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German Pages 194 Year 2007
Ursula Christine Loisch Organisationskultur als Einflussgröße der Export Performance
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Internationalisierung und Management Herausgegeben von Professor Dr. Hans A. Wüthrich
Die Schriftenreihe präsentiert Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung zu den Themengebieten Internationalisierung und Management. Im verbindenden Diskurs zwischen Theorie und Praxis verfolgt die Reihe das Ziel, Organisationen praxisnahe Lösungsansätze zu aktuellen Managementherausforderungen bereitzustellen und gleichzeitig einen Beitrag zur theoretischen Fundierung von Fragestellungen der Führungspraxis, nicht zuletzt im internationalen Kontext, zu leisten.
Ursula Christine Loisch
Organisationskultur als Einflussgröße der Export Performance Eine empirische Analyse im Kontext von Klein- und Mittelunternehmen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Helmut Kasper
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Wirtschaftsuniversität Wien, 2006 Gedruckt mit Unterstützung durch die Österreichische Forschungsgemeinschaft.
1. Auflage September 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Brich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0812-0
Geleitwort Zwei der zentralen Objektbereiche des Instituts Change Management und Management Development der Wirtschaftsuniversität Wien greift Frau Dr. Ursula Christine Loisch in ihrer Dissertationsschrift heraus: Organisationskultur und Exportperformance der klein- und mittelständischen Wirtschaft. Die Forschungsfrage „Welchen Einfluss haben organisationskulturbedingte Merkmale auf die Export Performance von österreichischen Klein- und Mittelunternehmen?“ hat sowohl hohe praktische als auch empirische Relevanz. Dies gleich aus mehreren Gründen: Zum einen werden Volkswirtschaften zum großen Teil von der klein- und mittelbetrieblichen Struktur getragen und ihr Boomen ist wesentlich von der Exportleistung dieser Betriebe abhängig. Ökonomisch und technisch weit entwickelte Länder mit hohem Lohnniveau sind darauf angewiesen, ihre hochwertigen und schwer zu substituierenden Produkte und Dienstleistungen weltweit zu exportieren. Für große Unternehmen ist dies seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit, nicht jedoch für kleinere und mittlere Unternehmen, denen vielfach das Knowhow fehlt, fremde europäische oder gar außereuropäische Märkte zu bedienen. Dabei sind über 90% aller Unternehmen in den europäischen Ländern – und dies gilt auch für Österreich – zu den kleineren und mittleren Betrieben zu zählen, die über 2/3 der Arbeitskräfte beschäftigen und damit oft das Rückgrad ganzer Volkswirtschaften darstellen. Export ist für diese kleineren und mittleren Unternehmen eine Frage des Überlebens. Zum anderen wird der „Organisationskultur“ seit über einem Vierteljahrhundert in Theorie und Praxis ein hoher Stellenwert hinsichtlich des Lebens in Organisationen und ihrer Positionierung zum „Markt“ zugeschrieben. Die Ausprägungsformen von Organisationskultur haben differenzierte Auswirkungen auf die jeweiligen Unternehmungen. Das ist gesichertes Wissen. Was unsicher ist: Welche Auswirkungen haben die Phänomene der Organisationskultur auf die Performance und wie kann Organisationskultur empirisch erkundet und beeinflusst werden? Die Schwachpunkte der Organisationskulturforschung liegen nach wie vor in der Dominanz holistischer Konzepte und vor allem in den empirischen Methoden. Im Sinne eines Variablenansatzes und damit innerhalb des funktionalistischen Paradigmas beschränken sie sich auf das Abfragen von so genannten organisationskulturellen Aspekten. Dabei kommt es lediglich zur Sammlung von Merkmalen der „Organisationsoberflächen“. Die „Tiefenstrukturen“ des Lebens in Organisationen werden aber nicht einmal tangiert. Oder das empirische Forschen ist ein sehr mühsames und intersubjektives Entziffern von organisationskulturellen Mustern in Richtung „Be-Deutung“ von Aussagen der interviewten Organisationsmitglieder auf der Basis der qualitativen empirischen Sozialforschung.
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Geleitwort
Zwischen diesen Fronten siedelt die Autorin den wohl bekanntesten Modellansatz, das DreiEbenen-Modell von Edgar Schein an, der ihrer Schrift die theoretische Basis bietet. Sie geht über Schein hinaus und fundiert ihre Studie mit dem Konzept von Denison, der durch die Entwicklung seines „Organizational Culture Survey“ und weltweiten Untersuchungen besondere Beachtung gefunden hat. Die Ergebnisse werden nachvollziehbar und klar präsentiert, um daraus Konsequenzen für die Wissenschaft und für das Exportmanagement von klein- und mittelständischen Betrieben abzuleiten. Frau Dr. Loisch liefert damit eine der raren Studien, die Organisationskultur als eine Determinante harter ökonomischer Daten – hier der Exportquote – empirisch untersuchen. Kein Zweifel: die Lektüre des vorliegenden Werkes bietet Stoff für nachhaltigen Wissensgewinn. Zu wünschen bleibt ein großes Leseinteresse in Wissenschaft und Wirtschaft. Prof. Dr. Helmut Kasper
Vorwort Because we are of our own culture, it is difficult for us, researchers and managers alike, to both live in our cultural context and question it. It is difficult to engage in contextual, reflexive management and research with the requirement of examination and critique of one’s own assumptions and values. It is difficult; but that is what a cultural framework for management and research urges us to do. (Linda Smircich, University of Massachusetts Amherst) Die Frage, ob die Export Performance von Klein- und Mittelunternehmen von bis dato wenig untersuchten nicht-betriebswirtschaftlichen Einflussgrößen determiniert wird, war Ausgangspunkt der vorliegenden Dissertationsschrift. Forschung und Praxis fordern Antworten auf diese Fragen, mit dem berechtigten Wunsch, dass derartige Untersuchungen überlegt angestellt werden. Die Reflexion der eigenen Arbeit ist demnach erforderlich, dennoch beeinflussen immer auch eigene Annahmen und Werte das aktuelle Forschungsvorhaben. Dass gerade auch die Werte von Unternehmen dazu führen, dass eine Organisation eine bessere Export Performance vorweist als eine andere, zeigt – Werte wirken. Die Dissertationszeit war geprägt von Werten, die der Unternehmen und meiner eigenen. Die Auseinandersetzung damit ist das Spannende und zugleich Lohnende, was aus ihr resultiert. Die vorliegende Dissertation widme ich meinen Eltern – sie haben mir stets die Freiräume geschaffen, meinen eigenen Weg zu gehen. Dafür möchte ich ihnen von Herzen danken. Für die wertvolle Unterstützung in vielen Phasen der Dissertation sowie während des Publikationsprozesses möchte ich mich des Weiteren bedanken bei: Meinen Dissertationsbetreuern Univ.-Prof. Dr. Helmut Kasper (Institut für Change Management und Management Development), Univ.-Prof. Dr. Lutz von Rosenstiel (Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München und Institut für Change Management und Management Development) und Univ.-Prof. Dr. Hans A. Wüthrich (Universität der Bundeswehr München) sowie Martin Schreier (Institut für Entrepreneurship und Innovation), Gerhard Furtmüller, Monika Heinrich, Jürgen Mühlbacher, Barbara Müller, Angelika Schmidt und Martha Schöberl (Meine KollegInnen am Institut für Change Management und Management Development, WU Wien) und Andreas Schild (Diplomand am Institut für Change Management und Management Development) Ursula Christine Loisch
Inhaltsverzeichnis Geleitwort.................................................................................................................................. V Vorwort .................................................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis.....................................................................................................................IX Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... XIII Tabellenverzeichnis................................................................................................................ XV 1. Einleitung ............................................................................................................................... 1 1.1 Hintergrund der Arbeit und Zielsetzung .......................................................................... 1 1.2 Aufbau der Arbeit............................................................................................................. 3 2. Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses....................................... 5 2.1 Definitionen von Internationalisierung ............................................................................ 5 2.2 Internationalisierungsentscheidungen .............................................................................. 6 2.3 Ursachen der Internationalisierung bei Klein- und Mittelunternehmen........................... 7 2.3.1 Einflussfaktoren der Internationalisierung .............................................................. 7 2.3.2 Einstellungen betreffend Internationalisierung ..................................................... 16 2.3.3 Stimuli der Internationalisierung........................................................................... 18 2.4 Entscheidungsverläufe der Internationalisierung ........................................................... 21 2.5 Arten der Internationalisierung ...................................................................................... 23 2.5.1 Definitionen und Arten von Export....................................................................... 25 2.5.2 Phasenmodelle des Exports................................................................................... 27 2.5.3 Erklärungsansätze und Definitionen von Export Performance ............................. 29 3. Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit.................................................... 33 4. Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur ............................................................. 43 4.1 Zur Entstehung des Konzeptes und Stand der Forschung.............................................. 43 4.2 Definitionen, Charakteristika und Konsequenzen von Organisationskultur.................. 51 4.2.1 Definitionen von Organisationskultur................................................................... 51 4.2.2 Charakteristika von Organisationskultur............................................................... 52 4.2.3 Konsequenzen von Organisationskultur................................................................ 54 4.3 Die Paradigmendiskussion im Rahmen der Organisationskulturforschung................... 59 4.3.1 Social Fact Paradigma versus Social Constructionist Paradigma ......................... 64 4.3.2 Interventionisten versus Kulturalisten................................................................... 68 4.3.3 Variablenansatz versus Metapheransatz................................................................ 68 4.3.4 Kritische Würdigung der Paradigmen in der Organisationskulturforschung........ 72 4.4 Perspektiven von Organisationskultur ........................................................................... 76
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Inhaltsverzeichnis 4.5 In between: Forschung zwischen angestammten Paradigmen ....................................... 80 4.6 Theoretisches Modell: Das Kulturmodell nach Schein.................................................. 82 4.6.1 Grundannahmen .................................................................................................... 83 4.6.2 Werte ..................................................................................................................... 85 4.6.3 Artefakte................................................................................................................ 90 4.6.4 Extern gerichtete Aufgaben von Organisationskultur........................................... 92 4.6.5 Intern gerichtete Aufgaben von Organisationskultur ............................................ 94 4.7 Konzeptualisierung und Operationalisierung von bekundeten Werten: Das Modell von Denison................................................................................................ 98 4.7.1 Entstehung und Entwicklung des Modells ............................................................ 99 4.7.2 Organisationskulturbedingte Merkmale – The Four Cultural Traits................... 102 4.7.3 Charakteristika der Adaptability ......................................................................... 104 4.7.4 Charakteristika der Mission ................................................................................ 106 4.7.5 Charakteristika der Consistency.......................................................................... 111 4.7.6 Charakteristika des Involvements ....................................................................... 113 4.7.7 Die organisationskulturbedingten Merkmale im Spannungsfeld von internem und externem Fokus...................................................................... 116 4.7.8 Begründung der Auswahl des Modells von Denison .......................................... 117
5. Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale ........... 121 5.1 Die Forschungsfrage .................................................................................................... 121 5.2 Theoretische Erklärungsansätze zum Einfluss der organisationskulturbedingten Merkmale auf die Export Performance........................................................................ 121 5.2.1 Adaptability......................................................................................................... 124 5.2.2 Mission ................................................................................................................ 126 5.2.3 Consistency ......................................................................................................... 127 5.2.4 Involvement......................................................................................................... 129 5.2.5 Überblick über die entwickelten Hypothesen ..................................................... 131 6. Methodik ............................................................................................................................ 133 6.1 Operationalisierung ...................................................................................................... 133 6.1.1 Messung der Export Performance ....................................................................... 133 6.1.2 Messung der organisationskulturbedingten Merkmale ....................................... 136 6.2 Sample.......................................................................................................................... 137 6.3 Untersuchungssetting ................................................................................................... 139 6.4 Überprüfung der Eignung der Methodik...................................................................... 140 6.4.1 Methodischer Hintergrund .................................................................................. 141 6.4.2 Prüfung der latenten Konstruktmessung im Rahmen der Untersuchung ............ 143 7. Ergebnisse der Erhebung.................................................................................................... 147
Inhaltsverzeichnis
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7.1 Beschreibung des Samples ........................................................................................... 147 7.2 Beschreibung der Exportquote (abhängige Variable) .................................................. 151 7.3 Analyse der organisationskulturbedingten Merkmale (unabhängige Variablen)......... 151 7.4 Analyse des Zusammenhangs zwischen Exportquote und organisationskulturbedingten Merkmalen (bivariate Korrelationsanalysen) ............... 153 7.5 Erklärung der Exportquote durch die organisationskulturbedingten Merkmale (multiple Regressionsanalysen).................................................................. 154 7.6 Zusammenfassung der Ergebnisse und Implikationen für das Management............... 158 7.7 Limitationen und zukünftige Forschung ...................................................................... 161 8. Zusammenfassung.............................................................................................................. 165 Literaturverzeichnis................................................................................................................ 167
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kapitelüberblick................................................................................................... 4 Abbildung 2: Einflussfaktoren der Internationalisierung........................................................... 8 Abbildung 3: Motive und Ziele des Unternehmenswachstums ............................................... 13 Abbildung 4: Arten der Internationalisierung .......................................................................... 23 Abbildung 5: Paradigmen der Organisationstheorie ................................................................ 61 Abbildung 6: Führung als unselbstständiger Teil von Organisationskultur............................. 64 Abbildung 7: Originäre und derivative Lebenswelt in analytischer Betrachtung.................... 66 Abbildung 8: Levels of culture................................................................................................. 83 Abbildung 9: Firmenfallstudien ............................................................................................. 100 Abbildung 10: Model of Cultural Traits ................................................................................ 102 Abbildung 11: Überblick über die generierten Hypothesen................................................... 131 Abbildung 12: Möglichkeiten zur Ermittlung der Export Performance ................................ 133 Abbildung 13: Untersuchungssetting ..................................................................................... 139 Abbildung 14: Ausbildung der Befragten .............................................................................. 147 Abbildung 15: Funktion der Befragten .................................................................................. 148 Abbildung 16: Zugehörigkeitsdauer....................................................................................... 148 Abbildung 17: Alter der Organisationen................................................................................ 149 Abbildung 18: Regionale Verteilung des Samples ................................................................ 150 Abbildung 19: Überblick über die angenommenen/abgelehnten Hypothesen....................... 155
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick über die Ziele der Internationalisierung ................................................. 14 Tabelle 2: Variablen des Interstratos Modells.......................................................................... 15 Tabelle 3: Klassifikation der Exportstimuli ............................................................................. 19 Tabelle 4: Parameter im Kontext des Entscheidungsprozesses ............................................... 22 Tabelle 5: Gegenüberstellung indirekter versus direkter Export ............................................. 26 Tabelle 6: Phasenmodell des Exports....................................................................................... 28 Tabelle 7: Empirische Untersuchungen zur Export Performance ............................................ 32 Tabelle 8: KMU Definition nach EU ....................................................................................... 35 Tabelle 9: Aufstellung KMU Österreich und EU-19 ............................................................... 35 Tabelle 10: Aufstellung der Beschäftigten in KMU Österreich und EU-19 ............................ 35 Tabelle 11: Definitionen von Organisationskultur................................................................... 52 Tabelle 12: Charakteristika von Organisationskultur............................................................... 54 Tabelle 13: Paradigmen in der Organisationskulturforschung................................................. 62 Tabelle 14: Gegenüberstellung von Variablen- und Metaphernansatz .................................... 71 Tabelle 15: Perspektivendarstellung von Organisationskultur................................................. 76 Tabelle 16: Medien der symbolischen Vermittlung................................................................. 91 Tabelle 17: Externe Aufgaben von Organisationskultur.......................................................... 94 Tabelle 18: Interne Aufgaben von Organisationskultur........................................................... 96 Tabelle 19: Die vier organisationskulturbedingten Merkmale............................................... 104 Tabelle 20: Itemliste............................................................................................................... 136 Tabelle 21: Deskriptive Statistik – Exportquote 2000 ........................................................... 137 Tabelle 22: ANOVA – Exportquote 2000.............................................................................. 138 Tabelle 23: Deskriptive Statistik – Exportquote 2002 ........................................................... 138 Tabelle 24: ANOVA – Exportquote 2002.............................................................................. 138 Tabelle 25: Reliabilitäts- und Validitätskriterien der exploratorischen Faktorenanalyse ...... 142 Tabelle 26: Reliabilitäts- und Validitätskriterien der konfirmatorischen Faktorenanalyse ... 143 Tabelle 27: Ergebnisse der exploratorischen Faktorenanalyse .............................................. 144 Tabelle 28: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse............................................ 145 Tabelle 29: F²-Differenztest ................................................................................................... 145 Tabelle 30: Beschreibung der Befragten................................................................................ 150 Tabelle 31: Beschreibung der Organisationen ....................................................................... 150 Tabelle 32: Detailergebnisse der Exportquoten und –daten................................................... 151 Tabelle 33: Korrelationsmatrix der Erklärungskonstrukte..................................................... 152 Tabelle 34: Korrelation zwischen Exportquoten 2000, 2002 und den Erklärungsansätzen... 153 Tabelle 35: Ergebnisse der OLS Regression Schätzungen .................................................... 156
1. Einleitung 1.1 Hintergrund der Arbeit und Zielsetzung Österreichs Außenwirtschaft, das heißt der Export von Waren und Dienstleistungen sowie ausländische Direktinvestitionen, hat sich im Verlauf der letzten Jahre zu einem Konjunkturmotor der Wirtschaft entwickelt.1 Diese Entwicklung ist für das österreichische Unternehmertum, das primär von Klein- und Mittelunternehmen geprägt ist, historisch gewachsen. Beschränkte Absatzmöglichkeiten am relativ kleinen heimischen Markt haben seit jeher in einer starken Forcierung der Exportbemühungen österreichischer Unternehmen resultiert. Aufgrund der generell hohen praktischen Relevanz des Exports2 für eine Volkswirtschaft ist es wenig überraschend, dass sich die internationale akademische Forschung seit geraumer Zeit mit den Determinanten des Exporterfolgs für Unternehmen beschäftigt.3 Diese Studien setzen bei Empfehlungen zur systematischen Steigerung der Exportgeschäfte an, reichen über gewählte Markteintrittsstrategien und Marketingkonzepte, Struktur des Unternehmens bis hin zum Faktor Wissen über etwaige Zielmärkte als mögliche Erklärungen. Vielfach setzen die Arbeiten an der Organisationsgröße, dem Führungsstil, der Innovationsleistung sowie dem technischen Entwicklungsstand an.4 Charakteristika der Firmenumwelt ebenso wie Charakteristika der Führungspersönlichkeit bilden Erklärungsansätze für den Exporterfolg. Zusammenhänge werden modelliert, die sowohl personale als auch organisationale Variablen vereinen, um die Performance von Organisationen und so auch die Export Performance zu erklären. Bis dato sind eine Vielzahl an Studien, Ansätzen und Modellen zur Erklärung der Export Performance von Klein- und Mittelunternehmen entstanden.5 Auf diesem Wissen setzt die vorliegende Arbeit an. Die Export Performance von Organisationen wird vor dem Hintergrund einer organisationalen Perspektive betrachtet. Zentral ist dabei das Bestreben, einen Zusammenhang zwischen den bekundeten Werten der Organisationskultur und Export Performance einer Organisation theoretisch geleitet zu entwickeln und empirisch zu testen. Organisationskultur als organisationales Phänomen, mit eigenen Werten, Normen und Ideen, bildet den Rahmen dieser Arbeit.
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Siehe dazu auch den Klein- und Mittelstandsbericht 2002/2003, veröffentlicht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Unter Export wird dabei die Ausfuhr an Waren über das österreichische Bundesgebiet hinaus verstanden. Siehe dazu u.a. die Arbeiten von Czinkota und Johnston (1981), Czinkota und Tesar (1982), Albaum et al. (1989), Miesenböck (1989), und Engelhard (1992). Siehe auch dazu die Arbeiten von Albaum et al. (1989), Madsen (1988, 1998), Miesenböck (1989), Engelhard (1992) und Bamberger und Evers (1994). Siehe dazu Fußnote 3 und 4.
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Einleitung
Organisationskultur legt ihren Fokus auf Vorstellungen und Überzeugungen, auf kulturbedingte Merkmale, Verhaltensmuster und Meinungen, die von den Mitgliedern der Organisation verwendet werden, um die speziellen Eigenheiten der Organisation, ihre Ursprünge, ihre Entwicklungen und ihren Modus operandi zu erfassen.6 Forschung und Praxis sind über die Effekte, die beispielsweise Dominanz und Einzigartigkeit des angebotenen Produkts, die Wettbewerbssituation am Exportmarkt oder das Preiskonzept auf Export Performance haben, informiert. Was aber, wenn nicht nur derart betriebswirtschaftliche Einflussgrößen die Exportleistung der Unternehmen determinieren? Bisher nicht systematisch untersucht ist die Frage, ob die bekundeten Werte der Organisationskultur einen Einfluss auf den Exporterfolg von Klein- und Mittelunternehmen haben. Um diesen zu untersuchen, wird Organisationskultur und hier die Ebene der bekundeten Werte als theoretisches Konzept herangezogen, eingeordnet und beschrieben, sowie daran anschließend einer empirischen Analyse unterzogen. Daher lautet die Forschungsfrage: Welchen Einfluss haben organisationskulturbedingte Merkmale auf die Export Performance von österreichischen Klein- und Mittelunternehmen? Parallel zu der wissenschaftlichen Relevanz durch die Erweiterung eines „rein“ betriebswirtschaftlichen Erklärungsansatzes von Exporterfolg um einen Ansatz, der Organisationskultur in die Erklärung mit einbezieht, ist die praktische Bedeutung hoch anzusiedeln. Wie eingangs erwähnt wurde, ist es in Anbetracht des kleinen Heimmarkts für österreichische Unternehmen sehr wichtig, Umsätze auf ausländischen Märkten zu lukrieren. Dabei wird häufig die Relevanz von unternehmensinternen Prozessen vernachlässigt. Das Bestreben der Arbeit liegt darin, den Unternehmen Informationen über organisationskulturbedingte Merkmale zur Steigerung der Export Performance anbieten, indem neben der theoriegeleiteten Empirie Handlungsempfehlungen für die Unternehmen gegeben werden.
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Vgl. dazu auch Schultz, 1995.
Einleitung
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1.2 Aufbau der Arbeit Eine Darstellung des Aufbaus der Arbeit findet sich in Abbildung 1 (Kapitel 1, Seite 4). Kapitel 2 stellt die Internationalisierung von Klein- und Mittelunternehmen in den Mittelpunkt. Neben der Darstellung der Gründe und Motive, warum Internationalisierung stattfindet, werden die Arten der Internationalisierung vorgestellt. Es erfolgt eine Fokussierung auf Export, wobei neben einer Definition die Arten und Phasen dieser Form von Internationalisierung dargestellt werden. In Kapitel 3 erfolgt die Vorstellung des untersuchten Objektbereichs „Klein- und Mittelunternehmen“, die maßgeblichen Klassifikationskriterien werden beschrieben und der Einfluss der GründerInnen auf die Organisationskultur in Unternehmen wird dargestellt. Kapitel 4 beschäftigt sich mit Organisationskultur. Ein umfassender Überblick durch die Vorstellung der unterschiedlichen Definitionen und den damit einhergehenden Generationen an KulturforscherInnen sowie Entstehung des Konzeptes soll gewährleistet werden. Parallel dazu wird der Paradigmendiskussion im Rahmen der Organisationskultur Platz eingeräumt, das eigene Forschungsvorhaben wissenschaftstheoretisch eingeordnet und die Auswahl begründet. Im Anschluss daran wird das herangezogene theoretische Modell von Schein (1985, 1991, 2004) vorgestellt und die Interpretation desselben durch Denison (1990, 1995, 1997) beschrieben. Dabei wird auf die Entwicklung des Modells von Denison ebenso wie auf die vier organisationskulturbedingten Merkmale ausführlich eingegangen. Die Auswahl und Vorstellung der Modelle führt zur Forschungsfrage. Neben der Formulierung der Forschungsfrage ist das Ziel von Kapitel 5, theoretische Erklärungsansätze und Hypothesen für den Einfluss von bekundeten Werten der Organisationskultur auf Export Performance zu generieren. In Kapitel 6 wird die Methodik erarbeitet und dargestellt, mit der die generierten Hypothesen empirisch geprüft werden sollen. Zunächst wird dargelegt wie die Operationalisierung erfolgt und wie sich das Sample der Untersuchung generiert. Darauf folgt die Beschreibung des Untersuchungssettings. Das Kapitel schließt mit den Ergebnissen einer empirischen Überprüfung der Eignung der Methodik.
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Einleitung
Kapitel 7 stellt den Kern des empirischen Teils dar. Die empirisch gewonnenen Daten werden analysiert, wobei hier das Hauptaugenmerk auf die Überprüfung der im Theorieteil generierten Hypothesen gelegt wird. Daran anschließend werden Handlungsempfehlungen für die Unternehmen abgeleitet, die Limitationen der Arbeit aufgezeigt und mögliche Aspekte für künftige Forschungsarbeiten vorgestellt. In Kapitel 8 erfolgt die Zusammenfassung. Organisationskultur als Einflussgröße der Export Performance. Eine empirische Analyse im Kontext von Klein- und Mittelunternehmen Kapitel 1:
Einleitung
Kapitel 2:
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
Kapitel 3:
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
Kapitel 4:
Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur
Kapitel 5:
Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale
Kapitel 6:
Methodik
Kapitel 7:
Ergebnisse
Kapitel 8:
Zusammenfassung
Abbildung 1: Kapitelüberblick
2. Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses Die exklusive Belieferung des heimischen Marktes stellt für Organisationen nur in seltenen Fällen eine Alternative zum Gang in die Internationalisierung dar. Nicht nur die eingeschränkte Größe des Heimmarkts, die Deregulierung und die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes, sondern auch die, in den letzten Jahren verstärkte Marktliberalisierung sorgen für eine Sensibilisierung österreichischer Unternehmen hinsichtlich ihrer Performance. International tätig zu werden gestaltet sich für die Organisationen als ein Prozess, der aufgrund seiner Komplexität sorgfältig durchdacht werden sollte. Kapitel 2 leistet dazu einen Beitrag, indem es die unterschiedlichen Aspekte und Facetten der Internationalisierung beleuchtet. Zunächst wird der Terminus Internationalisierung definiert (2.1). Darauf folgend wird auf Internationalisierungsentscheidungen (2.2) eingegangen, bevor dargestellt wird, wodurch die Internationalisierung bei Klein- und Mittelunternehmen gekennzeichnet ist (2.3). Ursachen, wie Faktoren auf Basis der Entscheidung pro Internationalisierung sowie Einstellungen und Stimuli betreffend die Internationalisierung werden vorgestellt. Die Beschreibung von Internationalisierung als Form eines Prozesses, seine Ausprägungen sowie die Darstellung eines Phasenmodells vervollständigen diesen Abschnitt (2.4). Mögliche Arten der Internationalisierung (2.5) werden daran anschließend dargestellt, wobei der Schwerpunkt dem Titel der Arbeit entsprechend auf die Definition und Vorstellung von Export gelegt wird, bevor im abschließenden Teil des Kapitels die genaue Darstellung des Konzepts Export Performance folgt (2.6). 2.1 Definitionen von Internationalisierung In der Literatur wird Internationalisierung7 als Prozess definiert, der ein wachsendes Engagement auf internationalen Märkten beinhaltet.8 Internationalisierung wird somit als Aufnahme von internationalen Aktivitäten beschrieben, als eine Art Grundsatzentscheidung, ob ein Un-
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Zur Unterscheidung von Internationalisierung und Globalisierung wird der Beitrag von Kutschker und Schmid (2002) herangezogen. Die Autoren schreiben, dass innerhalb der scientific community einige Arbeiten (vgl. Henzler, 1992) Internationalisierung und Globalisierung gleichsetzen, andere Arbeiten Globalisierung verwenden, ohne eine genauere Definition nachzureichen (vgl. Chichon, 1988; Kotler, 1990) und wieder andere Arbeiten Globalisierung als Teilphänomen der Internationalisierung betrachten (vgl. Petrella, 1996; sämtliche Arbeiten zitiert in Kutschker und Schmid, 2002, S. 147 ff.). Diese letztgenannte Gruppe an AutorInnen sieht in der Globalisierung eine besonders starke Ausprägung der Internationalisierung, gemeinhin wird „global“ als weltweit ausgerichtet definiert. Globalisierung als besonders weit reichende Form der Internationalisierung oder anders ausgedrückt: Internationalisierung schließt Globalisierung mit ein. Kutschker und Schmid (2002) merken gleichzeitig an, dass mit dem Begriff der Globalisierung ein eher utopischer Zustand angesprochen wird, da eine weltweite Verflechtung aller Märkte sowie eine weltweite Verflechtung aller Bereiche von Unternehmungen als illusorisch anzusehen ist (vgl. Kutschker und Schmid, 2002, S. 147 ff.). Demzufolge ist der Begriff Globalisierung mit Bedacht einzusetzen, Trends in diese Richtung, aber auch mögliche Entwicklungen in Richtung Globalisierung sind vorsichtig einzuschätzen. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 276.
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Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
ternehmen international tätig wird oder nicht, die unabhängig von der Größenklasse getroffen wird. Die Internationalisierung eines Unternehmens endet nicht mit der Aufnahme internationaler Aktivitäten, vielmehr wird darunter eine dynamische Abfolge von Entscheidungssituationen subsumiert, die zu einem unterschiedlichen Grad an oder Form der Internationalisierung führen.9 Das Bestreben, die Dringlichkeit und auch Strategien, auf ausländischen Märkten tätig zu werden sind nicht alleine Angelegenheit multinationaler Konzerne, sondern betrifft insbesondere Klein- und Mittelunternehmen, die auf dem österreichischen Markt einen Anteil von 99,5 % ausmachen.10 Indirekter und direkter Export bilden dabei den Kern der Internationalisierungsaktivitäten von Klein- und Mittelunternehmen, wobei die Erteilung von Lizenzen, die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland, wie auch Joint Ventures sich zusehends als mögliche Formen von Internationalisierungen etablieren (siehe Abschnitt 2.5).11 Trotz dieser Varianten von Internationalisierung bei Klein- und Mittelunternehmen, bildet der Export den Kern des Internationalisierungsverhaltens. In der Folge wird verstärkt auf diese Form der Internationalisierung eingegangen.12 2.2 Internationalisierungsentscheidungen Internationalisierungsaktivitäten geht die Entscheidung pro oder kontra Internationalisierung voraus. Typischerweise sind derartige Internationalisierungsentscheidungen schlecht strukturierte (aufgrund der Komplexität der damit verbundenen Probleme), strategische Entscheidungen, die durch hohe Dynamik gekennzeichnet sind.13 Diese Dynamik ergibt sich aus den unterschiedlichen Aktivitäten des Unternehmens, den parallel zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich einer möglichen Internationalisierung aber auch aus den verschiedenen Rollen der UnternehmerInnen in ihrem sozialen Kontext.14 Unter dem sozialen Kontext ist in diesem Zusammenhang die Einbettung der UnternehmerInnen in ein umfassendes Netzwerk, bestehend aus LieferantInnen, KundInnen, WettbewerberInnen, anderen Unternehmen im regionalen Wirtschaftsraum und Verbänden zu verstehen.15 Um diese, bei jeder Internationalisierungsmaßnahme a priori zu treffenden Entscheidungen beschreiben zu können, stellen Forschungsarbeiten auf die Ursachen dieser Entscheidungen
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Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 276. Vgl. KMU Forschung Austria, Forschungsbericht, Jänner 2005. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 265 f. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 251. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 277 f. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 277 f. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 277 f.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
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ab. Diese Ursachen werden dabei als Einstellungen und Stimuli, Faktoren sowie als Motive und Erwartungen operationalisiert.16 Der folgende Abschnitt widmet sich diesen Ursachen oder Konstrukten von Internationalisierungsentscheidungen, bevor in Abschnitt 2.4 Entscheidungsverläufe von Internationalisierung dargestellt werden. 2.3 Ursachen der Internationalisierung bei Klein- und Mittelunternehmen Prinzipiell unterscheidet die Literatur mehrere Ursachen der Internationalisierung bei Kleinund Mittelunternehmen. Während durch die Integration mehrerer Faktoren zu einem Modell eine Ursache für die Internationalisierung aufgezeigt wird (2.3.1), werden alternativ dazu Einstellungen und Stimuli als Grund für die Internationalisierung herangezogen (2.3.2). 2.3.1 Einflussfaktoren der Internationalisierung Ausgangspunkt für das unten abgebildete Modell der Internationalisierung (Abbildung 2 siehe Seite 8) war zunächst die prinzipielle Unterscheidung zwischen exportierenden und nichtexportierenden Unternehmen. Darauf aufbauend wurde versucht, die Beziehung zwischen dem Exportverhalten und mehreren internen wie externen Unternehmensvariablen sowie Faktoren, die unmittelbar mit der Entscheidung, Exporttätigkeit aufzunehmen, in Zusammenhang gebracht werden, zu klären.17 Dabei legte die Forschung (vgl. Bilkey und Tesar, 1975; Cavusgil und Nevin, 1981; Dichtl et al., 1984; Naumann und Lincoln, 1991) zunächst ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung zweier Variablengruppen: Umweltgrößen und unternehmensinterne Faktoren. Um das nachfolgende Modell einordnen zu können, soll zunächst eine knappe Beschreibung dieser beiden Gruppen gegeben werden. Unter dem Terminus Umweltgrößen wurden - Zoll- oder Handelsbarrieren, - Transport- oder Transaktionskosten, - Bürokratismus sowie - in- und ausländische Wettbewerbsparameter subsumiert und deren Einfluss auf die Exporttätigkeit untersucht.18 Die zweite Gruppe von Variablen, bezeichnet als unternehmensinterne Variablen, umfasste - Firmengröße, - Wettbewerbsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen, - Ressourcen und Kapazitäten in Zusammenhang mit einem Auslandsengagement,
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Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 281. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 252. Vgl. Rabino, 1980, S. 67 ff. Kaynak und Stevenson, 1982, S. 132 ff. sowie Dichtl et al., 1984, S. 49 ff.
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Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses -
Schwierigkeiten der Distribution sowie Mangel an Fähigkeiten und Interesse des zuständigen Managements.19
Auf Basis dieser zwei Variablengruppen, und der Untersuchung, welchen Einfluss diese auf die Entscheidung, international tätig zu werden, haben, folgten weitere theoretische wie empirische Überlegungen. Spätere Untersuchungen20 nahmen an, dass die Internationalisierung von Klein- und Mittelunternehmen durch mehrere Stufen charakterisiert ist. Sowohl die Stufen der Internationalisierung als auch ihr Verlauf hängen dabei von den wechselseitigen Relationen einiger Variablen ab (zu den damit verbundenen Phasen des Exports siehe Abschnitt 2.5.2). Länge und Art des Engagements auf dem Zielmarkt, Erfahrung aber auch Expertentum sind hierbei für den Stufenablauf relevant.21 Abbildung 2 zeigt jene Variablen, die auf Basis der Stufen der Internationalisierung sichtbar werden. Anzumerken ist, dass die einzelnen Modellfaktoren von der jeweiligen Stufe der Internationalisierung abhängen. Dabei werden sie aufgrund der schwer feststellbaren Kausalität einmal als Einflussgrößen und einmal als Merkmale oder Ergebnisse der Stufen dargestellt.22 Umwelt Werte und Einstellungen
Internationalisierungsverhalten* von Klein- und Mittelunternehmen
Unternehmensziele
Interne Bedingungen Abbildung 2: Einflussfaktoren der Internationalisierung * Internationalisierungsentscheidungen und -strategien (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Bamberger und Evers, 1994, S. 253)
Umweltmerkmale, unternehmensinterne Bedingungen, das Management und dessen Werte und Einstellungen, die Ziele eines Unternehmens, sowie Internationalisierungsstrategien wurden als zentrale Einflussfaktoren identifiziert und in einem sich wechselseitig bedingenden Modell dargestellt. Der diesem Modell zugrunde liegende Bezugsrahmen entwickelte sich dabei maßgeblich aufgrund der Forschungsarbeiten des Interstratos Projekts23, das zur
19 20 21 22 23
Vgl. Simpson und Kujawa, 1974, S. 107 ff. und Bilkey und Tesar, 1977, S. 93 ff. Vgl. Steinman et al., 1980, S. 50 ff. und Axinn, 1988, S. 61 ff. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 295. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 254. Vgl. The Interstratos Project, 1998, S. 4 ff.: Das Interstratos Projekt (Internationalization of strategic orientations of small and medium European enterprises) ist ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt, in dem ForscherInnen aus acht europäischen Ländern zusammenarbeiten. Auf Initiative von Rik Donckels, Erwin Fröhlich, Antti Haahti und J. Hanns Pichler wurden bislang im Erhebungszeitraum 1991-1995 über 4000 europäische Unternehmen befragt. Ziel dieses longitudinalen Designs ist es, Internationalisierungsmuster zu erforschen und Strategien der Anpassung an geänderte Umweltbedingungen zu beschreiben, beides mit dem Anliegen, das Internationalisierungsverhalten von Klein- und Mittelunternehmen zu erklären.
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Erklärung von Internationalisierung einen holistischen Ansatz wählte. Um dem Anspruch an Vollständigkeit gerecht zu werden, werden im Verlauf des Kapitels (siehe Tabelle 2) die Variablen des Interstratos Modells abgebildet, die Erläuterung der Variablen folgt jedoch konsistenterweise dem Faktorenmodell nach Bamberger und Evers (1994) sowie Bamberger und Wrona (2002). (1) Umweltmerkmale: Umweltmerkmale, im Interstratos Projekt als Merkmale der Aufgabenumwelt definierte Einflussvariablen, repräsentieren die Rahmenbedingungen jeder Internationalisierungsmaßnahme. Merkmale der Branche, technologische, wirtschaftliche und soziokulturelle Bedingungen werden in die Betrachtungsweise einbezogen.24 Neben diesen erwähnten Einflussgrößen nennt die Forschung der letzten Jahre die Globalisierung der Märkte sowie die informationstechnologischen Entwicklungen als neue Impactvariablen des Modells.25 (2) Unternehmensinterne Bedingungen: Unternehmensinterne Bedingungen bilden die Ressourcen des Unternehmens ab. Über welche physischen, finanziellen, intangiblen (u.a. zählt dazu: Reputation der Organisation, Arbeitsbeziehungen und Organisationskultur) Ressourcen verfügt das Unternehmen und in welchem Ausmaß können diese aktiviert werden?26 Es ist dieser Faktor, der als Auslöser, als Begrenzung, aber auch als Determinante pro oder kontra Internationalisierung wirkt. Konkreter ist das Vorhandensein oder das Fehlen überschüssiger beziehungsweise notwendiger Ressourcen, das (Nicht-)Bestehen unternehmensspezifischer Wettbewerbsvorteile und die auf den ausländischen Zielmärkten (nicht-)nachgefragte Einzigartigkeit der angebotenen Produkte und Dienstleistungen.27 Die Dynamik dieser unternehmensinternen Bedingungen ist dabei eine wichtige Größe. Demzufolge ist es für eine erfolgreiche Internationalisierung wichtig, dass Unternehmen ihre Fähigkeiten oder Ressourcen kontinuierlich weiterentwickeln, aber auch adaptieren können.28 (3) Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale des Managements: Auch wenn das Interstratos Projekt oder das aktuell beschriebene Modell eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Internationalisierung von Unternehmen (Klein- und Mittelunternehmen) propagieren, so liegt das Hauptaugenmerk zahlreicher konzeptioneller wie empirischer
24 25 26 27 28
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 281 f. Vgl. Wrona, 1999, S. 123 ff. und Dyer, 1997, S. 16. Vgl. Carmeli und Tishler, 2004, S. 1260 f. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 283 f. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 284.
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Arbeiten auf dem Schlüsselfaktor: ManagerIn.29 Es wird angenommen, dass die Führungskraft in Klein- und Mittelunternehmen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung zur Aufnahme von Exporttätigkeit hat. Demzufolge war und ist es Anliegen vieler Forschungsarbeiten (Dichtl et al., 1984; Holzmüller und Kasper, 1989, 1990 und 1991), die Attribute dieser Führungskräfte – der UnternehmerInnen – darzustellen. Klassische Vorgangsweise hierbei war und ist die Differenzierung über die Kategorien ExporteurInnen und NichtExporteurInnen.30 Forschungsergebnisse bescheinigen ExporteurInnen Aggressivität, eine internationale Orientierung, Flexibilität, Kreativität, Innovation sowie sicheres Auftreten – Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen die in weiterer Folge als grundlegend wichtige Variablen hinsichtlich Internationalisierung und dem damit verbundenen Risiko, Wandel und der notwendigen Adaptionsleistung betrachtet werden.31 Unter dem Terminus „internationale Orientierung“ wird hier eine geringe Ausprägung psychischer Distanz32 der Führungskräfte hinsichtlich des Auslandsmarktes verstanden. Durch eine Auseinandersetzung mit dem Ausland, – sei es durch längere Auslandsaufenthalte, oder durch den Kontakt mit Personen aus dem Ausland – wird eine Voraussetzung geschaffen, die die Aufnahme von Exporttätigkeit erleichtert.33 Die Ergebnisse zur Höhe des Zusammenhangs zwischen psychischer Distanz und der Aufnahme von internationalen Aktivitäten sind jedoch, was die Signifikanz des Konstrukts anbelangt, unterschiedlich.34 Neben internationaler Orientierung, wird angenommen, dass die Innovativität der EntscheidungsträgerInnen wesentlich ist, da die Entscheidung zu exportieren auch als Innovationsentscheidung begriffen werden kann.35 Auch in diesem Feld sind die Ergebnisse betreffend Führungskräfte oder GründerInnen, in der Rolle der InnovatorInnen und deren Einfluss auf eine etwaige Internationalisierungsentscheidungen jedoch nicht übereinstimmend:36 Während Simmonds und Smith (1968) feststellten, dass diese Einstellungen allen untersuchten Füh29
30 31 32
33 34 35 36
Vgl. dazu die Arbeiten von Dichtl et al. (1984), Holzmüller und Kasper (1989, 1990, und 1991) sowie Bijmolt und Zwart (1994). Diese Forschungsarbeiten differenzierten zwischen objektiven und psychostrukturellen Variablen von Führungskräften und untersuchten deren Zusammenwirken mit dem Exportverhalten der Organisationen. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 284 f. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 252 ff. Die psychische Distanz lässt sich als wahrgenommene Fremdartigkeit gegenüber einer anderen Kultur definieren (vgl. Kornmeier, 2002, S. 8). Der Begriff wurde in den 1950-Jahren in die Volkswirtschaftslehre eingeführt, um damit die Verteilung des internationalen Handels zu erklären (vgl. Vahlne und Nordström, 1992, S. 2). Es waren u.a. auch diese letztgenannten Forscher, die psychische Distanz in die Theorie der Internationalisierung als unabhängige Variable eingeführt haben, womit der Stellenwert des Konstrukts nicht nur im internationalen Management und Marketing stieg, sondern auch bei AutorInnen (Holzmüller und Kasper, 1990; Müller, 1991; Holzmüller und Stöttinger, 2001) innerhalb der BWL die Bedeutung zunahm. Die Ursachen psychischer Distanz werden dabei auf einen Mangel an Wissen zurück geführt (vgl. Wiedersheim-Paul, 1972; Johanson und Vahlne, 1977) oder auf wahrgenommene Unterschiede zwischen den Ländern und führen zu verminderter kultureller Offenheit (vgl. Müller, 1991). Vgl. Miesenböck, 1989, S. 86 ff. Vgl. Simpson und Kujawa, 1974, S. 111.; Dichtl et al., 1984, S. 5. Vgl. Miesenböck, 1989, S. 90 ff. Vgl. Miesenböck, 1989, S. 91.
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rungskräften eigen war, sahen Daniels und Robles (1983) keinen signifikanten Unterschied im Vorhandensein dieser Einstellungen bei ExporteurInnen und Nicht-ExporteurInnen, beziehungsweise keinen Zusammenhang zwischen der Innovativität als Merkmal der Führungskraft und der Exporttätigkeit.37 Weiters wird angenommen, dass ebenso die Flexibilität der EntscheidungsträgerInnen für den Prozess einer Internationalisierung wichtig ist.38 Empirische Ergebnisse zur Auswirkung von Flexibilität auf Exporttätigkeit und in weiterer Folge auf Exporterfolg waren bis dato positiv.39 (4) Unternehmensziele: Der Wunsch die Unternehmensziele zu realisieren, ist als eine der Strategien jeder Organisation zu nennen und kann die Aufnahme von Exporttätigkeit begünstigen. Als unter die Unternehmensziele subsumierte Variable werden hier insbesondere der Gewinn, das Wachstum, die Unternehmenssicherung sowie die Unabhängigkeit der Unternehmen genannt.40 Der Export von Produkten und Dienstleistungen erscheint nach Betrachtung empirischer Befunde allerdings begrenzt geeignet, kurzfristig den Gewinn zu erhöhen. Vielmehr bilden Exportaktivitäten ein Mittel der längerfristigen Unternehmenssicherung, was in weiterer Folge bedeutet, dass die Unternehmen bezüglich einer Internationalisierung alternative Ziele – Unabhängigkeits- und Sicherheitsziele – als die der alleinigen Gewinnmaximierung zu identifizieren haben.41 Während sich demnach die Betriebswirtschaftslehre verstärkt auf Ziele von Organisationen konzentriert, beschäftigt sich die Soziologie vermehrt mit Zwecken von Organisationen in der Gesellschaft.42 In der betriebswirtschaftlichen Literatur hat es sich durchgesetzt unter „Zweck“ die Leistung der Organisation zu verstehen.43 Aus deren Erfüllung wird jedwede gesellschaftliche Existenzberechtigung abgeleitet, während unter „Zielen“ die von dem Unternehmen beziehungsweise ihren MitarbeiterInnen selbst formulierten Vorstellungen über erwünschte organisatorische Zustände oder Verhaltensweisen, wie beispielsweise Wachstum und Effizienz verstanden werden.44 Basierend auf der sich ergebenden Problematik der schwer abgrenzbaren Begriffe Motiv, Zweck, Ziel und Funktion stellt Heinen (1971) fest, dass die enge Verbindung zwischen dem entscheidungstheoretischen Ansatz der Betriebswirtschaftslehre und dem Zielbegriff vernachlässigt wird.45 Er versteht in der Folge unter dem Ziel als Imperativ „ … einen zukünftigen Zustand der Unternehmung wieder, der als erstre-
37 38 39 40 41 42 43 44 45
Vgl. Simmonds und Smith, 1968, S. 96 f.; Daniels und Robles, 1983, S. 363 ff. Vgl. Miesenböck, 1989, S. 92 ff.; Kornmeier, 2002, S. 8 ff. Vgl. Dichtl et al., 1984, S. 5.; Müller und Köglmayr, 1986, S. 792. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 285. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 269 f. Vgl. Meyer, 1993, S. 91. Vgl. Meyer, 1993, S. 91. Vgl. Meyer, 1993, S. 91. Vgl. Heinen, 1971, S. 45 f.
