Selbst- und Fremdzuschreibungen im Kontext von Europa: Eine quantitative Studie zum Umgang von Schulerinnen und Schulern mit kultureller Vielfalt 3531170813, 9783531170817 [PDF]


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Selbst- und Fremdzuschreibungen im Kontext von Europa: Eine quantitative Studie zum Umgang von Schulerinnen und Schulern mit kultureller Vielfalt
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Zitiervorschau

Christine Schlickum Selbst- und Fremdzuschreibungen im Kontext von Europa

Christine Schlickum

Selbst- und Fremdzuschreibungen im Kontext von Europa Eine quantitative Studie zum Umgang von Schülerinnen und Schülern mit kultureller Vielfalt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2009 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.

1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Tanja Köhler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17081-7

Inhalt

1 Einleitung ........................................................................................................ 7 2 Theoretische Bezüge.................................................................................... 19 2.1 Autoritäre Persönlichkeit im Spannungsfeld von Erziehung und Gesellschaft .................................................................. 21 2.2 Sozialisationsagenturen jenseits der Familie: Formale Schulbildung und sozialer Status ......................................... 30 2.3 Soziale Kategorien und Identifikationsprozesse: Der Social Identity Approach ............................................................... 38 2.3.1 Gruppenzugehörigkeiten und soziale Identität......................... 42 2.3.2 Selbstkategorisierungsprozesse.................................................... 45 2.3.3 Interkulturelle Kontakte ............................................................... 50 3 Methodische Anlage der Studie ............................................................... 57 3.1 Heuristisches Modell und Hypothesen ............................................... 57 3.1.1 Heuristisches Modell .................................................................... 58 3.1.2 Hypothesen .................................................................................... 62 3.2 Erhebungsinstrumente ........................................................................... 68 3.2.1 Instrumente zur Erfassung der unabhängigen Variablen: Soziale Orientierungen, Kontakt und Soziale Identifikationsprozesse.................................................... 68 3.2.2 Instrumente zur Erfassung der abhängigen Variablen: Einstellungen im Umgang mit kultureller Vielfalt .................... 74 3.3 Analysemethoden und Stichprobe ....................................................... 85 3.3.1 Gütekriterien der Messung ........................................................... 86 3.3.2 Auswertungsmethoden ................................................................. 88 3.3.3 Auswahlverfahren und Stichprobe.............................................. 91

4 Forschungsergebnisse ................................................................................ 99 4.1 Zur Struktur der Einstellungen im Umgang mit kultureller Vielfalt ..................................................... 99 4.1.1 Analyse der Einstellungskomponenten zur innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt: Art und Ziele der Koexistenz von ethnischen Gruppen, Kriterien gesellschaftlicher Assoziation, Bereitschaft zu interkulturellen Kontakten ............................... 100 4.1.2 Analyse der Einstellungskomponenten zur zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt: Art und Ziele der Koexistenz von Nationalstaaten, Kriterien staatlicher Assoziation, Bereitschaft zu transnationalen Mobilität.................................. 117 4.1.3 Bezüge und Interdependenzen innerhalb und zwischen den verschiedenen Einstellungsbereichen ...... 128 4.2 Überprüfung des heuristischen Modells ........................................... 133 4.2.1 Zum Einfluss Sozialer Identifikationsprozesse: Nationale versus europäische Identität? ..................................................... 134 4.2.2 Zum Einfluss Interkultureller Kontakte: Zufällige Kontakte, Freundschaftliche Kontakte und Urlaub ................. 149 4.2.3 Zum Einfluss Sozialer Orientierungen: Selbstverwirklichung, Neoliberalismus und Konservatismus............................................................................. 162 4.2.4 Zum Einfluss Sozialer Ressourcen: Formale Schulbildung und Sozialer Status ...................................................................... 180 4.2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................ 192 5 Diskussion der Gesamtergebnisse ........................................................ 203 Literatur .......................................................................................................... 213

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1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit geht auf die für die Schulpädagogik relevante Frage nach dem Umgang von Schülerinnen und Schülern mit kultureller Vielfalt und auf dessen Einflussfaktoren ein. Bezug genommen wird dabei sowohl auf die Anforderungen, die die zwischenstaatliche kulturelle Vielfalt – als Folge der europäischen Integration – an die Schülerinnen und Schüler stellt, als auch auf die Anforderungen, die die innergesellschaftliche kulturelle Vielfalt – als Folge der Migration innerhalb von und nach Europa – an die Schülerinnen und Schüler stellt1. Auf zwischenstaatlicher Ebene wäre das z. B. die Forderung, Mobilität über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg zu entwickeln, auf gesellschaftlicher Ebene ist beispielsweise die Bereitschaft zu interkulturellen Kontakten und Anerkennung integrativer Maßnahmen zu nennen. Vor dem Hintergrund der sowohl auf (politik-)wissenschaftlicher als auch auf bildungspolitischer Ebene angesichts der europäischen Integration geforderten Vermittlung einer alle Bürgerinnen und Bürger umfassenden, gemeinsamen Identität wird vor allem nach der Bedeutung und dem Einfluss sozialer Kategorisierungs- bzw. Identifikationsprozesse auf die Einstellungen im Umgang mit der zwischenstaatlichen und innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt gefragt. Darüber hinausgehend werden jedoch auch die Einflüsse wertbezogener Orientierungen, formaler Schulbildung und Aspekte des Kontaktes bzw. der Erfahrung ‚mit dem Fremden bzw. Anderen„ in den Blick genommen.

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Die Forschungsarbeit wurde im Rahmen des Graduiertenkollegs „Europäische Gesellschaft“ an der Universität Essen, das in den Jahren 2001 bis 2004 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, unterstützt.

Forschungsmethodisch stützt sich die Arbeit auf eine eigens durchgeführte quantitative Befragung von insgesamt 831 Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klasse an Haupt-, Gesamtschulen und Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg. Durchgeführt wurde die Untersuchung im Frühjahr/Sommer 2002, noch vor der Osterweiterung der Europäischen Union2. Der bis heute andauernde Erweiterungsprozess und die damit einhergehende Notwendigkeit der Integration immer neuer Mitgliedsstaaten in die Europäische Union nötigt nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern die Fähigkeit zur kontinuierlichen Anpassung ihres Europabildes3 auf, sondern erfordert auch ein Konzept einer europäischen Identität, das Veränderungsprozesse aufnehmen und integrieren kann. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie leisten dazu ihren Beitrag, indem sie zeigen, wie Identitätsbekundungen im Wandlungsprozess geäußert werden und durch welche Faktoren diese beeinflusst sind. Im Mittelpunkt der Studie steht folglich die Erhebung und Auswertung der Einstellungen von Schülerinnen und Schülern gegenüber ausgesuchten Aspekten europäischer und gesellschaftlicher Integrationsüberlegungen einerseits sowie die Analyse ihrer Bedingungen andererseits. Theoretisch knüpft die Arbeit dabei an vier komplexe Forschungstraditionen an und versucht diese zu verbinden:



erstens werden Ansätze und Theorien aus der Sozialpsychologie in die Arbeit integriert, die sich mit dem Thema Vorurteile auseinandersetzen;

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Die acht osteuropäischen Staaten – Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn – sind zusammen mit Malta und Zypern erst zwei Jahre später, im Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten. Der Beitritt von Bulgarien und Rumänien wurde erst im Januar 2007 vollzogen. Europa ist ein vielfältig definierter Begriff, der geographisch, kulturell und politisch verstanden werden kann. Einen einführenden Überblick über die verschiedenen Europadefinitionen bietet die Arbeit von Breit (2004). Die vorliegende Arbeit unterscheidet vor allem zwischen der politischen Institution Europa (Europäische Union) und den individuell verschiedenen Europabildern von Schülerinnen und Schülern.

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zweitens knüpft die Studie an Ansätze und Ergebnisse aus der Europaforschung an, die sich mit den Einstellungen von Personen zur europäischen Integration beschäftigen; drittens wird die sozial- und politikwissenschaftlich orientierte Jugendforschung berücksichtigt, die speziell die Einstellungen von Jugendlichen in den Blick nimmt, und viertens gilt es, Ansätze und Theorien aus der Erziehungswissenschaft, die sich mit der Frage nach einem adäquaten Umgang mit sozialer, kultureller und sprachlicher Heterogenität auseinandersetzen, mit zu reflektieren.

Die interkulturelle Pädagogik ist als eine Bezugsdimension dieser Untersuchung besonders hervorzuheben (zusammenfassend vgl. Leiprecht/ Kerber 2006: 11); und in Bezug auf die Anforderungen, die die europäische Integration an die Schülerinnen und Schüler stellt, knüpft diese Studie an diejenigen Ansätze und Überlegungen zur politischen Bildung an, die sich die Frage nach der Bereitschaft zur politischen Partizipation – auch in Bezug auf Europa – stellen und sich mit dem Thema der Förderung und Sicherung einer europäischen Identität auseinandersetzen (stellvertretend vgl. Massing 2004; Schelle 2004; Richter 2004). Im Folgenden wird, ausgehend von schulpädagogisch relevanten Überlegungen und dem als defizitär zu beurteilenden Stand der Forschung auf diesem Gebiet, die Problemstellung entwickelt. Grundsätzlich ist hier zunächst zu konstatieren, dass es Aufgabe von Schule ist, zwischen den gesellschaftlichen Anforderungen und den individuellen Strukturen und Voraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu vermitteln (vgl. Combe/Helsper 2002: 40). Als eine der zentralen Anforderungen kann der Umgang mit kultureller Vielfalt genannt werden. Kinder und Jugendliche heute sind mit „einer immer weiter voranschreitenden Ausdifferenzierung von Handlungsbereichen, der Pluralisierung von Lebensformen und Weltdeutungen“ (Helsper et al. 2001: 63) und einer dem entgegengesetzten Entwicklung konfrontiert, nämlich einer sich verstärkenden gesellschaftlichen Tendenz zur Vereinheitlichung, Generalisierung und Standardisierung (vgl. ebd.; siehe auch 9

Helsper 2004: 68 ff.). Ökonomische und ökologische, politische und soziale Entwicklungen vollziehen sich in hohem Maße in weltweiten Bezügen. Ereignisse aus entfernten Regionen werden von den Medien täglich und unmittelbar präsentiert, moderne Kommunikations- und Verkehrsnetze ermöglichen weltweite Kontakte und Verbindungen, durch persönliche und berufliche Mobilität werden staatliche und kulturelle Grenzen überschritten – um nur einige wesentliche Charakterzüge der aktuellen Situation zu pointieren (vgl. KMK 1996; ausführlich siehe Beck/Giddens/Lash 1996; Giddens 1996). In diesem Zusammenhang wird von den Schülerinnen und Schülern gefordert, dass sie vorurteilsfrei mit Personen aus anderen kulturellen Zusammenhängen umgehen können, Interesse an anderen Kulturen entwickeln, Vorurteile gegenüber Fremden und Fremdem wahr- und ernst nehmen (und in der Folge ‚abbauen„) und dass sie sich prinzipiell mit internationalen Prozessen und Entwicklungen auseinandersetzen. Dieser tendenziell universalistischen Orientierung steht die vor allem auf politischer und bildungspolitischer Ebene diskutierte Forderung nach einer alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union umfassenden spezifisch europäischen Identität gegenüber. Die politischen Hintergründe für diese Entwicklung und ihre Verankerung in die Bildungs- und Erziehungsdiskurse wird nachstehend skizziert. Angestoßen wurden die Debatten über „europäische Identität“ auf politischer Ebene durch den Bericht von Leo Tindeman aus dem Jahr 1976, der den Titel „Die Europäische Union“ trägt (vgl. Thiele 2000: 102). Ausgangspunkt der Überlegungen war die Frage nach den Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der europäischen Integration. Für einen erfolgreichen Verlauf eines demokratischen europäischen Integrationsprozesses wurde die emotionale und legitimatorische Bindung der Bürgerinnen und Bürger an das Konstrukt Europa als notwendige Voraussetzung erkannt (vgl. ebd.: 103): Nur unter diesen Bedingungen seien legitime Mehrheitsentscheidungen letztendlich möglich (vgl. dazu auch die Debatten in den Sozial- und Politikwissenschaften u. a. in Hurrelmann 2005; Habermas 2001; Scharpf 1999). Auch wenn der von Tindeman angeregte Ansatz „Europa der Bürger“ nicht zu einem eigenständigen Programm der Europäischen Gemeinschaft wurde, beeinflusste er 10

die europäische Politik4 und die EG/EU-Bildungspolitik jedoch zusehends: So wurde 1982 in der „Entschließung zu einem Programm der Gemeinschaft im Bildungsbereich“ vom Europäischen Parlament die Notwendigkeit einer Erziehung zur europäischen Identität formuliert; 1984 wurde in dem „Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union“ dem Bildungswesen und der Forschung beispielsweise die Aufgabe gestellt, „einen Rahmen zu schaffen, der den Bürgern zum Bewusstsein einer eigenen Identität der Union verhilft“ (Mickel 1993: 94). Konkretisiert wurden die Überlegungen 1988 in der „Entschließung zur europäischen Dimension im Bildungswesen“ (Rat der EG 1988/Amtsblatt Nr. C 177). In dieser Verlautbarung wurde von den nationalen Bildungssystemen „eine verstärkte Berücksichtigung der europäischen Dimension im Bildungswesen“ gefordert (ebd.: 5). Folgende Ziele wurden anvisiert: „- das Bewusstsein der jungen Menschen für die europäische Identität [...] stärken und ihnen den Wert der europäischen Kultur und der Grundlagen, auf welche die Völker Europas ihre Entwicklung heute stützen wollen, nämlich insbesondere die Wahrung der Grundsätze der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte (Erklärung von Kopenhagen, April 1978), [...] verdeutlichen; - die junge Generation auf ihre Beteiligung an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gemeinschaft und an der Erzielung konkreter Fortschritte zur Verwirklichung der Europäischen Union gemäß der Einheitlichen Europäischen Akte vor[...]bereiten; - ihr sowohl die Vorteile als auch die Herausforderungen zum Bewusstsein [...] bringen, die die Gemeinschaft durch die Eröffnung eines wirtschaftlichen und sozialen Raumes mit sich bringt; - den jungen Menschen eine bessere Kenntnis der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in ihren historischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten [...] vermitteln und ihnen die Bedeutung der Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft mit anderen Staaten Europas und der Welt näher[...]bringen“ (ebd.).

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Zur politischen Weiterentwicklung des Konzeptes „Europa der Bürger“ bis zur Einführung der Unionsbürgerschaft in Artikel 17 EBV vgl. Thiele 2000: 103 ff.; vgl. auch Mickel 2002.

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Auf bundesdeutscher Ebene erfuhr die „Entschließung zur europäischen Dimension im Unterricht“ im Beschluss der KMK vom 7. 12. 1990, „Europa im Unterricht“, erstmals ihre Umsetzung (vgl. KMK 1990). Der Beschluss wurde am 5. 5. 2008 unter anderem vor dem Hintergrund der „Einrichtung der europäischen Bildungsprogramme“ weiter fortgeschrieben (KMK 2008: 2). Unter Punkt 2 „Europäisches Bewusstsein als pädagogischer Auftrag“ wird als Aufgabe der Schule definiert: „die Annäherung der europäischen Völker und Staaten und die Neuordnung ihrer Beziehungen bewusst zu machen. Sie soll dazu beitragen, dass in der heranwachsenden Generation ein Bewusstsein europäischer Zusammengehörigkeit entsteht und Verständnis dafür entwickelt wird, dass in vielen Bereichen unseres Lebens europäische Bezüge wirksam sind und europäische Entscheidungen verlangt werden.“ (ebd.: 5).

Erreicht werden soll dies durch die Vermittlung „europaorientierter Kompetenzen“ und der Europäischen Union gegenüber wohlwollenden Einstellungen. Im Einzelnen werden genannt: „- die Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau von Vorurteilen und zur Anerkennung des Gemeinsamen unter gleichzeitiger Bejahung der europäischen Vielfalt; - eine kulturübergreifende Aufgeschlossenheit, die die eigene kulturelle Identität wahrt; - die Achtung des Wertes europäischer Rechtsbindungen und der Rechtsprechung im Rahmen der in Europa anerkannten Menschenrechte; - die Fähigkeit zum nachbarschaftlichen Miteinander und die Bereitschaft, Kompromisse bei der Verwirklichung der unterschiedlichen Interessen in Europa einzugehen; - das Eintreten für Freiheit Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit, wirtschaftliche Sicherheit und Frieden sowie - die Absicht, zukünftige Entwicklungen verantwortungsvoll mitzugestalten und sich für die Sicherung bzw. einen Ausbau der Zusammenarbeit in Europa aktiv einzusetzen“.

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Ziel der pädagogischen Arbeit soll sein, „in den jungen Menschen das Bewusstsein einer europäischen Identität zu wecken und zu fördern“ (ebd.: 6 f.). Was aber hat es mit dieser Forderung auf sich? Unabhängig von der harschen, wenn auch berechtigten Kritik Peter Massings, der konstatiert, dass sich der von der KMK schon 1990 postulierte Auftrag, in den Jugendlichen eine europäische Identität zu wecken, „hart an der Grenze zur Indoktrination“ bewege (ders. 2004: 154; ebenso Thiele 2000: 221 ff.; Richter 2004: 172 ff.), geht die vorliegende Arbeit der Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten eines alle Bürgerinnen und Bürger der europäischen Gemeinschaft umfassenden Gemeinschaftsgefühls nach. Entgegen den gängigen Forschungsdesigns wird dabei sowohl der Einfluss der Identifikation mit Europa auf die Einstellungen von Schülerinnen und Schülern zur europäischen Integration als auch auf die Einstellungen von Schülerinnen und Schülern zur innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt in den Blick genommen. In der empirischen Forschung werden die Einstellungen von Personen zu Europa bzw. zur europäischen Einigung und zur innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt zumeist getrennt voneinander erfasst und diskutiert. Arbeiten, die systematisch beide Teilbereiche sozialer Einstellungen in den Mittelpunkt ihres Interesses rücken, werden nur selten realisiert. Ein kurzer Überblick über die für die Arbeit relevanten empirischen Untersuchungen verdeutlicht, auf welches Desiderat die hier vorliegende Arbeit antworten soll. Das Feld der empirischen (Einstellungs-)Forschung betrachtend lassen sich vor allem drei Forschungsbereiche benennen, die sich mit Fragen der Einstellungen gegenüber Europa, der europäischen Integration und gesellschaftlichen Integration auseinandersetzten: die Europaforschung, die Vorurteilsforschung sowie einzelne Arbeiten im Bereich der Jugendforschung. Insgesamt unterscheiden lassen sich die Studien sowohl hinsichtlich ihrer Motivation und des Interesses, der Zielgruppe und Fragestellung als auch hinsichtlich ihrer Erhebungs- und Auswertungsmethode: So gilt das Interesse der Studien im Rahmen der Europaforschung insbesondere der Frage nach dem Ausmaß und der historischen Entwicklung der Unterstützung des europäischen Integrationsprozesses durch 13

die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sowie der Frage nach der kollektiven Identität (zusammenfassend vgl. Brettschneider 2003: 10 f.). Während die Studien im Bereich der Vorurteilsforschung mit Schwerpunkt nach den Einflussfaktoren für Vorurteile, Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit fragen (stellvertretend vgl. Zick 1997), lassen sich nur im Bereich der Jugendforschung Arbeiten finden, die sowohl nach den Einstellungen von Jugendlichen zur europäischen Integration als auch nach den Einstellungen zur innergesellschaftlichen Vielfalt fragen. Zu nennen sind hier insbesondere die Shell-Jugendstudien (2000, 2002, 2006) sowie die Einzeluntersuchungen von Iffert et al. (1995) und Noak/Kracke (1995). Eine systematische Überprüfung der Zusammenhänge wird jedoch auch in diesen Arbeiten nicht vorgenommen, auch wird nicht nach den beiden Einstellungsbereichen betreffenden grundlegenden Einflussfaktoren gefragt. Auch das Interesse der Forschung zur europäischen Identität gilt weniger der Frage, welchen Einfluss eine solche auf die Einstellungen von Personen ausübt, als der Frage, in welchem Ausmaß eine solche bereits vorliegt und welche Ansatzpunkte es für ihre Herausbildung gibt (vgl. Brettschneider et al. 2003: 11). Ausschließlich Westle fragt, auf der Datenbasis der Eurobarometererhebungen, nach dem Einfluss bzw. den Grenzen einer europäischen Identität (2003: 119 ff.). Die Ergebnisse referierend konstatiert sie: „Die große Mehrheit der Europäer zieht zwar untereinander offenbar weniger ausgeprägte Grenzen als zum außereuropäischen (Kultur-)Raum. Allerdings bildet diese Grenzziehung keine Grundlage der europäischen Identifikation. Im Gegenteil: Es sind gerade die ausschließlich national Orientierten, die diese Außenabgrenzung am schärfsten vornehmen, während sich diejenigen, die sich sowohl national als auch europäisch definieren, größere Offenheit nicht nur gegenüber anderen Europäern, sondern auch gegenüber Menschen außerhalb der EU bzw. außerhalb des europäischen Raumes artikulieren. Lediglich bei den wenigen ausschließlich europäisch Orientierten deuten sich schwache Tendenzen zur Abgrenzung gegenüber Nicht-Europa im Gegensatz zur Offenheit innerhalb Europas an“ (Westle 2003: 146).

