch im steigenden Maße einem wirtschaftlichen Druck, der nicht nur durch das „German-Diagnosis Related Groups“ (G-DRG)-Finanzierungssystem verstärkt wurde. Insbesondere sind bei Krankenhäusern der Grundund Regelversorgung (Fachbereiche: Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie zum Teil weitere Fachbereiche wie HalsNasen-Ohrenheilkunde) häufig die breiten medizinischen Leistungsspektren, die zum Beispiel hohe Investitionskosten für moderne Medizingeräte erfordern, aus wirtschaftlicher Sicht problematisch. Ferner muss aufgrund vieler kleiner Fachabteilungen in Krankenhäusern der Grund-und Regelversorgung auch der Aspekt der medizinischen Qualität berücksichtigt werden. Bestimmte operative Eingriffe, die insgesamt auf ein Bundesland gesehen relativ häufig als Basiseingriffe vorgenommen werden, kommen in diesen Krankenhäusern äußerst selten vor. Wenn bestimmte Operationen zum Teil nicht einmal wöchentlich durchgeführt werden, wird die flächendeckende Versorgung zu Lasten der Qualität aufrechterhalten (vgl. Roth et al. 2007). Die Kooperation von Krankenhäusern ist bisher nicht stark ausgeprägt; externe Überweisungen bewegen sich unter einem Prozent. Im universitären Bereich liegen die internen Verlegungen bei über zehn Prozent der stationären Fälle. Solche empirischen Untersuchungsergebnisse wurden nicht nur an Beispielen in Schleswig-Holstein und Sachsen erzielt (vgl. Roth et al. 2007). Kooperative Versorgungsformen im deutschen Gesundheitswesen werden beispielsweise in einem Sonderprogramm „Krankenhausportal NRW“ durch das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales angeschoben (vgl. MAGS NRW 2008). Das Ministerium definiert Portalkliniken als Einrichtungen, die bei reduzierter oder fehlender stationärer Kapazität leistungsfähiges medizinisch-technisches „Know-how“ durch Kooperation mit Schwerpunktkliniken auf der Basis moderner Telematik-Anwendungen anbieten. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung mit Schwerpunktkliniken sowie zwischen Krankenhäusern aller Leistungsbereiche mit ambulanten Einrichtungen und komplementären Versorgungsangeboten zu verbessern. Hierdurch soll weiter eine stärkere Verzahnung stationärer, ambulanter und rehabilitativer Anbieter bewirkt werden, um eine qualitätsgesicher-
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te, wohnortnahe Patientenversorgung zu gewährleisten. Zwei Portalklinikmodelle stehen im Fokus. Ein kleines Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung arbeitet mit einem Krankenhaus der Maximalversorgung zusammen, um dadurch Kapazitäten im kleinen Krankenhaus zu verringern; oder es kooperieren zwei kleinere Krankenhäuser der Grund-und Regelversorgung, indem die Fachbereiche untereinander aufgeteilt werden. Voraussetzungen für eine Kooperation sind klare Vereinbarungen zwischen den Leistungserbringern (Aufgabenteilung und Abrechnung sowie Ertragssteigerung für beide Häuser) und Festlegungen zum neuen Behandlungsprozess unter Berücksichtigung der Arbeitsabläufe beider Kooperationspartner. Eine einrichtungsübergreifende Fall- oder Patientenakte auf einer gemeinsamen Kommunikationsplattform ist eine organisatorisch zwingend notwendige Grundlage (vgl. Krüger-Brand 2007). Das Konzept einer Portalklinik ist im Sinne einer wohnortnahen Krankenhausversorgung ein erfolgsversprechendes Modell, das in Bezug auf die Versorgungswege der Patienten zunächst wissenschaftlich zu begleiten ist (vgl. Roth et al. 2007). Wenn Patienten die Portalklinik akzeptieren und Kooperationswege etabliert sind, kann die Portalklinik ein „Benchmark“ realer Versorgungswege für die nahe Zukunft sein.
2 Informationstechnologie (IT) als wesentlicher Faktor zur Prozessverbesserung bei der Patientenversorgung Aufgrund der zunehmenden Spezialisierung in der Medizin steigt der Stellenwert von Kommunikation und Austausch von Behandlungsdaten innerhalb eines Fachbereichs und interdisziplinär im Krankenhaus stetig an. Dies gilt gleichermaßen für die Kommunikation Krankenhaus mit einer Gemeinschaftspraxis oder hochspezialisierten Fachbereichen von Universitätskliniken. Gerade in der Ärzteschaft wurde bereits früh erkannt, dass die Telematik ein hohes Potenzial zur Optimierung der Kommunikation im Gesundheitswesen bietet, wie beispielsweise durch die „elektronische Fall/ Patientenakte“ oder die Telediagnostik in der Radiologie. Mögliche Ansätze, um • integrierte Versorgung • medizinische Versorgungszentren • Belegarzt- und Zuweiseranbindung • sektorübergreifende Organisationsformen
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im Gesundheitswesen zu ermöglichen und in die aktuellen Diskussionen innovative Aspekte einzubringen, sind durch die Informationstechnologie (IT)-gestützte Prozesse. Diese IT-gestützten Lösungsansätze verfolgen das Ziel, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung zu vervollkommnen. Insbesondere können IT-basierte Lösungsansätze sektorund fachübergreifende Zusammenschlüsse, wie zum Beispiel von Ärzten unterschiedlicher Fachbereiche bei der Patientenversorgung oder Ärzten und Kostenträgern, optimieren. Hierdurch werden neue Organisationsformen im Gesundheitswesen ermöglicht. Die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung sowie die Möglichkeit zur vertragsärztlichen Behandlung im Krankenhaus führten bereits zu medizinischen Versorgungs- bzw. OP-Zentrenbildungen, Ärztehäusern oder Belegarzt- und Zuweiseranbindung und integrierten Versorgungsmodellen.