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benswert angesehen wird. […] Ziele sind solche Aussagen, aus denen sich in Entscheidungsmodellen die für die Prognose der Konsequenzen relevanten Kriterien ergeben.“ Heinen (1971, S. 45 ff.)46 Vor der Analyse etwaiger Organisationsziele, stellt sich zunächst die Frage, ob Organisationen überhaupt Ziele haben können oder nur ihre Mitglieder.47 Kirsch (1969) unterscheidet zwischen - den Individualzielen der Organisationsmitglieder, - den Zielen der Organisationsmitglieder für die Organisation und - den Zielen der Organisation.48 Dabei werden die Individualziele der Organisationsmitglieder, wenn sie als Forderungen an die Leitung der Organisation gerichtet werden, zu Zielen des Unternehmens. Ziele für die Organisation werden demnach mittels Verbindlichkeit zu Zielen der Organisation.49 Meyer (1993) führt dazu aus, dass die Reduzierung organisationaler Ziele auf individuelle Ziele nicht zulässig sei, vielmehr handle es sich um ein Emergenzphänomen. Ziele werden auf Entscheidungen zugeschrieben, das heißt, sie reagieren auf an sie gerichtete Erwartungen.50 Ziele können in weiterer Folge als Entscheidungsprämissen verstanden werden, die der Reflexivität von Entscheidungsprozessen in Organisationen dienen, als solches von der Organisation verstanden werden müssen, nicht aber extra vorgegeben werden.51 In der Literatur zur Internationalisierung wird die angesprochene Abgrenzung von charakteristischen individuellen Motiven von allgemeinen Unternehmenszielen hingegen nur selten vorgenommen.52 „Sichtbarer Ausdruck der mangelnden konzeptionellen Klarheit ist die Beobachtung, dass ‚Ziele und Motive der Internationalisierung’ häufig in einem Atemzug genannt werden.“ (Walldorf, 1987, S. 19) So behandeln einige Studien, die sich den Motiven von Internationalisierung
46
47 48 49
50 51
52
Die Unterschiede zwischen Motiv, Zweck, Ziel und Funktion werden klarer, wenn deren Definition unter Berücksichtigung der Leitdifferenzen der unterschiedlichen Disziplinen beachtet wird (vgl. Meyer, 1993, S. 92 f.). Der Motivbegriff ist verhaltenswissenschaftlich geprägt und versucht, menschliches Verhalten kausal zu erklären, während der Zweckbegriff in der handlungstheoretischen Tradition Max Webers steht. Hier wird unter Annahme rationalen Handelns auf Zweck und Mittel abgestellt (vgl. Meyer, 1993, S. 91 f.). Der Zielbegriff hingegen, wird von der Entscheidungstheorie zur Bewertung von Alternativen herangezogen, wobei bezogen auf die Leitdifferenz ein „besser-schlechter“ in Hinblick auf die Präferenzen vorherrscht (vgl. Luhmann, 1988, S. 400). Der Funktionsbegriff schließlich wird bei Parsons (1960) auf interne Leistungen sowie die Differenz zwischen Teil und Ganzes bezogen (vgl. Meyer, 1993, S. 93). Vgl. Staehle, 1990, S. 406 f. Vgl. Kirsch, 1969, S. 667 ff. Vgl. Meyer, 1993, S. 93 f.; Staehle, 1990, S. 407. Dieser letztgenannte verweist auf die unzulässige generelle Beobachtung, dass in bestimmten Organisationstypen und zu bestimmten Zeitpunkten die Ziele einzelnen Mitglieder so dominant werden, dass sie alleine die Ziele der Organisation bestimmen und so überhaupt zum Konstrukt „Ziele der Organisation“ geführt haben (vgl. Staehle, 1990, S. 407). Vgl. Meyer, 1993, S. 107 f. Vgl. Meyer, 1993, S. 107 f. Entscheidungsprämissen werden in jeder Organisationen in Form von Programmen, Personen, Kommunikationen und Terminen gesetzt, sind quasi Metaentscheidungen oder Entscheidungen zweiter Ordnung (vgl. Kasper, Mayrhofer, Meyer, 1999, S. 202). Vgl. Müller und Kornmeier, 2002, S. 112 f.
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widmen, vielmehr Ziele der Internationalisierung.53 Führungskräfte können daher aus persönlichen Motiven wie auch aufgrund unternehmensbezogener Ziele nach Wachstum streben, wobei der daraus entstehende Nutzen sowohl materieller wie auch immaterieller Art sein kann.54 Abbildung 3 stellt diese Motive und Ziele überblicksartig dar. Nutzenart
Bezugsebene - Individuum
Bezugsebene - Unternehmen
Materiell
Steigerung des Gehalts/ Einkommens, Sicherung des Arbeitsplatzes
Steigerung des Unternehmensgewinns, Senkung der Kosten, Steigerung des Umsatzes, Monopolmacht
Immateriell
Selbstverwirklichung, Abenteuerlust, Prestige und Macht
Sicherung des Unternehmens, Stabilität
Abbildung 3: Motive und Ziele des Unternehmenswachstums (Quelle: in Anlehnung an Kornmeier und Müller, 2002, S. 113)
Der große Stellenwert persönlicher Motive zählt empirischen Belegen zufolge in der Folge zu den Gründen, dass MitarbeiterInnen ein eigenes Unternehmen gründen (möchten).55 Von den Unternehmen wird die Aussicht auf Gewinnmaximierung auf ausländischen Märkten als einer der Gründe pro Internationalisierung angegeben. Ziel ist es daher, Absatz und Marktanteil beziehungsweise den Umsatz auszuweiten. Empirische Befunde belegen, dass bereits seit Beginn der 1980-Jahre durchgeführte Befragungen ergeben haben, dass Unternehmen in erster Linie marktbezogene Ziele verfolgen.56 In den letzten Jahren ist allerdings das Unternehmensziel „Kostensenkung“ permanent im Ansteigen begriffen. Obschon häufig von einer nahezu kompletten Auslagerung der Produktion von Unternehmen ins Ausland gesprochen wird, gab noch 1995 die Mehrheit der deutschen Befragten an, dass nur jene Leistungsprozesse ins Ausland ausgelagert würden, die am deutschen Standort nicht länger konkurrenzfähig sein. Dieselben Befragten sprachen sich zudem für ein osteuropäisches Engagement in der deutschen Wirtschaft aus, da es die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland verbliebenen Produktionsunternehmen stärken würde.57 Die Ausprägung der genannten Ziele ist vor allem auf die Größe der Unternehmen zurückzuführen. Während größere Unternehmen (1000 MitarbeiterInnen plus) mit dem Gang in die Internationalisierung vorwiegend absatzorientierte Ziele verfolgen und erst in zweiter Linie Kostenvorteile suchen, geben kleine Unternehmen (bis zu 200 MitarbeiterInnen) diese als vorrangiges Ziel an.58 Während Abbildung 3 die Motive und Ziele des Unternehmenswachstums darstellte, werden in Tabelle 1, die von der Literatur häufig genannten Ziele der Internationalisierung zusammengefasst.
53 54 55 56 57 58
Vgl. Müller und Kornmeier, 2002, S. 1112 f. Vgl. Kieser, 1977, S. 51 ff. Vgl. Kornmeier und Müller, 2002, S. 113. Siehe dazu die Arbeiten von Pfeil (1981), Walldorf (1987) und Beyfuß und Kitterer (1990). Vgl. Kornmeier und Müller, 2002, S. 115 unter Bezugnahme auf eine Studie von Härtel et al. (1995). Vgl. Kornmeier und Müller, 2002, S. 116.
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Ziele Markt- und absatzorientierte Ziele
- Erhöhung der Marktpräsenz - Ausgleich saisonbedingter Nachfrageschwankungen auf dem Inlandsmarkt - Verringerung der Wettbewerbsvorteile der im Ausland investierenden KonkurrentInnen durch eigene Investitionen - Sicherung des Absatzes bei Verlagerung der Produktion wichtiger inländischer PartnerInnen - Langfristige Sicherung des Weltmarktanteils - Nutzung von Phasenverschiebungen im Produktlebenszyklus - Stabilisierung des Umsatzes des Gesamtunternehmens durch Belieferung verschiedener Märkte mit unterschiedlichen Konjunkturzyklen - Überwindung von Sättigungserscheinungen auf dem heimischen Markt - Ausweichen auf Auslandsmärkte mit geringem Wettbewerbsdruck - Umgehen tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse
Kosten- und ertragsorientierte Ziele
-
Beschaffungsorientierte Ziele
- Nutzung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials - Erwerb und Nutzung von Know-how - Sicherung der Rohstoffversorgung
Risikostreuung Auslastung vorhandener oder zu schaffender Kapazität Kompensation von Wechselkursschwankungen Ausgleich von Standortnachteilen Nutzung von Kostenvorteilen durch die Produktion im Ausland Verteilung der F&E Ausgaben durch größere Stückzahlen Kostensenkung durch Nutzung der Economies of Scale Verhinderung von Know-how Abfluss Nutzung staatlicher Förderprogramme
Tabelle 1: Überblick über die Ziele der Internationalisierung (Quelle: in Anlehnung an Müller und Kornmeier, 2002, S. 114)
Unter Rückbezug auf die bisherigen Ausführungen werden Organisationsziele zusammenfassend definiert als „(1) jene Entscheidungen über Entscheidungsprämissen, (2) die in der Organisation qua Mitgliedschaft getroffen werden, (3) die auf kognitive Erwartungen reagieren, denen (4) von der Organisation Konstanz zugeschrieben werden und (5) die in Differenz zur gegenwärtigen Zukunft getroffen werden.“ (Meyer, 1993, S. 108). Ziele sind nicht per se, sondern werden von der Organisation konstruiert.59 (5) Unternehmensstrategien: Einfluss auf das Exportverhalten ergibt sich konsequenterweise aus den Unternehmensstrategien. Unter diesen Faktor des Modells fallen dabei Art und Grad an Spezialisierung des Unternehmens, die Existenz von Nischenprodukten, das Kooperationsverhalten, aber auch mögliche Wettbewerbsstrategien. Unternehmensstrategien können eine angestrebte Internationalisierung fördern, möglicherweise auch behindern – bedingt aufgrund eines harten Konkur-
59
Vgl. Meyer, 1993, S. 108.
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renzverhaltens auf dem Markt.60 Tabelle 2 bildet die Komponenten des beschriebenen Interstratos Modells ab, wobei versucht wurde, die Variablengruppen den einzelnen Variablen des Faktorenmodells von Bamberger und Evers zuzuordnen. Exogene Variablen
Endogene unabhängige Variablen
Endogene abhängige Variablen
Charakteristika des Managements: - Nationalität - Alter, Geschlecht, Ausbildung - Arbeitserfahrung - Umgang mit Informationen
Unternehmensstrategie Produktumfang: - Anzahl an Produktgruppen Marktumfang: - Anzahl an Kundengruppen Örtlicher Umfang: - Geografische Verteilung der Märkte
Performance Gesamtumsatz: - Umsatz am Heimmarkt - Exportumsatz - Anzahl der Beschäftigten
Werte und Einstellungen des Mana- Geschäftsstrategie gements Exportorientierung: - Importstrategie - Art der Exportgeschäfte 3 Grad der Kooperation
5 Unternehmen und -struktur: - Industrie - Region - Anzahl der Beschäftigten - Eigentumsverhältnisse - Grad der Unabhängigkeit - Produktionstyp
Kontextuelle Beschränkungen: Aufgabenumwelt: - Änderungen im Wettbewerb - Änderungen am Markt - Änderungen der Anreize und Beschränkungen für internationale Aufträge
1*
Tabelle 2: Variablen des Interstratos Modells * die Zahlen beziehen sich auf die Zuordnung der Variablen des Modells von Bamberger/Evers, 1994 (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Haahti, 1998, S. 4)
Die beschrieben Faktoren verdeutlichen das skizzierte Modell der Internationalisierung, das eine ganzheitliche Perspektive in der Forschung darstellt. Aus den empirischen Untersuchungen, die sich mit den dargestellten Einflussgrößen oder -faktoren auseinandergesetzt haben, lassen sich sowohl Zusammenhänge darstellen, die das Modell stützen, als auch solche mo60
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 285.
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dellieren, die den Annahmen widersprechen. Daraus wird abgeleitet, dass es selten möglich ist, einzelne Merkmale oder eine einzige Kategorie des Modells zwecks Untersuchung des Zusammenhangs mit dem Exportverhalten zu isolieren. Vielmehr ist bei Verwendung des Modells auf das Zusammenspiel zwischen den Faktoren und dem Internationalisierungsverhalten abzustellen.61 Die Erwartungen über künftige Marktentwicklungen, neu erschlossene Lieferwege oder ein sich ergebender Wissensvorsprung auf dem ausländischen Markt werden als Motive ausgemacht, die eine Entscheidung pro Internationalisierung von Klein- und Mittelunternehmen begünstigen. In der Regel zielt jede Internationalisierungsmaßnahme auf die Erhöhung des kurz- oder längerfristigen Profits ab, wenn auch von den Unternehmen weitere Gründe angegeben werden. Diese anderen Gründe, wie Good-Will oder private Motive sind insofern kritisch zu hinterfragen, als sie möglicherweise dazu dienen, das Image der Unternehmen zu pflegen.62 2.3.2 Einstellungen betreffend Internationalisierung Zahlreiche Untersuchungen sind der Frage nachgegangen, welche Einstellungen Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen, als eigene Forschungsrichtung dazu veranlassen, international tätig zu werden. Wiewohl die Wichtigkeit und die Existenz von Exportstimuli unbestritten sind, reicht ihr Vorhandensein oftmals nicht für die Aufnahme internationaler Aktivitäten aus.63 Dennoch wird angenommen, dass bei positiverem Commitment des Unternehmens hinsichtlich Exportaktivität Exportstimuli eher als solche wahrgenommen werden. Exportstimuli werden während des gesamten Internationalisierungsprozesses von Unternehmen identifiziert, beginnend mit dem Stadium vor etwaigen Exportaktivitäten bis hin zur Etablierung der Unternehmen am Zielmarkt.64 Dieser Erkenntnis folgend, nahmen einige Forschungsarbeiten (Bilkey und Tesar, 1977; Johnston und Czinkota, 1981) eine Unterscheidung der verantwortlichen Faktoren hinsichtlich stimulierender (als Initialzündung zu exportieren) oder motivierender Einflüsse (Aufrechterhaltung von Exportaktivitäten) vor. Andere Arbeiten (Czinkota, 1982; Barker und Kaynak, 1992) identifizieren eine Reihe an Stimuli, die sowohl in frühen als auch späteren Phasen des Internationalisierungsprozesses als relevant erachtet werden.65 Einschränkend wird jedoch darauf hingewiesen, dass keine empirischen Werte existieren, welche Stimuli den Übergang zwischen den unterschiedlichen Phasen der Internationalisierung auslösen.
61 62 63 64 65
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 286. Vgl. Dülfer, 1992, S. 89 ff. Vgl. Leonidou, 1995, S. 136. Vgl. Leonidou, 1995, S. 136. Vgl. Leonidou, 1995, S. 136.
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Diese Feststellung stützt eine Analyse von Miesenböck (1989), wonach jede Internationalisierungsphase von mehreren Exportstimuli begleitet wird, deren Eigenschaften und Einfluss phasenabhängig divergieren.66 Die verschiedenen Ausprägungen von Auftrittshäufigkeit, Intensität und Wichtigkeit werden als Zeichen für die dynamische, turbulente und sich stets ändernde Natur der internationalen Geschäftswelt gewertet.67 Während am Anfang internationaler Geschäftstätigkeit Produkt- und Profitorientierung als hauptsächliche motivierende Stimuli angegeben werden, dominieren in fortgeschrittenen Phasen der Internationalisierung Managementinteressen oder Wettbewerbsdruck als Motivatoren.68 Ausgehend von der Existenz von Exportstimuli, gingen Forschungsarbeiten (Czinkota und Johnston, 1981; Czinkota, 1982; Albaum et al., 1990) der Frage nach, welche unabhängigen Variablen, wie Firmengröße, Exportansatz, Exporterfahrung und Exportbeteiligung oder einbindung welche Art von Exportstimuli bedingen? Die Ergebnisse dieser Studien differenzierten hinsichtlich des Einflusses der genannten unabhängigen Variablen; so wurde beispielsweise der Firmengröße zunächst großer Einfluss zugeschrieben, später verminderte sich dieser.69 Widersprüchliche Ergebnisse resultierten ebenso aus der Untersuchung von wahrgenommenen Exportstimuli und Exporterfahrung.70 Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse, sind eindeutige Zuordnungen zwischen unabhängigen Variablen und daraus resultierenden Exportstimuli schwer zu treffen. Um dennoch eine Kategorisierung bereitzustellen, nahmen ForscherInnen eine Klassifikation der Exportstimuli, die zunächst eine Unterteilung in proaktive und reaktive Einstellungen vorsah, vor.71 Exportstimuli aufgrund proaktiver Einstellungen beruhten unter anderem auf72 - Einzigartigkeit der Produkte (USP), - Technologievorteilen aufgrund verfügbaren Wissens, - exklusiven Auslandsmarktinformationen, - selbstinitiierten Aufträgen aus dem Ausland sowie - Steuervorteilen. Demgegenüber waren Internationalisierungsentscheidungen auf Stimuli, durch reaktive Einstellungen zurückzuführen wenn sie durch - hohen Wettbewerbsdruck auf den Inlandsmärkten,73 66 67 68 69 70 71 72 73
Vgl. Miesenböck, 1989, S. 109 ff. Vgl. Czinkota und Johnston, 1981, S. 353 ff. und Katsikeas und Piercy, 1993, S. 30. Vgl. Leonidou, 1995, S. 137. Vgl. Engelhard, 1992, S. 110 ff. Vgl. Katsikeas und Piercy, 1993, S. 39. Vgl. Bilkey und Tesar, 1977, S. 93 ff; Czinkota und Johnston, 1981, S. 353 ff.; Miesenböck, 1989, S. 45. Vgl. Engelhard, 1992, S. 110 ff. und Albaum et al., 1989, S. 35 ff. Vgl. Naumann und Lincoln, 1991, S. 2.
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sinkende inländische Umsätze, gesättigte und/oder schrumpfende inländische Märkte,74 mangelnde Auslastung von Produktionskapazitäten und Überproduktionen gekennzeichnet waren.75
Einschränkungen hinsichtlich einer nicht immer eindeutigen Trennung waren in dieser Einteilung gegeben, wobei die beiden Kategorien jedoch schwerpunktmäßig auf Eigenaktivierung (push) oder Fremdaktivierung (pull) abstellten.76 Mehrere empirische Untersuchungen77 stützten diese Argumentation. Während erste Ergebnisse die Aufnahme von Aktivität auf Exportstimuli durch proaktive Einstellungen zurückführten, die befragten Unternehmen als aktiv in ihrer Tätigkeit einschätzten, widerlegten weitere Forschungen78 diese Befunde und definierten die Unternehmen als mehrheitlich passiv, auf Nachfrage reagierende Einheiten. Eine zusammenfassende Analyse von Miesenböck79 schätzte Klein- und Mittelunternehmen, die durch proaktive Einstellungen zur Aufnahme von Exporttätigkeit stimuliert worden waren, auf 30 %. Ein derartig niedriger Anteil stützt die Hypothese, dass der Entschluss, international tätig zu werden, eine Konsequenz unternehmensexterner, möglicherweise umweltbedingter Faktoren ist, und nicht alleine durch die Existenz auf proaktiven Eintellungen beruhenden Stimuli begründet wird.80 2.3.3 Stimuli der Internationalisierung Alternativ nahmen ForscherInnen81 eine Klassifizierung vor: die Unterscheidung in interne oder externe Stimuli. Unter internen Stimuli wurde der Wunsch nach Economies of Scale oder das Vorhandensein eines einmaligen Produkts verstanden, während externe Stimuli alle jene Faktoren umfassten, die aus der Unternehmensumwelt herrühren, etwa Chancen auf dem Zielmarkt oder Unterstützungen durch den Staat.82 Der Nachteil dieser Klassifizierung lag 74 75 76 77
78 79 80 81
82
Vgl. Rao, 1990, S. 2. Vgl. Engelhard, 1992, S. 110 ff. Vgl. Engelhard, 1992, S. 110 ff. Siehe dazu auch Piercy (1981) sowie Johnston und Czinkota (1982). Die letztgenannten Autoren untersuchten 181 amerikanische Unternehmungen, die angaben durch proaktive Gründe zur Exportaufnahme bewegt worden zu sein, während einige der Unternehmen angaben, dass bei ihnen keine reaktiven Einstellungen zur Internationalisierung führten. 60 % der befragten Unternehmen nannten sowohl proaktive als auch reaktive Gründe/Einstellungen, die sie zur Aufnahme von Exporttätigkeit veranlasst hatten. Diese Ergebnisse konnten von Piercy (1981) nicht bestätigt werden. Bei einer Untersuchung von 250 mittleren englischen Unternehmen wurde festgestellt, dass die Hälfte der Unternehmen passiv auf Aufträge ausländischer Abnehmer reagierte. Rund 50 % der Unternehmen entwickelten demzufolge keine Exportstrategien oder -konzepte, sondern reagierten auf Nachfrage aus dem Ausland. Diese Einstellung spiegelt sich in den relativ niedrigen Exportquoten von 10 – 20 % der Unternehmen nieder. Siehe dazu u. A. die Forschungsarbeiten von Suzman und Wortzel (1984) und Miesenböck (1988). Vgl. Miesenböck, 1988, S. 45. Vgl. Engelhard, 1992, S. 110 ff. Siehe dazu die u.a. Arbeiten von Simpson und Kujawa (1974), Wiedersheim-Paul et al. (1978) sowie Kaynak und Stevenson (1982). Vgl. Leonidou, 1995, S. 137.
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darin, dass interne Stimuli als das Resultat proaktiver Einstellungen eingestuft wurden, während externe Stimuli mit reaktiv gleichgesetzt wurden. Derartige Annahmen erwiesen sich insofern als problematisch, als sich die Stimuli nicht eindeutig klassifizieren ließen, und die ForscherInnen83 denselben Stimulus unterschiedlich zuordneten.84 Diesen Problemen versuchte eine Gruppe an ForscherInnen, Albaum et al. (1989) beizukommen, indem sie ein Schema entwickelte, das beide Ansätze integrierte und in einer mehrdimensionalen Form darstellt. Tabelle 3 zeigt eine Übersicht der Exportstimuli, differenziert nach proaktiven und reaktiven beziehungsweise internen und externen Stimuli.85 Intern Proaktiv
Extern
Geschäftlicher Druck
Chancen am Zielmarkt
Wachstum und Profit
Change Agents*
Marketing Vorteile Economies of Scale Einzigartiges Produkt Technologie Know-how Reaktiv
Risikodiversifikation
Auftragsorder aus dem Ausland
Zusätzliche Absatzmöglichkeiten
Kleiner Heimmarkt
Überschüssige Kapazitäten
Stagnierender oder rückgängiger Heimmarkt
Tabelle 3: Klassifikation der Exportstimuli * In Form von Regierungen, Handelskammern, Banken. (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Albaum et al., 1989, S. 35 ff.)
Exportstimuli haben teilweise die Funktion einer strategischen Ausrichtung der Organisation. Ist diese Ausrichtung intern und proaktiv, wird zunächst die eigene Organisation einer Analyse unterzogen. In die Analyse der unternehmenseigenen Exportmotivation hat neben der Organisationsform und -struktur, die Rechtsform des Unternehmens, die Ausgestaltung des Produktionsprogramms sowie die Bestimmung des Marktanteils miteinbezogen zu werden.86 Bei Vorliegen einer internen jedoch reaktiven Strategie wird möglicherweise zudem geprüft, ob Staatshilfen (Steuerbefreiungen und -erleichterungen), Transfergarantien für Erträge und Gewinne, Sponsoring von Organisationen, aber auch internationale Handelsabkommen die Entscheidung pro oder kontra Exportaufnahme erleichtern.87 Wählt eine Organisation hingegen eine extern gerichtete, proaktive Strategie, werden vor einer Internationalisierung gezielt die Chancen am Zielmarkt analysiert. Zur Analyse zählt die Überprüfung der Importvoraussetzungen sowie der wirtschaftlichen Risiken am Zielmarkt. Das Unternehmen prüft, ob Handelshemmnisse vorhanden sind, wie die Wettbewerbssituation 83 84 85 86 87
Vgl. Simpson und Kujawa (1974), Wiedersheim-Paul et al. (1978) sowie Kaynak und Stevenson (1982). Vgl. Leonidou, 1995, S. 137 f. Vgl. Albaum et al., 1989, S. 35 ff. Vgl. Raupp, 2002, S. 514. Vgl. Raupp, 2002, S. 515.
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Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
am ausländischen Markt beschaffen ist und ob etwaige Patente des Unternehmens anerkannt werden. Zudem ist zu untersuchen, welche Formen das Verbraucherverhalten annimmt und in welchem Grad politische Stabilität gegeben ist.88 Anders ist die Vorgehensweise bei einer extern gerichteten, reaktiven Strategie. Erst nach sorgfältiger Analyse des Heimmarktes wird eine mögliche Internationalisierung angedacht. Die Größe, sowie der technologische Stand des Heimmarktes sind ebenso zu analysieren wie die heimische Markt- und Wettbewerbssituation. Das heimische Verbraucherverhalten sowie das Image der hergestellten Produkte und Dienstleistungen sind einzuschätzen. Zudem werden die Zukunftsperspektiven des Unternehmens im Inland bewertet, wobei die Existenz staatlicher oder internationaler Exportförderprogramme geprüft wird, um über mögliche Hilfestellungen informiert zu sein.89 Die Ausführungen zu den Einstellungen und Stimuli betreffend Exportaktivitäten zeigen, dass diese nicht nur Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen, sondern auch das verantwortliche Management als die hauptverantwortlichen AkteuerInnen gefordert ist. Die Darstellung der Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale der EntscheidungsträgerInnen im Abschnitt 2.3.1, S. 7 ff. umfasste internationale Orientierung, Flexibilität und Innovation. Im Zusammenhang mit der Darstellung von internationaler Orientierung wurde das Konstrukt psychische Distanz vorgestellt, dessen Ausprägungsgrad unmittelbar mit dem Wissen über andere Kulturen zusammenhängt.90 Diesem Gedanken folgend ist die Ausbildung des Managements zu berücksichtigen, ebenso wie die Sprachkenntnisse, Auslands- respektive Exporterfahrungen. Eine fundierte Ausbildung, die Möglichkeit Kontakte im Ausland zu knüpfen mit einem parallel laufenden Fremdsprachenunterricht verringert das Risiko psychischer Distanz bei gleichzeitiger Erhöhung kultureller Offenheit.91
88 89 90 91
Vgl. Raupp, 2002, S. 514. Vgl. Raupp, 2002, S. 514. Vgl. Kornmeier, 2002, S. 8. Die Konstrukte psychische Distanz und kulturelle Offenheit (= Bereitschaft, mit einer anderen Kultur zu interagieren) hängen Kornmeier (2002) zufolge zusammen. Psychische Distanz mindert die kulturelle Offenheit von Personen (vgl. Kornmeier, 2002, S. 8).
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
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Ebenso sollten interkulturelle Kompetenzen des Managements aufgebaut werden und die Führungskräfte für Auslandseinsätze vorbereitet werden.92 Im Zuge der, auf diese Vorbereitung abzielenden interkulturellen Trainings, erhalten die betroffenen Führungskräfte93: - eine informationsorientierte Vorbereitung (= Fakten über das jeweilige fremde Land, Informationen über die Verhaltensweisen der Menschen in diesem Land), - eine kulturorientierte Vorbereitung (= Bereitschaft zur Selbstreflexion, Toleranz sowie Sensibilität sowie Wissen über sich selbst, wobei die Analyse der eigenen ländertypischen Kultur als Ausgangspunkt für die Sensibilisierung herangezogen wird. Vorgegangen wird mittels Selbsteinschätzungsbögen), - eine interaktionsorientierte Vorbereitung (= durch direkten Kontakt mit den Menschen des jeweiligen fremden Landes wird die Kultur kennen gelernt) und - eine verstehensorientierte Vorbereitung (= Kulturassimilator Training). Dieser Abschnitt des Kapitels stellte mögliche Ursachen für die Entscheidung pro Internationalisierung vor. Dabei repräsentiert das Faktorenmodell (Abschnitt 2.3.1) sowie die genannten Einstellungen und Stimuli (Abschnitt 2.3.2) eine Entscheidungsgrundlage betreffend die Aufnahme von internationalen Aktivitäten. Ausgehend von der Entscheidung pro Export, stellt der folgende Abschnitt des Kapitels den Verlauf von Internationalisierungsentscheidungen dar. 2.4 Entscheidungsverläufe der Internationalisierung Additiv zur Erklärung der Ursachen, die zur Entscheidung pro internationales Engagement durch Faktoren sowie Einstellungen und Stimuli führen, beschäftigen sich andere Forschungsarbeiten (Wiedersheim-Paul et al., 1978; Cavusgil, 1983) mit dem Verlauf von Exportentscheidungen. Tabelle 4 bildet diesen Verlauf als auch die zum Entscheidungsfindungsprozess parallel verlaufenden Aktivitäten überblicksartig ab, wobei diese Tabelle die Funktion einer Zusammenschau über die vorherigen Bereiche erfüllt.94
92 93 94
Vgl. Erten-Buch und Mattl, 1999, S. 339 f. Vgl. Thomas und Hagemann, 1992, S. 173 ff. Vgl. dazu die empirischen Untersuchungen, die sich den besonderen Eigenheiten des Informationsverhaltens von Klein- und Mittelunternehmen gewidmet haben. So konnte neben dem in Tabelle 3 formulierten Zusammenhang festgestellt werden, dass persönliche Informationsquellen vorgezogen werden (Engelhard, 1992), mit verbessertem Informationsstand sich die Einstellungen des Managements bezüglich der Chancen/Risiken von Exportgeschäften verändern (Olsen und Wiedersheim-Paul, 1978) sowie eine verbesserte Informationsbasis zu einer Steigerung der Export Performance beiträgt (Pleitner, 1994). Anspruch und Höhe des Informationsstands und -bedarfs verändern sich dabei permanent, was in weiterer Folge zur Konsultation oder den Rückgriff auf externe Informationsquellen (Beratungsdienste) führt (Haahti, 1995).
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Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
Aufnahme der Exporttätigkeit und Entscheidungsparameter im Verlauf des Entscheidungsprozesses (1) Interne und externe Stimuli - Wettbewerbsvorteile - verfolgte Ziele
Stimuli können sowohl zu mehr aktivem aber auch zu reaktivem Exportverhalten anreizen.
(2) Kognitive Prozesse und Strukturen - Prozess der Wahrnehmung, Selektion und Interpretation - Prozess der Informationsgewinnung - Prozess der Erwartungsbildung - Prozess des Lernens
Die Prozesse sind eng mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Führungskräfte, dem Stil, Werten und Einstellungen verbunden, vor allem mit dem Grad der Auslandsorientierung, der Risikoneigung und der Toleranz verbunden. Einstellungen werden gebildet und gegebenenfalls verändert.
(3) Aktivitäten der Informationsgewinnung - Informationen ausländische Märkte betreffend - Informationen zu Zugangsbedingungen und Administrativem - Informationen zu den zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten
Informationen können als Schlüsselerfolgsfaktor angesehen werden, wobei in KMU in aller Regel ein Defizit an Informationen besteht. Es wird angenommen, dass ein Zusammenhang zwischen positiven/negativen Einstellungen gegenüber Internationalisierung und Informationsverhalten besteht.
(4) TeilnehmerInnen der Entscheidung - Unternehmensleitung als zentrale AkteurInnen
Persönlichkeitsmerkmale und Verhalten bestimmen den Ablauf von Internationalisierungsentscheidungen. Neben der Unternehmensleitung können ebenso externe AkteurInnen wie UnternehmensberaterInnen oder WirtschaftsprüferInnen die zentralen Rollen von Change Agents einnehmen und so in die Entscheidungsfindung eingebunden werden.
(5) Organisatorischer Rahmen - Ablauf und Ergebnis von Internationalisierungsentscheidungen werden durch den organisatorischen Rahmen beeinflusst - Schaffung spezifischer Strukturen
Empirische Untersuchungen zeigen, dass gerade im Zuge der Implementierung die richtige Wahl organisatorischer Maßnahmen entscheidend für die Export Performance ist. Neben den formalen Strukturen sind in KMU informelle Netzwerke und Kontakte für den Informationsaustausch von erheblicher Bedeutung.
(6) Methoden des Entscheidungsprozesses - Allgemeine Analysemethoden - Prognosemethoden
Dem Unternehmen stehen hier zahlreiche Methoden zur Verfügung, wobei zudem Expertensysteme zur Unterstützung der Exportentscheidungen vorgeschlagen werden.
Tabelle 4: Parameter im Kontext des Entscheidungsprozesses (Quelle: in Anlehnung an Bamberger und Wrona, 2002)
Der Verlauf von Entscheidungsprozessen von Unternehmen im Rahmen einer geplanten Internationalisierung wird von den in Tabelle 4 beschriebenen Parametern geprägt. Ob der Prozess dabei linear verläuft und allen, im Zuge des Prozesses getroffenen Entscheidungen entspricht, ist zu hinterfragen. Gerade im Bereich der Klein- und Mittelunternehmen ist der Prozess der Internationalisierungsentscheidungen ein dynamischer, der sowohl durch Rückkoppelungen, aber auch durch Wiederholungen gekennzeichnet ist.95
95
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 288 f.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
23
Abschnitt 2.2 präsentierte zunächst den Entscheidungsprozess von Unternehmen hinsichtlich der Überlegung zur Internationalisierung. Abschnitt 2.3 stellte die unterschiedlichen Ursachen der Internationalisierung bei Klein- und Mittelunternehmen vor, während Abschnitt 2.4 den Fokus auf die Entscheidungsverläufe legte. Im nächsten Abschnitt der Arbeit (Abschnitt 2.5) werden die unterschiedlichen Arten internationaler Geschäftstätigkeit beschrieben, wobei der Schwerpunkt auf den Export gelegt wird. 2.5 Arten der Internationalisierung Unternehmen, die sich im Rahmen des Entscheidungsprozesses pro Internationalisierung ausgesprochen haben, stehen zahlreiche mögliche Formen internationaler Geschäftstätigkeit offen. Abbildung 4 zeigt die möglichen Entwicklungsstufen der Internationalisierung von Unternehmen. Neben direktem und indirektem Export (siehe Abschnitt 2.5.1) existieren Formen der Geschäftstätigkeit ohne Kapitalbeteiligung, wie Lizenzvergabe und Franchising und solche mit Kapitalbeteiligung, wie die Errichtung von Verkaufsniederlassungen und/oder Produktionsstätten im Ausland.96 Sowohl bei der Lizenzvergabe, als auch beim Franchising werden transferierbare, immaterielle Ressourcen, in Form von Technologie- oder ManagementKnow-how vorausgesetzt. Liegen für die Klein- und Mittelunternehmen die Vorteile dieser Form von Geschäftstätigkeit in der Nutzung des Wissens ausländischer PartnerInnen und in der Vermeidung von Ressourcen- oder Kapitalbindung sowie der damit verbundenen Minimierung politischer wie ökonomischer Risiken, so resultieren daraus Probleme betreffend den Schutz des Know-hows.97 Grad der Internationalisierung
voll beherrschte Produktionsgesellschaft
Exportniederlassung
Stufe 4 Franchising/ Lizenzen
Joint Ventures
Direkter Export
Stufe 3
Stufe 2
Indirekter Export Stufe 1 Zeit
Abbildung 4: Arten der Internationalisierung (Quelle: in Anlehnung an Bamberger und Wrona, 2002, S. 253)
96
97
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 290 f. sowie Macharzina, vgl. Fußnote 105 zu den unterschiedlichen Formen der Leistungserstellung. Vgl. Kriependorf, 1989, S. 711 ff.
24
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
Die Formen der Geschäftstätigkeit mit Kapitalbeteiligung können insofern noch weiter differenziert werden, als bei der Errichtung von Verkaufsniederlassungen und/oder Produktionsstätten im Ausland, ein Unternehmen entweder neu gegründet oder ein bestehendes Unternehmen erworben werden kann. Dementsprechend wichtig gestaltet sich die Länder- und/oder Standortauswahl für die Unternehmen. Als Vorteile dieser Form internationaler Geschäftstätigkeit sind die dauerhafte Präsenz auf dem Zielmarkt und die damit verbundene Stärkung der Wettbewerbssituation, die Nutzung von Kosten- und Differenzierungsvorteilen sowie der verbesserte Zugang zu Rohstoffen bei gleichzeitiger Reduktion der Transportkosten zu nennen.98 Nachteilig wirken sich dabei die erhöhte Kapitalbindung, die Einschränkungen der strategischen Flexibilität durch längerfristige Ressourcenbindung sowie die höheren politischen wie wirtschaftlichen Risiken aus.99 Die unterschiedlichen Formen internationaler Geschäftstätigkeit unterscheiden sich durch den verbundenen Ressourceneinsatz, die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten und das notwendige Wissen für den Markteintritt.100 Klein- und Mittelunternehmen entscheiden sich zumeist in den Anfangsphasen einer Internationalisierung für die Aufnahme von Exporttätigkeit, Abschnitt 2.5.1 stellt die zwei Dimensionen des Exports dar.
98 99 100
Vgl. Fujita, 1993, S. 247 ff. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 292. Vgl. Kutschker und Schmid, 2002, S. 814 ff.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
25
2.5.1 Definitionen und Arten von Export Export wird als eine Form der internationalen Unternehmertätigkeit definiert, die sich vor allem im Objektbereich Klein- und Mittelunternehmen nachhaltig durchgesetzt hat. „Export is defined conceptually as the international, marketing-related decisions and activities of internationally active firms.” (Cavusgil und Nevin, 1981) Diese Definition betrifft nun einige Internationalisierungsaktivitäten, weswegen es weiter heißt: „The difference between exporting and other forms of engagement is that, in exporting the firm does not control the foreign operation – it either exports directly or through agents/distributors – as would be the case for a joint venture …” Cavusgil und Zou sehen Export als „strategic response by management to the interplay of internal and external forces.”101 Erste Ergebnisse des Interstratos Projekts stützen Ende der 1980er-Jahre diese Aussage. Knapp 50 % der befragten Unternehmen gaben an, dass sie Exportaktivitäten durchführten, während nur knapp 8 % Verkaufsniederlassungen hatten, 3,5 % der befragten Unternehmen Produktionsstätten im Ausland besaßen und 6 % Lizenz- und Franchiseverträge abgeschlossen hatten.102 Um 1995 gaben bereits 53,2 % der befragten Klein- und Mittelunternehmen an, Exportaktivitäten durchzuführen.103 Obwohl die angeführten Definitionen allgemein von Export sprechen, wird in der Literatur104 eine Unterscheidung in die möglichen Ausprägungen des Exports vorgenommen (siehe auch Abbildung 4). Für Unternehmen existieren mehrere Möglichkeiten, Exportaktivitäten aufzunehmen, wobei bei der Durchführung sämtlicher Exportgeschäfte die Leistungserstellung im Inland erfolgt.105 Da im Rahmen der Arbeit das Hauptinteresse der Export Performance von Klein- und Mittelunternehmen gilt, gibt Tabelle 5 einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Exportstrategien.
101 102 103 104 105
Vgl. Cavusgil und Zou, 1994, S. 3. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 291. Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 260. Vgl. Raupp, 2002, S. 516 f. Vgl. Macharzina, 1995, S. 735. Zu den Markteintrittsstrategien, bei denen die Leistungserstellung im Ausland erfolgt, zählt Macharzina internationale Vertragsformen (u.a. Lizenzvereinbarungen, Franchising) und Direktinvestitionen wie internationale Joint Ventures.
26
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses Indirekter Export
Charakteristika
Direkter Export
- Einfachste Art des Exports
- Organisation übernimmt den Export ihrer Produkte oder Leistungen selbst.
- Einschaltung eines inländischen Absatzmittlers
- Verbunden mit neuen Aufgaben, Anforderungen an die Organisation und das Personal
- Kein direkter Kontakt zum Absatzmarkt
- Fragen des internationalen Handelsrechts, des Rechts im Importland treten auf.
- Leistung wird an KundInnen verkauft, diese geben Produktions- und Leistungsmerkmale vor - Rechnungen werden in Landeswährung, Zahlungsmodalitäten und Zahlungsziele gemäß KundInnenwunsch vereinbart. Vorteile
- KundIn übernimmt mit dem Export verbundene Funktionen, Kosten und Risiken.
- Möglichkeit, direkt auf den Exportmarkt einzuwirken - Trends, Chancen, aber auch Gefahren auf dem Markt werden schneller und leichter erkannt. - Konkurrenzsituation ist leichter analysierbar, mögliche strukturelle Änderungen werden rechtzeitig bei Entscheidungen berücksichtigt.
Nachteile
- Reine Produktionsfunktion der HerstellerInnen
- Juristisch unterschiedliche Lage am Exportmarkt.
- KundInnen können die Lieferanten untereinander ausspielen oder auf ruinösen Sonderkonditionen bestehen
- Bereits bei den Verhandlungen vor Durchführung des Exportgeschäfts müssen ExpertInnen hinzugezogen werden, um Fragen der Gerichtsbarkeit im Falle einer Auseinandersetzung zu klären. - Bei Verträgen in anderer Sprache muss zudem überprüft werden, ob diese fair ausgestaltet wurden.
Tabelle 5: Gegenüberstellung indirekter versus direkter Export (Quelle: in Anlehnung an Raupp, 2002, S. 516 f.)
Sowohl der indirekte als auch der direkte Export durchlaufen verschiedene Phasen. Abschnitt 2.5.2 stellt diese Phasen des Exportverhaltens dar.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
27
2.5.2 Phasenmodelle des Exports Phasenmodelle des Exports unterscheiden sich dahingehend, dass sie entweder am Transfer von Produktionsfaktoren ansetzen oder psychologische Konstrukte zum Ausgangspunkt haben.106 Die, an psychologischen Konstrukten anknüpfenden Phasenschemata sind verhaltenswissenschaftlich orientiert und berufen sich in einzelnen Phasen des Exports auf psychologische Konstrukte.107 Obschon in der Literatur108 mehrere Phasenschemata des Exports existieren, beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf die Vorstellung des Phasenmodells von Cavusgil und Godiwalla (1982), adaptiert von Bamberger und Wrona (1994). Der direkte wie indirekte Export repräsentiert die wichtigste Internationalisierungsform von Klein- und Mittelunternehmen. Die Implementierung von Exporttätigkeit wird als erste aktive Phase des Unternehmens auf dem Zielmarkt beschrieben, die weniger einem punktuellen Akt als vielmehr einem Prozess gleicht.109 Auf dieser Feststellung basierend, wurden Modelle entwickelt, die die Internationalisierung über einen Verlauf zunehmender Exportintensität darstellen.110 Parallel zu diesen Modellen entwickelten sich „Verhaltensmodelle“ der Internationalisierung, denen in der Literatur größere Bedeutung zukommt.111 Sie konzentrieren sich auf die charakteristischen Phasen im Verlauf der Internationalisierung von Unternehmen. Den Einstellungen des Managements betreffend die Exportaktivitäten gilt das Interesse der Forschungen, wobei durch die Operationalisierung der Exportquote objektive Variablen in die Modelle eingegangen sind. Der folgende Abschnitt bildet eines der prominenten Phasenmodelle des Exports tabellarisch ab, mit dem Anliegen eine umfassende Darstellung des Exportverhaltens von Klein- und Mittelunternehmen zu geben.112 Einschränkend angemerkt wird, dass diese Modelle nahezu keine Aussagen zu den organisatorischen Gegebenheiten der Klein- und Mittelunternehmen enthalten, insofern der Verlauf von Internationalisierung wenig präzisiert werden kann.
106 107 108 109 110
111 112
Vgl. Miesenböck, 1989, S. 28 ff. Vgl. Miesenböck, 1989, S. 30 ff.; Bamberger und Wrona, 2002, S. 295. Siehe dazu u.a. Wind et al. (1973), Bilkey und Tesar (1977), Czinkota und Johnston (1981). Vgl. Bilkey und Tesar, 1977, S. 93 ff. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 295. Die VertreterInnen (u.a. Bradley, 1987) dieser Modelle unterscheiden in verhältnismäßig einfacher Form zwischen potenziellen, passiven sowie aktiven exportierenden Unternehmen. Vgl. Bilkey und Tesar, 1977; Johnson und Czinkota, 1981; Kaynak, 1985. Vgl. Cavusgil, 1984, Journal of Business Research, 12 (2), 195 ff.
28
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
Phase
Titel
Typ
Charakteristika
Quote
Phase 1 no involvement
- Nicht-Exporteure - Kein Exportinteresse
- Negative Einstellungen und existente Gleichgültigkeit des Managements gegenüber Export. - Ständige Beschäftigung mit dem Tagesgeschäft.
---
Phase 2 pre involvement
- Nicht-Exporteure - Exportinteresse
- Durch das vorhandene Interesse, entsteht die Bereitschaft zum Export, es wird mit der Suche nach relevanten Informationen begonnen.
---
Phase 3 reactive involvement
- Reaktive Exporteure - Experimentelle Exporteure
- Ein kaum merkbarer Übergang zum Export entsteht. Fallweise Exporttätigkeit. - Export in geografisch nahe liegende Länder, die psychologisch dem Heimatmarkt ähnlich empfunden werden.
Phase 4 active involvement
- Aktive Exporteure
- Es wird ein Plus an Exporten und Ziel10-39 % märkten verzeichnet, womit ein erhöhter Bedarf an Informationen einhergeht. - Positive Erwartungen, der Zugang zu wichtigen Ressourcen und die Bereitschaft des Managements, die für den Export nötigen Ressourcen bereit zu stellen, tragen zum Gelingen der Phase bei.
Phase 5 committed involvement
- Hochaktive Exporteure - Anteil des auf den Zielmärkten erwirtschaf- 40-100 % teten Umsatzes wird für den Gesamtumsatz - Engagierte Exporteure wesentlich. - Wissen und Kompetenz des Managements wird einer der Hauptgründe für den langfristigen Unternehmenserfolg. - Ansprüche und Anforderungen denen sich das Unternehmen stellen muss, sind in dieser Phase gewachsen und unterscheiden sich von denen früherer Zeitpunkte. - Internationalisierung kann andere Formen annehmen.
1-9 %
Tabelle 6: Phasenmodell des Exports (Quelle: in Anlehnung an Bamberger und Evers, 1994, S. 258 ff.)
Wie bereits angemerkt wurde, gestalten sich Aussagen zum Verlauf der Exportphasen insofern als schwierig, als Informationen zu organisatorischen Bedingungen selten in ausreichendem Maße vorliegen. Erschwerend hinzu kommt ein Unsicherheitsfaktor in Form unerwarteter Ereignisse und Entwicklungen in der Unternehmensumwelt. Einheitlich wird aber die Ansicht vertreten, dass der Eintritt und das Überleben auf dem ausländischen Zielmarkt, verstärkt durch einen hohen Grad an Unsicherheit, wesentlich schwieriger und risikoreicher ist als auf dem Heimmarkt.113
113
Vgl. Bamberger und Evers, 1994, S. 258.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
29
2.5.3 Erklärungsansätze und Definitionen von Export Performance In den vergangenen Abschnitten wurden Ursachen für die Entscheidung pro Internationalisierung von Unternehmen aufgezeigt. Ausgehend von der Darstellung der möglichen Formen von Internationalisierung wurde Export als Art der internationalen Geschäftstätigkeit umfassend beschrieben und durch das Phasenmodell auch in seinen unterschiedlichen Ausprägungen dargestellt. Ziel dieses Abschnitts ist es, Erklärungsansätze der Export Performance vorzustellen. Zunächst ist zu definieren, was unter dem Terminus Export Performance zu verstehen ist. Daran anschließend wird ein Überblick über die bisher durchgeführten empirischen Studien gegeben, die sich der Erklärung von Export Performance angenommen haben. Obschon in den Jahren 1978-1997114 weit über 100 empirische Studien mit dem Ziel durchgeführt wurden, die Export Performance von Unternehmen zu klären, ist der Fokus zumeist auf der Untersuchung größerer Unternehmen gelegen. Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Einschränkung hinsichtlich der Darstellungsform vorgenommen. Der Schwerpunkt des Forschungsinteresses ist im Bereich von Klein- und Mittelunternehmen angesiedelt, weswegen verstärkt jene Forschungsarbeiten abgebildet werden, die sich mit Klein- und Mittelunternehmen beschäftigt haben. Aufgrund des Faktums, dass Abschnitt 2.3 die möglichen Ursachen der Internationalisierung detailliert präsentierte, sind einige dieser Ursachen mit den Variablen der Erklärung der Export Performance identisch. Eine allgemeine Definition von Export Performance wird in der Literatur nicht bereitgestellt, sei es aufgrund der zahlreichen möglichen Konzeptionen von Export Performance oder aufgrund des in Abschnitt 2.5.2 beschriebenen Umstands der Dynamik von Internationalisierungs- und Exportprozessen. Wenn auch nicht die einzig gültige Definition von Export Performance existiert, haben einige AutorInnen (u.a. Madsen, 1988 und 1998; Cavusgil und Zou, 1994; Shoham, 1996) durch Forschungsarbeiten bewirkt, dass ihre vorgeschlagenen Definitionen allgemein akzeptiert und verwendet werden. So wird Export Performance häufig als die abhängige Variable von Forschungsdesigns beschrieben, die in weiterer Folge als „...the outcome of a firm’s activities in export markets“ (Shoham, 1996, S. 59) definiert wird. Konzeptionelle Definitionen von Export Performance setzen sich aus Exporteffektivität, Exporteffizienz und konstantem Engagement auf dem Exportmarkt zusammen.115 Ein Vertreter dieser Konzeptualisierung, Madsen (1988), definiert Export Performance, als Ergebnis von
114
115
Siehe dazu die Reviews von Aaby und Slater (1988) „Management influences on export performance: A review of the empirical literature 1978-88“, erschienen im International Marketing Review sowie Zou und Stan (1998) „The determinants of export performance: A review of the empirical literature between 1987 and 1997“ ebenfalls im International Marketing Review erschienen. Vgl. Shoham, 1996, S. 59.