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Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das Verhältnis zwischen den Einstellungen von Schülerinnen und Schülern zur europäischen Integration, zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt und innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt kaum untersucht worden ist und die Relevanz sozialer Identifikationsbezüge als Bedingungsfaktoren für die Einstellungen im Umgang mit kultureller Vielfalt dabei zu wenig berücksichtigt worden sind. Es fehlen zudem komplex angelegte Studien, die die Herausbildung der Einstellungen von Jugendlichen zur kulturellen Vielfalt vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von individuellen, gruppalen und sozialen Faktoren untersuchen. Genau an diesen Forschungsdefiziten setzt die hier vorgestellte Studie an, indem sie Fragen der Europaforschung, Jugendforschung und Vorurteilsforschung verbindet: Anknüpfend an die Perspektiven der Europaforschung und Jugendforschung, fokussiert die Studie in einem ersten Schritt auf die Analyse des Zusammenspiels der Einstellungen5 von Jugendlichen gegenüber der europäischen Integration und multikulturellen Vielfalt. Auf der Basis eines eigens hierfür neu entwickelten Instruments zur Erfassung der Einstellungen von Schülerinnen und Schülern gegenüber der innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt wurde gezielt nach den die Teilbereiche umfassenden gemeinsamen Strukturen gefragt.6 Grundlegend unterschieden wurden

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Unter einer Einstellung wird mit Bezug auf die der Arbeit zugrunde liegende Forschungsmethode die subjektive Bewertung einer Aussage durch die Schülerinnen und Schüler entlang einer bipolaren Urteilsdimension verstanden. Ein grundlegendes Problem, vor dem wissenschaftliche Arbeiten stehen, insbesondere solche mit quantitativer Ausrichtung, ist die Verwendung von Kategorien. Nicht nur die Geschlechterkategorie, welche schon vielfach in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussion kritisiert wurde (vgl. u. a. Butler 1998), sondern grundsätzlich die Einordnung von Personen durch oder ihre Reduktion auf Einzelmerkmale ist zu problematisieren. Nicht nur aufgrund ihrer undifferenzierten, teilweise sogar stereotypen Zuschreibung und der damit verbundenen Suggestion, dass es sich hierbei um eine homogene Gruppe handle, sondern auch hinsichtlich ihrer konstitutiven Funktion (vgl. Kapitel 2.3 ). Trotzdem kann auch diese Arbeit nicht vollständig vermeiden, auf ordnende Kategorien zurückzugreifen, wenn es um die Operationalisierung der Fragestellung geht, da bisher noch keine Methode entwickelt wurde, die zufriedenstellend sowohl das Problem berücksichtigt, als auch ein effektives Arbeiten ermöglicht.

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vor allem integrative von separatistischen Überlegungen, wirtschaftliche von kulturellen Assoziationskriterien sowie die Bereitschaft oder Ablehnung, in Kontakt mit Personen unterschiedlicher kultureller Hintergründe zu treten. Den Hauptpunkt der Arbeit stellt indes die Analyse der die Einstellungen beeinflussenden Faktoren dar. Im Fokus der Betrachtung stehen die Bedeutung und der Einfluss sozialer Kategorisierungs- bzw. Identifikationsprozesse auf die Einstellungen von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit der zwischenstaatlichen und innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt. Die Analyse sozialer Kategorisierungs- und Identifikationsprozesse verspricht, Aufschluss über den Stand und die Bedeutung europabezogener Identitätskonzepte zu geben, auch im Vergleich mit nationalen/ethnischen Bezügen und universellen Identitätsangeboten7. Vor dem Hintergrund der bildungspolitisch relevanten Diskussion um die Etablierung einer europäischen Identität wird vor allem nach den Möglichkeiten und den Grenzen europäischer Identifikationsprozesse im Umgang mit kultureller Vielfalt gefragt. Überdies zur Diskussion stehen die Einflüsse wertbezogener Orientierungen, formaler Schulbildung und interkultureller Kontakte. Die Orientierung an verschiedenen Werten und Lebenszielen wird in Anlehnung an die Überlegungen zur autoritären Persönlichkeit als Ausdruck grundlegender persönlichkeitsstrukturierender Charakteristika betrachtet. Erwartet wird, dass Personen, die autoritär-konservativen Werten gegenüber positiv eingestellt sind, eher bereit sind, sich den gesellschaftlich vorgegebenen Kategorien unterzuordnen bzw. sich und andere einzuordnen, als Personen, die sich durch liberalere Orientierungen auszeichnen. Überdies ist anzunehmen, dass sich Personen mit einer autoritären Orientierung gegen die Tendenz aussprechen, bestehende Konventionen zu verändern. Sie neigen dazu, einmal getroffene Gruppengrenzen verstärkt zu verteidigen. Personen und Gruppen, die als ‚schwächer„ wahrgenommen werden, dürfte dieser Personenkreis tendenziell ablehnend gegenüberstehen. Bezogen auf die Einstellungen zur zwischenstaatlichen und innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt ließe

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Für eine vorläufige Erörterung zu diesem Thema vgl. Schlickum 2005.

sich schlussfolgern, dass sich Personen, die sich durch eine autoritärkonservative Orientierung auszeichnen, eher gegen integrative Konzepte aussprechen. Der Einbezug der formalen Schulbildung sowie des Bildungsstands der Eltern ermöglicht die Überprüfung von Ansätzen, die einerseits die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten, andererseits den mit der formalen Schulform verbundenen sozialen Status einer Person als ausschlaggebend im Umgang mit kultureller Vielfalt diskutieren. Ferner lassen sich Wechselwirkungen zwischen dem familiären und schulischen Kontext einer Person und deren wertbezogenen Orientierungen annehmen. Und schließlich ermöglicht der Einbezug der Erfahrungen im Umgang mit kultureller Vielfalt die Überprüfung affektiver Komponenten des Umgangs mit kultureller Vielfalt. Überdies zur Diskussion stehen Aspekte der Redefinition sozialer Kategorien vor dem Hintergrund intergruppaler Kontakte. Damit ist ein recht umfangreiches und komplexes Modell von Einflussfaktoren skizziert, das einer empirischen Überprüfung unterzogen werden soll. Die vorliegende Arbeit versteht sich in dreierlei Hinsicht als ein pädagogischer Beitrag zur Erforschung der Einstellungen von Schülerinnen und Schülern. Im Zentrum steht zweifellos die beschreibende Ebene. Als relevante Einflussgrößen werden nicht nur, aber wesentlich pädagogisch relevante Faktoren betrachtet. Zum anderen wird in der Arbeit mit Einstellungen von Jugendlichen gegenüber kultureller Vielfalt ein erziehungswissenschaftlich/bildungstheoretisch bedeutsames Konstrukt vorgelegt, das an grundsätzliche Erziehungsziele anknüpft. Neben einer deskriptiven und pädagogischen Betrachtung liegt der Arbeit ebenso ein präskriptiver Ansatz zugrunde. Abhängig von den empirischen Ergebnissen ist es denkbar, Schlussfolgerungen für pädagogisch relevante Fragestellungen zuzulassen. Abschließend gilt es, den inhaltlichen Aufbau der Arbeit kurz zu skizzieren.

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Die Arbeit ist in fünf Kapitel unterteilt: Der Einleitung nachstehend werden im zweiten Kapitel die verschiedenen sozialpsychologischen Theorien und Erklärungsansätze dargelegt und diskutiert. Im Rückgriff auf die theoretische Auseinandersetzung wird zu verschiedenen Einflussfaktoren hingeführt. Grundlegend unterschieden werden intra- und interpersonale sowie inner- und intergruppale Erklärungsebenen. Als relevante theoretische Bezüge werden die Ansätze und Überlegungen zur autoritären Persönlichkeit (2.1), die Überlegungen und Ansätze zum Einfluss formaler Schulbildung und dem sozialen Status einer Person, die im Rahmen des so genannten Poor-White-Racism-Phänomens entstanden sind (2.2), sowie der Social Identity Approach (2.3) diskutiert. Der Schwerpunkt der theoretischen Diskussion liegt auf der Entwicklung der Einflussgrößen, Merkmale und strukturellen Bezüge sozialer Identifikationsprozesse. Im dritten Kapitel stehen die grundlegenden Annahmen und methodischen Grundlagen der empirischen Studie zur Diskussion. Zunächst wird das heuristische Modell sowie die daraus abgeleitete Fragestellung und die Hypothesen erläutert (3.1.). Anschließend folgen die Beschreibung der Erhebungsinstrumente, das Verfahren der Datenanalyse und die Beschreibung der Stichprobe (3.2). Im vierten Teil der Arbeit werden die Forschungsergebnisse präsentiert: Unter Punkt 4.1 werden die Ergebnisse zur Struktur und dem Zusammenspiel der Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit der innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt aufgeführt. Der Darstellung der Einstellungskomponenten folgt die Überprüfung der angenommenen Hypothesen (4.2). Eine zusammenfassende Einordnung der Ergebnisse schließt die Darstellung des Kapitels ab (4.3). Im fünften und letzten Kapitel wird die Relevanz der Untersuchung und ihrer Ergebnisse für die Schulpädagogik diskutiert.

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2 Theoretische Bezüge

In den folgenden Kapiteln geht es um die für die Analyse der Einstellungsunterschiede von Schülerinnen und Schülern im Umgang mit kultureller Vielfalt als relevant erachteter theoretischer Erklärungsansätze. Bezug wird insbesondere auf Theorien der sozialpsychologischen (Vorurteils-)Forschung8 genommen, die sich mit Blick auf die hier verhandelte Forschungsfrage – welchen Einfluss nehmen soziale Kategorien und damit verbundene Identifikationsprozesse auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit kultureller Vielfalt – als aufschlussreich erwiesen haben. Die Orientierung an den Ansätzen der sozialpsychologischen (Vorurteils-) Forschung birgt den Vorteil, auf eine Vielzahl schon vorhandener empirischer Studien zurückgreifen zu können und theoretische Annahmen zu integrieren, die mehrfach empirisch überprüft worden sind. Der folgende Überblick nimmt Bezug auf die Systematik der zu behandelnden theoretischen Perspektiven. In Kapitel 2.1 wird nach den Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlich relevanten Kategorien und personalen Dispositionen gefragt. Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Überlegungen zur „Autoritären Persönlichkeit“ rekurriert. Bei der Theorie zur „Autoritären Persönlichkeit“ handelt es sich um einen psychologischen Ansatz, der auf einer individuellen Erklärungsebene anzusiedeln ist, die zugleich einen Bezug zur Sozialität des Menschen herstellt. Einstellungsunterschiede im Umgang mit Personen anderer kultureller oder ethnischer Herkunft lassen sich auf intrapersonale Determinanten – genauer: auf die Persönlichkeitsstruktur – zurückführen. Zusätzlich liefert die Theorie der „Autoritären

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Einen systematischen Überblick über die verschiedenen Theorien und Erklärungsansätze der Vorurteilsforschung bieten die Arbeiten von Zick 1992 und 1997.

Persönlichkeit“ Antworten auf die Frage, welchen Einfluss gesellschaftliche Prozesse und Strukturen auf die Persönlichkeitsentwicklung ausüben: Psychologische Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung werden mit soziologischen Erklärungsansätzen verbunden.9 In Kapitel 2.2 wird der Einfluss bildungsspezifischer Merkmale erörtert. Bezug genommen wird diesbezüglich auf die im Rahmen des so genannten „Poor-White-Racism“-Konzepts (Zick 1997: 187) entwickelten Erklärungsansätze. In diesem Zusammenhang werden sowohl diejenigen Erklärungsansätze, die gesellschaftliche Bedingungen und Möglichkeiten in Abhängigkeit von der Schicht- und Bildungszugehörigkeit in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen, als auch Ansätze, die den Einfluss unterschiedlicher kognitiver und affektiver Möglichkeiten in Abhängigkeit vom Bildungsniveau einer Person diskutieren, behandelt. Und schließlich, in Kapitel 2.3, steht der Einfluss sozialer Identifikationsprozesse zur Diskussion. Zurückgegriffen wird auf die im Rahmen des Social Identity Approach aufgestellten Theorien und Erklärungsansätze. Der Social Identity Approach ist ein kognitiv-motivationaler Ansatz, der Kontexteinflüsse auf intergruppale Prozesse in die Analyse der psychischen Determinanten einbezieht; die Betrachtung intergruppaler Prozesse steht hier geradezu im Mittelpunkt. Als relevante Bezugsgrößen werden das Wechselverhältnis zwischen Gruppenzugehörigkeit und sozialer Identität (2.3.1), Selbstkategorisierungsprozesse (2.3.2) und der Einfluss von Kontakt und Erfahrung auf soziale Identifikationsprozesse (2.3.3) diskutiert. Ausgehend von diesen theoretisch fundierten Perspektiven wird es möglich, eine systematische Analyse der europäischen Identitätsfrage im Kontext des Spannungsverhältnisses zwischen nationalen, europäischen und außereuropäischen (Identitäts-)Bezügen vorzunehmen.

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Zudem ist anzumerken, dass dem Prozess der (primären und sekundären) Sozialisation im Rahmen des „Social Identity Approach“ nur beiläufig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auf gewisse Weise füllen die Integration der Theorie zur „Autoritären Persönlichkeit“ sowie die Ausführungen zum „Poor-White-Racism“-Phänomen (ausführlich im Verlauf) diese ‚theoretische Lücke´.

2.1 Autoritäre Persönlichkeit im Spannungsfeld von Erziehung und Gesellschaft Im Fokus des folgenden Kapitels steht die Frage nach dem Einfluss charakterlicher Dispositionen auf den Umgang von Personen mit gesellschaftlich relevanten Kategorien. Die Arbeit knüpft hier an die Überlegungen zur „Autoritären Persönlichkeit“ von Horkheimer et al. (1987), Adorno et al. (1950) und Adorno (1973) an. Bei der Theorie der „Autoritären Persönlichkeit“ handelt es sich um einen psychologischen Ansatz, der hauptsächlich auf einer individuellen Erklärungsebene argumentiert (vgl. Zick 1997: 58). Gefragt wird nach den personalen Bedingungen der „Empfänglichkeit“ einer Person für gesellschaftlich verankerte Ideologien (Adorno 1973: 6).10 Als entscheidender Faktor wird die bezeichnende Disposition einer Person, sich autoritären Strukturen unhinterfragt unterzuordnen, genannt. Wie eine solche Charakterstruktur entsteht, ist Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen. Zurückgegriffen wird in der Darstellung vor allem auf die theoretischen Überlegungen zur „Autoritären Persönlichkeit“. Vorab soll jedoch kurz der aktuelle Diskurs zur „Autoritären Persönlichkeit“ umrissen werden11. Die meisten Studien, die sich heute mit der Thematik „Autoritarismus“ befassen, konzentrieren sich auf die Frage der quantitativen Erfassung autoritärer Orientierungen (vgl. Funke 2003, 2005; Stellmacher/ Petzel 2005; Hiel et al. 2007; Dukitt/Sibley 2007), oftmals unter Berücksichtigung verschiedener kultureller Kontexte (vgl. Lederer/Kindervater 1995; Feldman/Watts 2000; Todosijevic 2005; Rubinstein 2005; Duriez/ Hiel/Kossowska 2005), und auf die Analyse möglicher Korrelate. Sehr häufig werden Autoritarismusskalen als erklärende Faktoren für ethno10 Ideologien werden definiert als ein „System von Meinungen, Attitüden und Wertvorstellungen – für eine Denkweise über Mensch und Gesellschaft“ (Adorno 1973: 2). Sie bestehen unabhängig vom Einzelnen und sind ebenso Resultat historischer Prozesse wie des sozialen Zeitgeschehens (ebd.: 3). 11 Eine ausführliche Diskussion der empirischen Studien zum autoritären Charakter wird hier nicht angestrebt. Für einen Überblick über die Aktualität des Ansatzes und deren Folgearbeiten vgl. Six 2006; Rippl/Kindervater/Seipel 2000; Zick 1997; Lederer 1995; kritisch vor allem Oesterreich 1993, 1996, 2000, 2005.

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zentrische, rechtsextreme oder antisemitische Orientierungen eingesetzt (vgl. z. B. Oepke 2005; Hadjar 2007; Kindervater et al. 2007). Überdies wird der Zusammenhang zwischen Autoritarismusneigung und verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen (z. B. Buttler 2000; Feldman 2003; Duriez/Soenens 2006), zwischen ethischen bzw. moralischen Orientierungen/Werten (z. B. Wilson 2003; McFarland/Mathews 2005) sowie Freizeitverhalten (z. B. Peterson/Pan 2006) untersucht. Im Bereich der Prädiktorenforschung stellt sich insbesondere die Frage nach dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Strukturen und individuellem Autoritarismus (vgl. u. a. Hopf, W. 2000; Scheuregger/Spier 2007). Der Einfluss von Erziehungspraktiken auf autoritäre Einstellungen (insbesondere Milburn et al. 1995; für einen Forschungsüberblick siehe Milburn/Conrad 2000; Oedke 2005; Duriez et al. 2007) und der Zusammenhang zwischen Autoritarismus und formaler Schulbildung (z. B. Heyder/Schmidt 2000; zusammenfassend Dekker/Ester 2005) werden in eigenen Studien erörtert. Auch wird der Einfluss „sozialen Bedrohungserlebens“ auf autoritäre Reaktionen (z. B. Duckitt/Fisher 2003; Lavine/ Lodge/Freitas 2005; Rippl/Baier/ Boehnke 2007) sowie die Gruppenbezogenheit autoritärer Phänomene (Stellmacher/Petzel 2005) diskutiert. Die zentrale theoretische Diskussion aber dreht sich um die Frage nach der Genese von Autoritarismus, wobei die grundlegenden sozialisationstheoretischen Überlegungen zwar kritisiert (vgl. Altemeyer 1981; Hopf et al. 1995; Oesterreich 1993, 1996, 2000, 2005; Duckitt 1989), nicht aber verworfen werden (vgl. Rippl/Kindervater/Seipel 2000: 22 f.). Kritik erfuhr das Konzept des „Autoritarismus“ vor allem hinsichtlich seiner methodischen Mängel (ausführlich Oesterreich 1996: 51). Im Folgenden werden diese grundlegenden theoretischen Annahmen, die für die Studie Relevanz besitzen, der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Strukturen und individuellen Dispositionen sowie der Einfluss von Erziehungspraktiken dargestellt. Zurückgegriffen wird dabei vor allem auf die theoretischen Entwürfe über Autorität und Familie von Horkheimer und Fromm.

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Der Theorie der „Autoritären Persönlichkeit“ zufolge steht die Charakterstruktur einer Person – ähnlich wie das Selbstkonzept (vgl. Kapitel 2.3) – in enger Beziehung zum gesellschaftlichen Ganzen. Sie ist nicht von Anfang an gegeben, sondern ist als Resultat der jeweiligen Umweltbedingungen aufzufassen. Als ausschlaggebende Momente im Hinblick auf die Entwicklung und Ausgestaltung der Charakterstruktur einer Person gelten die geschichtlich je spezifischen Herrschafts- und Machtverhältnisse einer Gesellschaft; sie bestimmen die charakteristischen Dispositionen und Reaktionsweisen des Menschen. Psychische Zustände, welche das Fühlen, Denken und Handeln der Menschen bedingen, werden als von den gesellschaftlichen Strukturen erzeugte Phänomene definiert. „Bei allen grundlegenden Verschiedenheiten, durch welche die menschlichen Typen in den einzelnen Zeitabschnitten der Geschichte sich voneinander abheben, ist es ihnen doch gemeinsam, durch das jeweils die Gesellschaft kennzeichnende Herrschaftsverhältnis in allen Wesenszügen bestimmt zu sein. Wenn man die Ansicht, dass der Charakter aus dem völlig isolierten Individuum zu erklären sei […] fallen liess12 und den Menschen als je schon vergesellschaftetes Wesen begreift, so heisst dies zugleich, dass […] die charaktermässigen Dispositionen und Reaktionsweisen von dem jeweiligen Herrschaftsverhältnis geprägt sind, in dem der gesellschaftliche Lebensprozess sich abspielt. Nicht bloss […] in den Vorstellungen, grundlegenden Begriffen und Urteilen, sondern auch im Herzen des Einzelnen, in seinen Vorlieben und Wünschen spiegelt sich die Klassenordnung wider, in der sein äusseres Schicksal verläuft“ (Horkheimer 1987: 23).

Gesellschaften, so Horkheimer, produzieren die Charaktere, die sie am besten reproduzieren können, mit Hilfe des Faktors „Autorität“ (vgl. ebd.; ausführlich Meloen 2000). Die „Bejahung“ des gegebenen Herrschaftsverhältnisses einer Gesellschaft wird als die Bedingung für das Aufrechterhalten der jeweiligen Ordnung genannt. Kennzeichen dieser bejahenden Abhängigkeit sei „der Glaube des Einzelnen, frei handeln zu

12 Die Autorin geht davon aus, dass die Manuskripte auf englischen Schreibmaschinen abgefasst wurden. Aufgrund dessen wird das fehlende ‚ß´ im Folgenden nicht als orthographischer Fehler kommentiert.

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können, während doch die Grundzüge der gesellschaftlichen Ordnung selbst sich dem Willen des Einzelnen entziehen“ (Horkheimer 1987: 43 f.). In Anlehnung an Simmel definiert Fromm Autorität immer als ein Prinzip, dem ein Rest von Freiwilligkeit innewohnt. Das Autoritätsverhältnis ist kein bloß erzwungenes Verhalten, sondern beruht auf einer gefühlsmäßigen Bindung, die sowohl Furcht als auch Liebe, Bewunderung und Respekt mit einschließt. Von Autorität könne man nur dann sprechen, wenn das Verhältnis nicht rein als Zwang empfunden, sondern durch gefühlsmäßige Beziehungen ergänzt und verstärkt wird (vgl. Fromm 1987: 79 f.). Des Weiteren führt der Soziologe aus: „Das Verhältnis der Individuen zur Autorität […] bedingt ein dauerndes Zusammenwirken der gesellschaftlichen Institutionen zur Erzeugung und Festigung der ihm entsprechenden Charaktertypen. Diese Wirksamkeit erschöpft sich nicht in bewussten Massnahmen […], sondern mehr noch als durch die absichtlich auf Menschenbildung gerichteten Handlungen wird diese Funktion durch den stetigen Einfluss der herrschenden Zustände selbst, durch die gestaltende Kraft des öffentlichen und privaten Lebens, durch das Vorbild von Personen, die im Schicksal des Einzelnen eine Rolle spielen, kurz auf Grund vom Bewusstsein nicht kontrollierter Prozesse ausgeübt“ (ebd.: 49).