2.1 Ist-Situation und Anforderungen an die Informationstechnologie im Behandlungsprozess Die Informationstechnologie (IT) ist in einem Krankenhaus moderner Prägung während des gesamten Behandlungsprozesses erforderlich. Die Organisation der nachfolgenden Phasen zur Behandlung eines Patienten ist im Wesentlichen durch eine geeignete IT zu unterstützen: • Erfordernis zur stationären Behandlung • Suche nach einer geeigneten Einrichtung • Planung der Behandlung • Vorbereitende Maßnahmen • Voraufnahme (Vorstationäre Behandlung) • Aufnahme • Stationäre Behandlung • Planung der nachstationären Versorgung • Entlassung, Verlegung • Nachstationäre Versorgung (Ambulante Behandlung, Rehabilitation, Pflege) • Follow-Up
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Die Notwendigkeit des IT-Einsatzes beginnt für ein Krankenhaus also bereits lange bevor der Patient auch nur im Haus bekannt ist oder gar aufgenommen wurde. Idealerweise ist der Zuweiser bereits in ein entsprechendes IT-System eingebunden, hat die Möglichkeit mit dem Krankenhaus aus der jeweiligen Praxis heraus Kontakt aufzunehmen und kann einen Behandlungspfad für den Patienten anstoßen. Die IT kann hier direkt durch Patienteninformation und Zuweiserbindung wertschöpfend für das Krankenhaus wirksam werden.
2.2 Informationstechnologie, Informationsmanagement, Prozessmanagement: Eine Begriffsbestimmung 2.2.1 Informationstechnologie Der Begriff Informationstechnologie wird heute vielfach synonym mit dem Begriff Informationsmanagement verwendet, obwohl sich hier substantielle Unterschiede feststellen lassen. Informationstechnologie betrachtet primär das Etablieren und Betreiben von technischen Systemen, wenn auch hoher Komplexität. Dieses Verständnis kann den Anforderungen an ein modernes Management von Krankenhäusern nicht mehr gerecht werden. Das Informationsmanagement hingegen beschäftigt sich auf der Ebene des Gesamtunternehmens mit dem Management der Ressource "Information". Diese stellt bei einer hohen Zahl von Unternehmen eine der kritischen Ressourcen dar. Dies trifft insbesondere auf das Gesundheitswesen im Allgemeinen und das Krankenhaus im Speziellen zu. Die Behandlung kranker Menschen, also der Prozess vom Auftreten eines empfundenen Symptoms über die Diagnostik bis zur Therapie und eventueller Nachsorge, ist ein komplexer Vorgang, der ohne ein umfassendes, zielgerichtetes und effizientes Informationsmanagement nur unbefriedigend für alle Beteiligten bewältigt werden kann. Dabei unterscheidet sich die Sicht der Beteiligten auf die Anforderungen an das Management der Informationen substanziell voneinander. Der Arzt möchte beispielsweise möglichst zeitnah und einfach auf Informationen zu seinem Patienten zugreifen können, um sich über die Gesamtsituation, Vorgeschichte, aktuelle Situation und laufende Maßnahmen ein Bild machen zu können, das ihn bei seiner komplexen Aufgabe unterstützt. Der Arzt muss einfach und sicher Aufträge erteilen können und über neue Entwicklungen informiert sein. Dabei sollten intelligente Systeme mittels aufbereitetem Wissen und weiterführenden Informationen, wie z. B. aus wissenschaftlichen Stu-
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dien und Sekundärliteratur, aber auch aus fach- oder krankenhausspezifischen Definitionen zur Best Practice (Behandlungspfade, Clinical Pathways), den Arzt unterstützen. Das medizinische Wissen der Welt verdoppelt sich heute alle 5 Jahre und manche Fachbereiche weisen noch höhere Zugewinnraten an Informationen auf. Hierdurch wird deutlich, dass allein der Aspekt des Pfad- und Wissensmanagements Grund genug darstellt, sich auf höchster Führungsebene des Themas Informationsmanagement anzunehmen. Daher soll im folgenden nicht mehr von Technologie (außer im operativen Informationsmanagement) die Rede sein, sondern der Fokus ausschließlich auf dem Begriff Informationsmanagement liegen. 