30
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
Firmencharakteristika, Exportmarketing, Strategie und Charakteristika des Marktes, ausgedrückt in - Exportprofit, - Exportumsatz und - Exportwachstum, als Indikatoren der Export Performance.116 Obschon das Modell Export Performance als das Resultat aus dem Zusammenwirken dieser drei Einflussfaktoren abbildet, schreibt Madsen (1988, S. 43), dass: „Feedback loops from export performance, of course, present the real world, as well as relationships between the three groups of explanatory variables.“117 Trotz der Darstellung einer Definition und eines Modells zur Export Performance, wird offensichtlich, dass sich nicht sämtliche Ursachen der Performance, nicht alle Erklärungsansätze und Indikatoren in ein theoretisch wie empirisch getestetes Modell integrieren lassen. Derselbe Autor beklagt 10 Jahre später, dass neben einer zu starken Orientierung der Unternehmen auf kurzfristige Ziele, die Verwendung ausschließlich objektiver Definitionen und Messmethoden das Thema Export Performance zu einseitig darstellen.118 Eine alternative Definitionsweise von Export Performance geht von der Performance eines Unternehmens aus und bezeichnet diese als „reflection of its decision-making in relation to strategic objectives, markets and a whole range of internal and external circumstances“ (Brown und Laverick, 1994, S. 89 zitiert in Diamantopoulos 2002, S. 222). Darauf ansetzend spricht er sich für eine stärkere Einbindung von Umwelt- und organisationalen Faktoren aus, die zunächst in spezifischen Indikatoren gemessen und daran anschließend auf ihre Erreichung interpretiert werden sollen.119 Cavusgil und Zou120 (1994, S. 4) nehmen in ihrer Definition von Export Performance ebenfalls Bezug auf die strategischen Ziele des Unternehmens. „Export performance is defined as the extent to which a firm’s objectives, both economic and strategic, with respect to exporting a product into a foreign market, are achieved through planning and execution of export marketing strategy“, wobei die beiden Autoren weiters schreiben, dass keine einheitliche Definition des Konstrukts existiert.
116 117 118 119 120
Vgl. Madsen, 1988, S. 43 ff. Vgl. Madsen, 1988, S. 43 ff. Vgl. Madsen, 1998, S. 82 ff. Vgl. Diamantopoulos, 2002, S. 222. Vgl. Cavusgil und Zou, 1994, S. 4.
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
31
Weniger mit Definitionen als mit Messmethoden von Export Performance beschäftigen sich Katsikeas, Leonidou und Morgan (2000), deren Forschungsarbeit über 100 Studien zur Export Performance und deren Messmethoden evaluierte und darauf aufbauend eine eigene Konzeptualisierung präsentierte.121 Der von ihnen vorgeschlagene Bezugsrahmen beinhaltet neben der Darstellung unterschiedlicher Dimensionen von Performance, implizite wie explizite Standards der Beurteilung von Performance, neben der Perspektive des Unternehmens, die der Stakeholder, der KundInnen und MitbewerberInnen. Der Zeithorizont wird in Form von Exportorientierung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in das Modell integriert, um die Dynamik der Internationalisierung darzustellen.122 Tabelle 7 stellt einige Studien inklusive der vorgestellten Erklärungsansätze und Möglichkeiten zur Operationalisierung von Export Performance dar (die Legende befindet sich unterhalb der Tabelle). AutorInnen
1.Beamish, Craig et al. (1993)
Land
GB/
Kanada 2.Bijmolt, Zwart (1994) NED 3.Cavusgil, Zou (1994) USA
4.Dhanaraj, Beamish (2003) 5.Diamantopoulos, Schlegelmilch (1994)
USA/ Kanada USA/ GB/D
6. Haahti et al. Europe Interstratos(1998) 7. Holzmüller, Kasper AUT (1991) 8. Madsen (1988) DK
121 122
Sample
Firmen-
Art der
Export
N
größe
Erhebung
Performance
Unabhängige Variablen
197
KMU
Fragebogen UMS, PRF
EP, MEC, ES, PDS, PMI, CHT, EMA
248 202
KMU M
Fragebogen COM Interview COM
70 87 296
KMU ---
Fragebogen UMS, PRF, WAT Fragebogen UMS
EP, EO, FCH IC, MEC, PDA, PDS, PCC, EMA, EMC SZ, RD, MEC, MIE IC, EO, PDS, CHT, EMB
4000
KMU
Fragebogen UMS
ES, MEC, IO, FCH
103
KMU
Fragebogen COM
SZ, IO, FCC, MIE, MEE, ITI ES, PDS, PCC, CHT, FCH, MIE, EMA
87/134 KMU
Vgl. Katsikeas, Leonidou und Morgan, 2000, S. 493 ff. Vgl. Katsikeas, Leonidou und Morgan, 2000, S. 493 ff.
Fragebogen UMS, PRF; WAT
32
Hintergrund: Export als Form des Internationalisierungsprozesses
AutorInnen
Land
9. Shoham (1998)
Israel
Legende: UMS Umsatz PRF Profit WAT Wachstum COM Composite Scales
EP EO ES PDA PCC PDS PMI CHT
Sample FirmenN größe 93
---
Export Planung Export Organisation Export Strategie Produktadaption Mitbewerber der Preise Stärke der Produkte Intensität von Promotion Distributionskanal
Art der Erhebung
Export Unabhängige Variablen Performance
Fragebogen UMS, PRF, WAT
---
MEC Export Commitment und Unterstützung IO Internationale Orientierung SZ IC FT FCH FCC
Firmengröße Internationale Kompetenz der Firmen Technologie der Firma Firmencharakteristika Fähigkeiten/Kompetenzen der Firma
MIE Internationale Erfahrung ITI Technologische Intensität der Industrie EMA Attraktivität des Exportmarkts EMC Mitbewerber am Exportmarkt EMB Barrieren am Export Markt MEE Ausbildung und Erfahrung
Tabelle 7: Empirische Untersuchungen zur Export Performance (Quelle: eigene Erstellung)
Tabelle 7 gab einen Überblick über die unterschiedlichsten Forschungsarbeiten zur Export Performance von Organisationen. Trotz der Vielzahl an Untersuchungen ist bislang der Aspekt von Organisationskultur und deren möglicher Einfluss auf die Export Performance nicht systematisch betrachtet worden. Die herangezogenen unabhängigen Variablen sind vielmehr Firmen- oder Managementcharakteristika zu zuordnen. Ebenso wird die Operationalisierung des Begriffes Klein- und Mittelunternehmen in den Studien unklar ausgeführt. Weder wird auf die Kriterien, die zur Zuordnung der Unternehmen in den Bereich von Klein- und Mittelunternehmen verantwortlich waren, eingegangen, noch sind diese Kriterien konsistent. Ziel des nächsten Kapitels ist es, Klein- und Mittelunternehmen in Österreich zu definieren, nach der in der Folge gearbeitet wird.
3. Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit Das folgende Kapitel stellt eine Definition von Klein- und Mittelunternehmen in Österreich vor, die sich an den Richtlinien der Statistik Österreich orientiert. Dabei wird mittels Kriterien, die eine Einteilung von Unternehmen in die Kategorie Klein- und Mittelunternehmen ermöglichen, gearbeitet. Aktuelle Kenndaten vervollständigen die Definitionen, bevor im abschließenden Abschnitt das Konzept der Organisationskultur Eingang findet. Basierend auf den typischen Charakteristika der GründerInnen beziehungsweise EigentümerInnen von Klein- und Mittelunternehmen, auf die im Verlauf des 2. Kapitels immer wieder hingewiesen wurde, wird Bezug nehmend auf Schein (1991) der Einfluss dieser Personen auf die Entwicklung von Organisationskultur dargestellt. Gemäß der Statistik der Wirtschaftskammer Österreich existiert keine verbindliche Definition für österreichische Klein- und Mittelunternehmen.123 Um dennoch Zuordnungen vornehmen zu können, wird eine Empfehlung bereitgestellt, die das Vorgehen der Klassifizierung bestimmt. Folgende vier Kriterien - Anzahl der unselbstständig Beschäftigten, - Umsatz, - Bilanzsumme und - Unabhängigkeit werden dazu herangezogen, die in diesem Abschnitt näher erläutert werden. Im Anschluss daran bildet Tabelle 8 (siehe Seite 35) die Schwellenwerte zusammengefasst ab. Anzahl der unselbstständig Beschäftigten: Da die Kriterien Umsatz und Bilanzsumme oftmals von Unternehmensseite nicht angegeben werden, ist die Anzahl der Beschäftigten für die Abgrenzung der Unternehmen nach Größengruppen ein umso wichtigeres Kriterium. Der Schwellenwert von bis zu 249 Beschäftigten wird bereits von vielen Mitgliedstaaten im Rahmen der staatlichen Förderung mittelständischer Unternehmen verwendet und fand so auch Eingang in die jeweilige nationale Gesetzgebung.124 Als Personen sind all jene mit einzubeziehen, die entweder bei dem Unternehmen angestellt sind oder die auf Rechnung für das Unternehmen tätig sind.125 Teilzeit- sowie Saisonangestellte sind in die Kalkulation mit einzurechnen, während Personen in Karenz, in Freistellung oder beruflicher Ausbildung stehend (StudentInnen und Lehrlinge) nicht berücksichtigt werden. Umsatz: Als eines der finanziellen Kriterien ist nicht der Durchschnittswert des Umsatzes für die Klassifizierung heranzuziehen, sondern der Höchst- oder auch Schwellenwert. Die Leis123 124 125
Vgl. http://www.wkw.at, April 2006. Vgl. http://www.wkw.at, April 2006. Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124, 2003. S. 36 ff.
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Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
tung des Unternehmens, seine Bedeutung auf dem Markt soll durch den Umsatz festgehalten werden.126 Bilanzsumme: Aus dem Tatbestand heraus, dass der Umsatz bei Handels- und Vertriebsunternehmen immer höher ist als bei Produktionsunternehmen, ist die Kennzahl Umsatz immer mit der Bilanzsumme zu kombinieren, um die Gesamtheit des Unternehmenswertes darzustellen. Laut Kommissions-Empfehlung kann von beiden finanziellen Kriterien "Umsatz" und "Bilanzsumme" ein Kriterium überschritten werden, ohne dass sich etwas an der größenmäßigen Zuordnung des Unternehmens ändert.127 Unabhängigkeit: Mit diesem vierten Kriterium soll ausgeschlossen werden, dass rechtliche Gebilde oder Zusammenschlüsse von Klein- und Mittelunternehmen gebildet werden, die eine über die eines Klein- und Mittelunternehmen hinausgehende Bedeutung haben. Ein Unternehmen, dessen Unternehmensanteile zu 25 % oder mehr von einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder einer staatlichen Stelle kontrolliert werden, ist kein Klein- und Mittelunternehmen.128 Gemäß der neuen, ab 1.1.2005 geltenden Klein- und Mittelunternehmen Definition wird zwischen drei Unternehmenstypen unterschieden: eigenständigen Unternehmen, Partnerunternehmen und verbundenen Unternehmen.129 Trotz der wenig verbindlichen Definitionen beziehungsweise wenig eindeutiger Kriterien zur Klassifizierung von Klein- und Mittelunternehmen, existieren kritische Werte darüber, ob eine Organisation als Klein- und Mittelunternehmen geführt werden darf. Tabelle 8 (siehe Seite 35) stellt diese Werte zusammenfassend dar.
126 127 128 129
Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124, 2003. S. 36 ff. Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124, 2003. S. 36 ff. Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124, 2003. S. 36 ff. Artikel 3 des Amtsblatt L 124 besagt, dass (1) ein eigenständiges Unternehmen jedes Unternehmen ist, das nicht als Partnerunternehmen im Sinne von Absatz 2 oder als verbundenes Unternehmen im Sinne von Absatz 3 gilt. (2) Partnerunternehmen sind alle Unternehmen, die nicht als verbundene Unternehmen im Sinne von Absatz 3 gelten und zwischen denen folgende Beziehung besteht: Ein Unternehmen hält allein oder gemeinsam mit einem oder mehreren verbundenen Unternehmen im Sinne von Absatz 3 25 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte eines anderen Unternehmens. Näheres zum Begriff des Partnerunternehmens im Artikel 3. (3) Verbundene Unternehmen sind Unternehmen, die zueinander in einer der folgenden Beziehungen stehen: a) Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens; (b) ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzurufen; (c) ein Unternehmen übt, gemäß Vertrag, einen beherrschenden Einfluss auf das anderen Unternehmen aus; (d) gemäß einer Vereinbarung der Aktionäre oder Gesellschafter, übt das Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, die alleinige Kontrolle aus.
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
35
Unternehmensklassen
Beschäftigte
Umsatz in € Mio.
Bilanzsumme in € Mio. *
Kleinstunternehmen Kleinunternehmen Mittelunternehmen
10 50 250
2 10 50
2 10 43
Tabelle 8: KMU Definition nach EU (Quelle: KMU Forschung Austria)
*Anmerkung: Diese Werte gelten seit dem 01.01.2005 und sind Höchstgrenzen
Um die österreichische Situation betreffend Klein- und Mittelunternehmen darzustellen, geben Tabelle 9 und Tabelle 10 einen Überblick über die Anzahl von Klein- und Mittelunternehmen, und deren Beschäftigte in Österreich sowie der EU (EU-19). Österreich (2003)
Europa-19 (2000)*
Beschäftigte 1-9 10-49 50-249
absolut 179.100 27.800 4.600
% 84,3 13,1 2,1
absolut 19.040.000 1.205.000 170.000
% 93,1 5,9 0,8
KMU 250 Insgesamt
211.500 1.000 212.500
99,5 0,5 100
20.415.000 40.000 20.455.000
99,8 0,2 100
Tabelle 9: Aufstellung KMU Österreich und EU-19 (Quelle: KMU Forschung Austria)
* EU-15 plus Norwegen, Island, Liechtenstein, Schweiz, ohne Land- und Forstwirtschaft
Österreich (2003)
Europa-19 (2000)*
Beschäftigte 1-9 10-49 50-249
absolut 497.500 530.600 472.700
% 21,5 22,9 20,4
absolut 41.750.000 23.080.000 15.960.000
% 34,3 19 13,1
KMU 250 Insgesamt
1.500.800 815.500 2.316.300
64,8 35,2 100
80.790.000 40.960.000 121.750.000
66,4 33,6 100
Tabelle 10: Aufstellung der Beschäftigten in KMU Österreich und EU-19 (Quelle: KMU Forschung Austria)
* EU-15 plus Norwegen, Island, Liechtenstein, Schweiz, ohne Land- und Forstwirtschaft
Zuzüglich zu den genannten vier Kriterien, die in Österreich zur Klassifizierung von Kleinund Mittelunternehmen herangezogen werden, ergänzt die folgende Definition von Mittelständischen Unternehmen aus Deutschland die bisherigen Ausführungen.130
130
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 279 f.
36
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
Bamberger und Wrona (2002) verstehen unter mittelständischen Unternehmen Klein- und Mittelunternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 500 Personen. Die Autoren betonen, dass bei dem sehr heterogenen Typ von Organisation keine Verallgemeinerungen möglich sind. Charakteristische Merkmale können jedoch abgeleitet werden. So wird einerseits die Persönlichkeit der GründerInnen (siehe Abschnitt 2.3.1: Werte, Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale des Managements), andererseits die spezifische Organisationsstruktur von Klein- und Mittelunternehmen als wesentlich eingeschätzt. Bamberger und Wrona (2002) nennen den limitierten Verwaltungsapparat, die Flexibilität, die informellen Beziehungen und den intensiven, persönlichen KundInnenkontakt als typische strukturelle Merkmale von Klein- und Mittelunternehmen.131 Mittelständische Unternehmen sind typischerweise Familienbetriebe, in denen das Management – häufig die GründerInnen oder EigentümerInnen – eine zentrale Machtposition innehat. Das Entscheidungs- und Führungsverhalten obliegt maßgeblich den EigentümerInnen. Einige Forschungsarbeiten (Filion, 1991; Obrecht, 1995) gehen davon aus, dass die zu treffenden geschäftlichen Entscheidungen stark von den Persönlichkeitsmerkmalen, den Werten und Einstellungen der Führungskräfte, EigentümerInnen oder GründerInnen von Klein- und Mittelunternehmen geprägt sind.132 Unternehmerisches Handeln resultiert aus der Vision der UnternehmerInnen, aus den Vorstellungen und Sichtweisen und aus der Position des Unternehmens in der Geschäftsumwelt. Etwaige Familientraditionen, Unternehmenstraditionen, die Einstellungen zu Risiko und Sicherheit, sowie zu Wandel, Veränderung und Unabhängigkeit prägen die Entscheidungen von Klein- und Mittelunternehmen.133 Einige der beschriebenen Merkmale betreffend EntscheidungsträgerInnen und Entscheidungsfindung in Klein- und Mittelunternehmen können mit wesentlichen Organisationscharakteristika in Zusammenhang gebracht werden. Die, in der Literatur als Pionierphase134 bezeichnete Organisationsmetapher kann als Zusammenfassung dieser, für Klein- und Mittelunternehmen typischen Merkmalsausprägungen herangezogen werden. Die Pionierphase definiert das Unternehmen als Familie oder Stamm, die Abläufe innerhalb des Unternehmens werden von den
131 132 133 134
Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 279 f. Vgl. Filion, 1991, S. 57 ff.; Obrecht, 1995, S. 9. Vgl. Obrecht, 1995, S. 9. Der Begriff Pionierphase stammt von Lievegoed (1974) respektive Glasl und Lievegoed (1993, 1997, 2004) und definiert die erste der Phasen in der Entwicklung von Organisationen, denen jeweils eine Organisationsmetapher zugeordnet wird (vgl. Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 49 f.). „Eine Organisation findet in jeder Entwicklungsphase passende Formen des Organisierens und Führens und arrangiert sich anders mit seinem Umfeld. … Jede Entwicklungsphase führt zu einem dominanten Prinzip … Damit antwortet jede Phase auf die entscheidende Herausforderung an die Organisation und konzentriert sich auf die Lösung eines bestimmten Kernproblems.“ (Glasl und Lievegoed, 2004, S. 49). Für die Pionierphase wurde die Familie oder auch Großfamilie als Sinnbild gewählt (vgl. Glasl und Lievegoed, 2004, S. 55).
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
37
Pionierpersönlichkeiten, meist den GründerInnen geprägt. Folgende Merkmale charakterisieren diese Phase135 - Image, Sinn und Leitbild des Unternehmens werden geprägt von den Visionen der Pionierpersönlichkeit, - das Unternehmen ist wie eine „große Familie“, - Ziele, Sinn und Zweck der Arbeit sind für alle MitarbeiterInnen sichtbar, - Funktionen wachsen um die Personen herum, - die MitarbeiterInnen sind alle direkt dem/der EigentümerIn (ChefIn) unterstellt, - der/die ChefIn oder GründerIn kennt alle MitarbeiterInnen persönlich, sowie deren Tätigkeiten im Betrieb, - untereinander werden intensive und direkte Kontakte gepflegt, - die Kommunikation ist direkt, - mit den KundInnen wird ebenfalls intensiver und direkter Kontakt gepflegt (auf Sonderwünsche wird eingegangen), - der direkte Kontakt mit dem/der EigentümerIn (ChefIn) sorgt für Motivation, - es gibt kaum Planung, Improvisation dominiert, weshalb hohe Flexibilität und Effizienz erreicht wird und - Marketingaktivitäten, genauso wie das Rechnungswesen sind wenig geplant beziehungsweise ausgebaut.136 Die angeführten Merkmale der Pionierphase sind als charakteristisch für die Organisationsstruktur von Klein- und Mittelunternehmen zu betrachten und können gerade im Kundenkontakt als Wettbewerbsvorteil angesehen werden.137 Der persönliche Kontakt, der als typisch für die Unternehmen erachtet wird, ist durch die erwähnte Unabhängigkeit mittelständischer Unternehmen gewährleistet. Folglich ist die Aufrechterhaltung dieser Unabhängigkeit für das Management ein zentrales Ziel, das häufig mit einer Spezialisierungsstrategie kombiniert wird.138 Dennoch stoßen auch diese Strukturen an ihre Grenzen, wenn139 - die Umwelt generell stark in Bewegung gerät, - sich Technik ändert, so dass neue Technologien, Produkte und Problemlösungen entwickelt werden, - der Markt durch neue MitbewerberInnen dynamischer wird, - der direkte Kontakt mit allen KundInnen nicht länger möglich ist und - neu eingetretene MitarbeiterInnen den Führungsstil der GründerInnen nicht länger akzeptieren.140 135 136 137 138 139 140
Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 65 ff. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 65 ff. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 279 f. Vgl. Bamberger und Wrona, 2002, S. 279 f. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 68 ff. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 68 ff.
38
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
Durch vermehrtes Auftreten der genannten Faktoren, wird die Struktur des pionierhaften Unternehmens zunehmend angezweifelt und in Frage gestellt, wobei sich parallel dazu Symptome von Krisensituationen zeigen.141 Der realisierte Gewinn nimmt ab, Konflikte in der Führungsebene zeigen sich, Beschwerden der KundInnen häufen sich und die Motivation der MitarbeiterInnen nimmt ab.142 Bedingt durch das Auftreten dieser Faktoren und Symptome, entstehen in der Organisation Kommunikationsprobleme. Es ist nicht länger möglich, mit allen MitarbeiterInnen Projekte, Ideen und Beschwerden zu diskutieren. Durch die mangelnde Struktur in der Aufgabenbewältigung geht die Übersicht verloren, uneindeutige Zuständigkeiten sind das Ergebnis. Weiters ist ein Abnehmen der Entscheidungswendigkeit zu verzeichnen. Aufgrund der Tatsache, dass Entscheidungen nicht ohne die Zustimmung der GründerInnen getroffen werden können, nimmt die Schlagkraft und Flexibilität ab, in der Folge geht ein einstiger Wettbewerbsvorteil verloren.143 Gasl und Lievegoed (2003) schreiben weiter: „…dass die visionäre Kraft und Intuition der Pioniere nachlässt. Dadurch geht die Sicht auf das Marktgeschehen verloren und die Konkurrenzsituation wird falsch eingeschätzt.“ (Glasl und Lievegoed, 2003, S. 69) Es ist demnach eine zentrale Herausforderungen für die typischerweise kleinen Unternehmen der Pionierphase, dass ihre GründerInnen nicht den Blick für das aktuelle Marktgeschehen verlieren, weiterhin dynamisch an Produktenticklungen beteiligt sind und entscheidungsfähig bleiben.144 Greiner (1972) beschreibt die Probleme der Gründungsphase.145 „But as the company grows, those very activities [frequent and informal communication, long hours of work, rewarded by modest salaries and the promise of ownership rewards, Anmerkung der Autorin] become the problem. … The company’s founders find themselves burdened with unwanted management responsibilities. They long for the ‘good old days’ and try to act as they did in the past. Conflicts among harried leaders emerge and grow more intense.” (Greiner, 1972, S. 40) Als Zusammenfassung dieses Abschnitts und Überleitung auf den nächsten, werden im Folgenden die wesentlichen Wesenszüge von Klein- und Mittelunternehmen aufgelistet.
141 142 143 144 145
Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 69. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 69. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 69. Vgl. Glasl und Lievegoed, 2003, S. 68 ff. Im Modell von Greiner (1972) werden ebenfalls Wachstumsphasen von Organisationen beschrieben. Die Gründungsphase steht dabei für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und die Etablierung derselben am Markt (vgl. Greiner, 1972, S. 37 ff.).
Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit
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Charakteristika typischer Klein- und Mittelunternehmen sind demnach - die Organisation wird als Familienbetrieb geführt, - EigentümerInnen haben zentrale Positionen inne und die damit verbundene - Macht ist bei den EigentümerInnen gelagert, - Visionen/Ideen der EigentümerInnen nehmen zentrale Stellung ein und - Vorstellungen, Einstellungen und Werte der EigentümerInnen sind prägend. Die Charakteristika betonen die zentrale Rolle der GründerInnen beziehungsweise EigentümerInnen. Schein (1991) streicht diesen zentralen Einfluss durch die Person des Gründers/der Gründerin heraus.146 Ihm zufolge werden Unternehmen gegründet, wenn eine Person durch das Zutun einer größeren Gruppe von Menschen Dinge, wie die Produktion von Gütern und Dienstleistungen besser bewerkstelligen kann.147 Ähnlich wie Vereine oder politische Bewegungen des Öfteren von charismatischen FührerInnen begründet werden, werden Unternehmen von Menschen gegründet, die eine Vision darüber haben, wie mit einer Gruppe von Menschen, ein Produkt oder eine Dienstleistung kreiert und am Markt umgesetzt wird.148 „Firms are created by entrepreneurs who have a vision of how the concerted effort of the right group of people can create a new product or service in the marketplace.” (Schein, 1991, S. 14) Ähnlichkeiten zu Greiners (1972) und Glasl und Lievegoeds (2003) Ausführungen zu der ersten pionierhaften Phase der Unternehmung, nach Gründung werden sichtbar. „Pioniere haben ‚Realphantasie’. In einem bestimmten Augenblick seines Lebens entdeckt der Pionier eine Bedarfslücke. Andere würden vielleicht sagen: ‚Da müsste etwas geschehen’. Oder: ‚Da wäre etwas zu machen!’ Ein Pionierunternehmer beschließt, eine schöpferische Antwort auf diese Bedarfslücke zu geben, und zwar für einen Preis, den der Konsument zu zahlen bereit ist. Mit einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit meist minimalem Kapital geht er an die Arbeit und gründet einen kleinen Betrieb.“ (Glasl und Lievegoed, 2003, S. 64) Schein (1991) setzt in diesem Zusammenhang wie oben beschrieben dem Prozess der Entwicklung einer Organisationskultur den Prozess der Kreation einer passenden Gruppe von Menschen voran. Er argumentiert, dass in jeder Organisation folgende vier Prozessschritte stattfinden:149 1. Eine einzelne Person (GründerIn) hat die Idee ein Unternehmen zu gründen. 2. Der/die GründerIn bringt mehrere Menschen zusammen, die eine Basisgruppe darstellen, und die eine gemeinsame Vision mit dem/der GründerIn teilen. Darunter ist unter anderem zu verstehen, dass sie die Geschäftsidee unterstützen, sie für eine gute Idee
146 147 148 149
Siehe dazu auch Schein (1991): „The role of the founder in the creation of organizational culture”. Vgl. Schein, 1991, S. 14. Vgl. Schein, 1991, S. 14. Vgl. Schein, 1991, S. 14 f.
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Klein- und Mittelunternehmen als Untersuchungseinheit halten, die es wert ist, sich zu engagieren, Neues zu riskieren, sowie Zeit, Geld und Energie zu investieren. 3. Diese Gruppe von Menschen beginnt, mit dem Ziel eine Organisation aufzubauen, zusammenzuarbeiten. Zu den Arbeiten zählt in dieser Phase die Aufstellung finanzieller Mittel, aber auch die Anmietung von Büros und Arealen. 4. Andere Menschen treten der Organisation als PartnerInnen oder Angestellte bei. Eine gemeinsame Geschichte entsteht. Bleibt die Gruppe über einen gewissen Zeitraum stabil und macht in dieser Zeit gemeinsame Erfahrungen, wird sie über sich selbst, über die Umwelt und welches Verhalten das Überleben und Wachstum des Unternehmens sichert, Annahmen sammeln.
Sobald sich diese Annahmen verfestigt haben und für selbstverständlich angenommen werden, kommt es im Unternehmen zur Entwicklung einer Organisationskultur. Die Stabilität der Annahmen resultiert aus der Tatsache, dass sie für die Organisationsmitglieder eine Möglichkeit der Sinnbelegung des täglichen Lebens darstellen, als Richtlinien fungieren, aber auch Regeln repräsentieren, wie gelebt werden soll oder kann.150 Wesentlich ist, dass diese Annahmen die Komplexität des Lebens dahingehend vereinfachen, als sie Mechanismen für den Umgang mit unsicheren, wenig vorhersehbaren Ereignissen der Umwelt anbieten. Schein (1984) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass ein großer Teil von Organisationskultur aus Mechanismen besteht, die Angst reduzieren – die Probleme des äußeren Überlebens in der Umgebung und des inneren sozialen Überlebens in der Gruppe als zu bewältigen verstehen.151 „Menschen brauchen neben der Stabilität der bekannten Umwelt die Gruppe, um zu überleben und zu wachsen. Die primitive Urangst besteht darin, in einer Gruppe ohne Sprache, ohne kognitives System und ohne Regeln zu sein, wie man mit anderen zurechtkommt.“ (Schein, 1984, S. 36) Die entstandene Organisationskultur hat stabilisierende Wirkung, normalisiert die Ereignisse des organisationalen Lebens beziehungsweise macht es dadurch möglich. Eine in diesem Prozess maßgebliche Rolle kommt dem/der GründerIn zu – wobei diese im Objektbereich von Klein- und Mittelunternehmen durch die erwähnten Funktionen von erhöhter Relevanz ist. So argumentiert Schein (1991), dass die GründerInnen großen Einfluss darauf haben, wie die Organisationsmitglieder mit den Problemen des Überlebens und Wachstums der Organisation umgehen und wie die interne Organisation von statten geht.152 Der Einfluss kann darauf zurückgeführt werden, dass diese Personen die Idee zur Gründung hatten und von daher eine bestimmte Vorstellung von der Realisation der Idee, bedingt durch die eigene kulturelle Historie aber auch durch die Persönlichkeit haben. Daraus entwickeln sich
150 151 152
Vgl. Schein, 1991, S. 14 f. Vgl. Schein, 1984, S. 36. Vgl. Schein, 1991, S. 14 f.
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bestimmte Annahmen über die Umwelt, das gegründete Unternehmen und seinen Stellenwert, die Ausgestaltung der Beziehungen und die Ausrichtung des Managements. Diese Annahmen sollen ursächlich der Organisation und ihren Mitgliedern Orientierung geben. Alleine aber aufgrund der Tatsache, dass die GründerInnen das Unternehmen aufgebaut haben und die ursprüngliche Belegschaft zusammengestellt haben, begründet sich ihr Anspruch, den Organisationsmitgliedern die eigenen Annahmen aufzuerlegen. Damit kann das Festhalten an eben diesen Annahmen einher gehen, bis die Organisation – gelähmt ob dieser Annahmen – nicht länger agieren kann, beziehungsweise die Mitglieder der Organisation scheitern oder das Unternehmen verlassen.153 Erst durch den Eintritt neuer Mitglieder aber auch Führungskräfte in die Organisation gibt es Adaptionen. „The founder’s assumptions and beliefs will gradually be modified, but will always have the biggest impact on what will ultimately be the group’s culture.” (Schein, 1991, S. 15) Durch die vorangegangenen Darlegungen wird offensichtlich, dass durch Annahmen, Handlungen und Werte der UnternehmensgründerInnen, Organisationen ihre Kultur formen und entwickeln. Organisationskultur wird dabei durch eine Vielzahl von expliziten und impliziten Mechanismen gelernt und entwickelt, die auf den expliziten „Lehren“ der GründerInnen basieren.154 Die Rolle der GründerInnen und der Organisationsmitglieder ist von daher in jede Überlegung mit einzubeziehen, will man verstehen wie sich die Organisationskultur einer Organisation entwickelt.
153 154
Vgl. Schein, 1991, S. 14 f. Vgl. Schein, 1991, S. 25.
4. Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur In diesem Kapitel der Arbeit erfolgt zunächst die Darstellung zur Entstehung des Konzeptes Organisationskultur (4.1). Neben dieser Darstellung, wird dabei auf die ersten Forschungsarbeiten aus den Vereinigten Staaten sowie auf die Aufnahme des Konzeptes im deutschsprachigen Raum eingegangen, bevor einige repräsentative Arbeiten der jüngeren Generation von ForscherInnen besprochen werden. Im Anschluss daran, wird ein Überblick über die unterschiedlichen Definitionen, Charakteristika und Konsequenzen von Organisationskultur (4.2) gegeben, bevor im darauf folgenden Abschnitt des Kapitels auf die Paradigmendiskussion (4.3, 4.4) zunächst in Form eines Überblicks, dann durch die Darstellung einiger wichtiger Stränge, eingegangen wird. Darauf aufbauend wird das eigene Forschungsvorhaben wissenschaftstheoretisch eingeordnet und das zugrunde liegende theoretische Konzept (4.5, 4.6, 4.7) erläutert. 4.1 Zur Entstehung des Konzeptes und Stand der Forschung „For organizational analysis, we need to be able to perceive and understand the complex nature of organizational phenomena, both micro and macro, organizational and individual, conservative and dynamic. We need to understand organizations in multiple ways, as having ‘machine-like’ aspects, ‘organism-like’ aspects, ‘culture-like’ aspects, and others yet to be identified. We need to encourage and use the tension engendered by multiple images of our complex subject.” (Jelinek, Smircich und Hirsch, 1983, S. 331)155 Das Zitat aus dem Jahr 1983 ist heute noch ebenso aktuell wie zur Zeit seiner Entstehung. Das Konzept der Organisationskultur hat sich vor mehr als 20 Jahren parallel zu den primär von Unternehmensberatern und Management vorgestellten Organisationskultur-Konzepten entwickelt.156 Viel ist mittlerweile dazu geschrieben, geforscht und daran anschließend wieder zitiert worden, doch seit Beginn des Forschungsprogramms herrscht Unstimmigkeit und Verwirrung über dieses. Wie Jelinek, Smircich und Hirsch schreiben, ist viel zu untersuchen, viele unterschiedliche Aspekte organisationalen Lebens sind zu sammeln und zu interpretieren, um das Konzept begreifen und verstehen zu können. Gerade aber diese Vielzahl an Definitionen, genauso wie der inflationäre Umgang mit dem Wort „Organisationskultur“ und was alles darunter subsumiert wird, erschwert das Arbeiten mit dem Begriff. Trotz der Schwierigkeiten im Umgang mit dem Konzept gestaltet sich die Arbeit damit als spannend und dabei gleichzeitig attraktiv. „With the help of the culture concept, myths, metaphors, rituals, stories, sa-
155
156
Jelinek, Smircich und Hirsch, 1983, S. 331. Aus: „Introduction: A code of many colors“, Administrative Science Quarterly, einer Special Issue, die sich ausschließlich mit dem Thema Organisationskultur auseinandersetzte. Vgl. Kasper, 1990, S. 93.
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Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur
gas, clans, heroes, ceremonies, artifacts, world views, ethos and aesthetics have been brought into our understanding of organizations.” (Schultz, 1995, S. 9) Mehr als 20 Jahre nach dem Erscheinen der Special Issue des Administrative Science Quarterly (1983) zeigen Forschungsarbeiten, dass die Beschäftigung mit Organisationskultur weiterhin interessiert und lohnt, unterschiedliche Aspekte zu Tage bringt und neues Wissen generiert.157 Möglicherweise ist die nach wie vor intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Konzept auf die Tatsache zurückzuführen, dass: „Cultural processes underlie much of what happens in modern organizations. Culture filters the ways in which people see and understand their worlds. Culture prescribes some behaviors and forbids others. Culture colors the emotional responses that people have to events.” (Trice und Beyer, 2002, S. xiii) Der zentralen Rolle von Organisationskultur beziehungsweise kulturellen Prozessen in Organisationen wurde zunächst von der Organisationstheorie wenig Beachtung beigemessen.158 Seit den 1930er-Jahren existiert jedoch eine konsistente Forschungslinie, die in den Beginnen eine strikt kulturelle Perspektive, vornehmlich geprägt durch AnthropologInnen und SoziologInnen einnahm.159
157
158 159
Siehe dazu u.a. die Arbeiten von Chatman, sowie Chatman et al. (1991, 1994, 1998, 2003), Denison, sowie Denison et al. (1990, 1995, 1996, 2000, 2003), Hatch, Hatch et al. (1993, 1996, 1997), Kasper (1987, 1989 1990, 1991, 2002). Arbeiten von Feldman (1991), Frost et al. (1991), Martin (2004), Martin und Meyerson (1988), Neubauer und Kompa (1987), Rousseau (1990) sowie Trice und Beyer (1993) sind ebenfalls hier zu nennen. Vgl. Trice und Beyer, 2002, S. xiii. Siehe dazu auch Kasper (1991, S. 98), der mit Dülfer (1988, S. 6) der Frage nachgeht, ob die enge Orientierung an der Kulturanthropologie wie u.a. durch die AutorInnen Smircich (1983) und Allaire und Firsirotu (1984) zielgerichtet ist. Es wird argumentiert, dass für die Übertragung der Erkenntnisse und Methoden pro aber auch kontra Argumente genannt werden können. Smircich (1983, S. 341 f.) schreibt, dass das Kulturkonzept von der Anthropologie geliehen wurde, dort aber ebenso kein Konsens über die Bedeutung von Kultur existiert. Basierend auf Meadows (1967, S. 78), erklärt Smircich das aktuelle Interesse am Konzept Organisationskultur durch eine Sichtweise von Organisationstheorie, die sich mit Problemen der Gesellschaftsordnung auseinandersetzt. Bei genauerer Betrachtung ist eine gemeinsame Schnittfläche von „Kultur“ im anthropologischen Sinne und Organisationskonzeptionen aus der Organisationstheorie durchaus erkennbar. Dabei geht Smircich die unterschiedlichen Konzeptionen der Organisationstheorie durch und versucht unter dem Begriff „corporate culture“ Radcliffe-Browns strukturellen Funktionalismus („Culture functions as an adaptive-regulatory mechanism. It unites individuals into social structures“ Smircich, 1983, S. 342) mit dem Kontingenzansatz aus der Organisationstheorie zusammen zu bringen. Ein Interesse der Kulturanthropologie, als integrierende und relativierende Wissenschaft vom Menschen (Schuh, 1989, S. 17 ff.) liegt auf der Gewinnung von Erkenntnissen über Strukturen und Prozesse die in anderen Kulturen/Gesellschaften vorzufinden sind. Ziel ist dabei die Beschreibung wesentlicher Merkmale wie Riten und Werte. Darauf aufbauend erfolgt die Analyse von deren Bedeutung für die Mitglieder der jeweiligen Kultur (siehe dazu Schuh, 1989, S. 17). Wesentlich erscheint es, dass die Kulturanthropologie dabei nach generalisierbaren Aussagen über kulturelle Prozesse strebt. Kultur ist für die Verträglichkeit der Handlungen der Mitglieder verantwortlich, wobei sie Voraussetzung für die Prognostizierbarkeit eben dieser Handlungen ist, d.h. Kultur vermittelt dem Menschen in seiner Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt Sinn (Kasper, 1991, S. 98).
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Exemplarisch sei hier Jaques (1951) herausgegriffen, der in seinem Buch „The changing culture of the factory“ einer der ersten Forscher war, dessen Definition160 von Organisationskultur bereits sehr früh in einem aktuellen Sinn in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde. „The culture of the factory is its customary and traditional way of thinking and doing things, which is shared to a greater or lesser degree by all its members, and which new members must learn, and at least partially accept, in order to be accepted into service in the firm. Culture in this sense covers a wide range of behaviour: the methods of production; job skills and technical knowledge; attitudes towards discipline and punishment; the customs and habits of managerial behaviour; the objectives of the concern; […] Culture is part to second nature to those who have been with the firm for some time. […] In short, the making of relationships requires the taking up of roles within the social structure; the quality of these relationships is governed by the extent to which the individuals concerned have each absorbed the culture of the organization so as to be able to operate within the same general code. The culture of the factory consists of the means and techniques which lie at the disposal of the individual for handling his relationships, and on which he depends for making his way among, and with, other members and groups.” (Jaques, 1951, S. 251)161 Weltweite Beachtung fand das Konzept Organisationskultur erstmals in den 1980er-Jahren durch populär wissenschaftliche Publikationen, unter anderem durch Peters und Waterman „In Search of Excellence“.162 Dieses Buch, das von ManagerInnen begeistert aufgenommen wurde, beschäftigt sich mit Organisationskultur im Sinne einer ausgeprägten Managementorientierung.163 Dabei bauen die Autoren auf der Arbeit von Pascale und Athos (1982) und dem in Zusammenarbeit mit McKinsey entwickelten Konzept zur Organisationskultur auf.164 Das unter dem Namen „7-S-Modell“ gängige Modell kombiniert traditionelle Führung und Struktur (harte Variablen) mit emotionalen Komponenten (weiche Variablen).165 Neben Peters und Waterman (1982) sowie Pascale und Athos (1982) zählen Ouchi (1981) und Deal und Kennedy (1982) zu den Autoren, die unter der Bezeichnung „new management thinkers“166 durch ihre Publikationen Interesse weckten und damit Anstoß zu weiteren Entwicklungen am Konzept Organisationskultur gaben.
160 161
162 163 164 165 166
Relevante weitere Definitionen von Organisationskultur siehe Abschnitt 4.2.1. Siehe dazu auch von Rosenstiel, 2000, S. 346 ff., der in diesem Zusammenhang schreibt: „Obwohl Jaques nahezu all das ausgesprochen hat, was heute diskutiert wird, war offensichtlich in den frühen 50-er Jahren die entsprechende Offenheit für diese Thematik weder in der Wissenschaft, noch in der Praxis gegeben.“ Vgl. Peters und Waterman, 1982, S. 1 ff.; Kasper, 1990, S. 98 ff.; Trice und Beyer, 2002, S. 23 f. Vgl. Kasper, 1990, S. 97. Vgl. Pascale und Athos, 1982, S. 245; Kasper, 1990, S. 98 ff. Vgl. Pascale und Athos, 1982, S. 32. Die Bezeichnung geht auf Maidique zurück, der Artikel „Point of view: The new management thinkers“ wurde 1983 in der California Management Review publiziert.
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Wenn auch zunächst unbeachtet, beschäftigten sich ebenso in Europa und im deutschen Sprachraum Forschungsarbeiten mit dem Konzept Organisationskultur.167 Krell (1994) weist darauf hin, dass die Beschäftigung innerhalb der Betriebswirtschaftslehre mit Organisationskultur beziehungsweise Unternehmenskultur keineswegs das dargestellte Novum repräsentiert.168 Vielfach existieren Parallelen zu den Vorstellungen der „Betriebsgemeinschaft“ der 1920er und 1930er-Jahre.169 So fungiert beispielsweise das Argument, dass das Personal nicht länger als bloßer Kostenfaktor gesehen wird, sondern als wichtiges Produktionspotenzial und damit als Humankapital, als gemeinsamer Nenner dieser unterschiedlichen Perspektiven.170 Ausgelöst durch Studien171, die die japanische Autoindustrie feierten und den Erfolg dieses Landes auf die stärkere Berücksichtigung „weicherer“ Unternehmenselemente zurückführten, entstanden auch im deutschsprachigen Raum Schulen, die Organisationen als ganzheitlichen Komplex auffassten.172 Arbeiten (Bleicher, 1982; Gerken, 1989; Mann, 1990) entstanden, die gleichfalls die Notwendigkeit eines Wandels von Unternehmen in Richtung „Vetrauensorganisation“ betonten und dabei visionäre Führungsarbeit und eine Kultur der Arbeit einforderten.173 Interessant dabei ist, dass der gemeinsame Nenner dieser unterschiedlichen Ausführungen die Behauptung war, eine veränderte, neue Perspektive auf Betrieb und Beschäftigte bereit zu stellen. Dass dem nicht so ist, zeigt Osterloh (1986), die schreibt, dass die „neuen“ Sichtweisen schon in den 1920er-Jahren in der Literatur besprochen wurden, wenn auch unter anderem Titel.174 Dermaßen unter dem Titel „Betriebsgemeinschaft“ bekannt, bedeutet das Konzept „… daß Menschen einheitlich verbunden, das Leben des Betriebes leisten und daß der Mensch auf diese Weise aus dem Betriebsmechanismus einen Organismus macht.“ (Nicklisch, 1932, S. 296) Obschon eine Gliederung und Struktur der Aufgaben innerhalb der Organisation notwendig sei, führe diese gleichzeitig dazu, dass die Gemeinschaft geschwächt wird, da nicht 167
168 169
170 171 172 173 174
Siehe dazu u.a. die Arbeiten von Dülfer (1991), Kasper (1987), Krell (1991) und Matenaar (1983), Neuberger und Kompa (1987) sowie Sackmann (1983). Neuberger und Kompa (1987) stellen dabei ein übersichtliches Klassifikationsschema der Organisationskultur nach Kerninhalten vor (Neuberger und Kompa, 1987, S. 25 ff.). Daran anschließend präsentieren sie ein Schema mit den Verfahren zur Erfassung von Organisationskultur, das sie nach Inhalten der Unternehmenskultur sowie Methode clustern (Neuberger und Kompa, 1987, S. 39 ff.). Vgl. Krell, 1994, S. 9 f. Siehe dazu auch die Arbeiten von Nicklisch (1920, 1922, 1924, 1932), der sich mit den Themen der wirtschaftlichen Betriebslehre, Betriebsgemeinschaft sowie Kultur im Betrieb beschäftigte. Von Rosenstiel (2003) nennt als wichtigen Wegbereiter der Kulturdiskussion Spiethoff (1932). Dieser führt aus, dass das Erwerbsmotiv nicht ungeachtet seines kulturellen Kontextes gedeutet werden sollte. Es sei in einen, für die Zeit typischen „Kulturstil“ eingebettet, der einen bestimmten durch Werte und Normen geprägten „Wirtschaftsstil“ favorisierte. Der subjektive Sinnzusammenhang einer Kulturgemeinschaft ist zu berücksichtigen (vgl. Spiethoff, 1932, S. 895 f. zitiert in von Rosenstiel, 2003, S. 379). Vgl. Krell, 1994, S. 13. Siehe dazu u.a. die Arbeiten von Peters and Waterman (1982) sowie Pascale und Athos (1982). Vgl. Pascale und Athos, 1982, S. 123 ff.; Ulrich und Probst, 1991, S. 295 f. Vgl. Gerken, 1989, S. 29 ff. Vgl. Osterloh, 1986, S. 614 ff.
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alle MitarbeiterInnen an einer unteilbaren Aufgabe teilhaben könnten.175 Für Nicklisch (1922) war deshalb die Forderung nach einer Betriebsgemeinschaft keine idealistische, weltfremde, sondern eine Möglichkeit für die Gemeinschaft eine Entwicklung nachzuholen, die sie aufgrund der Arbeitsteilung verloren hatte.176 Fischer (1950) zufolge war es Aufgabe eines jeden Unternehmens, eine Betriebsgemeinschaft zu etablieren. Weil der Betrieb „eine Institution, ein Organismus der menschlichen Gesellschaft sei“ (Fischer, 1975, S. 19), könne in einer Zeit, in der alternative Gemeinschaften zerbrechen, das Beispiel der Betriebsgemeinschaft als Vorbild für andere Institutionen gewählt werden.177 Die Ziele der Betriebsgemeinschaft waren aus Sicht der Autoren (Nicklisch, 1932; Fischer, 1950), eine produktive Stimmung im Betrieb sowie ein steigendes Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen, wobei derartige Zielvorstellungen auch in den 1980er-Jahren, allerdings unter dem Titel „Funktionen von Organisationskultur“ vorgestellt wurden.178 Mit dem Entstehen der Schwerindustrie im deutschsprachigen Raum entstand die Werksgemeinschaft.179 Ihren Ursprung hat die Werkgemeinschaft in dem Kriegserleben einer ganzen Generation von Werktätigen, die sich dem Wiederaufbau der Länder und der Herstellung des Arbeits- beziehungsweise Wirtschaftsfriedens verschrieben hatte.180 Die Werksgemeinschaft wird als Organisationsform definiert, die eine überbetriebliche Interessensvertretung überflüssig macht und großteils auf ausdrückliche Initiative des Unternehmertums wie zum Beispiel bei Siemens und bei Krupp entstanden ist.181 Die Gemeinschaft stützte sich dabei auf die Lehre der Arbeitsgemeinschaft, die besagt, dass im Zuge des Arbeitsverhältnisses sowohl MitarbeiterInnen als auch UnternehmerInnen Organe des Unternehmens seien, die ein gemeinsames Interesse für die Organisation verbindet. Der Werksgemeinschaft wurde unterstellt, dass sie die UnternehmerInnen unterstützt und sich weniger für die eigenen MitarbeiterInnen engagiert, als gegen die Gewerkschaftsbewegung opponiert.182 In der Folge verbreiteten die AnhängerInnen der Werksgemeinschaftsbewegung in ihrem Kampf gegen die freien Gewerkschaften rassistisches, nationales Gedankengut. In den Medien der Bewegung wurde offen gegen freie Gewerkschaften und fremde Staaten gehetzt, nationalsozialistische Tendenzen werden LeserInnen schnell klar.183 Es wird von den VertreterInnen (Stadler, 1926; Bang, 1926) der Werksgemeinschaft ein starker Führer, eine neue Zeit, ein groß-deutsches Reich gefordert – Forderungen, die sich im Laufe der kommenden Jahre bedauerlicherweise erfüllen sollten. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit sowie weitere Regelungen des natio-
175 176 177 178 179 180 181 182 183
Vgl. Nicklisch, 1932, S. 294. Vgl. Nicklisch, 1922, S. 56. Vgl. Fischer, 1975, S. 19 ff. Vgl. Krell, 1994, S. 60. Vgl. Krell, 1994, S. 85 ff. Vgl. Krell, 1994, S. 85 ff. Vgl. Krell, 1994, S. 85 ff. Vgl. Krell, 1994, S. 85 ff. Vgl. Breisig, 1990, S. 49.