Die Bedeutung der Anerkennung des Autoritätsverhältnisses für die charakterliche Disposition einer Person wird als abhängig vom „Grad der Differenziertheit der von ihm umspannten Individuen“ und ihrer gegenwärtigen Funktion in der Gesellschaft definiert (ebd.: 25): „Ob die faktische Bejahung eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses […] tatsächlich den verschieden entwickelten menschlichen Kräften in der betreffenden Periode entspricht und daher objektiv angemessen ist, ob die Menschen, indem sie ihre abhängige Existenz instinktiv oder mit vollem Bewusstsein akzeptieren, sich um das ihnen erreichbare Mass an Kräfteentfaltung und Glück betrügen oder dieses für sich selbst oder die Menschheit herbeiführen helfen […] vermag allein die Analyse der jeweiligen gesellschaftlichen Situation in ihrer Totalität zu beantworten. Es gibt kein allgemein gültiges Urteil in dieser Hinsicht“ (ebd.: 25).

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Autorität als bejahende Abhängigkeit kann der Theorie nach also sowohl fortschrittliche, die Entfaltung menschlicher Kräfte begünstigende Verhältnisse einschließen als auch auf hemmende, die Freiheit des Menschen einschränkende Verhältnisse hinweisen. Die Anerkennung der gegebenen Herrschaftsverhältnisse sagt wenig über die Wirksamkeit des Verhältnisses aus: Erst die „bewusst betriebene Verklärung des Bestehenden“ schaffe die Gefahr (ebd.: 26; vgl. auch Horkheimer/Adorno 1988). Als entscheidender Aspekt hinsichtlich der Entwicklung der individuellen Charaktere wird die Familie angeführt: „Die Familie besorgt, als eine der wichtigsten erzieherischen Mächte, die Reproduktion der menschlichen Charaktere, wie sie das gesellschaftliche Leben erfordert“ (Horkheimer 1987: 49 f.; vgl. auch Meloen 2000: 232 f.). Die Familie ist dem Kind gegenüber zeitlich gesehen die erste Vermittlungsinstanz, allerdings verschränken sich familiäre und gesellschaftliche Bedingungen: Die Familie reproduziert die gegebene gesellschaftliche Ordnung. In ihr erfährt das Kind die erste Ausbildung bezüglich des gesellschaftlich fundierten Autoritätsverhältnisses, allein indem es die hierarchischen Verhältnisse innerhalb der Familie anerkennen und respektieren lernt. „So wie im Medium dieses Kreises die Wirklichkeit sich spiegelt, erfährt das Kind, das in ihm aufwächst, ihren Einfluss“ (Horkheimer 1987: 51). Die Notwendigkeit einer auf natürlichen, zufälligen und/oder irrationalen Prinzipien beruhenden Hierarchie und Spaltung der Menschheit wird dem Kinde so vertraut und selbstverständlich. Die Ein- bzw. Unterordnung von Personen und Stimuli in Klassen sowie in hierarchische Strukturen wird so selbstverständlich. Zur Situation in der Familie merkt Horkheimer ausführend an: „Nicht bloss erfährt der Einzelne in ihrem Kreis zuerst den Einfluss der kulturellen Lebensmächte, so dass seine Auffassung der geistigen Inhalte und ihrer Rolle in seinem seelischen Leben wesentlich durch dieses Medium bestimmt ist, sondern die patriarchalische Struktur der Familie […] wirkt selbst als entscheidende Vorbereitung auf die Autorität in der Gesellschaft, die der Einzelne im späteren Leben anerkennen soll“ (Horkheimer 1987: VIII).

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Ob in der Erziehung Zwang oder Milde waltet, ist in dieser Konzeption von sekundärer Bedeutung.13 Die Anerkennung autoritärer Strukturen wird weit mehr durch die Struktur der Familie selbst als durch die bewussten Absichten und Methoden der Erziehung gebildet. Unterschiede ergeben sich angesichts der Frage, ob innerhalb der Familie ausschließlich die blinde Reproduktion der herrschenden gesellschaftlichen Widersprüche das Eltern-Kinder-Verhältnis charakterisiert oder ob die Möglichkeit der Kritik und Überwindung dieses Verhältnisses eingeschlossen ist (vgl. Horkheimer 1987: 61).14 „Für die Herausbildung des autoritären Charakters ist besonders entscheidend, dass Kinder unter […] Druck […] lernen, jeden Misserfolg nicht bis zu seinen gesellschaftlichen Ursachen zurückzuführen, sondern bei den individuellen stehen zu bleiben und diese entweder religiös als Schuld oder naturalistisch als mangelnde Begabung zu hypostasieren“ (Horkheimer 1987: 59).

Neben den familiären Verhältnissen, die die ideologische Empfänglichkeit des Einzelnen konstituieren, nimmt die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen (z. B. Beruf, Freizeit, Religion) Einfluss auf die Form des Charakters. Die Teilung der Gesellschaft in Klassen, so Horkheimer, wirke auf die unteren sozialen Schichten hemmend, und zwar zum einen in Bezug auf die Möglichkeit einer aktiven Gestaltung der Lebenspraxis und zum anderen hinsichtlich der Möglichkeit der Partizipation an ge-

13 Ausführlich zur Bedeutung von Familienklima, Erziehungsstil und Erziehungszielen vgl. Oesterreich 1993; Hefler et al. 1999; Hopf, Ch. 2000; Oedke 2005: 134; Duriez/ Soenens/Vansteenkiste 2007. 14 Ähnliches konstatiert auch Oesterreich, wenn er „die Art und Weise, in der kindliche Selbständigkeit und eigenständige Realitätsbewältigung gefördert werden“ (ders. 2000: 78) als entscheidende Faktoren für die Sozialisation autoritärer Persönlichkeiten betrachtet und elterliche Zuwendung im Vergleich nachordnet. Hopf hingegen fokussiert und kritisiert konkrete Erziehungspraktiken, die das Kind dazu auffordern, „sich an kleinlich vorgegebene Regeln anzupassen“, und die darauf verzichten, „die Anforderungen an das Kind zu begründen und ihren Bezug zu allgemeineren Werten oder Prinzipien zu verdeutlichen“ (Hopf, Ch. 2000: 35).

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sellschaftlicher Macht (vgl. ebd.: 102 f.).15 Zur Erklärung der Frage, wie das Wechselverhältnis zwischen Individuen, familiärer Erziehung und Gesellschaft genau zu denken ist, stützen sich die Autoren auf die Überlegungen Fromms zum sadomasochistischen bzw. autoritären Charakter. Mit Bezug auf Freud diskutiert Fromm die psychologische Dynamik der Einstellung von Personen gegenüber Autoritäten in Abhängigkeit von der Bildung und Funktion des Über-Ichs. Das Über-Ich wird als die Verinnerlichung des äußeren Zwanges definiert: „Die Autoritäten […] werden verinnerlicht und das Individuum handelt ihren Geboten und Verboten entsprechend nun nicht mehr allein aus Furcht vor äusseren Strafen, sondern aus Furcht vor der psychischen Instanz, die es in sich selbst aufgerichtet hat“ (Fromm 1987: 84.).

Das Über-Ich ist seiner Stärke und seinem Inhalt nach die Widerspiegelung und das Erbe der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Familie. Es wird zum Träger der Traditionen. In den Ideologien des Über-Ichs lebt die Vergangenheit fort, die den Einflüssen der Gegenwart nur langsam weicht (vgl. Fromm 1987: 88 ff.). Das Verhältnis von Über-Ich und Autorität wird als dialektisches Prinzip beschrieben: „Die äussere in der Gesellschaft wirksame Gewalt tritt dem in der Familie aufwachsenden Kind in der Person der Eltern […] gegenüber. Durch die Verinnerlichung der Ge- und Verbote in der familiären Erziehung wird das Über-Ich als eine Instanz mit den Attributen der Moral und Macht bekleidet. Ist aber diese Instanz einmal aufgerichtet, so vollzieht sich mit dem Prozess der Identifizierung gleichzeitig ein umgekehrter Vorgang. Das Über-Ich wird immer wieder von neuem auf die in der Gesellschaft herrschenden Autoritätsträger projiziert, mit anderen Worten, das Individuum bekleidet die 15 In den vergangenen 40 Jahren hat es im Klassen- bzw. Schichtungsgefüge moderner Gesellschaften erhebliche Veränderungen gegeben, auf die mit geänderten theoretischen Vorstellungen von sozialer Ungleichheit reagiert wurde (vgl. u. a. Hradil 2001; Weiß et al. 2001; Eder 2001). Zur Frage, ob und inwieweit sich diese Entwicklung auf die gesellschaftliche Analyse von Autoritarismus auswirkt und ob die „unteren sozialen Klassen“ tatsächlich autoritärer sind, vgl. Hopf, W. 2000; Hennig 2001; Vester 2001; Scheuregger/Spier 2007.

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faktischen Autoritäten mit den Eigenschaften seines eigenen Über-Ichs. Durch diesen Akt der Projektion des Über-Ichs auf die Autoritäten werden diese weitgehend der rationalen Kritik entzogen. Es wird an ihre Moral, Weisheit, Stärke in einem von ihrer realen Erscheinung bis zu einem hohen Grade unabhängigen Masse geglaubt. Dadurch aber werden diese Autoritäten umgekehrt wiederum geeignet, immer von neuem verinnerlicht und zu Trägern des Über-Ichs zu werden“ (Fromm 1987: 84).

Die Erfahrungen der Kindheit sind es also, die die Dispositionen schaffen, welche eine relative Schwerfälligkeit und Trägheit des psychischen Apparates den realen Veränderungen gegenüber bewirken (vgl. Horkheimer 1987: 86). Das Über-Ich ist aber keineswegs eine Instanz, die in der Kindheit einmal gebildet wird und von da an im Menschen gleich bleibt. Die Ausgestaltung des Über-Ichs ist abhängig von den in einer Gesellschaft maßgebenden Autoritäten. Das Verhältnis der Individuen zur Autorität bedingt ein dauerndes Zusammenwirken der gesellschaftlichen Institutionen zur Erzeugung und Festigung der entsprechenden Charaktertypen (vgl. Fromm 1987: 85; ebenso Horkheimer 1987: 49). Neben der Ausbildung des Über-Ichs spielt die Entfaltung und Entwicklung des Ichs eine wesentliche Rolle bei der Entstehung „autoritärer Charaktere“. Das Ich repräsentiert die Fähigkeit des Einzelnen im Horizont des aktiv planenden, die Umwelt verändernden Handelns (vgl. Fromm 1987: 101 f.). Im Unterschied zum Über-Ich sind die Vorgänge im Ich bewusst; Triebfeder des Ichs ist das „vernünftige Denken“ (ebd.: 99). Ein starkes Ich ist in der Lage, Entscheidungen durch das Abwägen von Informationen zu treffen. Das Denken ist der Handlung vorgeschaltet. Die Vorgänge im Über-Ich tauchen dagegen nicht im Bewusstsein auf, können nicht hinterfragt werden. Das „Denken“ im Zeichen des ÜberIchs übt die Funktion der „Rationalisierung“ aus, d. h. der Legitimation des Handelns. Es ist der Handlung nachgeschaltet. Der Hauptunterschied zwischen dem Ich und dem Über-Ich ist demzufolge also die Annahme der Möglichkeit zur Veränderung und/oder zur aktiven Auswahl und Gestaltung der eigenen Handlungen. Als Determinanten der IchEntwicklung beim Kind werden die „Erziehung zur Selbstständigkeit“ und das „Fehlen von Angst“ genannt. 28

„Je mehr die Erziehung darauf abzielt, das vernünftige Denken und im Masse der sich entwickelnden kindlichen Kräfte die aktive Tätigkeit des Kindes zu stärken, desto mehr trägt sie dazu bei, das Ich des Kindes zu entfalten. Eine Erziehung, die das Kind täuscht, statt es aufzuklären, und die das Kind an aktiv planender Lebensgestaltung im Rahmen seiner Möglichkeiten hindert, bedeutet dagegen eine Schwächung der Ich-Entwicklung“ (Fromm 1987: 102).

Je schwächer das Ich, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich die Person den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen unhinterfragt unterordnet, diese unhinterfragt übernimmt, eben aufgrund ihrer psychischen Abhängigkeit von diesen Strukturen. Das Verhältnis von Ich und ÜberIch spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der unterschiedlichen Charaktere bzw. Charakterstrukturen. Die Fähigkeit, Kritik zu üben, ist abhängig von der Ich-Entwicklung. Personen, die ein schwaches Ich besitzen, sind weitaus weniger in der Lage, ihr Leben ohne die Hilfe „der irrationalen Gefühlsbeziehung zur Autorität und ihrem innerseelischen Repräsentanten, dem Über-Ich“ (Fromm 1987: 110) zu meistern. Die Empfänglichkeit einer Person für die in einer Gesellschaft vorherrschenden Ideologien und Machtstrukturen wird also maßgeblich von der Stärke der Ich-Entwicklung beeinflusst.16 Von dieser Bestimmung ausgehend kann autoritäres Handeln als unkritisches, unhinterfragtes Festhalten an den gegebenen hierarchischen Strukturen und Ordnungsprinzipien verstanden werden; die Wahrnehmung derselben gestaltet sich als „natürlich gegeben“, „unveränderbar“ (vgl. Horkheimer 1987: 40 ff.). Personen, die sich durch einen autoritären Charakter auszeichnen, sind demnach nicht dazu in der Lage, die gegebenen Verhältnisse kritisch zu hinterfragen – „durch theoretisches Denken selbständig über die bloße Feststellung, das heißt die Aufnahme des Stoffs in konventionellen

16 Anders konzeptionalisiert Oesterreich das Verhältnis: Nicht die Stärke der IchEntwicklung, sondern die Autonomie steht im Mittelpunkt seiner Überlegungen (Oesterreich 2000: 78); während Hopf die Entwicklung autoritärer Charaktere in Abhängigkeit vom „Aufbau einer inneren moralischen Instanz“ (u. a. Hopf, Ch. 2000: 35) diskutiert. Die Pointierungen fallen also in neueren Konzeptionalisierungen unterschiedlich aus.

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Begriffen, hinauszugehen, vermögen sie nicht“ (ebd.: 59). Gesellschaftliche Einteilungen, wie z. B. nach Geschlecht, Religion oder Nationalität, werden von ihnen kritiklos übernommen und als natürlich gegeben (v)erkannt (vgl. ebd.; aktuell ebenso Buttler 2000; Feldman 2000, 2003; Duriez/Soenens 2006). Doch ist die Familie, die bislang im Zentrum der Ausführungen stand, nur eine, wenngleich zentrale Sozialisationsagentur; die Institution Schule aber stellt einen weiteren, wesentlichen Faktor dar. Die Erklärungsmodelle in diesem Feld sind wiederum unterschiedlichen Theorietraditionen und -ansätzen verpflichtet.

2.2 Sozialisationsagenturen jenseits der Familie: Formale Schulbildung und sozialer Status Im Folgenden geht es um den Einfluss formaler Schulbildung auf den Umgang von Personen mit sozialen Kategorien und Identifikationsprozessen. Zahlreiche empirische Studien belegen nicht nur einen Zusammenhang zwischen formaler Schulbildung und Autoritarismus (vgl. Hopf, W. 2000: 114 f.; Dekker/Ester 2005), sondern ebenso zwischen formaler Schulbildung und Vorurteilen, rechtsextremistischen Einstellungen, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, spezifischen politischen Orientierungen usw. (zusammenfassend vgl. Zick 1997: 187 ff.; Oedke 2005: 142 ff.). Ebenso vielfältig wie die Untersuchungsschwerpunkte fallen die Erklärungsansätze aus: Grundsätzlich lassen sich soziologisch orientierte von sozialpsychologischen Erklärungsansätzen differenzieren (vgl. Zick 1997: 195). Während Letztere primär den Einfluss unterschiedlicher kognitiver und affektiver Möglichkeiten in Abhängigkeit vom Bildungsniveau einer Person diskutieren, stellen die soziologischen Ansätze die gesellschaftlichen Bedingungen und Möglichkeiten in Abhängigkeit vom Bildungsniveau einer Person in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Angeführt werden sozioökonomische Aspekte, wie die Konkurrenz um ähnliche gesellschaftliche Ressourcen (Arbeitsplatz, Wohnung etc.) oder Bildungsunterschiede und die damit einhergehenden Unterschiede hinsichtlich der Vermittlung sozialer und demokratischer Werte (vgl. 30

Zick 1997: 195 f.). Prinzipiell gehen Heyder und Schmidt davon aus, dass der Grad der Bildung mindestens drei Merkmale beeinflusst: a) den sozialen Status, b) die Werte und c) die kognitiven Fähigkeiten einer Person (vgl. dies. 2000: 125; ferner Weins 2004: 15 ff.). Es lohnt sich an dieser Stelle, näher auf diese `Bildungseffekte´ und ihre institutionellen Rahmungen einzugehen. Als eine der Hauptaufgaben des „modernen“ Bildungswesens identifiziert Hradil – neben der Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und eines „Grundkonsens von Grundwerten und gemeinsamen ‚Spielregeln„“ – die Statuszuweisung: „Den Bildungseinrichtungen wurde seit dem Ende der Ständegesellschaft immer konsequenter die Aufgabe übertragen, die individuelle Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft zu messen und zu bestätigen. Mit diesen Leistungsnachweisen soll den einzelnen der gesellschaftliche Status zugewiesen werden, der ihnen gemäß ihren individuellen Leistungen zukommt“ (Hradil 2001: 150).

Bildungsunterschiede lassen sich also als Ausdruck sozialer Ungleichheit, die durch die Institution Schule gefördert wird, verstehen, während der Bildungsgrad einer Person auf die damit verbundene bzw. antizipierte soziale Stellung, die als Benachteiligung (sozioökonomische Deprivation) zum Ausdruck kommen kann, verweist (vgl. u. a. Oedkle 2000: 144; zum Stellenwert der Bildung in modernen Gesellschaften siehe auch Hradil 2001: 148 ff., 270 ff., 274 ff.). „In a post-industrial service economy, higher education implies higher job mobility and greater job security. Education-as-an-individual-resource means better economic protection and less relative deprivation. Education enhances one´s social and cultural capital, securing success in adulthood. In times of economic crisis, the lower educated become the first victims precisely because their low education level reflects their lack of human capital to be competitive in the labor market. Their deficiency (in terms of ego security) puts the lower educated at a disadvantage” (Dekker/Ester 2005: 216; Allmendinger/Leibfried thematisieren diese Problematik unter dem Begriff Bildungsarmut, vgl. dies. 2002).

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Mit der formalen Schulbildung verbunden sind nicht nur unterschiedliche Chancen der Machtteilhabe (vgl. Dekker/Ester 2005: 270), sondern auch unterschiedliches Prestige (vgl. ebd.: 274 ff.).17 So verweisen z. B. die Ausführungen Helspers nicht nur auf die – von der formalen Schulform abhängigen – antizipierten Chancenunterschiede von Schülerinnen und Schülern, sondern implizit auch auf das damit verbundene Ansehen: „Die Hauptschule ist ein schulischer Bildungsraum, in dem sich Jugendliche […] sammeln, die von schulischem Scheitern bzw. von entwerteten Bildungsabschlüssen bedroht sind, so dass die Schülerschaft der Hauptschule sich zusehends aus negativ ausgelesenen Schülern rekrutiert, deren soziales und kulturelles Kapital gesunken ist“ (Helsper 2006: 301).

Im Gegensatz dazu zeichne sich das Gymnasium durch eine „privilegierte Schülerschaft“ aus, eröffne alle Optionen und „verheißt schulische Abschlüsse, die zwar keine Garantie auf Erfolgskarrieren mehr darstellen, aber nachschulischen Erfolg erwarten lassen“ (vgl. Helsper 2006: 303 f.). Sowohl mit der formalen Schulbildung als auch der besuchten Schulform verknüpft sind also nicht nur ungleiche Lebensbedingungen und Chancen, sondern auch damit verbundene (selbst)wertbezogene Einschätzungen der an diese Position gebundenen sozialen Identität einer Person (vgl. u. a. Wagner 1994; Malka/Miller 2007; ausführlich siehe Kapitel 2.3). Hradil hypostasiert, dass „das Sinnen und Trachten vieler Menschen sich auf die Erhöhung ihres Ansehens, auf die Vermeidung von Ansehensverlusten, auf die Einschätzung anderer [richtet]“ (2001: 17 Hradil definiert Prestige als eine „symbolische“ Dimension sozialer Ungleichheit. „Prestiges in einem generellen Sinne liegen immer bestimmte Merkmale von Menschen zugrunde, die Mitmenschen Anlaß zu Bewertung und zu bewertenden Verhaltensweisen geben. Prestige besteht aus den, oft in bestimmter Weise ‚verzerrten´, symbolischen ‚Widerspiegelungen´ von Kennzeichen wie dem Beruf, der Nationalität, der Herkunft, dem Aussehen, dem Wohnort, charakteristischen Eigenschaften, typischen Verhaltensweisen etc.“ (ders. 2001: 275). Im Gegensatz dazu definiert Hradil Macht „im Sinne der Überlegenheit von Menschen über andere Menschen“ (ders. 2001: 258): „Macht soll jede wesentliche Beeinflussung heißen, die ein Bestandteil der Gesellschaft über einen anderen ausübt bzw. ausüben kann, ohne daß dieser in der Lage ist, sich der Einwirkung zu entziehen“ (ebd.).