2.2.2 Informationsmanagement Informationsmanagement in einem Krankenhaus stellt sich als eine komplexe Mischung aus dem Management von Wissen, individueller Information, Prozesswissen und Technologie dar. Wissensmanagement ist heute sicher der von den vier genannten Punkten der noch am schwächsten ausgeprägte. Das Management von Wissen spielt sich sowohl in Medizin wie auch der Pflege zum großen Teil auf sehr traditionellen Wegen ab. Die Grundlage des Wissens wird in einer entsprechenden Ausbildung gelegt und durch Besuche von Fortbildungen unterschiedlicher Art – häufig ohne Qualitätssicherung des Erfolgs – erweitert oder aufrechterhalten. Die Unterstützung durch Informationsverarbeitung ist, wenn überhaupt vorhanden, lediglich punktuell ausgeprägt. Um aber optimierte Arbeitsabläufe implementieren zu können, ist ein umfassender Bestand aller relevanten Informationen eine unabdingbare Grundvoraussetzung. Hierfür bedarf es geeigneter, integrierter IT-Plattformen (vgl. Reinhardt 2006, S. 90). Eine ideale Situation könnte so definiert sein, dass die Informationen zu einem Behandlungsfall zielgruppengerichtet bei dem jeweiligen Patienten hinterlegt werden; für Recherchen lässt sich jederzeit darauf zurückgreifen. Gleiches gilt für die Verfahrensweisen innerhalb der Krankenhausorganisation durch Zuordnung zu Clinical Pathways und der Verpflichtung, bei Abweichungen diese auch zu erklären. Die Bereitstellung eines „critical incident report system“ (CIRS) stellt sicher, dass auch Fälle, bei denen die durchgeführten Maßnahmen zu einem kritischen Problem führten, auf allen Ebenen erfasst und verfolgt werden. Allerdings ist die heutige Situation weit davon entfernt. Wissen befindet sich ebenso wie Verfahrensanweisungen immer noch zum größten Teil in den Köpfen der Mitarbeiter. Die Qualität des Handelns ist von der Qualität des Wissens Einzelner abhängig. Elektronisch zur Verfügung stehende Informationen sind weitge-
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hend statischer Natur und finden im Prozess selten einen festen Platz. Das Informationsmanagement ist mit der heute breit vorhandenen Kommunikationsinfrastruktur und dem nahezu allgegenwärtigen Zugang zu vernetzten Informationssystemen durchaus in der Lage, diese Lücke zu füllen. Der zweite Komplex, die Bereitstellung individueller Informationen zu einem Patienten, stellt einen ähnlich hohen Anspruch an das Informationsmanagement. Er beginnt mit dem Aufbau und der Vorhaltung möglichst umfassender und fehlerfreier Informationen. Diese Forderung stellt die heutigen Krankenhäuser bereits vor große Probleme. Kaum ein Haus ist in der Lage, in effizienter und kostengünstiger Weise vorliegende Befunde von Dritten (Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Rehabilitationseinrichtungen) in ihre, falls überhaupt vorhandenen, elektronischen Krankenakten zu integrieren und nutzbringend in der aktuellen Behandlungsepisode bereitzustellen. Die Ursache dieses Problems ist nicht nur in der häufig fehlenden Infrastruktur und mangelnden strategischen Planung zu suchen, sondern auch in der rudimentären Ausprägung der Interoperabilität der Informationssysteme in der Gesundheitswirtschaft. Die vorhandenen Patienteninformationen sollten jedem, der sie benötigt und dazu legitimiert ist, in geeigneter Form, schnell und sicher im Augenblick des Bedarfs zur Verfügung stehen. Aufgrund der unterschiedlichen Sichten der Fach- und Nutzergruppen ist dies eine komplexe Anforderung. Überraschend mutet hier vor allem die Tatsache an, dass es nahezu keine Standardisierungsbestrebungen im Umfeld der Systemhersteller gibt, gleichwohl zumindest die klinische Medizin in Industrieländern weltweit gleiche Maßstäbe bei der Behandlung von Krankheiten besitzt. In anderen Berufsgruppen sind diese Standards allerdings noch weniger weit vorangeschritten. Die Bereitstellung von Prozesswissen in elektronischen Informationssystemen ist in anderen Industriebereichen (Pharmazie, Chemie, Automotive) etabliert. Im Krankenhaus finden sich durch die vereinzelt bereits implementierten Behandlungspfade, in Form meist papierbasierter linearer Handlungsanweisungen mit der Diagnose oder Prozedur als auslösendem Element, speziell in der Pflege, Ansätze zu einer Formalisierung der Abläufe der Behandlung. Die ärztliche Seite ist durch „Clinical Pathways“ (Klinische Pfade) und durch Diskussionen in den Fachgesellschaften auf dem Weg zu einer ersten prozessorientierten Sicht auf den Behandlungsverlauf sowie mögliche Parameter für Wirksamkeit und Qualität. Das strategische Informationsmanagement muss sich mit der Bereitstellung und der Unterstützung der Handelnden durch geeignete Systeme auf breiter Ebene beschäftigen. Insbesondere die Diskussion um Wirtschaftlichkeit und Qualität der stationären Behandlung erfordert ein stringentes Konzept für jeden Krankenhausmanager.