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nalsozialistischen Arbeitsrechts wurden durchgesetzt, die Idee der Werksgemeinschaft wurde vom nationalsozialistischen Regime aufgegriffen.184 Nach Kriegsende und der Niederschlagung des Nationalsozialismus, wurde unter dem Schlagwort „Betriebliche Partnerschaft“ versucht, die in Misskredit geratene Idee der Vergemeinschaftung zu sanieren. „Teile ohne das Ganze sind nicht möglich. Die betriebliche Partnerschaft will somit die Interessen der verschiedenen Mitarbeiter eines Betriebes untereinander und dann im Verhältnis zum Betrieb klären und ordnen, also aus bisher oft zu findenden gegensätzlichen Bestrebungen und Mißtrauensverhältnissen die Gemeinschaft aller formen.“ (Fischer, 1955, S. 7) Als Werte derartiger partnerschaftlich verfasster Betriebe werden - Vertrauen, - vertrauensvolle Zusammenarbeit, - gegenseitige Achtung, - soziale Gerechtigkeit, - Freundschaft, - (soziale) Liebe, - Kameradschaftlichkeit, - Solidarität, - gesellschaftliche Verantwortung und - ökologisch orientierte Unternehmensführung genannt.185 Dass derartige partnerschaftliche Grundwerte und Leitbilder nicht alleine per Niederschrift durchgesetzt werden können, war den VertreterInnen (u.a. Lezius, 1984) klar. Es wurde betont, dass die Werte zur Reglung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit permanent geübt und vergegenwärtigt werden müssten.186 Durch Dauerbeschäftigung (Teilzeitkräfte werden als PartnerInnen ausgeschlossen, da sie nicht durchgehend „für das Unternehmen“ tätig sind), materielle und immaterielle Beteiligungen, in Form von Erfolgsbeteiligungen und Einbeziehung der MitarbeiterInnen in die Entscheidungsprozesse, Miteigentümerschaft, umfassende Informationen und menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung wurde das Prinzip der betrieblichen Partnerschaft zu implementieren versucht.187 Wie oben ausgeführt wurde, gilt die Veröffentlichung von Peters und Waterman (1982, 1984) als auslösendes Moment für die „Renaissance“ der Organisationskulturforschung im deutschsprachigen Raum.188 Am Beispiel einiger „exzellenter“ Unternehmen, zeigten die Autoren auf, welche Bedeutung gelebte Wertesysteme in Organisationen für deren angeblichen Erfolg
184
Vgl. Krell, 1994, S. 118 ff. Vgl. Fischer, 1955, S. 19 ff.; Lezius, 1984, S. 4 186 Vgl. Krell, 1994, S. 180 f. 187 Vgl. Krell, 1994, S. 186 ff. 188 Vgl. Kasper, 1987, S. 1. 185
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haben.189 „Der Schock durch das ‚japanische Wunder’ bei der bis dahin so selbstbewussten abendländischen Wirtschaft…“ (Kasper, 1987, S. 1) war sicherlich ebenso ausschlaggebend für die Anwendung des Kulturbegriffes auf die Mikroebene von Organisationen.190 Es galt demnach die Ursachen für das besondere Leistungspotenzial japanischer Unternehmen zu finden. Bezogen auf die vorhergehenden Ausführungen zu Betriebsgemeinschaft, Werksgemeinschaft und partnerschaftlicher Betriebsgemeinschaft, wird geschlossen, dass sowohl Betriebsgemeinschaft, als auch Organisationskultur Antworten auf ökonomische, gesellschaftliche und theoretische Krisen waren und sind.191 Krell (1994) zitiert in der Folge Neuberger und Kompa (1987)192, die davon sprechen, dass aus den MitarbeiterInnen einer Organisation eine verschworene Gemeinschaft gemacht werden soll. „Dementsprechend taucht auch in der Literatur zum Thema ‚Organisationskultur’ häufig der Begriff ‚Gemeinschaft’ auf.“ (Krell, 1994, S. 249) In den Anfängen der deutschsprachigen Forschungsrichtung zur Organisationskultur in den 1980er-Jahren, wurden amerikanische Arbeiten (beispielsweise Pascale und Athos, 1982) reproduziert. Die in diesem Zusammenhang vorhandenen, spezifischen europäischen Erfahrungen sowie die traditionsreiche wissenschaftliche Forschung zur Betriebsgemeinschaft wurden ignoriert. „Denn dass wirtschaftliches Handeln auch wertebezogen ist, und dass diese Werte sich aus einem kulturellen Kontext ableiten, durch zeitgenössische Geistesströmungen beeinflusst werden und in bestimmten Symbolen, Sprachgewohnheiten und Artefakten ihren Ausdruck finden, war schon an den Erscheinungsformen der industriellen Gründerzeit leicht zu erkennen.“ (Dülfer, 1991, S. 13) Demzufolge hätte der Charakter amerikanischer Publikationen gewahrt werden und um Beispiele europäischer beziehungsweise deutscher Organisationsbeispiele erweitert werden können.193 Gesetzliche Grundlagen, Arbeitsrecht, ebenso wie Organisationsstrukturen und die damit einhergehenden Prinzipien und Werte sind hier als wesentliche Unterschiede zu nennen und als Adaptionsmöglichkeiten aufzuzeigen, wobei einige ForscherInnen diese Probleme identifizierten und in Pionierarbeit den deutschsprachigen Raum dargestellt haben.194 Denn wie Kasper (1987) schreibt: „Europäische Organisationskulturen unterscheiden sich jedoch beträchtlich von US-amerikanischen. Organisation wird in Europa nicht rein funktional begriffen, sondern (zumeist) historisch, da viele Organisationen eine lange Entstehungsgeschichte aufweisen. Darüberhinaus wird der kollektiven 189 190 191
192 193 194
Vgl. Peters und Waterman, 1984, S. 32. Vgl. Kasper, 1987, S. 1. Vgl. Krell, 1991, S. 148. Die Autorin schreibt weiter, das durch die Organisationskultur erzeugte „WirBewusstsein“ soll die Durchsetzungsfähigkeit und Widerstandskraft des Unternehmens gegenüber externen und internen Störungen erhöhen. Die gleichen Hoffnungen waren auch an die Betriebsgemeinschaft geknüpft (vgl. Krell, 1991, S. 148). Siehe dazu auch „Wir, die Firma“ von Neuberger und Kompa (1987). Vgl. Dülfer, 1991, S. 12 ff. Siehe dazu u.a. die Arbeiten von Dülfer (1991), Kasper (1987, 1991), Krell (1991), Neuberger und Kompa (1987) und Sackmann (1983).
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Interessensdurchsetzung und Kodifizierung von Rechten ein größeres Gewicht beigemessen. In den USA hingegen subsumiert man unter diesem Begriff ausschließlich eine profitorientierte Industrieorganisation. …“ (Kasper, 1987, S. 156) Zu den ForscherInnen der jüngeren Generation, deren Arbeiten auf jenen der 1980er-Jahre aufbauen, zählen unter anderem Mary Jo Hatch (1993), Majken Schultz (1995), Jennifer Chatman (1994, 2003) und Mats Alvesson (1993, 2002). Während Hatch (1993) eine Weiterentwicklung von Scheins Modell der Organisationskultur vorschlägt und diese vornimmt195, arbeitet Chatman (1994, 2003)196 mit Scheins Modell, um Beziehungen zwischen Branchencharakteristika und Organisationskultur herauszuarbeiten. Hatch (1993, 1997) hat gezeigt, dass es möglich ist, in einem Modell viele Sichtweisen und Einzelergebnisse anderer AutorInnen zu integrieren. So proklamiert Hatch, dass Kultur in ihrer Ganzheit nie auf einer Ebene aufgearbeitet werden kann, sondern immer nur in Aspekten, die ihrerseits wieder von Bedingungen abhängen. „In practice, the point of entry for a particular analysis will be determined by the research question and the method of study.“ (Hatch, 1993, S. 687). Schultz und Hatch schließlich präsentieren in einer ihrer Arbeiten eine Strategie, wie multiparadigmatische Forschung mittels Wechselspiels unterschiedlicher Paradigmen gefördert werden kann.197 Schultz (1995) schreibt in ihren Untersuchungen Organisationskultur eine fundamentale Wirkungsweise zu, sorgt sie doch dafür, was Menschen in ihren sozialen aber auch beruflichen Aktivitäten für gegeben annehmen.198 Die Vorgehensweise bei der Untersuchung von Organisationskultur ist in diesem Zusammenhang wichtig. „The cultural way of studying organizations is to study the meaning of organizational behavior – or more specifically, the meanings and beliefs which members of organizations assign to organizational behavior and how these assigned meanings influence the ways in which they behave themselves.“ (Schultz, 1995, S. 5) Der Auffassung, dass Organisationskultur fundamentaler Einfluss im organisationalen Leben zugestanden wird, schließt sich Alvesson (2002) ebenfalls an. Er geht davon aus, dass „… the capacity of culture to simultaneously create order, meaning, cohesion and orientation, thus making collective action, indeed organizational life, possible and to restrict autonomy, creativity and questioning, thereby preventing novel, potentially more ethically thought through ways of organizing social life from being considered” von der Forschung ernst genommen werden muss (Alvesson, 2002, S. 13). Ziel von ForscherInnen ist demzufolge Reflexion anzu195 196
197 198
Vgl. Hatch, 1996, S. 657 ff. Siehe dazu die Artikel erschienen im Academy of Management Journal, 1994 sowie in der California Management Review, 2003. Vgl. Schultz und Hatch, 1996, S. 529 ff. Vgl. Schultz, 1995, S. 5.
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regen, wie kulturelles Verständnis von Organisationen entsteht. „This calls for an ability to vary perspectives: to consider several aspects and relate these to each other.” (Alvesson, 2002, S. 13). Ziel dieser Vorgehensweise ist es, Reflexivität und Erkenntnisse zu sammeln.199 Bevor im Rahmen der Paradigmendiskussion (4.3) auf die sich durch die unterschiedlichen Sprachräume ergebenden möglichen Sichtweisen eingegangen wird, stellt Abschnitt 4.2 Definitionen, Charakteristika und Konsequenzen von Organisationskultur vor, mit dem Ziel ein differenziertes Bild aufzuzeigen. 4.2 Definitionen, Charakteristika und Konsequenzen von Organisationskultur Die zahlreichen Publikationen zum Konzept der Organisationskultur sowie die daraus resultierenden konträren Sichtweisen haben zu unterschiedlichsten Definitionen von Organisationskultur geführt. Ziel des nächsten Abschnitts (4.2.1) ist es, Definitionen von Organisationskultur darzustellen. Dabei sind prominente AutorInnen (u.a. Frost, Martin und Schein) vertreten, mit der Absicht ein differenziertes Bild dieses komplexen Konstruktes zu präsentieren. Daran anschließend werden Charakteristika (4.2.2), aber auch Konsequenzen (4.2.3), die Organisationskultur innewohnen beziehungsweise ihr zugeschrieben werden abgeleitet. 4.2.1 Definitionen von Organisationskultur Tabelle 11 stellt in chronologischer Form unterschiedliche Definitionen von Organisationskultur vor, wobei die meisten der AutorInnen von Organisationskultur als von den Mitgliedern der Organisation geteiltem Phänomen ausgehen. Definitionen 1.
„Organisationskultur spiegelt in ihrer Gesamtheit die gesammelten Erfahrungen einer Organisation wider, die sowohl den Geist einer Organisation als auch ihre speziellen (kognitiven, Anmerkung des Autors) Fähigkeiten beschreiben.“ (Sackmann, 1983, S. 395 f.)
2.
„Organizational culture is the pattern of the basic assumptions that a given group has invented, discovered, or developed in learning to cope with its problems of external adaption and internal integration, and that have worked well enough to be considered valid, and therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think and feel in relation to this problems.” (Schein, 1984, S. 13)
3.
„Talking about organizational culture seems to mean talking about the importance for people of symbolism – of rituals, myths, stories and legends – and about the interpretation of events, ideas, and experiences that are influenced and shaped by groups within which they live.” (Frost, 1985, S. 3)
4.
„ Mit Kultur im Sinne von pattern of behavior (Muster, Struktur von Handlungen) wird die typische Lebensweise innerhalb des Kollektivs (Gesellschaft, Stamm, Organisation) ausgedrückt. Das Muster der Lebensgestaltung bezieht sich auf regelmäßig wiederholte Handlungen, materielle Anordnungen und soziale Einrichtungen, die eine Gruppe von Menschen charakterisieren. Damit wird Kultur auf den Be-
199
Vgl. Alvesson, 2002, S. 13.
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reich beobachtbarer Phänomene, auf konkrete Objekte und Ereignisse bezogen. Kultur im Sinne von pattern for behavior (Muster, Programme, Schablonen, Folien für Handlungen) verweist dagegen auf sozial vermittelte psychische Strukturen im Menschen, die der Beobachtung nicht zugänglich sind.“ (Neuberger und Kompa, 1987, S. 24) 5.
„ … Underlying our argument is the premise that cultures are socially constructed realities [Berger and Luckman, 1966] and, as such, the definition of what culture is and how cultures change depends on how one perceives and enacts culture.” (Meyerson und Martin, 1987, S. 1)
6.
„Culture does not necessarily imply a uniformity of values. Indeed quite different values may be displayed by people of the same culture. In such an instance, what is it that holds together the members of the organization? I suggest that we look to the existence of a common frame of reference or shared recognition of relevant issues. There may not be agreement about whether these issues should be relevant or about whether they are positively or negatively valued …They may array themselves differently with respect to that issue, but whether positively or negatively, they are all orientated to it.” (Feldman, 1991, S.154)
7.
„Wenn Kultur – wie vorgestellt – das selbstgesponnene Gewebe von Deutungen, Meinungen und Überzeugungen meint, mit dem Menschen wie auch Organisationen eine uneinsehbare Welt einsehbar machen, …” (Bardmann, 1994, S. 419)
8.
„Consistent with other researchers [Kotter and Heskett, 1992; Rousseau, 1990], we define culture as a system of shared values (that define what is important) and norms that define appropriate attitudes and behaviors for organizational members (how to feel and behave).”(O’Reilly und Chatman, 1996, S. 160)
9.
„Culture is a loosely structured and incompletely shared system that emerges dynamically as cultural members experience each other, events, and the organizations contextual features.” (Anonymous reviewer, 1987 zitiert in Martin, 2002, S. 58)
Tabelle 11: Definitionen von Organisationskultur (Quelle: eigene Erstellung)
Auf Basis dieser Definitionen, die stellvertretend für die Vielzahl von Beschreibungen ausgesucht wurden, werden nun Charakteristika (Tabelle 12, siehe Seite 54) und Konsequenzen von Organisationskultur dargestellt, die trotz unterschiedlicher Perspektiven von den meisten ForscherInnen inhaltlich unterstützt werden. 4.2.2 Charakteristika von Organisationskultur Die anschließende detaillierte Beschreibung der Charakteristika von Organisationskultur orientiert sich an der von Trice und Beyer (2002) verwendeten Diktion. Charakteristika
Definitionen
Kollektiv
Kulturelle Phänomene sind kollektiv, es wird davon ausgegangen, dass Kulturen nicht von Einzelnen gegründet werden, die alleine agieren. „Organisationskultur ist das Produkt kollektiven, gesellschaftlichen und individuellen Handelns.“ (Kieser, 1984, S. 28) Kulturelle Phänomene werden von den Mitgliedern einer Gruppe geteilt. „Belonging to a culture involves believing what others believe and doing as they do – at least part of the time.” (Trice und Beyer, 2002, S. 5)
Historisch
Kulturelle Phänomene sind mit der Geschichte und Tradition verbunden, sie können von ihr weder getrennt werden noch entstehen sie binnen kurzer Zeit. Matenaar (1983) versteht
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unter der Tradierung der Kultur, dass aus der Geschichte heraus, der deutliche Prozess der historischen Entstehung und Bewährung der sie kennzeichnenden Dinge und Ereignisse verstanden werden kann. „Zum Ausdruck kommt damit, daß die Ursprünge für kulturrelevante verhaltensdeterminierende Größen in der Vergangenheit liegen. In einem langfristigen Zeitablauf haben sich das eigentlich auslösende Ereignis bzw. die Raum-Zeitspezifische Situation und das von ihre bestimmte und letztlich geprägte Reaktionsschema voneinander gelöst, so daß sich ein autonomes Orientierungsschema gebildet hat.“ (Matenaar, 1983, S. 31 f.) Um eine Organisationskultur zu entwickeln, verbringen Menschen Zeit in der Organisation, sie agieren wobei im Umgang mit neuen Erfahrungen gemeinsam gelernt wird, wie damit umzugehen ist. So bleiben beispielsweise aus der Historie des Unternehmens herstammende kulturelle Aspekte selbst nach Jahren unter anderem Management bestehen, denn „die als Auswahlkriterien im Entwicklungsprozeß empfundenen Bewährungen sorgen dafür, daß die einmal in der Kultur aufgenommen Standards eine Basis werden, die in ihrer Tendenz eine längerfristige Gültigkeit aufweisen.“ (Matenaar, 1983, S. 31 f.) Es lässt sich daher zusammenfassen: „Organisationskultur ist das soziale Erbe einer Unternehmung, die Summe der von Generation zu Generation weitergegeben Überzeugungen, Verhaltensweisen und -regeln.“ (Kieser, 1984, S. 28) Emotional
„Because cultures help to manage anxieties, their substance and forms are infused with emotions as wells as meaning.” (Trice und Beyer, 2002, S. 6) Die in Kapitel 3 angesprochene Funktion von Organisationskultur, die Angst von Führungskräften und MitarbeiterInnen zu verringern, wird in diesem Zitat erneut angesprochen. Kulturelle Phänomene sind ganzheitlich, intersubjektiv und mehr emotional als streng rational und analytisch. Die Mitglieder einer Organisationskultur zweifeln daher kaum Grundwerte und Einstellungen an. Das kann soweit führen, dass Organisationskultur derart selbstverständlich gesehen und gelebt wird, „dass sie geradezu in ‚Fleisch und Blut’ übergegangen sind.“ (Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 103.)
Symbolisch
Kulturelle Phänomene haben häufig ideellen Charakter, sie beschäftigen sich mit Einstellungen, Wissen und dem kulturellen Verständnis der Organisationsmitglieder, wobei sie häufig als Teil anderer kultureller Manifestationen vorkommen. „Thus, while in one sense symbols are a specific type of cultural form, they are, in another sense, the most general and pervasive of cultural forms.” (Trice und Beyer, 2002, S. 7) Dazu kommt, dass Organisationskultur nicht direkt erfassbar ist. „Man kann sie daher nicht im naturwissenschaftlichen Sinne sezieren, sondern muss sie über Symbole interpretieren, d.h. auf indirektem Wege erfahren.“ (Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 105.)
Dynamisch
„While cultures create continuity and persist across generations of members, they are not static, but dynamic. Cultures continually change.” (Trice und Beyer, 2002, S. 7) Trotz Geschichtsbewusstseins, wirkt eine Reihe von Dimensionen auf Organisationskultur ein, die ständig neue Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit und Dynamik der Kultur stellen. „Nur in dem Umfang, in dem sie sich als zur Lösung von Problemen geeignet erweisen, haben kulturelle Inhalte und Formen langfristig Lebenschancen.“ (Thurn, 1976, S. 122) Zudem ist die menschliche Kommunikation innerhalb der Organisation, mittels derer Kultur weitergegeben wird, nicht perfekt. „Thus, all members do not learn exactly the same things about what a culture endorses and expects. Even if they intend to conform perfectly to what others expect, their understandings of a culture may be too imperfect to make that possible.” (Trice und Beyer, 2002, S. 7) Die Organisationsmitglieder haben daher ein indi-
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viduell unterschiedliches Verständnis der Organisationskultur, Dynamik und ein Wandel des Konstrukts gehen damit einher. Matenaar (1983) beschreibt kulturelle Anpassung und gleichzeitig auch Entwicklung anhand des evolutionstheoretischen Ansatzes. „Zufallsbedingtes, prinzipiell richtungsloses Auftreten von Änderungsimpulsen und teils natürliche, teils künstliche, vom Menschen steuerbare Eingliederung und Übernahme neuer Orientierungsmuster vollziehen sich in einem schrittweisen Prozeß, der auf einer bestehenden Ordnung aufbaut und die Änderungen an dem bestehenden Kultursystem ausrichtet.“ (Matenaar, 1983, S. 33) Unscharf
„… The appropriate image … of cultural organization is neither the spider web nor the pile of sand; it is rather more the octopus, whose tentacles are in large part separately integrated, neurally quite poorly connected with one another and with what in the octopus passes for a brain, and yet who nonetheless manages to get around and to preserve himself, for a while anyway, as a variable, if somewhat ungainly entity.” (Geertz, 1966, S. 66 zitiert in Trice und Beyer, 2002, S. 7) Je komplexer und fragmentierter die Umstände sind, mit denen sich eine Gruppe konfrontiert sieht, desto eher wird sich in der eigenen Organisationskultur diese Verschwommenheit widerspiegeln. Kulturelle Phänomene, voll von verschiedenen Bedeutungen, doppeldeutigen Zeremonien, Geschichten und Metaphern sorgen dabei unter anderem für diese Unschärfe.
Tabelle 12: Charakteristika von Organisationskultur (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Trice und Beyer, 2002, S. 5 ff.; Alvesson, 2002, S. 6)
4.2.3 Konsequenzen von Organisationskultur Sackmann (1983) zufolge, gibt Organisationskultur durch Standards und Richtlinien an die Organisationsmitglieder vor, wie die Funktionen eines effektiven sozialen Systems erfüllt werden können200: 1. Sicherstellung ausreichend notwendiger Ressourcen, 2. Setzen und Realisation von Organisationszielen, 3. Koordination der Organisation und 4. Schaffen, Bewahren und Übertragung der Organisationskultur. Neben dem zur Verfügung stellen notwendiger Ressourcen und dem Setzen von Organisationszielen, hat Organisationskultur eine Koordinierungsfunktion. „Die Koordination dient der wechselseitigen Abstimmung von interdependent arbeitenden Mitarbeitern, Abteilungen etc. in arbeitsteiligen Organisationen.“ (Sackmann, 1990, S. 157) Damit wirkt Organisationskultur Differenzierungstendenzen entgegen und überwindet Ziel- und Interessenskonflikte.201
200 201
Vgl. Sackmann, 1983, S. 396. Vgl. Sackmann, 1990, S. 157.
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Das Schaffen, Bewahren und Übertragen von Organisationskultur kann unter der Integrationsfunktion von Organisationskultur subsumiert werden. Diese Funktion verbindet die Mitglieder der Organisation untereinander mit der Organisation selbst. Ein „Wir-Gefühl“, das abteilungsübergreifend wirkt und die gemeinsame Zielerreichung ermöglicht, soll gefördert werden.202 Es wird ersichtlich, dass Organisationskultur hier primär eine koordinierende sowie stabilisierende Funktionsweise zukommt. Das folgende Zitat aus Kasper (1987) fasst die Wirkung von Organisationskultur treffend zusammen: „Organisationskultur ist mit anderen Worten eine Linse, die Wahrnehmungen filtert, Erwartungen beeinflusst, gemeinsame Interpretationen und Verständigung ermöglicht. Dies reduziert Komplexität und Unsicherheit für die Organisationsmitglieder, da vergangene, gegenwärtige und zukünftige Verhaltensweisen und Handlungen sowohl gelenkt als auch im nach hinein gerecht fertigt werden.“ (Kasper, 1987, S. 28 f.) Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wird im Folgenden dargestellt (in Anlehnung an Trice und Beyer, 2002, S. 8 ff; Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 102 ff.) - Management gemeinsamer Unsicherheiten Selbst in Zeiten, in denen Wandel sehr hoch eingeschätzt und geachtet wird, wird eine Gleichförmigkeit betreffend zentrale kulturelle Erwartungen und Werte gewünscht. „Even in contemporary U.S. society, where change itself is highly valued and pursued, conformity to core cultural expectations is considered a virtue. People do not want everything in their worlds to change at the same time.” (Trice und Beyer, 2002, S. 9) Diesem Wunsch nach Stabilität werden Organisationen mittels Managements gemeinsamer Unsicherheiten gerecht. „Through ideologies and cultural forms, cultures supply fixed points in a world of bewildering change and disappointment.” (Trice und Beyer, 2002, S. 8 f.) Die von den beiden U.S.amerikanischen AutorInnen bezeichneten „ideologies“ und „cultural forms“ können nach Ansicht der Autorin nicht ident ins Deutsche übernommen werden. Nach Lektüre der diesbezüglichen Ausführungen, ist hier am ehesten von Unternehmensleitbildern (möglicherweise in Form von Visionen) oder Symbolen (Slogans und Rituale) die Rede. Gestützt wird diese Überlegung zur unterschiedlichen Verwendung des Begriffes „ideology“ durch den Satz: „The very term ideology, which we use in this book to represent the substance of cultures …“ (Trice und Beyer, 2002, S. 11) Folgendes Beispiel dient der argumentativen Stützung der eigenen Übersetzung (Freiberg, 1987 übernommen von Trice und Beyer, 2002). „Distinctive ideologies as expressed by Herbert Kelleher, CEO of Southwest Airlines: Failure is a natural result of the competitive process. One way to compete is to make work fun. We give the best service in the business. Exam202
Vgl. Sackmann, 1990, S. 157.
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ples of cultural forms: once each quarter, officers of the company work as baggage handlers, ticket agents, and flight attendants. Every Friday at noon, employees in Dallas gather in the parking lot for a cookout.” (Trice und Beyer, 2002, S. 3) Derartige Leitbilder und Symbole variieren in dem Grad, in dem sie sich aus der Praxis stammen (wie im Fall von Southwest) oder aber auf Vorstellung und Aberglaube beruhen. Das Management der gemeinsamen Unsicherheiten auf Basis von Symbolen ist dabei im Rahmen der Adaption und Bewältigung umso hilfreicher für die Organisationsmitglieder, desto besser sie den Unternehmensalltag widerspiegeln. Die Funktion von Organisationskultur liegt in einer kollektiven Bewältigung menschlicher Ängste, Bedürfnisse und Wünsche – definiert als „institutionalisierte Angstabwehr.“ (Kasper, 1987, S. 31) - Erschaffen sozialer Ordnung „Culture creates social order from the potential chaos that emanates from the open-ended nature of the human nervous system.” (Trice und Beyer, 2002, S. 9) Wiederkehrende Verhaltensmuster werden von den Organisationsmitgliedern als richtig eingestuft, demzufolge als Vorlage für das eigene Verhalten herangezogen. Das Resultat dieser Überlegungen führt zu spezifischen Annahmen und Erwartungshaltungen darüber, wie sich die Mitglieder einer Kultur verhalten sollen. „… People begin to see them as right and proper ways to behave and become emotionally attached to them. The result is norms-quite specific and taken for granted expectations for how people should behave …” (Trice und Beyer, 2002, S. 9) - Erschaffen von Kontinuität Sozialisation vermittelt wie in der Organisation gedacht und gehandelt werden soll. „Generell bedeutet Sozialisation, daß sich eine Person in Auseinandersetzung mit ihrer sozialen Umwelt Fähigkeiten, Fertigkeiten, Motive, Einstellungen und soziale Normen aneignet. Ein häufig genanntes Ziel von Sozialisation ist die Anpassung und die ‚Verinnerlichung’ gesellschaftlicher Normen.“ (Kasper, 1992, S. 2056). Die betriebliche Sozialisation wird im Unterschied dazu als Prozess der Aneignung der in einem Unternehmen verbindlichen Werte, Normen, Einstellungen, Deutungs- und Verhaltensmuster verstanden. „Damit wird klar, daß es um die Einübung und Einbindung des Individuums in eine spezifische Unternehmenskultur geht. …[Sozialisation] ist ein nur zum Teil bewußt gesteuerter Prozeß. Unter betrieblicher Sozialisation wird überwiegend die Sozialisation im Betrieb verstanden, aber auch die Sozialisation für den Betrieb …“ (Kasper, 1992, S. 2057) Erwähnt sei an dieser Stelle erneut die Japaneuphorie (sieh dazu Abschnitt 4.1). Im Zuge dieser wurde gefordert, dass eine komplette Kulturübernahme durch die Organisationsmitglieder erfolge. „Inzwischen wird erkannt, daß die ‚Organisation nicht als monolithischer Block auf alle Organisationsmitglieder gleich wirkt’ (von Rosenstiel, 1987, S. 125) und auch in diese Richtung zielende dominierende Mythen der Unternehmenskultur wie ‚wir sitzen alle in einem Boot’ und ‚wir sind eine große Familie’ scheinen durch kritische Reflexionen zu Organisationskulturkonzepten relativiert worden zu
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sein (Kasper, 1987, S. 154).“ (Kasper, 1992, S. 2061) Die Organisationen vermitteln die Inhalte der Sozialisation entweder durch Anweisungen, Vorschriften, Regeln (offen) oder durch Rituale und Geschichten (versteckt wird hier Sozialisation betrieben). „…, individuals are shaped to fit within and continue the prevailing social order. Failures to socialize are costly to cultural continuity and social order. Social life is disrupted when individuals do not know how or refuse to conform to important expectations.” (Trice und Beyer, 2002, S. 10) Damit einher geht die Gefährdung von kultureller Kontinuität, der Grad an Unsicherheit nimmt zu, da die Mitglieder nicht länger abschätzen können, worauf sie sich „verlassen“ können. Generell gilt, dass die Bereitschaft die Kultur der Organisation zu übernehmen von Mitglied zu Mitglied unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Der Bogen spannt sich dabei von bloßer Zustimmung bis hin zur Identifikation und Internalisierung. „Klar ist jedenfalls, daß Personen, die der Unternehmenskultur nicht entsprechen, von sich aus kündigen oder gekündigt werden …“ (Kasper, 1992, S. 2061). Während MitarbeiterInnen, die also die existierende Organisationskultur ablehnen, kündigen oder gekündigt werden, stimmen langjährige MitarbeiterInnen mit den kulturellen Werten der Organisation entweder überein oder haben sie hingenommen. Im Gegensatz zu den Forderungen der totalen Kulturübernahme neu eintretender MitarbeiterInnen in den 1980er-Jahren, wird aktuell die Einflussnahme durch MitarbeiterInnen betont. „Diesbezüglich gilt es, die aktive Rolle der Organisationsmitglieder bei der Gestaltung der Organisationskultur zu betonen: Die Organisationsmitglieder bringen ihre in der primären und sekundären Sozialisationsphase erworbenen Grundmuster, ihre durch Erfahrungen und Interessen geprägte Realität ein, die unter Umständen auch gegen die Interessen der Organisation gerichtet sein kann.“ (Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 104.) - Erschaffen von Identität Die Mitglieder einer Organisationskultur sind einander nicht nur aufgrund der gemeinsam geteilten Werte verbunden, sondern auch aufgrund ihrer sozialen Beziehungen. Die gemeinsame Identität entsteht über die Interaktion mit anderen und der Interpretation darüber. Im Rahmen dieses Prozesses entwickeln die Mitglieder ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe (sie werden Teil dieser Gruppe), und teilen deren besondere Werte und Praktiken. „Within social groups that persist long enough to form cultures, members also develop a sense of a common identity. …People’s dependence on each other for emotional support and for making sense of their worlds also builds commitment to their cultural groups.” (Trice und Beyer, 2002, S. 10) Die Identität der Organisationsmitglieder kann zudem durch das gegenseitige Angleichen von Werten gefördert werden. Durch kulturbestimmte Mitglieder, die eingebunden sind, „durch den Grad der Konkretisierung der Kulturinhalte und durch die Partizipationsmöglichkeiten.“ (Matenaar, 1983, S. 34) Tolerante, anpassungsfähige Organisationskultu-
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ren können nach Matenaar (1983) mit einer höheren Loyalität der Betroffenen selbst in strittigen Situationen rechnen. - Förderung von Ethnozentrismus Organisationskultur hat neben den positiven Funktionen, die ihr aufgrund ihrer stabilisierenden oder auch Angst reduzierenden Wirkung zugeschrieben werden, auch problematische Konsequenzen. Auch in diesem Abschnitt ist nach Ansicht der Autorin, der von Trice und Beyer verwendete Begriff des „Ethnozentrismus“ nicht ins Deutsche zu übernehmen. Eher ist mit dem Begriff das Wegfallen kritischer Reflexion verbunden, das Ausblenden von unterschiedlichen Perspektiven, oder auch eine Art des Abteilungsdenkens. Mitglieder einer Gruppe, die bestimmte Ideen befürworten, neigen oftmals dazu, Ideen anderer zu misstrauen, sie zu fürchten und abzulehnen. „The stronger and more emotionally charged the ideas, the more likely that their adherents will come to have intolerant and emotionally charged reactions to people who hold other ideas.” (Trice und Beyer, 2002, S. 11) Auch organisationale Mythen dienen dazu, bestimmte Ideen und Werte, sowie Verhaltensweisen und Handlungen zu bewahren und zu leiten, wohingegen alternative Vorgehensweisen ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist die Reduktion von Unsicherheit und Komplexität eine Funktion von Mythen. „Mythen haben die Funktion von Wahrnehmungsfiltern, die alternative Sichtweisen ausblenden … Hervorzuheben ist überdies die Steuerungswirkung von Mythen. Sie erfolgt nicht über Führung oder ‚Sachzwänge’, sondern ‚über Herzen und Köpfe’: Eine bestimmte Sicht der Wirklichkeit wird durch den Mythos für ‚normal’ erklärt, ein ‚Anders-Sein’ ist nicht einmal mehr denkbar.“ (Neuberger und Kompa, 1986, S. 60) - Generieren dualer Konsequenzen Organisationskultur ist selten nur mit einer Konsequenz verbunden. So können beispielsweise kulturelle Aktivitäten zu latenten oder manifesten Konsequenzen führen. Latente Konsequenzen sind jene, die sich der Beobachtung verschließen, manifeste sind offensichtlich. Diese Dualität der Konsequenzen bedeutet, dass Organisationskultur parallel auf mehreren Ebenen „passiert“. Eine weitere Dualität ist das Vorhandensein funktionaler und dysfunktionaler Aspekte von Organisationskultur. Unter funktionalen Konsequenzen ist dabei all das zu verstehen, was förderlich und hilfreich für das Bestehen der sozialen Ordnung ist. Dysfunktionale Konsequenzen hingegen neigen nach Ansicht von Trice und Beyer (2002) dazu, der sozialen Ordnung zu schaden, möglicherweise ein Grund dafür, weswegen sie in der populär wissenschaftlichen Literatur nicht erwähnt werden. „There has been a strong tendency in analyses of organizational cultures to ‘overemphasize the integrative and cohesion-producing side of culture.’” (Van Maanen und Kunda, 1989, S. 49 zitiert in Trice und Beyer, 2002, S. 12) Dennoch existieren diese dysfunktionalen Konsequenzen, die sich u.a. in Überidentifikation mit
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der Organisation aber auch in eigenwilligen Interpretationen von Informationen zeigen. Die Zuschreibung von Trice und Beyer (2002), dass derartige dysfunktionale Konsequenzen von Organisationskultur automatisch schaden, ist problematisch. Unter Bezugnahme auf Pietschmann (1995) sei auf die Methode der Dialektik hingewiesen. „Es gibt die Methode der Dialektik, die mit Widersprüchen anders umgeht als die Logik. … Kriterium dafür, ob es sich um einen Widerspruch handelt, der eliminiert werden soll oder nicht.“ (Pietschmann, 1995, S. 36 ff.) Unter Anwendung der Methode auf einen Konflikt oder Streit in der Organisation bedeutet das, dass er nicht automatisch dysfunktional sein muss. Denn wenn es kein eindeutig richtiges Vorgehen gibt (= richtig im Sinne einer mathematischen Logik), dann existiert auch kein eindeutig falsches Handeln. Pietschmann (1995) schlägt hier den Weg über These, Antithese zur Synthese vor. Beispielsweise kann ein Konflikt die organisationale Ordnung (These) stören, ein Konflikt kann in anderen Fällen aber hilfreich für die organisationale Ordnung (Antithese) sein. Im organisationalen Leben symbolisieren Konflikte, die zunächst dysfunktional im Sinne der These und funktional im Sinne der Antithese erscheinen, die notwendige Dialektik, um zu einem wichtigen nächsten Schritt zu gelangen (Synthese). Oftmals werden erst durch vermeintliche dysfunktionale Gegebenheiten, Fortschritte in der Organisation erreicht, notwendige Adaptionen durchgeführt, Neuerungen implementiert. Im nächsten Abschnitt wird die Paradigmendiskussion in der Organisationskulturforschung vorgestellt. Dabei wird zunächst der Begriff „Paradigma“ definiert und auf die Klassifizierung von Morgan (1980) eingegangen (4.3), das social fact Paradigma und das social constructionist Paradigma dargestellt (4.3.1), Interventionisten und Kulturalisten (4.3.2) sowie Variablenansatz und Metaphernansatz (4.3.3) vorgestellt, bevor die Perspektiven von Organisationskultur (4.4) beschrieben werden. 4.3 Die Paradigmendiskussion im Rahmen der Organisationskulturforschung „The theories, or frames, that we use determine what we see and what we do.” (Bolman und Deal, 1987, S. 25 zitiert in Schultz, 1995, S. 9) Wie in Abschnitt 4.2 dargestellt, führen unterschiedliche Definitionen von Organisationskultur, genauso wie diverse Charakteristika zu Diskussionen innerhalb der Forschungsrichtungen. Unterschiede prägen auch diesen Abschnitt der Arbeit. Der Terminus „Paradigma“ wird mittels unterschiedlicher Definitionen im Folgenden vorgestellt und diskutiert. „It is useful to start with the concept of paradigm made popular by Kuhn (1962), although the concept has been subjected to a wide and confusing range of interpretation (Morgan, 1979). This is partly because Kuhn himself used the paradigm concept in not less than twenty-one different ways…” (Morgan, 1980, S. 606) Die genannte Vielzahl an unterschiedlichen Konzepten des Paradigmas, liefert möglicherweise einen der Gründe, warum im Rahmen der Or-
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ganisationskulturforschung Auffassungsunterschiede existieren. Bevor nun auf diese Unterschiede, repräsentiert in den Paradigmen, eingegangen wird, wird der Begriff „Paradigma“ erläutert.203 Trotz der verschiedenen Sprachräume, berufen sich die ForscherInnen in diesem Fall einhellig auf die Definitionen nach Kuhn (1976). Morgan (1980) schreibt in Zusammenhang mit dieser Forschungsleistung, dass „…one of the most important implications of Kuhn’s work stems from the identification of paradigms as alternative realities…” (Morgan, 1980, S. 606) Unter einem Paradigma wird in der Folge eine Fülle von Meinungen, Werten und Methoden verstanden, die von einer Gruppe von ForscherInnen geteilt wird und dem sich der/die Forschende zuordnet. „Das Paradigma bestimmt die Spielregeln in der Gruppe, indem es festlegt, was erlaubte und erstrebenswerte Forschungsinhalte sind, welche Vorgehensweisen und Methoden verwendet werden sollten.“ (Kasper, 1990, S. 60) In der deutschsprachigen Forschungsgemeinschaft, wurden Kuhns Ausführungen zunächst weder einheitlich rezipiert, noch einhellig akzeptiert.204 Im Rahmen einer Tagung des Verbandes der Hochschullehrer in München 1982, lehnte ein Teil der Diskutanten Kuhns Beitrag zur Paradigmendiskussion ab oder aber zweifelte die Notwendigkeit einer derartigen Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre an.205 Nach Lektüre wissenschaftstheoretischer Werke, wird jedoch auch für die Betriebswirtschaftslehre eine weit reichende Akzeptanz mit Kuhns Theorie des Paradigmas konstatiert.206 Somit kann unter Paradigma einerseits die Fülle an Meinungen, Werte und Methoden subsumiert werden, die von der scientific community geteilt werden. Das Paradigma bestimmt dann die Forschungsinhalte, welche Vorgehensweisen und Methoden verwendet werden sollen.207 Andererseits kann bereits eine inhaltliche Theorie, im Sinne eines Modells als Paradigma bezeichnet werden.208 Zusammenfassend schreibt Kasper (1987): „Für die BWL insgesamt kann aber meines Erachtens kein dominierendes Paradigma – weder in Kuhns erster noch in seiner zweiten, reduzierten Version – festgestellt werden. Schon eher läßt die Diskussion auf einen vorparadigmatischen Zustand schließen, in dem eben mehrere Positionen nebeneinander stehen.“ (Kasper,
203
204 205 206 207 208
Van de Ven (1997) umschreibt die „Funktion“ eines Paradigmas als eine Möglichkeit der Vorgehensweise bei wissenschaftlichen Arbeiten. „A paradigm is a worldview, a general perspective, a way of breaking down the complexity of the real world. As such, paradigms are deeply embedded in the socialization of adherents and practitioners, telling them what is important, what is legitimate, what is reasonable. Paradigms are normative; they tell us what to do without the necessity of long existential considerations.” (Van de Ven, 1997, S. 2) Martin (2002) argumentiert in Bezug zu Van de Ven, dass das Paradigmenkonzept in der Diskussion überbeansprucht worden ist, zudem führen die intellektuellen Streitigkeiten (Martin tituliert sie als „intellectual disputes“, Anmerkung der Autorin) zu keinen sauberen Abgrenzungen, geschweige denn konkurrierenden Paradigmen (Martin, 2002, S. 50 f.). Vgl. Kasper, 1987, S. 60 f. Vgl. Kasper, 1987, S. 60 f. Vgl. Kasper, 1987, S. 60 f. Vgl. Kasper, 1990, S. 60 f. Vgl. Kasper, 1990, S. 60 f.
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1987, S. 62) Beschränkt auf das Segment der Organisationsforschung führt Kasper (1990) weiter aus, existiere ein dominierendes Forschungsprogramm (= Social Fact Paradigma).209 Prominentes Beispiel für einen frühen Klassifikationsanspruch, der eine Annäherung an das Social Constructionist Paradigma repräsentiert, ist die Darstellung der Paradigmen durch Burrell und Morgan (1979). Abbildung 5 (siehe Seite 61) zeigt die organisationstheoretischen Paradigmen, unterteilt entlang der Dimensionen objektives versus subjektives Wissenschaftsverständnis sowie „Soziologie des radikalen Wandels“ versus „Soziologie der Regelung“. Soziologie des radikalen Wandels
Radikales humanistisches Paradigma Radikal strukturalistisches Paradigma
Anti-Organisation Theorie
Radikale Organisationstheorie Objektiv
Subjektiv Hermeneutik Ethnomethodologie und symbolischer Interaktionismus
Interpretatives Paradigma
Pluralismus Theorie der sozialen Systeme
Funktionalistisches Paradigma
Soziologie der Regelung
Abbildung 5: Paradigmen der Organisationstheorie (Quelle: in Anlehnung an Morgan, 1980, S. 608)
210
In der Folge wird auf das funktionalistische und das interpretative Paradigma näher eingegangen werden. Um dennoch einen Überblick über alle vier Strömungen zu geben, sollen die Paradigmen jeweils anhand eines Zitates von Morgan (1980) kurz vorgestellt werden211: - The functionalist paradigm is based upon the assumption that society has a concrete, real existence, and a systematic character oriented to produce an ordered and regulated state of affairs. The functionalist perspective is primarily regulative and pragmatic in its basic orientation, concerned with understanding society in a way which generates useful empirical knowledge. - The interpretive paradigm, on the other hand, is based upon the view that the social world has a very precarious ontological status, and that what passes as social reality does not exist in any concrete sense, but is the product of the subjective and inter-
209 210
211
Vgl. Kasper, 1990, S. 60 f. Der symbolische Interaktionismus ist ein in der Tradition der Phänomenologie stehender gesellschaftstheoretischer Ansatz, der davon ausgeht, dass soziale Wirklichkeit und soziale Normen nicht vorgegeben sind, sondern in konkreten Interaktionsbezügen interpretativ hervorgebracht werden. Die Ethnomethodologie versteht sich als eine Disziplin, die empirisch-wissenschaftlich ermitteln will, welche Methoden Gesellschaftsmitglieder zum Einsatz bringen, um ihr Alltagsleben zu organisieren (Kasper, 1990, S. 108). Morgan, 1980, S. 608.
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-
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subjective experience of individuals. Society is understood from the standpoint of the participant in action rather than the observer. The radical humanist paradigm, like the interpretive paradigm, emphasizes how reality is socially created and socially sustained but ties the analysis to an interest in what may be described as the pathology of consciousness, by which human beings become imprisoned within the bounds of the reality that they create and sustain. The reality defined by the radical structuralist paradigm, like that of the radical humanist, is predicated upon a view of society as a potentially dominating force. Reality is seen as existing on its own account independently of the way in which it is perceived and reaffirmed by people in everyday activities. This reality is viewed as being characterized by intrinsic tensions and contradictions between opposing elements, which inevitably lead to radical change in the system as a whole.
Im Rahmen der Einordnung in eine wissenschaftstheoretische Perspektive wird zunächst eine Darstellung der unterschiedlichen Strömungen im Rahmen der Organisationskulturforschung gegeben, wobei sich aus der Darstellung der Tabelle 13 bereits zwei Hauptrichtungen erkennen lassen. Diese beiden theoretischen Stränge sind das Social Fact Paradigma (tendenziell auch objektivistisches oder funktionalistisches Paradigma) und das Social Constructionist Paradigma (subjektivistische oder interpretative Ansätze). Beide bezeichnen unterschiedliche Zugänge in der Erforschung und Erklärung von Organisationskultur. Paradigma AutorInnen
Social Fact Paradigma
Allaire/Firsirotu (1984)
Soziokulturelles System
Ideenbildungssystem
Czarniawska-Joerges (1991)
Ostentatives Konstrukt
Performatives Konstrukt
Kasper (1989)
Social Fact Paradigma
Radikal-konstruktivistisches Paradigma
Martin/Meyerson (1987)
Discrete Variable
Culture as a metaphor of organization
Morgan (1980)*
Functionalist Paradigm
Interpretative Paradigm
Schreyögg (1991)
Interventionisten
Kulturalisten
Smircich (1983)
Variable
Root-Metapher212
Systemparameter
Funktionsweise eines Sozialsystems
Wollnik (1991)
Social Constructionist Paradigma
Tabelle 13: Paradigmen in der Organisationskulturforschung (Quelle: in Anlehnung an Kasper, 1990, S. 102.)
*Anmerkung: Der Autor unterscheidet weiter in ein radikal-humanistisches sowie ein radikalstrukturalistisches Paradigma (siehe auch Abbildung 5)
212
Der Begriff der Root-Metapher stammt aus der Hermeneutik/Phänomenologie. Die Welt wird dabei nicht als objektiv, greifbar und messbar begriffen, sondern vielmehr als eine Konstruktion der Menschen, die durch die symbolischen Netzwerke und Meinungen, die Menschen miteinander teilen und die erst gemeinsames Handeln ermöglichen, reproduziert wird (Alvesson, 2002, S 25).
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Die Diktion von Morgan (1980) – funktionalistisches beziehungsweise interpretatives Paradigma – wird im Folgenden verwendet. Diese Wahl ist vor allem dadurch zu begründen, dass eine Rückbindung des Organisationskulturverständnisses an kulturanthropologische Systematisierungen, wie beispielsweise die angeführten Klassifikationsversuche von Allaire und Firsirotu (1984) und Smircich (1983) angesichts fehlender wesentlicher kultursoziologischer Überlegungen nicht zielführend ist.213 Dennoch haben diese AutorInnen einen wesentlichen Beitrag in der Organisationskulturforschung geleistet, ebenso wie die anderen ForscherInnen, die in Tabelle 13 genannt wurden. Inzwischen geleistete Forschungsarbeiten214 führen im Rahmen dieser Arbeit zur Verwendung der Begriffe Social Fact Paradigma beziehungsweise Social Constructionist Paradigma. Ausgehend von den genannten AutorInnen und deren Paradigmenbegriffen erfolgt im Folgenden die Aufarbeitung der unterschiedlichen Paradigmen. Nach einer Darstellung des Social Fact Paradigmas und der Abgrenzung vom Social Constructionist Paradigma, werden der interventionistische Ansatz und sein Gegenpart, der kulturalistische Ansatz dargestellt.215 Beide Darstellungen finden sich teilweise in der Abhandlung von Variablenansatz versus Metapheransatz (Root Metapher)216 wieder, der Fokus wird hier auf die Arbeiten von Martin, Schultz und Smircich gelegt.217 Die unterschiedlichen Paradigmen beziehungsweise die Diskussionen darüber sowie die kontroversiellen Aspekte führten ihrerseits zur Entwicklung der unterschiedlichen Perspektiven von Organisationskultur, die in Abschnitt 4.4 vorgestellt werden.