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274). Infolge drohender Benachteiligung hinsichtlich der gesellschaftlichen Partizipation impliziert ein niedrigerer sozialer Status demnach gleichzeitig auch eine Gefährdung der an diese Position gebundenen Identität, die es zu kompensieren gilt. So kann Wagner unter anderem zeigen, dass Mitglieder einer statusniedrigeren Gruppe verstärkt bemüht sind, Intergruppenvergleiche mit einer dritten Gruppe auszutragen. Die Abwertung einer „dritten“ Fremdgruppe bzw. die Aufwertung der Eigengruppe sei insbesondere dann zu erwarten, wenn die Eigengruppe im Vergleich zu einer (zweiten) Bezugsgruppe einen niedrigen Status einnimmt (vgl. ders. 1994: 17 ff.). Die jeweils besuchte Schulform verweist aber nicht nur auf den sozialen Status der Person, sondern lässt überdies Rückschlüsse auf den der Eltern zu (vgl. u. a. Hradil 2001: 165 ff.; Fuchs/ Sixt 200718). Neben unterschiedlichen sozioökonomischen Bedingungen – abhängig von der formalen Schulbildung, dem Beruf und Einkommen der Eltern – können ferner auch unterschiedliche Erziehungs- und Sozialisationsbedingungen angenommen werden (vgl. u. a. Hradil 2001: 447 ff.; Vester 2001). Nicht zuletzt werden im Kontext Erziehung bzw. Sozialisation auch Werte vermittelt, die als „grundlegende, zentrale Zielvorstellungen“, als „Orientierungsrichtlinien“ für das Handeln sowie als Grundlagen des sozialen Zusammenlebens von Menschen innerhalb von (Sub-)Kulturen angesehen (Hillmann 1994: 928). Da dieser Perspektive angesichts der zentralen Forschungsfragen Relevanz zu bescheinigen ist, wird das Thema Bildung und Werte nachstehend verhandelt. Sowohl in der soziologischen als auch sozialpsychologischen Forschung wird die These vertreten, dass Bildung Einfluss auf die Übernahme verschiedener wertbezogener Orientierungen zeitigt (vgl. zusammenfassend u. a. Zick 1997: 195 ff.; Trüdinger 2006: 32 ff.). Neben dem Verweis auf die unterschiedlichen Lebensbedingungen und die damit zusammenhängenden Unterschiede in den Erziehungs- und Sozialisationsbedingungen wird diskutiert, ob bzw. inwiefern Bildung Einfluss 18 Fuchs und Sixt können zeigen, dass der sozialen Vererbung von Bildungserfolgen ein sich über mehrere Generationen erstreckender Mechanismus zugrunde liegt, so dass nicht nur das Bildungsniveau der Eltern, sondern auch das der Großeltern noch einen beträchtlichen Einfluss auf die Bildungschancen der Enkel ausübt (vgl. dies. 2007: 1).

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auf die Werte- bzw. die moralische Entwicklung nimmt (vgl. u. a. Hopf, Ch. 2000; Trüdinger 2006: 31). Je nach individuellem Bildungs- und Wissensstand, so eine der zentralen Thesen, verändert sich der Charakter des Entscheidungsprozesses und die Organisation der Entscheidungsstrukturen (vgl. u.a. Van Hiel/Mervielde 2003; Dekker/Ester 2005). Überdies werden die schulischen Anerkennungsbeziehungen – das restriktive oder autoritäre Lehrerverhalten sowie die ausgeprägten oder geringen Partizipationsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler – „als bedeutsame Größe für moralisch-kognitive Achtung“ betrachtet (vgl. Helsper 2006: 293; Helsper/Krüger 2006; Sandring 2006). Beispielweise können Helsper, Böhm-Kasper und Sandring auf der Basis von qualitativen und quantitativen Studien zeigen, dass abhängig von der Schulform jeweils andere Anerkennungsbeziehungen und Integrationspotenziale relevant werden. Zugleich eröffnen sich unterschiedliche Möglichkeitsräume für politische Bildungsprozesse: „In der Hauptschule steht die Stärkung der Schülerpersönlichkeit über die emotionale Zuwendung im Vordergrund. Erst auf dieser Grundlage werden Mitwirkungsmöglichkeiten in Unterricht und Schule für die Schüler bedeutsam. Kurz: die Relevanz der Achtung und emotionalen Stützung ist für die Schüler grundlegender als die Partizipation[...]. Im Gymnasium steht demgegenüber die Einforderung und Eröffnung der Beteiligung von Schülern im Horizont des an Kritikfähigkeit und sozialer Verantwortung orientierten Schülerideals im Vordergrund. Partizipation wird damit umfassend eröffnet, aber auch von den Schülern eingefordert, so dass davon auszugehen ist, dass Schüler an dieser Schule nur selten an Grenzen ihrer Partizipation stoßen. Allerdings geht mit der Eröffnung von Partizipationsräumen hier die Forderung der richtigen Partizipation einher. Die Schüler am Gymnasium machen damit – viel deutlicher als die Schüler der Hauptschule – die Erfahrung, dass sie hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Haltungen mit Bezug auf das hohe Schülerideal auch kritisiert und mit Defizitdiagnosen konfrontiert werden.“ (Helsper/Böhm-Kasper/Sandring 2006: 335 f.).

Helsper zufolge entsteht in der untersuchten Hauptschule demnach zwar ein „partikularistisch an die Klassengemeinschaft gebundenes politisches Gemeinschaftshandeln“ (Helsper 2006: 316), welches aber von den Schü34

lerinnen und Schülern selbst nicht als politische Option gedeutet werden könne, während das Gymnasium „ein breites Feld für politische Teilhabe“ zur Verfügung stelle, „so dass von einer schulischen Polis und einem pädagogischen Raum kritisch-diskursiver Öffentlichkeit gesprochen werden kann“ (ebd.: 317). Demgegenüber erzeuge die untersuchte Sekundarschule einen „autoritative[n], paternalistische[n] Raum der Unterordnung und Unterwerfung“ (ebd.: 316 f.), welcher von den Schülerinnen und Schülern entweder Unterordnung oder aber Rebellion erzwinge, während die Gesamtschule lediglich einen „inkonsistente[n], demokratischpolitische[n] Scheinraum“ eröffne (ebd.: 317). Ebenso zeigen sich im Umgang mit und in der Konstruktion des Fremden abhängig von der Schulform jeweils spezifische Anerkennungsverhältnisse. So ist der Bezug auf das Fremde und Andere im Gymnasium wie in der Hauptschule inhaltlich gegeben, im Unterschied zur Hauptschule wird der Bezug auf das Fremde am Gymnasium jedoch nicht durch eine diffuse, identifikatorische Übernahme entsprechender Werte geleitet, sondern als Aufforderung zur kritischen, reflexiven Auseinandersetzung verstanden. „Der positive Bezug auf das Fremde ist im Gymnasium somit weniger als Ausdruck emotionaler Hinwendung oder aufwertender Stilisierung des Fremden zu verstehen, sondern in eine umfassende kritische, rationale Haltung eingebettet“ (Helsper 2006: 314).

Heteronomie, reproduktive Bindungen, Anpassung, Passivität, blinder expressiver Aktionismus, Egoismus etc. werden hingegen als abzulehnende Haltungen konstruiert (vgl. ebd.: 314 ff.). Nicht die Ausbildung an sich, so ließe sich zusammenfassen, sondern die Art der schulischen Sozialisation, die Vermittlung toleranzfördernder Werte ist entscheidend (vgl. Weins 2004: 16). Offen bleibt allerdings die Frage, ob Schulbildung tatsächlich differenzierte Sichtweisen und Toleranz fördert oder ob diese Form der Bildung die Befragten nicht lediglich in die Lage versetzt, wenn nicht sogar dazu auffordert, ihre wahren Einstellungen besser zu maskieren. Von dieser Warte aus könnte geschlossen werden, dass Personen mit einem höheren Bildungsniveau leichter lernen bzw. internalisieren, welche Antworten sozial erwünscht sind (grundlegend Jackman 1978, 1981 35

und Jackman/Muha 1984). Zudem würden bestimmte Frageformate unterschiedliche Reaktionen in Abhängigkeit vom Bildungsstand hervorrufen; „sozial aufgeladene“ und vereinfachende Fragen würden von höher Gebildeten eher abgelehnt (vgl. Weins 2004: 17). Die Überlegungen zusammenfassend lässt sich festhalten, „je länger der Verbleib im Bildungssystem […] um so stärker ist die Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten ausgeprägt“ (ebd.). Des Weiteren lassen sich Theorieansätze finden, die Bildungsdifferenzen auf unterschiedliche Formen der Informationsverarbeitung zurückführen (zusammenfassend Oepke 2005:143 f.). Der Grundgedanke lautet, dass Personen mit einem höheren Bildungsniveau über ein höheres Maß an kognitiver und assoziativer Flexibilität und verbaler Intelligenz verfügen, was ihnen erlaubt, Informationen stärker zu differenzieren. „Education broadens, multiplies, and diversifies the individual`s world view. It expands awareness and knowledge of alternative social and cultural perspectives, preventing narrowness and reinforcing broadmindedness“(Dekker/Ester 2005: 215).

Personen, die sich durch einen hohen Grad an kognitiver Differenziertheit und Integriertheit auszeichnen, werden „flexibler“ in ihren Urteilen und Handlungen, weil sie mehr alternative Gesichtspunkte erzeugen können und abzuwägen vermögen. Umgekehrt sei ein Mensch, der ein geringes kognitives Integrationsniveau aufweist, „unfähig, seine Vorstellungen und Begriffe den sich verändernden Bedingungen der Situation anzupassen“ (Wagner 1982: 29). Sie tendieren infolgedessen „zu Übergeneralisierungen, zur Verwendung von dichotomen, wenig nuancierten und absoluten Urteilen, zur Schwarz-Weiß-Malerei“ (ebd., ausführlich vgl. Kapitel 2.3). Van Hiel und Mervielde bekräftigen: „High complexity indicates that a decision-maker carefully weights all the relevant perspectives on an issue and then integrates them into a coherent position. Low complexity indicates that only one viewpoint is considered, which is maintained with dogmatic tenacity“ (van Hiel/Mervielde 2003: 781).

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Folgt man den Ausführungen der Autoren, wird deutlich, dass Überzeugungen, unter anderem im Feld der autoritär orientierten und intoleranten Einstellungen, nicht ausschließlich auf die familiäre Sozialisation, sondern ganz allgemein auf unterschiedliche Erziehungspraktiken und Erziehungsziele zurückzuführen sind. In Anlehnung an Mandl und Hubert konstatiert Wagner schon 1982, dass „schulische Einflüße dann die Entwicklung von Komplexität behindern, wenn bevorzugt eine produktionsorientierte Leistungsforderung gestellt wird“ (ders. 1982: 57 f.). Ob eine Person über ein ausdifferenziertes kognitives System verfügt, wird also – ähnlich wie in den Überlegungen zur autoritären Persönlichkeit – als abhängig von der sozialen Entwicklungsgeschichte eines Menschen und vom Erziehungsstil beschrieben. Als entwicklungshemmend werden u. a. Erziehungsstile und Techniken eingestuft, die durch ein Übermaß an externer Kontrolle, durch Überbewertung formaler Regeln und äußerer Verhaltensmaßstäbe charakterisiert sind. Sie lassen keinen Spielraum für alternative Entwicklungen und Kreativität und das Persönlichkeitsspektrum einer Person wird eingegrenzt. Im Gegensatz dazu würden Erziehungspraktiken, die die Neugier fördern und möglichst viele Wahrnehmungen bzw. Interpretationen einer Situation zulassen das zunehmend selbständige Erforschen und Urteilen fördern (vgl. Wagner 1982: 56 f.; siehe auch Tulodziecki/Herzig/Blömeke 2004). Die Überlegungen zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Umgang mit sozialen Kategorien in hohem Maße auch von der sozialen Schichtzugehörigkeit und dem Grad formaler Bildung bestimmt ist. Je nach Schichtzugehörigkeit und Schulform können unterschiedliche Lernbedingungen, Erziehungsstile und Lernziele angenommen werden, die Einfluss auf die Differenziertheit und Integriertheit des kognitiven Systems und damit auf das soziale Kategoriensystem einer Person ausüben. Personen mit einer niedrigen Schichtzugehörigkeit und einem niedrigen formalen Bildungsniveau verfügen demnach über einen geringeren Grad an kognitiver Strukturiertheit und über ein vergleichsweise weniger stark ausdifferenziertes soziales Kategoriensystem. Im Mittelpunkt der bisher erörterten theoretischen Ansätze steht der Einfluss verschiedener Sozialisationsinstanzen auf den Umgang von Personen mit 37

sozialen Kategorien und deren Relevanz für soziale Identifikationsprozesse. Welche Rolle aber spielt das soziale Kategoriensystem einer Person und welche Bedeutung kommt den sozialen Identifikationsprozessen zu, wenn es um die Wahrnehmung und den Umgang von Personen mit kultureller Vielfalt geht? Auf diese und ähnliche Fragen geht das folgende Kapitel ein. Als theoretische Bezugsgrößen dienen die im Rahmen des Social Identity Approach formulierten Theorieansätze.

2.3 Soziale Kategorien und Identifikationsprozesse: Der Social Identity Approach Der Social Identity Approach besteht aus einer Reihe historisch aufeinander folgender Ansätze und Theorien (für einen Überblick vgl. Hogg/ Abrams 1999; Brown 2000; Hewstone/Rubin/Willis 2002). Die Teilkonzepte des Social Identity Approach umfassen – – – –

die Akzentuierungstheorie oder auch Theorie der Reizklassifikation von Tajfel (1957, 1959, 1975) und Lilli (1975), die Theorie sozialer Kategorisierung (Tajfel 1981), die Theorie sozialer Identität von Tajfel und Turner (1979, 1986) und die (Selbst-)Kategorisierungstheorie von Turner et al. (1987).

Im Zentrum der Überlegungen des Social Identity Approach steht die Frage nach der Bedeutung und Funktion sozialer Kategorisierungsprozesse für die Wahrnehmung und Beurteilung von Personen bzw. Personengruppen. Forschungstheoretisch knüpfen die Ansätze vor allen Dingen an kognitionswissenschaftliche Überlegungen an. So konzentriert sich insbesondere die Akzentuierungstheorie oder Theorie der Reizklassifikation rein auf die Analyse der kognitiven Funktion sozialer Kategorien (kognitive Analyse der Ursachen und Folgen sozialer Stereotype). Erst später wurde auch deren soziale Funktion – ihre Rolle bei der Entstehung und Erhaltung von Gruppenideologien sowie bei der Schaffung

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positiv bewerteter Differenzierung zwischen Gruppen – in den Blick genommen (vgl. Stroebe 1982: 7 f.; siehe auch Wagner 2006). Den frühesten Ansatz des Social Identity Approach stellt die „Akzentuierungstheorie“ (Tajfel 1982: 23), die auch unter der Bezeichnung „Theorie der Reizklassifikation“ (vgl. Wagner/Zick 1990: 319 f.) firmiert, dar. Die Akzentuierungstheorie knüpft an die Forschungsarbeiten über „organisierende Faktoren in der Perzeption“ an und beschäftigt sich mit dem „Phänomen der perzeptuellen Überschätzung“ von Personen in Abhängigkeit von gegebenen Stimuli (Tajfel 1982: 28 ff.).19 Die Untersuchungen zeigen, dass die Einschätzung von Personen hinsichtlich der physikalischen Dimension (Größe, Gewicht usw.) immer dann überschätzt wird, wenn die Stimuli in Klassen oder Serien unterteilt werden (vgl. Tajfel 1957: 192 ff., 1959: 16 ff.). Bildet die Klassifikation zudem einen Wert für die Person oder wird sie in irgendeiner Form als emotional relevante Kategorie erlebt, nimmt die auftretende Überschätzung der Differenzen zwischen den Klassen noch einmal zu (vgl. Marchand 1970: 264 ff.; Lilli 1970: 57 ff.; Lilli/Lehner 1971: 285 ff.; Wagner 2006: 663). Die Ergebnisse zusammenfassend konstatiert Tajfel: „Wenn eine Folge von Stimuli in der Umwelt durch Kategorisierung auf der Grundlage eines Kriteriums systematisiert oder geordnet worden ist, dann wird diese Anordnung bestimmte vorhersagbare Auswirkungen auf die Beurteilung dieser Stimuli ausüben. Diese Auswirkungen bestehen aus Veränderungen in den wahrgenommenen Beziehungen zwischen den Stimuli […]. Die sich daraus ergebende Urteilspolarisierung und das besondere Gewicht, das einige Stimuli erhalten, dienen als Anhaltspunkte bei der Einführung

19 In der klassischen Studie von Tajfel und Wilkes (1963) werden den Versuchspersonen einzelne Linien von unterschiedlicher Länge vorgelegt. In der Klassifikationsbedienung wurden die kürzeren Linien immer gleichzeitig mit dem Buchstaben „A“, die längeren Linien immer zusammen mit dem Buchstaben „B“ präsentiert. Die Aufgabe der Versuchspersonen besteht darin, die Längen der Linien einzuschätzen. In den Urteilen zeigt sich, dass die Einstellung der Stimuli in Klassen bzw. Serien die Versuchspersonen dazu veranlasst, die Längenunterschiede zwischen den beiden Klassen zu überschätzen und die Unterschiede innerhalb der Klassen zu unterschätzen (vgl. u. a. Wagner 2006: 663).

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subjektiver Ordnung und Vorhersagbarkeit in eine ansonsten ziemlich chaotische Umwelt“ (ders. 1982: 48).

Tajfel geht davon aus, dass der Überschätzung von Unterschieden zwischen Kategorien und der Unterschätzung der Unterschiede innerhalb einer Kategorie hauptsächlich ein funktionaler Mechanismus zugrunde liegt, der zur Orientierung des Individuums in seinem Umfeld dient (vgl. ebd.: 34 ff.; ebenso Lilli 1970: 58; Grier/McGill 2000; Urada/Stenstrom/ Miller 2007). Allein die Verwendung von Klassifikationen kann also zu Urteilsverzerrungen führen, wobei die Größe und das Gewicht der Urteilsverzerrung vom wahrgenommenen Bedeutungsgehalt der Merkmale abhängt, d. h. von der Relevanz, die eine Person den Stimuli zuweist (vgl. u. a. Clement/Krüger 2002). Auf soziale Kategorien angewandt hieße das, dass die bloße Einteilung von Personen in Gruppen sowohl intraals auch intergruppale Prozesse hervorrufen würde. Die klassischen Indikatoren von Interdependenz und Kohäsion wahrgenommener Ähnlichkeiten innerhalb einer Gruppe und Sympathie für die Mitglieder der eigenen Gruppe wären demnach aus der Perspektive des Social Identity Approach keine konstituierenden Merkmale einer Gruppe, sondern vielmehr das Ergebnis eines vorgeordneten Kategorisierungsprozesses: Sie sind nicht als unabhängige, sondern als abhängige Variablen zu betrachten (vgl. u.a. Clement/Krueger 2002: 219). Gestützt wird die These durch die Untersuchungen zu den minimalen Bedingungen der Gruppenbildung, wonach die völlig zufällige Einteilung von Personen in Gruppen, unabhängig von der Interaktion der Mitglieder zwischen und innerhalb der Gruppen, das Verhalten von Personen beeinflusst, und zwar insofern, dass die Mitglieder der Eigengruppe gegenüber denen anderer Gruppen nicht nur als ähnlicher wahrgenommen, sondern überdies durchgängig bevorzugt werden: „Participants, after being divided into groups according to trivial categories, are asked to allocate resources (e.g. points or money) between members of their own group (“in-group”) and members of another group (“out-group”) on specially prepared allocation matrices. During these allocations, participants (a) cannot allocate resources to themselves, (b) do not know the per-

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sons to whom they allocate resources, and (c) cannot expect further interactions with the other group members. The only thing they know for sure is the group membership of the allocation targets. The usual finding in such MGP [minimal group paradigm, C.SCH.] is that, on averarage, participants give significantly more resources to in-group members than to out-group members“ (Hertel/Kerr 2001: 316).

Verschiedene Studien zeigen, dass Personen ihre eigene Gruppe selbst dann noch aufwerten, wenn die Probandinnen bzw. Probanden eine Wahl zwischen Handlungen haben, die Vorteile für alle, für die eigene Gruppe und die Fremdgruppen, einschließen (vgl. Tajfel et al. 1971: 154 ff.), und sie sich der Willkür der Einteilung der Gruppen bewusst sind (vgl. Tajfel/Billig 1973: 32 ff.). Wilder argumentiert in diesem Zusammenhang und auf Basis empirischer Daten, dass alleine die Anwesenheit einer Fremdgruppe ausreicht, um Intragruppenprozesse zu aktivieren (vgl. ders. 1984: 323 ff.; für einen Überblick über das Minimal-GroupParadigma vgl. Zick 1997: 123 ff.; Wagner 1994: 13 f.; Clement/Krueger 2002; Hodson/Dovidio/Esses 2003; Rubini/Moscatelli/Palmonari 2007; kritisch Hertel/Kerr 2001). Soziale Kategorien werden im Rahmen des Social Identity Approach als kognitive Werkzeuge interpretiert, die es erlauben, die soziale Umwelt zu unterteilen, zu klassifizieren und zu systematisieren. Diese `Operationen´ versetzen Individuen erst in die Lage, verschiedene Formen sozialer Aktionen zu unternehmen und sich in der sozialen Umgebung zurechtzufinden. Sie systematisieren aber nicht nur die soziale Welt, sondern liefern auch ein System zur Orientierung im Hinblick auf den Selbstbezug. Sie definieren die Stellung des Individuums in der Gesellschaft. „Groups serve many functions, and people affiliate for many reasons. One function and reason for affiliation is provision of an identity and associated consensual belief system that informs us who we are and how we should view and treat others, and how others will view and treat us“ (Hogg et al. 2007: 135).