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Zuletzt ist es die Technologie, die heute in vielen Gesundheitsunternehmen im Fokus steht, wenn an Informationsmanagement gedacht wird. Dies geschieht meist aufgrund der erforderlichen Investitionstätigkeiten und der hohen Anforderungen an Personal, die dieser Bereich stellt. Darüber hinaus sind viele Krankenhäuser noch immer nicht mit flächendeckender Infrastruktur für das Informationsmanagement ausgestattet. Als elementare Bausteine sind zunächst die flächendeckende, diensteneutrale Vernetzung, die schnelle, sichere Anbindung an Weitverkehrsnetze, die adäquate Ausstattung mit Arbeitsplätzen und ein sicheres, zentrales Datenmanagement zu nennen. Zu diesen Infrastrukturthemen müssen taktisch der Bereich der Kommunikation (Telefonie, Fax, Pieper, Rufsysteme), das Gebäudemanagement und, insbesondere aufgrund der immensen Bedeutung als Informationslieferant im klinischen Prozess, die Medizintechnik eingegliedert sein. 2.2.3 Prozessmanagement Die Aufgabe eines effizienten Prozessmanagements umfasst, ausgehend von den Unternehmenszielen, die Etablierung effizienter und effektiver Abläufe im Gesamtunternehmen. Diese Ziele gilt es zu erreichen, indem gleichzeitig die vorhandenen Ressourcen geschont werden. Das Informationsmanagement ist Bindeglied zwischen den einzelnen Teilen des Unternehmens und ein wichtiges operatives Element der Ablauforganisation. Bereits heute nimmt in den Krankenhäusern das Informationsmanagement einen weit höheren Stellenwert ein als in der Aufbauorganisation zu erkennen ist. Informationsmanagement und Prozessmanagement sind in vielen Bereichen moderner Unternehmen fast schon synonym anzusetzen. Diese enge Verbindung ist jedoch in vielen Bereichen der Unternehmen durchaus problembehaftet. Durch die Integration des Prozessmanagements in das Informationsmanagement wandert umfassendes Wissen über die Abläufe und Inhalte in die Informationsmanagementsysteme. Diese übernehmen zunehmend die Steuerung der Abläufe im Gesamtunternehmen und werden künftig auch einzelne Entscheidungen wesentlich beeinflussen und später auch treffen. Dieser Wissenstransfer führt naturgemäß zu einem Gefühl der "Entmachtung" bei den Nutzern und wird daher eher kritisch betrachtet. In gut ausgebauten Krankenhausinformationssystemen (KIS) lassen sich – wenn auch rudimentär – bereits heute erste Anzeichen einer Entwicklung hin zum Informationsmanagement erkennen. Die Zuordnung von Patienten führt durch die Diagnosestellung oder die Zuweisung eines Verfahrens (zum Beispiel einer Operation) zur Einpassung in einen klinischen
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Standardprozess, dessen Einhaltung mittels KIS überwacht wird. Die zu treffenden Maßnahmen und auszuführenden Behandlungstätigkeiten werden im KIS in die Kalender des Patienten und der Leistungserbringer eingetragen. Die Einhaltung der vordefinierten Maßnahmen wird überwacht, Abweichung führen zu Eskalationsmechanismen und leiten weitere Entscheidungsprozesse ein. Die Protokollierung aller Abläufe und Schritte führt zu einer völlig neuen Dimension der Transparenz medizinischer Behandlung. Insbesondere die Aufwände im Bereich der Pflege werden so erheblich quantifizierbarer und in ihrer Effizienz bewertbarer, als sie es heute sind.
2.3 Stärken und Schwächen des Einsatzes von Informationsmanagement im Krankenhaus 2.3.1 Stärken des Einsatzes Das Informationsmanagement wird in vielen Kliniken noch immer nicht als strategische Position wahrgenommen. In den wenigen Kliniken, die bereits über einen CIO verfügen, ist dieser meist nur beratendes Mitglied des Vorstands. Die Prozessverantwortung liegt in der Regel weiter dezentral in den Kliniken oder bei der Verwaltung. Davon ausgehend, dass die Aufgabe des Prozessmanagements darin besteht, die strategische Unternehmensplanung in operatives Handeln umzusetzen, folgt daraus, dass es die Aufgabe des CIOs sein muss, die strategische Unternehmensplanung mittels informationstechnologischer Mittel in operatives Handeln umzusetzen. Die erforderliche Neuorientierung der Aufgabenverteilung im Bereich des Vorstands kann als Ursache für die bisherige Nichtumsetzung vermutet werden. Bedingt durch den Einfluss eines neu geschaffenen Bereichs mit diesem Aufgabenspektrum, wäre eine erhebliche Verschiebung des Machtgefüges die Folge. Die in der Regel eher konservativ geprägten und wenig risikobereiten Manager im Krankenhaus nehmen daher von solchen „revolutionären“ Ideen eher Abstand. Die Veränderung von Machtstrukturen im Unternehmen beinhaltet immer ein erhebliches Risikopotential, dass in eher konservativen Branchen vorzugsweise vermieden wird. Die Chancen der Einführung eines umfassenden Managements aller Prozesse sind allerdings im Unternehmensinteresse ein solches Risiko für einen innovativen Unternehmensführer alle Mal wert.