213
214 215 216
217
Vgl. Kasper, 1990, S. 102 f. Dabei ist die Arbeit von Smircich (1983) zur Unterscheidung von Organisationskultur in Organisation hat eine Kultur (= Kultur als Variable der Organisation) und Organisation ist Kultur (= Root Metapher) viel beachtet und zitiert. Dennoch bezweifelt Kasper in Zusammenhang mit der Arbeit von Smircich, ob Systematisierungen nach anthropologischen Forschungserkenntnissen/soziologischen Perspektiven überhaupt auf das Konzept der Organisationskultur sinnvoll angewendet werden können (Kasper, 1990, S. 103). Denn einerseits entsprechen sie nicht der Entstehungsgeschichte von Organisationskulturforschung, andererseits tragen sie mehr zu zusätzlicher Komplexität und Verwirrung als zu gewünschter Klarheit und Ordnung bei (Kasper, 1990, S. 102). Siehe dazu Kasper (u. a. 1990, 2002). Vgl. Schreyögg, 1991, S. 201 ff. Eine Anbindung an die positivistische Soziologie erscheint hier möglich: das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse wird von vorneherein auf das tatsächlich Gegebene beschränkt. „Damit bleiben nicht unmittelbar ersichtliche Phänomene sowie das ‚Wesen der Dinge’ prinzipiell vom Erkenntnisprozeß ausgegrenzt. … Zulässig zur empirischen Prüfung von Hypothesen sind nur jene Erfahrungsdaten, die in irgendeiner Form standardisierbar sind (quantifizierbar) und damit intersubjektiv nachvollziehbar sind. ‚Common sense’ und lebensweltlicher Erfahrungsschatz der untersuchten Gesellschaftsmitglieder bleiben damit als Quelle, Gegenstand und Verifikationskriterium wissenschaftlicher Erkenntnis ausgeschlossen.“ (Lamnek, 1995, S. 8 f.) Gegen diese objektive Sicht, die rein positivistische und funktionalistische Soziologie und als Vertreter der hermeneutischen Soziologie wendet Girtler (1984) ein: „1. Soziale Phänomene existieren nicht außerhalb des Individuums, sondern sie beruhen auf den Interpretationen der Individuen einer sozialen Gruppe. 2. Soziale Tatsachen können nicht vordergründig ‚objektiv’ identifiziert werden, sondern sie sind als soziale Handlungen von ihrem Bedeutungsgehalt her bzw. je nach Situation anders zu interpretieren.“ (Girtler, 1984, S. 26) Siehe dazu die Arbeiten von Martin (2002), Schultz (1995) und Smircich (1983).
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Gut strukturierte wissenschaftstheoretische Darstellungen geben Aufschluss über die Paradigmen im Rahmen der Organisationskulturforschung. Eine hohe Komplexität ist dabei nicht nur aufgrund der Thematik, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Sprachräume und der dort gängigen Diktionen gegeben. Der folgende Abschnitt widmet sich diesen theoretischen Strängen mit dem Ziel. 4.3.1 Social Fact Paradigma versus Social Constructionist Paradigma Kasper (2002) schreibt, dass objektivistische OrganisationskulturforscherInnen Kultur als weitere Variable in ihre Erklärungsmodelle integrieren möchten, während subjektivistische OrganisationsforscherInnen Kultur als Sinnsystem begreifen. Demzufolge kann entweder angenommen werden, dass ManagerInnen Kultur machen können, also neben ihren formalen und informalen Steuerungs- und Kontrollfunktionen auch unternehmenskulturelle Symbole zielgerichtet einsetzen können, um das Verhalten der Organisationsmitglieder zu steuern. Oder man begreift Führung als Teil von Organisationskultur (Abbildung 6), muss daher Organisation an sich als Kultur verstehen (im Sinne des von Smircich gebrachten Bildes der Organisationskultur als Root Metapher) und bekennt sich in der Folge zu einem ganzheitlichen Bild.218 Struktur
Controlling
Führung Organisationskultur
Strategie
Entlohnung Technik
Rechnungswesen
Abbildung 6: Führung als unselbstständiger Teil von Organisationskultur (Quelle: in Anlehnung an Kasper, 1987, S. 120)
Im Rahmen der Social Constructionist Paradigmas wird Organisationskultur also als ganzheitliches Konzept begriffen, das – wie in Tabelle 12 (Charakteristika von Organisationskultur, siehe Seite 54) beschrieben – schwer fassbar und beobachtbar ist. „Organisationskultur wird der Sichtweise folgend als Ideensystem betrachtet, das in den Köpfen der Organisationsmitglieder existiert und als Ergebnis gemeinsam konstruierter Wirklichkeit erscheint.“ (Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 102.) Dieses System führt in weiterer Folge zur Bildung innerer Modelle (kognitive Schemata), die aus der Interaktion der Organisationsmitglieder entstehen und die als mehrheitlich geteilte selektive Ansichten über die Wirklichkeit grundlegend für das organisationale Leben werden.219 218 219
Vgl. Kasper, 1987, S. 120. Vgl. Kasper, 1990, S. 109.
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In diesem Zusammenhang schreibt Kirsch (1987), dass der Grad an Beeinflussung durch Organisationskultur auf das Verhalten der MitarbeiterInnen eben von diesen gemeinsam geteilten Werten abhängt.220 Entgegen den Konzepten, die alleine auf den Kulturbegriff abstellen, widmet sich Kirsch dem Lebensweltkonzept in Anlehnung an Habermas (1981). Unter dem Begriff der Lebenswelt fasst Habermas die Gesamtheit aller Handlungsbereiche zusammen, die sich nicht unter eine Beschreibung als mediengesteuerte Systeme subsumieren lassen.221 Habermas interessiert dabei in der zu dieser Zeit populär werdenden Organisationskulturdiskussion nicht ausschließlich der Kultur-, sondern der bereits angesprochene Lebensweltaspekt.222 Die Lebenswelt setzt sich aus den drei Komponenten Kultur, Person und Gesellschaft zusammen, woraus sich ableiten lässt, dass Kultur alleine nicht die Handlungsorientierung in sozialen Systemen dominiert.223 Mit der Definition von Kultur als jenem Wissensvorrat, aus dem heraus sich die kommunikativ Handelnden mit konsensträchtigen Interpretationen versorgen, wird die Schleife zum vorher beschriebenen gemeinsamen Teilen von Werten gezogen.224 Kirsch (1987) unterscheidet in Anwendung des Konzeptes von Habermas zwischen originärer und derivativer Lebenswelt. Während die originäre Lebenswelt immer schon vorhanden war, treten im Laufe der Entwicklung von Gesellschaften erst später derivative Lebenswelten auf, die sich aufgrund der Spezialisierungserfordernisse komplexerer Gesellschaften ausdifferenzieren.225 Werden diese Begriffsbestimmungen auf Organisationen umgelegt, so bedeutet dies nicht, dass Organisationen derivative Lebenswelten sind, sondern vielmehr, dass eine Organisation eine derivative Lebenswelt hat.
220 221 222
223 224 225
Vgl. Kirsch, 1987, S. 464 ff. zitiert in Kolb, 1988, S. 74. Vgl. Habermas, 1986, S. 379 zitiert in Kasper, 1990, S. 222 f. Vgl. Kasper, 1990, S. 118 ff. schreibt, dass für Habermas Kultur gemeinsam mit Gesellschaft und Persönlichkeit ist (vgl. Habermas, 1981, S. 347). Kultur, Gesellschaft und Person wirken bei der Determinierung von Handlungsorientierungen zusammen (Kasper, 1990, S. 118). Habermas konstituiert die Lebenswelt als ein absolut gewisses Wissen, demzufolge betrachtet er Kultur als einen Bestandteil eben dieser umfassenderen Lebenswelt, sieht die Verankerung derselben in der Kultur als nicht notwendig und verzichtet in der Folge auf eine Trennung zwischen kultureller und sozialer Geltung (Kasper, 1990, S. 118 f.). Vgl. Kasper, 1990, S. 118 ff. Vgl. Habermas, 1985, S. 397. Vgl. Kirsch, 1987, S. 458 ff.
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Kultur
Kultur 2
2
originäre Lebenswelt
3
3
Persönlichkeit 1
1
derivative Lebenswelt
Institutionen
Institutionen
Sekundäre Traditionen 1=Normen verpflichten, Motivation durch institutionelle Ordnungen 2=Wissen (Fakten, Werte, Fähigkeiten, Sprache) 3=Normen verkörpern Wissen
Abbildung 7: Originäre und derivative Lebenswelt in analytischer Betrachtung (Quelle: Kolb, 1988, S. 57 in Anlehnung an Kirsch, 1986, S. 3)
Abbildung 7 stellt die beschriebenen Elemente dar. Bei analytischer Betrachtung wird offensichtlich, dass die Lebenswelt aus Kultur, Individuen und Gesellschaft besteht, und dass diese Komponenten in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen. Die einzelnen Individuen sind daher sowohl TeilnehmerInnen der originären (= auch privaten) Lebenswelt, als auch Mitglieder der Organisation der derivativen Lebenswelt.226 Dabei gestalten sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten folgendermaßen: Die institutionellen Ordnungen wirken auf die Motivationsstrukturen ein, das Individuum fühlt sich in der Folge in seinem Handeln auch den Normen dieser Ordnungen verpflichtet. So entsteht der Einfluss institutioneller Ordnungen auf die Individuen. Dabei ist zu beachten, dass auch die Individuen durch spezifische kulturelle Phänomene (beispielsweise Werte und Sprache) geprägt sind. Institutionen und Kultur sind dabei nicht unabhängig voneinander, da in jeder Institution auch kulturelle Phänomene vorhanden sind. Kulturelle Werte etablieren sich demzufolge erst dann, wenn sie sich in den Institutionen und Individuen festgesetzt haben. Bis zu dieser Verankerung üben kulturelle Werte lediglich eine vorauseilende Funktion aus, handlungsleitend werden sie erst, wenn eine hinreichende Verankerung ihrerseits sowohl in den Individuen als auch in den Institutionen erfolgt.227 Kirsch (1987) zufolge existieren spezifische Kulturen in Organisationen, wie beispielsweise verschiedene Sprach- und Lebensformen der Organisationsmitglieder. Im Zuge der Kulturentwicklung ist daher auf diese Elemente zu achten, eine Beschränkung alleinig auf Kultur
226 227
Vgl. Kirsch, 1986, S. 3ff. zitiert in Kolb, 1988, S. 56 ff. Vgl. Kasper, 1990, S. 121 f; Kolb, 1988, S. 58. Zur Wertediskussion siehe auch Abschnitt 4.6.2, S. 67 f. Dort wird u. A. auf das Verständnis, die Rolle und Funktion von Werten bei Habermas und Luhmann eingegangen.
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vorzunehmen birgt die Gefahr einer kulturalistischen Verkürzung.228 Die Verwendung des Terminus Lebenswelt ist demgegenüber weitaus umfassender, schließt er doch die strukturellen Komponenten Gesellschaft und Individuum mit ein. In der Folge wird gefordert, dass jedwede Organisationskulturdiskussion in Anbindung an die soziale Konstruktion der Wirklichkeit zu erfolgen hat und eben nicht nur auf kultureller Basis.229 Kirsch knüpft an Schein (1984) an, da auch hier Kultur von der prozessualen Seite als dynamischer Lernprozess charakterisiert werden kann. Schein bezieht sich dabei zunächst auf den Prozess der Entstehung und Entwicklung der geteilten Wertebasis durch Lernen der Organisationsmitglieder.230 Auf diesen Lernprozess bezieht sich Kasper (1987), wenn er schreibt, dass bei Zugehörigkeit zum Social Constructionist Paradigma ein Abschied von einer instrumentellen Sichtweise vorzunehmen ist. Dem Management kann hier bestenfalls eine partielle Einflussnahme eingestanden werden, wobei eine etwaige Führung im „worst case“ in der Organisationskultur untergeht.231 Während daher das Social Fact Paradigma davon ausgeht, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt, die ForscherInnen in ihren Theorien abbilden können und nach Regelmäßigkeiten und Kausalgesetzen in der sozialen Realität suchen, sind interpretative Ansätze dem subjektiven Wissenschaftsverständnis zuzuordnen.232 Nach dem funktionalistischen Organisationskulturansatz werden Organisationen in der Regel als offene, Kultur produzierende Systeme begriffen, wobei davon ausgegangen wird, dass Organisationskultur eine Systemvariable ist. Die produzierte Kultur ist dabei als ein Konglomerat von spezifischen, unverwechselbaren Verhaltensdispositionen und -mustern der Mitglieder der Organisation zu verstehen.233 Im Rahmen des Social Constructionist Paradigmas geht es um ein Verständnis der Prozesse, die zu einer gemeinsamen Interpretation von Situationen und zur Schaffung einer gemeinsamen „sozialen Realität“ in der Unternehmung führen.234 Nicht die objektiven Fakten einer Organisation stehen im Zentrum der Betrachtung, sondern die durch die MitarbeiterInnen der Organisation vermittelte Organisationskultur. „Was wirklich ist in Organisationen, ist daher nicht etwa vom Management vorgegeben, sondern das Ergebnis von Deutungs-, Interpretations-, Gestaltungs- und Aushandlungsprozessen. Diese verlaufen jedoch nicht in einem Machtvakuum, sondern Deutungen von mächtigen beziehungsweise in der Hierarchie hoch stehenden Mitgliedern haben eher eine Chance, Realität zu werden, als die von Rangniederen.“ (Kasper, 1990, S. 108)
228 229 230 231 232 233 234
Vgl. Kirsch, 1987, S. 458 ff. Vgl. Kasper, 1990, S. 122 f. Vgl. Schein, 1984, S. 34. Vgl. Kasper, 1987, S. 120 f. Vgl. Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 96f. Vgl. Kasper, Holzmüller und Wilke, 2003, S. 852. Vgl. Kasper, Holzmüller und Wilke, 2003, S. 852.
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4.3.2 Interventionisten versus Kulturalisten Wenn auch unter einer anderen Bezeichnung, beschreibt Schreyögg (1991) diese unterschiedlichen Grundannahmen. Er unterscheidet unter Bezugnahme auf Martin (1985)235 zwischen zwei kontroversen Grundpositionen, einer interventionistischen Position und einer kulturalistischen Position innerhalb der Organisationskulturforschung. VertreterInnen des interventionistischen Ansatzes teilen die Ansicht, dass Kulturen ähnlich wie andere soziale Erscheinungen beeinflussbar und veränderbar sind. Die „Machbarkeit“ derartiger Interventionen reicht von behutsamen Kurskorrekturen bis hin zu einem gezielt eingesetzten Eingreifen in eine Kultur: „…range from the active (seven steps to managing cultural change) to the relatively passive (culture as relatively unmalleable, a potential obstacle to desired strategic change that must be anticipated and ‘worked around’).” (Martin. 1985, S. 95) Weiter schreibt Martin, dass die VertreterInnen dieses Ansatzes Hilfestellungen für eben diese Beeinflussung bereitstellen, wobei sie hinzufügt, dass die Möglichkeit des Nicht-Intervenierens nicht in Betracht gezogen wird.236 Dieser instrumentalistischen Sichtweise ablehnend gegenüber stehen die Kulturalisten. Sie betrachten Organisationskultur als eine Art Lebensart, als System von Symbolen, das sinnstiftend Handlungen und Ereignisse interpretiert und damit organisatorisches Handeln überhaupt erst möglich macht. Konsequenterweise wird Organisationskultur als spontan Entstandenes verstanden, das nicht gezielt verändert werden kann. Als zu komplex und tiefgründig wird Kultur gesehen, um sie kontrolliert managen zu können.237 Das Erfassen von Symbolstrukturen innerhalb der Organisationskultur ist dabei eine vorgeschlagene Methode. Konsequenterweise wird das Vorhaben der Interventionisten, eine Kultur für eine Organisation aufzubauen aus der kulturalistischen Position nicht nur zurückgewiesen, vielmehr ist diese Zurückweisung von starkem normativen Bedenken begleitet.238 4.3.3 Variablenansatz versus Metapheransatz Neben der Möglichkeit zwischen Interventionisten und Kulturalisten zu unterscheiden, wird unter anderem in der amerikanischen Forschungsgemeinde239 zwischen dem Variablenansatz und dem Metapheransatz unterschieden. Begreift man die Organisationskultur im Sinne des
235
236 237 238 239
Diese Unterscheidung wird in Anlehnung an Joanne Martins Beitrag „Can organizational culture be managed?” in Peter Frost (Hrsg.): Organizational culture getroffen. Die Autorin spricht in diesem Zusammenhang allerdings von „Pragmatisten“ und „Puristen“ (Martin, 1985, S 95). Vgl. Martin, 1985, S. 95. Vgl. Schreyögg, 1991, S. 202. Vgl. Schreyögg, 1991, S. 202. Siehe dazu die bereits erwähnten Arbeiten von Smircich (1985), Martin (u. a. 1985, 1995, 2002), Martin und Meyerson (1987), Schultz (1995) sowie Alvesson (2002).
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Variablenansatzes, so wird Kultur als direkt beobachtbar und unabhängig von der Realität des/der jeweiligen BeobachterIn definiert. VertreterInnen des Variablenansatzes spezifizieren Organisationskultur als den sozialen aber auch normativen „Klebstoff“, der die Organisation zusammenhält, ausgedrückt in den Werten und Idealen/Ideologien und Einstellungen, die von den Organisationsmitgliedern geteilt werden.240 Derartige Werte und Verhaltenseinstellungen manifestieren sich in Symbolen, wie Mythen, Geschichten, Legenden, aber auch in Ritualen oder einer unternehmensspezifischen Sprache.241 Organisationskultur werden im Rahmen dieses Ansatzes – gerade im Hinblick auf die eben erwähnten geteilten Werte und Einstellungen – mehrere positive Funktionen zugeschrieben. Diese Funktionen „provide a sense of identity to members of the organization, facilitating commitment to a larger whole (the organization, the purpose, whatever), enhancing system stability, and serving as a sense-making device which can guide and shape behavior, motivating employees to do the ‘right’ things.” (Alvesson, 2002, S. 24) Zusammenfassen lassen sich die Grundannahmen des Variablenansatzes wie folgt242: Organisationskultur ist eine von mehreren organisatorischen Variablen. Diese Variable besteht aus Teilprodukten, die sich zu einem homogenen Ganzen integrieren und sichtbar in Form von Artefakten sowie tradierten, kollektiven Verhaltensweisen manifestieren. Organisationskultur erfüllt wichtige Funktionen, die für die Zielerreichung und damit den Erfolg eines Unternehmens eine bedeutende Rolle spielen. Organisationskultur wird vom „Leader“ geschaffen, entwickelt und verändert, d.h. gemanagt. Die Aussage, dass VertreterInnen dieses Ansatzes Organisationskultur ausschließlich als eine Variable unter vielen anderen sehen, die beliebig manipuliert werden kann, ist dabei bereits als Kritik am Paradigma zu werten.243
240 241
242 243
Vgl. Smircich, 1983, S. 344. Vgl. Smircich, 1983, S. 344. Siehe dazu auch die Arbeiten von Siehl und Martin (1981) und Deal und Kennedy (1982). Vgl. Sackmann, 1990, S. 156. Vgl. Schultz, 1995, S. 10 f. So schreibt Bardmann: „Das sind zum einen die, die glaubhaft machen wollen, die Kultur der Organisation sei eine instrumentalisierbare und manipulierbare Stellgröße, Kultur sei zu steuern und zu beherrschen. Sie behaupten wie Peters und Waterman, dass die Beachtung und Beeinflussung dieser Variable Unternehmen bessere Chancen im Kampf ums Überleben am Markt sichern kann. Organisationskultur ‚entscheidet’ in dieser Sichtweise über den Unternehmenserfolg und wird von den Protagonisten des kapitalistischen Wirtschaftsgeschehens, den Marketing-Experten, den Werbefachleuten, Personal- und Public-Relations-Managern sowie den Management-Trainern als eine Art ‚erfolgsgarantierende Wunderwaffe’ vorgestellt. Das ‚management by culture’, das ‚symbolic management’, die ‚corporate identity’ wird als ein neues Instrument der Unternehmensführung verkauft, das das herkömmliche Instrumentenarsenal komplettiert, wenn nicht gar ersetzt. ‚Organisationskultur’ wird als eine unternehmerische Erfolgsstrategie inszeniert (Bardmann, 1994, S. 341 f.).
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Morgan (1980) schreibt der Rolle der Metapher als Hilfsmittel im Verstehen der Wissenschaftstheorie als symbolische Form große Bedeutung zu. Wiewohl die Metapher oftmals als rein literarisches und deskriptives Beiwerk gesehen wird, ist sie als kreative Form innerhalb der Theorie, die ihren Impact mittels Kreuzung von Bildern produziert, enorm wichtig.244 Die einflussreiche Rolle der Metapher zeigt sich neben ihrem Einsatz in der Linguistik, in der geistigen Entwicklung an sich und der Weise, in der Menschen ihre Konzeptionen über die Wirklichkeit konstruieren. In der Organisationskulturforschung werden Metaphern zur Generierung von Bildern verwendet, wobei die beiden dominierenden Bilder die der Organisation als Maschine und als Organismus sind.245 Prinzipiell können auch diese beiden Forschungsrichtungen mit dem Social Fact beziehungsweise dem Social Constructionist Paradigma gleichgesetzt werden. Als grundlegende Arbeit ist hier der Artikel von Smircich (1983) zu nennen.246 Die Autorin führt die unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Strömungen in der Organisationskulturforschung darauf zurück, dass sie „…derived from differences in the basic assumptions that researchers make about both ‘organization’ and ‘culture’.” (Smircich, 1983, S. 339) Der Variablenansatz schreibt der Organisation Kultur zu, während der Metapheransatz die Idee unterstützt, dass Organisationen Kultur sind und dieses Kulturverständnis als Ideensystem bezeichnet wird. „We take the position that organizations are cultures. That is, we will treat culture as a metaphor of organization, not just a discrete variable to be manipulated at will.” (Meyerson und Martin, 1987, S. 623). Die VertreterInnen des Metaphernansatzes grenzen sich sehr deutlich von den Forschungsarbeiten ihrer „KontrahentInnen“247 ab. Im Gegensatz zur instrumentellen Sichtweise, propagiert durch den Variablenansatz, betrachten sie Organisationskultur als Root-Metapher, die ihrerseits Organisationen als expressive Formen, als Manifestationen menschlichen Bewusstseins begünstigt.248 Organisationskultur als Root-Metapher beschränkt sich nicht auf bestimmte organisationale Variablen. Sie umfasst sämtliche Prozesse, mittels derer die Organisationsmitglieder ihre Erfahrungen interpretieren, wie sich diese Interpretationen manifestieren, und wie sie sich in einer Art Schleife wiederum auf das organisationale Handeln auswirken.249 „In principle, for them nothing is ‘not culture’, and therefore culture cannot be related to anything else. The culture-as-a-root-metaphor means that the cultural image guides all perception and interpretation of what goes on in organizations.” (Alvesson, 2002, S. 25) 244 245 246 247
248 249
Vgl. Morgan, 1980, S. 610. Vgl. Morgan, 1980, S. 613. Vgl. Smircich, 1983, S. 339 ff. Joanne Martin schreibt in diesem Zusammenhang auch in dem Buch „Organizational culture - Mapping the terrain” von „cultural wars” zwischen den unterschiedlichen wissenschaftlichen Strömungen (2002, S. 29). Die Arbeiten von Denison (1984, 1995) aber auch Kotter und Heskett (1992)sind hier zu nennen. Vgl. Smircich, 1983, S. 347; Schultz, 1995, S. 11. Vgl. Schultz, 1995, S. 11.
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Aus diesem Grund verharmlosen VertreterInnen des Metaphernansatzes die Forschungsergebnisse, die dem Management einer Organisation helfen, Effektivität zu erreichen. Generelles Verständnisses von Organisationskultur kann im Rahmen derartiger Arbeiten nicht erreicht werden.250 Smircich und Calás (1987) nehmen aufbauend auf den unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Perspektiven eine weitere Differenzierung vor. Sie clustern die Ströme der Organisationskulturforschung nach dem Erkenntnisinteresse und trennen zwischen251 technischem Erkenntnisinteresse, praktischem Erkenntnisinteresse und emanzipatorischem Erkenntnisinteresse. Hinter einem technischen Erkenntnisinteresse steht das Ziel einer gewollten Steuerung und Kontrolle. Ein praktisches Erkenntnisinteresse hat das Ziel eine verbesserte Entscheidungsund Handlungsbasis zu schaffen, während ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse eine Erhöhung von Autonomie und Verantwortlichkeit anstrebt.252 Dem Variablenansatz wird diesen Definitionen folgend ein technisches und ein praktisches Erkenntnisinteresse zugeschrieben, die Vorgehensweise wird als ergebnisorientiert beschrieben. Der Metapheransatz hingegen hat entweder ein praktisches beziehungsweise ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse, sein Zugang wird als prozessorientiert beschrieben. Tabelle 14 bildet die Unterschiede der beiden theoretischen Ansätze zusammenfassend ab. Variablenansatz
Metaphernansatz (Root-Metapher)
Kulturverständnis
Soziokulturelles System
Ideensystem
Wissensverständnis
objektivistisch
subjektivistisch
Organisation
hat Kultur
ist Kultur
Erklärungsansatz
funktionalistisch
interpretativ
Zugang
ergebnisorientiert
prozessorientiert
Ziel
Deskription und Gestaltung
Explikation
Erkenntnisinteresse
Technisch-praktisch
Praktisch-emanzipatorisch
Tabelle 14: Gegenüberstellung von Variablen- und Metaphernansatz (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Calás und Smircich, 1987, S. 234; Marré, 1997, S 10)
250 251 252
Vgl. Alvesson, 2002, S. 25. Vgl. Smircich und Calás, 1987, S. 234. Vgl. Marré, 1997, S. 10.
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Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur
4.3.4 Kritische Würdigung der Paradigmen in der Organisationskulturforschung In der Organisationskulturforschung haben sich zwei aus der Organisationstheorie stammende Paradigmen etabliert. Das Social Fact Paradigma steht dabei dem Social Constructionist Paradigma gegenüber, alternativ dazu das funktionalistische Paradigma versus das interpretative Paradigma beziehungsweise Organisationskultur als Variable versus Organisationskultur als Root-Metapher. Neben den jeweiligen VertreterInnen/BefürworterInnen der Ansätze, finden sich zu jedem der Paradigmen KritikerInnen.253 Ziel dieses Abschnittes ist es, diese Kritik aufzuarbeiten, als quasi Zwischenebene zur geleisteten Paradigmendiskussion. Wie bereits im Abschnitt 4.3.3 erwähnt254 bezieht sich der Großteil der Kritik am Variablenansatz auf den Gedanken der prinzipiellen Steuerbarkeit von Organisationen durch Organisationskultur. Zudem zielt eine Kritik, die diesem Ansatz entgegengebracht wird, auf das Ausgehen von einer prinzipiellen Gestaltbarkeit von Organisationskultur ab. Den VertreterInnen des Variablenansatzes wird vorgeworfen, dass der Einsatz des „Gestaltungsinstruments“ sowie die Wahl beziehungsweise Relevanz von kulturdiagnostischen Kriterien selten begründet wird.255 Unter dem Schlagwort „culture value engineering” (Sackmann, 1990, S. 159) wird vielmehr eine Wertevermittlung betrieben, die versucht die Werte top-down in allen Ebenen zu verankern. Vorannahmen bleiben bei AnhängerInnen des Variablenansatzes256 unreflektiert, eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Organisationskultur findet nicht statt. VertreterInnen dieses Ansatzes bewerten Organisationskultur dann als gut, wahlweise stark, wenn sie sich durch Homogenität und Konsistenz auszeichnet.257 Ein weiterer Kritikpunkt am Variablenansatz bezieht sich auf die Rolle des Managements beziehungsweise auf die Führungskräfte. In der Literatur wird diese Fokussierung auf die zentrale Rolle des Managements unter der Frage „Wie ‚manageable’ sind Organisationskulturen?“ zusammengefasst.258 Durch die Akzentuierung derartiger Aspekte wird dem funktionalistischen Paradigma vorgeworfen, Organisationskultur als Führungsinstrument zu begreifen. Das Management „macht“ Kultur und setzt diese bewusst zur Gestaltung der Organisation ein, wobei das Ausmaß der Gestaltungsmöglichkeiten variiert: „Der Einfluss des Managements wird umso höher eingeschätzt, je niedriger die Bedeutung von ‚Selbstorganisation’ 253
254 255 256 257
258
Aktuell wird diskutiert, ob derartige Paradigmendiskussionen oder -streitigkeiten beziehungsweise die kritische Würdigung der Paradigmen die Entwicklung der Organisationstheorie und -forschung begünstigen oder nachteilige Effekte haben. Denn zweifelsohne ist jede Diskussion mit Implikationen für den state of the Art und die Reputation der Organisationskulturforschung verbunden (Martin, 2002, S. 49 f.). Siehe dazu u. a. den Kommentar von Bardmann (Fußnote 243, S. 70). Vgl. Klimecki und Probst, 1990, S. 48 f. Vgl. Deal und Kennedy, 1983; Scholz, 1990. Martin und Siehl (1983) argumentieren hingegen in ihrem Artikel „Organizational culture and counterculture: An uneasy symbiosis“, dass die Existenz von Subkulturen in Organisationen eine Tatsache ist, die in drei unterschiedlichen Ausprägungen vorkommen kann. Die als Gegenkultur bezeichnete Version von Subkultur entsteht dabei als Herausforderung für die zentralen Werte der Organisationskultur (Martin and Siehl, 1983). Zum Verhältnis von Organisationskultur und Subkulturen siehe auch Abschnitt 4.3.5. Vgl. Kasper, 1987, S. 118 ff.
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etc. eingestuft wird.“ (Kasper, 1987, S. 121) Diese, als Renaissance des eigenschaftstheoretischen Führungsverständnisses bezeichnete Aussage findet sich auch in Arbeiten anderer AutorInnen (u.a. Pümpin, 1984; Neuberger und Kompa, 1986) wieder.259 Wird Organisationskultur hingegen als Metapher betrachtet, gilt als oberstes Prinzip, dass jede Organisation Kultur ist. Kultur wird gemäß diesem Verständnis zur Grundlage menschlicher Entscheidungen, die dabei hilft, die Komplexität des Handelns zu reduzieren und Orientierungshilfen anbietet.260 Hatch (1993) unterscheidet innerhalb dieser Forschungsausrichtung, deren zentrales Forschungsinteresse die Untersuchung von Kultur als Sinngemeinschaft ist, zwischen dem symbolisch-interpretativen Ansatz und dem konstruktivistischen Ansatz. In jedem dieser Ansätze wird deutlich herausgearbeitet, dass Kultur von den Mitgliedern einer Organisation permanent geschaffen wird.261 Losgelöst von einer bestimmten Ebene, also „ebenenlos“ wird Kultur definiert, bestimmt und gebildet.262 Eine Kritik am Metaphernansatz bezieht sich, wie Schreyögg (1991) schreibt, auf die teilweise radikal normative Haltung vieler AutorInnen, die Organisationskultur als unberührtes Stück „Lebenswelt“ bezeichnen, dass vor zerstörerischen Eingriffen bewahrt werden muss.263 Er schreibt weiter, dass der Anspruch, Kulturen nur beschreiben zu wollen nicht haltbar sei, da jede Beobachtung und Reflexion des Selbstverständlichen immer auch zu einer Veränderung führt. „Insofern ist jede Beschreibung einer ‚unberührten’ Kultur ein Stück Veränderung oder – wenn man so will – ein Stück Zerstörung. Man kann also nicht Unternehmenskulturen zum Studienobjekt erklären und zugleich ihre Unversehrtheit als moralisches Prinzip postulieren. Dies ist ja auch ein aus der anthropologischen Forschung längst bekanntes Paradoxon.“ (Schreyögg, 1991, S. 203). Zudem wäre es – abhängig von der jeweiligen Organisation – geradezu verpflichtend, Eingriffe vorzunehmen, da bestimmte Ausprägungen von Kultur eine zerstörerische Wirkung auf ihre Mitglieder hätten.264 Zusätzliche Kritik am Metaphernansatz bezieht sich auf die Metapher beziehungsweise die Verwendung von Metaphern in der Organisationskulturforschung. So erschwert unter anderem die wenig präzise Übersetzung der Metapher, wie sie zu verstehen und einzusetzen ist, das Arbeiten mit diesem Konzept. Dem Vorteil, dass eine metaphorische Verwendung der Sprache Phantasie und Assoziationen bedingt, steht der Nachteil des unkontrollierten Einsatzes gegenüber.265 Die vorhandene Popularität der Metapher bringt eine exzessive Wortnut-
259 260 261 262 263 264 265
Vgl. Klimecki und Probst, 1990, S. 47. Vgl. Dormayer und Kettern, 1987, S. 55 f. Vgl. Hatch, 1993, S. 657 ff. Vgl. Marré, 1997, S. 15. Vgl. Schreyögg, 1991, S. 202 ff. Vgl. Schreyögg, 1991, S. 202 ff. Vgl. Alvesson, 2002, S. 19.
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zung mit sich. Die Entwicklung von – für die organisationale Analyse wertvollen – Metaphern bleibt dabei hintangestellt. Der vereinfachte Umgang mit dem Metapherkonzept, der von den VertreterInnen des Ansatzes betrieben wird, greift allerdings ebenfalls zu kurz. Komplexes Denken, ebenso wie komplexe Fragestellungen (wie im organisationalen Bereich) erfordert die Synthese verschiedener Metaphern, anstelle der populären knappen Bilder. Beispielhaft wird hier auf das prominente Beispiel der Organisation als Maschine beziehungsweise als Organismus verwiesen, die das Konzept trivialisiert und somit verzerrt.266 Dies ist einer der Gründe, warum auch vom Metaphernansatz gewisse Selbstkritik und Reflexivität gefordert wurden, insbesondere in Bezug auf die Aussagekraft von Metaphern. „The distinction between machine and organism has been the basis for a continuum of organizational forms (Burns and Stalker, 1961), and has influenced many attempts to measure organizational characteristics. Research on organizations since the late 1960s, for example, has been dominated by attempts to conduct detailed empirical studies … Although these studies have generated numerous detailed insights, which inform our understanding of organizations as machines and organisms, it is important to appreciate that the kind of insight generated is limited by the metaphors upon which they are based. … Theorists have come to recognize this, and realized that viewing organisations on the basis of new metaphors makes it possible to understand them in new ways.” (Morgan, 1980, S. 615)267 In den vorangegangenen Absätzen wurde der Metaphernansatz sowie gebräuchliche Metaphern beschrieben und kritisiert. Auf die Stellung der Metapher innerhalb der Tropen (= bildlicher Ausdruck; Wort, das im übertragenen Sinn gebraucht wird) wurde bis dato nicht eingegangen. „Tropes are an inevitable and unavoidable aspect of organizational life. … More generally, they are sense-making imagery used to describe, prescribe and circumscribe social reality (Burke, 1969; White, 1978), and in the process, they also project, constitute and theorize particular constructions of those realities. Tropes are figures of speech in which words are used in non-literal ways, that is, words and phrases function symbolically to evoke meanings and ideas.” (Oswick, Putnam und Keenoy, 2004, S. 105) Neben der Metapher als einer Form der Tropen, existieren in der Literatur (D`Angelo, 1992; Burke, 1996) die Metony-
266 267
Vgl. Alvesson, 2002, S. 22 f. Ein, nach Ansicht der Autorin interessantes Beispiel dieser anderen, „neuen“ Metaphern ist das Entscheidungsmodell der organisierten Anarchie (March und Olsen, 1979). Es zeigt gut auf, wie mit dem Begriff der Metapher gearbeitet werden kann, wobei dennoch über die Wortwahl diskutiert werden kann. Die Hochschule (als von den Autoren gewähltes Beispiel) ist mit schlecht-definierten, inkonsistenten Zielen, unklaren Problemursachen, unzureichender Interpretation der Vergangenheitsentwicklungen als typische Repräsentantin einer derartigen organisierten Anarchie zu nennen (vgl. Staehle, 1990, S. 494 f.) „Organisierte Anarchien, wie sie nicht nur im Organisationstyp Universität oder Schule festzustellen sind sondern auch in manchen Unternehmungen, weisen keinen wohlstrukturierten Entscheidungsprozeß auf, sondern handeln nach dem Mülleimermodell (garbage can model).“ (Staehle, 1990, S. 494 f.) Probleme, Lösungen, Entscheidungsgelegenheiten und AkteurInnen fließen als Ströme in den Mülleimer, der darauf folgende Entscheidungsprozess im Mülleimermodell vollzieht sich in Phasen (Problem-, Verhandlungs-, Überzeugungs- und Bürokratiephase) – der Entscheidungsprozess läuft somit ungeordnet und zufallsgesteuert ab (vgl. Staehle, 1990, S. 494 f.).
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mie268, die Synekdoche269 und die Ironie. Diese vier Tropen sind die bekanntesten Wendungen oder auch Kategorien, die Beziehungen zwischen Konzepten symbolisieren.270 Während Metaphern gerade auch in der Organisationskulturforschung häufig eingesetzt werden, kommt den anderen Tropen weniger Beachtung zu. Für künftige Forschungsarbeiten wäre daher eine Verwendung alternativer Tropen zur Revitalisierung wissenschaftlichen Diskurses wünschenswert. Ironie zum Beispiel: „… uses language to depict something in a contradictory way, that is, it calls on the reader or recipient to interpret the message in a way that is opposite of what is said.” (Oswick, Putnam und Keenoy, 2004, S. 105) Durch Generieren von Widersprüchen sowie Verwendung von Humor kann in der Organisationskulturforschung versucht werden, die Annahmen der Mitglieder transparent zu machen.271 Inhalt dieses Abschnittes der Arbeit war die kritische Würdigung der dominanten Paradigmen in der Organisationskulturforschung. Offensichtlich wird dabei die Kritik an beiden Paradigmen. Ein wesentlicher Kritikpunkt am Social Fact Paradigma (auch funktionalistisches Paradigma/Variablenansatz) beziehungsweise am Social Constructionist Paradigma (auch interpretatives Paradigma/Metaphernansatz) wurde bislang ausgeblendet. Denn auch wenn unvereinbare Vorstellungen über Konzeptionen, Operationalisierungen und Methodik zwischen den Paradigmen existieren, so betrachten die meisten ihrer VertreterInnen Organisationskultur als von den Mitgliedern der Organisation geteilt. Genau bei dieser Vorstellung setzt die theoretische Auseinandersetzung von einigen ForscherInnen an.272 Der nächste Abschnitt geht daher der Frage nach, ob Organisationskultur tatsächlich etwas Geteiltes ist, oder ob nicht vielmehr Subkulturen das Bild von Organisationen prägen? In welchem Verhältnis derartige Subkulturen zur Organisationskultur stehen wird ebenfalls dargestellt werden, bevor Abschnitt 4.5 Forschungsbemühungen außerhalb angestammter Paradigmen vorstellt.
268
269
270 271 272
Metonymie steht wörtlich für die „Namensvertauschung“. Es handelt sich um den übertragenen Gebrauch eines Wortes oder einer Fügung (vgl. Duden, Fremdwörterbuch). Synekdoche steht für das Ersetzen eines Begriffes durch einen engeren oder weiteren Begriff (vgl. Duden, Fremdwörterbuch). Vgl. Oswick, Putnam und Keenoy, 2004, S. 105. Vgl. Oswick, Putnam und Keenoy, 2004, S. 109. Siehe dazu die Arbeiten von Martin (2002), Meyerson und Martin (1987), Schultz und Hatch (1996) sowie Smircich und Calás (1987).
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4.4 Perspektiven von Organisationskultur Ferner existieren zu der Unterscheidung in Social Fact Paradigma und Social Constructionist Paradigma theoretische Ansätze, die sich mit dem Vorhandensein von Subkulturen und ihrem Verhältnis zur Organisationskultur auseinandersetzen. So differenzieren Meyerson und Martin (1987) zwischen273: - Integration perspective, - Differentiation perspective und - Fragmentation perspective. Ausgehend von der Positionierung der beiden Autorinnen im Metaphernansatz (social constructionist Paradigma), präsentieren sie eine Integration von ungleichen Sichtweisen der Organisationskultur und kulturellem Wandel. Je nach Betrachtungsweise ergeben sich unterschiedliche Implikationen über den Umfang, die Quellen die Konsequenzen von Kultur selbst und ihre Veränderung. Zudem bestimmt der jeweilige Blickwinkel die Implikationen für das Management und für die Mitglieder der Organisation, die Kultur managen möchten.274 Tabelle 15 gibt einen Überblick über die drei Perspektiven und ihre Merkmalsausprägungen. Perspective
Integration
Differentiation
Fragmentation
Orientation to consensus
Organization-wide consensus
Subcultural consensus
Multiplicity of views (no consensus)
Relation among manifestations
Consistency
Inconsistency
Complexity (not clearly consistent or inconsistent)
Orientation to ambiguity
Exclude it
Channel it outside subcultures
Focus on it
Metaphors
Clearing in jungle, monolith, hologram
Islands of clarity in sea of ambiguity
Web, jungle
Tabelle 15: Perspektivendarstellung von Organisationskultur (Quelle: in Anlehnung an Martin, 2002, S. 95)
Martin (2002) bezeichnet die integration perspective als eine Oase der Harmonie und Homogenität, da in diesem Strang Kultur als etwas definiert wird, dass von allen Organisationsmitgliedern geteilt wird und/oder einzigartig für eine bestimmte Gruppe ist.275 Prominente VertreterInnen dieser Definition sind Schein (1984) und Smircich (1983), die unter dem Schlagwort „geteilt“ einen Kode für das Erkennen relevanter Manifestationen der Kultur verstehen.
273 274 275
Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 623 ff.; Martin (2002), S. 94 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 623 ff.; Martin (2002), S. 94 ff. Vgl Martin, 2002, S. 95 f.
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Beispielsweise wird nach einer gemeinsamen Sprache, geteilten Werten oder auch nach einem organisationalen, ausgehandelten Set an passenden Verhaltensweisen gesucht.276 Dabei kann der Fokus auf die expliziten Werte des Top Managements gelegt werden, auf die formalen und informalen Geschäftspraktiken, auf Rituale, Geschichten, aber auch auf Denkweisen oder ein gemeinsames Verständnis. Drei Merkmale charakterisieren sämtliche Forschungsarbeiten der integration perspective277: 1. Globale Konsistenz kultureller Manifestationen (Beständigkeit), 2. Konsens unter den Mitgliedern einer Organisationskultur sowie üblicherweise 3. Fokus auf das Management als Schöpfer von Organisationskultur. Genau diese Annahmen sind es die, die Kritik an diesem Ansatz begründen. Die „integration perspective“ nimmt Organisationskultur als klar und eindeutig an, Ambiguität wird ausgeschlossen. Organisationskulturschilderungen anerkennen nur die kulturellen Manifestationen, die konsistent zueinander sind, und nur diese Interpretationen und Werte, die geteilt werden. „To summarize this in a metaphor, from the integration perspective, culture is like a solid monolith that is seen the same way by most people, no matter from which angle they view it.” (Martin, 2002, S. 94) Martin (2002) setzt die „differentiation perspective“ mit Abspaltungstendenzen und Konfliktpotenzial gleich. Forschungsarbeiten fokussieren sich hier auf kulturelle Manifestationen, die widersprüchliche Interpretationen zur Folge haben.278 Inkonsistenzen, das Fehlen von Konsens sowie alternative Quellen kulturellen Gehalts (Alternativen zum Top Management) werden unter anderem in den Forschungsarbeiten von Barley (1986) und Rousseau (1990) betrachtet. Beispielsweise untersuchte Barley (1986), welche Auswirkungen die Einführung der Computertomographie (CT) in Spitälern auf die Belegschaft hat. Während die Subkultur der Radiologen diese Einführung als Untergrabung ihrer Kompetenz und dementsprechend ihrer Reputation wahrnahm, konnten sich die TechnikerInnen durch ihre Fähigkeit, das Gerät handhaben zu können, etablieren.279 Ausgehend von der Existenz von Subkulturen, werden hier drei mögliche Ausprägungen unterschieden. Subkulturen können einerseits im Sinne einer Gegenkultur im krassen Gegensatz zu Organisationskultur stehen,280 andererseits können sie orthogonal zur dominierenden Organisationskultur stehen, indem sie funktionale, nationale aber auch ethnische Zugehörigkeiten reflektieren. Alternativ dazu kann eine Subkultur die vorhandene Organisationskultur auch aufwerten. In diesem Fall werden die Werte des Top Managements von den Mitgliedern einer bestimmten Abteilung unterstützt.281 276 277 278 279 280 281
Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 624 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 624 ff. Vgl. Martin, 2002, S. 101 ff. Vgl. Barley, 1986, S. 93. Vgl. Martin und Siehl, 1983, S. 52 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 630 ff.
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Während die „integration perspective“ von einer einzigen, dominanten Organisationskultur ausgeht, wird in der differentiation perspective Organisationskultur als Zusammensetzung einer Kollektion von Werten definiert, die sich widersprechen können. Offizielle Werte sind unter Anwendung dieser Betrachtungsweise inkonsistent zu den gelebten Werten, Rituale und Geschichten können Widersprüche zwischen formalen und informalen Normen aufzeigen und selbst eine gemeinsame Sprache wird ausgeschlossen.282 Folgende Merkmale charakterisieren Forschungsarbeiten (Barley, 1986; Van Maanen, 1991) der „differentiation perspective“283: 1. Organisationskultur wird von internen und externen Einflüssen bestimmt. 2. Existenz von Subkulturen sowie 3. Existenz mehrer Quellen der Organisationskulturschöpfung. Organisationskulturschilderungen konzentrieren sich mehr auf Unstimmigkeiten und Unterschiede als auf Konsens. „From the differentiation perspective, consensus exists within an organization – but only at lower levels of analysis, labeled ‘subcultures’. Subcultures may exist in harmony, independently, or in conflict with each other. Within a subculture, all is clear; ambiguity is banished to the interstices between subcultures. To express the differentiation perspective in a metaphor, subcultures are like islands of clarity in a sea of ambiguity.” (Martin, 2002, S. 94) Die Kritik an dieser Perspektive bezieht sich auf die Betrachtungsweise der Organisation. Durch den starken Fokus auf Subkulturen (Schwerpunkt der Betrachtung: Abteilungen), geht der Blick auf die gesamte Organisation verloren. Eine gemeinsame, integrative Vision oder eine gemeinsame Sprache wird von den VertreterInnen dieser Perspektive nicht länger erkannt.284 Wie die Organisationsmitglieder etwaige Unterschiede zwischen Organisationskultur und jeweiliger Subkultur wahrnehmen, wird in der Analyse ebenfalls vermisst, da davon ausgegangen wird, dass Ambiguität gemanagt werden kann.285 Martin (2002) setzt die „fragmentation perspective“ mit Vielheit und Fluss gleich, wobei Aussagen dazu schwierig sind. Der Fokus auf Ambiguität und die Tatsache, dass eben diese Ambiguität nicht klar konzeptualisiert werden kann, verursachen diese Schwierigkeiten.286 Die „fragmentation perspective“ geht im Studium der Beziehungen zwischen kulturellen Manifestationen über die Beständigkeit der „integration perspective“ und die klaren Unbeständigkeiten der „differentiation perspective“ hinaus. Während Ambiguität als abnorm und problematisch, als mit Sinn und Klarheit zu füllender Hohlraum betrachtet werden kann, nimmt
282 283 284 285 286
Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 630 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 630 ff. Vgl. Barley, 1986, S. 78 ff.; Rousseau, 1990, S. 448 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 636 f. Vgl. Martin, 2002, S. 104 ff.