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Ausgehend von den Überlegungen zur Reizreaktionstheorie und den Ergebnissen zu den minimalen Bedingungen von Gruppenzugehörigkeiten gehen Tajfel und Turner (1979, 1986) der Frage nach der besonderen Bedeutung und Funktion sozialer Kategorisierungsprozesse, die der Einteilung von Personen in Gruppen zugrunde liegen, nach. Die Grundannahme besagt, dass die Einteilung von Personen in Gruppen – die als Kategorien sozialer Zugehörigkeit definiert werden können – nicht nur der Systematisierung der sozialen Umwelt dient, sondern darüber hinaus ihren Mitgliedern ein selbstreferenzielles System bereitstellt (vgl. u. a. Scheepers/Ellemers 2005: 192). Gestützt werden diese Überlegungen durch die „Theorie sozialer Identität“, die nun in aller gebotenen Ausführlichkeit rekapituliert wird, da sie eine der zentralen Grundlagen dieser empirischen Studie bildet.

2.3.1 Gruppenzugehörigkeiten und soziale Identität Die Theorie sozialer Identität basiert auf drei voneinander abhängigen Grundannahmen: „1. Individuals strive to maintain or enhance their self-esteem: they strive for a positive self-concept. 2. Social groups or categories and the membership of them are associated with positive or negative value connotations. Hence, social identity may be positive or negative according to the evaluations (which tend to be socially consensual, either within or across groups) of those groups that contribute to an individual’s social identity. 3. The evaluation of one’s own group is determined with reference to specific other groups through social comparisons in terms of value-laden attributes and characteristics. Positively discrepant comparison between in-group and out-group produce high prestige, negatively discrepant comparisons between in-group and out-group result in low prestige“ (Tajfel/Turner 1979: 40).

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Die Aufwertung der eigenen Gruppe gegenüber Fremdgruppen ergibt sich also aus der Motivation einer Person, die eigene Position innerhalb gesellschaftlich bedeutsamer Bezüge positiv von anderen abzugrenzen, kurz: Menschen streben nach einem positiven Selbstkonzept. Die Zugehörigkeit zu einer Vielzahl sozialer Gruppen ist Teil der sozialen Wirklichkeit und zugleich Teil des Selbstbildes bzw. -konzepts von Personen. Die soziale Bedeutung der Mitgliedschaft in einer Gruppe ist abhängig von der Existenz möglicher Vergleichsgruppen; die Bewertung ergibt sich aus dem Vergleich. „According to social identity theory, this in-group favoritism is a consequence of sociomotivational processes, whereby people try to maintain positive distinctiveness in social comparisons by increasing the status of a group when it is part of their social self-concept“ (Hertel/Kerr 2001: 316 f.).

Die soziale Identität eines Individuums – sein Wissen, einer bestimmten sozialen Gruppe anzugehören, und die emotionale und wertbezogene Bedeutung, die es dieser Mitgliedschaft beimisst – ist also vor dem Hintergrund sozialer Kategorisierungen, die die soziale Umwelt in eigene und fremde Gruppen einteilt und Wertbezüge herstellt, definierbar. Diese Bedingungen bilden die Grundlage für die Einschätzung der eigenen sozialen Identität. Erst der Vergleich ermöglicht die Bewertung und Einordnung. Ziel des Vergleichens ist es, Überlegenheit im Hinblick auf eine als relevant angesehene Fremdgruppe herzustellen, ein Vorgang, der wiederum dem Schutz der eigenen sozialen Identität dient (vgl. Tajfel/Turner 1979: 40). Wird die eigene soziale Identität bzw. Gruppenidentität durch Veränderungen im sozialen Umfeld bedroht oder als bedroht wahrgenommen, werden Strategien verfolgt, die diese Bedrohungen abwenden (vgl. insbesondere Scheepers/Ellemers 2005). Tajfel und Turner unterscheiden insgesamt drei Varianten der Reaktion auf negative soziale Identitätsbezüge: „individuelle Mobilität“, „soziale Kreativität“ und „sozialer Wettbewerb“ (dies. 1979: 43 f.; vgl. auch Roccas 2003: 352). Unter individueller Mobilität wird der Wechsel eines Individuums von einer Gruppe in eine andere verstanden. Soziale Kreativität bezeichnet den Versuch, die Positi43

on der Eigengruppe durch eine Redefinition von Merkmalen, die für den Vergleich relevant sind, zu verbessern. Derartige Prozesse können z. B. auf Basis eines Wechsels der ursprünglichen Vergleichsdimension realisiert werden. So lassen sich Situationen denken, in denen Gruppen, die sich vorher hinsichtlich ihrer relativen ökonomischen Position verglichen haben, diesen Vergleich in den Bereich der kreativen und/oder sozialen Kompetenzen verlagern. Ferner können die Gruppenmitglieder ihre eigene Position verändern, indem sie die negativ konnotierten Merkmale der Eigengruppe positiv umdeuten – sprich: die Vorzeichen des vorherrschenden Wertesystems vertauschen.20 Auch ist es möglich, die Vergleichsgruppe zu wechseln und sich fortan mit einer niedrigeren Statusgruppe zu vergleichen. Unter sozialem Wettbewerb wird schließlich der Versuch verstanden, durch direkten Wettbewerb, z. B. bei Wettkämpfen, die relativen Positionen umzukehren (vgl. u.a. Roccas 2003: 352). Welche der genannten Strategien angewandt wird, ist vom allgemein wahrgenommenen Status und der Statusstabilität der Gruppe abhängig: „Two important sociostructural factors are the group´s place within the status hierarchy and the stability of the status hierarchy“ (Scheepers et al. 2006: 945; vgl. ferner Tajfel 1982: 131; Ellemers/Spears/ Soosje 2002; Roccas 2003; Scheepers/Ellemers 2005). Der Status reflektiert die relative Position der Gruppe im Vergleich zu anderen Gruppen (vgl. u. a. Roccas 2003). Je niedriger die Statusposition in Bezug zu relevanten Vergleichsgruppen wahrgenommen wird, desto geringer ist ihr Beitrag zu einer positiven sozialen Identität (vgl. Wagner 2006). Überdies wird betont, dass die Wahl der Strategien mit der Überlegung, ob es möglich ist, die Gruppe zu verlassen oder nicht, korreliert: „Sind die Gruppengrenzen permeabel, werden die Mitglieder unterlegener Gruppen individuell versuchen in die überlegene Gruppe aufzusteigen, individuelle Mobilität zeigen. Werden die Gruppengrenzen als undurchlässig

20 Tajfel und Turner beziehen sich in diesem Zusammenhang auf das Beispiel „black is beautiful“ (dies. 1979: 43); siehe auch Scharenbergs Analyse des Hip- Hop als Protest gegen materielle und symbolische Ausgrenzung der schwarzen „Unterklasse“ (ders. 2001).

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wahrgenommen, wird soziale Mobilität erforderlich; d.h. die Gruppenmitglieder versuchen, ihre unterlegene Gruppe als Ganze in ihrem Status zu verbessern. Dies kann durch soziale Kreativität geschehen, indem negativen Attributen der eigenen Gruppe eine positive Bedeutung verliehen, neue Vergleichsdimensionen eingeführt oder noch stärker unterlegene Vergleichsgruppen ausgewählt werden“ (Wagner 2006: 665).

In Situationen, in welchen der als übergeordnet wahrgenommene soziale Status der Gruppe als gefährdet angesehen wird und in denen es schwierig oder gar unmöglich scheint, von einer Gruppe zu einer anderen zu wechseln, wird es als wahrscheinlich angesehen, dass die Gruppe versucht, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um die übergeordnete Position zu erhalten: Diese soziale Strategie kann z. B. in Form einer verstärkten Betonung der Unterschiede zwischen den Gruppen zum Ausdruck kommen (vgl. dazu u. a. Turner/Brown 1978: 201 ff.; Scheepers et al. 2006). Konflikte zwischen sozialen Gruppen können vor dem Hintergrund der Theorie sozialer Identität(en) als Streben nach einem positiven Selbstkonzept, einer positiven, an eine soziale Gruppe gebundenen sozialen Identität verstanden werden. Ungeklärt bleiben in diesem theoretischen Rahmen jedoch sowohl die Vorbedingungen und Determinanten sozialer Identitätsbezüge als auch das Wechselverhältnis zwischen personaler und sozialer Identität. Diesen Aspekten geht die Selbstkategorisierungstheorie von Turner et al. (1987) nach. Die Selbstkategorisierungstheorie ist der Theorie sozialer Identität(en) zeitlich nachgeordnet, d. h. sie ist später entstanden. Allerdings werden in diesem Rahmen die theoretischen Grundlagen zum Verständnis sozialer Identifikationsprozesse entwickelt.

2.3.2 Selbstkategorisierungsprozesse Die Theorie der Selbstkategorisierung basiert auf einer Reihe verschiedener Annahmen: Zunächst diskutieren Turner et al. die Grundlagen der Funktion des Selbstkonzeptes bzw. der Selbstkategorisierung von Personen (vgl. dies. 1987: 44 ff.). Das Selbstkonzept einer Person wird grundle45

gend als „a set of cognitive representations of self available to a person“ (ebd.: 44) verstanden. Es besteht aus verschiedenen Komponenten, die hochgradig differenziert sind und relativ unabhängig voneinander funktionieren. Die jeweiligen kognitiven Repräsentationen des Selbst beruhen auf verschiedenen Formen der Selbstkategorisierung, die wiederum als Teil eines hierarchischen Systems von Klassifizierungen aufzufassen sind. Im Hinblick auf die Kategorisierung ist festzuhalten: Je umfassender die Selbstkategorie, desto höher ist die Ebene der Abstraktion.21 „The division of stimuli into classes depends upon perceived similarities and differences (comparative relations), but stimuli can only be compared in so far as they have already been categorized as identical, alike, or equivalent at some higher level of abstraction, which in turn presupposes a prior process of comparison, and so on ad infinitum (at least logically if not psychologically)“ (ebd.: 46).

Unterschieden werden insbesondere drei Ebenen der Abstraktion, die ausschlaggebend für das Selbstkonzept einer Person sind: 1. 2. 3.

die übergeordnete Ebene des Selbst als menschliches Wesen im Vergleich zu anderen Lebensformen; die mittlere Ebene des Selbst als Mitglied einer oder verschiedener Gruppen im Unterschied zu Mitgliedern anderer Gruppen und die untergeordnete Ebene des Selbst als einzigartiges Individuum im Vergleich zu Mitgliedern der Eigengruppe (vgl. ebd.).

Die Bedeutung einer jeden Ebene der Selbstkategorisierung variiert je nach Bezugsrahmen, d. h. das personale Selbst wird erst dann relevant, wenn Vergleiche auf die Mitglieder der Eigengruppe eingeschränkt sind, während die Eigengruppenmitgliedschaften einer Person Bedeutung

21 Als Beispiel nennen Turner et al. hier die Einordnung von hölzernen Stühlen im Vergleich zu ledernen Stühlen. Sowohl hölzerne als auch lederne Stühle sind Unterkategorien der nächsthöheren Kategorie Stuhl und die Kategorie Stuhl ist wiederum Unterkategorie der nächsthöheren Kategorie Möbel usw. (vgl. dies. 1987: 45).

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erlangen, wenn Vergleiche sowohl die Mitglieder der Eigengruppe als auch die der Fremdgruppen als menschliche Wesen mit einbeziehen. „Self-categorization theory draws a distinction between personal identity (the personal self) and social identity (the collective self). Personal identity refers to `me´ versus not `me´ categorizations - all the attributes that come to the fore when the perceiver makes interpersonal comparisons with other ingroup members. Social identity, on the other hand, refers to `us´ versus `them´ categorizations - all the attributes that come to the fore when the perceiver compares his or her group (as a collective) to a psychologically relevant out-group“ (Onorato/Turner 2004: 259; vgl. auch Simon/Trötschel 2006).

Das Ausmaß, in dem ein Aspekt des Selbstkonzeptes einer Person verhaltenswirksam wird, wird als kontinuierliche Größe gedacht. Turner et al. beschreiben die soziale Selbstwahrnehmung einer Person entlang eines Kontinuums: Die Selbstwahrnehmung kann aus der Perspektive des Ichs als einer einzigartigen Person (maximale intra-personale Identität bei gleichzeitig wahrgenommenem maximalen Unterschied zwischen dem Selbst und anderen Mitgliedern der Eigengruppe) bis hin zur Wahrnehmung des Selbst als Mitglied einer relevanten Gruppe (maximale Ähnlichkeit mit den Mitgliedern der Eigengruppe bei maximal wahrgenommenen Unterschieden zu Mitgliedern anderer Gruppen) erfolgen (vgl. dies. 1987: 49; ebenso Onorato/Turner 2004). Die Wahrnehmungsebene, die dahin tendiert, Ähnlichkeiten innerhalb und Unterschiede zwischen Kategorien zu maximieren, wird als Variable definiert (ausführlich dazu Turner et al. 1987: 44 ff.). In jedem gegebenen Moment variieren also sowohl die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Person, der Eigengruppe und der Fremdgruppe als auch die Ebenen der Abstraktion. Soziale Identitäten variieren aber nicht nur hinsichtlich ihrer Inklusivität, sondern Individuen gehören meist mehreren sozialen Gruppen gleichzeitig an, ohne dass diese Zugehörigkeiten sich vollständig in ein System der logischen Über- und Unterordnung integrieren lassen (vgl. Simon/Trötschel 2006: 687; Sinclair/Hardin/Lowery 2006).

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„Some groups may be completely embedded in others (e.g. all Catholics are Christians), some may be completely orthogonal (e.g. Muslims and women) and some may overlap only slightly (e.g. corporate executives and women)“ (Roccas/Brewer 2002: 89).

Die Bedingung, unter der eine bestimmte Selbstkategorie in der Selbstwahrnehmung kognitiv vorherrschend wird, um als unmittelbarer Einfluss auf die Wahrnehmung und das Verhalten hin zu wirken, wird als abhängig von der Salienz der Kategorie, d. h. von ihrer „Verfügbarkeit“ im Kategorienrepertoire einer Person und ihrer „Passung“ für die Stimulussituation, definiert. Anders formuliert: „salience of some ingroup-outgroup categorization in a specific situation is a function of an interaction between the `relative accessibility´ of that categorization for the perceiver and the `fit´ between the stimulus input and category specifications“ (Turner et al. 1987: 44.; vgl. auch Oakes 1987: 127; Haslam et al. 1999; Sinclair/Hardin/Lowery 2006).

Die Verfügbarkeit einer Kategorie hängt von den Erfahrungen einer Person und den daraus resultierenden Erwartungen an eine bestimmte Situation ab (ausführlich vgl. auch Oakes 1987: 118 ff.; Wegener 2000: 23 ff.). Die Idee der Passung bezieht sich auf den Grad, in dem die Realität tatsächlich zu den Kriterien passt, die die Kategorie definieren (vgl. u. a. Haslam et al. 1999; Sinclair/Hardin/Lowery 2006; Simon/Trötschel 2006). Als entscheidende Bedingung für intergruppales Verhalten gilt jedoch die Stärke der Selbstkategorisierung einer Person. „A process of selfcategorization must transform the category `out there´ into the category `in here´” (Grieve/ Hogg 1999: 937). Die Betonung der Mitgliedschaft führt zu einer Aufwertung der Eigengruppe, gleichzeitig aber auch zur Abwertung der Fremdgruppe. Die Wahrnehmung von Ähnlichkeiten hängt von der Kategorisierung ab und steht im direkten Zusammenhang mit dem Schutz der eigenen sozialen Identität. Demnach würde die Wahrnehmung der Relevanz spezifischer ethnischer Bezüge in einer bestimmten Situation – z. B. im Vergleich zwischen deutschen und türkischen Jugendlichen – zu einer Betonung der Unterschiede zwischen den 48

Ethnien im Allgemeinen und zur Negierung der Unterschiede zwischen den Mitgliedern innerhalb einer Ethnie führen. „Discrimination is one of a number of generic consequences of selfcategorization that can also include conformity, stereotyping, social attraction, group cohesion, ethnocentrism, and enhanced self-esteem or selfevaluation“ (Grieve/Hogg 1999: 937).

Die soziale Identität einer Person ist also kein Merkmal, das in allen Situationen von gleichbleibender Bedeutung für eine Person ist. Persönliche Bedürfnisse und Erfahrungen, aber auch situative Faktoren legen fest, ob eine bestimmte Kategorie salient wird, während die Genese der auf eine Gruppe bezogenen sozialen Identität im Wesentlichen von der Identifikation einer Person mit dieser Gruppe bedingt ist. Je eindeutiger sich eine Person als Mitglied einer Gruppe identifiziert, desto stärker empfindet sie Sympathie, Identität, Ähnlichkeit und Austauschbarkeit mit den anderen Gruppenmitgliedern und umso vehementer wird sie sich von anderen Vergleichsgruppen abgrenzen (vgl. ebd.: 57 ff.; ausführlich auch Hogg 1987; Hogg/Turner 1987; Grieve/Hogg 1999; Verkuyten/Drabbles/ Nieuwenhuijzen 1999; Hodson/Dovidio/Esses 2003). Sind die Prozesse der Kategorisierung und Zuordnungen zu bzw. Abgrenzung von Gruppen im Hinblick auf die personale und soziale Identität einer Person nun hinreichend erläutert worden, gilt es, im nachfolgenden Passus ein soziales Phänomen, das auch im Social Identity Approach verhandelt wird, näher zu beleuchten. Die Parameter Kontakt und Erfahrung im Umgang mit Fremdgruppenmitgliedern nehmen erheblichen Einfluss auf die Entstehung von Selbst- und Gruppenbildern bzw. -identitäten: „Cross-group contact, and expecially friendship“, so die gängige These, „enables one to empathize with and take the perspective of the outgroup“ (Pettigrew 2007: 413). Theoretisch knüpft die Studie hier an die „Kontakthypothese“ von Allport (1954) an.

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2.3.3

Interkulturelle Kontakte

Vielfältige Untersuchungen zeigen, dass Kontakte zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen zur Reduktion sozialer Stereotype führt (ausführlich vgl. u. a. Fritzsche 2006; Pettigrew/Tropp 2006). Die Kontakthypothese beruht auf der Annahme, dass der Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen zur Reduktion sozialer Stereotype führt, da durch den Kontakt Informationen über die Mitglieder der Fremdgruppe zugänglich werden. Brewer und Miller fassen die Überlegungen zur Kontakthypothese wie folgt zusammen: „Misperceptions and distrust between groups are also fed by lack of contact between members of different social categories. Hostile groups tend to maintain high social distance, avoiding interactions with outgroup members and perpetuating a cycle of further hostility and avoidance. […] If ignorance and unfamiliarity promote hostility, then opportunities for personal contact between members of opposing groups should reduce hostility by increasing mutual knowledge and acquaintance“ (1996: 107).

Ausgehend von den Überlegungen des Social Identity Approach lassen sich die Ergebnisse der Forschung zur Kontakthypothese wie folgt analysieren: Der „Fremde“ wird nicht primär als handelndes Individuum mit spezifischen Eigenschaften, Zielen und Motiven wahrgenommen, sondern als Mitglied einer fremden Gruppe betrachtet und als ein solches kategorisiert, eingeschätzt und oftmals mit Blick auf die eigene soziale Identität abgewertet. Intensive Kontakte und die Arbeit an gemeinsamen Zielen können dazu führen, dass die vorher bestehenden Kategorisierungen in Eigen- und Fremdgruppe aufgehoben bzw. aufgeweicht werden. Der Forschungsschwerpunkt zur Kontakthypothese konzentriert sich auf die Identifikation notwendiger und hinreichender Bedingungen, unter denen Kontakt zur Reduktion inter-gruppaler Differenzierungen führt. Diskutiert werden einerseits unterschiedliche Rahmenbedingungen der Kontaktsituation, andererseits der Einfluss von sozialen Kategorien in einer gegebenen Situation (für einen Forschungsüberblick vgl. Pettigrew 1998; Klink et al. 1998; Gonzales/Brown 2003; Dixon/Durrheim/Tredoux 50

2005; Gonzales/Brown 2006). Eine erste ausführliche Diskussion der verschiedenen Bedingungen findet sich bei Allport. Insgesamt verweist Allport auf folgende Kriterien, die Intergruppenkontakte auszeichnen: – – – – –

die Quantität bzw. das Ausmaß des Kontaktes, der ökonomische und soziale Status der am Kontakt beteiligten Personen, die Art und Qualität der Kontakte, der Einfluss personaler Größen, wie z. B. bestimmte Charaktereigenschaften, und der Einfluss der sozialen, institutionellen und gesellschaftlichen Atmosphäre, in welcher der Kontakt stattfindet (vgl. ders. 1971: 262 ff.; zusammenfassend Pettigrew 1998: 66 f.).