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2.3.2 Schwächen des Einsatzes Heutige Unternehmen im Gesundheitswesen setzen nur einen geringen Anteil ihrer Umsätze für das Informationsmanagement ein. In Kliniken beträgt der Anteil für die Informationstechnologie nur rund 1% vom Umsatz. Im Vergleich mit anderen Unternehmen in Dienstleistungsbereichen ist das ein verschwindend geringer Anteil. Da der Schutz und die Sicherheit der Patienteninformation sehr hoch angesiedelt werden muss und die Konsequenzen, die aus verspäteter oder falscher Information für den Einzelnen im Behandlungsfall drastisch sein können, erscheint die Zurückhaltung bei den Investitionen als seltsam verzerrte Situation. Ähnliches gilt für die Ansiedlung der Verantwortlichkeiten im Management: In der Regel ist der IT-Manager (so überhaupt vorhanden) der Verwaltungsleitung zugeordnet und verfügt in der Regel nicht über den erforderlichen medizinischen Sachverstand. Diese Zuordnung in der Aufbauorganisation erweist sich für einen sinnvollen Lösungsansatz bereits als die erste große Hürde. Die direkte Ansiedlung dieses Bereichs an die Geschäftsleitung oder den Vorstand stellt dagegen einen ersten richtigen Schritt in die Zukunft dar, da erst dieser Schritt dem Unternehmen ermöglicht, eine von den Unternehmenszielen abgeleitete Strategie des Informationsmanagements aufzubauen. Allerdings folgt heute die Planung von Informationssystemen den stärksten Kräften im Krankenhaus; entweder der Ökonomie, die auf maximale Standardisierung bei minimalem Ressourceneinsatz abzielt, oder der Medizin, die oft auf die Realisierung hochindividueller und stark diversifizierter Einzelinteressen abzielt. In der Regel entstehen hierdurch medizinische Insellösungen mit komplexen Schnittstellen. Gleichzeitig ist eine Beratung oder ein Einfluss im Sinne eines Optimierungsansatzes der Prozesse durch den Einsatz des Informationsmanagements eher unerwünscht. Deshalb sind wesentliche Bereiche im Krankenhaus noch stark entwicklungsbedürftig. Insbesondere die Pflege verfügt derzeit noch über wenige Ansätze zur Aufnahme von informationsverarbeitenden Systemen in ihren Abläufen oder für das eigene Management. Da gerade diese Personengruppe mit Abstand die größte Gruppe im Krankenhaus darstellt, bietet sich hier ein breites Spektrum an möglichen Ansätzen zur Prozessoptimierung mittels Informationssystemen an. Viele zu dokumentierende Leistungen und Koordinationsaufgaben bieten hier direkte Ansätze für ein Informationsmanagement.
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3 Ebenen des IT-Managements: Informationsmanagement als Führungsaufgabe
3.1 Aufgaben und Rollenprofile im IT-Management 3.1.1 Chief Information Officer (CIO) Der Chief Information Officer (CIO) ist das für das Informationsmanagement verantwortliche Mitglied der Geschäftsleitung/ Vorstand. Die Wurzeln der CIO-Position stammen aus der amerikanischen Unternehmensführung. Streng genommen ist der CIO in einer Reihe mit dem Chief Executive Officer (CEO; Geschäftsführer/ Vorsitzender des Vorstands) und dem COO (Geschäftsführer operatives Geschäft/ Vorstand) zu sehen. Die konsequente Etablierung dieser Positionen in Krankenhäusern ist allerdings, wie auch in anderen Zweigen der deutschen Wirtschaft, noch eine Ausnahme. Ein entscheidender Hinderungsgrund dafür ist, dass die Aufgaben des CIOs zwar alle Bereiche berühren, jedoch gleichzeitig keine „Ergebnisverantwortlichkeit“ besteht, da diese Aufgaben zu den internen Dienstleistern gezählt werden und häufig in der Gedankenwelt des „General Managements“ nicht den wertschöpfenden Bereichen zugerechnet werden. Keinesfalls ist der CIO mit dem Leiter der Informationstechnologie zu verwechseln, denn die Aufgaben des IT-Leiters sind im Bereich des strategischen Managements der Ressource Information anzusiedeln. Eine allgemein gültige Definition des Rollenprofils „Chief Information Officer“ lässt sich derzeit weder für den Krankenhausbereich noch für andere Industriebereiche finden. Die Aufgaben umfassen heute am ehesten Planung, Projektierung und Betrieb der Informationsverarbeitung. Darüber hinaus bestehen weitere Hauptaufgaben darin, die Rahmenbedingungen für Werte und Ziele der IT-Funktionen und ihrer Auswirkungen auf die Prozesse im Unternehmen festzulegen sowie eine starke Beziehung zwischen IT- und Geschäftsstrategie aufzubauen. Diese Aufgaben können auch unter dem Begriff der IT- Governance zusammengefasst werden. Der CIO ist schließlich verantwortlich für den Grad der Nutzbarmachung der Informationstechnologie auf allen Ebenen des Unternehmens.