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die „fragmentation perspective“ Ambiguität als normalen, herausragenden und unausweichlichen Teil organisationalen Funktionierens wahr.287 Genau diese alternative Betrachtungsweise von Ambiguität, führte zur Etablierung dieses Stranges als drittes Paradigma. Wird Organisationskultur durch die Linse der „fragmentation perspective“ betrachtet, existieren nicht länger geteilte Werte mit Ausnahme von Ambiguität. Wurde in der „differentiation perspective“ Einigkeit von Werten über die Miteinbeziehung von Subkulturen zu erreichen versucht, schließen VertreterInnen der „fragmentation perspective“ diesen Umstand aus.288 Zu unvergleichbar und unvereinbar sind die Meinungen, Werte und Verhaltensweisen.289 Zu den Merkmalen von Forschungsarbeiten der „fragmentation perspective“ zählen daher290: 1. Kulturelle Manifestationen sind durch einen Mangel an Klarheit aufgrund von Ignoranz oder Komplexität gekennzeichnet. 2. Konsens, Dissens und Konfusion existieren parallel – das Ziehen von Grenzen zwischen Organisationskultur und Subkultur ist nicht möglich sowie 3. viele verschiedene Quellen der Organisationskultur. Organisationskulturschilderungen können weder als harmonisch noch als konfliktreich charakterisiert werden. „Instead, interpretation of cultural manifestation are ambiguously related to each other, placing ambiguity, rather than clarity, at core of culture. In the fragmentation view, consensus is transient and issue specific. To express the fragmentation perspective in a metaphor, imagine that individuals in a culture are each assigned a light bulb. When an issue becomes salient some light bulbs will turn on, signaling who is actively involved in this issue.” (Martin, 2002, S. 94) Martin (2002) konstatiert zusammenfassend, dass die drei entwickelten und vorgestellten Perspektiven, die aus empirischen Arbeiten heraus entstanden sind, es ermöglichen einige große konzeptionelle Dimensionen von Miteinander und Gegeneinander kultureller Positionen abzubilden, wobei sie selbstkritisch anmerkt, dass allein durch die Bildung von Kategorien die Sichtweisen verzerrt werden. Komplexität in der Betrachtung von Mitgliedern, Ideen und Handlungen wird reduziert und abgegrenzt, die Erforschung von kulturellem Kontext anhand der drei Perspektiven lohnt sich jedoch allemal – weitet sie doch das Auge für Vielfalt und vertieft das Verständnis. Voraussetzung dafür ist jedoch die umfassende Betrachtung und Darstellung der Perspektiven.
287 288 289 290
Vgl. Martin, 2002, S. 104 ff. Vgl. Feldman, 1991, S. 145 ff.; Alvesson, 1993, S. 997 ff. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 636 f. Vgl. Meyerson und Martin, 1987, S. 636 f.
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Unter Bezugnahme auf ein einzelnes Element der jeweiligen Perspektiven würde die Komplexität dieser Theorien vereinfacht.291 „… it is not advisable to cut short the treatment of a perspective by using only one element of its definition (e.g., ‘the differentiation perspective focuses on subcultures’). Such a simplification reduces the internally congruent complexity of a theoretical perspective to a level of analysis.” (Martin, 2002, S. 107 f.) Auf das eigene Forschungsvorhaben bezogen, wird die „integration perspective“ eingenommen. Die Autorin schließt sich der Ansicht von Schein (1984) an, dass bestimmte Prämissen in und von allen Abteilungen einer Organisation geteilt werden. Diese Annahme schließt mit ein, dass von einer gemeinsamen Organisationskultur gesprochen werden kann. Insbesondere in organisationalen Phasen, die durch den Aufbruch in neue Märkte oder aber auch durch Krisen geprägt sind, stützen sich Organisationen auf gemeinsam geteilte Werte und Prämissen.292 Hier ist meines Erachtens wieder die Anbindung an die befragten Klein- und Mittelunternehmen der eigenen Erhebung möglich. Vermutet wird, dass gerade in derartigen Unternehmen, aufgrund der wesentlich geringeren MitarbeiterInnenanzahl eine „gemeinsame Organisationskultur“ vorliegt, mit starkem Einbezug der Führungskräfte oder GründerInnen. 4.5 In between: Forschung zwischen angestammten Paradigmen In den vorhergehenden Abschnitten der Arbeit wurden die beiden Paradigmen der Organisationskulturforschung vorgestellt. Anschließend an die Darstellung der theoretischen Stränge, wurde im Abschnitt 4.3.4 eine kritische Würdigung vorgenommen. Der bis zu diesem Zeitpunkt vernachlässigte Aspekt der Subkultur wurde im theoretischen Modell von Meyerson und Martin nachgereicht. Im Folgenden wird ein Ansatz dargestellt, der außerhalb der strikten Trennung in Social Fact Paradigma (auch funktionalistisches Paradigma oder Variablenansatz) oder Social Constructionist Paradigma (auch interpretatives Paradigma oder Metaphernansatz) angesiedelt ist. Die Arbeit von Schein (1985) wird in der scientific community als „in between“ definiert, wobei einige ForscherInnen den Versuch einer Klassifizierung vorgenommen haben.293 Fraglich erscheint es allerdings, ob eine derartige Einordnung vorgenommen werden soll und ob diese im Sinn des Autors ist.
291 292 293
Vgl. Martin, 2002, S. 108. Vgl. Schein, 1995, S. 27. Siehe dazu die Ansätze von Hatch (1993), Martin (1992, 2002), Meyerson (1987) oder auch Smircich (1983), die Schein dem funktionalistischen Paradigma zurechnen. Schultz (1995) schreibt hingegen differenzierter. „Schein is a dominant personality in the culture debate and his book ‘Organizational Culture and Leadership’ presents the most coherent and interesting presentation of a functionalist understanding of culture (see also Dyer, 1985; Louis, 1983). Schein is not a ‘pure’ functionalist. He has reservations and modifications regarding the functionalist view of totality and harmony.” (Schultz, 1995, S. 21)
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Kasper (1990) schreibt in diesem Zusammenhang von der Problematik der unterschiedlichen kulturellen Ansätze – diese wären vielfach verkürzt. Werte, Normen und Überzeugungen unter einem rein kulturellen Aspekt zu betrachten wäre unvollständig, weswegen er eine operative Anknüpfungsmöglichkeit bei Schein gegeben sieht.294 „Eine operative Anknüpfungsmöglichkeit sehe ich bei Schein gegeben, um dessen Konzept sich eine Art ‚Mittelweg’ herausgebildet hat. … Der erwähnte Mittelweg wird auch als ‚reflektiert funktionalistische Variante’ gehandelt. Anders als die ‚funktionalistisch systemorientierte Variante’ berücksichtigt die ‚reflektiert funktionalistische Variante’, dass Kultur eben nicht als objektives Faktum ermittelt wird, auch nicht durch ein ‚richtiges’ Beobachten von Oberflächenphänomenen oder durch ‚richtiges’ Fragestellen an Organisationsmitglieder.“ (Kasper, 1990, S. 132) Dieses Zitat zusammenfassend, schreibt die funktionalistisch systemorientierte Sichtweise Organisationskultur einen objektiven Charakter zu, der mittels naturwissenschaftlichpositivistischer Methoden zu erfassen ist. Dahingegen versucht die reflektiert funktionalistische Sichtweise mittels Kulturanalyse weg von der reinen Außenbeschreibung von Oberflächenphänomenen zu gelangen.295 Durch Artikulation der Werthaltungen der Organisationsmitglieder in Verbindung mit der Interpretation dieser Kulturspezifika im Sinne der Mitglieder durch BeobachterInnen soll eine umfassende Analyse, die über einen Objektivitätsanspruch hinausgeht, gewährleistet werden.296 Dieser Anspruch soll zudem durch die Betonung der Gestaltbarkeit von Organisationskultur des theoretischen Modells einerseits, sowie die kulturanthropologischen Wurzeln andererseits gewährleistet werden, handelt es sich doch dabei um eine Arbeit, die zentrale Aspekte sowohl des Variablenansatzes als auch des Metaphernansatzes zu verknüpfen versucht.297 Unter diesen, reflektiert funktionalistischen Theoriestrang oder Ansatz des Social Fact Paradigmas wird die vorliegende Arbeit eingeordnet. Die eigene Forschungsfrage: Welchen Einfluss haben organisationskulturbedingte Merkmale auf die Export Performance von Kleinund Mittelunternehmen? begründet diese Einordnung. Es ist ein Anliegen der Arbeit, für österreichische Klein- und Mittelunternehmen Handlungsempfehlungen ableiten zu können, die über ein einzelnes Unternehmen hinausgehen. Dementsprechend wird quantitativ, indirekt erfassend gearbeitet, wohl wissend, dass so die Basisannahmen einer Organisation nicht erfasst werden. Schein zufolge sind diese – wenn überhaupt – nur unter Anwendung eines „klinischen Ansatzes“ zu ergründen.298
294 295 296 297 298
Vgl. Kasper, 1990, S. 132. Vgl. Marré, 1997, S. 13 f. Vgl. Osterloh, 1991, S. 174 ff. Vgl. Behrends, 2001, S. 33 ff. Vgl. Schein, 1985, S. 112 ff.
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Die Ebene der Werte, Normen und Standards hingegen können mit standardisierten Instrumenten erhoben werden, unter der Voraussetzung, dass sie den Mitgliedern der Organisation bewusst sind oder bewusst gemacht werden.299 Das Modell von Schein (1985) bildet somit das theoretische Fundament (Abschnitt 4.6), in Rahmen dessen wird „Organisationskultur […] zunächst als kognitiver Hintergrund aufgefasst, als Art und Weise, ‘wie man Ereignisse, Dinge, Sachverhalte wahrnehmen, denken, interpretieren und fühlen soll’.“ (Kasper, 1990, S. 132 f.) Organisationskultur wird unter Anwendung des theoretischen Modells von Schein gleichermaßen als Ergebnis (= Organisation hat Kultur) und Prozess (= Organisation ist Kultur) betrachtet. Auf dieser Sichtweise baut schließlich das Modell von Denison (1990) auf (Abschnitt 4.7), das den Ausgangspunkt für die Operationalisierung von Organisationskultur bildet. 4.6 Theoretisches Modell: Das Kulturmodell nach Schein Im Folgenden wird das theoretische Modell von Schein dargestellt. Als Ausgangspunkt für diese Beschreibung dient folgende Definition: „Organisationskultur ist das Muster der Grundannahmen, die eine bestimmte Gruppe erfunden, entdeckt und entwickelt hat, indem sie gelernt hat, ihre Probleme externer Anpassung und interner Integration zu bewältigen und die sich soweit bewährt haben, dass sie als gültig betrachtet werden und deshalb neuen Mitgliedern als die richtige Haltung gelehrt werden sollen, mit der sie im Hinblick auf die genannten Probleme wahrnehmen, denken und fühlen sollen.“ (Schein, 1984, S. 3) Unter Bezugnahme auf die beschriebenen drei Perspektiven nach Meyerson und Martin (1987), wird das theoretische Modell von Schein (1985) der „integration perspective“ zugerechnet. KritikerInnen dieser „integration perspective“, die organisationsweiten Konsens von Organisationskultur annimmt, entgegnet Schein (1985), dass Abweichungen von dem organisationsweiten Konsens der Organisationskultur wohl geschehen (unstimmige beziehungsweise einander widersprechende Interpretationen), allerdings auf dem Level von Artefakten, die ihrerseits nicht die Essenz von Kultur repräsentieren.300 Eines der bekanntesten Ansätze zur Erfassung von Organisationskultur ist Scheins Three Levels of Culture Modell. Schein (1985) entwickelte ein Modell, das Kultur auf drei unterschiedlichen Ebenen abbildet, wobei sich die drei Ebenen gegenseitig beeinflussen (siehe Abbildung 8).
299 300
Vgl. Osterloh, 1991, S. 174 ff. Vgl. Schein, 1985, S. 18 ff. zitiert in Martin, 2002, S. 96 f.
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Artefakte Artefakteund undÄußerungsformen Äußerungsformen Sprache, Sprache,Rituale, Rituale,Kleidung, Kleidung, Umgangsformen Umgangsformen
Bekundete BekundeteWerte Werte Strategien, Strategien,Ziele, Ziele,Philosophien Philosophien
Grundlegende GrundlegendeAnnahmen Annahmenüber über ••Umweltbezug Umweltbezug ••Wahrheit Wahrheit ••Zeit Zeit ••Menschen Menschen ••Menschliches MenschlichesHandeln Handeln ••Soziale SozialeBeziehungen Beziehungen
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sichtbar, sichtbar,aber aberinterinterpretationsbedürftig pretationsbedürftig
teils teilssichtbar, sichtbar, teils teilsunbewusst unbewusst
unsichtbar, unsichtbar, meist meistunbewusst unbewusst
Abbildung 8: Levels of culture (Quelle: in Anlehnung an Schein, 1985, S. 14; 1995, S. 30)
Ausgehend von dieser Darstellung, lässt sich nach Schein die Essenz von Organisationskultur auf drei Ebenen feststellen301: - in kognitiv sprachlichen Symbolisierungen (Ideologien, Mythen, Geschichten, Legenden, typische Einstellungen und Haltungen, aber auch Sprache), - in standardisierten Verhaltensweisen (Sitten und Bräuche, Riten und Rituale, Zeremonien und Feiern) und - in sichtbaren Artefakten (Gebäude, Kleidung, Schriftstücke). 4.6.1 Grundannahmen Die zugrunde liegenden Annahmen (Grundannahmen) werden auch als Orientierungs- und Vorstellungsmuster bezeichnet. Sie repräsentieren all das, was von den Mitgliedern der Organisation für wahr gehalten wird. Sie beeinflussen das Denken und Verhalten, wobei sie einen beträchtlichen Beitrag für die Sicherheit der Menschen leisten, zumal diese nicht alles Verhalten der Organisation selbstständig interpretieren müssen, sondern eine Hilfestellung in Form dieser Muster erhalten.302 Grundlegende Annahmen können in Organisationen über die Zeit, die Wahrheit, die Menschen oder auch menschliches Handeln existieren. Unsichtbar liegen sie außerhalb der gewöhnlichen Wahrnehmung und sind zumeist für das Bewusstsein unzugänglich.
301 302
Vgl. Kasper, 1990, S. 133. Vgl. Hatch, 1997, S 210 ff.; Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 106 ff.
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Schein (2004) formuliert es so: „Basic assumptions, in the sense in which I want to define that concept, have become so taken for granted that one finds little variation within a social unit. This degree of consensus results from repeated success in implementing certain beliefs and values ….” (Schein, 2004, S. 31) Kultur als Set von Grundannahmen definiert für die Mitglieder der Organisation, womit sie sich beschäftigen sollen, wofür sie Zeit aufwenden, welchen Vorgängen sie Beachtung schenken sollen. Welche Denkmuster vorherrschen, welche Emotionen als Reaktionen für organisationale Handlungen passend sind und welches Verhalten beziehungsweise welche Aktionen in diversen Situationen zu setzen sind.303 Grundlegende Annahmen, werden ähnlich der theories-in-use304 weder angezweifelt noch angefochten. Daher können sie sehr schwer verändert werden. Erst in intensiver Auseinandersetzung, durch Wiederbeleben, Nachprüfen, möglicherweise erst durch Änderungen oder Aufbrechen stabiler Muster in den kognitiven Strukturen werden die Grundannahmen von den Organisationsmitgliedern adaptiert, um Neues zu erproben.305 Das dafür nötige Zulassen von Angst ist schwer zu ertragen, zumal ein gewisses Maß an kognitiver Dissonanz entsteht.306 Der Wunsch nach Kongruenz zwischen organisationalen Handlungen und vorherrschenden Grundannahmen ist in Menschen und Organisation gleichermaßen verankert, selbst dann noch, wenn Verzerrungen, Dementi aber auch Lügen benutzt werden, um diese Handlungen zu rechtfertigen.307 Gerade in diesem Prozess einer notwendig gewordenen Veränderung ist die Macht von Organisationskultur besonders deutlich zu spüren.
303 304
305 306 307
Vgl. Schein, 2004, S. 32. Unter „theories-in-use“ sind in tatsächlichem Gebrauch befindliche Handlungstheorien zu verstehen, die sich in täglichen Arbeitshypothesen, die meistens für das Verhalten der Organisationsmitglieder bestimmend sind, manifestieren (Pawlowsky 1992, S. 202). Die Ausführungen von Argyris und Schön definieren die „theoriesin-use“ als Kultur prägenden Kern von Organisationen:„ ...the theory-in-use is often tacit. Organizational theory-in-use may remain tacit >...@because its incongruity with espoused theory is undiscussable. Or it remains tacit because individual members of the organization know more than they can say – because the theory-in-use is inaccessible to them.“ (Argyris und Schön 1978, S.15). Vgl. Schein, 2004, S. 31 f. Siehe dazu Kapitel 3, S. 41 zur Angstabwehr nach Schein (vgl. 1984, S. 36 f.). Vgl. Schein, 2004, S. 31 f.
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Sie bestimmt, welchen Handlungen Beachtung beigemessen wird, welche Emotionen als Reaktion auf Veränderungen gezeigt werden und welche Aktionen schlussendlich gesetzt werden, immer unter Berücksichtigung der schwer verrückbaren „mental map“.308 „Map is a currently popular label, perhaps because of its metaphoric value. It implies the navigation through confusing terrain with some kind of representative model.” (Mintzberg, 1998, S. 159)309 Selbst kognitive Landkarten, die in die gedankliche Irre führen sind für den Menschen hilfreicher, als das Fehlen derartiger Karten. „With the map in hand, no matter how crude it is, people encode what they see to conform as closely as possible to what is on the map. The map prefigures their perceptions, and they see what they expect to see. …” (Weick, 1995, S. 55) Die Grundannahmen einer Organisation übernehmen diese Funktion, für eine kognitive Stabilität, die für das menschliche Gehirn wichtig ist, zu sorgen.310 Jedes Infragestellen oder Anzweifeln von Grundannahmen setzt Verteidigungsmechanismen und Angstzustände frei, die ein Funktionieren von Organisation beeinträchtigen würden. Demzufolge argumentiert Schein (2004), dass die Grundannahmen die Essenz von Kultur sind, ohne deren Verständnis kein Verstehen der darüber liegenden Kulturschichten möglich ist.311 4.6.2 Werte Werte sind teils sichtbar und teils unbewusst, teils bekundet und teils latent. „Values constitute the basis for making judgments about what is right and what is wrong, which is why they are also referred to as a moral or ethical code. … They define what the members of an organization care about, such as freedom, democracy, tradition, wealth, or loyalty.” (Hatch, 1997, S. 214) Werte bauen auf den Grundannahmen der Organisation auf, sie sind bewusstseinsfähig, das heißt, die Mitglieder der Organisation haben grundsätzlich die Möglichkeit über sie zu reflektieren.312 Die handlungstheoretische Perspektive von Argyris und Schön (1978) wird hier für die Möglichkeit der Reflexion von Werten aufgegriffen. Die Autoren unterscheiden zwischen offiziellen Handlungstheorien („espoused theories“) und den theories-in-use (zur Definition siehe Fußnote 304, S. 84). Hinter den theories-in-use stehen die tatsächlich gelebten Werte und praktizierten, also im Gebrauch befindlichen Handlungstheorien.313 Diese sind vielfach nicht bewusst, womit die Möglichkeit zur Reflexion der Werte lediglich im Bereich des Bewussten stattfinden kann. Die Unterscheidung in bewusste und 308 309
310 311 312 313
Vgl. Schein, 2004, S. 31 f. Mintzberg (1998) zitiert in diesem Zusammenhang eine, von Karl Weick (1995) nacherzählte Begebenheit über das ungarische Militär. Anlässlich einer Übung in den Alpen wird eine Einheit des Regiments seit zwei Tagen vermisst. Am dritten Tag findet die Einheit ihren Weg in das Basislager und führt diese wundersame Rettung auf eine Landkarte zurück. Diese wäre in der Tasche eines der Rekruten gewesen und hätte ihnen den Weg retour ins Lager gezeigt. Der Leutnant besieht sich darauf hin die Karte und stellt mit Erstaunen fest, dass es nicht um eine Karte der Alpen, sondern eine der Pyrenäen handelt (vgl. Weick, 1995, S. 54). Vgl. Schein, 2004, S. 31 f. Vgl. Schein, 2004, S. 36. Vgl. Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 108. Vgl. Argyris und Schön, 1978, S. 14 f.
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unbewusste Handlungstheorien ist kein singuläres Merkmal der Arbeit von Argyris und Schön. Luhmann (1987) versteht unter Werten bewusste oder unbewusste Vorstellungen des Gewünschten, die sich in Präferenzen bei der Wahl zwischen Handlungsalternativen niederschlagen.314 „Werte bestimmen demnach bewußt oder unbewußt das Handeln (= absichtsgeleitetes, intentionales Tun) und Verhalten (= stimuliertes Tun) [Steinmann 1978, S. 73] von Individuen. Werte sind historische Produkte und von der jeweiligen Gesellschaftsform beeinflußt. Bei Werten ist eine innere Kontrolle wirksam, inhaltlich sind sie eher allgemein ausgerichtet.“ (Kasper, 1987, S. 7) Die Definitionen des Begriffes Wert sind umfangreich, weswegen im Folgenden die drei grundlegenden Kategorien, in die Definitionen des Wertbegriffs eingeteilt werden, dargestellt werden315: - Wert als Gut, - Wert als Maßstab, - Wert als Ziel Wird Wert als Gut betrachtet, so wird einem Objekt ein Wert zugerechnet („Das ist mir eine Sache wert!“), während bei Betrachtung von Werten als Maßstab eine subjektivistische Gegenposition zur eben vorgestellten objektivistischen eingenommen wird.316 Klein (1991) schreibt vom Wert als kulturell und sozial determiniertem, dynamischem Ordnungskonzept als Ordnungsleitlinie, die den Input einer Person (= Wahrnehmung) selektiv organisiert und akzentuiert, reguliert und demnach aktives Planen und Ausrichten des Verhaltens ermöglicht.317 Von Rosenstiel (1984) stellt einige der viel zitierten Definitionsansätze vor.318 „Ein Wert ist eine Auffassung vom Wünschenswerten, die explizit oder implizit für einen einzelnen oder eine Gruppe kennzeichnend ist und welche die Auswahl der zugänglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflußt.“ (Kluckhohn, 1951) „Werte sind Präferenzmodelle, die zwischen primär emotional bestimmten Subjekten und von diesen selegierten Weltausschnitten gelten, und zwar allgemein.“ (Scholl-Schaaf, 1975) „Ein kulturell und sozial determiniertes (und geltendes) dynamisches, ich-zentrales, selbstkonstitutives Ordnungskonzept als Orientierungslinie, die den System-Input einer Person (Wahrnehmung) selektiv organisiert und akzentuiert, sowie ihren Output (Verhalten) reguliert, mithin eine ich-dirigierende, aktive Planung und Ausrichtung des Verhaltens über verschiedene Situationen hinweg ermöglicht.“ (Kmieciak, 1979) 314 315 316 317
318
Vgl. Luhmann, 1987, S. 169. Vgl. Scholl-Schaaf, 1975, S. 49. Vgl. Klein, 1991, S. 20 ff. Vgl. Klein, 1991, S. 20 ff. Konträr dazu argumentiert Luhmann (1987), dass Werte keine zwingende Entscheidungspräferenz vorgeben. Vgl. von Rosenstiel, 1984, S. 204.
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Basierend auf diesen Definitionen, fasst von Rosenstiel (1984) das Gemeinsame und Wesentliche zusammen: - Werte liegen an der Schnittstelle zwischen Individuum und der Gesellschaft. Sie sind für die Gesellschaft Legitimationsgrundlage und Identifikationspunkt für ihre Mitglieder. Für jeden einzelnen haben sie Orientierungsfunktion innerhalb der Gesellschaft und bieten ihm die Chance, sich in dieser Gesellschaft heimisch zu fühlen. - Werte haben Orientierungscharakter. Sie stellen für den einzelnen bestimmte Weltausschnitte über andere, machen also bestimmte Gegenstände attraktiver als konkurrierende. - Werte sind gesellschaftlich vermittelt, also nicht angeboren und auch nicht bloß individuell, sondern für Gruppen und Kulturen kennzeichnend, was ihnen auch einen relativ überdauernden, das Individuum transzendierenden Charakter verleiht. - Werte sind Konstrukte auf relativ hohem Abstraktionsniveau. Sie sind nicht auf bestimmte Gegenstände bezogen, sondern konkretisieren sich in der aktuellen Situation beim einzelnen als abfragbare Werthaltung oder beobachtbare Handlungspräferenzen. - Werte müssen nicht in jedem der vielfältig determinierten Handlungszüge erkennbar werden, haben aber – insgesamt gesehen – Einfluß auf menschliches Verhalten. (von Rosenstiel, 1984, S. 204 f.) Kasper (1990) zufolge ist kulturelle Überlieferung reflexiv, Normen und Werte werden generalisiert. Hier knüpft er an Habermas (1986) an, der von einer laufenden Generalisierung von Werten spricht, einen Trend zur Rationalisierung und Generalisierung ortet, ausgelöst von einer generellen Tendenz vom Ritus über die Norm zum Argument hin.319 Sowohl Habermas, als auch Luhmann propagieren diese Generalisierung der Werte. Für Luhmann sind Werte nur mehr „Präferenzen, von denen man in der sozialen Kommunikation ausgehen kann, ohne mit Widerspruch rechnen zu müssen.“ (Luhmann, 1987, S. 169), die aber keine Rangordnung vorzugeben vermögen. Im Zuge der Kommunikationsprozesse dienen Werte als Sonde, mit der die Mitglieder prüfen können, ob konkretere Erwartungen funktionieren. Konsequenterweise kann hier keine absolute Rangordnung festgelegt werden.320 Werte können so auch als erprobte Eigenvalues des Systems bezeichnet werden, die sich als stabil erwiesen haben.321 Luhmann (1987) zufolge ist das auffälligste Merkmal der Werte, dass sie unauffällig kommuniziert werden, in Form von Andeutungen und unterstellten Implikationen. Beispielsweise
319 320
321
Vgl. Habermas, 1986, S. 345. Kasper (1990) führt in diesem Zusammenhang das Argument an, dass Handeln bewertet werden kann: als nutzenstiftend, gerecht versus ungerecht. Da sich aber alles Handeln unter positive wie negative Wertgesichtspunkte einordnet, folgt aus der Wertung selbst nichts für die Richtigkeit des Handelns (vgl. Luhmann, 1984, S. 433). „Dennoch sind Werte nicht ohne Bedeutung für die Erwartbarkeit des Erwartens. Ihre Bedeutung ergibt sich aus der Differenz von Werten und Programmen …“ (Luhmann, 1984, S. 434). Vgl. Kasper, 1990, S. 265 f.
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wird anderen Mitgliedern der Gesellschaft nicht mitgeteilt, selbst pro Gerechtigkeit zu sein, sondern eine gerechte Einkommensverteilung gefordert.322 „Werte werden in der Kommunikation gewissermaßen versteckt. … Werte reproduzieren sich und kondensieren durch indirekte Kommunikation. Man kann ihnen nicht widersprechen, aber man kann auslegen.“ (Luhmann, 1987, S. 169). Schwierigkeiten mit dem Konstrukt Wert ergeben sich zusätzlich aus der Abgrenzung zum verwandten Begriff Werthaltung. „Während Werte gesellschaftlich vermittelte Konstrukte auf relativ hohem Abstraktionsniveau sind, sprechen wir von Werthaltungen dann, wenn es sich um die Haltung einer bestimmten Person zu einem in der Gesellschaft verankerten Wert handelt.“ (Klein, 1991, S. 24) Trotz dieser definitorischen Trennung, findet eine gegenseitige Beeinflussung von Werten und Werthaltungen statt, da die Organisationsmitglieder gegenüber den Werten der Organisation Werthaltungen bilden, die entweder in Einklang oder in Opposition zu den Organisationswerten stehen. Bei einer Werthaltung handelt es sich daher um eine Haltung einer Person in Beziehung zu einem bestimmten, dieser Person implizit oder explizit bekannten Wert, während ein Wert an der Schnittstelle von Gesellschaft und Individuum liegt.323 Zusammenfassend sind die Kriterien, die einen Wert definieren, aufgelistet324: 1. Werte sind Konstrukte auf relativ hohem Abstraktionsniveau. 2. Werte liegen an der Schnittstelle von Gesellschaft und Individuum. 3. Werte sind gesellschaftlich vermittelt. 4. Werte haben Orientierungscharakter. 5. Werte haben Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung und das Verhalten. 6. Werte sind objektunspezifisch und situationsübergreifend. 7. Werte sind zeitlich relativ stabil. Die Organisationsmitglieder lernen nach Eintritt in die Organisation, welche Werte und Überzeugungen – ursprünglich von den GründerInnen oder Heroen verkündet, ähnlich ProphetInnen – in einem Unsicherheit reduzierenden Sinn funktionieren.325 Je erfolgreicher in der Folge diese erlernten Werte und Vorstellungen arbeiten, desto eher unterlaufen sie einem Transformationsprozess hin zu einem Verständnis als Grundannahmen. Die abgeleiteten Werte werden dabei in ihrer Funktion als Normen und moralische Ausrichtung für die Organisationsmitglieder explizit ausgesprochen, wobei sie entweder als Leitfaden für die Bewältigung von 322 323 324 325
Vgl. Luhmann, 1987, S. 169. Vgl. Klein, 1991, S. 24 ff. Vgl. Klein, 1991, S. 24 ff. Siehe dazu auch Schein, 1999, S. 186: „… The strength and depth of an organization’s culture reflects (1) the strength and clarity of the founder of the organization, (2) the amount and intensity of shared experience that organization members have had together, and (3) the degree of success the organization has had.”
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Schlüsselerlebnissen oder zur Einführung von neuen MitarbeiterInnen eingesetzt werden.326 Dennoch existieren laut Argyris (1976) gelegentlich Situationen, in denen die tatsächlich gelebten den nach außen kommunizierten Werten widersprechen, die theories-in-use mit den espoused theories (= offizielle Werte und Richtlinien) in Widerspruch stehen.327 Schein rät von daher: „But in analyzing beliefs and values one must discriminate carefully between those that are congruent with underlying assumptions and those that are, in effect, either rationalizations or only aspirations for the future.” (Schein, 2004, S. 30) So schreibt auch Martin (2002), dass die vom Top Management ausgerufenen Unternehmenswerte nicht immer auch die Werte der MitarbeiterInnen widerspiegeln, weswegen hier zwischen offiziellen und daraus abgeleiteten Werten Inkonsistenzen auftreten.328 Chatman und Jehn (1994) teilen grundsätzlich Martins Sichtweise, schreiben aber, dass Werte als definierendes Element von Kultur betrachtet werden müssten, während um sich herum Normen, Symbole, Riten, aber auch andere kulturelle Manifestationen rotieren.329 Sie berufen sich auf Weiner (1988) in der Argumentation, dass erst durch gemeinsam geteilte Werte, Organisationskulturen als existent betrachtet werden. Dennoch streiten auch Chatman und Jehn subkulturelle Wertausprägungen nicht ab, schreiben jedoch zusammenfassend: „Following other authors (e.g., Van Maanen & Barley, 1984), we suggest that almost every organization has some core values that are shared across the entire organization. Indeed, Selznick (1957) argued that shared values are essential for organizational survival because they maintain the organization as bounded unit and provide it with a distinct identity.” (Chatman und Jehn, 1994, S. 524 f.) Aus den Ausführungen der zitierten AutorInnen (Chatman und Jehn, Martin und Schein) ergeben sich für die eigene Schlussfolgerung zwei interessante Anknüpfungsmöglichkeiten. Einerseits wird von gemeinsam geteilten Werten gesprochen, hier ist nach Ansicht der Autorin der Rückbezug auf die „integration perspective“ (siehe dazu Abschnitt 4.4) möglich. Grundsätzlich existieren in Organisationen gemeinsame Werte, wobei in Klein- und Mittelunternehmen die Chance die gemeinsam zu erarbeiten und zu etablieren ungleich größer gesehen wird als in Großunternehmen, die vielfach durch Mergers entstehen. Den Ausführungen von Chatman und Jehn (1994), dass in nahezu jeder Organisation bestimmte Grundwerte existieren, die abteilungsübergreifend geteilt werden, schließe ich mich an. Andererseits wird zwischen propagierten und gelebten Unternehmenswerten differenziert.
326 327
328 329
Vgl. Schein, 2004, S. 28 ff. Vgl. Argyris, 1976, S. 367. Argyris unterscheidet zwischen den bereits beschriebenen theories-in-use und den „espoused theories“. Der Autor schreibt: „Espoused theories of action are those that people report as a basis for actions.” (Argyris, 1976, S. 367) Vgl. Martin, 2002, S. 90. Vgl. Chatman und Jehn, 1994, S. 524 f.
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Hier teilt die Autorin die Ansicht von Martin (2002), dass die vom Top Management ausgerufenen offiziellen Werte (= bekundete Werte) nicht immer auch die Werte der MitarbeiterInnen widerspiegeln. Dies ist sicherlich u.a. auch darauf zurückzuführen, dass MitarbeiterInnen wechseln, MitarbeiterInnen in Organisationen eintreten, die bereits nach einem Set an vordefinierten Werten leben. Das Auftreten von Inkonsistenzen ist eine mögliche Folge, wobei auch hier meinem Erachten nach zwischen großen Unternehmen und Klein- und Mittelunternehmen unterschieden werden muss. Bedingt durch die Vermutung, dass in Klein- und Mittelunternehmen – erneut aufgrund der geringeren MitarbeiterInnenanzahl – die Diskussion über propagierte und gelebte Werte möglicherweise gemeinsam und unbürokratischer geführt werden kann, sind Diskrepanzen zwischen offiziellen Werten und unternehmensinternen Werten weniger vorhanden. 4.6.3 Artefakte An der Oberfläche angesiedelt sind die Artefakte (Symbole), definiert als die sichtbaren, aber interpretationsbedürftigen Äußerungsformen von Organisationskultur. „At the surface is the level of artifacts, which includes all the phenomena that one sees, hears, and feels when one encounters a new group with an unfamiliar culture.“ (Schein, 2004, S. 25) Werte spiegeln sich dabei in den Symbolen einer Organisation wider, wobei ihnen dabei die Aufgabe zukommt, den schwer fassbaren Komplex an Grundannahmen, Werten und Verhaltensmustern darzustellen und den Mitgliedern der Organisation zu vermitteln. Symbole stellen somit den sichtbaren und zugänglichsten Teil von Organisationskultur dar.330 Hatch (1997) definiert Symbole folgend: „A symbol is anything that represents a conscious or unconscious association with some wider concept or meaning. Thus, a symbol consists of both a tangible form and a wider meaning (or meanings) with which it is associated. The dove, for example, is a commonly recognized symbol for peace. In this symbol the tangible form is the image of the bird; the meaning that extends beyond this form is peace.” (Hatch, 1997, S. 219) Das Beispiel veranschaulicht, dass Symbole mehrsinnig sind, weswegen sie in der Praxis zwecks Handhabung durch die Organisationsmitglieder mit gängigen Bedeutungen versehen werden müssen.331 Tabelle 16 stellt diese Medien der symbolischen Vermittlung von Werten, Normen und Verhaltensweisen zusammenfassend dar.
330 331
Vgl. Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 108 ff. Vgl. Kasper und Mühlbacher, 2002, S. 108 ff.
Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur Art des Mediums
Beispiele
Sprachliche Medien
Geschichten, Leitsätze, Legenden, Lieder, Mythen, Slogans
Interaktionale Medien
Beförderungen, Entlassungen, Jubiläen, Konferenzen, Rituale, Tagungen
Objektivierte Medien
Architektur und Design, Fahnen, Geschenke, Kleidung, Statussymbole
Sozial konstruierte Zeit
Deadlines, Stechuhren, Zeitpläne
91
Tabelle 16: Medien der symbolischen Vermittlung (Quelle: in Anlehnung an Kasper und Mühlbacher 2002, S. 109)332
Obschon leicht zugänglich und in diesem Sinne leicht zu beobachten und zu beschreiben, fällt auch die Interpretation der Artefakte schwer. So ist es für ForscherInnen leicht zu beschreiben, was sie an Äußerungsformen gesehen haben beziehungsweise welche Gefühle damit verbunden sind, Rückschlüsse auf die Organisation und die dort gelebten Werte und Normen sind jedoch nur selten möglich.333 Gewarnt wird vor allzu schnellen Interpretationen oder Ableitungen allein auf Basis der Artefakte, da diese zwangsläufig Projektionen der eigenen Gefühle sind. „It is especially dangerous to try to infer the deeper assumptions from artifacts alone, because one’s interpretations will inevitably be projections of one’s own feelings and reactions. For example, when one sees a very informal, loose organization, one may interpret that as inefficient if one’s own background is based on the assumption that informality means playing around and not working. Or, alternatively, if one sees a very formal organization, one may interpret that to be a sign of lack of innovative capacity, if one’s own experience is based on the assumption that formality means bureaucracy and formalization.” (Schein, 2004, S. 27) Auf derartige unterschiedliche Interpretationen ist im Rahmen der Ergründung von Kultur besonderes Augenmerk zu legen. Schein (1995) nennt die zwei wesentlichsten Gründe für den Wunsch, die Kultur eines Unternehmens zu studieren und zu entschlüsseln334: Zum einen sind das wissenschaftliche Gründe im Zusammenhang mit der Entwicklung oder dem Testen einer Theorie, zum anderen konkrete Forschungsgründe im Zusammenhang mit kulturellen Problemen des Unternehmens. Zur Bewältigung dieser braucht die Organisation beziehungsweise das Management Unterstützung.335 Die ForscherInnen können demzufolge sowohl aus der Organisation selbst stammen oder aber von außen kommen und gemäß dem Forschungsvorhaben Daten sammeln. Die Erfassung valider Daten336 in diesem Bereich ist in jedem Fall extrem schwierig, bringt eine Vielzahl an Optionen und Alternativen mit sich und ist immer auch „an intervention into the life of the organization if the research involves any contact
332 333 334 335 336
Vgl. Neuberger, 1985, S. 31 ff.; Bluedorn, 2000, S. 118 ff. Vgl. Schein, 2004, S. 27. Vgl. Schein, 1995, S. 132. Vgl. Schein, 1995, S. 132. Schein (1995, 2004) schreibt von validen Daten beziehungsweise von genügend Daten, um Teile der Organisationskultur zu ergründen und zu verstehen.
92
Die theoretische Bezugsgröße Organisationskultur
with the organization.“ (Schein, 2004, S. 203)337 Abgesehen vom Interventionscharakter der Forschungsvorhaben, ist die Entschlüsselung von Organisationskultur insofern problematisch, als sich die Mitglieder der Organisation nicht immer darüber im Klaren sind, wie viel sie an Informationen preisgeben, ohne sich selbst eine Blöße zu geben.338 Unklare und fehlerhafte Informationen sind die Folge der Überlegungen, Außenstehenden Daten über das Unternehmen anzuvertrauen. Darüber hinaus ist von ForscherInnenseite zu berücksichtigen, dass Organisationskulturen einer Weitentwicklung unterliegen, weswegen eine laufende Überprüfung und Revision der Erkenntnisse notwendig ist.339 Bezogen auf die grundsätzliche Möglichkeit der Generierung von Daten, ist von den vorgestellten Ebenen des theoretischen Modells von Schein lediglich die mittlere Ebene der bekundeten Werte (siehe Abbildung 8, siehe Seite 83) mittels standardisierter Instrumente zu erheben.340 Dabei ist jedoch immer zu reflektieren, ob mit diesen Befragungen die handlungsleitenden und damit kulturrelevanten Werte erfasst werden können. Im folgenden Abschnitt werden die Adaptionsaufgaben von Organisationskultur vorgestellt und ausführlich beschrieben. 4.6.4 Extern gerichtete Aufgaben von Organisationskultur Parallel zur Ausdifferenzierung von Organisationskultur durch die Ebenen des theoretischen Modells, entwickelte Schein (1985, 1991, 2004) Überlegungen, dass Organisationen nur dann überleben, wenn sie sowohl341: 1. im Bezug auf ihre Umwelt zu Adaptionsleistungen fähig sind, 2. die Integration interner Prozesse gelingt und damit die Fähigkeit zur kontinuierlichen Adaption gewährleistet wird.
337
338 339 340 341
In diesem Zusammenhang sei auf die Aktionsforschung verwiesen. Diese versteht sich als ein von klassischempirischer Sozialforschung sich distanzierender sozialwissenschaftlicher Forschungsansatz, der sich Fragen zum Verhältnis von Theorie und Praxis, Theorie und Empirie sowie der Interaktion von ForscherInnen und Erforschten widmet (vgl. Heinze, 2003, S. 14). Die Wurzeln dieses Forschungsansatzes liegen in der Human Relations Bewegung der 1940er und 1950er-Jahre, der methodologische Bezugsrahmen für die Aktionsforschung als spezifische Art der Feldforschung ist der symbolische Interaktionismus Blumers (vgl. Heinze, 2003, S. 14). Forschung und Alltagsaktion sollten miteinander vereint werden. In der Exploration und Inspektion werden wesentliche Etappen des Aktionsforschungsprozesses gesehen. Die Exploration impliziert das flexible Vorgehen bzgl. der Verwendung von Untersuchungsmethoden sowie die relative Breite und Unstrukturiertheit im theoretischen Verständnis der ForscherInnen, das im Verlauf des Forschungsprozesses zunehmend eingeengt und gleichzeitig differenziert wird (vgl. Heinze, 2003, S. 14 f.). „Ausgehend von der Idee, der Forscher habe Forscher und Akteur gleichzeitig zu sein, endete die Aktionsforschung in der Sackgasse, aus der nur mehr – siehe subjektivitätsorientierte Forscher – der Rückgriff zu einer doch noch theoriegeleiteten Forschung, die ja von der Aktionsforschung abgelehnt worden war, zu führen scheint.“ (Kasper, 1987, S. 166) Vgl. Schein, 1995, S. 167. Vgl. Schein, 1995, S. 167. Vgl. Osterloh, 1991, S. 174. Vgl. Schein, 1991, S. 248 f.
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Diese beiden Bedingungen für das Überleben einer Organisation sind Prozess wie auch Ergebnis der Organisationskultur, die als das Produkt eines kollektiven Lern- und Problemlösungsprozesses eben in Bezug auf Adaptions- und Integrationsleistungen definiert wird.342 Tabelle 18 stellt die extern gerichteten Aufgaben (Adaptionsleistungen) sowohl zusammengefasst, als auch durch die Erklärung detailliert vor. Extern gerichtete Aufgaben (Adaption) Beschäftigung mit:
Erklärung:
1.
der Mission der Organisation, ihren Hauptfunktionen und wie sie ihrer Umwelt gegenüber auftritt
- Die Mission einer Organisation ist komplex und durch einige ihrer Funktionen latent, um die manifeste Identität zu schützen. „… daß die meisten Unternehmen angesichts einer komplexen Interessenlage viele Funktionen erfüllen und daß manche dieser Funktionen öffentlich dargestellt werden, wohingegen andere latent und in gewissem Sinne unausgesprochen bleiben.“ (Schein, 1995, S. 64) - Zu den latenten Funktionen zählen u. a. das Einstellen von MitarbeiterInnen aus dem Umkreis der Organisation oder auch der Ankauf von Rohmaterialien aus der Gegend der Organisation, um sie wirtschaftlich zu unterstützen. - Wie wichtig derartige latente Funktionen der Mission sind, wird oftmals erst offenbar, wenn die Organisation absiedelt oder schließt. „Die Bedeutung dieser latenten Funktionen kommt erst dann offen zutage, wenn ein Unternehmen die Schließung oder einen Umzug in Erwägung ziehen muß. Dann tritt plötzlich eine Reihe von Interessensgruppen auf den Plan, die mehr oder weniger auf das Unternehmen gerechnet haben, und protestiert gegen die Umzugs- oder Stillegungspläne.“ (Schein, 1995, S. 65)
2.
den Zielen der Organisation
- Um eine Übereinstimmung hinsichtlich der Ziele der Organisation zu erreichen, braucht es eine gemeinsame Sprache und geteilte Grundannahmen über Basisoperationen. Erst diese ermöglichen dem Unternehmen von einer abstrakten Mission zu konkreten Zielen zu gelangen (siehe dazu Abschnitt 2.3.1, S. 11 f.: Unternehmensziele). „Ziele konkretisieren die Mission und erleichtern die Entscheidungen über die dafür notwendigen Mittel. Der Prozeß der Zielformulierung offenbart oft ungelöste Fragen oder mangelnde Übereinstimmung in grundlegenden Bereichen.“ (Schein, 1995, S. 66 f.) - So wird die Abstraktheit einer Mission auf konkrete Ziele wie beispielsweise Produktentwicklung, -herstellung oder Verkauf umgelegt. Formulierung von Jahreszielen, um Präzisierung zu erreichen.
3.
den Wegen und Mitteln, wie diese Ziele erreicht werden sollen
- Ohne Definition von Wegen und Mitteln, wie organisationale Ziele erreicht werden sollen, wird die Organisation diese nicht erreichen. - Da Wege und Mittel, wie Ziele erreicht werden, tagtäglich eingesetzt werden, bedarf es angestrengter Entwicklungsarbeiten diese zu definieren. - In der Entwicklung von Strategien, wie eine Organisation ihre Ziele erreicht, treffen externe Adaption und interne Integration aufeinander. Beispielsweise bestimmen die Talente und Einstellungen der GründerInnen, welche Funktionen innerhalb der Organisation bestimmend werden, welcher Stellenwert ihnen beigemessen wird und welche Personen die Aufgaben übernehmen. „Die Entwicklung kultureller Prämissen im Hinblick auf die Mittel der Zielerreichung werden unweigerlich auch die internen Fragen des Status und der Identität berühren. Dies sollte mit allem Nachdruck die komplexen Anforderungen verdeutlichen, die sowohl eine Analyse der Mittel als auch Maßnahmen zur Veränderung der Mechanismen stellen, mit denen ein Unternehmen seine Ziele erreicht. Konsens hinsichtlich der verwendeten Mittel erzeugt die Regelmäßigkeit im Verhalten und viele der
342
Vgl. Schultz, 1997, S. 21 ff.
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Artefakte, die letzten Endes als sichtbare Zeichen der Kultur identifiziert werden. Wenn diese Regelmäßigkeiten und Muster erst Fuß gefaßt haben, bilden sie eine Quelle der Stabilität für die Mitglieder, die sich aus diesem Grund auch sehr stark danach orientieren.“ (Schein, 1995, S. 69) 4.
den Kriterien, die zur Operationalisierung und Messung der Resultate herangezogen werden
- Die Performancemessung setzt sich aus zwei wesentlichen Elementen zusammen, über die Konsens herrschen sollte: Was wird gemessen und wie wird gemessen? - Dabei bilden sich um diese beiden Probleme schnell kulturelle Manifestationen, weswegen sie für neu eintretende MitarbeiterInnen offensichtlich sind und sie sich damit beschäftigen.
5.
den Sanierungsmaßnahmen oder Strategien, sofern die Ziele nicht erreicht werden
- Was, wenn der Kurs der Organisation geändert werden muss und wie kann dieser Kurs ausgestaltet sein? „Wenn beispielsweise ein Produkt im Markt durchfällt, was tun? Entläßt man den Produktmanager, unterzieht man die Marketingstrategie einer strengeren Prüfung, bewertet man die Qualität der Forschung und Entwicklung aufs neue, ruft man ein fachübergreifendes Diagnoseteam zusammen, um aus den Fehlern zu lernen, oder kehrt man den Fehlschlag unter den Teppich und gibt den brauchbaren Leuten stillschweigend andere Aufgaben?“ (Schein, 1995, S. 71 f.) - Gerade im Zusammenhang mit Kurswechseln ist das organisationsweite einheitliche Auftreten wichtig, unabhängig davon, ob das Unternehmen Gewinne oder Verluste generiert. „… nicht auf Problembereiche beschränkt. Ein Unternehmen, dessen Zeichen auf Erfolg stehen, kann sich für schnelleres Wachstum entscheiden, für die Entwicklung einer sorgfältigen Strategie kontrollierten Wachstums oder aber für einen schnellen Gewinn der die Wachstumschancen schmälert.“ (Schein, 1995, S. 72) - Der Umgang mit externen Informationen, die Weitergabe an die richtigen Stellen in der Unternehmung, aber auch die mögliche Adaption interner Prozesse aufgrund externer Informationen ist zu akkordieren.
Tabelle 17: Externe Aufgaben von Organisationskultur (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Schein, 1991, S. 249, 1995, S. 63 ff. und 2004, S. 87 ff.)