Als quantitative Aspekte von Kontakten nennt Allport: a) die Häufigkeit der Kontakte, b) die Intensität der Kontakte und c) die Anzahl der teilnehmenden Personen. Je länger und intensiver der Kontakt sei, desto eher verhelfe dieser dazu, die vorhandenen Einstellungen, durch den Austausch von Wissen und Informationen, zu verändern. Kontakte, die zufällig, beispielsweise auf der Straße, stattfinden, rufen hingegen keine Einstellungsänderungen hervor (vgl. ders. 1971: 273; ebenso Pettigrew et al. 2007; Turner et al. 2007). Ebenso weisen Brewer und Miller auf den Zusammenhang zwischen der zeitlichen Frequenz der Kontakte und dem Grad der Einstellungsänderungen hin (vgl. dies. 1996: 114). In Bezug auf den Einfluss sind zudem die Statusunterschiede zwischen den am Kontakt beteiligten Personen in Rechnung zu stellen: Kontakte zu Personen mit einem gleichen bzw. höheren sozialen Status führen eher zu Einstellungsänderungen als der Kontakt zu Personen mit einem niedrigeren sozialen Status; Personen mit einem im Vergleich höheren Status sind selten dazu bereit, von Personen mit einem niedrigeren Status zu lernen und/oder sich beeinflussen zu lassen (vgl. Allport 1971: 279 f.; Brewer/Miller 1996: 117 f.; Dick et al. 2004). Hinsichtlich der Art und Qualität der Kontaktsituation unterscheidet Allport zwischen Kontakten, die auf Wettbewerb hin ausgerichtet sind, und solchen, die die Kooperation der 51

beteiligten Personen fördern (vgl. ders. 1971: 281). „Einzig jene Art von Kontakt, die Leute dazu bringt, gemeinsam etwas zu tun, scheint eine Chance zur Änderung von Einstellungen zu haben“ (ebd.). Das Streben nach einem gemeinsamen Ziel stifte Solidarität unter den beteiligten Personen und/oder Gruppen und führe dazu, dass die ethnische Zusammensetzung der Gruppe in den Hintergrund rücke, so dass eine neue, gemeinsame Gruppenidentität entstehen kann. Kontakte, die auf Wettbewerb hin ausgerichtet sind, betonen dagegen die verschiedenen Gruppenzugehörigkeiten und fördern darüber hinaus zusätzlich Stressfaktoren für die beteiligten Personen, was sich wiederum negativ auf den Abbau von sozialen Stereotypen auswirken würde. So erläutern auch Brewer und Miller: „More experiences of voluntary, pleasant, cooperative, and intimate contact with members of the out-group produced lower levels of anticipated anxiety about future interactions. Lower levels of anxiety were, in turn, predictive of more positive attitudes toward the outgroup as a whole“ (dies. 1996: 115).

Des Weiteren diskutiert Allport den Einfluss von Persönlichkeitsunterschieden. Konkret lokalisiert Allport einen Zusammenhang zwischen eher ängstlichen und aggressiven Personen, zerrütteten Familienverhältnissen und dem Festhalten an negativen sozialen Stereotypen (vgl. ders. 1971: 284 f.). Triandis diskutiert überdies den Einfluss individualistischer oder kollektivistischer Orientierung von Personen und/oder Gruppen mit Blick auf die Kontaktsituation (vgl. ders. 1971, 1984, 1990). Und schließlich weist Allport auf den Einfluss der den Kontakt umgebenden sozialen, institutionellen und gesellschaftlichen Situation hin (vgl. ders. 1971: 281). Die Wirkung von Kontakt, so Allport, sei sehr viel größer, „wenn der Kontakt durch die öffentlichen Einrichtungen unterstützt wird (das heißt durch Gesetze, Sitten und örtliche Atmosphäre)“ (ebd.: 286; vgl. auch Wagner et al. 2008). Pettigrew fasst die wesentlichen Überlegungen zur Kontakthypothese in einem Modell zusammen (vgl. ders. 1998: 75 ff.): Seiner Ansicht nach benötigen Kontakte vor allen Dingen Zeit und verschiedene Kontaktsituationen. Die am Kontakt beteiligten Personen müssen die Möglichkeit haben, Freundschaft zu schließen (vgl. ebd.: 76). 52

In Abbildung 1 sind die verschiedenen Kriterien die Intergruppenkontakte beeinflussen in ihrer zeitlichen Dimension beschrieben. Abbildung 1:

Reformulated contact theory, Pettigrew 1998: 77

Auf einer ersten Ebene [A] unterscheidet Pettigrew zwischen dem Einfluss notwendiger und förderlicher Situationsfaktoren für die Kontaktsituation. Als notwendige Bedingungen nennt er die bereits von Allport thematisierten Aspekte des gleichen bzw. ähnlichen Status, der gemeinsamen Zielverfolgung, der Kooperation, der Möglichkeit zur Freundschaft und die Unterstützung der Kontaktsituation durch Autoritäten. Auf einer zweiten Ebene [B] stellt sich die Frage nach dem Einfluss individueller Unterschiede von Personen auf die Kontaktsituationen. Vorhergehende Einstellungen und Erfahrungen beeinflussen nicht nur die Haltung einer Person, ob sie bereit ist, Intergruppenkontakte einzugehen, sondern auch die resultierenden Effekte aus der Kontaktsituation. Pettigrew weist in diesem Zusammenhang – neben dem Einfluss von starken anfänglichen Vorurteilen und Kontaktängsten – auf den Einfluss von 53

unterschiedlichen Wertehaltungen hin. Schließlich unterscheidet Pettigrew drei verschiedene Formen von Kontakten, die auf einer Zeitschiene anzuordnen sind: Erste Kontakte [C] werden von hergestellten Kontakten [D] und schließlich geeinigten Gruppen [E] abgelöst. Pettigrew zufolge lässt sich der Einfluss von Kontakten je nach Stadium unterscheiden. Gefragt wird also auch danach, inwieweit die spezifischen Kontakte und die damit verbundenen Erfahrungen auf andere Situationen, Personen und/oder Gruppen übertragbar sind. Insgesamt lässt sich festhalten, dass insbesondere die Wiederholbarkeit der Kontakterfahrungen wie auch die Dauer sowie die Intensität der Erfahrungen und Kontakte mit dem Abstraktionsgrad zusammenfallen. Demnach führen erste Kontakte zwar zu einer Annäherung der Personen, von Generalisierungseffekten im Hinblick auf andere Situationen oder Personen wird jedoch nicht ausgegangen. Für das dritte Stadium der Kontaktsituation nimmt Pettigrew dagegen eine maximale Aufhebung der vorher bestandenen Gruppenkategorien an (vgl. ebd.). Die Überlegungen Allports, an die auch die Systematisierungen von Pettigrew anschließen, wurden in vielen Studien bestätigt (einen Überblick präsentieren Pettigrew/Tropp 2006). Darüber hinaus werden eine Reihe weiterer Bedingungen diskutiert: Unterschieden wird u. a. auch zwischen direktem und indirektem Kontakt (vgl. Pettigrew et al. 2007; Turner et al. 2007), der wahrgenommenen Wichtigkeit des Kontaktes (vgl. u. a. Dick et al. 2004) oder der „Typikalität“ der am Kontakt beteiligten Personen (vgl. u. a. Brown et al. 2007; zusammenfassend Dixon/ Durrheim/Tredoux 2005: 699). Zusätzlich wird häufig der Einfluss sozialer Kategorien als relevanter Bezugshorizont für intergruppale Kontakte in die theoretischen Konzeptionen integriert. Unterschieden werden in diesem Zusammenhang insbesondere vier Erklärungsansätze:

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die Aufhebung bzw. Ausdifferenzierung sozialer Kategorien im Rahmen des so genannten „Dekategorisierungsmodells“ von Brewer und Miller (1984, 1988), die Schaffung einer neuen, die Mitglieder der Fremdgruppe einschließenden sozialen Kategorie, das so genannte „Rekategorisierungsmodell“ von Gaertner et al. (1989, 1993, 2000), Veränderungen hinsichtlich der Vorzeichen der sozialen Kategorien, das so genannte „Intergruppenmodell“ von Hewstone und Brown (1986) bzw. Brown/Vivian/Hewstone (1999) und schließlich das „Duale Identitätsmodell“ von Dovidio et al. (1998); Gaertner et al. (1994); Gaertner et al. (1996); und Gonzales/Brown (2003) (zusammenfassend vgl. Eller/Abrams 2004; Gonzales/Brown 2006).

Alle vier Ansätze beruhen auf den Überlegungen des Social Identity Approach, kommen jedoch zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Bedingungen für eine erfolgreiche Generalisierung. So gehen Brewer und Miller als Vertreter des Dekategorisierungsmodells, davon aus, dass Kontaktsituationen, in denen sich die beteiligten Personen als Individuen und nicht als Mitglieder der jeweiligen Gruppe wahrnehmen, langfristig die Bedeutung sozialer Kategorien für den Umgang mit einzelnen Personen im Allgemeinen vermindern. Das heißt, wiederholte und häufige interpersonale Kontakte führen dazu, dass Individuen sich selbst und andere zunehmend auf der Basis ihrer individuellen Charakteristika wahrnehmen und sich entsprechend verhalten. Als Interaktionseffekte werden die Übertragung positiver Erfahrungen mit einzelnen Personen auf die Fremdgruppe als Ganzes, eine differenzierte Wahrnehmung der Fremdgruppe durch positive Kontakte mit einzelnen Gruppenmitgliedern, die Minimierung und gänzliche Aufhebung der Bedeutung der Gruppenzugehörigkeiten im Allgemeinen genannt (vgl. dies. 1984; 1988; zusammenfassend Klink et al. 1998). Dem entgegen zielt das Rekategorisierungsmodell oder auch Modell der „gemeinsamen Binnengruppen-Identität“ (Klink et al. 1998: 288) auf die Betonung einer die Mitglieder der interagierenden Gruppen umfassenden sozialen Identität

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ab (vgl. Gaertner et al. 1989; 1993; 2000), während das „Intergruppenmodell“ von Hewstone und Brown die Relevanz bzw. Salienz der Gruppenzugehörigkeit sowie der Gruppengrenzen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen. Hier geht es darum, die Vorzeichen der sozialen Kategorien zu verändern, nicht jedoch die Kategorien an sich aufzuheben (vgl. dies. 1986; siehe auch Brown/Vivian/Hewstone 1999). Und schließlich fokussiert das Duale Identitätsmodell die Option einer gemeinsamen Gruppenidentität. So entsteht der Vorteil, jenseits des Kontakts Situationen zu generalisieren, indem eine die Mitglieder der interagierenden Gruppen umfassende soziale Identität schaffen, gleichzeitig aber eine unterscheidbare Gruppenidentität aufrechterhält werde (vgl. Gonzales/Brown 2006). Empirische Untersuchungen im Kontext der jeweiligen Modelle stützen deren Annahmen. In dem Spannungsfeld zwischen kategorienbetonenden und individuenzentrierten Ansätzen ist bislang kein eindeutiges Votum für eines der dargestellten Modelle getroffen worden. Vielmehr ergeben sich interessante Möglichkeiten, über die Integration der einzelnen Modelle zur Entwicklung von komplexen Interventionsansätzen zu gelangen (vgl. Klink 1998: 289). Neuere empirische Ergebnisse weisen überdies darauf hin, dass sämtliche oben genannten Bedingungen zwar die positiven Effekte des Intergruppenkontaktes erhöhen, dass diese aber keine notwendigen Bedingungen darstellen (vgl. Pettigrew/Tropp 2006: 766). Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass Kontakte zu Mitgliedern von Fremdgruppen prinzipiell als wesentlich für den Abbau von starren sozialen Kategorien gelten können, wobei der Einfluss freundschaftlicher Kontakte höher einzuschätzen ist (ausführlich vgl. Pettigrew/Tropp 2006; Pettigrew 2007). Der vorliegende Überblick über die insbesondere in der sozialpsychologischen Forschung entwickelten und diskutierten Erklärungsansätze für soziale Einstellungsunterschiede stellt die theoretische Grundlage für die hier präsentierte empirische Untersuchung dar. Basierend auf diesen theoretischen Grundlagen gilt es im Folgenden, das die Untersuchung leitende heuristische Modell zu entwickeln sowie die zu prüfenden Hypothesen zu generieren.

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3 Methodische Anlage der Studie

In den folgenden Kapiteln wird ein Überblick über die verschiedenen Ebenen der für die empirische Untersuchung als relevant erachteten Analyseschritte, die Operationalisierung der Fragestellung, die eingesetzten Instrumente, Methoden und die erhobene Stichprobe angestrebt. In den vorangegangenen Kapiteln wurden theoretische und empirische Arbeiten bzw. Perspektiven aus dem Bereich der sozialpsychologischen (Vorurteils-)Forschung zusammengestellt, die das im Folgenden zu untersuchende Bedingungsgefüge der Ausbildung von Orientierungen betreffen. Sie bilden die Grundlage für die Erstellung des heuristischen Modells, das die empirische Untersuchung leitet. Der Darstellung des heuristischen Modells (Kapitel 3.1) folgt die Beschreibung der eingesetzten Instrumente (Kapitel 3.2.) sowie der Analysemethoden und Stichprobe (Kapitel 3.3).

3.1 Heuristisches Modell und Hypothesen Die vorliegende empirische Studie verfolgt vor allem zwei zentrale Ziele: Zum Ersten gilt es, den relativen Verbreitungsgrad und die Zusammen hänge zwischen den Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zur europäischen Integration einerseits und innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt andererseits zu erfassen und auf ihre gemeinsame Struktur hin zu analysieren. Daran anschließend soll zweitens der Einfluss sozialer Identifikationsprozesse im Wechselverhältnis personaler und sozialer Faktoren untersucht werden. Die Konzeptualisierung der empirischen Untersuchung knüpft an die vorab skizzierten theoretischen Diskurse an und versucht, diese in ein mehrere Ebenen umfassendes analytisches

Modell zu integrieren. Der Frage, ob und inwiefern eine Identifikation mit Europa – Stichwort europäische Identität – auch im Vergleich mit anderen Identifikationsangeboten – Bezug wird hier insbesondere auf die Identifikation mit der eigenen Nation genommen – Einfluss auf die Orientierungen der Schülerinnen und Schüler nimmt, wird besondere analytische Aufmerksamkeit gewidmet.

3.1.1 Heuristisches Modell Die im heuristischen Modell aufgeführten Zusammenhänge schließt direkt an die im ersten Kapitel diskutierten theoretischen Bezüge an. Aufgeführt sind die Merkmalsbereiche: Soziale Ressourcen, Soziale Orientierungen, Intergruppale Kontakte und Soziale Identifikationsprozesse. Abbildung 2 zeigt sämtliche der angenommenen Wirkungszusammenhänge zwischen den abhängigen und unabhängigen Variablen. In der Darstellung wird zwischen direkten und indirekten Effekten unterschieden. Die Kennzeichnung der Pfade (a–j) nimmt Bezug auf die im weiteren Verlauf auszuführenden Annahmen über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Merkmalsbereichen. Ausgangspunkte für die Erstellung des Modells und Gegenstand des ersten Analysebereiches bilden die formale Schulbildung sowie der Bildungsindex der Eltern, im heuristischen Modell unter dem Merkmalsbereich Soziale Ressourcen zusammengefasst. Als abhängige Variablen sind verschiedene Einstellungsdimensionen aufgeführt. Unterschieden werden integrative von separatistischen Überlegungen, wirtschaftliche von kulturellen und von ethischen Assoziationskriterien sowie die Bereitschaft bzw. Nicht-Bereitschaft zu interkulturellen Kontakten und transnationaler Mobilität. Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Einstellungskomponenten, aus denen sich die Orientierungen der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf innergesellschaftliche und zwischenstaatliche kulturelle Heterogenität zusammensetzten, wird im Kapitel 3.2.2 vorgelegt. Zunächst wird die Struktur des Modells vor dem Hintergrund der vorgestellten theoretischen Diskurse und Forschungsbefunde erläutert. 58

Abbildung 2:

Heuristisches Modell zur Analyse der Einstellungen von Schülerinnen und Schülern im Kontext sozialer Identifikation

In einem ersten Schritt geht das heuristische Modell auf den Einfluss von bildungs- und schichtbezogenen Merkmalen ein. Betitelt wurde der Merkmalsbereich mit Soziale Ressourcen. Analog zu den in Kapitel 2.1 und Kapitel 2.2 verhandelten theoretischen Überlegungen wird zunächst davon ausgegangen, dass die Höhe der formalen Schulbildung sowie die Höhe des Bildungsindexes der Eltern einen positiven Einfluss auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit zwischenstaatlicher und innergesellschaftlicher kultureller Vielfalt nehmen (a). Darüber hinaus werden dem direkten Einfluss Sozialer Ressourcen auf die Orientierungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit der innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt verschiedene vermittelte Prozesse gegenübergestellt: Der Einfluss Sozialer Ressourcen wird im Hinblick auf die Sozialen Orientierungen (b) sowie in Hinblick auf die Sozialen Identifikationsprozesse (c) der Schülerinnen

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und Schüler zu überprüfen sein. Den theoretischen Überlegungen entsprechend lässt sich schlussfolgern: Personen, die über eine höhere formale Schulbildung und deren Eltern über einen höheren Bildungsindex verfügen, stehen autoritär-konservativen Bezügen vergleichsweise ablehnender gegenüber. Darüber hinaus sollten diese über ein ausdifferenzierteres soziales Kategoriensystem verfügen. In einem zweiten Schritt geht das heuristische Modell auf den Einfluss Sozialer Orientierungen ein. Im Einzelnen werden der Einfluss Sozialer Orientierungen auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit kultureller Vielfalt (d), der Einfluss Sozialer Orientierungen auf intergruppale Kontakte (e) und der Einfluss Sozialer Orientierungen auf Soziale Identifikationsprozesse (f) berücksichtigt. In Anlehnung an die Überlegungen zur autoritären Persönlichkeit (vgl. Kapitel 2.1) wird erwartet, dass Personen, die autoritär-konservativen Werten gegenüber positiv eingestellt sind, eher bereit sind, sich den gesellschaftlich vorgegebenen Kategorien unterzuordnen bzw. sich und andere einzuordnen, als Personen, die sich durch liberalere Orientierungen auszeichnen. Überdies ist anzunehmen, dass sich Personen mit einer autoritären Orientierung gegen die Tendenz aussprechen, bestehende Konventionen zu verändern. Sie neigen dazu, einmal getroffene Gruppengrenzen verstärkt zu verteidigen. Personen und Gruppen, die als ‚schwächer wahrgenommen werden, dürfte dieser Personenkreis tendenziell ablehnend gegenüberstehen. Gemäß der im Rahmen der Kontakthypothese beschrieben Zusammenhänge (vgl. Kapitel 2.3.3) gilt es, in einem dritten Schritt, nach dem Einfluss von Kontakt und Erfahrung auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zur innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt (g) und dem Einfluss von Kontakten und Erfahrungen auf Soziale Identifikationsprozesse (h) zu fragen. Der Merkmalsbereich wurde mit Intergruppale Kontakte betitelt. Grundlegend wird davon ausgegangen, dass Kontakte zu Mitgliedern von Fremdgruppen – insbesondere wenn es sich um freundschaftliche Kontakte handelt – für den Abbau von starren, festgefahrenen sozialen Kategorien sorgen. Sie vermögen die ursprünglich definierten Gruppengrenzen aufzulösen und 60

rücken neue Kategorisierungsmöglichkeiten und Vergleichsdimensionen in den Vordergrund. Und schließlich geht die Arbeit in einem vierten Schritt auf den Einfluss und die Relationen zwischen nationalen und europäischen Identifikationsbezügen ein (i/j). Der Merkmalsbereich wurde Soziale Identifikationsprozesse genannt. Den theoretischen Überlegungen zum Social Identity Approach folgend wird angenommen (vgl. Kapitel 2.3): Personen, die Teile ihrer sozialen Identität als über ihre nationale Zugehörigkeit vermittelt wahrnehmen, tendieren dazu, sich mit Personen anderer nationaler Zugehörigkeiten zu vergleichen und sich abzugrenzen. Eine positive Identifikation als `Deutscher´ bzw. `Deutsche´ korreliert mit einer ablehnenden Haltung gegenüber Personen anderer nationaler Zugehörigkeiten und führt zu negativen Beurteilungen anderer national(kulturell)er Kollektive. Im Verhältnis zwischen nationalen und europäischen Bezügen ließen sich indes zwei gegenläufige Varianten der Gruppendefinition denken: Einerseits könnte die Identifikation mit Europa mit einer kritischen Haltung gegenüber der eigenen nationalen Zugehörigkeit, die dann als zu beschränkend empfunden wird, einhergehen, andererseits könnte die Zugehörigkeit zu Europa aber auch die Zugehörigkeit zu einer Nation als Kriterium der Gruppenidentifikation einschließen. Eine positive Identifikation mit Europa würde demnach gleichzeitig eine positive Identifikation mit der eigenen nationalen Zugehörigkeit umfassen. Die hier angesprochenen Variationsmöglichkeiten – die Verhältnisse der Zuordnung zu und Abgrenzung von der horizontalen oder vertikalen Anordnung sowie die damit verbundenen negativen oder positiven Konnotationen –, die das Verhältnis zwischen nationaler und europäischer Identität konstituieren, sind in den Analysen zu berücksichtigen. Im Anschluss an die Formulierung der grundlegenden Annahmen gilt es, entlang der einzelnen Merkmalsbereiche auf der Basis der angenommenen Wirkungszusammenhänge, die sich daraus ableitenden Hypothesen, die im Zuge der Auswertung empirischer Daten überprüft werden, zu konkretisieren.