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3.1.2 IT-Governance – Ausgangslage und Entwicklung Um eine IT-Governance in einem Unternehmen einzuführen, ist neben der entsprechend zu besetzenden Rolle des CIO im Vorstand eine Reihe von Veränderungen in der Unternehmenskultur im Vergleich zu traditionellen Führungssystemen erforderlich. Die IT-Governance ist das Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle der IT eines Unternehmens mit dem Ziel einer konsequenten Ausrichtung der IT-Prozesse an der Unternehmensstrategie. Diese Aufgabe ist oberste Leitungsaufgabe und kann nicht delegiert werden. Das Management von Informationen ist ein zunehmend kritischer Faktor, sowohl für die Qualität der Leistung, die im Krankenhaus eine besondere Rolle spielt, als auch für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Bisher ist es jedoch nur in wenigen Bereichen im Krankenhaus gelungen, die Entwicklung in Richtung einer IT-Governance voranzutreiben. Wenige Bereiche im klinischen Umfeld sind heute mit einer Durchdringung an IT ausgestattet, die keine Alternativen mehr zulässt und damit diesem Thema den entsprechenden Auftritt verschafft. Am ehesten können hier noch die Bereiche Labormedizin und zunehmend die Radiologie angeführt werden. Betrachtet man jedoch die Umsetzung, so ist zwar eine hohe Durchdringung und starke Abhängigkeit von IT zu erkennen, jedoch gleichzeitig eine starke Verbreitung proprietärer Systemansätze und starker Isolationstendenzen mit dem Wunsch eigene „IT-Inseln“ in den Abteilungen zu sichern. IT-Governance verfolgt jedoch gänzlich andere Ziele. Hier ist nicht die Kernfrage, wie und ob eine Abteilung ideal ausgestattet ist, sondern ob die operativen Systeme und die eingeführten Prozesse den Zielen der Unternehmensführung entgegenkommen. Von diesem Ansatz sind die Kliniken weit entfernt. Die Informationsfunktionen im Krankenhaus spielen bereits heute eine tragende Rolle in der effizienten Leistungserbringung und stellen den reibungslosen Ablauf der Behandlung von Patienten sicher. Die konsequente Verbesserung der Prozesse durch Instrumente der Informationsverarbeitung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zukunft des modernen Krankenhauses. Ziel muss es zunächst jedoch sein, die IT-Governance aus den Abteilungen und Kliniken herauszulösen und in die Verantwortlichkeit der Leitung zu bringen. Dazu sind speziell in der Krankenhauslandschaft weitergehende Veränderungen in der inneren Aufstellung erforderlich. Die Informationsverarbeitung der Kliniken bezieht heute einen großen Teil der patientenbezogenen Daten aus medizinischen Geräten, die besonderen Regularien unterworfen sind (Medizingeräteverordnung - MedGV). Die Aufgaben in Betreuung und Unterstützung wie auch der Beschaffung von Medizingeräten sind trotz ihrer erforderlichen Integration meist völlig
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losgelöste Prozesse in eigenen Unternehmensbereichen, die stark technologiezentriert arbeiten. Diese Situation ergibt für den Kunden einen hohen Abstimmungsbedarf und auf der Leitungsebene eine unklare Situation; besonders im Bereich kommunaler Kliniken ist diese Organisation häufig vorzufinden. Aufgrund der tangierten Macht- und Budgetstrukturen ist eine starke Unternehmensleitung gefragt, um solche strukturellen Veränderungen zum Wohle des Gesamtunternehmens Krankenhaus zu fordern und umzusetzen. IT-Governance steht im Unterschied zum IT-Management in der Prozessverantwortung; das IT-Management betrachtet die operative Ebene. Somit sind Kosten und Nutzenanalysen und die Überwachung der Services als IT-Managementaufgaben zu verstehen. Die IT-Governance verfolgt hingegen die strategische Ausrichtung des Informationsmanagements und die Schaffung eines entsprechenden Klimas in der Leitungsebene und der Organisation. IT-Governance kann sich dabei durchaus auch im Spannungsfeld zwischen den operativen und strategischen Zielen wiederfinden. Schließlich ist es Aufgabe der IT-Governance, für eine geeignete Überwachung und Messung sowie Verrechung der vereinbarten Leistungen der IT zu sorgen. Insbesondere das IT-Controlling steht hier im Fokus der Aufgaben. Eine ausgeübte, starke IT-Governance wird sich auch im Bereich der Messbarkeit und Vergleichbarkeit der IT-Prozesse und -leistungen engagieren. Insbesondere die Definition der Prozesse und der Parameter zur Messung der Leistungsfähigkeit stehen hier im Vorderrund. Idealerweise sollte bereits bei der Planung der Prozesse im Informationsmanagement Augenmerk auf die Etablierung von Parametern zur Leistungsmessung und -verfügbarkeit gelegt werden, um dann in einem zweiten Schritt ein entsprechendes Berichtswesen zu etablieren. Dieses muss sich einerseits für die Bewertung von Qualitätskriterien und die interne Leistungsverrechung eignen, andererseits aber auch den externen Vergleich im Rahmen von Benchmarking unterstützen. Eine Standardisierung der Prozesse auf der Basis von Best Practice Modellen sollte hier angestrebt werden. Dabei findet sich ein sehr praktikabler und gangbarer Weg durch die Nutzung der Information Technology Infrastructure Library. Eine externe Zertifizierung sollte vor einem Benchmarking der Organisation angestrebt werden. Dabei besteht die Möglichkeit der Zertifizierung nach ISO 9000:2000, die sich im Augenblick für interne Dienstleister empfiehlt und der Zertifizierung nach DIN ISO 20000, die ihre Anwendung im Bereich der ausschließlich als IT-Dienstleister tätigen Unternehmen findet. Es wäre sehr zu begrüßen, eine Zertifizierung für interne Dienstleister nach DIN ISO 20000 zu ermöglichen, die aufgrund ihrer internen Position ver-