Durch die Darstellung in Tabelle 17 wurde aufgezeigt, in welcher engen Verbindung die Adaptionsleistungen einer Organisation mit den zu erbringenden Integrationsleistungen stehen. 4.6.5 Intern gerichtete Aufgaben von Organisationskultur Die internen Aufgaben von Organisationskultur, die Integrationsleistungen stellt Tabelle 18 vor – Organisationskultur reflektiert auch diese, nach innen gerichteten Prozesse. Intern gerichtete Aufgaben (Integration) Beschäftigung mit: 1.
einer gemeinsamen Sprache und einer gemeinsamen Begriffsdefinition, die verwendet wird (gemeinsames Verständnis von Zeit und Ort)
Erklärung: - „Um als Gruppe funktionieren zu können, müssen die Einzelpersonen nach ihrer Zusammenkunft ein Kommunikationssystem und eine Sprache etablieren, die eine Interpretation der Vorgänge erlauben. Die menschliche Konstitution kann zuviel Ungewißheit und/oder ein Übermaß an Stimuli nicht ertragen. Sinnstiftende Kategorien zur Organisation von Gedanken und Wahrnehmungen, die Unwichtiges herausfiltern und sich gleichzeitig auf Wichtiges konzentrieren, sind nicht nur ein wesentliches Mittel zur Vermeidung von Überlastung und Beunruhigung, sondern auch eine notwendige Voraussetzung für jede Form koordinierter Tätigkeit.“ (Schein, 1995, S. 76) Kategorien, wie Dinge aufgefasst und verarbeitet werden, helfen dem Menschen, Unsicherheit sowie Stimulus-Overload zu verringern und zu filtern, was wichtig ist und was nicht. Gemeinsame Sprache und Bedeutungskategorien sind daher für die Entstehung von organisationswei-
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ter Kommunikation unbedingt notwendig. - Häufig sind es die GründerInnen, die dieses System an Kategorien einführen, das sich an den eigenen Werten und Einstellungen orientiert und die Mission reflektiert. 2. Kriterien, wer mit einbezogen wird und wo die Grenzen der Organisation verlaufen
- Gerade für neu eingetretene MitarbeiterInnen ist es wichtig zu erfahren, auf welche Art und Weise die Integration in die Organisation erfolgt. - Die Kriterien für die Integration neuer Mitglieder beziehungsweise wie der Weg zur Vollmitgliedschaft in der Organisation gestaltet ist, geben die GründerInnen, aber auch das Management vor. „Es gilt Kriterien zu etablieren, die darüber entscheiden, wer zur Gruppe gehört und wer nicht. Neue Mitglieder können sich nicht reibungslos eingliedern und sich auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren, wenn sie sich über ihren Mitgliedstatus nicht im klaren sind.“ (Schein, 1995, S. 77) Am Anfang werden derartige Maßstäbe für die Aufnahme in den Mitgliederkreis noch von den GründerInnen oder Führungskräften definiert. „Im Zuge der Interaktion von Gruppenmitgliedern werden diese Kriterien überprüft, und es bildet sich ein Gruppenkonsens im Hinblick auf jene Maßstäbe, die dieser Überprüfung standhalten.“ (Schein, 1995, S. 78) - Je älter, komplexer und größer Organisationen werden, desto schwieriger gestaltet sich die eindeutige Definition der Grenzen, wo die Mitgliedschaft zur Organisation beginnt, wo sie endet und wer mit einbezogen wird. Immer mehr Menschen, wie VertreterInnen, FirmeneinkäuferInnen oder BeraterInnen nehmen Rollen ein, die zwischen den Grenzen von intern und extern angesiedelt sind. Andererseits: „In einer komplexen Gesellschaft gehören die Menschen vielen Organisationen an, so daß ihre Identität nicht ausschließlich an eine einzige gebunden ist. Dies erschwert die Bestimmung und Festlegung einzelnen kultureller Verbände noch weiter …“ (Schein, 1995, S. 80)
3. Kriterien für die Vergabe von Macht, Status und Autorität
- Die Frage von Einfluss, Macht und Autorität ist ein Thema, das jede Organisation beschäftigt, zumal die Adaptionsleistungen der Organisation in engem Zusammenhang mit den internen Aufgaben, wie der Verteilung von Macht stehen. - Der Prozess der Festlegung von Macht und Einfluss lässt sich Schein (1995) zufolge am besten in neuen Gruppen beobachten. „… Vieles am Verhalten neuer Mitglieder läßt sich nur dadurch erklären, daß sie sich ihrer Position oder Rolle nicht sicher sind und erst einmal ‚das Terrain sondieren’. Jeder tritt in die neue Situation mit dem Bedürfnis nach Einfluß, doch dieses Bedürfnis zeigt von Person zu Person ein sehr unterschiedliches Ausmaß. Gleichfalls sehr unterschiedlich ist der Status – in anderen Zusammenhängen erreicht oder jetzt angenommen – , den jede Person mitbringt, sowie der Grad von Macht und Autorität, den man ihr zuschreibt.“ (Schein, 1995, S: 81)
4. Kriterien für Vertrautheit, Freundschaft und Liebe im Arbeits- und Familienleben
- Neben den Fragen zur Verteilung von Macht und Status (siehe Punkt 3), beschäftigt die Organisation der Aufbau funktionsfähiger Freundschaften. - Während sich Machtprobleme aus der notwendigen Steuerung von Aggressionen ergeben, entwickeln sich Probleme im Umgang gleichrangiger MitarbeiterInnen aus der notwendigen gezielten Lenkung von Freundschaft. - „Ist der Gruppengründer eine sehr dominante Person mit einer klaren Vorstellung über richtige Beziehungen zwischen Gleichberechtigten, kann es ihm mit der Zeit gelingen, dieses Modell gegenüber den anderen Mitgliedern durchzusetzen (Kets de Vries und Miller, 1984). Doch auch bei solch einem starken Gründer geht das Resultat letzten Endes auf die Verhandlungen zurück.“ (Schein, 1995, S. 83)
5.
- Jede Organisation entwickelt eigene Regelungen betreffend Sanktionen für das Befolgen beziehungsweise das Nichtbefolgen von Normen und Regeln. Wichtig dabei ist die organisationsweite Übereinstimmung darüber,
Kriterien für den Erwerb und die Vergabe von Belohnung und Bestrafung
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was als Belohnung und Bestrafung definiert wird sowie die Form ihrer Anwendung. - Belohnungen und Bestrafungen sind in jeder Organisation mit unterschiedlicher Bedeutung versehen. „In einigen Unternehmen der Hochtechnologiebranche gelten feste bekundete Werte, denen zufolge niemand entlassen werden darf. Die Mitarbeiter können nur den ihnen übertragenen Aufgabenbereich verlieren und ‚unnötig’ werden, bis sie im Unternehmen wieder eine Arbeit gefunden haben. Sie stehen auch weiterhin auf der Gehaltsliste, aber die Bestrafung selbst liegt offen zutage.“ (Schein, 1995, S: 86) - Die Entschlüsselung, was in der Organisation Bestrafung und was Belohnung ist, ist eine der schwierigsten Aufgaben für neu eingetretene MitarbeiterInnen, da die Zeichen aus Sicht von Außenstehende gewisse Ambivalenz aufweisen. „Die Standpauke vom Chef kann eine Belohnung, die Nichtbeachtung eine Bestrafung sein, und nur jemand, der mit der betreffenden Kultur schon mehr Erfahrungen gesammelt hat, könnte dem getadelten Neuling versichern, daß er gute Arbeit geleistet hat.“ (Schein, 1995, S. 86) 6. der „Erklärung“ des Unerklärlichen
- Jede Organisation sieht sich immer auch mit Problemen und Ereignissen konfrontiert, die außerhalb der Kontrolle der Organisation sind, unvorhersagbar und somit Angst erzeugend sind. - Aberglauben, Glaubensvorstellungen, aber auch Ideologien, die oftmals Mythen und Erzählungen von Heroen inkludieren, werden zur Erklärung des Unerklärbaren herangezogen. „Eine Ideologie läßt sich beschreiben als System übergreifender Werte, die besonders in schwer erklärlichen und steuerbaren Bereichen als Vorschriften für das Verhalten gegenüber andern Gruppen und dem allgemeinen Umfeld dienen.“ (Schein, 1995, S. 87) - Das organisationale Äquivalent dieser generellen kulturellen Prozesse tritt rund um kritische Ereignisse in der Geschichte der Organisation auf. Die Organisation entwickelt gleicherweise Geschichten aber auch Mythen darüber, wie derart kritische Ereignisse gemanagt wurden. - Die verwendeten Geschichten und Mythen reflektieren Ideale, Wünsche für die Zukunft sowie gegenwärtige Realitäten und fungieren in dieser Funktion als richtungsweisend und als Anreizsystem für die Organisationsmitglieder. Sie beinhalten oftmals Statements betreffend die Mission der Organisation, die Ziele und wie sie erreicht werden und wie die Beziehung zwischen den Mitgliedern gewünscht werden.
Tabelle 18: Interne Aufgaben von Organisationskultur (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Schein, 1991, S. 249; Schein, 2004, S. 111 ff.)
Die internen, integrativen Aufgaben der Organisation bilden neben den Grundannahmen zur Mission, den Organisationszielen, den Instrumenten zur Zielerreichung und den Korrekturmechanismen, ein System an Faktoren, die die Beschreibung von Kultur ermöglichen.343 Die daraus resultierenden Annahmen verfestigen sich in der Organisationskultur und helfen den Organisationsmitgliedern in der Orientierung und Reduktion von Komplexität. Schein (2004) zufolge, können Integrationsleistungen nicht erfüllt werden, solange die Organisationsmitglieder mit Problemen ihrer organisationalen Identität und ihrer Position beschäftigt sind. Herrscht eine Unsicherheit vor, die möglicherweise aus dem Nichtkennen von Normen und Regeln resultiert, erfolgt keinerlei Konzentration auf die wichtigen Adaptionsaufgaben der
343
Vgl. Schein, 1995, S. 89.
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Organisation. Andererseits entsteht in Organisationen oftmals erst in der Konfrontation mit externen Herausforderungen Konsens über die so wichtigen internen Aufgaben.344 Folglich sind die Aufgaben interner Integration und externer Adaption voneinander abhängig, wobei das Erreichen von Lösungen bei Problemen interner wie externer Aufgaben durch die Charakteristika der Organisation und ihrer Mitglieder begrenzt ist. Organisationskultur ist somit eine komplexe Folge von externem Druck, internem Potenzial, Reaktionen auf kritische Ereignisse und von unvorhersehbaren Ereignissen. In Kapitel 3 wurde die Bedeutung der GründerInnen im Rahmen der Entwicklung von Organisationskultur ausführlich dargestellt, auf diesen maßgeblichen Einfluss wird nun erneut hingewiesen. Es ist gerade dieses beschriebene Zusammenwirken an Faktoren, in dem der Rolle der GründerInnen erneut Bedeutung zukommt.345 Als ursprüngliche IdeengeberInnen oder Vorbilder organisationalen Verhaltens sind sie für die Entstehung von Normen, Regeln, Sprache und Systemadministration verantwortlich gewesen. Diese Aspekte entstehen weder aus dem Nichts heraus, noch ist die soziologische Erklärung hinreichend, sie ausschließlich als Resultat aus der Interaktion der Organisationsmitglieder zu sehen.346 In jeder Organisation, wie auch in jeder Gruppe wird es immer Mitglieder geben, die aktiver, verbal durchsetzungsfähiger, aber auch problemlösungsorientierter sind. Führungsverhalten existiert demnach immer in Organisationen unter anderem durch die Führungsrolle der GründerInnen.347 Genau hier setzt die Kritik am theoretischen Modell von Schein an. Organisationskultur wird im Wesentlichen unter Bezugnahme auf individuelle Konzepte (Überzeugungen, Werte und Einstellungen) erklärt.348 Dem Modell wird eine zu stark akteurzentrierte Sichtweise, in der Erklärung des Zusammenhangs zwischen Organisationskultur und Organisation durch die Beschränkung auf angeglichene individuelle Wahrnehmungs-, Interpretations- und Verhaltensmuster als zentrale Wirkmechanismen vorgeworfen.349 Die Forderung besteht, gegensätzliche Werthaltungen oder personenunabhängige Haltungen in die Theorie von Schein, aber auch in andere Konzepte (u.a. Kotter und Heskett, 1992; Chatman und Jehn, 1994) zu integrieren. Parallel dazu wird Scheins Modell gewürdigt, geht es doch in der Integration von Ansätzen und Ideen aus dem Metaphernansatz über das vage und oftmals pur managementgeleitete Verständnis von Organisationskultur hinaus.350 Die angesprochene akteurzentrierte Sichtwei-
344 345 346 347 348 349 350
Vgl. Schein, 2004, S. 133 ff. Vgl. Schein, 2004, S. 134 f. Vgl. Schein, 2004, S. 134 f. Vgl. Schein, 2004, S. 134 f. Vgl. Behrends, 2001, S. 39 ff. Vgl. Behrends, 2001, S. 39 ff. Vgl. Behrends, 2001, S. 39 ff.
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se des theoretischen Modells repräsentiert im Rahmen dieser Arbeit keine kritische Größe. Vielmehr ist in Klein- und Mittelunternehmen der Einfluss der Gründer-Innen auf die Organisationskultur, wie schon in Kapitel 3 erläutert, nicht nur vorhanden sondern auch in verstärktem Ausmaß existent. Durch die Definition von externen wie internen Aufgaben einer Organisation, wurde aufgezeigt, welches Spektrum an Herausforderungen sich für Organisationen und Organisationskultur ableitet. Gerade im Hinblick auf das eigene Forschungsvorhaben ist die vorliegende Differenzierung in interne und externe Aufgaben der Organisationskultur hilfreich, um die, im Bereich der Klein- und Mittelunternehmen anfallende Aufgaben, zu identifizieren. Zudem erscheint die Anbindung an das Modell von Denison (1990) als sehr geeignet, da auch dieser Forscher die Herausforderungen der Unternehmen und der Organisationskultur in einem Spektrum interner, externer, stabiler und flexibler Leistungen ansiedelt. Schein (1984) und Denison (1990) bilden dermaßen den geeigneten Rahmen, um die abhängige Variable Export Performance zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit nimmt demzufolge die Ebene der bekundeten Werte von Schein (1984) als Ausgangspunkt für die Operationalisierung des Konstruktes Organisationskultur durch das Modell von Denison (1990). 4.7 Konzeptualisierung und Operationalisierung von bekundeten Werten: Das Modell von Denison In diesem Abschnitt wird das Modell von Denison (1990) vorgestellt und beschrieben. Denison entwickelte in mehrjähriger Forschungsarbeit ein Konzept, das aufgrund seiner starken theoretischen Fundierung sowohl für die Konzeptualisierung als auch für die Operationalisierung von bekundeten Werten herangezogen wird.351 Das theoretische Modell von Schein (1985) hat viele ForscherInnen (u.a. Chatman und O’Reilly, Denison, Hatch, Martin, Meyerson) beeinflusst. Viele davon verwenden die Definition von Organisationskultur nach Schein, wenige haben sich allerdings mit den drei Ebenen der Organisationskultur intensiv auseinandergesetzt. Denison zufolge können Forschungsarbeiten, die die drei Ebenen von Organisationskultur ignorieren, zu keinen generalisierbaren Ergebnissen gelangen.352 Obschon die Bedeutung der Ebenen und hier insbesondere die zentrale Wichtigkeit von Werten und Einstellungen dargestellt wurde, ist diese Ausdifferenzierung empirisch vernachlässigt worden.353 Seriöse ForscherInnen (O’Reilly et al., 1991; Trompenaars, 1993) sind Denison (1996) zufolge jene, die sich vor Durchführung empirischer Untersuchungen die Frage stellen, welche kulturellen Phänomene erhoben werden können, die 351 352 353
Siehe dazu u.a. Denison 1995 und 1996. Vgl. Denison, 1996, S. 637 ff. Vgl. Denison, 1996, S. 637 ff.
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vergleichbar und generalisierbar sind.354 AutorInnen (O’Reilly et al., 1991; Trompenaars, 1993) derartiger Studien „…acknowledge the existence of the ‘levels of culture’ and the limitations of comparative research to truly understand the deeper levels of cultures such as assumptions and beliefs. However, each of these studies selects an ‘intermediate’ level of culture, such as values and cultural traits, about which to generalize. This approach does not deny the existence of either deeper level assumptions unique to a culture or the more surfacelevel practices, artifacts, and symbols that may have highly situational meaning. Instead, each of the studies has been focused on generalizing about cultures at an intermediate level of values or traits.” (Denison, 1996, S. 638) 4.7.1 Entstehung und Entwicklung des Modells Denisons Forschungsarbeit entsteht in Anlehnung an Schein (1985), konzentriert sich jedoch ausschließlich auf die Ebene der bekundeten Werte. Denison (2001) schreibt, dass in Anwendung des Konzepts von Schein eine starke Glorifizierung um die Ebene der Grundannahmen stattgefunden hat. Vergessen wurde dabei allerdings, in welchem Verhältnis diese Grundannahmen zu den darüber liegenden Ebenen des Kulturmodells stehen. Die Bedeutung der sichtbaren, teils bewussten, teils unbewussten, interpretationswürdigen Ebenen wurde so herabzuwürdigen versucht.355 Durch die Trivialisierung der Ebene der Artefakte wurden Untersuchungen im Hinblick auf Kommentare aus dem Kreis der OrganisationskulturforscherInnen bereits im Vorfeld unterlassen. Obwohl Denison diese Haltung kritisiert, gesteht er ein, dass eine Untersuchung auf der Ebene der Artefakte schwer durchführbar und von geringer Aussagekraft ist, zumal Artefakten und Symbolen – abhängig vom jeweiligen Kontext – unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben werden.356 Probleme bei der Durchführung von Studien auf der Ebene der Grundannahmen sind ebenfalls gegeben, wenn auch die Gründe dafür aus der Einmaligkeit dieser Annahmen resultieren. „…the basic assumptions that an organization’s members hold are often unique to the history and circumstances under which the organization developed.” (Denison, 2001, S. 351) Basierend auf Untersuchungen und Ergebnissen anderer ForscherInnen, fokussiert Denisons Modell der Organisationskultur auf die Ebene der bekundeten Werte oder organisationskulturbedingten Merkmale.357
354 355 356 357
Vgl. Denison, 1996, S. 637 ff. Vgl. Denison, 2001, S. 350. Vgl. Denison, 2001, S. 351. Denison beruft sich hier u. a. auf Arbeiten von O’Reilly, Chatman und Caldwell (1991).
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Der Entwicklung des Modells ging ein langer Untersuchungszeitraum voraus, indem qualitative und quantitative Methoden kombiniert wurden. Ausgangspunkt war eine Studie aus dem Jahr 1984358, in der Denison auf Basis der Forschungsarbeiten von Likert359 amerikanische Unternehmen betreffend ihre Performance untersuchte, die das Verhältnis vom Level des Involvements und der Performance der Organisation aufzeigte. Dieser starke Zusammenhang brachte die Frage auf, welche anderen organisationskulturbedingten Merkmale von Organisationen mit Performance oder auch Effektivität360 in Verbindung gebracht werden können. Zudem wurde gefragt, welche Prozesse die Charakteristika mit Effektivität verknüpfen und welche Aspekte organisationaler Effektivität beeinflusst würden.361 Um diese Fragen zu beantworten, wurden Ergebnisse der Studie aus dem Jahr 1984 für eine erste Clustereinteilung herangezogen. Repräsentative Unternehmensdaten wurden einem Quadranten zugeordnet (siehe Abbildung 9), um mittels Streudiagramm festzustellen, welcher Art der Zusammenhang zwischen Involvement und Performance war.
3.1
2.9 2.8
2.4
·
·
· · ·
·
2.7 Grad des Involvements 2.6 2.5
Medtronic
Procter & Gamble
3.0
People Express Detroit Edison ·
·· · · ··
·
· Texas Commerce Bancshares
2.3 2.2 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Perzentil Ranking der Industrien (ROA)
Abbildung 9: Firmenfallstudien (Quelle: in Anlehnung an Denison und Mishra, 1995, S. 207)
Wie aus Abbildung 9 ersichtlich, liegen drei der fünf Unternehmen auf einer Diagonale, demzufolge bestätigen sie die Involvement – Performance Ergebnisse. Während Medtronic ein 358 359
360
361
Vgl. Denison, 1984, S. 5 ff. Siehe dazu Likert, 1967. Am Institute for Social Research (ISR) begann 1966 ein Forschungsprogramm, in dem Unternehmen in einem longitudinalen Design befragt wurden. Denison (1997) zufolge ist Effektivität: „…a function of the values and beliefs held by the members of an organization. Specific values, or agreement on specific values, influence effectiveness. […] Effectiveness is a function of the policies and practices used by an organization. […] Effectiveness is a function of translating the core values and beliefs into policies and practices in a consistent manner. […] Effectiveness is a function of the interrelation of core values and beliefs, organizational policies and practices, and the business environment of the organization.” (Denison, 1997, S. 5 f.) Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 207.
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Unternehmen mit hohem Involvement und starker Performance ist, steht Detroit Edison für eine Organisation mit schwachem Involvement und schwacher finanzieller Performance, People Express befindet sich sowohl was das Involvement als auch die Performance angeht in der Mitte der Diagonale.362 Aus der Abbildung wird allerdings ebenso deutlich, dass zwei Unternehmen außerhalb des Zusammenhangs von Involvement und Performance liegen. Die Vermutung, dass bislang ungeahnte organisationskulturbedingte Merkmale (Denison nennt sie organizational culture traits)363 neben dem bekannten Involvement existieren lag nahe. „…these cases serve two purposes. First, they allow for a qualitative examination of the hypothesis that involvement is a cultural trait that has an impact on effectiveness. The diagonal cases support that notion and can be used to examine the underlying processes by which involvement is linked to performance. The off-diagonal cases […] are particularly likely to reveal additional cultural traits that may be linked to effectiveness.” (Denison und Mishra, 1995, S. 207) Diese Einteilung diente als Ausgangspunkt für die Untersuchung der ausgewählten Unternehmen, mit dem Ziel, mögliche andere kulturell bedingte Merkmale (=Traits)364 zu identifizieren. Im Rahmen der qualitativen Arbeit interviewte Denison zwischen 25 und 30 Personen pro Organisation, wobei darauf geachtet wurde, dass sowohl neu eingetretene als auch länger zugehörige Organisationsmitglieder befragt wurden. „The questions were informal, but in all cases focused on the in the interviewee’s identity and career history; the core values of the organization and its ‘uniqueness’, the power and prestige of different subgroups; the impact of the organizations’ history on its culture, and the interviewee’s perception of the linkage between the culture of the organization and its effectiveness over time.” (Denison und Mishra, 1995, S. 208) Beginnend mit offenen Fragen wurde im Verlauf des Interviews zu leitenden Fragen übergegangen, wobei die Interviewten zumeist ersucht wurden, Beobachtungen und Einstellungen anderer Mitglieder zu kommentieren. Nach etwa zehn Interviews pro Organisation kam es zu deckungsgleichen Aussagen und Redundanzen. Daraufhin wurden die bisher transkribierten Aussagen zur Bildung von neuen Fragen herangezogen, um zugleich breiteres und tieferes Verständnis zu generieren.365 Die aus dem iterativen Prozess entstandenen Fallstudien zeigten trotz ihrer Verschiedenheit gemeinsame Verhaltensmuster. Beide Organisationen (Procter und Gamble, Texas Commerce Shares), abseits der Diagonale (siehe Abbildung 9), kennzeichneten normative Integration und Konsistenz. Mit einer ähnlich niedrigen Ausprägung von Involvement agierte auch Detroit Edison. Durch massive Änderungen der Geschäftsumwelt hatte das Unternehmen seine Fähigkeit zur Adaption verloren. 362 363 364
365
Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 207. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 204. Die deutsche Übersetzung von cultural traits lautet organisationskulturbedingte Merkmale. Beide Begriffe werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 208.
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Dementsprechend herrschte große Unsicherheit betreffend den Charakter der Organisation. „Their low-involvement bureaucracy seemed to be an obstacle in the organization’s struggle to respond to fundamental environmental change. The stable internal core prescribed by their history limited Edison’s ability to adapt.” (Denison und Mishra, 1995, S. 213) Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung identifizierten zudem Unternehmen, deren Effektivität auf die Unternehmensmission zurückgeführt wurde.366 Diese Beobachtungen bestätigten die Vermutung, dass neben Involvement andere kulturelle Merkmale in Organisationen existieren, die ihrerseits die Performance beeinflussen. Die Entwicklung des Modells, das in Abschnitt 4.7.2 vorgestellt wird, war die Konsequenz dieser Vermutungen. 4.7.2 Organisationskulturbedingte Merkmale – The Four Cultural Traits Denison entwickelte das Model of organizational culture dessen vier kulturelle Merkmale auf der Fallstudienarbeit und einer darauf folgenden Hypothesenentwicklung ansetzten. Abbildung 10 zeigt die vier organisationskulturbedingten Merkmale nach Denison, auf deren Basis er später gemeinsam mit Neale ein Diagnoseinstrument entwickelte.367
Externe Orientierung
Adaptability
Mission
Interne Integration
Involvement
Consistency
Change und Flexibilität
Stabilität und Führung
Abbildung 10: Model of Cultural Traits (Quelle: in Anlehnung an Denison und Mishra, 1995, S. 216)
Im Folgenden werden die einzelnen Traits definiert und beschrieben (siehe Tabelle 19). Im Anschluss an Tabelle 19 wird ausführlich auf die einzelnen Traits eingegangen.
366 367
Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 213 ff. Vgl. Denison und Neale, 1996. Näheres zur Gestaltung des Diagnoseinstruments in Kapitel 5 (siehe S. 121 ff.).
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Trait
Definition
Adaptability
- Adaptive Organisationen agieren nahe an den KundInnen und orientieren sich an deren Bedürfnissen. - Dabei versuchen sie, die KundInnen zu verstehen und über schnelle Reaktionen deren Wünsche und Anregungen zu antizipieren. Die KundInnen zufrieden zu stellen ist ein unternehmensweites Anliegen. Dabei wird auf Seiten der Organisationen darauf geachtet, durch permanente Verbesserung für die KundInnen Wert zu generieren. - Die Organisationen agieren demzufolge mit Risiko, lernen von gemachten Fehlern und haben sowohl die Fähigkeit als auch die Erfahrung, Änderungen herbeizuführen. - Sich ändernden Bedürfnissen wird adaptiv begegnet. Die Geschäftsumwelt wird analysiert, auf aktuelle Trends wird schnell reagiert und somit die Zukunft vorweggenommen. - Die Organisationen empfangen, übersetzen und interpretieren Signale aus der Umwelt in Möglichkeiten, Innovationen zu fördern, Wissen zu erlangen und Fähigkeiten zu entwickeln.
Mission
- Erfolgreiche Organisationen zeichnen sich durch eine(n) klare(n) und eindeutige(n) Unternehmenszweck und -richtung aus, die sowohl die Organisationsziele als auch die Strategie bestimmt. - Klare strategische Vorhaben tragen dabei den Unternehmenszweck durch die Organisationen und vermitteln so den Mitgliedern, wie jede(r) Einzelne zum Erreichen der Ziele beitragen kann. - Die damit verbundene Vision gibt den MitarbeiterInnen eine Information darüber, wie die Organisation in der Zukunft aussehen soll. Die Vision verkörpert die Grundwerte der Organisation, sie vereinigt die Gefühle und Gedanken der Organisationsmitglieder, während sie Richtlinien und Hilfestellung anbietet. - Die Vision ist keine Idee des Managements. Sie symbolisiert eine Kraft im Herzen der angestellten MitarbeiterInnen, eine Kraft von eindrucksvoller Mächtigkeit. - Obschon die Vision von einer Idee inspiriert ist, ist sie nach geglückter Weitergabe an die MitarbeiterInnen nicht länger abstrakt. Sie wird verinnerlicht und gelebt. - Änderungen der zugrunde liegenden Mission, erfordern entsprechende Änderungen der Strategie und Struktur der Organisationen, ebenso wie Verhaltensadaptionen. Gerade in diesem Zusammenhang wird die bedeutende Rolle der Vision offensichtlich, die in derartig wechselhaften Zeiten, bei den MitarbeiterInnen für die notwendige Kraft und Energie sorgt.
Consistency
- Effektive Organisationen zeichnen sich durch Konsistenz und Integration aus. - Das Verhalten der Organisationsmitglieder ist in einem Set von Unternehmenswerten verwurzelt, die eine gemeinsame Identität schaffen und Erwartungen definieren. - Das Management und die MitarbeiterInnen haben die Fähigkeit erlernt, Einvernehmen selbst bei unterschiedlichen Standpunkten herzustellen. - Selbst bei kritischen Themen oder Aspekten organisationalen Lebens wird versucht Einigkeit zu erzielen. Erreicht wird das unter anderem durch die Verankerung eines gemeinsamen Grundverständnisses und der Fähigkeit unterschiedliche Interessen abzugleichen. - Hoch konsistente Organisationen zeichnen sich durch eine stabile Organisationskultur aus, die die Mitglieder maßgeblich beeinflusst. Die Konsistenz stellt dabei eine wichtige Quelle interner Stabilität und Integration dar, deren Basis eine gemeinsame Denkhaltung und ein hohes Maß an Konformität ist. - Abteilungsgrenzen repräsentieren für die organisationsweite Zusammenarbeit kein Hindernis, sämtliche Aktivitäten sind koordiniert.
Involvement
- Effektive Organisationen befähigen (empowern) ihre MitarbeiterInnen, wobei versucht wird, eine Organisationsstruktur zu etablieren, die Teamarbeit ermöglicht. - Empowerment bedeutet in diesem Modell, dass die Mitglieder die Autorität besitzen, eigenständig und aktiv an ihren Projekten zu arbeiten. In weiterer Folge fördert diese Praxis ein Gefühl der Miteigentümerschaft und Verantwortung gegenüber dem Unternehmen.
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- Durch die Team-Orientierung wird bewusst Wert auf ein kooperatives Arbeiten an unternehmensweiten Zielen gelegt. - Eine kontinuierliche Potenzialentwicklung erreicht ein hohes Commitment der Organisationsmitglieder hinsichtlich ihrer Arbeit. Die Mitglieder arbeiten für „ihre“ Organisation und verhalten sich dementsprechend. - Ein weiterer Grund auf eine aktive Potenzialentwicklung zu setzen, liegt im Bestreben der Organisation MitarbeiterInnen zu beschäftigen, die den Markterfordernissen (geforderte Kompetenzen, Qualifikation, Ausbildung) entsprechen und somit wettbewerbsfähig zu bleiben. - Auf allen Ebenen der Organisation haben die MitarbeiterInnen das Gefühl, Entscheidungen aktiv mit beeinflussen zu können und durch ihre Arbeit Anteil am Erfolg der Unternehmung zu haben beziehungsweise durch ihre Arbeit zu den Organisationszielen beizutragen.
Tabelle 19: Die vier organisationskulturbedingten Merkmale (Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Denison, 2001, S. 354 ff.; Fey und Denison, 2003, S. 688)
Dabei wird ersichtlich, dass Adaptability, Mission, Consistency und Involvement bekundete organisationale Werte symbolisieren, die neben ihrem Nutzen stiftenden Charakter für die Organisationsmitglieder Bedeutung für das Unternehmen selbst haben. Um in Abschnitt 5.2 die Hypothesen schlüssig herzuleiten, werden in folgenden Abschnitten die vier Traits umfassend dargestellt. 4.7.3 Charakteristika der Adaptability Adaptability symbolisiert die Auseinandersetzung der Organisationen mit der Umwelt. „Adaptability acknowledges Schein’s idea of an organisations’ struggle Team Orientation continually balance internal identity with external events and impetus for change.” (Denison, 2004, S. 65) Wie können vom Unternehmen auf Basis externer Veränderungen interne Veränderungen vorgenommen werden?368 Ausgangspunkt für diese Vermutung ist das Normenund Wertegefüge der Organisation: „…that can support the capacity of an organization to receive, interpret, and translate signals from its environment into internal behavioral changes that increase its chances for survival, growth, and development.” (Denison, 1997, S. 11) Dem Zitat folgend sind adaptive Organisationen in der Lage, Änderungen aus sich heraus herbeizuführen, während weniger adaptive unverändert verharren, es sei denn, fundamentale Änderungen in der Umwelt erzwingen Handlungsbedarf.369 Ein hohes Ausmaß an Adaptability in Organisationen sorgt für Vertrauen, eine proaktive Einstellung zum Unternehmen aber auch zum eigenen Leben. Die Organisationsmitglieder unterstützen einander in der Identifikation von Problemen und der Erarbeitung von praktikablen Lösungen.370 Das Vertrauen in die Organisation ist in den Mitgliedern verankert. „… the members believe, without a doubt, that they can effectively manage whatever it takes to achieve organizational success. The members are receptive to change and innovation.” (Kil-
368 369 370
Vgl. Denison, 1997, S. 11 ff. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 215. Vgl. Kilmann, 1990, S. 356.
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mann, 1990, S. 356) Diese positive Wirkung von Adaptability auf Innovation und Veränderungsfähigkeit in Organisationen wurde schon von Kanter (1983) erkannt.371 Beispielhaft für ein hoch adaptives Unternehmen sei 3M genannt. Bewusster als die meisten anderen Organisationen wurde/wird eine Organisationskultur gefördert, die auf ständig wechselnde Bedingungen in der Umwelt flexibel reagiert.372 Ein Ziel des Managements ist es dabei, einen bestimmten Anteil der generierten Erlöse aus der Entwicklung neuer Produkte zu generieren. Es existiert die kulturelle Norm, neue Produktentwicklungen voranzutreiben und diese Initiativen finanziell zu unterstützen. Ob derartige Entwicklungen auf der operativen Ebene, im mittleren Management oder in der F&E Abteilung stattfinden, spielt keine Rolle. Die Organisation ist stolz darauf, neue Ideen offen zu evaluieren und nimmt im Zuge dieses Prozesses Risiken auf sich, kreiert jedoch durch diese Handlungsweise viele wichtige Geschäftsideen und Produkte.373 Um derartige Chancen (Entwicklung neuer Geschäftsideen oder Produkte) optimal nutzen zu können ist neben der Fähigkeit, Veränderungen herbeizuführen, KundInnenorientierung notwendig. Calori und Sarnin (1991) schreiben, dass in hoch adaptiven Organisationen die Erfüllung von KundInnenwünschen an erster Stelle steht. Dabei werden wie beschrieben, neue Ideen generiert und ausprobiert, unter anderem um marktgerecht zu agieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.374 Die Betonung der KundInnen unterstellt einer Organisationskultur die hohe Wertschätzung derselben, impliziert in weiterer Folge ständige Veränderung, um diese zufrieden zu stellen und sorgt so für eine hohe Adaptability.375 Hinter dieser Fokussierung auf den Kundenkreis verbirgt sich die implizite Logik, dass nur bei Berücksichtigung der Interessen der AnteilseignerInnen am Markt erfolgreich gewirtschaftet werden kann. In konkurrenzbetonten Branchen ist das in weiterer Folge die einzige Möglichkeit des Managements, die KundInnen wichtig zu nehmen und für sie zu sorgen. Und schließlich am harten Arbeitsmarkt jenen eine Perspektive zu geben, die den KundInnen dienen – den MitarbeiterInnen.376 Zusammengefasst bedeutet das, dass die Umwelt den KundInnenkreis der Organisation versinnbildlicht und das Management die Adaptability in Bezug auf diesen erhalten muss. „In the firms with more adaptive cultures, the cultural ideal is that managers throughout the hierarchy should provide leadership to initiate change in strategies and tactics whenever necessary to satisfy the legitimate interests of not just stockholders, or customers, or employees, but all three.” (Kotter und Heskett, 1992, S. 50 f.) Dem Argument folgend ist es eine Aufgabe des Managements, Änderungen im Hinblick auf die Interessensgruppen der Organisation her371 372 373 374 375 376
Vgl. Kanter, 1983, S. 149 ff. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 45. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 45. Vgl. Calori und Sarnin, 1991, S. 49 ff.; Denison und Mishra, 1995, S. 215. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 46. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 46.
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beizuführen, selbst wenn damit Risiken verbunden sind. Durch die Beachtung der KundInnen, aber auch der MitarbeiterInnen, ist das Management in der Lage, selbst kaum merkbare Veränderungen zu orten und ihnen die notwendige Wichtigkeit beizumessen. Ändert sich beispielsweise das Verhalten der Konkurrenz am Markt oder entsteht ein neuer Trend, sind hoch adaptive Organisationen schnell bereit, sich den neuen Herausforderungen zu stellen.377 Dieses Verhalten begünstigt exzellente finanzielle Performance auf lange Sicht. 4.7.4 Charakteristika der Mission „Jede neue Organisation muß ein gemeinsam getragenes Konzept zur Frage ihres Überlebens entwickeln. Daraus leitet sie in aller Regel das grundlegende Verständnis ihrer Kernmission ab, ihrer Hauptaufgabe oder ihrer Existenzberechtigung ab.“ (Schein, 1995, S. 64) Die Mission einer Organisation wird als essentiell wichtig angenommen. „Die Mission des Unternehmens als System von Überzeugungen zu seiner wesentlichen Kompetenz und grundlegenden Funktion in der Gesellschaft ist im allgemeinen ein Rückschluß aus diesem Gleichgewicht [die Bedürfnisse der Interessengruppen im Gleichgewicht zu halten, Anmerkung der Autorin].“ (Schein, 1995, S. 64) Von einer Mission wird in einem weiteren Sinne dann gesprochen, wenn eine Konzentration auf Ziele erfolgt, die nicht ausschließlich gewinnorientiert sind – beispielsweise wenn Anteile des Gewinns für wohltätige Zweckes ausgegeben werden.378 Auch in diesem Abschnitt veranschaulicht ein Beispiel das organisationskulturelle Trait. Auf die Frage nach dem wichtigsten Anliegen in seiner beruflichen Arbeit antwortete Norman Augustine von Lockheed Martin379: „Streng genommen müsste die Antwort wohl lauten: Was ich versucht habe zu erreichen, war die Steigerung des Shareholder Value. In Wirklichkeit habe ich allerdings versucht, das größte Raumfahrtsunternehmen der Welt aufzubauen. Und ich dachte mir, wenn wir das schaffen könnten, dann würde das wohl den Shareholder Value steigern. Persönlich bin ich allerdings der Meinung, dass man ein erhabeneres Ziel haben muss, um Geld zu verdienen.“ Von einem gegenwärtigen Benchmark, der eigenen Person und Interessen abzurücken, hin in Richtung eines erstrebenswerten, möglicherweise in der Zukunft liegenden Ziels steht hier für die Mission einer Organisation.380 Die bereits angesprochene strategische Richtung der Organisation ist dabei von großer Relevanz, soll sie doch für Struktur und Klarheit sorgen sowie den Organisationsmitgliedern aufzeigen, wie sie zum Erreichen der Ziele beitragen können. Hamel und Prahalad (1989) schreiben in diesem Zusammenhang, dass Organisationen bereits an der Definition einer eigenen strategischen Linie oder Richtung scheitern können. Gründe dafür liegen beispielsweise in der Formulierung von Strategien, die in keinem Verhältnis zu den Ressourcen und Fähigkeiten
377 378 379 380
Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 53 ff. Vgl. Csikszentmihaly, 2004, S. 201 f. Vgl. Csikszentmihaly, 2004, S. 201 f. Vgl. Csikszentmihaly, 2004, S. 201 f.
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stehen.381 Strategic intent, wie Hamel und Prahalad (1989) die strategische Ausrichtung von Organisationen nennen, ist wichtiger Bestandteil des Traits Mission. Vielfach wird unter dem Terminus eine Wunschvorstellung ohne jeden Gehalt verstanden. Als Beispiel nennen die Autoren den unrealistischer Wunsch nach Marktführerschaft, den zwar eine ambitiöse Strategie begleitet, die dafür notwendigen Ziele jedoch massiv abweichen.382 Wünschenswert wäre hingegen, die strategische Ausrichtung als Konzept zu definieren, dass „… encompasses an active management process that includes: focusing the organization’s attention on the essence of winning; motivating people by communicating the target383; leaving room for individual and team contributions; sustaining enthusiasm by providing new operational definitions as circumstances change and using intent consistently to guide resource allocations.” (Hamel und Prahalad, 1989, S. 64) Häufig jedoch enthalten strategische Pläne des Managements weniger die Chancen und Möglichkeiten, die es in der nächsten Geschäftsperiode zu erarbeiten gilt, als vielmehr aktuelle Probleme der Organisation. Ein derartiges Problem ist beispielsweise das Auseinanderklaffen von vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen der Gegenwart mit denen in Zukunft notwendigen.384 Im Blickpunkt der Analyse liegt der Fit zwischen vorhandenen Ressourcen und gegenwärtigen Chancen, bei strategischer Ausrichtung läge die Herausforderung darin, bereits zum aktuellen Zeitpunkt Vorteile für die Zukunft zu generieren. Durch Schaffung eines Gefühls von Dringlichkeit, einer Wettbewerbsorientierung in der gesamten Organisation, sowie der Entwicklung von relevanten Fähigkeiten soll die Mission der Organisation verdeutlicht werden. Um Strategien implementieren zu können, bedarf es Zeit. Auch Organisationen brauchen Pausen, um vergangene Herausforderungen zu „verdauen“, bevor nächste Aufgaben anstehen.385 Mittels Formulierung und Festlegung von Meilensteinen wird Zeit zur Reflexion gegeben und die Identifikation der impliziten wie expliziten laufenden Strategie verfolgt. Nach dem Erreichen organisationaler Ziele, muss den MitarbeiterInnen und dem Unternehmen Zeit gegeben werden, diese kurzfristigen Ergebnisse und Erfolge zu feiern.386 Zur Bedeutung derartiger kurzfristiger Erfolge schreibt Kotter (1997): - Sie liefern den Beweis dafür, daß der Verzicht sich lohnt: Erfolge rechtfertigen in erheblichen Maße die mit dem Wandel verbundenen kurzfristig anfallenden Kosten.
381 382 383
384 385 386
Vgl. Hamel und Prahalad, 1989, S. 64. Vgl. Hamel und Prahalad, 1989, S. 64. Das im Zitat angesprochene Kommunizieren der Ziele, wird im Rahmen dieser Arbeit als Vision definiert und zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt. Vgl. Hamel und Prahalad, 1989, S. 67. Vgl. Hamel und Prahalad, 1989, S. 67 f. Vgl. Kotter, 1997, S. 168.
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Sie belohnen die Vermittler des Wandels mit Anerkennung: Nach vielen Mühen und harter Arbeit baut positives Feedback Moral und Motivation auf. - Sie unterstützen die Feinabstimmung von Vision und Strategien: Kurzfristige Erfolge vermitteln der Führungskoalition konkrete Daten über die Durchsetzbarkeit ihrer Vorstellungen. - Sie schalten Zyniker und eigennützige Gegner aus: Eindeutige Leistungsverbesserungen machen es für Menschen schwierig, den erforderlichen Wandel zu blockieren. - Sie sichern die Unterstützung durch die Chefs: Sie liefern den höheren Hierarchieebenen den Beweis dafür, daß die Transformation planmäßig abläuft. - Sie erzeugen Impulse: Sie verwandeln Neutrale in Befürworter, Widerwillige in Tatkräftige. (Kotter, 1997, S. 169) Das Sichtbarmachen kurzfristiger Erfolge durch das Management, fördern die notwendigen Impulse in der Organisation, da die Implementierung neuer Strategien vieles an Energie erfordert.387 Porter (1998) argumentiert, dass mit der Identifikation der Strategie die impliziten Annahmen des zugrunde liegenden Werts Mission angesprochen werden. „Given the premise that managers honestly try to optimize the performance of their businesses, the current strategy being followed by a business must reflect assumptions management is making about its industry and the business’s relative position in the industry. Understanding and addressing these implicit assumptions can be crucial to giving strategic advice. Usually, a great deal of convincing data and support must be mustered to change these assumptions, and this is where much if not attention needs to be focused. The sheer logic of strategic choice is not enough; it will not be convincing if it ignores management’s assumptions.” (Porter, 1998, S. xviii) Die Formulierung einer Strategie im Rahmen der Mission beinhaltet zudem die Festlegung von organisationalen Zielen (siehe dazu Abschnitt 2.3.1: Unternehmensziele); die Ziele sind so zu formulieren, dass sie die gemeinsamen Ziele aller Organisationsmitglieder darstellen und extern beispielsweise durch objektive Erfolgskriterien verankert werden.388 Dabei ist darauf zu achten, ob die Ziele gleichzeitig erreicht werden können, die Ziele von den HauptakteurInnen oder ausführenden Kräften gut verstanden werden und ob ausreichend Übereinstimmung zwischen den Zielen der Organisation, der Politik und den Werten der hauptverant-
387 388
Vgl. Kotter, 1997, S. 169. Vgl. Denison, 1997, S. 13 f.
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wortlichen Ausführenden vorhanden ist, um organisationales Commitment zu sichern.389 In der strategischen Ausrichtung der Organisation und den Zielen drückt sich zudem die Vision darüber aus, wie sich die Organisation aktuell definiert und wie sie sich in der Zukunft sieht. „…, the guiding coalition develops a picture of the future that is relatively easy to communicate and appeals to customers, stockholders, and employees. A vision always goes beyond the numbers that are typically found in five-year plans. A vision says something that helps clarify the direction in which an organization needs to move.” (Kotter, 1995, S. 63) Denison (2001) fasst die Vision der Organisation als Verkörperung der wichtigsten vorhandenen Werte und als emotionale und gedankliche Verbindung der Organisationsmitglieder im Sinne einer Richtlinie auf.390 „Eine Vision besitzt eine Kraft, ein Bild der Zukunft mit einer deutlichen oder subtilen Botschaft zu verknüpfen, warum Menschen sich um die Gestaltung dieser Zukunft bemühen sollten. Eine plausible Vision dient drei Zwecken. Zum einen stellt sie die generelle Richtung des Wandels dar, und indem sie etwas unternehmensspezifisch Vergleichbares wie das folgende vermittelt: ‚In wenigen Jahren müssen wir uns südlicher von dem Punkt befinden, an dem wir jetzt stehen’, vereinfacht sie Abertausende von detaillierteren Entscheidungen. Zweitens motiviert sie die Menschen dazu, Schritte in die richtige Richtung zu tun, auch wenn die ersten für jeden schmerzvoll sind. Drittens hilft sie dabei, die Handlungen Tausender unterschiedlicher Menschen bemerkenswert schnell und effizient zu koordinieren.“ (Kotter, 1997, S. 99) Eine gemeinsame Vision zu entwickeln, ist herausfordernd und komplex. Der Vision als ein Element in der Wechselbeziehung zwischen Strategien, Plänen und Budgets kommen nach Kotter (1997) sechs Eigenschaften zu.391 - Vorstellbar: Die Vision vermittelt ein Bild von der Zukunft - Wünschenswert: Die Vision berücksichtigt die langfristigen Interessen der MitarbeiterInnen, der KundInnen sowie all deren, die am Leistungsprozess beteiligt sind. - Fassbar: Die Vision beschreibt und umfasst realistische, erreichbare Ziele. - Fokussiert: Die Vision ist deutlich und konkret genug formuliert, um bei der organisationalen Entscheidungsfindung Hilfestellungen zu bieten. - Flexibel: Die Vision ist dennoch so allgemein formuliert, um bei Veränderungen in den Bedingungen, individuelle Initiativen und alternative Reaktionen zu ermöglichen.
389
390 391
Vgl. Porter, 1998, S. xviii f. An dieser Stelle sei erneut auf die Definition von Organisationszielen verwiesen: Unter Rückbezug auf die bisherigen Ausführungen werden Organisationsziele zusammenfassend definiert als „(1) jene Entscheidungen über Entscheidungsprämissen, (2) die in der Organisation qua Mitgliedschaft getroffen werden, (3) die auf kognitive Erwartungen reagieren, denen (4) von der Organisation Konstanz zugeschrieben werden und (5) die in Differenz zur gegenwärtigen Zukunft getroffen werden.“ (Meyer, 1993, S. 108). Ziele sind nicht per se, sondern werden von der Organisation konstruiert.389 Vgl. Denison, 2001, S. 356 f. Vgl. Kotter, 1997, S. 103.