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3.1.2 Hypothesen Sämtliche Hypothesen wurden vor dem Hintergrund des Arbeitsmodells (vgl. Abb. 3.1.1) und mit Blick auf die theoretische Diskussion formuliert. Bezüglich der Orientierungen der Schülerinnen und Schüler werden sowohl auf nationaler Ebene als auch auf transnationaler Ebene integrative von separatistischen Orientierungen sowie wirtschaftliche von kulturellen und ethischen Assoziationskriterien unterschieden. Überdies werden Thesen über den Grad der Bereitschaft zu interkulturellen Kontakten und transnationaler Mobilität diskutiert. Da der Schwerpunkt der Arbeit die Untersuchung und Erklärung der Orientierungen von Jugendlichen im Umgang mit kultureller Vielfalt betrifft, werden lediglich solche Hypothesen gebildet, die sich auf Zusammenhänge zwischen Indikatoren verschiedener Merkmalsbereiche beziehen. Zusammenhänge innerhalb eines Merkmalsbereichs werden zwar im empirischen Teil der Arbeit in den zu berechnenden Modellen spezifiziert, im Folgenden jedoch nicht ausdrücklich berücksichtigt. Der Merkmalsbereich Soziale Ressourcen umfasst die formale Schulbildung der Schülerinnen und Schüler sowie die Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse der Eltern, die unter dem Label Bildungsindex zusammenfasst wurden. Gemäß den theoretischen Überlegungen wirkt der Einfluss Sozialer Ressourcen gleichermaßen auf unterschiedliche Merkmalsbereiche. Neben dem direkten Einfluss Sozialer Ressourcen auf die Orientierungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit der kulturellen Vielfalt wurde der Einfluss Sozialer Ressourcen auf die Sozialen Orientierungen und der Einfluss Sozialer Ressourcen auf Soziale Identifikationsprozesse diskutiert. Bezogen auf die abhängigen Variablen lässt sich schlussfolgern: Je höher die Sozialen Ressourcen einer Person, desto offener ihr Umgang mit kultureller Vielfalt. Im Einzelnen sollten sich die direkten Effekte wie folgt zeigen:

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Hypothese (a1):

Hypothese (a2):

Hypothese (a3):

Je höher die formale Schulbildung und je höher der formale Bildungsindex der Eltern, desto eher stimmen die Schülerinnen und Schüler sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler Ebene integrativen Beziehungskonzepten zu bzw. lehnen separatistische Perspektiven und Haltungen ab. Je höher die formale Schulbildung und je höher der formale Bildungsindex der Eltern, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler an wirtschaftliche Interessen oder kulturelle Bezüge anknüpfende Assoziationskonzepte ab. Je höher die formale Schulbildung und je höher der formale Bildungsindex der Eltern, desto eher sind die Schülerinnen und Schüler bereit, sowohl interkulturelle als auch transnationale Kontakte einzugehen.

Die Sozialen Orientierungen der Schülerinnen und Schüler betreffend lässt sich hypothetisieren, dass abhängig von den Sozialen Ressourcen einer Person das Bedürfnis nach Ein- bzw. Unterordnung unter hierarchieorientierte Werte jeweils ein anderes ist. Konkret lässt sich schlussfolgern: Hypothese (b):

Je höher die formale Bildung und je höher der Bildungsindex der Eltern, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler autoritär-konservative Wertbezüge ab, stimmen für Prozesse, die auf Selbstverwirklichung hin ausgerichtet sind.

Richtet sich der Fokus auf die Sozialen Identifikationsprozesse, so kann angenommen werden, dass die Höhe der formalen Schulbildung und die Höhe des Bildungsindexes der Eltern positiven Einfluss auf das soziale Identitätskonzept einer Person nimmt: Die Motivation, das Selbstkonzept über nationale/ethnische Identifikationsbezüge zu stärken, fällt in diesen Fällen negativ aus. Es lässt sich die Aussage treffen: 63

Hypothese (c):

Je höher die formale Schulbildung und je höher der Bildungsindex der Eltern, desto geringer die Bezugnahme auf nationale bzw. ethnische Identifikationsbezüge.

Der Merkmalsbereich Soziale Orientierungen umfasst verschiedene Werte und Lebensziele, die unterschiedliche Orientierungen repräsentieren sollen. Von besonderem Interesse ist die Unterscheidung zwischen autoritär-konservativen Orientierungen und Einstellungen, die Selbstverwirklichungsprozesse in den Mittelpunkt stellen. Die Annahme lautet: Personen, die autoritären und/oder konservativen Werten gegenüber positiv eingestellt sind, zeigen verstärkt nationalistische bzw. separatistische Einstellungen. Sie sind kaum bereit, Kontakte zu Fremdgruppenmitgliedern einzugehen, und stehen transnationalen Mobilitätsüberlegungen skeptisch gegenüber. In Hinblick auf die abhängigen Variablen kann also formuliert werden: Hypothese (d1):

Hypothese (d2):

Hypothese (d3):

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Je stärker die Identifikation einer Person mit autoritären, konservativen Orientierungen, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler integrative Konzepte ab bzw. plädieren für separatistische Strukturen und/oder für Konzepte, die auf Assimilation beruhen. Je stärker die Identifikation einer Person mit autoritären, konservativen Orientierungen, desto eher stimmen die Schülerinnen und Schüler für wirtschaftliche und kulturelle Assoziationskonzepte, weniger für ethische Konzepte. Je stärker die Identifikation einer Person mit autoritären, konservativen Orientierungen, desto weniger sind die Schülerinnen und Schüler bereit, sowohl interkulturelle als auch transnationale Kontakte einzugehen.

Neben dem Einfluss Sozialer Orientierungen auf die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit kultureller Vielfalt wird weiterhin ihr Einfluss auf die Intergruppalen Kontakte und Sozialen Identifikationsprozesse überprüft. Bezüglich der Intergruppalen Kontakte kann konstatiert werden: Hypothese (e):

Je stärker die Identifikation einer Person mit autoritären, konservativen Einstellungen, desto geringer die Kontakteffekte.

Und schließlich lassen sich Wirkungen auf die Sozialen Identifikationsbezüge annehmen. Die Hypothese lautet: Hypothese (f):

Je stärker die Identifikation einer Person mit autoritären, konservativen Einstellungen, desto stärker die Bezugnahme auf nationale/ethnische Kategorisierungen.

Der Merkmalsbereich Intergruppale Kontakte unterscheidet zwischen zufälligen Kontakten, Auslandserfahrungen und echten Freundschaften. Grundsätzlich liegt der Hypothesenbildung die Annahme zugrunde, dass Kontakt und Erfahrung im Umgang mit Fremdgruppenmitgliedern einen positiven Einfluss zeitigen und der Formulierung negativer sozialer Stereotype entgegenwirken. Im Hinblick auf die abhängigen Variablen sollte sich folglich zeigen: Hypothese (g1):

Hypothese (g2):

Personen, die zu ihrem engen Freundeskreis Personen anderer ethnischer Herkunft zählen, sind sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler Ebene Integrationskonzepten gegenüber positiver eingestellt. Personen, die zu ihrem engen Freundeskreis Personen anderer ethnischer Herkunft zählen, stimmen eher gegen an nationale Interessen gebundene Assoziationskonzepte.

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Hypothese (g3):

Personen, die zu ihrem engen Freundeskreis Personen anderer ethnischer Herkunft zählen, sind eher bereit, sowohl interkulturelle als auch transnationale Kontakte einzugehen.

Was die nationalen Kategorisierungs- bzw. Identifikationsprozesse betrifft, so lassen intensive Kontakte zu Personen anderer nationaler oder ethnischer Herkunft neue Kategorisierungsmöglichkeiten und Vergleichsdimensionen in den Vordergrund treten. Bezüglich des Einflusses Intergruppaler Kontakte auf die Sozialen Identifikationsprozesse lässt sich also konstatieren: Hypothese (h):

Personen, die intensive Kontakte zu Mitgliedern anderer ethnischer Gruppen pflegen, identifizieren sich weniger stark über ihre eigene nationale Zugehörigkeit bzw. über ihre ethnische Gruppe.

Im Merkmalsbereich Soziale Identifikationsprozesse stehen verschiedene (Selbst-)Kategorisierungsprozesse zur Debatte. Unterschieden wird vor allem zwischen nationalen und europäischen Bezügen. Grundständig wird die These vertreten, dass ausgeprägte nationale Bezüge mit separatistischen Orientierungen zusammenhängen. Im Einzelnen lassen sich, bezogen auf die nationalen Identifikationsangebote, folgende Hypothesen annehmen: Hypothese (i1):

Hypothese (i2):

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Je stärker die Identifikation mit der eigenen nationalen Zugehörigkeit bzw. ethnischen Gruppe, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler integrative Konzepte ab bzw. plädieren für separatistische Strukturen. Je stärker die Identifikation mit der eigenen nationalen Zugehörigkeit bzw. ethnischen Gruppe, desto eher stimmen die Schülerinnen und Schüler für an nationale Interessen gebundene Assoziationskonzepte.

Hypothese (i3):

Je stärker die Identifikation mit der eigenen nationalen Zugehörigkeit bzw. ethnischen Gruppe, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler interkulturelle Kontakte ab.

Bezogen auf die Identifikation mit Europa lassen sich verschiedene Annahmen anderer Art treffen. Die Zustimmung zu separatistischen Orientierungen sollte schwächer ausfallen, ebenso die Zustimmung zu den an nationale Interessen gebundenen Assoziationskriterien. In Hinblick auf die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zu interkulturellen Kontakten und transnationaler Mobilität lässt sich abhängig von der Identifikation mit Europa eine positive Kontakt- und Mobilitätsbereitschaft im europäischen Rahmen annehmen. Gegenüber Personen und Ländern, die nicht zu Europa dazu gezählt werden, sollten sich indes ablehnende Haltungen zeigen. Die Hypothesen lauten also: Hypothese(j1):

Hypothese(j2):

Hypothese(j3):

Je stärker die Identifikation mit Europa, desto eher sind die Schülerinnen und Schüler sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler Ebene integrativen Konzepten gegenüber positiver eingestellt. Je stärker die Identifikation mit Europa, desto eher lehnen die Schülerinnen und Schüler die an wirtschaftliche und kulturelle Interessen gebundenen Assoziationskonzepte ab. Je stärker die Identifikation mit Europa, desto höher die Bereitschaft zu interkulturellen Kontakten und transnationaler Mobilität im europäischen Rahmen.

Bei den vorgestellten Hypothesen handelt es sich um die im Rahmen dieser Studie zu überprüfenden zentralen Annahmen. Nachstehend werden die verwendeten Instrumente, die Auswertungsverfahren und die Stichprobe erörtert.

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3.2 Erhebungsinstrumente Eine wesentliche Herausforderung quantitativer Untersuchungen stellt die Operationalisierung der Fragestellung, die Präzisierung der zur Erklärung verwendeten Konzepte und Begriffe und damit einhergehend die Reduktion der sozialen Wirklichkeit auf messbare Zusammenhänge dar. Im Gegensatz zur qualitativen Forschung muss die quantitative Forschung im Vorfeld der Untersuchung Entscheidungen über die Relevanz von Einstellungsbereichen fällen und konkrete Fragen formulieren. Erhoben und beforscht werden also nicht die sich im Alltag präsentierenden Meinungen und Einstellungen, sondern bestimmte, theoretisch konstruierte Zusammenhänge werden auf ihre Aussage- und Erklärungskraft hin untersucht (vgl. Schnell/Hill/Esser 1999: 10 f.; Kromrey 2006: 71 ff.; eine ausführliche Kritik quantitativer Forschung bietet Lamneck 2005: 6 ff.). Im Folgenden werden die für die Analyse relevanten Erhebungsinstrumente, die Instrumente zur Erfassung der unabhängigen Variablen (3.2.1) und abhängigen Variablen (3.2.2) beschrieben.

3.2.1

Instrumente zur Erfassung der unabhängigen Variablen: Soziale Orientierungen, Kontakt und Soziale Identifikationsprozesse

Bei der Entwicklung der verschiedenen Fragebatterien wurde auf verschiedene Untersuchungen aus dem Bereich der Vorurteils-, Jugend- und Europaforschung zurückgegriffen. Für das Forschungsvorhaben geeignete Items wurden übernommen, andere Items entsprechend modifiziert und ergänzend eigene Items entwickelt. Die Beschreibung der Erhebungsinstrumente orientiert sich an den oben vorgestellten Merkmalsbereichen. Im Wortlaut dargestellt werden die Instrumente zur Erhebung sozialer Wertorientierungen, zur Erfassung der Erfahrung der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit dem Ausland bzw. interkulturellen Kontakten und die Instrumente zur Erhebung sozialer Identifikationsprozesse. Es folgt die Darstellung der Instrumente zur Erfassung der Sozialen Orientierungen. 68

Um unterschiedliche charakterliche Dispositionen erfassen und darstellen zu können, wurden die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu verschiedenen Werten und Lebenszielen erhoben. Die Zusammenstellung der Fragebatterie ist eine eigenständige Entwicklung. Als Muster dienten maßgeblich die Untersuchungen des Jugendsurvey des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) (1997, 1993), der Deutschen Shell Jugendstudie (2000) sowie die Studie von Ahlheim/Heger (2000). Im Einzelnen wurden folgende Werte und Lebensziele abgefragt:

Mit den Einstellungen soll ein umfassendes Bild Sozialer Orientierungen aufgezeichnet werden. Auf den Gebrauch einer Autoritarismusskala wurde verzichtet. Autoritarismusskalen reduzieren auf die Analyse der Übernahme oder Ablehnung extrem polarisierender Aussagen. Differenzierte Einordnungen in unterschiedliche Ebenen und Bezüge autoritärer Orientierungen lassen sich nur schwer treffen. Auch zeigt die innere Konsistenz der Skalen oder Fragebatterien eine deutliche Nähe zu vorur69

teilsvollen und antisemitischen Aussagen (vgl. u. a. Seipel/Rippl 1999; Six 1997; Hopf 1987). Ais dem genannten Gründen kam eine Fragebatterie zum Einsatz, die unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte setzt und auf die Erfassung verschiedener Orientierungen abhebt. Die Aufzeichnung autoritärer Bezüge wird ebenso angestrebt wie die Aufzeichnung hedonistischer, familiärer, religiöser, materieller, selbstreflexiver und politischer Orientierungen. Ferner wurden die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer politischen Präferenz befragt. Operationalisiert wurde diese Frage mit Hilfe einer einfachen Selbstkategorisierung auf einer Politik-Skala, die von „rechts“ bis „links“ reicht.

Die Selbsteinordnung auf der Politik-Skala als politisch „rechts“ kann als Indiz zur Überprüfung der Validität der erhobenen Orientierungen behandelt werden. Es wird angenommen, dass Personen, die sich eher „rechts“ einordnen, auch konservativer sind (vgl. Seipl/Rippl/Schmidt 1995; Hill 1993 oder Wilamowitz-Moellendorff 1993). Damit sind die relevanten Instrumente zur Erfassung der Sozialen Orientierungen genannt. Es folgt die Darstellung der Instrumente zur Erfassung der Erfahrungen im Umgang mit kultureller Vielfalt. Kontakte und Erfahrungen im Umgang mit kultureller Vielfalt werden sowohl im Bereich der empirischen Sozialforschung als auch in der interkulturellen Pädagogik als wichtiger Mediator für den vorurteilsfreien Umgang mit sozialer, kultureller und sprachlicher Heterogenität verstanden. In den theoretischen Auseinandersetzungen zur Kontakthypothese werden verschiedene Voraussetzungen und Bedingungen des Kontakts diskutiert. Die Untersuchung unterscheidet zwischen zufälligen Kontakten und echten Freundschaften und Bekannten. Überdies wurden mit Blick auf die transnationale Perspektive der Arbeit zusätzlich die Auslandserfahrungen der Schülerinnen und Schüler erhoben. In Anlehnung an Zick (1997) wurden „zufällige Kontakte“ über die Anwesenheit 70

von Personen `ausländischer Herkunft´ in der Nachbarschaft erhoben. Freundschaftliche Kontakte, Bekanntschaften sowie familiäre Beziehungen zu Personen nicht deutscher Herkunft wurden abgefragt und nach Nationalität differenziert. Konkret wurden die Schülerinnen und Schüler wie folgt befragt:

Die Auslandserfahrungen der Schülerinnen und Schüler wurden ähnlich der Erhebung des Jugend-Euro-Survey (1993) über eine einfache Abfrage der Länder eines Auslandsaufenthaltes erhoben (vgl. Gün 1994; Hess 1994). Im Einzelnen aufgeführt wurden verschiedene südeuropäische, nord- und mitteleuropäische und osteuropäische Länder. Des Weiteren wurden die Schülerinnen und Schüler nach längeren Auslandsaufenthalten gefragt und nach Freunden oder Verwandten, die im Ausland leben.

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Aufgrund des Fragebogenaufbaus können bezüglich der Auslandserfahrungen ebenso zufällige Kontakte von dauerhaften Kontakten differenziert betrachtet werden. Die Identifikation eines Individuums mit einer sozialen Gruppe wurde als entscheidender Faktor für die Einstellungsunterschiede der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit kultureller Heterogenität betrachtet. Mit Blick auf die vorliegende Untersuchung sind zwei Gruppenzugehörigkeiten als relevante (Selbst-)Kategorisierungsgrößen hervorzuheben: die Identifikation mit Deutschland und die Identifikation mit Europa. Zur Erhebung der sozialen Identifikationsprozesse wurden drei verschiedene Fragebatterien konzipiert, die unterschiedliche emotionale Passungen abfragen: einfache Identifikationsbezüge werden von dem Gefühl der Verbundenheit und schließlich der idealisierten Bewertung der eigenen nationalen Identität bzw. der europäischen Identität unterschieden. Erhoben wurde dieser Einstellungsbereich wie folgt:

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In der ersten Fragebatterie wird ermittelt, ob bzw. inwieweit die theoretisch als relevant erachteten Bezugskategorien Deutschland und Europa für die Schülerinnen und Schüler überhaupt eine Rolle spielen und welche Identifikationsangebote überdies als wesentliche Größen betrachtet werden. Neben den nationalen und europäischen Bezügen wurden regionale, globale, religiöse und soziologische Kategorien zur Auswahl gestellt. Die Fragebatterie wurde in Anlehnung an Boos-Nünning/Karakaolu (2005) konzipiert. Der vergleichsweise ‚`neutralen´ Einordnung werden verschiedene wertbezogene Identifikationsprozesse gegenübergestellt. In Anlehnung an die Fragen des Eurobarometers (u. a. 2000, 2001) wurde nach der Stärke des Verbundenheitsgefühls mit Deutschland und Europa, dem Dorf, der Stadt, der Region, dem Bundesland und auch nach dem Nationalstolz und dem Stolz auf die europäische Identität

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gefragt (vgl. auch Rippl 1997).22 Basierend auf Überlegungen, die im Rahmen des Social Identity Approach entwickelt wurden, wird angenommen, dass vor allem die Stärke der (Selbst-)Kategorisierung entscheidende Unterschiede in Bezug auf den Einfluss Sozialer Identifikationsprozesse markiert. Welche Verfahren bei der Überprüfung der Hypothesen zum Einsatz kommen, ist Gegenstand des nachstehenden Kapitels. Vorab sind allerdings die Instrumente, die der Erfassung der Einstellungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit der innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Vielfalt dienen, zu spezifizieren.

3.2.2 Instrumente zur Erfassung der abhängigen Variablen: Einstellungen im Umgang mit kultureller Vielfalt Im Folgenden steht die Operationalisierung der abhängigen Variablen an. Erfasst werden sollen verschiedene Orientierungen im Umgang mit kultureller Vielfalt. Bezug genommen wird dabei sowohl auf die Anforderungen, die die zunehmende kulturelle Vielfalt als Folge weltweiter Migrationsbewegungen an die Schülerinnen und Schüler stellt, als auch auf die Anforderungen, die im Rahmen der europäischen Integration auf sie zukommen. Als ein relevanter Aspekt, der auf den Umgang mit kultureller Vielfalt Einfluss nimmt, wurden die Orientierungen der Schüler und Schülerinnen hinsichtlich der Art und Ziele der Koexistenz verschiedener ethnischer Gruppen in einer Gesellschaft identifiziert (vgl. Nieke 2000; neuer Leiprecht/Kreber 2006).23 Grundlegend unterschieden wurden vor allem zwei Vorstellungen: Integrationsvorstellungen, die auf das gleichberechtigte Miteinander der Mitglieder unterschiedlicher ethnischer Gruppen und auf die Anerkennung verschiedener kulturelle Bezüge abzielen, und Segregationsvorstellungen bzw. Separationsvorstellungen, die auf einer Abgrenzung der Gruppen und ihrer Mitglieder 22 Zum Einfluss von Nationalismus und Patriotismus als Ursache von Fremdenfeindlichkeit siehe Becker/Wagner/Christ 2007; Bornewasser 1999. 23 Zum Zusammenhang zwischen Akkulturationsvorstellungen und Vorurteilen vgl. Zick et al. 2001; Zick/Six 1997.

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basieren (vgl. Berry et al. 1989; Bourhis et al. 1997; Evanoff 2006; Navas et al. 2005, 2007). Operational ergeben sich diese Vorstellungen, so Berry et al., aus der Kombination der Antworten (Ja/Nein) bezüglich zweier unabhängiger Einstellungsdimensionen: –



erstens in Bezug auf die Frage, ob die ethnischen oder kulturellen Bezüge der Mitglieder verschiedener ethnischer Gruppen in einer Gesellschaft als wertvoll erachtet und anerkannt oder zugunsten der Gebräuche und Gewohnheiten der Mehrheitskultur aufgegeben werden sollen, und zweitens in Bezug auf die Frage, ob Kontakte zwischen den Mitgliedern verschiedener ethnischer Gruppen gewünscht oder abgelehnt werden (vgl. dies. 1989).

Ebenso lassen sich vor dem Hintergrund der europäischen Einigung zwei Einstellungsdimensionen ausmachen, die die Vorstellungen von der Art und den Zielen der Koexistenz von Nationalstaaten beeinflussen: –



erstens die Frage, ob die Öffnung der Grenzen und mit ihr der Austausch nationaler Interessen und kultureller Bezüge gewünscht oder abgelehnt wird, und zweitens die Frage, ob Mobilität über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg prinzipiell als wertvoll erachtet wird oder nicht.