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schiedene Funktionen (Beschaffung, Personal, Buchhaltung, Budgetverwaltung) nur über Schnittstellen abbilden können. 3.1.3 Risikomanagement Jegliche Handlung oder Entscheidung innerhalb einer Unternehmung bringt gewisse Risiken mit sich. Diese Risiken liegen hierbei sowohl auf der strategischen, der taktischen als auch auf der operativen Ebene. Deren Tragweite reicht von quasi Null bis zu einer Bedrohung für das Unternehmen in seiner gesamten Existenz. In einem Krankenhaus kommen hier im Gegensatz zu den meisten Industrieunternehmen bei Fehlern noch gegebenenfalls Auswirkungen beziehungsweise Bedrohungen für die Gesundheit der Patienten hinzu. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmen (KonTraG) am 01.05.1998 entstanden erweiterte Anforderungen an die Gestaltung eines internen Risikomanagementsystems. Nach § 91 Absatz 2 AktG hat der Vorstand eines Unternehmens geeignete Maßnahmen zu treffen – insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten –, die es ermöglichen, den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh zu erkennen (Risikofrüherkennungssystem). Auch wenn der Gesetzgeber diese Formulierung nicht separat für Unternehmen anderer Rechtsformen wiederholt, geht er von einer Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsformen, wie zum Beispiel eine gGmbH aus. Ein Risikomanagement wird somit auch im Krankenhaus zu einem unerlässlichen Bestandteil der Unternehmensführung selbst und für das Management der nachgeordneten Ebenen zu einem Prozess, der einmal angestoßen wird und dann permanent weitergeführt werden muss (vgl. Felber et al. 2003, S. 140). Dies erfordert die Einrichtung eines formalen Risikomanagementsystems und die Dokumentation, zum Beispiel in einem Risikohandbuch, das ständig aktualisiert und ergänzt wird. Das Risikomanagement hat als ein integraler Bestandteil der Geschäfts-, Planungs- und Kontrollprozesse die Aufgabe, bestehende Risikofelder zu erfassen und neue Risiken frühzeitig zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten sowie dafür zu sorgen, dass risikobezogene Informationen in systematisch geordneter Weise an die zuständigen Entscheidungsträger weitergeleitet werden. Identifizierte Risiken, benannte Steuerungsmaßnahmen und Kontrollmechanismen müssen zum Beispiel durch die Innenrevision auf ihre Plausibilität, Aktualität und Wirksamkeit geprüft werden. Diese Prüfung sollte in festen Intervallen erfolgen. Die IT Governance muss aufgrund ihrer Ziele im Bereich Ausrichtung der IT auf die Geschäftsprozesse, der Sicherstellung der Einhaltung von Vorgaben und der Sicherstellung des IT-Betriebs in all seinen Formen ein
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Risikomanagement beinhalten und nutzen. Nur wenn alle Risiken für Prozesse und Betrieb bekannt sind, können diese gegebenenfalls im Sinne einer Risikosteuerung durch geeignete Maßnahmen abgesichert werden und damit zuverlässig und dauerhaft zur Steigerung des Unternehmenswerts beitragen. Die Absicherung gegen Risiken muss dabei allerdings immer auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden. Dies kann je nach Höhe des wirtschaftlichen Risikos und dem Aufwand für notwendige Absicherungsmaßnahmen dazu führen, dass ein Prozess als unwirtschaftlich einzustufen und einer generellen Überprüfung zu unterziehen ist. Keine Maßnahmen zur Absicherung eines Risikos zu ergreifen, kann im Rahmen der Möglichkeit einer genauen Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung ebenfalls eine Alternative sein, wenn die verantwortlichen Personen im Unternehmen bereit sind, dieses Risiko entsprechend zu tragen. „Die Höhe dieses Restrisikos hängt von der Risikobereitschaft ab“ (Heinrich u. Lehner 2005, S. 259). Das Informations- und Prozessmanagement bildet hierbei die Basis für ein effektives Risk-Management, indem es alle benötigten Informationen zur Identifikation und Bewertung von Risiken in den verschiedenen Geschäftsprozessen bereitstellt. Ebenso kann auf dieser Basis auch ein System implementiertet werden, das im Fall des Risikoeintritts durch vordefinierte Maßnahmen die Auswirkungen des Zwischenfalls reduziert. RiskManagement findet dabei durchgehend auf allen drei Ebenen des Informationsmanagements (strategisch, taktisch und operativ) statt.