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Kommunizierbar: Die Vision ist einfach zu kommunizieren und kann in kurzer Zeit den MitarbeiterInnen erklärt werden.392 Von einer persönlichen Vision hin zu den Leitgedanken, die die Mission der Organisation unterstützen, bedarf es des Engagements der MitarbeiterInnen, aber auch gemeinsam geteilter Grundwerte.393 Organisationale Visionen haben nur dann „Macht“, wenn sie aus einem tiefen gemeinsamen Interesse resultieren. Durch Teilen einer gemeinsamen Vision, entsteht eine Verbundenheit der Organisationsmitglieder untereinander, die in der Folge für ein gemeinsames Ziel sorgt.394 Dieses Ziel wird durch eine Vision insbesondere dann erreicht, wenn mit ihr vermittelt wird, warum die Arbeit der Mitglieder relevant ist, dass ein höherer Zweck präsent ist, und der Vision eine Kraft innewohnt, die motiviert. Die Vision hilft, Ziele möglichst gut zu erreichen, sie existiert nicht nur für die, die sie geschaffen haben sondern für alle MitarbeiterInnen und verfolgt eine Aufgabe, die über sie selbst hinausgeht.395 Csikszentmihaly (2004) ergänzt, dass durch das Vorhandensein einer Vision nicht automatisch dem höheren Ziel gedient wird. Es muss für die MitarbeiterInnen wert sein, sich unabhängig von Belohnungen der gemeinsamen Sache zu verpflichten.396 Senge (2001) zufolge ist es für Organisationen vor Entwicklung einer gemeinsamen Vision ungemein wichtig, die MitarbeiterInnen in der Entwicklung ihrer eigenen, persönlichen Visionen zu unterstützen. Eine Maßnahme zur Förderung dieser individuellen Visionen sind die Erzählungen des Managements, die Vermittlung der Managementvisionen als Inspiration, über eigene Visionen nachzudenken oder auch zu sprechen.397 „Die Disziplin vom Aufbau gemeinsamer Visionen beginnt mit dem Abschied von der traditionellen Vorstellung, dass Visionen immer ‚von oben’ verkündet werden oder aus dem institutionalisierten Planungsprozess einer Organisation hervorgehen.“ (Senge, 2001, S. 260) Die Implementierung einer gemeinsamen Vision erfordert Zeit und die Möglichkeit zur parallelen Existenz mehrerer Visionen, um nach ersten Erfahrungen zu entscheiden, welche die passende ist. Erst durch die Reflexion der vorhandenen Visionen wird in einigen Organisationen offen gelegt, wohin sie sich entwickeln beziehungsweise welche Ziele in der Zukunft angestrebt werden.398 Kotter (1993) schreibt, dass Führungskräfte, die an einer gemeinsamen Vision interessiert sind und wissen, dass nur so der Weg hin zum unternehmensweiten Commitment realisiert werden kann, die Vision und die damit verbundenen Strategien kommunizieren. „They use every opportunity to repeat key messages, making their communication simple und easy to understand. They allow people to challenge the messages, thereby establishing healthy dialogue to replace static, one-way monologue. And they keep their own ac-
392 393 394 395 396 397 398
Vgl. Kotter, 1997, S. 103. Vgl. Senge, 2001, S. 273 f. Vgl. Senge, 2001, S. 252. Vgl. Csikszentmihaly, 2004, S. 207 f. Vgl. Csikszentmihaly, 2004, S. 207 f. Vgl. Senge, 2001, S. 258 f. Vgl. Senge, 2001, S. 279.
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tions consistent with the communication to bolster the message’s credibility.” (Kotter, 1993, S. 13) Kotter (1997) fasst die wesentlichen Elemente einer „erfolgreichen“ Vision treffend zusammen. Leicht fassbar, flexibel, die Wünsche des Managements und der MitarbeiterInnen in sich vereinigend, und im Unternehmen leicht zu kommunizieren, kommt der Vision Kraft und Gültigkeit zu. Er schreibt weiter, dass eine wirkungslose, weil ineffektive Vision der Organisation mehr schadet, als gar keine Vision.399 Das Verfolgen einer schlecht entwickelten, unausgereiften Vision, kann dazu beitragen, dass die MitarbeiterInnen den Boden verlieren. „Pursuit of a poorly developed vision can sometimes send people off a cliff. And lip service without commitment creates a dangerous illusion.” (Kotter, 1997, S. 16) Meinem Erachten nach ist es daher insbesondere wichtig, die MitarbeiterInnen in den Prozess der Visionsfindung einzubinden, sich mit ihnen auszutauschen und ihre Anmerkungen ernst zu nehmen. Dermaßen entsteht ein größeres Commitment in der gesamten Organisation, die Vision zu tragen, die Relevanz der Vision im Rahmen der organisationalen Zielerreichung steigt. 4.7.5 Charakteristika der Consistency Derartige Organisationen zeichnen sich durch starke gemeinsame Werte, Konsensfähigkeit und Einigkeit, sowie durch den Wunsch nach Koordination und Integration aus. Beispielsweise vermittelt IBM seit den 1930-er Jahren der Umwelt die gleichen Unternehmenswerte. Der würdevolle Umgang in gegenseitigem Respekt und eine hohe Kundenorientierung werden als zentrale Werte definiert, nach denen konsequent gelebt wird.400 Um diesen Werten einen zentralen Stellenwert einzuräumen, bedarf es einer erfolgreichen Verankerung in der Organisation. Weick (1987) schreibt über diesen komplexen Prozess. „Before you can decentralize, you first have to centralize so that people are socialized to use similar decision premises and assumptions so that when they operate their own units, those decentralized operations are equivalent and coordinated. This is precisely what culture does. It creates a homogeneous set of assumptions and decision premises which, when they are invoked on a local and decentralized basis, preserve coordination and centralization. Most important, when centralization occurs via decision premises and assumptions, compliance occurs without surveillance. This is in sharp contrast to centralization by rules and regulations or centralization by standardization and hierarchy, both of which require high surveillance […]… that whenever you have what appears to be successful decentralization, if you look more closely, you will discover that it was always preceded by a period of intense centralization where a set of core values were hammered out and socialized into people before the people were turned loose to go their own ‘independent’, ‘autonomous’ ways.” (Weick, 1987, S. 124) 399 400
Vgl. Kotter, 1997, S. 16. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 15.
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Diesem Prozess ohne Abweichungen zu folgen, birgt für Organisationen mit hoher Consistency allerdings die Gefahr, dass aufgrund der hohen Beständigkeit des Systems, keinerlei Adaptionen vorgenommen werden.401 Die Organisationskultur droht zu versteinern und die Reflexion über interne Abläufe ist aufgrund der starken Werte nicht mehr möglich. Kotter und Heskett (1992) sprechen in diesem Zusammenhang von einem cultural drummer, der die Mitglieder der Organisation in ihren Handlungen dirigiert und ihnen mittels der Partitur in Form der starken gemeinsamen Werte den Takt vorgibt.402 Das Management wird somit zum Agent der Sozialisation (siehe Abschnitt 4.2.3: Konsequenzen von Organisationskultur). Es entwickelt das gemeinsame Set an Normen und Werten, entscheidet darüber, welche Richtung eingeschlagen wird und welche Verhaltensweisen toleriert beziehungsweise weniger toleriert werden.403 Denison und Mishra (1995) schreiben davon, dass social reality vom Management vordefiniert wird.404 „Thus, the concept underlying second hypothesis is that an implicit control system, based upon internalized values, can be more effective means of achieving coordination and integrations …” (Denison und Mishra, 1995, S. 215) Ein hohes Maß an Innensteuerung ist demnach zur Erreichung von Koordination und Integration probat – Kasper (1995) schreibt hier auch von der Innensteuerung als quasi „Autopilot“ der Organisation.405 Die zuvor genannte Rolle des cultural drummers birgt neben ihrer Agentenfunktion Gefahrenpotenzial. Abgesehen davon wie erfolgversprechend die Organisation und ihre Mitglieder dirigiert werden, ist selbst bei geglückter Aufgabe darauf zu achten, welche Entwicklungen diese Führung nimmt.406 Ist der eingeschlagene und vordefinierte Weg der richtige? Schon Peters und Waterman (1982) haben die negativen Auswirkungen dieser Vorgehensweise auf den Punkt gebracht: „The brainwashed members of an extremist political sect are no more conformist in their central beliefs than are people in some of their ‘excellent’ companies.” (Peters und Waterman, 1982, S. 103) VerfechterInnen hoher Consistency halten die Vorteile, wie das starke gemeinsame Auftreten der Organisation, dem beschriebenen Risiko entgegen und vermuten durch diese Geschlossenheit eine bessere Performance.407 „Many executives believe that strong corporate cultures create excellent performance because well-coordinated managers march energetically in the same direction. Such alignment, motivation organization, and control can help performance, but only if the resulting actions fit an intelligent strategy for the business.” (Kotter, 1993, S. 12)
401
402 403 404 405 406 407
Dieses Argument zeigt die teilweise inhaltliche Nähe der Konstrukte Adaptability und Consistency auf. Das Spannungsfeld zwischen externer Orientierung und interner Stabilität wird hier offensichtlich und erschwert die eindeutige Abgrenzung. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 16. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 214 f. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 214 f. Vgl. Kasper, 1995, S. 193 f. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 18 Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 18; Denison und Mishra, 1995, S. 215.
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Zuverlässigkeit und Beständigkeit hoch konsistenter Unternehmen „führen“ die beschäftigten MitarbeiterInnen im Sinne des angesprochenen Autopiloten Organisationskultur und bieten Orientierung. Durch das Zurückgreifen auf bewährte Handlungsweisen und ihrer Weitergabe an neu eingetretene Mitglieder geraten Organisationen allerdings in Stillstand. Die der Consistency innewohnende Dynamik, die maßgeblich am Output „Hohe Konsistenz“ beteiligt ist, wird ignoriert. „Reliability is both dynamic and invisible, and this creates problems. …Reliability is also invisible in the sense that reliable outcomes are constant, which means there is nothing to pay attention to. Operators see nothing and seeing nothing, presume that nothing is happening. If nothing is happening and if they continue to act the way they have been, nothing will continue to happen. This diagnosis is deceptive and misleading because dynamic inputs create stable outcomes.” (Weick, 1987, S. 118) Durch den permanenten Rückgriff auf einmal bewährte Strategien, Handlungsweisen und Lösungswege wird neuen Perspektiven wenig Platz eingeräumt. Sind diese Verhaltensweisen mittels Werteweitergabe sowie Koordination und Integration auf allen Ebenen der Organisation internalisiert, wird die kontinuierliche Weiterentwicklung der einst erarbeiteten Lösungen beziehungsweise Neuentwicklungen vernachlässigt. Aber erst durch die kontinuierliche Arbeit an diesen bekannten Lösungen wird für die Mitglieder der Organisation Consistency realisiert. „When stories cannot be invented, troubleshooting and reliability become more difficult.” (Weick, 1987, S. 125) Als Beispiel für eine hoch konsistente Organisationskultur sei Goodyear genannt. Nach der ersten Analyse des Unternehmens durch den neuen CEO wurden die stark zentralisierte Struktur und das bürokratische Verhalten innerhalb dieser Struktur als Hauptgründe für die schwache Performance identifiziert. Die hoch konsistenten Organisationen innewohnende Veranlagung zu Integration und Koordination, sowie unternehmensweiten Absprachen resultierte hier in Schwerfälligkeit und – daraus ableitbar – in nicht zufrieden stellender Leistung.408 4.7.6 Charakteristika des Involvements Hohes Involvement charakterisiert Unternehmen, die ein hohes Ausmaß an Empowerment, teamorientierter Struktur und Weiterentwicklungsmaßnahmen für die Mitarbeiter-Innen aufweisen. Involvement generiert unter den MitarbeiterInnen ein Gefühl von Miteigentümerschaft und in weiterer Folge hohes Commitment bezüglich der Organisation selbst und den gesetzten Zielen. Wesentliches Element im Zuge der Implementierung von Involvement in Unternehmen ist Empowerment. Empowerment ist ein komplexes Konstrukt, unter dem ForscherInnen (Conger und Kanungo, 1988; Thomas und Velthouse, 1990; Randolph, 1995) wie PraktikerInnen unterschiedliche Merkmale und Wirkungsweisen subsumieren. Prinzipiell unterscheidet die Forschung zwischen zwei unterschiedlichen Perspektiven. Einer, die Em-
408
Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 23.
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powerment als delegativen Entscheidungsstil auffasst und der zweiten, die Empowerment als Prozess persönlicher Entwicklung definiert.409 Empowerment setzt voraus, dass die Mitglieder der Organisation Zugriff auf Informationen haben. Ohne Wissen darüber, wie sie selbst aber auch die Organisation arbeitet und wie das Unternehmen am Markt operiert, sind MitarbeiterInnen nicht in der Lage, über ihre Arbeit zu sprechen und sich auszutauschen. Es ist demnach wichtig, Unternehmensdaten und informationen aufzubereiten und den Mitgliedern zu helfen, diese zu verstehen.410 Der Marktanteil der Organisation, seine Wachstumsperspektiven, aber auch Informationen betreffend die Konkurrenz am Markt sind relevant. Um mit diesen Informationen umgehen zu können, bedarf es Trainings und Information. Die MitarbeiterInnen lernen, wie sie in kooperativer Form zusammenarbeiten, Tools für die Lösung etwaiger Probleme werden ihnen unterstützend zur Verfügung gestellt, um die Performance der Organisation mitgestalten zu können. Beispielsweise ließ Johnsonville Professoren für Finanzierung in das Unternehmen kommen, um die dort beschäftigten MitarbeiterInnen zu lehren, Financial Statements zu lesen und zu verstehen.411 Empowerment benötigt zudem Struktur. „Paradoxically, even though empowerment involves minimizing structure so employees can operate autonomously, a manager must start by imposing more, rather than less, structure.” (Randolph, 1995, S. 25) Die Einführung autonomer Strukturen in Form von Visualisierung und Festlegung der organisationalen Ziele und der Rolle jedes/jeder Einzelnen in diesem Prozess wirkt richtunggebend.412 Organisationen, die diesen Schritt verabsäumten, in der irrigen Annahme, Empowerment sei mittels partizipativen und unterstützenden Führungsstils einzuführen, scheiterten in der Implementierung. Randolph (1995) zufolge wird Empowerment durch Festlegung, wer welche Entscheidungen trifft und Prozessmanagement erreicht, im Rahmen dessen die MitarbeiterInnen für getroffene Entscheidungen Verantwortung übernehmen.413 Die Leistungsbeurteilung der überverantworteten Aufgaben ist im Rahmen von Empowerment anzupassen. „The typical performance appraisal process is almost inevitably disempowering. To be empowered, appraisals must be restructured as performance management processes, focused away from a manager’s appraisal of the employee, and toward collaboration and continuous improvement.” (Randolph, 1995, S. 26) Unternehmen haben somit auch den Prozess der Beurteilung an das vorab implementierte Empowerment anzugleichen.414 409
Vgl. Quinn und Spreitzer, 1997, S. 38. Vgl. Randolph, 1995, S. 30. 411 Vgl. Quinn und Spreitzer, 1997, S. 40. 412 Vgl. Quinn und Spreitzer, 1997, S. 39. 413 Vgl. Randolph, 1995, S. 30. 414 Vgl. Quinn und Spreitzer, 1997, S. 39. 410
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Team Orientation ist ein weiteres Charakteristika von Involvement. Neue Strukturen und mehr Autonomie in den Arbeitsabläufen führen zu Veränderungen in der Hierarchie. Anstelle unzähliger Ebenen innerhalb des Unternehmens soll mittels Teams Hierarchie abgebaut werden.415 Durch den Wegfall von Hierarchien, bedingt durch eine Reduktion an Managementebenen, entstehen größere Kontrollspannen, die in einer Entscheidungsleere resultieren können. Entscheidungen sind trotz Teamstruktur zu treffen, es stellt sich jedoch die Frage, wo und von wem?416 Entscheidungen in Organisationen gewinnen zunehmend an Komplexität, die das Involvement mehr als nur einer Person benötigen. Teams, die in ihren Bemühungen Synergien erzeugen können, bieten nicht nur mehr an Wissen zur Erhöhung der Qualität der Entscheidung an, sondern verfügen durch die neuen Strukturen zudem über einen Pool an Unterstützung aus dem Kreis der KollegInnen. Sie sind somit in der Lage, Entscheidungen zu treffen, sie zu implementieren und gegenüber dem Management zu verantworten. Das Unternehmen Food Corp stattete seine Teams mit vergleichsweise mehr Verantwortung aus als die Konkurrenz am Markt.417 Nach mehreren Jahren der Entwicklung arbeiteten und handelten diese Teams wie das Management Einstellungen, Entlassungen und Performancebeurteilungen der Teammitglieder, Termin- und Arbeitsplanung sowie Abwicklung des Budgets wurden vom Team selbst übernommen und erfolgreich durchgeführt. Die Teams der Food Corp managten sich selbst und brachten der Organisation hervorragende Kennzahlen und den MitarbeiterInnen Arbeitszufriedenheit.418 Involvement erfordert kontinuierliche Trainings und Weiterbildungen, um die Informationen zu verstehen und Wissen generieren zu können. Den Mitgliedern der Teams, den MitarbeiterInnen und dem Management einer High-Involvement Organisation ist zu zeigen, wie kooperativ Entscheidungen zu treffen sind, dass Konflikte positive Energien enthalten und gemeinsame Zielsetzungen Commitment erzeugen.419 Quinn und Spreitzer (1997) schreiben, dass den Teams zu vermitteln ist, dass Involvement die Übernahme von Verantwortung für Entscheidungen, Arbeitsabläufe und Resultate impliziert. Nur durch ein derartiges Sichtbarmachen wird erreicht, dass die MitarbeiterInnen tatsächlich Risiken eingehen und initiativ handeln.420 Trotz dieser Idealvorstellungen von Involvement, ist der Übergang von alten auf neue Strukturen mit Schwierigkeiten verbunden. Die MitarbeiterInnen wissen manchmal nicht, was von Ihnen erwartet wird, was zu tun ist und machen das Management für Probleme verantwortlich. Dieses befindet sich jedoch ebenfalls in einem Lernprozess, in dem es nicht immer Hilfestellungen und Richtung für die Mitglieder der Organisation anbieten kann.421 Schritt-
415 416 417 418 419 420 421
Vgl. Quinn und Spreitzer, 1997, S. 39. Vgl. Randolph, 1995, S. 28. Vgl. Randolph, 1995, S. 28. Vgl. Randolph, 1995, S. 28. Vgl. Randolph, 1995, S. 28. Vgl. Randolph, 1995, S. 29; Quinn und Spreitzer, 1997, S. 40 f. Vgl. Randolph, 1995, S. 29.
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weise internalisieren sowohl Teams als auch Management das Training, die Schwierigkeiten des Prozesses reduzieren sich und die Performance in Organisationen mit hohem Involvement steigt. 4.7.7 Die organisationskulturbedingten Merkmale im Spannungsfeld von internem und externem Fokus Parallel zu den vier organisationskulturellen Traits, die aus der Forschungsarbeit mit den Unternehmensfallstudien resultieren, nahm Denison den Versuch vor, sie einem Raster aus externem Fokus – internem Fokus, sowie Flexibilität – Stabilität zuzuordnen.422 Hier knüpft Denisons Arbeit erneut an das Modell von Schein an, da auch dieses zwischen Adaptionsund Integrationsleistungen unterscheidet. Denison schreibt in diesem Zusammenhang: „For example, involvement and consistency have as their focus the dynamics of internal integration, while mission and adaptability address the dynamics of external adaptation. This focus is consistent with Schein’s (1990, p. 111) observation that culture is developed as an organization learns to cope with the dual problems of external adaptation and internal integration.” (Denison und Mishra, 1995, S. 216) Adaptability und Involvement werden dabei mit der Fähigkeit von Organisationen, Wandel herbeizuführen, in Beziehung gesetzt, während Mission und Consistency die Leistung der Organisation, Stabilität und Vorhersehbarkeit zu garantieren abbilden. Basisanliegen des Modells ist es daher, den trade-off zwischen Stabilität und Flexibilität einerseits und internen und externen Fokus andererseits, darzustellen, mit dem parallelen Anliegen, die Spannungen zwischen interner Konsistenz, externer Adaption und zwischen top-down Mission und bottom-up Involvement zu vermitteln.423 Die vier organisationskulturbedingten Merkmale werden in Denisons Arbeit (1990, 1995, 1997) nicht isoliert betrachtet, als vielmehr im Verhältnis zueinander. Erfolgreiche Organisationen versuchen den beschriebenen trade-off zwischen Stabilität und Flexibilität sowie internem - externem Fokus möglichst gering zu halten. Marktorientierte Organisationen, mit einer starken Betonung der Flexibilität, die die Geschäftschancen bestimmt und aggressiv nach Außen hin verfolgen, klagen über fehlende interne Integration. Dahingegen kämpfen extrem gut koordinierte, kontrollierte und nach innen integrierte Unternehmen mit Problemen mangelnder Kundenorientierung (fehlende Außenorientierung). Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich für Organisationen mit einer aussagekräftigen und mitreißenden Vision. Hier fordern die MitarbeiterInnen mehr Mitbestimmung und Mitsprache in Form von Empowerment. Alleine die Formulierung einer organisationsweiten Mission impliziert nicht notwendigerweise Unterstützung und Commitment durch die Organisationsmitglieder. Ebenso wenig verfügen stark 422 423
Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 216; Denison, 2001, S. 357. Vgl. Denison, 2001, S. 357.
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involvierte MitarbeiterInnen automatisch über eine klare, gemeinsame strategische Ausrichtung.424 Vor diesem Hintergrund ist es für Organisationen äußerst relevant, die Balance zu finden, trade-offs zwischen den vier organisationskulturbedingten Merkmalen möglichst zu minieren, um effektiv zu sein und eine zufriedenstellende Performance zu zeigen. Durch die Beschreibung der Entstehung beziehungsweise Entwicklung des Modells von Denison sowie die Definition der vier Traits von Organisationskultur (organisationskulturbedingte Merkmale) wurde Denisons Arbeit dargestellt. Die qualitative Fallstudienarbeit führte in weiterer Folge zu einer exploratorischen, quantitativen Untersuchung mittels Fragebogendesigns (ausführlicher dazu siehe Kapitel 6: Methodik). Die Entwicklung dieser vier kulturellen Traits basiert auf der theoretischen Ebene der bekundeten Werte nach Schein (1985), die Ausdifferenzierung in externer – interner Fokus sowie Flexibilität – Stabilität erfolgt ebenfalls in Anbindung an Scheins (1995) Aufgabenklassifikation.425 4.7.8 Begründung der Auswahl des Modells von Denison Es stellt sich nach Vorstellung des Modells von Denison die Frage, was die Auswahl dieses Kulturerhebungsinstruments bedingt. Die direkte Verbindung zwischen Schein und Denison, aber auch die Art und Weise, wie Denison sein Modell mit der Organisation, dem Management einerseits und der Performance andererseits, verbindet, bedingt das Heranziehen dieser beiden Konzepte. Das Modell von Denison geht über alternative Operationalisierungen von Organisationskultur hinaus. Der für diese Arbeit relevanten Ebene bekundeter organisationaler Werte widmet sich Denison umfassend theoriegeleitet und empirisch. Gründe für diese intensive Verlinkung von Scheins Ebene der bekundeten Werte und dem Modell der kulturellen Traits sind einerseits durch die wissenschaftstheoretische Verankerung von Denison selbst begründet, die sich in der theoretischen Fundierung der Traits ablesen lässt, andererseits durch die jahrelange, konsequente Forschungsarbeit, die sich in der hohen Reliabilität und Validität des Modells niederschlägt.426
424 425 426
Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 216 f.; Denison, 2001, S. 357. Vgl. Schein, 1995, S. 64 ff. Durch die jahrelange Forschungsarbeit von Denison weist das Modell hervorragende Alpha Werte auf (>0.7). Diese Angaben, wie auch jene betreffend Reliabilität und Validität des Konstruktes sowie Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Kultur und Performance, wurden durch zahlreiche verwandte wissenschaftliche Arbeiten (siehe dazu auch Abschnitt 5.2, S. 121) bestätigt. Näheres zu diesen Werten siehe Kapitel 6, S. 133 ff. (Methodik).
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Scheins Ebenenmodell hat einige ForscherInnen (Chatman und Jehn, 1994; Denison, 1990; Martin, 2002) angeleitet, eigene Operationalisierungen von Organisationskultur zu entwickeln. Neben der teils mangelnden theoretischen Herleitung dieser Modelle sowie der dichotomen Operationalisierung der Fragen, mangelt es diesen auch an Reliabilität und Validität. O’Reilly, Chatman und Caldwell (1991) hingegen präsentieren ein auf der Ebene der Werte angesiedeltes Modell, das auf einer fundierten theoretischen Basis fußt. Die AutorInnen gehen davon aus, dass Werte gemeinsam mit Normen, Symbolen und Riten, bewusst und unbewusst, als Initialelemente von Organisationen agieren, auf Basis derer sich kulturelle Aktivitäten erneuern.427 Sie beziehen sich dabei auf Parsons (1951), demzufolge kulturelles Leben und Tradition aus diesen Werten entsteht, die auch als Entscheidungskriterien organisationalen Lebens definiert werden. „… [elements] of shared symbolic system which serves as a criterion or standard for selection among the alternatives of orientation which are intrinsically open in a situation.” (Parsons, 1951, S. 11 f.) Die Basiswerte der Organisation werden im Rahmen der Arbeit von O’Reilly, Chatman und Caldwell (1991) als internalisierte normative Vorstellungen definiert und in weiterer Folge mit den individuellen Werten der Organisationsmitglieder in Zusammenhang gebracht. Dabei gehen sie von der Vermutung aus, dass ein optimaler Fit dann erreicht wird, wenn die Werte der Organisation in das Selbstkonzept der eingetretenen Mitglieder passen, die Werte also kongruent sind. Die vorliegende Arbeit widmet sich nicht dieser Gegenüberstellung organisationaler und individueller Werte, demzufolge erscheint das Instrument für die weitere Vorgehensweise nicht geeignet. Scheins Definition der Organisationskultur wird häufig im theoretischen Teil von Forschungsarbeiten428 herangezogen, bleibt jedoch in weiterer Folge isoliert und ohne Bezugnahme in der Entwicklung von Forschungsfragen. Ein weiterer Kritikpunkt betreffend alternative Operationalisierungen von Organisationskultur bezieht sich auf die Vermischung der Konstrukte Organisationskultur und Organisationsklima.429 Ausgehend von Scheins Definition wird hier zwischen Kultur und Klima gemischt und nach Ansicht der Autoren passende Elemente in ein Modell integriert.430 „Even more perplexing, however, is the fact that many of these recent quantitative culture studies have become virtually indistinguishable from the research in the older and now neglected tradition of organizational climate. Why is it, for example, that when Chatman (1991) asked questions about risk taking as an organizational trait, the field of organizational studies labeled it as ‘organizational culture’, yet when Litwin and Stringer (1968) asked similar questions about risk taking, that the field labeled it as ‘organizational climate’?” (Denison, 1996, S. 620)
427
Vgl. O’Reilly, Chatman und Caldwell, 1991, S. 491 ff. Siehe dazu u.a. Calori und Sarnin (1991), Chatman (1991); Kotter und Heskett (1992). 429 Siehe dazu Chatman (1991) sowie Marcoulides und Heck (1993). 430 Siehe dazu das Modell von Marcoulides und Heck (1993). 428
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Diesen Ausführungen zufolge, bedingt die stringente Vorgehensweise Denisons in der Operationalisierung von bekundeten Werten, gepaart mit der starken Bezugnahme auf Schein die Auswahl des Modells für diese Arbeit. Vor diesem theoretischen Hintergrund soll im folgenden Kapitel die Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale erfolgen.
5. Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale In Kapitel 4 wurde die theoretische Basis, das Konzept Organisationskultur, die damit verbundenen Charakteristika, Konsequenzen und theoretischen Ansätze vorgestellt. Die empirische Arbeit von Denison selbst zeigte einige Ergebnisse zum Zusammenhang von organisationskulturbedingte Merkmale und Performance, konzentrierte sich jedoch dabei auf die Gesamtperformance von Unternehmen. Die Beantwortung der Problemstellung wird mit der Forschungsfrage dargestellt (5.1). In Abschnitt 5.2 werden mögliche theoretische Erklärungsansätze systematisch vorgestellt und im Hinblick auf die vier organisationskulturbedingten Merkmale nach Denison (1995, 2001) analysiert. Ziel dieses Kapitels ist es, auf theoretischer Basis Export Performance durch bekundete Werte (= kulturbedingte Merkmale) zu erklären und Hypothesen für die empirische Untersuchung zu entwickeln. 5.1 Die Forschungsfrage Welchen Einfluss haben organisationskulturbedingte Merkmale auf die Export Performance von Klein- und Mittelunternehmen? Abgesehen von der wissenschaftlichen Relevanz der Fragestellung durch die Erweiterung des „rein“ betriebswirtschaftlichen Erklärungsansatzes von Exporterfolg um einen Ansatz, der Organisationskultur in die Erklärung mit einbezieht, ist die praktische Bedeutung hoch einzuschätzen. Die Internationalisierung von Unternehmen ist eine immer wichtiger werdende Möglichkeit für Unternehmen, Umsätze auf ausländischen Märkten zu lukrieren. Dabei wird häufig die Bedeutung von unternehmensinternen Prozessen vernachlässigt. Ziel ist es daher, durch Analyse organisationskultureller bekundeter Werte und deren Ausprägung die Export Performance von Unternehmen zu erklären und Wissen darüber zu generieren, welche Auswirkungen für die Unternehmen daraus resultieren. 5.2 Theoretische Erklärungsansätze zum Einfluss der organisationskulturbedingten Merkmale auf die Export Performance Gegenwärtig ist der Autorin keine systematische theoretische oder empirische Analyse bekannt, die sich mit der Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale in Klein- und Mittelunternehmen beschäftigt. In diesem Abschnitt wird demzufolge versucht, theoretische Erklärungsansätze für den Zusammenhang der beiden Konstrukte zu identifizieren. Ausgangspunkt für dieses Vorhaben ist eine Darstellung von Untersuchungen, die sich mit Organisationskultur und genereller Performance auseinandergesetzt haben.
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Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale
Die Idee, Export Performance oder auch Exporterfolg durch organisationskulturbedingte Merkmale beziehungsweise deren Ausprägungen zu erklären, basiert auf Ansätzen von ForscherInnen und AutorInnen, die die generelle Performance einer Organisation in Verbindung mit Organisationskultur setzten. Erste Versuche dieser Art stammen von Deal und Kennedy (1982) und Peters und Waterman (1982), in späterer Folge von Kotter und Heskett (1992), die davon ausgingen, dass Organisationskultur Performancezahlen der Organisation beeinflusst. Denison (1984, 1995, 1997, 2003) untersuchte die Beziehung zwischen organisationskulturbedingten Merkmalen und organisationaler Effektivität, ausgedrückt in Return on Assets (ROA, auch Anlagenrendite), Wachstum, Profit und MitarbeiterInnenzufriedenheit und zeigte mittels Korrelationsanalysen, dass zwischen organisationskulturbedingten Merkmalen und Performance ein Zusammenhang besteht. Auf den ersten Ergebnissen der Studie aus dem Jahr 1984 bauten zahlreiche weitere Studien auf. So analysierten Calori und Sarnin (1991) in ihrer hypothesengenerierenden Untersuchung den Zusammenhang zwischen „starker“ Organisationskultur und Geschäftserfolg von französischen Unternehmen. In der Arbeit mit kulturellen Attributen und damit verbundenen Managementpraktiken zeigten sie auf, dass Teamgeist, Verantwortungsgefühl, Vertrauen, aber auch Antizipation, Qualität und konsistentes Auftreten mit der relativen Performance der Organisation positiv korrelierten.431 Ebenso war eine positive Korrelation zwischen der Intensität und Homogenität der Organisationskultur und dem relativen Marktwachstum festzustellen, wohingegen ein gewisses Ausmaß an Flexibilität und Offenheit in den kulturellen Ausprägungen in positiver Beziehung zum Return on Investment (ROI) stand.432 Gordon und DiTomaso (1992) untersuchten die Beziehung zwischen „starker“ Organisationskultur, kulturellen Werten und Performance. Einigkeit unter den MitarbeiterInnen betreffend die eigene Organisationskultur wurde in dieser Studie als „Stärke“ von Kultur definiert. Adaptionsfähigkeit und Stabilität repräsentierten die untersuchten Werte. Auch diese Forschungsarbeit beruft sich auf Denison (1984) und kam zu dem Ergebnis, dass Konsistenz in der Vorstellung und Wahrnehmung von Unternehmenswerten als Prognoseinstrument kurzfristiger Performance – gemessen im Wachstum der Anlagenrenditen – herangezogen werden kann.433 Der Vergleich der Ergebnisse dieser Studie zu anderen ist jedoch weniger aussagekräftig, da das Sample ausschließlich Versicherungsunternehmen umfasste und diese gänzlich andere Performancedaten (u. a. kein ROI) aufweisen.434
431 432 433 434
Vgl. Calori und Sarnin, 1991, S. 71 ff. Vgl. Calori und Sarnin, 1991, S. 71 ff. Vgl. Gordon und DiTomaso, 1992, S. 783 ff. Vgl. Gordon und DiTomaso, 1992, S. 783 ff.
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Während die beiden dargestellten Forschungsarbeiten in enger Anlehnung an Denison (1984) entstanden sind, entwickelten Marcoulides und Heck (1993) ein alternatives Modell. Organisationskultur wird auch in dieser Studie als multidimensionales Konstrukt definiert, das sich aus mehreren miteinander verbundenen Prozessen, wie beispielsweise Struktur, Werten, Aufgaben, Klima und Einstellungen der MitarbeiterInnen zusammensetzt. Die Leistung einer Organisation wird anhand des Gewinns und des Marktanteils operationalisiert.435 Forschungsinteresse von Chatman und Jehn (1994) war die Darstellung der Beziehung zwischen Organisationskultur und Branchencharakteristika. Unter dem Terminus Branchencharakteristika verstehen die Autorinnen Technologie und Wachstum und diese Merkmale der Performance verknüpfen sie mit Organisationskultur.436 Dabei greifen sie im Rahmen der Operationalisierung von Organisationskultur – konzeptualisiert und quantifiziert als gemeinsam geteilte und starke Werte – auf das Organizational Culture Profile (OCP) zurück. Das von O’Reilly, Chatman und Caldwell (1991) entwickelte Diagnoseinstrument identifiziert sieben organisationskulturelle Werte: Innovation, Stabilität, respektvollen Umgang untereinander, Ergebnisorientierung, Detail- und Teamorientierung und Aggressivität, die nach eingehender Reliabilitäts- und Validitätsprüfung mit den beschriebenen Charakteristika der Industrie in Beziehung gesetzt wurden.437 Es wurde ein Zusammenhang zwischen diesen organisationalen Werten und den Charakteristika der Branche festgestellt, der die Autorinnen zur Feststellung veranlasste, dass Organisationskultur als Wettbewerbsvorteil sowohl in Forschung als auch in der Praxis mehr an Beachtung beigemessen werden sollte.438 Eine weitere Studie von Carmeli und Tishler (2004) beschäftigte sich mit der Beziehung zwischen immateriellen Werten (= Organisationskultur wird u.a. darunter subsumiert) und finanzieller Performance. Konzeptualisiert und empirisch getestet wurde Organisationskultur auf Basis der Arbeit von Denison.439 Der Geschäftserfolg der befragten Organisationen konnte im Rahmen dieser Studie durch organisationskulturelle Werte erklärt werden. Einschränkend gilt auch hier der Hinweis, dass die Autoren Organisationskultur gemeinsam mit Managementkompetenzen und -fähigkeiten, wahrgenommener Reputation der Organisation und Arbeitsbeziehungen gemessen haben.440
435 436 437
438 439 440
Vgl. Marcoulides und Heck, 1993, S. 216 ff. Vgl. Chatman und Jehn, 1994, S. 522 ff. Vgl. O’Reilly, Chatman und Caldwell, 1991, S. 516; Chatman und Jehn, 1994, S. 525. Näheres zu dieser Studie siehe dazu auch Abschnitt 4.7.2. Vgl. Chatman und Jehn, 1994, S. 522. Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 204. Vgl. Carmeli und Tishler, 2004, S. 1259 ff.
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Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale
Durch die Vorstellung und Beschreibung der angeführten Forschungsarbeiten wurde ein Überblick über die durchgeführten Studien zum Zusammenhang Organisationskultur und organisationale Performance gegeben. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich um ausgewählte Arbeiten handelt. Die Studien von Martin, Sitkin und Boehm (1985) oder Alvesson (2002) stehen stellvertretend für weitere Arbeiten in diesem Feld beziehungsweise zu dieser Thematik.441 Ziel war es, jene Forschungsarbeiten exemplarisch darzustellen, die sich mit einer ähnlichen Problemstellung, wenn auch auf alternativen Theorien und Modellen aufbauend, beschäftigt haben. Einige der eben vorgestellten ForscherInnen arbeiteten dabei auf Basis der Konzeptualisierung und Operationalisierung von Organisationskultur durch Denison. Auch im Rahmen dieser Arbeit bildet das in Abschnitt 4.7.2 vorgestellte Modell den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Hypothesen, die in den folgenden Abschnitten hergeleitet werden. 5.2.1 Adaptability Im Abschnitt 4.7.2 wurde dargestellt, durch welche Charakteristika der organisationskulturelle Wert Adaptability gekennzeichnet ist. Adaptive Organisationen werden als - kundennah, - veränderungswillig und - lernfähig definiert. KundInnen zu verstehen, flexibel auf deren Wünsche und Anregungen zu reagieren, mögliche Änderungen in der Umwelt auch zu antizipieren und diese vorweg zu nehmen, sind Merkmale adaptiver Unternehmen.442 Weniger adaptive Organisationen werden als bürokratisch beschrieben, ihre Mitglieder als risikoavers, reaktiv und wenig kreativ in ihren Lösungen. Parallel dazu dämpft die weit verbreitete starke Betonung von Kontrolle Motivation und Enthusiasmus.443 Kilmann (1990) nennt Organisationen mit dem nicht existenten Wert der Adaptability „dysfunktional“ und schreibt ihnen selbst zerstörerisches Verhalten zu. Mikropolitische Machtspiele beispielsweise schaden dem Unternehmen, erfahren aber oftmals Unterstützung wobei sie in Problemen resultieren, da sie nicht nur die Werte und Normen der Organisation untergraben, sondern auch die Performance.444 Denison und Mishra (1995) zeigen mittels
441 442 443 444
Siehe dazu Martin, Sitkin und Boehm (1985). Vgl. Denison und Mishra, 1995, S. 215; Denison, 1997, S. 11 ff. Vgl. Kotter und Heskett, 1992, S. 44 f. Vgl. Kilmann, 1990, S. 354 ff. Er registriert in diesem Zusammenhang: „These behaviors include doing the minimum to add by, purposely resisting or even sabotaging innovation, and being generally negative about the organization’s capacity to change.” (Kilmann, 1990, S. 355)
Erklärung der Export Performance durch organisationskulturbedingte Merkmale
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Korrelationen, dass zwischen Adaptability und der Gesamtperformance einer Organisation signifikante Zusammenhänge existieren (r=0,18; p3,84)
Tabelle 29: F²-Differenztest
Um neben der Konvergenzvalidität auch die Diskriminanzvalidität der Konstrukte feststellen zu können, wird diese in einem nächsten Analyseschritt getestet. Mittels F²-Differenztest ist diese Überprüfungen möglich. Wie aus Tabelle 29 ersichtlich wird, erweisen sich alle möglichenF²-Differenzen als signifikant (>3,84). Die Messung erfolgt somit auf Basis des F²Differenztests diskriminanzvalide.
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Methodik
Unter Bezugnahmen auf die gewonnnen Daten wird die Operationalisierung der latenten Konstrukte als zufrieden stellend und gelungen betrachtet. Insgesamt werden 10 Indikatorvariablen zur Messung der vier latenten Konstrukte verwendet, wobei diese Messung sowohl reliabel als auch valide erfolgt.
7. Ergebnisse der Erhebung Ziel dieses Kapitels ist die Analyse der Daten. Dabei wird zunächst das Sample beschrieben (7.1). Darauf folgt die Analyse der abhängige Variable, der Export Performance operationalisiert durch die Exportquote (7.2). Daran anschließend werden in Abschnitt 7.3 die unabhängigen Variablen, die organisationskulturellen Traits analysiert, bevor der Zusammenhang zwischen den Traits und der Exportquote mittels bivariater Korrelationen untersucht wird (7.4). In einem nächsten Schritt erfolgt die Erklärung der Forschungsfrage auf multivariater Ebene (7.5) bevor das Kapitel mit der Zusammenfassung der Resultate, den Implikationen basierend auf den Ergebnissen und dem Ausblick auf künftige Forschungsarbeiten endet (7.6). 7.1 Beschreibung des Samples Die Erhebung wurde bei Klein- und Mittelunternehmen in ganz Österreich durchgeführt. Insgesamt wurden 101 Unternehmen befragt. Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 44 Jahren; 10 % sind davon weiblich, 90 % männlich. 39,6 % der befragten Führungskräfte verfügen über ein abgeschlossenes Universitätsstudium, 40, 6 % über eine Matura. 51 % der ManagerInnen sind als Vorstandsvorsitzende beziehungsweise in der Geschäftsführung tätig, 45 % leiten die Marketing- und Vertriebsabteilung des Unternehmens.509 Abgeschloss enes Studium
BHS Matura
AHS Matura
Berufsreifepruefung
Pflichtschule
Sonstiges
0
10
20 Prozent
Abbildung 14: Ausbildung der Befragten
509
Vgl. Kasper, Loisch und Müller, 2005, S. 29 ff.
30
40
Ergebnisse der Erhebung
148
GF/Vorstandsvorsitzender
Marketing und Vertrieb
Finanz und Controlling
Logistik
HR
0
10
20
30
40
50
Prozent
Abbildung 15: Funktion der Befragten
Die durchschnittliche Organisationszugehörigkeit beträgt 13 Jahre, wobei 29,7 % der Befragten seit über 15 Jahren im jeweiligen Unternehmen arbeiten. 38,6 % sind zwischen 6 und 15 Jahren in der Organisation beschäftigt und knapp 30 % weniger als fünf Jahre.
6 bis 15 Jahre
> 15 Jahre
< 5 Jahre
0
10
20
30
Prozent
Abbildung 16: Zugehörigkeitsdauer
40
Ergebnisse der Erhebung
149
Von den befragten Unternehmen sind 17,8 % relativ jung, das heißt sie wurden im Zeitraum 1990-2004 gegründet. Der Großteil der Organisationen (49,5 %) wurde in der Zeit zwischen 1950 und 1990 gegründet.510
1950-1989
1900-1949
1990-2004
1800-1899
1418-1738
0
10
20
30
40
50
60
Prozent
Abbildung 17: Alter der Organisationen
Die Zuteilung der Unternehmen zu Branchen erfolgte anhand des Branchenverzeichnisses der Wirtschaftskammer. Mit einem Anteil von 15,6 % bildet die Sparte „Holz, Möbel“ die am stärksten vertretene Branche im Sample, gefolgt von „Eisen- und Hartwaren“ (14,6 %), „Nahrungs- und Genussmittel“ (13,5 %) sowie „Chemische Industrie und Kunststoffe“ mit 5,2 %.511 Von den 101 befragten Organisationen sind 34,7 % im städtischen Bereich angesiedelt, 65,3 % im ländlichen Gebiet. Genauer betrachtet sind knapp 31 % der Organisationen in der Steiermark angesiedelt, 18,8 % in Oberösterreich, 11,9 % in Salzburg. In Niederösterreich und Kärnten sind jeweils 8,9 % der Unternehmen angesiedelt jeweils 6,9 % im Burgenland und Wien. 4 % der Organisationen haben ihren Firmensitz in Vorarlberg, 3 % in Tirol. Nach Regionen zusammengefasst, befinden sich von den 101 Organisationen des Samples 23,7 % in der Region „Osten“ (Wien, Niederösterreich und Burgenland), 39,2 % in der Region „Westen“ (Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg) und 37,1 % in der Region „Süden“ (Steiermark und Kärnten). Tabelle 28 und 29 stellen das Sample überblicksartig dar.512
510 511 512
Vgl. Kasper, Loisch und Müller, 2005, S. 29 ff. Vgl. Kasper, Loisch und Müller, 2005, S. 29 ff. Die Region „Norden“ fehlt in der Untersuchung nicht. Die Betriebe beispielsweise im Norden Niederösterreichs wurden nicht von der Gesamtregion Niederösterreich, die zur Region „Osten“ zählt getrennt.
Ergebnisse der Erhebung
150
W esten
Süden
Osten
0
10
20
30
40
Prozent
Abbildung 18: Regionale Verteilung des Samples
Mittelwert
Std.Abw.
n
Alter der Befragten
44,19
9,50
101
Geschlecht
Männlich 90,1 %
Weiblich 9,9 %
101
Zugehörigkeitsdauer
Mittelwert 12,57
Std.Abw. 10,18
99
Tabelle 30: Beschreibung der Befragten
Alter der Organisation
Mittelwert
Std.Abw.
n
62,86
85,25
101
Größe der Organisation
111,29
107,78
97
Jahresumsatz 2000
16.615.680,92
20.211.531,72
87
Jahresumsatz 2002
17.932.361,54
21.462.398,41
87
Standort
Städtisch 34,7 %
Ländlich 65,3 %
101
Einwohneranzahl
161.976,56
482.733,02
101
Tabelle 31: Beschreibung der Organisationen
Ergebnisse der Erhebung
151
7.2 Beschreibung der Exportquote (abhängige Variable) Ziel dieses Abschnitts ist die Analyse der Exportquote. Dabei wird sowohl die abhängige Variable – Exportquote des Jahres 2000 sowie 2002 – beschrieben, als auch grafisch anhand einer Gruppierung dargestellt. Zusätzlich wird die Bedeutung des Exports für die Organisationen deskriptiv dargestellt, um sämtliche relevante Informationen aufzuzeigen (siehe auch Tabelle 32).513 Mittelwert
Median
Std.Abw.
Minimum
Maximum
n
Exportquote 2000
45,43 %
44 %
32,42 %
0,00
99 %
90
Exportquote 2002
50,42 %
50,50 %
31,01 %
0,00
99 %
90
Bedeutung von Export in Vgh.a)
1,95
1,00
1,18
1,00
5,00
97
Bedeutung von Export aktuell
1,61
1,00
1,04
1,00
5,00
97
Bedeutung von Export in Zukunft
1,39
1,00
0,86
1,00
5,00
97
Tabelle 32: Detailergebnisse der Exportquoten und –daten a)
Die Skalierung der Fragen zur Bedeutung oder auch Wichtigkeit von Export für das Unternehmen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfolgte nach 1 = sehr wichtig, bis 5 = sehr unwichtig.
Die Bedeutung des Exports für die Organisationen steigt stetig an. Während 51,5 % der Befragten angaben, dass der Export in der Vergangenheit als sehr wichtig betrachtet wurde, stufen ihn gegenwärtig bereits 67 % als sehr wichtig ein. 14,4 % der Unternehmen empfanden das Exportgeschäft in der Vergangenheit als eher unwichtig, dieser Anteil ist aktuell auf 7,2 % gesunken. In der Zukunft wird die Bedeutung des Exports nach Ansicht der Befragten weiter ansteigen. 76,3 % der Unternehmen schätzen den Export für ihre eigene zukünftige Tätigkeit als sehr wichtig ein, während die Anzahl derer, die Exportaktivität als eher unwichtig erachten, sich erneut nach unten korrigiert – lediglich 3,1 % sind dieser Kategorie zuzurechnen. 7.3 Analyse der organisationskulturbedingten Merkmale (unabhängige Variablen) In diesem Abschnitt werden die Zusammenhänge der einzelnen organisationskulturellen Traits (= organisationskulturbedingte Merkmale) nach Denison untereinander analysiert (unabhängige Variablen). Dazu wird zunächst untersucht, ob die einzelnen Traits (Adaptability, Mission, Consistency und Involvement) signifikant miteinander korrelieren oder voneinander unabhängig existieren und wirken. Basierend auf der methodisch geprüften Trennschärfe (Prüfverfahren zur Diskriminanzvalidität der latenten Konstrukte, siehe auch Abschnitt 6.4.2, Seite 143) wurden nach Babin und Boles (1998) sowie Denison (u.a. 2001) für die weitere
513
Vgl. Kasper, Loisch und Müller, 2005, S. 52 ff.
Ergebnisse der Erhebung
152
Analyse der Traits summierte Indikatoren gebildet.514 Tabelle 33 zeigt die Korrelationsmatrix der latenten Konstrukte auf Basis des gesamten Samples. Adaptability
Adaptability
Mission
Consistency
Involvement
1
0,417**
0,393**
0,518**
Mission
0,417**
1
0,647**
0,552**
Consistency
0,393**
0,647**
1
0,470**
Involvement
0,518**
0,552**
0,470**
1
**p