Zu nennen sind hier insbesondere integrative Konzepte, welche die Öffnung der Grenzen und den kulturellen Austausch der Nationalstaaten befürworten und transnationale Mobilität wertschätzen; dem gegenüber stehen separatistische Konzeptionen, die die „Öffnung der Grenzen“ innerhalb Europas ablehnen, transnationale Mobilität ausschließen und die eigenen nationalen Identitäten zu bewahren suchen (vgl. Weidenfeld/Piepenschneider 1990; Kohlschmidt 1995; Kaib 1995; Henschel 1999; Henschel/Rappenglück 1997). Unterscheiden lassen sich also sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler Ebene integrative von separatistischen Konzepten entlang der Frage, ob das Zusammenleben von Perso75

nen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit bzw. Kontakte zwischen Staaten gewünscht oder abgelehnt wird. Erweitert wurde die Fragestellung, indem nach den Kriterien gesellschaftlicher bzw. staatlicher Assoziation gefragt wurde. Unterschieden wurden vor allen Dingen wirtschaftliche von kulturellen und ethischen Kriterien entlang der Frage, welche Kriterien zukünftig bei der Einwanderung von Personen bzw. der Aufnahme von Staaten in die Europäische Union Berücksichtigung finden sollten. Und schließlich wurde nach der individuellen Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zu interkulturellen Kontakten bzw. zu transnationaler Mobilität gefragt. Insgesamt werden also jeweils drei Einstellungsbereiche untersucht: –





erstens die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zur Art und zu den Zielen der Koexistenz verschiedener ethnischer Gruppen in einer Gesellschaft bzw. die Frage nach den Modalitäten der Koexistenz von Nationalstaaten, zweitens die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu den Kriterien gesellschaftlicher Assoziation bzw. den Kriterien staatlicher Assoziation, drittens die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf interkulturelle Kontakte bzw. transnationale Mobilität.

Die hier vorgenommene konzeptionelle Trennung entlang der drei Einstellungsbereiche ist eine vorläufige. Erst aus der Kombination der Antworten bezüglich der verschiedenen Einstellungsbereiche sollten sich die konkreten Orientierungen der Schülerinnen und Schüler ableiten lassen. Zuerst gilt es jedoch, die Operationalisierung der einzelnen Einstellungsbereiche, aus denen sich die Orientierungen zusammensetzen, vorzustellen. Es folgt die Darstellung der Instrumente zur Erfassung der Einstellungsbereiche zur innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt: Art und Ziele der Koexistenz verschiedener ethnischer Gruppen, Kriterien gesellschaftlicher Assoziation und interkulturelle Kontaktbereitschaft. Die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zur Art und den Zielen der Koexistenz von ethnischen Gruppen in einer Gesellschaft 76

wurden in Anlehnung an die Arbeit von Dick et al. „Einstellungen zur Akkulturation“ erhoben (dies. 1997; vgl. auch Bourhis et al. 1997). Entsprechend der Forschungsabsicht wurden die Fragen grundsätzlich so modifiziert, dass sie für den Bezugsrahmen Schule geeignet waren. Insgesamt wurden drei Fragebatterien, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte umfassen, entworfen: Die erste Fragebatterie umfasst Aussagen zur Assimilation, Segregation und Integration. Den Bezugshorizont stellt hierbei der Kontext Schule dar. Überdies umfassen die Aussagen neben den konkret an Personen gebundenen Anforderungen auch themenbezogene Schwerpunkte bzw. kulturelle Anforderungen (vgl. Dick et al. 1997). Die erste Fragebatterie umfasst folgende Items:

Die zweite Fragebatterie umfasst ausschließlich Aussagen, die auf Assimilation hinauslaufen. Als Vorlage diente die Untersuchung von BoosNünning/Karakaolu (2005; vgl. auch Wasmer/Koch 2000). Die Fragebatterie zu den Assimilationsanforderungen lautet wie folgt:

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Und schließlich wurde in einem dritten Schritt konkret nach dem Verhältnis zwischen Deutschen und den in Deutschland lebenden `Ausländern´24 gefragt: ob die Anwesenheit von Ausländern als Bereicherung oder Gefahr verstanden und ob eine rechtliche Gleichstellung von Ausländern gewünscht oder abgelehnt wird (vgl. u. a. Noack/Kracke 1995, Deutsche Shell 2000). Im Einzelnen beantworteten die Schülerinnen und Schüler folgende Fragen:

24 Bei der Konstruktion der Einstellungsinstrumente zur innergesellschaftlichen Vielfalt wurde auf eine Vielzahl verschiedener Begriffe zur Beschreibung der relevanten Personengruppen zurückgegriffen. Zum Teil wurde auf den Status (Ausländer), zum Teil auf den ethnischen, kulturellen oder sprachlichen Hintergrund der Personen Bezug genommen, auch wenn dadurch jeweils nur ein kleiner Kreis der gemeinten Gruppe konkret benannt wurde. Auf eine einheitliche Begriffswahl wurde verzichtet. Dies hat den Vorteil, dass sämtliche Facetten des Themas in Anschlag gebracht werden konnten.

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Damit sind die Instrumente zur Erfassung der Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zur Art und den Zielen der Koexistenz verschiedener ethnischer Gruppen in einer Gesellschaft genannt. Es folgt die Operationalisierung der Items zu den Kriterien gesellschaftlicher Assoziation. Die Kriterien zur gesellschaftlichen Assoziation umfassen verschiedene ethische Überlegungen, wirtschaftliche Interessen und kulturelle Auswahlkriterien. Die erste Fragebatterie fragt nach den Motiven, nach welchen die Aufnahme von Personen in Deutschland grundsätzlich möglich sein sollte. Vorgelegt sind Unterdrückung, Arbeitslosigkeit, Umweltkatastrophen, Krieg, Studienaufenthalt und familiäre Wurzeln. Die Zustimmung zu den Motiven für die Einwanderung von Personen nach Deutschland wurde folgendermaßen abgefragt:

Die zweite Fragebatterie fragt nach den Kriterien für zukünftige Einwanderung. Als Auswahlkriterien werden genannt: die finanzielle Lage einer Person, ihre religiöse Zugehörigkeit, ihre Kultur und Mentalität, ihr Bildungs- und Ausbildungsabschluss, ihr Nutzen für die deutsche Wirtschaft, ihre Remigrationsbereitschaft, ihre Sprachbeherrschung, ihre Assimilationsbereitschaft und möglichst ähnliches Aussehen. Eine konkrete Vorlage zur Erstellung der Fragebatterien gab es nicht. Die Zustimmung zu den Kriterien für die Einwanderung von Personen nach Deutschland wurde wie folgt erfasst:

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Mit Hilfe der Fragebatterien sollte es möglich sein, die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Nähe zu wirtschaftlichen, kulturellen oder ethischen Bezügen zu differenzieren. Der Darstellung der Instrumente zur Erfassung der Kriterien gesellschaftlicher Assoziation folgt die Darstellung der Instrumente zur Erfassung der Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zu interkulturellen Kontakten. Die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler zu interkulturellen Kontakten wurde über zwei Fragebatterien erhoben. Differenziert wird zwischen der Qualität der Kontakte und der Herkunft der am Kontakt beteiligten Personen. Die erste Fragebatterie differenziert verschiedene Kontaktformen wie Nachbarschaft, Freundschaft, gemeinsames Arbeiten, Jugendaustausch oder Ehe (vgl. Fröhlich/Müller 1995).

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Die zweite Fragebatterie erfragt, ähnlich dem Feeling-Thermometer (vgl. u. a. Zick 1997), die Bereitschaft, Freundschaften mit Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft einzugehen. Aufgeführt sind verschiedene europäische Bezüge sowie diverse amerikanische, afrikanische und asiatische Bezüge. Die Ansichten der Schülerinnen und Schüler wurden wie folgt erhoben:

Damit sind die relevanten Instrumente zur Erfassung der Einstellungen zur innergesellschaftlichen kulturellen Vielfalt genannt. Es folgt die Darstellung der Instrumente im Kontext transnationaler Überlegungen.

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Parallel zur Frage nach der Art der Koexistenz ethnischer Gruppen stellt sich im Zusammenhang mit der zwischenstaatlichen kulturellen Vielfalt die Frage nach den Modalitäten und dem Ziel der Koexistenz von Nationalstaaten. Als Bezugshorizont dient die europäische Integration. Unterschieden werden integrative von separatistischen Konzeptionen entlang der Frage, ob die „Öffnung der Grenzen“ innerhalb Europas von den Schülerinnen und Schülern eher gewünscht oder abgelehnt wird (vgl. auch Piepenschneider 1993). Angeregt durch die Ergebnisse der qualitativen Studie von Henschel (1993) und vor dem Hintergrund der EurobarometerUmfragen (vgl. 2000, 2001) sowie der Untersuchung von Noack/Kracke (1995) wurden den Schülerinnen und Schüler in einer ersten Fragebatterie neben allgemeinen Aussagen zur Öffnung der Grenzen, verschiedenen Items zu Aspekten der Grenzöffnung, wie der Reise und Niederlassungsfreiheit, sowie den damit verbundenen Risiken vorgelegt. Die Operationalisierung für die Einstellungen zur Art und den Zielen der Koexistenz von Nationalstaaten ist mit folgenden Items gegeben:

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Die Einstellungen zu den Kriterien staatlicher Assoziationen wurden über die Motive und Kriterien für den Beitritt von Staaten in die Europäische Union operationalisiert. Im Wesentlichen wurden ethische, kulturelle und wirtschaftliche Kriterien erfasst. Die konkrete Gestaltung der Fragebatterie wurde analog der Fragebatterie zu den Kriterien gesellschaftlicher Assoziation gestaltet. Um die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu ihren staatlichen Assoziationskonzepten zu eruieren, sollten folgende Aussagen bewertet werden:

Und schließlich wurde die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, über nationale Grenzen hinaus mobil zu sein, gemeinsam mit der Zustimmung bzw. Ablehnung interkultureller Kontakte operationalisiert. Unterschieden wurden Aussagen zur allgemeinen Mobilitätsbereitschaft von Aussagen, die die Mobilitätsbereitschaft der Schülerinnen und Schü83

ler differenziert nach Ländern bzw. Ländergruppen thematisiert. Die erste Fragebatterie umfasst neben verschiedenen Gründen dafür, sich im Ausland aufzuhalten, auch Fragen nach der Bereitschaft zu verschiedenen Arten von Kontakten zu Personen im Ausland (vgl. u. a. Henschel 1997). Im Einzelnen wurden die Schülerinnen und Schüler wie folgt befragt:

Die zweite Fragebatterie erfasst differenziert nach Ländern bzw. Ländergruppen die Bereitschaft zu einem Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Jugendaustausches. Vergleichbare Fragen finden sich auch im JugendEuroSurvey (1993). Die Instruktion zu dem Satz von Items lautet:

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Die vorgelegten Fragen bilden die Grundlage für die Analyse der Orientierungen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit kultureller Vielfalt, die in Kapitel 4.1 erfolgt. Nachstehend werden die für die Analyse der Orientierungen eingesetzten Methoden und die erhobene Stichprobe beschrieben und erklärt.

3.3 Analysemethoden und Stichprobe Bei jeder empirischen Untersuchung stellt sich die Frage nach der Qualität des Messvorgangs, die den Untersuchungserfolg und die Aussagefähigkeit der Ergebnisse entscheidend beeinflusst. Messungen werde u.a. 85

für die Überprüfung von Theorien verwendet. Die Messergebnisse sind die Kriterien, anhand derer über Beibehaltung oder Verwerfung von Theorien entschieden wird. Unter sonst gleichen Bedingungen sind Entscheidungen umso besser, je präziser die Informationen sind, auf denen sie beruhen. Der Wunsch, möglichst genaue Informationen zu erhalten, führt zur Forderung nach möglichst präzisen „Messungen“. In diesem Kapitel werden daher zunächst die Gütekriterien der Messung sowie die für die Analyse relevanten Verfahren der Datenanalyse (3.3.1), anschließend das Auswahlverfahren und die erhobene Stichprobe (3.3.2) beschrieben.

3.3.1 Gütekriterien der Messung Mit der Quantifizierung von relevanten Untersuchungsmerkmalen bei Fragebögen, Tests oder Beobachtungen wird in der Forschung das Ziel verfolgt, die Vergleichbarkeit von Daten sicher zu stellen und sie statistischen Auswertungsverfahren im Hinblick auf mögliche Vergleiche und Abhängigkeiten zugänglich zu machen. Mit der Transformation in quantitative Größen wird auch ein Rationalisierungseffekt angestrebt, da auf diese Weise auch umfangreiches Datenmaterial auf seinen Kern reduziert werden kann. Um die hierfür erforderliche Vergleichbarkeit überprüfen zu können, wurden verschiedene Gütekriterien entwickelt. Als Hauptkriterien zu nennen sind die Objektivität, die Reliabilität und die Validität (vgl. Schnell/Hill/Esser 1999: 143ff.; Kromrey 2006: 405ff.). Die Objektivität beschreibt das Ausmaß, in dem ein Untersuchungsergebnis in Durchführung, Auswertung und Interpretation weitgehendstes unbeeinflusst bleibt. Neben der Einflussnahme individueller Deutungen bei der Auswertung und Interpretation der Daten gilt das besondere Augenmerk der Erhebung der Daten. Es wird eine maximale Standardisierung der Testsituation und eine minimale soziale Interaktion zwischen der den Test durchführenden und der den Test ausführenden Person gefordert. In der vorliegenden Untersuchung rücken insbesondere die Rahmenbedingungen für die Erhebung der Daten in den Vordergrund 86

des Interesses. Zur Diskussion stehen die Auswahl der Städte, die Wahl der Schulformen und Schulen, die Erhebungssituation sowie die Ausfälle (ausführlich siehe Kapitel 3.3.2). Die Reliabilität gibt die Zuverlässigkeit einer Messmethode an. Eine Untersuchung wird als reliabel bezeichnet, wenn es bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen und an denselben Gegenständen zu demselben Ergebnis kommt. Die Reliabilität einer Messung kann wiederum mit verschiedenen Methoden eingeschätzt werden (vgl. Schnell/Hill/Esser 1999: 145f.). Im vorliegenden Fall wurde die Zuverlässigkeit nach der Methode der inneren Konsistenz berechnet. Die Maße der inneren Konsistenz geben an, in welchem Umfang alle Einzelindikatoren dasselbe Konstrukt messen. Zum Einsatz kam Cronbachs Alpha. In Anlehnung an Rost wurde ein empirischer Wert von über .55 als akzeptabel betrachtet (ders. 2005: 132). Eine ausführliche Darstellung der Reliabilitätsmaße findet sich jeweils am Ende der Untersuchungssicherung eines Einstellungsbereichs (siehe Kapitel 4.1 und 4.2). Die Validität (Gültigkeit) ist das wichtigste Testgütekriterium, denn es gibt den Grad der Genauigkeit an, mit dem eine Untersuchung das erfasst, was sie erfassen soll25. Grundlegend wird die Überprüfung der Gültigkeit eines Messinstrumentes mithilfe der Korrelation mit einem Außenkriterium vorgenommen. Unterschieden werden vor allem drei Formen der Validität: Inhaltsvalidität, Kriteriumsvalidität und Konstruktvalidität (vgl. Schnell/Hill/Esser 1999: 149): Die Inhaltsvalidität hängt eng mit der Operationalisierung der Fragestellung zusammen. Ihr Ziel ist es möglichst alle Aspekte einer Dimension zu berücksichtigen. Die Kriteriumsvalidität bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen den empirisch gemessenen Ergebnissen des vorliegenden Messinstrumentes mit einem externen Instrument, das als valide gilt (kritisch Weggener 1983: 95ff.). Konstruktvalidität liegt vor, wenn aus dem Konstrukt empirisch überprüfbare Aussagen über Zusammenhänge dieses Konstrukts mit anderen Konstrukten theoretisch hergeleitet werden können und sich diese Zusammenhänge auch empirisch nachweisen lassen (aus-

25 Zur Gültigkeit von Befragungen ausführlich Kromrey 2006: 407f.

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führlich Schnell/Hill/Esser 1999: 149ff.). Neben der Operationalisierung der Fragestellung stellt also die Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit anderen schon „gängigen“ Messmethoden die Basis für die Beurteilung der Validität der Untersuchung dar. Wie in Kapitel 3.2.1 und 3.2.2 ausführlich dargestellt, wurde bei der Operationalisierung der Fragestellung u.a. auch auf schon bewährte Konstrukte zurückgegriffen. Diese stellen bei der Beurteilung der (Kriteriums-)Validität, neben der Überprüfung der Ergebnisse im Rückbezug auf die theoretische Diskussion, einen Eckpfeiler der Untersuchung. Der Beschreibung der Gütekriterien der Messung folgt die Darstellung der angewandten Auswertungsmethoden.

3.3.2 Auswertungsmethoden Die Beschreibung der angewandten Auswertungsmethoden orientiert sich an den konkreten Analyseschritten. Um die zentralen Forschungsfragen zu bearbeiten, galt es in einem ersten Schritt, die jeweils ausschlaggebenden Komponenten eines Einstellungsbereichs zu ermitteln – möglich ist dies unter Einsatz der Faktorenanalyse (Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse/Rotationsmethode: Varimax mit Kaisernormalisierung). Diese Form der Datenbearbeitung dient der Analyse von Beziehungen zwischen verschiedenen untereinander nicht gerichteten Variablen. Ziel der Faktorenanalyse ist es, solche Faktoren zu ermitteln, die die beobachteten Zusammenhänge zwischen den gegebenen Variablen möglichst vollständig erklären. Dabei werden diejenigen Variablen, die stark korrelieren, zu einem Faktor zusammengefasst, Variablen aus verschiedenen Faktorbereichen sollten dementgegen kaum korrelieren (vgl. u. a. Clauß 1999: 311; Bühl/Zöfel 2005: 465). Ausgangpunkt der Faktorenanalyse sind die vom Datenniveau abhängigen Korrelationskoeffizienten, die Korrelationsmatrix. Zu den Problemen der Faktorenanalyse zählt u. a. die Interpretation der Faktoren. Als Empfehlung für die Interpretation gilt:

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„1. Ein Faktor kann interpretiert werden, wenn mindestens 4 Variablen eine Ladung über 0,60 aufweisen. Die am höchsten ladenden Variablen sind die Markiervariablen für die Interpretation. 2. Ein Faktor kann interpretiert werden, wenn mindestens 10 Variablen Ladungen über 0,40 haben. 3. Haben weniger als 10 Variablen eine Ladung von 0,40, dann sollte nur interpretiert werden, wenn die Stichprobe aus mindestens 300 Versuchspersonen bestand. 4. Haben weniger als 10 Variablen eine Ladung von 0,40 und ist der Stichprobenumfang kleiner als 300, muß mit zufälligen Ladungsstrukturen gerechnet werden“ (Guadagnoli/Velicer zit. nach Clauß 1999: 322).

Im vorliegenden Fall wurden vorerst jeweils sämtliche Faktoren ausgewiesen, deren Eigenwert über 1 liegt.26 Bei der Rotationsmethode wurde auf das Prinzip der maximalen Varianz nach Kaiser zurückgegriffen. Angesichts des Umfangs der Befragung wurden für die Interpretation der Faktoren all jene Variablen herangezogen, deren Faktorenladungen über .40 liegen. Generell wurde darauf geachtet, welche Variablen negative bzw. Nullladungen innerhalb eines Faktors aufweisen und in welchem inhaltlichen Verhältnis diese zu den so genannten Markierungsvariablen stehen. Zur Überprüfung der statistischen Haltbarkeit wurden die für eine Dimension als relevant identifizierten Items in einem zweiten Schritt auf ihre Reliabilität bzw. Zuverlässigkeit hin überprüft. Zum Hypothesentesten wird neben einfachen Mittelwertvergleichen und bivariaten Korrelationsanalysen auch auf regressionsanalytische Verfahren zurückgegriffen. Ziel der Regressionsanalyse ist es, den Einfluss einer oder mehreren unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable festzustellen (vgl. Kromrey 2006: 490 ff.). Unter Zuhilfenahme multipler Regressionsanalysen kann beispielsweise getestet werden, auf welche der im heuristischen Modell aufgeführten Einflussgrößen verzichtet werden kann. Im Folgenden werden die grundlegenden Gedanken zu linearen Regressionsanalysen beschrieben. Bei einem linearen 26 In der Höhe der Eigenwerte drückt sich aus, in welcher Annäherung man mit einer bestimmten Zahl von Faktorendimensionen den ursprünglichen Datenkörper reproduzieren kann (vgl. Selg/Klapprott/Kamenz 1992: 160).

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Regressionsmodell werden die Werte der abhängigen Variablen jedes einzelnen Falles als Summe aus einer Konstanten und der mit einem Regressionskoeffizienten gewichteten unabhängigen Variablen vorhergesagt. Es gilt, eine Gleichung zu finden, die den linearen Zusammenhang zwischen der abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen bestmöglich erklärt. Ausgedrückt wird der Zusammenhang, d. h. der Anteil der erklärten Varianz einer Regression durch den Determinationskoeffizienten R². R-Quadrat ist das Maß für die Güte der Anpassung durch die Regressionsgerade und immer zwischen 0 und 1 gelegen. Die Absicherung gegen 0 erfolgt über die Prüfgröße F und das zugeordnete Signifikanzniveau (ausführlich s. u.). Unterscheidet sich R² deutlich von 0, kann der Regressionskoeffizient inhaltlich interpretiert werden. Grundsätzlich stellt sich, bei allen analytischen Verfahren, die Frage nach der Irrtumswahrscheinlichkeit. Diese prüft, mit welcher Wahrscheinlichkeit die beobachteten Effekte lediglich zufällig zustande gekommen sind. Verfahren, die der Beantwortung derartiger Fragen dienen, werden Signifikanztests genannt. Bei Signifikanztests handelt es sich um Verfahren, die aus den gegebenen Stichprobenwerten bzw. den daraus resultierenden Kennwerten nach bestimmten Verteilungsformeln, abhängig vom Skalenniveau und dem Analyseverfahren, so genannte Prüfgrößen berechnen (Bühl/Zöfel 2005: 113). Unterschieden werden u. a. t-Verteilungen, F-Verteilungen und ²-Verteilungen. Die Wahrscheinlichkeit selbst wird als Größe zwischen 0 und 1 angeben und mit p gekennzeichnet. Aussagen, die mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p