3.2 IT Performance Management Die Rolle der Leistungsmessung in der Informationsverarbeitung ist traditionell auf die Abrechung von quantifizierbaren Leistungen ausgerichtet. Insbesondere aus dem Umfeld der Großrechnersysteme sind einfache Größen wie Plattenspeicher und CPU-Sekunden eine eingeführte Größe bei der Berechnung der Leistung. Diese Systeme, die sich dann auch in die Umgebung der verteilten Computer modifiziert übertragen ließen, waren an der Vereinfachung der Leistungsverrechung der erbrachten Rechenleistungen ausgerichtet. Später kamen erste Qualitätsmerkmale wie Verfügbarkeit und Antwortzeiten hinzu, die heute meist in SLAs (Service Level Agreements) festgehalten werden. In solchen SLAs findet man heute durchaus Definitionen wie diese: „Das Datenbanksystem XY auf dem Server Z ist werktags von 7:00-17:00 Uhr zu 96% der Zeit verfügbar.“ Ein solches SLA scheint auf den ersten Blick eine durchaus passable und belastbare Grundlage für eine Geschäftsbeziehung zu sein. Bei genauerer
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Betrachtung jedoch enthält sie nahezu nichts, was mit dem Kundenwunsch zu tun hat und wird auf Dauer die Zufriedenheit des Kunden nicht steigern. Allein die Bedeutung von 96% Verfügbarkeit über 10h ist bereits genauer betrachtet wenig hilfreich für den Kunden, denn das System könnte somit 24 Minuten pro 10 Stunden am Tag offline sein, oder im schlechteren Fall 24-mal eine Minute nicht zur Verfügung stehen. Dies kann für einen kontinuierlichen und verlässlichen Arbeitsablauf nicht als brauchbare Basis angesehen werden, wirkt demotivierend für den Anwender und ist damit für die Eigentümer des Prozesses nicht akzeptabel. Betrachtet man die konkrete Aufgabe, die der Benutzer mittels der IT lösen will, so stößt man zusätzlich auf ganz andere Fragestellungen wie z. B.: Sind alle benötigten Daten und Anwendungen auf den Servern verfügbar? Läuft also nicht nur der Datenbank Server sondern auch der Applikationsserver? Sind die Daten auf dem Server aktuell und funktioniert die Kommunikation mit anderen Systemen? Sind die Server über das Netz erreichbar? Funktioniert der PC vor Ort und die Software darauf? Können die für den Prozess benötigten Etiketten auf dem Arbeitsplatz-Drucker ausgegeben werden? Ist eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, steht der gesamte Geschäftsprozess nicht zur Verfügung. Geht man von der Rolle des Informationsmanagements als Unterstützer oder Enabler der Geschäftsprozesse des Unternehmens aus, so muss auch der Geschäftsprozess selbst als Rahmen für die Zieldefinition der IT-Leistungen dienen. Im Krankenhaus ist der entscheidende Prozess die Diagnostik und Therapie des Patienten, also sollte sich das „Performance Management“ an genau diesem Kernprozess ausrichten und versuchen, diesen Prozess soweit wie möglich als Grundlage der Bemessung und Bewertung der IT Performance zu nutzen. Die Verfügbarkeit einer Datenbank oder eines Servers spielt eine absolut nachgeordnete, wenn nicht sogar unwesentliche Rolle. Der entscheidende Faktor ist die Verfügbarkeit der benötigten Unterstützung des Kernprozesses, die als komplette Prozesskette zu betrachten ist. Diese Unterstützungsfunktionen sind im Rahmen eines Qualitätsmanagements in einem geeigneten System zu erfassen, zu dokumentieren, auszuwerten und zu verbessern. Somit entsteht hier ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der gegebenenfalls auch in den Prozess selbst eingreifen kann, um diesen zu verbessern bzw. eine größere Verfügbarkeit zu erreichen.
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3.3 Ebenen des IT-Managements 3.3.1 Strategische Ebene - elementares Instrument Das strategische Management des Informationswesens in einem Krankenhaus stellt eine Kernaufgabe des „General Managements“ dar. Die oberste Führungsebene steht in der Verantwortung für das gesamte Informationsmanagement als dem einzigen zentralen Instrument der Kommunikation und Information aller Unternehmensteile auf allen Ebenen. Die strategische, operative, taktische Ebene stellen den Informationsapparat eines Unternehmens dar (vgl. Abb. 1). Die strategische Ebene des Informationsmanagements richtet sich dabei auf die Unternehmensziele aus und stellt die Brücke von den durch die Unternehmensleitung definierten Zielen zur operativen Kontrolle der Erreichungsgrade dieser Ziele im Detail dar. Diese Form des Managements erfordert einen hohen Grad an Technisierung der Informationssysteme und „Know-how“ bei den Entscheidern. Strategische Entscheidungen müssen mit hinreichender Präzision, aber auch mit Handlungsspielraum für die folgenden Ebenen getroffen werden, um eine spätere Umsetzung entsprechend den aktuellen Umweltbedingungen zu ermöglichen. Zusätzlich muss die Strategie im Rahmen eines definierten Review-Plans regelmäßig in Hinblick auf notwendige Änderungen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die IT-Strategie eines Unternehmens spiegelt also direkt die Erfordernisse von Unternehmensleitung wider und bricht sie in einem komplexen Prozess durch taktische Maßnahmen (wie beispielsweise die Reorganisation von Geschäftsvorfällen durch die Einführung neuer Kommunikationssysteme) bis auf die Ebene des operativen Geschehens herunter. Gleichzeitig stellt sie die Rückmeldung auf allen Unternehmensebenen sicher. In den strategischen Bereich im Informationsmanagement fällt beispielsweise die Entscheidung, das gesamte Unternehmen mit einem Hochleistungs-Netzwerk abzudecken und dieses in regelmäßigen Abständen auf den neusten Stand der Technik zu bringen. Diese Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung und Auswirkungen für die Informationsverarbeitung im gesamten Unternehmen und schreibt die Arbeitsrichtung für einen langfristigen Zeitraum fest. Allerdings wird in diesem Rahmen keine Entscheidung oder Festlegung über die Umsetzung getroffen.
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Qu alit ät s -
g un la n >P
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